Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der Haushaltsentwurf des Bundesinnenministeriums weist wieder Rekordzahlen auf, sein Volumen steigt um 720 Millionen Euro auf rund 15,3 Milliarden Euro. In ihm spiegeln sich fünf wichtige Kernbereiche für unser Land wider. Mit diesen fünf Kernbereichen möchte ich mich in aller Kürze beschäftigen.
Das erste Kernthema ist die Stärkung der inneren Sicherheit. Deutschland, liebe Kolleginnen und Kollegen, gehört zu den sichersten Ländern der Welt. Mit der Politik der letzten Jahre haben wir dazu beigetragen, Deutschland noch ein Stück sicherer zu machen.
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Die Gründe liegen vor allem im Personalaufwuchs, in der Ausweitung der Befugnisse für unsere Sicherheitsbehörden, aber auch in der sächlichen Ausstattung. Das drückt sich aus in Folgen, die unbestreitbar sind, nämlich in der objektiven Kriminalstatistik. Wir haben bei der Zahl der Straftaten den niedrigsten Wert seit Anfang dieses Jahrhunderts, und wir haben die höchste Aufklärungsquote seit dem Jahre 2005. Nie war die Aufklärungsquote von Straftaten in unserem Lande höher als jetzt, und dafür möchte ich unseren Sicherheitsbehörden herzlichen Dank sagen.
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Es gibt zwischendurch leider immer wieder im Einzelfall schreckliche Verbrechen
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wie zuletzt auf dem Bahnhof in Frankfurt. Wir werten all diese Verbrechen aus und versuchen, wo immer es geht, noch weitere Verbesserungen in der Prävention zu tätigen.
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Deshalb fand gestern auch ein Spitzengespräch mit dem Verkehrsminister und der Deutschen Bundesbahn statt,
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und wir werden heute die Ergebnisse im Einzelnen veröffentlichen.
Ich möchte heute eine Gefährdungslage ansprechen, die für die Haushaltsberatungen von höchster Bedeutung ist. Wir hatten jetzt ein umfangreiches Gespräch mit unseren Sicherheitsbehörden, und ich muss dem Parlament mitteilen, dass sich neben der Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus, die trotz dieser guten allgemeinen Kriminalstatistik nach wie vor hoch ist, ein zweiter Bereich herausgebildet hat,
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den wir jetzt auch einstufen in die Gefährdungslage „Hoch“. Das ist die Gefährdung durch den Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus.
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Auch dort ist höchste Sorgfalt, höchste Aufmerksamkeit geboten. Wir statten deshalb das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz mit neuen Einheiten aus, die sich speziell auf diesen Komplex konzentrieren.
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Ich bitte jetzt schon darum, uns im Rahmen der Haushaltsberatungen auch die dafür notwendige Mittelausstattung, insbesondere die Planstellen, zur Verfügung zu stellen. Das sind nicht 10 Planstellen, es sind auch nicht 30, sondern da geht es in die Hunderte. Diese sind notwendig, wenn wir eine wirksame Abwehr der Gefahr durch den Rechtsextremismus und den Rechtsterrorismus in unserem Lande haben wollen.
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Darum bitte ich Sie.
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Der zweite Kernbereich ist die Steuerung der Migration. Wir haben jetzt im zweiten Jahr in Folge einen deutlichen Rückgang der Zahl der Asylanträge; das gilt auch für dieses Jahr. Wir liegen mit hoher Wahrscheinlichkeit – mit höchster Wahrscheinlichkeit – auch Ende des Jahres weit unter dem Korridor, den wir in der Koalition vereinbart haben, nämlich 180 000 bis 200 000. Wir haben die Dauer der Asylverfahren deutlich beschleunigt. In den AnKER-Zentren liegt sie mittlerweile bei unter zwei Monaten. Das ist ein hervorragender Wert für die Bearbeitung so schwieriger Sachverhalte. Da möchte ich auch dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge danken. Sie wissen, dass das über weite Strecken meiner Amtszeit eine Behörde war, die immer in der Diskussion stand. Aber sie ist konsolidiert und liefert hervorragende Arbeit.
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Was steht hier an? Wir brauchen dringend, wenn jetzt die neue Kommission im Amt ist, eine gemeinsame europäische Asylpolitik. Der Migrationsdruck von allen Seiten ist nach wie vor hoch. Ich bin der Kanzlerin dankbar, dass sie gestern mit dem türkischen Präsidenten telefoniert hat
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wegen der Situation in der Türkei und Griechenland. Wir haben vom Süden her, aus Afrika, nach wie vor einen beachtlichen Migrationsdruck. Deshalb ist es wichtig – das können nur die Europäer gemeinsam lösen –, dass wir dieses gemeinsame europäische Asylsystem bekommen.
Auf nationaler Ebene haben wir ein beachtliches Migrationspaket mit acht Einzelgesetzen verabschiedet, das den Ländern jetzt viele Möglichkeiten gibt, die Migration zu steuern, zu ordnen und Personen, die keinen Schutzstatus haben, in ihre Herkunftsländer zurückzuführen.
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Wir unterstützen die Länder sehr stark durch die Bundespolizei, durch die Passersatzbeschaffung und durch direkte Kontakte mit den Rückführungsländern.
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Aber ich möchte hier heute auch an die Länder appellieren: Sie sind zuständig für die Rückführung, und sie müssen die rechtlichen Möglichkeiten auch nutzen, die der Deutsche Bundestag ihnen jetzt einräumt.
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Ein besonderes, ein ganz schwieriges Thema ist die Seenotrettung. Ich denke, wir müssen nicht darüber diskutieren, dass wir Menschen vor dem Ertrinken retten, aber wir wollen ein Regelverfahren, das diese erbärmlichen Zustände der letzten Monate vermeidet.
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Ich habe gestern mit der neuen italienischen Innenministerin gesprochen. Sie wird nächste Woche nach Berlin kommen, damit wir dieses Thema weiter vorbereiten. Die Schwierigkeit liegt darin, auf der einen Seite Menschen vor dem Ertrinken zu retten und auf der anderen Seite kein Anreizsystem für die Schleuserbanden zu etablieren, die sich dann möglicherweise ermutigt fühlen, noch mehr Boote auf das Meer zu setzen. Diesen schwierigen Sachverhalt müssen wir lösen. Ich möchte, dass wir mit einigen Staaten, insbesondere mit Frankreich, Italien und Malta, diese Thematik lösen. Es wird am 23. September auf Malta eine Konferenz unter der Präsidentschaft Finnlands mit den Franzosen, mit uns, mit den Italienern und mit den Maltesern stattfinden, um einen Vorschlag für den EU-Rat zu erarbeiten; denn es ist ein ganz wichtiges Thema: Ordnung einerseits und Humanität andererseits.
Der dritte Kernbereich unseres Ministeriums ist die Cybersicherheit und die digitale Gesellschaft. Wir haben einen hohen Standard in der Cyberabwehr. Es gibt täglich Cyberangriffe auf verschiedene Institutionen, die wir alle miteinander beherrschen. Wir bauen gerade das Nationale Cyber-Abwehrzentrum aus. Auch dort gibt es personelle Erfordernisse. Das läuft sehr gut. Wir werden in Kürze das Parlament mit einem IT-Sicherheitsgesetz 2.0 beliefern. Die Dynamik und die Geschwindigkeit in diesem Bereich sind unheimlich groß, sodass man hier immer wieder nachsteuern muss, auch bei den rechtlichen Grundlagen, um jener Herr zu werden, die das Internet für ihre rechtswidrigen Zwecke nutzen. Übrigens wollen wir auch die Hassparolen verstärkt angehen.
Gemeinsam mit den Ländern wird der Bund die digitale Gesellschaft in der öffentlichen Verwaltung organisieren. Wir werden bis 2022, wie im Kabinett beschlossen und der Öffentlichkeit versprochen, ein Bürgerportal schaffen – Bund und Länder gemeinsam –, bei dem 575 Verwaltungsdienstleistungen digitalisiert und der Bevölkerung angeboten werden. Viele Behördenwege werden sich dann als überflüssig herausstellen. Ich glaube, das ist eine echte Dienstleistung für unsere Bürgerinnen und Bürger.
Der vierte Kernbereich unseres Hauses heißt Bauen und Wohnen. Wir haben als Bundesregierung mit Unterstützung eines Wohngipfels, bei dem die Länder und Kommunen mitgewirkt haben, ein Wohnungsbauprogramm aufgelegt, wie es das in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nie gab. Ich nenne nur die Stichworte, die Sie alle kennen: Baukindergeld, bisher 120 000 Anträge, das heißt etwa 400 000 betroffene Personen. Wir haben den sozialen Wohnungsbau für die Jahre 2020 und 2021 durch eine Grundgesetzänderung ermöglicht. Das muss man den Ländern immer wieder sagen. Hier plagt mich die Sorge, dass die Länder möglicherweise – jedenfalls manche – diese Gelder nicht für den sozialen Wohnungsbau einsetzen
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und selbst viel zu schwach in den sozialen Wohnungsbau einsteigen. Das gilt nicht für alle Länder, aber durchaus für eine beachtliche Zahl. Deshalb auch hier der Appell an die Länder: Wir brauchen zusätzliche Wohnungen, wir brauchen diese Wohnungen für die sozial Bedürftigen. Das kann nur gelingen, wenn Kommunen, Länder und Bund zusammenwirken. Der Bund hat deshalb das Grundgesetz geändert. Der Bund hat deshalb für das Jahr 2020 1 Milliarde Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt. Das zeigt, dass wir die Wohnungsbauproblematik sehr ernst nehmen.
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Wir setzen die Städtebauförderung auf Rekordniveau fort. Wir haben eine Wohngeldnovelle verabschiedet, die am 1. Januar in Kraft treten wird und durch die sich die Zahl der Wohngeldempfänger deutlich erhöhen wird. Wir haben eine steuerliche Sonderabschreibung für den Wohnungsbau geschaffen, um ein bezahlbares Mietsegment zu schaffen. Wir arbeiten sehr stark daran – das ist die Kompetenz des Finanzministers –, dass wir für die Bediensteten des Bundes Wohnungen bauen, insbesondere für Polizei- und Zollbeamte. Wir werden in diesem Jahr noch eine Novelle zum Baugesetzbuch vorlegen, nachdem eine Kommission aus Bund, Ländern und Vertretern der Wohnungswirtschaft ein Jahr lang getagt hat. Das Baugesetzbuch soll dahin gehend geändert werden, dass billiger gebaut werden kann und Baugenehmigungen schneller erteilt werden. Das ist etwas, was die Bürgerschaft von uns erwartet.
Zu diesem Komplex darf ich insgesamt sagen: Die Bauwirtschaft läuft auf Hochtouren. Oft wird gesagt: Ja, gut, das liegt daran, dass die Preise angezogen haben. Aber ich kann dem Parlament sagen: Die Kapazitäten in der Bauwirtschaft sind ausgeweitet, die Zahl der Beschäftigten ist jüngst um 3 Prozent gesteigert worden. Das heißt, die Bauwirtschaft hat Vertrauen in die Verlässlichkeit unserer Maßnahmen und erhöht die Kapazitäten, die Zahl der Arbeitsplätze. Ich darf in diesem Zusammenhang vor dem Hintergrund mancher Diskussionen für uns sagen, dass die Wohnrauminvestitionen noch immer der beste Mieterschutz sind.
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Nichts ersetzt den Mieterschutz so stark wie Bauen.
Noch ein Wort zum Klima in diesem Zusammenhang: Die Gebäudesanierung kann und wird einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Ich werde dem Klimakabinett Maßnahmen zur energetischen Gebäudesanierung vorschlagen, weil hier mit relativ überschaubaren Mitteln die höchste Effizienz zu erzielen ist. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie man Klimaschutz einerseits und wirtschaftliche Investitionen andererseits gut miteinander verbinden kann.
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Letztes Kernthema meines Hauses ist die Heimat- und Strukturpolitik. Lange wurde immer wieder die Frage gestellt: Was tun die da eigentlich?
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– Ich kann die Frage wunderbar beantworten. Herr von Notz, Sie haben wahrscheinlich nicht die Zeit, alles zu lesen, was erarbeitet wurde.
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Ich bin ganz sicher, dass Sie es noch nicht gelesen haben.
Das Thema hat zwei Eckpfeiler, nämlich den Zusammenhalt der Gesellschaft einerseits und die stärkere Förderung der strukturschwachen Regionen andererseits. Es gibt viele Regionen, die für ihre Strukturschwäche gar nichts können,
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weil sie einem scharfen Strukturwandel unterlegen sind.
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Aus Zeitgründen nenne ich stakkatoartig ein paar Zahlen zum Sport: 245 Millionen Euro im Haushalt, ich habe begonnen mit 165 Millionen Euro. Das heißt, wir nehmen die Integrationsaufgabe wichtig, die der Sport in unserer Gesellschaft erfüllt. Wir fördern auch den Spitzensport. Ich kann sagen: Der Spitzensport hat eine wunderbare Vorbildfunktion für den Breitensport.
Deshalb ist das eine gute Anlage.
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Wir haben gestern von der Kanzlerin gehört, dass eine Stiftung Ehrenamt errichtet wird. Das ist ein starkes Signal gegenüber den Menschen, die sich im Ehrenamt engagieren. Das sind Millionen in Deutschland.
Ich habe eine sehr erfolgreiche Islamkonferenz durchgeführt,
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um die Debatte in diesem Bereich im Sinne des Zusammenhalts unserer Gesellschaft zu versachlichen.
Wir betreiben eine sehr aktive Strukturpolitik. Ich will Ihnen jetzt nicht alle Behörden, Institutionen und Einrichtungen aufzählen, die wir mittlerweile in die Fläche verlagert haben. Lassen Sie mich als Beispiel aus meinem Bereich das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik mit Sitz in Bonn nennen. Wir haben zudem eine neue Stelle in Freital im Freistaat Sachsen mit 200 Beschäftigten eingerichtet. Das sind ganz aktive Zeichen, dass die öffentliche Hand mit gutem Beispiel vorangeht, wenn es darum geht, Arbeitsplätze in diese Regionen zu bringen.
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Ich danke meinen Mitarbeitern im Hause und den 80 000 Mitarbeitern in 20 nachgeordneten Behörden, die eine wirklich gute Arbeit machen. Ich danke insbesondere den Haushältern – den Abgeordneten Gerster und Gröhler, den Kollegen Rehberg und Kahrs – und allen Berichterstattern der Oppositionsfraktionen, die uns in den nächsten Wochen wahrscheinlich wieder sehr barmherzig behandeln werden. Meine Erfahrung bisher war, dass wir uns bei der Gestaltung des Haushaltes in der Schlussberatung auf sehr vernünftige Kompromisse verständigt haben.
Ich darf Ihnen sagen: Ich bin jetzt fast auf den Tag genau eineinhalb Jahre Bundesinnenminister, und es macht große Freude, dafür zu arbeiten, dass unser Land noch ein Stück sicherer und lebenswerter wird.
Ich danke.
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Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Gottfried Curio, AfD.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorhaben des Innenministers, setzen sie die richtigen Akzente zur Lösung der Migrationsprobleme, zur Bewahrung der inneren Sicherheit? Nehmen sie überhaupt die Quellen dieser Probleme in den Blick? Oder bleibt es bei Symptomdoktorei, weil man an die Ursachen nicht ranwill? Wir haben nach wie vor massenhaft illegale Migration aus Afrika und islamischen Ländern: Personen, archaisch sozialisiert, statistisch überproportional kriminell, meist ohne Ausbildung. Und dennoch werden sie bedenkenlos jährlich in Hunderttausenderstärke ins Land gelassen, eine erhebliche Belastung unserer Sozialsysteme, unserer Haushalte und eine permanente Gefährdung unserer Bürger.
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Syrer, Afghanen, Iraker, sie haben beim illegalen Grenzübertritt aus der Türkei keine Schutzgründe. Ebenso sind die Mittelmeermigranten keine Flüchtlinge, sondern illegale Wirtschaftsmigranten, die aus Innerafrika über sichere Länder gezielt nach Libyen reisen und sich vor der Küste abholen lassen, keine Notleidenden – sie zahlen hohe Schlepperkosten. Die wirklich Hilfsbedürftigen tauchen dort nie auf. Hundertmal effektiver wäre Hilfe vor Ort.
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Erst der europäische Aufnahmeanreiz erzeugt da Migration und erheblichste Kosten hierzulande. Diese Anstiftung zur Migration ist humanitär wie finanziell der falsche Weg, zeigt aber, worum es geht: Sie alle haben bei der Afrika-Entschließung der EU vom 26. März 2019 legalen Zugang nach Europa für jeden migrationswilligen Afrikaner gefordert. Dabei wird dort alle zehn Tage 1 Million Menschen geboren, und Hunderte Millionen sitzen auf gepackten Koffern. Was wir brauchen, ist Rückführung. Hunderttausende Syrer sind aus der Türkei schon zurückgekehrt. Der Krieg ist aus.
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Aber Schlepperpäpstin Rackete will ja jetzt auch Klimaflüchtlinge abholen. „Klimaflüchtlinge“, was ist denn das? Ich dachte, wir haben hierzulande so schlechtes Klima, dass reihenweise Städte den Klimanotstand ausrufen möchten. Was wollen die dann hier?
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Solche Massenimmigration löst hiesige Probleme nicht, sondern verschärft sie:
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steigende Kriminalität, Gewalt gegen Frauen, schleichende Islamisierung, Besetzung des öffentlichen Raumes durch Männergruppen von erheblicher Aggressivität.
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Wir brauchen nicht Städte, die sich zu sicheren Häfen ausrufen, sondern sichere Bahnhöfe, sichere Schulen, sichere Freibäder und Parks.
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Die absehbare demografische Entwicklung wird eine Integration verunmöglichen – nur eine deutliche Mehrheitsbevölkerung kann eine entsprechend niedrige Zahl von Migranten integrieren –, und ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz ohne Vorrangprüfung nimmt unseren eigenen Leuten Arbeitschancen.
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Und dann sollen auch noch Abgelehnte bleiben dürfen – Ausbildungsduldung –, als Lohn der Lüge. Dabei ist ein Großteil der Migranten hierzulande gar nicht einsetzbar. Sie müssen hier bis an ihr Lebensende von uns alimentiert werden. Jeder Zweite landet schon in Hartz IV. Diese Migranten werden Deutschland nicht retten, sondern ruinieren.
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Spezifische Zuwanderungskriminalität wird medial gerne verdunkelt: nur Einzelfall, nur Beziehungstat. Gerade Beziehungstaten sind in der islamischen Welt oft religiös motiviert. Verachtung von Frauen ist Lehrstoff des Islam.
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Und Einzelfälle gab es 2018: 300 000 Zuwandererstraftaten, täglich 800. Einzelfälle! Man denke: Bei geschützten Grenzen wären 2014 bis 2018 800 000 zusätzliche Straftaten verhindert worden, mit Dunkelziffer etliche Millionen. Ein zu hoher Preis, damit Frau Merkel ihr freundliches Gesicht zeigen kann.
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Mit dem Bruch von Dublin III und dem andauernden Selbsteintritt ist diese Regierung schuld an den ausufernden Kosten, mitschuldig an importierten Verbrechen. Maaßen musste gehen, weil die Regierung die Legende vom rechten Mob brauchte, um vom eigenen Versagen abzulenken – in Chemnitz und am Breitscheidplatz.
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Die Maßnahmen dieses Ressorts lösen Probleme nicht, sondern schaffen welche. Deshalb: Schluss mit schwarzer Anbiederung an grüne Ideologie, stattdessen blaue Vernunft
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und Politik für die Leute im Lande. Zeit zur Rückkehr zu Verantwortung und Rationalität. Jeder EU-Staat haftet wieder selbst für seine Schulden. Die Syrer gehen nach Hause und bauen ihr Land wieder auf. Und Greta geht mal wieder zur Schule.
Ich danke Ihnen.
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Jetzt hat das Wort der Kollege Burkhard Lischka, SPD.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Curio, eigentlich wollte ich auf Ihre Rede nicht eingehen,
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aber weil das heute meine letzte Rede ist, seien mir doch noch zwei Bemerkungen gestattet:
Erste Bemerkung. Ich habe mich bei Ihrer Rede wirklich ernsthaft gefragt, ob das nicht exakt dieselbe Rede wie vor einem Jahr gewesen ist.
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Die Platte hat inzwischen aber einen Sprung, Herr Curio.
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Zweite Bemerkung. Frau Weidel, Ihre Fraktionsvorsitzende, hat hier gestern an der gleichen Stelle gesagt, wir seien mittendrin in der Krise. Wenn ich Sie hier reden höre, muss ich sagen: Sie hat recht. Die Mutter aller Krisen sitzt hier rechts von mir.
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Jetzt kommen wir mal ganz einfach wieder zur Innenpolitik. Was macht eigentlich eine gute Innenpolitik aus? Eine gute Innenpolitik setzt auf einen starken Staat, auf einen Staat, der präsent ist, der Regeln durchsetzt, der konsequent auftritt und der seine Bürgerinnen und Bürger schützt. Wenn ich mal ganz ehrlich bin: Hätte ich das – starker Staat – vor acht, neun oder zehn Jahren hier an gleicher Stelle bei einer Haushaltsdebatte gesagt, dann hätten hier manche mit den Augen gerollt, und Einzelne hätten gesagt: Was? Starker Staat? Brauchen wir nicht. – Das war die Zeit, als gerade auch im Sicherheitsbereich viele Dinge privatisiert wurden, weil der Markt das ja alles besser machen kann. Das waren die Marktgläubigen. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums gab es immer welche, die sagten: Nein, starke Polizeibehörden sind generell verdächtig. – Sie haben immer wieder versucht, hier den Eindruck zu erwecken, als ginge es vor allen Dingen darum, die Bürgerinnen und Bürger ständig vor der Polizei und nicht vor Verbrechern zu schützen.
Die Folgen dieser Politikansätze haben unsere Polizeibehörden vor vielen Jahren wirklich zu spüren bekommen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass wir, als ich 2009 als neuer Bundestagsabgeordneter in den Bundestag gekommen bin, Haushaltsdebatten hatten, in denen es verantwortliche Innenminister hingenommen haben, wenn Polizisten in Großeinsätzen ihre durchgeschwitzten Schutzwesten tauschen bzw. weitergeben mussten, weil nicht genügend da waren. Es gab Einsatzfahrzeuge, die 25 Jahre und mehr auf dem Buckel hatten, und in manchen Polizeirevieren standen noch Commodore-Computer der ersten Generation. Ich muss sagen: Das waren wirklich Zeiten zum Fremdschämen.
Wenn ich mir den heutigen Haushaltsentwurf – und die der letzten zwei, drei Jahre – anschaue, dann muss ich wirklich sagen: Gut, dass diese Tage der Vergangenheit angehören. Die Innenpolitik ist bei den Koalitionsfraktionen, bei SPD, CDU und CSU, in den letzten Jahren in guten Händen gewesen.
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Wir haben Tausende neue Stellen bei der Polizei, beim Bundeskriminalamt und beim Verfassungsschutz geschaffen und Milliardeninvestitionen in die Sicherheits- und IT-Technik, in Schutzausstattungen und in Einsatzfahrzeuge vorgenommen. Man kann von dieser Großen Koalition wirklich halten, was man will, aber ich glaube, das, was wir gerade im Bereich der inneren Sicherheit auf den Weg gebracht haben, kann sich wirklich sehen lassen.
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Das ist durchaus erfolgreich gewesen.
Ich will mal ein prominentes Beispiel herausgreifen: Vor vier Jahren haben wir uns auch hier in der Haushaltsdebatte die Köpfe über ein Problem heißgeredet, von dem sehr viele Menschen betroffen waren. Es gab vor vier Jahren nämlich 167 000 Wohnungseinbrüche. Dann kamen die neuen Stellen bei der Polizei, dann gab es spezielle Ermittlungsgruppen, dann gab es eine moderne IT-Technik, dann gab es eine bessere europäische Zusammenarbeit, dann gab es millionenschwere Förderprogramme für den Einbruchschutz.
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Die Folge ist: Im vergangenen Jahr gab es statt 167 000 Wohnungseinbrüchen 97 000. Das war die niedrigste Zahl seit 1997, also seit über 20 Jahren. Insofern: Das, was wir in den letzten Jahren angepackt haben, wirkt.
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Das macht uns als Koalitionsfraktionen nicht selbstzufrieden – wir lehnen uns da auch nicht zurück –, das sollte eben ein Ansporn für uns sein, auf diesem Weg konsequent weiterzumachen; denn es gibt tatsächlich ein großes Problem, das es zu beackern gilt: Auf der einen Seite – Herr Minister Seehofer hat darauf hingewiesen – haben wir zwar die niedrigste Kriminalitätsbelastung seit 1992, also so wenige Straftaten wie schon seit fast 30 Jahren nicht mehr, auf der anderen Seite fühlen sich aber über 21 Prozent unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger in ihrer Stadt und in ihrem Wohnumfeld nicht sicher, und sie machen sich Sorgen um die innere Sicherheit in unserem Land.
Wie passt das zusammen? Darauf gibt es sicherlich viele Antworten. Aber ich glaube, einzelne Antworten sind vielleicht auch gar nicht so schwierig. Natürlich haben in den letzten Jahren beispielsweise die Menschen mitgekriegt, dass es da einen IS-Kämpfer gab, Anis Amri. Der war auf dem Radar unserer Sicherheits- und Polizeibehörden, der war als Gefährder eingestuft. Und dann verschwand er vom Radar und hat vor knapp drei Jahren diesen schrecklichen Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt hier in Berlin begangen.
Natürlich kennen viele Mitbürgerinnen und Mitbürger gerade in den Großstädten mindestens einen Platz, eine Straße, wo man in den Abendstunden besser nicht hingehen sollte. Das wissen auch alle in diesen Städten.
Es gibt Wirtschaftskriminelle, ja, da hat man das Gefühl: Wenn die erwischt werden, die kümmern sich nicht groß drum; die bezahlen die Geldbußen, die Ordnungsgelder aus der Portokasse. Es ist übrigens gut, wenn das durch die Bundesjustizministerin geändert wird.
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Das sind die Baustellen, an denen wir arbeiten müssen. Ich bin mir sicher: Erst wenn die übergroße Mehrheit in unserem Land wieder das absolute Vertrauen in unseren Rechtsstaat hat, dass dieser Staat seine Regeln, die ja unsere Regeln sind, gegenüber allen durchsetzen kann, dann wird auch dieses Misstrauen in die innere Sicherheit schwinden, dass nämlich dieser Staat gegen Steuerkriminelle genauso vorgeht wie gegen den arabischen Familienclan, gegen den Neonazi, der andere Menschen im Internet mit dem Tod bedroht, genauso wie gegen den marokkanischen Drogendealer. Es darf eben keine rechtsfreien Räume geben,
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weder im Internet noch an der Börse, nicht am Hauptbahnhof und auch nicht in Wirtschaftsunternehmen.
Ich finde, da haben wir uns als Regierungsfraktionen in den letzten Jahren wirklich auf einen guten Weg gemacht, während andere bis heute – die Rede von Herrn Curio eben war das beste Beispiel dafür – nur Ängste schüren, aber keine konkreten Vorschläge machen, um einfach ihr politisches Süppchen weiterzukochen. Wir haben in den letzten Jahren einfach unsere Arbeit gemacht.
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Ich fand bei dieser Regierungskoalition vor allen Dingen gut, dass wir da, wo es Fehler gab, diese offen benannt haben. Wir haben uns aber Stück für Stück daran gemacht, diese Dinge wieder zu beheben und zu verbessern.
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Da das, wie gesagt, meine letzte Rede heute im Deutschen Bundestag ist, möchte ich mich recht herzlich bedanken, natürlich zunächst einmal bei allen Innenpolitikern, unabhängig davon, ob sie nun einer Regierungsfraktion oder einer Oppositionsfraktion angehören. Ich habe es weitestgehend so wahrgenommen, dass wir uns immer bemüht haben, sachlich um den besten Weg zu ringen –
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im Sinne der inneren Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Man sehe es mir nach, dass mein besonderer Dank natürlich an die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen geht.
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Wir haben in den letzten Jahren, glaube ich, sehr viel getan. Ich kann mich erinnern: Vor allen Dingen in der letzten Legislaturperiode – Armin Schuster nickt schon – haben wir fast im Wochentakt Sicherheits- und Asylpakete geschnürt. Es war mir persönlich jedenfalls eine Freude, mit euch zusammenzuarbeiten.
Wenn ich noch einen kleinen Ratschlag geben kann, auch nach manchen Sommerdebatten, die wir hatten – daran sollte man vielleicht immer wieder denken –: Weniger lamentieren, sondern ganz einfach seine Arbeit machen. Denn wie heißt es so schön: Hinten kackt die Ente.
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In diesem Sinne euch alles Gute!
Danke.
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Herr Kollege Lischka, da Sie gesagt haben, dies sei Ihre vermutlich letzte Rede in diesem Bundestag – das weiß man nie so ganz genau –, möchte ich die Gelegenheit nutzen, Ihnen für Ihre zehnjährige Arbeit in diesem Hohen Haus zu danken und Ihnen für Ihren neuen Lebensabschnitt im Namen des ganzen Hauses alles Gute zu wünschen.
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Jetzt hat das Wort der Kollege Dr. Stefan Ruppert, FDP.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch mir ist es ein Bedürfnis, dem Kollegen Lischka für die Mitarbeit hier zu danken. Wenn man ihm zuhört, hört man nicht immer die eigene Sichtweise. Aber man hört immer klug vorgetragene, sachliche, ruhige Argumente. Solche Debatten tun dem Hause gut. Wir werden Ihre Person sicherlich vermissen. Vielen Dank für Ihre Arbeit!
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Neulich fragte mich eine Lokaljournalistin, die sich mit der Innenpolitik in Deutschland vielleicht nicht nachhaltig befasst hatte, wie ich eigentlich den Nachfolger von Horst Seehofer fände. Ich war etwas verunsichert, weil ich nicht mitbekommen hatte, dass sich da was geändert hatte. Es hatte sich ja auch nichts geändert. Aber ich bin ins Nachdenken gekommen und habe gesagt: Es ist ein wenig wie mit der Altersteilzeit. Am Anfang war der Mann hyperaktiv, jeden Tag in der Lage, eine Koalition an den Rand des Abgrundes zu bringen,
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energiegeladen und sozusagen hochenergetisch. Manchen war das sicherlich zu viel und stilistisch etwas zu rustikal. Mittlerweile scheint er sich in der Blockphase des Vorruhestands zu befinden und deutlich ruhiger geworden zu sein. Jedenfalls hört man wenig vom Innenministerium. Wir finden, zu wenig, weil die Aufgaben in Deutschland nach wie vor sehr groß sind.
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Warum passiert eigentlich nichts bei der nachhaltigen Steuerung der Einwanderung? Warum verhandeln Sie keine Rückführungsabkommen? Warum ist es immer noch so, dass in Deutschland Menschen nicht abgeschoben werden, die längst abgeschoben werden müssten, weil sie bei einer gesteuerten Zuwanderung in Deutschland eben auch nichts zu suchen haben? Leider Fehlanzeige von Herrn Seehofer.
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Dann hatten Sie ein großes Projekt namens Baukindergeld. Ich habe neulich eine Anfrage an das Bundesinnenministerium gestellt, ob man denn beabsichtige, diesen vermeintlichen Erfolgsschlager fortzuführen. Die Antwort war: Nein, nach dem Auslaufen des Baukindergeldes werde man das wohl nicht fortführen.
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Mehr Eingeständnis eines Misserfolges einer nichtsteuernden Streusubvention aus dem eigenen Haus als eine solche Aussage gibt es wahrscheinlich nicht.
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Dann ein für uns wichtiger dritter Punkt: Wir wollen, dass die Polizeien der Länder und des Bundes besser zusammenarbeiten. Sie haben dafür ein Projekt „Polizei 2020“ auf den Weg gebracht, das die Aufgabe hat, den Datenabgleich bei gleichzeitiger Datensicherheit zu verbessern. Wer auf die Homepage des Bundeskriminalamtes geht, liest dort – ich zitiere –:
Bislang basiert die Informationsarchitektur der Polizei in Deutschland auf einer Vielzahl unterschiedlicher Datentöpfe, die kaum miteinander verbunden sind. Eine zersplitterte IT-Landschaft [mit] unterschiedlichen Datenformaten ... genügt nicht mehr den Anforderungen an eine moderne Polizeiarbeit.
Das ist ein Befund, der 2016/2017 getroffen wurde. Wenn man nun fragt: „Was ist denn in diesem wichtigen Bereich geschehen?“, bekommt man allenthalben Aussagen zu föderalen Egoismen oder Handlungsdefiziten beim Bund. Es passiert leider gar nichts. Insofern beschreibt das BKA kein behobenes Problem, sondern ein weiterhin bestehendes Problem. Diese Sicherheitsdefizite können wir uns in Deutschland nicht leisten.
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– Ja, 2020 ist in vier Monaten. Wer also noch keine Weihnachtsgeschenke hat, muss sich beeilen. Herr Seehofer, Sie müssen sich auch beeilen; denn bis 2020 ist es nicht mehr lange hin.
Ein letzter Punkt, der mir wichtig ist, betrifft die Islam Konferenz. Dort finanzieren Sie zum Teil Gruppen, die vielleicht besser nicht finanziert werden sollten. Aber vor allem kommen Sie in der Frage, wie wir mit dem Islam in Deutschland ein kluges Konzept aufstellen, nach wie vor nicht voran. Aus der Islam Konferenz ist praktisch nichts geworden. Das Parlament bleibt ausgeschlossen. Auch das ist ein Fehler.
Insgesamt also die Aufforderung: Werden Sie wieder etwas aktiver, aber in die richtige Richtung!
Vielen Dank.
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Victor Perli, Die Linke, ist der nächste Redner.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein engagierter Innenminister müsste sich dafür einsetzen, dass viel mehr in die Zukunft dieses Landes investiert wird, für den sozialen Zusammenhalt, für gleichwertige Lebensverhältnisse. Ein aufmerksamer Bauminister hätte längst merken müssen, dass alle bisherigen Maßnahmen nicht dazu geführt haben, dass mehr bezahlbarer Wohnraum entsteht und die Mietpreise endlich gebremst werden.
Und dann schaut man in den Finanzplan von Horst Seehofer und stellt fest: Die Investitionen steigen nicht; er will noch mehr Personal, obwohl inzwischen 10 000 Stellen unbesetzt sind, und beim sozialen Wohnungsbau wird sogar gekürzt. Das darf doch nicht wahr sein. Das ist doch aus der Zeit gefallen.
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Es ist kein Konzept erkennbar; es ist keine Strategie erkennbar, die der Minister verfolgt. Allein bei den Kommunen fehlen inzwischen 138 Milliarden Euro, um den Investitionsstau abzuarbeiten. Das betrifft Schulen, Straßen, Sportstätten und vieles mehr. Hier muss der Bund einspringen, um alle Dörfer und Städte in die Lage zu versetzen, ihren Aufgaben nachzukommen.
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Stattdessen haben Sie die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ eingesetzt. Sie hat hier ein Papier vorgelegt. Es rief große Enttäuschungen bei den Spitzenverbänden der Kommunen hervor. Der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund – ich komme aus Niedersachsen – sagt: Es ist keine große Verbesserung zu erwarten. – Nun schauen wir in Ihren Haushalt: Tatsächlich, es fließt in diesen Haushalt kaum etwas an Ideen. Es gibt kein Feststellungsdefizit dazu, was im ländlichen Raum fehlt; es gibt ein Handlungsdefizit.
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Das heißt, es muss mehr investiert werden.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. In den letzten 17 Jahren sind jedes Jahr 80 Schwimmbäder geschlossen worden; immer weniger Kinder lernen schwimmen. Über 300 Kommunen haben vom Bund keine Zuschüsse bekommen für überfällige Sanierungen, weil zu wenig Geld bereitgestellt worden ist. Aber inzwischen rührt sich Protest – und das ist auch gut so –: 120 000 Menschen haben eine Petition unterschrieben: „Rettet die Bäder!“. Das Bädersterben soll endlich aufhören; dafür setzt sich Die Linke ein.
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Meine Damen und Herren, viele Menschen treibt die Sorge um, dass sie sich ihre Wohnung in Zukunft nicht mehr leisten können. Alle Maßnahmen der Bundesregierung haben nichts daran geändert. Es gibt immer weniger Sozialwohnungen, aber immer höhere Mieten, inzwischen auch in kleineren Städten – wie Sie in der Antwort auf eine Anfrage von mir zugeben mussten – wie Delmenhorst oder Garbsen in Niedersachsen. Zuwächse von über 30 Prozent in den letzten sechs Jahren! Dafür gibt es politische Ursachen. Eine ist, dass in den letzten 30 Jahren die Zahl der Sozialwohnungen um 1,8 Millionen gesunken ist.
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Finanzminister Olaf Scholz hat hier am Dienstag das Ziel ausgegeben, dass von jetzt an 80 000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden, damit wir den Status quo halten. Aber es weiß doch jeder: Das ist doch viel zu wenig. – Es ist doch kein Problem gelöst, wenn wir nur den Status quo halten und nicht mehr machen.
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Schaut man in den Haushaltsplan, wird man fassungslos: Die Koalition senkt die Investitionen in den sozialen Wohnungsbau um 500 Millionen Euro. Jeder dritte Euro soll gestrichen werden. Das ist komplett aus der Zeit gefallen, Herr Minister.
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Das Bundesverfassungsgericht hat gerade erst festgestellt, dass die Politik bei den Mietpreisen eingreifen darf. Deshalb ist es wegweisend, dass unsere linke Bausenatorin Katrin Lompscher einen Mietendeckel für Berlin vorgelegt hat.
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Demnach sollen die Mieten fünf Jahre lang nicht mehr steigen. Für alte Wohnungen werden Höchstpreise festgelegt. Das ist ein gutes Vorbild für alle Bundesländer. Die Linke fordert einen bundesweiten Mietendeckel.
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– Ihre Empörung zeigt nur, dass Sie ganz fest an der Seite der Immobilienhaie stehen.
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Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss ein anderes Thema ansprechen. Es gibt in diesem Land ein großes Problem mit Neonazis. Über 12 500 sind laut Innenministerium gewaltbereit. Im Internet führen sie Todeslisten. Es gibt Angriffe. Es fallen Schüsse. Es gab den NSU, und vor wenigen Wochen wurde der hessische Regierungspräsident Walter Lübcke ermordet. Fast 200 Menschen sind in den letzten 30 Jahren den Neonazis zum Opfer gefallen. In dieser Situation hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass die Bundesregierung 8 Millionen Euro beim Projekt „Demokratie leben!“ kürzen will. Das ist das Programm, mit dem vor Ort die Zivilgesellschaft gestärkt wird, mit dem die Opferberatungen ausgebaut werden. Denen muss man doch dankbar sein, und man darf ihnen nicht die Mittel kürzen.
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Herr Seehofer, sozialen Zusammenhalt und gleichwertige Lebensverhältnisse schafft man nur, wenn man sich wirklich entschlossen engagiert, nicht mit Absichtserklärungen. Ihr Haushaltsentwurf ist weit davon entfernt, einen großen Wurf für die Zukunft darzustellen.
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Dr. Irene Mihalic, Bündnis 90/Die Grünen, ist die nächste Rednerin.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Das Haushaltsrecht ist das Königsrecht des Parlaments. Doch damit ist es eigentlich nicht weit her, wenn wir den Haushalt wegen eines viel zu engen Zeitplans eigentlich gar nicht vernünftig beraten können. Denn es kann doch nicht sein, dass viele unserer Fragen zum Innenhaushalt erst dann beantwortet werden, nachdem der Haushalt schon im Innenausschuss war. Um fundierte Haushaltsanträge stellen zu können, müssen wir doch vorher die Antworten auf unsere Fragen haben und die Einzelheiten zum Haushalt kennen. Politik ohne Faktengrundlage – das haben wir auch in Ihrer Einbringungsrede gehört, Herr Seehofer –, das mag vielleicht Ihr Ding sein, aber wir wollen das nicht.
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Wir brauchen die Grundlage Ihrer Zahlen, gerade auch im Bereich der Flüchtlings- und Integrationspolitik; denn mit dem unsäglichen Migrationspaket haben Sie selbst dazu beigetragen, dass es Migrantinnen und Migranten sehr, sehr schwer gemacht wird, sich sowohl gesellschaftlich als auch beruflich in unserem Land zu integrieren. Aber für eine gelingende Integration braucht es tragfähige Strukturen und vor allen Dingen eine nachhaltige Finanzierung. Das bedeutet doch, dass wir zum Beispiel die hohen Rücklagen, die für die Integration, für die Unterbringung und für Sprachkurse einmal gebildet wurden, endlich ihrem Zweck entsprechend einsetzen und eben nicht zum Stopfen von Haushaltslöchern.
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Herr Seehofer, wenn Ihnen etwas an der Integration liegt – und sehen Sie es mir nach, dass ich da leise Zweifel hege –, dann hören Sie auf, Geflüchtete immer nur als solche Menschen zu betrachten, die unser Land möglichst schnell wieder verlassen sollen! Sie sind doch der Heimatminister. Dann schaffen Sie auch die Voraussetzungen dafür, dass es eine gelingende Integration gibt und dass diese Menschen eine Heimat haben!
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Auch bei den Sicherheitsbehörden hat man zehn Jahre lang nicht investiert, sondern im Personalbereich massiv gespart. Das ging richtig an die Substanz; das ist auch hier in manchen Reden schon angeklungen. Einen solchen Rückzug des Staates auf Kosten der Sicherheit darf es nicht wieder geben.
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Vor drei Jahren, zugegeben, kam dann die nötige Umkehr. Und nun, wo Sie Ihre Fehler der letzten Jahre erkannt haben, stellen Sie rasch ein paar Zahlenkulissen auf, die aber schnell in sich zusammenfallen, wenn man einmal daran rüttelt.
7 500 neue Stellen wollen Sie bei den Sicherheitsbehörden schaffen. Das haben Sie gleich einmal so als Zahl in die Haushaltspläne geschrieben. So weit, so gut. Das tragen wir auch alles mit. Aber: „Neue Stellen“ heißt eben noch nicht „neue Mitarbeiterinnen und neue Mitarbeiter“, liebe Kolleginnen und Kollegen. Anspruch und Wirklichkeit klaffen hier meilenweit auseinander. Tausende Stellen sind noch nicht besetzt. Gleichzeitig häufen Polizistinnen und Polizisten an der deutsch-österreichischen Grenze Überstundenberge an.
Außerdem soll die Bundespolizei jetzt für mehr Sicherheit an Bahnhöfen sorgen. Herr Seehofer, hören Sie endlich auf damit, die Polizei permanent und im doppelten Sinne an die Grenze zu bringen,
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und schaffen Sie endlich die Voraussetzungen dafür, dass die Polizei ihren Job machen kann! Sie wollen mehr Sicherheit an Bahnhöfen. Prima! Da sind wir dabei. Aber dann setzen Sie das Personal doch dort ein, wo es auch benötigt wird, und sorgen Sie dafür, dass die Polizeiwachen auch wieder durchgehend besetzt sind!
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Aber für Sie sind ja gute Vorsätze auch schon ein Erfolg.
So haben Sie im Sommer bereits angekündigt und hier eben in Ihrer Einbringungsrede auch noch mal erwähnt, dass Sie mehrere Hundert Stellen – 440, um genau zu sein – beim Bundeskriminalamt zur Bekämpfung des Rechtsextremismus schaffen wollen. Aber in Ihrem Haushaltsentwurf sind die Stellen nicht zu finden. Ja, wo sind denn die Stellen, Herr Seehofer?
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Eben haben Sie hier im Parlament noch dafür geworben, dass wir Sie dabei unterstützen, aber in Ihrem Haushaltsentwurf stehen sie nicht drin.
Aber die Probleme im Bereich des Rechtsextremismus bestehen doch nicht erst seit gestern. Es ist höchste Zeit, dass die Sicherheitsbehörden in die Lage versetzt werden, endlich die Lehren aus dem NSU und auch aus den rechtsextremistischen Bedrohungen der Gegenwart zu ziehen; denn da brodelt es gewaltig. Wir lesen ständig neue Medienberichte zu rechtem Terror oder zu Anschlagsplanungen: der Mord an Walter Lübcke, der Mordversuch an Bilal M., Nordkreuz, Südkreuz, Westkreuz, Ostkreuz. Man liest von Leichensäcken und Löschkalk; Waffendepots werden ausgehoben; Netzwerke bilden sich heraus.
Und es ist gut, dass der Blick endlich geschärft wird für das vernetzte Vorgehen der rechtsextremen Szene. Das war lange nicht der Fall. Wir Grüne erkennen durchaus und ausdrücklich an, dass sich beim Bundeskriminalamt und auch beim Verfassungsschutz ein neues Denken in diesem Bereich etabliert: eben weg von der Einzeltäterfixierung und hin zur Aufklärung der Zusammenhänge.
Dieser Perspektivwechsel, er kam spät, er kam teilweise leider auch zu spät, aber nun gilt es, endlich an die Arbeit zu gehen.
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Dazu braucht es nicht nur qualifiziertes Personal, sondern auch eine Neuaufstellung des Verfassungsschutzes, eine Verbesserung der Analysefähigkeit und der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden auch im föderalen System. Bis dahin brauchen wir eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme zum Rechtsextremismus in Deutschland durch ausgewiesene und unabhängige Sachverständige;
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denn wir können nicht warten, bis wir die Strukturen neu aufgebaut haben, damit uns die Sicherheitsbehörden sagen, wie schlimm es tatsächlich in diesem Bereich steht.
Unverzüglich muss eine Taskforce Rechtsextremismus im Bundesinnenministerium eingesetzt werden. Diese soll sich vor allem um die vielen Zehntausend Menschen kümmern, die auf sogenannten Feindeslisten stehen, darunter zahlreiche Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker. Diese Leute, die sich tagtäglich hier für unser Gemeinwohl einsetzen und von Rechtsextremisten bedroht werden, die können wir doch in ihrer Verunsicherung nicht alleinlassen, liebe Kolleginnen und Kollegen!
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Die Zeit drängt. Die Bundesebene muss die notwendige Unterstützungsarbeit leisten und auch alle Maßnahmen in diesem Bereich koordinieren.
Wir Grüne werden ein flankierendes 10-Millionen-Euro-Programm zur Bekämpfung rechtsextremistischer Strukturen in die Haushaltsberatungen einbringen. Wir setzen dabei auf die Unterstützung hier im Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen; denn der Kampf gegen rechts sollte mindestens fünf von sechs Fraktionen hier im Haus ein dringendes Anliegen sein.
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Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Mathias Middelberg, CDU/CSU-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst die Gelegenheit wahrnehmen, mindestens für meine Arbeitsgruppe Innen – aber ich bin mir auch sehr sicher: für die gesamte Fraktion von CDU und CSU – ganz herzlich Dank zu sagen für die gute Zusammenarbeit, die wir mit dir, lieber Burkhard Lischka, ich sage das auch durchaus so, genossen haben.
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Ja, das kann man sagen: Wir haben das wirklich genossen. Es war sachlich und fachlich ein Genuss, mit dir zusammenzuarbeiten. Wir haben uns über manche Dinge gestritten. Wir waren in vielen Punkten auch ganz unterschiedlicher Auffassung. Völlig unbeschadet dessen war es vor allen Dingen menschlich, charakterlich und sonst in jeder Hinsicht mit dir eine wirklich angenehme Veranstaltung. Du warst in jeder Zeit zuverlässig, verlässlich als Gesprächspartner und als Vertragspartner. Dafür sagen wir an dieser Stelle: „Ganz herzlicher Dank!“, und wünschen dir persönlich für deine weitere Zukunft in jeder Hinsicht alles Gute.
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Burkhard Lischka hat hier viele Punkte angesprochen, die wir in den letzten Jahren, schon in der letzten Periode, aber auch in dieser Periode, gemeinsam erarbeitet haben.
Dem einen oder anderen wird es nicht entgangen sein: Die Bertelsmann-Stiftung hat im Sommer, in diesem ruhigen Sommer, eine Studie über die Arbeit der Bundesregierung veröffentlicht. Der eine oder andere von uns hat sich darüber vielleicht gewundert; aber das Urteil fiel sogar ziemlich gut aus. Auch wenn wir uns selber nicht immer in hundertprozentigem Maß bemühen, die eigene Arbeit gut darzustellen: Die Bertelsmann-Stiftung hat sie sehr positiv bewertet.
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Sie hat festgestellt: Die Bundesregierung hat 61 Prozent ihrer Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt oder substanziell in Angriff genommen.
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Für unseren Geschäftsbereich, nämlich das BMI, gilt sogar noch Besseres: Das BMI, der Bereich Innen, Bau und Heimat, hat am besten abgeschnitten: 71 Prozent der Projekte aus dem Koalitionsvertrag sind bereits umgesetzt oder substanziell in Angriff genommen. Ich glaube, das ist auch mal von ganz unbescholtener Stelle ein wirkliches Lob. Darüber darf man sich auch mal freuen.
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Ich glaube, die Arbeit der Regierung ist gerade in unserem Bereich erfolgreich.
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Ich will jetzt die Punkte alle gar nicht im Einzelnen auflisten, zum Beispiel die niedrigste Kriminalitätsbelastung. Herr Ruppert hat sich eben noch beschwert, er hört zu wenig von uns oder vom Minister. Frau Mihalic hat sich aber beschwert, wir hätten so riesige Migrationspakete gemacht, wo so viele Gesetze drin gewesen wären, dass man allen nicht hätte folgen können.
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Also, eines kann nur stimmen: Entweder wir haben wirklich viel gemacht, oder Sie haben zu wenig gehört.
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Wir müssen – das ist meine letzte Bemerkung – natürlich auch weiter blicken, in die Zukunft, und da sind zu Recht einige Punkte erwähnt worden. Im Bereich Migration ist noch einiges zu tun,
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und im Bereich Kriminalität und Rechtsextremismus ist noch einiges zu tun.
Da richtet sich mein Blick hier dann aber auch an das linke Spektrum in diesem Haus, an die Linken und an die Grünen. Nach dem, was ich in den letzten anderthalb Jahren verfolgen konnte, haben Sie eigentlich bei jedem Gesetz, das wir hier zum Thema Migration, Steuerung der Migration, Steuerung beim Thema Asyl beschlossen haben, bei all diesen Gesetzen, dagegengestimmt, bei ausnahmslos jedem dieser Gesetze.
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Und wir haben weitere Gesetze in der Pipeline; ich nenne einmal die Einstufung der Maghreb-Staaten und Georgiens als sichere Herkunftsstaaten. Auch das blockieren Sie im Bundesrat, obwohl fast 80 Prozent der Abgeordneten dieses Hauses dem zugestimmt haben. Ihre Politik sieht am Ende so aus: Jeder kann rein, und jeder darf bleiben, und wir geben keine differenzierten Antworten. – Aber wenn wir festgestellt haben – nach aufwendiger und sorgfältiger Prüfung –: „Es gibt keinen Asylanspruch“, dann muss auch zurückgeführt werden. Ich erwarte auch von Ihnen in diesem Haus, dass Sie an solchen Lösungen konstruktiv mitwirken. Das muss in der Zukunft der Fall sein.
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Für den Rechtsterrorismus, der wirklich ein wichtiges Thema ist, fehlt mir jetzt leider die Zeit. Die habe ich dir, lieber Burkhard, gewidmet; ich hoffe, das sieht das Haus mir nach. Aber ich glaube, in diesem Fall war die Aufteilung angemessen. Demnächst werde ich mich dem Rechtsterrorismus, der es verdient hat, intensiver widmen.
Danke.
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Marcus Bühl, AfD, ist der nächste Redner.
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuschauer an den Bildschirmen und auf den Tribünen! Herr Minister Seehofer, Sie legen heute zum dritten Mal einen Regierungsentwurf zum Haushalt des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vor. Schauen wir mal auf ein paar Einzelheiten.
Ausdrücklich begrüßen wir die Neueinstellungen bei der Bundespolizei, dem Bundeskriminalamt und weiteren Sicherheitsbehörden. Neue Sicherheitskräfte sind absolut notwendig, und die Neueinstellungen helfen, die eklatanten Versäumnisse der vorangegangenen zwei Bundesregierungen abzubauen. Für unsere Bundespolizisten besteht wenigstens die Hoffnung, in zwei bis drei Jahren die massive Überstundenwelle abzusenken. Ja, leider wird es noch so lange dauern; aber wenigstens ist das Thema auf Ihrer Agenda.
Gerne tätigen Sie, Herr Minister, Aussagen wie, Deutschland sei so sicher wie nie, und verweisen auf die sinkende Kriminalitätsstatistik, auch heute wieder. Fakt ist jedoch, dass eine Vielzahl von Straftaten aus unterschiedlichen Gründen nicht angezeigt wird und es auch keine bundesweite Erhebung von Straftaten im sogenannten Dunkelfeld gibt. Nordrhein-Westfalen und einige andere Länder haben mit einer Erhebung abseits der Kriminalitätsstatistik begonnen. Fakt ist auch, dass die Anzahl von Gewaltdelikten und Körperverletzungen gegenüber 2017 im vergangenen Jahr anstieg. Trauriger Fakt ist ebenso, dass die Anzahl von angegriffenen Bundespolizisten 2018 erneut gestiegen ist.
Schauen wir auf die Zahlen: 2 300 Delikte wurden registriert, darunter 1 700 im Streifendienst. Die Angriffe auf Polizeivollzugsbeamte als Geschädigte insgesamt stiegen 2018 laut „Bundespolizei kompakt“ auf 79 598, eine Steigerung um 7 Prozent. Diese Entwicklung, Herr Minister, ist nicht hinnehmbar, und darum ist es uns in den Haushaltsberatungen wichtig, die Schutzausstattung unserer Polizisten zu verbessern.
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Nächstes Thema Training: Wir als AfD-Fraktion unterstützen ausdrücklich die Verlängerung des Trainings für lebensbedrohliche Einsatzlagen unserer Bundespolizei. Sie selbst, Herr Minister, sprachen von einer anhaltend hohen Gefährdungslage. Ein wichtiges Instrument liegt dabei im Training und in der Ausbildung, um im Ernstfall als Einsatzkraft angemessen zu reagieren.
Lassen Sie mich an dieser Stelle exemplarisch ein Beispiel herausstellen, bei dem wir unbedingt Verbesserungsbedarf haben, nämlich beim Bundespolizei-Flugdienst. Die gute Nachricht zuerst: Verglichen mit einem nicht genannten anderen Haushaltsplan, fliegt ein Großteil der Hubschrauber noch. Aber die Puma-Transporthubschrauber kommen zunehmend in die Jahre und erreichen zum Teil ein Durchschnittsalter von 34 Jahren. Was ist die Folge? Kürzere und aufwendige Wartungsintervalle und nicht mehr wirtschaftliche Betriebskosten. Hier bedarf es dringender Ersatzbeschaffungen. Ein entsprechendes Konzept der Bundespolizei zur Modernisierung der Flotte in den nächsten zwölf Jahren liegt Ihrem Haus bereits vor, Herr Minister. Nur leider, leider kommt die Erneuerung der Hubschrauberflotte in Ihrem Regierungsentwurf nicht vor.
Wie Sie selbst habe ich mir vor einigen Wochen vor Ort ein Bild über die Lage gemacht. Und das Problem ist nicht nur das Material, sondern auch die sehr hohe Überstundenbelastung, um den Flugbetrieb zu gewährleisten. Schauen wir auch hier auf die Zahlen: Es fehlen 20 Prozent Piloten; die Schere geht immer weiter auseinander. 10 bis 12Piloten verlassen altersbedingt jährlich den Dienst. 14 bis 16 Piloten pro Jahr wären notwendig, um den derzeitigen Betrieb aufrechtzuerhalten. 2017 waren es gerade einmal 3 und 2018 waren es 10 neue Piloten. Wir benötigen 235 neue Dienstposten, um den derzeitigen Flugbetrieb zu konsolidieren. Davon 40 Dienstposten in der Instandhaltung, um das gesetzte Ziel von einem Klarstand von 75 Prozent dauerhaft zu erreichen. Auch in der jetzigen Istbesetzung sind wir von der derzeitigen Sollbesetzung weit entfernt.
Die Bundespolizei wächst, und das ist gut so. Jedoch muss auch der Flugdienst wachsen, um seine Aufgaben gut erfüllen zu können. Hier benötigen wir dringend Nachbesserungen und Umschichtungen.
Abschließend kann ich also nicht von einer auskömmlichen Ausstattung unserer Sicherheitsbehörden sprechen. Da liegt in den nächsten Wochen noch ein gutes Stück Arbeit vor uns, sich diesem Ziel zu nähern.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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Sören Bartol, SPD, ist der nächste Redner.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für diese Große Koalition ist es der Herbst der Entscheidung. In wenigen Wochen werden wir zur Halbzeit der Legislaturperiode unsere gemeinsame Arbeit bilanzieren. Für mich wird eine entscheidende Frage sein: Was haben wir bei den sozialen Fragen unserer Zeit erreicht? Dazu gehört: Können sich Menschen ihre Wohnung leisten? Für mich ist klar: Wohnen muss für alle bezahlbar sein.
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Wie wir schon gehört haben, hat die Studie der Bertelsmann-Stiftung der Großen Koalition ein gutes Zeugnis ausgestellt. Im Bereich „bezahlbares Wohnen“ haben wir auch die meisten Vorhaben abgearbeitet und sind noch dabei. Dafür möchte ich auch Christine Lambrecht, Olaf Scholz und Katarina Barley danken. Beim Koalitionsausschuss und beim Wohngipfel haben sie in kurzer Zeit extrem viel erreicht, auch über den Koalitionsvertrag hinaus.
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Zum Beispiel verlängern wir die Mietpreisbremse bis 2025
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und führen einen Rückzahlungsanspruch ein. Wir erweitern den Betrachtungszeitraum beim Mietspiegel. Wir senken die Maklerkosten und reduzieren die Möglichkeiten, Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Auf der anderen Seite haben wir 500 Millionen Euro extra für den sozialen Wohnungsbau durchgesetzt. Wir haben dafür gesorgt, dass die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben eine 180-Grad-Wende macht. Endlich richtet sie ihre Liegenschaftspolitik am Gemeinwohl aus, und das gilt künftig auch für das Bundeseisenbahnvermögen. Mit dem Haushaltsentwurf 2020 gehen wir sogar noch einen Schritt weiter: Wir schaffen die Voraussetzung dafür, dass die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben zum sozialen Vermieter wird. Ihre Mieten orientieren sich künftig am unteren Ende des Mietspiegels und sind auf maximal 10 Euro pro Quadratmeter begrenzt.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch im Baubereich haben wir große Erfolge erzielt. Bei der Städtebauförderung haben wir in der vergangenen Legislaturperiode die Mittel verdoppelt und halten sie auf dem jetzigen Niveau. Beim sozialen Wohnungsbau haben wir mit der Grundgesetzänderung dafür gesorgt, dass der Bund langfristig Verantwortung übernehmen kann. Dafür geben wir in dieser Legislaturperiode 5 Milliarden Euro aus. Hier möchte ich mich auch einmal bei den Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP bedanken, dass sie am Ende dieser Grundgesetzänderung zugestimmt haben.
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– Entschuldigung, bei euch auch. Die Linkspartei hat natürlich auch zugestimmt.
Wenn der Bundestag in den kommenden Monaten zustimmt, verbessern wir zum 1. Januar 2020 auch noch das Wohngeld. Wir wollen es erhöhen und automatisch an die Entwicklung der Bestandsmieten und Einkommen anpassen. Damit werden mehr Menschen Anspruch auf Wohngeld haben, und dadurch verhindern wir, dass viele Menschen in die Grundsicherung abrutschen. Klar: Das Wohngeld ist kein Allheilmittel, wie es gerne von den Kolleginnen und Kollegen der FDP erklärt wird, aber das Wohngeld hilft, Menschen schnell und zielgenau zu entlasten.
Ja, auch das Baukindergeld ist eine Erfolgsgeschichte. Es unterstützt junge Familien überall in Deutschland, wenn sie in die eigenen vier Wände ziehen wollen. Seit das Programm gestartet ist – der Minister hat darauf hingewiesen –, haben schon mehr als 100 000 Familien Baukindergeld beantragt. Viele Familien, die die Förderung bekommen, haben ein Haushaltseinkommen von maximal 40 000 Euro im Jahr; knapp 60 Prozent der Antragsteller gehören in diese Einkommensgruppe. Das heißt, wir helfen damit wirklich denjenigen, die es besonders brauchen.
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Insgesamt gibt das Bundesinnenministerium in dieser Legislaturperiode rund 16 Milliarden Euro im Baubereich aus. Angesichts der Probleme auf dem Wohnungsmarkt ist das einfach gut investiertes Geld.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir jetzt Zwischenbilanz ziehen, bleibt trotzdem die Frage: Reicht das aus, damit Wohnen bezahlbar bleibt und die Mieten finanzierbar sind? Und: Was wollen wir in den kommenden zwei Jahren noch erreichen? Ich sage Ihnen: Die SPD-Bundestagsfraktion hat eine klare Vorstellung davon, wie eine echte Trendwende auf dem Wohnungsmarkt gelingt – auch ohne Enteignung.
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Ja, wir müssen die Möglichkeiten einschränken, Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Zum Beispiel wurden in Berlin zwischen 2012 und 2017 über 74 000 Wohnungen umgewandelt. In den meisten Fällen heißt das: Mieterinnen und Mieter werden aus ihren Wohnungen verdrängt, sei es dadurch, dass die Mieten erhöht werden, oder weil ihnen wegen Eigenbedarf gekündigt wird. Deshalb ist es gut, dass wir unseren Koalitionspartner davon überzeugen konnten, noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen, mit dem dieses Problem eingedämmt wird.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, vielleicht schaffen wir es ja auch noch, den Missbrauch bei den Eigenbedarfskündigungen schärfer zu ahnden. Ich glaube, das wäre ein echter Erfolg für Mieterinnen und Mieter.
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Selbstverständlich gehört auch dazu, dass wir den bezahlbaren Neubau weiter ankurbeln. Aktuell fallen im sozialen Wohnungsbau jährlich mehr Wohnungen aus der Bindung, als dass preisgebundene entstehen.
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Auch hier müssen wir gegensteuern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Baulandkommission hat Anfang Juli wichtige Weichen für eine schnellere Baulandmobilisierung und eine soziale Bodenpolitik gestellt. Künftig wird die öffentliche Hand wieder mehr Einfluss nehmen können. Die Entwicklung unserer Städte können wir nicht allein dem Markt überlassen. Das ist die originäre Aufgabe der Städte und Gemeinden gemeinsam mit den Menschen, die dort leben und arbeiten. Sie müssen sagen können, was mit dem Boden passiert, ob gebaut wird und, wenn ja, für wen. Ich möchte, dass wir mit der kommenden Baugesetzbuchnovelle Spekulationen mit Grund und Boden eindämmen und möglichst verhindern.
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Denn klar ist: Auf teurem Boden wird trotz aller Anstrengungen kaum günstiger Wohnraum entstehen. Deshalb brauchen wir diese Trendwende in der Bodenpolitik.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, bezahlbar, gut und nachhaltig zu wohnen, ist ein essenzielles Grundbedürfnis. Dafür brauchen wir einen gestaltungswilligen und vor allen Dingen einen handlungsfähigen Staat. Jetzt wird entschieden, was wir tun, damit der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft funktioniert. Lassen Sie uns als Deutscher Bundestag gemeinsam daran arbeiten.
Vielen Dank.
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Nächster Redner ist der Kollege Manuel Höferlin, FDP.
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Sehr verehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Laut dem vorliegenden Haushaltsentwurf verstehen Sie, Herr Innenminister, und Ihr Haus sich als zuständig und verantwortlich für die Netzpolitik. Ich könnte jetzt lange über die jahrelangen Versäumnisse beim E-Government sprechen; Sie haben das Thema selbst angeschnitten. Aber ich will mich auf das Thema IT-Sicherheit, die Achillesferse der digitalen Gesellschaft, konzentrieren. Ich habe ja nur drei Minuten Redezeit.
Diese Woche hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, BSI, zusammen mit den Polizeien das Digitalbarometer veröffentlicht. Da ist jetzt aktenkundig, dass es Ihnen nur sehr unzureichend gelingt, die Sicherheit im Internet zu organisieren. Die Zahlen verdeutlichen, dass sich 80 Prozent der Menschen große Sorgen um ihre Sicherheit im Internet machen. Jeder Vierte ist schon einmal Opfer von Cyberkriminalität geworden. Dafür, dass Sie, Herr Minister, nach eigenem Bekunden seit den 80er-Jahren im Internet unterwegs sind und nicht erst seit gestern für die Internetsicherheit zuständig sind, ist das, finde ich, eine verheerende Bilanz.
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Es zeigt, dass das Thema „Sicherheit im Internet“ bei Ihnen eben nicht gut aufgehoben ist. Durch das, was Sie tun und wie Sie es im Innenministerium gestalten, ist die Internetkriminalität sogar noch gefährlicher.
Ich will Ihnen das gerne erklären. In den Ihnen unterstellten Sicherheitsbehörden herrscht Uneinigkeit darüber, was mit Sicherheitslücken bei Computern und Mobiltelefonen der Bürger geschehen soll. Sollen sie zum Ausspähen genutzt werden, oder sollen sie geschlossen werden? Es geht um Millionen von Geräten, Millionen von Handys und Computern der Bürgerinnen und Bürger, die letztlich unsicher sind, weil Sie, also Ihre Behörden, Sicherheitslücken dauerhaft offenlassen.
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Mit klangvollen Namen wie dem IT-Sicherheitsgesetz – oder wie Sie gerne sagen: Internetsicherheitsgesetz 2.0 – erwecken Sie erst einmal den Anschein von Sicherheit. Sie gehen davon aus, dass das die Sicherheit steigert. Aber am Ende tun Sie und Ihre Behörden genau das Gegenteil. Sie wollen einige wenige Kriminelle kriegen und dafür deren Geräte ausspionieren und lassen gleichzeitig bei Millionen Geräten die Sicherheitslücke offen. Dabei verkennen Sie völlig, dass diese Sicherheitslücken natürlich nicht verborgen bleiben, sondern Internetkriminelle diese morgen für ihre Machenschaften nutzen. Die Wahrheit ist: Mit diesem Hickhack lassen Sie die Sicherheit schleifen und steigern eben nicht die Sicherheit im Internet. Letztlich sind Sie Mitverursacher.
Dabei könnten Sie viel mehr tun. Zum Thema E-Government könnte man noch viel mehr sagen. Aber ich will nur drei Dinge zum Thema IT-Sicherheit ansprechen: Nehmen Sie das BSI endlich aus der Verantwortung des Ministeriums! Lassen Sie es frei!
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Wir wollen es gerne bei einem Digitalministerium angesiedelt sehen, damit dieser Kampf zwischen Sicherheit und Eingriff aufhört. – Geben Sie den Menschen auch die Mittel in die Hand, sich selbst zu schützen. Wir haben im Bundestag einen Antrag zum Anspruch auf Kryptographie eingebracht. Wir wollen, dass sich die Menschen selbst schützen können. – Und zuletzt – das fehlt in Ihrem Haushalt völlig –: Mittel für die Stiftung Datenschutz.
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Sie lassen sie am langen Arm verhungern. Dabei ist das eine Schnittstelle, die dafür sorgen kann, dass sich Menschen selbst schützen. Ich hoffe, dass wir als Parlament das im Haushalt korrigieren können und dafür Mittel freimachen. Es gibt einen offenen Brief, den ich voll und ganz unterstütze. Die Stiftung Datenschutz darf nicht sterben.
Herzlichen Dank.
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Jetzt erteile ich das Wort Dr. André Hahn, Die Linke.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Rechtsextremismus ist aktuell die größte Bedrohung für den inneren Frieden in unserem Land. Und wenn in dieser Situation Kommunalpolitiker von CDU, SPD und FDP in Hessen einen stellvertretenden Landesvorsitzenden der NPD zum Ortsvorsteher einer 2 500-Einwohner-Gemeinde wählen,
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dann drohen langsam alle Dämme zu brechen. Das dürfen wir nicht zulassen.
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Der feige Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke Anfang Juni hat uns in aller Deutlichkeit vor Augen geführt, dass rechte Gewalt schon längst nicht mehr ein Thema ist, das vor allem Minderheiten betrifft. Um dem Rechtsextremismus und ‑terrorismus zu begegnen, brauchen wir keine neuen Planstellen beim Verfassungsschutz, bei der Bundespolizei oder beim Bundeskriminalamt,
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zumal schon jetzt von den bestehenden Dienstposten Tausende gar nicht besetzt werden können. Was Sie hier machen, Herr Seehofer, ist purer Aktionismus, der kein einziges Problem löst. Das können und werden wir als Linke nicht mittragen.
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Durchschnittlich fünf rechte Gewalttaten am Tag zählen Opferberatungsstellen allein für Ostdeutschland und Berlin. Seit 1990 gab es mindestens 196 Todesopfer rechter Gewalt; mein Kollege Perli hat darauf schon hingewiesen. Viel zu lange hat man im Innenministerium den Ernst der Lage und die tatsächliche Bedrohung ignoriert. Statt den Kampf gegen die Gefahr von rechts ganz oben auf die Agenda zu setzen, erklärte Horst Seehofer die Migration zur „Mutter aller Probleme“. Aus Sicht der Linken, Herr Seehofer, ist nicht die Migration das Hauptproblem, sondern ein Innenminister, der im Kampf gegen den Rechtsextremismus immer wieder abtaucht.
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Wir alle dürfen es nicht zulassen, dass die Rechten im ländlichen Raum sogenannte national befreite Zonen etablieren, in die sich Bürgerinnen und Bürger wegen ihres Aussehens oder ihrer Hautfarbe nicht mehr hineintrauen, weil sie rassistische Übergriffe befürchten müssen. Es ist die Aufgabe eines Innenministers, die Sicherheit und körperliche Unversehrtheit aller hier bei uns Lebenden zu gewährleisten. Auch diese Menschen haben ein Recht auf Heimat.
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Daher erwarten wir von Herrn Seehofer, dass er sich mit Sensibilität und aller Entschlossenheit unmissverständlich auf die Seite der Opfer rassistischer Gewalt stellt.
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Wenige Wochen nach dem Mord an Walter Lübcke schoss in Hessen ein Rechtsextremist aus dem Auto heraus auf einen 26 Jahre alten Mann aus Eritrea und verletzte ihn schwer. Zu diesem und anderen Angriffen auf Geflüchtete oder hier lebende Ausländer durch deutsche Täter hat Herr Seehofer geschwiegen. Als ein deutsches Kind und seine Mutter durch einen offenbar geistig gestörten Ausländer vor einen Zug gestoßen wurden – ohne Zweifel ein fürchterliches Verbrechen –, unterbrach der Innenminister seinen Urlaub und stellte sich vor die Fernsehkameras. Auch so setzt man Zeichen, Herr Minister; aber womöglich spielt man damit den Falschen in die Hände.
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Meine Damen und Herren, auch in den Polizeibehörden und in der Bundeswehr häufen sich in alarmierender Weise Hinweise auf braune Netzwerke: Nordkreuz, Uniter oder beim Kommando Spezialkräfte – das sind nur drei Beispiele. Die Bundesregierung behauptet seit Monaten, keinerlei Kenntnisse über solche Verbindungen zu haben.
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Trotzdem sollen laut Medienberichten Hunderte neue Stellen nicht nur beim Bundeskriminalamt, sondern auch beim Militärischen Abschirmdienst geschaffen werden, um besser auf Rechtsextremisten in der Bundeswehr reagieren zu können. Wie passt denn das mit den bisherigen Verlautbarungen der Bundesregierung zusammen? Wenn es angeblich keine rechten Netzwerke bei der Bundeswehr und anderen Sicherheitsbehörden gibt, warum schafft man dann mehrere Hundert zusätzliche Stellen, um dagegen vorzugehen? Viele Fragen und keine Antworten vom zuständigen Minister. Herr Seehofer, Sie sind und bleiben ein Sicherheitsrisiko für unser Land.
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Nächster Redner ist der Kollege Stefan Schmidt, Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor anderthalb Jahren haben Sie, Herr Seehofer, sich ein Superministerium geschaffen, das neben der Innenpolitik auch die Bereiche Bau und Heimat umfasst. Beim Thema Heimat gehe es nicht, so haben Sie damals gesagt, um „Dirndl oder Lederhose, sondern um gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt“. Sie haben große Erwartungen geweckt. Doch was haben Sie in den vergangenen anderthalb Jahren tatsächlich dafür getan, dass sich die Menschen in unseren Städten und Gemeinden zu Hause fühlen? Nichts, muss man nach Ihrer Rede heute Morgen sagen.
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Ihre Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ ist komplett gescheitert. Einen gemeinsamen Abschlussbericht von Ländern und Kommunen gab es nicht. Stattdessen formuliert die Bundesregierung in einem dünnen Maßnahmenkatalog, was man in den nächsten zehn Jahren tun könnte, besprechen könnte oder prüfen könnte. Konkrete Maßnahmen, wie die Handlungs- und Investitionsfähigkeit finanzschwacher Kommunen wiederhergestellt werden kann, etwa durch eine Bundesbeteiligung beim Abbau von Altschulden oder durch eine stärkere Beteiligung an den Sozialausgaben, die die Kommunen zu schultern haben – Fehlanzeige! Bei meinen Besuchen in den Städten und Gemeinden erlebe ich regelmäßig, was ein Investitionsstau in Höhe von 138 Milliarden Euro und Kassenkredite in Höhe von 46 Milliarden Euro auf kommunaler Ebene bedeuten, nämlich marode Schulgebäude, schlecht ausgebaute Kitas, baufällige Schwimmbäder, ausgedünnter Nahverkehr. Viel zu viele Kommunen sind nicht nur weit entfernt von gleichwertigen Lebensverhältnissen, sondern noch nicht einmal auf den Weg dorthin.
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Auch beim Thema „bezahlbares Wohnen“ enttäuscht Ihr Haushaltsentwurf. Ausgerechnet beim sozialen Wohnungsbau kürzen Sie die Mittel, inmitten einer Mieten- und Baupreisexplosion. Eine magere Milliarde ist Ihnen diese Gesellschaftsaufgabe wert, und das bei einem Bedarf von 2 Millionen Sozialwohnungen. Verschärfend kommt noch hinzu, dass Jahr für Jahr weitere Wohnungen still und leise aus der Sozialbindung herausfallen. Wir Grüne setzen Ihrer Untätigkeit unser Konzept der neuen Wohngemeinnützigkeit entgegen. Mit Bundeszuschüssen in Höhe von 3 Milliarden Euro jährlich wollen wir dauerhaft bezahlbaren Wohnraum schaffen, jedes Jahr 100 000 neue Wohnungen.
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Stattdessen verteilen Sie mit dem Baukindergeld 10 Milliarden Euro mit der Gießkanne. Das schafft vor allem Mitnahmeeffekte, löst aber die Probleme eines überhitzten Wohnungsmarktes nicht.
Die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse und die Schaffung bezahlbaren Wohnraums sind bestimmt keine einfachen Aufgaben. Aber sie deshalb nicht einmal ansatzweise in Angriff zu nehmen, zumal die Probleme bekannt sind und die Lösungen auf dem Tisch liegen, kann doch wirklich nicht Ihr Ernst sein. Verwalten Sie nicht länger die Missstände! Stellen Sie sich den Herausforderungen! Machen Sie eine mutige zukunftsweisende Politik für die Kommunen in Deutschland, für die Bürgerinnen und Bürger!
Vielen Dank.
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Nächster Redner ist der Kollege Armin Schuster, CDU/CSU.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich korrigiere dich ungern, Burkhard, aber es ist der sechste Powerhaushalt, an dem du mitwirkst; es waren nicht zwei oder drei. Es ist der sechste Powerhaushalt, den wir zusammen für die innere Sicherheit, für die Innenpolitik dieses Landes machen. Ich werde beim Bundesparteitag der SPD wahrscheinlich kein Rederecht bekommen. Deswegen nutze ich hier die Gelegenheit.
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– Ja, nachher werde ich noch gewählt. – Die Gewerkschaften suchen seit sechs Jahren händeringend nach Ansatzpunkten für Kritik. Die Opposition hält zum sechsten Mal lahme Reden bei unseren Haushaltsberatungen. Die Bertelsmann-Stiftung lobt uns. Die Präsidenten der Bundessicherheitsbehörden sagen: Eine Epoche mit solchen Investitionen in die deutsche Sicherheit gab es noch nie. – Ich glaube, diese Dynamik ist ein Erfolg der Großen Koalition aus zwei Legislaturperioden.
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Und weil das bei euch nicht so viele machen, mache ich das und sage: Innenpolitik geht am besten mit euch. Mit dir war es ein ganz besonderes Vergnügen, auch wenn du ein harter Hund bist. Danke schön dafür!
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Meine Damen und Herren, der Innenminister hat es dargestellt – das gehört zur DNA von Unionsabgeordneten –: Wir haben hier eine unglaubliche Dynamik zu verzeichnen. Das sieht man an den Einwanderungsgesetzen; das sieht man auch an der Bertelsmann-Stiftung. Und diese Dynamik werden wir fortsetzen mit dem IT-Sicherheitsgesetz und dem Verfassungsschutzreformgesetz. Hier blicke ich in Richtung der Justizministerin. Ich habe große Hoffnung, dass sie mit uns konstruktiv darüber spricht.
Was die Bekämpfung des Rechtsextremismus angeht, lässt ein Innenminister, der aus Bayern kommt, wirklich keine Zweifel zu; denn er hat im Gegensatz zu Ihnen, Herr Dr. Hahn, eine Referenz, wie man damit umgeht.
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Meine Damen und Herren, das BKA und das BfV werden in Bezug auf den Rechtsextremismus nach NSU eine zweite große Bekämpfungswelle starten. Wir haben eine erste hinter uns. Alle, die länger in diesem Haus sind, wissen, was nach NSU hier und in den Sicherheitsbehörden gemacht wurde.
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Bitte tun Sie nicht so, als fingen wir heute erst an.
Die Bundespolizei, die internationaler, breiter und komplexer in ihren Aufgaben arbeitet, braucht das Personal, das jetzt im Haushaltsplan vorgesehen ist. Lassen Sie mich hier ein Wort an die Bundesregierung richten. Herr Minister, wenn es im November in Brüssel um die Notifizierung geht, erwarte ich keine Antwort auf die Frage, ob wir die Durchführung von Grenzkontrollen in Bayern verlängern,
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sondern eine Antwort auf die Frage, warum wir solche nicht an allen deutschen See-, Land- und Luftgrenzen durchführen.
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Das ist angesichts des Migrationsdrucks aus meiner Sicht die richtige Antwort. Was Emmanuel Macron kann, können wir auch. Deswegen würde ich mir wünschen, dass die Bundesregierung den Mut für diese Notifizierung hat. Dabei geht es ja um eine Benachrichtigung und nicht um die Frage einer Genehmigung.
Jetzt ein Letztes zum Bundesverwaltungsamt. Dieser Begriff ist ja unheimlich trocken. Ich habe das Gefühl, dass es daran liegt, dass es immer ein bisschen hinten rausfällt. Wer Beraterverträge vermeiden will, sollte sich die Frage stellen, ob wir damit nicht über eine exklusive Behörde verfügen, deren Auftrag es ist, andere Behörden zu beraten, zum Beispiel zu den Themen Digitalisierung und IT. Dass es nur 7 Stellen von 137 angemeldeten Stellen gibt, darüber würde ich gerne noch einmal sprechen.
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Wenn es hilft, benennen wir sie in Federal Administration Group Cologne oder so um, um nicht zu Boston Consulting gehen zu müssen.
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Ich glaube, wir haben eine Bundesbehörde, die eine tolle Beratungskompetenz hat und weiter aufbauen kann. Digitalisierung ist ein Schwerpunkt der Regierung. Deswegen möchte ich dafür werben, dem Bundesverwaltungsamt besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Jörn König, AfD, ist der nächste Redner.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Liebe Zuschauer auf den Tribünen und Zuhause! Herr Schuster, vielen Dank für das Stichwort. Nun aber vom Powerhaushalt zur echten Power, zum Sport.
Die Spitzensportförderung ist in diesem Fiskaljahr erstmals seit langer Zeit wieder deutlich gestiegen. Die Steigerung von 50 Millionen Euro führte zu insgesamt 235 Millionen Euro in diesem Jahr. Das ist aufgrund der langen Dürre vorher eine angemessene Erhöhung gewesen – vielen Dank dafür! –, es war wie ein belebender Regen. Aber im Olympiajahr 2020 kommt es nur zu einer mickrigen Erhöhung von 10 Millionen Euro. Sie merken, liebe Kollegen, es geht im Sport um sehr geringe Summen, und das ist in einem reichen Land mit Rekordsteuereinnahmen der eigentliche Skandal.
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Sie, die Regierung von CDU/CSU und SPD, setzen einfach falsche Schwerpunkte. Warum? Ja, weil Sie es können. Das haben wir gestern von Herrn Scholz gelernt. Nehmen Sie als Beispiel die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien. Sie hat ein Budget von immerhin 1,6 Milliarden Euro. Kultur ist wie Sport keine originäre Bundesaufgabe. Die Etats sollten also vergleichbar groß sein. Es ist eher andersherum: Es treiben sicherlich mehr Menschen Sport als regelmäßig ins Theater gehen. Wir fordern, kurzfristig den Etat für Spitzensportförderung auf 340 Millionen Euro zu erhöhen und langfristig auf 1 Milliarde Euro anzuheben.
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Wir sind eine großartige Sportnation, und wir können uns das locker leisten.
Auch auf der persönlichen Ebene lässt sich leicht erkennen, dass die Regierung die falschen Schwerpunkte setzt. Unsere Top-Spitzensportler erhalten in der Regel 1 200 Euro monatlich an Förderung. Dafür muss man jahrelang trainiert haben und Medaillen bei Olympia bzw. Weltmeisterschaften geholt haben. Ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling wird in Hessen mit einem Aufwand von 8 400 Euro monatlich gefördert.
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Dafür musste der junge Migrant nur nach Deutschland kommen, „Asyl“ sagen
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und sich für jünger als 18 Jahre erklären. Geprüft wird die Altersangabe in der Regel nicht.
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Dieser Jungmigrant erhält also die siebenfache Zuwendung eines deutschen Spitzensportlers. Diese schreiende Ungerechtigkeit schürt Vorurteile, spaltet die Gesellschaft und zerstört den Zusammenhalt.
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Für die Spitzensportler hat dies praktische Folgen. 50 Prozent von ihnen denken über ein vorzeitiges Karriereende nach. In der „Bild“-Zeitung sagt ganz aktuell ein Ruderweltmeister auf die Frage, ob er nach Tokio 2020 weitermache:
Das mache ich davon abhängig, wie die finanzielle Situation ist.
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– Der ist 24, Herr Grosse-Bröhmer. –
Noch mal vier Jahre mit den ganzen Aufwendungen – das möchte ich meinen Eltern nicht antun. Und das will ich mir selbst auch nicht.
Die AfD fordert daher nochmals die Erhöhung des Sportetats auf 340 Millionen Euro in diesem Jahr. Entsprechende Haushaltsanträge werden von uns vorgelegt.
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Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Frau Merkel wegen ihrer Messertoten zurücktreten muss.
Vielen Dank.
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Nächste Rednerin ist die Kollegin Susanne Mittag, SPD.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Innenminister und auch mein Parteikollege Burkhard Lischka haben es gerade schon gesagt: Der Haushalt 2020 ist aus innenpolitischer Sicht sehr gut und hält vieles Gutes bereit. Mit den 6 Milliarden Euro für den Bereich „innere Sicherheit“ werden viele der Forderungen erfüllt, die wir angemeldet haben. Wir bekommen weitere Stellen für die Sicherheitsbehörden; besonders die Bundespolizei profitiert mit 1 000 zusätzlichen Anwärterinnen und Anwärtern, die eingestellt werden. Damit tragen wir unserer komplexen Sicherheitslage im Herzen Europas – da sind wir nämlich als Deutschland – Rechnung, ebenso dem zunehmenden Sicherheitsbedürfnis der Menschen in unserem Land. So weit die guten Nachrichten.
Lassen Sie mich aber die Gelegenheit nutzen, hier zwei Baustellen anzusprechen, die alles andere als befriedigend sind. Denn so zentral es ist, die Sicherheitsbehörden hierzulande im Fokus zu haben, so fahrlässig ist es, nicht über den Tellerrand hinauszugucken. Wenn wir europaweit immer vernetzter zusammenleben, stellt uns das in der Verbrechensbekämpfung vor immer neue Herausforderungen. Grenzüberschreitende Kriminalität kann sinnvollerweise nicht nur im eigenen Land verfolgt werden. Da wäre es verantwortungslos, europäische Sicherheitsbehörden zu vernachlässigen. Ich spreche hier ganz konkret von Europol.
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In unserem zunehmend zusammenwachsenden Europa brauchen wir eine funktionierende europäische Polizeibehörde, die die nationalen Sicherheitsbehörden, auch die in unserem Land, unterstützt
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bei ihrem Kampf gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität und Terrorismus. Deshalb wurden in der jüngsten Vergangenheit die Befugnisse und Zuständigkeiten von Europol erheblich erweitert, genauso wie die parlamentarische Kontrolle durch die Europol-Kommission. Das haben wir hier im Parlament beschlossen.
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Paradoxerweise entspricht die Haushalts- und Stellenentwicklung diesem gewachsenen Aufgabenbereich überhaupt nicht. Im Gegenteil: Derzeit laufen 300 Stellen bei Europol aus, weil das zukünftige Budget die Finanzierung nicht mehr hergibt. Diese Entwicklung ist sicherheitsgefährdend und darf auf gar keinen Fall so weitergehen.
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Ich appelliere daher an Sie, Herr Seehofer,
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darauf hinzuwirken, dass Europol finanziell besser und seinen Aufgaben entsprechend ausgestattet wird. Wir brauchen dringend mehr Stellen, nicht weniger. Die Mittel aus dem erhöhten Sicherheitsetat der EU dürfen nicht nur in die Frontex-Grenzsicherungssysteme fließen, sondern müssen eben auch zur Bekämpfung grenzüberschreitender organisierter Kriminalität eingesetzt werden. Es ist Ihre Verantwortung, die Finanzierung von Europol zusammen mit den anderen EU-Innenministern sicherzustellen.
Abschließend noch ein Wort zur Bundespolizei. Die internationalen Missionen der Bundespolizei – auch der Länderpolizeien – sind ein weiterer Beitrag Deutschlands zur internationalen Sicherheit. Es ist absolut richtig, dass im Haushalt 50 neue Stellen dafür vorgesehen sind; denn die Probleme in dieser Welt werden ja nicht weniger, sondern eher mehr. Und selbstverständlich haben wir eine Fürsorgepflicht gegenüber unseren Polizisten. Daher ist auch absolut begründet, dass sie jetzt aufgrund der aktuellen Gefährdungslage aus Afghanistan zurückgeholt werden. Die Polizisten außer Landes zu holen und das Kontingent zu reduzieren, ist weitsichtig und verantwortungsbewusst. Es ist mir allerdings bis heute unverständlich, wie das Innenministerium beschließen konnte, die Ausbildungsmission der Bundespolizei in Saudi-Arabien fortzuführen.
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Uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist es sehr wichtig, das politische System dort nicht zu unterstützen. Daran hat sich nichts geändert. Es schadet unserer Glaubwürdigkeit und – als ehemalige Polizistin gesprochen – es schadet auch dem Ruf der Kollegen, wenn sie in einem Unrechtsstaat ausbilden sollen.
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Daher mein abschließender Appell: Holen Sie die Kollegen aus Riad zurück und beenden Sie diese Mission!
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Nächster Redner ist der Kollege Konstantin Kuhle, FDP.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Seite 247 des Buches „Regieren – Innenansichten der Politik“ des zeitgenössischen Autors Thomas de Maizière, das in diesem Jahr erschienen ist, heißt es:
Als Minister gilt es, die Substanz wichtiger zu nehmen als die Inszenierung, die Inszenierung aber nicht zu vernachlässigen. Beides ist wichtig, aber der Vorrang gehört immer der Substanz.
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Lieber Herr Innenminister, ich habe ein bisschen das Gefühl: Seit die Landtagswahl in Bayern vorbei ist, seit die Europawahl vorbei ist und seit Sie Herrn Söder nicht mehr so richtig piesacken können, ist Ihnen irgendwie die Lust an der Substanz vergangen. Das ist schade; denn wir müssen angesichts des Bundeshaushalts für das Jahr 2020 dringend darüber sprechen, wie sich die Stellen bei den Sicherheitsbehörden verändern werden. Ja, es ist richtig, dass wir mehr Stellen bei den Sicherheitsbehörden des Bundes bekommen. So schade es ist, dass allein bei der Bundespolizei 3 000 Stellen unbesetzt sind, so wichtig ist es auch, hier mehr zu machen. Wir brauchen dringend einen neuen Fokus auf die Bekämpfung des Rechtsextremismus beim BKA, beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Dafür haben Sie auch die Unterstützung der Freien Demokraten.
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Sie werden aber, lieber Herr Bundesinnenminister, die strukturelle innere Sicherheit in Deutschland nicht einfach nur dadurch verbessern, dass mehr Stellen geschaffen werden, sondern es braucht dafür auch eine Diskussion über die Strukturen im Bereich der inneren Sicherheit. Hier ist vor allem das Thema Föderalismus gemeint. Wir haben als Freie Demokraten schon Anfang des Jahres ein Konzept vorgelegt, mit dem wir eine Föderalismusreform III auf den Weg bringen können. Kein Mensch hat Verständnis dafür, wenn nach dem Mord an Walter Lübcke weiter 16 Landesämter für Verfassungsschutz bestehen. Wir brauchen dringend eine Reform der inneren Sicherheit im Bereich des Föderalismus.
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Einen zweiten Aspekt möchte ich gerne ansprechen; denn Sie haben, lieber Herr Seehofer, auch einen Gesetzentwurf zur – ich zitiere – „Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts“ vorgelegt. Dieser Gesetzentwurf hat für viel Disharmonie gesorgt, weil noch Monate später durch irgendwelche Verweistechniken auffällt, was dort eigentlich steht. Neben der Ausdehnung der Überwachung von Minderjährigen, neben neuen Einbruchsbefugnissen für das Bundesamt für Verfassungsschutz geht es vor allen Dingen um die Ausdehnung der Telekommunikationsüberwachung.
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Für uns als Freie Demokraten ist aber klar: Unter den gegebenen technischen Voraussetzungen darf es keine Einebnung der Grenze zwischen Polizei und Nachrichtendiensten geben.
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Das sind zwei unterschiedliche Dinge, und die müssen auch getrennt voneinander bleiben.
Meine Damen und Herren, wir haben große Erwartungen und setzen große Hoffnungen in die neue Bundesjustizministerin, über deren Haushalt wir gleich sprechen werden. Ihre Amtsvorgängerin hat diesen Gesetzentwurf zurückgewiesen. Wir hoffen, dass Sie mit der gleichen Standfestigkeit, wie es Frau Barley am Anfang ihrer kurzen Amtszeit getan hat, für das Thema Bürgerrechte Stellung beziehen und ganz klar ein Stoppschild gegen diesen Gesetzentwurf zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechtes aufstellen.
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Wir werden als Freie Demokraten das Aufstellungsverfahren für den Bundeshaushalt weiter begleiten und werden dabei insbesondere auf das Thema Strukturreform und das Thema Bürgerrechte achten. Beides kommt bei Ihnen momentan deutlich zu kurz, Herr Seehofer.
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Michael Kießling, CDU/CSU, ist der nächste Redner.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kuhle, lieber ein Buch über die Regierung schreiben, als nicht regieren zu wollen.
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Aber vorweg ein paar Worte zum Thema Bauen.
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Ich werde es halten wie unser Bauminister: stakkato, weil meine Redezeit etwas kürzer geworden ist.
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Wir stehen beim Thema Bauen vor drei Herausforderungen, die ich nennen will: Wohnraum schaffen, nachhaltiges, klimaschonendes Bauen, Wohnen und Bewirtschaften und der digitale Wandel, der die Bauwirtschaft, aber auch die Verwaltung entsprechend beschäftigt.
Um Wohnraum zu schaffen, brauchen wir pragmatische Lösungen, keine ideologischen. Mietendeckel oder Enteignung
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von Wohnraum schaffen keinen Wohnraum.
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Wir brauchen Wohnungen. Wir müssen – wie unser stellvertretender Fraktionsvorsitzender gesagt hat – bauen, bauen, bauen. Darauf setzen wir als Union zusammen mit unserem Koalitionspartner. Wir fördern den Mietwohnungsbau mit der Sonder-AfA und den sozialen Wohnungsbau mit 1 Milliarde Euro über 2020 hinweg.
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Zu nennen sind auch Eigentumsförderung, Baukindergeld und das Wohngeld zur Unterstützung der Familien. Letztendlich müssten wir, um bauen zu können, Bauland mobilisieren. Da sind wir mit der Baulandkommission auf einem guten Weg. Es gilt der Grundsatz „Innen- vor Außenentwicklung“. Wir müssen schauen, dass wir die Brachflächen innerorts ausbauen und für Wohnraum nutzen. Auch die Städtebauförderung gehört dazu. Wir müssen noch einmal über „Grün in der Stadt“ reden; damit meine ich nicht die Partei.
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Wir brauchen mehr Lebensqualität in der Stadt. Deshalb müssen wir auch im Rahmen der Städtebauförderung über „Grün in der Stadt“ und über Brachflächenförderung reden.
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Zur Baulandmobilisierung. Wir haben es gehört: In der Baulandkommission geht es auch um den Außenbereich. Ich denke, hier sollten wir mit Augenmaß handeln. Das Thema Außenbereich müssen wir sensibel angehen. Es bringt uns nichts, wenn wir einfach Wohnraum schaffen. Wir müssen dort Wohnraum schaffen, wo er auch benötigt wird, und das ist in den Ballungsgebieten.
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Zum nachhaltigen Bauen, zum klimaschonenden Bauen. Ich habe bereits die Städtebauförderung angesprochen, aber Klimaschutz beginnt auch in den eigenen vier Wänden. Hier müssen wir Anreize schaffen. Das haben wir schon mehrmals gefordert. Ich hoffe, dass wir heuer auch noch einen Haushaltstitel kriegen, sodass wir die entsprechenden Anreize schaffen können, damit sich Privatpersonen und Eigentümer mit ihrem Haus, mit ihrem Eigentum am Klimaschutz beteiligen. Es geht beim Klimaschutz auch um energie- und ressourcenschonendes Bauen und Leben. Auch hierzu können wir einen Beitrag leisten.
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Im Bereich Digitalisierung und digitaler Wandel stehen wir vor Herausforderungen in den Kommunen, in den Verwaltungen. Ich denke, wir sind mit unseren Smart-Cities-Projekten – wir haben 13 Smart-Cities-Projekte vergeben, jedes Projekt kann mit circa 10 Millionen Euro gefördert werden – auf einem guten Weg, um den Verwaltungsprozess zu stärken und zu optimieren. Aber dazu gehört auch das Thema „Building Information Modelling“. Mit dem Nationalen BIM-Kompetenzzentrum sind wir auf einem guten Weg.
Lassen Sie uns die Haushaltsberatungen nutzen, um im Baubereich voranzukommen. Ich freue mich auf die Beratungen.
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Klaus-Dieter Gröhler, CDU/CSU, ist der nächste Redner.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Minister, ich glaube, das ist ein guter Haushaltsentwurf. Das ist in zahlreichen Reden auch deutlich geworden. Der eine oder andere Kollege hat darauf hingewiesen: Der erhebliche Personalaufwuchs im Sicherheitsbereich ist richtig und wichtig. Der Kollege Bühl von der AfD hat dankenswerterweise darauf hingewiesen – er hat sich damit wohltuend von zahlreichen anderen Reden aus seiner Fraktion abgehoben; wir müssen hier manchmal viel ertragen –, dass leider immer noch viel zu viele Polizisten sowohl auf Bundesebene als auch auf Landesebene verletzt werden. Ich finde, jeder verletzte Polizist in diesem Land ist einer zu viel. An der Stelle ein herzliches Dankeschön und ein herzlicher Gruß aus dem Deutschen Bundestag an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für die Sicherheit in diesem Land sorgen!
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Aber, meine Damen und Herren, kein Entwurf der Bundesregierung ist so gut, dass das Parlament ihn nicht noch ein Stückchen besser machen könnte. Dafür werden wir in den nächsten Wochen mit den Haushaltsberatungen sorgen. Nun werden wir bei der Sportförderung nicht gleich auf 1 Milliarde Euro gehen; denn – ich will das, was in den Raum gestellt wurde, ein wenig korrigieren – es gab in den letzten vier Jahren bei der Förderung des Spitzensports einen Aufwuchs um 50 Prozent. 50 Prozent Aufwuchs! Ich finde, so etwas sollte man nicht schlechtreden. Das ist eine gute Voraussetzung für unsere Sportlerinnen und Sportler, um in Tokio bei den Olympischen Spielen und den Paralympics erfolgreich zu sein. Insofern: Glück auf an unsere Athleten! Das sind gute Voraussetzungen, um mit einem ordentlichen Medaillenregen zurückzukommen.
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Ich will kurz darauf hinweisen, worum ich mich in den Haushaltsberatungen besonders kümmern möchte. Es geht um Schwerpunkte, die der CDU/CSU-Fraktion wichtig sind. Mit dem letzten Haushalt haben wir ein Förderprogramm für kommunale Einrichtungen auf den Weg gebracht. Dadurch sind zahlreiche Kultur- und Sporteinrichtungen in den Kommunen gefördert worden.
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– Ich komme gleich zu Ihnen. Warten Sie, keine Panik!
Die DLRG wird in der nächsten Sitzungswoche eine Petition für mehr Unterstützung für Schwimmbäder an den Deutschen Bundestag übergeben. Ich sage Ihnen: Wir sind dafür eigentlich der falsche Ansprechpartner; zuständig sind Länder und Kommunen.
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An der Stelle muss ich Ihnen, meine Damen und Herren von den Linken, und besonders Ihrem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Bartsch, folgenden Vorwurf machen: Sie haben in der Sommerpause eine Presseerklärung herausgegeben, in der Sie so getan haben, als seien das alles Bundesbäder, für die wir zuständig seien. Zitat von Herrn Bartsch gegenüber der ARD:
Hier gibt es eine Verantwortung des Bundes. Er sollte die Wünsche der Länder alle akzeptieren.
Meine Damen und Herren, ich habe mir das mal am Beispiel Thüringen angeschaut: Aus Thüringen, wo Sie seit einigen Jahren den Ministerpräsidenten stellen – noch einige Wochen und dann ist Schluss –,
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sind zwölf Anträge an den Bund gestellt worden, Schwimmbäder zu sanieren. Was haben Sie eigentlich in Ihrer Verantwortung in Thüringen gemacht?
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In Ihren Koalitionsvertrag haben Sie vor ein paar Jahren reingeschrieben, Sie wollen Sportstätten ausbauen und sanieren. Das scheint nur heiße Luft gewesen zu sein.
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Ich finde es absolut nicht akzeptabel, wenn Sie mit populistischen Bemerkungen den Eindruck vermitteln, der Bund hätte an der Stelle liefern müssen.
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Wissen Sie, Sie werfen immer „denen da“ vor, populistisch zu sein. Aber das, was Sie machen, ist keinen Deut besser. Sie schüren damit eine Stimmung in den Kommunen, in den Dörfern und Gemeinden, nach der Devise „Die da oben wissen gar nicht, was wir brauchen; die lassen unsere Schwimmbäder verrotten“. Und der nächste Satz ist dann wahrscheinlich: Die stecken alles in das Flüchtlingsheim statt in das Schwimmbad. Meine Damen und Herren, ich finde, das ist keine anständige Politik.
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Herr Perli, Sie haben hier eben den Bund gescholten und behauptet, dass wir zu wenig für Sozialwohnungen ausgeben.
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Sie sind doch in Berlin am Drücker. Aus Berlin höre ich nur Enteignungsgequatsche und nur verfassungswidrige Vorschläge;
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aber die Zahl der Sozialwohnungen in Berlin geht jedes Jahr zurück, obwohl Sie die Bausenatorin stellen.
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Wie hat es vorhin der Kollege gesagt? Weniger quatschen, mehr machen. – Das war ein sehr richtungsweisender Hinweis.
Herzlichen Dank.
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Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir eine große Freude, heute zum Einzelplan 07 Stellung zu nehmen.
Das ist ein ganz besonderer Einzelplan; denn er weist im Vergleich zu den anderen Ressorts ein besonderes Verhältnis der Einnahmen zu den Ausgaben auf. Circa zwei Drittel der Ausgaben in diesem Plan erwirtschaften wir selbst. Das haben wir dem Deutschen Patent- und Markenamt zu verdanken. Deswegen freue ich mich, dass schon im letzten Haushalt zusätzliche Stellen für Patentprüferinnen und Patentprüfer geschaffen wurden. Ich finde, genau so sollten wir weitermachen. Das ist zum einen gut für den Haushalt, das ist zum anderen aber auch gut für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
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Meine Damen und Herren, der relativ kleine Etat des Einzelplans 07 darf nicht darüber hinwegtäuschen, worum es geht. Es geht nämlich um Großes. Es geht bei diesem Ressort um Gerechtigkeit. Es geht darum, den Rechtsstaat zu schützen, den Rechtsstaat zu erhalten und damit eben auch die Grundlage für eine wehrhafte Demokratie zu schaffen.
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Deswegen ist der Einsatz für unseren Rechtsstaat und unsere Demokratie aktuell und eine ganz konkrete Aufgabe. Der feige Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, aber auch viele andere Angriffe auf Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, aber auch Engagierte der Zivilgesellschaft haben uns aufgezeigt, dass dieses Vorgehen, mit dem versucht wird – das spüren wir alle –, an diesen Rechtsstaat die Axt anzulegen, unsere Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttert.
Wer Gefahr läuft, attackiert zu werden, weil er sich für eine menschliche Gesellschaft einsetzt, wer Gefahr läuft, bedroht zu werden, weil er sich kommunalpolitisch engagiert, wer im Netz bedroht wird, weil er seine Meinung äußert, der zieht sich womöglich zurück. Der engagiert sich nicht mehr, der äußert sich nicht mehr, der wirbt nicht mehr für seine eigenen Ideen. Das ist genau das, was diejenigen, die angreifen, auch wollen: Sie wollen engagierte Menschen zum Schweigen bringen. Das dürfen wir als wehrhafter Rechtsstaat nicht zulassen. Da müssen wir alle zusammenstehen.
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Deswegen habe ich zahlreiche Gespräche mit Betroffenen aus der Kommunalpolitik und aus der Zivilgesellschaft geführt, und das werde ich auch in Zukunft tun, um zu erfahren, was wir leisten können, um genau diese Situation zu verändern. Schärfen wir das Netzwerkdurchsetzungsgesetz? Finden wir andere Möglichkeiten? Auf jeden Fall ist das wichtig, und die Botschaft muss unmissverständlich rüberkommen: Wir lassen es nicht zu, dass Menschen verunsichert und eingeschüchtert werden. Wir weichen keinen Millimeter, wir stehen für den Zusammenhalt in dieser Gesellschaft.
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Ich danke dem Generalbundesanwalt, dass er im Fall Lübcke die Ermittlungen übernommen hat, und ich danke auch allen Ermittlungsbehörden, die in diesem Fall und in vielen anderen Fällen ermitteln; denn das zeigt, dass wir den Verfolgungsdruck erhöhen. Das ist wichtig. Wir senden eine ganz wichtige Botschaft: Wir schauen nicht weg, wenn Menschen in diesem Land bedroht, verfolgt oder sogar ermordet werden, sondern wir erhöhen den Verfolgungsdruck.
In diesem Zusammenhang dürfen wir es nicht zulassen, dass sich Gruppen oder Personen, die klar demokratiefeindliche Einstellungen haben, in diesem Land relativ problemlos bis an die Zähne bewaffnen können. Das darf nicht sein.
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Deshalb ist es richtig, dass wir das Waffenrecht verschärfen; ein Entwurf dafür liegt dem Parlament vor. Darüber haben wir zu diskutieren.
Auch wenn es sich jetzt für einige vielleicht befremdlich anhört, dass sich eine sozialdemokratische Justizministerin so äußert: Mir geht diese Verschärfung nicht weit genug.
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Ich will nicht, dass Waffen in den Händen von Extremisten landen. Deswegen will ich die Waffenbehörden ermächtigen, schon im Vorfeld eine Regelabfrage zu tätigen, damit wir nicht irgendwann feststellen müssen, dass jemand Waffen hat, sondern damit wir schon im Vorfeld dafür sorgen, dass diese Waffen nicht in seine Hände gelangen.
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Meine Damen und Herren, wichtig ist es natürlich auch, die Institutionen des Rechtsstaats zu stärken. Eine Maßnahme dafür ist der Pakt für den Rechtsstaat. Insgesamt 2 000 zusätzliche Stellen sind ein richtiges Signal an die Staatsanwaltschaften, aber auch an die Gerichte. Es geht zum einen um die personelle Ausstattung, die entsprechend gestaltet wird, zum anderen aber auch um die materielle Ausstattung.
Wir stärken den Rechtsstaat aber auch dadurch, dass wir die Stiftung Forum Recht – ein Projekt aus der Mitte des Parlaments – auf den Weg gebracht haben und weiter vorantreiben; denn damit schaffen wir in Leipzig und in Karlsruhe Orte, die den Rechtsstaat erfahrbar und den Dialog möglich machen. Das ist ganz wichtig, um den Zusammenhalt in dieser Gesellschaft zu stärken.
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Da wir in einer Haushaltsdebatte sind, kann ich anmerken, wie wichtig und bedeutend die Aufgabe des Bundesamtes für Justiz ist. Es hat eine zusätzliche Aufgabe bekommen. Das Thema Musterfeststellungsklage beschäftigt dort zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
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Wer sich mal die Mühe macht – ich habe mir das persönlich angeschaut –, zu sehen, mit welch hohem Engagement bei relativ geringer Personaldecke dort gearbeitet wird, dem wird deutlich, dass wir in diesem Bereich, in dem es darum geht, die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu stärken, investieren und zusätzliche Stellen schaffen sollten.
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Das ist an dieser Stelle meine Bitte an Sie als Parlament.
Meine Damen und Herren, unabdingbare Aufgabe eines starken Rechtsstaates ist es aber auch, dafür zu sorgen, dass die Gerichte funktionieren. Neben der personellen Ausstattung brauchen wir natürlich auch die Voraussetzungen für effektivere Verfahren. Deshalb machen wir uns daran, die Strafprozessordnung durch eine Reihe von Neuregelungen für effizientere Strafprozesse zu ändern, ohne dabei Abstriche an der Qualität der Verhandlungen, der Verfahren und auch der Entscheidungen zu machen. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit: Menschen müssen schnell zu ihrem Recht kommen. Wir müssen dafür sorgen, dass der Rechtsfrieden zügig hergestellt wird.
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Meine Damen und Herren, Rechtsstaat bedeutet aber auch, dass der Ehrliche nicht der Dumme sein darf. Deswegen wollen wir nicht länger zuschauen, wenn sich einige wenige schwarze Schafe gegenüber einer absoluten Überzahl von sich an Recht und Gesetz haltenden Unternehmen dadurch einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, indem sie sich nicht an Recht und Gesetz halten: durch Bestechung, durch Korruption, zum Beispiel auch dadurch, dass Gammelfleisch umetikettiert wird. Es will mir doch wohl niemand erklären, dass der Mitarbeiter, der Gammelfleisch umetikettiert und wieder in den Verkauf bringt, auf eigene Rechnung handelt, dass das sein Interesse und seine Idee war. Deswegen müssen wir hier dafür sorgen, dass die Unternehmen, wenn es ihnen zugerechnet werden kann, in die Verantwortung genommen werden können.
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Der sich technisch anhörende Begriff „Legalitätsprinzip“ beschreibt diese Neuerung. In Zukunft muss, wenn dieses Gesetz in Kraft treten wird, ermittelt werden, ob das Verhalten eines Mitarbeiters dem Unternehmen zugerechnet werden kann. Jetzt ist es nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht so geregelt, dass eine Ermittlung möglich ist. Wir sehen, dass dieses Recht nicht überall gleich gehandhabt wird. Es gibt Regionen in Deutschland, in denen ermittelt wird, und es gibt Regionen in Deutschland, in denen gar nichts passiert. Ich glaube, in einem Rechtsstaat muss klar sein: Bei solchen Verstößen muss in Zukunft ermittelt werden. Da setze ich auf die Unterstützung des Parlaments.
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Meine Damen und Herren, noch zwei oder drei Stichworte, mit denen ich in den nächsten Tagen und Wochen auf Sie zukommen werde. Einmal geht es darum, widerlichen Eingriffen in die Intimsphäre von Frauen zu begegnen.
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Ich nenne hier das Stichwort „Upskirting“, dass also unter den Rock fotografiert wird. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass das tatsächlich passiert, aber es ist so. Im Netz werden solche Bilder verkauft, vertrieben. Das kann doch nicht wahr sein. Deswegen werde ich einen entsprechenden Gesetzentwurf vorstellen.
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Da wir schon beim Thema Widerliches sind: Ich werde eine weitere gesetzliche Änderung vorlegen. Wir haben zwar eine Regelung, dass an Unfallorten Verletzte nicht fotografiert werden dürfen, um ihre Privatsphäre zu schützen. Aber es gibt eine Lücke: Es kann doch nicht sein, dass Tote – Tote! – bei einem Unfall fotografiert, diese Bilder weitergeleitet werden, und das Ganze nicht strafbar ist. Diese Lücken werden wir ebenfalls schließen.
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Ich werde auch mit dem Thema „faire Verbraucherverträge“ auf Sie zukommen. Es geht darum, dass die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern gestärkt werden, dass sie nicht abgezockt werden, dass sie nicht über den Tisch bzw. über das Telefon gezogen werden. Wir werden in Zukunft verlangen, dass unter bestimmten Voraussetzungen eine schriftliche Bestätigung einer Vereinbarung vorgelegt wird; denn oftmals wissen Verbraucherinnen und Verbraucher aufgrund der Überrumpelungssituation gar nicht, wozu sie sich verpflichtet haben. Das werden wir unter dem Stichwort „faire Verbraucherverträge“ ändern.
Meine Damen und Herren, es ist im Rahmen des Haushalts von Herrn Seehofer viel über die Wohnungs- und Mietpolitik gesprochen worden. Ich persönlich muss sagen: Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass wir es gleich zu Beginn meiner Amtszeit geschafft haben, Widerstände aufzubrechen, dass wir in der Regierung, aber auch mit den Regierungsfraktionen einen Durchbruch in Bezug auf mehr Rechte für Mieterinnen und Mieter geschafft haben.
Auf dem Wohngipfel vor einem Jahr hat man sich darauf verständigt, hier deutliche Verbesserungen zu erreichen. Dabei ist vieles gelungen: Man hat sich auf mehr Investitionen in den sozialen Wohnungsbau verständigt;
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erledigt, das haben wir gemacht. Wir haben uns auf das Baukindergeld geeinigt; das wurde gemacht. Aber in Bezug auf das Mietrecht lag vieles im Argen.
Es ist wichtig, dass wir die Geltungsdauer der Mietpreisbremse verlängern werden. Deswegen ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass zu viel gezahlte Miete in Zukunft auch rückwirkend zurückgefordert werden kann. Das ist ein ganz wichtiges Signal an die Mieterinnen und Mieter, aber auch an die Vermieter. Diese wissen dann: Zu viel gezahlte Miete kann zurückgefordert werden. Also werden sie sich das gut überlegen.
Es gibt auch eine Verbesserung in Bezug auf die Maklergebühren: Wer den Makler bei Immobilienkäufen nicht beauftragt hat, der hat höchstens 50 Prozent der Gebühren zu zahlen. Aber das bedeutet im Umkehrschluss, dass derjenige, der ihn beauftragt hat, mindestens 50 Prozent zahlen muss. Und wer mindestens 50 Prozent zahlen muss, der ist daran interessiert, dass diese 50 Prozent von etwas so wenig wie möglich sind, und das wird zu einer Dämpfung dieser Kosten führen. Darüber freue ich mich sehr.
Meine Damen und Herren, in dem Bereich wird oft über Wohnraum gesprochen. Das ist ein sehr, sehr technischer Begriff, aber es geht um nicht weniger als darum, dass Menschen Angst haben, wegen der überhöhten Mieten ihr Zuhause zu verlieren. Deswegen ist es – auch im Interesse des Zusammenhalts in unserer Gesellschaft – gut, dass wir dieses Thema angehen.
Sie sehen, wir haben viel zu beraten – nicht nur den Haushalt betreffend, aber auch ihn.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und freue mich auf die Beratungen.
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Tobias Peterka, AfD, ist der nächste Redner.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Kollegen! Der Haushalt des BMJV kommt mit einem Gesamtanteil von circa 0,25 Prozent und der genannten Refinanzierung durch Gebühren auf den ersten Blick als verwaltungsinterner Durchlaufposten daher. Man könnte also fast versucht sein, zu meinen, dass es nicht so ins Gewicht fällt, wenn dieses Ministerium wie ein Firmenwagen behandelt wird: kurz Start und Ziel ins Fahrtenbuch eingetragen, das Radio verstellt und den Kaffeebecher dringelassen.
So wurden etwa für die Umsetzung der Beschwerdewege aus dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz knapp 40 Planstellen beim Bundesamt für Justiz geschaffen, da sich wohl 25 000 Nutzer von sozialen Plattformen angeblich über Hassrede im weitesten Sinn beschweren werden. Im Jahr 2018 kamen dann ganze 714 solcher Meldungen herein. Und bei einer entsprechenden Anhörung konnte die Leitung des Bundesamtes dann auch gar nicht genau sagen, was die Beschäftigten auf diesen geschaffenen Stellen inzwischen tun. Schließlich fallen ganze 97 Prozent der angedachten Arbeit weg. Aber gut, Planstelle scheint wohl Planstelle zu sein.
Und ob eine Zusammenarbeit mit örtlichen Staatsanwaltschaften wie zum Beispiel bei dem Projekt „Verfolgen statt nur Löschen“ aus NRW angegangen werden sollte, halte ich für sehr fragwürdig. Denn dann müsste man ja zugeben, dass das NetzDG purer Aktionismus war.
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Das Gebührenaufkommen beim Patent- und Markenamt ist mit über 400 Millionen Euro das Rückgrat des Haushalts. Die Innovationsquote deutscher Anmelder ging jedoch zuletzt deutlich zurück. Gerade ausländische Patentanmeldungen müssen dies zunehmend bei uns auffangen.
Wenn man sieht, was diese Gebühren zum Teil querfinanzieren, dann ist die Haushaltsführung im sparsamen Sinn, wie man so schön sagt, fraglich. Denn das europäische Einheitliche Patentgericht verursacht bereits jetzt merkwürdige Kosten, obwohl es bekanntlich noch gar nicht operabel ist und rechtlich im Schwebezustand hängt. Beraterverträge à la von der Leyen, Mautvergabe à la Scheuer lassen hier vielleicht grüßen. Und ja, mit ein bisschen Glück wird das vor dem Verfassungsgericht im Nachhinein noch als Vorbereitungsmaßnahme durchgehen: also der Nicht-Andi-Scheuer-Ausgang der ganzen Sache.
Aber gehen wir zum Verbraucherschutz. Informationskampagnen schön und gut, jedoch werden hier explizit sogenannte besondere Zielgruppen angesteuert, zum Beispiel der Türkische Bund oder ein Flüchtlingsprojekt „Die neuen Verbraucher“. Das ist zumindest eine total übertriebene Detailverästelung für einen Bundeshaushalt, von der politischen Anbiederung einmal ganz zu schweigen.
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Die Deutsche Richterakademie: Das BMJV leistet etwa 2 Millionen Euro und damit die Hälfte der Kosten. Die Länder leisten den Rest. Die Personalstärke im Bund beträgt jedoch bekanntlich nur etwas über 2 Prozent im Bundesvergleich. Damit wird eine Vereinbarung akzeptiert, die eine 25-fach höhere Belastung als notwendig für den Bundeshaushalt festsetzt. Wenn man das nicht tun würde, dann könnte man mit dem ersparten Geld über ein halbes Dutzend Stellen zum Beispiel beim Generalbundesanwalt finanzieren.
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– Aber die Länder können auch ein bisschen mehr zahlen. – Gerade die Bundesanwaltschaft muss nämlich einen erheblichen Aufbau erfahren, nicht nur im Hinblick auf die jetzige Situation, sondern auch auf die zukünftige Bewältigung von zunehmenden Terrorstraftaten und auch organisiertem Verbrechen nach angepasster Rechtslage.
Kleinstaaterei lässt bekanntlich Terroristen jeder Couleur die einzelnen Staatsanwaltschaften an der Nase herumführen. Hier darf nicht nur in Verschiebungen innerhalb dieses Einzelplans gedacht werden, sondern es ist begleitend richtig, Geld in die Hand zu nehmen, vielleicht ja auch aus einigen Beraterverträgen bei der Bundeswehr. Die CDU-Vorsitzende müsste diese ja inzwischen auf dem Tisch haben. Das würde schon einiges helfen; denn friedlicher wird unsere heterogen gemachte Gesellschaft auf gar keinen Fall.
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Auf Ihre Analyse zum Thema Upskirting, Frau Ministerin, bin ich, gerade was die Aufklärung der Ursachen für dieses Phänomen angeht, sehr gespannt. Mich interessiert: Welche Worte werden Sie dazu finden?
Vielen Dank.
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Nächster Redner ist der Kollege Thorsten Frei, CDU/CSU.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist bereits gesagt worden, dass es in der Tat so ist, dass der Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz der kleinste ministeriale Haushalt ist, dass die Rechtsstaatlichkeit ihrer Bedeutung nach aber grundlegend ist für die Art, wie wir leben, auch grundlegend für den wirtschaftlichen Wohlstand, für die Prosperität in unserem Land. Deswegen muss er im besten Sinne Auswirkungen auf alle Bereiche unseres Lebens und auch unseres politischen Handelns haben.
Wenn man sich das alles anschaut, dann ist auch klar, dass ein Schwerpunkt der Rechtspflege, der Justizarbeit im Bereich der Länder liegt. Trotzdem haben wir einen markanten Aufwuchs in diesem Einzelplan. Es geht eben darum, dass auch der Bund im Bereich der Justiz seine Aufgaben gut bewältigt, etwa im Bereich des Bundesgerichtshofs, im Bereich der Generalbundesanwaltschaft. Es geht auch darum, dass es neben Personalaufwuchs zu einer digitalen Ertüchtigung kommt, die mehr Effizienzen ins System bringt und damit die Leistungskraft der Justiz entsprechend erhöht.
Ich will noch auf einen Punkt hinweisen, den Sie, Frau Bundesministerin, ebenfalls angesprochen haben: die Stiftung Forum Recht. Dazu findet man noch nichts im Haushaltsplan; aber das werden wir im parlamentarischen Verfahren entsprechend verankern. Denn es ist eine zivilgesellschaftliche Initiative gewesen, die ganz maßgeblich aus dem Deutschen Bundestag heraus geprägt worden ist. Wir haben gesagt: Rechtsstaatlichkeit ist nicht nur ein Wort, das im Raum steht, sondern wir möchten, dass das für die Bürgerinnen und Bürger erlebbar, erfahrbar wird. – Deshalb werden wir in Karlsruhe und in Leipzig ein entsprechendes Forum schaffen, und wir werden dafür auch die notwendigen finanziellen Ressourcen zur Verfügung stellen. Ich bin froh, dass wir nach der Errichtung dieser bundesunmittelbaren Stiftung im Frühjahr jetzt einen weiteren markanten Schritt nach vorne gehen können.
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Was erwarten die Menschen von der Rechtspolitik, von der Justiz, vielleicht auch unmittelbar von ihrem Staat? Eines ist völlig klar: Hier im politischen Raum können wir immer über die Frage diskutieren, wo wir mehr Staat brauchen, wo wir weniger Staat brauchen oder wollen und wie wir uns in den einzelnen Bereichen engagieren. Das Sicherheitsversprechen des Staates dürfte allerdings völlig unbestritten sein. Es geht darum, dass wir den Menschen Sicherheit und Ordnung zur Verfügung stellen und sie im Konfliktfall vor Gericht schnell zu ihrem guten Recht kommen. Das ist unsere Verantwortung. Das ist unser Teil des Geschäftes; schließlich stehen auf der anderen Seite das Gewaltmonopol des Staates und auch die Bereitschaft der Menschen, dieses Gewaltmonopol rückhaltlos anzuerkennen.
Wenn man das tut, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann muss man sich mit der Wirklichkeit beschäftigen und schauen: Was müssen wir als Staat denn tun, um genau diese Voraussetzungen zu schaffen? Da war es schon alarmierend, als beispielsweise Ende August der Deutsche Richterbund in sehr groben Pinselstrichen ein Bild der deutschen Justiz gezeichnet hat, die jedenfalls schon über längere Zeit an der personellen Belastungsgrenze arbeitet. Die Punkte, die der Deutsche Richterbund da aufgeführt hat – dass über die Hälfte der Strafverfahren eingestellt wird, meistens aus Personalmangel, dass Delikte wie Ladendiebstahl, Fahrraddiebstahl gar nicht vor Gericht landen und dass jede Woche ein Häftling aus der Untersuchungshaft entlassen werden muss, weil die Verfahren zu lang dauern –, dokumentieren einfach, dass der Handlungsbedarf enorm ist.
Deswegen war es richtig, dass wir in erster Linie nicht darauf geschaut haben: „Was ist Landeszuständigkeit, was ist Bundeszuständigkeit?“, sondern dass wir gemeinsam mit den Ländern den Pakt für den Rechtsstaat beschlossen haben, weil es zwar wichtig ist, aber nicht ausreichend ist, zusätzliche Polizei zu haben, wenn anschließend im Bereich der justiziellen Verarbeitung das Personal nicht zur Verfügung steht. Deswegen ist es richtig, 2 000 zusätzliche Stellen für die Gerichte und die Staatsanwaltschaften zu schaffen.
Das kann man im Übrigen mit Zahlen gut belegen. Es ist ja nicht so, dass in ganz Deutschland die Situation der Justiz die gleiche wäre. Baden-Württemberg beispielsweise hat sehr früh zusätzliche Stellen im Bereich der Justiz geschaffen. Die Folge war – erst in dieser Woche ist der Strafverfolgungsbericht für das Jahr 2018 vorgestellt worden –, dass nicht nur die Zahl der Verfahrenseingänge bei den Staatsanwaltschaften, sondern auch die der Verurteilungen das erste Mal seit 16 Jahren signifikant gestiegen ist. Hier scheint es eine unmittelbare Korrelation mit der Personalsituation an den Gerichten zu geben. Das ist ein klares Signal, dass wir an dieser Stelle auf dem richtigen Weg sind. Wir müssen diesen Weg gemeinsam mit den Ländern konsequent weitergehen.
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Für uns, Frau Bundesministerin, ist ein zweiter Punkt ganz wichtig. Es geht zum einen um mehr Personal – das ist richtig – und zum anderen um schlankere und effizientere Verfahren. Ich glaube, wir haben in den letzten Monaten, liebe Frau Högl, an ganz vielen Stellen ganz Gutes erreicht. Ich war sehr dankbar, Frau Bundesministerin, dass Sie gleich bei Ihrem Amtsantritt deutlich gemacht haben, dass die Reform der Strafprozessordnung für Sie ein ganz wesentlicher Punkt ist, an dem wir vorwärtskommen wollen und vorwärtskommen müssen.
Das mögen an manchen Stellen eher organisatorische Punkte sein, aber mit echtem Gehalt. Wenn man sich beispielsweise anschaut, dass die Rechte, die wir in der Strafprozessordnung haben und die eigentlich dafür gedacht sind, dass Beschuldigte nicht ungerechtfertigt zu einer Verurteilung kommen, letztlich auch ins Gegenteil verkehrt, pervertiert werden können, man damit dem Staat ein Stück weit auf der Nase herumtanzen kann, dann zeigt sich der Handlungsbedarf.
Wir haben das besonders deutlich beispielsweise beim NSU-Prozess gesehen, der ganz gezielt verschleppt und torpediert wurde: 2 970 Beweisanträge, 1 427 Beweisermittlungsanträge, 202 Richterablehnungen in einem einzigen Prozess – das zeigt, dass es ein schmaler Grat ist. Es geht darum, einerseits Beschuldigtenrechte zu wahren, andererseits die Effizienz des Rechtsstaats nicht zur Disposition zu stellen. Es geht nicht nur um die Effizienz, sondern auch um die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates. Dafür werden wir die notwendigen Voraussetzungen schaffen.
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Ich bin sicher, dass es uns, der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen, ein gleichermaßen wichtiges Ziel ist, zügig und noch in diesem Jahr zu einem Abschluss des Reformvorhabens zu kommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht natürlich um Prozesse, um Rahmenbedingungen und Strukturen, aber der Rechtsstaat wird immer nur dann gut sein und funktionieren, wenn er sich auch auf Menschen verlassen kann, die zu ihm stehen, die ihn leben, die ihn nicht nur akzeptieren. Es kann nicht sein, dass der Rechtsstaat nur dann funktioniert, wenn man einen Aufpasser neben jeden Einzelnen stellt; wir müssen ihn ein gutes Stück weit auch leben. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der Rechtsstaat ganz konsequent gegen all diejenigen vorgehen muss, die ihn ablehnen, und die gibt es in unserer Gesellschaft auch. Ich will das exemplarisch an den kriminellen Familienclans deutlich machen, wo nach ganz eigenen Unwerturteilen gelebt wird, wo der Rechtsstaat nicht bekämpft wird, sondern gänzlich abgelehnt wird.
Wir brauchen dafür die passenden Instrumentarien. Teilweise haben wir sie in der Vergangenheit schon geschaffen. Ich denke etwa an die Vermögensabschöpfung, womit wir 2017 einen deutlichen Schritt in die Zukunft gegangen sind. Jetzt müssen wir uns überlegen, ob die Instrumentarien ausreichend sind, ob wir sie nachschärfen, ob wir auch im Bereich der Beweislastumkehr einen weiteren Schritt gehen. All das sollten wir uns ganz genau anschauen. Das hat viele Konsequenzen: familienrechtliche Konsequenzen, aufenthaltsrechtliche Konsequenzen. Es geht um die Frage, ob wir als Staat die richtigen Instrumentarien haben, um gegen diese spezielle Form der Kriminalität vorzugehen.
Da möchte ich nur ein Beispiel nennen: Bei solchen in sich abgeschotteten Clanstrukturen kommt man mit klassischen Instrumenten wie V-Leuten nicht weiter, sondern man braucht auch die technischen Voraussetzungen. Deswegen ist es für uns ganz entscheidend, dass Bundestag und Bundesrat gemeinsam eine Vorratsdatenspeicherung verabschiedet haben.
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Aufgrund eines Oberverwaltungsgerichtsurteils können wir dieses geltende Recht aber nicht anwenden und haben damit im Bereich der Clankriminalität, aber auch in anderen Bereichen keine richtigen Antworten.
Das gilt im Übrigen auch für den Bereich der Kinderpornografie. Wir wissen, dass allein im letzten Jahr 8 400 Hinweise aus den USA letztlich nicht nachverfolgt werden konnten, weil Verbindungsdaten frühzeitig gekappt worden sind.
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Deshalb: Es gibt für uns genügend zu tun. Wir werden diesen Weg weitergehen, und ich freue mich, wenn wir das gemeinsam tun.
Herzlichen Dank.
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Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege Dr. Stefan Ruppert.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe Ausgang dieses Sommers die Eingewöhnung meines Sohnes im Kindergarten begleitet und interessante Beobachtungen dabei gemacht: Man spielte mit Bauklötzen und stritt sich darüber, welche Puppe in dem Häuschen, das gebaut worden war, wohnen darf.
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Alle zerrten dann die Puppe des anderen heraus, sagten: Deine Puppe muss aus dem Wohnhaus wieder raus. – Irgendwann kamen die Kinder auf die Idee, zu sagen: Wir brauchen einfach mehr Bauklötze, wir müssen mehr Häuser bauen. – Auf diese Idee ist man leider im Bundesjustizministerium noch nicht gekommen, sondern man bewirtschaftet nach wie vor zu wenig Wohnraum – mit einer Mietpreisbremse, die dazu führt, dass immer nur einer in dieser Wohnung wohnen kann und es nicht mehr Wohnraum in Deutschland gibt.
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Dass die CDU/CSU da mitmacht, auch bei der Frage Mietpreisbremse, dass sogar ein Abgeordneter des Abgeordnetenhauses sagt: „Man muss den Zuzug nach Berlin jetzt stoppen, um dieses Problem in den Griff zu kriegen“,
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das ist doch ein Ausdruck von Hilflosigkeit. Sie müssen bauen, Standards überprüfen.
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Sie müssen dafür sorgen, dass ein Anreiz besteht, zu bauen, und Sie müssen aufhören, einen Markt, der jetzt schon zum Erliegen kommt, überzuregulieren – so entsteht keine einzige zusätzliche Wohnung in Deutschland. Ich glaube, daran müssen wir dringend wieder appellieren. Das ist der erste Gedanke.
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Wenn dann noch die Mittel, die in Thüringen oder in Berlin für den Wohnungsbau zur Verfügung stehen, nicht dafür verwandt werden, sondern für andere Dinge, dann ist das noch einmal trauriger; auch das findet auf dem Rücken der Wohneigentümer und der Mieter in Deutschland statt. So lösen wir das Problem nicht. Mehr Wohnungen durch mehr Bauen und nicht einfach durch neue Regulierung.
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Ich will – das habe ich mir vorgenommen – in jeder Rede auch einen positiven Aspekt nennen, ein Lob aussprechen: Ich finde es hervorragend, dass auch Sie sich, Frau Lambrecht, zum Forum Recht bekennen. Das ist ein Ort, wo Recht lebendig dargestellt werden kann, wo man die wertvollen Aspekte des Rechtsstaats erfährt, wo alle merken: Recht und seine Durchsetzung ist Voraussetzung für Frieden, für sozialen Frieden, für Zusammenhalt. Dafür ist das Forum Recht genau der richtige Ort. Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung an dieser Stelle!
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Der nächste Gedanke ist leider ein bisschen eine Binnenschau in die Sozialdemokratie. Dass eine sozialdemokratische Ministerin, die einer anderen sozialdemokratischen Ministerin folgt, praktisch die gesamte Leitungsebene des Hauses austauschen muss, ist, glaube ich, bezeichnend für den Zustand der deutschen Sozialdemokratie: Man traut nicht einmal mehr den eigenen Mitarbeiterinnen, den eigenen Genossinnen und Genossen. Das kommt den Steuerzahler teuer zu stehen, und es behindert auch die Funktionsfähigkeit dieses Hauses für eine gewisse Zeit. Das war eine unnötige Maßnahme, die viel zu viel Geld gekostet hat und die wir kritisieren.
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Das Justizministerium ist Verfassungsministerium. Es gibt erhebliche Vorbehalte, was die Verfassungsmäßigkeit der Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags angeht. Es gibt Gutachten, die sagen: Eine Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags ist verfassungswidrig. – Ihre Aufgabe wäre es, zu sagen: Wir kümmern uns darum, diese Bedenken ernsthaft auszuräumen, oder, wenn sie nicht auszuräumen sind, sorgen dafür, dass man eine verfassungsgemäße Vorlage macht. Leider ist an dieser Stelle nicht viel von Ihnen zu hören. Ich hoffe sehr, dass Sie bei bürgerrechtlichen Fragen dem Innenministerium bisweilen in den Arm fallen, wenn es darum geht, Grundrechte in Deutschland zu stark einzuschränken. Darauf richten wir unsere Hoffnungen.
Noch ein Letztes zur SPD: Sie stellen Menschen mit einem gewissen Gehalt als jemanden dar, der in der Hängematte liegt und Geld wie am Fließband bekommt. Die Gehaltsklasse der Leistungsträger, die Sie verächtlich machen, ist die von SPD-Bundestagsabgeordneten. Wenn Sie ein solches Selbstbild haben, dass Sie in der Hängematte liegen und Ihnen das Geld nur so zufliegt, dann wundert mich nicht, dass Ihre Erfolglosigkeit im Moment doch ein andauernder Zustand ist. Ich glaube, das ist einfach eine falsche Darstellung; so sollten wir uns als Abgeordnete nicht darstellen.
Vielen Dank.
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Für die Fraktion Die Linke hat das Wort die Kollegin Amira Mohamed Ali.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Es geht um den Haushalt 2020 für das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat eine wichtige Umfrage gemacht. Diese Umfrage hat ergeben, dass aktuell nicht einmal ein Viertel der Verbraucher Vertrauen darin haben, dass die Politik für den Verbraucherschutz das Richtige tut. Das ist eine verheerende Bilanz. Aber das ist kein Wunder. Jeder von uns oder zumindest die allermeisten haben schon einmal die Erfahrung gemacht, dass, wenn sie versuchen, ihre Rechte gegenüber einem Unternehmen durchzusetzen, David gegen Goliath kämpft. Bei diesem Kampf wird man leider viel zu oft alleingelassen. Das ist ein Zustand, den man in einem Rechtsstaat einfach nicht akzeptieren kann.
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Wenn zum Beispiel die Telefonrechnung falsch ist oder man Fragen zur Stromabrechnung hat, dann wird man nicht kompetent beraten und bekommt schnelle Hilfe. Nein, oft landet man in der Hotlinehölle, und da braucht man oft wirklich sehr gute Nerven, um nicht zu kapitulieren. Die Konzerne wissen eben um ihre Marktmacht und unsere Abhängigkeit von ihnen, aber auch um die zahme Politik, und das wird zum Teil hemmungslos ausgenutzt in vielen Bereichen des täglichen Lebens, zum Beispiel von Telefonanbietern, Versicherern, Banken oder Autoherstellern. Damit muss endlich Schluss sein!
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Das gilt auch für die digitale Welt, eine Welt, der man sich heute praktisch nicht mehr entziehen kann. Die meisten möchten das auch gar nicht; das ist verständlich. Die digitale Welt hat große Vorteile. Der große Nachteil ist, dass wir dort sehr oft der Willkür von Konzernen wie Google, Amazon oder Facebook praktisch ausgeliefert sind. Es ist ein wilder Westen mit Fake-Bewertungen, Fake Shops, hemmungsloser Nutzung all unserer Daten und ständiger Manipulation mit dem einzigen Ziel, uns zum Kauf von Produkten oder zur Preisgabe unserer Daten zu bewegen.
Die großen Player haben außerdem die unschlagbare Macht, uns in der digitalen Welt einfach ausschalten zu können. Wenn man die neuen iTunes-AGBs nicht akzeptiert oder einer Rechnung erst einmal widerspricht, dann wird man – klick! – abgeschaltet, dann gehen die Dienste einfach nicht mehr. Aktuell gibt es kein vernünftiges Gegengewicht zu dieser Übermacht, weil der Verbraucherschutz viel zu schwach ist, und das seit Jahren. Das muss sich dringend ändern.
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Aber dieser Haushalt setzt den Stillstand im Verbraucherschutz leider fort. Frau Lambrecht, Sie planen gerade einmal 4 Prozent Ihres Budgets für die Verbraucherpolitik ein. Das sind 38 Millionen Euro, 4 Millionen Euro weniger als im letzten Jahr, und das, obwohl die Herausforderungen doch ganz klar wachsen und wachsen. Sie haben gerade gesagt, Sie möchten den Verbraucherschutz stärken. Aber ich frage Sie: Wie wollen Sie das denn mit einem so mickrigen Budget machen? Wie soll man damit einen Ausgleich schaffen zwischen Verbrauchern auf der einen Seite und mächtigen Unternehmen auf der anderen Seite? Das ist so überhaupt nicht möglich.
Wir Linken sind ganz klar an der Seite der Verbraucherzentralen, die wirklich wacker kämpfen; aber sie sind heillos unterbesetzt. Ich freue mich sehr darüber – das muss ich ehrlich sagen –, dass die Regierungskoalition endlich auf uns gehört hat und die Marktwächter der Verbraucherzentralen nun dauerhaft fördert; das ist prima.
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Aber die Förderung ist viel zu gering. Zum Beispiel haben die Marktwächter für den digitalen Verbraucherschutz bundesweit gerade einmal 45 Vollzeitstellen – 45! –, die für die Belange von Millionen Verbraucherinnen und Verbrauchern kämpfen sollen. Die Marktwächter Energie, die zum Beispiel Heizkostenabrechnungen kontrollieren – zwei von drei Abrechnungen sind übrigens falsch –, haben gerade einmal sieben Stellen zur Verfügung. Das ist viel zu wenig. Wir fordern ohne Wenn und Aber eine auskömmliche Finanzierung der Verbraucherzentralen. Das ist wirklich das Mindeste, Frau Lambrecht.
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Außerdem brauchen wir endlich eine starke Verbraucherschutzbehörde. Andere EU-Länder haben das schon längst. Eine Behörde hat Ermittlungs- und Durchsetzungsbefugnisse; sie kann Bußgelder verhängen, Entschädigungen einfordern und, und, und.
Das wären wichtige Schritte, um dem Verbraucherschutz endlich die Schlagkraft zu geben, die er braucht und die er auch verdient. Frau Lambrecht, gehen Sie diese Schritte! Die Linke geht da mit Ihnen.
Aber ich fürchte, es ist hier leider wie immer: Ihnen sitzen die Konzerne im Nacken, und Sie haben nicht den Mut, dagegen Widerstand zu leisten. Denn es ist ja so: Guter Verbraucherschutz steht den Profitinteressen von unlauter agierenden Unternehmen nun einmal entgegen. Aber die Interessen dieser Unternehmen scheinen dieser Bundesregierung wichtiger zu sein als der Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Betrug und Abzocke. So spart alleine VW gerade über 1 Million Euro pro Tag durch das Herauszögern der Entschädigungsleistungen an die Betroffenen des Dieselabgasskandals, und das legitimiert durch die von Ihnen ach so gefeierte Musterfeststellungsklage.
Ich kann Ihnen sagen: Es ist genau diese Form der Politik, die Menschen wütend macht – und das zu Recht. Es geht um die Frage, für wessen Interessen Sie hier eigentlich Gesetze machen. Wir als Linke stehen jedenfalls weiterhin an der Seite der Verbraucherinnen und Verbraucher. Und ja, das ist ein Kampf David gegen Goliath. Aber wer die Geschichte kennt, der weiß auch, wer am Ende gewinnt.
Danke schön.
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Die Kollegin Dr. Manuela Rottmann hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Hälfte der Legislaturperiode ist vorbei, und von den letzten zwei Jahren müssen wir in der Rechtspolitik nicht nur die Monate der Regierungsbildung abziehen, sondern auch das Gastspiel der vorherigen Ministerin. Zwischen Einarbeitungszeit und Europawahlkampf ist nicht viel passiert.
Jetzt haben wir – Gott sei es gelobt – eine neue Ministerin, und wir brauchen sie; denn der Rechtsstaat ist unter starken Druck geraten. Ein Teil der Bevölkerung wendet sich von ihm ab. Ehrlich gesagt habe ich gar keine Lust mehr, das immer wieder zu beklagen, sondern mich interessiert: Was können wir dem entgegensetzen? Wie können wir die Widerstandskräfte in dieser Gesellschaft stärken?
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Wir schaffen das nicht durch eine Musealisierung der Rechtsstaatsidee; wir schaffen das auch nicht durch schlaue Grußworte vor ausgewähltem Fachpublikum; ich glaube, wir schaffen das auch nicht durch mehr Pressesprecher in den Bundesministerien. Das ist alles nicht verkehrt, aber ich halte es nicht für das Entscheidende. Entscheidend ist, welche Erfahrungen die Bürgerinnen und Bürger, die Unternehmen jeden Tag in den Gerichten, in den Kanzleien, in den Amtsstuben machen. Wenn diese Erfahrungen gut sind, dann stärkt das den Rechtsstaat. Sind sie schlecht, verlieren wir die Menschen dafür. Deswegen ist die bisherige Geringschätzung der SPD für das von ihr besetzte Justizministerium ein großes Problem – nicht nur für die SPD.
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Wenn sich die SPD dann einmal durchringt und etwas für die Waffengleichheit vor Gericht tun will, dann kann man sich sicher sein, dass sie fast immer vom Koalitionspartner ausgebremst wird. Es gibt allerdings einen Punkt, wo Sie sich sehr nahe sind. Mein Eindruck ist, dass bei Ihnen der Bürger im Rechtsstaat Opfer von Straftaten ist, dem man mit viel Polizei beistehen muss – dagegen habe ich gar nichts –, aber den Bürger, der selbstbewusst und selbstständig sein Recht durchsetzen will und dafür Unterstützung braucht, gibt es bei Ihnen beiden zu wenig.
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Auch im Haushaltsentwurf gibt es keine Anzeichen dafür, dass Sie sich dieser Aufgabe annehmen. Die Schere zwischen technisch hochgerüsteten Kanzleien und einer Justiz auf Papieraktenbasis klafft immer weiter auseinander, und das ist nicht allein ein Problem der Länder. Ein Revisionsverfahren in Zivilsachen vor dem BGH – das kann so einfach sein, wie es will – steht erst einmal monatelang still, weil allein die Versendung der Akten und die Einsichtnahme Monate dauern.
Die SPD ist stolz auf über 400 000 Verbraucher, die sich ins Klageregister für die Musterfeststellungsklage gegen VW eingetragen haben. Das ist gut;
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aber es ist jämmerlich, dass dieses Register vom Bundesamt für Justiz auf Basis einer Excel-Tabelle geführt wird.
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Noch ein Grund, zu handeln: Immer mehr Menschen verzichten auf einen Teil ihrer Ansprüche, wenn sie nur schnell und einfach zu ihrem Recht kommen, und vertrauen sich Legal-Tech-Anbietern an. Warum gibt es eigentlich keinerlei Bemühungen, an den Gerichten für einfache Massenfälle Onlineverfahren zu ermöglichen? Auch die digitale Dokumentation der Hauptverhandlung im Strafprozess liegt brach. Abwarten, bis die elektronische Akte eingeführt ist, lautet Ihre Devise. Das ist vorgeschoben. Den Gerichten und Staatsanwaltschaften hilft kein Pakt für den Rechtsstaat, wenn sie in ihren Verfahren und mit ihren Arbeitsmitteln im Zeitalter der Rohrpost stecken bleiben.
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Die Chancen, die im Justizministerium liegen, um die Bürger und den Staat wieder zusammenzubringen, wurden in den letzten beiden Jahren nicht gesehen, und sie wurden auch nicht genutzt. Frau Ministerin Lambrecht, ändern Sie das! Handeln Sie, dann unterstützen wir Sie gerne.
Danke schön.
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Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Kollege Dr. Johannes Fechner.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Das Justizministerium ist ein großartiges Ministerium. Wir freuen uns, dass wir es besetzen dürfen und dass wir wieder eine großartige Justizministerin haben. Das freut uns sehr!
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Daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen; denn wir wollen unseren Rechtsstaat stärken. Wir wollen, dass Deutschland noch sicherer wird. Vor allem wollen wir daran arbeiten, dass die bei manchen Bürgern vorhandene Diskrepanz zwischen subjektivem Sicherheitsgefühl und der eigentlich guten objektiven Sicherheitslage im Vergleich zu anderen Ländern nicht größer wird, dass sich die Leute hier sicher fühlen und alle Bürger wissen, sie können ihre Rechte und ihre Ansprüche hier in Deutschland durchsetzen. Diesen Ehrgeiz sollten wir haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Deutschland ist nach wie vor eines der sichersten Länder. Wenn wir es noch sicherer machen wollen, wenn wir noch mehr Straftaten verhindern wollen, dann ist der Hauptschlüssel dafür, dass wir mehr Personalstellen in der Justiz und bei der Polizei schaffen. Deshalb haben wir uns mit den Ländern verabredet, einen Pakt für den Rechtsstaat abzuschließen – das haben wir getan –, weil wir 2 000 zusätzliche Stellen für Richter und Staatsanwälte sowie 7 500 zusätzliche Stellen für Polizisten schaffen wollten. Ich finde, wir gehen mit diesem Haushalt den ersten Schritt; dort sind 110 Millionen Euro für die erste Rate für diese Maßnahme enthalten. Für 2021 werden es noch einmal 110 Millionen Euro sein.
Also, Sie sehen: Die besten Gesetze bringen nichts, wenn in den Gerichten und auf den Polizeirevieren kein Personal ist, um diese Rechte für die Bürgerinnen und Bürger durchzusetzen. Deshalb gehen wir mit diesem Haushalt einen ganz wichtigen Schritt hin zu mehr Sicherheit und zu mehr Rechtsdurchsetzung, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Wir wollen Strafprozesse schneller machen, ohne dabei Beschuldigtenrechte einzuschränken. Wir wollen gegen den Missbrauch von Verfahrensrechten, etwa bei Besetzungsrügen, vorgehen. Denn wenn durch solche missbräuchlichen Verzögerungstaktiken Prozesse platzen, ist niemandem gedient; das schadet dem Ansehen des Rechtsstaats, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Klar muss auch sein: Es muss der Grundsatz gelten: Wer recht hat, der muss auch recht bekommen. – Unter diesem einfachen Motto hat die SPD die Musterfeststellungsklage durchgesetzt. Von den Grünen ist das massiv kritisiert worden:
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Dieses Verfahren sei nicht geeignet, und es sei nicht wirksam. – Über 400 000 Verbraucherinnen und Verbraucher haben jetzt durch unser Gesetz die Möglichkeit, ihre Ansprüche vor dem Oberlandesgericht in Braunschweig klären zu lassen. Das ist ein Erfolg.
Damit es auch zukünftig für Musterfeststellungsklagen eine Verbraucherzentrale gibt, die finanziell gut ausgestattet ist, und damit auch das Bundesamt für Justiz seinen Aufgaben nachkommen kann, setzen wir im Haushalt Schwerpunkte und stärken diese beiden wichtigen Organisationen. Das ist eine ganz wichtige Maßnahme, damit recht bekommt, wer auch recht hat, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Wir wollen einen starken Rechtsstaat. Dafür gilt es, zu werben. Deswegen ist eine weitere wichtige Maßnahme, dass wir gemeinsam – ich betone es: gemeinsam – hier im Parlament das Forum Recht in Leipzig und in Karlsruhe schaffen wollen. Wir haben hier in den Haushaltsberatungen die Gelegenheit, die entsprechenden, nicht unerheblichen Gelder in den Haushalt einzustellen. Das sollten wir tun, weil es uns allen wichtig ist, das Ansehen des Rechtsstaates weiter auszubauen und vor allem das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat zu stärken. Mit diesem Haushalt gehen wir einen wichtigen Schritt. Wir stimmen dem zu.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege Fechner. – Der nächste Redner: der Kollege Martin Hohmann.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Als Verfassungsministerin tragen Sie gemeinsam mit dem Innenministerium die große Verantwortung für unser Gemeinwesen. Das zeigt sich einmal an der Aufgabe zur Endkontrolle von Gesetzesvorlagen anderer Ministerien, das zeigt sich zum anderen aber auch an der Möglichkeit zu Gesetzesinitiativen.
Mehrfach habe ich an dieser Stelle die Prüfung angemahnt, ob und inwieweit die religiösen Vorschriften des Koran und der Scharia mit unserer Grundrechtsordnung kompatibel sind. Dem Koran als solchem kommt der Charakter einer religiösen Schrift zu. Werden aber einige seiner Vorschriften in die Realität umgesetzt, gewinnt er Brisanz, wird er zum politischen Islam. Dieser Islam – das sagt die AfD als einzige Partei – gehört nicht zu Deutschland.
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Da sind zum einen die vielen, expliziten Gewaltaufrufe gegen Ungläubige. Ungläubige sind alle Nichtmuslime. Als Ungläubige können auch konkurrierende Muslime angesehen werden; das zeigt der Anschlag in Kabul auf eine Hochzeitsgesellschaft: 63 Tote, 180 Verletzte.
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Da sind zum anderen die Bestimmungen des Korans, wonach Frauen bei Unbotmäßigkeit geschlagen werden dürfen.
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Ihre Aussage ist vor Gericht nur halb so viel wert wie die eines Mannes, und sie haben ihren Männern jederzeit sexuell zur Verfügung zu stehen. Was sagen Sie als SPD-Politikerin zum Münchner Islamzentrum, das unlängst das Schlagen von Frauen öffentlich gerechtfertigt hat?
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Diese Bestimmungen des Korans zitiere ich zum dritten Mal in einer Rede zum Haushalt des Justizministeriums. Gibt es Gesetzesinitiativen, um diesen Bestimmungen des Korans ihre Gültigkeit und Wirksamkeit hier in Deutschland zu nehmen?
Auch mahne ich die Behandlung des AfD-Antrages zur Unvereinbarkeit von Islam und Rechtsstaat an, Drucksache 19/4840. Vor allem eines geht nicht: Bürger unseres Landes, die die Gefahren des politischen Islam sehen und klar benennen, mit der Bezeichnung „islamophob“ zu belegen. Dazu passt es, dass der Inlandsgeheimdienst dazu übergeht, solchen Warnern gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu unterstellen. Da wird der Spieß umgedreht. Absurder geht’s nicht.
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Und weil das so ist, trauen sich viele nicht mehr, ihre Meinung offen auszusprechen.
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Das haben die „Tagesthemen“ in einer Umfrage von Infratest dimap am Abend der beiden Landtagswahlen gezeigt: 69 Prozent aller Sachsen stimmen folgender Aussage zu: Bei bestimmten Themen wird man heute ausgegrenzt, wenn man seine Meinung sagt. – 69 Prozent! Eine Frucht von 14 Merkel-Jahren, eine faule Frucht.
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Meinungsfreiheit ist unabdingbare Demokratievoraussetzung. Als Verfassungsministerin können Sie nicht länger wegschauen. Frau Ministerin, werden Sie zum Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger und unserer freiheitlichen Verfassung tätig.
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Für die CDU/CSU-Fraktion hat als Nächstes das Wort die Kollegin Elisabeth Winkelmeier-Becker.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zurück zur Rechtspolitik.
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Ein großes Thema der Rechtspolitik der Koalition ist der Pakt für den Rechtsstaat. Es ist das gemeinsame Anliegen von Bund und Ländern, den Rechtsstaat zu stärken, den großen Herausforderungen gerecht zu werden und auch Vertrauen zurückzugewinnen. Deshalb war es ein großer Erfolg, dass wir uns geeinigt haben, dass in den Ländern 2 000 neue Stellen geschaffen werden, gemessen am Stand vom Januar 2017. Das wird jetzt ganz konkret: Im Haushalt sind die ersten 110 Millionen Euro etatisiert. Die erste Tranche ist fällig, weil diese ersten 1 000 Stellen in der Tat auch eingerichtet wurden.
Ich möchte an dieser Stelle betonen – ich schaue einmal zur Länderbank hinüber –,
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dass angeblich einige dieser Stellen mit kw-Vermerken versehen sind. So stellen wir uns das natürlich nicht vor. Vielmehr gibt es ganz klar die Erwartungshaltung, dass diese zusätzlichen Stellen dauerhaft bleiben; denn diese Ressourcen werden dringend gebraucht. Damit wird in den Ländern auch Gutes gemacht. Das gilt für alle Länder, aber ich darf natürlich die Beispiele aus meinem Heimatland Nordrhein-Westfalen in den Vordergrund stellen. Dort gibt es jetzt die Zentralstelle gegen Cybercrime. Wir bilden mit dem gemeinsamen Vorgehen von Innenminister und Justizminister ein Schwergewicht im Kampf gegen Clankriminalität, Kindesmissbrauch und Kinderpornografie. Es gibt die Initiative „Verfolgen statt nur Löschen“ zusammen mit den Medienanstalten und der Medienaufsicht; denn – die Ministerin hat absolut recht – wir müssen den Verfolgungsdruck beim Kampf gegen Hass und Hetze im Netz verstärken.
Konsequent wäre es übrigens, den Ermittlungsbehörden schnell Informationen über die Bestandsdaten, die bei den Plattformen vorhanden sind, zu geben, wenn diese sagen: Hier ist ein Post, der eine Straftat erfüllt. – Auch das müssen wir nach meiner Überzeugung bei der Überarbeitung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes verbindlich regeln.
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Ein weiterer Schwerpunkt ist die Abschöpfung von Vermögen, das auf kriminellem Wege erworben wurde. Auch hierfür gibt es neuerdings Spezialeinheiten. Das ist eine sinnvolle Verwendung dieser neuen Ressourcen.
Wenn es an die Schaffung der nächsten 1 000 neuen Stellen geht, habe ich einen persönlichen Wunsch: Ich würde mir wünschen, dass wir einen Schwerpunkt beim Kampf gegen Menschenhandel, gegen Kriminalität im Kontext der Prostitution setzen. Das ist ein Feld, auf dem wir im Moment unmögliche Zustände gewärtigen. Auch das müssen die Ermittlungsbehörden und Polizeikräfte angehen.
Der Bund hat einen eigenen Anteil am Aufwuchs beim Personal an den Bundesgerichten. Wir haben beim BGH zwei neue Senate geschaffen. Jetzt geht es darum, dass diese irgendwo unterkommen müssen. Ich hoffe, dass dieses Problem bald im Zusammenwirken von BGH und dem Ministerium gelöst wird.
Uns allen ist aber auch klar: Personal allein reicht nicht. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Ressourcen nicht verpuffen. Wir müssen zu straffen Verfahren kommen. Die anstehende Reform der Strafprozessordnung wurde bereits angesprochen. Wir wollen dabei vor allem unter Wahrung aller Beschuldigtenrechte – das ist ganz selbstverständlich – zu einer Straffung der Verfahren kommen und Großverfahren zum Beispiel durch Bündelung der Nebenklage besser handhabbar machen. Wir wollen auch Änderungen im Befangenheits- und Beweisantragsrecht auf den Weg bringen. Weniger geplatzte Termine und weniger Revisionsverfahren aufgrund von Formalien, die nicht eingehalten werden konnten, sind das Ziel. Das wollen wir zügig beraten.
Auf unserer To-do-Liste steht außerdem die endgültige Regelung des Mindeststreitwerts für die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof; denn wir wollen nicht, dass ab dem nächsten Jahr die Fallzahlen dieser ganz überwiegend aussichtslosen Rechtsmittel den Bundesgerichtshof lahmlegen. Er soll sich auf seine eigentliche Aufgabe, die grundlegenden Fragen in der Rechtsprechung zu klären, konzentrieren.
Wir wären außerdem gut beraten, in anderen Bereichen zu gucken, wie wir Verfahren straffen und sinnvoll mit Ressourcen umgehen können. Bei den Zivilgerichten werden wir – es ist schon begonnen worden – die elektronische Akte einführen. Ich denke, das wäre eine gute Gelegenheit, in diesem Zusammenhang darüber nachzudenken, ob wir zumindest in Anwaltsprozessen eine bessere Strukturierung des Vortrages vorsehen und dort die Anforderungen erhöhen sollten. Es gibt dazu bereits Vorschläge in der Literatur, mit denen wir zu mehr Effizienz und Qualität kommen könnten. Mein Vorschlag wäre, dazu einmal ein Gutachten einzuholen und auf diese Weise den Prozess von unserer Seite zu unterstützen.
Ein weiterer Punkt aus der Praxis verdient unsere Aufmerksamkeit: Wir sollten uns noch einmal die Aufgabenverteilung zwischen Richtern und Rechtspflegern ansehen. Wir könnten die Position der Rechtspfleger aufwerten und damit die Richter entlasten. Wenn wir uns die Öffnungsklauseln für die Länder anschauen, ergeben sich vielleicht noch weitere Ansatzpunkte, um hier zu einer guten Verteilung zu kommen.
Insgesamt, denke ich, sollten wir – das sage ich durchaus selbstkritisch – nicht immer nur auf das schauen, was Richter und Staatsanwälte machen, sondern einmal den ganzen Apparat der Justiz in den Blick nehmen und genauso auf die Bediensteten, auf die Geschäftsstellen, auf die Wachtmeistereien, auf die Gerichtsvollzieher und die Vollzugsbeamten schauen. An dieser Stelle sage ich auch einmal ein klares Dankeschön an alle diese Bediensteten.
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Ein weiterer Punkt in dieser Reihe: Wir sollten uns dringend das Verwaltungsgerichtsverfahren vornehmen. In Deutschland haben wir – das wurde in dieser Haushaltsdebatte schon mehrfach angesprochen – langwierige Planungsverfahren und anschließende Gerichtsverfahren, die es fast unmöglich machen, größere Infrastrukturmaßnahmen durchzuführen. Wir müssen aber zu schnellen und rechtssicheren Entscheidungen kommen. Auch dazu gibt es bereits Vorschläge. Der Nationale Normenkontrollrat hat ein Gutachten eingeholt von Professor Ewer, den wir ja kennen. Ich denke, das sollten wir uns anschauen wie auch den Gesetzentwurf des Bundesrates.
Zum vollständigen Bild gehört, auch einen Satz zum Thema Rechtsanwaltsgebühren zu sagen. Wir hoffen, dass wir auch da weiterkommen. Es ist wichtig, dass wir zu einer angemessenen Steigerung kommen, vor allem mit Blick auf die Anwälte auf dem Land, die dort die Versorgung mit „Recht vor Ort“ sicherstellen. Da liegt der Ball beim Justizministerium. Ich hoffe, dass wir bald in Abstimmung mit den Ländern zu Vorschlägen kommen.
Liebe Kollegen, oft arbeiten wir an bestehenden Gesetzen, die wir noch verbessern und nachjustieren. Ein Bereich, in dem wir aber noch sehr grundlegende Regelungen erstellen und diskutieren müssen, ist alles, was sich im Kontext mit dem Internet abspielt; Urheberrecht und Netzwerkdurchsetzungsgesetz sind da zwei Stichpunkte. Zunächst möchte ich einen Appell an das Justizministerium richten, nach dem Abschluss der Konsultation zügig zumindest zu Eckpunkten zu kommen, wie wir die Urheberrechtsrichtlinie in den einzelnen Punkten umsetzen können. Ich denke, dass wir gemeinsam zu guten Regelungen kommen, um einerseits die Rechte der Urheber zu wahren, aber um andererseits die Formate, die Ausdrucksformen, die den Nutzern so wichtig sind, die Memes, die gifs usw., durch großzügige Lizensierungsregelungen und neue Schrankenregelungen abzudecken und von zusätzlichen Filtern freizustellen. Wir sind zu diesem Vorgehen entschlossen.
Wir würden uns auch sehr freuen, wenn wir uns bald darüber austauschen könnten. Wir wollen nicht unter Zeitdruck geraten. Es sind noch zwei Jahre Zeit, wobei diese zwei Jahre schon angebrochen sind. Wir wollen uns aber genug Zeit nehmen. Deshalb bitte ich darum, schnell in die Diskussion einzusteigen.
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Wichtige Veränderungen stehen auch beim Netzwerksdurchsetzungsgesetz an. Wir unterstützten die regulierte Selbstregulierung. Wir glauben aber auch, dass wir in der Kommunikation zwischen den Plattformen und dem Bundesamt zu einem anderen Stil kommen müssen und dass wir – das sprach ich gerade schon an – auch die Auskunftspflichten der Plattformen neu regeln müssen. In dieser Weise wollen wir das NetzDG weiterentwickeln.
Frau Kollegin.
Ein weiterer Punkt, den ich nur ganz kurz nennen möchte, ist: Ich würde gerne in eine Diskussion darüber einsteigen, ob wir nicht eigene staatliche Strukturen brauchen, die gesichert sind und gewährleistet werden. Wir machen uns im Moment sehr abhängig von Plattformen, von Wikipedia, von den Facebooks.
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende.
Da sollten wir uns überlegen, wie wir gemeinsam hinsichtlich der Zugänglichkeit eine sichere Gewährleistung sicherstellen. Wir haben erlebt, dass sich Wikipedia einen Tag lang abgeschaltet hat. Da möchte ich mich nicht erpressbar machen lassen.
Vielen Dank, Herr Präsident.
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Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege Dr. Jürgen Martens.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manchmal sind es die kleinen Details, die mehr aussagen als bedeutsame Pressemitteilungen oder Ministerreden. In diesem Fall beziehe ich mich auf ein Bild der Pressestelle der Bundesregierung, auf dem ein Tortendiagramm zu sehen ist, mit dem der Bundeshaushalt für interessierte Kreise dargestellt wird. In diesem Diagramm findet sich alles, zum Beispiel Verteidigung, Gesundheit, Finanzverwaltung, Bundesschuld, aber das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz findet sich dort nicht. Das ist eingeordnet unter „Sonstiges“. Angesichts der Bedeutung, die dieses Ministerium für den Rechtsstaat und die Republik hat, halte ich das schon für eine ziemliche Zumutung. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Glauben Sie im Ernst, Frau Ministerin, ein einziger liberaler Justizminister hätte es hingenommen, das Justizministerium in einer solchen Grafik unter Sonstigem beerdigen zu lassen? Seien Sie versichert: Nein.
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Aber zurück zur Sache. Wir haben über den Pakt für den Rechtsstaat gesprochen. Sie sagen, er ist wichtig. Aber ich sage: Er ist schlecht ausgestattet. Er wird nicht lange halten. Er ist nicht auskömmlich, und er ist vor allen Dingen nicht nachhaltig.
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Denn eine Verbindlichkeit für die Länder, die neu geschaffenen Stellen über den Zeitkorridor 2020, 2021 oder 2022 hinaus zu halten, besteht nicht. Deswegen – da werden wir im Jahr 2023 genau hinschauen – befürchte ich, werden wir per saldo eben keinen Aufwuchs an Stellen haben, sondern Mitnahmeeffekte vonseiten der Länder, und das war es dann. Es wäre schade, wenn dies das Ergebnis wäre, meine Damen und Herren.
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Sie haben das Forum Recht angesprochen. In der Tat: Es wird Aufgabe des Parlaments sein, hier für eine auskömmliche, ausreichende Finanzierung des Forums an beiden Standorten – Karlsruhe wie auch Leipzig; und das sage ich als jemand, der aus Sachsen kommt – ganz besonders zu sorgen, meine Damen und Herren.
Zum BMJV. An vielen Stellen handeln Sie nicht, wo Sie eigentlich hätten handeln sollen. Ich nehme hier das Beispiel der Digitalisierung: die E-Justice und die E-Akte. Es gibt jede Menge Arbeitskreise, vom IT-Planungsrat über den E-Justice-Rat. Jetzt ist wieder eine neue Arbeitsgemeinschaft mit der Wirtschaft gegründet worden. Nur leider kommt das Ding in der Sache nicht voran. Auch hier hätte ich mir eigentlich mehr Einsatz erwartet, auch im Haushalt.
Nach wie vor offen ist die Frage der Anpassung der Sätze im RVG oder – so sogar im Koalitionsvertrag vereinbart – die Neuordnung des Rechtes des Insolvenzverwalterwesens. Still ruht der See. Da ist bisher nichts passiert, und es sieht auch nicht so aus, als würde etwas passieren.
Wenn etwas passiert, dann würde es brandgefährlich, und zwar insbesondere für Bürger- und Beschuldigtenrechte. Ich rede hier vom Entwurf der Reform der Strafprozessordnung. Hier haben Sie die Möglichkeit vorgesehen, Beweisanträge durch einfachen Beschluss zurückzuweisen, weil der Vorsitzende der Kammer es so möchte, weil dieser Beweisantrag unter Verschleppungsabsicht gestellt worden sein soll. Das ist als solches schon gefährlich genug. Aber brandgefährlich wird das Ganze, wenn Sie dann diesen Beschluss auch noch als nichtrevisibel ausgestalten. Das heißt, da kommt kein Rechtsmittel mehr dran. Das ist die Einladung zu Willkürentscheidungen zum Erreichen des kurzen Prozesses.
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Ich sage Ihnen: Sie werden den massiven Widerstand sämtlicher Strafverteidiger des Deutschen Anwaltvereins, der Bundesrechtsanwaltskammer kriegen, und ich sehe voraus, dass das Ding beim Bundesverfassungsgericht nicht durchgehen wird.
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Dabei müsste Ihre Rechtspolitik eigentlich vorzügliche Ergebnisse liefern. Bei den Personalwechseln und ‑rochaden, die Sie machen, schaffen Sie doch Platz für hervorragend qualifizierte, bestens ausgebildete Rechtspolitiker. Dem ist aber leider nicht so. Hier wird aus der SPD-Parteizentrale nur nachgezogen. Das Ergebnis ist dementsprechend dürftig oder falsch oder brandgefährlich.
Manchmal ist es auch einfach nur ärgerlich. Gestern fand die Anhörung zu einem Sechsten Gesetz zur Verbesserung rehabilitationsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR statt. Das klingt sehr kompliziert. Ich mache es einfach: Es geht um Ansprüche von Menschen, die als Kind aus politischen oder anderen Gründen, oft unter unsäglichen Bedingungen, in der DDR in einem Heim untergebracht waren. Neun Sachverständige haben eines begrüßt: die Entfristung der Anträge, das heißt, dass es für die Antragsteller keine starren Fristen mehr gibt. Alle anderen Regelungen sind als völlig untauglich, ja sogar als verschlimmernd angesehen worden, auch von den von der SPD gestellten Sachverständigen. Ich muss ehrlich sagen – ich habe schon jede Menge Anhörungen in verschiedenen Parlamenten miterlebt –: Ein so katastrophales Ergebnis für einen Gesetzentwurf der Bundesregierung habe ich bisher noch nicht mitbekommen. Das war peinlich, Frau Ministerin.
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Aber jeder ist seines Glückes Schmied, und so wird die Ministerin schon entscheiden, mit welcher Mannschaft der Hoffnung, Zuversicht und höchsten Qualifikation sie maximale Erfolge in der nächsten Haushaltsperiode zu erreichen beabsichtigt.
Ich sage Ihnen voraus: Sie müssen sich erheblich anstrengen; denn sonst verbleibt es dabei, dass das BMJV entgegen seiner tatsächlichen Bedeutung weiterhin in dieser Regierung nur unter „Sonstiges“ eingestuft wird.
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Für die Fraktion Die Linke hat das Wort der Kollege Niema Movassat.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Lambrecht, Sie haben als neue Justizministerin als eine der ersten Maßnahmen einen Gesetzentwurf für ein schärferes Unternehmenssanktionsrecht angekündigt. Wir Linke hatten das hier vor Kurzem mit einem Antrag gefordert. Dieselbetrug, Gammelfleischskandal, der massive Steuerklau durch Cum/Ex: Es gibt viele gute Gründe, nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Unternehmen strafrechtlich zu belangen, wenn sie Gesetze brechen. Ich bin sehr gespannt auf Ihren endgültigen Entwurf, Frau Ministerin. Ich hoffe, dass er von der CDU/CSU nicht zu sehr verwässert wird. Wir brauchen in Deutschland endlich eine klare Sanktionierung für kriminelle Unternehmen.
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Aber, Frau Lambrecht, es gibt noch sehr viele Punkte, bei denen Sie als Ministerin aktiv werden sollten.
Erstens. Herr Minister Seehofer setzt, wie seine Vorgänger, auf immer mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden und Geheimdienste sowie eine immer weitere Schleifung des Asylrechts. Ihre Vorgänger im Justizministerium, Herr Maas und Frau Barley, haben leider oft nur zugeschaut, wie Grundrechte eingeschränkt worden sind. Dabei ist es eine ureigene Aufgabe Ihres Ministeriums, die Bürger- und Menschenrechte zu wahren. Gebieten Sie also Herrn Seehofers immer neuen Angriffen auf die Grundrechte Einhalt.
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Zweitens. Dem „Handelsblatt“ haben Sie gesagt, dass der Schwerpunkt Ihrer Arbeit auf der Stärkung des Rechtsstaates und der wehrhaften Demokratie liegen soll. Als Mittel dazu haben Sie auf den Pakt für den Rechtsstaat verwiesen, der 2 000 neue Stellen für Richter und Staatsanwälte vorsieht. Doch ich sage Ihnen: Die Stärkung des Rechtsstaates und den Kampf gegen den Rechtsruck im Land,
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der eine Gefahr für die Demokratie ist, gewinnt man nicht nur mit neuen Stellen in der Justiz, dafür brauchen wir eine demokratische Offensive. Wir müssen die Zivilgesellschaft, Menschen und Vereine, die sich gegen rechte Hetze und Antidemokraten stellen, mehr unterstützen, vor allem auch im ländlichen Raum. Wir brauchen deshalb eine starke Justiz und eine starke Zivilgesellschaft. Hier ist deutlich mehr Engagement, auch finanziell, Ihres Hauses notwendig.
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Drittens. Wir brauchen eine Entrümpelung des Strafrechts. Wir sollten nur das bestrafen, was wirklich strafwürdig ist. Deshalb ist weiterhin eine ersatzlose Streichung des § 219a Strafgesetzbuch notwendig.
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Dieser verbietet Ärzten, über Methoden des Schwangerschaftsabbruchs zu informieren. Trotz der kürzlichen Änderung des § 219a durch Union und SPD wurden jetzt wieder zwei Ärzte hier in Berlin wegen § 219a verurteilt.
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Es ist völlig inakzeptabel, wenn Ärzte bestraft werden, weil sie über legale medizinische Eingriffe informieren.
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Das Schwarzfahren ist ein weiteres Beispiel für eine nötige Entkriminalisierung. Bundesweit wurden 2018 213 000 Ermittlungen wegen Schwarzfahrens geführt. Wenn jede Ermittlung nur eine Stunde gedauert hätte, wären das 213 000 Stunden, in denen Richter, Polizei und Staatsanwälte Sinnvolleres hätten tun können.
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5 000 Menschen kommen pro Jahr ins Gefängnis, weil sie kein Ticket für ein paar Euro gekauft haben. Nur 350 Menschen kommen pro Jahr wegen Steuerhinterziehung in den Knast, obwohl sie dem Staat Milliarden Euro rauben. Das ist wahnwitzig. Wer schwarzfährt und erwischt wird, zahlt 60 Euro und hat obendrauf noch ein Strafverfahren. Das wirkt wie eine Doppelbestrafung. Deshalb gehört Schwarzfahren entkriminalisiert.
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Zuletzt will ich als Beispiel noch die Entkriminalisierung von Menschen nennen, weil sie geringe Mengen Cannabis besitzen. Die Verbotspartei CSU beherrscht die Regierungsdrogenpolitik seit Jahren, eine Drogenpolitik fern von Fakten und Evidenz. Dabei haben über 100 Strafrechtsprofessoren schon vor Jahren gesagt, dass das Cannabisverbot die Bürgerrechte verletzt. Sie könnten sich als Justizministerin für eine bundeseinheitliche geringe Eigenbedarfsmenge von Cannabis einsetzen, beispielsweise bei 15 Gramm. Das wäre ein deutlicher Fortschritt.
Sie sehen, es gibt für Sie als Ministerin viele Baustellen. Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre Arbeit.
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Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort die Kollegin Tabea Rößner.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 17 Prozent – diese Zahl ist eine Ohrfeige für die Verbraucherpolitik der Koalition; denn nur 17 Prozent der Menschen vertrauen der Politik beim Thema Verbraucherschutz. Das zeigt der gerade veröffentlichte Verbraucherreport. Das sind fast 10 Prozent weniger als vor zwei Jahren. Es ist noch schlimmer: Auf die Frage „Welche politische Partei setzt sich Ihrer Meinung nach am stärksten für Verbraucherschutz ein?“ schneiden CDU/CSU mit 6 Prozent und SPD mit 4 Prozent katastrophal schlecht ab. Das sollte Sie wirklich wachrütteln.
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Aber diese Note „ungenügend“ haben Sie sich redlich verdient. Ich sage nur: Dieselskandal, steigende Mieten oder schlechte Internetverbindungen. Nach Ihrem Vorzeigeprojekt, der Musterfeststellungsklage, kam zum Verbraucherschutz – nichts. Und selbst die Musterfeststellungsklage ist ja nur eine Mogelpackung statt der versprochenen „Klage für alle“.
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Das Einzige, was kam: eine Ankündigung nach der anderen. Bestes Beispiel: Vor einem halben Jahr hat Ihre Vorgängerin ein Gesetz gegen Abzocke und Kostenfallen versprochen, zuletzt sogar auf der Titelseite der „Bild“-Zeitung. Aber: Wo bleibt das Gesetz? Es gibt nicht einmal einen Referentenentwurf, nur interne, in der Koalition nicht abgestimmte Entwürfe. Die wurden allerdings schon der Presse zugespielt, nicht aber dem Bundestag. Das ist erstens kein guter Stil,
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und zweitens fürchte ich, dass das Gesetz in dieser Koalition nie kommen wird.
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Denn aus der Union kam gleich Widerspruch, zum Beispiel zu den Vorschlägen, die Laufzeit von Handyverträgen auf ein Jahr zu begrenzen. Da frage ich mich: Reden Sie in der Koalition eigentlich direkt miteinander oder nur über die Presse? Es wäre deutlich seriöser, erst mit einem abgestimmten Entwurf an die Öffentlichkeit zu gehen, als vorzeitig Hoffnungen zu wecken, die Sie dann nicht erfüllen.
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Beim Thema Inkasso das Gleiche: Sie verschleppen das Gesetz, obwohl Ihre eigene Evaluation schon vor langer Zeit gezeigt hat, dass es immer noch große Probleme mit unseriösen Inkassounternehmen gibt. Die üben nämlich weiterhin Druck auf die Verbraucherinnen und Verbraucher aus und berechnen oft schon fürs erste Schreiben Gebühren, die sonst bei Rechtsanwälten fällig werden. Bis zu 70 Euro sind da völlig üblich. Eigentlich wollten Sie schon vor einem Jahr einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. Aber es gibt keinen Gesetzentwurf, über den man diskutieren könnte, es gibt nur einen in der Koalition nicht abgestimmten Entwurf, und der ist nicht öffentlich, dafür hat ihn aber die Presse. Zur Restschuldversicherung ist der Rentenentwurf zwar öffentlich, aber wegen Streitigkeiten in der Koalition ist er in der Schublade verschwunden. Von diesen Winkelzügen sind die Verbraucher zu Recht enttäuscht. Die durchschauen nämlich dieses Spiel, wenn Sie so tun, als ob es vorangeht, der Verbraucherschutz in Wahrheit aber auf der Stelle tritt.
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Ich fordere Sie dringend auf: Nehmen Sie die Alltagsprobleme der Menschen endlich ernst und setzen Sie die Ankündigungen auch um. Und, liebe Union, treten Sie nicht gleich auf die Bremse, wenn mal eine gute Idee auf dem Tisch liegt.
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Es gibt nämlich wahrlich vieles zu tun. Gerade im Digitalen muss es mehr alltagsfreundliche Regelungen geben, zum Beispiel bei der Kündigung eines Vertrages, der im Internet abgeschlossen wurde. Warum ist es möglich, mit nur einem Klick in einen Vertrag einzusteigen, aber ein großes Brimborium, aus diesem Vertrag auszusteigen? Das erschließt sich mir nicht. Dafür braucht es eine Lösung.
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Oder denken Sie an die Entschädigungsformulare bei der Deutschen Bahn. Die können immer noch nicht online bearbeitet werden. Nein, man muss sie ausdrucken, ausfüllen und dann per Post abschicken. Das ist im Jahr 2019 nur noch peinlich,
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und das sollten Sie grundsätzlich regeln, wie es andere Länder übrigens schon längst vorgemacht haben.
Beim nachhaltigen Konsum vermisse ich leider auch jede Aktivität des BMJV, dabei ist es eines der drei federführenden Ministerien beim Nationalen Programm für nachhaltigen Konsum. Aber wo ist Ihr Engagement, wo sind die Gelder dafür im Haushalt? Oder wenn es darum geht, wie die privaten Haushalte Klimaschutzmaßnahmen umsetzen und CO2 einsparen können? Was tun Sie gegen die Verschwendung von Ressourcen, wenn Produkte auf Verschleiß gebaut werden? Sogar die USA, das Wegwerfland Nummer eins, geht hier voran. Mehrere US-Bundesstaaten wollen nämlich ein Recht auf Reparatur einführen und so die Berge von Elektroschrott reduzieren. Das brauchen wir auch hier dringend.
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Also: Handeln Sie jetzt! Nachhaltigen Verbraucherschutz gibt es eben nicht zum Nulltarif. Kennen Sie das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“? Beim Verbraucherschutz stehen Sie wirklich nackt da, und wir scheuen uns nicht, Ihnen das auf den Kopf zuzusagen.
Vielen Dank.
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Für die SPD-Fraktion hat das Wort die Kollegin Esther Dilcher.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In diesem Haushalt werden 70 Prozent der Ausgaben – 70 Prozent! – in Personal investiert. Von daher ist es schon ein bisschen unfair, zu sagen, dass nur geringe Beträge für Verbraucherschutz etc. pp. verwendet werden. Man muss sich einfach die Struktur dieses Haushalts einmal genauer anschauen. Diese 70 Prozent Personalausgaben werden in Stellen für Richterinnen und Richter, für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investiert.
Warum hebe ich jetzt ausgerechnet diese Position so heraus? Ich betone das, weil, wie wir heute schon mehrfach gehört haben, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unseren Rechtsstaat schwindet. Diese Zweifel haben auch etwas mit dem Sicherheitsgefühl der Menschen zu tun und mit einem Gefühl der Ungleichbehandlung. n-tv titelte vor einem Jahr: „Der Rechtsstaat ist in Gefahr“. „Die Zeit“ beschrieb den Zustand sogar mit „Rechtsstaat unter Druck“. Und im „Focus“ war zu lesen, warum ein Richter die Kritik der Bürger an der Justiz für ein gutes Zeichen hält.
Ausgangspunkt für diese Berichterstattung waren – das haben wir auch schon gehört – der Vorfall in der Kölner Silvesternacht, der Vorfall in Chemnitz, Asylverfahren, Dieselskandal, aber eben auch die Nörgeleien hochrangiger Politiker, zum Beispiel des früheren Innenministers de Maizière, der gegenüber dem „Spiegel“ sagte, es sei nicht Aufgabe der Karlsruher Richter, ständig dem Gesetzgeber in den Arm zu fallen. Andere Beispiele sind Norbert Blüm mit seinem Buch „Einspruch! Wider die Willkür an deutschen Gerichten“ oder Markus Frohnmaier, der sagte, dass der Staat seine Bürger nicht mehr schützen könne, weshalb es Bürgerpflicht sei, sich zu verteidigen. Ich sehe es aber als Aufgabe von uns Abgeordneten, die wir vom Volk gewählt wurden und die wir eine Vorbildfunktion haben sollten, unser Rechtssystem zu verteidigen und es nicht verächtlich zu machen.
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Unsere Demokratie sichert die Selbstbestimmung der staatlichen Organe, die gegenüber dem Bürger staatliche Maßnahmen ausüben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus diesem Grund sitzen wir alle hier – von links bis rechts –, ausgestattet vom Volk mit derselben Legitimation. Das, sehr geehrte Abgeordnete der AfD, haben Sie den von Ihnen als Altparteien Beschimpften zu verdanken. Aber das blenden Sie gerne völlig aus.
Wir Sozialdemokraten stehen weiter fest zu unserer Verfassung, zu unseren Werten – Menschlichkeit und Gerechtigkeit und Freiheit und Solidarität –,
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und zwar auch, weil sich das für Deutschland und die Menschen, die hier leben, als Gewinn darstellt.
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Kolleginnen und Kollegen, überlassen wir das Feld nicht Populisten, die dem Volk den Glauben schenken wollen, es würde ausgebeutet, Steuergelder würden verschwendet, Leistung würde sich gar nicht mehr lohnen, nur die Vermögenden würden weiter bevorteilt, angebliche Flüchtlingsströme wären verantwortlich für steigende Mieten.
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– Genau das ist es, was ich meine. Wenn der Begriff „Populisten“ fällt, die Sie ja nicht sein wollen, sind Sie die Ersten, die schreien.
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Wenn es heißt, der Rechtsextremismus soll bekämpft werden, mit dem Sie ja nichts zu tun haben, sind Sie die Ersten, die schreien. Ich frage mich, warum.
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– Doch, vorhin in der Debatte. Wenn Sie in der Debatte zum Haushalt des Innenministeriums dabei gewesen wären, hätten Sie sich davon überzeugen können. Wahrscheinlich waren Sie da noch nicht anwesend.
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Wer mutig ist, packt an und regiert. Ich nehme für mich aufgrund des Rechtsstaatsprinzips das Recht in Anspruch, dass ich – dazu stehe ich – weiterhin keinen Ihrer Kandidaten in irgendein Amt oder eine Funktion wählen werde.
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– Nein, das macht auch nichts. Ja, das können Sie gleich sagen. Sie reden ja nach mir. – Das ist mein gutes Recht. Wenn Sie sich distanzieren würden von Ihrem rechten Flügel und nicht deren Stimmen mitnehmen würden, dann könnten Sie diesem Parlament damit vielleicht zeigen, dass Sie zu Recht gewählt sind.
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Aus diesen Gründen ist es überaus wichtig, weiter in den Rechtsstaat zu investieren.
Ich danke allen für die Treue zu unserem Rechtsstaat und Ihnen allen für Ihre Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank, Frau Kollegin Dilcher. – Der nächste Redner ist der Kollege Stephan Brandner für die AfD-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vier Minuten sind nicht lang, da fange ich gleich mal richtig an und starte sinngemäß wie gestern der Kollege Lucassen in seinen Ausführungen zum Verteidigungshaushalt: Auch unser Rechtsstaat im Allgemeinen erodiert. Er ist unter Druck geraten, wie Frau Rottmann sagte, und das Justizministerium im Besonderen ist in desolatem Zustand. – Diese Beschreibung gilt also nicht nur für die Bundeswehr und ist auch nicht mit der Einbeziehung des Justizministeriums abgeschlossen; denn nahezu ganz Deutschland befindet sich nach 70 Jahren Altparteien, Frau Dilcher, und nach 15 Jahren Merkel in desolatem Zustand.
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Es ist zwar noch nicht so schlimm wie in der DDR nach 40 Jahren Sozialismus, aber wir sind auf dem besten – mit anderen Worten: auf dem schlechtesten – Wege dorthin. Das wäre ein Thema für die Generaldebatte. Ich habe mich leider – zum Glück für Sie – auf Einzelplan 07 zu beschränken, und das werde ich jetzt tun.
Meine Damen und Herren, unser Etat ist mit einem Anteil von rund 0,2 Prozent am Gesamtetat der kleinste aller Ministerien. Deshalb könnte man meinen, er wäre vernachlässigenswert. Die SPD verhält sich genau so; denn das ehemals stolze Justizressort – Herr Martens hatte das angesprochen – ist unter der SPD-Führung in den letzten Jahren zu einem Durchlauferhitzer für zwischenzulagernde SPD-Karriereristen verkommen.
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Zunächst dachte man, nach Heiko Maas und seiner sehr schrägen Auffassung darüber, was ein Justizminister kann und darf, könne es nicht schlimmer kommen. Nun dilettiert er ja bekanntlich im Außenministerium. Aber es folgte dann mit Katarina Barley der nächste Rohrkrepierer bzw., wie man wahrscheinlich sagen muss, die nächste Rohrkrepiererin. Sie war nur ein gutes Jahr im Amt und hat viel erzählt: Stichwort „Pakt für den Rechtsstaat“, Stichwort „Anwaltsvergütungen“. Sie hat viel gelächelt, aber nichts geschafft und nichts geregelt. Weggelobt, geflüchtet oder entsorgt ins EU-Parlament – man sieht: Bei der SPD geht schlimmer immer.
Und nun, Frau Lambrecht, Sie! Herzlich willkommen! Schön, dass Sie da sind und uns schon in der nächsten Sitzungswoche und damit nicht einmal drei Monate nach Amtsantritt eine Stunde Zeit im Rechtsausschuss schenken, um dort Rede und Antwort zu stehen. Ich hoffe sehr auf eine gute Zusammenarbeit, Frau Lambrecht. Ich strecke meine rechte Hand gerne aus
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und hoffe, dass die Tatsache, dass Sie unseren Ausschuss offenbar nach ganz hinten in Ihren Terminkalender geschoben haben, nicht Ihre Missachtung des Parlaments bzw. des Rechtsausschusses ausdrückt oder Pläne offenbart, dass Sie auch nur ein paar Wochen im Amt bleiben wollen.
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Frau Lambrecht, die ersten Monate im Amt haben Sie verdaddelt; das muss ich leider so sagen. Ihre Schwerpunkte lagen in einer Art Absolution für Schulschwänzer, für die Sie gar nicht zuständig sind, und in hektischen und unausgegorenen Ankündigungen zum Waffenrecht, für das Sie auch nicht zuständig sind. Ansonsten – zum Museum für den Rechtsstaat haben Sie sich auch noch geäußert – haben wir wenig von Ihnen gehört.
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Dabei ist Ihr Ressort, Frau Lambrecht, die Visitenkarte unseres Rechtsstaats.
Wenn man zu Recht vom Gewaltmonopol des Staates, einer starken und unabhängigen Justiz und einem starken Rechtsstaat spricht, dann muss man auch so handeln, Frau Lambrecht. Vor allem als Bundesjustiz- und Verfassungsministerin sind Sie da gefragt. Tatsachen sind:
Millionenfacher Rechtsbruch und fehlende Rechtsdurchsetzung ganz überwiegend im Bereich der illegalen Migration: Dazu müssen Sie sich äußern, und Sie müssen handeln, Frau Lambrecht.
Richter und Gerichte werden von einer Flut importierter Kriminalität – 1 Million Straftaten durch Zuwanderer seit 2015 – überrollt: Dazu müssen Sie sich äußern, Frau Lambrecht, und Sie müssen handeln, Frau Lambrecht.
Hunderttausende rechtsstaatswidrig nicht vollzogene Abschiebungen: Dazu müssen Sie sich äußern, Frau Lambrecht.
Zigtausende nicht vollzogene Haftbefehle: Dazu müssen Sie sich äußern, Frau Lambrecht.
Stärkung des Rechtsstaats durch Umsetzung des Paktes für den Rechtsstaat: Dazu müssen Sie sich äußern, und da müssen Sie handeln, Frau Lambrecht.
Erosion des Rechtsstaats, zunehmende Durchbrechung der Gewaltenteilung, Auswahl der obersten Richter, vor allem der Bundesverfassungsrichter, nach Parteibuch, Parteienklüngel, Bruch des Europarechts: Dazu müssen Sie sich äußern, und da müssen Sie handeln, Frau Lambrecht.
Sie sehen, es ist viel zu tun. Nehmen Sie sich mehr Zeit für uns als eine Stunde, und machen Sie das, was Ihre Aufgabe ist; denn, Frau Lambrecht, Sie sind ab jetzt das charmante Gesicht der Exekutive für unseren Rechtsstaat.
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Machen Sie das Ministerium wieder zu dem, was es einmal war, nämlich zu einem ehrlichen, starken und stolzen Anwalt unseres Rechtsstaats. Stoppen Sie mit uns gemeinsam die Erosion des Rechtsstaats!
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem dies, Frau Lambrecht, Ihr erster Auftritt als Bundesjustizministerin in diesem Hohen Haus war, zunächst noch einmal von unserer Fraktion alles Gute für Ihr verantwortungsvolles Amt. Es geht um zentrale gesellschaftliche Fragen, aber auch um die Stärke des Rechts und des Rechtsstaats. Wir wissen, dass Freiheit und Demokratie durch den Rechtsstaat garantiert werden. An vielerlei Orten der Welt wird deutlich, dass die Demokratie nicht laut stirbt, sondern leise-schleichend verschwindet: durch die Erosion von Grundrechten, durch die Beschneidung der Meinungs- und Pressefreiheit, durch die Manipulation der Justiz. Das sieht man in vielen Teilen der Welt. Wir wollen dagegen das Modell eines wehrhaften und starken Rechtsstaats setzen, der die Grundrechte schützt. Das muss im Zentrum der Justiz und Rechtspolitik stehen. Da haben Sie uns an Ihrer Seite.
Wir wollen und werden das Vertrauen in den Rechtsstaat weiter festigen. Wir stellen uns all denjenigen entgegen, die ein Zerrbild unseres Rechtsstaats zeichnen. Wir wissen aber auch, dass wir das Vertrauen in den Rechtsstaat weiter festigen müssen. Zentral ist hier für uns der Pakt für den Rechtsstaat. Das bedeutet mehr Personal. Dementsprechend handelt der Bund, indem er dieses Jahr 110 Millionen Euro mehr aufwendet und nächstes Jahr auch. Aber dieses Mehr an Personal muss sich auch in den Haushalten der Länder wiederfinden. Es handelt sich um eine Gemeinschaftsaufgabe. Deswegen ist mir wichtig, dass der Umfang an Personal, das die Länder für Richter, Staatsanwälte, aber auch für Gerichtspersonal zur Verfügung stellen, ebenso dauerhaft verankert bleibt, wie das auch vonseiten des Bundes geschieht, weil die Aufgabe der Stärkung des Rechtsstaats keine nur vorübergehende Sache sein darf, sondern es ist eine dauerhafte Aufgabe, Verfahren durch mehr Personal schneller zu einem Ende zu führen.
Wir müssen auch über bessere und schnellere Verfahren sprechen. Deswegen ist uns die Reform der StPO wichtig: dass wir Nebenklagen bündeln, dass wir Befangenheitsanträge schneller abhandeln können, dass aber trotzdem die Beschuldigtenrechte bestehen bleiben. Ich glaube, das kann auch das Vertrauen in gute Verfahren weiter stärken.
Wenn Sie, Frau Lambrecht, Änderungen im StGB im Bereich Opferschutz vornehmen wollen, Upskirting – also das heimliche Fotografieren unter den Rock – unter Strafe stellen, wenn Sie tote Unfallopfer unter besonderen Schutz stellen und wenn Sie auch etwas im Kampf gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution tun, haben Sie uns an Ihrer Seite. Opferschutz ist bei uns in der DNA unserer Rechtspolitik eingraviert, meine Damen und Herren.
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Wir müssen auch über den Verbraucherschutz sprechen. In diesem Haushalt sind 23 Millionen Euro mehr für die Verbraucherzentralen vorgesehen, damit sie die wichtige Aufgabe als Marktwächter erfüllen können. Ich glaube, das ist ganz wichtig, weil es darum geht, einer strukturellen Ungleichheit zwischen Großunternehmen auf der einen Seite und dem Verbraucher auf der anderen Seite durch die Verbraucherzentralen ein Stück weit entgegenzuwirken. Aber die Marktwächter bewegen sich nur in dem Rechtsrahmen, den wir setzen. Deswegen brauchen wir im Verbraucherbereich weitere rechtliche Änderungen. Es geht um die Frage, wie wir Inkassokosten für Kleinforderungen zugunsten der Verbraucher abmildern können.
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Es geht um die Frage, wie wir die Chancen der Digitalisierung nutzen können und nutzen werden. Es geht um die Frage, was im Bereich Smart Contracts alles möglich ist. Wenn Verbraucher ihre Flugtickets, ihre Bahntickets, vielleicht auch ihre Kinotickets oder Konzertkarten bei großen Ketten buchen oder bei großen Unternehmen dazu ihre Kreditkarte hinterlegen, dann ist es eigentlich nicht einsehbar, dass sie sich dann, wenn der Flieger nicht fliegt, der Zug ausfällt oder das Konzert nicht stattfindet, umständlich um die Erstattung kümmern müssen.
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Es muss vielmehr eine automatische Regelung bei der Frage der Erstattung eingeführt werden. Das muss im Jahr 2019/2020 wirklich diskutiert werden,
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weil es nicht sein darf, dass es einen Vorsprung durch Rechtsbruch gibt, indem die kleinen Streuschäden nicht eingeklagt und nicht verfolgt werden und damit auf der anderen Seite ein entsprechender Gewinn entsteht.
Wir müssen aber auch über die Frage reden, wie wir im Bereich Wohnen für die Mieterinnen und Mieter, aber auch für die Eigentümer den rechtlichen Rahmen noch weiter stärken können. Es geht um die Frage der Reform des WEG-Rechts, auch vor dem Hintergrund notwendiger Maßnahmen zum Klimaschutz, es geht um die Verbesserung des Mietspiegelrechts, und es geht darum, dass wir insgesamt eine kluge Balance finden, auch wenn wir wissen, dass durch Mietrecht allein keine Wohnung neu geschaffen wird. Aber es geht darum, Auswüchse zu vermeiden, meine Damen und Herren.
Der letzte Punkt, der mir wichtig ist, ist, dass wir auch einen klugen Blick auf die Kooperation mit der europäischen Ebene werfen: mit der neuen Kommission, die ins Amt kommt, und mit dem neuen Europäischen Parlament, das sich jetzt aufmacht, in fünf Jahren einen europäischen Rechtsrahmen zu setzen. Wir müssen beispielsweise darüber reden, ob wir nicht einen neuen Anlauf in der Frage unternehmen, europaweit Verbindungsdaten zu speichern und den Zugriff darauf zu ermöglichen, weil es uns nicht ruhen lassen darf, dass Fälle von Kinderpornografie, schwerer Menschenhandel, Drogenhandel, Mord und Totschlag nicht verfolgt werden können, weil die Verbindungsdaten nicht da sind. Da brauchen wir einen neuen Anlauf auf europäischer Ebene. Da müssen wir uns selbst dahinterknien, weil der Bundestag ein Mitwirkungsrecht hat.
Das sind die Themen, die uns wichtig sind. Da haben Sie uns an Ihrer Seite. Lassen Sie uns konstruktiv die Justiz- und Rechtspolitik in den nächsten Wochen und Monate angehen!
Herzlichen Dank.
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Der letzte Redner zu diesem Einzelplan: der Kollege Markus Uhl, CDU/CSU-Fraktion.
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Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Haushälter habe ich das letzte Wort in dieser Debatte. Deswegen möchte ich einiges noch einmal zusammenfassen und auf die, wie ich finde, wichtigsten Punkte eingehen.
Das Positive vorneweg: Der Bundeshaushalt ist auch in diesem Jahr wieder ausgeglichen. Seit 2014 ist die schwarze Null gesetzt, wir machen keine neuen Schulden, und in diesem Jahr haben wir zum ersten Mal seit 17 Jahren wieder den Maastricht-Grenzwert der gesamtstaatlichen Schuldenstandsquote in Höhe von 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes unterschritten. Gleichzeitig investieren wir im Gesamthaushalt 40 Milliarden Euro. Das sind Rekordinvestitionen. Meine Damen und Herren, das ist im besten Sinne nachhaltige, generationengerechte Politik. Wir investieren heute in die Zukunft und erhalten zugleich die Spielräume in Zukunft für die kommenden Generationen.
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Der Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, der Einzelplan 07, ist – das ist heute schon häufiger gesagt worden – der kleinste Ressorteinzelplan mit einem derzeit geplanten Ausgabevolumen von 912 Millionen Euro. Die Einnahmeseite beträgt 612 Millionen Euro. Damit ist er der Einzelplan im Bundeshaushalt, der unter den Ressorts den Spitzenwert bei der Deckungsquote einnimmt, nämlich über 67 Prozent. Auch angeklungen ist, dass er hauptsächlich ein Personal- und Verwaltungshaushalt ist. Die Personal-, Sach- und Verwaltungsquote liegt bei fast 85 Prozent der Ausgaben. Auch dabei hat er den größten Anteil unter allen Ressorts.
Meine Damen und Herren, 64 Prozent unserer Bevölkerung haben sehr viel oder ziemlich viel Vertrauen in unser Rechtssystem. Aber gleichzeitig sagen 88 Prozent der befragten Bürger auch, dass die meisten Gerichtsverfahren in Deutschland viel zu lange dauern. Das denken zu einem gleich hohen Anteil auch die Richter und Staatsanwälte, und gleichzeitig kritisieren sie eine unzureichende IT-Ausstattung an den Gerichten. Von daher war es richtig, dass wir – Bund und Länder gemeinsam – zu Beginn dieses Jahres den Pakt für den Rechtsstaat beschlossen haben.
Auf Bundesseite haben wir den Rechtsstaat gestärkt, indem wir die obersten Bundesgerichte und die Bundesanwaltschaft personell verstärkt haben und damit schnelle, zügige und vor allen Dingen zuverlässige Verfahrenserledigung ermöglichen.Der Bundesgerichtshof hat zwei neue Senate bekommen, einer wird in Leipzig eingerichtet, einer in Karlsruhe, und wir haben die Generalbundesanwaltschaft um 71 Stellen vergrößert. Da sollten wir jetzt zügig die Unterbringungsproblematiken regeln, Frau Ministerin.
Wir haben aber auch die nachgeordneten Behörden, das Bundesamt für Justiz und das Deutsche Patent- und Markenamt, massiv personell verstärkt, und dadurch erreichen wir mehr Serviceleistungen für die Bürger. So erhalten sie schneller und zuverlässiger ihr polizeiliches Führungszeugnis oder können sich einfach einer Musterfeststellungsklage anschließen. Wir sichern den Innovationsschutz und den Schutz geistigen Eigentums, indem die Patentrechercheaufträge und Patentprüfverfahren in vertretbarer Zeit bearbeitet werden können.
Wir haben die Mittel für die IT und für die Digitalisierung in der Justiz massiv erhöht und werden dies auch im kommenden Jahr fortführen, insbesondere im Hinblick auf den Aspekt der künstlichen Intelligenz.
Es ist auch schon angesprochen worden: Gleichzeitig sind Dinge zu tun, die Geld kosten, aber eben nicht direkt haushaltswirksam sind. Dabei geht es um die Verfahrensbeschleunigung im Strafrecht und ebenso in den Verwaltungsgerichtsverfahren, und es geht natürlich auch darum, den Opferschutz auszubauen. Das sind ganz zentrale Anliegen, auch unserer Fraktion.
Der Bund wird sich außerdem mit 220 Millionen Euro an der Schaffung von 2 000 Stellen bei der Justiz der Länder beteiligen. Auch das ist Bestandteil dieses Paktes für den Rechtsstaat.
Weil es eben angesprochen wurde, will ich kurz auf das Thema „Deutsche Richterakademie“ eingehen, die gemeinsame Fortbildungseinrichtung des Bundes und der Länder. Dafür gibt es eine hälftige Finanzierung, auch wenn der Anteil der Landesjuristen, die dort eine Fortbildung machen, deutlich höher ist. Ich kann dazu nur eins sagen: Wir haben als Bund ein immenses Interesse daran, dass es auch bei den Ländern gut ausgebildete Juristen gibt, weil das meiste Justizpersonal des Bundes gerade von den Ländern rekrutiert wird und wir ein Interesse daran haben, dass wir eine hohe Qualität und vor allen Dingen eine Einheitlichkeit bei der Rechtsprechung in Deutschland haben. Deshalb ist die Deutsche Richterakademie so wichtig.
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Meine Damen und Herren, wir stärken die Leistungsfähigkeit unserer rechtsstaatlichen Einrichtungen, und wir stärken dadurch auch das Vertrauen in unsere rechtsstaatlichen Institutionen, in zuverlässige und transparente Verfahren.
Zum Forum Recht ist ja auch schon einiges gesagt worden. Ich will nur noch einmal unterstreichen, dass es ein Projekt des Parlamentes ist, regierungsfraktionenübergreifend, und dass wir nun gemeinsam die weiteren Schritte zur Realisierung des Forums Recht gehen sollten. Das heißt, dass wir auch jetzt im parlamentarischen Verfahren die benötigten Mittel für Architektenwettbewerbe und für die Konkretisierung der Realisierungskonzepte zur Verfügung stellen müssen.
Meine Damen und Herren, neben den Institutionen unseres Rechtsstaates ist im Einzelplan 07 der wirtschaftliche Verbraucherschutz abgebildet, und die Mittel dafür haben wir in den letzten Jahren kontinuierlich erhöht. Vor allen Dingen werden wir im nächsten Jahr – auch das ist schon angesprochen worden – die Marktwächter auf eine institutionelle Grundlage stellen und die Förderung dafür verstetigen.
Frau Ministerin, Sie sind jetzt zweieinhalb Monate im Amt und haben einige Ihrer Projekte vorgestellt. Auch wir haben im parlamentarischen Verfahren im letzten Jahr Projekte ermöglicht und Geld bereitgestellt. Ich finde es schade, dass es Ihrer Vorgängerin nicht gelungen ist, dieses Geld auch abfließen zu lassen. Ich glaube, das können wir in Zukunft gemeinsam besser machen. Von daher an dieser Stelle schon mal: Alles Gute! Ich freue mich auf die gute Zusammenarbeit.
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Vielen Dank, Kollege Uhl. – Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor.
Danke, Herr Präsident. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mobilität ist ein Thema, das uns alle ziemlich stark bewegt und wahrscheinlich so emotional diskutiert wird wie nie zuvor. Auch in der Haushaltsdebatte stelle ich mich darauf ein, dass die Redner vor allem der Opposition natürlich viel zu kritisieren finden.
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Aber wir müssen natürlich eines im Blick haben: Es geht um Leben in Deutschland. Wenn ich mir die Diskussionen anschaue, dann muss ich feststellen: Es geht um Freiheit, es geht um Wohlstand. Da wird natürlich um Konzepte und Lösungen gerungen. Jeden Tag sehen wir neue, oft radikale Vorschläge; manchmal sind die Vorschläge auch ziemlich absurd. Wir sollten bei dieser Haushaltsdebatte ins Zentrum nehmen, dass wir von den Bürgern gewählt sind und Lösungen finden müssen, auch wenn sie oft strittig sind und natürlich strittig diskutiert werden.
Wir haben in den Städten an vielen Orten ein Platzproblem zwischen den Verkehrsmitteln. Auf dem Land ist die Anbindung ein Thema – eine Herausforderung für Chancen, für Teilhabe und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Jetzt sind alle Ebenen mehr denn je gefragt.
Der Bund unterstützt mit dem Haushalt des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur die anderen Ebenen wie nie zuvor, ein Rekord. Ich möchte den Kommunen und auch den Ländern ein Bündnis für moderne Mobilität anbieten, weil wir sehen, dass die Bürger natürlich nicht unterscheiden, wer für was zuständig ist, sondern einfach gute Mobilität haben wollen. Deswegen geht es darum, Freiheiten vor Ort zu geben. Um die Einheiten vor Ort beim Bürger zu stärken, bin ich mit den kommunalen Spitzenverbänden im Gespräch: zum Thema Parkraumbewirtschaftung, zum Thema ÖPNV, natürlich auch zum Thema „neue Verkehrsmittel“; für den Radverkehr haben wir einen nationaler Plan, den wir starten. Ein Thema ist auch urbane Logistik. Wir haben viele Programme, wo wir intensiv fördern, nicht nur in saubere Luft, sondern auch in gute Mobilität und in gute Logistik.
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Ich möchte, dass wir ein modernes Personenbeförderungsgesetz auf den Weg bringen. Morgen findet wieder eine Sitzung einer Kommission statt, wo wir versuchen müssen, zwischen den Interessen der Länder, den Interessen der Verbände, aber auch den Interessen der Opposition und natürlich den Interessen von Koalition und Bundesregierung einen Ausgleich zu finden. Letztes Mal haben wir für eine Reform in diesem Bereich sechs Jahre gebraucht. Diese Zeit haben wir dieses Mal nicht.
Wenn es konkret wird, dann wird es oft schmerzhaft. Wir müssen aber für die Bürger einen Kompromiss erzielen. Ich möchte Piloten für den ländlichen Raum starten. Fünf Piloten betreffen die Frage: Muss es sein, dass durch den ländlichen Raum die ganz großen Busse fahren, da sie teilweise viel Luft transportieren und weniger Fahrgäste? Wir sollten darüber nachdenken, ob wir die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger nicht besser durch punktgenaue Angebot mit Bestellprogrammen und kleineren Bussen abbilden können. Ich möchte Angebote schaffen – und die schaffen wir mit diesem Haushalt –, Angebote und weniger Verbote und Bevormundungen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind Logistikweltmeister, wir sind Reiseweltmeister. Wir müssen aber noch stärker zum Innovationsweltmeister werden, gerade wenn es um die Themen des Klimaschutzes geht. Da sehe ich Potenzial für die deutsche Wirtschaft. Aber wir haben in vielen Bereichen den Anschluss verloren. In vielen Bereichen sind wir Weltspitze, und das müssen wir bleiben. Aber vor allem bei der Mobilität geht es nicht darum, einen Rückfall ins Trabbizeitalter zu haben. 30 Jahre Mauerfall feiern wir. Aber manche Diskussionen gehen in die Richtung, dass wir Mobilität verordnen oder, anders gesagt, dass wir darüber nachdenken, den Bürgern irgendwelche Fahrzeuge zuzuteilen. Das ist nicht mein Politikstil. Mein Politikstil basiert auf Freiheit und auf freien Entscheidungen.
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Auch die Bürgerinnen und Bürger sind aufgerufen, ihr Verhalten zu überdenken. Jeder kann und muss einen Beitrag leisten. Meine Damen und Herren, wir haben in Deutschland jedes Jahr 3,5 Milliarden Pakete, nach allen Untersuchungen Tendenz steigend, und zwar in den nächsten zehn Jahren auf 9 Milliarden Pakete. Jeder Bürger sieht, dass viele, viele Pakete in die Stadtteile geliefert werden. Es gibt Einschränkungen für den urbanen Verkehr, vor allem für den Radverkehr. Deswegen müssen wir darüber nachdenken, wie wir diese Entwicklung aufnehmen und als Chance begreifen, um den Einzelhandel sowie die Stadtzentren zu stärken und die Bürger dazu aufrufen, nachzudenken, wenn sie den Zeigefinger auf der Maus haben und schnell mal ein Paket bestellen wollen.
Meine Kolleginnen und Kollegen, wir wollen nicht verordnen, welche Art Auto gekauft werden soll, sondern wir müssen Angebote für alternative Antriebe und synthetische Kraftstoffe schaffen. Diese neuen Technologien fördern wir massiv. Der Bund hat, damit endlich neue Produkte entstehen, in den letzten Jahren Milliarden in die Förderung gegeben. Ich hoffe, dass die IAA auch dieses Jahr dafür die Initialzündung ist. Wir brauchen mehr deutsche Produkte in den Autohäusern, damit die Bürger auswählen können. Sie jetzt mit zusätzlichen Abgaben und zusätzlichen Verboten zu bestrafen und keine Kaufangebote zu liefern, um auf die neue Mobilität umzusteigen, wäre das falsche Signal.
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Weil ich gerade beim Thema Verhalten und Eigenverantwortung bin: Hinterfragen wir alle zusammen denn wirklich, welches Wasser im Restaurant auf den Tisch gestellt wird? Muss es denn ein italienisches Wasser sein, das über Hunderte Kilometer geliefert wird? Oder nehmen wir das Wasser aus dem Heimatquell der Region, das nur ein paar Kilometer ins Restaurant geliefert wird? Wir haben Topprodukte. Nehmen wir, ohne nachzudenken, einfach eine Avocado aus dem Regal, die aus Mexiko eingeflogen wird und von der ein Kilogramm in der Produktion tausend Liter Wasser benötigt? Das sind Verkehre, die wir in der Logistik nicht brauchen, sondern wir brauchen Verkehre, die dem Wirtschaftsstandort Deutschland wirklich nützen und vor allem unsere Industrie unterstützen. Dazu müssen wir alle zusammen einen Pakt mit dem Bürger eingehen. Wir müssen einen Vertrag schließen, den wir fair gestalten, auch mit Übergangsfristen, um zu dokumentieren, dass Verhalten etwas ändern kann, und das wäre ein Riesenbeitrag für den Klimaschutz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Digitalisierung macht die Mobilität intelligenter und effizienter. Wir haben Verträge mit den Mobilfunkanbietern abgeschlossen, um die Ausbauverpflichtungen endlich zu erfüllen. Wir brauchen flächendeckenden Mobilfunk; aber flächendeckender Mobilfunk geht nicht ohne Sendeanlagen.
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Wir stecken oft in vielen Gesprächen und Genehmigungsverfahren, weil vor Ort gegen eine Sendeanlage protestiert wird. Nur: Digitalisierung gibt es nicht ohne Sendeinfrastruktur, ohne Sendemasten. Wir müssen in die 5G-Zeit durchstarten. Mit diesem Vertrag und der Gesamtstrategie Mobilfunk schaffen wir das.
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Wir können auch beim Thema Glasfaser besser werden. Wir haben Sonderprogramme für die Gewerbegebiete, für die Krankenhäuser und für die Schulen aufgelegt. Das alles kommt jetzt mit neuen Förderinstrumenten in Bewegung, und der Mittelabfluss wird besser. Wir wollen Vertrauen in die Stärke unserer Standorte, in „Made in Germany“. Ich sage Danke für diese Grundlage. Wir haben in diesem Haushalt ein Investitionsvolumen von 17,8 Milliarden Euro; das ist Rekord bei Innovationen und Investitionen.
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Ich sage deshalb herzlichen Dank für die Unterstützung, die ich vom Verkehrs- und Haushaltsausschuss bekomme.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist eine spannende Zeit mit vielen Investitionen. Unsere Aufgabe ist es nun, kollegial zu diskutieren. Ich bedanke mich schon jetzt bei den Haushaltsberichterstattern von Koalition und Opposition für einen guten Dialog. Wir werden uns viel Arbeit machen. Mein Ministerium ist ja dafür bekannt, dass wir immer viele Auskünfte geben.
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Wir haben auch die meisten Anfragen aus dem Parlament. Deswegen: Lassen Sie uns weiterhin den Investitionshochlauf für die Straße kreativ und gut gestalten! Machen wir die Bahn noch besser!
Wir investieren unglaublich viel in die Schiene. Wir haben bei der Wasserstraße unsere Zusagen gehalten. Wir wollen einen guten Flugverkehr. Wir hatten in diesem Jahr in den Ferienzeiten kein Chaos, weil wir zwei Luftfahrtgipfel mit 24 Maßnahmen gestartet haben. Die Airlines, die Flughäfen und auch die Politik, der Staat, helfen mit, dass alles reibungslos läuft, auch wenn es sicher immer noch zu Verspätungen und zu Engpässen kommt. Wir müssen neue Kapazitäten abbilden, beispielsweise bei der Bahn.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe jetzt viele theoretische Vorschläge gehört. Wenn wir im Rahmen der Haushaltsberatungen darüber diskutieren, dass wir die Beimischung bei den Kraftstoffen erhöhen, ein modernes Personenbeförderungsgesetz machen, Wasserstofftechnologien noch mehr fördern und Verordnungen ändern, um die urbane Logistik und die urbanen Verkehre anders zu gestalten,
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dann wird es konkret, und dann wird es für viele auch schmerzhaft. Aber da sage ich Ihnen: Mir macht die Politik in den Bereichen Verkehr und digitale Infrastruktur Spaß, weil sie eine große Herausforderung ist und weil sie so nah am Bürger ist. Das sollten wir uns immer vor Augen führen.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank, Herr Minister. – Der nächste Redner: für die AfD-Fraktion der Kollege Dr. Dirk Spaniel.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute sprechen wir über den Verkehrsetat 2020. Im Vorwort zum Entwurf des Einzelplans 12 schreibt die Regierung:
Ziel der Verkehrspolitik ist es, die Voraussetzungen für funktionierende, effiziente und global vernetzte Mobilitätsströme zu schaffen.
So weit, so wichtig.
Doch schaut man sich die Verteilung der Mittel in Höhe von knapp 30 Milliarden Euro an, muss man sich ein bisschen wundern: Ungefähr 13 Milliarden Euro für die Schiene und alles, was dazugehört, und ungefähr 10 Milliarden Euro für den Straßenverkehr und den Straßenbau. Mit der Realität des Gesamtverkehrsaufkommens hat diese Gewichtung der Investitionssummen überhaupt nichts zu tun. Für knapp 80 Prozent des Personenverkehrs hier in Deutschland benutzen die Bürger das Auto. Im Güterverkehr werden 74 Prozent über den Lkw abgewickelt. Mehr als drei Viertel des Personen- und Güterverkehrs finden also auf der Straße statt. Damit befindet sich Deutschland übrigens im europäischen Mittel und ist keineswegs, wie es Grüne und Linke gerne darstellen, an der Spitze, was den Straßenverkehr angeht. Das sind die nackten Zahlen.
Wer daher also für einen ideologiefreien Ausbau und Erhalt unserer Verkehrswege wirbt, müsste Ihren Haushaltsentwurf radikal umschichten bzw. die Mittel für die Straße radikal erhöhen.
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Die Gelder müssten dort investiert werden – ja, da toben Sie vielleicht –, wo sie den größten Effekt haben, und nicht, wo die Umerziehungspolitiker der Grünen und Linken es gerne sehen würden.
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Spätestens hier wird in diesem Einzelplan klar: Es geht diesem CSU-Ministerium um Anbiederung an den links-grünen Mainstream.
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Das tatsächliche Interesse unseres Landes, Verkehrspolitik so zu gestalten, dass das von den Autofahrern über die Mineralölsteuer und die Lkw-Maut aufgebrachte Geld sinnvoll eingesetzt wird, das ist Ihnen völlig wurscht.
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Und ich wundere mich, dass Sie die Dreistigkeit haben, darüber zu lachen. Sie wissen ja selber genau, wie es ist.
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Ihre Politik führt dazu, dass Deutschland Stauweltmeister wird. Schon jetzt steigt das Stauaufkommen auf unseren Straßen jedes Jahr an. Stau ist kein Naturereignis, sondern das Ergebnis Ihrer ideologisch verfehlten Infrastrukturpolitik! Das sind die Fakten.
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Ich lese und höre immer wieder, dass Sie den Verkehr runter von der Straße und auf die Schiene bringen wollen. 80 Prozent des Güterverkehrs auf der Straße finden auf Strecken von unter 150 Kilometern und mit einer Ladung von unter 80 Tonnen statt.
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Weder gibt es die Bahninfrastruktur dafür, noch wäre diese jemals bezahlbar, wenn man sie denn bauen würde. Eine signifikante Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene ist eine unbezahlbare Utopie.
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Unsere wirtschaftliche Stärke in diesem Land hängt in großem Umfang vom funktionierenden Güterverkehr auf der Straße ab. Und genau das zerstören Sie mit Ihrer nicht funktionierenden Politik der sogenannten Verkehrswende. Diese Verkehrswende, die übrigens von allen Parteien hier außer der AfD getragen wird,
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ist mittlerweile zu einem ideologischen Kampf gegen das Automobil geworden, und das auch auf europäischer Ebene.
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– Sie können ruhig von Toten reden; Sie wissen genau, was ich meine.
Ab 2020 gelten die neuen CO2-Flottengrenzwerte, die wegen der hohen Strafzahlungen von den Automobilherstellern auf die Pkw-Käufer verlagert werden müssen. Autofahren wird also schon sehr bald massiv teurer, und da ist Ihre CO2-Steuer noch gar nicht mit eingerechnet.
Vor lauter Klimaschutzhysterie werden die wichtigsten Aspekte unserer Bürger hier in diesem Land außer Acht gelassen. Eine funktionierende und günstige Verkehrspolitik zu gewährleisten, das ist Ihre Aufgabe. Und darin haben Sie kläglich versagt.
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Für die Bürger dieses Landes ist das Automobil heute und in absehbarer Zukunft das wichtigste Verkehrsmittel. Die AfD respektiert diesen Wunsch der Bürger nach selbstbestimmter Mobilität – um mal in Ihrem Jargon zu reden – und will, dass wir diesem Verkehrsmittel endlich die Infrastruktur geben, die es benötigt.
Die Bürger dieses Landes haben Sie in dieses Parlament gewählt, damit Sie bestmögliche Politik für dieses Land machen. Hören Sie endlich auf, die Menschen in diesem Land umzuerziehen und ihnen eine Märchenwelt mit Elektrorollern und Lastenfahrrädern als realistische Zukunft zu verkaufen.
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Wir werden nicht aufhören, Ihre sozialistischen Utopien und Narrative wie „gute Mobilität“ als Märchen zu enttarnen. Das sind wir unseren Wählern und diesem Land schuldig.
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Die AfD steht als einzige Kraft hier im Land und in diesem Haus ohne Wenn und Aber zum Automobil und den Millionen Menschen, die tagtäglich ihren Lebensunterhalt damit verdienen.
Vielen Dank.
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Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Kollege Sören Bartol.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute Morgen haben sich Millionen von Beschäftigten in ihr Auto, in den Bus, in die Bahn oder aufs Fahrrad gesetzt und sind zu ihrer Arbeit gependelt. Heute Vormittag sind Tausende von Rentnerinnen und Rentnern in die Stadt zum Einkaufen gefahren oder haben ihren Termin beim Arzt gehabt. Dazu haben sie ihren Nachbarn gefragt, ob er sie mitnehmen kann, haben den Schulbus oder den Bürgerbus genutzt.
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Heute Abend werden Tausende von Schülerinnen und Schüler vom Sport oder von ihren Freunden mit dem Bus nach Hause fahren oder von ihren Eltern mit dem Auto abgeholt. Deutschland ist mobil, und das soll auch in Zukunft so bleiben. Mobilität ist ein Grundbedürfnis und ermöglicht erst Begegnungen von Mensch zu Mensch – und das darf nicht unter die Räder kommen.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Haushaltsberatungen im Verkehrsbereich werden diesmal von der Debatte um den Klimaschutz geprägt. Wir sind uns bewusst, dass wir dabei zu Recht unter starker Beobachtung stehen; denn es geht um das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, es geht um die Zukunft unserer Kinder, und es geht um die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger, sich mobil bewegen zu können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Klimaschutzdiskussion ist zu stark vom Dafür oder Dagegen geprägt. Entweder man ist für Elektromobilität oder dagegen. Entweder man ist für die Eisenbahn oder dagegen. Entweder man ist für das Fliegen oder dagegen. Das bringt uns nicht weiter.
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Die Pendlerin interessiert dieses Entweder-oder nicht. Sie will vielmehr wissen, ob sie sich die Fahrt zur Arbeit zukünftig noch leisten kann. Der Rentner fragt zu Recht, warum alle vom ÖPNV reden, aber bei ihm nur zweimal am Tag ein Bus fährt. Und der Familienvater wundert sich zu Recht, warum ihm alle raten, ein Elektrofahrzeug zu kaufen, es aber aus seiner Sicht noch keine bezahlbaren Modelle auf dem Markt gibt.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist richtig, dass klimaschädliches Kohlendioxyd einen Preis bekommen muss. Wer sich klimafreundlich verhält, muss mehr Geld in der Tasche haben als der oder die, der bzw. die nicht aufs Klima achtet. Wir dürfen dabei jedoch nicht einfach nur bestimmte Mobilitätsformen teurer machen, ohne dass es eine bezahlbare, saubere Alternative gibt. Was bringt es denn dem Klimaschutz, wenn das Tanken von klimaschädlichem Benzin in den kommenden Jahren schrittweise teurer wird, die Menschen aber mangels Wahlmöglichkeiten keinen Liter weniger verbrauchen? Genau hier sehe ich uns alle in der Verantwortung, kluge, abgewogene und sozialverträgliche Entscheidungen zu treffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Mobilitätswende braucht die Antriebswende im Automobil. Daher bekennen wir uns zur Elektromobilität, und, wo sinnvoll, auch zu Biokraftstoff, Wasserstoff und natürlich zu synthetischen Kraftstoffen. Um die Elektromobilität zu unterstützen, werden wir die Mittel für öffentliche Ladesäulen mindestens verdoppeln und zusätzlich private Nutzerinnen und Nutzer finanziell unterstützen.
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Wir werden außerdem die Kaufprämie für Elektrofahrzeuge zu einem sozial gestaffelten Bonus fortentwickeln. Der VW-Golf-Fahrer braucht mehr Unterstützung als die Tesla-Fahrerin.
Wir wollen, dass jede und jeder flächendeckend mit Bus und Bahn zu bezahlbaren Preisen, egal ob in der Großstadt oder auf dem Land, unterwegs sein kann. Mit einem Masterplan ÖPNV von Bund, Ländern und Kommunen wollen wir das sicherstellen. Dazu braucht es mehr Infrastruktur, zusätzliche Fahrzeuge und bezahlbare Preise sowie guten Service für die Kundschaft. Unser Ziel ist ein 365-Euro-Ticket, das bis 2030 deutschlandweit eingeführt wird. Die Zahl der Modellstädte muss schrittweise wachsen. Dazu gehört aber auch, dass wir die ÖPNV-Finanzierung von Bund, Ländern und Kommunen ganz neu organisieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das braucht Zeit.
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Insbesondere auf dem Land wird uns die Digitalisierung helfen, Busse und Bahnen besser zu organisieren. Dazu müssen wir bei der Modernisierung des Personenbeförderungsrechtes zügig vorankommen. Klar ist aber auch: Eine Reform wird es nur geben, wenn wir auch eine wirksame Regelung bei den Sozialstandards für die eigenwirtschaftlichen Verkehre im klassischen ÖPNV schaffen. Lohndumping auf dem Rücken von Busfahrerinnen und Busfahrern müssen wir einen Riegel vorschieben.
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Wir werden das Reisen mit der Eisenbahn und den Transport von Gütern auf der Schiene attraktiver machen. Dazu gehören zusätzliche Investitionen in den Erhalt und Ausbau des Schienennetzes. Dabei werden wir bei der Finanzierung aber auch über die Verwendung der Mittel aus der Lkw-Maut reden müssen. Es wird einen Taktfahrplan geben, der lange Wartezeiten verhindert und schnelles Umsteigen ermöglicht. Bahntickets müssen billiger werden, indem wir die Mehrwertsteuer absenken.
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Gleichzeitig schlagen wir auch eine Reduktion der EEG-Umlage auf sauberen Bahnstrom vor.
Wir werden auch gegen Dumpingpreise im Luftverkehr vorgehen. Es kann nicht sein, dass der Preis für ein Flugticket noch nicht einmal der Höhe von Steuern und Abgaben entspricht und damit billiger als Bahnfahren ist.
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– Sehr gut, Beifall von der CSU. Bitte im Protokoll vermerken.
Bei all dem werden wir weiter auf Rekordniveau in die Verkehrswege investieren. Gerade in Zeiten einer schwächelnden Konjunktur ist das wichtig. Wir arbeiten weiter gegen Staustrecken, Langsamfahrstellen und bröckelnde Brücken; dabei werden wir nicht nachlassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zeiten des Man-müsste-mal sind jetzt vorbei. Jetzt wird entschieden, was wir tun; aber es wird auch entschieden, wie wir es finanzieren. Lassen Sie uns daran gemeinsam arbeiten.
Vielen Dank.
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Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege Oliver Luksic.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Deutschland außer Betrieb“, das hat die „Welt“ gerade getitelt, und das ist ein Stück weit auch die Zustandsbeschreibung der Verkehrspolitik: Wir haben das Dieseldesaster – das geht weiter; Millionen Dieselfahrer werden enteignet –, wir haben das Thema Maut – darauf muss ich leider noch ausführlich eingehen –
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und eine Infrastruktur, die an ganz vielen Ecken und Enden zerbröckelt und zerbröselt. Das ist ja das Kernproblem: Die Ausgaben im Bundeshaushalt gehen massiv nach oben; die Investitionslinie bleibt trotz steigender Baukosten aber flach, und die Investitionsquote sinkt. Es müsste aber mehr investiert werden in Innovationen und in Infrastruktur.
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Bei der Straße müssen wir feststellen, dass die Zahl der Schlaglöcher und Staus hoch bleibt; das hat auch der ADAC gerade wieder berechnet.
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Immerhin, beim Thema Mobilfunk gibt es einen sinnvollen Vorschlag, den auch die FDP vorangetrieben hat, und zwar das Thema Weiße-Flecken-Auktion; das macht Sinn. Denn wir können es uns als Industriestandort doch nicht leisten, dass nicht nur die Zahl der Schlaglöcher, sondern auch die der Funklöcher so hoch bleibt. Es kann einfach nicht sein, dass die Mobilfunkabdeckung bei uns so ist wie in Albanien. Es kann nicht sein, dass weiter in Vectoring investiert wird. Wir müssen es uns als Industriestandort leisten können, die beste Infrastruktur zu haben. Davon sind wir meilenweit entfernt.
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Wir erleben derzeit, dass sich der Minister bei manchen heißen Eisen einfach nicht traut, zuzupacken. Ich habe eben genau zugehört, was Kollege Bartol zum Thema Luftverkehrsabgabe gesagt hat. Da ist mir der Kurs der Bundesregierung noch nicht ganz klar.
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Auch Herr Dobrindt sagt ja, man müsse die Luftverkehrsabgabe, die Minister Scheuer immer senken wollte, erhöhen. Ich weiß nicht: Geht es da um einen Wettbewerb? Will das eine große deutsche Airline? Oder geht es um den Klimaschutz?
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Ich glaube, dass Ihre Forderungen in einer Zeit, in der in China 40 neue Flughäfen gebaut werden, nicht ganz durchdacht sind. Deswegen will ich wissen: Was ist da die Haltung des Bundesverkehrsministers? Mir ist das unklar, und auch die Branche erwartet dazu eine klare Haltung.
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Auch beim Thema Schiene geht es ja drunter und drüber. Der Güterverkehr geht zurück. Es gibt ein Gutachten, das dem Bundestag aber nicht vorliegt. Die Pünktlichkeitsrate im Personenverkehr ist weiterhin unglaublich gering. Jetzt müssen wir erfahren, dass es bei der Deutschen Bahn eine neue Berateraffäre gibt. Wir erwarten, dass die Unterlagen, die der Aufsichtsrat diskutieren wird, dem Bundestag zur Verfügung gestellt werden. Man merkt: Der Minister geht die heißen Eisen nicht an.
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Das kann nicht sein. Das ist doch die falsche Politik. Bei der Bahn muss endlich für Klarheit gesorgt werden. Es kann doch nicht sein, dass Sie noch mehr Staatskonzern wollen.
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Man sieht doch: Es kommt noch mehr Mauschelei dabei heraus. Es ist einfach ein Fehler, die einzige Aktiengesellschaft der Welt, die keinen Gewinn machen soll, schaffen zu wollen. Das wird nicht funktionieren!
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Bei einem einzigen Thema hat der Minister mal Mut gehabt und entschieden, nämlich bei der Pkw-Maut im letzten Jahr. Da hat er leider falsch entschieden.
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Angesichts der Landtagswahl in Bayern hat er den ersten Auftrag vergeben, um damit das Zeichen zu setzen: Die Maut kommt – koste es, was es wolle. Ein Gutachten der FDP-Bundestagsfraktion von einer Anwaltskanzlei, die mit dem BMVI zusammengearbeitet hat, unter Mitwirkung eines ehemaligen Referenten der Unionsfraktion, kommt zu dem Schluss, dass man das Ganze mit jemandem vergleichen muss, der ins Kasino geht, bei einer „50:50“-Chance schwarz oder rot setzt und sich dabei verzockt. Ich bin der Überzeugung: Wir können es uns nicht leisten, dass Steuergelder in Deutschland verzockt werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.
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Es ist ja ganz klar: Im Herbst letzten Jahres war die Maut tot. Wir wissen jetzt: Es lag ein einziges Angebot über 3 Milliarden Euro vor. Der Haushaltsgesetzgeber hat aber leider nur 2 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Wir können der Aktenlage entnehmen, dass der Rat ganz klar war: Sowohl aus Gründen des Vergabe- als auch des Haushaltsrechts hätte man zum Bundestag gehen und sagen müssen: Wir brauchen mehr Zeit und mehr Geld. – Aber das wollte der Minister natürlich nicht. Vielleicht hätte die SPD das nicht mitgemacht. Ich weiß es nicht.
Er hat entschieden, das Vergaberecht zu biegen, wahrscheinlich auch zu brechen. Er hat entschieden, die Kosten über die dynamische Vergütung am Haushalt vorbei in die Zukunft und an Toll Collect zu schieben. Das ist der springende Punkt: Er hätte zum Haushaltsgesetzgeber gehen müssen, statt am 30. Dezember, an einem Sonntag vor Neujahr, einen solchen Milliardenvertrag unterschreiben zu lassen. Er hat sich verzockt. Das ist der Fehler, den wir hier dringend ansprechen müssen.
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Es wäre ja in Ordnung gewesen. Fehler passieren. Das Urteil hätte auch anders lauten können. Aber man hätte einen Fehler einfach einräumen können. Stattdessen werden jetzt Vorwürfe gegen die Betreiber laut. Wir müssen lesen, dass wegen einer Schlechtleistung gekündigt wurde. Auf die Frage im Verkehrsausschuss, ob man auch ohne das EuGH-Urteil gekündigt hätte, war aber die Antwort Nein. Das muss man sich mal vorstellen! Man kündigt wegen einer Schlechtleistung, sagt aber eindeutig, man hätte ohne das EuGH-Urteil nicht gekündigt. Wie glaubwürdig ist denn eine solche Begründung?
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Der zweite grobe Fehler war, zu sagen: Auf einmal fallen Verträge vom Himmel; 600 Millionen Euro werden gefordert. – Dabei sind diese in dem Auftrag angelegt, und zwar im Formblatt 3. Sie wurden zwischendrin zumindest zum großen Teil genehmigt. Es wurde uns zwischenzeitlich schriftlich bestätigt, dass sieben Aufträge genehmigt wurden. Über den achten Auftrag und über die Höhe der Forderungen wird man diskutieren müssen. Der springende Punkt ist, dass hier suggeriert wurde, es wäre im Geheimen an der Maut gearbeitet worden und es würden plötzlich Verträge vom Himmel fallen. Was mich besonders ärgert, ist, dass wir ein Formblatt bekommen, wo das aufgeführt ist, und dann erfahren müssen, dass das Dokument nicht korrekt ist. Es wäre schön, wenn wir mal alle Unterlagen bekommen würden, um es nachvollziehen zu können. Und wenn Sie schon etwas ins Internet hochladen, sollte es auch das Richtige sein.
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Es bleibt leider wahr: Sie müssen in der Verkehrspolitik dringend die wichtigen Themen anpacken. Der Minister ist wegen der Maut ein Stück weit gelähmt. Es kann nicht sein, dass wegen der Fehlentscheidung in Bezug auf die Maut für den Ausbau von Straßen, der digitalen Infrastruktur und der Bahn Hunderte Millionen Euro fehlen. Deswegen werden wir weiter kritisch nachfragen müssen.
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Der Kollege Victor Perli ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach unserer Meinung hat das Verkehrsministerium zwei Kernaufgaben: erstens für eine vernünftige Verkehrspolitik zu sorgen, die Menschen und Güter zuverlässig, günstig und auf möglichst unschädliche Weise von A nach B bringt,
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und zweitens dafür zu sorgen, dass das ganze Land – das ganze Land – mit schnellem Internet ausgestattet ist. Beides wurde in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt. Minister Scheuer und seine Vorgänger haben blind darauf vertraut, dass es die Wirtschaft schon richten wird. Sie haben öffentliches Vermögen kaputtgespart und versucht, so viel wie möglich zu privatisieren. In 40 Prozent der Städte und Gemeinden Deutschlands gibt es Funklöcher. Allein im Osten haben 2 500 Orte bis heute kein flächendeckendes schnelles Internet. Das ist für eine Wirtschaftsnation wie Deutschland doch peinlich!
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Jeden Tag ärgern sich Millionen Menschen, weil viel zu viele Straßen verstopft oder beschädigt sind und sie dennoch keine Alternative zum Auto haben. Es gibt einen riesengroßen Investitionsstau bei Straßen, bei Wasserwegen und bei Brücken, es fehlen Fahrradwege, und auch viele Fußgänger fühlen sich im wahrsten Sinne des Wortes an den Rand gedrängt.
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Der öffentliche Personennahverkehr wurde sträflich liegen gelassen. Bei mir in Niedersachsen, im ländlichen Raum, ist fast jedes volljährige Familienmitglied auf ein eigenes Auto angewiesen. Gerade gestern wurde verkündet, dass die Preise im Regionalverkehr der Bahn wieder steigen sollen.
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Dabei müsste uns allen doch klar sein: Bus und Bahn müssen günstiger werden und besser ausgebaut werden, sonst können die Leute nicht umsteigen.
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Da, wo Die Linke regiert, setzen wir uns genau dafür ein, zum Beispiel in Thüringen, wo ein Azubi-Ticket geschaffen worden ist, in Berlin, wo der öffentliche Nahverkehr günstiger wird. Das sind Projekte, die zeigen, wo es langgehen muss.
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Im Haushaltsentwurf der Bundesregierung ist aber keine Antwort auf diese Probleme zu finden. 30 Milliarden Euro werden beantragt – stimmt –, aber Maßnahmen für eine soziale Verkehrswende sucht man hier vergeblich. Die Bahn zum Beispiel stünde viel besser da, wenn sie nicht kaputtgespart worden wäre. Über 6 000 Kilometer Bahnstrecke sind seit 1990 rückgebaut worden, 160 000 Stellen wurden abgebaut. Heute sucht die Bahn händeringend wieder Zehntausende Beschäftigte. Das ist doch aberwitzig!
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Jetzt muss der Bundestag viel Geld freigeben – 62 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren –, damit die heruntergekommene Bahninfrastruktur wieder instandgesetzt wird, und das alles nur, weil eine ganz große Koalition in diesem Haus gegen den Widerstand der Linken versucht hat, die Bahn an die Börse zu bringen. Für uns ist völlig klar: Die Deutsche-Bahn-Aktiengesellschaft muss vollständig in die öffentliche Hand.
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Die Bahnpreise müssen unschlagbar günstig werden, damit es eine Bürgerbahn wird, die dieses Land so dringend braucht!
Meine Damen und Herren, die Haushaltsberatungen werden überschattet vom Skandal um die Pkw-Maut. Minister Scheuer hat voreilig milliardenschwere Betreiberverträge mit Konzernen unterschrieben. Erst danach hat das höchste Gericht Europas entschieden, dass die Pkw-Maut illegal ist. Die Konzerne wollen jetzt Schadensersatz, es drohen mehrere 100 Millionen Euro, und die Zeche zahlen müssen die Steuerzahler. Die Linke sagt: Allein das rechtfertigt schon einen Untersuchungsausschuss!
({8})
Inzwischen hat sich der Verdacht erhärtet, dass der Skandal noch größer ist. Laut „Berliner Zeitung“ wurden entscheidende Gutachten frisiert, damit der Zuschlag für die Mautverträge überhaupt an Konzerne gehen konnte, der Betrieb in öffentlicher Hand wäre nämlich günstiger gewesen. Kurz gesagt lautet der Vorwurf: Der Verkehrsminister hat manipuliert, um zu privatisieren und Konzernen einen milliardenschweren Vertrag zuzuschieben. Wenn sich das bestätigen sollte, dann hat der Minister seinen Amtseid grob verletzt, dann ist das kriminell und ein Fall für die Justiz.
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Das ist demokratiegefährdend. Es verärgert Millionen Menschen in diesem Land, was mit der Pkw-Maut passiert ist. Millionen von Menschen sind stinksauer. Wir werden zusammen mit FDP und Grünen in den nächsten Monaten alle Kraft dafür einsetzen, dass das aufgeklärt wird. Der Minister wird sich weiterhin sehr harte Fragen gefallen lassen müssen.
Meine Damen und Herren, die Große Koalition steht im Bereich der Verkehrspolitik für einen schwachen Staat, der unter Privatisierungswahn leidet und sich von Konzernen über den Tisch ziehen lässt.
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Es ist ein Armutszeugnis, was hier aufgeführt wird.
Danke schön.
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Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Sven-Christian Kindler, Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Scheuer, Sie haben in Ihrer Rede ein einziges Mal vom Klimaschutz geredet. Ich habe zugehört: Da ging es um Avocados und um italienisches Wasser. Sie haben gesagt: Jeder kann und muss einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. – Ich frage mich nur: Warum gilt das eigentlich nicht für Sie?
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Es ist ja so: Die Bundesregierung wird ihre Klimaschutzziele für 2020 krachend verfehlen, und während im Energiesektor die Emissionen sinken, steigen seit 2009 die Emissionen im Verkehrssektor konsequent an. Dass Deutschland seine Klimaschutzziele so krachend reißt, liegt am Verkehrssektor, und das Ganze hat einen Namen, und der lautet: CSU.
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Dieses Jahr feiern wir ein trauriges Jubiläum. Wir haben dieses Jahr zehn Jahre CSU-Verkehrsministerium.
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Ich will erinnern: Der erste Minister war Peter Ramsauer. Danach dachten alle: Das kann jetzt nicht schlimmer kommen. – Und dann kam Alexander Dobrindt. Danach dachten alle: Das kann echt nicht noch schlimmer kommen. – Und dann kam Andreas Scheuer.
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Ich finde: Kompetenz darf in Zukunft kein Ausschlusskriterium bei der Besetzung des Postens des Verkehrsministers in Deutschland mehr sein.
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Zehn Jahre Verkehrsministerium der CSU, das heißt zehn Jahre Chaos, zehn Jahre Klimazerstörung, zehn Jahre Lobby für die Autokonzerne und zehn Jahre Straßenbauwahnsinn. Denn der CSU geht es im Kern um zehn Jahre Straße, Straße, Straße. Das ist der große Schwerpunkt. Alles andere kommt zu kurz. Darunter leiden Menschen, die auf einen guten öffentlichen Nahverkehr angewiesen sind. Darunter leiden Menschen, die mit dem Fahrrad unterwegs sind. Darunter leiden Menschen, die saubere Luft wollen. Ich sage Ihnen: Enough is enough! Zehn Jahre CSU – es reicht endlich!
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Herr Scheuer, wenn wir uns anschauen, was Sie dem Klimakabinett für 2030 vorgelegt haben, dann kann man sagen: Sie machen eigentlich so weiter wie bisher. So werden Sie auch die Klimaschutzziele für 2030 krachend brechen. Es ist nämlich so: Sie haben eine Liste vorgelegt, die zum Teil gar nicht finanziert ist, in der ganz viele Luftbuchungen enthalten sind. Die ganzen Maßnahmen werden von Experten hart angezweifelt. Sie sind nicht mit dem Kanzleramt und nicht mit dem Umweltministerium abgestimmt. Ihr sogenannter Plan für den Klimaschutz ist wieder mal so ein klassischer Scheuer: viel Show, viel PR, aber am Ende keine Substanz.
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Im Haushalt sieht man das auch: Die Bundesregierung verschwendet weiter Milliarden für den schmutzigen Diesel. Sie stellen weiterhin Milliarden für die Flugindustrie zur Verfügung. Sie haben im Einzelplan Verkehr Milliarden für neue Autobahnen und große ÖPP-Projekt vorgesehen. Ich meine, wie man in Zeiten der Klimakrise noch neue Autobahnen bauen kann, das ist wirklich ein großes Rätsel. Gleichzeitig platzen die Nah- und Fernverkehrszüge aus allen Nähten. Damit muss endlich Schluss sein. Wir brauchen jetzt ein Straßenbaumoratorium für das Klima.
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Gucken Sie es sich doch mal an: Die Alternativen stehen im krassen Missverhältnis. Der öffentliche Nahverkehr ist unterfinanziert. Der Radverkehr ist unterfinanziert. Es gibt – zugegeben – leichte, moderate Erhöhungen bei der Bahn. Aber im Ernst: Jeder Verkehrsexperte weiß, dass das, was mit der Bahn gerade passiert, im Leben nie reicht, um den Investitionsstau aufzulösen, und im Leben nie reicht, um die Bahn fit für die Zukunft zu machen. Das ist die Wahrheit.
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Zur Pkw-Maut. Herr Minister, Sie haben dazu de facto nichts gesagt in Ihrer Rede. Aber Sie können sich hier nicht so aus der Verantwortung stehlen. Sie sind der zuständige Minister. Sie haben die Mautverträge voreilig vor dem EuGH-Urteil unterzeichnet. Sie hatten zahlreiche Gutachten, die bezweifelt haben, dass das mit dem Europarecht vereinbar ist. Aber Sie wollten nicht warten. Sie wollten zocken. Sie haben gezockt, und Sie haben sich verzockt. Sie haben mit Steuergeld am Roulettetisch gespielt. Ich sage Ihnen: Dieses Mautdesaster ist Ihr Mautdesaster. Das ist Ihre Verantwortung.
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Die Kollegen Luksic und Perli haben schon darauf hingewiesen, und auch ich will es noch mal betonen: Ursprünglich waren im ersten Angebot 3 Milliarden Euro für die Pkw-Mautverträge eingeplant. Am Ende wurden es dann 2 Milliarden Euro. Sie haben die Kosten aber nicht etwa eingespart, sondern sie einfach in den Verträgen versteckt. Sie haben eine variable Vergütung einsetzen lassen. Sie haben die Digitalisierungsquote künstlich hochgesetzt. Sie haben Risiken massiv ausgelagert. Das Perfide wäre gewesen, dass es trotzdem deutlich teurer geworden wäre. Es wären deutlich mehr als Milliarden Euro geworden. Man hätte das aber erst am Ende gemerkt und nicht schon am Anfang. Deswegen hat Ihr eigenes Haus gesagt: Herr Scheuer, gehen Sie noch einmal in den Haushaltsausschuss. Fragen Sie nach einer Erhöhung für den Haushaltsrahmen. – Das haben Sie nicht gemacht. Deswegen muss man es hier im Deutschen Bundestag auch so hart sagen: Sie haben den Deutschen Bundestag und die Öffentlichkeit gezielt belogen und das Haushaltsrecht gebrochen. Das ist die harte Wahrheit.
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Ihr Motto, Herr Scheuer, ist: tricksen, täuschen und tarnen. Das kommt nachher die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler extrem teuer zu stehen. Schadensersatzforderungen in dreistelliger Millionenhöhe stehen im Raum. Ihre Strategie ist, sich jetzt in ein langes und extrem teures Schiedsverfahren zu retten, um als Minister die nächste Bundestagswahl zu überstehen. Aber, Herr Scheuer, es ist Ihre Verantwortung. Sie haben die Verträge abgeschlossen. Ich fordere Sie auf: Stehen Sie auch dazu. Ich denke, ein Minister mit Anstand und Unrechtsbewusstsein wäre schon längst zurückgetreten.
Vielen Dank.
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Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Michael Donth, CDU/CSU-Fraktion.
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Werter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stellen wie noch in keinem Haushalt zuvor die Signale für die Bahn auf Grün.
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Mir fiel leider keine andere Farbe ein.
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Wir tun dies ganz im Sinne von Friedrich List, dem deutschen Eisenbahnpionier, der am 6. August vor 230 Jahren in Reutlingen, in meinem Wahlkreis, geboren wurde.
Ein Großteil der Verkehrsetatsteigerungen des Bundes, fast 1,2 Milliarden Euro mehr, entfällt auf die Personen- und Güterbeförderung im Schienenverkehr. Und insgesamt setzen wir damit die richtigen Schwerpunkte, beispielsweise mit geplanten Ausgaben im Jahr 2020 in Höhe von 1,5 Milliarden Euro für den Neu- und Ausbau von Schienenwegen, von 350 Millionen Euro für die Halbierung der Trassenpreise im Schienengüterverkehr, von 139 Millionen für die Lärmsanierung und von 5,1 Milliarden Euro jährlich für die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mit der Bahn. Damit setzen wir unseren Investitionshochlauf fort.
Wir geben so viel Geld für die Schiene aus wie niemals zuvor. Wir schaffen damit die Möglichkeit, dass der Cargo-Bereich genauso wie die Bürgerinnen und Bürger die Schiene als attraktive Alternative nutzen kann. Und wir setzen damit konsequent die Maßnahmen um, um die Ziele, die Verkehrsminister Andi Scheuer gemeinsam mit den Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Verbänden im Zukunftsbündnis Schiene festgelegt hat, zu erfüllen, nämlich: Fahrgastzahlen verdoppeln, Kapazitäten auf der Schiene erweitern, um auch mehr Güter auf die Schiene zu verlagern. Dazu führen wir den Deutschland-Takt ein. Wir beseitigen bauliche Engpässe, die dem Deutschland-Takt im Wege stehen. Das führt zu attraktiven, zu konkurrenzfähigen, halbstündlichen oder stündlichen Verbindungen zwischen unseren deutschen Städten. Mit der Digitalen Schiene Deutschland investieren wir im kommenden Jahr über 207 Millionen Euro in das ERTMS, das digitale Zugsteuerungs- und Zugsicherungssystem. Und wir setzen auch das Bundesforschungsprogramm Schiene um.
Dazu kommt, dass wir die Länder, die für den Schienenpersonennahverkehr zuständig sind, üppig mit Geld ausstatten; denn wir haben die GVFG-Mittel für große Investitionen für das kommende Jahr bereits verdoppelt und werden sie ab 2021 auf 1 Milliarde Euro pro Jahr verdreifachen.
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Wir überweisen den Ländern fast 8,6 Milliarden Euro an Regionalisierungsmitteln, damit sie davon den Schienenpersonennahverkehr bezahlen können. Das sind 1,3 Milliarden Euro mehr als noch fünf Jahre zuvor.
Aber wir wollen nicht nur einen attraktiven öffentlichen Verkehr von Tür zu Tür, wir wollen auch einen attraktiven Güterverkehr vom Produktionsstandort bis zum Kunden. Mit 76 Millionen Euro fördern wir Maßnahmen des kombinierten Verkehrs und auch den Bau oder die Reaktivierung privater Gleisanschlüsse. Und wir lassen uns in diesem Ziel auch nicht von irgendwelchen Gutachten kirremachen.
Meine Damen und Herren, der Weg, den wir mit der immensen Investition in die Schiene einschlagen, ist der einzig richtige, wenn wir die umweltfreundliche Bahn voranbringen wollen. „Die Bahn soll“ – um unseren engagierten Bahnbeauftragten, Enak Ferlemann, zu zitieren, „das Verkehrsmittel des 21. Jahrhunderts werden“.
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Wir tun das nicht, indem wir die Nutzer anderer Verkehrsmittel bestrafen, sondern wir sorgen dafür, dass die Bahn schneller und zuverlässiger, also für den Nutzer attraktiver wird.
Herr Kollege Donth, erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Nein, ich möchte gerne fortfahren. – Vielleicht schaffen wir es ja auch noch, die Bahn 12 Prozent günstiger zu machen. Denn der größte Konkurrent der Schiene ist nicht der vergleichsweise unbedeutende Inlandsflug oder der vergleichsweise ökologische Fernbus. Die Konkurrenz der Schiene ist mit knapp 70 Prozent Marktanteil das Auto.
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Und ich bin davon überzeugt, dass es die Bahn mit dem Pkw im Fern- und auch im Nahverkehr heute schon in vielen Fällen locker aufnehmen kann, erst recht, wenn wir es schaffen, den Schienenverkehr schneller, sicherer, zuverlässiger und pünktlicher, damit insgesamt leistungsfähiger und attraktiver zu machen. So stellen wir ganz im Sinne von Friedrich List die Weichen für eine klimafreundliche, für eine schienenfreundliche Mobilität. Mit diesem Haushalt nimmt das Projekt weiter Fahrt auf.
Vielen Dank.
({1})
Vielen Dank, Herr Kollege Donth. – Als nächster Redner spricht zu uns der Kollege Wolfgang Wiehle, AfD-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Als Verkehrsteilnehmer und Nutzer der digitalen Netze erleben die Bürger täglich, ob unsere Infrastruktur funktioniert oder nicht und ob sie in Freiheit leben oder vom Staat gegängelt werden. Die Zukunftsfähigkeit Deutschlands entscheidet sich auch daran, ob die nötige Infrastruktur bereit steht und ihre Nutzung für alle bezahlbar bleibt.
Für den Steuerzahler ist es auch teuer, wenn ein Projekt wie die Einführung der Pkw-Maut scheitert. Ein Abgrund von Unklarheiten tut sich auf, jede gegebene Antwort erzeugt neue Fragen. Das muss aufgeklärt werden, aber ich warne davor, dass wir uns hier auf einer Nebenbühne verzetteln.
Für die Bürger ist es nämlich viel wichtiger, was sie in Zukunft bezahlen müssen. Schon im Juli wurde eine Öko-Maut gefordert. Das heißt: Wenn der Europäische Gerichtshof einen Mautausgleich für deutsche Autofahrer verbietet, dann lässt man den Ausgleich halt weg, der Bürger kann’s ja zahlen.
Das gibt die Richtung vor: Für eine ideologische Klimapolitik werden erst hier die Kosten und dann dort die Subventionen erhöht. Das nennt man dann Marktwirtschaft, obwohl es nichts anderes ist als der nächste Dreh an der staatlichen Interventionsspirale.
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Und wenn das nicht reicht, um den großspurigen Verkehrswende-CO2-Zehnjahresplan zu erfüllen – Pläne kommen ja wieder in Mode, sicherlich zur Freude der Kollegen der Linken –, dann werden neue Fahrverbote folgen.
Verehrte Kollegen aus der Unionsfraktion, Sie werden das bestreiten, aber Ihre Parteien sind es, die sich mit dem Ausschließen bürgerlicher Koalitionen den Nasenring anlegen, an dem die Grünen und Roten Sie durch die politische Manege ziehen werden.
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Das Koalitionstheater nach den jüngsten Landtagswahlen gibt ja einen Vorgeschmack.
Fernab jeder Ideologie verdient der Verkehrsträger Bahn, dass er intelligent gefördert wird. Die Bahn hat ihre großen Stärken, wenn sie die Verkehre bündeln kann – bei hohen Fahrgastzahlen, großen Gütermengen, auf langen Strecken – und wenn es darum geht, hohe Geschwindigkeiten sicher zu beherrschen.
Das Eisenbahnnetz in Deutschland leidet unter jahrzehntelanger Vernachlässigung und unter der Schrumpfung, die man vornahm, um den Bahnkonzern an die Börse zu bringen. In allen Teilen des Landes gibt es noch über 100 Jahre alte Bahnbrücken und Stellwerke. Es ist dringend nötig, auch hier mehr zu investieren, und der Haushalt 2020 weist immerhin bei der Bahn in die richtige Richtung.
Der Einzelplan 12 enthält auch solche Perlen wie die Förderinitiative zur Elektrifizierung regionaler Schienenstrecken. Deren Volumen wird jetzt auf 10 Millionen Euro verdoppelt. Damit kann man – hören Sie gut zu, liebe Kolleginnen und Kollegen – 6 Kilometer Bahnstrecke elektrifizieren.
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Natürlich gibt es noch andere Töpfe, aus denen Elektrifizierung bezahlt wird. Für mich zeigt dieses Beispiel aber eines: Es gibt ein Riesenwirrwarr an Etats, Töpfen und Geldquellen. Und wer da kein Experte ist, wird erst mal einen Berater brauchen.
Die Schweizer haben es da einfacher: Sie haben den BIF, den Bahninfrastrukturfonds. Geld aus allen Quellen kommt da hinein, Geld für alle Projekte wird da entnommen. Wagen wir einen großen Wurf und machen wir das auch in Deutschland.
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Wenn es im gleichen Zug gelingt, auch die verschachtelten Strukturen des Bahnkonzerns zu vereinfachen, umso besser.
Stärken wir also die Stärken der Bahn: leistungsfähige S-Bahn- und Regionalverkehre, Verbindungen mit hoher Geschwindigkeit zwischen den Metropolen, Anschluss möglichst aller großen Flughäfen an den Fernverkehr – das gilt nach Jahrzehnten des Stillstands auch für München –, Stärkung des kombinierten Güterverkehrs, viel mehr Transit-Lkw müssen auf die Schiene statt auf die Autobahn. Hüten wir uns aber davor, die Bahn zum Fetisch einer Ideologie zu machen. Sie wird niemals zu jeder Haustür fahren. Sie wird niemals den Straßenverkehr ersetzen. So sehr die aktuelle Euphorie viele Mitarbeiter motiviert, so sehr können überzogene Erwartungen in eine riesige Last umschlagen.
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Hüten wir uns auch davor, den Luftverkehr durch immer neue und höhere Steuern zu gängeln. Und hüten wir uns davor, neue Milliardensubventionen in den öffentlichen Nahverkehr zu kippen.
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Die Lightvariante des kostenlosen ÖPNV heißt jetzt 365-Euro-Ticket für alle. Das ist für den Staat richtig teuer, motiviert aber keineswegs zum Umsteigen.
Investieren wir in die Zuverlässigkeit des Nahverkehrs. Neue Verbindungen, mehr Komfort, mehr Sauberkeit und vor allem mehr Sicherheit – das wollen die Bürger.
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Damit wende ich mich noch einmal an die Kolleginnen und Kollegen von der Unionsfraktion. Lassen Sie sich nicht einfangen von den roten Schalmeienklängen vom 365-Euro-Ticket. Behalten Sie es im Kopf: Es gibt immer eine Alternative.
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Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Thomas Jurk, SPD-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da die Regierungskoalition bekanntermaßen ihr Wort hält, dürfte es niemanden überraschen, dass die Investitionsausgaben im Verkehrsetat laut vorliegendem Haushaltsplanentwurf und Finanzplan weiter verstetigt und erhöht werden, genau so, wie wir das im Koalitionsvertrag vereinbart haben.
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– Ja, da kann man ruhig mal klatschen. – So steigen die Mittelansätze für die klassischen Verkehrsinvestitionen, also für Investitionen in den Bereichen Straße, Schiene und Wasserstraße, im kommenden Jahr auf rund 15,3 Milliarden Euro und im Finanzplanungszeitraum sogar auf rund 17 Milliarden Euro. Das ist gut so; denn diese Investitionen sind bekanntermaßen dringend notwendig, um die Verkehrsinfrastruktur weiter zu erneuern und auszubauen.
Wer sich die Zahlen einmal genauer anschaut, wird feststellen, dass bei der Erhöhung der Investitionen die Schiene der eindeutige Gewinner ist. Allein für die nächste Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, kurz LuFV III, will der Bund bis 2029 insgesamt rund 51,4 Milliarden Euro einsetzen. Schon im nächsten Jahr sollen für Ersatzinvestitionen mehr als 4,6 Milliarden Euro bereitstehen. Das sind über 1,2 Milliarden Euro mehr als in der Finanzplanung ursprünglich vorgesehen.
({1})
Bemerkenswert ist natürlich auch, dass die Laufzeit der sogenannten LuFV von fünf auf zehn Jahre verlängert werden soll, was den Eisenbahninfrastrukturunternehmen, der Industrie und dem Bund größere Planungssicherheit gibt. Allerdings muss es auch handfeste Kriterien zur Überprüfung unserer Zielvorgaben geben.
Die Finanzplanung sieht darüber hinaus vor, die jährlichen Mittel für Investitionen in die Bundesschienenwege bis 2023 auf 2 Milliarden Euro anzuheben. Dies halte ich für besonders wichtig, da die Kapazitäten der Schieneninfrastruktur unabhängig von den gewünschten Digitalisierungseffekten deutlich erhöht werden müssen, wenn wir unsere Ziele für 2030 bei den Fahrgastzahlen und natürlich auch beim Klimaschutz erreichen wollen.
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Deshalb gehe ich davon aus, dass dafür künftig auch noch mehr Geld bereitgestellt wird.
Zusätzliche Mittel in Höhe von insgesamt 570 Millionen Euro sind im Finanzplanungszeitraum außerdem für die erste Ausbaustufe des Projekts „Digitale Schiene Deutschland“ vorgesehen. Der Bund stellt zudem weitere 126 Millionen Euro für die Ausrüstung der Schieneninfrastruktur – sowie erstmalig auch von rollendem Material –, mit dem europäischen Zugsicherungssystem ERTMS bereit. Damit stehen in diesem Titel in den nächsten Jahren rund 1,36 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist eine spürbare Verbesserung.
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Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass auch die Mittel für die Förderung der Elektrifizierung regionaler Schienenstrecken auf 10 Millionen Euro – zum Vorredner: da geht es um Lückenschlüsse –
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und die Mittel zur Attraktivitätssteigerung von Bahnhöfen auf 20 Millionen Euro angehoben werden.
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Außerdem wurde in Kapitel 1210 ein neuer Titel für das Bundesprogramm „Zukunft Schienengüterverkehr“ geschaffen, welcher mit jährlich 20 Millionen Euro ausgestattet werden soll. Damit hat der vielgelobte Masterplan Schienengüterverkehr eine weitere finanzielle Hausnummer erhalten.
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Da uns sehr gerne vorgehalten wird, wir würden zu viel in die Straße und zu wenig in die Schiene investieren, will ich dazu gerne noch ein paar Zahlen nennen.
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– Sie sollten erst mal zuhören, ehe Sie sich äußern.
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Die Finanzplanung sieht vor, dass wir die Investitionsausgaben für die Straße von 2014 – dem ersten Regierungsjahr dieser Koalition; da waren Sie von der AfD glücklicherweise noch nicht dabei – bis 2023 um rund 55 Prozent erhöhen. Im gleichen Zeitraum werden die Investitionsausgaben für die Schiene jedoch um 90 Prozent gesteigert. Ich finde, die Regierungskoalition stellt damit bei den Verkehrsinvestitionen die richtigen Weichen, um einmal im Bild zu bleiben.
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Ich möchte zudem darauf hinweisen, dass bei diesem Vergleich die Mittel für die Reduzierung der Trassenpreise im Schienengüterverkehr – immerhin über 1,2 Milliarden Euro in dieser Wahlperiode – und die Verdreifachung der Mittel für die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden auf 1 Milliarde Euro ab 2021 noch gar nicht berücksichtigt sind.
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Dazu kommt dann noch die Erhöhung der Regionalisierungsmittel, die wir teilweise auch für Investitionen zur Verfügung stellen.
Bei den Regionalisierungsmitteln ist mir übrigens wichtig, dass sie von den Bundesländern vollumfänglich und zweckentsprechend eingesetzt werden. Hier ist auf Länderebene noch einiges zu verbessern. Insofern bin ich auf den nächsten Bericht zur Verwendung der Regionalisierungsmittel bereits sehr gespannt.
Da mir das rote Licht vom Präsidenten geleuchtet wird – das ist in diesem Fall ein Stoppsignal –, möchte ich meine Rede beenden. Ich freue mich auf wirklich großartige Haushaltsplanberatungen.
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Herzlichen Dank, Herr Kollege Jurk, dass Sie meine dezenten Hinweise so sorgfältig beachten. Das muss ich lobend erwähnen; das ist nicht immer der Fall. – Als Nächstes lauschen wir den Worten des Kollegen Bernd Reuther, FDP-Fraktion.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Andi Scheuer, Engpässe und Sanierungsstau bei allen Verkehrsträgern: Das ist mehrfach angesprochen worden. Der Minister versucht, das durch diverse Gipfelgespräche zu kompensieren. Hinzu kommen Punktepläne: fünf Punkte zum Netzausbau, acht Punkte zum Rhein, zehn Punkte zum Brenner. Leider spiegeln sich die ganzen Bemühungen durch Gespräche und Punktepläne aber nicht in diesem Haushalt wider. Er ist eine einzige Enttäuschung.
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Ich will aber nicht verhehlen, dass der Minister auch gute Vorschläge macht.
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– Ja, es lobt ihn ja sonst keiner mehr.
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Ich will mal drei Beispiele nennen.
Erster Punkt. Er hat jetzt mehr Geld – ich bin sehr gespannt – für klimafreundliches Fliegen in Aussicht gestellt. Wenn man sich umschaut, sieht man aber auf der einen Seite Verbotsfantasien, und auf der anderen Seite werden mehr Steuern – Kerosinsteuer, Ticketsteuer – gefordert, unter anderem auch von seinem eigenen Landesgruppenvorsitzenden. Ich bin gespannt, wie das funktionieren soll. Auch durch höhere Steuern wird übrigens kein Mensch auf die Bahn umsteigen, die einen Verspätungsrekord nach dem anderen fährt.
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Der zweite Punkt. Der Minister hat im Frühjahr dieses Jahres den Masterplan Binnenschifffahrt vorgestellt – sehr richtig, sehr gut. Aber im Haushalt werden die Mittel für die Infrastruktur der Wasserstraßen um nahezu 15 Prozent gekürzt, meine Damen und Herren. Das ist ein vollkommen falsches Signal, das hier ausgesendet wird.
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Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einen Satz an die Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen sagen. Sie erzählen mir immer, wie wichtig der Verkehrsträger Binnenschifffahrt ist. Aber gehen Sie mal an die Wasserstraßen vor Ort. Wenn es Pläne für einen Hafenausbau oder eine ‑erweiterung gibt, die für diesen Verkehrsträger wichtig sind, so werden sie vor Ort blockiert. Da stehen Ihre Parteifreundinnen und Parteifreunde auf der Bremse.
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Ein dritter guter Punkt: Mobilität im ländlichen Raum. Das ist dort, liebe Kolleginnen und Kollegen, wo nicht an jeder Ecke ein E-Scooter steht, wo der Bus nur zweimal am Tag fährt und wo die Menschen noch lange, lange auf Autos mit Verbrennungsmotor angewiesen sind. Da schlägt der Minister vor, die Benutzung von leichten Motorrädern mit einem Hubraum von bis zu 125 Kubikzentimetern für Besitzer eines Pkw-Führerscheins freizugeben: Mobilität für den kleinen Geldbeutel, also gerne auch für Elektrozweiräder; Mobilität für Azubis, damit sie zu ihren Ausbildungsstellen kommen. Aber auch hier gab es Kritik von allen Seiten und aus den eigenen Reihen. Die Folge: Der Vorschlag wurde ganz, ganz schnell wieder einkassiert.
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Also, es gibt gute Vorschläge; das wollte ich an dieser Stelle auch mal gesagt haben. Aber mir fehlt der Glaube, dass diese Vorschläge in der GroKo auch nur annähernd Erfolg haben werden. Ich bin sehr gespannt, was bei diesem Klimakabinett herauskommt. Da gab es genügend Ansätze, um dieses Thema zu forcieren.
Ich will zum Schluss noch sagen, auch abseits dieses Mautdesasters: Bei konstruktiven Vorschlägen, die die Mobilität der Menschen in diesem Land voranbringen, haben Sie auch in Zukunft die Unterstützung der Freien Demokraten.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege Reuther. – Als Nächster hat das Wort der Kollege Jörg Cezanne, Fraktion Die Linke.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundeskanzlerin hat in ihrer gestrigen Rede die Herausforderungen, wie ich finde, treffend in ein Bild gepackt. Im Verkehrsbereich sei – Zitat – Nichtstun keine Alternative. Es müsse vielmehr ein „Kraftakt“ vollbracht werden, damit der Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid im Verkehrssektor endlich, nach 30 Jahren, in denen er gestiegen ist, sinkt. Sie hat recht. Dass das CSU-geführte Ministerium dafür vielleicht nicht die offensten Ohren hat, kann man an diesem Haushalt erkennen.
({0})
Trotz erfreulicher Steigerungen bei der Schiene bleiben die Mittel für den Ausbau hinter den Erfordernissen zurück. So werden in diesem Haushalt die Ausbaumittel sogar gekürzt, auch für die Wasserstraße; der Kollege Reuther hat es schon angesprochen. Beim boomenden Luftverkehr mit seiner hohen Klimaschädlichkeit bleiben steuerliche Erleichterungen unangetastet. Das ist kein Kraftakt. Wir fahren munter weiter auf der Autobahn in die falsche Richtung.
({1})
Dass es auch gar keinen Willen für den von der Kanzlerin geforderten Kraftakt gibt, zeigt das sture Festhalten am sogenannten Finanzierungskreislauf Straße. Die Lkw-Maut bringt jetzt jährlich 8 Milliarden Euro ein. Stur wird daran festgehalten, das ausschließlich für den Straßenbau auszugeben. Wir schaffen mit dieser Art Politik geradezu einen Zwang zum Auto, weil wir den Menschen in den ländlichen Regionen gar nicht die Möglichkeit geben, auf das Auto zu verzichten oder darauf nicht angewiesen zu sein.
Herr Minister Scheuer, Sie haben bei der Steuerung der Pkw-Mauteinführung vollständig versagt.
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Die Einschätzung Ihres Ministeriums, es gebe nur ein sehr geringe Risiko, dass der EuGH die deutsche Pkw-Maut als nicht EU-rechtskonform bewerten würde, war grundfalsch. Sie widersprach im Übrigen einer Vielzahl von öffentlich zugänglichen Rechtsgutachten und Stellungnahmen. Das hätte man auch im Dezember letzten Jahres wissen können.
Mit dem verfrühten Abschluss der Verträge mit den Betreiberfirmen sind Sie Risiken für die Bundesrepublik Deutschland eingegangen, die durch Bundestagsbeschlüsse nicht gedeckt waren. Auch wenn noch keine Forderungen der Betreiberfirmen vorliegen, so rechnen Fachleute mit mehreren Hundert Millionen Euro zusätzlich zu den rund 50 Millionen Euro, die ohnehin schon unsinnigerweise im Bundeshaushalt ausgegeben werden mussten. Diesen Schaden haben Sie durch Ihr Verhalten fahrlässig verursacht. Dafür müssen Sie die Verantwortung übernehmen.
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Statt im Oktober 2018 den Haushaltsgesetzgeber zu informieren, dass die Maut zu den im Haushalt bewilligten Mitteln nicht zu haben ist, haben Sie mit den Betreibern Verträge ausgestaltet, die zumindest den Verdacht ergeben, dass darin zusätzliche Belastungen für den Bundeshaushalt versteckt wurden, seien es höhere variable Vergütungen, die vermehrte Übernahme von Portokosten oder zusätzliche Aufgaben für den staatlichen Betreiber der Lkw-Maut, die Firma Toll Collect. Das wird weiter zu untersuchen sein.
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Kraftakte gibt es bei der CSU offensichtlich nur beim Fingerhakeln oder rhetorisch am Aschermittwoch, aber nicht bei überlebenswichtigen verkehrspolitischen Veränderungen.
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Am Wochenende werden in Frankfurt am Rande der IAA Tausende gegen die verfehlte Verkehrspolitik auch dieser Bundesregierung demonstrieren. Ich werde gerne dabei sein. Es ist notwendig, diesen Kraftakt durchzusetzen.
Danke schön.
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Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Stefan Gelbhaar, Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Minister Scheuer, das war ja heute eine eher müde Rede – irgendwas mit Avocados –, aber – und auch das zeichnet einen guten Minister aus – Sie haben eine umtriebige PR-Abteilung.
Sie versuchen, sich als hipper Verkehrsminister zu inszenieren, als Lord Helmchen, der Minister mit dem Fahrrad. Manch einer glaubt Ihnen das vielleicht und freut sich. Aber viele machen sich gerade bereit, um in Frankfurt am Main in den kommenden Tagen eine beispiellos große Protestwelle, und zwar gegen Sie und Ihre Verkehrspolitik, auf die Straße zu bringen.
Gleichzeitig legen Sie uns heute diesen Haushalt vor. Haushalt ist Wahrheit, Herr Minister. Und in diesen Haushalt haben Sie in fetten Lettern hineingeschrieben: Sie wollen keine Verkehrswende. Sie wollen keinen Klimaschutz. Sie wollen nicht mehr Fuß und Fahrrad, Bus und Bahn. Was Sie wollen, ist: Auto, Auto und Auto.
({0})
Heute haben Sie in einem „Welt“-Artikel noch mal versucht, diesen ganzen Murks zu rechtfertigen. Herr Scheuer, Sie sind völlig im Rückwärtsgang. Schalten Sie endlich um! Wir brauchen einen anderen Haushalt.
({1})
Das ist Ihnen doch möglich gewesen. Warum gehen Sie da nicht voran? Die Vorschläge liegen auf dem Tisch.
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Herr Verkehrsminister, Sie haben meiner Meinung nach das beste Ressort im ganzen Kabinett. Sie verfügen über die meisten investiven Mittel, mehr als alle anderen Ministerien. Aber was machen Sie damit? Sie versenken das Geld in Autobahnen und Bundesstraßen: 74 Milliarden Euro seit 2006, seit die Union regiert, und im nächsten Jahr noch mal 10 Milliarden Euro obendrauf. Statt in Alternativen zu investieren, locken Sie immer mehr Menschen in immer mehr Autos, was zu immer mehr Staus führt.
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Das ist German Wahnsinn. Das ist rückwärtsgewandt, fortschrittsfeindlich. Das ist keine Verkehrspolitik; das ist bestenfalls Bauwirtschaftspolitik.
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Gehen wir mal weiter. Jetzt kommt auch noch das: Das ohnehin wenige Geld für den Radverkehr kürzen Sie im nächsten Jahr sogar noch: von 150 Millionen auf 130 Millionen Euro. Dabei wächst der gesamte Verkehrshaushalt ständig an, auch im nächsten Jahr wieder.
Anderswo, etwa in den Niederlanden, werden inzwischen jährlich über 500 Millionen Euro für den Radverkehr ausgegeben. Um da mitzuhalten, müssten wir in Deutschland eigentlich 2,5 Milliarden bis 3 Milliarden Euro in den Radverkehr investieren. Wir Bündnisgrünen fordern deswegen mindestens 1 Milliarde Euro aus dem Bundeshaushalt für Radschnellwege, für Überlandradwege, insbesondere an Bundesstraßen, für Brücken über Autobahnen und Schienen und für Fahrradparkhäuser und Mobilitätsstationen an Bahnhöfen. Das ist übrigens alles Sache des Bundes. Damit wird Fahrradfahren entspannt, schnell und sicherer, in der Stadt und auf dem Land. Das wäre ein Zeichen.
({5})
Sie haben selbst das Stichwort „Innovation“ gebracht, und Sie haben den „Innovationsweltmeister Deutschland“ ausgerufen. Ich sage: Mobilität der Zukunft heißt, die Verkehrsmittel intelligent zu verknüpfen. Da sind wir uns vielleicht einig. Aber da reicht eben nicht eine schlecht gemachte Legalisierung von E-Scootern. Da reicht es nicht, von Sanierung und Digitalisierung von U-Bahnen, von der Reaktivierung von Bahnstrecken, vom Ausbau von Tramstrecken usw. zu reden. Da muss man Geld in die Hand nehmen und Personal einsetzen. Daher müssen Sie die Handbremse bei der Erhöhung der Gemeindeverkehrsmittel lösen. Dieser Topf muss mindestens 2 Milliarden Euro groß werden, damit wir den Investitionsstau an dieser Stelle auflösen und ihn für neue Projekte öffnen können.
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Noch ein Wort zur Mobilitätsforschung; Sie haben ja von Innovationen gesprochen. Sie kürzen hier die Mittel. Bahnen sollen künftig in höherer Taktung fahren; dafür brauchen wir Mittel. Wir haben immer noch keinen Mobilpass für Deutschland. Wir haben keine automatisierten Straßenbahnen. Wir haben keine neuen Aspekte in der Stadtlogistik. Das fehlt alles. Dort haben Sie die Mittel gekürzt.
All das widerspricht dem, was Sie eigentlich immer und immer wieder erklären. Machen Sie sich da ehrlich! Ändern Sie das zusammen mit den Koalitionsfraktionen in den Haushaltsberatungen!
Ich möchte noch eine Sache nennen. Sie haben – das habe ich heute zur Kenntnis genommen – das Wort „Verkehrswende“ in Ihren Wortschatz aufgenommen.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme zum Schluss. – Das war auch dem „Welt“-Artikel von heute zu entnehmen. – Da Sie jetzt so erstaunt gucken: Vielleicht war es einer Ihrer Referenten, der dieses Wort da hineingeschrieben hat. – Ich persönlich finde das gut. Deswegen lade ich Sie, obwohl die Anmeldefrist eigentlich schon abgelaufen ist, zu unserer Radkonferenz morgen ein.
Herr Kollege, Sie haben jetzt noch einen Satz.
Sie können sich entscheiden: Autoausstellung oder Radkonferenz. Ich fände es gut, wenn Sie sich für die Radkonferenz entschieden und dort mit den Menschen ins Gespräch kämen, die die Verkehrswende von unten – –
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Herr Kollege, Sie kann keiner mehr hören, weil ich Ihnen gerade das Wort entzogen habe. Nehmen Sie bitte Platz.
Als nächste Rednerin spricht zu uns die Kollegin Daniela Ludwig, CDU/CSU-Fraktion.
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Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zurück zum Haushalt, ja, lieber Herr Gelbhaar, vielleicht auch zurück zur Wahrheit. Wir stärken nämlich nicht nur, wie Sie gerade fälschlicherweise dargestellt haben, die Straße, sondern wir stärken mit einem weiter gehenden Investitionshochlauf alle Verkehrsträger gleichermaßen, nämlich um weitere 800 Millionen Euro für unseren gesamten Einzelplan auf dann 15,4 Milliarden Euro. Das ist ein klares Signal nicht nur für den Verkehr auf der Straße, sondern auch für den Verkehr auf dem Wasser, in der Luft und auf der Schiene.
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Warum nenne ich die Schiene bewusst als Letztes? Weil sie in der Tat nicht nur haushalterisch, aber da ganz besonders, in unseren Fokus rücken muss – auch weiterhin. Damit setzen wir einen Kurs fort, den wir mit einem sehr, sehr guten Koalitionsvertrag zu diesem Thema eingeschlagen haben. Wir unterlegen das jetzt auch sehr bewusst mit ordentlich Haushaltsmitteln. Da legen wir die vielzitierte LuFV III – für diejenigen, die das nicht kennen: die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung; es hören heute hoffentlich nicht nur Verkehrspolitiker zu – für die Schiene auf. 51,4 Milliarden Euro über zehn Jahre, so viel gab es noch nie für die Schiene. Punkt! Und wir verlängern die Laufzeit auf zehn Jahre. So viel Planungssicherheit gab es noch nie für die Schiene. Auch das gehört zur Wahrheit, wenn wir über diesen Haushaltsentwurf reden.
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Genauso gehört dazu, dass der Bedarfsplan Schiene gegenüber dem Eckwert 2022 um rund 300 Millionen Euro auf 1,9 Milliarden Euro aufgestockt wird und um weitere 524 Millionen Euro in 2023 ff. auf 2 Milliarden Euro aufgestockt wird. Wer also hier mal wieder uns unterzuschieben versucht, hier werde nur was für die Straße getan, der, würde ich mal sagen, führt bewusst in die Irre, lieber Herr Gelbhaar. Da bin ich mehr Niveau von Ihnen gewohnt. Das dürfen Sie mir glauben.
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Natürlich haben wir große Aufgaben mit internationalen Verpflichtungen übernommen, was die Klimaschutzziele angeht, und natürlich richtet sich der Fokus richtigerweise auf den Verkehrssektor. Hier müssen wir noch deutlich besser werden; das bestreitet aber auch niemand, auch niemand in meiner Fraktion und auch niemand im BMVI. Aber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, nicht nur staatliche Maßnahmen, Zwangsverordnungen und Verbote werden uns dahin führen, dass wir beim Klimaschutz noch besser werden, sondern auch Bewusstseinsveränderungen.
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Da können wir bei uns selber anfangen, und damit beginnt in Zukunft hoffentlich auch jeder Einzelne bei sich selbst.
Ich glaube, dass das ein wichtiger Punkt ist. Schauen Sie sich mal – es ist ganz einfach, und das hat nichts mit Verteufeln zu tun – die durchschnittliche Motorisierung von Pkws vor zehn Jahren an: 131 PS. Jetzt: 153 PS. Da würde es schon reichen, wenn jeder Einzelne beim Autokauf überlegen würde: Was brauche ich für mich persönlich für meine individuelle Mobilität? Welche Motorisierung brauche ich? Welchen Antrieb brauche ich? Da gibt es schon ziemlich viel auf dem Markt, was wir den Verbrauchern anbieten können.
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Aber da müssen wir natürlich von politischer Seite noch besser werden. Da muss die Automobilindustrie noch besser werden. Da wird es nicht reichen, nur über E-Mobilität zu reden, meine lieben Kolleginnen und Kollegen; da müssen wir mutiger werden bei den alternativen Antrieben, bei E-Fuels. Da, glaube ich, geht dieser Haushalt wiederum in die richtige Richtung. Lassen Sie uns technologieoffen sein! Lassen Sie uns bewusstseinsfördernd unterwegs sein! Die Leute gehen nur mit uns mit, wenn sie nicht den Eindruck haben, sie würden gedrängt, sie müssten und sie dürften nicht mehr. Vielmehr muss es eine freiwillige Umkehr geben. Wir schaffen es nur, den Klimaschutz für uns, für eine Industrienation, gemeinsam hinzubekommen, wenn alle freiwillig und mit voller Seele dabei sind.
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Die Digitalisierung der Schiene ist ein wichtiger Punkt und findet sich in diesem Haushalt richtigerweise wieder.
Bei der Wasserstraße setzen wir einen Kurs fort, auf den ich persönlich sehr stolz bin, wozu ich wirklich sagen muss: Da haben wir einen Riesenschritt getan, was die Befahrensabgabe angeht. Wir haben uns lange da hingekämpft und haben es mit dieser Koalition endlich hinbekommen; ein riesiger Schritt. Natürlich wird das fortgeführt, und natürlich dient das auch dazu, die Wasserstraße noch attraktiver zu machen.
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Wir haben natürlich noch einiges vor der Brust – der Minister hat es angesprochen –, so das Personenbeförderungsgesetz. Auch hier ist viel Musik drin, gerade im Hinblick darauf, Mobilität in der Stadt zu steuern, aber auch Mobilität auf dem Land weiterhin zu ermöglichen. Ich sage bewusst „weiterhin zu ermöglichen“; denn wer nur aus großstädtischer Sicht über Mobilität redet, springt viel zu kurz. Da können wir über das PBefG, wenn wir es gut anstellen – ich bin sehr zuversichtlich, dass alle daran beteiligten Fraktionen das gleiche Interesse haben –, viele Steuerungsmöglichkeiten nutzen und den ländlichen Räumen die Chance geben, weiterhin an der Mobilität teilzuhaben, möglichst auch wieder selbst zu entscheiden, wie sie es gestalten wollen.
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Lassen Sie mich noch über den Radverkehr reden; ein letzter Punkt. Der Minister hat, wie ich finde, extrem gute Vorschläge zu einer Reform der StVO gemacht. Das ist heute noch gar nicht gesagt worden. Da gehen wir einen ganz wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Natürlich geht es an dieser Stelle sehr viel um Ballungsräume. Wir versuchen hier tatsächlich, die dauernde Platzkonkurrenz von Auto, Fußgänger, Radfahrer, E-Scooter, Kinderwagen usw. aufzulösen.
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Ich finde, diese Vorschläge gehen in eine sehr richtige Richtung. Der Minister hat hier die volle Unterstützung zumindest aus meiner Fraktion und – ich bin mir sehr sicher – auch der anderen Koalitionsfreunde.
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.
Deswegen: Lassen Sie uns diesen Weg weiter beschreiten! Lassen Sie uns da mutig sein, und setzen wir darauf, dass wir überzeugen und nicht zwingen und nicht verbieten!
Vielen herzlichen Dank.
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Vielen Dank, Frau Kollegin Ludwig. – Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Elvan Korkmaz, SPD-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Abgeordnete kennen wir das aus unserem Alltag: Ohne Bahn und Internet geht nichts. Das gilt auch für alle Menschen da draußen.
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Verkehrsinfrastruktur und digitale Infrastruktur sind grundlegend für das tägliche Leben und Politikfelder, die das innerste Versprechen unserer Gesellschaft betreffen: freie Selbstbestimmung und Teilhabe.
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Eine gute und überall verfügbare Infrastruktur ist deshalb eine Frage von Gerechtigkeit. Die SPD steht zu diesem Grundrecht für alle Bürgerinnen und Bürger.
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Das ist auch der Maßstab, mit dem ich diesen Haushalt bewerte. Dazu gehört auch die Diskussion um die haushaltspolitische Ausrichtung.
Das ist nicht nur ein SPD-Thema, sondern betrifft die gesamte Republik. Dieser Haushalt kommt ohne neue Schulden aus. Gut! Keine neuen Schulden heißt aber nicht: keine neuen Investitionen. 30 Milliarden Euro sehen wir für Verkehr und digitale Infrastruktur vor. Daraus investieren wir auf Rekordniveau. Dafür darf man dem Bundesfinanzminister auch einfach mal „Danke schön“ sagen. Danke, Olaf!
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Wir müssen aber auch die historische Verantwortung begreifen, die uns in der Klimakrise zufällt. Wir müssen uns ehrlich machen, was wir konkret brauchen, um unsere Klimaziele zu erreichen, und dann das Geld auch in die Hand nehmen. Deshalb: Erst klar benennen, dann ausgeben. Und wir sollten hier nicht ein Dogma gegen ein anderes ausspielen, sondern konkrete Vorschläge machen.
Das 365-Euro-ÖPNV-Ticket ist so ein konkreter Vorschlag für eine nachhaltige Verkehrspolitik. Mich freut das, weil ich mich um den ÖPNV vor Ort wirklich sorge. Gerade für die ländlichen Kommunen brauchen wir dringend Lösungen.
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Wenn die Nachfrage steigt, brauchen wir natürlich auch ein passendes und attraktives Angebot. Das kostet Geld. Der Bundeshaushalt geht bei diesem Komplex voraus: Verdreifachung der Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz in den kommenden zwei Jahren, insgesamt 1,7 Milliarden Euro für die Verbesserung des ÖPNV in den Gemeinden; 50 Milliarden Euro, die wir bis 2029 in die Bahn investieren, allein 4,6 Milliarden Euro im kommenden Jahr. Zusammen ist das nicht nur konkreter Klimaschutz, sondern auch konkrete Gerechtigkeit; genau dafür stehen wir Sozialdemokraten.
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Auf ähnlichem Niveau investieren wir auch in die digitale Infrastruktur. Wir halten unser Versprechen und finanzieren aus den Erlösen der Versteigerung der 5G-Frequenzen den Ausbau der Gigabitnetze.
Wir sehen täglich, dass das Marktprinzip allein die Daseinsvorsorge nicht sichert. Deshalb bedarf es hier auch der Steuerung durch den Staat. Das tun wir an dieser Stelle, und wenn es nach mir ginge, könnten wir davon auch noch ein bisschen mehr haben.
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In diesem Haushalt finden sich aber auch kleine Aufwendungen, die mitunter eine ganz große Wirkung haben, so zum Beispiel 9 Millionen Euro für die Förderung von Abbiegeassistenzsystemen, mit denen wir konkret Menschenleben retten.
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Ich bin überzeugt: Wohlwollen allein reicht da nicht. Mir wäre es lieber, wir würden diese Systeme verpflichtend vorschreiben. Ich bin mir sicher, da werden wir in dieser Koalition auch noch vorankommen.
Eines vielleicht noch zum Abschluss. Wir müssen uns eingestehen: Investieren allein hilft nicht unbedingt. Man munkelt ja, gerade in der Verkehrspolitik soll es auch die eine oder andere Maßnahme geben, die das Klima schont, aber nicht unbedingt was kostet. Ich würde mich freuen, wenn wir auch darüber mal nachdenken könnten. Schließlich müssen wir auf die ökologische Frage auch eine soziale Antwort geben. Die SPD, wir, sind davon überzeugt: Das ist die zentrale Frage der Gerechtigkeit, und damit sichern wir den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Reinhold Sendker, CDU/CSU-Fraktion.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Neuer Investitionsrekord und klares Bekenntnis zur Schiene, das ist die richtige Headline für den Verkehrshaushalt 2020. Jetzt deutlich über 15 Milliarden Euro für Straße, Schiene und Wasserwege, in 2023 dann bereits 17 Milliarden Euro, das ist eine Verdoppelung der Investitionslinie. Gegenüber der jahrelangen Unterfinanzierung ist es ein Riesenerfolg für die Arbeit unserer Großen Koalition.
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Vor allem die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III – es wurde mehrfach angesprochen – ist fürwahr ein starker Investitions- und Infrastrukturbeitrag zum Erhalt des Schienennetzes, mit deutlich mehr Planungssicherheit. Und sie ist nicht nur das größte Schienenmodernisierungsprogramm, das es je gab, sondern die beste Grundlage für aktiven Klimaschutz. Herr Minister, vielen Dank dafür!
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Der Blick zurück zeigt uns, dass wir in den letzten Jahren schon viel umsetzen konnten und auch viel erreicht haben. Dazu zählen die Senkung der Trassenpreise für den Schienengüterverkehr, die Planungsbeschleunigung für den Aus- und Neubau von Schienenstrecken, der Aufstieg von 29 Schienenprojekten in den Vordringlichen Bedarf, ferner die Herstellung von Barrierefreiheit und mehr Attraktivität der Bahnhöfe. Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau daran müssen wir intensiv weiterarbeiten, vor allem auch im Blick auf den ländlichen Raum; denn gerade dort besteht dringender Handlungsbedarf.
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Vor der Zielkulisse einer Verdopplung der Zahl der Bahnkunden, von mehr Güterverlagerung auf die Schiene sowie der notwendigen Elektrifizierung und Digitalisierung unserer Schienenwege ist eine weitere deutliche Erhöhung der Investitionen in die Eisenbahninfrastruktur erforderlich. Wenn wir zusätzliche Investitionen durchführen wollen und vor allem auch Planungsbeschleunigung wollen, müssen wir unser Eisenbahn-Bundesamt weiter stärken.
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Denn das EBA darf nicht zum Flaschenhals für die angestrebten Kapazitätsverbesserungen werden; es braucht dabei auch unsere Unterstützung.
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Wir wollen und müssen unsere Schienenverkehre stärken, aber auch die Investitionen in die Instandhaltung der Straßen sowie deren Neu- bzw. Ausbau konsequent fortsetzen. Sie alle kennen die Verkehrsprognose für 2030. Sie lautet: zusätzliche 40 Prozent Tonnage- und Schwerlastverkehre. Nach vorsichtigen Einschätzungen ist für die Zeit nach 2030 ein weiterer Aufwuchs der Lkw-Verkehre in Deutschland sehr wahrscheinlich.
Ja, wir stärken die Schiene und den ÖPNV. Wer aber meint, wir könnten bald schon die Rechnung mit viel weniger Straßenausbau als geplant machen, ist angesichts dieser Entwicklungsdaten, meine Damen und Herren, gewaltig auf dem Holzweg. Besonders in ländlichen Regionen lautet oftmals die Alternative: Auto oder Zuhausebleiben. Dort ergeben sich vielfach nur geringe Möglichkeiten der Verlagerung auf andere Verkehrsträger. Deswegen sage ich: Für uns bleiben die Umgehungsstraßenprojekte safe und unverzichtbar.
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Beim Thema Straße ist und bleibt natürlich die Substanzerhaltung der zentrale Punkt, ferner sind die dringenden Engpassbeseitigungen auf den Autobahnen und die zwingend notwendigen Brückenerneuerungen zu nennen. Der Neu- und Ausbau unserer Straßeninfrastruktur führt vor allen Dingen aber auch zu einer deutlichen Verbesserung der Verkehrssicherheit. Den Straßenverkehr mit vielen anderen Maßnahmen noch sicherer zu machen, das muss auch im Ausschuss und hier im Bundestag weiter unser gemeinsames Anliegen bleiben.
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Abschließend noch ein Wort zum Zustand der Wasserstraßen. Allein in Nordrhein-Westfalen laufen täglich über 30 Prozent der Güterverkehre über die Wasserwege. Dass manche Anlagen und Schleusen sich in einem mehr als kritischen Zustand befinden, ist Fakt und bekannt. Deshalb sind hier die notwendigen Reparaturen, der Ersatz von Schleusen sowie die Abladeoptimierung die zentralen Aufgaben, die es jetzt zu schultern gilt.
Die Personalverstärkung im Haushalt von 2019 war dafür ein sehr gutes Signal. Wir müssen bei der Zielerfüllung, Ertüchtigung und Modernisierung unserer Verkehrsanlagen das gesamte Netz berücksichtigen – Straße, Schiene und Wasserwege –, vor allem wenn es darum geht, eine hohe Leistungsfähigkeit im System zu erreichen. Denn es bleibt dabei: Eine intakte Verkehrsinfrastruktur ist die beste Grundlage für Wachstum, Wohlstand und – wie wir heute mehrfach gehört haben – auch für den Klimaschutz. Daran werden wir konsequent weiterarbeiten.
Herr Kollege, erlauben Sie noch eine Zwischenfrage?
Nein, ich bin am Ende.
Am Ende der Rede!
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
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Herzlichen Dank, Herr Kollege. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Uwe Schmidt, SPD-Fraktion.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Scheuer, jetzt wird es leider wieder ein bisschen nordisch. Ihnen bleibt auch heute nichts erspart. Also: Letzte Woche haben Sie das „Innovationsprogramm Logistik 2030“ vorgestellt. Sie beschreiben darin eine blumige Zukunftsvision der deutschen Logistikwirtschaft im Jahr 2030, jedoch bedauerlicherweise vor allem aus technologischer Sicht. Da ist leider zu wenig für die Beschäftigten, die durch die Digitalisierung und Automatisierung um ihre berufliche Zukunft fürchten, drin. Da ist der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil deutlich besser aufgestellt, und das ist auch gut so.
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Im Maßnahmenfeld „Intelligente Häfen und Wasserstraßen“ fallen Schlagworte wie „zuverlässig“, „schnell“, „reibungslos“, „digital“, „automatisiert“ – das machen meine Kollegen in den Häfen heute bereits sehr erfolgreich. Beschäftigte kommen in Ihren Szenarien überhaupt nicht vor, Hauptsache, erste autonome Schiffe sind unterwegs – wie Sie es ja beschreiben. Die Gefahren für Bevölkerung, Umwelt und Küste, die von solchen Schiffen ausgehen, erläutern Sie überhaupt nicht. Haben Sie die Havarien der „MSC Zoe“ und „Glory Amsterdam“ an der Stelle schon vergessen? Ich kann mir das nur schwer vorstellen.
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Wenn ich nun den Haushaltsentwurf 2020 danebenlege, finde ich nicht viel, damit Ihr Szenario auch Realität werden kann. Ich bin ja froh, dass Sie den Seehäfen überhaupt eine „Schlüsselfunktion für die gesamte Volkswirtschaft“ zugestehen. Das haben Sie richtig erkannt. Die E-Scooter haben wir jetzt ja erledigt; die liegen überall hier in Berlin rum.
Lassen Sie uns mal zu den richtig wichtigen Fragen kommen.
Erstens. Wie sichern wir die Wettbewerbsfähigkeit unserer Seehäfen? Zweitens. Wie sorgen wir gleichzeitig für einen klimafreundlichen Transport im Seeverkehr und über die Hafenhinterlandanbindung? Drittens. Wie sichern wir langfristig das maritime Know-how im Seeverkehr und in unserer maritimen Wirtschaft?
Eines ist klar: Die anstehenden Aufgaben werden immer größer und die dafür notwendigen Investitionen immer gewaltiger. Hier brauchen die Länder und Kommunen mehr Unterstützung. Die finanziellen Lasten müssen besser verteilt werden. Der Bund muss die deutschen Seehäfen stärker finanziell fördern und Beschäftigung in den Häfen sichern.
Herr Kollege Schmidt, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion? Ich habe Ihre Redezeit angehalten.
Das ist ja schon eine kleine Tradition geworden von Herrn Mrosek. – Bitte.
Danke, Herr Kollege Schmidt. – Sie sprachen die Binnenwasserstraßen an. Ist es da nicht kontraproduktiv, wenn im Haushalt die Mittel für diesen Bereich – der Kollege Reuther hat es angesprochen – um 15 Prozent gekürzt werden? Wir haben marode Schleusen. Ich erinnere nur an das Stauwehr in Geesthacht, das am 2. August 2019 außer Betrieb genommen wurde, weil der Pegel wegen Erosionsarbeiten am Wall auf 4 Meter abgesenkt werden musste, und am 8. August wieder in Betrieb genommen werden konnte, allerdings kurz darauf wieder ausfiel, weil Personal im Zweischichtsystem fehlte, das die Schleuse bedienen kann. Sollten wir die Investitionen in die Binnen- und die Seeschifffahrt nicht erhöhen, anstatt sie drastisch zu senken? – Das ist meine Frage.
Herr Mrosek, wenn Sie etwas geduldiger gewesen wären, dann würden Sie im weiteren Verlauf meiner Rede dazu gleich die passenden Sätze bekommen. Ich würde es dabei erst einmal belassen, Herr Präsident. Also ich komme da gleich darauf zurück.
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Die Konsolidierung des Haushalts ist richtig und notwendig, aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht am falschen Ende sparen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, den Mittelaufwuchs für den klimafreundlichen Verkehrsträger Schiene unterstütze ich natürlich voll und ganz. Doch der Ansatz bei den Bundeswasserstraßen
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– das haben Sie alles schon gehört; regen Sie sich nicht so auf! – soll um fast 100 Millionen Euro abgesenkt werden, Herr Minister. Dazu sollen noch dringend benötigte Personalstellen für den laufenden Betrieb und die Instandhaltung gestrichen werden. Das passt nicht zusammen; darüber müssen wir mit Ihnen noch einmal reden. Versetzen Sie endlich Ihre Verwaltung in die Lage, die bereits eingestellten Haushaltsmittel auch abfließen zu lassen, anstatt sie einfach zu kürzen.
Den Finanzbeitrag an die Seeschifffahrt wollen Sie um 6 Millionen Euro absenken. Ja, kann man machen; für immer weniger deutsche Seeleute braucht man auch entsprechend weniger Finanzhilfen. Aber jetzt mal im Ernst: Diese Mittel sichern die Bordarbeitsplätze von deutschen und europäischen Seeleuten auf deutschen Handelsschiffen. Damit fördern wir das maritime Know-how und die Ausbildung des dringend benötigten seemännischen Nachwuchses. Es ist doch heute kaum noch jemand bei deutschen Reedereien direkt beschäftigt. Die meisten Seeleute sind mittlerweile so eine Art Sklaven geworden von international agierenden Crewing Agencies; da erzähle ich Ihnen nichts Neues. Wir müssen für soziale Beschäftigungsverhältnisse, gute Arbeitsbedingungen und faire Tariflöhne sorgen und diese Machenschaften beenden.
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Herr Minister Scheuer, ändern Sie endlich wieder die Schiffsbesetzungsverordnung. Da hat Ihr Vorgänger großen Schaden unter den deutschen Seeleuten angerichtet. Nächstes Jahr steht ja ohnehin die Evaluierung der Schifffahrtsförderung an. Da müssen wir sowieso noch einmal gemeinsam ran.
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Ich würde sagen: Da haben wir noch viel Arbeit vor uns, wenn wir Ihr Szenario für die deutsche Logistikwirtschaft bis 2030 realisieren wollen.
Aber warum fangen wir damit nicht schon heute an? Mit LNG und umweltfreundlicher Landstromversorgung für die See- und Binnenschiffe verbessern wir die Luft in unseren Hafenstädten. Aber Sie wollen die Förderung von LNG und Landstrom reduzieren.
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Das ist an der Stelle schon ein starkes Stück. Sie schütteln mit dem Kopf, Herr Ferlemann. Beim Landstrom warten wir übrigens noch sehnsüchtig auf die Förderrichtlinie.
Wir brauchen wasserstoffbasierte synthetische Kraftstoffe, die wir mit Offshorewindenergie produzieren. So können wir Emissionen im gesamten Verkehrsbereich nachhaltig senken. Der Anteil erneuerbarer Energien muss, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, auf 65 Prozent bis 2030 steigen. Also los! Ohne lineare Ausbaupfade geht es uns ansonsten wie in der Solarbranche. Das haben wir gerade wieder in meinem Wahlkreis im Fall Senvion gesehen. Der letzte große Windturbinenherstellerin in meiner Heimatstadt Bremerhaven geht leider in die Insolvenz, wie viele andere davor auch. Da müssen wir andere Lösungen finden.
Herr Kollege Schmidt, es tut mir in der Seele weh, aber Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich habe Sie gehört. – Aber wir sind ja noch am Anfang der Haushaltsberatungen. Wir werden da mit Ihnen noch darüber sprechen.
Recht schönen Dank.
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Herzlichen Dank. – Als letzter Redner zu diesem Einzelplan erhält der Kollege Rüdiger Kruse, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Gelbhaar von den Grünen hat vorhin postuliert, dass das Amt des Verkehrsministers das schönste Amt sei.
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Das kann ich so nicht stehen lassen. Ich würde sagen – das ist meine Einschätzung –: Die hier anwesende Monika Grütters hat als Kulturstaatsministerin natürlich das schönste Amt.
Zur Wertigkeit des zweitschönsten Amts hat der Sozialdemokrat Müntefering etwas postuliert. Er sagte, nach dem Papst sei der Parteivorsitz der SPD das zweitschönste Amt.
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Das relativiert natürlich alles, lieber Andi. – Im Augenblick hat der Verkehrsminister aber das entscheidende Amt; denn ohne Verkehrswende gibt es keine Klimawende.
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Hat man allen Rednern zugehört, merkt man, dass wir uns fast alle einig sind. Die Kollegen haben die Zahlen des Haushalts hier deutlich vorgetragen, jeweils aus einer unterschiedlichen Sichtweise. Dieser Haushalt ist der stärkste Investitionshaushalt. Aber der spannendste Teil des Haushalts ist der, der uns noch gar nicht vorliegt; denn wir warten ja noch auf die Ergebnisse des Klimakabinetts, das netterweise vor der Bereinigungssitzung tagt, weil das hinterher auch völlig wirkungslos wäre. In der Essenz ist hier gesagt worden: Ja, der Verkehrshaushalt ist der größte hinsichtlich der Investitionen, und er muss noch mehr Mittel bekommen. Das heißt, es muss noch etwas obendrauf kommen. Die spannende Frage ist: Wohin wollen wir gehen, und mit welchen Maßnahmen?
Ich warne allerdings davor, den Verkehr nur unter Klimaaspekten zu sehen. Der Verkehr hat natürlich auch – das ist hier schon gesagt worden – eine Wirtschaftskomponente; ohne funktionierende Infrastruktur kommen wir in diesem Land nicht weiter. Der Verkehr hat aber auch eine sehr starke soziale Komponente. Mobilität hat große soziale Auswirkungen. Ohne Mobilität für alle Menschen gibt es keine ausreichende Teilhabe, und das rüttelt an den Grundfesten der Demokratie.
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Darum ist das Thema „Stadt/Land“ sehr wesentlich. Für mich war es relativ leicht, von 143 PS auf null zu gehen. Wenn ich in Hamburg aus dem Haus gehe, falle ich geradezu in zwei Buslinien, und die vier Minuten zu den beiden U-Bahn-Linien schaffe ich auch noch. Das ist aber nicht überall in Deutschland so.
Es ist wichtig, auch auf die Vorlaufzeit hinzuweisen. Damit eine Entscheidung für eine umweltfreundlichere Mobilität möglich wird, müssen wir heute massiv investieren; denn dummerweise ist die Vorlaufzeit im Verkehrsbereich lang. Das ist staatlich so organisiert. Der Minister hat am Anfang den persönlichen Bereich angesprochen und beispielhaft das Wasser aus Italien beim Avocadoanbau genannt. Es gibt Dinge, die ich selber entscheiden kann. Und dann gibt es eben Dinge, die ich nicht selber machen kann, zum Beispiel verkehrliche Infrastruktur bauen. Dementsprechend müssen wir hier Vorsorge schaffen und die richtige Richtung vorgeben.
Man kann sich dann überlegen, ob man alles kleinteilig regeln will. Das hat einen Riesennachteil, weil man Innovationen nicht komplett voraussehen kann. Das heißt, man entscheidet nur aus dem Augenblick heraus. Man sagt also: Das Auto hat einen Verbrennungsmotor. Der Treibstoff ist klimaschädlich. Also will ich das Auto nicht. – Das ändert sich aber sofort, wenn der Treibstoff nicht mehr klimaschädlich ist.
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Das heißt, das Thema „synthetische Kraftstoffe“ würde sofort alles verändern. Eine Beimischung von 10 Prozent bei 40 Millionen Autos würde quasi 4 Millionen Autos klimaneutral machen. Das ist etwas mehr als die Zahl der Elektroautos, die wir zurzeit auf der Straße haben.
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– Nicht alles, was Sie sagen, ist verkehrt; denn Sie benutzen die gleiche Sprache wie wir. Und zweimal am Tag zeigt sogar Ihre Uhr die richtige Uhrzeit.
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Aber das hilft uns ja nicht weiter. Vielmehr muss die Entscheidung lauten, dass wir ein offenes System haben. Wir könnten zum Beispiel darüber nachdenken, ob wir ein Bonus-Malus-System einsetzen, also keine Kaufprämie, sondern ein System, gemessen am CO2-Wert, indem wir sagen:
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Wenn du ein Auto mit hohem Ausstoß willst, musst du 5 000 Euro mehr bezahlen. Nimmst du die klimafreundlichste Variante, also ein Null-Emissions-Auto, sind es 5 000 Euro weniger. – Damit haben wir eine Technologieoffenheit, damit schaffen wir Möglichkeiten.
Wir müssen hier die richtigen Entscheidungen treffen, und wir brauchen Akzeptanz. Wir haben uns vorhin mit den Kollegen unterhalten, die dafür werben, dass das auch die Menschen, die an der Fehmarnbeltlinie wohnen, akzeptieren. Den großen Nutzen haben die Bundesrepublik und Dänemark.
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Aber wenn man an der Bahntrasse wohnt, ist das eine andere Situation. – Mir ist wichtig: Politik muss die richtigen Entscheidungen treffen und danach die Mehrheiten dafür organisieren, nicht umgekehrt.
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Das ist unsere Aufgabe. Und wer sagt, der Haushalt für Verkehr sei noch nicht groß genug und nicht richtig ausgestaltet, der hat seine eigene Aufgabe verstanden; denn es ist das Parlament, das über den Haushalt entscheidet, nicht die Regierung.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege Kruse. – Weitere Wortmeldungen zum Einzelplan 12, zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, liegen nicht vor.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir tun etwas für starke Familien in einem starken Deutschland. Mit dem Haushaltsentwurf für das Familienministerium knacken wir in diesem Jahr zum ersten Mal eine neue Marke. 11,8 Milliarden Euro gibt es für Familien, Frauen, Männer, Kinder, junge und ältere Menschen im Jahr 2020, so viel wie noch nie. Das sind gute Nachrichten; denn der größte Teil davon, nämlich 9 Milliarden Euro, fließt direkt in die Portemonnaies der Familien und unterstützt sie im täglichen Leben.
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Ein Gesetz, das den Weg dafür mit geebnet hat, ist das Starke-Familien-Gesetz, das ich gemeinsam mit Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil auf den Weg gebracht habe. Wir haben dafür gesorgt, dass Familien mit geringen Einkommen, die besondere Unterstützung brauchen, diese Unterstützung auch bekommen. Wir haben den Kinderzuschlag erhöht und entbürokratisiert. Wir haben Bildungs- und Teilhabeleistungen ausgebaut, Zuschüsse erhöht, damit jedes Kind seinen Weg machen kann. Daran haben auch Sie mitgewirkt. Sie haben das Gesetz hier im Deutschen Bundestag beschlossen. Unsere Aufgabe ist es jetzt, dass diese Leistungen, die vielen Verbesserungen, die wir auf den Weg gebracht haben, tatsächlich allen Familien zugutekommen, dass all diejenigen, die mit den Familien zu tun haben, dafür werben und jeder das, was ihm an Leistungen zusteht, bekommt. Deshalb werden wir vom Familienministerium unsere Angebote noch transparenter und einfacher zugänglich machen. Wir haben mit dem Elterngeld Digital begonnen. Wir digitalisieren gerade den Kinderzuschlag. Unser Infotool Familie ist im Internet. Eltern können dort mit wenigen Klicks herausfinden, auf welche Leistungen sie Anspruch haben. Und wir haben das Starke-Familien-Checkheft – ähnlich dem Untersuchungsheft für Eltern mit Neugeborenen – auf den Weg gebracht; über Hunderttausend dieser kleinen Heftchen sind inzwischen verteilt worden. Es ist ein leicht verständlicher Fahrplan für Familien mit Informationen zu allen Familienleistungen, vom Unterhaltsvorschuss über Elterngeld, Kindergeld bis hin zum Baukindergeld.
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Deutschland ist eines der familienfreundlichsten Länder Europas. Wir kümmern uns um das Wohlergehen der Familien. Das sieht man auch im Bundeshaushalt.
Das noch laufende Haushaltsjahr war ein gutes Jahr für die Kinderbetreuung. Mit dem Gute-Kita-Gesetz investieren wir über 5,5 Milliarden Euro für mehr Qualität und weniger Gebühren in der Kindertagesbetreuung. In 10 von 16 Bundesländern haben wir bis heute Verträge zur Umsetzung unterzeichnet, und in den nächsten Wochen werden die fehlenden 6 folgen, so wie es unsere Planung war.
Mit dem Haushalt für 2020 starten wir das nächste große Projekt, ein prioritäres Vorhaben im Koalitionsvertrag, die Ganztagsbetreuung in der Grundschule. Denn wir können nicht sagen: „Betreuung im Kleinkindalter – ja, bitte“, und nach der Einschulung steht das Kind dann mittags zu Hause alleine auf der Matte. So geht Vereinbarkeit von Familie und Beruf eben nicht. Deshalb wollen wir das ändern.
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Wir wollen einen Ganztagsanspruch für die Betreuung in der Grundschule schaffen. Dafür stellt der Bund im nächsten Jahr zum ersten Mal 1 Milliarde Euro für Investitionen zur Verfügung. Davon werden 500 Millionen Euro in unseren Etat fließen, in den Etat des Familienministeriums, weitere 500 Millionen Euro in den Etat des Bildungsministeriums. Meine Kollegin Anja Karliczek als Bildungsministerin und ich gehen das gemeinsam mit den Ländern an, weil wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wollen, aber auch gute und gerechte Chancen für alle Kinder und eine gute Betreuung auch am Nachmittag.
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Wir gehen viele weitere Themen an. Wir unterstützen die Wohlfahrtsverbände weiterhin mit 39 Millionen Euro. Wir werben für mehr Pflegerinnen und Pfleger mit unserer Ausbildungsoffensive. Wir fördern Mehrgenerationenhäuser. Wir haben die Mittel für den Kinder- und Jugendplan verstetigt. Wir ermöglichen 2 500 angehenden Erzieherinnen und Erziehern mit unserer Fachkräfteoffensive eine vergütete praxisintegrierte Ausbildung. Die Plätze dafür – das kann ich Ihnen sagen – werden übernachgefragt; sie sind alle belegt. Es gibt Menschen in Deutschland, die Erzieherinnen bzw. Erzieher werden wollen. Das ist doch eine gute Nachricht.
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Wir haben auch für den Fonds „Sexueller Missbrauch“ einiges getan. Wir haben die Mittel von 28 Millionen Euro auf 45 Millionen Euro erhöht. Der Fonds wird fortgeführt, er wird neu aufgestellt, weil wir wollen, dass Betroffene sexualisierter Gewalt im Kindes- und Jugendalter auch weiterhin bedarfsgerechte Hilfen erhalten.
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Wir unterstützen auch Frauen, die Gewalt erfahren haben. Jede dritte Frau in Deutschland hat in ihrem Leben schon einmal Gewalt erlebt. Es gibt über 100 000 Fälle von Partnerschaftsgewalt im Jahr. Wir wollen einen Schwerpunkt auf dieses Thema setzen und werden mit einem Programm gegen Gewalt an Frauen im nächsten Jahr mit 35 Millionen Euro Frauenhäuser und Beratungsstellen stärken, damit Frauen in diesen Situationen besser unterstützt werden können.
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Zudem geben wir 277 Millionen Euro für die Freiwilligendienste aus, für das Freiwillige Soziale Jahr, für das Freiwillige Ökologische Jahr und für den Bundesfreiwilligendienst. Damit können wir aktuell allen, die einen solchen Dienst leisten wollen, in einem der drei Formate einen Platz anbieten.
Meine Damen und Herren, Willy Brandt hat gesagt:
Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts.
Deshalb wollen wir uns um den sozialen Frieden in unserem Land kümmern, um die vielen Menschen, die mit ihrem Engagement jeden Tag diesen sozialen Frieden, den Zusammenhalt, verteidigen und aufrechterhalten. Das tun wir mit unserem Bundesprogramm „Demokratie leben!“. Die Förderung ist seit dem Programmstart im Jahr 2015 – damals ging es mit 40 Millionen Euro los – stetig gewachsen.
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Sie beträgt inzwischen, nach drei Jahren, über 100 Millionen Euro. Das werden wir auch im nächsten Jahr so halten. Wir werden den Engagierten vor Ort weiter den Rücken stärken. Wir haben das Programm „Demokratie leben!“ entfristet und führen es fort. Außerdem wollen wir die Stiftung für Engagement und Ehrenamt noch in diesem Jahr gründen. Sie wird dazu beitragen, die ehrenamtlichen Strukturen in Deutschland zu stärken.
Dieser Haushalt enthält viele Verbesserungen für die Familien, für Männer, Frauen, Kinder, Jugendliche und Seniorinnen und Senioren. Wir wollen im Familienministerium gemeinsam dafür arbeiten, dass das, was wir uns vorgenommen haben, gelingt. Vielen Dank für Ihre Unterstützung dabei.
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Vielen Dank, Frau Bundesministerin. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Volker Münz, AfD-Fraktion.
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Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin Giffey! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ministerin hat es gerade gesagt: Das Familienministerium bekommt den höchsten Etat in der Geschichte des Ministeriums. 9,5 Milliarden Euro sollen für Familienpolitik ausgegeben werden. Das ist ein Plus von 800 Millionen Euro. Die Aufwüchse, insbesondere beim Elterngeld und beim Kinderzuschlag, sind zu begrüßen.
Das hört sich erst mal gut an. Doch wird die Regierung damit ihrem selbstgesteckten Ziel gerecht, wie es im Vorwort zum Einzelplan heißt, „bestmögliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um eine Entscheidung für Familie und Kinder zu erleichtern“? Nein, die Regierung wird ihrem Anspruch, bestmögliche Rahmenbedingungen zu schaffen, nicht gerecht, meine Damen und Herren. Denn leider muss man feststellen, dass sich die Lage der Familien mit geringem und mittlerem Einkommen in den letzten Jahren und Jahrzehnten kontinuierlich verschlechtert hat.
Laut einer vor Kurzem erschienenen Studie der OECD hat sich insbesondere die Situation für Familien mit mittlerem Einkommen verschlechtert, und ihre Aussichten trüben sich weiter ein. Die Belastungen durch Steuern und Abgaben haben sich deutlich erhöht. Zum Beispiel haben sich die Stromkosten insbesondere durch die EEG-Umlage in den letzten fünf Jahren um 27 Prozent erhöht und seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt. Auch der Erwerb von Wohneigentum und die Mieten haben sich deutlich verteuert. Wenn man bedenkt, dass die Nettozuwanderung nach Deutschland in den letzten fünf Jahren rund 2,5 Millionen Menschen betrug, dann muss man sich nun wirklich nicht wundern, wenn Hunderttausende Wohnungen fehlen und die Mieten steigen, meine Damen und Herren.
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Auch die verschärften Bauauflagen tun ein Übriges bei der Verteuerung der Wohnkosten.
Und jetzt werden von Regierungs- bzw. Koalitionsseite und den linken Fraktionen weitere Belastungen wie die CO2-Steuer gefordert, die das Wohnen und das Autofahren teurer machen. Apropos Auto: Wer sich vom Ersparten ein Dieselauto gekauft hat, der tat das in der Regel nicht aus Jux und Dollerei, sondern, um zur Arbeit zu fahren. Und jetzt wird vielen Dieselautobesitzern aufgrund einer absurden Abgasgrenzwertfestlegung verboten, mit ihrem Auto, das oft noch gar nicht so alt ist, in manche Städte zu fahren.
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Das kommt einer Enteignung gleich, meine Damen und Herren!
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Wichtiger, als den Familien im Nachhinein staatliche Mittel zukommen zu lassen, ist es, ihnen vorher erst gar nicht so viel durch Steuern und Abgaben wegzunehmen.
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Bis in die 1980er-Jahre war es noch möglich, dass ein Handwerker oder Facharbeiter als Alleinverdiener ein Haus bauen, eine Familie ernähren und die Kinder sogar auf eine Universität schicken konnte.
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Dies habe ich als Kind dank des Fleißes und der Sparsamkeit der Eltern wie viele in meiner Generation selbst erfahren können. Mittlerweile ist es aber so, dass Vater und Mutter vielfach arbeiten müssen, auch wenn das Kind noch so klein ist, noch kein Jahr alt ist, um sich überhaupt eine Familie leisten zu können. Der Erwerb von Wohneigentum bleibt für viele unerschwinglich.
Den Bedarf an Fremdbetreuung hat der Staat durch seine Abgabenlast zum großen Teil selbst verursacht. Er greift damit in das Erziehungsrecht der Eltern ein.
(Zuruf von der SPD: So ein Käse!)
– Ja, so ein Käse. Sie haben recht.
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Der damalige SPD-Generalsekretär und jetzige Bundesfinanzminister Olaf Scholz sprach von einer Lufthoheit des Staates über die Kinderbetten. Da kann einem nur angst und bange werden, meine Damen und Herren!
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Dieses Familienbild widerspricht dem Grundgesetz, wo es in Artikel 6 heißt, dass die Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern ist. Der Staat sollte die Eltern daher in die Lage versetzen, dass sie die Erziehung auch gewährleisten können.
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Eltern sollen nicht mehr aus finanziellen Gründen gezwungen sein, ihre Kleinkinder in die Fremdbetreuung zu geben. Um eine echte Wahlfreiheit in der Frage „Fremdbetreuung oder Eigenbetreuung“ in den prägenden ersten drei Jahren des Kindes zu gewährleisten,
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fordern wir eine Ausdehnung des Elterngeldes bis zum dritten Lebensjahr des Kindes.
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Die Familie aus Vater, Mutter und Kindern ist die Keimzelle der Gesellschaft. Eine bestmögliche Förderung der Familien sieht anders aus, als die Bundesregierung dies glaubt zu tun, meine Damen und Herren.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
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Als nächster Redner hat der Kollege Marcus Weinberg, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Münz, die Qualität der Familienpolitik an der Entwicklung der Stromkosten festzumachen, ist etwas wenig. Familienpolitik ist ein ganzheitlicher Ansatz. Er betrifft alle Lebensbereiche, alle Gesellschaftsbereiche. Es hört sich nicht nur gut an, es ist auch gut, was wir gemacht haben, um das deutlich zu formulieren.
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Die Umweltdebatte hat schon stattgefunden. Es mag Menschen geben, die eine CO2-Steuer wollen. Es gibt sehr viele Menschen, die eine kluge CO2-Bepreisung wollen. Wenn das nicht wichtig ist für Ihre Kinder, für unsere Kinder, würde mich das verwundern. Mir ist es schon wichtig, dass Kinder, die heute geboren werden, im Jahr 2100 nicht mit einer Erderwärmung leben, die um mehr als 2, 3 oder 4 Grad zugenommen hat.
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Ich glaube, das Ökologische ist auch im Sinne einer guten Familienpolitik.
Kommen wir zum Kern der familienpolitischen Ausrichtung. Das Schöne an solchen Debatten ist ja, dass man einmal grundsätzlich sagen kann, wo man eigentlich steht. Für uns als Union gibt es drei Dinge, die wichtig sind. Das Erste ist: Wir sehen die Familien, Mütter, Väter, Kinder, als Kern der Gesellschaft. – Darüber hinaus gibt es natürlich einzelne Gruppen, die Unterstützung brauchen, Alleinerziehende, Kinder in schwierigen Situation, auch Familien in schwierigen finanziellen Situationen. – Das Dritte ist eine Schwerpunktsetzung in gewissen Epochen der Familienpolitik.
Wir haben 2005 angefangen mit der Schwerpunktsetzung „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Wir haben im Koalitionsvertrag den Schwerpunkt auf „Kinderarmut und Kinderschutz“ gelegt. Und jetzt erleben wir eine wichtige Diskussion in unserer Gesellschaft, und zwar zum Zusammenhalt. Familie bedeutet Zusammenhalt. Wenn wir Familien stärken, dann stärken wir den Zusammenhalt der gesamten Gesellschaft. Wenn man das Große verändern will und Sorgen um die Zukunft des Großen hat, wenn man auf die vielen Krisen in der Welt blickt, dann ist es wichtig, die Familie im Kleinen zu stärken, auch mit Blick auf den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Und da unterscheiden wir uns schon. Wir wollen das Verbindende stärken und nicht das Trennende.
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Das ist der Ansatz dieser Koalition, auch mit Blick darauf, was wir in der Familienpolitik machen. Starke Familien, selbstbestimmte Frauen, selbstbewusste Kinder machen eine starke Gesellschaft aus, und deswegen ist der Schwerpunkt in der Familienpolitik auch so deutlich.
Für uns als Union sind die Förderung der Familie und die Stärkung derjenigen, die besondere Unterstützung brauchen, aber auch die Stärkung der Leistungsträger, wichtig; denn, liebe Linke, wir brauchen auch Leistungsträger in dieser Gesellschaft. Was wir zu Recht in der Familienpolitik und auch in der Sozialpolitik ausgeben, muss in diesem Land erwirtschaftet werden. Deswegen brauchen wir auch Leistungsstarke. Deswegen müssen auch die Leistungsstarken in dieser Gesellschaft wahrnehmen, dass wir Wert darauf legen, dass auch sie gestärkt werden, dass man sich – bei allem Respekt – nicht nur um einzelne Gruppen kümmert.
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Als weiteren Punkt möchte ich die Förderung der Demokratie und des bürgerschaftlichen Engagements nennen.
Wir sind hier tatsächlich bei 11,8 Milliarden Euro. Wir haben 2005 mit 4,5 Milliarden Euro angefangen. Geld ist nicht alles, aber dahinter steht eine Haltung, und die hat sogar eine Philosophie, nämlich die Selbstbestimmtheit von Familien zu stärken. Als Union können wir sagen: Seitdem wir regieren, hat sich der Etat mehr als verdoppelt.
Ich will nur einige Maßnahmen exemplarisch nennen. Das Elterngeld mit mittlerweile über 7 Milliarden Euro ist das Erfolgsmodell in den Bereichen Vereinbarkeit und Stärkung von Familien, gerade im ersten Jahr nach der Geburt eines Kindes. Dem Kinderbetreuungsausbau werden 2020 insgesamt 300 Millionen Euro zugeführt. Wir fangen bereits jetzt an, das nächste Thema der Familienpolitik, nämlich die qualitativ hochwertige freiwillige Ganztagsbetreuung, in den Fokus zu nehmen, und zwar mit 500 Millionen Euro aus diesem Etat.
Wir als Union haben uns – das will ich ausdrücklich unterstreichen – einen ganz besonderen Schwerpunkt gesetzt, und zwar beim Kinderschutz. Es gibt immer noch zu viele Kinder in dieser Gesellschaft, deren Alltag von Gewalt, Misshandlung, Vernachlässigung bestimmt ist. Diese Kinder müssen wir schützen. Als Allererstes aber müssen wir die Eltern stärken; denn es sind die Eltern, die gestärkt werden müssen, damit sie ihre Kinder schützen können. Zwei Punkte will ich dabei für uns herausarbeiten.
Der erste Punkt sind die Frühen Hilfen. Jeder, der das mal miterlebt hat, der sie mal besucht hat, weiß, welch wichtige Aufgabe die Frühen Hilfen haben. Sie sind es, die frühzeitig, bereits vor der Geburt des Kindes, den Kontakt aufnehmen und die Eltern – die jungen Mütter in der Regel – begleiten. Wir haben im Haushaltsplan wieder 51 Millionen Euro dafür veranschlagt, den Ansatz fortgeschrieben. Das ist gut. Schön wäre es – diese Botschaft möge man mitnehmen –, wenn wir die Frühen Hilfen weiter stärken könnten, zumal der Etat in den letzten Jahren nicht erhöht wurde und wir ja auch einen Preisniveauanstieg haben. Es wäre klug, zu schauen, ob man möglicherweise bei den Frühen Hilfen noch etwas machen kann.
Der zweite Punkt im Bereich des Kinderschutzes im familiären Bereich – das ist schon angesprochen worden – ist der Fonds Sexueller Missbrauch. Dieser wird auf insgesamt 45,4 Millionen Euro aufgestockt. Auch das ist ein wichtiger Punkt.
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Beim Thema Kinderarmut haben wir mit dem Familienstärkungsgesetz deutlich bewiesen, welchen Schwerpunkt wir hier legen.
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Der Kinderzuschlag wurde erhöht. Die Mittel für das Bildungs- und Teilhabepaket wurden erhöht, ebenso die Mittel für das Schulstarterpaket. Die kostenlose Lernförderung wurde ausgeweitet. Die Mittel für die Bekämpfung der Kinderarmut als Ganzes wurden erhöht.
Aber der Staat kann auch nicht alles leisten. Wir müssen Eltern in die Lage versetzen, dass sie wieder für das Einkommen der Familie aufkommen können, dass sie wieder Arbeit finden. Es ist auch eine Frage des Selbstbewusstseins der Kinder. Es geht nicht nur um materielle Dinge, es geht darum, dass Kinder sehen, dass ihre Eltern auch ihr Leben durch Arbeit finanzieren können. Da geht es nicht nur um die Frage, wann man einen neuen Schulranzen bekommt, sondern auch um die, wer den Schulranzen bezahlt. Wenn es die Eltern machen, dann ist dies im Sinne der Kinder, weil sie dann stolz darauf sind, dass ihre Eltern das selbst hinbekommen.
Zum Schluss zum Kernthema: bürgerschaftliches Engagement, Ehrenamt. Diese Gesellschaft lebt vom Zusammenhalt, und sie lebt davon, dass sich Menschen tagtäglich im Ehrenamt engagieren. Deswegen ist es gut, dass wir jetzt eine Ehrenamtsstiftung bekommen. Wir sagen als Union ganz deutlich: Es ist gut, dass drei Ministerien gleichberechtigt beteiligt sind, dass der Servicegedanke im Vordergrund steht; denn wir brauchen nicht immer für alles neue Strukturen. Es gibt wunderbare Strukturen des Engagements, des Ehrenamts in Deutschland. Stärken wir diese Strukturen von unten, statt von oben immer neue Projekte aufzulegen und immer neue Angebote zu machen. Ich glaube, das muss eine Grundbotschaft sein. Genauso ist es mit Blick auf die Mehrgenerationenhäuser. Sie sind auch für uns mittlerweile ein unverzichtbarer Bestandteil.
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Deswegen: viel Wein.
Aber ein bisschen Wasser muss dann doch noch sein. Wir haben bei den letzten Haushaltsberatungen gesagt: Die Freiwilligendienste sind grandiose Einrichtungen. Sie werden angenommen, Menschen engagieren sich. Deswegen waren wir beim Blick auf den Haushaltsplan schon etwas überrascht – das will ich deutlich sagen –, dass es jetzt Kürzungen bei Dingen gibt, von denen wir dachten, dass wir sie verstetigen wollen. Ich sage ganz deutlich: Hier gibt es noch Gesprächsbedarf. Es geht auf der einen Seite um die pädagogische Betreuung; denn der Dienst lebt davon, dass man auch pädagogisch begleitet wird. Es geht auf der anderen Seite um das Thema der überjährigen Finanzierung; denn die Träger brauchen Planungssicherheit. Deswegen werden wir darüber diskutieren, wie wir für die Träger die Planungssicherheit schaffen, dass sie verlässlich wissen, dass sie überjährig Geld bekommen, wie wir es schaffen, dass wir die pädagogische Begleitung stärken, und wie wir es schaffen, dass wir den starken Ansatz insgesamt stärken. Das wird eine große Herausforderung, eine große Aufgabe sein.
Es ist ein guter Haushaltsentwurf. Er wird in den parlamentarischen Beratungen noch ein bisschen besser gestaltet. Er stärkt die Familien, er stärkt die einzelnen Gruppen.
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss.
Und er stärkt den Zusammenhalt.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Als nächste Rednerin erhält die Kollegin Nicole Bauer, FDP-Fraktion, das Wort.
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Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir kennen das ja mittlerweile von Ihnen, Frau Giffey: Sie geben den Gesetzentwürfen nette Namen, die sich gut anhören, die sich aber leider nach viel mehr anhören, als sie tatsächlich bewirken. Ich sage nur: Gute-KiTa-Gesetz oder Starke-Familien-Gesetz. Diese Namen sind doch Augenwischerei.
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Auch Ihr Haushalt ist mehr Schein als Sein. Ihre Devise „Viel hilft viel“ geht nicht auf.
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Gute, verantwortungsvolle Politik zeigt sich nämlich nicht darin, möglichst viel Geld auszugeben, sondern darin, was man mit dem Geld bewirkt. Wir brauchen also passgenaue Maßnahmen und keine Gießkannenpolitik.
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Bei Ihren Nette-Namen-Gesetzen vermissen wir Folgendes: erstens ein schlüssiges Konzept: „Wo stehen wir? Wo wollen wir hin? Was wollen wir erreichen?“ – also Zahlen, Daten, Fakten, Zielgrößen, und zweitens die Bereitschaft, ja Ihren Mut, bestehende Ergebnisse zu überprüfen. Das fehlt uns bei Ihnen, Frau Giffey.
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Vereinbarkeit von Familie und Beruf steht für uns Freie Demokraten ganz oben auf der familienpolitischen Agenda. Beste Kinderbetreuung ist ein wesentlicher Bestandteil davon. Auch Sie beteuern das, aber stattdessen werden uns Gebührenfreiheit als Qualitätsverbesserung und die Fachkräfteoffensive als der große Wurf verkauft. Dabei kann es allenfalls ein erster Schritt sein. Das sind im Endeffekt lauter Gesetze für das gute Image, leider nicht mehr.
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Das Gleiche gilt bei den Kitaplätzen: vielerorts Mangelware. In manchen Kommunen sind die Wartezeiten so lang, dass man sich am besten schon um einen Platz bemüht, bevor man überhaupt schwanger ist. Das Geld für den Ausbau liegt im Sondervermögen, aber die Länder rufen es nicht ab. Wir als Parlament haben aber keine Möglichkeit, das zu kontrollieren. Deshalb frage ich Sie als verantwortliche Ministerin: Wie kann es sein, dass das Geld vor sich hindümpelt, während die Familien vom Rechtsanspruch nur träumen können?
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Sie wissen es nicht, und es interessiert Sie offensichtlich auch nicht. Stattdessen beglücken Sie uns bereits mit dem nächsten Sondervermögen: 1 Milliarde Euro, davon die Hälfte aus Ihrem Haus, dieses Mal für den Ausbau der Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern. Die brauchen wir – ganz klar –, aber bitte verplanen Sie nicht die Gelder, ehe Sie ein Konzept dafür haben. Finanzrahmen, Förderziele, Umfang, Laufzeit – alles das fehlt.
Apropos unbekannt: Was ist eigentlich mit der Gesamtstrategie zur Umsetzung der Istanbul-Konvention? Es geht um Frauenhäuser, Gewaltschutz und Hilfesysteme. Auch hier verteilen Sie das Geld: 5 Millionen Euro hier, 30 Millionen Euro dort, ohne Plan, ohne Koordinierung, ohne konkrete Förderrichtlinien. Lassen Sie mich nachdenken: Seit gut einem Jahr gibt es nun den runden Tisch. Wo sind die Ergebnisse, wo die Bedarfe? Wir haben Sie kürzlich gefragt. Sie haben keine Zahlen. Aber Moment, ich möchte nicht ungerecht sein. Manches Mal haben Sie Zahlen. Oder lassen Sie es mich besser ausdrücken: Sie hätten die Zahlen, aber Sie versäumen es, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Zinslose Darlehen aus dem Familienpflegezeitgesetz werden kaum abgerufen, und das nun mittlerweile seit Jahren. Pflegende Angehörige brauchen Unterstützung, die wirklich bei ihnen ankommt. Den Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende finden wir ohne Frage richtig und wichtig. Aber was wollen Sie tun, um die Rückholquote zu verbessern?
Sie sind doch eine Freundin von Realitätschecks, Frau Giffey. Ich fordere Sie auf: Seien Sie so mutig und stellen Sie Ihre Initiativen auf den Prüfstand. Seien Sie ehrlich und korrigieren Sie dort, wo nötig. Sie als Familienministerin haben nun fast 12 Milliarden Euro zur Verfügung, in etwa doppelt so viel wie Ihre Vorgängerin noch vor zehn Jahren. Sorgen Sie also dafür, dass das Geld dort ankommt, wo es gebraucht wird. Bringen Sie Gesetze auf den Weg, die mehr sind als nur gut fürs Image: mehr Sein als Schein.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank, Frau Kollegin Bauer. – Und nun hat das Wort die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, Fraktion Die Linke.
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Familien, Senioren, Frauen und Jugend, das sind verdammt viele Menschen, Frau Giffey, die von Ihrem Ministerium Unterstützung erwarten. Dafür hat die Bundesregierung nur knapp 12 Milliarden Euro eingestellt. Wir finden, das ist entschieden zu wenig.
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Nur eine Vergleichszahl: Für Rüstung und Militär will die Bundesregierung im kommenden Jahr 50 Milliarden Euro ausgeben. Das ist ein grobes Missverhältnis.
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Uns sind Familien, Senioren, Frauen und Jugend mehr wert, meine Damen und Herren.
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Mehr als 2,7 Millionen Kinder in unserem Land wachsen in Armut auf, und das ist für unser reiches Land ein absolut unhaltbarer Zustand. 41,5 Prozent der Alleinerziehenden in Deutschland sind arm. Das ist eine erschreckend hohe Zahl. Das dürfen Sie als Familienministerin doch nicht hinnehmen, Frau Giffey.
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Auch kinderreiche Familien mit drei oder mehr Kindern sind besonders häufig arm. Die Armutsquote liegt in diesem Bereich bei 30 Prozent. Das Kindergeld ist erhöht worden – das ist gut –, jedoch geht die Erhöhung am tatsächlichen Bedarf vieler Familien vorbei. Familien, die Hartz IV bekommen, sind nach wie vor von der Erhöhung des Kindergeldes faktisch ausgeschlossen, und das ist grob ungerecht, meine Damen und Herren.
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Gleichzeitig werden Familien mit hohen Einkommen über den Kinderfreibetrag nach wie vor um bis zu 100 Euro stärker entlastet als Familien im unteren und mittleren Einkommensbereich über das Kindergeld. Ich finde, das ist Klientelpolitik für die Besserverdienenden in unserem Land. Das muss sich ändern.
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Ein Kind aus einer armen Familie darf vom Staat nicht schlechter gestellt werden als ein Kind aus einer reichen Familie. Wir brauchen endlich eine wirksame Kindergrundsicherung, die verhindert, dass Kinder in Armut aufwachsen müssen;
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denn Armut demütigt, Armut grenzt aus, und durch Armut verschwendet unsere Gesellschaft auch Talente. Und nichts davon dürfen wir zulassen.
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500 Millionen Euro haben Sie für das Sondervermögen „Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter“ eingestellt. Das ist gut. Doch vergessen wir nicht: Uns fehlen bis zum Jahr 2025 circa 26 000 Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer. Wir haben jetzt schon einen dramatischen Lehrernotstand. Wir brauchen also ein Bund-Länder-Programm für unsere Kinder. Bund und Länder müssen kooperieren; denn die schönste Schule nutzt unseren Kindern nichts, wenn dort keine Lehrerinnen und Lehrer sind, die unterrichten.
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Dass es für Bund und Länder nicht einfach ist, zu kooperieren, wissen alle, die schon mal im Vermittlungsausschuss gesessen haben. Aber für unsere Kinder lohnt sich diese Anstrengung.
Stichwort „Demokratieförderung“. Die Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg haben wieder deutlich gemacht, wie dringend wir ein Demokratiefördergesetz brauchen.
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Schon in der vergangenen Legislaturperiode haben wir darüber diskutiert. Das Vorhaben ist an CDU und CSU gescheitert. – Sie können brüllen. Wer brüllt, hat unrecht, meine Damen und Herren. -
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Demokratieförderung ist kein Projekt, sondern eine Daueraufgabe. Ich frage mich: Wann wollen die Unionsparteien endlich damit beginnen, unsere Demokratie wirklich wirksam zu schützen? Das geht nämlich nicht mit mehr Polizei, sondern nur mit mehr Menschen, die sich mit Zivilcourage gegen Nazis zur Wehr setzen.
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Es ist gut, dass das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ nun entfristet werden soll. Allerdings kann Die Linke nicht akzeptieren, dass die Mittel für die Maßnahmen zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie gekürzt werden sollen. Sind für das Jahr 2020, also das kommende Haushaltsjahr, noch 107,5 Millionen Euro eingeplant, stehen für 2023 nur noch 30,5 Millionen Euro für diese Maßnahmen bereit. Das entspricht einer Kürzung um zwei Drittel. Das ist nicht hinnehmbar, meine Damen und Herren.
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Ich glaube, alle Menschen, die sich in der ganzen Republik gegen Nazis zur Wehr setzen, die sich für Toleranz, Vielfalt und Demokratie einsetzen, gehören unterstützt und gefördert. Wir dürfen sie nicht alleine lassen. Nutzen wir die Haushaltsberatungen, um diesen Haushalt solidarischer, gerechter und sicherer zu machen.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Ekin Deligöz, Bündnis 90/Die Grünen.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin, wir haben schon sehr viel über die Maßnahmen der Bundesregierung gehört. Ja, es ist richtig: In vielen Punkten gehen Sie in die richtige Richtung; aber de facto bleiben Sie zumeist auf halber Strecke stehen. Damit, dass Sie uns hier Hochglanzbroschüren zeigen, können Sie nicht die Tatsache verdecken, dass Sie ganz viele Leerstellen in Ihrem Programm haben. Das wurde auch in Ihrer Rede hier deutlich, und das zeigt uns auch Ihre Politik.
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Ich fange an mit dem Thema „Kinderzuschlag/Bildungs- und Teilhabepaket“. Dieses Paket haben Sie beim letzten Mal groß angekündigt. Jetzt haben Sie es uns zusammen mit Ihrem Kollegen Hubertus Heil vorgestellt. Ich kenne den entsprechenden Etat. Daher sage ich: Wir können von allem reden, aber nicht von einem großen Wurf. Damit wird Kinderarmut nicht entschieden bekämpft. Sie schreiben in Ihrem Bericht zur Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“, den Sie in diesem Sommer vorgestellt haben, selbst – ich zitiere daraus –: „Wir empfehlen, perspektivisch die Zusammenführung der bestehenden Leistungen anzustreben, damit Kinderarmut wirksamer bekämpft wird.“ Was machen Sie? Sie machen eine Politik der kleinen Schritte, Sie machen eine bürokratische Politik, eine Politik des ganz kleinen Karos; aber von umfassender Armutsbekämpfung können wir hier wahrhaftig nicht reden.
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20 Prozent der Kinder – jedes fünfte Kind – ist in diesem Land von Armut bedroht. Wir haben Kinder, die in Hartz IV aufwachsen. Diese Armut hat viele Gesichter. Ja, sie fängt manchmal bei einem fehlenden Schulranzen oder einem fehlenden Stift an. Deshalb müssen wir entschlossen handeln. Und deshalb wird meine Fraktion Ihnen demnächst hier etwas vorlegen, aus dem hervorgeht, wie Kindergrundsicherung funktionieren kann. Ja, das kostet Geld. Aber die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, Lebenschancen für unsere Kinder, Bildungschancen sollten uns das Geld, das wir dafür zur Verfügung stellen müssen, wert sein.
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Damit komme ich zu dem zweiten großen Vorhaben, dem Anspruch auf eine Ganztagsbetreuung für Schulkinder. Das war ja auch ein Vorhaben der CDU/CSU bei den Verhandlungen. Sie haben damals groß getönt; rausgekommen sind jetzt zweimal 1 Milliarde Euro, also je 1 Milliarde in zwei Etats. Sie wissen in der Tat aber eigentlich gar nicht, wie Sie das Geld unters Volk bringen können. Ich höre aus vielen Bereichen, dass noch nicht einmal die Leute, die das umsetzen sollen, wissen, wie das Geld in Anspruch genommen werden soll.
Eines ist gewiss: Alles, was Sie machen, ist nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn Sie in diesem Land wirklich etwas verändern wollen. Sie machen hier Symbolpolitik und lassen vor allem die Bund-Länder-Verhandlungen zu einer Pokerrunde verkommen, weil wirklich keiner sagen kann – auch nicht aus den Bundesländern –, was am Ende dabei rauskommen soll.
Noch schlimmer: Sie erwecken Erwartungen und tun so, als ob das schon morgen die Realität wäre. Aber Eltern wollen sich darauf verlassen. Es gibt in diesem Land nichts Schlimmeres, als den Menschen etwas zu versprechen und dann all diese Erwartungen zu enttäuschen. Diesen Preis zahlen wir auch als Preis der Demokratie. Hören Sie auf damit, Sachen zu versprechen, die Sie ohnehin nicht einhalten können.
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Vor allem aber, Frau Ministerin: Machen Sie nicht die Fehler, die Sie beim Gute-KiTa-Gesetz gemacht haben. Ich will jetzt gar nichts zur Namensgebung des Gesetzes sagen – das haben ja schon die Kollegen gemacht –, sondern ich will zu einem anderen Thema etwas sagen: Sie haben einen Qualitätsausbau versprochen. Heraus kommt jetzt viel Beitragsfreiheit. Was passiert eigentlich, wenn die Mittel aufgebraucht sind? Geht es dann mit der Qualität weiter? Wollen Sie die Mittel überhaupt fortführen, und, wenn ja, wo haben Sie das eingestellt? In der Finanzplanung haben Sie das nämlich nicht getan. Auch hier haben Sie Erwartungen erweckt, und nicht einmal ein Bruchteil davon wird am Ende erfüllt werden. Auch das wird zu einer Enttäuschung in diesem Land führen.
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Sie haben hier von Frauenhäusern geredet. Ja, das haben Sie medial groß angekündigt. Das, was Sie machen, garantiert aber keine Plätze; das gibt keine Sicherheit. Von Verlässlichkeit und Bedarfsgerechtigkeit können wir noch lange nicht reden. Wenn Sie die Zeitung lesen, dann sehen Sie, wie die Betreiber von Frauenhäusern geradezu nach mehr Verlässlichkeit rufen. Sie machen hier Symbolpolitik und wollen in der Öffentlichkeit gut dastehen. Mehr ist aber weder in Ihrem Etat noch in dem drin, was Sie uns hier vorlegen.
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Thema Engagementpolitik. Selbst die Kanzlerin hat das jetzt in ihre Rede eingebaut. Ich dachte mir dann aber, ich höre nicht recht, weil sie offensichtlich nicht wirklich darüber informiert war, was im Etat steht.
Bei den Freiwilligendiensten haben Sie im letzten Jahr ein wenig Geld draufgelegt, um das Geld jetzt schon wieder einzusparen. Wie soll da irgendjemand verlässlich irgendetwas planen können, wenn es ein Vabanquespiel ist, das Geld überhaupt in Anspruch zu nehmen und sich darauf zu verlassen, dass sich die Ministerin daran hält, was sie groß nach draußen prophezeit? Das tut sie nämlich nicht.
Ich habe das Gefühl, dass wir bei der Deutschen Engagement-Stiftung vor einem Jahr schon weiter waren, es liegt uns nämlich gar nichts vor, noch nicht mal mehr im Etat. Es gibt noch nicht mal eine Vorlage, geschweige denn ein Gesetz.
Ich will gar nicht davon reden, dass Sie uns hier mal ein Demokratiegesetz versprochen haben. Auch das ist in den Kanälen der Kommunikation seltsamerweise irgendwie verschwunden. Offensichtlich wird auch nichts mehr dazu kommen. Also: Versprechen Sie nichts, was Sie nicht halten können.
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Ich könnte das weiter fortsetzen. Sie wollen eine Fachkräfteoffensive, aber das Geld dafür ist nur zu einem Bruchteil vorhanden. Sie wollen die „Gute KiTa“-Mittel verstetigen, in der Finanzplanung findet sich dazu aber gar nichts. Sie wollen die Sprach-Kitas fortsetzen und haben von einer dreistelligen Millionenhöhe geredet, in der Finanzplanung ist aber noch nicht einmal 1 Euro dafür eingestellt.
Frau Ministerin, Ihnen ist eine gute Presse wichtiger als eine verlässliche Planung, und so funktioniert Haushaltspolitik nicht; so funktioniert auch Familienpolitik nicht. Die Menschen in diesem Land haben einen Anspruch darauf, dass sie sich auf Sie verlassen können, und das können sie derzeit nicht.
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Vielen Dank, Frau Kollegin Deligöz. – Als nächste Rednerin spricht zu uns die Kollegin Svenja Stadler, SPD-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Die Ministerin hat die wesentlichen Schwerpunkte des Haushaltes bereits vorgestellt. Es ist klar erkennbar: Die Große Koalition und allen voran das SPD-geführte Familienministerium arbeiten engagiert und zielgerichtet an einer starken Unterstützung für die Familien, an mehr und fairen Chancen auf Teilhabe für Kinder, an der Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und an den Strukturen des bürgerschaftlichen Engagements. Es geht vor allem um die Stärkung unserer Demokratie; das ist heute wichtiger denn je.
Wir wollen die Menschen in unserem Land unterstützen, die sich ehrenamtlich, unentgeltlich, freiwillig, gemeinwohlorientiert jeden Tag aufs Neue für Zusammenhalt, sozialen Frieden, Respekt und Toleranz sowie für ein solidarisches Miteinander einsetzen. Deshalb ist es richtig, dass das Programm „Demokratie leben!“ fortgeführt wird, dass wir die Jugendfreiwilligendienste sowie die Jugendverbandsarbeit stärken.
Wissen Sie, ich war Ende August auf einem Fußballlehrgang. Dort waren 25 Menschen unterschiedlicher Altersstruktur, auch einige mit Migrationshintergrund waren anwesend, und vier Frauen. Da dachte ich: Na ja, bei der nächsten praktischen Prüfung – das ist ja beim Fußball der Fall – stehen die Frauen am Rand, und die Männer kicken dann den Ball. – Ich wurde eines Besseren belehrt. Es war bei der Prüfung völlig egal, ob Frau oder Mann. Es ging ums Fußballspielen. Es ging darum, das Runde ins Eckige zu bekommen.
Das, was auf dem Grün ganz selbstverständlich war, ist in unserer Gesellschaft leider nicht der Fall. Wir sind ganz weit weg von Gleichstellung. Deshalb brauchen wir eine übergreifende Gleichstellungsstrategie. Deshalb brauchen wir ein Institut für Gleichstellung, das durch Forschung, Projekte und Beratung das Thema in die Gesellschaft trägt.
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Ein weiterer Bestandteil unserer Gleichstellungspolitik muss zudem die Umsetzung der Istanbul-Konvention sein. Mit der gesetzlichen Anerkennung der Konvention hat sich Deutschland verpflichtet, alles dafür zu tun, um Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen, Frauen zu schützen, ihnen Hilfe und Unterstützung zu bieten. Zudem soll über die Umsetzungsmaßnahmen immer wieder kontinuierlich berichtet werden. Dafür brauchen wir eine unabhängige Monitoringstelle.
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Liebe Kolleginnen – es sind ja heute einige da –, Sie stimmen mir doch zu, dass wir mehr Lohngerechtigkeit brauchen, dass wir mehr Frauen in Führungspositionen brauchen, und auch mehr Frauen in den Parlamenten, oder? Ich finde ja, Frauen können das, wir können das. Deshalb ist es auch gut, dass wir uns hier im Bundestag mit der Frage der Parität beschäftigen. Ich bin äußerst dankbar, dass wir auch Unterstützung von den männlichen Kollegen bekommen; also vielen Dank dafür. Sie dürfen weiter dafür kämpfen.
Es ist auch gut, dass sich das Bundeskabinett laut unserer Frauenministerin noch in diesem Herbst mit der Novellierung der Frauenquote für Aufsichtsräte befassen wird. Börsennotierte Unternehmen, die für den Frauenanteil ihrer Vorstände die Zielgröße null angeben, sollen künftig Bußgelder zahlen. Ich finde das gut und richtig so. Das müssen wir anpacken.
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Mit dem Haushaltsentwurf haben wir eine gute Grundlage für die anstehenden Beratungen. 11,8 Milliarden Euro investieren wir in Familie, Ältere, Gleichstellung, Kinder und Jugend sowie bürgerschaftliches Engagement – wichtige Investitionen, richtige Investitionen.
Einige Dinge werden wir jetzt in den anstehenden Beratungen noch besser machen, natürlich gemeinsam mit unserem Koalitionspartner. Ich freue mich auf die kommenden Gespräche. Packen wir es an. Es wird Zeit.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Mariana Harder-Kühnel, AfD-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch in diesem Jahr war es wieder deprimierend, den Haushaltsplan des Bundesministeriums für Familie zu studieren. Naiv hoffte man, dass endlich wirksame Maßnahmen für Familien und gegen die verheerende demografische Entwicklung in Deutschland getroffen werden. Aber dann stellte man fest, dass die Prioritäten der Bundesregierung erneut woanders liegen.
Es sind enorme Ausgaben in Höhe von 11,8 Milliarden Euro vorgesehen, das Geld hart arbeitender Steuerzahler, mit dem sorgsam umgegangen werden muss. Deshalb stellen sich hier die entscheidenden Fragen: Wird durch diese Ausgaben jungen Paaren mehr Mut zur Familie gemacht, und werden mehr Kinder geboren? Wird die demografische Katastrophe, auf die wir zusteuern, aufgehalten? Wird die wachsende Kinder- und Altersarmut gestoppt? Werden Gleichberechtigung und Demokratie gefördert? Ich sage Ihnen: Nein! Denn die Bürger in Deutschland unterliegen nach wie vor einer erdrückenden Steuer- und Abgabenlast,
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laut der OECD der zweithöchsten weltweit.
Dadurch werden Mütter und Väter in die doppelte Berufstätigkeit gezwungen, um sich ihre Familien überhaupt noch leisten zu können. Kinder sind durch Ihre jahrzehntelange Politik zu einem Armutsrisiko geworden. Das fangen Sie nicht durch ein paar Euro mehr beim Elterngeld oder beim Kinderzuschlag ab. Das ist lediglich ein erbärmlicher Versuch, die Bürger zu sedieren.
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Wenn Sie den Familien in Deutschland helfen wollen, dann senken Sie endlich signifikant die Steuern und Abgaben! Versetzen Sie dadurch mehr Väter und Mütter in die Lage, sich selbst um ihre Kinder kümmern zu können, wenn sie das wünschen! Geben Sie die Kinder ihren Eltern und die Eltern ihren Kindern zurück! Dann muss auch nicht immer mehr und mehr Geld in die staatliche Fremdbetreuung investiert werden. Oder ist diese staatlich finanzierte Fremdbetreuung in diesen sozialistischen Ausmaßen genau das Ziel, das Sie verfolgen?
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Kitas, Ganztagsschulen, Kinderrechte gegen die eigenen Eltern, der Staat als sozialistische Super-Nanny, die die Kinder ihren Eltern entfremdet und in die Familien hineinregiert:
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Ist das Ihr eigentliches Ziel, Untertanen zu schaffen, die nicht von ihren Eltern, sondern vom Staat erzogen wurden und damit leichter lenkbar sind?
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Wir wollen stattdessen starke Familien, indem Kinder zu mündigen, freien Bürgern erzogen werden, und Familien zu stärken heißt, Familien spürbar zu entlasten. Also senken Sie endlich die Steuern und Abgaben! Führen Sie das Familiensplitting ein!
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Schaffen Sie alltägliche Sonderbelastungen wie das EEG und den Rundfunkbeitrag ab! Nehmen Sie den Eltern so den Druck zur doppelten Berufstätigkeit! Und schaffen Sie eine Willkommenskultur für Kinder, damit Deutschland sich nicht abschafft!
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Und kümmern Sie sich endlich auch um die Senioren! Die zunehmende Verarmung älterer Menschen, vor allem von Frauen, die sich um ihre Kinder gekümmert haben, ist ein trauriges Zeugnis für Ihr jahrzehntelanges Versagen in der Rentenpolitik.
Aber statt sich dieser Probleme ernsthaft anzunehmen, fabulieren Sie im Haushaltsplan lieber von den Chancen des demografischen Wandels. Ist das Ihr Ernst? Worin sehen Sie diese Chancen?
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Wir haben seit Jahrzehnten eine Geburtenrate von nur 1,4 Kindern pro Frau. Dummerweise ist unser Rentensystem aber auf einen Generationenvertrag aufgebaut, der darauf beruht, dass die Jungen die Älteren versorgen.
1964 haben 6 Arbeitnehmer einen Rentner versorgt. 2050 werden nur noch 1,5 Arbeitnehmer einen Rentner versorgen. Das System steht also kurz vor dem Kollaps.
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Jemand, der unter diesen Umständen ernsthaft von den Chancen des demografischen Wandels fabuliert, der versucht, die Bürger für dumm zu verkaufen.
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Oder er erweckt den Eindruck, dass ihm die demografische Krise gerade recht kommt, lässt sie sich doch wunderbar als Rechtfertigung für eine Politik der offenen Grenzen missbrauchen.
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Aber das ist der falsche Weg.
Der richtige Weg lautet: Grenzen sichern, Leistung belohnen, Senioren wertschätzen, Familien entlasten. Das wäre mal Politik für das eigene Volk, meine Damen und Herren.
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Aber was macht diese Regierung stattdessen? Mit vielen Millionen Euro wird die sogenannte Gleichstellungspolitik gefördert. Merke: Gleichstellung, nicht Gleichberechtigung. Sie wollen entgegen der menschlichen Natur gleichstellen, was glücklicherweise grundverschieden ist. Sie wollen aus Männern Frauen und aus Frauen Männern machen.
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In Ihren eigenen Reihen können Sie ja gerne damit herumexperimentieren, aber als gesamtgesellschaftliches Projekt muss und wird es scheitern.
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Eben für diese Gleichstellungspolitik sieht der Haushaltsplan höhere Ausgaben vor als für die Stärkung der Familienpolitik, der Politik für ältere Menschen und der Politik des demografischen Wandels.
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Falscher kann man Prioritäten nicht setzen.
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Zudem werden Unsummen für Ihre sogenannten Maßnahmen zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie verschwendet. Aber Ihre Vielfalt ist linke Einfalt, und Ihre Toleranz gilt nur den Gleichgesinnten.
({16})
Besonders deutlich sieht man das beim vom Familienministerium geförderten Programm „Demokratie leben!“. Dieses Programm ist vor allem eines: eine politische Waffe gegen Andersdenkende. Statt Projekte für eine möglichst breite demokratische Willensbildung zu fördern, wird hier vor allem der Kampf gegen den politischen Gegner betrieben. Denn mit diesem Programm wird zum Beispiel auch die Amadeu-Antonio-Stiftung massiv gefördert, und genau diese Stiftung sah sich kurz vor den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen dazu berufen, ein Pamphlet über die AfD zu veröffentlichen. Ausgerechnet am Jahrestag des Mauerbaus und ausgerechnet unter der Leitung der ehemaligen Stasimitarbeiterin Kahane
({17})
wird eine Broschüre mit dem Titel „Demokratie in Gefahr. Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD“ herausgegeben, eine Broschüre, die nur ein Ziel verfolgt, nämlich die einzige wirkliche politische Opposition in diesem Land zu dämonisieren. Das ist ein Skandal.
({18})
Hier wird in geradezu grotesker Weise gegen das Neutralitätsgebot verstoßen und der politische Gegner unter Missbrauch von Steuergeldern scharmlos diffamiert.
Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte.
Streichen Sie die Mittel für linke Propagandainstitute wie die Amadeu-Antonio-Stiftung, und hören Sie auf, das Land zu spalten! Richten Sie die Familienpolitik endlich an der Realität und nicht länger an sozialistischen Ideologien aus! Denn diese sind das Opium der Linksintellektuellen. Sie dürfen nicht zum Opium der Bundesregierung werden.
Vielen Dank.
({0})
Als nächste Rednerin erhält das Wort die Kollegin Sylvia Pantel, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Familie war, ist und bleibt der wichtigste Grundbaustein unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens.
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Sie sorgt für soziale Stabilität und ist eine unverzichtbare Solidar- und Wirtschaftsgemeinschaft. Gerade heute bedarf sie unseres besonderen Schutzes. Gute Rahmenbedingungen helfen Familien bei ihrem Erziehungsauftrag, der Pflege und Betreuung ihrer Angehörigen und der Vermittlung unserer Werte. Sie ist also wesentlich mehr als nur der kurze Part in den ersten Jahren der Erziehung der Kinder. Es ist eine zentrale Aufgabe einer guten Familienpolitik, Voraussetzungen zu schaffen, die unsere Familien stärken, und sie bei der Wahrnehmung dieser wichtigen Aufgaben zu unterstützen.
({1})
Zu den Voraussetzungen, die wir als Politiker und Politikerinnen schaffen müssen, gehört neben der finanziellen Absicherung auch die Wahlmöglichkeit – die haben wir – für die Gestaltung des eigenen Familienlebens. Es ist ein gutes Signal, die Ausgaben für familienpolitische Leistungen für das Haushaltsjahr 2020 erneut zu erhöhen. Es werden 1,36 Milliarden Euro mehr zur Verfügung stehen, und der Haushaltsansatz wird, wie eben schon mehrfach gesagt, auf 11,8 Milliarden Euro erhöht.
Trotz der gezielten Erhöhungen in verschiedenen Bereichen werden wir den siebten ausgeglichenen Haushalt beschließen und nun erstmals seit 2002 auch das Maastricht-Kriterium von maximal 60 Prozent Gesamtverschuldung einhalten. Auch das ist nachhaltige Politik, gerade für unsere Kinder und Enkelkinder.
({2})
Jetzt komme ich zu den gezielten Leistungen gerade für die Familien. Da geben wir gezielt 7,25 Milliarden Euro für das Elterngeld aus. Wir erhöhen die Mittel dafür um 395 Millionen Euro. Das ist gezielte Familienpolitik, die direkt ankommt.
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Auch die Elternzeitinanspruchnahme von Vätern steigt, und ich werde mich weiterhin für die Anerkennung der Erziehungsarbeit und der Erziehungsleistung einsetzen. Die Flexibilisierung des Elterngeldes Plus im Jahre 2015 führte zu einer verstärkten Nachfrage. Es hilft, Beruf und Familie besser miteinander zu kombinieren.
Im Etat stehen für die Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderzuschlages – wieder eine Maßnahme, die sofort zur Verbesserung der Lage der Familien führt – rund 1,2 Milliarden Euro zur Verfügung; damit erhöhen wir den Betrag um 403 Millionen Euro. Sie alle wissen, dass dies nur der Betrag in unserem Haushalt ist. Insgesamt belaufen sich die Kindergeldbeiträge in Deutschland auf über 36 Milliarden Euro. Also, das darf man bitte schön auch nicht vergessen.
Die Absicherung und Unterstützung der Alleinerziehenden ist uns ein besonderes Anliegen, zumal wenn der andere Elternteil für den Kindesunterhalt nicht aufkommt; darüber haben wir eben schon gesprochen. Wir müssen weiter dafür sorgen, dass das Geld von säumigen Elternteilen – in der Mehrzahl sind es Väter – zurückgeholt wird. Auch hier haben wir Erziehungs- und Familienarbeit unterstützt. Derzeit steigt der Ansatz für die Ausgaben nach dem Unterhaltsvorschussgesetz – es kostet eben auch wieder alles Geld – um 77 Millionen Euro. Wir haben 795 Millionen Euro in unserem Etat dafür vorgesehen.
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– Richtig.
Ja, wir leisten viel für unsere Familien. Wie arm wäre unsere Gesellschaft ohne unsere freiwilligen oder ehrenamtlichen Helfer. Wir haben so viele tolle junge Leute, die auch im Rahmen ihres Freiwilligendienstes ihre sozialen, persönlichen und beruflichen Kompetenzen ausbauen und die lernen, Verantwortung für sich selbst und andere Menschen in unserer Gesellschaft zu übernehmen.
Für die Freiwilligendienste sind 2020 110 Millionen Euro vorgesehen und für den Bundesfreiwilligendienst 167 Millionen Euro. Die Reduzierung, Frau Giffey, in diesen beiden Bereichen gegenüber dem laufenden Haushalt ist nicht das, was wir versprochen haben. Hier müssen wir erneut darüber reden.
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Wir müssen so viel Geld einsetzen, dass die jungen Leute, die wirklich im Ehrenamt, in den Freiwilligendiensten arbeiten wollen, unsere Unterstützung erfahren. Das Geld muss zur Verfügung gestellt werden. Wir können nicht sagen: „Wir möchten das gern“, und dann haben wir nicht genug Geld dafür im Haushalt. Das ist etwas, was für meine Begriffe nicht geht.
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Seit vielen Jahren beschäftigen wir uns mit dem schwierigen Thema „Gewalt innerhalb der Familie“. Betroffen sind meist Frauen und Kinder. Das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist ein niederschwelliges wichtiges Angebot, das wir ausgebaut und nun in 17 Sprachen als Hilfsangebot in schwierigen Gewaltsituationen installiert haben.
Um auch in dem Bereich, in dem der Bund keine Zuständigkeit hat, bei der Schaffung intelligenter Lösungen zu helfen, wurde der Ansatz für das Bundesprogramm zur Förderung von Innovationen im Hilfesystem zur Unterstützung gewaltbetroffener Frauen mit ihren Kindern um sage und schreibe 29 Millionen Euro auf 35 Millionen Euro erhöht.
Der Bund kann das begonnene Aktionsprogramm zur Prävention und Unterstützung von durch Gewalt betroffene Frauen und Kinder nur gemeinsam mit den Ländern und den Kommunen durchführen. Deshalb ist der „Runde Tisch gegen Gewalt an Frauen“ genau der richtige Weg. Wir können nichts gegen die Länder und gegen die Kommunen machen. Hier gibt es eben unterschiedliche Kompetenzen, und die müssen wir beachten. Deshalb geht das nur im Miteinander und mit Goodwill. 35 Millionen Euro dafür einzusetzen, finde ich, ist einen Applaus wert; darüber sollte man nicht noch schimpfen.
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Fassungslos macht mich immer wieder Kindesmissbrauch. Deshalb ist es wichtig, an unterschiedlichen Stellen eine verbesserte und effiziente Strafverfolgung und einen besseren Opferschutz zu erarbeiten. Damit Betroffene von sexualisierter Gewalt im Kindes- und Jugendalter Hilfen erhalten, wird die Finanzierung des Fonds Sexueller Missbrauch 2020 fortgesetzt und im Vergleich zu 2019 um 28,4 Millionen Euro auf 45,4 Millionen Euro aufgestockt.
Wir haben ein neues Kapitel mit der finanziellen Ausstattung von 5,9 Millionen Euro für den Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs geschaffen.
Wie wichtig ein gutes Wohnumfeld für unsere Familien ist, versteht sich von selbst. Deshalb freue ich mich, dass sich der Einsatz für das Baukindergeld und die stetige Erhöhung des Wohngeldes gelohnt hat. Erst vor rund einem Jahr haben wir das Baukindergeld eingeführt. Dazu hat es heute Morgen schon viele gute Beiträge gegeben; ich will nichts wiederholen.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich weiß. – Die CDU/CSU hat aber auch weitere Vorschläge zur Eigentumsförderung und zur Förderung anderer Wohnformen erarbeitet. Hier wird die Bürgschaft des Staates für fehlendes Eigenkapital eine wichtige Voraussetzung für Eigentumsbildung sein.
Wir setzen als CDU/CSU-Fraktion die richtigen Akzente. Wir wollen eigenständige Familien, starke Familien haben. Ich finde, dass wir trotz der Kritik, die ich eben geäußert habe, einen sehr guten Weg beschreiten.
Wenn Sie von der AfD glauben, dass wir mit dem – –
Jetzt, Kollegin, kommen Sie bitte wirklich zum Schluss. Sie haben zwei Minuten überzogen.
Alles klar; gut.
Mein Kollege Kubicki hätte Ihnen schon vor einer Minute das Wort entzogen.
Okay. Alles klar.
Herzlichen Dank.
({0})
Ich bin ein toleranter Vorsitzender, aber man darf die Geduld auch nicht überstrapazieren.
Deshalb machen wir jetzt weiter in der Debatte. Ich rufe für die Fraktion der FDP den Kollegen Grigorios Aggelidis auf. Herr Kollege, Sie haben das Wort.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren! Menschen zu befähigen, ihnen den Freiraum zu lassen, ihren eigenen Weg zu gehen – das ist unser Bild und unser Kompass. Sie hatten das einmal versprochen, als Sie als Familienministerin begonnen haben, Frau Dr. Giffey. „Nicht einengen, nicht bevormunden und nicht gängeln“ sollte genauso unser Kompass sein. Leider tut die Regierung allzu häufig das Gegenteil bzw. übersieht diesen Kompass.
({0})
Kollege Weinberg, Sie sind auf das Thema Ehrenamt eingegangen, Frau Pantel auch. Es ist gerade beim Ehrenamt leider Gottes saurer Wein, den Sie haben. Frau Deligöz hat es gesagt. Frau Merkel ist zum Schluss ihrer Rede auf das Ehrenamt eingegangen, ungefähr 60 Sekunden lang. Da war ich mir aber nicht sicher: Verwechselt sie jetzt das Ehrenamt mit dem Programm „Demokratie leben und fördern“?
({1})
– Sie müssen es nur nachlesen; Sie können es im Protokoll nachlesen. – Frau Merkel sagte auch, das Ehrenamt würde Pars pro Toto für vieles mehr stehen, was diese Regierung macht. – Wie wahr: einen Schritt vor, einen Schritt zurück, ohne Plan. Für 2019 hieß es in den entsprechenden Entwürfen: rund 30 Millionen Euro mehr, wegen der Gründung der Engagement-Stiftung und der Fortsetzung von Programmen. Für 2020 wiederum müssen wir lesen: rund 30 Millionen Euro weniger, unter anderem, weil die Etatisierung der Engagement-Stiftung noch geklärt werden muss.
Was mich als jemanden, der aus dem Ehrenamt kommt, aber besonders aufregt, ist, dass diese Regierung nicht Schluss macht mit der Einengung und der Belastung und der Gängelung von Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren.
({2})
Nur hier, ab und zu, finden Sie ein tolles Wort für das Ehrenamt. In der Praxis konfrontieren Sie das Ehrenamt mit immer mehr Bürokratie, immer neuen Vorgaben und steuerlichen Belastungen und immer neuen, zusätzlichen Haftungsrisiken für Menschen, die sich im Ehrenamt engagieren. Im Unterausschuss „Bürgerschaftliches Engagement“ sind wir uns da alle einig, auch die Kollegen von der Koalition. Aber offensichtlich nimmt das in der Regierung niemand zur Kenntnis.
Und Sie, Frau Ministerin, machen, um genau das zurückzufahren, leider nichts. Setzen Sie sich endlich einmal mit Ihren Kollegen Scholz und Heil zusammen und setzen Sie durch, dass die Belastungen aus dem Familienministerium, dass die Belastungen aus dem Ministerium für Arbeit und Soziales, was das Ehrenamt angeht, endlich einmal weniger werden; das ist das, was wir fordern.
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– Sie können ja eine Zwischenfrage stellen; dann erkläre ich Ihnen das.
Im Gegenteil, ich bekomme mit: Das BAFzA braucht mehr Personal, weil der Bundesrechnungshof das gefordert und angemahnt hat, aber Sie, das Familienministerium, lehnen das ab. Gleichzeitig leistet sich das Familienministerium aber elf neue Leitungsstellen. Wir finden, das ist die falsche Priorität. Sie sollten lieber das Ehrenamt entlasten, statt bei Ihnen für mehr Leitung zu sorgen.
({4})
Aber kommen wir zum Thema Elterngeld und Partnermonate. Am 17. Januar 2018 hat Frau Barley hier versprochen, dass es zu einer Reform der Partnermonate kommt. Am 17. Oktober 2018 haben wir einen Antrag dazu eingebracht. Am 16. Januar 2019 haben Sie es in Ihre Vorhabenplanung mit aufgenommen. Für das erste Halbjahr 2019 wurde uns das angekündigt. Und was müssen wir am 15. Juli 2019 in der Antwort des Familienministeriums lesen? Die angekündigte Reform befindet sich in der Konzeptionsphase. – Im Ernst? Das ist schließlich so, als ob Sie sagen würden: Wir fangen gerade erst an. – Die Familien brauchen hier Besseres.
({5})
Deswegen fordern wir Sie auf: Sorgen Sie endlich für eine Flexibilisierung der Arbeitszeitkorridore! Verbessern Sie vor allem auch die Situation von Eltern und Familien, wenn der Arbeitgeber in die Insolvenz gerät und der Familie finanzielle Schwierigkeiten drohen. Und berücksichtigen Sie angemessen die Situation von Eltern, wenn es sich um Frühgeborene handelt, bei den Kindern natürlich – falls sich da jemand nicht ganz so sicher ist.
({6})
Ich will einen letzten Satz sagen, Herr Präsident, zum Thema „Chancenumfeld für Kinder“. Sie haben auch groß über das Thema „Kinderrechte ins Grundgesetz“ geschrieben. Wie wäre es denn, wenn Sie einmal in kleinen Schritten anfangen würden, konkret etwas zu verbessern, zum Beispiel bei Careleavern – jungen Menschen, die in Heimen groß werden oder bei Pflegefamilien –; bei diesen jungen Menschen greift der Staat 75 Prozent des selbstverdienten Einkommens ab. Wie wäre es, wenn Sie da einmal für Gerechtigkeit sorgen und diese Regelung abschaffen? Das fordern wir unter anderem.
({7})
Genau das Gleiche können Sie fortsetzen bei Familien, die auf den Kinderzuschlag oder andere Sozialleistungen angewiesen sind, oder bei Kindern aus Hartz-IV-Familien. Geben Sie diesen Kindern doch die Chance, sich zu entwickeln, und bestrafen Sie sie als Regierung in einem Sozialstaat am Ende des Tages nicht dafür, dass ihre Eltern nicht genug verdienen! Auch das wäre fair, gut und im Zweifel für die betroffenen Kinder viel wichtiger, als hier über das Grundgesetz zu fabulieren, meine Damen und Herren.
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Sie müssen jetzt Ihren Schlusssatz formulieren.
Das mache ich. – Deswegen: Sorgen Sie dafür, dass Bildung, Teilhabe und Chancen der Kinder eben nicht Notnagel im Haushalt sind, sondern eine der tragende Säulen; dafür stehen wir. Setzen Sie die richtigen Prioritäten; dann geht es Familien, Kindern und auch dem Ehrenamt besser.
Vielen Dank.
({0})
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion Die Linke die Kollegin Doris Achelwilm.
({0})
Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Anwesende! Mit dieser Haushaltsdebatte sind wir zeitlich ziemlich genau in der Mitte der Legislaturperiode angekommen. Für Eltern mit geringem Einkommen, Alleinerziehende und deren Kinder wurde kaum etwas erreicht. Meine Fraktion und ich halten das für ein Riesenproblem.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was für eine Perspektive bietet die Große Koalition zum Beispiel Familien, denen der Kinderzuschlag auf Hartz IV angerechnet wird, der bürokratisch ohnehin eine Zumutung darstellt? Wie sollen alle, die am dringlichsten auf Elterngeld angewiesen sind, mit dem für sie geltenden Mindestbetrag von 300 Euro auskommen? Als Linke wollen wir, dass das Mindestelterngeld, nachdem es über zehn Jahre eingefroren war, klar angehoben wird. Die Elterngeldstellen in den Ländern müssen so unterstützt werden, dass sie Anträge ohne Durststrecke für die Betroffenen bewilligen können.
({1})
Ja, im Bereich des Familienministeriums wird mehr ausgegeben. Das liegt aber vor allem daran, dass der Bedarf an gesetzlichen Leistungen steigt. Er steigt, weil ungleiche politische Rahmenbedingungen für reich und arm, für Männer, Frauen, Stadt, Land, West, Ost nicht endlich in großem Stil gerecht geregelt werden. Klimapolitisch kommt auf Regierungsebene so langsam die Erkenntnis an, dass uns die Kosten heute versäumter Maßnahmen morgen überrollen. Diesen Lerneffekt braucht es auch für die nötigen Instrumente der Kinder-, Jugend-, Familien-, Senioren- und Frauenpolitik, wenn der gesellschaftliche Zusammenhalt wieder besser werden soll.
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Demokratie und inklusive Teilhabe für alle sind kein Selbstläufer. Deshalb müssen die Mittel für engagementfördernde Freiwilligendienste ohne Abzüge verstetigt werden, und deshalb darf auch nicht an dem wichtigen Bundesprogramm „Demokratie leben!“ gekratzt werden. Für die Programmphase 2020 bis 2024 soll es nach derzeitigem Stand zwar weiterlaufen, aber an kompliziertere Förderbedingungen gekoppelt und um Millionen stark gekürzt werden – leider. Diese Einschränkungen sind für Die Linke absolut nicht hinnehmbar.
({3})
Die Projektelandschaft von „Demokratie leben!“ ist wichtig. Ja, sie besteht aus guter sozialer Arbeit, die ansonsten zu wenig finanziert wird, aus politischer Bildung, aus Beratungsangeboten für Betroffene rassistischer und antisemitischer Gewalt. Für mein Bundesland Bremen kann ich sagen, dass dort jede einzelne Stelle dringend benötigt wird und wichtige Arbeit macht.
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„Demokratie leben!“ und die dazugehörigen Dachverbände müssen finanziell deutlich abgesichert und politisch gestärkt werden, unter anderem auch wegen Ihnen von der AfD; ja, dazu können wir ganz offen stehen.
({5})
Zum Bereich Queerpolitik: Wir begrüßen die tatsächlich neue Finanzierung des Bundesnetzwerks für Beratung von trans- und intergeschlechtlichen Menschen und ihrer Angehörigen. 120 000 Euro für das gesamte Bundesgebiet sind nun beileibe kein Paukenschlag, aber ein Anfang immerhin. Auch die Förderung des Dachverbands Lesben und Alter e. V. ist unentbehrlich, um eine queerpolitische Leerstelle zu schließen. Die verbandliche Interessenvertretung unterstützt zum Beispiel Wohnprojekte und hat unsere Unterstützung verdient und bitter nötig.
({6})
Frauen- und gleichstellungspolitisch herrschen hier weitgehend Stagnation und teilweise sogar Kapitulation vor mancherlei rechter Stimmungsmache. Sanierungsmittel für das Hilfesystem zur Unterstützung gewaltbetroffener Frauen werden jetzt in kleinem Maße anerkannt, okay. Gleichzeitig bräuchte es aber eine wirklich flächendeckende Stärkung der Frauenhäuser und die anonyme Spurensicherung für Opfer häuslicher Gewalt.
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Was es definitiv nicht braucht, sind Studien zur Abschätzung seelischer Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen. Dafür ist Geld da; eigentlich kaum zu glauben, absurd. Im Übrigen sei an dieser Stelle auch gesagt: § 219a muss weg!
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Dann wäre die Debatte, die Herr Spahn gerade wieder vom Stapel lässt, jetzt nicht notwendig.
Die unterlassene Gleichstellungspolitik der Bundesregierung ist in jeder Hinsicht unfassbar teuer. Das Ehegattensplitting mindert die Steuereinnahmen von Bund und Ländern um rund 21 Milliarden Euro. Es wäre ein großer Schritt, wenn dieses Geld für eine kinderbezogene Familiengrundsicherung
({9})
zur Verfügung stehen würde. Gehen Sie diesen Schritt!
Vielen Dank.
({10})
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Monika Lazar.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich möchte mich in meiner Redezeit den aktuellen Problemen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ widmen; denn es ist leider nicht so, wie Sie, Frau Ministerin, es uns in blumigen Worten geschildert haben.
Zuerst wundert man sich, dass trotz guter Auslastung in diesem Jahr der Etatansatz um 8 Millionen Euro gekürzt wurde. Das ist ein völlig falscher Ansatz, und ich kann Sie von den Koalitionsfraktionen nur auffordern, diese Kürzung zurückzunehmen; denn der Bedarf ist auf alle Fälle da.
({0})
Offenkundig gibt es auch an anderen Stellen sehr unterschiedliche Meinungen darüber, wie es bei diesem Bundesprogramm weitergehen soll. Wir brauchen jedenfalls mehr denn je eine ausreichende und dauerhafte Bundesförderung für bewährte zivilgesellschaftliche Initiativen.
({1})
Doch leider ist das Gegenteil der Fall. Die Dachverbände der mobilen Beratung und der Opferberatung wurden bereits beim Interessenbekundungsverfahren vom Ministerium abgelehnt und dürfen folglich nicht einmal mehr einen Förderantrag stellen, obwohl diese Dachverbände seit nun mittlerweile 20 Jahren ein bundesweites Monitoring rechter Gewalt entwickeln, Qualitätsstandards weiter bearbeiten und auch die Vernetzung vorantreiben. Sie sind auch ein gutes Beispiel dafür, wie westdeutsche Verbände von ostdeutschen Projekten lernen konnten; denn die Bundesprogramme sind vor 20 Jahren in Ostdeutschland eingerichtet worden. Aber trotz dieser jahrelang nachgewiesenen Qualitätsstandards werden sie nicht weiter gefördert. Ich fordere das Ministerium auf, das noch einmal zu überdenken und die Förderung dieser bewährten Projekte wieder möglich zu machen.
({2})
Auch die Anzahl der finanzierten Modellprojekte soll im nächsten Jahr drastisch zurückgefahren werden; auch das ist ein Fehler.
Ein weiteres Beispiel: Bei den vom Bund geförderten Kompetenznetzwerken gibt es das Problem, dass im Interessenbekundungsverfahren bewährte Träger abgelehnt wurden. Das betrifft zum Beispiel das Netzwerk für Demokratie und Courage im Saarland – und das, liebe Frau Ministerin, wo Sie erst vor zwei Wochen in Leipzig bei der 20-Jahr-Feier des bundesweiten Netzwerks Demokratie und Courage waren und sich von der Qualität der Arbeit überzeugen konnten. Für mich ist das jedenfalls nicht nachvollziehbar.
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Das Bundesprogramm krankt leider an der nicht vorhandenen Planungssicherheit. Wir brauchen aber Sicherheit für die Expertinnen und Experten für unsere Demokratie und sollten die Förderung deshalb weiter unkompliziert gestalten.
Weiterhin stellen wir fest, dass die Daueraufgabe Demokratieförderung, obwohl dies in beiden Abschlussberichten der NSU-Untersuchungsausschüsse des Bundestages gefordert wurde, immer noch nicht umgesetzt ist. Deshalb fordern wir als Bündnis 90/Die Grünen ein Demokratiefördergesetz.
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Meines Wissens fordert das die SPD auch.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, wir haben noch einige Wochen Zeit, um in den Haushaltsberatungen wirklich die richtigen Signale zu setzen, indem wir die Kürzung der Mittel für „Demokratie leben!“ zurücknehmen und den Weg freimachen für ein Demokratiefördergesetz, damit die zivilgesellschaftlichen Strukturen endlich dauerhaft finanziell und strukturell abgesichert werden.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Als Nächste spricht für die Fraktion der SPD die Kollegin Leni Breymaier.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin! Ich möchte meine Redezeit zum Haushalt 2020 verwenden, indem ich einen Blick auf das Thema „Gewalt an Frauen“ werfe. Ich denke, das ist auch nötig.
Mich empört – ich denke, Sie auch –, dass wir im Jahr 138 000 Opfer von häuslicher Gewalt zu verzeichnen haben; das ist die Zahl von 2017. 147-mal wurden Frauen von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet; das sind drei Frauen pro Woche. Nur jede fünfte Frau, die Gewalt erlebt, geht zur Polizei. Deshalb muss das Ziel sein, auch das Ziel dieser Haushaltsberatungen, betroffene Frauen zu schützen und Gewalt zu verhindern, Gewalt vorzubeugen.
Frauenhäuser sind hier ein wichtiger Baustein. An dieser Stelle will ich Danke sagen: Danke all den Frauen, die vor über 40 Jahren und die ganze Strecke lang diese Frauenhäuser gefordert haben, diese aufgebaut haben, diese betrieben haben im Ehrenamt und im Hauptamt. Das ist alles nicht selbstverständlich.
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Viele Frauenhäuser, die Schutzräume für Frauen und Kinder, sind in diesen 40 Jahren in die Jahre gekommen. Dort, wo Frauen Schutz suchen, sich stabilisieren, möglichst ihre Zukunft planen sollen, dort, wo sie ihr Leben zurückgewinnen wollen, fehlt es oftmals an einem Mindestmaß an Privatsphäre. Ich war in Frauenhäusern, die zwei, drei Frauen mit ihren Kindern in ein Zimmer stecken. Das führt dazu, dass sich Frauen oft stundenlang im Bad einsperren oder sich die Kinder in Schränken verstecken.
Wir müssen schauen, dass Frauen mit Behinderungen einen Zugang zu Frauenhäusern kriegen – im wahrsten Sinne des Wortes. Es geht auch darum, bislang unerreichten Gruppen einen Zugang zu Hilfesystemen zu ermöglichen. 30 Millionen Euro, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sind hier mehr als sinnvoll.
({1})
Alleine in diesem Jahr fließen 6 Millionen Euro in innovative Praxismodelle. Es geht um die Fortentwicklung der Qualität. In den kommenden drei Jahren kommen nochmals jeweils 5 Millionen Euro dazu. 2019 sind schon modellhafte Projekte gestartet, die für das gesamte Hilfe- und Beratungssystem relevant sind. Zum Beispiel hatte ich kürzlich die Gelegenheit, eine Gewaltambulanz in Heidelberg zu besuchen, wo man die Möglichkeit hat, zeitnah nach einem Übergriff, auch anonym, Beweise zu sichern – ob eine Anzeige später erfolgt oder nicht.
Man kann sich hier viel vorstellen. Gewalt bleibt, die Formen von Gewalt ändern sich. Teilweise Überwundenes verstärkt sich wieder. Es geht auch um digitale Gewalt, zum Beispiel, wenn Männer Macht ausüben, indem sie WhatsApp, Facebook, SMS, den Kalender der Partnerin kontrollieren. Es geht um Datensicherheit im Frauenhaus. Es geht um Sicherheitskonzepte der Frauenhäuser. Was kommt, Kolleginnen und Kollegen, eigentlich auf uns zu, wenn heutzutage bereits Elfjährige Pornofilme konsumieren? Was wird da für eine Gesellschaft heranwachsen?
An die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im nächsten Jahr habe ich auch in Sachen Gleichstellungspolitik eine hohe Erwartungshaltung. Unser Hilfetelefon – Frau Pantel hat es schon gesagt –, das 365 Tage im Jahr, 24 Stunden lang erreichbar ist – kostenfrei für Anruferinnen und mehrsprachig –, kann sich sehen lassen, wenn über die Umsetzung der Istanbul-Konvention gesprochen wird, wenn es darum geht, zu bilanzieren, wie die EU-Länder gegen alle Formen der geschlechtsspezifischen Gewalt vorgehen.
Wir als SPD-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier setzen uns hier für eine Monitoringstelle an, die die unterschiedlichen Maßnahmen bewertet. Auch eine staatliche Koordinierungsstelle halten wir für sinnvoll.
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Das Bündnis „Istanbul-Konvention“ spricht von einem Flickenteppich bei der Bekämpfung von Gewalt an Frauen. Das ist wohl richtig; aber das Problem ist: Ganz Deutschland ist ein Flickenteppich, und der Name ist Föderalismus.
Wir geben 30 Millionen Euro in die Modernisierung der Frauenhäuser. Das kann man verbuchen unter der Schaffung von einheitlichen Lebensverhältnissen. Das möchten wir machen. Das Ziel ist eine gewaltfreie Gesellschaft, eine Gesellschaft, in der klar ist: Gewalt gegen Frauen ist unmännlich.
Ich freue mich auf die weiteren Beratungen.
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Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion der CDU/CSU die Kollegin Bettina Margarethe Wiesmann.
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Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf den Tribünen! Im Vordergrund der Haushaltsdebatte dieser Woche standen bisher Themen wie der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen, die Digitalisierung, die Sicherheitslage in einer globalisierten Welt. Der Einzelplan 17 – jetzt zu diskutieren – betrifft mit der Familie nicht nur das Fundament unserer Gesellschaft und ihres Zusammenhalts. Er betrifft in besonderem Maße auch unser Verhältnis zur personifizierten Zukunft, nämlich zur Jugend in unserem Land, die sich, ganz nebenbei, auch sehr für die genannten großen Zukunftsthemen interessiert.
Deshalb will ich heute mit einem Appell beginnen, der, glaube ich, so noch nicht gesagt worden ist: Die Jugend muss in ihren Bedürfnissen und Anliegen ernst genommen werden.
({0})
Weniger Sorgen mache ich mir dabei über materielle Entbehrungen; denn nach eigener Auskunft sind 8- bis 18-Jährige hierzulande erstaunlich gut ausgestattet: Über 97 Prozent haben einen eigenen Internetzugang, genug Geld für Klassenfahrten, haben alles, was sie für die Schule brauchen, genug zu essen und ein Bad in der Wohnung. Das ermittelte Bertelsmann 2019.
Ernst genommen werden müssen die Jugendlichen, teilweise auch Kinder aber in ihren immateriellen Wünschen und Bedürfnissen; sie werden es noch zu wenig. Sie finden zu wenig Gehör, wenn sich ihre Eltern trennen oder wenn sie aus ihrer Familie herausgenommen werden, weil ihr Wohl gefährdet ist. Heim- und Pflegekinder – es sind viele – müssen derzeit zumeist drei Viertel ihres selbstverdienten Geldes abgeben, ohne Rücksicht auf die Folgen für ihre Motivation; das wurde angesprochen. Sie dürfen nur selten mitwirken, wenn ihre Umgebung, ihr Lebensbereich umgestaltet wird. Es fehlt ihnen zunehmend an Freiraum zur individuellen Lebensgestaltung.
Zugleich wünschen sie sich aber schon lange und weiterhin mehr Zeit für Familie und Freunde. Sie brauchen Vorbilder für Eigenständigkeit und Selbstverantwortung, und sie brauchen attraktive Angebote zur kulturellen Teilhabe und Bildung, besonders auch außerhalb urbaner Zentren. In der digitalen Welt werden sie einem Stakkato ausgesetzt von Kaufverführungen, Hate Speechs, nervigen Posts bis hin zu getarnter Anmache. Sie sagen selbst, es reiche ihnen damit und sie wünschten sich in diesem Bereich Unterstützung. Das alles sagen aktuelle Studien. Wenn sie sich sozial, kulturell oder ökologisch engagieren wollen – das ist natürlich wichtig –, gibt es nicht immer passende Plätze; es sollen ja weniger bezahlt werden.
Ich wünsche mir, dass wir in all diesen acht Punkten etwas ändern. Vieles davon wird mit diesem Etat und den Absichten und Maßnahmen dieser Regierung auf den Weg gebracht.
Erstens: Gehör. Von der Reform der Kinder- und Jugendhilfe des SGB VIII erwarte ich mir, erwarten wir uns mehr Rechte und Chancen für junge Menschen und ihre Familien, mehr Beteiligungselemente und mehr Kooperation zwischen den einzelnen Professionen. Gehört werden setzt übrigens gutes Hören voraus. Alle Professionen der Familiengerichtsbarkeit, um die es hier häufig geht, müssen besser qualifiziert werden; auch die Abläufe müssen verbessert werden. Das stand und steht in der Stellungnahme der Kinderkommission von November.
Zweitens – hier nur kurz; es wurde schon angesprochen –: Motivation. Auch wir in der Union sind der Meinung, dass Kinder und Jugendliche im Heim oder bei Pflegefamilien selbstverdientes Geld aus Ferienjobs etc. überwiegend selbst behalten sollen dürfen. Es ist richtig, dass sie sich an den Kosten für Fremdunterbringung beteiligen, aber nicht in dem Maße, wie es heute ist. Deshalb: Runter mit der Selbstbeteiligung!
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Drittens: Beteiligung. Wir haben uns vorgenommen, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern; Bund und Länder arbeiten daran. Mir ist dabei wichtig, dass wir die altersgerechte Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Entscheidungen, die sie betreffen, stärken: in der Schule, in der Gemeinde vor Ort. Denn nur so wird Demokratie – davon war schon viel die Rede, aber nicht im Hinblick auf diesen Punkt – in der Praxis früh erfahren und selbstverständlich erlernt. Da haben wir noch Luft nach oben.
Viertens: Freiheitsdrang. Der schon angesprochene Rechtsanspruch auf Betreuung für Grundschulkinder ist in der Mache. Dafür wollen wir im nächsten Jahr aus diesem Etat 500 Millionen Euro ausgeben. Dieses Geld muss aber klug ausgegeben werden; denn Kinder wie Jugendliche wollen keinen komplett verplanten Nachmittag. Sie brauchen neben festen Pflichten auch Freiraum zur Entfaltung. Das sagen uns auch zunehmend Fachleute und weichen vom bisherigen Mantra einer voll ausgebauten verbindlichen Ganztagsschule ab.
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Ich habe nicht die Zeit, es auszuführen; aber ich möchte das hessische Modell, den „Pakt für den Nachmittag“, empfehlen,
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das Lernen mit Entdecken, Spiel und Selbstbestimmung in einer Vielzahl von Angeboten im lokalen Netzwerk verbindet. Solch eine Nachmittagsgestaltung nimmt Kinder ernst.
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Stichwort „Freiheit“: Auch mehr Zeit für Freunde und Familie ist seit Jahren eine Forderung, eine Top-Priorität – erstaunlicherweise auch von Jugendlichen. Mehr Zeit für das Familienleben, also eine Voraussetzung, diese Freiheit wahrzunehmen, wird neben anderen positiven Effekten auch die von der Koalition vereinbarte Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen bringen. Das ist eine Riesenchance für ganz viele Bereiche wie die Stärkung der Familie als wirtschaftliche und soziale Gemeinschaft, die bessere Vereinbarkeit von Familie bzw. Pflege und Beruf, die Eindämmung der Schwarzarbeit und für mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von wenig qualifizierten Arbeitnehmern.
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Stichwort „gute Vorbilder“: Das kürzlich in Kraft getretene Familienstärkungsgesetz schützt vor Dauerabhängigkeit und erhält Vorbilder, nämlich in Person der Eltern, für Kinder und Jugendliche, die ein selbstverantwortetes Leben lernen sollen. Es ist deshalb ganz richtig, dass dafür im kommenden Jahr 870 Millionen Euro im Haushalt vorgesehen sind.
Und es braucht – das kann ich Ihnen nicht ersparen – keine pauschale Kindergrundsicherung; denn die Kinder und Jugendlichen, um die es uns zu Recht besonders geht, werden sehr gründlich abgesichert. Mehr braucht es nicht.
({6})
Ich gehe über den Punkt „Teilhabe“ aus Zeitgründen hinweg, komme aber noch zu einem letzten Thema: Schutz und Unterstützung in der digitalen Welt. Jugendliche wünschen sich mehr staatliches Eingreifen gegen die Auswüchse des Internets – nicht gegen das Internet. Das müssen wir beachten. Da müssen wir handeln und Kinder und Jugendliche dabei auch einbeziehen; denn sie sind Profis, sie kennen sich dort aus, sie kennen auch die Gefahren und machen viele leidvolle Erfahrungen mit ihnen. Deshalb sollten wir die anstehende Reform des Jugendmedienschutzes dazu nutzen, die Empfehlungen der Kinderkommission, die wir übergreifend verabschieden konnten, umzusetzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Vorhaben dieser Koalition rücken Bedürfnisse und Erwartungen von Jugendlichen stärker in den Fokus; das ist gut so. Wir müssen sie ernst nehmen. Wir erwarten von ihnen ja auch viel für die Zukunft unseres Landes.
Danke, dass Sie mir zugehört haben.
({7})
Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der SPD der Kollege Sönke Rix.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Hier wurde gesagt: Der Etat ist eigentlich viel zu klein. – Ich glaube, jeder Fachpolitiker hält seinen eigenen Etat für viel zu klein, weil man immer viel, viel mehr machen könnte.
({0})
Was aber nicht geht, ist, so zu tun, als ob unser Etat für Familie, Senioren, Frauen und Jugend allein Familie, Senioren, Frauen und Jugend fördert. Frau Lötzsch, ich spreche Sie an: Wenn Sie ganz pauschal sagen, wir würden viel weniger Geld für Familien als für den Wehretat ausgeben,
({1})
sage ich Ihnen zwar, dass man dafür nicht unbedingt so viel ausgeben, den Etat zumindest nicht um so viel steigern müsste. Ich sage aber auch, dass wir insgesamt natürlich noch viel mehr Geld für Familien, Senioren, Frauen und Jugend ausgeben. Das wissen auch Sie. Wenn Sie sich die Etats der Ministerien für Arbeit und Soziales bzw. Gesundheit usw. angucken, wissen Sie, dass wir insgesamt sehr viel für Familien, Senioren, Frauen und Jugend mit der Koalition auf den Weg gebracht haben und bringen werden.
({2})
Eine Erfolgsgeschichte ist das Starke-Familien-Gesetz. Zu behaupten, es würde nicht wirken, finde ich, ist ein Hohn gegenüber über 2 Millionen Familien, die davon profitieren. Ihnen nützt nämlich genau dieses Geld. Zu denken, dieses Geld würde nicht ankommen, ist ein Hohn. Über 2 Millionen Menschen profitieren von der Erweiterung des Kinderzuschlags. Das ist eine gute Nachricht.
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Wir haben sogar Forderungen der Opposition, der Grünen und der Linken, aufgenommen. Wir haben gesagt: Beim Schulessen soll keine Eigenleistung mehr nötig sein. Die Nachhilfe soll für Sozialhilfeempfänger kostenlos sein. Die Schülerbeförderung soll kostenfrei sein. Das Schulstarterpaket haben wir eingeführt. Das sind Forderungen von Grünen und Linken, die wir übernommen haben, und Sie sagen: Das ganze Gesetz ist gar nichts wert. Ich finde, Sie sollten sich auch an Ihren eigenen Forderungen messen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Ich kann Ihnen an dieser Stelle auch sagen: Für uns ist das ein riesiger Schritt. Er reicht aber noch lange nicht aus. Das ist nicht die einzige Maßnahme gegen Kinder- und Familienarmut. Wir wollen auch eine Kindergrundsicherung, sagen aber im Unterschied zu bisher diskutierten Modellen: Nicht nur eine direkte finanzielle Förderung gehört zu einer Grundsicherung für Kinder, sondern es muss auch um die Frage von freiem Zugang zu Bildung, Betreuung und Freizeitangeboten gehen.
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Das muss man auf zwei Säulen stellen. Sie können uns glauben: Dafür stehen wir Sozialdemokraten.
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Auch am Gute-Kita-Gesetz wurde Kritik geäußert. Frau Bauer sagte, das Geld würde so vor sich hindümpeln. Ich sage Ihnen einmal: Ich werde Herrn Garg in Schleswig-Holstein – in Klammern: FDP – mit schönen Grüßen von Ihnen rückmelden, dass Sie das denken. Das ist nämlich nicht der Fall. Der FDP-Sozialminister in Schleswig-Holstein gibt das Geld nämlich aus. Wir geben den Ländern Geld, das eigentlich von ihnen selbst kommen sollte, und sie nehmen es dankenswerterweise an. Egal ob die Grünen mitregieren, egal ob die FDP mitregiert, egal ob Die Linke mitregiert, das Geld wird gerne angenommen. In den allermeisten Ländern wird das Geld wirklich sinnvoll ausgegeben. Wir sollten da den Ländern und den Kommunen auch mehr zutrauen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Das Gleiche gilt übrigens für Berlin, liebe Ekin Deligöz. Wenn die Grünen dort mitentscheiden, dass die Beitragsfreiheit kommt, dann kann man sich nicht hier hinstellen und sagen, das Geld sei falsch ausgegeben. Man muss sich insgesamt einig sein und kann das dann auch zugeben.
Letzte Bemerkung zu den Freiwilligendiensten. Ich bin auch der Auffassung, dass wir insgesamt mehr Geld für Freiwilligendienste ausgeben sollten. Ich glaube nicht, dass es unbedingt um die Zahl der Plätze geht. Die Ministerin hat heute noch einmal deutlich gemacht, so gut wie jeder, der einen Platz wollte, habe einen Platz bekommen. Man kann an der einen oder anderen Stelle noch besser werden, aber ich würde mir wünschen, wir würden auch über Inhalte der Freiwilligendienste diskutieren, wie wir tatsächlich bessere Konzeptionen bekommen. Da sind die Länder übrigens auch mit im Boot; sie finanzieren an dieser Stelle nämlich auch mit.
An dieser Stelle ein Satz an Frau Wiesmann: Die Jugend ernst nehmen.
Herr Rix, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Deligöz?
Wenn ich diesen Satz zu Ende gesprochen habe, dann gerne. – Sie haben gesagt, man müsse die Jugend ernst nehmen. Ich finde, dann sollten Sie die Überlegung eindampfen, einen Pflichtdienst für Jugendliche einführen zu wollen, die es in der Union – insbesondere von Frau Kramp-Karrenbauer – gibt. Wenn wir die Jugend wirklich ernst nehmen wollen und ihre Freiheit erhalten wollen, dann dürfen wir sie nicht zu Diensten verpflichten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Herr Kollege, nachdem Sie mich direkt angesprochen haben, würde ich gerne darauf erwidern. Zum einen war es so, dass die Grünen andere Prioritäten gesetzt hätten. Zum Zweiten wüssten Sie, wenn Sie den Kolleginnen und Kollegen aus dem Haushaltsausschuss zugehört hätten, dass Kommunen und Länder inzwischen 30 Milliarden Euro mehr aus dem Bundesetat erhalten. Warum kann man ihnen nicht zumuten, einen Teil davon für die Zukunft der Kinder in ihrem Land auszugeben? Warum muss der Bund deren originäre Aufgaben auch noch mitfinanzieren? Selbstverständlich hätte der Bund darauf drängen können, mehr Geld in die Qualität zu investieren, anstatt in die originären Länderaufgaben, nämlich in die Finanzierung der Elternbeiträge.
Nur so viel: Wir vom Bund geben freiwillig Geld an die Länder genau für Qualität, genau für – –
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– Natürlich geben wir es für Qualität.
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– Natürlich.
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Es ist doch einfach nicht wahr, dass die Länder die zur Verfügung stehenden Mittel nicht für Qualität ausgeben.
Frau Deligöz!
Gucken Sie bitte in die Verträge, die die Bundesländer mit dem Familienministerium geschlossen haben. Da wird von einzelnen Bundesländern ganz dezidiert sehr deutlich gemacht, dass sie das Geld auch für Qualität ausgeben, und das ist gut so, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Frau Deligöz, wenn Sie eine Zwischenfrage stellen, dann bleiben Sie bitte so lange stehen, bis die Antwort zu Ende gegeben ist.
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Sie ist zu Ende.
Dann ist Ihre Rede auch zu Ende; denn Ihre Redezeit ist reichlich überschritten.
Schade. Ich habe gedacht, Sie lassen noch eine Zwischenfrage zu.
Nein, ich lasse jetzt noch eine Schlussbemerkung zu.
Noch eine Schlussbemerkung zum Programm „Demokratie leben!“. Wir sind alle gemeinsam – mit Ausnahme von ganz rechts – der Auffassung gewesen, dass wir ein solches Programm brauchen. Das haben wir gemeinsam im NSU-Untersuchungsausschuss und im Abschlussbericht festgehalten. Jetzt sollten wir gemeinsam dafür sorgen, dass das Geld auch zielgenau vor Ort ankommt. Das kann man in den Haushaltsberatungen auch noch erreichen.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion der CDU/CSU die Kollegin Silvia Breher.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Gegen Ende der Debatte möchte ich den Blick noch auf einige Punkte im Haushalt richten, die insbesondere den ländlichen Raum angehen. Mitte Juli hat die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ ihren Abschlussbericht vorgelegt. Frau Ministerin Giffey, Sie hatten den Co-Vorsitz. Die beschlossenen Umsetzungsmaßnahmen haben jetzt teilweise auch Bedeutung für Ihren Haushalt.
Ich möchte insbesondere auf das Thema bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt eingehen, das gerade im ländlichen Raum nicht nur eine lange Tradition, sondern auch eine ganz besondere Bedeutung hat. Wenn ich in meinen Wahlkreis schaue – das wird vielen anderen genauso gehen –, muss ich feststellen, dass die riesengroße Zahl von Ehrenamtlichen aus dem normalen Leben gar nicht mehr wegzudenken ist. Die Ehrenamtlichen sind wesentlicher Bestandteil und halten am Ende unsere Gesellschaft zusammen.
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Dazu gehören insbesondere die Freiwilligendienste. Die haben eine ganz besondere Bedeutung. Darin waren wir uns bei den Beratungen des Haushalts für 2019 einig und haben den Haushaltsansatz für die Freiwilligendienste entsprechend um 65 Millionen Euro erhöht.
Umso unverständlicher ist es jetzt für mich und für meine Fraktion, dass im aktuellen Entwurf im Vergleich zum aktuellen Haushalt 50 Millionen Euro fehlen. Frau Ministerin Giffey, in Ihrer letzten Haushaltsrede haben Sie selber hervorgehoben, wie wichtig die Freiwilligendienste sind. Sie wollten sie weiter ausbauen, und Sie haben sogar gesagt, dass Sie einen Rechtsanspruch auf einen Platz einführen wollen. Jetzt wächst der Etat auf, nur bei den Freiwilligendiensten kürzen Sie massiv. Wir haben Sie im Juni dieses Jahres sogar schriftlich aufgefordert, bitte dafür zu sorgen, dass die Mittel für die Freiwilligendienste fortgeschrieben werden. Denn Ehrenamtliche wie Freiwillige brauchen eines: Planungssicherheit und Verlässlichkeit.
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Ich höre aus Ihrem Haus: Die Mittel 2019 fließen nicht ab. – Ja, aber wie denn auch? Die Freiwilligendienste laufen nicht von Januar bis Dezember. Sie starten in der Regel im Sommer mit dem Beginn des Schuljahres und gehen dann eben bis zum Sommer des nächsten Jahres. Die Träger vor Ort in meinem Wahlkreis sagen mir, dass sie aufgrund der fehlenden überjährigen Finanzierungssicherheit eben das, was sie eigentlich angestrebt haben, nämlich die pädagogische Begleitung oder auch die Assistenzen für die Freiwilligen mit Beeinträchtigungen, gar nicht anbieten können. Wie sollen denn Verträge geschlossen werden, wenn die Finanzierung nur von August bis Dezember gesichert ist? Es funktioniert einfach nicht, wenn die Mittel im nächsten Jahr nicht zur Verfügung stehen.
Wie soll es im Sommer des nächsten Jahres weitergehen mit den 5 000 zusätzlichen Stellen, die wir jetzt drinhaben und die jetzt zu Ende finanziert werden? Wie geht es denn nächstes Jahr, von 2020 auf 2021, weiter? Dann fehlt das Geld doch wieder. Planungssicherheit und Verlässlichkeit sehen für uns einfach anders aus. Ehe Sie immer neue Ideen ankündigen wie zum Beispiel den Rechtsanspruch, finanzieren Sie doch erst einmal das aus, was Sie schon versprochen haben! Hier werden wir in den parlamentarischen Beratungen rangehen.
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Ein weiteres wichtiges Thema für uns – wie im Koalitionsvertrag vereinbart und jetzt eben auch im Kabinett beschlossen – ist die Errichtung und die Ausgestaltung der „Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt“. Die Stiftung soll die Strukturen gerade in den strukturschwachen und in den ländlichen Räumen für das Ehrenamt stärken. Deshalb gehört für uns die Stiftung auch nicht in eine Großstadt, sondern in den ländlichen Raum. Wir wollen die Stiftung in einer Kleinstadt oder in einem Mittelzentrum ansiedeln. Das wäre ein starkes Signal für die Stärkung des ländlichen Raums.
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Wir brauchen keine Stiftung zum Selbstzweck, keine Doppelstrukturen und keine Bürokratiemonster, die sich selbst verwalten. Wir wollen die Ehrenamtlichen vor Ort stärken. Die Ehrenamtlichen brauchen Ansprechpartner. Das sind Menschen, die ihnen zur Verfügung stehen, die ihnen Know-how geben und sie begleiten. Dafür werden wir sorgen.
Gut finde ich, dass hier ein Schwerpunkt auf das Thema Digitalisierung gesetzt wird. Denn es ist wichtig, Tools für die Ehrenamtlichen zu entwickeln, die diese dann abrufen können. Ich kann Ihnen versprechen: Wir werden uns bei der Ausgestaltung der Stiftung sehr genau und sehr intensiv einbringen.
Zum Thema „Engagement und Ehrenamt“ gehören für mich zum Beispiel auch unsere Mehrgenerationenhäuser. Ungefähr 540 nehmen am Bundesprogramm teil, und auch bei mir im Wahlkreis haben wir zwei. Das sind nicht nur Häuser, das sind Treffpunkte für Jung und Alt mit einem unfassbar tollen Angebot – das ist natürlich je nach Ort unterschiedlich –: Ferienbetreuung, Kinderbetreuung, Kleinkindergruppen, Seniorengruppen und vieles andere mehr. Das alles wird geleistet mit unzähligen ehrenamtlichen Stunden vor Ort.
Aber auch dort reicht Ehrenamt alleine eben nicht aus. Wenn die Finanzierung jetzt verstetigt wird, dann ist das gut, und dann ist das richtig. Aber diese Häuser haben seit zwölf Jahren denselben Etat zur Verfügung. Es gibt keine Erhöhung. Mieten steigen, Personalkosten steigen, Sachkosten steigen. Das alleine kann Ehrenamt nicht auffangen. Deshalb braucht es auch hier Planungssicherheit und Verlässlichkeit. Finanzieren Sie diese Häuser langfristig!
Noch einmal mein grundsätzlicher Appell – ähnlich wie es mein Kollege schon gemacht hat –: Wir müssen die Welt nicht mit jedem Haushalt neu erfinden. Lassen Sie uns doch auf das schauen, was es schon gibt und wo schon eine hervorragende Arbeit geleistet wird. Das lassen Sie uns ausbauen und stärken und sicher und ehrlich finanzieren. Das ist für mich der richtige Weg. In diesem Sinne freue ich mich auf unsere parlamentarischen Beratungen. Ich denke, dass wir an der einen oder anderen Stelle das Gute noch ein bisschen besser machen können.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Letzter Redner in der Debatte ist der Kollege Alois Rainer für die Fraktion der CDU/CSU.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Haushalt des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – meines Erachtens eine Querschnittsaufgabe in unserem Land – wurde von der Bundesregierung vorgelegt. Erneut sind die familienpolitischen Leistungen gegenüber 2019 gestiegen, um circa 1,35 Milliarden Euro auf nunmehr 11,8 Milliarden Euro. Meine Damen und Herren, schauen wir ein Stück weiter zurück. Seit 2013, seit Beginn dieser großen Koalition, hat sich dieser Etat um 73,5 Prozent erhöht. Ich finde, auf diese Zahl kann man stolz sein.
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Die gesetzlichen Leistungen für 2020 sind im Vergleich zum vorigen Haushaltsjahr um circa 1 Milliarde Euro mehr geworden. Die wichtigste Familienleistung ist und bleibt das Elterngeld. Für die Jahre bis 2023 sind Ausgaben von rund 30 Milliarden Euro kumuliert vorgesehen. Das zeigt mehr denn je, dass die Einführung des Elterngeldes eine grundlegende und richtige Entscheidung gewesen ist.
Meine Damen und Herren, heute ist schon angesprochen worden, eine weitere wichtige gesetzliche Leistung, die vor einigen Jahren verbessert worden ist, war der Unterhaltsvorschuss. Gerade mit dem Unterhaltsvorschussgesetz konnte man Alleinstehenden große Hilfe leisten. Meine Damen und Herren, auch in diesem Haushaltsjahr steigen die Mittel beim Unterhaltsvorschuss wieder. Frau Ministerin, ich habe letzte Woche sehr wohl vernommen, Sie sind unserer freundlichen Bitte nachgekommen und ließen prüfen, wie viele Unterhaltspflichtige überhaupt Unterhalt zahlen können. Das sind 39 Prozent, aber 61 Prozent können bezahlen.
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– Ja, das wollte ich so sagen. Sie haben mich jetzt aber verbessert. – Also: 61 Prozent können nicht bezahlen und 39 Prozent können bezahlen. Ich bitte Sie in diesem Hohen Hause darum, dass wir bei diesen 39 Prozent die Rückholquote effizient verbessern. Es kann nicht sein, dass man sich aus seiner Verantwortung stiehlt.
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Meine Damen und Herren, mit dem Familienentlastungsgesetz entlasten wir die Familien um rund 10 Milliarden Euro in den nächsten Jahren. Es kann doch nicht sein, dass dies nichts wert ist. Es ist am 1. Juli in Kraft getreten. Das war wichtiger als die Hochzeit von Heidi Klum, das kann für manche auch schön sein. Für mich ist das Familienentlastungsgesetz wesentlich wichtiger gewesen, und zwar durch die Erhöhung des Kindergeldes, des Kinderzuschlages, des Grundfreibetrages.
Sehr geehrte Frau Kollegin Harder-Kühnel, ich will Ihre Rede nicht kommentieren, aber eines stößt mir immer sauer auf, und zwar wenn jemand sagt: Kinder sind ein Armutsrisiko. – Ich spreche dagegen: Kinder sind ein Glücksfall, Kinder bereichern das Leben.
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Kinder sind schlichtweg unsere Zukunft. Zu sagen, sie sind ein Armutsrisiko, geht in diesem Hause überhaupt nicht. Sie können sich hier aufregen, wie Sie wollen, aber es ist so, dass Kinder unsere Zukunft sind.
Meine Damen und Herren, auch die Mittel für vielfältige Programme im Einzelplan erhöhen wir um 151 Millionen Euro auf insgesamt 1,2 Milliarden Euro. Ja, man darf über alles reden, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wir dürfen dann über alles reden, wenn uns etwas nicht schmeckt. Ich denke, das muss auch erlaubt sein. Mit den geplanten Ausgaben finanzieren wir die Fachkräfteoffensive, die Freiwilligendienste, „Demokratie leben!“ und Aufgaben der freien Jugendhilfe. Ich habe mir vor Kurzem selbst ein Bild von der Arbeit beim Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben in Köln machen können. Ich kann Ihnen versichern, dass die Ansprechpartner beim Hilfetelefon eine hervorragende, ja, beste Arbeit leisten.
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Meine Damen und Herren, wir müssen auch nachbessern. Gerade die Öffentlichkeitsarbeit leidet im kommenden Jahr wahrscheinlich unter weniger Mitteln. Wir, die Berichterstatterinnen und Berichterstatter, werden im Haushaltsberatungsverfahren versuchen, Verbesserungen herbeizuführen.
Heute ist viel über die Mittel gesprochen worden, die man in den einzelnen Bereichen noch braucht. Es hieß, selbst Grundschullehrer sollten aus dem Etat gefördert werden. Ich kann nur sagen: Wir leben in einem föderalistisch aufgebauten Staat. Es gibt Zuständigkeiten, und die Zuständigkeit für die Schulen liegt ganz klar bei den Ländern. Gerade wenn es um die Lehrer geht, dann wollen und dürfen sie selbst entscheiden. Wir übernehmen im Bundesetat schon seit vielen Jahren Länderaufgaben; nicht zur Gänze, aber wir unterstützen mit hohen Milliardensummen.
Wenn ich eines noch sagen darf: Aus dem Kita-Aufbaufonds, der seit 2017 mit einem Volumen von 1,1 Milliarden Euro gefüllt ist, sind bis 30. Juni 2019 225 Millionen Euro abgeflossen. Das ist etwas wenig, es könnte mehr sein. Der Bund stellt die Mittel zur Verfügung, die Länder müssen sie nur abrufen.
Abschließend möchte ich mich bei allen bedanken, die sich im Ehrenamt und im Hauptamt dafür einsetzen, dass es unserer Gesellschaft so gut geht und alles gut funktioniert. Ich freue mich auf die Beratungen über den künftigen Haushalt 2020.
Danke schön.
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Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen inmitten großer Herausforderungen. Wir müssen das Klima schützen, die Digitalisierung gestalten, Wohlstand und Zusammenhalt bewahren, und das alles gleichzeitig, und zwar in Zeiten, in denen die Einnahmen nicht mehr so üppig steigen wie bisher, in Zeiten, in denen der Brexit und internationale Handelskonflikte unsere Konjunktur zu bremsen drohen.
Die Bundesregierung setzt mit dem vorliegenden Haushalt die richtigen Prioritäten. Wir investieren in Bildung und Forschung, wir investieren in die Menschen in unserem Land.
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Eine gute Aus- und Weiterbildung, exzellente Forschung und eine hohe Innovationskraft bleiben entscheidend für unser Land. Sie bleiben entscheidend für ein gutes Leben jedes Einzelnen, für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Deswegen investieren wir auch im kommenden Jahr mehr als 18 Milliarden Euro in Bildung und Forschung. Hinzu kommen die Milliarden für den digitalen Wandel an unseren Schulen.
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An dieser Stelle möchte ich auch die steuerliche Forschungsförderung erwähnen. Mit ihr stärken wir die Innovationskraft unserer Unternehmen, insbesondere der mittelständischen Wirtschaft. Damit sind wir gut aufgestellt, um den Wandel in unserer Arbeitswelt und den Weg hin zu einer nachhaltigen sozialen Marktwirtschaft tatkräftig unterstützen zu können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich als Bildungsministerin sagen: Ich bin sehr froh, dass unsere jungen Menschen sich wieder politisch engagieren. Sie engagieren sich für ein Menschheitsthema.
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Das freut mich besonders; denn die Schöpfung zu bewahren, den natürlichen Lebensraum zu erhalten, dem Klimawandel entgegenzutreten – das sind Kernthemen meines Hauses.
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Aus Deutschland heraus, von der Bundeskanzlerin initiiert, treiben wir die Forschung seit Jahren entscheidend voran. Ohne die Unterstützung der deutschen Klimaforschung hätte es den Prozess für das Weltklimaabkommen von Paris in dieser Form nicht gegeben.
In der nächsten Woche fahre ich nach Tromsø in Norwegen. Von dort wird unser deutsches Forschungsschiff „Polarstern“ zu einer internationalen Arktisexpedition aufbrechen. Auf diese größte Arktisexpedition aller Zeiten haben wir seit Jahren hingearbeitet. Die Arktis ist die Klimaküche der Welt. Dürre, Stürme und Starkregen, auch hier in Deutschland, werden wesentlich von dort mit beeinflusst. Es ist die Arktis, die uns einen tiefen Blick hinein in die Zukunft unseres Klimas und des Wetters erlaubt.
Wir wissen heute schon viel, um heute zu handeln. Wir möchten aber auch, dass wir morgen genug wissen, um morgen zu handeln. Wir sind uns unserer Verantwortung für unsere Erde bewusst. Sie ist und bleibt unsere Lebensgrundlage. Deshalb treiben wir die technologischen Innovationen zum Schutz unseres Klimas voran. Wir denken Ökologie, Wirtschaft, Soziales und Technologie zusammen. Wir sind diejenigen, die in einem gereiften demokratischen und rechtsstaatlichen System leben. Deshalb haben wir die Kraft. Wir können deshalb das Klimainnovationsland Deutschland bauen; denn Klimaschutz ist auch Technologiepolitik, ist auch Innovationspolitik. Umwelttechnik „Made in Germany“ ist schon heute ein Exportschlager, und Klimainnovationen „Made in Germany“ sollen auch zukünftig unser Markenzeichen sein.
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Wir setzen auf die CO2-Reduktion in industriellen Prozessen und auf speicherbare grüne Energieträger.
Nehmen wir das Projekt Carbon2Chem. Dort wird Hüttengas in chemische Grundstoffe umgewandelt. Carbon2Chem kann den CO2-Ausstoß eines Stahlstandortes um bis zu 70 Prozent verringern. Wir wollen die Industrie in Deutschland halten. Wir unterstützen die Industrie, CO2-frei zu werden.
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Bei den Energieträgern setzen wir auf speicherbaren grünen Wasserstoff; denn grüner Wasserstoff wird zentraler Energieträger der Zukunft.
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Wir wollen die Voraussetzungen für eine wasserstoffbasierte Wirtschaft schaffen. Dafür müssen wir noch einige Fragen beantworten: Wie können wir grünen Wasserstoff wirtschaftlich in großen Mengen erzeugen? Wie können wir ihn speichern? Wie können wir ihn transportieren?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere zweite Herausforderung, unsere zweite Herkulesaufgabe ist der digitale Wandel. Digitale Technologien ermöglichen es uns, die Zukunft zu gestalten; denn Digitalisierung, gut gemacht, ermöglicht bessere Bildung, bessere Gesundheit, bessere Mobilität, bessere Energie. Für diesen digitalen Wandel wollen wir uns technologisch rüsten. Unser Ziel ist es, Deutschland zum führenden Standort für KI in der Welt zu machen.
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Wir bauen dafür aktuell das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz und die KI-Zentren aus. Zudem schaffen wir eine exzellente sichere Dateninfrastruktur nach europäischen Standards. Gaia-X ist Ihnen ja mittlerweile ein Begriff. Ein europäisches Cloudsystem nach dem Vorbild des International Data Space aufzubauen – das ist unser Programm, um gerade auch der mittelständischen Wirtschaft eine leistungsfähige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.
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Last, but not least: Wir gründen gerade die Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen. Sie soll bahnbrechende Ideen in Deutschland aufspüren und daraus Produkte machen und damit neue Märkte erschließen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir können sagen: Wir gestalten dieses Land, unser Land, unsere Zukunft. Das ist unsere Gestaltungsaufgabe. Und diesen Weg können wir nur gemeinsam gehen. Auf diesem Weg brauchen wir jeden in unserer Gesellschaft, jeden Menschen mit seinen Talenten, jeden Menschen an seinem Ort, Menschen, die Lust haben, sich auf Neues einzulassen, Menschen, die lernen wollen, Menschen, die diese Welt verstehen und gestalten wollen, Großmütter, die mit ihren Enkeln per WhatsApp chatten, fünfzigjährige Fachkräfte, die sich in neuen KI-Technologien fortbilden, aber auch junge Menschen, die wissen, dass man das Smartphone mal weglegen muss. Lassen Sie uns ein Land werden, das optimistisch in die Zukunft geht. Wir haben sehr gute Voraussetzungen dafür.
Ich bin froh, dass uns die OECD in dieser Woche bestätigt hat, dass Deutschland in der Bildung im internationalen Vergleich gut aufgestellt ist. Gerade in der Aus- und Weiterbildung sowie in der MINT-Bildung sind wir spitze.
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Trotzdem haben wir noch Luft nach oben. Wir brauchen noch mehr Fachkräfte. Im 50. Jahr des Berufsbildungsgesetzes sind die berufliche Bildung und die duale Ausbildung wichtiger denn je, und mit der BBiG-Novelle unterstreichen wir das.
Auch beim DigitalPakt für Schulen geht es vorwärts; die ersten Gelder werden gerade abgerufen.
Auch mit den Wissenschaftspakten haben wir in diesem Jahr finanzielle Sicherheit und Planbarkeit für unsere außeruniversitären Forschungseinrichtungen, für die Deutsche Forschungsgemeinschaft und für die Hochschulen geschaffen – im Übrigen für längere Zeit als je zuvor.
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Und – ganz aktuell – mit dem Tenure-Track-Programm haben wir gerade heute Mittag unser Ziel erreicht. Der zentrale Impuls für mehr Planbarkeit und Transparenz im Karriereverlauf von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist gesetzt. So locken wir die Besten der Besten zu uns, und so machen wir Deutschland stark für die Zukunft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau vor einer Woche haben wir das Futurium eröffnet. Dieses spektakuläre Zukunftshaus liegt gleich hier um die Ecke. Im Futurium kann jeder sehen: Bildung und Forschung sind unsere Stärke. Deutschland ist und Deutschland bleibt das Land der Erfinder, Tüftler und Denker. Wie groß die Herausforderungen auch sein mögen – wir gehen sie an.
In diesem Haushalt können Sie erkennen: Eine nachhaltige soziale Marktwirtschaft, gesellschaftlicher Zusammenhalt und Zukunftschancen für jeden – das alles liegt uns am Herzen, und diese Aufgaben gehen wir an.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist für die Fraktion der AfD der Kollege Dr. Götz Frömming.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin, als ich Ihnen eben gelauscht habe – das ging ja runter wie Öl –, habe ich mich nur gefragt: Wo ist dieses Land eigentlich, das Sie da beschrieben haben?
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Das klingt wie eine Utopie, aber mit der Realität hat das leider noch nicht so viel zu tun.
Über die Hälfte Ihres Etats, Frau Ministerin, ist inzwischen in sogenannten Bund-Länder-Vereinbarungen gebunden. Der Bundesrechnungshof kritisiert das in seinem uns vorliegenden aktuellen Bericht. Warum eigentlich? Weil wir damit immer tiefer in Kernbereiche eindringen, für die in unserer vom Grundgesetz ja besonders geschützten föderalen Ordnung die Länder zuständig sind, Frau Ministerin. Beim DigitalPakt und auch durch den Einstieg des Bundes in die Grundfinanzierung der Hochschulen bewegen Sie sich am Rande des Verfassungsbruchs.
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Unabhängig von dieser verfassungsrechtlichen Problematik sind die Bund-Länder-Vereinbarungen noch in anderer Hinsicht äußerst bedenklich: Zum einen zwingen sie mithilfe eines goldenen Zügels den Ländern und auch den Kommunen bildungspolitische Ziele auf, die diese ohne die Millionen des Bundes nicht oder mit einer anderen Priorisierung verfolgen würden. Ich nenne als Beispiele den Ausbau von Ganztagsschulen sowie die Digitalisierung des Lehrens und Lernens. Zum anderen werden durch diese teilweise in Sondervermögen langfristig gebundenen Mittel die Gestaltungsmöglichkeiten für die eigentlichen Aufgaben des Bundes, beispielsweise die Förderung der Spitzentechnologie, kleiner. Übrigens auch für zukünftige Parlamente, die erst noch zu wählen sind.
Um es einmal mit deutlichen Worten zu sagen, Frau Ministerin: Es ist nicht Aufgabe des Bundes, Tablets oder iPhones in die Schulen zu bringen oder Software dafür zu kaufen. Aufgabe des Bundes ist es, dafür zu sorgen, dass es in Deutschland wieder Firmen gibt, die dies entwickeln und herstellen können.
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Der Bundesrechnungshof, meine Damen und Herren, kritisiert zu Recht, dass der Bund mit dem vorliegenden Haushalt zum ersten Mal in der Geschichte dauerhaft in die Grundfinanzierung – ich sagte es bereits – der Hochschulen und auch anderer Landeseinrichtungen einsteigt. Dadurch werde die einst klar getrennte Verantwortlichkeit zwischen Bund, Ländern und auch Kommunen verwischt. Der Bürger kann nicht mehr nachvollziehen, wer eigentlich für genau was zuständig und damit auch verantwortlich ist.
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– Ich kann mir schon vorstellen, dass Sie das nicht hören wollen. – Ein wichtiges Prinzip der Demokratie, nämlich dass der Bürger weiß, wen er abwählen muss, wenn etwas schiefgeht, ist nicht mehr gegeben.
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Bund und Länder, meine Damen und Herren, werden sich beim vorhersehbaren Scheitern des DigitalPakts dann gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben. Aber vielleicht ist das ja auch Sinn der Übung, hier die Verantwortlichkeiten schon von vornherein zu verwischen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie es mich ganz deutlich sagen: Digitale Bildung gibt es nicht, und kein Computer der Welt wird unseren Kindern die Anstrengungen des Lernens abnehmen können.
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Insgesamt, so der Bundesrechnungshof dazu abschließend – ich zitiere –, lassen die Vereinbarungen, die der Bund mit den Ländern geschlossen hat, ein schlüssiges Gesamtkonzept vermissen.
Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle den Bundesrechnungshof einmal ausdrücklich loben. Dort gibt es offenkundig unabhängige, mutige Beamte im besten Sinne des Wortes, die der Sache und damit unserem Staat verpflichtet sind und nicht irgendeiner Partei.
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Dass das in diesen Zeiten gefährlich sein kann, haben wir im Fall Maaßen gesehen.
({7})
Meine Damen und Herren, in den nächsten zehn Jahren, von 2020 bis 2030, sollen 109 Milliarden Euro an die außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie die Max-Planck-Gesellschaft oder die Fraunhofer-Gesellschaft fließen. Das ist eine gewaltige Summe. Neben dem Pakt für Forschung und Innovation wird sich der Bund auch bei der Förderung der Hochschulen engagieren. Im gleichen Zeitraum sind hierfür 40 Milliarden Euro vorgesehen, insgesamt also rund 150 Milliarden Euro für die Forschungseinrichtungen und Hochschulen – 150 Milliarden Euro, die vom Steuerzahler, von den Bürgern und den produzierenden Unternehmen erst einmal aufgebracht werden müssen, meine Damen und Herren. Der Steuerzahler hat deshalb ein Recht darauf, zu erfahren, was mit diesem Geld genau geschieht und ob es auch gut angelegt ist. Darüber, Frau Ministerin, habe ich leider in Ihrer Rede wenig Konkretes gehört, und zu Recht hat der Bundesrechnungshof mehrfach darauf hingewiesen, dass hier nachgebessert werden muss und die Zielvereinbarungen und die Kontrollfunktion des Bundes sehr zu wünschen übrig lassen.
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Meine Damen und Herren, während der Sommerpause musste der Ausschuss für Bildung und Forschung eine Sondersitzung abhalten; vielleicht gehen die Kollegen später noch darauf ein. Dabei ging es um den Versuch, das merkwürdige Zustandekommen einer millionenschweren Standortentscheidung zu erhellen. Es ging um die geplante Errichtung eines Zentrums für Batterieforschung, das eng mit der Wirtschaft kooperieren soll. Obwohl aus dem Kreise der externen Berater zunächst Ulm favorisiert worden war, fiel die Entscheidung später auf Münster bzw. Ibbenbüren – zufällig die Wahlkreise der Ministerin und der stellvertretenden Ausschussvorsitzenden. Die leerausgegangenen Standorte, meine Damen und Herren, erhalten übrigens Kompensationszahlungen, sozusagen eine Art Schweigegeld.
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Frau Ministerin, ich muss Ihnen sagen, Ihr Agieren in dieser Angelegenheit war nicht nur intransparent, es war auch ungeschickt, um es höflich auszudrücken. So darf man mit dem Geld der Steuerzahler nicht umgehen, meine Damen und Herren.
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Aber, meine Damen und Herren, es gibt auch Positives zu vermelden in diesen Tagen. Gestern wurde der Bildungsvergleich der Länder vorgestellt. Daraus geht hervor, dass die Menschen in Ostdeutschland, also da, wo man verstärkt AfD wählt, höher qualifiziert und besser gebildet sind als die Bürger im Westen.
({11})
Damit werden im Übrigen auch die Befunde des nationalen Bildungsberichts von 2018 bestätigt. Demnach sind in Ostdeutschland nur 7 Prozent der Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter ohne Berufsabschluss. In Ländern wie Bremen oder Nordrhein-Westfalen sind es über 20 Prozent. Und was unterscheidet Ost- und Westdeutschland? Richtig: Westdeutschland hat über Jahre hinweg eine Migration aus überwiegend bildungsfernen Schichten hinter sich. Deshalb fordern wir, meine Damen und Herren, dass der Bildungsstand und auch die Bildungsfähigkeit zum zentralen Kriterium für die Entscheidung werden muss, wer in unser Land kommen und auch bleiben darf.
({12})
Aus Sicht der AfD ist es ein unhaltbarer Zustand, dass die Fleißigen, die Wohlhabenden und die Klugen unser Land verlassen, während wir im Gegenzug das Bildungsprekariat der Welt bei uns aufnehmen.
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Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Aus Sicht der Alternative für Deutschland dürfen wir unser bewährtes nationales und föderales Bildungssystem nicht aufgeben. Wir dürfen es nicht an vom Ausland gesteuerte Lobbyisten ausliefern, die von Bildungsgerechtigkeit reden, in Wahrheit aber Bildung zur Ware machen wollen.
Die AfD hat als einzige Fraktion in diesem Hause erkannt, welche Gefahren von einer Ökonomisierung und Globalisierung des Bildungswesens ausgehen. Wir jedenfalls werden unser nationales Bildungssystem verteidigen, und koste es auch unsere letzten Anstrengungen.
Ich danke Ihnen.
({14})
Vielen Dank. – Als Nächster spricht der Kollege Swen Schulz für die Fraktion der SPD.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer wieder zu hören – auch gestern in der Generaldebatte zum Kanzlerinnenetat –, die Bundesregierung kürze bei Bildung und Forschung. Als Haushaltspolitiker kann ich Ihnen sagen: Das ist falsch. Es ist schlicht und einfach sachlich falsch. Ich will das auch kurz erläutern.
Der Haushaltsplanentwurf der Bundesregierung sieht für den Etat des Ministeriums für Bildung und Forschung für das nächste Jahr 18,2 Milliarden Euro vor. Das ist gegenüber dem laufenden Jahr 2019 zwar ein Minus von 69 Millionen Euro, aber nur auf den ersten Blick. Denn auf den zweiten Blick fällt auf: Die größte Veränderung ist der verabredungsgemäße Wegfall der Kompensationsmittel für die Bundesländer im Zusammenhang mit der Föderalismusreform. Das sind 715 Millionen Euro: Geld, das dem Bundesministerium gar nicht zur Verfügung stand, weil es ohne Zweckbindung an die Länder überwiesen wurde. Diese 715 Millionen Euro sind nun aus der Haushaltsplanrechnung weggefallen, aber der Etat sinkt lediglich um 69 Millionen Euro.
({0})
Das bedeutet unter dem Strich rund 650 Millionen Euro mehr, die das Ministerium für Bildung und Forschung zur Verfügung hat. Das ist eine starke Ansage, meine sehr verehrten Damen und Herren.
({1})
Dann gibt es noch ein Zweites: Nicht alle Ausgaben für Bildung und Forschung stehen im Einzelplan des Ministeriums. Manches ist auch im Energie- und Klimafonds veranschlagt. Knapp 100 Millionen Euro davon werden 2020 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung genutzt. Hinzu werden Strukturmittel aus dem Kohlekompromiss kommen. Nicht zu vergessen das Sondervermögen für den DigitalPakt Schule: 5 Milliarden Euro werden wir insgesamt in den Schulen investieren. Und es läuft bereits das Schulsanierungsprogramm im Umfang von 3,5 Milliarden Euro. Weiter gibt es zusätzliche 500 Millionen Euro für den Bereich „künstliche Intelligenz“, die noch auf die einzelnen Ressorts verteilt werden. Die Gesamtausgaben, meine sehr verehrten Damen und Herren, des Bundes für Bildung und Forschung belaufen sich addiert auf über 25 Milliarden Euro. Das ist ein historischer Höchststand: über 25 Milliarden Euro!
({2})
Es gab noch keine Koalition, die so viel für Bildung und Forschung getan hat wie diese.
Jetzt ist natürlich die blanke Höhe der vorgesehenen Ausgaben für Bildung und Forschung gar nicht das Entscheidende, sondern es kommt darauf an, wofür die Steuermittel im Einzelnen eingesetzt werden.
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Auch da setzt dieser Haushaltsplanentwurf richtige Akzente, die wir Sozialdemokraten begrüßen und unterstützen.
Zum einen werden die langen Linien, die wir im Grunde bereits in rot-grüner Regierungszeit angelegt haben, fortgeschrieben. Die großen Projekte der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, um Hochschulen zu stärken,
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Studienplätze zu schaffen, die Qualität des Studiums zu verbessern, exzellente Forschung an den Hochschulen und an den außeruniversitären Einrichtungen zu unterstützen – das alles wird fortgeführt und in der Finanzplanung auch mit jeweils höheren Mitteln.
Hinzu kommen die neuen Anstrengungen dieser Koalition. Der DigitalPakt Schule startet endlich, und auch die Ganztagsbetreuung an den Schulen war der SPD schon in den Koalitionsverhandlungen besonders wichtig. Auch dafür gibt es nun das Geld, und das ist auch gut so, Herr Frömming.
({5})
Das sind wesentliche Vorhaben, die nicht ernsthaft kritisiert werden können, und wenn sie doch kritisiert werden, dann halten wir das aus, weil wir wissen, dass die Bürgerinnen und Bürger diese zusätzlichen Anstrengungen für Bildung auch begrüßen.
({6})
Wir Sozialdemokraten legen immer auch ein besonderes Augenmerk auf das BAföG für Schüler und Studierende. Die beschlossene Reform mit deutlichen Leistungsverbesserungen wird natürlich auch zu erheblich höheren Ausgaben als in den letzten Jahren führen.
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Und: Wir kümmern uns darüber hinaus um die berufliche Bildung. Das Aufstiegs-BAföG erhöhen wir um sage und schreibe 50 Prozent. Das ist wohl beispiellos, meine sehr geehrten Damen und Herren.
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Mit dem Haushalt 2020 wird der Bund noch aktiver in der Forschungsförderung. Die Bundesministerin Karliczek hat schon einiges dazu gesagt; ich will das nur kurz andeuten. Es geht darum, drängende Probleme zu lösen. Da sind zum einen die Klima- und Energiepolitik und die Klima- und Energiefragen zu nennen, aber auch die Gesundheitsforschung, etwa der Kampf gegen Krebs. Die Bundesregierung hat eine erfolgreiche Hightech-Strategie aufgelegt und kümmert sich um Zukunftsfragen rund um Digitalisierung und künstliche Intelligenz.
Wir wollen mit Forschung Impulse setzen für die Unternehmen, für Wirtschaftswachstum und für Arbeitsplätze, und es geht uns darüber hinaus auch darum, die Forschung in den Dienst der Gesellschaft und der einzelnen Menschen zu stellen, damit Leben und Arbeiten gesünder, besser, nachhaltiger werden und die Gesellschaft gerechter, sozialer und friedlicher wird.
Nur einige Themen will ich hier kurz exemplarisch beleuchten, die uns Sozialdemokraten besonders wichtig sind und die wir uns in den Haushaltsberatungen, die jetzt ja kommen, noch genauer anschauen werden.
In den vergangenen Jahren haben wir bereits die Bundesförderung für die Fachhochschulen Schritt für Schritt hochgefahren. Die Fachhochschulen haben internationales Renommee und sind als anwendungsorientierte Hochschulen auch wichtige Partner vor Ort. Der Entwurf der Bundesregierung sieht da auch schon Verbesserungen vor. Gleichwohl sollten wir überlegen, ob es nicht möglich ist, die Fachhochschulen gerade mit Blick auf die kleineren und mittleren Unternehmen und als wichtige Akteure auch in Regionen mit Strukturproblemen noch mehr zu stärken.
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Dann ist uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die Arbeits-, Produktions- und Dienstleistungsforschung besonders wichtig. Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Arbeit 4.0, das sind wichtige Themen, nicht nur aus ökonomischer Perspektive, sondern ganz konkret für die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben. Da brauchen wir kluge Wissenschaft, die uns Hinweise gibt, wie wir die neuen Technologien zum Wohle der Menschen nutzen. Die Arbeitswelt der Zukunft – ein ganz wichtiges Feld, wirtschaftlich wie auch sozial –: Wir werden schauen, ob es da im Haushalt noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt.
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Last, but not least will ich auf die Friedens- und Konfliktforschung zu sprechen kommen.
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– Ja, das ist besonders wichtig; ganz richtig. -
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Wir wissen alle, wie schwierig die Lage in der Welt ist. Auch da benötigen wir Impulse, wie Konflikte vermieden und beigelegt werden können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sehe, meine Redezeit läuft ab. Ich habe also nicht die Möglichkeit, auf weitere wichtige und interessante Punkte des Etats einzugehen. Ich glaube, die Bundesregierung hat einen starken Haushaltsplanentwurf vorgelegt. Jetzt liegen die parlamentarischen Beratungen vor uns, und wir werden wie in den letzten Jahren schauen, ob wir nicht an der einen oder anderen Stelle diesen guten Etat noch ein Stück weit besser machen können.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Katja Suding für die Fraktion der FDP.
({0})
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin Karliczek, immer wieder zu betonen, wie wichtig Bildung ist, dann aber in Ihrem Einzelplan schon wieder Kürzungen zuzulassen, das ist wirklich Ihre Kapitulationserklärung als Ministerin.
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Ihren Gestaltungsanspruch haben Sie auf jeden Fall schon aufgegeben. Herr Schulz, da haben mich Ihre langen Ausführungen wirklich nicht überzeugen können.
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Das klang alles nur nach Ausrede.
Hier wird gekürzt,
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und zwar 70 Millionen Euro wollen Sie im Einzelplan 30 kürzen: bei den zentralen Zukunftsaufgaben Bildung und Forschung. Das ist ja schon schlimm genug. Aber eine noch größere Lücke – dazu haben Sie nichts gesagt – klafft ein bisschen besser versteckt, aber trotzdem sichtbar beim DigitalPakt Schule. Den wollen Sie nämlich aus einem Sondervermögen finanzieren, das sich aus den Erlösen aus der Versteigerung der 5G-Lizenzen speist.
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Die reichen aber bei Weitem nicht aus; das wissen wir jetzt. Das Prinzip Hoffnung ist hier gescheitert. Es fehlen über 800 Millionen Euro allein in dieser Legislaturperiode. Von Ihnen, Frau Karliczek, haben wir kein Wort darüber gehört, woher Sie die denn nehmen wollen. Das aber sind Sie den Schülern, Lehrern und Eltern in unserem Land schuldig.
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Die Herausforderungen beim DigitalPakt sind noch viel größer. Damit unsere Kinder die Chancen der digitalen Bildung wirklich nutzen können, kann und darf der DigitalPakt, der vorwiegend auf die technische Ausstattung setzt, nur der Anfang sein. Um die Technik überhaupt sinnvoll einzusetzen, und zwar bevor sie veraltet ist, brauchen unsere Schulen noch mehr. Sie brauchen IT-Administratoren, Weiterbildung für Lehrkräfte, digitale Schulbücher und klare Datenschutzstandards. Wir fordern deshalb einen DigitalPakt 2.0. Wir haben Ihnen dazu auch schon ein Konzept vorgelegt. Ich fordere Sie noch mal auf, Frau Karliczek: Beginnen Sie jetzt endlich mit den Verhandlungen dafür!
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Das Problem ist ja nicht nur, dass Ihnen als Ministerin offenbar Ideen, Ehrgeiz und auch Durchsetzungsstärke fehlen; Ihnen ist offenbar auch egal, was mit den Mitteln passiert, die Sie investieren. Die Mittel des DigitalPakts müssen laut Artikel 104c des Grundgesetzes die Leistungsfähigkeit der Schulen vor Ort steigern, und das ist keine unverbindliche Empfehlung; das ist Verfassungsauftrag. Aber Sie stellen noch nicht mal Kriterien auf, an denen die Leistungsfähigkeit der Schulen überhaupt gemessen werden kann. Wie wollen Sie denn überhaupt garantieren, dass die Schulen nach dem DigitalPakt besser sind als vorher, wenn Sie nicht mal einen Maßstab dafür haben?
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Hier müssen Sie ganz schnell nachsteuern, Frau Karliczek.
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Auch beim Hochschulpakt schütten Sie das Geld mit der Gießkanne aus. Ihnen fällt nichts Besseres ein, als die Mittel schlicht und einfach pro Kopf zu verteilen. Damit bleibt aber der Anreiz für die Hochschulen, auf Masse statt auf Qualität zu setzen. Mehr Qualität bekommen Sie nur, wenn Sie die Auszahlung der Paktmittel daran knüpfen, dass die Hochschulen die Betreuungsrelation verbessern,
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innovative Lehrkonzepte ausbauen und sich für das lebenslange Lernen öffnen. Es reicht doch nicht aus, das Geld einfach nur auszugeben. Viel hilft nicht viel. Sie müssen dafür sorgen, dass das Geld bei den Hochschulen auch tatsächlich ankommt, dass es sie besser macht. Das müssen Sie tun, Frau Karliczek.
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Auch beim BAföG scheint es Ihnen egal zu sein, ob die Mittel wirklich helfen. Immer weniger Studierende haben einen Anspruch auf BAföG, und das nimmt den jungen Menschen jedes Jahr ihre Bildungschancen.
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Ihre Antwort darauf ist ein längst überfälliger Inflationsausgleich. Das ist viel zu wenig. Wir haben Ihnen vorgerechnet, was heute schon mit den aktuellen Haushaltsmitteln möglich wäre, nämlich ein elternunabhängiges BAföG im Baukastenmodell:
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200 Euro für jeden Studierenden als Sockelbetrag, 200 Euro für jeden Studierenden, der neben dem Studium einen Job hat oder sich in einem Ehrenamt engagiert, und dann noch bis zu 1 000 Euro pro Monat als Darlehen, das nach dem Studium zurückgezahlt wird. So geht BAföG fair und ohne Bürokratie, meine Damen und Herren.
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Wir haben das Grundgesetz gemeinsam geändert, damit der Bund jetzt eine stärkere Rolle in der Bildung spielen kann. Jetzt kann und muss aber mehr passieren. Da Ihnen offenbar die Ideen fehlen, sagen wir mal, was für die Bildung geht. Wir wollen mit einer MINT-Offensive mehr junge Menschen für MINT-Fächer begeistern. Wir wollen mehr Berufsorientierung – die wollen wir gerade an den Gymnasien – und die Chancen der beruflichen Bildung aufzeigen. Wir wollen die Inklusion fördern und die Prävention von Mobbing verbessern. Das alles ist dringend nötig, und das müssen Sie jetzt angehen.
Zum Schluss: 90 Prozent der Bundesbürger wollen ein Zentralabitur. Wir Freien Demokraten wollen das auch. Wir wollen den Schulen vor Ort mehr Freiheiten geben, verbunden mit bundesweit einheitlichen und ehrgeizigen Bildungsstandards. Wir wollen vergleichbare Abschlussprüfungen bis hin zu einem Zentralabitur. Die Zukunftschancen unserer Kinder dürfen nicht länger davon abhängen, ob sie in Bremen oder in Bayern zur Schule gehen.
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Deutschlands Bildungs- und Forschungspolitik könnte so viel mehr. Die Chancen sind riesig. Nutzen Sie sie, Frau Karliczek!
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion Die Linke die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch.
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Koalition hat ihr Schicksal an die schwarze Null gekettet, und das ist fatal. Das Dogma lautet: Es ist eine Frage der Generationengerechtigkeit, keine neuen Schulden zu machen.
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In diesem Standardsatz stecken aber gravierende Denkfehler. Denn wer heute nicht in die Bildung der Jugend investiert,
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der verspielt die Zukunft der nächsten Generation, und das darf nicht sein.
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Ich frage Sie: Ist es denn gerecht, wenn sich die Ausbildung unserer Kinder und Enkel verschlechtert, wenn an allen Ecken und Enden Lehrpersonal fehlt, wenn Schulen, Universitäten überfüllt sind? Das hat mit Generationengerechtigkeit nichts zu tun, das ist doch das genaue Gegenteil.
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Kleine Nebenbemerkung: Die Bundeskanzlerin konnte in der DDR studieren und promovieren. Offensichtlich war das Bildungssystem gut genug, um eine Kanzlerin auszubilden.
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Die Kinder konnten sogar nach der ersten Klasse lesen und schreiben. Das ist heute leider die Ausnahme. In der reichen Bundesrepublik droht das Bildungssystem zu kollabieren. Ich sage Ihnen: Das dürfen wir nicht zulassen, da müssen wir gegensteuern!
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Meine Damen und Herren, auch an diesem Etat sieht man: Bildung hat für die Koalition, den schönen Reden der Vorredner zum Trotz, keine Priorität. Noch einmal eine Vergleichszahl: 50 Milliarden Euro sollen im kommenden Jahr für das militärische Wettrüsten bezahlt werden.
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Für den Haushalt für Bildung und Wissenschaft sind gerade einmal 18,2 Milliarden Euro eingestellt. Ich finde, das ist eine grobe Schieflage, die zulasten der künftigen Generationen geht.
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Ich sage Ihnen: Wir brauchen auch gar keine neuen Schulden aufzunehmen, es würde schon reichen, wenn wir die großen Vermögen in unserem Land endlich gerecht besteuern würden.
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Das wäre eine Frage der Zukunft und der Gerechtigkeit, meine Damen und Herren.
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Das wenige Geld, das die Regierung für Bildung und Wissenschaft ausgeben will, wird auch noch ungerecht verteilt: Sie stecken viel Geld in die sogenannte Spitzenforschung. Dagegen wäre auch gar nichts zu sagen, wenn Sie nicht gleichzeitig in der Lehre den Rotstift ansetzen würden. Spitzenforschung, meine Damen und Herren, wird scheitern, wenn nicht ausreichend Geld in die breite Forschung und in die Lehre gesteckt wird.
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Die Bundesregierung, insbesondere die neue Ministerin der Verteidigung, will die Bundeswehr attraktiver machen als Arbeitgeber; es geht um Kindergärten, um kostenloses Bahnfahren. Was tut die Bundesregierung eigentlich dafür, dass der Wissenschaftsberuf attraktiver wird? Warum wird das nicht zum Thema in unserer Gesellschaft gemacht? Immer mehr Hochschulen weichen aus Geldmangel auf kostengünstiges Personal aus. Lehrbeauftragte sind das Prekariat der Wissenschaft. Hochqualifizierte Menschen werden mit Niedriglöhnen abgespeist. Hinzu kommt, dass ein großer Teil der Stellen nur noch befristet ausgeschrieben wird. Ich finde, dieser Verschwendung von geistigem Potenzial müssen wir etwas entgegensetzen; das ist höchst ungerecht, auch für kommende Generationen.
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Die Zahl der Studierenden steigt seit Jahren in Deutschland
({12})
und wird laut Schätzung der Kultusministerkonferenz auch in Zukunft auf hohem Niveau verbleiben. Die Zahl der Wohnheimplätze bei den Studierendenwerken bleibt hinter diesem Anstieg allerdings weit zurück: Aktuell stehen den knapp 2,9 Millionen Studierenden bundesweit nur 240 000 öffentlich geförderte Wohnheimplätze zur Verfügung. Jugendliche aus ganz normalen Familien können sich die explodierenden Mieten in den Großstädten nicht leisten. Ich sage Ihnen: Es kann doch nicht sein, dass Miethaie darüber entscheiden, ob Jugendliche studieren können!
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Damit können wir uns niemals zufriedengeben!
Wir fordern also, meine Damen und Herren, einen Hochschulsozialpakt. Wir wollen im Laufe der nächsten vier Jahre 50 000 neue bezahlbare Wohnheimplätze aus Bundesmitteln finanzieren. Ich hoffe, dass möglichst viele von Ihnen diesem guten Vorhaben zustimmen.
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Frau Ministerin Karliczek, Ihr Ministerium müsste doch eigentlich eine Ideenwerkstatt für die Zukunft der Arbeit, für den Umbau unserer Gesellschaft, für den Klima- und den Artenschutz sein. Doch ich habe den Eindruck, dass Sie Dienst nach Vorschrift machen. Leider gibt es keine Vorschrift, wie man zu guten Ideen kommt. Eine Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen zu gründen, ist wirklich eine Schnapsidee. 1 Milliarde Euro in zehn Jahren, das ist viel Geld; damit könnten Sie viele Lehrkräfte gerecht bezahlen.
Meine Damen und Herren, wir müssen in diesem Haushalt viel umgestalten, im Gesamthaushalt übrigens; man kann auch zwischen den Einzelplänen umschichten, das dürfen wir nicht vergessen. Wir als Linke setzen uns dafür ein, dass dieses Land gerechter, solidarischer und sicherer wird. Ich hoffe, dass viele von Ihnen mitmachen.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Kai Gehring für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bildung und Forschung sind Quellen künftigen Wohlstandes und Treiber für Gerechtigkeit und Innovation. Daher ist es hochproblematisch, dass dieser Einzelplan 30 im Vergleich zum Vorjahr ein Minus aufweist. Das ist auf jeden Fall keine Dynamik, um das 3,5- oder 7-Prozent-Ziel zackig zu erreichen. Das ist zukunftsvergessen, Frau Karliczek.
({0})
Diesen Fehler sollten wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier dringend korrigieren.
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– Bitte?
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– Ja, doch. Ich habe den Haushalt gelesen, und was die SPD dazu gesagt hat, reichte als Erklärung nicht aus.
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Uns ist wichtig: Chancen für alle und Forschung for Future gibt es nicht zum Nulltarif, sondern wir müssen deutlich drauflegen. Sie treten auf die Schuldenbremse; wir wollen einen Investitionsmotor für Bildung und Forschung.
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Investieren in Zukunft heißt, Infrastrukturen zu modernisieren, und da sind marode Schulen ein Mahnmal für eine Bildungsrepublik. Ob Grundschulen in Brennpunktquartieren
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oder Berufsschulen im ländlichen Raum: Schulen müssen bundesweit Kathedralen des Wissens sein; das ist im Interesse aller Kinder und im gesamtstaatlichen Interesse, Frau Karliczek.
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Investieren in Zukunft heißt, gleichwertige Lebensverhältnisse zu befördern. Bildungschancen dürfen nicht nur nicht von der Herkunft abhängen, sondern auch nicht von der Region, in der man lebt. Ob Stadt oder Land, ob Ost oder West: Kinderbetreuung und Ganztagsschulplätze dürfen nicht fehlen. Der Rechtsanspruch gehört endlich erfüllt, mit Qualität und bald gebührenfrei. Hier muss auch eine Bundesbildungsministerin ordentlich mit anschieben.
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Investieren in Zukunft heißt auch, den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Ich gebe Ihnen als Beispiel aus dem Haushalt das Thema Alphabetisierung: Wieso ist Ihnen das so wenig wert?
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30 Millionen Euro in Ihrem Etat für 7,5 Millionen funktionale Analphabeten im Land, das sind knapp 4 Euro pro Person. Das reicht einfach nicht, um gut lesen, schreiben und Deutsch sprechen zu können. Da würden wir mehr Mittel drauflegen.
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Und landauf, landab fehlen Handwerker, fehlen Erzieherinnen und Erzieher und Lehrkräfte.
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Was tun Sie hiergegen, außer unbeteiligt am Spielfeldrand zu stehen, Frau Karliczek? Sie verschließen die Augen auch vor den steigenden Schulabbrecherzahlen. Unser Land braucht weniger Abbrecher, mehr Meister und mehr Master und endlich auch ein Recht auf Weiterbildung.
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Wer sich bildet, braucht auch eine sichere Finanzierung, gerade auch Einkommensarme. Studierende – das sagen wir ganz klar – sollen sich aufs Studium konzentrieren und nicht nebenher noch kellnern müssen, um über die Runden zu kommen. Deshalb wollen wir beim BAföG auch eine echte Trendwende. Sie rechnen anscheinend in Ihrem Etat, dass die Ausgaben fürs BAföG drastisch sinken. Schauen Sie sich die Zahlen an; das heißt, Sie glauben nicht an Ihre eigene Reform. Tun Sie endlich mehr für Bildungsgerechtigkeit!
({12})
Landauf, landab demonstrieren Fridays-for-Future-Kids, um das Klima zu retten. Weltweit wollen Jung und Alt endlich Ergebnisse in der Klimapolitik und keine Vorwürfe und keine Drohungen. Uns irritiert, wie teilnahmslos und uninspiriert Sie bei dieser Überlebensfrage der Menschheit und unseres Planeten agieren. Sie haben eben viel grün gesprochen; aber in Ihrem Haushalt handeln und finanzieren Sie wenig grün. Warum greifen Sie die Impulse nicht auf, um Bildung für nachhaltige Entwicklung in allen Bildungseinrichtungen zu fördern? Warum gibt es kein Programm für nachhaltige, für klimaneutrale Hochschulen? In Nairobi konnte ich neulich die erste CO2-neutrale Spitzenuniversität kennenlernen. Das wären auch echte Leuchttürme für den Hochtechnologiestandort Deutschland.
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Wir fordern Forschung for Future. Sie haben das grüne Klimaforschungs-Rahmenprogramm immer wieder abgelehnt. Bei der Mobilitätsforschung handeln Sie wenig innovativ und verheddern sich bei der Standortauswahl von Forschungsfabriken für Batteriezellen in Widersprüche und Intransparenzen. So geht es nicht!
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Wir wollen Lücken in der Energieforschung schließen. Sie überlassen diesen Job komplett Ihrem Wirtschaftsminister, der schon mit der Energiewende komplett überfordert ist. Wir wollen, dass die Hightech-Strategie auf Nachhaltigkeit ausgerichtet wird und sie viel stärker auf soziale und ökologische Innovationen orientiert. Das machen Sie nur verbal, aber leider nicht real. Deshalb muss noch viel in Ihrem Haushalt umgesteuert werden. Sie überzeugen nicht. Vieles muss umgesetzt werden, auch im Paket Ihres Klimakabinetts, dem Sie ja leider nicht angehören.
Frau Karliczek, Ihr Etat ist eine doppelte Null: null Zukunftsplan, null Aufwuchs. Das müssen wir ändern – für mehr Chancen und für mehr Innovation.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Tankred Schipanski.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kai Gehring, eigentlich ist es für einen Koalitionsredner heute die beste Ausgangssituation für eine Haushaltsrede: Die drei Wissenschaftspakte sind ausverhandelt, alle Betroffenen sind zufrieden; der DigitalPakt Schule befindet sich in der Umsetzung; der Bund ist starker Impulsgeber beim Thema „digitales Lernen“ – die Schwarzmalerei der FDP kann man überhaupt nicht nachvollziehen –; die OECD bescheinigt Deutschland plötzlich und unerwartet, dass wir in der MINT-Bildung, also bei Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, besonders gut sind;
({0})
und, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bundesrechnungshof erklärt uns noch in seinem jüngsten Bericht zum Einzelplan 30, warum die Senkung des Haushaltes um 69 Millionen Euro richtig ist. Also alles Voraussetzungen für eine gute Debatte heute.
Es gilt, anzuerkennen, dass unsere jahrzehntelangen hohen Investitionen in Bildung und Forschung Früchte tragen – das ist erfreulich –, und es ist unsere Aufgabe als Parlamentarier, diesen Haushalt mit einem Volumen von 18 Milliarden Euro zu verteidigen und als politischen Schwerpunkt zu halten.
({1})
So richtig es war und ist, Forschung und Bildung als gesamtstaatliche Aufgabe zu begreifen, so deutlich stellt der Bundesrechnungshof wie auch das Grundgesetz und der gesunde Menschenverstand fest, dass es klare Zuständigkeiten und somit Verantwortlichkeiten gibt.
({2})
Der Haushalt des Ministeriums ist – es wurde angesprochen – zu 50 Prozent über diverse Bund-Länder-Vereinbarungen gebunden. Das ist eine Grenze, für mich eine Schallmauer, die wir nicht überschreiten wollen und nicht überschreiten dürfen, gerade angesichts der Tatsache, dass sich die Länderhaushalte wesentlich besser entwickeln als der Bundeshaushalt. Ich empfehle jedem die Lektüre des Protokolls der Plenardebatte am Dienstag, der allgemeinen Finanzdebatte zur Einbringung des Haushaltes. Der Kollege Rehberg hat dort die Zahlen ganz klar benannt, und ich möchte das noch einmal untermauern: Ab 2020 wird das Umsatzsteueraufkommen der Länder höher sein als das des Bundes. Zwischen 2019 und 2023 tritt der Bund insgesamt Umsatzsteuermittel in Höhe von 72,5 Milliarden Euro an die Länder ab. Dennoch ist der Bund im Bereich der Bildung ein finanzieller und inhaltlicher Impulsgeber. Aber die Impulse dürfen keine Ersatzvornahme sein, allen voran in Bereichen, wo die Länder finanziell zuständig sind.
({3})
Von daher lehnt die Koalition eine weitere Unterstützung der Länder in deren Verantwortungsbereichen ganz klar ab. Wenn es um Lehrermangel und Unterrichtsausfall geht, kann ich nur feststellen: Da sind die Kultusminister der Länder zuständig. Wenn es um den Sanierungsbedarf an den Schulen geht, kann ich nur feststellen: Die Kommunen sind da gefordert. Lieber Kai Gehring, wir haben die Kommunen um 19 Milliarden Euro entlastet. Da muss es doch drin sein, eine Schule zu sanieren.
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Wir haben im letzten Jahr sogar noch ein Sonderprogramm für die kommunale Bildungsinfrastruktur aufgelegt.
({5})
Diese Zahlen mögen sich bitte alle bisherigen und weiteren Redner in dieser Debatte vor Augen halten, wenn sie hier weitere Wünsche äußern, die in den Zuständigkeitsbereich der Länder oder der Kommunen fallen.
Meine Damen und Herren, zur OECD-Studie. Dass Deutschland jetzt so wahnsinnig gut bei MINT sein soll, kann ich persönlich kaum glauben. Ich besuche regelmäßig das Nationale MINT Forum und weiß um die Probleme in unseren Schulen. Herr Schleicher von der OECD hat uns immer wieder mehr Studierende empfohlen und die duale Ausbildung in Deutschland lange sehr verkannt. Von daher möchte ich trotz dieser schönen Ergebnisse daran festhalten, dass wir uns als Bund stark im Bereich MINT engagieren.
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Der Aktionsplan der Ministerin vom Frühsommer dieses Jahres ist das richtige Signal. Liebe Frau Karliczek, wir erwarten jetzt dringend die Förderrichtlinien. Die Mittel stehen bereit, und die Akteure in Deutschland warten darauf, dass diese Mittel ausgekehrt werden.
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Meine Damen und Herren, ich bleibe beim Bildungsbereich, extra für die FDP. Der FDP ist es anscheinend entgangen, dass wir einen neuen Haushaltstitel mit einem Volumen von 43 Millionen Euro haben, der da heißt: „Digitaler Wandel in der Bildung“. Dabei sind eben auch fachliche Begleitmaßnahmen zur Umsetzung des DigitalPakts eingestellt, was wir ausdrücklich begrüßen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen natürlich auch die Länder beim Thema „digitale Bildung“ als Partner an unserer Seite.
({8})
Gerade in Bezug auf die digitalen Lernmittel kommt der Bund an seine Grenzen. Auf dem Bildungsmarkt gibt es fantastische, qualitativ hochwertige, adaptive Lernsysteme, intelligente Tutorensysteme, die einen unwahrscheinlichen Mehrwert bringen. Die Kultusministerkonferenz ist dringend gefordert, eine einheitliche Stellung für die Zulassung dieser digitalen Bildungsmedien einzurichten und diese Bildungsmedien endlich zuzulassen. Die Finanzierungsimpulse des Bundes sind das eine. Das andere ist, dass die Länder unterstützen müssen. Daher brauchen wir keinen DigitalPakt II.
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Meine Damen und Herren, ein großer Schwerpunkt des Haushaltes liegt auf der beruflichen Bildung, aber auch auf der Hightech-Strategie; Kollege Schulz hat es angesprochen. Der Haushalt setzt beim Thema „künstliche Intelligenz“ an. Richtig ist, dass wir im Vergleich zu China und den USA noch zu wenig investieren. Der Finanzminister Olaf Scholz hat lediglich 1 Milliarde Euro frisches Geld dafür zur Verfügung gestellt. Die erste Tranche wurde im letzten Haushaltsjahr verteilt. Jetzt steht die zweite Tranche an. Ich bin der Meinung, dass wiederum ein Hauptteil des Geldes an das BMBF gehen muss. Daher hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in ihrer Vorstandsklausur ganz konkrete Maßnahmen benannt. Ich denke an 70 weitere KI-Exzellenz-Professuren, an die Weiterentwicklung des Industrial Data Space zu der europäischen Cloud Gaia-X – die Ministerin hat es genannt –, aber auch an die Einrichtung der weiteren KI-Transferzentren, was im engen Zusammenschluss mit dem Wirtschaftsministerium geschehen muss.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend auf einen sehr wichtigen Umstand mit Blick auf unsere zukünftige Mittelverteilung eingehen. Im Juli 2019 hat die Regierungskommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ ihren Bericht vorgelegt und klar festgestellt, dass wir in die regionalen Zentren investieren müssen und nicht nur in die urbanen Zentren investieren dürfen. Deutschland lebt von seiner Dezentralität, von der Vielfalt der Regionen, von der Produktivität des ländlichen Raumes. Von daher war die Entscheidung für Münster bei der Batterieforschungsfabrik mit Sicherheit eine richtige Entscheidung.
Bei jeder Mittelvergabe sind die Vorgaben der Regierungskommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ zu beachten. Dies gilt auch bei der Entscheidung, wo der Sitz der Agentur für Sprunginnovationen hinkommt; meines Erachtens nicht nach Berlin.
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Das gilt für die Entscheidungen zu den KI-Transferzentren, die meines Erachtens gerade in den neuen Ländern angesiedelt werden müssen.
Wenn wir sehen wollen, wie Dezentralität funktioniert, müssen wir nach Bayern zu Ministerpräsident Söder schauen, der für 1,2 Milliarden Euro in Nürnberg, in Franken, investiert und dort eine neue TU eröffnet.
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Auch das BMBF muss mit Blick auf die gleichwertigen Lebensverhältnisse ganz klar in die Regionen investieren.
Ich darf mit Kollegen Sattelberger enden: Es darf nicht darum gehen, die bereits fetten Standorte fett zu füttern. – In diesem Sinne freue ich mich auf die anstehenden Haushaltsberatungen und die anstehenden Standortentscheidungen.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion der AfD die Kollegin Nicole Höchst.
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Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kollegen! Hochgeschätzte Bürger! Wir sind uns alle einig, dass wir die berufliche Bildung stärken müssen. Frau Ministerin Karliczek, Sie verdienen in diesem Bereich unsere Anerkennung. Sie haben sich redlich bemüht, unser Credo „Mehr Meister als Master“ anzuerkennen und dem Taten folgen zu lassen. So erhöhen Sie zum Beispiel die von der AfD geforderten Posten wie die Stiftung „Begabtenförderung berufliche Bildung“. Das ist folgerichtig, gut und lobenswert.
({0})
Aber bei grundsätzlicher Betrachtung ist das allenfalls Feintuning. Frau Karliczek, mit Mut und Kampfgeist könnten Sie bei den jetzigen bürgerlichen und freiheitlichen Mehrheitsverhältnissen in diesem Parlament
({1})
als die Bildungsministerin in die deutsche Geschichte eingehen, die die ideologische Bildungswende schafft.
({2})
Sie könnten die Abiturschwemme bei gleichzeitigem Fachkräftemangel beenden. Leider fehlt es Ihnen im vorgelegten Haushalt nach wie vor an Entschlossenheit, ein großes Gesamtkonzept vorzulegen, das geeignet ist, das Ruder herumzureißen.
Es ist klar, dass dieses Gesamtkonzept zur Stärkung der beruflichen Bildung eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern sein wird. Berufliche Bildung muss bereits im Vorfeld gestärkt werden, indem ausbildungsfähige und ‑bereite junge Menschen in den Ausbildungsmarkt drängen. Das ist originär Ländersache und mit dem DigitalPakt sicherlich nicht zu bewerkstelligen.
Das Bundesinstitut für Berufsbildung hatte 2018 festgestellt, dass das betriebliche Ausbildungsplatzangebot so hoch war wie nie seit 2009. Leider stand einem wachsenden Ausbildungsangebot eine steigende Anzahl an Jugendlichen ohne Berufsabschluss gegenüber. Das ist der Trend, der sich seit 2009 abzeichnet. Wo sind denn die erfolgreichen Bemühungen der Bundesregierung, wo die der Länder? Alle bislang getroffenen Maßnahmen laufen ins Leere. Wir werfen Geld zum Fenster heraus.
({3})
Das deutsche Bildungssystem bricht Rekorde: im Studienabbruch, in den unbesetzten Ausbildungsplätzen, bei Jugendlichen ohne Berufsabschluss. Sie haben jetzt ein paar Millionen Euro von hier nach da umgeschichtet und erwarten nun ernsthaft, dass sich das ändert. Das werden Sie so nicht erreichen; denn die heißersehnten Fachkräfte der Zukunft, die durch unser Bildungssystem bis zum Abitur geschleust werden, können weder auskömmlich Dreisatz, das Einmaleins noch unfallfrei Deutsch.
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Aber – ganz wichtig, Achtung! – sie können an der Humboldt-Universität Pornowissenschaften studieren. Das glauben Sie nicht, meine Damen und Herren, ist aber so. Recherchieren Sie selbst, und Sie finden zukunftsweisende Veranstaltungen wie „Konsens und Vielfalt – Faire Pornographie“. Wissen Sie, wir von der AfD sind sehr für die Freiheit von Forschung und Lehre. Die Frage ist: Was werden denn die Absolventen solcher Studien? Wie viele studierte Pornospezialisten kann sich ein Wirtschaftsstandort wie Deutschland denn leisten,
({5})
wie viel mehr als über 230 Lehrstühle für Gender und Gedöns? Regelt da tatsächlich die Nachfrage den Markt? Ein ideologiefreies Deutschland hätte längst zig Alternativen zum Verbrennungsmotor erfunden.
({6})
Deutschland darf das nicht. Wir müssen uns deindustrialisieren, verblöden, durchgendern und verarmen. Warum denn eigentlich?
({7})
Liebe Frau Karliczek, bitte lassen Sie sich nicht von links-grün einlullen.
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Bitte streichen Sie alle ideologischen Posten in diesem Bundeshaushalt. Es ist viel, viel wichtiger, in berufliche Bildung zu investieren, noch mehr, als Sie das bisher getan haben. Legen Sie ein großes Gesamtkonzept vor, das den Leuten von morgens bis abends erklärt, von der Zeitungsannonce bis hin zur „Tagesschau“, wie wichtig berufliche Bildung für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist. Sie sichert Wohlstand für alle, ist das Rezept gegen Fachkräftemangel, ist die Zukunftsgarantie des Standortes Deutschland.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist für die Fraktion der SPD der Kollege Ernst Dieter Rossmann.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Ich lasse den Schmus am Anfang weg. – Ich möchte auf die Behauptung eingehen, die – wie gestern auch – Herr Lindner und andere ständig wieder in die Öffentlichkeit tragen: dass der Gestaltungsrahmen für Bildung, Wissenschaft und Forschung mit diesem Haushalt gesunken ist. Nein, das ist er nicht!
Was ist passiert? Tatsächlich stehen unterm Strich minus 70 Millionen Euro. Das hat aber mit einer Vorgeschichte zu tun, die 2014 begonnen hat: Der Bund ist aus der Finanzierung des Hochschulbaus und der Bildungsplanung ausgestiegen und musste den Ländern dafür zugestehen, Kompensationsmittel zur Verfügung zu stellen, bis zu dem Zeitpunkt, an dem der neue Bund-Länder-Finanzverteilungsrahmen in Kraft tritt. Das waren Mittel in Höhe von 720 Millionen Euro, sie waren nicht mal auf Bildung spezifiziert; sie konnten für alles ausgegeben werden. Und das endet jetzt. Deshalb steht im Gesamtbetrag minus 70 Millionen Euro; aber der Gestaltungsspielraum der Ministerin ist um 650 Millionen Euro gewachsen.
({0})
Darüber jammern Sie? Darüber lamentieren Sie? Sie haben nicht mal in den Haushalt reingeschaut. Sie geben sich gar nicht die Mühe, diese Zusammenhänge aufzunehmen. Sie zeigen damit im schlechten Sinne ein Beispiel, wie Parlamentarismus nicht sein sollte.
({1})
Die Ministerpräsidenten der Länder haben es begriffen. Wenn man ihnen die Mittel einfach so weggenommen hätte, ohne die 9,7 Milliarden Euro, die sie über die neue Bund-Länder-Finanzverteilung dazugewonnen haben, dann hätten sie hier alle mit Protesten das Parlament gestürmt.
({2})
Das haben sie aber nicht; denn sie lesen die Haushalte und machen nicht den billigen kleinen Punkt, den Sie an dieser Stelle machen wollen.
Deshalb ist es gut, dass wir dort jetzt spezifiziert diesen zusätzlichen Finanzspielraum haben, und es ist auch gut, dass die Länder in ihrer Finanzkraft gestärkt worden sind; denn wir erkennen ja an, dass die Länder, wenn es um Bildung in Deutschland geht, über 50 Prozent der Leistung erbringen. Wenn dieser Spielraum noch wächst, dann können sie – die OECD bescheinigt Deutschland ein gutes Bildungssystem – noch mehr tun, nämlich mehr ausgeben für frühkindliche Bildung, schulische Bildung, berufliche Bildung und anderes. Wir sind sehr dafür, dass die Länder diesen Spielraum bekommen.
Ich will eine grundsätzliche Bemerkung dazu machen, weshalb es trotzdem Bund-Länder-Vereinbarungen, eine gemeinsame Anstrengung für die Bildungsleistungsfähigkeit des ganzen Landes, geben muss. Hätten wir einen reinen Wettbewerbsföderalismus, hätten wir eben auch unterschiedliche Bildungs- und Lebensbedingungen. Bund-Länder-Vereinbarungen verpflichten – bis hin zur Einstimmigkeit der Länder –, in bestimmter und in auf die Zukunft ausgerichteter Weise zusammenzuarbeiten. Das macht das ganze Land stark und verhindert, dass ein einzelnes Land hinten runterfällt, während ein anderes aus eigener Kraft davoneilt. Kurzum: Bund-Länder-Vereinbarungen stützen die Gleichwertigkeit der Bildungs- und Lebensbedingungen in unserem Land.
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Ich möchte eine zweite grundsätzliche Bemerkung machen; diese soll durchaus auch zum Nachdenken anregen. Es geht um ein Merkmal, das wir in Bezug auf die Struktur des Haushaltes schon sehen sollten. Wenn wir die Big Five, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bis hin zur Leibniz-Gemeinschaft, betrachten, sehen wir, dass diese in diesem Haushalt mit rund 7 Milliarden Euro und mit einer Steigerung von 3 Prozent Jahr für Jahr in den nächsten zehn Jahren gefördert werden. Ich glaube, dass das richtig ist, weil sie ihre Arbeit mit besonderer Verantwortung machen. Sie werden sich aber auch der politischen Verantwortung in den Diskussionen zu stellen haben und die Frage beantworten müssen, wie sie sich beim Bemühen um Kohäsion und Gleichwertigkeit mit Blick auf den Zugang zu Forschung und Exzellenz in ganz Deutschland einbringen. Das muss auch im Zusammenhang mit dem betrachtet werden, was wir als politische Mission haben. Das soll kein Schurigeln sein. Es bedeutet nur: Wer diese große Förderung mit Haushaltszuwächsen von jährlich 3 Prozent über zehn Jahre zugestanden bekommt – ein Kollege hat vorhin die Summe von über 140 Milliarden Euro genannt –, steht in der Verantwortung für das Ganze. Das erwarten wir; denn der Bund braucht auch noch die Kraft für Impulse.
Der Bund hat diese Impulse, Frau Karliczek, ja gesetzt; diese werden von der Opposition hier aber gar nicht angesprochen. Über Schulen in besonderen sozialen Lagen, über die Exzellenz bei der beruflichen Bildung und die digitale Ertüchtigung in der Bildung oder die Allianz für Meeresforschung haben wir von Ihnen kein Wort gehört. Sie verschweigen, welche Impulse gesetzt werden, und toppen das Ganze, indem Sie von den zusätzlichen Impulsen sprechen, die Sie sich wünschen. Auch die SPD- und die CDU/CSU-Fraktion wünschen sich manches. Man darf aber deshalb doch nicht verschweigen, welche strukturell wichtigen Maßnahmen in Bezug auf die Stärkung der Bildung, speziell der beruflichen Bildung, eingeleitet sind.
Ich wiederhole das noch mal: 50 Prozent Steigerung bei der Aufstiegsfortbildung sind ein Zeichen für die Gleichwertigkeit und die Anerkennung von höherer, höher qualifizierender Berufsbildung und ein Zeichen dafür, dass wir Forschungspotenziale und Umsetzungspotenziale in Deutschland zusammendenken müssen, um beispielsweise die Energiewende zu schaffen, die industrielle Ertüchtigung voranzubringen oder bessere Dienstleistungen zu erreichen. Das ist doch durch diesen Haushaltsplan und durch die Gesetzgebung mit angelegt.
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Sie müssen zum Schluss kommen, Herr Kollege.
Wir haben einen Wunsch: Schauen Sie nicht nur auf das Materielle, sondern auch auf das Konzeptionelle. Frau Ministerin, machen Sie aus dem Gesellenstück noch ein Meisterstück! Bringen Sie auch den Bildungsrat so über die Hürde, dass wir in Zukunft von dort auch gute Impulse bekommen können!
Der Finanzminister hat gestern gesagt: Wir können das. – Wir sagen: Wir machen das.
Danke.
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Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Dr. Thomas Sattelberger für die Fraktion der FDP.
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Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste auf den Tribünen! „Entscheidend ist, was hinten rauskommt.“ Das ist ein Zitat von Helmut Kohl, das Sie, Frau Karliczek, sich wirklich zu Herzen nehmen sollten. Sie prahlen ja damit, wie viele Milliarden Euro Sie vorne reinstecken. Aber bei dem, was hinten rauskommt, stellen wir fest: Das ist dichter Nebel beim Thema „Forschung und Innovation“.
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Beispiel eins: Strategie zur künstlichen Intelligenz. Im November 2018 wurde diese vorgestellt. Sie ist angeblich 3 Milliarden Euro schwer. Selbst Kollege Tankred Schipanski befürchtet, dass es sich nicht um frisches Geld handelt, sondern um eine schöngerechnete Summe bereits bestehender Projekte, wie ich Sie zitieren darf.
Lassen Sie mich ein paar Worte sagen zu den 100 zusätzlichen KI-Professuren. Ich höre auf Nachfrage: Bis jetzt gibt es keine einzige. Laut Staatssekretär Meister besetzen Sie die ersten Professuren 2020. Jetzt soll die Alexander-von-Humboldt-Stiftung aushelfen mit 30 KI-Spitzenforschern bis 2024. Ich sehe nicht im Geringsten, wie das in der Finanzplanung abgebildet ist.
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Und für die noch fehlenden 70 Professuren kommt Albert Rupprecht von der CSU mit der rettenden Idee um die Ecke, schon in Deutschland tätigen KI-Professoren 200 000 Euro mehr Jahresgehalt zu zahlen,
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damit von denen keiner ins Silicon Valley abhaut. Standortattraktivität auf Geld reduziert und kein zusätzlicher Professor gewonnen! Der liebe Kollege Rupprecht sollte bei Boris Johnson anheuern als Hilfssheriff für Etikettenschwindel.
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Als ich im Jahr 2018 hier im Plenum den Braindrain deutscher Wissenschaftler angeprangert habe, war die Kollegin Staffler ja noch lauthals der Meinung, dank CSU-Politik sei alles in Butter. Pustekuchen! Hören Sie lieber auf die Expertenkommission Forschung und Innovation. Die hat schon im Februar Zweifel angemeldet und stattdessen Promotionsstipendien für internationale KI-Experten empfohlen, und zwar 1 000. Was ist passiert? Nichts! Ran an den Speck, Frau Karliczek.
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Jetzt wollen Sie das Geld für die KI-Kompetenzzentren verdoppeln. Dass diese Zentren je Talentmagnete werden, sehe ich nicht. Dafür bräuchte es wenige erstklassige, nicht viele mittelprächtige. Die Realität Ihrer KI-Strategie ist erbärmlich. Jahre zu spät zusammengeschustert, ein Projektsammelsurium anstelle einer Strategie. Und jetzt vergehen noch weitere sieben, acht Jahre, bis die ersten KI-Absolventen ausgebildet worden sind.
Beispiel zwei: Hightech-Strategie. Während Länder wie die Schweiz, Norwegen und Dänemark uns beim Thema Innovation davoneilen, verplempern Sie das Geld mit nichtssagenden Fortschrittsberichten. Mein Rat an Sie, Frau Karliczek: Papier schreddern und stattdessen die Ärmel hochkrempeln.
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Das „Handelsblatt“ formuliert dazu sehr treffend, dass bei dieser Hightech-Strategie alle Ressorts aufschreiben, was sie ohnehin machen, und im Kanzleramt heftet das dann jemand zusammen und macht ein Bändchen darum.
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Was bitte ist das Strategische an dieser Strategie? Wo sind die Stärken-Schwächen-Analyse, der Wettbewerbsvergleich, die Erfolgsindikatoren, die Ziele? Fehlanzeige! Hausaufgaben machen, Frau Ministerin!
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Beispiel drei: zubetoniertes Budget. Mit Hochschulpakt und Pakt für Forschung und Innovation ist das Budget derartig zugeschnürt, dass bei spontanen und aktuellen Entwicklungen kaum noch Platz für Reaktion ist – und das bei schrumpfenden Spielräumen im Haushalt.
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– Ich verstehe es wahrscheinlich besser als Sie.
Lineare Aufwüchse, Gießkannenprinzip, eingefrorene Budgets, das kritisiert inzwischen sogar der Bundesrechnungshof, und zwar völlig zu Recht. Schauen Sie in die gesamte angelsächsische Welt, von Oxford bis nach Stanford: regelmäßige Leistungsanalysen, Performanceindikatoren, variable Budgetanteile, gekoppelt an den Nutzen für Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik. Ich weiß: Da fällt den Gießkannenfreunden der Forschung die Kinnlade runter.
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Beispiel vier: Agentur für Sprunginnovationen. Heute nur ein Punkt dazu: ein Aufsichtsrat, zur Hälfte politisch besetzt, sodass die Politik gegen alles, was diese Agentur unkonventionell plant, ihr Veto einlegen kann! Herr Staatssekretär Meister, gucken Sie her: Ihr Credo, diese Agentur solle frei und unabhängig sein, das Sie hier im Plenum und auch im Ausschuss adressiert haben, ist eine Luftnummer.
Herr Sattelberger.
Entpolitisieren Sie den Aufsichtsrat, und bitte verbieten Sie der SPD, im Aufsichtsrat Wahlkreisarbeit zu machen. Dort muss eine neutrale Aufsichtsratstätigkeit wahrgenommen werden.
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Herr Sattelberger.
Ich komme wunderbar zum Schluss.
Nein. Sie kommen schnell zum Schluss.
Sie sehen, Frau Bundestagspräsidentin: Ich folge Ihnen aufs Wort.
Danke schön.
Ich könnte jetzt noch über den – –
Nein! Das können Sie nicht.
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Ich bedanke mich.
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Vielen herzlichen Dank, Dr. Sattelberger. – Schönen Nachmittag von mir, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke: Nicole Gohlke.
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Liebe Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, es sind jetzt bald zwei Jahre vergangen, seitdem die Große Koalition wieder am Ruder ist. Es ist jetzt also mindestens Halbzeit für diese Regierung. Ihre Bildungs- und Wissenschaftspolitik ist immer noch ein Dahinplätschern ohne Ziel und ohne Richtung: keine neuen Ideen, keine neuen Impulse. Auch dieser Bildungshaushalt ist von Verwaltungsdenken geprägt und nicht von dem Willen, die sozialen Probleme und die großen gesellschaftlichen Herausforderungen, vor denen wir stehen, anzugehen. Das ist ein riesiges politisches Versäumnis.
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Wir wissen doch alle, dass Bildung eine der zentralen Stellschrauben für Chancengleichheit, für sozialen Ausgleich ist. Bildung ist eine große Gerechtigkeitsfrage für unsere Gesellschaft, und deswegen darf man sie nicht so schmählich und so unzureichend behandeln, wie Sie das hier tun.
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Die Große Koalition, allen voran die SPD, hat uns schon bei der letzten BAföG-Reform versprochen, dass jetzt endlich die Trendwende kommt. Die ist nicht eingetreten. Die Empfängerzahlen befinden sich im konstanten Sinkflug. Und jetzt sagt die Koalition wieder eine Trendwende voraus. Dabei ist aber auch die aktuelle Erhöhung eben gerade einmal ein Inflationsausgleich.
Für studentischen Wohnraum tut die Bundesregierung konkret gar nichts. Deshalb hat es diese Regierung auch zu verantworten, dass es wieder eine Frage der sozialen Herkunft und des Geldbeutels der Eltern geworden ist, ob und wo man studieren kann.
Wir haben inzwischen ein Maß an sozialer Schieflage in unserem Bildungssystem erreicht, das uns wirklich alle alarmieren sollte und das uns auch alle nervös machen sollte. Wir brauchen endlich ein bedarfsdeckendes BAföG und Investitionen in Studierendenwohnheime.
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Ein gesellschaftlicher Bildungsaufschwung kann eben auch nicht mit einer Politik funktionieren, die vor allem auf Leuchttürme fokussiert. Das, was wir brauchen, sind eben gute Bedingungen und hohe Qualität in der Breite. Da ist die Exzellenzstrategie die falsche Antwort. Denn sie verstärkt aktuell – unter den aktuellen Bedingungen zumindest – das Auseinanderdriften unter den Hochschulen. Wir haben jetzt auf der einen Seite eine erste Liga von Universitäten, die noch zusätzlich Mittel für einzelne Vorhaben erhalten, und dann haben wir auf der anderen Seite den großen Rest, der sich mit chronischer Unterfinanzierung herumschlägt.
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Schließlich haben wir noch die HAWs, die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, die mittlerweile ein Drittel aller Studierenden betreuen, aber anscheinend völlig unter dem Radar der Bundesregierung bleiben. Die Fachhochschulen leisten einen wichtigen Beitrag zum Bildungswesen und verdienen auch endlich Anerkennung.
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Die Bundesregierung setzt weiter auf Wettbewerb und auf kurzatmige Projektförderung statt auf Verlässlichkeit, auf bedarfsgerechte Finanzierung und auf sozialen Ausgleich. Die Studierenden und die Beschäftigten, vor allem die Beschäftigten im Mittelbau, sind die Leidtragenden. Von ihnen wird Exzellenz gefordert, aber die Arbeits-, die Lehr- und die Lernbedingungen sind das glatte Gegenteil. Was wir brauchen, sind endlich Dauerstellen für Daueraufgaben.
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Kolleginnen und Kollegen, ich finde, es ist Zeit für einen wirklichen Bildungsaufschwung. Bildung und Wissenschaft, Schulen und Hochschulen müssen in die Lage versetzt werden, den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken, um Lösungen für die drängenden Probleme der Zukunft zu entwickeln: für den Klimaschutz und die dringend nötige Verkehrswende. Es braucht Antworten auf die Fragen in den Bereichen Digitalisierung, Transformation in der Arbeitswelt, zunehmende Verstädterung und Beseitigung von Fluchtursachen. Dieses Bewusstsein muss ein Bildungshaushalt ausstrahlen.
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Dieses politische Verständnis braucht eine heutige Regierung. Die Große Koalition leistet das leider nicht.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Nicole Gohlke. – Nächste Rednerin für Bündnis 90/Die Grünen: Dr. Anna Christmann.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns offenbar in einer Sache einig: Wissenschaft und Forschung sind das Fundament unseres Wohlstands und tragen dazu bei, die großen Herausforderungen, die vor uns stehen, zu meistern. Wir sind uns offenbar aber nicht einig, wie dieser Haushalt dazu beiträgt, das zu untermauern. Ich kann zu keiner anderen Einschätzung kommen, als dass dieser Haushalt dieser Aufgabe nicht gerecht wird. In einer Zeit, in der wir dringend investieren müssen, hält der Finanzminister das Geld zusammen, und Sie, Frau Ministerin, können oder wollen sich leider nicht ausreichend durchsetzen, um die nötigen Investitionen in Wissenschaft und Forschung zu sichern. Kämpfen Sie endlich für mutige Schritte statt für Stillstand!
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Die Kanzlerin hat gestern selber das Motto ausgegeben. Wir müssen dringend dafür sorgen, dass wir technologisch mit dem Weltmaßstab mithalten können. Ich frage mich aber ernsthaft, wer in dieser Bundesregierung eigentlich an diesem Ziel arbeitet. Nehmen wir die künstliche Intelligenz. Bei der sogenannten nationalen KI-Strategie könnten Anspruch und Wirklichkeit kaum weiter auseinanderliegen. Sie haben gerade noch einmal erwähnt, Sie wollen führender KI-Standort werden, aber Sie bekommen nicht einmal die Mittel verteilt. Wo sind denn die angekündigten 3 Milliarden Euro? Ich sehe davon nichts. Seit Monaten beschäftigen Sie sich damit, diese kleinteilig in erste Millionenpakete aufzuteilen. Das Forschungsministerium hat bisher ganze 170 Millionen Euro für mehrere Jahre bekommen. Das ist doch ziemlich weit weg von dem Anspruch, den Sie haben. Zum Teil decken Sie damit Kürzungen aus den Vorjahren. Damit werden wir europäische Werte bei der Entwicklung von KI nicht sichern können.
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Die Kanzlerin hat das gestern durchaus angesprochen. Sie hat gesagt: Wir müssen die europäische Zusammenarbeit in diesem Bereich stärken. – Das ist völlig richtig. Aber diese Zusammenarbeit wird im Haushalt praktisch versteckt, sie kommt gar nicht vor. Als Einziges sind 500 000 Euro für ein deutsch-französisches Zentrum für KI vorgesehen, das auch noch virtuell sein soll. Ich glaube, virtuell steht in dem Fall eher dafür, dass es gar nicht existiert. Wir sehen jedenfalls davon nichts.
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Sie beschränken sich anscheinend lieber auf Schlagworte, ohne sie wirklich ernsthaft mit Geld zu unterfüttern. Anfang dieses Jahres haben Sie eine Offensive zur Wissenschaftskommunikation angekündigt. Das begrüßen wir; denn angesichts der großen gesellschaftlichen Debatten, wie über KI, wie über den Klimawandel, wäre es ein wichtiger Schritt, hier voranzukommen, ganz zu schweigen von den zunehmenden Desinformationen durch Fake News, mit denen wir es zu tun haben, und einer Wissenschaftsskepsis, die sich zunehmend breitmacht. Konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Wissenschaftskommunikation haben wir seitdem aber von Ihnen nicht gesehen. Es gab, glaube ich, einen Workshop, es sind aber keinerlei konkrete Schritte erkennbar. Im Haushalt wird das Ganze jetzt mit sozialen Innovationen zusammengelegt. Zusammen stehen dann 17 Millionen Euro zur Verfügung. Das eine, Wissenschaftskommunikation, ist Ihnen offenbar genauso unwichtig wie das andere, nämlich die sozialen Innovationen. Dabei bedeutet soziale Innovation eben nicht kleine Innovationen. Das scheint mir ein Missverständnis zu sein. Es bedeutet, dass wir Innovationen fördern, die vielleicht nicht so gewinnversprechend sind, dafür aber ein großer Gewinn für unsere Gesellschaft sein können.
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Da kommt man mit einem abgezweigten Taschengeld von der Wissenschaftskommunikation nicht aus. Dafür muss man sich etwas trauen. Ich nenne nur die Agentur für Sprunginnovationen, die offenbar vorankommt, auch wenn es noch kein sichtbares Konzept gibt. Diese Stiftung könnte man doch einmal an den globalen Nachhaltigkeitszielen ausrichten.
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Da würden wir doch einen großen Schritt bezüglich sozialer Innovationen gehen und wären nicht so kleinteilig, wie Sie das vorschlagen.
Ich möchte die steuerliche Forschungsförderung an dieser Stelle nur noch ganz kurz erwähnen. Hier haben Sie sich im Moment leider auch noch nicht gegenüber dem Finanzministerium durchsetzen können, sodass auch die Wissenschaftseinrichtungen zum Zuge kommen und davon partizipieren könnten. Wir hoffen dringend auf Verbesserung. Ansonsten kann ich nur sagen: Wir brauchen endlich eine kraftvolle Stimme für die nötigen Investitionen in Wissenschaft und Forschung. Dieser Haushalt ist zu wenig für die Zukunft.
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Vielen Dank, Anna Christmann. – Nächster Redner für die CDU/CSU-Fraktion: Norbert Altenkamp.
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Norbert Maria Altenkamp.
Heute ist Namenstag von Maria.
Dann alles Gute zum Namenstag, liebe Maria.
Danke für die Glückwünsche. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich die Debatten der letzten Tage, aber auch die aktuelle Revue passieren lasse, fällt mir auf, dass einige Kolleginnen und Kollegen anscheinend in einer sehr depressiven Stimmungslage gefangen sind. Sie haben die Sommerpause wohl nicht dazu genutzt, positiven Beispielen in unserem Land nachzugehen, um Zuversicht zu erlangen und Chancen für die Herausforderungen unserer Zeit zu erkennen.
Gerade im Bereich Klimaschutz ist die Stimmungslage häufig von Schwarz-Weiß-Denken geprägt. Dabei gibt es tolle technologische Ansätze, die gerade aus dem Forschungsetat massiv gefördert werden. So habe ich im Sommer das Unternehmen thyssenkrupp in Duisburg besucht. Ich wollte wissen, wie dort das neue Klimaschutzprojekt in der Pilotanlage „Carbon2Chem“ funktioniert. Sie wurde von einer thyssenkrupp-Tochter aus meinem Wahlkreis mitgeplant, und das BMBF fördert diese Anlage mit 60 Millionen Euro. Mit Carbon2Chem will thyssenkrupp die CO2-Emissionen und den Rohstoffverbrauch im größten integrierten Stahlwerk in Europa durch das Recycling von Hüttengasen drastisch reduzieren. Es entstehen am Ende Chemikalien wie Methanol für synthetische Kraftstoffe oder Ammoniak für die Düngemittelproduktion. Damit können die bisherigen energieintensiven Produktionsverfahren für diese Stoffe substituiert werden. thyssenkrupp ist hier Technologieführer. Das Vermarktungspotenzial ist groß; denn die neue Technologie kann auch in anderen CO2-intensiven Bereichen wie Zementfabriken und Müllverbrennungsanlagen genutzt werden, eine wirklich intelligente Lösung für den Klima- und Umweltschutz. An dieser Stelle sei mir die Bemerkung gestattet: Das ist sicherlich intelligenter, als Luftballons zu verbieten, wie eine aktuelle Forderung der Grünen.
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– Vor allem technisch anspruchsvoller, genau. – Insgesamt erhöht das BMBF 2020 die Mittel für die Klima-, Energie- und Nachhaltigkeitsforschung auf 477 Millionen Euro. Das hat Signalwirkung für weitere Zukunftsinvestitionen der Wirtschaft.
Der Haushalt 2020 ist nicht nur ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Klimaschutz, sondern auch auf dem Weg zum 3,5-Prozent-Ziel. Nur wenn wir unsere Forschungsausgaben bis 2025 auf 3,5 Prozent des BIP erhöhen, können wir international wettbewerbsfähig bleiben. Es führt einer Studie zufolge auch zu einem zusätzlichen BIP-Wachstum von 1,3 Prozent, und damit ist es ein gutes Mittel für neuen Schwung in konjunkturschwachen Zeiten.
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2020 bleiben die Mittel stabil – die haushaltstechnische Lage ist von den Kollegen Schulz und Rossmann bereits beschrieben worden –, aber man muss sich vergegenwärtigen, dass im ursprünglichen Ansatz wesentlich weniger Mittel im Etat vorhanden waren. Es ist aus meiner Sicht der Ministerin zu verdanken, dass die eigentlich geplante Absenkung verhindert werden konnte.
Welche Hebel setzen wir nun mit den Mitteln in Bewegung, um das 3,5-Prozent-Ziel zu erreichen und um innovationsstärker zu werden?
Erstens. Um die Zahl der Tech-Start-ups zu erhöhen, baut der Fünfpunkteplan des BMBF für eine neue Gründerzeit die Instrumente der Gründerförderung weiter aus und bezieht Start-ups zum Beispiel stärker in die Clusterförderung ein. Gerade Cluster, in denen Wirtschaft und Wissenschaft eng vernetzt zusammenarbeiten, sind ideale Brutstätten für Start-ups und Innovation.
Zweitens. Aber trotz bester und vorbildlicher staatlicher Gründerförderung, gerade mit dem erfolgreichen Hightech-Gründerfonds des BMWi: Ein deutsches Silicon Valley, das Welterfolge fast wie am Fließband produziert, ist damit noch nicht in Sicht. Ein wichtiger Grund dafür, gerade im Biotechbereich, wo Gründungen besonders teuer sind: der Mangel an privaten Wagniskapitalinvestitionen für die Wachstumsfinanzierung. Hier müssen wir nachsteuern. Wir müssen vor allem unser Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einlösen und steuerliche Anreize für die Mobilisierung von Wagniskapital setzen. Das geht an die Adresse des Finanzministers.
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Drittens. Wir alle kennen die große Bedeutung unseres innovativen Mittelstands für unseren Standort. Dabei geht es nicht nur um die Hidden Champions auf den Weltmärkten wie die Sto-Gruppe in meinem Wahlkreis. Sie ist Technologieführer für Wärmedämmverbundsysteme, investiert viel in Forschung und treibt den aktiven Klimaschutz beim Bau voran. Für das 3,5-Prozent-Ziel müssen wir aber Innovationen in die ganze Breite des Mittelstands tragen. Die Förderprogramme des Bundes sind hier vorbildlich und müssen weiter gestärkt werden, allen voran das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand des BMWi und die Förderinitiative KMU-innovativ des BMBF.
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– Genau. Danke schön.
Aber nicht jede Zukunftsidee passt in ein spezielles Förderkonzept. Daher, viertens, ist es gut, dass nach langwierigen Diskussionen endlich der Gesetzentwurf zur Einführung der steuerlichen Forschungsförderung auf dem Tisch liegt. Das ist ein ganz wichtiges Signal für die Unternehmen und für unseren Innovationsstandort. Wie die Expertenanhörung am Montag gezeigt hat, gibt es aber noch Nachbesserungsbedarf bei der Auftragsforschung. Hier sollte unbedingt der Auftraggeber, also ein KMU, gefördert werden; denn die enge Zusammenarbeit zwischen KMUs und der Wissenschaft macht Innovationserfolge meist überhaupt erst möglich.
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Mein Fazit.
Denken Sie bitte an Ihre Redezeit, auch wenn Sie Namenstag haben.
Ja, ich komme zum Schluss. – Der Haushalt 2020 und viele praktische Beispiele zeigen, dass wir auf einem guten Weg sind. Der Forschungsetat ist keine trockene Zahlenwüste der Verzagtheit, sondern die Quelle, aus der eine Menge Innovationen für eine gute Zukunft unseres Landes gespeist werden.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Norbert Altenkamp. – Nächste Rednerin: Ulrike Bahr für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Bildung ist und bleibt der zentrale Schlüssel für eine gesicherte Zukunft. Darum werde ich auch nicht müde, diesen Satz in unseren bewegten Zeiten des strukturellen Wandels einerseits, aber auch des politischen Populismus andererseits zu erwähnen. Ich meine, Bildung ermöglicht gleiche Chancen und Teilhabe. Mit Bildung erreichen wir gesellschaftlichen Zusammenhalt. Durch Bildung erkennen wir Zusammenhänge und erhalten die Möglichkeit, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, und können dabei zwischen Wahrheit und Wahrhaftigkeit unterscheiden.
Bildung ist die Voraussetzung für den sozialen und beruflichen Aufstieg und gibt uns damit die Möglichkeit, ein besseres Leben zu führen. Das war schon immer das sozialdemokratische Versprechen.
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Dem Einzelplan 30 möchte ich daher eine gute Note ausstellen, gerade im Themenbereich der Aus- und Weiterbildung. Uns allen ist klar, dass in Zeiten des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels der Dreiklang aus akademischer und beruflicher Ausbildung sowie beruflicher Weiterbildung einen enormen Stellenwert hat. Lebensbegleitendes Lernen ist die Parole. Und genau daran arbeiten wir hier.
Mit sehr viel mehr Haushaltsmitteln als noch 2019 ermöglichen wir, dass die individuelle Entscheidung für Aus- und Weiterbildungen leichter fällt. Denken wir an die bereits umgesetzte BAföG-Novelle. Unsere Studierenden können sich damit schon ab dem kommenden Wintersemester auf einen neuen Förderhöchstsatz sowie auf einen gestiegenen Wohnzuschlag verlassen. Übrigens, auch wenn dieser Topf leer sein sollte, bekommen alle Studierenden das BAföG natürlich dennoch ausgezahlt, sofern sie berechtigt sind.
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Das regelt schon allein der Rechtsanspruch. Wir haben im Parlament beschlossen, bis zum Ende der Legislaturperiode 1,3 Milliarden Euro mehr für die Leistungsverbesserungen beim BAföG in die Hand zu nehmen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden genau hinschauen, damit das auch passiert.
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Auch in der beruflichen Ausbildung gehen wir einen deutlichen Schritt nach vorne. Die Mindestausbildungsvergütung hat zwar nicht direkt mit Ausgaben des Einzelplans 30 zu tun, dennoch möchte ich eine Lanze für sie brechen und sie hier erwähnen, denn sie gehört ins Konzept. Mit ihr erkennen wir die Leistung derjenigen an, die wir in Zukunft immer mehr benötigen, unserer Auszubildenden. Sie leisten schon heute einen wichtigen Beitrag als Fachkräfte von morgen. Es ist also Zeit, sich bei ihnen dafür zu bedanken und eine ordentliche Vergütung bereitzustellen.
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Ich bitte daher meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen der Unionsfraktion, mit uns nun gemeinsam den Weg zu einem guten Abschluss der Reform des Berufsbildungsgesetzes zu gehen.
Für das neue Aufstiegs-BAföG, das gleich nach der Novelle zum Berufsbildungsgesetz umgesetzt werden soll, stehen – das ist erwähnt worden – künftig knapp 392 Millionen Euro zur Verfügung, also knapp 50 Prozent mehr als noch in diesem Jahr.
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Das ist ein gutes Zeichen für alle, die sich überlegen, eine Aufstiegsfortbildung zum Techniker, Meister, Fach- oder Betriebswirt zu machen. Das sind gute Zeichen für alle, die bisher vor den Kosten einer Aufstiegsfortbildung zurückgeschreckt sind. Die Zahlen geben es vor: Der Staat wird ihnen kräftig unter die Arme greifen, beispielsweise mit einem Vollzuschuss zu den Unterhaltskosten für diejenigen, die ihre Fortbildung in Vollzeit absolvieren wollen, oder mit höheren Zuschüssen zu den Lehrgangs- und Prüfungsgebühren. Mit der Mindestausbildungsvergütung und dem neuen Aufstiegs-BAföG kommen wir der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung ein erhebliches Stück näher. Darüber freue ich mich. Diesen Meilenstein darf man auch feiern.
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Grund zum Feiern ist aber auch ein anderer Titel, mit dem eine neue Dimension der Chancen- und Bildungsgerechtigkeit eröffnet wird. Wir beginnen, die Mittel für den von der SPD geforderten und im Koalitionsvertrag verankerten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter bereitzustellen. Das ist ein logischer Schritt, der auf den Kitaausbau folgen muss. Er ist zentral für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und bietet Chancengerechtigkeit in der schulischen Bildung.
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Gemeinsam mit dem Familienministerium wird das Bildungsministerium im nächsten Jahr 1 Milliarde Euro zurückstellen, und eine weitere Milliarde wird folgen.
Frau Bahr!
Mir ist natürlich auch klar, dass hier noch viele Steine aus dem Weg geräumt werden müssen und wir bis 2025 – dem vereinbarten Beginn des Rechtsanspruchs – noch so manches Gespräch mit den Ländern und Kommunen führen müssen.
In die Zukunft gesehen: Ja, das ist nicht nur eine Aufgabe für eine Legislaturperiode. Deswegen: Packen wir es an!
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank, liebe Kollegin Bahr. – Wir sind heute ein bisschen gnädiger.
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– Herr Sattelberger hat vorgelegt. – Nächste Rednerin: Katrin Staffler für die CDU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die Debatte heute verfolgt, kann man im Prinzip einen Minimalkonsens festhalten, nämlich, dass die Themen Bildung, Forschung und Innovation absolut entscheidend für die Zukunft unseres Landes sind.
Gleichzeitig beschweren Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, darüber, dass wir fehlende Finanzmittel hätten und dass in dem Bereich angeblich zu wenig getan würde.
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So weit, so gut. Um ehrlich zu sein: Das erwartet man von der Opposition in gewisser Weise ja auch.
Da Sie sich jetzt schon so vehement über fehlende Finanzmittel in unserem Bereich beschweren, sage ich Ihnen eines: Ich habe gestern bei der Generaldebatte sehr genau zugehört, und ich habe mir mal aufgeschrieben, wie oft das Thema „Bildung und Forschung“ angesprochen worden ist. Bei Ihren Rednern, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, hat es da ganz schön mau ausgeschaut.
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Bei den Linken und bei der AfD: komplette Fehlanzeige! Man muss jetzt natürlich ehrlicherweise sagen, dass ein Zukunftsthema wie „Forschung und Innovation“ nicht unbedingt in Ihr Weltbild passt, weil man sich, wenn man den Menschen in diesem Land permanent einredet, dass Deutschland kurz vor dem Untergang steht, über die Zukunft ja auch keine Gedanken mehr zu machen braucht.
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Aber auch bei den Grünen – da habe ich mehr erwartet –: leider nichts! Dabei würde es sich gerade beim Thema Klima anbieten, dass man auch mal darüber spricht, wie man mit Innovationen made in Germany weltweit etwas für unser Klima leisten kann.
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Dann fehlt noch die FDP – Herr Sattelberger, passen Sie gut auf –, also die selbsternannte Partei der digitalen Bildung und Innovation. Kurz gesagt: Ich habe von Ihrem Vorsitzenden, dem Christian Lindner, in dem Bereich gestern wirklich viel erwartet, und siehe da: Das Thema Bildung ist in seiner Rede genau einmal vorgekommen. Zum Inhalt muss man aber sagen: leider wieder Fehlanzeige!
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Und ja, ich bin da ganz ehrlich: Natürlich hätten auch wir uns vorstellen können, dass wir noch mehr Mittel für das Thema „Bildung und Forschung“ ausgeben; im Übrigen genauso wie für viele andere Themenbereiche auch. Aber man kann auch feststellen, dass unsere Ministerin im Rahmen der Verhandlungen erreichen konnte, dass unsere Mittel auf dem gleichen Niveau bleiben bzw. de facto sogar steigen; der Kollege Schulz von der SPD hat das schon angemerkt.
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Ich finde, auch das muss man einmal sagen dürfen.
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Jetzt zu den konkreten Inhalten: Wenn man sich die bisherigen Haushaltsberatungen näher anschaut, dann sieht man, dass sich ein Thema wie ein roter Faden durch all diese Beratungen zieht, nämlich die Bewältigung der Digitalisierung in allen Lebensbereichen. Auch die Bundeskanzlerin hat das in ihrer Rede gestern sehr zentral angesprochen. Es stimmt, wenn sie sagt: Die Bewältigung der Digitalisierung ist entscheidend für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes, für unseren Wohlstand und für die Prosperität. – Die Debatte heute hat gezeigt, dass die Digitalisierung auch für unseren Bereich, also für den Bereich „Bildung und Forschung“ zukunftsentscheidend ist.
Die künstliche Intelligenz ist heute mehrfach angesprochen worden. Die Digitalisierung wirkt sich aber eben nicht nur auf die KI oder die Entwicklung von anderen technologischen Innovationen aus, sondern sie reicht mittlerweile in alle Bereiche unseres Bildungs- und Wissenschaftssystems. Deswegen finden wir sie auch überall in unserem Haushaltsplan wieder.
Besonders erfreulich ist zum Beispiel, dass es im Haushaltsentwurf jetzt einen eigenen Titel zur Digitalisierung im Hochschul- und Wissenschaftssystem gibt; denn die Digitalisierung verändert auch die Art und Weise, wie wir an den Hochschulen lehren, wie wir dort lernen und wie wir forschen.
Auch die Digitalisierung der beruflichen Bildung findet sich im Haushaltsentwurf wieder. Da wir gerade bei dem Thema berufliche Bildung sind, meine Damen und Herren: Dieses Jahr ist der Innovationswettbewerb InnoVET gestartet. Dort werden Konzepte für eine innovative, zukunftsfeste und exzellente berufliche Bildung erarbeitet. Auch das haben wir im Haushalt für das kommende Jahr wieder abgebildet.
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Bildung endet aber nicht mit einem Berufs- oder Studienabschluss, sondern sie ist ein lebensbegleitender Prozess. Deswegen ist die kontinuierliche Weiterbildung unerlässlich, wenn wir mit dem technologischen Wandel Schritt halten wollen. Die Digitalisierung erhöht eben nicht nur die Notwendigkeit für das lebensbegleitende Lernen, sondern sie ermöglicht auch völlig neue Formen der Weiterbildung, zum Beispiel durch die Anwendung von virtueller Realität. Die berufliche Weiterbildung – das ist, glaube ich, klar – ist das Zukunftsthema. Natürlich spiegelt sich auch das in unserem Haushalt wider.
Sie sehen also: Von der beruflichen Bildung über das Hochschul- und Wissenschaftssystem bis hin zum lebensbegleitenden Lernen – in allen Bereichen findet sich die Digitalisierung im Haushalt wieder. Ich finde das wichtig und gut. Dabei müssen wir die Menschen mitnehmen. Wir müssen ihnen die Ängste und Sorgen, die sie haben, nehmen. Vor allem müssen wir die zentrale Botschaft senden, dass wir die Herausforderungen meistern können, die eine digitale Welt mit sich bringt.
„Lust auf Zukunft“ muss unser Motto sein.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns mit gutem Beispiel vorangehen. Lassen Sie uns diese Lust an der Zukunft bei den Menschen verbreiten. Dafür brauchen wir noch nicht mal mehr Mittel im Bildungsetat, sondern nur den Willen, dass wir für die Menschen in diesem Land etwas zum Positiven bewirken.
Danke schön.
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Vielen Dank, Katrin Staffler. – Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Dr. Karamba Diaby.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Ich wollte schon immer anderen Menschen helfen“, das sagte Joseph Yateem. Joseph ist in Aleppo in Syrien geboren, musste seine Stadt verlassen und flüchtete 2015 nach Deutschland. Joseph gab seinen Traum nicht auf, Medizin zu studieren. In Deutschland angekommen, lernte er Deutsch, nahm an einem Programm teil, das durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst gefördert wurde. Dieses Programm ermöglichte ihm eine umfassende Vorbereitung auf das Medizinstudium, das er im vergangenen Sommer begann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Sie sehen: Wir beraten nicht nur über Zahlen, sondern entscheiden mit über die Zukunft von Menschen.
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Wir wissen alle, dass eine gute und gerechte Bildung Zukunftschancen eröffnet und Teilhabe ermöglicht. Das Ziel ist es, mehr Chancengerechtigkeit in der Bildung zu schaffen und die Entfaltung individueller Potenziale zu fördern und dadurch den Aufstieg durch Bildung zu ermöglichen.
Ich darf daran erinnern: Dafür hat sich die Sozialdemokratie immer eingesetzt.
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Dabei ist völlig egal, ob jemand aus Aleppo, aus Halle an der Saale oder aus Lauscha in Thüringen kommt. Für uns als SPD-Fraktion steht fest: Die beste Investition ist die Investition in Bildung.
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Wir geben viel und bekommen noch mehr zurück. Was hier gilt, gilt natürlich auch in der ganzen Welt.
Sinn entsteht, wenn man Verantwortung für die Gesellschaft übernimmt. Fest steht: Wir leben in einer Welt, in der durch Armut, Krieg und Krisen mehr als 250 Millionen Kinder, vor allem Mädchen, keinen Zugang zu Bildung haben. „Bildung ist die mächtigste Waffe, um die Welt zu verändern“, sagte bereits der Nobelpreisträger Nelson Mandela.
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Deshalb ist es wichtig, dass wir mit unseren Mittlerorganisationen wie dem DAAD, der Alexander-von-Humboldt-Stiftung und anderen Menschen vor Ort fördern. Die Förderung der Internationalisierung von Bildung, Wissenschaft und Forschung ist darüber hinaus auch ein Plädoyer für Weltoffenheit, Gemeinsamkeit und die Freiheit des Denkens im internationalen Kontext. Gerade in dieser Zeit von Hass und Hetze ist das ein entscheidender Beitrag.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich, dass der Bildungshaushalt über 18 Milliarden Euro beträgt und dass wir mit dem Geld unter anderem den DigitalPakt, das BAföG und die Finanzierung der Hochschulen verbessern. Damit Menschen wie Joseph Yateem und viele andere auch ihre Träume verwirklichen können, lassen Sie uns weiter für Chancengerechtigkeit in der Bildung kämpfen. Ich bin fest davon überzeugt: Mit diesem Haushalt sind wir auf einem guten Weg.
Danke schön.
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Vielen Dank, Dr. Karamba Diaby. – Letzte Rednerin in dieser Debatte: Kerstin Radomski für die CDU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorredner haben bereits viele Aspekte angesprochen, von denen auch mir zahlreiche am Herzen liegen, etwa die Förderung der MINT-Fächer.
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Zu Beginn möchte ich aber noch einmal auf das eingehen, was schon mehrfach hier angesprochen wurde, nämlich dass dieser Einzelplan 69 Millionen Euro weniger aufweist als letztes Jahr, und die Tatsache ansprechen, dass er eigentlich um 715 Millionen Euro hätte abschmelzen müssen, wenn sich unsere Bundesbildungsministerin nicht am Kabinettstisch wie eine Löwin dafür eingesetzt hätte,
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dass 650 Millionen Euro mehr in diesen Einzelplan eingestellt worden sind. Herzlichen Dank!
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Als letzte Rednerin in dieser Debatte möchte ich aber gerne erst mal etwas Grundsätzliches sagen. Wir leben in einer Zeit bedeutender Weichenstellungen weltweit für das Leben und die Wettbewerbsfähigkeit in der Zukunft. Dem Einzelplan für Bildung und Forschung kommt dabei eine entscheidende Rolle zu.
Mit dem Blick auf diesen Bereich möchte ich ein Beispiel nennen, das derzeit wie kaum ein anderes die Situation beschreibt und sagt, warum wir über so etwas Bedeutendes sprechen. Im März wurde veröffentlicht, dass mit der Zahl seiner europäischen Patentanmeldungen das deutsche Unternehmen Siemens das chinesische Unternehmen Huawei von Platz eins in Europa verdrängt hat. In der Jahresstatistik gelangte mit Siemens und dessen knapp 2 500 Patenten erstmals seit sieben Jahren wieder ein deutsches Unternehmen an die europäische Spitze.
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Viele dieser Patente zielen auf die Zukunftstechnologien wie künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge und Cybersecurity ab. Auf solche Erfolge, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir stolz sein.
In diesen wichtigen Jahren dürfen wir Europäer uns nicht von den Innovationszentren in den USA und China abhängen lassen. Wir müssen uns, wie Kollegin Staffler das auch sagte, Lust auf die Zukunft machen, aber wir müssen auch überlegen, wie diese Zukunft für uns aussehen soll.
Wir wollen vor allen Dingen nicht den völlig gläsernen und überwachten Konsumenten, zu dem gerade 1 Milliarde chinesischer Onlinekunden gemacht werden, sondern wir wollen einen starken europäischen Gegenentwurf, bei dem unsere besten Köpfe die Welt der Zukunft entwickeln.
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Genau das ist das Ziel, das die Bundesbildungsministerin mit ihrem Entwurf von 18,2 Milliarden Euro vorantreiben möchte. Das ist eine Menge Geld, vor allem verglichen mit dem Niveau, auf dem wir beim Kanzlerwechsel 2005 gestartet sind.
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Inzwischen macht der Einzelplan 30 rund 5 Prozent des Gesamtbudgets aus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte kurz noch einige Schwerpunkte nennen. Für die Digitalisierung in den Schulen geben wir 3,5 Milliarden Euro aus. Zur Veranschaulichung: Für die Kommunen in meinem Wahlkreis bedeutet dies konkret eine Förderung von 18,7 Millionen Euro für die digitale Infrastruktur und Ausstattung.
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Für die Zukunftstechnologie „künstliche Intelligenz“ haben wir bereits 500 Millionen Euro im letzten Haushalt eingestellt. Weitere 500 Millionen Euro sind im Entwurf vorgesehen. Insbesondere lokale Kompetenzzentren sollen damit gefördert werden.
Unter den vielen Einzelvorhaben möchte ich die Nationale Dekade gegen Krebs hervorheben. In ihrem Zusammenhang werden wir 140 Millionen Euro über die nächsten drei Jahre verteilen, um einen Beitrag zur Bekämpfung von Krebs zu leisten. Das Ziel soll sein, neue Forschungsergebnisse in der Prävention, Diagnose und Therapie rasch zu den Menschen zu bringen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen: Wir sind mit dem Haushalt auf einem guten Weg. Wir werden nun engagierte Haushaltsberatungen führen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit, die in den letzten Jahren immer sehr konstruktiv war, und sehe positiv in die nächsten Wochen.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Kerstin Radomski. – Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor.