Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 9/10/2019

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Olaf Scholz (Minister:in)

Politiker ID: 11003231

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist jetzt der dritte Haushalt dieser Regierung, den wir miteinander beraten. ({0}) Und wie die beiden zuvor ist es ein solider Haushalt, der ohne neue Schulden auskommt. Trotzdem haben wir unsere Spielräume genutzt. Es ist ein expansiver Haushalt, der viele Investitionen und viele Entscheidungen für die Zukunft beinhaltet – und das ist auch richtig so; denn wir stehen vor großen Herausforderungen. ({1}) Vielleicht ist es jetzt, zum Ende des Jahrzehntes, doch wichtig, sich einmal klarzumachen: Die 20er-Jahre stehen kurz bevor, ({2}) und damit natürlich viele große Herausforderungen, die wir zu bewältigen haben. Wenn wir Haushaltspolitik machen, reflektieren wir natürlich das, was wir für die Zukunft erwarten, und versuchen, uns bestmöglich auf das einzustellen und vorzubereiten, was zu tun ist. Die eine große, wichtige Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass in einer Welt, die immer schwieriger wird, der Zusammenhalt unserer Gesellschaft auch zukünftig funktioniert. Wie sehr das notwendig ist, können wir an all den Verwerfungen merken, die gegenwärtig überall zu beobachten sind. Ich will nur an das, was ein anderes Parlament jeden Tag bewegt, erinnern: den Brexit und die Entscheidung, die die britische Bevölkerung in dieser Hinsicht getroffen hat. Es war die Sorge vor der Zukunft, die zu der aus unserer Sicht bedauerlichen und falschen Entscheidung geführt hat, die EU zu verlassen. Aber es ist auf alle Fälle ein Zeichen dafür, dass eine Gesellschaft, die nicht zusammenhält, auch nicht sicher sein kann, wie sie ihre Zukunft bewältigen soll. Zusammenhalt ist die wichtigste Aufgabe für die Zukunft. ({3}) Das merken wir auch, wenn wir uns über die amerikanische Politik Gedanken machen und über deren Ringen darum, ob Wälle aufgebaut werden sollen und wie man Zollpolitik mit anderen Ländern betreibt. Das alles sind ja auch Reflektionen auf eine große Unsicherheit im eigenen Land über die Frage, wie es in Zukunft eigentlich weitergehen soll. Und selbstverständlich ist auch bei uns in Deutschland und in anderen Ländern Europas was los. Ich will ausdrücklich an dieser Stelle sagen, dass natürlich auch wir überall merken, dass der Zusammenhalt unserer Gesellschaft ein Thema ist, das die Bürgerinnen und Bürger bewegt. Deshalb ergibt sich daraus auch für mich der klare Auftrag an uns: Nur eine Gesellschaft, die zusammenhält, ist auch gegen die Irrungen und Ressentiments des Nationalismus und des rechten Populismus gefeit. ({4}) Dass wir das hinbekommen, ist eine wichtige Aufgabe für die Bundesregierung und dieses Haus. Deshalb haben wir in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Dingen vorangebracht, die für den Zusammenhalt wichtig sind. Es geht um den Arbeitsmarkt, wo wir sehr erfolgreich Mittel eingesetzt haben, um einen sozialen Arbeitsmarkt in Deutschland zu schaffen. Es geht um die Frage, wie wir die Arbeitsrechte von Beschäftigten verbessern. Da liegen einige Dinge, die wir uns fest vorgenommen haben, noch vor uns, etwa was die Leute betrifft, die zu Weihnachten die Pakete ausliefern werden, oder was die Fragen derjenigen betrifft, die sich Sorgen machen um die Befristung ihrer Beschäftigung. Es ist notwendig, dass wir dort zu Verbesserungen kommen, und wir schaffen die Voraussetzungen dafür. ({5}) Das gilt ebenso, wenn man sich über die Frage Gedanken macht, wie man eigentlich seine Miete bezahlen soll. Es ist gut, dass sich die Bundesregierung jetzt vorgenommen hat, in diesem Bereich weitere gesetzgeberische Fortschritte zu machen, die dazu beitragen, dass mehr Sicherheit für Mieterinnen und Mieter entsteht. ({6}) Es ist richtig, dass wir in dieser Situation alles dazu beitragen, damit Familien in diesem Land gut leben können. Deshalb ist es gut, dass dieser Haushalt unsere Haltung zur Frage: „Wie stärken wir Familien?“, mitreflektiert. Diejenigen, die wenig Geld verdienen, aber dennoch mit dem Einkommen gut zurechtkommen sollen, stärken wir mit dem Starke-Familien-Gesetz, mit dem Ausbau von Krippen und Kitas. Es geht um ein bezahlbares und gestaltbares Leben für Familien in diesem Land. Auch das hat mit Zusammenhalt zu tun. ({7}) Wir haben vor uns die große Aufgabe, etwas für diejenigen zu tun, die Pflege benötigen – es werden immer mehr –, ({8}) und für diejenigen, die sie leisten. Deshalb finde ich sehr richtig, dass die Bundesregierung sich nicht nur vorgenommen hat, die Standards für die Pflege zu verbessern und dafür zu sorgen, dass mehr und besser ausgebildet wird, sondern auch daran zu arbeiten, dass diejenigen, die dort arbeiten, besser bezahlt werden. Auch das gehört zu den Vorhaben, die über diesen Haushalt mit auf den Weg gebracht werden. ({9}) Und natürlich und nicht zuletzt ist es ganz wichtig, dass wir auch dazu beitragen, dass die Lebensverhältnisse in unserem Land gleichwertig sind. Wir haben dazu eine Kommission gehabt, die Vorschläge gemacht hat. Die Bundesregierung hat sich dazu verhalten. Es sind dort viele Aufgaben benannt, etwa was die Wirtschaftsförderung in Regionen betrifft, die zusätzliche Unterstützung brauchen. Aus meiner Sicht ist eine ganz wichtige Frage, für die wir verpflichtet sind eine Lösung zu finden, die Problematik der Altschulden der Kommunen. ({10}) Es kann nicht sein, dass einige trotz bester Anstrengung nicht in der Lage sind, für sich selber eine bessere Zukunft zu erreichen. ({11}) Und natürlich leisten wir auch mit dem, was wir tun, ein wenig einen Beitrag dazu, dass die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land besser werden kann, zum Beispiel mit den Entscheidungen der letzten Zeit und denen, die noch kommen, zur Verbesserung der Einkommenssituation unserer Bürgerinnen und Bürger: mit Kindergelderhöhungen, mit Steuersenkungen für untere und mittlere Einkommen und mit der Entscheidung, die demnächst ansteht, dass der Soli für 90 Prozent derjenigen, die ihn heute zahlen, abgeschafft wird. Das alles führt zu besseren Einkommensverhältnissen für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land. ({12}) Und dass wir den Soli für so viele abschaffen – für 90 Prozent derjenigen, die ihn bisher gezahlt haben –, dass wir die Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Staat im Hinblick auf diese Aufgabe darüber hinaus für weitere reduzieren, sodass nur ganz wenige in Zukunft diese Aufgabe noch schultern müssen – die können es aber auch, weil sie sehr viel Geld verdienen –, ist auch eine Entscheidung der Gerechtigkeit. Und Gerechtigkeit gehört zu einer guten Haushaltspolitik und zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft dazu. ({13}) Ich habe ja vernommen – das werden wir in dieser Debatte sicher auch wieder hören –, dass hier von einigen versprochen worden sei, dass diejenigen, obwohl sie Millionen Euro verdienen, eine Steuerentlastung von 100 000 Euro brauchen. Ich sage: Das hat niemand versprochen. Wir haben vielmehr versprochen, dass wir so lange die Aufgaben der deutschen Einheit finanzieren, wie es notwendig ist. Und da ist noch etwas zu tun, wie jeder weiß, der in Deutschland herumkommt. Und ich sage: Es ist richtig, dass diejenigen, die sehr hohe Einkommen haben, diesen solidarischen Beitrag auch in den nächsten Jahren noch leisten. ({14}) Dass wir in dieser Weise durch viele Maßnahmen dazu beigetragen haben, dass die Einkommen der Bürgerinnen und Bürger besser werden, hat auch einen messbaren Effekt auf die Konjunktur. Wir alle diskutieren über die wirtschaftliche Entwicklung; aber mittlerweile bestätigen uns auch viele, dass es durch die Maßnahmen, die dieses Haus beschlossen hat, und durch die Maßnahmen, die die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, einen Impuls für die wirtschaftliche Entwicklung im Inland gibt. ({15}) Es können bis zu 0,7 Prozent des Sozialproduktes sein, die sich allein auf Maßnahmen der Bundesregierung, des Bundestages stützen. Wir haben die Binnenkonjunktur gestärkt – und das ist auch richtig so, meine Damen und Herren! ({16}) Und natürlich – auch das gehört dazu – haben wir noch einige Dinge vor, die zu organisieren und zu finanzieren nicht leicht wird. Aber es wird gehen, weil wir jetzt die Grundlagen dafür schaffen, indem wir auf eine solide Haushaltspolitik, auf eine seriöse Haushaltspolitik bestehen. Ich nenne ein Thema, das sich diese Regierung vorgenommen hat und das eine große Herausforderung sein wird, nämlich die Situation von Rentnerinnen und Rentnern in diesem Land zu verbessern, indem wir in Deutschland so etwas wie eine Grundrente wieder einführen; denn das ist notwendig. Wenn viele Bürgerinnen und Bürger auf das schauen, was sie nach einer ganz anstrengenden Lebensleistung an Rente bekommen, dann denken sie: Das darf doch nicht wahr sein. – Und wir als Deutscher Bundestag und als Bundesregierung sollten uns gemeinsam vornehmen, diesen Bürgerinnen und Bürgern beizustehen. Sie haben es verdient, sie haben viel geleistet in ihrem Leben. ({17}) Eins ist aber auch klar: Man kann ein Gemeinwesen nicht gut finanzieren, man kann eine Gesellschaft, die zusammenhält, nicht organisieren, wenn es ein Steuersystem gibt, das nicht gerecht ist. Deshalb war es aus meiner Sicht wichtig, dass wir zum Beispiel mit dem Soli einen Beitrag zur gerechten Finanzierung unserer gemeinsamen Aufgaben geleistet haben. Deshalb bleibt es auch richtig, dass wir alles unternehmen, damit sich nicht einige auf die eine oder andere Weise der Steuerzahlungspflicht entziehen und ihren Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens, den sie angesichts ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten leisten könnten, nicht leisten. Wir müssen alles unternehmen, damit solche Praktiken unterbunden werden, meine Damen und Herren! ({18}) Zum Beispiel haben wir ein Gesetz auf den Weg gebracht, das sich jetzt unmittelbar auswirkt, indem wir die Möglichkeiten begrenzt haben, online Umsatzsteuerbetrug zu begehen. Die Plattformen, die dort als Handelsplattformen dienen, haben sich jetzt in zunehmendem Maße angemeldet. Das wird zu Mehreinnahmen führen, wo bisher viele Steuern überhaupt nicht abgeführt worden sind. Wir leisten einen Beitrag zur Steuerehrlichkeit, aber wir finanzieren damit auch unser Gemeinwesen. Gut, dass wir das gemacht haben. ({19}) Meine Damen und Herren, dazu gehört, dass wir das, was übrigens auch im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Schwarzgeldströmen, von Steuerhinterziehungsmöglichkeiten und der Finanzierung von Dingen, die problematisch sind, steht, auch international diskutieren, nämlich dass Immobiliengeschäfte nicht missbraucht werden können für die Finanzierung von Dingen, die sich nicht gehören. Aus diesem Grunde, aber auch weil es aus Fairnessgründen nicht sein kann, dass gerade beim Verkauf großer Immobilien die Grunderwerbsteuer, die jeder zahlen muss, von einigen nicht gezahlt wird, ist es richtig, dass die Bundesregierung jetzt einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht hat, der solche Share Deals unterbindet und dazu beiträgt, dass eine bessere Finanzierung durch die Zahlung von Grunderwerbsteuer auch von denjenigen geleistet wird, die sehr große Immobilienkomplexe verkaufen. ({20}) Wir haben noch einiges vor: Dazu zählt zum Beispiel die Anzeigepflicht, die wir für Steuergestaltungsmodelle vorsehen. Da werden wir europäische Vorhaben umsetzen. Und wenn es nach mir geht, werden wir auch Wege finden, wie das im nationalen Rahmen gleichermaßen gemacht werden kann. Wir sollten uns in dieser Hinsicht vielleicht mal ein Beispiel an den Briten nehmen, die das seit Jahrzehnten schon sehr erfolgreich machen. Ich glaube, wir müssen rechtzeitig Wind davon bekommen, wenn neue Steuergestaltungsmodelle erfunden werden, und wir müssen dann rechtzeitig gegen sie vorgehen können. ({21}) Aus meiner Sicht gehört zur Gerechtigkeit auch, dass wir verstehen, dass in der Welt, in der wir heute leben, viele Dinge, die uns wichtig sind, gar nicht mehr allein auf nationalem Boden bewegt und entschieden werden können. Deshalb brauchen wir internationale Kooperationen und internationale Verständigung über die Fragen, die für die Zukunft von allergrößter Bedeutung sind. Aus meiner Sicht zählt dazu zum Beispiel, dass wir etwas dagegen tun, dass große globale Konzerne sich der Besteuerung entziehen. Deshalb haben wir eine Initiative eingebracht in die internationalen Strukturen, in die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, und in die Treffen der Finanzminister und Regierungschefs der G-7- und G-20-Staaten, und gesagt: Wir wollen ein globales System der Mindestbesteuerung etablieren, damit wenigstens überall fair Steuern gezahlt werden und nicht einige, die die Möglichkeiten dazu haben, irgendwo keine oder fast keine Steuern zahlen. ({22}) So wie es aussieht, werden wir im nächsten Jahr zu einer Verständigung kommen. Die Diskussionen sind sehr weit vorangeschritten. Das betrifft dann nicht nur die Frage, wie wir zu einer solchen globalen Mindestbesteuerung kommen können, sondern auch eine Frage, die dazu Schnittmengen hat, nämlich: Wie können wir die veränderten Geschäftsmodelle, die sich für globale Internetplattformen ergeben, so in den Griff bekommen, dass auch von denen Steuern gezahlt werden? Auch dieses Problem muss bei dieser Gelegenheit gelöst werden. Alles sieht danach aus, dass es uns gelingt. ({23}) Und dann gibt es noch ein Thema, das diese Regierung sich schon zum zweiten Mal vorgenommen hat – es stand schon im Koalitionsvertrag der letzten Wahlperiode, und es sieht so aus, dass wir dazu jetzt miteinander etwas zustande bringen werden –, nämlich die Verständigung darüber, dass wir wie in anderen Ländern, zum Beispiel in England an der Londoner Börse oder in Frankreich an der Pariser Börse, auch in Deutschland eine Besteuerung von Finanztransaktionen vornehmen. ({24}) Wir haben uns in dieser Frage darauf verständigt, dass wir versuchen wollen, das über eine verstärkte Zusammenarbeit in der Europäischen Union zu schaffen. Die Arbeitsgruppe dazu tagt mit großer Intensität. Und auch hier hoffe ich, dass wir jetzt kurz davor stehen, eine Verständigung herbeizuführen, die zwei Dinge beinhaltet: Das ist zum einen die Frage, wie die Steuer erhoben wird. Unser Vorschlag ist, sich an dem gut funktionierenden französischen Beispiel zu orientieren; denn was irgendwo anders klappt, das kann man ja in Deutschland auch machen. Im Übrigen ist das nicht so unterschiedlich zu dem Modell, das in Großbritannien heute praktiziert wird. Diejenigen, die uns jetzt also von überall warnen und sagen, das könne man nicht machen, weil das etwa den Wirtschaftsstandort Deutschland beeinträchtigen würde, irren sich gewaltig; denn diese beiden großen Länder zeigen, dass das überhaupt keine Beeinträchtigung mit sich bringt, ({25}) sondern eine gute Möglichkeit der Besteuerung ist, die fair ist. Es beklagen ja viele, dass dieser Teil des Wirtschaftsgeschehens sich bisher einer solchen Besteuerung entzogen hat, meine Damen und Herren. ({26}) Wir haben dazu aber auch gesagt: Ja, es muss dann so sein, dass wir diese Aufgabe so lösen, dass unter den Ländern, die eine solche Steuer erheben, Fairness herrscht. Deutschland hat einen großen Markt, andere Länder nur sehr kleine. Das müssen wir zusammenbringen. Auch das steht jetzt zur Debatte. Eins will ich bei dieser Gelegenheit noch sagen: Weil alle gemerkt haben, dass das jetzt nicht nur in irgendwelchen Papieren, Verträgen oder Vorhaben von Regierungen steht, sondern dass die Umsetzung dieser Vereinbarung unmittelbar vor der Realisierung steht, haben seit zwei, drei Monaten die Lobbyisten dieser Republik angefangen, sich im Internet als Influencer zu diesem Thema zu äußern, überall in Veröffentlichungen zu sagen, dass sie das nicht wollen. Ich betrachte den lobbyistischen Aufstand in dieser Frage als ein gutes Zeichen, dass wir unmittelbar vor der Realisierung eines wichtigen Projektes dieser Regierung stehen. ({27}) Auch das will ich dazusagen: Wir werden uns nicht beeindrucken lassen, sondern das Vorhaben durchziehen, das wir uns im Interesse der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes vorgenommen haben. Meine Damen und Herren, ich habe gesagt, dass es, um in einer Welt, die unsicherer wird, einen guten Weg zu gehen, eine wichtige Aufgabe für die Zukunft ist, dafür zu sorgen, dass die Gesellschaft zusammenhält, und ein paar Beispiele benannt, die genau auf dieses Thema zielen, weil sie dazu beitragen, dass Deutschland ein gerechteres Land wird, als es heute ist. Gleichzeitig geht es aber darum, dass wir die Zukunft auch dadurch gewinnen, dass wir in richtiger Weise investieren. Deshalb ist es gut, wie ich eingangs schon gesagt habe, dass der Haushalt, den wir hier vorlegen, ein expansiver Haushalt ist. Wir haben die Möglichkeiten genutzt, die sich für uns ergeben. Ich habe die Stichworte ja alle schon gehört: Manche meinen, sie kritisierten damit die Regierung. Aber ich sage: Sie loben uns. Also: Wir haben den Spielraum genutzt, den wir mit unserer Rücklage haben. Wir haben schon im Koalitionsvertrag vorgesehen, dass wir sie einsetzen wollen für eine aktive Investitionspolitik. Genau das haben wir gemacht und in den nächsten Jahren vor. ({28}) Wir nutzen die geringeren Zinsaufwendungen für höhere Investitionen und eine expansive Haushaltspolitik, um die wirtschaftliche Lage in unserem Land zu stabilisieren. Auch das ist richtig. Wenn uns das als Kritik vorgehalten wird, dann sage ich: Es ist ein Lob; denn wir tun genau das, was in dieser Zeit notwendig und richtig ist, meine Damen und Herren. ({29}) Und wir schaffen das in einem Rahmen, in dem das trotzdem nicht dazu führt, dass wir neue Schulden machen. Das ist dann natürlich die besondere Leistung. Was die Investitionen betrifft, hört man hier ja immer schöne Zahlen. ({30}) Ich bin ganz besonders beeindruckt, weil man angesichts der Investitionsvorschläge, die gegenwärtig aus allen politischen Lagern erhoben werden, sieht, dass alle mal zehn rechnen können. Es wird also – richtigerweise – für das nächste Jahrzehnt eine Menge an Investitionen gefordert. Wenn wir jetzt bei etwa 40 Milliarden Euro Investitionen pro Jahr sind und in der Finanzplanung sichtbar gemacht haben, dass wir das die nächsten Jahre auch durchhalten können, sage ich mal für das nächste Jahrzehnt: Es werden mindestens 400 Milliarden Euro Investitionen sein, die dieser Bundeshaushalt schultert. Das ist ein Beitrag zur Stabilisierung der Konjunktur und der Zukunftsfähigkeit unseres Landes. ({31}) Weil wir die nächsten Jahre natürlich dazu nutzen werden, den Aufwand weiter zu steigern, wird es noch mehr. Aber wir wollen ja die Seriösen in dieser Debatte sein. ({32}) Deshalb rechnen wir mit den Zahlen, die heute da sind, und nicht mit irgendwelchen fantastischen Annahmen. Trotzdem: Es bleibt eine große Leistung, dass wir die höchste Summe an Investitionen in diesem Haushalt seit sehr sehr langer Zeit untergebracht haben. Die Steigerung in den letzten drei Haushalten stellt eine aktive Steigerung zugunsten von Investitionen dar. Das hat diese Regierung richtig gemacht. Aus meiner Sicht muss es auch so weitergehen. ({33}) Weil uns Investitionen so wichtig sind, weil sie eine so zentrale Rolle für die Zukunft spielen, haben wir – übrigens mit der Hilfe fast des ganzen Hauses; das will ich ausdrücklich sagen – in diesem Jahr mehrfach das Grundgesetz geändert, um die Investitionstätigkeit steigern zu können. Zum Beispiel haben wir sichergestellt, dass der soziale Wohnungsbau, der in Deutschland so wichtig ist, nicht im nächsten Jahr endet. ({34}) Wir haben das Grundgesetz geändert, damit auch in den 20er-Jahren sozialer Wohnungsbau stattfinden kann. Ich sage hier: Wir werden ihn mit vielen Milliarden aus dem Bundeshaushalt in den nächsten Jahren noch unterstützen. ({35}) Es ist richtig: Wir brauchen mehr Sozialwohnungen in Deutschland, als es heute der Fall ist. Es gibt eine große Debatte darüber, wie viele es sein sollen. Ich will aus meinem Herzen keine Mördergrube machen. Wenn wir erreichen wollen, dass die Zahl der Sozialwohnungen in Deutschland nicht sinkt, dann müssen in diesem Land jährlich ungefähr 80 000 Sozialwohnungen gebaut werden. Das ist eine gemeinsame Anstrengung von Gemeinden, Ländern und Bund. Der Bund hat seine Voraussetzung dazu geschaffen, indem er jetzt die Möglichkeit hat, diese Mittel weiter bereitzustellen. Wir werden es tun. Die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes haben es verdient. ({36}) Und weil ja manche denken: Wenn wir über geförderten Wohnungsbau reden, dann betrifft es sie nicht selbst, will ich sagen: Das ist ein großer Irrtum; denn in praktisch jeder deutschen Stadt hat die Hälfte aller Haushalte theoretisch den Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein. Das ist ein Zeichen dafür, wie wenig an einigen Stellen hierzulande verdient wird und wie sehr es notwendig ist, dass wir eine solche Aufgabe wie den preiswerten Neubau bei Wohnungen auch zu einer Aufgabe der gesamten öffentlichen Hand machen. Wir haben das investiv möglich gemacht. Das Gleiche gilt für die anderen großen Themen, die sich mit unseren jungen Leuten beschäftigen: Kitas und Schulen. Auch dort haben wir das Grundgesetz geändert, um besser helfen zu können und bessere Unterstützung geben zu können. Und wir haben die Mittel bereitgestellt, damit es in Deutschland qualitativ bessere und mehr Ganztagsangebote gibt und damit es auch möglich ist, Gebühren zu senken. Das sind drei große Herausforderungen für Gemeinden, Länder und Bund. Wir leisten unseren Beitrag dazu. Die Bundesministerin hat alle wichtigen Vorhaben auf den Weg gebracht, damit es überall in Deutschland stattfinden kann. ({37}) Es ist wirklich eine gute Sache, zu sehen, wenn Franziska Giffey praktisch im Wochenrhythmus irgendwo in Deutschland einen Vertrag unterschreibt, in dem diese Dinge auch real umgesetzt werden. Ich glaube, das ist ein guter Fortschritt für unser Land und ein Zeichen dafür, dass wir auf die Zukunft setzen. Die hohen Investitionen, die wir heute haben, und die Mittel, die wir in diesem Zusammenhang nutzen, sind natürlich nur dann sinnvoll einsetzbar, wenn sie auch ausgegeben werden. Deshalb ist es so wichtig, dass wir mit diesem Haushalt, mit unserer Finanzplanung und mit unserer politischen Strategie das klare Signal aussenden: Investitionen in Infrastruktur, Investitionen in Krippen und Kitas, Investitionen in den Wohnungsbau wird es auch im ganzen nächsten Jahrzehnt geben. Denn wir müssen überall dafür Sorge tragen, dass die Planungskapazitäten in den Gemeinden, in den Ländern und bei den Unternehmen wieder ausgebaut werden. Dass wir unser Geld, das wir bereitstellen, nicht überall loswerden, ist ein Missstand, der schnell beendet werden muss. Da muss unser ganzes Land zusammenarbeiten und auf die Zukunft setzen. ({38}) Eines will ich im Hinblick auf die Investitionen und die Finanzplanung doch noch sagen: Aus meiner Sicht ist es ganz zentral, dass wir mit der Solidität der letzten Jahre und der Solidität, die die Finanzplanung und der Haushaltsentwurf für das nächste Jahr vorsehen, die Grundlagen dafür geschaffen haben, dass wir in einer wirtschaftlich schwierigen Situation handeln können; denn dann wird es schon sehr auf uns ankommen, als größte Volkswirtschaft mitten in der Europäischen Union, ob wir einer sich ins Negative wendenden Konjunktur etwas entgegenhalten können. ({39}) Aus meiner Sicht ist es deshalb ganz zentral, dass wir mit den soliden Finanzgrundlagen, die wir heute haben, in der Lage sind, mit vielen, vielen Milliarden gegenzuhalten, wenn tatsächlich in Deutschland und Europa eine Wirtschaftskrise ausbricht. Wir werden es dann auch tun. Das ist gelebter Keynesianismus, wenn man das so sagen will. Es ist eine aktive Politik gegen die Krise, aber dazu muss sie erst einmal da sein, meine Damen und Herren. ({40}) Nur dass wir es können, ist erst einmal die Botschaft. Dass wir es tun werden, ist die zweite Botschaft, die sich auch an die Wirtschaft und alle in unserem Land richtet, weil es natürlich zentral ist für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Ich will ausdrücklich sagen, dass die Lage aber gegenwärtig so ist, dass wir zwar eine sich abschwächende Konjunktur haben, dass es aber unverändert lauter Symptome gibt, die nichts mit einer Krise, die nach unten marschiert, zu tun haben. Wir haben einen Fachkräftemangel. Wenn aber ein paar Hunderttausend Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit guter Qualifikation an den richtigen Fabriken und Bürogebäuden anklopfen würden, würden sie alle morgen früh eingestellt. Das ist die wirtschaftliche Lage, in der wir uns befinden. Wir haben eine Baukonjunktur, bei der unverändert die Kapazitäten überausgelastet sind und wir dringend dafür werben, dass endlich in den Kapazitätsausbau investiert wird. Denn wenn man in Deutschland 400 000 Wohnungen im Jahr bauen will, wenn man die Infrastruktur so weiterentwickeln will, wie wir das hier finanziell möglich machen, dann brauchen wir größere heimische Kapazitäten – zum Beispiel in der Bauwirtschaft –, als sie heute überhaupt existieren. Auch das hat etwas mit Zukunftsfähigkeit zu tun. ({41}) Womit unsere wirtschaftliche Lage gegenwärtig zu kämpfen hat und was dazu führt, dass sich das weltweit gegenwärtig nicht in die richtige Richtung entwickelt, das wissen wir ziemlich genau. ({42}) Es hat etwas damit zu tun, was Christine Lagarde noch als Chefin des Internationalen Währungsfonds so treffend formuliert hat: mit den man-made Problems. Damit sind Handelsstreitigkeiten gemeint, insbesondere zwischen den USA und China, die jetzt schon viel zu lange dauern. Das will ich mit allem Ernst sagen: Zölle sind irgendwie der falsche Trend. Ich glaube, dass wir wieder zurückkommen müssen zu einer Situation, in der ein regelbasierter, geordneter, internationale Arbeitsbedingungen, faire Lieferketten und Umweltschutzfragen beachtender freier Handel das ist, was unseren Wohlstand in der Welt schafft. Aber es sind gar nicht die Zölle das Entscheidende; das muss hier klar gesagt werden. Das größte Problem für die Weltwirtschaft ist, dass keiner weiß, wie es demnächst weitergehen wird. Wenn das zwei Monate der Fall ist, wenn das drei Monate der Fall ist und wenn das fünf Monate der Fall ist, dann hat das noch keine großen Auswirkungen. Aber jetzt geht dieser Streit schon zu lange, und überall in der Welt warten Unternehmen darauf, dass sie endlich das positive Signal kriegen, dass die Sache sich wieder in eine andere Richtung bewegt, damit sie endlich investieren können. Deshalb muss man aus dem, was Christine Lagarde gesagt hat, auch den richtigen Schluss ziehen: Man-made Problems können auch von denen wieder gelöst werden. Es ist dringend erforderlich, dass die USA und China zu einer Verständigung in dem Handelsstreit kommen. ({43}) Zu den Zukunftsaufgaben, die vor uns liegen, gehört auch der menschengemachte Klimawandel. Ich will ausdrücklich sagen: Es ist einer, den die Menschen gemacht haben mit ihrer wirtschaftlichen und industriellen Tätigkeit. Er hat mittlerweile ein Ausmaß erreicht, das wir alle gemeinsam als bedrohlich empfinden können und empfinden müssen. Eigentlich ist es ja so, dass wir das schon lange wissen. Ich erinnere mich jedenfalls an die Bücher, die mich als noch nicht 20-Jährigen sehr bewegt haben, über die „Menschheit am Wendepunkt“ und über die „Grenzen des Wachstums“, die der Club of Rome damals geschrieben hat. Nun hat er sich mit seinen Prognosen ein wenig vertan. ({44}) Wenn man die heutige Entwicklung betrachtet, ist es auf alle Fälle so, dass der damals prognostizierte Mangel an Rohstoffen – fossilen Rohstoffen zum Beispiel – gar nicht eingetreten ist, sondern diese bedrückenderweise noch lange zur Verfügung stehen. Die reale Situation ist aber trotzdem die, dass wir es in den letzten Jahrzehnten nicht geschafft haben, all die notwendigen Entscheidungen zu treffen, die verhindern, dass die Erderwärmung so weitergeht, dass das Klima so bedroht wird. Jetzt ist es fünf vor zwölf. Wir müssen handeln. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten das von dieser Regierung und von diesem Parlament – zu Recht. ({45}) Wir werden deshalb auch nicht mit kleinen Maßnahmen durchkommen und auch nicht mit mehr vom Selben. Unter „mehr vom Selben“ begreife ich das Vorgehen, nur weitere Förderprogramme aufzulegen und zu sagen: Das war die ganze Politik. – Der Energie- und Klimafonds der Bundesregierung, über den ich gleich noch zwei Sätze sagen will, ist ein sichtbares Zeichen dafür, dass bloße Förderprogramme alleine nicht ausreichen. ({46}) Wir haben in diesem Fonds eine ganze Reihe von Fördermaßnahmen aufgeschrieben, die alle nicht abgefragt und nicht genutzt werden. Deshalb sage ich: Es ist dringend erforderlich, dass wir zu einer Gesamtregelung kommen, in der Fördermaßnahmen ein wichtiger Teil sind, aber nicht die ganze Politik. Das wird nicht reichen, meine Damen und Herren. ({47}) Wir haben übrigens entschieden, dass wir diesen Fonds, anders als es in den letzten Jahren üblich war, nicht mit dem Haushalt zuleiten. Denn: Wenn unsere Analyse richtig ist, dass darunter viele Maßnahmen sind, die sich als nicht effektiv erwiesen haben, wir aber für den Bereich Verkehr oder in der Frage, wie unsere Häuser gedämmt werden und wie wir heizen, in der Frage, wie sich die Landwirtschaft entwickelt, in der Frage der Abfallwirtschaft und der kleinen Industrie – das sind all die Bereiche, um die es jetzt geht – wichtige Entscheidungen voranbringen wollen, dann sollten wir auf effektive Maßnahmen setzen und das, was uns dafür wichtig ist, umsetzen. Deshalb ist es richtig, dass der Energie- und Klimafonds nach den Beratungen der Bundesregierung zu den Klimaentscheidungen Ende dieses Monats zugeleitet wird und nicht vorher. Das ist der richtige Weg, meine Damen und Herren. ({48}) Ich akzeptiere, dass die übliche Kritik kommt, die immer lautet, dass man doch alles viel früher hätte machen können. Diese Kritik ist berechtigt. Allerdings sollte jeder, der sie ausspricht, sich an seine eigene Nase fassen. Er war auch dabei, als zu wenig geschehen ist. Das gilt übrigens für praktisch alle Fraktionen dieses Hauses, ({49}) auch für diejenigen, die sich sehr für den Klimaschutz einsetzen. ({50}) Und deshalb ist es aus meiner Sicht richtig, dass wir jetzt mit einem richtigen Neustart dazu beitragen, dass es auch richtig klappt. Ein paar Dinge, um die wir uns jetzt kümmern müssen, haben wir schon angepackt, zum Beispiel den Ausstieg aus der Atomenergie. Dieser wurde vor langer Zeit auf den Weg gebracht und wird nun Anfang des nächsten Jahrzehnts realisiert. Das war eine richtige Entscheidung, meine Damen und Herren. ({51}) Für mich war das – das will ich an dieser Stelle gerne sagen – ein besonderer Moment, dass ich als neugewählter Bundestagsabgeordneter nach 1998 mitentscheiden konnte, dass die Atomkraftwerke, gegen die ich demonstriert hatte, nun Stück für Stück abgebaut werden. ({52}) Genauso richtig ist es, dass wir einen solchen Prozess für die Kohleverstromung in Deutschland auf den Weg gebracht haben. Wir werden spätestens in 20 Jahren aus der Kohleverstromung aussteigen. ({53}) Das ist ein zentraler Beitrag zum Klimaschutz in diesem Land, meine Damen und Herren. ({54}) Damit das gelingt, muss investiert werden, übrigens nicht immer vom Staat, sondern ganz oft auch privatwirtschaftlich. ({55}) Dazu zählt zum Beispiel der Ausbau des Übertragungsnetzes für Strom, dazu gehört der Ausbau und die Weiterentwicklung der Gasnetze und dazu gehört zum Beispiel der Einstieg in neue Erzeugungsformen, die regelbar sind, zum Beispiel durch massive Investitionen und durch Förderung der Wasserstoffwirtschaft. Dazu zählt selbstverständlich, dass wir die erneuerbaren Energien weiter ausbauen. 65 Prozent bis 2030, das ist das Ziel dieser Regierung, und wir werden alles dafür tun, dass das auch tatsächlich klappt. ({56}) Wir müssen dafür sorgen, dass die Dinge, die wir mit Europa zusammen auf den Weg gebracht haben, jetzt auch funktionieren können. Die Europäische Union hat weitreichende Entscheidungen getroffen hinsichtlich der CO2-Emissionen, die Fahrzeuge 2030 haben dürfen. Das hilft uns jetzt bei der Bekämpfung des menschengemachten Klimawandels. Das waren sehr ehrgeizige Ziele. Nun erleben wir, dass die deutsche Industrie Milliarden in alternative Antriebstechniken und Antriebsformen investiert, die für die Zukunft wichtig sind: Elektromobilität, Plug-in-Hybride. Es geht zum Beispiel auch um Entscheidungen im Hinblick auf die Frage: Wie kriegen wir es hin, dass auch bei größeren Fahrzeugen irgendwann Brennstoffzellen und Wasserstoff eine Rolle spielen? Diese Investitionen müssen wir unterstützen. Wenn wir in Zukunft so langsam vorankommen wie bisher, was den Ausbau von Ladestationen betrifft, dann werden wir nicht schnell genug sein. Wir müssen schon das Tempo und die Kraft haben, die wir schon einmal in diesem Land hatten, als es darum ging, Eisenbahnstrecken und Straßen zu bauen. Dieses Tempo brauchen wir jetzt auch beim Ausbau von Ladestationen. ({57}) Wir müssen sicherstellen, dass es in diesem Land Millionen davon gibt und nicht ein paar Zehntausend. ({58}) Manche Investitionen müssen sehr langfristig vorbereitet werden. Wir sagen jetzt alle zu Recht – und ich sage: sehr zu Recht –: Wir werden uns nicht nur auf die Frage konzentrieren können, wie die Antriebe von Fahrzeugen in Zukunft sein werden, sondern wir müssen zum Beispiel auch das Schnellbahnnetz ausbauen und mehr U- und S-Bahnen bauen, damit Umstiegsmöglichkeiten überhaupt existieren. Auch ein wichtiges Thema ist: Wir müssen dafür sorgen, dass die Stationen alle behindertenfreundlich und barrierefrei sind, ({59}) anders als das heute der Fall ist. Das ist mit hohen Investitionen verbunden, die mit einem langen Vorlauf auf den Weg gebracht werden müssen. Wenn heute eine Stadt und ein Land entscheiden, eine neue S-Bahn- oder eine neue U-Bahn-Strecke auf den Weg zu bringen, wird sie erst in den 30er-Jahren vollendet sein. Aber das ist für uns kein Grund, sich zurückzulehnen, sondern ein Grund, jetzt den Weg zu bereiten, damit diese Planungen auf den Weg gebracht werden und in diesem, im nächsten und im übernächsten Jahrzehnt diese Dinge stattfinden. ({60}) Es hilft ja manchmal, dass man auch schon mal etwas anderes gemacht hat, in diesem Fall ich als Bürgermeister. Die erste Entscheidung, die ich in der ersten Woche, als ich neu gewählt war, getroffen hatte, war, eine U-Bahn-Strecke zu verlängern; für diejenigen, die sich in Hamburg auskennen: von der HafenCity Universität zu den Elbbrücken, 1,4 Kilometer. Als die Strecke 2019 eingeweiht wurde, war ich schon nicht mehr Bürgermeister, sondern Bundesminister der Finanzen. ({61}) Das zeigt, wie dringend jetzt sofortiges Handeln ist. ({62}) Die zweite Entscheidung, die ich getroffen hatte, war, eine S-Bahn-Strecke neu zu bauen. ({63}) Das hat die Bürgerschaft mitgemacht, ({64}) das Land Schleswig-Holstein und die Bundesrepublik Deutschland auch. Diese Planung ist jetzt, 2019, beendet, und die Strecke wird Anfang der 20er-Jahre fertiggestellt sein. Das ist ein klares Zeichen dafür, wie lang die Vorläufe sind, aber auch dafür, wie richtig es ist, genug Geld in diesem Bereich zu investieren. ({65}) Neben all den Maßnahmen, die wir in diesem Zusammenhang brauchen, brauchen wir natürlich auch ein System der CO2-Bepreisung. Auch darüber diskutieren wir jetzt. Wir machen das sehr sorgfältig. Ich bin sehr dankbar, dass die Bundesumweltministerin, die Bundesregierung insgesamt eine ganze Reihe von sehr guten Wissenschaftlern und Instituten beauftragt hat, diese Frage zu erörtern und Vorschläge dazu zu machen; denn wir haben uns mit einer besonderen, einer ganz neuen Situation auseinanderzusetzen. Wir haben im Bereich der großen Industrie ein System der Bepreisung gefunden: das europäische Emissionshandelssystem. Das funktioniert, nachdem die Preise einigermaßen gestiegen sind – anders als anfangs –, mittlerweile ganz gut. Alle sagen uns voraus, dass diese Industriebereiche auf Basis dieser Preisbildung die verschiedenen Ziele, die wir uns in Deutschland und Europa gesetzt haben, erreichen werden. Jetzt aber reden wir über die Bereiche, die nicht von diesem europäischen Emissionshandelssystems umfasst sind. Wir reden also ausdrücklich über etwas, was Millionen Haushalte, Millionen Bürgerinnen und Bürger direkt betrifft. Wenn wir also Bepreisungen machen, hat das Folgen für die Kosten des Autofahrens und für die Kosten des Heizens, und das betrifft viele Millionen Bürgerinnen und Bürger. Das Gleiche gilt für die anderen Sektoren, die ich vorhin genannt habe. Wir müssen also sehr gut sein, und wir müssen aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger denken und Vorschläge machen, die aus ihrer Sicht funktionieren. Das heißt, wir müssen wissen, dass, wenn die Preise steigen, sich nicht jemand gleich am nächsten Tag ein neues Auto kauft, sondern, wie geplant, zwei, drei, vier, fünf, sechs Jahre später. Und wir müssen wissen, dass niemand, weil die Preise steigen, gleich am nächsten Tag einen Handwerker anruft, um zu sagen: Ich installiere in meinem Haus eine neue Heizung. – Aber wir müssen erreichen, dass all das geschieht, und zwar mit großzügigen und besser ausgestalteten Förderprogrammen, als wir sie heute haben, aber auch mit gesetzlichen Regeln und, selbstverständlich, indem wir dafür sorgen, dass man sich auf die veränderte Situation einstellen kann. Wichtig ist, dass alle wissen: Auf lange Sicht wird es teurer, CO2 zu verbrauchen, sodass sie jetzt die richtigen Entscheidungen treffen und ihre eigenen Möglichkeiten besser nutzen. ({66}) Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen. ({67}) Wir werden diese Aufgabe gemeinsam schultern. Ich glaube im Übrigen, dass es gut wäre, wenn wir in dieser Frage so etwas wie einen über die Regierungsparteien hinausreichenden nationalen Konsens erreichen könnten; denn tatsächlich ist die Aufgabe, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten und gleichzeitig ein wirtschaftlich erfolgreiches Land zu bleiben, das hochmoderne Hochtechnologiearbeitsplätze bietet, das global, also auf dem Weltmarkt, weiter wettbewerbsfähig ist, ({68}) eine ganz zentrale Herausforderung, die wir gemeinsam schultern müssen. Und dann müssen wir auch Fragen beantworten, die uns die Bürgerinnen und Bürger stellen, Fragen, die sie, wie ich finde, zu Recht stellen. Eine lautet: Warum ist es denn richtig, dass Deutschland aus der Kohleverstromung aussteigt, wenn gleichzeitig in Afrika und Asien tausend zusätzliche Kohlekraftwerke gebaut werden? ({69}) Eine andere Frage ist zum Beispiel: Warum ist es richtig, dass wir bei Fahrzeugen jetzt auf moderne Antriebstechniken mit weniger CO2-Emissionen setzen, wenn gleichzeitig überall in der Welt noch Millionen zusätzliche neue Fahrzeuge mit klassischen Verbrennungstechniken auf den Markt kommen? ({70}) Die Antwort auf diese Frage kann und muss auch gegeben werden. ({71}) Die Antwort lautet: ({72}) Weil wir es können. ({73}) – Das ist die Antwort! Sie sind nicht nur kulturell ein Rückschritt für dieses Land, Sie sind auch technologisch 19. Jahrhundert. ({74}) Es gibt eine Wahrheit: Wir haben die Ingenieurinnen und Ingenieure, und wir haben die Finanzkraft. Nun haben wir die Technologien, die Systeme und die Techniken zu entwickeln, mit denen das bewältigt werden kann. Wenn uns das gelingt – wir zählen zu denen, die das können –, dann ist das auf alle Fälle auch ein Beitrag zum Klimaschutz in der Welt; denn dann können wir anderen sagen: Wir haben eine bessere Alternative, als weitere 500 Kohlekraftwerke da und dort zu bauen, wir haben eine bessere Alternative, als dass jetzt in Zukunft die ganze Welt mit Autos vollgestellt wird, mit dem CO2-Verbrauch, wie wir ihn auch schon in den letzten Jahren in Deutschland, in Europa, in den USA, in Japan und in Australien hatten. Dann gäbe es nämlich keine Luft zum Atmen mehr. ({75}) Unsere Technologien können eine Lösung sein, die bezahlbar ist – auch an anderen Ort in der Welt. ({76}) Das nützt der Beschäftigung, das stellt sicher, dass wir auch in Zukunft gut bezahlte Arbeitsplätze haben, das stellt sicher, dass wir auch in Zukunft eine erfolgreiche Exportnation sind, und das ist gut für das Klima in der Welt. Wir können dann auch besser argumentieren, wenn wir andere bitten, bei dieser Aufgabe mitzumachen. Denn diese Wahrheit gilt immer: Was wir auf diesem Globus machen, betrifft uns alle, und wir müssen miteinander verantwortlich handeln. Deshalb müssen wir uns auch füreinander verantwortlich fühlen, und dies ist ein Beitrag, den wir leisten können. ({77}) Meine Damen und Herren, ich habe es eingangs schon gesagt: Das ist erneut ein solide finanzierter Haushalt. Wir kommen ohne neue Schulden aus. Das verschafft uns die Kraft für die Zukunftsfähigkeit, und für massive Investitionen in die Zukunft, für eine Gesellschaft, die wir brauchen, die zusammenhält. Das verschafft uns auch die Fähigkeit, dagegenhalten zu können, falls sich die Konjunktur in Europa und in Deutschland tatsächlich schlechter entwickeln sollte, als wir hoffen wollen. Und das werden wir tun. Ich habe es schon gesagt: Das ist die Aufgabe dieses Haushaltes, und das hat sich die Regierung fest vorgenommen. Schönen Dank. ({78})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Peter Boehringer, AfD. ({0})

Peter Boehringer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004675, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gehört: „Wir schaffen das – Teil 2“. ({0}) Die Regierung stellte und stellt heute keine seriöse Haushaltsplanung vor. Von einer vollständigen und realistischen Abbildung aller Belastungen sind wir erneut weit entfernt. Der Finanzminister will in den nächsten zwölf Monaten verzweifelt auf geduldigem Papier noch den Schein der Haushaltssolidität aufrechterhalten. Dabei ist übrigens die aktuelle Steuerflut eine Leistung der Bürger und Unternehmen, nicht der Regierung. ({1}) Doch die Kassenlage wird 2020 anders aussehen. Ebenso wie die GroKo ächzen inzwischen viele Unternehmen. Wir erleben gerade die letzten warmen Steuersommertage vor dem konjunkturellen Winter. Die gängelnde Politik gegen deutsche Schlüsselindustrien aus rein ideologischen Gründen wird am Arbeitsmarkt und im Haushalt ein Desaster anrichten, auch wenn CO2-Gebühren erst einmal noch mehr Geld in die Kassen spülen werden. Die Einnahmeseite des Haushalts ist zudem durch die historisch nie gesehenen Konjunkturdauerprogramme der Zentralbank positiv verzerrt. Ab Herbst wird die EZB schon wieder 200 Milliarden Euro zusätzliches Luftgeld ins System schießen. Zentralbanken zerstören mit dieser Voodoo-Ökonomie wirklich alle Märkte. (Beifall bei der AfD) Mit Nullzinskrediten ist alles finanzierbar – auf Kosten der Bürger; denn dieser Ausnahmezustand enteignet Sparer und Rentner ebenso wie Mieter durch die Immobilienpreisblase. Der Staat spart so pro Jahr mehr als 100 Milliarden Euro, die Bürger verlieren diesen Betrag. Ohne diesen absoluten Sondereffekt wäre der Haushalt niemals ausgeglichen. ({2}) Gerechterweise müsste diese Zinsersparnis unmittelbar zu Steuersenkungen führen. Immerhin ist sie die Kehrseite der durch Minuszinsen kaputtgeschlagenen Altersvorsorge der Menschen. Die Nullprozentgeldpolitik ist eine Kriegserklärung an die Bürger. ({3}) Faktisch ist damit die von der SPD doch so heißgeliebte Vermögensteuer eigentlich bereits wieder eingeführt. Doch was macht das Finanzministerium? Man schafft noch nicht einmal die überfälligste aller Steuern ab: den Soli. Dabei wird der Soli bereits ab 2020 keine Rechtsgrundlage mehr haben. Die AfD, der Wissenschaftliche Dienst, der Bundesrechnungshof sehen das so. Das Finanzministerium weiß das auch ganz genau, gibt es aber offiziell nicht zu. Sogar der ehemalige Leiter der BMF-Steuerabteilung klagt gegen die weitere Soli-Erhebung, ebenso der Steuerzahlerbund. ({4}) Damit besteht schon im nächsten Jahr ein Haushaltsrisiko von 20 Milliarden Euro, für die ganze Planungsperiode sogar von 54 Milliarden Euro. Herr Minister, ist das Ignorieren der Rechtsmeinung all dieser Institutionen seriös? Sie riskieren ein Milliardendesaster für kommende Steuerzahler. ({5}) Weiterhin ist es eine anhaltende Vernebelung, beim Soli von – Zitat – 90 Prozent Nichtmehrzahlern zu sprechen, wenn doch mehr als 50 Prozent des Soliaufkommens erhalten bleiben. Sie schaffen materiell nur den halben Soli ab, der Rest ist ein rhetorischer Trick, nichts anderes. ({6}) Und selbst diese rhetorischen 90 Prozent Nichtzahler sind noch eine Falschangabe: Da die Solizahlung auf Erträge der ohnehin gemolkenen Sparer erhalten bleibt, sind es in Wirklichkeit mehr als 10 Prozent der Steuerzahler, die den Soli weiterzahlen werden. Dann das Thema Klima. Der Bundestag wäre ja heute der Ort, um über das sagenumwobene Klimabudget zu sprechen. Doch von der Regierung wurde und wird uns nun eine Haushaltsplanung vorgelegt, in dem dieser nach Mediengerüchten riesige CO2-Teil selbst heute zur ersten Lesung einfach fehlt. Das ist eine parlamentarische Zumutung. ({7}) Und soweit ein Bruchteil davon doch schon im Haushalt steht, reden wir von 100 Millionen Euro Zertifikatzahlungen an eine EU, die sich anmaßt, CO2 planwirtschaftlich zu kontingentieren und die Bürger vollideologisch abzuzocken. ({8}) Thema Großrisiken. Ganz viele finden sich im Haushalt nicht wieder. Erneut fehlen trotz vielfacher Aufforderung, Herr Minister, die milliardenschweren Rückstellungen für die Euro-Rettungsrisiken. Der Haushalt ist alleine schon deswegen nicht ausgeglichen. Weiterhin sehen wir große Bankenrettungsrisiken, teilweise indirekte über die EZB, aber damit auch wieder deutsche Risiken. Es droht ein Bruch des ehernen Versprechens von 2012: Nie wieder Bankenrettung mit Steuergeld! ({9}) Die Kompensationszahlungen für den rein ideologisch verfügten Kohleausstieg waren zunächst – zunächst! – um 60 Prozent geringer budgetiert als versprochen. Sie wurden dann unter dem Druck des Wahlkampfs wieder erhöht, aber leider nicht voll in den Finanzplan eingestellt. Für 2020 sind es nur 500 Millionen Euro. Gar nicht eingeplant sind die vermutlich erfolgreichen Entschädigungsklagen von Kraftwerksbetreibern. Sehr saubere und effiziente Grundlastkraftwerke werden aus rein ideologischen Gründen vom Netz gezwungen. Energetisch, umwelttechnisch und auch ökonomisch ist das ein grotesker Vorgang. ({10}) Die juristischen Folgen sind klar: Milliardenschwere Sonderabschreibungen und entgangene Betriebsgewinne werden eingeklagt werden. Das BMF kennt dieses Risiko doch schon bestens vom Kernkrafturteil 2016. Sie stellen es aber nicht ein. Nach Ihnen die Sintflut: Ist das seriös? Risiko EU-Zahlungen Deutschlands: Sie sind weiterhin mit 1,0 Prozent ab 2021 kalkuliert, obwohl die Regierung ohne Not bereits jetzt viel höhere Versprechungen an die EU gemacht hat. Da rechnen wir also auch mit einem Defizit. Risiko Brexit-Zusatzkosten: Gemäß dem bislang nicht unterzeichneten Brexit-Vertrag sollte Großbritannien noch 45 Milliarden Euro an die EU zahlen. Danach sieht es im Moment nicht aus. Über die aktuelle Finanzplanungsperiode wird Deutschland also bei einem No-Deal-Brexit mit etwa 12 Milliarden Euro dabei sein, teilweise schon 2020. Auch dies ist im Haushalt nicht vorgesehen. ({11}) Risiko Verteidigungsmehrausgaben: Hier herrscht eine völlig unklare Situation. Die Truppe will viel mehr, die NATO ohnehin. Die Positionen der Verteidigungsministerin und des Finanzministers sind aber unterschiedlich. Keine Klarheit! Die Investitionen sind entgegen dem, was Sie eben gesagt haben, mit unter 10 Prozent des Haushalts wieder einmal viel zu niedrig. Es gibt keinen realen Aufwuchs in 2020. Das stimmt einfach nicht. Für den Breitbandausbau und den DigitalPakt gibt es gar nichts, und die Investitionsquote sinkt sogar. Das sind die Fakten, Herr Minister, entgegen dem, was Sie eben gesagt haben. ({12}) Von dem stetig steigenden Risiko eines Stromblackouts spricht niemand; es kommt im Haushalt auch nicht vor. Es steigt aber permanent durch die Energiewende. Die Migrationskosten im Sozialetat sind auch nicht zu unterschätzen. Der Kostensockel steigt ständig. Die Kompensation an Länder und Gemeinden wird erhöht werden müssen. Das ist ein weiteres Großrisiko in der Planung. Jeder will heute zwar irgendwie Migranten aufnehmen, aber keiner will die Zeche dafür zahlen. Das ist die gutmenschliche Heuchelei. Die Aufnahmebereitschaft der Kommunen wird mit Steuergeld erkauft. Gute Taten auf fremder Leute Kosten haben aber keinen moralischen Wert. ({13}) Risiko bedingungslose Grundrente: Sie ist im Haushalt in keiner Weise eingeplant. Eine reine Luftnummer! Dann gibt es ein Sonderrisiko. Es steht eine Medienmeldung im Raum, wonach 20 Milliarden Euro an den Irak fließen könnten, damit IS-Mörder mit deutschem Pass dort nicht zu streng verurteilt werden. Die Regierung bestätigt diese Planung zwar nicht, erklärt aber auch das der Meldung zugrundeliegende Papier nicht. 20 Milliarden Euro: Das wäre mehr als die Etats für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und für Entwicklungshilfe zusammen – nur für das Wohlergehen von ein paar IS-Kämpfern im Irak. Ich fordere die Regierung zu einer expliziten Erklärung zur Entstehung dieser Meldung auf. ({14}) Die GroKo müsste sich endlich bemühen, deutsches Geld für deutsche Bürger zu nutzen. Wahrhaft bürgerliche Parteien würden das tun. Immerhin kommt das Steuergeld von ebendiesen Bürgern, und noch ist es viel. Der Finanzminister kann die in fetten Jahren illegitim aufgehäufte Asylrücklage zwar noch aufbrauchen, doch auch diese 30 Milliarden Euro werden 2021 komplett weg sein. Ich komme zum Schluss. Nach uns die Sintflut bzw. schlagende Megarisiken: Das ist der absehbare Plan dieser hochseriösen Bundesregierung. Herzlichen Dank. ({15})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Andreas Jung, CDU/CSU. ({0})

Andreas Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003780, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren den Entwurf des Bundeshaushaltes, und wenn er so umgesetzt wird, dann erfolgen Investitionen in den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Der Bundesfinanzminister hat die Themen benannt: Wohnen, gleichwertige Lebensverhältnisse, Pflege, Familien, aber eben auch und gerade Investitionen in die Zukunft. Deshalb ist für uns besonders wichtig, dass wir mit diesem Bundeshaushalt Investitionen auf Rekordniveau erreichen. ({0}) Auch da ist die Zahl genannt worden: 40 Milliarden Euro. Wer jetzt glaubt, Herr Kollege Fricke, dass es alleine reichen würde, noch mehr Mittel einzustellen, der muss – und das tun wir ja auch alle gemeinsam – sich auch mit der Frage beschäftigen, wie diese Mittel abfließen, weil wir zwischen dem, was wir in den Haushalt an Investitionen eingestellt haben, und dem, was abgeflossen ist, eine Lücke haben. ({1}) Das hat mit Planungsprozessen und teilweise auch mit Akzeptanz zu tun. Deshalb brauchen wir eine gesellschaftliche Anstrengung für Investitionen. Die bildet sich im Bundeshaushalt ab, geht aber auch weit darüber hinaus. Wir wollen Investitionen für die Zukunft unseres Landes. ({2}) Es ist ein Bundeshaushalt, mit dem wir unsere internationalen Verpflichtungen erfüllen: Die internationale Sicherheit – auch für die nationale Sicherheit haben wir ein starkes Programm – erfährt einen Aufwuchs bei der NATO-Quote. Was die Entwicklungspolitik angeht, leisten wir ein Bekenntnis zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit: Der Entwicklungshaushalt erfährt einen Aufwuchs, und die ODA-Quote wird solide aufrechterhalten. NATO-Quote, ODA-Quote, Sicherheit, Entwicklung, internationale Verpflichtungen ganzheitlich gedacht, das gehört für uns zusammen, und deshalb ist es der richtige Weg. Dieser Pfad des Aufwuchses muss genau so weiter beschritten werden. ({3}) Es ist ein Entwurf, der ohne neue Schulden auskommt. Wir leben in einer Zeit, in der uns sehr bewusst wird: Ein Haushalt ohne neue Schulden ist keine Selbstverständlichkeit. Die schwarze Null ist eine Errungenschaft; sie ist nicht selbstverständlich. Wir müssen um sie ringen, und wir wollen darum ringen. Anders als für andere ist es für uns nicht irgendeine haushalterische Nummer, die man, wenn es mal nicht mehr passt, einfach beiseitelegen kann. ({4}) – Haushaltspolitik ist eben kein Dogma, Herr Kollege, ({5}) sondern Ausdruck von Generationengerechtigkeit und auch Ausdruck von Nachhaltigkeit. Sie machen einen Fehler, wenn Sie Nachhaltigkeit nur über Ökologie definieren. Sie gehört dazu und ist ganz wichtig; aber wenn Sie einseitig vorgehen, dann entsteht eine Schieflage. Wir sagen: Ökologie, Wirtschaft und Soziales, das gehört alles zusammen, und das muss sich auch in einem Haushalt abbilden. ({6}) Das sieht man im Übrigen, wenn man die wirtschaftliche Entwicklung in den Blick nimmt. Vielleicht haben Sie verfolgt, wie in den letzten Monaten die Prognosen der Wirtschaftsentwicklung Schritt für Schritt nach unten korrigiert worden sind. Jede Korrektur der Prognose der Wirtschaftsentwicklung ist eine Herausforderung für den Bundeshaushalt; denn in der Planung der nächsten Jahre fehlen somit Milliarden Euro. Offensichtlich wird der ganz unmittelbare Zusammenhang: Bei guter wirtschaftlicher Entwicklung haben wir Mittel für Klimaschutz, für Soziales, für Familien, für Infrastruktur und vieles mehr. Aber wenn die wirtschaftliche Entwicklung runtergeht, dann haben wir überall ein Problem. Deshalb wollen wir die Wirtschaft in den Mittelpunkt stellen, und deshalb sind wir der Meinung, dass es richtig ist, was Olaf Scholz gesagt hat. Es war notwendig, bestimmte Schritte zu machen. Zum Beispiel haben wir jetzt den Beschluss gefasst, dass für 90 Prozent der Steuerzahler der Soli wegfallen soll. Wir sind aber auch der Meinung: Diesen Schritten müssen weitere folgen. Sie haben zu Recht, Herr Bundesfinanzminister, in den Entwurf hineingeschrieben: Der Wegfall des Solis für 90 Prozent der Steuerzahler ist ein erster Schritt. – Wir sind der Meinung, einem ersten Schritt müssen weitere folgen; sonst haben wir Stillstand, und das wollen wir beide nicht. ({7}) Es ist auch für uns eine Frage der Gerechtigkeit, zu sagen: Wir haben eine große Aufgabe, an die wir gemeinsam herangehen und die wir gemeinsam zu Ende bringen. Wir stehen zum Koalitionsvertrag. Deshalb machen wir jetzt diesen Schritt. Für uns bleibt unter Wahrung der Solidität in Haushaltsfragen die Maßgabe, weitere Schritte zu machen. Da wollen wir auch über Unternehmensteuern sprechen; denn wir wollen die Wirtschaft in den Mittelpunkt stellen. Dabei geht es gerade um Personengesellschaften. Sie dürfen nicht schlechter behandelt werden als Kapitalgesellschaften. Gerade Personengesellschaften entsprechen unserem Bild sozialer Marktwirtschaft. Wir sehen auch da Handlungsbedarf, und deshalb gibt es hier ganz klare und deutliche Initiativen unserer Fraktion. Da müssen wir dranbleiben. Wirtschaft ist wichtig, und von der Wirtschaft hängt vieles ab, was wir in anderen Bereichen finanzieren und umsetzen können. ({8}) Jetzt reden wir in besonderer Weise über die Fragen des Klimaschutzes. Es ist angesprochen worden: Er ist eine globale Herausforderung, für die wir, Deutschland, als ein Land, in dem der Pro-Kopf-Ausstoß doppelt so hoch ist wie der internationale Schnitt, auch national eine besondere Verantwortung haben. Deshalb geht es jetzt darum, eine Lücke zu schließen zwischen den Zielen und dem, was erreicht ist. Das ist eine besondere Aufgabe. Wir wollen sie in einem Geiste angehen, in dem zum Ausdruck kommt, was Sie gesagt haben: Wir sind ein Land mit Ingenieuren, ein Land, das auf Technologie setzt, ein Land mit einem innovativen Mittelstand, mit einer Industrie, die nach vorne denkt und technologische Lösungen entwickelt. Deshalb wollen wir auf Innovation setzen. Das ist unser Weg. Nur so werden wir am Ende erfolgreich sein. Das Ganze ist ja eine globale Frage. Weltweit wird genau gekuckt: Wie machen das die Deutschen? Betreiben sie konsequenten Klimaschutz so, dass individuelle Mobilität auch als Ausdruck von Freiheit erhalten wird, dass Arbeitsplätze, das Wohlstand erhalten werden? Wenn uns das gelingt – nur das kann unser Weg sein –, dann werden uns auch andere folgen. Nur so erfüllen wir diese globale Aufgabe sinnvoll. Das ist unser Weg: Innovationen müssen in den Mittelpunkt. ({9}) Ich komme zu der Frage, wie das mit diesem Haushalt zusammenzubringen ist. Wenn wir sagen: „Die Klimapolitik hat für uns eine große Priorität“, dann bin ich sehr dafür, dass wir das mit dem verbinden, was Ralph Brinkhaus generell zum Haushalt sagt, nämlich dass wir eine Generalüberprüfung brauchen, einen Check von Kopf bis Fuß, dass wir nicht immer nur die Frage stellen dürfen: „Was kann on top kommen?“, sondern auch die Frage stellen müssen: Welches sind Aufgaben, die jetzt vielleicht nicht vordringlich sind? Deshalb wollen wir eine generelle Überprüfung, die eine Prioritätensetzung mit sich bringt! Wenn die Zeiten schwieriger werden und die Kassenlage enger, dann bedeutet das für uns nicht automatisch neue Schulden, sondern dann heißt das für uns: Prioritätensetzung. ({10}) Es heißt „Effizienz“. Das gilt nicht nur für die Energie; das gilt auch in anderen Bereichen. Wir müssen genau fragen: Welche Maßnahme kostet wie viel? Was bringt sie? Wie erreichen wir den größtmöglichen Erfolg durch die eingesetzten Mittel? Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen. Eines ist eigentlich ganz selbstverständlich. Wenn wir sagen: „Jetzt wird Klimaschutz ein herausragendes Thema, und der CO2-Ausstoß ist Maßstab“, dann wird Lenken nicht nur durch Senken gelingen, sondern selbstverständlich bedeutet das, dass der, der mehr CO2 verursacht, egal in welchem Bereich, mehr bezahlen muss, und der, der weniger CO2 verursacht, der einspart, entlastet wird. Das ist unsere Linie. Die werden und wollen wir so umsetzen, dass die soziale Balance gewahrt wird, dass wir wirtschaftlich erfolgreich bleiben. Das ist die besondere Verantwortung. Da akzeptieren wir, Herr Bundesfinanzminister, dass es unterschiedliche Ansätze, Vorschläge, Instrumente gibt. Wir stehen gemeinsam vor der Herausforderung, die Klimapolitik aufzuforsten. Da mag jeder erst einmal unterschiedliche Herangehensweisen haben. Ich bin sicher, dass wir das am Ende zu einem guten Mischwald zusammenführen. Mischwälder sind auch am nachhaltigsten. Vor dieser Aufgabe steht jetzt die Koalition. Dafür stehen wir insgesamt. Ich möchte ausdrücklich den Gedanken eines nationalen Konsenses über einen Klimapakt aufnehmen, weil eines nicht passieren darf: dass wir jetzt Maßnahmen beschließen, die dann nicht umgesetzt werden. Ich nehme einmal die steuerliche Förderung der Gebäudesanierung. Das ist eine Maßnahme, die effizient ist, die für das Klima gut ist, die für das Handwerk gut ist, bei der Konjunktur und Natur zusammenkommen. Diese haben wir hier schon einmal beschlossen. Dann ist sie in den föderalen Mühlen zwischen Bundestag und Bundesrat zerrieben worden. Wir reden immer noch von dem schlafenden Riesen des Wärmemarkts. Er schlummert weiter vor sich hin. Es darf nicht passieren, dass wir im Bund etwas beschließen, was aber dann doch nicht kommt, dass es Hängepartien gibt. Deshalb wäre es wichtig, hier weiter zu denken, über eine Koalition hinaus. Es ist notwendig, weiter zu denken, über eine Generation hinaus. Die Beschlüsse dürfen nicht Halbwertzeiten von Legislaturperioden haben. Deshalb ist dieser Weg, zu sagen: „Wir müssen jetzt ambitioniert vorangehen und dann weiterdenken im Sinne eines breiten Konsenses“, richtig. An dem arbeiten wir. Das gilt für den Bundeshaushalt in besonderer Weise. Herzlichen Dank. ({11})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Otto Fricke, FDP. ({0})

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Geschätzter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Finanzminister, ich hoffe, Sie sehen auf dem Handy der Bundeskanzlerin neue Lösungen für den Haushalt. ({0}) Aber zu Ihrer Rede muss man feststellen: Ich habe gedacht, es gebe 23 Regionalkonferenzen bei der SPD. Die Rede, die Sie hier gehalten haben, war die für die 24. Regionalkonferenz. ({1}) Es war nicht die Rede eines Haushaltsministers. ({2}) – Dass er mit dieser Rede bei euch gewonnen hat, ist klar. Das nützt ihm aber im Zweifel bei der Wahl für den Parteivorsitz nicht viel. Aber – da bin ich dann wieder auf Ihrer Seite – wir sind eine Kulturnation. Deswegen möchte ich mit Rilke anfangen: ({3}) Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,und auf den Fluren lass die Winde los. Das kennen wir alle. Aber es ist im Endeffekt symbolisch für das, was wir gegenwärtig in der Haushaltspolitik erleben. Seien wir doch ehrlich! Die letzten acht Jahre waren für den Haushalt und für eine Große Koalition, die gern Geld ausgibt, groß. Es gab jedes Jahr kontinuierliches Wirtschaftswachstum, Steuermehreinnahmen. Zum Glück gab es auch mehr Arbeit für uns alle, für die Bürger mehr Arbeitsplätze. Aber – das ist der Hauptvorwurf meiner Fraktion an diese Koalition – Sie negieren, dass Rilkes Schatten da sind, dass nämlich diese Zeit vorbei ist. In Ihrer Rede war nichts davon zu hören, dass wir auf dem Arbeitsmarkt inzwischen immer weiter steigende Kurzarbeiterzahlen haben, war nichts davon zu hören, dass inzwischen die Zahl der neu zur Verfügung stehenden Stellen sinkt, war nichts davon zu hören, dass die Auftragseingänge zurückgehen, war nichts davon zu hören, dass die Industrieproduktion zurückgeht. Und Sie negieren auch noch das, was Sie in Ihren eigenen Monatsberichten allen eigentlich zu erkennen geben, nämlich dass die Steuereinnahmen sich nicht einmal mehr in diesem Jahr so entwickeln, wie Sie es geplant hatten. Sie wissen zudem schon jetzt, dass die Steuerschätzer Ihnen für das nächste Jahr einiges an Minus reinschreiben werden. All das negiert diese Regierung. Eine Regierung, die eine solche wirtschaftliche Entwicklung negiert, schaut nicht in die Zukunft, die schaut aus Angst nur noch in die Gegenwart und versucht, sich in irgendeiner Weise über den Dezember zu retten. Das ist katastrophal für unser Land. ({4}) Meine Damen und Herren, das Negieren der Wirtschaft ist ja schön, wenn man sie nicht mag. Aber nehmen wir doch das Thema Investitionen. Ich muss das vielleicht für die linke Hälfte des Hauses hier noch einmal erklären: Es ist gut und richtig, wenn der Staat mehr investiert. Aber das haben Sie in den letzten Jahren als Große Koalition doch nicht gemacht. Es ist, wie gesagt, richtig, wenn man investiert. Kollege Jung und Sie behaupten immer wieder: Absolut geben wir ja jetzt mehr für Investitionen aus. – Und dann rühmen Sie sich auch noch dafür, dass das Baukindergeld eine Investition sei. Also wenn ein Privater ein altes Haus kauft, dann darf Herr Scholz sagen: „Das ist eine Investition des Staates“? Das ist ein komisches Verständnis von Investitionen. Wenn wir die CO2-Regeln demnächst nicht einhalten und dann Strafzahlungen drohen, werden Sie auch die noch als Investitionen definieren. So machen Sie Investitionspolitik. So haben Sie sie jedenfalls in der Vergangenheit gemacht. Das ist aber kein Blick in die Zukunft. Zukunft wäre, liebe linke Seite, wenn die, die neun Zehntel der Investitionen in diesem Land tätigen, gefördert würden, und das sind die Privaten und die Unternehmer. Da müssen wir etwas machen. Herr Minister, ich wette mit Ihnen, Sie werden spätestens im Frühjahr die Abschreibungsregeln ändern, weil Sie merken, dass Sie ohne die Privatwirtschaft nicht vorankommen. Da können Sie über den Staat so viel reden, wie Sie wollen – es ist der Private, der am Ende dieses Land nach vorne bringt. ({5}) Meine Damen und Herren, wir reden immer wieder über die Frage, wie wir die Prioritäten wirklich klüger setzen können. Genau das ist das Problem: Wir reden nicht darüber, wo wir „weniger“ sagen könnten und wo wir „mehr“ sagen müssten, wir sagen immer nur, wo es mehr werden soll. Seit Neuestem ist es – da bin ich mir mit dem Kollegen Kahrs einig – jetzt so: Streich es grün an; dann darfst du dafür auch mehr Geld ausgeben. ({6}) Nein, das ist nicht die Lösung. Wenn wir nachhaltig investieren wollen, dann müssen wir auch ehrlich sein, dann dürfen wir nicht diesen Scheinmut haben, immer nur mehr zu fordern, sondern müssen auch sagen, auf was wir verzichten wollen. Es ist, wie wenn ein Bürger erkennt, dass er für sein Haus etwas tun muss; dann muss er auch für sich selber sagen, auf was er dafür verzichten will. Verzichten ist das Problem der Sozialdemokratie – das merke ich jetzt schon wieder an den Zwischenrufen –, das ist Ihre Stärke beileibe nicht. ({7}) Meine Damen und Herren, zum Schluss: Wenn Sie schon nicht die Realitäten anerkennen, wenn Sie schon nicht erkennen, dass eine ganz wesentliche Lösung in unseren Bürgern und in unseren Unternehmen liegt, dann kann ich Ihnen wirklich nur empfehlen, ein anderes Gedicht von Rilke zu lesen, und das heißt „Aus einer Sturmnacht“. Herzlichen Dank. ({8})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Johannes Kahrs, SPD. ({0})

Johannes Kahrs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003157, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich so anhört, was es in den beiden Oppositionsreden, die wir bisher hören durften, über diesen Bundeshaushalt zu reden gab, dann ({0}) stellt man fest, dass dieser Haushalt deutlich stärker war als diese Oppositionsreden. ({1}) Otto, von dir bin ich wirklich Besseres gewohnt. ({2}) Normalerweise bringst du inhaltliche Vorschläge – heute: nichts. Herr Boehringer hat zumindest immer noch ein bisschen Science-Fiction dabei gehabt. Selbst dafür hat es heute nicht gereicht. Also, dieser Haushalt scheint so gut zu sein, dass zumindest die Oppositionsvertreter außer einem Hauch Pathos und etwas Rilke nicht viel zu bieten hatten. ({3}) – Otto! Ernsthafterweise muss man doch feststellen, dass der Höhepunkt dieser Debatte die Rede des Bundesfinanzministers war. ({4}) Viele hier in diesem Hohen Hause hatten unsere Regionalkonferenzen kritisiert. Ehrlicherweise: Ich finde, das Ergebnis kann sich sehen lassen. ({5}) Im Kern ist es doch so, lieber Otto – wenn ich noch einmal darauf zurückkommen darf –: Als du hier die letzten acht Jahre die Finanzminister kritisiert hast, hast du immer zu dem jetzt amtierenden Bundesfinanzminister geguckt. Hättest du Augen in deinem Hinterkopf gehabt, dann hättest du den Blick gesehen, den der amtierende Bundestagspräsident dir zugeworfen hat. ({6}) – Darüber hast du aber geurteilt. ({7}) Deswegen sollte man ja nicht über Dinge urteilen, die man nicht versteht. ({8}) Wenn man sich die Reden der Opposition anhört, stellt man fest: Bisher war da nichts; vielleicht kommt ja noch mal was. Wenn man sich mit diesem Haushalt beschäftigt, dann sieht man: Er ist ein solider Haushalt, er ist vernünftig, er ist ehrlich, und er ist transparent. Diese Koalition hat wieder einen Haushalt ohne neue Schulden vorgelegt. Gleichzeitig kommt der ganze Themenbereich Klima erst – das stimmt, jawohl –, nachdem das Klimakabinett getagt hat. Ehrlicherweise: Wann soll er denn sonst kommen? Haushaltsklarheit, Haushaltswahrheit: Wir reden hier über den Kernhaushalt. Das, was das Klimakabinett noch vorbringt, wird hier vorgelegt. Wir haben noch entsprechende Diskussionsmöglichkeiten; darüber können wir reden. In diesem Haushalt werden wir über Klimawandel, Digitalisierung und Wohnungsbau entscheiden. „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ in diesem Land heißt zum Beispiel auch, zu fragen, wie man Kommunen entschuldet. Wir werden darüber reden, wie der Kohlekompromiss umgesetzt werden kann. Man sieht: Alle diese Aufgaben werden in dem Haushalt angegangen. Der Bund schreitet in vielen Punkten voran. Man muss aber auch einmal anmerken, dass es nicht angehen kann, dass der Bund hier in die Vorleistung geht und die Länder es nicht tun. ({9}) Der Kollege Rehberg wird sich bestimmt – ohne dass ich seine Rede kenne – dazu heute wieder ausführlich äußern. Im Ergebnis haben alle Länder Überschüsse – etwas, womit wir nicht gesegnet sind. Damit zahlen sie ihre eigenen Altschulden auf Landesebene zurück, statt sich um die Kommunen, die Digitalisierung, die Infrastruktur oder andere Dinge zu kümmern. Ich höre bestimmt gleich von den Grünen, was wir alles hätten tun müssen, sollen und überhaupt. Eine grüne Finanzministerin in Schleswig-Holstein kümmert sich darum, dass sie Altschulden zurückzahlt. Das ist ein Beispiel dafür, wie grüne Haushaltspolitik in der Praxis geht. Das ist nicht das, was der Kollege Kindler gleich fordern wird – auch ohne dass ich die Rede gelesen habe, kann ich mir das entsprechend denken. Wir stellen fest, dass die Bürger durch diesen Haushalt entlastet werden. Der Bundesfinanzminister hat es gesagt: Der Soli wird für 90 Prozent der Menschen in diesem Land abgebaut. Und wenig überraschend: Die AfD, die sich ja immer zwischen neoliberal und rechtsradikal bewegt, will natürlich auch die Reichen in diesem Land entlasten. Wenn die Wähler der AfD wüssten, dass die AfD sie gar nicht im Sinn hat, sondern das staatliche Rentensystem abschaffen will, die Reichen entlasten möchte und sich nicht um ihre Wähler und die Bürger kümmert, ({10}) dann wüssten sie auch, dass es sich überhaupt nicht lohnt, rechtsradikal zu wählen, ({11}) sondern dass es sich lohnt, eine solide, eine vernünftige, eine pragmatische Haushaltspolitik zu wählen. Da nun die AfD keinen einzigen Vorschlag gemacht hat und die FDP auch keinen, können wir darauf zurückkommen, was in diesem Bundeshaushalt steht: Es gibt Rekordinvestitionen in Höhe von 40 Milliarden Euro in jedem Jahr bis 2023. Wir investieren ein Drittel mehr als in der letzten Legislaturperiode. Wir investieren 50 Milliarden Euro in die Bahn. Es gibt für die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung eine Laufzeit von zehn Jahren und nicht nur von fünf Jahren. Es gibt die von allen geforderte Planungssicherheit, damit man Kapazitäten aufbauen kann, damit die Firmen wissen, was auf sie zukommt, damit sie neue Mitarbeiter einstellen und Maschinen kaufen können, damit Investitionen langfristig abfließen. Genau das ist gemacht worden. Wir investieren in den öffentlichen Nahverkehr. Hier werden die Mittel verdoppelt – noch einmal einen ganz herzlichen Dank, Herr Finanzminister; ich glaube, dass das eine gute Sache ist, weil gerade der öffentliche Nahverkehr für uns wirklich wichtig ist. Gleichzeitig investieren wir insbesondere im Bereich „sozialer Wohnungsbau“. Alleine in 2020 geht dorthin 1 Milliarde Euro. Es wäre schön, wenn die Länder das Geld, das sie von uns für den sozialen Wohnungsbau bekommen, auch für den sozialen Wohnungsbau ausgeben würden; das ist in der Vergangenheit in vielen Ländern nicht passiert. Das ist einer der Gründe, warum wir die Probleme haben, die wir haben. Der Bund muss aufpassen, dass sein Geld auch zielgerichtet ausgegeben wird. ({12}) Wir brauchen nicht nur Sozialwohnungen; wir brauchen auch im normalen Mittelfeld bezahlbare Wohnungen. Man muss sich darüber unterhalten, welche Maßnahmen dafür richtig sind. Die Bundesländer haben da unterschiedliche Ansichten. Aber auch als Bundesgesetzgeber müssen wir uns vielleicht einmal darüber unterhalten, ob so ein Unsinn wie Index- und Staffelmieten etwas ist, was man den Menschen zumuten kann. Es werden Mietverträge unterschrieben, weil der Zwang groß ist, weil man keine Alternativen hat, und dann hat man diese Index- und Staffelmieten. Ich glaube, das ist etwas, worauf man dankend verzichten kann. Wenn man sich anguckt, wie viel Geld wir im Bereich „sozialer Arbeitsmarkt“ investieren, kann man sagen, dass wir auch da gut aufgestellt sind. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz dafür gelobt, dass er alle Vorhaben, die im Koalitionsvertrag stehen, durchfinanziert hat, ohne neue Schulden zu machen. Ich meine: Wenn die „Süddeutsche Zeitung“ einen lobt und die AfD einen kritisiert, dann hat man, hast du, Olaf, alles richtig gemacht. Ich glaube, der Mix macht es, und das ist gut. Die Bundeskanzlerin hat erklärt, dass auch sie zum Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes steht. Jetzt wird mir gesagt, dass ich keine Zeit mehr habe, um fortzufahren; aber der Kollege Rehberg wird bestimmt da weitermachen, wo ich aufgehört habe. ({13}) Ich danke allen Beteiligten und wünsche uns weiterhin eine konstruktive Debatte. Vielen Dank. ({14})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, Die Linke. ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, diesem Selbstlob muss man deutlich etwas entgegensetzen. ({0}) In diesem Haushalt steht deutlich zu viel für Rüstung, zu wenig für Investitionen und viel zu wenig für Soziales. Dieser Haushalt bedroht dadurch die Sicherheit der Menschen in unserem Land, und das darf nicht sein, meine Damen und Herren. ({1}) Augenscheinlich reagiert die Bundesregierung nur noch auf dumpfe Reize. Beispiel: US-Präsident Trump stößt wüste Drohungen aus. Sein Botschafter hat bereits mit dem Abzug der US-Truppen aus unserem Land gedroht, wenn wir den Rüstungskonzernen nicht noch mehr Geld in den Rachen werfen. Wir als Linke sagen: Zieht die Truppen ab! Das würde viel Geld sparen und die Sicherheit in unserem Land erhöhen. ({2}) Und nehmt die abscheulichen Atomwaffen gleich mit. Europa muss endlich atomwaffenfrei werden! ({3}) Viele wissen es gar nicht: Von Ramstein in Deutschland aus werden Todesdrohnen nach Jemen geschickt. Das ist furchtbar. Furchtbar ist auch, dass die Bundesregierung zulässt, dass von deutschem Boden aus Mordkommandos gesteuert werden. Die US-Truppen sind offensichtlich zu einem Sicherheitsrisiko für unser Land geworden, und das muss ein Ende haben. ({4}) In diesen Tagen ist bekannt geworden, dass die Bundesregierung eine Schallmauer durchbrochen hat. Sie will zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, nach NATO-Kriterien berechnet, über 50 Milliarden Euro für das Militär ausgeben. Meine Damen und Herren, wer das Wettrüsten beschleunigt, macht diese Welt unsicherer. Auch in dieser Frage wird die Bundesregierung zu einem Sicherheitsrisiko für unser Land, und das darf nicht sein. ({5}) Jeder siebte Euro aus dem Bundeshaushalt soll in das Wettrüsten fließen. Das entspricht einer Rüstungsquote von 14 Prozent. Die Investitionsquote dagegen stagniert bei 11,1 Prozent. Nur jeder neunte Euro wird in die Zukunft investiert. Ich sage Ihnen: Statt sich eine Wettrüstungsquote von der NATO vorschreiben zu lassen, sollten wir lieber eine dynamische Investitionsquote in unser Grundgesetz schreiben. Wir brauchen einen robusten Rüstungsdeckel, wir brauchen Investitionen, meine Damen und Herren! ({6}) Allein bei der Deutschen Bahn gibt es einen Investitionsstau von 57 Milliarden Euro. Und jeder, der zumindest ab und zu mit der Bahn fährt, weiß, wovon ich rede. Aber womit beschäftigt sich der Minister, der über den größten Investitionstopf verfügt, nämlich Herr Scheuer? Er kämpft mit der Abwicklung der gescheiterten Maut. Ich finde, Herr Scheuer ist eine personifizierte Investitionsbremse. Einen solchen Minister brauchen wir nicht! Er ist zu einem Klumpenrisiko geworden. ({7}) Nun haben wir in dieser Debatte schon wieder viel über die Schuldenbremse und die schwarze Null gehört. Das sind natürlich alles Nebelkerzen. Dass die Schuldenbremse ökonomischer Unsinn ist, hat sich inzwischen sogar bis in die Reihen ihrer einstigen Befürworter herumgesprochen. Doch in diesem Haus gibt es anscheinend immer noch mehr neoliberale Buchhalter als sachverständige Ökonomen. ({8}) Die Koalition hat sich selbst an Armen und Beinen gefesselt. Die eine Fessel ist die Schuldenbremse, und die andere Fessel ist der Ausschluss von Steuererhöhungen für Vermögende. ({9}) Diese Selbstfesselung ist ein Sicherheitsrisiko, das wir uns nicht leisten können, meine Damen und Herren. ({10}) Um endlich wieder handlungsfähig zu werden, müssen diese Fesseln gelöst werden. Wir wollen höhere Vermögensteuern und eine echte Finanztransaktionsteuer, Herr Scholz, nicht so ein Placebo, wie Sie es gerade vorgeschlagen haben. Dann bekommen wir wirklich Spielraum für Zukunftsinvestitionen. ({11}) Diese Bundesregierung ist auch ein Sicherheitsrisiko, weil sie nichts gegen die zunehmende Spaltung der Gesellschaft tut. Nun wird ja immer hervorgehoben, wie groß der Etat für Arbeit und Soziales ist. Aber man muss wissen, dass über 100 Milliarden Euro davon in die gesetzliche Rente gehen. Das heißt, für Arbeit und Soziales im engeren Sinne stehen lediglich 38,94 Milliarden Euro zur Verfügung. In Anbetracht einer drohenden Rezession ist das grob fahrlässig. Hier muss nachgesteuert werden, meine Damen und Herren. ({12}) Das Armutsrisiko für Menschen, die neu in die Rente gehen, wird sich in den nächsten elf Jahren in Ostdeutschland fast verdoppeln. Wir brauchen also sofort, meine Damen und Herren, eine solidarische Mindestrente. ({13}) Doch selbst für die Grundrente, die ja immerhin im Koalitionsvertrag steht, haben Sie keine Vorsorge im Haushalt getroffen. Das Gleiche trifft für den Klimaschutz zu. Und das ist ein Armutszeugnis für diese Regierung. ({14}) Meine Damen und Herren, nutzen wir die Haushaltsberatungen! Dann haben wir die Chance, unser Land sicherer, gerechter und solidarischer zu machen. Dafür steht Die Linke. Gestalten wir eine gute Zukunft! ({15})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Sven Kindler, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Scholz, in Ihrer Rede waren ja – für Ihre Verhältnisse – sogar etwas Leidenschaft, Energie zu spüren, aber auch viel Selbstbeweihräucherung und viel Selbstlob. Denn seien wir doch mal ehrlich: Ohne den fetten Griff in die Rücklage, die Sie haben, hätten Sie diesen Haushalt doch nie richtig aufstellen können; dann wären Sie doch völlig blank gewesen. Das ist doch die Wahrheit. ({0}) Die Zeiten haben sich verändert. Ein ungeregelter Brexit steht vielleicht vor der Tür. Weltweit eskalieren Handelskonflikte. Kinder und Jugendliche gehen lautstark für Klimaschutz auf die Straße. Doch wir finden keine Antworten in diesem Etat, keine Antworten im Haushalt 2020. Der Energie- und Klimafonds ist ja nicht mal Teil des Entwurfs. Man kann im wahrsten Sinne des Wortes sagen: Das ist Stückwerk, was Sie hier abliefern. Und ich finde, ehrlich gesagt: Dass es keine ökonomischen, keine klimapolitischen Antworten im Haushaltsentwurf gibt, ist brandgefährlich in dieser Situation. ({1}) Wir haben große Herausforderungen, große Fragen, die uns beschäftigen: Klima, Digitalisierung, gleichwertige Lebensverhältnisse. Um das zu bewältigen, müssen wir viel investieren. Wir sagen klar: Investitionen haben eine positive Rendite. Sie rechnen sich. Sie bringen mehr Lebensqualität, mehr Wohlstand, und sie stabilisieren übrigens auch die Konjunktur. Das, was Sie behauptet haben, Herr Scholz, ist falsch. Sie frieren in der Finanzplanung die Investitionen ein. ({2}) Insgesamt, gemessen an den Ausgaben, sinkt die Investitionsquote sogar. ({3}) Das heißt, Sie senken hier eigentlich Investitionen. Ich fordere Sie auf: Gehen Sie runter von dieser Investitionsbremse, Herr Scholz! ({4}) Das liegt natürlich auch daran, Herr Scholz, dass das Einzige, worauf Sie sich mit der Union im Haushalt einigen können, die schwarze Null ist. Das ist der Kitt, der Sie noch zusammenhält, und das, obwohl wir sehr, sehr große Investitionsbedarfe haben, insbesondere beim Klimaschutz. Gleichzeitig sind wir in der Situation, dass der Bund momentan an zehnjährigen Bundesanleihen sogar Geld verdient. Trotzdem klammern Sie sich krampfhaft zusammen mit der Union an dem Dogma „schwarze Null“ fest. Das Spannende ist, dass inzwischen viele Teile der Wirtschaft, viele Ökonomen Ihnen da vehement widersprechen: Michael Hüther, der BDI, ({5}) viele Ökonomen. Und nicht nur die, Herr Scholz; auch in Ihrer eigenen Partei habe ich wahrgenommen, dass die meisten Bewerber für den SPD-Parteivorsitz inzwischen sagen: Hören Sie auf, sich an der schwarzen Null festzubeißen! Hören Sie auf mit diesem Dogma, und sorgen Sie jetzt endlich für Investitionen! ({6}) Bei der Union kann ich das sogar ein bisschen verstehen. Die Union hat sonst nicht so viel als Markenkern, wofür sie eigentlich steht. Deswegen ist die schwarze Null quasi eine Art Ersatzreligion, so eine heilige Kuh für die Union geworden. Ich finde, Peter Ramsauer hat es sehr ehrlich benannt. Er hat gesagt, die schwarze Null sei identitätsstiftend für die Union. ({7}) Es ist ja schön für die Union und auch schön für ihr Gruppengefühl, dass das ihre Identität stiftet, nur hat das mit kluger Haushaltspolitik und kluger Wirtschaftspolitik einfach rein gar nichts zu tun. ({8}) Wir sagen klar: Es geht nicht nur um den Haushalt 2020, über den wir heute diskutieren. Es geht um das nächste Jahrzehnt. Wir wollen ein Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen. Wir haben Ihnen dafür in den letzten Wochen einen Vorschlag unterbreitet. Denn völlig klar ist, dass sich die großen Investitionssummen, die wir jetzt stemmen müssen – viele reden von mehreren Hundert Milliarden Euro, die das bedeuten wird –, nicht allein aus dem laufenden Haushalt werden finanzieren lassen. Deswegen schlagen wir vor – die Schuldenbremse nicht abzuschaffen; wir wollen sie erhalten –, die Schuldenbremse zu ergänzen um einen Investitionsmotor. Wir wollen neue öffentliche Investitionsgesellschaften und einen Bundesinvestitionsfonds gründen. ({9}) Wir haben deutlich gesagt: Wir wollen klare Grenzen dafür ziehen, klare Kriterien, das heißt: unter 60 Prozent – Maastricht –, maximal 1 Prozent vom BIP. Es geht um Nettoinvestitionen, nicht um konsumtive Ausgaben. Es geht um neue wertsteigernde Investitionen, die wir tätigen wollen. Das ist unser Angebot. Das ist unser Vorschlag. So kann man die Investitionen des Bundes verdoppeln, und das ist angesichts der Herausforderungen auch dringend notwendig. ({10}) Mit unserem Vorschlag für eine große Investitionsoffensive bis 2030 sorgen wir dafür, dass sich Länder und Kommunen, die Wirtschaft, die Bauwirtschaft auch darauf einstellen können. Wir schaffen Planungssicherheit, wir schaffen Verlässlichkeit, damit sie ihre Kapazitäten erweitern und mehr Personal einstellen. Denn warum fließen denn Investitionsmittel zum Teil nicht ab? Weil es keine Verlässlichkeit gibt. Das ist doch auch die Verantwortung der Bundesregierung. Wie war das in den letzten Jahren, sei es unter Herrn Schäuble, sei es unter Herrn Scholz? Da liegt doch die klare Verantwortung. Es gab eine Zickzack-Investitionspolitik, die nach Kassenlage gemacht wurde. Da gab es mal hier ein Sonderprogramm, dann gab es wieder nix, da ein Sonderprogramm, dann wieder nix. So kann man natürlich keine Planung vorantreiben. Das ist keine lange Linie. Das ist doch die Wahrheit. ({11}) Wir sagen Ihnen: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen, die niedrigen Zinsen zu nutzen, um eine große Offensive für Klimaschutz, für Digitalisierung nach vorne zu bringen und das auch über Kredite zu ermöglichen. Wir fordern Sie auf: Handeln Sie jetzt! Die Zukunft gibt es nämlich nicht zum Nulltarif. Man muss jetzt investieren und darf sich nicht an die schwarze Null klammern. Vielen Dank. ({12})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Eckhardt Rehberg, CDU/CSU. ({0})

Eckhardt Rehberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003826, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was wir aktuell erleben, ist ein Überbietungswettbewerb: Wer stellt mehr Geld ins Schaufenster? Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man das letzte Jahrzehnt und das Thema Schulden betrachtet, frage ich: Wie geschichtsvergessen kann man eigentlich sein? Als ich 2009 in den Haushaltsausschuss gekommen bin, hatten wir ein Volumen von 300 Milliarden Euro und 86 Milliarden Euro Schulden – Ausfluss der Finanzkrise. ({0}) Alle die, die heute meinen, wieder Schulden machen zu müssen, sollen sich mal bitte zurückerinnern, Herr Kollege Kindler, dass wir fünf Haushaltsjahre gebraucht haben – drei mit der FDP, zwei mit der SPD –, um keine neuen Schulden mehr zu machen. Das ist die Ausgangsposition dafür gewesen, dass wir ab 2014 wieder massiv investieren konnten und Bürger und Länder und Kommunen entlastet haben. ({1}) Ohne diese schwarze Null wäre das alles in den letzten Jahren nicht gegangen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Auch das Nächste ist geschichtsvergessen. Was hat denn die Euro-Krise hervorgerufen? Doch nicht zu wenig Schulden; es waren doch zu viele Schulden ({3}) in Spanien, Portugal und Griechenland. Und weil sie zu viele Schulden hatten, konnten sie sich am Kapitalmarkt nicht mehr refinanzieren. Wollen wir da wieder hin? Wollen wir eine Politik machen, die jedes Jahr 35 Milliarden Euro neue Schulden auftürmt, die dann unsere Kinder und Enkel abtragen müssen? Ich kann für meine vier Enkel sagen: Nein, das möchte ich denen nicht zumuten und auch nicht aufbürden. ({4}) Das ist keine solide Politik. Das ist für mich auch keine gute Sozialpolitik und keine Generationengerechtigkeit. Wenn man die Vorschläge der Grünen im Haushaltsausschuss allein aus den letzten drei Jahren betrachtet: Man kann ja über eure Mehreinnahmen streiten, die den Industriestandort Deutschland massiv gefährdet hätten. Aber wenn ich das mal beiseitelasse: Ihr hattet in den drei Jahren in euren Vorschlägen 13 Milliarden Euro Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben. Was hat das, Kollege Kindler, mit solider Politik zu tun? ({5}) Nichts, aber auch gar nichts. Sie tuten hier in ein Horn, das Ihnen überhaupt nicht zusteht, und Ihr politischer Ansatz beseitigt nicht die Probleme, die wir haben. ({6}) Der Staat, wir, hat kein Einnahmeproblem, wir haben ein Umsetzungsproblem, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist unser Kernproblem. ({7}) Das Kernproblem sind Planungskapazitäten. Aber das größte Problem ist doch unser kompliziertes Genehmigungs- und Planungsrecht. Lieber Olaf Scholz, es ist ja schon schlimm, dass Sie prognostizieren, dass man für den Bau einer neuen S‑Bahn-Strecke über ein Jahrzehnt braucht. Aber ich sage Ihnen: Ich kenne Bauvorhaben, wo an Schienenstrecken neben drei Gleisen das vierte Gleis gelegt werden sollte, die nach 30 Jahren noch nicht angepackt werden konnten, weil das Planungs- und Genehmigungsrecht kompliziert ist und weil die Klagen durch drei Instanzen gehen. Das ist die Realität in dieser Republik. Und wenn wir jetzt so weit sind, dass die Windkraftlobby in dem Bereich den Artenschutz aushebeln will – das kann man ja gerne tun –, dann muss man bitte für jegliche Infrastrukturvorhaben die gleichen Bedingungen schaffen – nicht nur für den Windkraftausbau. ({8}) Ein nächster Punkt. Der Gesamtstaat hat für mich drei Ebenen. Das sind der Bund, die Länder und die Kommunen. ({9}) Wenn ich an das Thema Klima denke: Ich habe von den 16 Ländern dazu so gut wie nichts oder gar nichts gehört. Für alles ist der Bund zuständig. Ich nenne einen Punkt, den öffentlichen Personennahverkehr. Wir als Bund geben Regionalisierungsmittel in der Größenordnung von aktuell 9 Milliarden Euro. Vor zwei Jahren waren es 7 Milliarden Euro. Der Bundesrechnungshof hat einen Bericht gemacht. Erste Feststellung: Zu dem Zeitpunkt, Ende 2016, lagen 2,7 Milliarden Euro Regionalisierungsmittel bei den 16 Ländern auf Halde. 2,7 Milliarden! Und weiter hat der Bundesrechnungshof festgestellt, dass im Schnitt der 16 Länder nur 27 Prozent eigene Mittel für den öffentlichen Personennahverkehr ausgegeben wurden. Das beste Land liegt bei 62 Prozent, das schlechteste Land bei 2 Prozent und sieben Länder unter 10 Prozent. Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt rechne ich die Entflechtungsmittel, GVFG usw. noch nicht mal mit. Das sind alles Bundesmittel. Ich sage einfach: Letztendlich geben die Länder im Schnitt überhaupt kein eigenes Geld für den öffentlichen Personennahverkehr aus. Und der öffentliche Personennahverkehr ist keine Bundessache, das ist die Verantwortung von Ländern und Kommunen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({10}) Ein weiterer Punkt. Die Einnahmesituation des Bundeshaushaltes ist schwieriger geworden, ja. Aber eines gehört zur Wahrheit dazu: Im letzten Jahrzehnt, also im Vergleich bis zum Jahr 2010, hat der Bund die Länder bei der Umsatzsteuer um 16 Milliarden Euro entlastet. Um 16 Milliarden Euro! Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben bis zu diesem Jahr noch die Situation, dass die Einnahmen aus der Umsatzsteuer beim Bund höher als bei den Ländern sein werden. Ab nächstem Jahr steigen die Umsatzsteuereinnahmen der Länder massiv an, beim Bund flachen sie deutlich ab. Noch ein Punkt: Sozialausgaben. Der Bund entlastet die Kommunen um über 7 Milliarden Euro bei der Grundsicherung im Alter im Vergleich zum Jahr 2010. Bei den Kosten für die Unterkunft sind es gute 6 Milliarden Euro. Wenn ich jene 16 Milliarden Euro und diese 14 Milliarden Euro zusammenzähle, dann bin ich bei einer Entlastung der Länder durch den Bund im Vergleich zum Jahr 2010 von 30 Milliarden Euro. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die nächste Frage stellt sich zum Thema Altschulden. Wer hat nach Artikel 28 Grundgesetz die Finanzverantwortung für die Kommunen? ({11}) Der Bund oder die Länder? ({12}) Die Länder hatten im letzten Jahr insgesamt einen Überschuss von 14,6 Milliarden Euro. Für die nächsten Jahre sind die Prognosen positiv. Der Durchschnitt der Kommunen hat auch einen Überschuss. Jetzt muss man sich bei diesem Thema die Frage stellen: Was machen wir mit dem Land Hessen? Stichworte: Hessenfonds und Entschuldung über 5 Milliarden. Was machen wir mit Niedersachsen? Das ist noch unter Rot-Grün gelaufen. Was macht Mecklenburg-Vorpommern, das ein Entschuldungsprogramm über Haushaltssicherungskonzepte gegenüber seinen Landkreisen und Kommunen fährt? Das heißt, diese Länder nehmen ihre Verantwortung wahr, und andere tun das nicht. ({13}) Gucken Sie sich mal die Überschüsse an, und zwar auch von Ländern und Kommunen mit hohen Kassenkrediten. Ich habe die Zahlen drauf, lasse sie jetzt aber mal beiseite. Ich warne davor, dieses Thema anzufassen; denn es wird neue Ungerechtigkeiten schaffen. Diejenigen, die an der Stelle verlieren und nichts gewinnen, werden den Finger heben, und diejenigen, die etwas gewinnen, weil der Bund ihnen hilft, werden nicht Danke sagen. Das sage ich voraus. Deshalb halte ich diesen Weg für brisant und sehr gefährlich. ({14}) Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung zum Thema „negative Zinsen“ machen. Eigentlich sind negative Zinsen eine Absurdität. Negative Zinsen tragen unter anderem dazu bei, dass gerade für die kleinen Sparer eine Geldentwertung eintritt. ({15}) Negative Zinsen sind eigentlich auch nicht gut für die Ökonomie. Lieber Kollege Kindler, Sie haben sowohl Wolfgang Schäuble als auch Olaf Scholz mehrere Male vorgeworfen, dass sie ihre Bundeshaushalte nur auf niedrige oder negative Zinsen stützen bzw. gestützt haben. Wenn Sie den Vorschlag mit dem 35-Milliarden-Euro-Paket wirklich ernst meinen und das bis 2030 so laufen soll, wie Sie das ausgerechnet haben, ({16}) dann müssen Sie sich für das nächste Jahrzehnt niedrige oder negative Zinsen wünschen. Ich sage ganz einfach: Ich wünsche mir das nicht, gerade für unsere Kleinsparer in Deutschland. Herzlichen Dank. ({17})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Harald Weyel, AfD. ({0})

Prof. Dr. Harald Weyel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004932, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Präsident! Kollegen! Verehrte Damen und Herren da droben und da draußen, mit deren enteignetem Steuergeld das Ganze hier finanziert wird! ({0}) Noch ein Wort vorweg zu dem, was auf der knapp linken Seite des Hauses geäußert wurde: Es läuft ja offenbar darauf hinaus, dass man steuerfinanzierte Investitionsprogramme machen will, Stichwort „Keynesianismus“. Was machen Sie, wenn in der Hochkonjunktur die Krise kommt? Das andere Stichwort ist Investitionssicherheit: Was sagen Sie den Privatleuten, den Unternehmen, deren Diesel Sie mit Ihrer ruckartigen Politik enteignen? ({1}) Kommen wir zu einem anderen Punkt. Rund 33 Milliarden Euro im Haushalt gehen erst mal brutto und vorab nach Brüssel, und über den Agrarfonds kommen dann knapp 5 Milliarden Euro zurück und auch ein paar Hundert Milliönchen über Sozialfonds etc. pp. All dies spricht dem Subsidiaritätsprinzip glatt Hohn. ({2}) Die Bereiche Landwirtschaft und Soziales gehören in nationale Verantwortung zurückgeholt, wie es unsere Europaprogrammatik vorsieht. Zig Milliarden auszugeben, um dann in etwa die Hälfte des eigenen Geldes zurückzubekommen, hört sich nicht nach einem guten Geschäft an. ({3}) Die Briten haben das genauso erkannt wie andere Fallstricke und Kropfbildungen im Bermudadreieck und Steuergrab von Brüssel, Luxemburg und Straßburg. ({4}) Dem Beharren auf dem Brexit wird für Deutschland eine erhebliche Mehrbelastung bei der Finanzierung folgen. Deutschlands Anteil am EU-Haushalt wird dann nicht mehr ein Fünftel, sondern ein Viertel betragen, obwohl wir seit April 2011 vom Heidelberger Professor Franz-Ulrich Willeke wissen können und müssen, dass Deutschland allein zwischen 1991 und 2014 mit fast 255 Milliarden Euro 46 Prozent aller EU-Nettozahlungen aufbrachte und doch nur besagtes Fünftel oder Viertel Anteil am Sozialprodukt des Ganzen hatte. Dabei hat die Bundesregierung in der Vergangenheit noch so ziemlich jeden Vertragsbruch der EU nicht nur akzeptiert, sondern auch noch mit deutschem Geld alimentiert. Vor diesem Hintergrund erinnert die skizzierte Budgetentwicklung an den ewig gleichen Versicherungsvertreter, der jedes Jahr pünktlich vor Weihnachten an der Tür klingelt und Ihnen eine angeblich neue Police verkaufen will – zusätzlich zu der alten natürlich –, ({5}) obwohl bereits die alten Verträge ein völlig schiefes Preis-Leistungs-Verhältnis aufwiesen. Aber, so der Versicherungsvertreter, nur in der EU seien wir rundum abgesichert, weshalb wir nicht so kleinlich sein sollten mit neuen Extramilliarden. ({6}) Die Prämie steigt halt jedes Jahr, egal wie viele Mitversicherte es gibt. Und wenn einmal der Versicherungsfall eintritt, ja, dann werden wir wahlweise auf das Kleingedruckte verwiesen – oder der Sachbearbeiter ist gerade im Urlaub. Wie bei der Sache mit der überwiegend unqualifizierten Masseneinwanderung in Richtung Deutschland. ({7}) Diese Psychologie des betrügerischen Haustürgeschäfts, bei dem immer wieder die gleichen Leute reinfallen, ist in der EU systemimmanent. Im Schadensfall stehen wir halt alleine da, immer wieder. Die Konsequenzen des massiven Wasserrohrbruchs des Jahres 2015, bei dem der Keller mit einem Schlag volllief, mussten wir selbst tragen. Allein die Kosten dafür belaufen sich seitens des Bundes auf über 20 Milliarden Euro. Das sind zwei Drittel der regulären EU-Beiträge. Und auch dabei hat uns die vermeintliche Rundumversicherung à la Maastricht, Lissabon, Schengen, Dublin im eigenen feuchten Keller stehen lassen. Was über die Jahrzehnte hin Tröpfchen für Tröpfchen reinsickerte, wurde 2015 zum massiven Wasserrohrbruch. Die EU ist nicht in der Lage und willens, hier die Klempnerarbeit zu leisten. Uns helfen wohl nur noch nationale Bordmittel, wie sie ihrem Volk gegenüber verantwortlichere andere Staaten auch munter praktizieren. An der Stelle könnte man insbesondere die heute schon mal gelobten Bulgaren und Ungarn noch mal loben. Diesen Job machen sie nebenbei auch noch für uns. Aber dieses Beispiel ist nur die Spitze des Eisberges der organisierten EU-Verantwortungslosigkeit. Unter der Wasseroberfläche verbergen sich noch: Enteignung der Bürger durch Nullzinspolitik, Kontrollverlust bei der EZB und andere Dinge. Bei den EU-Institutionen ist es wie bei Katzen, die Mäuse fangen sollen, es aber nicht tun, weil der Futternapf immer zu voll ist. Da wir das Futter bezahlen, sollten wir über eine Diät nachdenken. Danke schön. ({8})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Lothar Binding, SPD. ({0})

Lothar Binding (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will erst mal allen Leuten danken, die es uns ermöglicht haben, diesen Haushalt zu beschließen. Das sind nämlich alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, alle Menschen, die hier leben, alle deutschen Frauen und Männer, übrigens auch die Gastarbeiter der ersten, zweiten und dritten Generation und übrigens auch alle Leute, die hier mit und ohne deutschen Pass leben. Sie alle speisen unseren Steuertopf, ({0}) und zwar in einer nennenswerten Größenordnung. ({1}) Wenn viele davon gehen würden, dann würde hier alles zusammenbrechen, dann könnte auch der Bundesminister Scholz, so gut er ist, keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Er braucht die Menschen, die Steuern zahlen. Wir alle brauchen sie. Wir nehmen die Steuern ein und verteilen sie wieder. ({2}) Die Leistungsfähigkeit des deutschen Volkes ist exorbitant. Wir haben 3 500 Milliarden Euro Bruttoinlandsprodukt, ganz grob. Davon nimmt der Staat ungefähr 800 Milliarden Euro als Steuern ein und verteilt sie für das, was wir brauchen: in die gemeinwirtschaftlichen Aufgaben – vom Straßenbau bis zur inneren und äußeren Sicherheit, bis hin zum Theater in der Kommune. Das ist eine ganz wichtige Sache. Dann danke ich natürlich noch Europa. Unsere Möglichkeit, einen Exportüberschuss zu erzielen, hat sehr viel mit Europa zu tun. Dass wir in Europa so zentral eingebettet sind und unsere Wirtschaft hier einen absoluten Widerhall findet, dass jeder Euro, den wir nach Europa geben, bei uns Wirtschaftsdynamik und Wachstum erzeugt, muss doch jedes Kind erkennen. Man braucht nur zu gucken, wo unsere Euro landen, die wir nach Brüssel geben. ({3}) Sie kommen im Regelfall mehrfach zurück. ({4}) – Ja, manchmal lacht man einfach an der falschen Stelle. Das ist ein Indikator dafür, ob man es verstanden hat oder nicht. In dem Fall galt das Zweite. ({5}) Verlässlichkeit und Zukunftsplanung – das ist schon ein wichtiger Punkt, und zwar für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für alle Menschen im Land, auch für Unternehmen. Deshalb – ich rede über die Einnahmeseite des Haushalts – haben wir natürlich auch über Steuersenkungen nachgedacht, weil auf der einen Seite Steuersenkungen im richtigen Moment die Binnennachfrage stabilisieren können und andererseits Steuersenkungen ökonomische Dynamik über die Unternehmen erzeugen können – im richtigen Moment. Auf den Moment komme ich noch zurück. Der Soli ist eine gigantische Entlastung von 10 Milliarden Euro. Sie haben es vorhin gesagt. ({6}) Die obersten 3,5 Prozent können es sich, offen gestanden, leisten, ihn noch ein bisschen zu zahlen. Ein Appell an die CDU/CSU: Sobald wir über die Tarifkurve der Einkommensteuer reden – der Spitzensteuersatz gehört ein bisschen angehoben und die Kurve nach rechts geschoben –, können wir den Soli sofort komplett abschaffen. Es wäre toll, wenn CDU/CSU hier die Blockade aufgibt, dann könnten wir etwas tun. ({7}) Wichtig sind natürlich die Familien. Durch das Familienentlastungsgesetz gibt es auch einen riesengroßen Betrag, der für die Binnennachfrage zur Verfügung steht. Der soziale Arbeitsmarkt ist eine sehr gute Idee, weil die Leute aus der verkrusteten Arbeitslosigkeit kommen, die für Einzelne schon lange existiert. Natürlich – das hat zwar nichts direkt mit Steuern zu tun, aber ohne die ginge es auch nicht –: 40 Milliarden Euro Investitionen sind keine Kleinigkeit. Gesine Lötzsch und Christian Kindler haben heute gesagt: Es muss mehr investiert werden. – Wäre das denn in diesem Haushalt, in dieser Lage wirklich gut? Schauen wir mal die Kapazitäten an, die die Wirtschaft zur Verfügung stellt. Nehmen wir an, wir würden 20 Milliarden Euro mehr investieren. Was würde dann passieren? Sie bekämen keine Schultoilette extra, Sie bekämen keine Wohnung extra, Sie würden nur in den Preis investieren, der würde nämlich steigen. So eine „kluge“ Idee kann ich Ihnen gar nicht zutrauen, dass Sie sagen: Wir wollen in einer Phase investieren, in der keine Kapazitäten vorhanden sind. Vorhin sagte jemand, Keynes wäre eine Sache für die Hochkonjunktur. Nein, Keynes ist eine Sache für die Hochkonjunktur und die Rezession. Haben wir eine Hochkonjunktur, hält sich der Staat zurück. Logisch, dann macht es die Wirtschaft allein. Geht es der Wirtschaft schlecht, kümmert sich der Staat um Nachfrage, und dann dynamisiert er die Wirtschaft, die unter Druck gerät. Genau so macht man das. Wir nennen das antizyklische Globalsteuerung. Wir haben die Grundsteuer als eine verlässliche Einnahme für die Kommunen entwickelt. Das befindet sich gerade noch im Gesetzgebungsverfahren, ist aber auf einem guten Weg. Da wäre es natürlich schon gut, was Verlässlichkeit angeht, wir würden aus der Kleinstaaterei noch ein bisschen rauskommen. Es wäre gut, wenn wir ein bundesweit einheitliches Gesetz und keine Extrawürste für einzelne Länder hätten. Ich jedenfalls fände das sehr wichtig. ({8}) Wir haben die Einkommensteuer durch Verschiebung der Eckwerte und Erhöhung der Freibeträge gesenkt. Der Minister hat erwähnt: Wir wollen auch Leuten mehr Steuern abnehmen. – Das stimmt. Wenn Leute heute ein Grundstück verkaufen, ist Grunderwerbsteuer zu zahlen. Wenn jemand von Ihnen da oben auf der Tribüne seinem Nachbarn ein Grundstück verkauft, dann ist Grunderwerbsteuer zu zahlen. Diese ist in den Ländern unterschiedlich hoch, ungefähr 3 bis 6 Prozent. Wenn Sie dieses Grundstück jetzt aber nicht an Ihren Nachbarn verkaufen, sondern es in eine GmbH geben und dann diese GmbH mit dem Grundstück an Ihren Nachbarn verkaufen, ja, dann ist keine Grunderwerbsteuer zu zahlen. Nun machen Sie das mit Ihrem Nachbarn zwar nicht, aber bestimmte Leute machen das. Die geben das Grundstück in eine GmbH, und – wie ein Wunder – verkaufen sie gar kein Grundstück mehr, sondern nur noch GmbH-Anteile. Deshalb wollen wir ein Gesetz machen, das eben genau das verhindert. ({9}) Auch die Leute, die diesen Trick anwenden, sollen im Regelfall Steuern zahlen, damit wir auf der Einnahmeseite dort stabilisieren, wo die großen Gewinne gemacht werden. Das ist eine sehr gute Sache. ({10}) Natürlich haben wir auch Investitionen nötig, und wir haben auch Investitionen im Bereich der Umweltpolitik und der Nachhaltigkeit nötig, die gut finanziert sind. Deshalb denken wir über einen CO2-Preis nach. Wir sprechen von „CO2-Bepreisung“. Das, muss ich sagen, gefällt mir nicht. Das ist eine Steuer, und deshalb nenne ich sie auch „CO2-Steuer“. Die Idee ist, dass wir diese Steuer an die Leute, die sich umweltfreundlich verhalten, auch an die Leute, die es sich sozial nicht leisten können, zurückgeben. Es sollen letztendlich nur die diese Steuer zahlen, die sich umweltschädlich verhalten. Das ist doch eine sehr gute Idee. Das ist Steuerung vom Feinsten. ({11}) Die Reform des Mieterstroms steht an. Natürlich wollen wir die Mehrwertsteuer bei den Bahntickets absenken. Wir wollen die Stromsteuer absenken. Das sind alles verbraucherfreundliche Maßnahmen, die aber letztendlich natürlich auch der Binnennachfrage dienen. Wir haben auch eine Kaufprämie für Elektrofahrzeuge und die Halbierung der Dienstwagenbesteuerung im Blick. Das sind alles sehr gute Instrumente, die uns helfen. Wir arbeiten außerdem an globalen Systemen, und zwar im ersten Schritt an einer Mindestbesteuerung und im zweiten Schritt an einer Digitalsteuer. Es ist ja in Ordnung, dass Google keine Steuern zahlt – für Google. Für alle anderen ist es schlecht; denn Google nutzt unsere Gesellschaften, um Gewinne zu machen. Also soll Google auch zurückgeben, was der Gesellschaften Ihres ist. ({12}) Insofern haben wir hier eine sehr gute, auch internationale Aufstellung. Deshalb kann ich zu dem Haushalt nur gratulieren und noch mal allen Bürgerinnen und Bürgern für eine faire Steuerzahlung danken. Bei denen, die nicht fair gezahlt haben, bedanke ich mich nicht. ({13})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Christian Dürr, FDP. ({0})

Christian Dürr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004705, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister Scholz, Sie haben in Ihrer Einbringungsrede von Bildung gesprochen, einer wichtigen Zukunftsaufgabe auch für den Bund, wie wir gemeinsam nach der Verfassungsänderung festgestellt haben. Tatsache ist: Ihre Bundesregierung kürzt im Einzelplan der Bundesbildungsministerin 70 Millionen Euro für den kommenden Etat. Sie haben über Investitionen gesprochen. Tatsache ist: Sie planen einen Rückgang der Investitionsquote. Sie haben über das Thema Klimaschutz gesprochen, Herr Scholz. Tatsache ist: Der Teil des Bundeshaushaltes, der sich um das Thema Klimaschutz kümmert, wird überhaupt nicht vorgelegt. Sie haben, Herr Minister Scholz, über die schwarze Null gesprochen. Tatsache ist: Sie brauchen, um diesen Bundeshaushalt zum Ausgleich zu bringen, alte Kreditermächtigungen aus der Asylrücklage. Mit anderen Worten: Sie brauchen neue Schulden. Das hat mit der schwarzen Null nichts zu tun. Es ist ein Haushalt der gebrochenen Versprechen, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({0}) Ich will auch Ihre steuerpolitischen Vorhaben aufgreifen, die Sie hier angesprochen haben, und zwar als Erstes die Finanztransaktionsteuer. Es ist vorhin mehrfach gesagt worden, auch von Herrn Binding gerade eben: Wir haben eine Nullzinsphase. Die Kleinsparer sind insbesondere betroffen. Das heißt, wenn die Kleinsparer jetzt versuchen, am Aktienmarkt wenigstens noch an eine Rendite für ihr Erspartes zu gelangen, kommt Herr Scholz vorbei und nimmt ihnen das auch noch weg. Diese Politik geht gegen den Mittelstand, gegen den Mittelbau der Gesellschaft, Herr Scholz. ({1}) Herr Scholz, Sie haben den Solidaritätszuschlag angesprochen. Ich habe über die Sommerpause die Bilder der SPD-Bundestagsfraktion gesehen. Da liegt dann jemand im Liegestuhl mit einem Cocktail in der Hand, und das Geld fällt ihm sozusagen direkt in den Schoß. Bundestagsabgeordnete werden nach Ihrer Planung den Solidaritätszuschlag weiterhin in voller Höhe zahlen müssen. Das ist, mit anderen Worten, das Selbstbild der SPD-Abgeordneten im Deutschen Bundestag: im Liegestuhl liegen, und das Geld fällt vom Himmel. Ein interessantes Selbstbild, das Sie da haben. ({2}) Viel wichtiger ist: Sie haben zu Recht gesagt, Deutschland drohe eine Rezession, ein wirtschaftlicher Abschwung. Aber die Wahrheit ist: Es sind nicht Millionäre und Milliardäre, die zuvorderst den Solidaritätszuschlag weiterhin zahlen sollen, meine Damen und Herren, sondern es ist der deutsche Mittelstand. Es trifft die kleinen und mittleren Familienbetriebe. Die wollen Sie weiter zahlen lassen, denen grätschen Sie in die Beine, Herr Minister Scholz. ({3}) Ich will beim Thema Soli bleiben. Beim Etatentwurf für 2020 geht es nicht nur um den Haushaltsplan für das kommende Jahr. Vielmehr stehen wir – und das sage ich in Richtung der Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion – vor einer historischen Entscheidung. Mit dem Solidaritätszuschlaggesetz in den 90er-Jahren ist das Versprechen verbunden gewesen, dass mit dem Auslaufen der Hilfen für Ostdeutschland dieses Gesetz wieder vollständig abgeschafft wird. ({4}) Deswegen sage ich in Richtung der Kollegen von der Union: Ob mit dem Haushalt 2020 auch der Solidaritätszuschlag fällt, ist eine Frage der Glaubwürdigkeit der deutschen Politik, die Sie zu beantworten haben, Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU. ({5}) Ich will an dieser Stelle eine interessante Liste vorlesen: Alexander Dobrindt, Hans Michelbach, Annegret Kramp-Karrenbauer, Peter Strobel, Carsten Linnemann, Markus Söder, Markus Blume, Albert Füracker, Ingo Senftleben, Mike Mohring und Peter Altmaier. Das sind alles Politiker von CDU und CSU, die seit Bildung der Großen Koalition Anfang 2018 die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlages gefordert haben. Mein Lieblingszitat ist das des Kollegen Linnemann. Er hat gesagt: Der Soli gehört abgeschafft, sonst glaubt uns überhaupt keiner mehr. – Ja, es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Die Union ist immer dann eine glühende Anhängerin der Abschaffung des Soli, wenn sie das Scheitern auf die SPD schieben kann. Das ist die Wahrheit Ihrer Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union. ({6}) Es geht hier neben der Glaubwürdigkeit der deutschen Politik auch um das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Es ist eine Frage der Verfassung. Das ist nicht nur die Meinung eines ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Professor Papier, nicht nur die eines Kabinettsmitglieds, nämlich Ihres Kollegen, dem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Das bestätigt nicht nur das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages, das im Auftrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erstellt wurde, sondern das ist auch die Meinung der breiten Mehrheit, die sich juristisch auskennt. Es gibt in dieser Frage in Wahrheit keine zwei Meinungen. Der Soli ist ab dem 1. Januar 2020 verfassungswidrig. Wer erklärt, er werde einen Bundeshaushalt verabschieden, in dem der Soli weiter eine Rolle spielt – das sage ich sehr deutlich in Richtung des schwarzen Teils dieser Bundesregierung –, der begeht offenen Verfassungsbruch, und das dürfen Parlamentarier im Deutschen Bundestag nicht tun. Das gehört sich nicht, was Sie hier vorhaben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Herzlichen Dank. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Fabio De Masi für die Fraktion Die Linke. ({0})

Fabio De Masi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004817, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Finanzminister bemerkte vor einiger Zeit: Die fetten Jahre sind vorbei. – Aber für wen sind die fetten Jahre in diesem Land vorbei: für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für die Rentnerinnen und Rentner, für die alleinerziehenden Väter und Mütter oder für die 45 reichsten Haushalte in diesem Land, die so viel besitzen wie die Hälfte der Bevölkerung und sich das nicht erarbeitet haben? Diese Frage muss der vorliegende Haushalt beantworten. ({0}) Herr Finanzminister, ich freue mich darüber, dass sich die SPD auf den Weg gemacht hat und wieder über die Erhebung der Vermögensteuer diskutiert. ({1}) Ich will nicht kleinlich sein; ich bin auch gar nicht in der Position, kleinlich sein zu können. Aber man muss dann auch so ehrlich sein, den Bürgerinnen und Bürgern zu verraten, dass dies mit dieser Koalition nicht stattfinden wird, Herr Finanzminister. Es wird die Vermögensteuer nicht geben, wenn Sie weiter zusammen auf der Regierungsbank herumeiern. ({2}) Deutschland steht vor dem Abschwung. Es gibt internationale Unsicherheiten, Brexit und Handelskrieg. Das kann für Deutschland eine hässliche Sache werden, weil wir viel zu exportabhängig sind. Wir sind Drittletzte in der OECD bei Investitions- und Bildungsausgaben. Für ein Rilke-Zitat hat es bei Otto Fricke zwar noch gereicht; aber wir müssen mehr tun. Weil Sie, Herr Scholz, hier über die 20er-Jahre gesprochen haben, sage ich: Man darf sich nicht im Jahrhundert irren. Schließlich haben wir wieder eine Vermögensverteilung wie in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Wir verspielen die Zukunft dieses Landes, weil in den Schulen der Putz von der Decke bröckelt, weil unsere Brücken marode sind und weil Zehntausende Wohnungen fehlen. Stattdessen haben Sie eine Verteidigungsministerin, die sagt: Wir müssen das 2-Prozent-Ziel der NATO, also 2 Prozent der Wirtschaftskraft für Rüstung auszugeben, erfüllen. Was passiert eigentlich, wenn das Bruttoinlandsprodukt sinkt? Senken Sie dann auch die Rüstungsausgaben dementsprechend? Ich frage das für einen Freund. ({3}) Michael Hüther, ein arbeitgebernaher Ökonom – er ist bekanntlich nicht bei den Linken –, ({4}) kritisiert die „mitunter theologisch anmutende Begeisterung für die Schuldenbremse“. Er sagt, das sei, „als ob der Staat Geldscheine auf dem Bürgersteig liegen lässt, statt sie aufzuheben“. Und was schlägt Herr Altmaier vor? Herr Altmaier schlägt vor, dass wir eine Klimaanleihe begeben. ({5}) Für Reiche. – Die Investoren sollen 2 Prozent Zinsen bekommen, und wir verzichten freiwillig auf minus 0,4 Prozent Zinsen, die der Staat momentan bezahlen muss, und wir sollen diese Stiftung subventionieren, um so die Schuldenbremse auszutricksen. Jeder Dreijährige versteht, dass das ein völlig beklopptes Geschäft für den Staat ist, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({6}) Das heißt doch nichts anderes, als dass wir das Geld zum Fenster rausschmeißen, nur um die Schuldenbremse einzuhalten. Nichts verdeutlicht den Unsinn der Schuldenbremse besser als dieser Vorschlag von Herrn Altmaier. ({7}) Es gibt gute Gründe, Investitionen über Kredite zu finanzieren, zum Beispiel wenn sie Vermögen für zukünftige Generationen schaffen. Wenn wir eine Universität für unsere Enkelkinder bauen, dann ist es doch logisch, dass sie nicht nur durch die heutigen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler finanziert wird, sondern dass die Finanzierung zeitlich gestreckt wird – jedes Unternehmen macht das so –, zumal wenn wir für jeden Euro, den wir uns heute leihen, morgen nur 90 Cent zurückzahlen müssen. Wer das nicht tut, der würde auch mit einer Currywurstbude auf der Reeperbahn pleitegehen, Herr Scholz. ({8}) Weil Sie hier viel über Steuergerechtigkeit gesprochen haben, will ich daran erinnern, dass der Cum/Ex- und der Cum/Cum-Skandal unser Land nach Schätzungen bis zu 30 Milliarden Euro gekostet haben. Das entspricht 1 Million Euro für jede Schule. Allein Cum/Ex hat 10 Milliarden Euro gekostet. Wir haben Verfahren laufen, bei denen es um 5,5 Milliarden Euro geht. Erst 2,4 Milliarden Euro sind zurückgeholt worden. Das heißt, 3 von 4 Euro, die die Cum/Ex-Gangster, die Gangster in Nadelstreifen, ergaunert haben, liegen immer noch in deren Portemonnaie. Darum müssen Sie sich kümmern, Herr Finanzminister. Dann wird es etwas mit der Zukunft dieses Landes, mit dem sozialen Zusammenhalt. Das können wir bei diesem Haushalt nicht erkennen. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Anja Hajduk das Wort. ({0})

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Finanzminister, Sie haben Ihre heutige Rede damit begonnen, darauf hinzuweisen, dass der Haushalt für das Jahr 2020 der dritte Haushalt sei, den Sie vorlegen, und dass er solide sei. Ich möchte dazu Folgendes sagen: Gestern ist ein Artikel mit der Überschrift „Unvollendet“ erschienen. Ich finde, das Wort „unvollendet“ ist noch eine freundliche Umschreibung für diesen Haushalt; denn das Grundgesetz verpflichtet Sie, einen Haushaltsplan vorzulegen, der alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes enthält. Gleichzeitig sagen Sie – ich zitiere aus dem genannten Artikel von gestern –: „Wir brauchen einen großen Wurf in der Klimapolitik, wenn wir als Regierung weiter eine Berechtigung haben wollen, das Land zu führen“ … Die ganzen Maßnahmen, die sich mit diesem Klimapaket verbinden, das Sie auf den 20. September terminiert haben, werden wohl nicht finanzierungsneutral sein. Deswegen sage ich Ihnen: Das ist nicht nur ein unvollendeter Haushalt, sondern das ist ein unvollständiger Haushalt und, wie ich glaube, dem politischen Geist des Grundgesetzes nicht angemessen. ({0}) Ich erwähne das, weil Sie sich hier hingestellt und außerdem von der Entschuldung der Kommunen gesprochen haben. Auch darüber findet sich nichts in diesem Haushalt. ({1}) Wir können nicht akzeptieren, dass das für den Deutschen Bundestag die Basis der Beratung dieses Haushalts in erster Lesung sein soll. Dahinter steckt ja auch eine Not. Um diesen Haushalt „ohne neue Schulden“ dastehen zu lassen – da gebe ich dem Kollegen Dürr recht –, verbrauchen Sie eine Rücklage von knapp 30 Milliarden Euro. Das kann man überall nachlesen. Sich dann hier hinzustellen und zu sagen, dieser Haushalt sei solide und komme ohne neue Schulden aus, ist selbstgerecht. ({2}) Das zeigt auch, wo die GroKo steht. Sie ist in ihren Grundfesten überhaupt nicht stabil. Und die Menschen spüren das. Die Menschen wissen, dass Sie ihnen gar nicht die Antwort auf die Frage geben, wo Sie hinwollen. Sie verkaufen nur noch eine mühsam aufrechterhaltene Fassade. ({3}) Dabei wäre es nötig, die Grundsatzfragen, was für eine Haushaltspolitik, was für eine Wirtschaftspolitik und was für eine Klimaschutzpolitik wir im nächsten Jahr und für die nächsten zehn Jahre brauchen, zu beantworten. Diese Grundsatzfragen würden wir gerne mit Ihnen diskutieren. Herr Scholz, Sie haben im Zusammenhang mit technologischen Innovationen für den Klimaschutz gesagt: Wir können das aufgrund des vorhandenen Know-hows. – Ich glaube, da haben Sie einen wichtigen Punkt angesprochen. Wir Grünen haben viel dafür getan und wollen auch weiter viel dafür tun, das technologische Know-how in Europa zu erhalten – gerade vor dem Hintergrund der Herausforderungen im Klimaschutz und in der Digitalisierung. Dass wir das in Europa können, ist aber keine Selbstverständlichkeit. Wenn wir uns anschauen, wo wir als Deutschland und Europa bei der künstlichen Intelligenz und der Digitalisierung im Vergleich zu China und den USA stehen, dann sehen wir, dass wir da schon einen richtigen Rückstand haben. Deswegen ist Ihre defensive Art, wenn es um die Zukunftsinvestitionen unseres Landes geht, verantwortungslos. ({4}) Wir erhalten für unsere Vorschläge auch breite Unterstützung. Wir brauchen nämlich eine Investitionsoffensive, bei der es genau um diese Zukunftsaufgaben geht. Wir müssen verlässlich, massiv, engagiert und mutig für den Ausbau des Klimaschutzes, für moderne Technologien und für die Digitalisierung eintreten. Herr Rehberg, ich kann Ihnen als letzten Punkt sagen: Das, was wir vorschlagen, orientiert sich, bezogen auf das Schuldenregime, an den Maastricht-Kriterien, wonach unser Schuldenstand bei unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen muss. Deswegen ist das Neue, was wir vorschlagen – die Gründung von Investitionsgesellschaften und die Auflegung eines Investitionsfonds –, im Rahmen unserer Verfassung und der Maastricht-Kriterien sehr maßvoll und nachhaltig.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollegin Hajduk, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Handeln Sie jetzt; denn unsere gute Zukunft gibt es wahrlich nicht zu Ihrem billigen Nulltarif. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun Dr. h. c. Hans Michelbach das Wort. ({0})

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Herr Bundesfinanzminister, Sie haben heute zur Haushaltseinbringung eine geradezu perfekte Bewerbungsrede für den SPD-Vorsitz gehalten. Wenn es Ihnen nützt, soll es mir recht sein, aber zum Haushalt gehören natürlich immer auch Wahrheit und Klarheit. Die Wahrheit ist, dass Sie beim Soli eben nicht 90 Prozent aller Steuerzahler entlasten wollen, wie Sie heute ausgeführt haben. 100 Prozent der mittelständischen Kapitalgesellschaften sollen keine Entlastung bekommen, obwohl das gerade jetzt für Wachstum und Beschäftigung dringlich wäre. ({0}) Ich glaube auch, dass man von einem Bundesfinanzminister erwarten können muss, dass er bereit ist, zunächst Dank an die Steuerzahler für deren Leistungen zu sagen. Herr Bundesfinanzminister, was mich gestört hat, ist, dass Sie die Unternehmer demgegenüber geradezu an den Pranger gestellt haben, ({1}) indem Sie gesagt haben, dass sie eigentlich nur Steuerhinterziehung im Kopf haben. ({2}) Nicht mit Gerechtigkeitsphrasen kann man unsere Aufgaben politisch lösen. Man muss sich für die Leistung bedanken, die letzten Endes durch die Steuerzahler erbracht wird. Wir haben eine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Die oberen 10 Prozent der Steuerzahler tragen zu über 50 Prozent, die oberen 50 Prozent der Steuerzahler zu über 90 Prozent zum Einkommensteueraufkommen bei. Das gilt es anzuerkennen, meine Damen und Herren. ({3}) Die Wahrheit ist aber auch: ({4}) Mit dem heute eingebrachten Haushaltsentwurf 2020 und der mittelfristigen Finanzplanung setzt die Koalition die solide Haushaltspolitik fort. Dieser Haushalt stellt sich den aktuellen und künftigen Herausforderungen. Wir kommen zum siebten Mal in Folge ohne neue Schulden aus. Die Wahrheit ist: Wir halten mit diesem Haushaltsentwurf die Kriterien des Euro-Stabilitätspakts vollständig ein. Auch die Einhaltung des 60-Prozent-Kriteriums in Bezug auf die Gesamtverschuldung ist ein wichtiger Erfolg unserer Finanzpolitik, ein wichtiger Erfolg dieser Koalition, den man nicht kleinreden darf, meine Damen und Herren. Das ist ein wichtiger Beitrag, um die Herausforderungen der Zukunft besser zu bewältigen. Angesichts der Rekordsteuereinnahmen und einer immer noch guten Wirtschaftsentwicklung sind wir geradezu verpflichtet, diesen Weg der Tugend beizubehalten. Wir dürfen jetzt nicht Belastungen für die Zeiten aufbauen, in denen die Steuereinnahmen vielleicht nicht mehr so gut fließen wie heute. Ich sage dies mit Blick auf manche Diskussionen und Forderungen, zum Schuldenmachen zurückzukehren, wie wir es heute von den Grünen gehört haben, weil das Schuldenmachen derzeit so billig sei, wie sie sagen. Ich kann darauf nur entgegnen: Wo bleibt denn da Ihr Nachhaltigkeitsgedanke? ({5}) Wer so denkt, denkt nicht über das Heute hinaus. Wer so denkt, schadet der Glaubwürdigkeit einer zukunftsgerechten Finanzpolitik. ({6}) Die Politik der schwarzen Null ist erfolgreich, und sie ist ein wichtiges Signal. Deutschland ist damit ein Stabilitätsanker in der EU, ein Anker einer stabilen Währung, eines stabilen Euro. Dazu gehören Ausgabendisziplin, Förderung des Wirtschaftswachstums und eben keine Steuererhöhungen. Dieser Haushalt ist die Fortsetzung der konsequenten Umsetzung des Koalitionsvertrages. Dazu gehören unter anderem weitere Erleichterungen für Arbeitnehmer und Familien sowie Maßnahmen zur Belebung des Wohnungsneubaus und zur Wohnungseigentumsbildung für Familien. Das wird sich im Geldbeutel der Bürger spürbar bemerkbar machen. Zudem erhöhen wir die Investitionsmittel für die Infrastruktur, meine Damen und Herren. Das ist echte Zukunftsvorsorge. Deswegen muss man diesem Haushalt allen Respekt zollen. ({7}) Bereits jetzt hat diese Koalition 61 Prozent der vereinbarten Vorhaben umgesetzt oder substanziell in Angriff genommen. Das ist rekordverdächtig, das ist ein deutlicher Leistungsnachweis. Aber die Haushaltspolitik muss sich natürlich immer auch dem Effizienzgedanken stellen. Deswegen halte ich es für richtig, dass die Effizienz der Haushaltsansätze stärker geprüft wird. Meine Damen und Herren, so weit, so gut. Aber ich komme nicht darum herum, etwas Wasser in den Wein zu schütten. Wir sehen, dass die konjunkturelle Dynamik zu lahmen beginnt und bereits erste Bereiche des Arbeitsmarktes tangiert werden. Die wirtschaftliche Entwicklung fordert eine Antwort auf die Frage, wie wir die wirtschaftliche Dynamik erhalten und wieder verbessern. Wir dürfen nicht warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist. Wir müssen einer Rezession vorbeugen, eine Rezession verhindern. Alles andere wäre verantwortungslos gegenüber den Menschen in unserem Land. Deshalb müssen wir handeln und insbesondere auch die steuerlichen Rahmenbedingungen für die Bürger und die Wirtschaft verbessern; das ist die Aufgabe der Gegenwart. Das betrifft die steuerliche Forschungsförderung, eine Modernisierung der Unternehmensbesteuerung, ein umfassendes Soli-Abschaffungsgesetz, um bei den Steuerzahlern Vertrauen zu erreichen, ({8}) und eine Grundsteuerreform ohne Steuererhöhungen. Die Grundsteuer darf nicht zu einer verkappten neuen Vermögensteuer degeneriert werden, meine Damen und Herren. ({9}) Das ist die Aufgabe, der wir uns stellen müssen. Die Leistungen für die Bürger werden vor Ort finanziert. Deswegen habe ich kein Verständnis dafür, dass jetzt ein Bundesland die Umlagefähigkeit der Grundsteuer ändern will. Letzten Endes ist es ja nicht der Vermieter, der die Infrastruktur vor Ort nutzt, sondern der Mieter nutzt die Leistungen der Kommunen vor Ort. Deswegen kann es nicht sein, dass wir hier zu einer Veränderung der derzeitigen Situation kommen. Zum Schluss möchte ich dafür werben, dass wir im Interesse einer guten Zukunft unseres Landes und seiner Menschen nicht nachlassen. Das muss sich auch in der Finanzpolitik widerspiegeln. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Andreas Schwarz für die SPD-Fraktion. ({0})

Andreas Schwarz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004407, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dem Verlauf der Debatte fällt mir ein Zitat ein: Tadeln ist leicht, deshalb versuchen sich so viele darin. Mit Verstand loben ist schwer, darum tun es so wenige. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir beginnen heute mit der parlamentarischen Beratung zum Bundeshaushalt 2020. ({0}) Der Auftakt ist gelungen, und ich verrate Ihnen auch gerne, warum. Unser Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat einen Etatentwurf vorgelegt, der die drei wesentlichen Herausforderungen und Erwartungen der Menschen in unserem Land voll erfüllt. Was wollen denn die Menschen in unserem Land? Sie wollen Investitionen in die Zukunft, sie wollen die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, und sie wollen keine neuen Schulden. Und ich kann festhalten: Noch nie wurde in diesem Land so viel investiert, wie es die aktuelle Große Koalition macht. ({1}) Verglichen mit der letzten Legislaturperiode investieren wir fast 160 Milliarden Euro – das sind 40 Milliarden Euro mehr; das ist ein Anstieg um 30 Prozent –, weil wir das können. Das ist die Botschaft, die wir an das Land senden. Das sind Investitionen in die Zukunft unseres Landes, in Schule, in den Klimaschutz, in den Breitbandausbau, in Bildung und Forschung und somit in die Zukunftsfestigkeit Deutschlands. Schauen wir uns die Vergleichszahlen aus der Zeit, als Schwarz-Gelb regierte, an. ({2}) – Das war auch nicht schlecht, aber wir sind besser. ({3}) 2013 betrugen die Investitionen 24,8 Milliarden Euro; heute sind es circa 40 Milliarden Euro. Die Ausgaben für Bildung und Forschung lagen 2013 bei 17,9 Milliarden Euro; 2020 sind es 25 Milliarden Euro. Bei den Ausgaben für innere und äußere Sicherheit lagen wir Ende 2013 unter Schwarz-Gelb bei 36,5 Milliarden Euro; 2020 sind es 50,9 Milliarden Euro. ({4}) Es macht eben schon einen Unterschied, wer regiert. Das wird auch beim Haushalt der neuen Verteidigungsministerin deutlich. Olaf Scholz sorgt für einen deutlichen Anstieg der Mittel für die Finanzierung der Bundeswehr, aber er hechelt keinem 2-Prozent-Ziel hinterher, sondern macht es angemessen und klug: 6 Milliarden Euro mehr als 2018. Ich denke, das kann sich sehen lassen. Wer schafft das alles, meine Damen und Herren? Damit möchte ich auf Herrn Michelbach reagieren. Das sind zum einen die fleißigen Menschen, die hier Tag für Tag arbeiten gehen, und es sind zum anderen natürlich fleißige, innovative und risikobereite Unternehmer, ({5}) die bereit sind, Arbeitsplätze zu schaffen und zu investieren. Die erwarten von uns, dass wir so regieren, wie wir regieren, und vor allen Dingen ohne neue Schulden; denn das sorgt für Generationengerechtigkeit. ({6}) Welches Signal sendet dieser Haushalt an Europa und die Welt, meine Damen und Herren? Erstmals seit 17 Jahren erfüllen wir wieder die Maastricht-Kriterien, und das in einer Zeit, in der es in ist, Verträge zu brechen. Damit geht Deutschland mit gutem Beispiel voran. Unsere Botschaft an die Welt ist: Wir sind ein wirtschaftlich starker und zuverlässiger Partner. Auf uns können sich Europa und die Welt verlassen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, die Ergebnisse der Beratungen des Klimakabinetts werden wir noch in diesen Haushalt gießen müssen. Ich bin aber optimistisch, dass diese Koalition die Kraft aufbringen wird, für einen starken Klimaschutz mit sozialem Ausgleich und mit Blick auf die Industrie etwas Vernünftiges zu formen. Dieser Dreiklang muss unser Ziel sein. Meine Damen und Herren, als Berichterstatter zum Einzelplan 08 will ich noch ein paar Worte zum Haushalt des Bundesfinanzministeriums sagen. Unter Vizekanzler Olaf Scholz haben wir für eine Trendwende beim Zoll gesorgt. Warum? Der Zoll hat in den letzten Jahren sehr viele Aufgaben bekommen, ist aber personell und ausstattungstechnisch nicht mitgewachsen. Mit den letzten Bundeshaushalten haben wir für Tausende neue Stellen gesorgt. Nun sorgen wir für eine bessere Ausstattung und auch für umfangreichere Ausbildungsmöglichkeiten und ‑kapazitäten. Das ist ein klares Signal an die 40 000 Zöllnerinnen und Zöllner in unserem Land. ({7}) Wir stärken auch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit mit zusätzlichen Kompetenzen und Personal. Auch das Bundeszentralamt für Steuern verstärken wir. Was bedeutet dies konkret? Früher oder später bekommen wir sie, die Steuertrickser; denn Steuerhinterziehung und Steuergestaltung werden immer schwieriger. Die Menschen in unserem Land erwarten von uns, dass Steuern gerecht, ehrlich und fair gezahlt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss darf ich anmerken: Ich freue mich auf intensive Wochen der Beratung. Ich wünsche uns Haushältern insgesamt viel Kraft, gute Ideen und ein glückliches Händchen. Glück auf und allen eine gute Zukunft! ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun Tankred Schipanski das Wort. ({0})

Tankred Schipanski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Schwerpunktthema der Koalition und dieses Haushaltes ist die Digitalisierung. Es ist guter Brauch bei den Haushältern geworden, die Haushaltsansätze der Digitalpolitik in der allgemeinen Aussprache zum Bundeshaushalt sowie bei den Schlussrunden zu beleuchten. Dafür herzlichen Dank! Von dieser Möglichkeit möchte ich im Folgenden auch gerne Gebrauch machen. Die Koalition hat sich bewusst gegen ein Digitalministerium entschieden. Sie sieht richtigerweise in jedem Ressort ein Digitalressort. Dies wird dem Querschnittscharakter der Materie gerecht, stellt aber insbesondere für die Haushaltspolitiker eine große Herausforderung dar. Dabei sind wir insbesondere auf ein kooperatives Zusammenwirken mit dem Bundesfinanzministerium angewiesen. Mit der Umsetzungsstrategie „Digitalisierung gestalten“ wurde ein umfangreiches Aufgabenbuch mit 111 Vorhaben für diese Legislatur vorgelegt. Die Herausforderung dabei: Es gibt keinen eigenen Digitalhaushalt, und damit aktuell auch keine übersichtlichen Aufstellungen aller Ausgaben für Digitalisierungen. Jedes Ministerium verortet zahlreiche Digitalisierungsprojekte in seinen Einzelplänen, ob es sich um Zuwendungen an Dritte handelt oder um Projekte, die die Digitalisierung der Bundesverwaltung selbst betreffen. Es gibt zudem keine genaue Definition dessen, was als Digitalisierungsprojekt gilt und was nicht. Doch wir brauchen eine transparente Gesamtübersicht, um wirklich nachvollziehen zu können, welche Prioritäten die Regierung in ihrer Digitalpolitik setzt, ob die Maßnahmen sinnvoll ineinandergreifen, ob die Investitionen zielgenau getätigt werden, um dann gegebenenfalls nachsteuern zu können. Diese transparente Gesamtübersicht fordere ich an dieser Stelle vom Bundesfinanzministerium ein. Den Versuch einer Übersicht hatte das Bundesfinanzministerium nach einer Berichtsanforderung von Kollegin Hajduk im Mai 2018 unternommen. Es blieb aber eben nur ein Versuch. Eine nachvollziehbare, transparente Gesamtübersicht war das nicht. Parlamentarische Steuerung und Kontrolle lassen sich mit diesen Informationen nur unzureichend ermöglichen. Wie notwendig eine Nachjustierung ist, zeigt das Mammutprojekt „IT-Konsolidierung des Bundes“. Ohne den Druck der Haushälter im Bundestag ginge bei dieser Sache nichts voran. Eine transparente Gesamtübersicht durch das Finanzministerium brauchen wir insbesondere auch dort, wo wir ressortübergreifend in Schlüsseltechnologien investieren. Ich denke hier allen voran an das Thema „künstliche Intelligenz“. Nahezu jedes Ressort legt hierzu Programme auf, stellt Mittel zur Verfügung und setzt Schwerpunkte. Das gilt es nicht zu kritisieren. Wir brauchen aber eine Übersicht, um zu prüfen, inwieweit es um effektiven Mitteleinsatz geht, inwieweit Doppelungen vermieden oder Synergien genutzt werden – und dies gerade vor dem Hintergrund, dass Deutschland im internationalen Vergleich im Bereich „künstliche Intelligenz“ relativ geringe Summen investiert. Wenn wir in die USA blicken, sehen wir: Pro Jahr sind es dort 1,3 Milliarden Dollar. In China sind es bis 2030 gut 150 Milliarden Dollar, die in KI investiert werden. Die Bundesregierung hat in ihrer Strategie Künstliche Intelligenz immerhin 3 Milliarden Euro angekündigt. Herr Finanzminister, als Parlamentarier gehe ich natürlich davon aus, dass es sich um frisches Geld handelt, und nicht um schöngerechnete Summen bereits bestehender Projekte. Generell werden wir die Höhe dieser Investitionssumme im Verhältnis zu den internationalen Investitionen aber überdenken müssen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat auf ihrer Klausurtagung in der vergangenen Woche in Potsdam das Themenfeld „Künstliche Intelligenz“ noch mal beleuchtet und Themenschwerpunkte oder Projekte benannt, beispielsweise ein Sonderprogramm für das Anziehen junger Talente, sogenannte KI-Exzellenzprofessuren, aber auch noch einmal gefordert, dass das Bundeswirtschaftsministerium die versprochenen KI-Transferzentren einrichtet, aber natürlich auch das große Cloud-Projekt „Gaia-X“ vorantreibt. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich weitere parlamentarische Hausaufgaben im Bereich der Digitalpolitik für diesen Haushalt benennen. Um digitale PS auf die Straße zu bringen, ist es notwendig, dass wir im Bundesinnenministerium das Programm „Modellprojekte Smart Cities“ fortführen, dass wir die 5G-Pilotregionen erweitern – ein wichtiges Programm im Bundesverkehrsministerium –, dass wir für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes dem Innenministerium und seinen nachgeordneten Behörden die notwendigen zusätzlichen Stellen und die notwendigen Investitionssummen zur Verfügung stellen, dass wir für die Umsetzung des IT-Sicherheitsgesetzes 2.0 das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik mit den notwendigen Stellen ausstatten und dass wir die Games-Förderung, die wir im letzten Haushaltsjahr im Haushalt des Bundesverkehrsministeriums begonnen haben, auf gleichem Niveau fortschreiben. Ich könnte die Aufzählung der vielen Einzelmaßnahmen noch fortführen. Sie sehen, die haushalterischen Aufgaben im Digitalbereich sind nicht nur facettenreich, sondern auch herausfordernd, mit Blick auf die ressortübergreifende Koordinierung der Digitalpolitik. Um diese Aufgabe effektiv wahrnehmen zu können, brauchen wir also eine transparente Aufschlüsselung und Zusammenfassung der Digitalisierungsansätze des Bundeshaushalts, die die ambitionierte Digitalpolitik mit Zahlen untermauern. Das muss unser Anspruch für die Aufstellung des nächsten Bundeshaushalts sein. Das ist ein wichtiger Auftrag für das Bundesfinanzministerium, damit wir diese Zukunftsinvestitionen zielgenau steuern können. Unsere Digitalisierungsstrategie ist auch eine klare Investitionsstrategie in unsere Zukunft. In diesem Sinne wünsche ich uns gute Beratungen dieses Haushalts. Vielen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Finanzdebatte liegen nicht vor.

Peter Altmaier (Minister:in)

Politiker ID: 11002617

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in den letzten Wochen und Monaten nicht nur gute Nachrichten zur konjunkturellen Entwicklung bekommen. Aber es liegt mir sehr daran, noch einmal zu unterstreichen: Was wir an rückläufigem Wachstum, an enttäuschenden Zahlen erlebt haben, das ist zum überwiegenden Teil außenwirtschaftlich bedingt. Das hängt damit zusammen, dass weltweit in vielen Bereichen Handelskonflikte die Wirtschaftsbeziehungen belasten. Was die deutsche Wirtschaft angeht, insbesondere den Mittelstand, die vielen Hidden Champions, die Handwerksunternehmen und viele andere, im Baugewerbe, aber auch in weiteren Bereichen: Dort ist die Wirtschaftsleistung nach wie vor gut, findet nach wie vor Wachstum statt. Deshalb sage ich: Ich bin stolz auf diese Leistung, die jetzt zehn Jahre in Folge von den mittelständischen Unternehmen in Deutschland erbracht wird. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir nicht wollen, dass aus der Wachstumsschwäche, aus der Wachstumspause, die wir im zweiten Quartal erlebt haben, eine Delle in der wirtschaftlichen Entwicklung wird, wenn wir wollen, dass der Aufschwung sich auch im zehnten und elften Jahr fortsetzt, dann dürfen wir die Krise jetzt nicht herbeireden, ({1}) und dann müssen wir der Wirtschaft jetzt Signale geben, die das Vertrauen stärken, die Investitionskräfte freisetzen und dafür sorgen, dass sich unternehmerisch denkende Menschen ermutigt fühlen. Wir haben in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in den letzten 40 Jahren mehrfach solche Momente gehabt. Otto Graf Lambsdorff hat die Bedeutung von Wirtschaft und Wachstum 1982 mit seinem Thesenpapier in den öffentlichen Diskurs gerückt. Auch der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte den Mut, mit der Agenda 2010 auch vielen in den eigenen Reihen unbequeme Wahrheiten zu sagen. Ich meine, es ist auch jetzt wieder an der Zeit, dass wir uns darüber verständigen, was geschehen muss, damit die Anzahl der Arbeitsplätze dauerhaft hoch bleibt, damit in die Zukunft investiert wird und damit die Wirtschaft nachhaltig wächst. ({2}) Ich habe mit einigen von Ihnen hier, von der Opposition vor allen Dingen, im letzten Jahr diskutiert, wann endlich die Mittelstandsstrategie des Bundeswirtschaftsministeriums kommt, die ich 2018 in der Tat angekündigt hatte. Wir haben die Eckpunkte dieser Strategie im August vor meiner Mittelstandsreise präsentiert. Ich kann sagen: Ich habe aus allen Teilen des Landes, von allen Verbänden, von allen Betroffenen dafür ein hohes Maß an Unterstützung bekommen. Die Menschen fühlen sich ermutigt, weil deutlich wird, dass wir ihnen nicht immer mehr wegnehmen, sondern dass wir ihnen auch etwas zurückgeben wollen, weil wir die Themen ansprechen, die die Menschen umtreiben. Deshalb: Geben Sie sich heute einen Ruck und sagen Sie auch einmal etwas Positives über die Politik dieser Bundesregierung! Die Wählerinnen und Wähler werden es Ihnen danken. ({3}) Wir haben ja in den letzten Monaten einiges auf den Weg gebracht. Wir haben bei der steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung einen neuen Weg beschritten. Ich hätte mir gewünscht, dass wir noch ein bisschen mutiger herangegangen wären. Die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung ist ein Instrument, das vor allem mittelständischen Unternehmen zugutekommt. Wir werden sie so ausgestalten, dass von der Auftragsforschung gerade die Mittelständler, die keine eigenen FuE-Abteilungen haben, profitieren. Wir sind dabei, beim Soli einen ersten Schritt zur Entlastung von vielen, vielen Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland in der Größenordnung von über 10 Milliarden Euro zu machen. Aber ich sage auch – auch wenn es im Bundeskabinett, in der Bundesregierung im ersten Anlauf noch nicht möglich war, dazu einen Konsens zu erzielen –: Aus Sicht des Bundeswirtschaftsministers brauchen wir Klarheit, wann der Soli für alle und endgültig ausläuft. ({4}) Dass wir uns dabei an den Realitäten orientieren, dass wir eine solide Haushaltsführung nicht gefährden, das versteht sich von selbst. Aber ich würde mir wünschen, dass wir im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens noch einmal darüber nachdenken, was notwendig ist, um diese Planungssicherheit zu erzielen. Wir haben mit dem Bundesfinanzminister in den letzten Monaten darüber gesprochen, dass es notwendig ist, die Personengesellschaften zu entlasten, dass es notwendig ist, für den Fall, dass Geld im Unternehmen investiert wird und dort bleibt, bessere und günstigere Regelungen im steuerlichen Bereich zu schaffen. Der Bundesfinanzminister hat sich dazu öffentlich geäußert, deshalb kann ich das hier sagen. Ich würde mir jedoch wünschen, dass wir schnell und zügig zu einem Konzept kommen, das in der Öffentlichkeit vorgestellt werden kann, weil auch davon für viele Unternehmerinnen und Unternehmer ein Anreiz ausgehen würde, Gewinne im Unternehmen zu belassen und nicht für konsumtive Zwecke zu verwenden. ({5}) Ich wünsche mir, dass wir darüber hinaus einen Einstieg finden in eine umfassende Körperschaft- und Unternehmensteuerreform. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben erlebt, dass die USA von den weltweiten Abschwungtendenzen in der Wirtschaft bislang weniger erfasst werden als andere Länder. Alle Experten sagen uns: Es hat auch etwas damit zu tun, dass man dort den Mut zu dieser Unternehmensteuerreform hatte. Wir haben erlebt, dass auch in Großbritannien und in Frankreich Debatten über die Höhe der Unternehmensteuern geführt werden, was am Ende dazu führen könnte, dass Deutschland im internationalen Vergleich zurückfällt. Das ist keine ideologische Debatte. Es ist für eine Volkswirtschaft, die 51 Prozent ihrer Industrieproduktion in andere Länder exportiert, von entscheidender Bedeutung, dass es attraktiv bleibt, in den Standort Deutschland zu investieren und hier zu produzieren. Ansonsten dürfen Sie sich nicht beklagen, wenn Unternehmen mehr darüber nachdenken, wie sie neue Arbeitsplätze im Ausland schaffen können, statt hier bei uns – dort, wo sie dringend gebraucht werden. ({6}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben vor wenigen Wochen im Bundeskabinett das Strukturstärkungsgesetz beschlossen und in den Bundestag eingebracht. Wir halten Wort, wir halten Wort gegenüber den vielen, vielen Tausend Beschäftigten im Bereich der Braun- und Steinkohle sowie in der Elektrizitätswirtschaft. Wir sorgen dafür, dass neue Arbeitsplätze entstehen und dass eine bessere Infrastruktur gebaut wird, und zwar lange bevor die alten Kraftwerke dann irgendwann durch moderne, umweltverträglichere Energieproduzenten ersetzt werden. ({7}) Meine Damen und Herren, das ist für die Glaubwürdigkeit der Politik von hoher Bedeutung. Wenn wir erreichen wollen, dass die populistischen Stimmenfänger von rechts und von links keine Chance haben, dann müssen wir deutlich machen, dass wir auch die Gelder zur Verfügung stellen, die dafür notwendig sind, damit die Regionen, die vom Strukturwandel am meisten betroffen sind, nicht am Ende die Verlierer sind. Wir hatten früher in den 70er- und 80er-Jahren beim Strukturwandel in der Kohle- und Stahlindustrie keine aktiven Begleitmaßnahmen des Bundes beschlossen. Wir haben jetzt zum ersten Mal, noch bevor der Strukturwandel stattfindet, dafür gesorgt, dass Neues entstehen kann. Wir wollen eben nicht nur Straßen bauen, wir wollen nicht nur neue Gewerbegebiete erschließen – das ist alles sehr wichtig –, sondern wir wollen vor allen Dingen auch erreichen, dass investiert wird. Deshalb gibt es einen Vorschlag, über den wir im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch einmal diskutieren werden, nämlich den der Einführung einer AfA, um Investitionen gezielt anzureizen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in wenigen Tagen wird das Klimakabinett der Bundesregierung zusammentreten, und wir werden dort darüber entscheiden, wie wir langfristig erreichen wollen, dass unsere Klimaziele für 2030 und danach eingehalten werden. Wir fühlen uns dem Pariser Klimaabkommen verpflichtet. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ({8}) es ist auch von entscheidender Bedeutung, dass wir so weit als möglich marktwirtschaftliche Mittel beschließen, weil der Markt die Ziele schneller und billiger erreicht als jede staatliche dirigistische Politik. ({9}) Deshalb werde ich mich dafür einsetzen, dass wir nicht mit Verboten operieren, sondern mit marktwirtschaftlichen Instrumenten. ({10}) Ich habe gestern einen Vorschlag vorgelegt, der dazu führen kann, dass Millionen Bürgerinnen und Bürger einen Anreiz haben, mit dazu beizutragen, dass die notwendigen Investitionen getätigt werden. ({11}) Die Idee der Gründung einer Bürgerstiftung Klimaschutz ist auch schon von Sozialdemokraten, zum Beispiel Matthias Miersch, und von Alexander Dobrindt geäußert worden. Eine Bürgerstiftung kann helfen, das Engagement ganz vieler zu erreichen und damit auch Investitionen in Klimaneutralität zu ermöglichen. ({12}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, der letzte Punkt, der mir wichtig ist: Die Entscheidung über eine CO2-Bepreisung werden wir uns nicht einfach machen. Wir werden auch dies marktwirtschaftlich lösen. Aber der entscheidende Punkt ist: Wir müssen die Einnahmen wieder an die Bürgerinnen und Bürger und an die Unternehmen zurückgeben. ({13}) Weil wir in Europa das Land mit den höchsten Strompreisen für private Haushalte und mit den zweithöchsten Strompreisen für die Industrie sind, ist es für mich als Wirtschaftsminister wichtig, diese Chance zu nutzen, um die Netzentgelte und die Strompreise in Deutschland sowie die EEG-Umlage zu senken. Damit leisten wir einen Beitrag dazu, dass die Klima- und Energiewende gelingt und die Bürgerinnen und Bürger sehen, dass die Politiker in der Bundesregierung und im Parlament ihre Probleme ernst nehmen und entschlossen handeln. Vielen Dank. ({14})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Volker Münz für die AfD-Fraktion. ({0})

Volker Münz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004835, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister Altmaier! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einem Jahr hieß es noch von der Bundesregierung und von allen Seiten links von meiner Fraktion, Deutschland sei in einer guten wirtschaftlichen Verfassung. Dabei war schon seit Langem klar, dass das Wachstum nicht ewig andauern würde, auch nicht mit einer Negativzinspolitik und der Geldschwemme durch die EZB. ({0}) Deutschland befindet sich am Beginn einer Wirtschaftskrise, und die ist zu einem großen Teil hausgemacht, und zwar von dieser Regierung, meine Damen und Herren. ({1}) Insbesondere unsere Schlüsselindustrie, die Automobilbranche, wird mutwillig an die Wand gefahren. Zum Versagen von Regierung und Parlament bei der Festlegung nicht rational begründeter Abgasgrenzwerte kommt – wohl wahr – auch das Versagen der Automanager hinzu. Die Automobilindustrie und die Autokonzerne haben die absurden Abgasgrenzwerte akzeptiert, anstatt die Politik von etwas Besserem zu überzeugen. Aber jetzt muss es darum gehen, unsere wichtigste Branche und Millionen direkt und indirekt betroffene Arbeitsplätze zu schützen, meine Damen und Herren. ({2}) Stattdessen hat die Politik dazu geführt, dass eine Hetzjagd auf die eigene Automobilindustrie stattfindet. Da werden noch mehr Dieselfahrverbote gefordert und umgesetzt. Dies kommt einer Enteignung der Dieselautobesitzer gleich. Und jetzt, im Vorfeld der Internationalen Automobilausstellung, fordern sogenannte Aktivisten sogar in aller Öffentlichkeit, die Grenzen des legalen Protests zu überschreiten. Neben der Automobilindustrie fährt die Regierung aber auch unsere Energieversorgung an die Wand. Aus der Kernkraft und der Kohleverstromung auszusteigen, ohne dass das Problem der Speicherung von Wind- und Solarstrom gelöst ist, ({3}) gefährdet die Versorgungssicherheit, meine Damen und Herren. ({4}) Jetzt debattieren wir hier über den Haushalt des Wirtschafts- und Energieministeriums, und ein wichtiger Sonderhaushalt, der Energie- und Klimafonds, liegt uns noch nicht einmal vor. Das ist eine Missachtung des Parlaments. Der Rechnungshof hat massive Kritik an der Steuerung und Umsetzung der Energiewende geübt. Er hat gefordert, dass die Bundesregierung endlich die Ziele Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit konkret definiert und die Kosten transparent macht. Der Rechnungshof kommt zu dem niederschmetternden Ergebnis, dass – so wörtlich – „das Risiko des Vertrauensverlusts in die Fähigkeit von Regierungshandeln“ besteht, und zwar dann, wenn die Kosten der Energiewende weiter ansteigen und die Ziele weiterhin verfehlt werden. Und das werden sie, meine Damen und Herren! Wir werden damit das Klima der Welt nicht nennenswert beeinflussen können. ({5}) Stattdessen wird riesiges Volksvermögen vernichtet. Es werden Kosten verursacht, die in die Hunderte von Milliarden Euro gehen. Die betriebene Energiewende ist ökologisch kontraproduktiv, ökonomisch gesehen Harakiri und sozial ungerecht. ({6}) Schon bald werden Heulen und Zähneklappern einsetzen. Dann wird es keine Fridays-for-Future-Demonstrationen mehr geben, sondern Mondays for Jobs, meine Damen und Herren. ({7}) Unser Wohlstand als Basis für unseren Sozialstaat und für den inneren Frieden wird aufs Spiel gesetzt, und hier stehen uns noch einige Zerreißproben bevor. Es ist an der Zeit, dass der Wirtschaftsminister und die Regierung Vernunft walten lassen und der Wirtschaft und den Bürgern keine neuen Verbote und Belastungen wie zum Beispiel die CO2-Steuer auferlegen, sondern sie entlasten. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Bernd Westphal das Wort. ({0})

Bernd Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004442, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aktuell wird so intensiv wie lange nicht mehr über Gesellschaft, über grundlegende Fragen der Wirtschaftspolitik, über Klimaschutz und Mobilität im 21. Jahrhundert, aber auch über die Fragen diskutiert, wie und von was wir zukünftig leben wollen, welche gestaltende Rolle die Politik hat und welche Rahmenbedingungen sie für die Wirtschaft setzt. Wir müssen reflektieren, was in unserem Land gut und was nicht so gut läuft, und wir müssen eine Antwort darauf finden, wie wir die epochalen Umbrüche unserer Zeit begleiten und gestalten wollen. Nach einem über zehn Jahre andauernden Aufschwung geht es jetzt um eine Wirtschaftspolitik, die zur Stärkung des Standortes beitragen muss. Wir brauchen wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen durch ein langfristig und nachhaltig wirkendes Gesamtkonzept. Vor allem brauchen wir einen klaren Kurs; das erwarten Wirtschaft und Gesellschaft zu Recht. ({0}) Unsere Beschäftigung liegt auf Rekordniveau. Die realen Einkommen steigen, und die Wirtschaft wächst trotz jüngster Eintrübung. Vor diesem Hintergrund erscheint es paradox, dass das Armutsrisiko trotzdem gestiegen ist und dass Arbeit nicht automatisch vor Armut schützt, vor allem wenn man weiblich und alleinerziehend ist. 9 Millionen Menschen arbeiten im Niedriglohnsektor. Gleichzeitig stehen immer weniger bezahlbare Wohnungen zur Verfügung. Wohlstand für alle – dieses Versprechen der sozialen Marktwirtschaft gilt leider nicht mehr uneingeschränkt. Daher müssen wir – daran sollte auch der Bundeswirtschaftsminister ein großes Interesse haben – dafür sorgen, dass die Tarifbindung wächst. Nach Tarif bezahlte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: Das gibt Sicherheit, sichert den Lebensunterhalt, sichert die Renten, schafft sozialen Zusammenhalt, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Mit dem Haushalt 2020 erhöhen und verstetigen wir die öffentlichen Investitionen. Damit schaffen wir die Grundlage für zukünftiges Wachstum und für Wohlstand. Ich finde allerdings, dass es an der Zeit ist, ein neues Bündnis für eine nachhaltige Wirtschaft zu schmieden. Es ist an der Zeit, das Industrieland Deutschland zu stärken, die Rahmenbedingungen für den Mittelstand, das Handwerk und für die Start-up-Szene neu zu justieren. Es ist an der Zeit, der Wirtschaft klare Rahmenbedingungen auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2050 an die Hand zu geben. Wir brauchen eine Innovations- und Investitionsoffensive statt einer Politik, die nur Ausstiegsszenarien entwirft und Verbote ausspricht. Wir brauchen Angebote für klimaschonende und nachhaltige Investitionen. ({2}) Industrie- und Mittelstandspolitik ist dabei von hoher Relevanz. Deutschland ist Industriestandort und soll es auch bleiben. ({3}) Industrie und Mittelstand stehen für die Innovationen, die wir für den Erhalt der Wertschöpfungsketten hier in Deutschland dringend benötigen. Der Markt allein wird die notwendigen Investitionen und Innovationen nicht zeitnah realisieren können. Deshalb ist staatliche Unterstützung notwendig, und zwar bei Forschung und Entwicklung, ja, auch bei Batteriezellenproduktion. Aber, Herr Altmaier, wir brauchen die Unterstützung auch für die Wasserstoffwirtschaft. ({4}) Damit verbunden ist eine Technologieoffensive für Elektroingenieure, für den Leitungs- und Rohrbau, für handwerkliche Betriebe und andere, mit einer leistungsfähigen, digitalisierten Infrastruktur, mit Investitionen in Aus- und Weiterbildung, mit einer funktionierenden Fachkräftezuwanderung, aber auch mit der Abschaffung von Hemmnissen für den internationalen Handel. Wir brauchen einen neuen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Konsens. Dass das gelingen kann, hat die sogenannte Kohlekommission gezeigt. Viele Zielkonflikte wurden dort gelöst und haben zu Kompromissen geführt. Was allerdings nicht geht, ist, dass wir bei den wichtigen Projekten wie der Energiewende auf halbem Wege stehen bleiben. Klimapolitik ist immer eng verbunden mit dem Thema Energie. Die Energiewende eröffnet daher ein Feuerwerk an Chancen. Um sie zu nutzen, brauchen wir eine strategiefähige Politik. Der globale Energieverbrauch wird weiter steigen. Das heißt für uns, eine Strategie zu entwickeln, die die Erderwärmung unter 2 Grad hält und den Wohlstand für alle mit der ökologischen Tragfähigkeit unseres Planeten in Einklang bringt. ({5}) Dafür müssen wir, die Industriestaaten, bis 2050 klimaneutral werden. Ein radikaler Umbau der Industriegesellschaft ist dafür notwendig. Das wird mit einem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien, effizienten Technologien und klaren Strategien gelingen. Strategiefähigkeit zeigt sich aber auch in der Umsetzung von Politik. Bei den Themen „Ziele ernst nehmen“ und „beschließen, welche Maßnahmen notwendig sind“ gibt es sicherlich einige Dinge, bei denen wir besser werden müssen. Wind- und Sonnenenergie werden langfristig die Säulen unserer Energieversorgung bilden. Da der Ausbau der Windenergie wegen fehlender Akzeptanz fast zum Erliegen gekommen ist, brauchen wir jetzt dringend Taten in Ländern und Bund, um eine Zukunftsbranche wie die Windenergie und wichtige zukunftsfähige Arbeitsplätze zu erhalten. Wir brauchen also mehr Dynamik und Verlässlichkeit, einen klaren Kurs und Überzeugungskraft, damit wir hier für mehr Akzeptanz sorgen. Die schon heute sichtbaren Schäden in der Natur, in den Wäldern, in der Landwirtschaft, das Niedrigwasser in den Flüssen werden Konsequenzen für die Wirtschaft haben. Wenn wir nichts machen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird es richtig teuer. Deshalb ist es jetzt notwendig, Maßnahmen für Investitionen zu ergreifen und für Akzeptanz zu sorgen. ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen einen neuen Blick auf die Wirtschaftspolitik, der Nachhaltigkeit und Lebensqualität ins Zentrum rückt, der Wettbewerbsfähigkeit stärkt, der soziale Fortschritte wie mehr Zeitsouveränität und veränderte Erwerbsbiografien abbildet. Unser Anspruch als Sozialdemokraten ist, dass die Digitalisierungsdividende auch bei den Beschäftigten ankommt. Uns geht es um ein inklusives und nachhaltiges Wachstum, das unsere Lebensgrundlagen erhält, von dem die ganze Bevölkerung profitiert. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Westphal, Sie können selbstverständlich weitersprechen, tun das aber auf Kosten Ihrer Kollegen.

Bernd Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004442, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, Frau Präsidentin, ich bin am Ende meiner Rede. – Albert Einstein hat mal gesagt: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ Deshalb werden wir als Sozialdemokraten neue Impulse für die Wirtschaftspolitik setzen. Vielen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Karsten Klein das Wort. ({0})

Karsten Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004780, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich gilt zuallererst unser Dank all denjenigen, die durch ihre Leistungsbereitschaft unseren Wohlstand in diesem Land sichern – keine Frage, Herr Minister. ({0}) Aber unser Auftrag muss dann auch sein, dafür zu sorgen, dass diese auch in Zukunft in der Lage sind, ihre Leistungsbereitschaft in Wohlstand zu transferieren. Man muss festhalten: Seit Mai 2018 sind die Auftragseingänge des produzierenden Gewerbes rückläufig. Seit vier Quartalen schrumpft die Wertschöpfung in diesem Wirtschaftsbereich. Im letzten Quartal ist die Wirtschaftsleistung von ganz Deutschland geschrumpft. Jetzt ist es sicher nicht Ihre Aufgabe, Herr Minister, zuallererst das Wort „Rezession“ in den Mund zu nehmen – keine Frage. Aber es wäre Ihre Aufgabe, zuallererst über Maßnahmen nachzudenken, Maßnahmen zu konzipieren, die dieser Abwärtsentwicklung entgegenwirken. ({1}) Davon können wir leider viel zu wenig feststellen in den letzten Wochen und Monaten. Maßnahmenpaket eins. Wir befinden uns in einem harten internationalen Steuerwettbewerb. Amerika, Großbritannien und Frankreich haben die Steuern für ihre Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen gesenkt. ({2}) Aber was findet hier in Deutschland statt? Die Große Koalition leistet sich eine spießbürgerliche Diskussion über ein politisches Versprechen, über eine verfassungsmäßig gebotene Komplettabschaffung des Solidaritätszuschlags. Die Kolleginnen und Kollegen der Union lassen es zu, dass die SPD den Solidaritätszuschlag zu einer „Reichensteuer light“ verkommen lässt. ({3}) Wir Freie Demokraten haben eine klare Vorstellung und Erwartungshaltung an diese Bundesregierung, nämlich dass ab dem 1. Januar 2020 der Solidaritätszuschlag komplett abgeschafft ist. ({4}) Maßnahmenpaket zwei: strukturpolitische Maßnahmen. Herr Minister, es ist in keiner Weise feststellbar, dass Sie mit Ihren vorhandenen Instrumenten, mit Ihren Werkzeugen und Ihren Fördertöpfen einen strukturpolitischen Maßnahmenkatalog in Ihrem Haushalt geschaffen haben, der diesem Abwärtstrend, den ich vorhin beschrieben habe, entgegenwirkt. Sie tun gerade so, als hätte es in den letzten 24 Monaten keine gesellschaftspolitischen Diskussionen in diesem Land gegeben, die dazu geführt haben, dass vor allem der Automobilbereich extrem an Wettbewerbsfähigkeit verloren hat. ({5}) Ihr Einzelplan spiegelt die Instrumente von vor vier Jahren wider. Das ist Vergangenheit. Wir möchten, dass Sie endlich in die Pötte kommen und gegen diesen Abwärtstrend etwas machen, Herr Minister. ({6}) Dritter Bereich: Energie. Sie haben zu Recht angesprochen, dass wir in Deutschland immer noch die höchsten Strompreise in Europa haben. Das ist die aktuelle Situation, und das belastet die Arbeitsplätze in diesem Land. Aber wie ist die aktuelle Situation in Ihrem Haus, in der Bundesregierung? Durch Ihre Maßnahmen im Hinblick auf den Kohleausstieg führen Sie die Fehler der Vergangenheit fort: ({7}) Wieder spielt Geld keine Rolle. Wieder setzen Sie auf zentralistische, planwirtschaftliche Instrumente. Die Erfahrungen der Vergangenheit und der Bundesrechnungshofbericht, der ein vernichtendes Urteil über das Management der Energiewende in Ihrem Haus spricht, bleiben unter Ihrer Führung völlig unberücksichtigt. Ich will auf die Inhalte der Zielsetzung der Kohlekommission und auf das Ergebnis gar nicht eingehen. Aber letztlich ist es doch so, Herr Minister: Jeder, der am Verhandlungstisch saß, hat etwas versprochen bekommen. Aber wer das bezahlt und wie viel das kostet, davon haben Sie als federführender Minister überhaupt keine Ahnung. Seit Januar fragen wir in regelmäßigen Abständen zu den Kosten und dazu, wer sie tragen soll, in Ihrem Haus nach. Die Antworten sind blumig, aber – kurzgefasst –: Sie wissen es nicht. ({8}) Ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, weiß nicht, was schlimmer ist: eine Bundesregierung, die in einen solch epochalen Wandlungsprozess einsteigt, keine Ahnung von den Kosten und davon, wer sie tragen soll, hat, oder eine Bundesregierung, die in Wahrheit die Zahlen kennt, aber diesem Haus, dem Deutschen Bundestag, und den Bürgerinnen und Bürgern, der deutschen Öffentlichkeit, diese Zahlen bewusst vorenthält. ({9}) Deshalb kann ich Sie, Herr Minister, nur auffordern, dieses Versteckspiel bezüglich der Kosten des Kohleausstiegs und des Klimawandels zu beenden. Nennen Sie diesem Haus die Kosten! Noch tollkühner wird die ganze Sache mit den Vorschlägen, den Kohleausstieg und die Bekämpfung des Klimawandels über neue Schulden oder Schattenhaushalte zu finanzieren. Ganz frei nach dem Motto: Kaputte Welt oder Schuldenberge, mit einem von beidem müssen zukünftige Generationen schon leben können. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das kann kein Weg für Deutschland, für unser Land, sein. Herr Minister, ich fordere Sie auf: Beenden Sie die Versteckspiele bei der Finanzierung! Packen Sie es mutig an! Nehmen Sie sich ein Beispiel an uns Freien Demokraten! Setzen Sie bei der Bekämpfung des Klimawandels auf die Menschen in diesem Land und auf die soziale Marktwirtschaft! Ziehen Sie die CO2-Bremse, indem Sie den Zertifikatehandel auf den Gebäude- und den Verkehrssektor ausweiten! ({10}) Und stellen Sie endlich Technologieoffenheit in Ihren Förderinstrumenten sicher! Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht nicht um den Fortbestand der Großen Koalition, und es geht auch nicht um das nächste Konjunkturprogramm für Bündnis 90/Die Grünen, sondern es geht um unser Land und um die Arbeitsplätze. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Heidrun Bluhm-Förster für die Fraktion Die Linke. ({0})

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der aktuelle Etatentwurf des Wirtschaftsministeriums steht unter dem Motto – ich zitiere –: mehr Mittel für künstliche Intelligenz, Digitalisierung sowie Luft- und Raumfahrt. Ich finde es höchst beeindruckend, Herr Minister, dass Sie mit diesem Motto dem Ministerium zu einem neuen Namen verhelfen. Sie wollen also mehr Geld für Technologien ausgeben. Das finden auch wir nicht schlecht. Aber was ist mit den Positionen Wirtschaftsförderung, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz? ({0}) Auch darauf haben Sie in Ihrer Rede eben nicht viel Zeit verwendet. Sie müssten doch eigentlich selbst bemerken, dass Ihre Schwerpunktsetzung den aktuellen Anforderungen im Zeitalter von Klimawandel und ökonomischer Strukturschwäche in einzelnen Regionen in keiner Weise gerecht wird und, ja, der Entwicklung zuwiderläuft. Selbst wenn Sie, wie im Etat vorgesehen, bei der Entwicklung digitaler Technologien eine bedeutende Aufstockung auf fast 117 Millionen Euro vornehmen, wollen Sie doch nicht im Ernst behaupten, dass Sie damit die Bundesrepublik aus dem digitalen Dornröschenschlaf erwecken können. Herr Minister, auch Sie haben es schon einmal in der Öffentlichkeit gesagt. Ich war in diesem Jahr im Sommer in Finnland, Estland und in Norwegen unterwegs. Es war mir zeitweise echt peinlich, zu sagen, aus welchem Land ich komme, wenn es darum ging, welche digitalen Entwicklungen unsere Nachbarländer vollzogen haben. Da, denke ich, haben wir großen Nachholbedarf. Unsere Anstrengungen, Herr Klein, dürfen dabei nicht alten Technologien gelten, sondern neuen. ({1}) Dazu kommt: Viele der von Ihnen finanzierten Projekte haben reinen Modellcharakter. Eine Anwendungssicherheit ist damit nicht gegeben. Auch der KI-Bereich, den Sie mit 28 Millionen Euro fördern wollen, ist viel zu klein, um – ich zitiere aus Ihrem Einzelplan – „Treiber für volkswirtschaftlich relevante Ökosysteme zu sein“. Ich frage mich, warum gerade bei der Entwicklung digitaler Technologien noch immer mehrere Millionen Euro aus dem Haushalt 2019 als nicht ausgegebene Reste verzeichnet sind, wo Sie doch diese Positionen im Haushalt 2020 verdoppeln wollen. Die Linke findet, dass der Etat des Wirtschaftsministeriums ein ganz falsches Zeichen setzt, und zwar nicht, was die Förderung der Digitalisierung angeht, sondern was die Vernachlässigung anderer dringend benötigter Strukturlösungen betrifft. ({2}) Wirtschaft ist für uns, für meine Fraktion, für mich und vor allem für viele Bürgerinnen und Bürger die Voraussetzung für Soziales, für Bildung und Kultur und für vieles andere im Leben. Die soziale Schieflage im Land ist aber in der Konjunkturbelebung der letzten Jahre nicht beseitigt worden, nein, sie wird immer schiefer. Dafür trägt der Wirtschaftshaushalt eine wesentliche Verantwortung. Dieser Verantwortung wird er auch mit dem Entwurf für 2020 nicht gerecht. Meine Fraktion plädiert seit Jahren für eine massive Stärkung der KMU in strukturschwachen Regionen oder für die Erhöhung der Finanzmittel für das Zentrale Investitionsprogramm Mittelstand, ZIM. ({3}) Nachdem Sie im letzten Jahr eine moderate Steigerung der ZIM-Mittel vorgenommen haben, werden sie im Jahr 2020 wieder gekürzt, und die Schere zwischen Ost und West wird immer größer. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ähnlich ist es beim Thema „ländliche Räume“. Hier gibt es trotz aller Strukturprobleme Chancen für Innovationen. Aber Anschubfinanzierungen in Infrastrukturmaßnahmen verpuffen, wenn danach keine dauerhafte neue Wertschöpfung in Gang gesetzt werden kann. Auch hier müssen über die Modellfinanzierung hinaus dauerhafte, verlässliche Finanzhilfen zur Verfügung stehen. In der parlamentarischen Sommerpause wurden offensichtlich auch bewusst die Ergebnisse der Arbeit der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ des BMI im Sommerloch versenkt. Jedenfalls erscheinen die Statements der Bundesregierung im sogenannten „Plan für Deutschland“ vom Juli 2019 ziemlich uninspiriert. Das Wirtschaftsministerium war federführend in der Facharbeitsgruppe „Wirtschaft und Innovation“ beteiligt und versuchte, die bereits laufenden Förderprogramme für die Kommissionsziele neu zu interpretieren. Das war alles, mehr nicht. Und da wundert man sich in der Bundesregierung darüber, dass in strukturschwachen Regionen das Vertrauen in staatliches Handeln weiter verloren geht. Gerade im ländlichen Raum fühlen sich die Menschen seit Jahren nicht mehr beachtet, ganz nach dem Motto „Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner“. Da wundern wir uns wieder – nach Brandenburg und Sachsen – über den Rechtsruck in der Gesellschaft. Dabei gibt es wirkliche Möglichkeiten, auch in ländlichen Räumen produktiv zu werden. Im Bericht der Facharbeitsgruppe „Raumordnung und Statistik“ der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ wird davon gesprochen – ein Hinweis, versteckt herauszulesen –, dass die dezentrale Standortpolitik so auszugestalten sei, dass über Steueranreize gezielte Ansiedlungen von Unternehmen in der Fläche erfolgen können und über vernünftige Nach- und Neunutzungskonzepte ein ökonomischer Innovationsschub vollzogen werden kann. Im Haushaltsplan des Ministeriums findet sich davon aber nichts. Diese Kommissionsergebnisse müssen also weiter verarbeitet werden. Ich wäre gern noch auf Energiepolitik und die entsprechende Forschung sowie auf Gebäudesanierung eingegangen. Die Zeit lässt mir dafür jetzt keinen Raum mehr, aber ich freue mich auf die Debatten in der Sitzungszeit bis November. Vielleicht können wir da noch das eine oder andere erreichen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat Anja Hajduk für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, das Schrumpfen der Wirtschaft im letzten Quartal sei ein „Weckruf“, haben Sie in einem „Spiegel“-Interview Ende August gesagt. Angesichts dessen, dass das keine Überraschung und absehbar war, habe ich mich gefragt, ob Sie das nicht als ganz persönlichen Weckruf hätten nehmen müssen. Ich sage das so freundlich, weil das einen ein bisschen ratlos macht. Ich denke, wir stehen seit Langem vor wichtigen wirtschaftspolitischen Herausforderungen. Vor der Eintrübung der Konjunktur wird länger gewarnt, und insgesamt findet man in Ihrem Haushaltsentwurf, Herr Altmaier, keine wirklich passenden Antworten. Dabei muss die deutsche Wirtschaft sich wirklich wandeln. Die Themen „Digitalisierung“, „künstliche Intelligenz“ und auch die Klimakrise fordern insbesondere eine Veränderung unserer Wirtschaft heraus. Deswegen ist mir mit Blick auf Ihren Haushalt folgender Ansatz wichtig: Wir müssen Innovationen glaubhaft stärken und auch das Thema Klimawandel anpacken. Auf den ersten Blick scheint es, dass der Haushaltsentwurf des BMWi sogar innovationsfreundlich ist. Da gibt es neue Programme zur nichttechnischen Innovationsförderung, zur Förderung der Bioökonomie oder die Agentur für Sprunginnovationen. Aber – das ist jetzt ein dickes Aber – bei den wirklich großen Aufgaben, da scheitert die Regierung, da scheitern auch Sie. ({0}) Damit komme ich zum Punkt „künstliche Intelligenz“. Die Regierung hat 3 Milliarden Euro angekündigt. Inzwischen soll es nur noch 1 Milliarde Euro zusätzliches Geld sein, in 2019 und 2020 jeweils 500 Millionen Euro. Aber in Ihrem Haushalt sind nur 44 Millionen Euro zusätzlich für künstliche Intelligenz vorgesehen. Der Punkt ist: Der überwiegende Teil ist irgendwo im Finanzministerium im sogenannten Einzelplan 60 geparkt. Für dieses Geld gibt es keine konkreten Ideen. Da wird auch nichts umgesetzt. Über die große Aufgabe „künstliche Intelligenz“ wird also gesprochen – ich würde sogar sagen, noch zu wenig gesprochen –, aber fast gar nichts getan. ({1}) Der zweite Punkt ist die Klimapolitik. Hier zeigt sich erst recht das Scheitern der Regierung, insbesondere bei Ihnen als Energieminister, beim Umgang mit politischen Großaufgaben. Wenn ich mir den Haushaltsplan ansehe, dann kann ich sogar sagen: Man bekommt den Eindruck, im BMWi wird gar keine Energiepolitik mehr gemacht: Die Mittel zur Energieforschung werden gekürzt, die für die „Europäische Zusammenarbeit Ausbau Erneuerbare Energien“ sogar um 60 Prozent, usw. usw. Da können Sie jetzt natürlich sagen: Das kommt ja alles noch im Klimakabinett am 20. September, im Haushalt für den EKF. – Da kann ich Ihnen, Herr Altmaier, nur sagen: Dann können wir das alles an dieser Stelle nicht sinnvoll debattieren, obwohl Sie als Regierung verpflichtet sind, dem Parlament einen Haushalt vorzulegen. Die ökologische Transformation der Wirtschaft ist in diesem Haushaltsplan nicht umgesetzt. Das habe ich gerade auch schon dem Finanzminister gesagt. Aber es geht hier nicht nur um die Missachtung der parlamentarischen Beratung, es geht auch darum, dass die Bürgerinnen und Bürger und auch die Wirtschaft gar nicht wissen, was kommt. Sie lassen sie im Unklaren. Es wird doch die ganze Zeit darüber diskutiert: Was passiert denn bei der energetischen Gebäudesanierung? Was planen Sie denn beim Thema CO2-Preis? Ich kann Ihnen nur sagen: Wir Grüne haben bei den Grundfragen, die wir zu diskutieren haben, eine klare Vorstellung. Wir haben sie Ihnen auch präsentiert: CO2-Preis, gleichzeitig kompletter Abbau der Stromsteuer und Rückgabe des gesamten Geldes in Form eines Pro-Kopf-Energiegeldes an die Bürgerinnen und Bürger. Schlagen Sie von mir aus etwas anderes vor, aber schlagen Sie endlich etwas vor. ({2}) Genauso ist es bei der Finanzpolitik. Wie finanzieren wir die großen Aufgaben und die Investitionsbedarfe? Wir Grüne sagen: Nutzen und gründen Sie Investitionsgesellschaften, von mir aus auch die BImA, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben! Die können sich verschulden, die haben Eigenkapital. Dann kann man das unter Einhaltung der Schuldenbremse nutzen. Oder legen Sie einen Bundesinvestitionsfonds für zehn Jahre auf! Das habe ich dem Finanzminister gesagt, aber Ihnen sage ich es auch. Das haben wir vorgeschlagen. Sie sagen nichts. Sie klammern an der schwarzen Null und sagen: Ja, wir rechnen mit einer Eintrübung der Wirtschaft. – Damit vermitteln Sie keinen Optimismus. Sie haben keine Ideen. Diese Großaufgaben muss eigentlich eine Regierung in Deutschland anpacken und leisten. ({3}) Letzter Punkt: Kohleausstieg. Ich muss zum Ende kommen, sonst bekomme ich eine Rüge der Präsidentin, dieses Mal sogar zu Recht. Beim Kohleausstieg ist es zwingend, dass Sie das Strukturwandelgesetz mit dem Ausstiegsgesetz verknüpfen. Das ist für die gesellschaftliche Akzeptanz wichtig. Das ist für das Vertrauen der Menschen wichtig. Auch hier haben Sie gerade einmal die erste Hälfte auf das Papier gebracht und die nächste Großaufgabe immer noch nicht bewältigt. Ich fürchte, das wird im November nicht besser sein. Die GroKo hat leider keinen Elan für die Zukunft, aber die Zukunft gibt es nicht zum Nulltarif. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Es ist relativ übersichtlich, wie wir die Redezeiten in den Fraktionen regeln. Da Sie jetzt nicht die letzte Rednerin Ihrer Fraktion waren, wirkt sich das auf die Redezeit der Kollegin Dröge aus. Wir haben dies die ganze Zeit so gehandhabt: gegenüber den großen Fraktionen genauso wie gegenüber den kleinen Fraktionen. Das Wort hat der Kollege Dr. Carsten Linnemann für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Carsten Linnemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004098, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses Haushaltsjahr ist ein anderes, als wir es in den vergangenen Jahren erlebt haben. Die Steuereinnahmen sprudeln, aber nach vielen, vielen Quartalen Wachstum haben wir zum ersten Mal ein Quartal gesehen, in dem das Bruttoinlandsprodukt geschrumpft ist. Hierzu hat unser Wirtschaftsminister die Antwort gegeben. Es war für mich eine Punktlandung, weil er einfach einmal seinem Kompass gefolgt ist und in einer Mittelstandsstrategie aufgeschrieben hat, was er machen würde, wenn er alleine regieren würde. Das ist Regierung, das ist Koalition. Man muss sich immer einigen. Diese Mittelstandsstrategie zeigt genau den Weg in die Zukunft auf. Sie zeigt, was wir in Deutschland brauchen, damit es dem Mittelstand und der Wirtschaft auch in fünf und zehn Jahren gut geht. ({0}) Wir alle machen viele Unternehmensbesuche. Ich rede genauso wie die Kollegen viel mit den Beschäftigten und den Arbeitgebern. Wenn Sie mich persönlich fragen: Es gibt eigentlich fünf Themen, die wir angehen müssen und wo wir schon viel tun – einiges fehlt –, und es sind meines Erachtens immer die gleichen fünf großen Themen; zumindest wenn es danach geht, worauf ich angesprochen werde. Das ist erstens das Thema Fachkräfte, zweitens das Thema Steuern, drittens der Bürokratieabbau und die Flexibilisierung, viertens die Energiekosten und damit auch die Klimapolitik und fünftens die Digitalisierung, ein Querschnittsthema, das sich durch alle Themen zieht. Erstens: Fachkräfte. Wir haben das Fachkräfteeinwanderungsgesetz auf den Weg gebracht und es vereinfacht. Wir haben es ausgerollt. Wir haben es geöffnet, nicht nur für Akademiker – das gab es bereits –, sondern auch für Menschen mit Berufsabschlüssen, die hier einen Arbeitsvertrag unterschreiben und in Deutschland willkommen sind. Damit geben wir der Welt ein Signal, unter welchen Bedingungen man legal nach Deutschland kommen kann und unter welchen nicht. Gleichzeitig müssen wir das Thema Flexirente vorantreiben und freiwilliges, längeres Arbeiten attraktiver machen. Auch wenn es hier und da Kritik gibt: Es ist meine feste Überzeugung, dass wir mit dem, was wir gestern in großen Teilen vereinbart haben, nämlich dass wir den Meisterbrief stärken wollen – das freut mich ganz besonders –, das Handwerk insgesamt attraktiver machen und somit junge Leute nicht nur eine Karrieremöglichkeit im akademischen Bereich, sondern auch im Handwerk sehen, und das ist richtig so. ({1}) Zweitens: das Thema Steuern. Wenn Sie uns im Hinblick auf die Unternehmensteuern mit Ländern auf diesem Globus vergleichen, die ähnlich entwickelt sind wie wir, kommen Sie, wenn Sie Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Soli zusammenrechnen, in Deutschland immer auf 30 bis 35 Prozent. ({2}) Es gibt kein Land auf diesem Globus, das vergleichbar hohe Sätze hat. Die müssen runter, meines Erachtens auf 25 Prozent; Peter Altmaier, du hast das ausgesprochen. Ein wichtiger Punkt ist – da kommen wir, meine ich, mit der SPD zusammen, weil Olaf Scholz das auch häufig predigt –, dass wir in Deutschland endlich Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften steuerlich gleichstellen müssen. Denn gerade Personengesellschaften sind oft Familienunternehmen, die das Prinzip Haftung und generationenübergreifendes Denken par excellence leben. Diese müssen wir stärken und gleichstellen; das müssen wir angehen. Drittens: Bürokratieabbau. Wir reden gerade über das Bürokratieentlastungsgesetz III. Wir kommen da auch voran; die Gespräche mit Herrn Heil laufen. Bei der Flexibilisierung gibt es einen Dissens – ich finde, in diesem Hause muss man das auch einmal aussprechen –, und zwar in Bezug auf das Arbeitszeitgesetz. Ich glaube, den Dissens, der hier mit einigen Parteien besteht, kann man eigentlich auflösen. Denn uns als CDU/CSU-Bundestagsfraktion geht es nicht um eine Ausweitung der Arbeitsstunden. Es geht um eine Modernisierung des Arbeitszeitrechtes, das wir übrigens auch im Sinne der Arbeitnehmer angehen. Ich denke an die vielen Start-ups und die Arbeitnehmer, die diese Flexibilität brauchen. Ich denke an die vielen Menschen, die einen Telearbeitsplatz zu Hause haben, die mehr Flexibilität wollen und die uns daher ansprechen. Hier, finde ich, müssen wir endlich einmal vorankommen. Wir müssen in der Zeit von heute ankommen, nämlich in der digitalisierten Welt. Viertens: Energiekosten und Klima. Wir führen hier eine Wirtschaftshaushaltsdebatte. Jeder von Ihnen, der auf der Hannover-Messe war, muss erkennen: Wenn wir nicht den Fokus auf Technologie und Innovation legen, haben wir keine Zukunft. ({3}) Wir können mit einem Anteil von 2,3 Prozent am weltweiten CO2-Ausstoß den Klimawandel nicht allein abfedern. Aber wir können durch Innovation der Welt die Technologie zur Verfügung stellen, damit wir hier vorankommen. Darauf muss unser Fokus liegen. ({4}) Fünftens: natürlich das Thema Digitalisierung. Ich freue mich, dass sich Andreas Mattfeldt als unser Berichterstatter dafür eingesetzt hat, dass wir die Mittel für Programme zur Entwicklung digitaler Technologien fast verdoppeln; denn das sollten wir angehen. Frau Präsidentin, es war fast eine Punktlandung. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Steffen Kotré für die AfD-Fraktion. ({0})

Steffen Kotré (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004791, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Nein, Herr Westphal, die Energiewende ist kein Feuerwerk an Chancen, ({0}) sondern ein Feuerwerk an Verbrennung von volkswirtschaftlichen Ressourcen. ({1}) Herr Linnemann, Sie sagen, dass wir nur einen Anteil von 2 Prozent am weltweiten CO2-Ausstoß haben. Das ist richtig. Das ist unser Reden. Wir kriegen das nicht hin, wenn nur wir in Deutschland dafür unsere Industrie schreddern. ({2}) Richtig ist: Wir müssen die industriellen und die innovativen Bereiche voranbringen, damit wir CO2 anders behandeln; wenn Sie denn CO2 als Teufelszeug sehen. Das wäre der richtige Ansatz. Nichts anderes sagen wir. ({3}) Im vorliegenden Haushaltsentwurf finden wir wieder Subventionen für die Markteinführung von E-Mobilität. Aber wie alle Marktwirtschaftler wissen: Subventionen für die Markteinführung alter Technik sind schädlich. Das ist schädlich für die Wirtschaft und hinausgeworfenes Geld. Darüber hinaus zerstört die E-Mobilität im Zusammenhang mit dem Lithiumabbau für die Herstellung von Batterien die Lebensgrundlage zum Beispiel der indigenen Bevölkerung in Südamerika. Die Förderung einer Tonne Lithium bedarf 1 Million Liter Wasser, das verdunstet, also nicht mehr da ist. Der Grundwasserspiegel sinkt, und Flüsse und Feuchtgebiete trocknen aus. Es kommt zu Wasserknappheit in den entsprechenden Gemeinden vor Ort. Darüber hinaus ist die Abbautechnologie mit Bodenkontamination und verseuchtem Trinkwasser verbunden. Das alles ist mit dem Lithiumabbau vor Ort in Südamerika verbunden. Das zerstört die Lebensgrundlage für die Viehzucht. Lamas kommen behindert zur Welt, sterben frühzeitig. Wenn ich an dieser Stelle ein Zitat eines Vertreters der betroffenen Indigenen bringen darf: Der Abbau von Lithium für Europa und der Wechsel zum Elektroauto werden unsere Gemeinden und unsere Landschaft umbringen. Lassen Sie sich das bitte einmal auf der Zunge zergehen. E-Mobilität ist also umweltschädlich und zerstört Lebensgrundlagen. ({4}) Hören wir also auf, diese rückwärtsgewandte, umweltschädliche Technologie zu subventionieren und weiter zu unterstützen. Hören wir vor allen Dingen auf mit der manischen und pathologischen Propaganda für diese Technik, vor allem vor dem Hintergrund, dass die Dieseltechnologie zum Beispiel viel umweltfreundlicher ist. ({5}) Hören wir einfach damit auf, und fangen wir einfach an, mehr im Bereich Kernspaltung und Kernfusion zu forschen. ({6}) Es gibt auf dem Gebiet der Kernspaltung nunmehr die vierte Generation an Reaktoren, die nach menschlichem Ermessen vermutlich sicher sein wird. ({7}) Die Wissenschaftler werden noch feststellen, dass das so ist. Beim Zwei-Flüssigkeiten-Reaktor, Dual Fluid, kann keine Kettenreaktion vonstattengehen. Das Schöne ist: Wir können das Endlagerproblem lösen. Die Strahlung wird nur noch 300 Jahre anhalten, aber auch das werden wir lösen, wenn wir die bisher theoretisch ermittelten Forschungsergebnisse auch praktisch umsetzen. Das müssen wir eben, und dafür brauchen wir Geld. Vor allen Dingen: Vernachlässigen wir nicht wie bisher die Kernfusion. Am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald gibt es eklatante Engpässe in der Finanzierung. Die Wissenschaftler dort müssen betteln, damit sie entsprechende Kapazitäten für die Auswertung ihrer Versuchsreihen erhalten. Eine Versuchsreihe dauert drei Monate und die Auswertung dann zwei Jahre, weil kein Personal und vor allem keine Rechnerkapazität vorhanden sind. Das ist ein Skandal für unser Land. Die Asiaten laufen uns davon; denn sie wissen, wie wichtig Zukunftstechnologie ist. Sie investieren dort massiv. Es ist eine Schande für Europa, dass wir unseren Blick hier nicht öffnen, sondern immer noch an alten Technologien festhalten und die zukunftsweisenden Technologien verlieren. Das muss aufhören. Damit muss Schluss sein. Lassen wir bei uns endlich wieder ideologiefreie Wissenschaftler sprechen! Das fordern wir. Vielen Dank. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion hat nun Thomas Jurk das Wort.

Thomas Jurk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004318, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst mit einer Bestandsaufnahme beginnen. Die wirtschaftliche Lage in der Bundesrepublik Deutschland stellt sich nicht mehr so gut dar wie in den letzten Jahren. Die Exporte sinken und der Auftragseingang in der Industrie geht zurück und damit verbunden auch die Wirtschaftsleistung. Erste Auswirkungen gibt es mittlerweile auch auf dem Arbeitsmarkt. So lag die Arbeitslosigkeit im August nur geringfügig unter dem Wert des Vorjahresmonats. Die Ursachen liegen auf der Hand: Die Unternehmen leiden unter außenpolitischen Verwerfungen wie der unberechenbaren Handelspolitik der USA, den fortwährenden Russland-Sanktionen sowie der Verunsicherung durch die Iran-Krise und den Brexit. Trotzdem bin ich optimistisch, denn die Binnenkonjunktur läuft dank tarifvertraglich steigender Löhne und stetig steigender Ausgaben der öffentlichen Hand nach wie vor. Die Zinsen sind bekanntermaßen niedrig, und die Sozialkassen haben ausreichende Rücklagen, um vorübergehende Einnahmerückgänge zu verkraften. Vor allen Dingen – das ist mir besonders wichtig – investiert der Bund nach wie vor kräftig. Im Finanzplanungszeitraum bis 2023 sind es jährlich 40 Milliarden Euro. Da die bisherigen Entflechtungsmittel, die nach der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen mittlerweile den Ländern zustehen, eigentlich hinzugerechnet werden müssten, sind es sogar 43 Milliarden Euro. ({0}) – Gut, dass das beklatscht wird; denn das ist ein Effekt, den man nicht übersehen sollte. Klar ist aber auch, dass die SPD sinnvolle, wachstumsstärkende Vorschläge unterbreiten wird, sollte die Konjunktur weiterhin schwächeln. Das war auch in der Krisenzeit 2008/2009 der Fall. Da haben wir angepackt. Darauf können sich die Menschen im Land verlassen. Zum Etat des Bundeswirtschaftsministeriums – der Kollege Altmaier ist gerade in wichtigen Gesprächen – sage ich: Wir haben in diesem Einzelplan eine deutliche Steigerung, und zwar um etwa 950 Millionen Euro, wodurch wir im Einzelplan 09 ein Budget von etwa 9,1 Milliarden Euro verzeichnen. Bei dieser auffälligen Steigerung handelt es sich allerdings um einen einmaligen Sondereffekt. Der Bund wird seinen Beitrag im Zusammenhang mit den bestehenden Altlasten des Steinkohlebergbaus nicht zeitlich gestaffelt, sondern diesmal in einer Rate zahlen. Der Bund wird damit die Förderung deutscher Steinkohle seit 1998 mit sage und schreibe 45 Milliarden Euro subventioniert haben. Dazu kommen noch die Zahlungen für das Anpassungsgeld für die Bergleute, die erst in einigen Jahren auslaufen werden. Ich finde, das ist eine beachtliche Solidarleistung des Landes für die Menschen in den Steinkohlerevieren an Ruhr und Saar. ({1}) Wir werden uns in den nächsten Wochen natürlich weniger mit den Steinkohlesubventionen, sondern mehr mit den geplanten Strukturhilfen für die Braunkohlereviere befassen. Deshalb will ich auf einen wichtigen Unterschied aufmerksam machen: Anders als bei den Absatzhilfen zur Förderung deutscher Steinkohle geht es bei den geplanten Strukturhilfen nicht um Subventionen, sondern um tatsächliche Investitionen in die Zukunft. ({2}) Wir wollen die Mittel zur Wirtschaftsförderung in den Braunkohlerevieren einsetzen und besonders in Infrastruktur sowie in Forschung und Entwicklung investieren. Herr Bundeswirtschaftsminister Altmaier, ich habe Ihnen genau zugehört. Ich glaube, es ist besonders wichtig, wirtschaftsfördernde Maßnahmen zu ergreifen, die neue Formen der Beschäftigung ermöglichen. Wir stehen beispielweise in der Oberlausitz in einer Konkurrenzsituation zu Polen und Tschechien, die andere Fördersätze und andere Förderbedingungen haben. Deshalb halte ich den Hinweis auf eine Sonder-AfA, vielleicht entsprechend dem früheren Fördergebietsgesetz, oder eine entsprechend ausgestaltete Investitionszulage für sehr richtig. Wir werden während der Beratungen zum Strukturstärkungsgesetz sicher noch darauf eingehen. ({3}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde, wir sind es den Menschen in den betroffenen Regionen schuldig, ob nun im rheinischen undS im Helmstedter Revier, in Mitteldeutschland oder in der Lausitz, dass wir ihre bisherigen Arbeitsleistungen honorieren und sagen: Wir bauen euch eine Brücke in eine gute Zukunft, in eine Zukunft mit Perspektive, mit neuen, gut bezahlten Arbeitsplätzen. – Das setzt aber bei allem gesellschaftlichen Konsens voraus, dass wir die Vorschläge der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ tatsächlich eins zu eins umsetzen; denn alles andere wäre nicht glaubwürdig. ({4}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist bereits angesprochen worden: Die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ hat sehr interessante Vorschläge gemacht. Ich finde das insbesondere deswegen interessant, weil man sich häufig dem Vorwurf ausgesetzt fühlt, wir täten jetzt alles nur für die Braunkohlereviere. Nein, wir haben Disparitäten im ganzen Land, auch zwischen Stadt und Land. Es gilt, sich die sinnvollen Vorschläge dieser Kommission ganz genau anzuschauen, auch den Hinweis, dass die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ unter demografischen Gesichtspunkten betrachtet werden muss, damit die darüber geförderten Maßnahmen dazu beitragen, die Verwerfungen, die wir in manchen strukturschwachen Regionen verzeichnen, zu beheben. In diesem Sinne wünsche ich gute Haushaltsberatungen. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die FDP-Fraktion spricht nun der Kollege Reinhard Houben. ({0})

Reinhard Houben (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004763, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, als Sie vor 18 Monaten das Wirtschaftsministerium übernommen haben, verbanden viele damit – gerade auch aus der Union –, dass Ihr Haus, das Superwirtschaftsministerium, ein Gegengewicht zum Finanzministerium werden würde. ({0}) Es hat sich aber gezeigt, wer in dieser Frage Koch und wer Kellner ist. Deswegen fehlt auch in diesem Haushalt wieder eine signifikante Entlastung für die deutsche Wirtschaft, ({1}) und ich gehe auch nicht davon aus, dass sich das in den nächsten zwei Jahren noch ändern wird. Herr Minister Altmaier, Sie haben uns am Anfang Ihrer Tätigkeit eine glänzende Zukunft – mindestens 15, wenn nicht sogar 20 Jahre mit einem Wachstum von 2 bis 2,5 Prozent – versprochen. Nun haben wir zumindest in einigen Branchen eine Rezession. ({2}) Ich weiß, Herr Minister, es ist nicht Ihre Schuld, aber sagen Sie deswegen auch nicht, wir würden eine Krise herbeireden. Meinen Sie im Ernst, dass eine Rezession ausbricht, wenn ein Oppositionspolitiker oder ein Regierungspolitiker bei brummender Wirtschaft einmal laut „Rezession“ sagen würde? ({3}) Überschätzen wir unseren Einfluss an dieser Stelle also nicht! Ich sage auch: Zum Glück. ({4}) – Nein, ich rede es nicht herbei. Wir haben in der Politik aber das Problem, dass wir die Zahlen erst mit einem Nachlauf von drei bis sechs Monaten bekommen, und was in der betrieblichen Realität in der deutschen Wirtschaft im Moment los ist, ist nicht von mir, sondern von anderen Kolleginnen und Kollegen in dieser Runde ja schon deutlich gesagt worden. ({5}) Herr Altmaier, Sie haben ein bisschen darum gebeten, Ihre Mittelstandsstrategie positiv zu bewerten; Herr Linnemann hat das auch getan. Ich bin vom ZDF dazu befragt worden ({6}) und habe in der ersten Runde gesagt: Da ist so viel von der FDP-Programmatik abgeschrieben worden; das ist super. – Das hat das ZDF aber nicht gebracht. Sie kennen das Verfahren: Sie werden so lange gefragt, bis die Antwort den Vorstellungen des Redakteurs ungefähr entspricht. Deswegen ist dieses Lob leider nicht richtig rübergekommen. ({7}) Herr Altmaier, die entscheidende Frage ist aber immer: Was setzt man durch? Natürlich sind in Ihrer Mittelstandsstrategie einige Dinge, die wir als FDP durchaus unterstützen können und gerne auch unterstützen wollen. Entscheidend ist aber auf dem Platz. Entscheidend ist, was diese Bundesregierung am Ende des Tages wirklich beschließt und umsetzt. ({8}) Deswegen werden wir diesen Prozess weiterverfolgen. Ich sage aber in der Rückschau: Was Ihre Industriestrategie angeht, habe ich bisher erst ein Ergebnis faktisch feststellen können, nämlich die Genehmigung des Zusammenschlusses von Zollern und Miba – das war sozusagen eine Art Morgengabe an den Mittelstand, weil die Berichterstattung über Sie, Herr Altmaier, in den letzten Monaten nicht gerade unheimlich super war – gegen alle Hinweise der Fachleute, dass man das eigentlich nicht genehmigen sollte. Deswegen würde ich mich freuen, wenn von Ihrer Mittelstandsstrategie mehr übrig bleiben würde als die Frage „Industriestrategie versus Miba/Zollern“. ({9}) Meine Damen und Herren, wir müssen – da haben Sie schon eine wichtige Funktion, Herr Minister – endlich wieder ein Klima in diesem Land schaffen, in dem man die Wirtschaft nicht als Problem, sondern als Teil der Lösung, als Partner für technische Entwicklungen, als Partner zur Sicherung unseres Wohlstandes, ansieht. Denn wenn unsere Industrie und unsere Wirtschaft nicht funktionieren, Herr Minister, dann haben wir nicht die Mittel, die wir für alle sozialpolitischen, klimapolitischen und weiteren Ziele, die wir über unseren Haushalt und unsere Steuereinnahmen finanzieren wollen, brauchen. Wir müssen es schaffen, dass die Menschen in diesem Land wieder eine positive Einstellung zur deutschen Wirtschaft haben. Wir haben nämlich den Eindruck, dass die Stimmung in Deutschland, was die deutsche Industrie und Wirtschaft angeht, im Moment schlecht ist. Deswegen: Wir brauchen die Wirtschaft. Wir wollen Partner der Wirtschaft sein. Es wäre auch schön, wenn die Bundesregierung sich entsprechend verhalten würde. Vielen Dank. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Klaus Ernst für die Fraktion Die Linke. ({0})

Klaus Ernst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003753, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Herr Houben, einen Satz muss ich schon zu Ihnen sagen. ({0}) Sie haben wieder über die Realität in den Betrieben gesprochen. Ich war gestern in einem Betrieb, einem großen Hersteller in der Automobilindustrie. Ich kann Ihnen sagen: Dieser Betrieb produziert hier in Deutschland. ({1}) Er stellt inzwischen Autos her, die zu 100 Prozent elektrisch sind, und hat 1 500 neue Jobs geschaffen. Er bekennt sich ganz bewusst zum Standort Deutschland. Vielleicht sind die Betriebe, die Sie besuchen, nicht die besten, weil diese glauben, sie müssten ins Ausland gehen, um dort niedrige Löhne und niedrige Steuersätze auszunutzen, ({2}) weil sie sonst nichts verdienten. ({3}) Herr Houben, denken Sie einmal darüber nach. ({4}) Herr Altmaier, ich habe in Ihrem Haushaltsentwurf wirklich geforscht: Wo sind denn Antworten auf die wirklich dringenden Herausforderungen? Wo sind Maßnahmen für den sozial-ökologischen Umbau? Da wollen Sie jetzt mit einem Klimapaket nachlegen – einverstanden. Aber Digitalisierung, chinesische Expansionspolitik, Strafzölle der Amerikaner, exterritoriale Sanktionen, Abschottungspolitik der USA, ein riesiger Investitionsstau, sinkende Wachstumsraten, zunehmende Kurzarbeit: Herr Altmaier – es tut mir leid –, die Antworten darauf sind in Ihrem Haushaltsentwurf nicht zu finden. Das, was wir hier sehen, ist eher Kleinkram, aber nicht das, was wirklich notwendig wäre. Das war Anfang des Jahres noch anders, Herr Altmaier. Da haben Sie in Ihrer Industriestrategie festgestellt – ich möchte Sie zitieren –, „dass die Summe der betriebswirtschaftlichen Einzelentscheidungen der Unternehmen eines Landes nicht ausreicht, um globale Kräfte- und Wohlstandsverschiebungen auszugleichen oder zu verhindern: Denn ein Unternehmen hat sein Fortkommen im Blick, nicht das des gesamten Landes.“ Sie leiten daraus eine aktivere Rolle des Staates im Wirtschaftsgeschehen ab. Ein weiteres Zitat aus Ihrem Bericht: „Bloßes Abwarten und Nichtstun reichen nicht aus.“ Aber wo ist all das nur in Ihrem Haushaltsentwurf zu finden, Herr Altmaier? Wo sind die konkreten Aktivitäten, die Aktivitäten des Wirtschaftsministeriums? China strebt eine Technologieführerschaft an. Glauben Sie tatsächlich, dass wir dem durch eine Senkung der Unternehmensteuer begegnen können, gerade angesichts der Tatsache, dass seit 2012 die nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften weniger als 10 Prozent ihrer Gewinne reinvestieren? Was nützt es, für sie die Steuern zu senken? Dann haben sie mehr im Säckel, aber wir haben dadurch nicht mehr Investitionen. ({5}) Meine Damen und Herren, die FDP sagt dann natürlich: Die Unternehmen gehen dann ins Ausland. – Aber das tun sie ja nicht, wie ich gerade nachgewiesen habe. In Ihrer jüngsten Mittelstandsstrategie, Herr Altmaier, wehren Sie sich dagegen, dass Unternehmen, die Subunternehmen beschäftigen, für deren Einhaltung des Mindestlohns haften sollen. Glauben Sie tatsächlich, dass dadurch die exterritorialen US-Sanktionen und die daraus resultierenden geringeren Auftragseingänge für unsere Industrie aufgefangen werden? Herr Altmaier, auch ein Unternehmensstrafrecht lehnen Sie ab. Die Einschränkung von sachgrundlosen Befristungen lehnen Sie ebenso ab. Herr Linnemann, ich habe gehört, Sie wollen auch die Arbeitszeit weiter flexibilisieren. Glauben Sie tatsächlich, dass das die Probleme löst? Ist das Ihre Antwort an die Wirtschaft? Ist das Ihre Antwort auf drohende Strafzölle der USA? Meine Damen und Herren, Sie werden den Herausforderungen in keiner Weise gerecht. Das ist fatal. ({6}) Wir müssten die Nachfrage stärken, notwendige Investitionen anschieben und klare Weichenstellungen vornehmen. Ein Letztes muss ich Ihnen noch sagen. Wenn wir beim Klimaschutz nicht endlich Tempo machen, kostet das die künftigen Generationen sehr viel Geld und die künftigen Bundeshaushalte Milliarden. 35 Windräder sind im letzten Halbjahr in Deutschland an Land aufgestellt worden. Die dahinterstehende Industrie liegt am Boden; Sie wissen das. Wo sind nun die Aktivitäten, um das zu ändern? Sie schlagen vor, eine Stiftung zu gründen, bei der es Anleihen mit einer Verzinsung von 2 Prozent für diejenigen gibt, die da ihr Geld anlegen. Mit diesem Geld sollen Maßnahmen zur CO2-Minderung finanziert werden. Sie haben immer gesagt: Der Staat ist kein guter Unternehmer. Wenn Sie diese Stiftung gründen, dann machen Sie den Staat auch zum schlechten Banker. Wenn Sie am Finanzmarkt Geld leihen, zahlen Sie dafür keine Zinsen. Sie haben sogar den Vorteil, dass Sie weniger zurückzahlen müssen, als Sie geliehen haben, weil wir Negativzinsen haben. Wenn Sie also die 2 Prozent an die verschenken wollen, die Geld haben, dann müssen Sie das so machen. Wir lehnen das ab. ({7}) Wir glauben, das, was Sie vorgelegt haben, Herr Altmaier, ist eine magere Bilanz, und ich hoffe, Sie werden noch besser. Recht herzlichen Dank. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Katharina Dröge das Wort. ({0})

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Minister Altmaier, Sie hatten bislang als Wirtschaftsminister keine einfache Zeit. Ich habe in den vergangenen Jahren die Arbeit vieler Wirtschaftsminister verfolgt, und ich glaube, keiner ist so viel von so vielen unterschiedlichen Gruppen kritisiert worden wie Sie in Ihrer Amtszeit. Das ist überraschend; denn eigentlich haben Sie ja gar nichts gemacht. Das, was Sie uns in Ihrer Amtszeit im Bundestag vorgelegt haben, waren nett klingende Strategien; das waren Kommissionen, aus denen nichts folgt, und Ankündigungen in der Presse. Aber ansonsten haben wir hier im Bundestag bislang herzlich wenig von Ihnen diskutieren können. ({0}) Da ist es umso überraschender, dass Sie es trotzdem geschafft haben, selbst die deutsche Wirtschaft, die Ihnen eigentlich wohlgesonnen sein müsste, bzw. selbst die mittelständische Wirtschaft so gegen sich aufzubringen, dass deren Vertreter mittlerweile öffentlich und vehement Kritik an Ihnen äußern. Sie haben es – wiederum mit einer zentralen Strategie Ihrer Amtszeit, nämlich der Industriestrategie – geschafft, sogar Ihre eigene Fraktion so sehr gegen sich aufzubringen, dass sie sich mit öffentlichen Äußerungen gegen Sie wenden musste. Herr Linnemann hat hier eine sehr freundliche Rede gehalten. Zur Industriestrategie hat er aber sehr klare Worte gefunden. Und selbst Ihr Generalsekretär, Paul Ziemiak, musste jetzt dem „Handelsblatt“ sagen, er möchte das wirtschaftspolitische Profil der CDU wieder schärfen. Ich würde sagen, das ist hart, wenn man den Wirtschaftsminister stellt. ({1}) Deshalb kann ich verstehen, dass Sie verunsichert sind. Ich kann verstehen, dass man, wenn man so von den eigenen Leuten kritisiert wird, eine Bremse im Kopf hat. Aber einen Wirtschaftsminister, der mutlos ist und der eigentlich handlungsunfähig ist, weil er vor den eigenen Leuten Angst hat, können wir in diesem Land nicht gebrauchen. ({2}) Herr Altmaier, dieses Land rutscht wirtschaftlich gerade in den Keller, und wir brauchen einen Wirtschaftsminister, der den Mut hat, jetzt dagegenzusteuern. Nehmen wir das Thema Wettbewerbsfähigkeit, und schauen wir uns die Unternehmen in diesem Land genau an: Was brauchen sie? Sie brauchen keine Steuersenkung, wenn man bedenkt, wie viel Kapital in Deutschland zur Verfügung steht; sie brauchen eine funktionierende Infrastruktur. Wenn man das Thema Wettbewerbsfähigkeit wirklich ernst nimmt, dann brauchen die Unternehmen den Breitbandausbau. Die Finanzierung kriegen Sie aber nicht hin. Sie brauchen Investitionen in Klimaschutz. Die zu finanzieren, kriegen Sie auch nicht hin. Und wir brauchen Investitionen in Zukunftstechnologien. Auch das kriegen Sie nicht hin. Das wäre eigentlich der Job, den Sie als Wirtschaftsminister hätten. ({3}) Gerade die jungen Menschen erwarten von uns, dass Sie etwas gegen die Klimakatastrophe tun und dass wir jetzt mit aller Kraft handeln. Ich glaube, Sie sind so paralysiert von den Debatten in der eigenen Fraktion, dass Sie nur noch unlogische Vorschläge hinkriegen. Sie haben sich gerade selber für Ihre Idee der Klimastiftung gelobt. Ich habe sie mir angeschaut. Zuerst habe ich gedacht, ich mache einen Denkfehler und checke es nicht, was Sie uns vorschlagen, weil ich mir gesagt habe, so unlogisch kann das nicht sein. Im Endeffekt schlagen Sie uns vor, dass Sie, obwohl Sie als Staat sich zu 0 Prozent Zinsen Geld leihen können, stattdessen den Leuten lieber 2 Prozent Zinsen schenken, damit sie Investitionen tätigen, die Sie selber billiger hinkriegen. Das ist so unlogisch. Das ist keine vernünftige Wirtschaftspolitik; das ist einfach nur Ideologie. ({4}) Wenn Sie über das Thema Klimaschutz reden, Herr Altmaier – Sie sind ja ein kluger Mensch; Sie sehen, was gerade im Amazonas passiert –, dann wissen Sie auch, was die Brände im Amazonas bedeuten und dass wir nur noch wenige Prozente der Amazonasfläche durch die Brände verlieren müssen, um dann in der Gefahr zu stehen, den gesamten Amazonas zu verlieren. Sie wissen, was das für das Weltklima bedeutet. Angesichts dessen kann ich es nicht verstehen, dass sich die deutsche Bundesregierung nicht mit aller Kraft und allen Mitteln, die Sie haben, dafür einsetzt, den Amazonasregenwald zu bewahren und die Klimakrise aufzuhalten. Ich kann es nicht verstehen, dass Sie Präsident Macron so im Regen stehen lassen, wenn er sagt: Lassen Sie uns das Mercosur-Abkommen jetzt nutzen! Lassen Sie uns wirtschaftliche Sanktionen aussprechen! Gegen Bolsonaro und seine Klimawandelleugnerpolitik hilft nichts anderes als wirtschaftliche Sanktionen. ({5}) Wenn Sie das Klima schützen und wirklich etwas tun wollen, dann müssen Sie das am Amazonas beweisen, und dafür sind Sie jetzt bei dem Mercosur-Abkommen gefordert. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun Dr. Joachim Pfeiffer das Wort. ({0})

Dr. Joachim Pfeiffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat – es ist angeklungen –, wir haben es in den letzten Jahren, wenn wir hier über den Haushalt debattiert haben, immer mit vollen Kassen zu tun gehabt und auch mit der höchsten Beschäftigung aller Zeiten. Die haben wir noch heute mit 45 Millionen Beschäftigten. Wir hatten ständig steigende Steuereinnahmen. Damit ist jetzt, wie es aussieht, zunächst einmal Schluss. Es gibt in diesem Jahr eventuell sogar – da brauchen wir nichts schlecht- oder herbeizureden; man muss einfach nur die Zahlen anschauen – eine technische Rezession. Wenn das Bruttoinlandsprodukt in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen inflationsbereinigt sinkt, dann reden wir davon, und eine solche Rezession kann dieses Jahr durchaus eintreten. Ich verweise auch auf den Brexit und die nach wie vor bestehende Verschuldungssituation anderer Länder in Europa, über die niemand mehr spricht, auf Frühindikatoren wie die Kurzarbeit. Die Kurzarbeit im industriellen Bereich hat sich gegenüber dem letzten Jahr bereits verdoppelt, wenn auch auf sehr niedrigem Niveau. Wenn man mal die letzten Wochen und Monate Revue passieren lässt im Hinblick auf das, was angekündigt wurde, Arbeitsplätze, insbesondere in Großunternehmen, abzubauen, dann sollte man schon innehalten und sagen: Wahrscheinlich wird es nicht mehr so weitergehen wie die letzten Jahre, sondern wir müssen jetzt entsprechende Reformen in Angriff nehmen; denn jetzt ist die beste Zeit dazu. Jetzt haben wir noch die Gelegenheit dazu, mit einem entsprechenden Umsteuern im Haushalt die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen. Ich glaube, das ist unsere Aufgabe. Unsere Aufgabe ist nicht Schwarzmalerei; die braucht es nicht. Es braucht sicher auch keine klassischen Konjunkturprogramme. Hier war wieder von Programmen zur Nachfrageerhöhung die Rede. Die Binnennachfrage ist nach wie vor die tragende Säule des Bruttoinlandsprodukts und auch des – wenn auch noch bescheidenen – Wachstums. Deshalb müssen wir eher aufpassen, dass das Ganze nicht nach hinten losgeht. Ein klassisches Konjunkturprogramm, zum Beispiel in der Bauindustrie, würde heute das Gegenteil bewirken. Wenn Sie sich mal die Auftragslage der Bauunternehmen anschauen, stellen Sie fest: Deren Kapazitäten sind hoffnungslos ausgelastet. Sie bekommen kaum ein Angebot, egal ob im Handwerk, im Baubereich oder im Bereich der Digitalisierung, etwa beim Glasfaserausbau. Deshalb würde ein solches Programm sicher ins Leere laufen. Was wir brauchen, sind kluge und gezielte Strukturreformen, auf die ich gerne noch mit ein paar Punkten eingehen will; eine ganze Reihe sind bereits genannt worden. Wir brauchen vor allem weiterhin einen soliden Haushalt. Deshalb halten wir als Union und ich überhaupt nichts davon, dass wir hier die schwarze Null infrage stellen oder die schwarze Null gegen den Klimaschutz ausspielen. Wir haben es doch erlebt. Sind wir alle zusammen denn so kurzsichtig und denken wir nicht mehr an das, was noch vor wenigen Jahren war? Wir haben über 40 Jahre über unsere Verhältnisse gelebt – von 1969 bis 2010 –, mit den damit verbundenen Folgen nicht nur im Bund, sondern auch in den Ländern und in den Gemeinden, etwa dass wir Spielraum verloren haben. Jetzt haben wir uns diesen Spielraum in der Aufschwungsphase mühsam zurückerkämpft, und es wäre, glaube ich, grundfalsch, das jetzt aufzugeben. ({0}) Deshalb ist die schwarze Null eine nachhaltige Aktion und ein nachhaltiges Instrument, das wir sozusagen dauerhaft vor die Klammer ziehen müssen. ({1}) Was sollen wir jetzt tun? Dinge wie Fachkräfte und Arbeitsmarkt sind angesprochen worden. Ich will auf das Thema Innovationen eingehen; meine Redezeit ist leider sehr beschränkt. Wir haben erreicht, dass 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Entwicklung ausgegeben werden. Das ist super. Aber das reicht noch lange nicht aus; denn wir wollen in absehbarer Zeit 3,5 oder sogar 4 Prozent erreichen, und da legt auch der Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie entsprechend nach. Wir fördern die Innovations- und Technologiepolitik in 2020 noch mehr als im Vorjahr. Statt 3,1 Milliarden Euro stehen künftig 3,4 Milliarden Euro zur Verfügung. Es sind also über 200 Millionen Euro mehr, die in die Projektförderung fließen. Diese Projektförderung ist gut. Das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand beispielsweise, die industrielle Gemeinschaftsforschung gilt es weiter auszubauen. Wir haben gemeinsam die Perspektive entwickelt, die sogar noch weiter zu erhöhen. Da müssen wir schrittweise hinkommen. Dann können wir entsprechende Innovationen und Produkte erreichen. Wir müssen auf europäischer Ebene – das hat heute noch keiner angesprochen – die IPCEI-Projekte, also Important Projects of Common European Interest, vorantreiben. Wir haben sie in der Mikroelektronik, wir brauchen sie bei Batterien, aus meiner Sicht auch bei 5G oder bei der künstlichen Intelligenz. – Die Zeit läuft davon; deshalb komme ich zum Ende. – Wir müssen diese Innovationen im Projektbereich weiter ausbauen. Wir wollen und werden das durch eine zweite Säule ergänzen, nämlich die steuerliche Forschungsförderung, für die sich das ganze Haus hier, soweit ich das sehe, in den vergangenen Jahren immer eingesetzt hat.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.

Dr. Joachim Pfeiffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Deshalb gilt es jetzt, in dieser Legislaturperiode, im nächsten Jahr diese steuerliche Forschungsförderung endlich aufs Gleis zu bringen. ({0}) Dann haben wir die Chance, -

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, Sie haben jetzt noch einen Satz.

Dr. Joachim Pfeiffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

– Produkte und Dienstleistungen – – ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank. – Wenn Sie ankündigen, zum Ende zu kommen, sollten Sie dieser Ankündigung auch Taten folgen lassen; sonst hat der nachfolgende Redner aus Ihrer Fraktion ein kleines Problem. Als nächster Redner hat der Kollege Hansjörg Müller, AfD-Fraktion, das Wort. ({0})

Hansjörg Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004831, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Hohes Präsidium! Verehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was braucht unsere deutsche Wirtschaft am dringendsten, damit sie wieder atmen kann? Abbau der Überbürokratisierung! Der Haushaltsplan des Bundeswirtschaftsministeriums besteht aus 224 Seiten, wovon sich nur eine Zeile mit dem Bürokratieabbau beschäftigt. Versteckt unter „Sonstige Bewilligungen“ heißt es: „Maßnahmen zum Bürokratieabbau sowie zur Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie“. Das Budget dafür beträgt 1 Million Euro. Bezogen auf den Gesamtplan des Wirtschaftsministeriums von 9,1 Milliarden Euro sind das sagenhafte 0,01 Prozent. Es wäre sinnvoll die circa zehn verschiedenen Fördertöpfe für kleine und mittelständische Unternehmen in etwa zwei Fördertöpfen zusammenzufassen; denn sonst blickt in diesem Beantragungsdschungel kein Unternehmer mehr durch. Besonders dreist, Herr Minister, sind die Ausgaben aus Kapitel 0910, Position 541 01: ({0}) Das sind 4,7 Millionen Euro für die Propaganda des Wirtschaftsministeriums zur – wortwörtlich; ich zitiere – „Überwindung von Vorbehalten ..., um alle Zielgruppen wirksam zu erreichen“. Am effektivsten wäre es, den ganzen Förderunsinn zu streichen. Dieser führt immer zu massiven Geldverlusten durch ausufernde Bürokratie. Der Unternehmer weiß besser als der Staat, worin es sich zu investieren lohnt. Anstatt sein Geld erst durch überhöhte Steuern einzusammeln und ihm dann mit Verlusten zurückzugeben, wäre die bessere Lösung: Steuerfreistellung für reinvestierte Gewinne. ({1}) Zum falschen Grundansatz des Bundeshaushalts die passenden Worte des freiheitlichen Ökonomen, Roland Baader, zitiert aus seinem Werk „Kreide für den Wolf“: Ich bin ein glühender Anhänger des demokratischen Rechtsstaats; ich bekenne mich zur freiheitlichen, individualistischen und christlichen Kultur, Tradition und Zivilisation des Abendlandes und der freien westlichen Welt. Und genau aus diesem ernsten Grund sage ich allen hier versammelten Volksvertretern, allen Parteien, Politikern und Regierungsmitgliedern: Ich brauche Eure Subventionen und Transferzahlungen nicht; ich will nicht Euer Kinder-, Mutterschafts- und Sterbegeld, nicht Eure tausend Almosen und milden Gaben, die Ihr mir vorher aus der Tasche gezogen habt – und mir und meinen Kindern noch in fünfzig Jahren aus der Tasche ziehen werdet. ... Aber: Laßt mich dafür auch in Frieden. Ich bin nicht Euer Buchhalter, Statistiker und Belegsammler, der die Hälfte seiner Lebenszeit damit zubringt, Eure Schnüffel-Bürokratie zu befriedigen, der von einem Paragraphen-Knäuel zum anderen taumelt ... Schickt Euer Millionenheer von ...parasitären Umverteilern nach Hause ... ({2}) Dies ist mein Leben ... Ich bin ein freier Mann, ({3}) der für sein Schicksal selbst und allein verantwortlich ist, der sich in die Gemeinschaft einfügt und die Rechte anderer genauso respektiert wie er seinen eigenen Pflichten nachkommt, der aber keine selbsternannten Ammen und scheinheiligen Guten Onkels, keine ausbeuterischen Wohltäter und von mir bezahlten Paradiesverkünder braucht. ({4}) – Das war sehr wohl zum Thema. Es war Roland Baaders Traum, dass ein Bundestagsabgeordneter diese, seine Rede für ihn in diesem Hohen Hause hält. In memoriam Roland Baader. Ich bedanke mich. ({5})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Müller. – Als nächste Rednerin spricht zu uns die Kollegin Sabine Poschmann, SPD-Fraktion. ({0})

Sabine Poschmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004377, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen zum Thema zurück. ({0}) Bei der Industrie ist aufgrund zurückhaltender Auslandsnachfrage ein Auftragsrückgang zu verzeichnen. Mittelstand und Handwerk dagegen bleiben relativ stabil. Deshalb ist es wichtig, gerade diesen Bereich, den Mittelstand und das Handwerk, als Stabilitätsanker weiter zu stützen. Daher begrüße ich, dass Bundesminister Altmaier nun auch kleine und mittelständische Unternehmen in seinen Fokus nimmt und Eckpunkte für eine Mittelstandsstrategie vorgelegt hat. ({1}) Auffällig ist allerdings, dass die Vorschläge aus dem BMWi häufig dann konkret werden, wenn andere – vornehmlich SPD-geführte – Ressorts für die Umsetzung verantwortlich sind. ({2}) So wird geplant, die Steuerbelastung von Unternehmen auf 25 Prozent abzusenken. Der Ansatz, Steuern zu senken, weil andere Länder ihre Steuersätze zurückdrehen, greift meiner Ansicht nach aber zu kurz. Einem Unterbietungswettbewerb auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger wollen wir uns nicht anschließen. ({3}) Allerdings entlasten wir durch die schrittweise Abschaffung des Solidaritätszuschlages. Zudem setzen wir uns für Steuergerechtigkeit ein, und die definieren wir nicht über möglichst niedrige Sätze. Steuergerechtigkeit definiert sich unter anderem darüber, dass es uns gelingt, der Praxis von Großkonzernen, ihre Gewinne ins Ausland zu verlagern, endlich einen Riegel vorzuschieben. Steuergerechtigkeit heißt, Betriebe, die ihren Verpflichtungen nachkommen – und das sind gerade die kleinen und mittleren Betriebe –, zu schützen und denjenigen auf die Füße zu treten, die – das ist der falsche Ansatz – ihre Gewinne durch Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung maximieren wollen. ({4}) Des Weiteren wollen wir Unternehmen entlasten, wenn sie in Forschung und Entwicklung investieren. Mit der steuerlichen Forschungszulage von Bundesminister Scholz fördern wir die Arbeitsplätze und geben neue Impulse. Mit mehr Mitteln im Haushalt wird auch die industrielle Gemeinschaftsforschung gestärkt. Das ist der richtige Ansatz; denn Kooperation ist die Ideenschmiede und vor allen Dingen die Umsetzungsschmiede in der heutigen Zeit. Allerdings würde ich mir dieses auch beim ZIM-Programm wünschen. ({5}) Hier sollte der Titel ebenfalls erhöht werden oder zumindest gleich bleiben, aber nicht sinken. Ich glaube, darüber müssten wir noch einmal gemeinsam reden. ({6}) Neben steuerlichen Anreizen und Förderprogrammen ist es wichtig, dass wir endlich – es wurde schon genannt – mit dem Bürokratieabbau vorankommen, aber nicht, wie es zunächst vom Minister vorgeschlagen wurde, auf Kosten der Arbeitnehmer. Eine Begrenzung der Auftraggeberhaftung beim Mindestlohn etwa, wie vorgeschlagen, ist hier nicht der richtige Weg. Die hohe Anzahl der Missbrauchsfälle beim Mindestlohn spricht eindeutig dagegen. Bei der Wiedereinführung der Meisterpflicht in einigen Gewerken sind wir mit der Koalitionsarbeitsgruppe zum Glück schon wesentlich weiter gekommen. Der Entwurf liegt bereits vor; er stößt auf breiten gesellschaftlichen Konsens. Damit stärken wir das Handwerk, machen es attraktiver für Fachkräfte und schaffen Sicherheit für die Verbraucher. Es gibt viele sinnvolle Ansätze, glaube ich, die deutsche Wirtschaft zu stärken. Eine pauschale Steuerentlastung der Unternehmen ist meiner Ansicht nach zurzeit nicht notwendig und wird von uns auch nicht mitgetragen. Herzlichen Dank. ({7})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als nächster Redner spricht zu uns der Kollege Hansjörg Durz, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Hansjörg Durz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Haushaltsentwurf für das kommende Jahr reiht sich in die Kette der nachhaltigen und generationengerechten Finanzpolitik der vergangenen Jahre ein. Doch die schwarze Null bedeutet nicht ein Null an Investitionen. Ganz im Gegenteil: So steigt allein das Budget des Wirtschaftsministeriums im kommenden Jahr um rund 12 Prozent. Grund dafür sind vor allem die Investitionen im Bereich Digitalisierung. Damit hat der Einzelplan des Bundeswirtschaftsministers seinen Anteil an der Rekordinvestitionssumme des gesamten Haushaltsentwurfes. Diese Summe liegt bei 40 Milliarden Euro, eine Rekordsumme, die es umzusetzen gilt. Die Beratung und Verabschiedung eines Haushaltes ist aber nicht nur angesichts dieses Rekordwertes etwas Besonderes. In Anlehnung an einen bekannten Satz der politischen Philosophie kann man sagen: Souverän ist, wer über den Haushalt entscheidet. – Wer das Geld verteilt, lenkt die Entwicklung unserer Gesellschaft. Haushaltsdebatten sind deshalb auch Ausdruck dieser Parlamentssouveränität. Solch ein hohes Maß an Souveränität kann Deutschland, ja, kann Europa in der digitalen Welt in vielen Feldern nicht ausüben. Ob wir auf die Herstellung von Hardware schauen oder auf die Entwicklung von Anwendungen zu künstlicher Intelligenz: Oftmals mangelt es am Transfer von Ideen, oftmals mangelt es an Unternehmen. Das hat Folgen, wie die Debatten der Digitalpolitik bereits in diesem Jahr gezeigt haben. So müssen wir anerkennen, welch starke Marktposition beispielsweise Anbieter aus Fernost mittlerweile beim Ausbau der 5G-Netzinfrastruktur haben. Im Cloud-Geschäft sitzen die Weltmarktführer schon seit Jahr und Tag nicht in Deutschland, nicht in Europa. Wir müssen immer wieder feststellen, dass in den Weltregionen, die viele digitale Märkte dominieren, nicht unbedingt die Datensouveränität des Nutzers im Mittelpunkt steht. Doch dieser Haushalt setzt die Segel auf mehr Souveränität. Allein im Einzelplan Wirtschaft ist für den Bereich „Digitale Agenda“ eine halbe Milliarde Euro vorgesehen. Ein Großteil dieses Geldes – fast die Hälfte – wird dabei für die Finanzierung eines europäischen Programms zur Entwicklung und Förderung von Mikroelektronik aufgewendet. Diese Investition ist Teil eines EU-Großprojektes, das insgesamt staatliche Investitionen in Höhe von 1,75 Milliarden Euro umfasst. Zusammen mit anderen Mitgliedstaaten wird Deutschland diese Summe stemmen. Denn wir müssen in Europa in der Lage sein, wettbewerbsfähige und energieeffiziente Computerchips herzustellen. Diese brauchen wir nicht nur für die vernetzte Produktion, sondern auch für die Bindung von Folgeinvestitionen in Wissenschaft und Forschung. Denn nur wer über das Know-how von Hochtechnologie verfügt, der wird auch in der Lage sein, die digitale Revolution souverän nach seinen Werten zu gestalten. ({0}) Doch dafür ist nicht allein die Fähigkeit zur Herstellung digitaler Hardware notwendig. Wir brauchen auch kluge Ideen, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Um den Technologie- und Innovationstransfer aus Forschung und Entwicklung in die Wirtschaft zu ermöglichen, werden im kommenden Jahr allein im Wirtschaftshaushalt mehr als 44 Millionen Euro ausgegeben. Hier finde ich vor allem zwei Projekte erwähnenswert: die Agentur für Sprunginnovationen und die Einrichtung von Reallaboren. Bei beiden geht es um Innovation, um Möglichmachen. ({1}) Die Agentur für Sprunginnovationen soll in den kommenden zehn Jahren mit Investitionen in Höhe von 1 Milliarde Euro Unternehmen fördern, die auf radikale technologische Neuerungen und neuartige Geschäftsmodelle setzen. Wie diese Innovationen umgesetzt, wie bestehende regulatorische Ansätze hinterfragt und weiterentwickelt werden können, soll in Reallaboren erkundet werden; denn die Devise des lebenslangen Lernens muss auch für den Staat gelten. Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit zu stärken, aber auch die Freiheit und den Wohlstand in der digitalen Zukunft zu mehren, das ist ein Anliegen dieses Haushaltes, und das sollte auch Anliegen dieses Parlaments sein, wenn wir in den nächsten Wochen diskutieren, was wir gegebenenfalls noch besser machen können. Zwei Vorschläge vielleicht dazu: Zum einen müssen wir den Mittelstand bei der Digitalisierung seiner Geschäftsmodelle und Geschäftsprozesse in der Breite noch besser unterstützen. Dazu sind nicht nur Förderprogramme vonnöten. Zusätzlich müssen wir uns auch die Fristen für Abschreibungen bei digitalen Investitionen ansehen. Wir müssen diese verkürzen; denn gerade technologische Innovationen haben eine sehr kurze Halbwertszeit. Die heutigen Fristen machen Investitionen in digitale Technologien oft unrentabel. Das muss sich ändern. ({2}) Und mit Blick auf den Bundeshaushalt brauchen wir noch mehr Transparenz. Im Gesamthaushalt stecken viele Mittel für Digitales. Sie sind über zahlreiche Einzelpläne der Ministerien verstreut. Allerdings gibt es keine Gesamtübersicht. Doch diese brauchen wir. Das macht unsere Anstrengungen in diesem Bereich deutlich sichtbarer, das erkennt auch die Arbeit des Ausschusses Digitale Agenda an, und das stärkt die Souveränität dieses Hauses. Ich danke Ihnen. ({3})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Timon Gremmels, SPD-Fraktion. ({0})

Timon Gremmels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004732, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich gegen Ende der Debatte zum Einzelplan des Wirtschafts- und Energieministers drei Anmerkungen machen. Erste Anmerkung. Klimaschutz scheitert in erster Linie nicht am Geld. Das merken wir derzeit beim Energie- und Klimafonds: Da ist genug Geld vorhanden, allerdings wird es nicht abgerufen. Deswegen ist es richtig, dass wir dieses Mal anders vorgehen: Zunächst verständigt sich das Klimakabinett auf notwendige Maßnahmen, und dann stellen wir als Bundestag die finanziellen Mittel bereit. Ich glaube, das ist ein richtiger Weg. Wir als SPD-Fraktion unterstützen das ausdrücklich, meine sehr verehrten Damen und Herren. Zweite Anmerkung. Klimaschutz darf Bürgerinnen und Bürger nicht finanziell überfordern. Machen wir uns ehrlich: Klimaschutz wird uns etwas kosten, und Klimaschutz darf uns auch etwas kosten. Aber wir als SPD sagen klar und deutlich: Wir dürfen Bürgerinnen und Bürger mit mittleren und kleinen Einkommen nicht überlasten. Das ist unser Maßstab für all das, was ansteht. Deswegen werden wir dafür sorgen, dass mit einer CO2-Bepreisung nicht der unsanierte Pendler und die Menschen, die im ländlichen Raum leben, die Zeche zahlen. Da sind wir der Anwalt dieser Menschen, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({0}) Und wir wollen, dass die Einnahmen aus einer CO2-Bepreisung an die Menschen zurückgegeben werden, die sich klimafreundlich verhalten. Außerdem machen wir deutlich: Auch Unternehmen müssen ihren Beitrag leisten. Ich bin mir sicher: Beim Klimaschutz sind die deutschen Unternehmen deutlich weiter als die rechte Seite dieses Hauses, gerade weil diese Unternehmen wissen, dass innovative, klimafreundliche Technologien sie in Zukunft zu Exportweltmeistern machen bzw. dafür sorgen, dass sie Exportweltmeister bleiben. Genau das können wir erreichen, indem wir innovative Klimaschutzideen und ‑technologien auf den Weg bringen, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({1}) Ich nenne Ihnen beispielhaft vier Unternehmen, die wirklich vorangehen: BASF will bis 2030 klimaneutral wachsen, Bosch will schon 2020 komplett klimaneutral sein, Volkswagen führt eine unternehmensinterne CO2-Bepreisung ein, und thyssenkrupp schließlich arbeitet an einer klimafreundlichen Stahlproduktion, bei der Wasserstoff statt Kohle eingesetzt wird. ({2}) Diese Liste ließe sich fortsetzen. Die deutsche Industrie ist mit ihren Technologien viel weiter als Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der AfD. ({3}) Drittens. Ja, es ist ein Gesamtkonzept notwendig; denn Unternehmen brauchen Planungs- und Investitionssicherheit. Ob bei Investitionen in die E-Mobilität, in die Wasserstofftechnologie oder in den klimaneutralen Stahl: Unternehmen müssen wissen, wie es in den nächsten 30 Jahren weitergeht. Das Gleiche gilt für die Bürgerinnen und Bürger, die ihre Heizungen austauschen, ihr Dach sanieren oder sich ein neues Auto kaufen müssen. Auch sie brauchen Planungssicherheit, und die wollen wir schaffen. ({4}) Deswegen brauchen wir ein schlüssiges Gesamtkonzept, welches Ordnungsrecht, Förderprogramme und natürlich auch eine neutrale Beratung umfasst. Diese drei Dinge sind wichtig. Und, Herr Altmaier – leider haben Sie dazu in Ihrer Rede gar nichts gesagt –, wir brauchen in dieser Gesamtstrategie auch den Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir müssen da vorankommen. Wenn wir das Ziel, bis 2030 65 Prozent unserer Energie aus erneuerbaren Energiequellen zu gewinnen, erreichen wollen, muss auch das Teil unserer Haushaltspolitik werden, meine sehr verehrten Damen und Herren. Da muss das Wirtschafts- und Energieministerium deutlich mehr leisten. ({5}) Dazu zwei konkrete Beispiele: Erstens. Der PV-Deckel gehört abgeschafft. Photovoltaik ist die am meisten akzeptierte und preiswerteste Form der Energieerzeugung. ({6}) Zweitens müssen wir auch beim Windradausbau vorankommen. Vielleicht kann der ergrünte Herr Söder ja endlich mal die 10H-Regelung in Bayern abschaffen, damit auch dort Windkraft ausgebaut wird. ({7}) Zum Schluss möchte ich sagen: Mit der Sozialdemokratie, den Ergebnissen des Klimakabinetts und diesem Bundeshaushalt werden wir dafür sorgen, dass eine sozial-ökologische Wirtschaftspolitik in Deutschland umgesetzt wird. Ich danke Ihnen. Glück auf, meine sehr verehrten Damen und Herren! ({8})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege. – Als letztem Redner zum Einzelplan 09 erteile ich dem Kollegen Andreas Mattfeldt, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. ({0})

Andreas Mattfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004108, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zehn Jahre in Folge deutsches Wirtschaftswachstum, das ist – ich glaube, das dürfen wir alle gemeinsam sagen – schon etwas Einmaliges. Man sucht vergebens nach wissenschaftlichen Abhandlungen, die einen so langen Aufstiegszyklus einmal erforscht haben. Liebe Kollegen der Opposition, natürlich ist es Ihre Pflicht, auf Missstände hinzuweisen. Sie müssen auch die wichtige Kontrollfunktion im Parlament ausüben; das sieht unser demokratisches System so vor. Man kann aber vielleicht auch einmal anerkennen, dass in den vergangenen Jahren vieles – im Übrigen entgegen Ihrer Prognose – nicht so falsch entschieden wurde, was wir Koalitionäre für das Wirtschaftsministerium beschlossen haben; denn der wirtschaftliche Erfolg über einen so langen Zeitraum spricht für sich. Wir haben vieles richtig gemacht, meine Damen und Herren. ({0}) Ja, derzeit mag es sein, dass wir auf eine wirtschaftliche Beruhigung – so möchte ich es nennen – zusteuern. Dies hat unterschiedliche Gründe, die allerdings vor allem mit weltpolitischen Irritationen begründet sind. Ich möchte für unser Land die Lage nicht dramatisieren. Dennoch sollten wir wachsam sein, und wir sollten uns mit diesem Haushalt 2020 – in anderen haben wir es auch schon getan – hierauf vorbereiten. Für mich persönlich liegt der Schlüssel für weiteren wirtschaftlichen Erfolg in einer Unterstützung der Gründerkultur. Nur wenn mehr Menschen als derzeit den Mut haben, ihre Ideen in eigene Selbstständigkeit umzusetzen, dann werden wir als Deutschland auch in den kommenden 20 Jahren noch eines der erfolgreichsten Länder dieser Welt sein, meine Damen und Herren. Damit dies möglich ist, werden wir auch mit diesem Haushalt die Gründerszene mit Programmen wie EXIST und INVEST weiter unterstützen, und gegebenenfalls – das kündige ich als Haushälter hier bereits an – ist bei diesem Haushaltstitel auch noch Luft nach oben, sodass wir das Volumen dieses Titels ein bisschen aufwachsen lassen können. Übrigens, auch Ausgründungen aus unseren Forschungseinrichtungen sind ein Mittel zu weiterem wirtschaftlichem Erfolg. Noch nie wurde in Deutschland so viel Geld für Forschung bereitgestellt wie in den vergangenen Jahren. Das gilt nicht nur für das Wirtschaftsministerium, das gilt auch für alle anderen Ministerien. ({1}) Wichtig ist nur, dass diese Forschungen auch umgesetzt werden. Leider ist es bei uns so, dass viel zu viele gute Forschungen bei uns in der Schublade landen und nicht auf den Markt gebracht werden. An dieser Stelle darf ich sagen: Wir müssen hier einfach besser werden, meine Damen und Herren! Vielleicht mag es zukünftig auch klug sein, die Vergabe von Forschungsmitteln an Erfolge bei Ausgründungen oder an Umsetzungen in die Praxis zu knüpfen. Ich weiß, das ist provokant; aber wenn wir besser werden wollen, müssen wir vielleicht neue Wege gehen. Meine Damen und Herren, ich möchte aber auch noch auf die Haushaltstitel zu Energie und auf den Energie- und Klimafonds eingehen, den ich als Hauptberichterstatter seit Kurzem betreue und der ja hauptsächlich im Bundeswirtschaftsministerium bearbeitet wird. Bereits im vergangenen Jahr habe ich angekündigt, dass sowohl die Energietitel im Einzelplan 09 als auch der Energie- und Klimafonds nach meiner Ansicht komplett neu ausgerichtet gehören. Hier sind wir dabei. Wir haben mit Haushaltsmitteln unter anderem 20 Reallabore aufgebaut, die nun endlich das Erforschte in die Praxis umsetzen. Es geht hier um Speichertechnologien, es geht um effiziente Wasserstoffproduktion, um Methanvermeidung – nur um einige Labore zu nennen. Seien Sie gespannt; auch innerhalb der nächsten Wochen, während der Beratungen, wird hier noch einiges hinzukommen. ({2}) Frau Hajduk, damit unterscheiden wir uns schon von Ihnen. Wir als Union reden nicht nur – wir machen vielleicht nicht so ein großes Bohei; da könnten wir besser werden –, sondern wir handeln auch. Von Ihnen höre ich immer nur, dass Sie permanent fordern, aus allen versorgungssicheren Energien – am besten sofort – auszusteigen: Kernenergie wollen wir nicht, Kohle wollen wir nicht, Stromtrassen sind auch nicht richtig, wenn man sich das vor Ort anschaut, und Gas ist auch böse. – Es ist Ihnen leider vollkommen egal, ob die deutsche Wirtschaft ihre Wettbewerbsfähigkeit aufgrund zu hoher Strompreise einbüßt oder nicht. Ich jedenfalls werde nie begreifen, dass Sie nicht verstehen, dass man nur dann für Klimapolitik Geld ausgeben kann, wenn dieses Geld vorher aufgrund einer starken Wirtschaft verdient wurde. ({3}) Und wissen Sie, irgendwann reicht es eben auch nicht mehr aus, den Menschen nur zu sagen, wo man aussteigen soll. Vielmehr wollen selbst Ihre Sympathisanten wissen, in welche versorgungssicheren Energien Sie denn einsteigen wollen, ({4}) und nicht nur, was Sie alles zusätzlich besteuern wollen. Auch Sie müssen irgendwann realistische Antworten geben. Nur erneuerbare Energien – das sagen selbst Ihre grünen Kollegen in der Kohlekommission – werden es alleine nicht schaffen. Meine Damen und Herren, wir als Union sehen uns als Regulativ, und – das darf ich sagen – wir sind uns einig in unserer Fraktion: Von Deutschland muss und von Deutschland wird das Signal ausgehen, dass wir technologieoffen CO2-freie oder CO2-arme Energie in einem angemessenen Kostenrahmen – das müssen wir auch wissen – produzieren können.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Andreas Mattfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004108, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich glaube auch, es wäre gut, wenn das Ganze ein Exportschlager werden würde. Meine Damen und Herren,

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, bitte.

Andreas Mattfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004108, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

– zum Abschluss könnte man aus Haushältersicht natürlich noch einiges sagen über Afrika, maritime Wirtschaft etc. pp. Ich darf aber auch sagen: Wir fangen mit den Beratungen erst an. Ich lade Sie herzlich ein, wie in den vergangenen Jahren auch, sich hieran im gewohnt konstruktiven Rahmen zu beteiligen. Das gilt natürlich auch für die Opposition. Dann werden wir hier – da bin ich ganz sicher – einen guten Haushalt im November verabschieden. Herzlichen Dank, meine Damen und Herren. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herzlichen Dank, Herr Kollege. – Ich kann der CDU/CSU-Fraktion leider keine Zeit mehr abziehen, aber an sich wäre das notwendig geworden. ({0}) – Das war mir bekannt, dass Sie das wissen. Ich habe auch kurz gezögert, Ihnen das Mikro abzudrehen; aber beim letzten Redner fand ich das unangemessen. Weitere Wortmeldungen zum Einzelplan 09 liegen mir nicht vor.

Not found (Minister:in)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sie alle wissen, die Vorboten der Klimakrise sind schon längst in Deutschland angekommen: Wir erleben Hitze, wir erleben Dürre, Waldbrände, Stürme, Starkregen. Der Klimawandel ist inzwischen die Sorge Nummer eins vieler, vieler Menschen hier bei uns in Deutschland. Er politisiert eine ganze Generation, und viele wollen jetzt endlich etwas dagegen tun. Ehrlich gesagt machen wir es ihnen aber nicht einfach. Es ist eben dadurch nicht einfach, dass der Verbrenner immer noch billiger ist als das E-Auto, das Flugzeug billiger als die Bahn, die alte Ölheizung billiger als die neue Wärmepumpe. Das ist die derzeitige Situation, und die Weichen stehen im Moment auf Weiter-so. Das ist etwas, das so nicht bleiben kann. Für mich ist Weiter-so keine Option. ({0}) Unsere Generation, diese politische Generation hier, hat die Pflicht, die Erde für die künftigen Generationen bewohnbar zu halten. Der Klimaschutz ist eine Chance für eine bessere, für eine lebenswertere Zukunft mit leiseren, mit sauberen Autos, mit modernen Bussen und Bahnen, mit Solarzellen, mit Windrädern, mit gesunden Wäldern, mit frischer Luft zum Atmen. Da will ich hin. Da will die Bevölkerung hin. Und das ist die Gestaltungsaufgabe, die diese Bundesregierung hat. Mit der Einrichtung des Klimakabinetts haben wir ein Versprechen gegeben. Wir haben nämlich versprochen, dass 2019 das Jahr des Handelns im Klimaschutz, das Jahr der Entscheidungen wird. Und dieses Versprechen werden wir im Klimakabinett am 20. September auch einlösen. Es gilt dann, Farbe zu bekennen. Ja, das stimmt. Verkehrs- und Bauminister, Wirtschaftsminister und Landwirtschaftsministerin, wir alle hier auf der Regierungsbank haben verstanden, was es heißt, eine lebenswerte Erde zu erhalten. Wir machen klimafreundliches Verhalten einfacher, billiger, und wir werden klimaschädliches Verhalten teurer und weniger attraktiv machen. Wir machen deutlich, wohin die Reise gehen soll, nämlich in Richtung Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts, bis 2050. Das ist vollkommen klar. Ich stehe dafür ein, dass es dabei fair, dass es dabei glaubwürdig zugeht. Und das heißt erstens, dass unser Klimaschutzpaket den künftigen Generationen, den protestierenden Jugendlichen da draußen auch wirklich gerecht wird. Ein weiteres Mal die Klimaziele zu reißen, das können wir uns als Hochindustrieland nicht mehr leisten. ({1}) Das wäre übrigens nicht nur peinlich, das wäre diesmal dann eben auch teuer für den Bundeshaushalt, und es wäre auch eine Ungerechtigkeit gegenüber all denen, die nach uns kommen. Deshalb trete ich dafür ein, den Kampf gegen die Erderhitzung in einem Klimaschutzgesetz wirklich festzuschreiben. Darin soll es einen Kontrollmechanismus geben, gemäß dem jährlich überprüft wird, ob wirklich genug passiert im Klimaschutz. Das heißt dann übrigens nicht, dass ich montagmorgens bei meinen Kollegen vorbeigehe und gucke, ob sie ihre Hausaufgaben gemacht haben. Das heißt auch nicht, dass ich meinen Staatssekretär von der Leine lasse, obwohl er das natürlich sehr gut könnte. Es geht nicht um mehr Macht für das Umweltministerium. Es geht um mehr Verbindlichkeit für diese und für alle nächsten Regierungen. Diese Koalition muss den Nachweis antreten, dass es wirklich ernst gemeint ist. ({2}) Fairer und glaubwürdiger Klimaschutz heißt zweitens, dass wir die Anstrengungen und die Chancen wirklich gerecht verteilen müssen. Deswegen setze ich mich für eine CO2-Bepreisung ein, bei der jeder genau weiß, was in den nächsten Jahren auf ihn bzw. auf sie zukommt: ein kontinuierlich steigender, aber eben nicht rasant steigender CO2-Preis. Deshalb will ich, dass wir einkommensschwache Haushalte entlasten, damit sie zum Klimaschutz beitragen können. Deshalb will ich dafür sorgen, dass auch die Sektoren, die uns im Moment noch Sorgen machen, in denen die Emissionen stagnieren oder sogar steigen – der Verkehrssektor, der Gebäudesektor und der Landwirtschaftssektor –, jetzt endlich klare Ziele vorgesetzt bekommen und auf Kurs kommen. ({3}) Fairer und glaubwürdiger Klimaschutz heißt drittens, dass wir auch unsere internationale Verantwortung wahrnehmen und dem Pariser Klimaschutzabkommen gerecht werden. Daher ist es wirklich gut, dass die Internationale Klimaschutzinitiative im Haushalt des Bundesumweltministeriums jetzt einen weiteren Aufwuchs erfährt. Das ist ein wichtiges Signal in die richtige Richtung. Meine Damen und Herren, immer mehr Menschen in diesem Land erkennen, dass das Reparieren von Schäden in Zukunft deutlich teurer wird, als wenn wir jetzt endlich entschlossen handeln, und zwar handeln mit dem ganz klaren Ziel vor Augen, nämlich dem Ziel einer besseren, einer lebenswerteren Zukunft. Jetzt geht es darum, aus dieser richtigen Erkenntnis auch die richtigen politischen Entscheidungen abzuleiten. Jetzt geht es darum, Verantwortung zu übernehmen. Deswegen sind das Klimakabinett und der 20. September so wichtig. Genau in diesem Sinne, nämlich nicht später zu reparieren, sondern jetzt zu handeln, habe ich letzte Woche das Verbot der Einwegplastiktüten als Teil meiner Initiative zur Reduzierung von Plastikmüll auf den Weg gebracht. ({4}) Genau aus diesem Grund hat die Bundesregierung das umfassende Aktionsprogramm Insektenschutz beschlossen. Das ist eine Konsequenz aus den vielen guten Initiativen und Volksbegehren, die wir im ganzen Land gesehen haben. Für den Insektenschutz stellt die Bundesregierung insgesamt künftig 100 Millionen Euro bereit. Allein in meinem Haushalt finden sich dafür 20 Millionen Euro. Der Entwurf für den Einzelplan 16 stärkt nicht nur den Klimaschutz und den Insektenschutz, er stärkt jetzt endlich auch die Abkehr von der Wegwerfgesellschaft, er stärkt den verantwortungsvollen Umgang mit den Hinterlassenschaften der Atomkraft, er stärkt die Vielfalt der Arten, der Lebensräume in Deutschland und auch international. Deswegen möchte auch ich hier die Gelegenheit nutzen, noch mal allen ausdrücklich zu danken, die dazu beigetragen haben, die geholfen haben, diesen Haushalt auf den Weg zu bringen. Ich freue mich auf die Haushaltsberatungen und auf die Zusammenarbeit mit dem Parlament. Herzlichen Dank. ({5})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Als nächster Redner hat der Kollege Martin Hohmann, AfD-Fraktion, das Wort. ({0})

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vorab möchte ich Ihnen, Frau Ministerin, und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ihres Hauses für die hervorragende Aufbereitung des Zahlenwerks im „Grünen Buch“ danken. Beim großen Bürgerfest des Bundespräsidenten sprach dieser den bedeutsamen Satz: Wer Mut zur Zukunft hat, scheut auch den Streit nicht – allerdings muss er den anderen dabei achten. – Dieses Leitmotiv eignet sich besonders für ({0}) die Beratung des Umwelthaushalts, und besonders aus der Sicht der AfD. Wir werden als Klimaleugner, Klimagegner und auch deswegen als Rechtspopulisten beschimpft. ({1}) Wenn wir auch wegen unserer Ablehnung der unbewiesenen Klimamodelle des IPCC ({2}) als Rechtspopulisten gelten, dann hat das eine klare Folge: Trennscharf rechts von uns sitzen die Klimagläubigen, die man dann konsequenterweise als Linkspopulisten bezeichnen müsste. ({3}) Bei diesem Gedanken wird mancher aus der CDU, mancher aus der CSU innerlich revoltieren. Fakt ist jedoch: Die CDU/CSU hat sich in der sogenannten Klimapolitik der Stimmführerschaft der linken Kerntruppe in diesem Haus unterworfen, ({4}) und das sind die Grünen. ({5}) So gesehen besteht der Vorwurf des Linkspopulismus zu Recht. Die Folgen des und auch dieses Linkspopulismus sind immer gleich: wirtschaftlicher Niedergang von Industrie, Handel und Handwerk, Abstieg der Mittelschicht, Verelendung der Unterschicht – bei großen Zuwächsen für die Global Player und natürlich die Funktionäre. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Sie schon länger diesem Haus angehören, stört es Sie gar nicht, aus der Kohleverstromung und zugleich aus der Atomkraft auszusteigen? ({6}) Der IPCC, dem Sie sonst ja praktisch blind vertrauen, geht im Hinblick auf seine Klimaziele jedenfalls von einer Weiternutzung der Atomkraft aus. ({7}) Und stört es Sie nicht, dass weltweit Hunderte von neuen Kohle- und Atomkraftwerken entstehen? Stört es Sie nicht, dass es keinen 100 Prozent durchgerechneten, sicheren Plan für eine absolut verlässliche Energieversorgung in diesem, in unserem hochindustrialisierten Land gibt? Die Strukturwandelkommission steht lediglich für ein vages politisches Versprechen. Was die Wähler davon halten, haben die hervorragenden AfD-Wahlergebnisse in Sachsen und in Brandenburg gezeigt. ({8}) Selbstverständlich sind auch wir als AfD für einen sparsamen, verantwortlichen und überlegten Umgang mit den Rohstoffen unseres Landes und dieser Erde. Aber wir unterwerfen uns nicht dem Narrativ, das Sie, koste es, was es wolle, durchsetzen wollen. Nein, CO2 ist kein Gift. Es gibt keinen wissenschaftlich fundierten Beweis dafür, dass der leichte Kohlendioxidanstieg verantwortlich ist für die mäßige Erwärmung in den letzten 300 Jahren. ({9}) Vielmehr gilt: Ohne CO2 kein Leben. Was sagt die Bibel? Am dritten Tag schuf Gott Pflanzen und Bäume und – implizit – das CO2. CO2 ist also kein Teufelszeug. CO2 ist ein Lebensmittel.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

CO2 ist eine gute Gabe Gottes. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Georg Nüßlein, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Hohmann, wer wie Sie die Bibel zitiert, müsste wissen, dass die Bewahrung der Schöpfung ein urkonservatives Thema ist, ({0}) bei dem wir uns dem lieben Gott unterwerfen und nicht den Grünen, und dass es aus den Gründen, die Sie angerissen haben, nämlich der Überlegung, dass man Ressourcen schonen muss, eigentlich Sinn macht, den Weg, den wir beschreiten wollen, mitzugehen. Ich glaube, dass das ein richtiger Weg ist, Ressourcen zu schonen und verantwortungsvoll mit unserer Schöpfung umzugehen. ({1}) Es gibt – lassen Sie mich das einleitend noch sagen – ein Narrativ auf der anderen Seite von denjenigen, die mit viel Alarmismus sagen: Alles zu wenig, alles zu spät. – Das treibt auch mich um, und ich möchte hier ganz klar zu Protokoll geben: Deutschland spielt eine immens wichtige Rolle beim Thema Klimaschutz. Klimaschutz ist ein internationales Thema, und es war niemand anderes als unsere Bundeskanzlerin, die dieses Thema auf der internationalen Agenda gehalten hat. Klimaschutz ist ein Thema, das am Schluss nur mit erneuerbaren Energien vorangebracht werden kann, ({2}) und es sind die deutschen Stromverbraucher, die aktuell 26 Milliarden Euro pro Jahr dafür ausgeben, dass das Ganze marktgängig geworden ist. Ich stelle die Frage, meine Damen und Herren: Hätte Deutschland das nicht gemacht, womit würden wir denn Klimaschutz betreiben wollen? Da kann man lamentieren: zu viel, zu teuer. – Das ist alles richtig. Fakt ist doch genau das. Dann gibt es welche, die sagen, der große Teil der CO2-Einsparung in Deutschland habe zu tun mit der Wiedervereinigung. Auch das stimmt. Aber auch das ist eine große volkswirtschaftliche Leistung, die wir erbracht haben. ({3}) Das will ich an der Stelle einmal ganz deutlich unterstreichen. ({4}) Klimaschutz ist das Topthema, nicht nur im Umweltbereich, sondern momentan das Thema, das die Politik insgesamt dominiert. Wenn Sie die Bürgerinnen und Bürger fragen, dann sagen Ihnen gut 80 Prozent: Das ist ein sehr wichtiges Thema. – Der Haken ist: Von diesen 80 Prozent sagen wiederum 80 Prozent, dass andere das Problem lösen sollen und dass sie insbesondere kein Geld für die Thematik ausgeben wollen. Das macht das Ganze politisch so schwierig. Nun können wir eines tun: Wir können das Ganze politisch gut oder schlecht lösen. Wir können das Thema negativ belegen. Dann reden wir, wie etliche hier, über Verzicht, über das Thema „Weniger ist mehr“, was jedenfalls in meinem Wahlkreis nicht der Lebensrealität der Mehrheit entspricht. Wir können ankündigen, wie es die Bundesumweltministerin vorhin vorsichtig angedeutet hat, dass alles teurer wird. Dann müssen wir im Blick haben, welche soziale Konsequenz das hat, wenn am Schluss beispielsweise nur noch die Reichen Auto fahren können. Oder wir können das in Kauf nehmen, was ein Professor, der in diesem Bereich sehr bekannt ist – ich nenne keinen Namen –, mir und anderen gegenüber vor Kurzem angedeutet hat. Er hat nämlich gesagt: Das wird über kurz oder lang zu Veränderungen in der Siedlungsstruktur führen. ({5}) Zu glauben, dass wir durch Urbanisierung die Probleme lösen, ist falsch. Dass wir neue schaffen, ist sicherlich richtig. ({6}) Ich sage Ihnen, das ist letztendlich etwas, bei dem man das Thema Stadt und Land, Alternativen, Möglichkeiten tatsächlich im Blick haben muss. Und ich glaube, wir sollten uns einmal darüber Gedanken machen, ob man nicht das Thema Klimaschutz zu einem neuen Innovationsmotor entwickeln kann. ({7}) – Doch! ({8}) – Natürlich nicht so, wie Sie es machen. Sie machen es mit Verboten, mit Vorschriften. Wir wollen das anders machen: mit Anreizen, mit Leitplanken, intelligent, nicht wie Sie. ({9}) Sie wollen doch nur Ausstieg. Ausstieg war noch nie ein Thema, das uns politisch vorangebracht hat. Es geht doch jetzt darum: Wo sind beispielsweise im Bereich der industriellen Produktion Potenziale? Ich sage Ihnen: Die Kreislaufwirtschaft ist noch lange nicht am Ende. Da gibt es eine Menge Potenzial, übrigens auch bei der CO2-Kreislaufwirtschaft. CCU, da schauen die Grünen nicht mehr ganz so begeistert. Ich glaube, dass das Thema Energieeffizienz eine Rolle spielen wird. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir im Bereich der Energiewirtschaft noch ein ganzes Stück des Weges vor uns haben. Das kann man gut, das kann man schlecht machen. Heute hat ein Minister die Frage gestellt: Was macht es denn für einen Sinn, aus der Kohle auszusteigen, wenn in der gleichen Zeit das Zehnfache an Kohlekapazitäten weltweit aufgebaut wird? Mich hat seine Antwort „Weil wir es können“ an dieser Stelle nicht wirklich überzeugt. Ich sage Ihnen: Es macht nur dann Sinn, wenn wir es nicht so machen, wie es bisher grüne Planung war. ({10}) Grüne Planung war bisher: Wir kaufen dann den Strom aus dem Ausland. Die Statistik in Deutschland wird schon irgendwie stimmen. – Wenn Sie mir das nicht glauben, dann fragen Sie Herrn Baake; das war seine Idee. Wir müssen uns überlegen, wie wir das Thema regenerative Energien voranbringen, und zwar so, dass es die Menschen verstehen, dass wir die Leitungen dazu haben, dass wir die Speicher dafür haben. ({11}) Da gibt es genügend Hemmnisse. Da sind wir dabei. Es wird Teil dessen sein, was demnächst entsprechend beschlossen wird. Wir brauchen eine Wasserstoffstrategie, einen Ansatz, den man nicht nur national fahren kann, so wie Sie es gerne hätten. Wir sollten auch nicht sagen: das bisschen überschüssigen Strom. Das Thema Nordafrika wird eine Rolle spielen. Wir brauchen das Thema Wasserstoff im Verkehr, wir brauchen dort übrigens auch synthetische Kraftstoffe. Ihnen geht es nur darum, einen Anschlag auf den Verbrennungsmotor zu vollziehen, weil Sie endlich einmal die Chance sehen, dies durchzusetzen. Ich sage Ihnen: Wenn es uns gelänge, den ganzen Pkw-Verkehr auf elektrisch umzustellen, bliebe doch die Frage: Was ist im Bereich der Luftfahrt, was ist im Bereich der Schiffe, was ist im Bereich des Gütertransports eine sinnvolle Alternative? Deshalb sind wir von der Union ganz klar der Meinung, dass wir technologieoffene Lösungen brauchen. ({12}) Synthetische Kraftstoffe, die Weiterentwicklung der THG-Quote und die Anrechenbarkeit der alternativen Kraftstoffe auf der europäischen Ebene: All das sind Themen, die sinnvoll sind. Ich kann all das fortsetzen in Richtung Wärme, Geothermie und Fernwärmenetze. ({13}) Wie bauen wir das aus? Wie machen wir das? All das sind Dinge, die wir auf der Agenda haben. ({14}) – Jetzt schreien Sie doch nicht so laut. Hören Sie lieber zu; da können Sie was lernen. ({15}) Wir sind auf dem Weg, die Klimaschutzgesetzgebung so vorzubereiten, dass da nicht nur das drin ist, was ursprünglich die Bundesumweltministerin wollte. ({16}) Sie hat sich ja vorgestellt, sie macht den Klima-Ranger und sagt den anderen, wo es langgeht; der Bundesfinanzminister aber gibt kein Geld dafür, und die, die dazwischen sind, die das Ganze umsetzen wollen, sind am Schluss die bösen Buben, die nichts hingekriegt haben. ({17}) Das wird nicht die Idee und nicht das Ergebnis sein. Wir werden mit dem Klimakabinett die Chance haben, eine ganze Menge an Maßnahmen zu beschreiben, ({18}) um das Thema, so wie ich es gerade eben beschrieben habe, massiv voranzubringen. Wir werden das nicht über eine Verteuerung machen, sondern auf einem Weg, der schlüssig dazu führt, dass diese Gesellschaft, dass diese Wirtschaft modern und leistungsfähig bleibt. Deutschland, meine Damen und Herren, ist ein Industriestaat. Ich gehe so weit, zu sagen: der letzte wirklich bedeutende Industriestaat Europas. Und ich will, dass das so bleibt. Das ist die Überschrift über dem Ganzen. Es muss beides gelingen, nämlich Klima zu schützen und die Industrie und die Arbeitsplätze in diesem Land zu erhalten. ({19}) Jetzt sage ich Ihnen noch was, weil Sie gerade so schreien – Sie werden sich wundern –: Ein großer Teil der Automobilzulieferer in diesem Land ist momentan in einer ganz, ganz schwierigen Situation. ({20}) Ich weiß, was passiert, wenn wir wieder in einer Situation stecken wie 2008 und die Kolleginnen und Kollegen aus dem Wahlkreis zurückkommen und sagen: „Kurzarbeit, Kündigungen, Schwierigkeiten“, weil eine Schlüsselindustrie auf dem Prüfstand ist. Da kann man sagen: Da ist das Management selber schuld. – Stimmt. Da sind die ganz maßgeblich mit dran schuld. ({21}) Aber, meine Damen und Herren, es hilft denen, die dort angestellt sind und jeden Monat auf das Gehalt angewiesen sind, überhaupt nicht, wenn wir diese Schuldzuweisungen machen. Deshalb müssen wir auch überlegen, wie es an der Stelle weitergeht. Und wenn wir einseitig nur auf Elektromobilität setzen, sind wir auf dem falschen Dampfer; das sage ich Ihnen ganz offen. Deshalb werden wir etwas machen, was sinnvoll ist, nämlich das Thema technologieoffen und innovationsorientiert voranzubringen und nicht einfach nur die kleinen Leute zu schröpfen in der Hoffnung, dass man von denen, die viel Geld haben, gewählt wird, meine Damen und Herren. Vielen herzlichen Dank. ({22})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Nüßlein. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, in einem Punkt hat der Kollege Georg Nüßlein auf jeden Fall recht: Gleichzeitige Zwischenrufe sind hier oben nicht wahrnehmbar, und unsere Protokollanten haben das Problem, dass sie die dann nicht für die Ewigkeit festhalten können. Vielleicht sollte man sich daran gewöhnen, die Zwischenrufe nacheinander zu gestalten. ({0}) Als nächste Rednerin hat die Kollegin Ulla Ihnen, FDP-Fraktion, das Wort. ({1})

Ulla Ihnen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004765, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie geht eigentlich die Bundesregierung mit unserem Geld um? Diese Frage stellen wir uns jedes Jahr im Herbst bei den Haushaltsberatungen. Das Parlament berät heute den Haushaltsentwurf des Bundesumweltministeriums für das kommende Jahr in erster Lesung. Für uns Haushälter hat das die Konsequenz, dass wir ohne Informationen über das kommende Klimapaket und über einen noch unvollständigen Haushalt beraten. ({0}) Das beschränkt nicht nur uns Haushälter. Sie, Frau Ministerin, sind nicht nur dem Parlament noch ein paar Zahlen schuldig, sondern den Bürgerinnen und Bürgern auch endlich ein entschlossenes und planvolles Vorgehen beim Klimaschutz. Wenn ich es so sagen darf: Da herrscht noch Dürre bei den Klimaschutzmaßnahmen. Deshalb sollten wir heute auch nicht darüber reden, was wir noch gar nicht kennen, so wie wir es bisher gehört haben. Betrachten wir doch einfach mal, was uns zum jetzigen Zeitpunkt als Haushalt vorliegt: 2,6 Milliarden Euro sollen dem Bundesumweltministerium zur Verfügung stehen. Das sind verglichen mit dem Jahr 2019 337 Millionen Euro zusätzlich. Das zusätzliche Geld fließt aber nicht in Umwelt- und Naturschutz. Der Grund für den Aufwuchs liegt vor allem in den gestiegenen Kosten für die End- und Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle. Der Bundesrechnungshof hat gerade eine verheerende Bilanz für die von Ihrem Haus verwalteten Gelder zur Deckung der Kosten der Stilllegung der Schachtanlage Asse II herausgegeben. Das Controlling Ihres Hauses sei vollkommen ungeeignet, um das Projekt effizient zu steuern. Wir reden hier von Hunderten Millionen Euro, die durch Ihre mangelhafte Planung an Steuergeld verloren gehen. Hier müssen Sie unbedingt gegensteuern. Die Menschen rund um die Asse in Niedersachsen haben es verdient, dass es endlich vorangeht mit der Rückholung. ({1}) Frau Ministerin, im Bereich der Umweltpolitik haben Sie es ebenfalls gerade geschafft, sich sowohl bei der Wirtschaft als auch bei den Umweltverbänden unbeliebt zu machen. Ihr aktueller Gesetzentwurf zum Verbot von Plastiktüten ist Wortbruch gegenüber dem Einzelhandel. ({2}) Der ist seinen freiwilligen Verpflichtungen nachgekommen. Diese hatten Sie im Februar dieses Jahres noch ausdrücklich gelobt. Und Umweltverbände stellen völlig zu Recht fest, dass dieses Verbot ökologisch rein gar nichts bewirken wird, ({3}) weil die Plastiktüten erstens noch da sind und zweitens Papiertüten oder Ähnliches ökologisch unwirksamer sind. ({4}) Das Regime über die Plastiktüten ist Ihnen aber anscheinend wichtiger als die rechtzeitige Vorlage des Klimapaketes. Dies hätten wir über die Sommerpause gerne gehabt. ({5}) Verschwenden Sie bitte nicht Ressourcen für unnötige Gesetzesvorhaben, sondern steuern Sie damit bestehende Programme Ihres Hauses um, die nicht greifen. So hat der Bundesrechnungshof die Nationale Klimaschutzinitiative in seinem Bericht zum Haushaltsentwurf geradezu in der Luft zerrissen. Kurz gefasst: zu viel Geld für zu wenig Emissionseinsparungen. Das kann man wirklich besser machen. Wir Freien Demokraten weisen, wenn ich so sagen darf, als Serviceopposition seit zwei Jahren darauf hin. Wir freuen uns zum Beispiel auch, dass es der Haushaltausschuss geschafft hat, den schlechtlaufenden Titel „Investitionen zur Vermeidung von Umweltbelastungen im Ausland“ zu streichen. Unter anderem die Nationale Klimaschutzinitiative trägt durch ihre Unwirksamkeit dazu bei, dass Deutschland seine Klimaziele für 2020 verfehlt. Deshalb unterfällt Deutschland ab 2020 einem Sanktionsmechanismus, und wir müssen Emissionsrechte ankaufen. Dafür haben Sie 100 Millionen Euro jährlich in den Haushalt eingestellt, und das werten Sie dann auch noch als Investition. Wenn wir ehrlich sind, könnte es am Ende auch ein Vielfaches dieser Summe werden. Auch das ist eine Folge der mangelnden Courage, um in Ihrem Haus eine Reform der Maßnahmen und Förderprogramme, die nicht effektiv wirken, endlich anzusteuern. Ein bisschen verbieten, ein bisschen abwracken oder eine neue Steuer: Das ist keine Lösung, das ist Stückwerk. Ein Plan sieht anders aus. Deshalb sind wir alle auf das Klimapaket gespannt. ({6}) Meine Damen und Herren, der Haushaltsentwurf dieses Ministeriums lässt bislang leider noch keine Trendwende in der Umweltpolitik erkennen. Es wäre so wichtig, dass sich Energie- und Klimaschutzmaßnahmen von unwirksamen Subventionen weg und zu Forschung und Entwicklung hin orientieren. ({7}) Nur mit neuen Technologien werden wir CO2-Emissionen nachhaltig und effektiv reduzieren. Nur eine Klimapolitik, die beide Ziele miteinander verbindet, wird international zum Vorbild werden. Dabei unterstützen wir Freie Demokraten Sie sehr gerne. Vielen Dank. ({8})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Ihnen. – Als nächste Rednerin spricht zu uns die Kollegin Heidrun Bluhm-Förster, Fraktion Die Linke. ({0})

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was sagt der vorliegende Umweltetat den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes? Welchen aktuellen gesellschaftlichen Forderungen werden wir mit diesem Haushalt gerecht? Wo sind die Vorstellungen des Klimakabinetts, das am 20. September 2019 tagen will, in Zahlen gegossen schon einmal vorliegend? Das sind die Fragen, die wir Linke uns stellen, wenn wir diesen Haushaltsvorschlag beurteilen. ({0}) Vor allem durch Fridays for Future und die Auseinandersetzung um die richtigen Reaktionen auf Klimawandel und Erderwärmung ist die Umwelt ins Zentrum der politischen Arbeit für uns alle gerückt, und das hat Auswirkungen auf die politische Stimmung und vor allem aber auch auf die Glaubwürdigkeit von uns Politikerinnen und Politikern. Nun könnte man erwarten, dass sich dies auch in der Schwerpunktsetzung bei der Regierungstätigkeit niederschlagen würde; aber bei der Betrachtung des Etats des Bundesumweltministeriums für 2020 kann man da leider wieder nur Stillstand registrieren. Dass die Umweltministerin es gegenüber dem gesamten Kabinett schwer hat, will ich gar nicht in Abrede stellen. In der ganzen Bundesregierung hat die Umwelt außer in Sonntagsreden und vollmundigen Ankündigungen so gar keine Lobby. ({1}) Sonst würde der Etat der Ministerin nicht nur 0,6 Prozent des Gesamthaushalts ausmachen, sondern den Forderungen, die die Bürgerinnen und Bürger an uns stellen, würde mit anderen Haushaltsansätzen entsprochen werden. Frau Ministerin, offensichtlich konnten Sie nicht einmal Ihren eigenen Parteikollegen, den Finanzminister, davon überzeugen, dass diese Probleme dringend angegangen werden müssen. Diese Versäumnisse von heute werden künftige Generationen von Politikerinnen und Politikern, Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern teuer bezahlen müssen. Die Zeichen der Zeit lassen den Rückschluss zu, dass Sie das Ziel nicht richtig gesteckt haben; denn die langfristige Finanzplanung bis 2023 sieht in der Tat vor, den Haushaltsansatz des Einzelplans 16 von aktuell 2,6 Milliarden Euro auf rund 2,3 Milliarden Euro zu senken. ({2}) Ich weiß nicht, meine Damen und Herren von der Koalition, wie Sie das den Bürgerinnen und Bürger glaubhaft erklären wollen. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein entscheidender Kernpunkt linker Politik ist das Eintreten für einen nachhaltigen sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft. Dazu bedarf es allerdings auch der Einsicht in die Tatsache, dass der von Menschenhand gemachte Klimawandel und der Raubbau an der Natur nicht ohne grundlegende Veränderungen in unser aller Verhalten aufzuhalten sind. ({4}) Und, Frau Ministerin, das Verbot von Ölheizungen ist nicht gerade Motivation für die Bürgerinnen und Bürger, diesen Prozess mitzugestalten. ({5}) Eine Reihe von Forderungen der Fraktion Die Linke ist nach wie vor höchst aktuell und ist mit politischem Gestaltungswillen auch sofort umsetzbar. ({6}) Dazu gehört vor allem und in erster Linie die stärkere Besteuerung von Reichtum, damit langfristig unser aller Lebensumfeld erhalten bleiben kann. Dazu gehört zweitens die Zusammenführung von Umwelt-, Wirtschafts- und Landwirtschaftspolitik, nicht nur ressorttechnisch, sondern auch in einem abgestimmten Einsatz von Haushaltsmitteln. ({7}) Drittens gehört dazu natürlich ein ökologisch nachhaltiges Verkehrskonzept. Im Verhältnis zu unseren Vorschlägen sind die Maßnahmen der Bundesregierung auf dem Umweltsektor blamabel; denn die notwendigen und längst überfälligen grundlegenden Korrekturen, die meine Fraktion seit Langem fordert, sind nicht zu erkennen. Stattdessen gibt es kleinteilige Anpassungen und kaum Mutiges im Etatentwurf. Zwar werden die Mittel für die internationale Zusammenarbeit im Bereich des Umweltschutzes deutlich erhöht, die Mittel im Bereich Klimaschutz aber eben nicht. Und wenn man genauer hinschaut, stellt man fest, dass ein Großteil der zusätzlichen Mittel im Bereich des Umweltschutzes für die Ausgestaltung der Präsentation des BMU während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 vorgesehen ist. Auch in diesem Bereich gibt es also eigentlich keine Erhöhung der Mittel für die greifbaren Projekte. In Sachen Klimaschutz ist zur Erklärung des BMU vom Juli dieses Jahres, die Förderung in den Bereichen Klimaschutz und Biodiversität in Entwicklungs- und Schwellenländern auf lokale Kleinprojekte auszurichten, zu sagen: Das ist falsch; hier kann es nicht um klassische Entwicklungshilfe gehen; Klimaschutz erfordert weit mehr Engagement in der Sache und auch mit Geld. ({8}) Meine Damen und Herren, die Entscheidung der Ministerin vom 13. August 2019, die finanzielle Förderung von Wald- und Biodiversitätsschutzprojekten in Brasilien auf Eis zu legen, ist ein großer politischer Fehler. ({9}) Frau Ministerin, lesen Sie bitte im Protokoll die Rede der Abgeordneten Dröge von den Grünen zum Wirtschaftsetat von vorhin nach. Plastischer kann man dieses Problem gar nicht deutlich machen. Auch auf der Reise von uns Berichterstattern nach Brasilien haben wir festgestellt, wie sehr das Volk vor Ort den Regenwald in Brasilien schützen möchte. ({10}) Es kommt darauf an, dass Sie und wir alle nicht kleinlich werden und vor allem das Geld nicht zu Hause behalten.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wir müssen mit geduldigen Verhandlungen und diplomatischem Geschick und selbstverständlich mit einer weiter gehenden, möglicherweise aufgestockten Mittelvergabe insbesondere den NGOs und den indigenen Völkern vor Ort helfen, den Regenwald für uns alle zu retten. Herzlichen Dank, meine Damen und Herren. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Sylvia Kotting-Uhl, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Kein Pillepalle mehr“ beim Klimaschutz hat die Kanzlerin für den Herbst angekündigt. Der Tag der Wahrheit ist heute; ({0}) denn die Ernsthaftigkeit dieser Ansage müsste sich im Haushalt wiederfinden. Tut sie aber nicht. ({1}) 2,62 Milliarden Euro ist die Umwelt der Regierung wert. Welcher große Brocken davon fließt in den Klimaschutz? Richtig: Keiner! Die Mittel für die internationale Klimafinanzierung werden um 10 Millionen Euro erhöht. Wo im Gesamthaushalt finden sich aber die 40 bis 50 Milliarden Euro, die für das angekündigte Klimapaket vom 20. September gebraucht werden? Sie finden sich jedenfalls nicht in diesem Haushalt. Er enthält dagegen immer noch 55 Milliarden Euro für umweltschädliche Subventionen, und es verdichtet sich die Vermutung, dass Sie weder Geld noch einen Plan für den Klimaschutz haben, sondern eben nur Pillepalle. ({2}) Ohne Plan erschlagen Sie sich derzeit gegenseitig mit in die Luft geworfenen Ideen, weil Sie sich von der jungen Generation auf der Straße getrieben fühlen. ({3}) Sie missverstehen da aber etwas: Das ist kein Spiel. Den jungen Menschen ist es Ernst; denn sie spüren, dass es um ihre Zukunft geht. – Sie verspielen und verzocken diese Zukunft. Sie verschenken die Generationengerechtigkeit an die Lobbyisten dieser Republik. Das ist unverantwortlich. Für die Generationengerechtigkeit ist Klimaschutz viel mehr notwendig als die schwarze Null. ({4}) Sie, Frau Schulze, wollen keine Blamage in New York und nicht mit leeren Händen kommen. Genauso wird es aber sein. So wie nach Katowice werden Sie auch nach New York mit leeren Händen kommen, weil Ihre Kabinettskolleginnen und ‑kollegen und die Kanzlerin Ihnen die Hände nicht füllen. Seit Sie im Amt sind, lassen die Sie doch im Regen stehen. Sie können weder eine CO2-Bepreisung noch das überfällige Kohleausstiegsgesetz in New York vorlegen. Die 40 Milliarden Euro an Strukturwandelhilfe für die Kohleregionen sind in einen Gesetzentwurf gegossen. Aber wo ist der Kohleausstieg? Wen wollen Sie denn damit in New York von Deutschlands Ernsthaftigkeit überzeugen? Sie sagen: Wir als Industrieland müssen es vormachen. – Ja, das ist richtig, aber, liebe Ministerin Schulze, das war vorgestern. Wir machen schon lange nur noch vor, wie es nicht geht. ({5}) Wir wollen Klimaschutz, aber in der Landwirtschaft darf sich nichts ändern. Wir wollen Klimaschutz, aber die Automobilindustrie darf man höchstens bitten. Wir wollen Klimaschutz, bremsen die Energiewende aber so lange aus, bis der Wirtschaftsminister zu einem Windgipfel einladen muss, weil er plötzlich feststellt, dass der Ausbau der Windkraft eingebrochen ist. Wie kam das denn? ({6}) Eine andere große Krise ist das Artensterben. Es gibt jetzt 10 Millionen Euro mehr für den Wildnisfonds, und Sie, Frau Schulze, haben endlich das versprochene Insektenprogramm vorgelegt. Beides ist ein Anfang, mehr aber nicht. Sie wollen – ja, bitte, mindestens – ein Verbot von Herbiziden und Insektiziden auf geschützten Flächen, ({7}) hebeln das aber gleich wieder mit Ausnahmen aus, zum Beispiel wenn die Bewirtschaftung nötig sei. Was denn nun? Wenn die Bewirtschaftung es vermeintlich nicht nötig macht, dann spritzt sowieso niemand. Das ist eine Nullnummer. ({8}) Ich sage Ihnen überdies: Wenn Sie im Dauerfight mit Frau Klöckner wegen Stickstoffeinträgen und aufgrund des Grundwasserschutzes nicht die Unterstützung des Kabinetts bekommen und wenn Deutschland sich bei den GAP-Verhandlungen nicht endlich für eine Umkehr zugunsten von Umwelt und Natur einsetzt und den Viehbestand im eigenen Land nicht wieder an die Fläche bindet, dann wird Ihr Insektenschutzprogramm für den Umweltschutz so viel wert sein wie dieser Haushalt, nämlich nichts. ({9}) Die Hälfte Ihres Haushaltes ist aufgrund von Altlasten gebunden, nämlich dem Atommüll. Ich bin die Letzte, die gegen eine so sicher wie irgendwie mögliche Lagerung des Atommülls ist. Das wird uns technisch und gesellschaftlich noch vor genug Probleme stellen. Was ist das aber in Zeiten der Klimakrise und des Artensterbens für ein Zeichen, wenn die Hälfte des Umwelthaushalts für den Umgang mit früheren Fehlern aufgewendet wird, während in die Vermeidung und Abfederung heutiger Fehler fast nichts investiert wird? So wird das nichts, und so überfordern Sie die junge Generation unseres Landes. Die will freitags nämlich endlich wieder in die Schule gehen, kann das aber nicht, solange Sie Ihre Hausaufgaben nicht machen. ({10}) Vielleicht können wir Sie in den anstehenden Beratungen dazu bringen. Wenn Sie sich offen dafür zeigen, jetzt zu handeln, anstatt die Zeit zu verspielen und Lösungen zu vertagen, dann versteht vielleicht auch die CDU den Unterschied zwischen „Ich möchte auch gerne grün sein“ und echter grüner Politik. Versuchen wir es! ({11})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Kotting-Uhl. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Matthias Miersch, SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Matthias Miersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003809, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Sylvia Kotting-Uhl, der Tag der Wahrheit ist nicht heute. ({0}) Aber richtig ist, dass die Koalitionsparteien in diesem Koalitionsvertrag vereinbart haben, im Jahre 2019 eine Klimaschutzgesetzgebung zu verabschieden, die gewährleistet, dass die Klimaziele 2030 eingehalten werden. Ja, in der Tat, das Jahr 2019 ist das Jahr der Wahrheit, um zu sehen, ob wir dieses Ziel erreichen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Lassen Sie mich am Anfang einmal sagen: In dieser Haushaltsdebatte höre ich, wer alles überfordert wird. Was wir alle in diesem Haus erst einmal begreifen müssen, ist: Was kostet es eigentlich die Gesellschaft, was kostet es zukünftige Generationen, wenn wir beim Klimaschutz versagen? Das muss man einpreisen, wenn es hier um Haushaltsdebatten geht, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Dass der Kollege Nüßlein nun ausgerechnet heute den neuen Gedanken vorgebracht hat, ({3}) dass Klimaschutz Innovationspotenzial hat, macht mir für die nächsten Wochen Mut. ({4}) Bis jetzt hatte ich den Eindruck, dass die Kollegin Svenja Schulze gerade den CSU-Ministerien immer noch Nachhilfe dahin gehend anbieten musste, ({5}) dass Klimaschutz im Mobilitätsbereich, Klimaschutz im Baubereich und Klimaschutz im Landwirtschaftsbereich Innovationspotenzial hat. Ich finde, es ist toll, dass Sie das heute erkannt haben. ({6}) Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ob wir tatsächlich liefern, will ich an vier großen Beispielen deutlich machen. Sie zeigen, wo wir in den nächsten Wochen tatsächlich liefern müssen. Das Erste – da gebe ich der Kollegin Kotting-Uhl zu 100 Prozent recht –: ({7}) Neben den Strukturhilfen brauchen wir auch im Herbst ein ganz klares Kohleausstiegsgesetz. ({8}) Das, was die Kohlekommission gemacht hat, ist vorbildhaft für unsere Gesetzgebung. Hier wird die Bundesregierung liefern müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({9}) Das unterscheidet uns vielleicht auch in der Herangehensweise. Mit der Polarisierung, die wir hier erleben, wird kein Konsens, kein gesellschaftlicher Kompromiss, der über Legislaturperioden hinweg hält, erreicht werden können. ({10}) Deswegen bin ich froh, dass wir die Kommission hatten, und bin stolz, dass wir jetzt garantiert im Herbst dieses Kommissionsergebnis in Gesetze gießen können, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({11}) Das Zweite – ohne das ist nämlich alles nichts – ist ein verlässlicher Pfad und eine Gesetzgebung, mit der wir bis 2030 das Ziel erreichen, den Anteil der erneuerbaren Energien auf 65 Prozent zu erhöhen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird der zweite wichtige Baustein in dieser Klimaschutzgesetzgebung sein müssen. ({12}) Das Dritte ist, dass wir die organisierte Unverantwortlichkeit beenden; das hat Svenja Schulze hier deutlich gemacht. In der Regierung muss klar sein, dass alle dafür verantwortlich sind, die Sektorziele und die Klimaschutzziele zu erreichen, die wir vereinbart haben. Insofern brauchen wir ein wirkungsvolles Klimaschutzgesetz, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({13}) Der vierte Punkt sind dann die konkreten Maßnahmen. Es ist in der Tat so: Ich habe eigentlich noch nie einen Bundesfinanzminister hier so reden hören wie heute Olaf Scholz, der gesagt hat: Wir brauchen die Begriffe „Zusammenhalt“ und „Zukunft“. ({14}) Wir brauchen einen sehr starken handlungsfähigen Staat, der niemanden im Stich lässt, wenn es um Umstieg und Transformation geht. Deswegen brauchen wir Investitionen in die Daseinsvorsorge, in die Mobilität, in die Gebäudewirtschaft. Wir dürfen dort niemanden überfordern. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das, was wir heute Morgen gehört haben, ist, finde ich, ein guter Auftakt für unsere Beratungen. Dann werden Sie sicherlich sehen, Frau Kotting-Uhl: Diese Regierung und diese Koalition liefern. Lassen Sie uns in den nächsten Wochen ganz eng zusammenarbeiten, damit daraus wirklich etwas Gutes wird. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({15})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Miersch. – Als nächster Redner hat der Kollege Marc Bernhard, AfD-Fraktion, das Wort. ({0})

Marc Bernhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004669, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Vor ziemlich genau einem Jahr haben Sie von den Grünen und den Linken die gewaltsamen Ausschreitungen im Hambacher Forst massiv unterstützt, und Sie von den Grünen haben sogar die Rodung des Waldes erst genehmigt und anschließend heuchlerisch Ihren Parteitag an den Rand des Hambacher Forstes verlegt. Finden Sie das eigentlich nicht selber ziemlich verlogen? ({0}) Beim Hambacher Forst ging es damals um 200 Hektar Wald für den Kohleabbau. Für Windindustrieanlagen wurden dagegen in den letzten Jahren bereits viele Tausend Hektar Wald abgeholzt. ({1}) Und in Zukunft wollen Sie noch viele Zigtausende Hektar mehr an Wald zerstören. ({2}) – Ja, schreien Sie nur! Die Wahrheit tut weh. So ist es. Wo bleibt eigentlich Ihr Protest bei diesen Tausenden von Hektaren, gegen diese immense Umweltzerstörung? ({3}) Wo bleibt Ihr Protest gegen die Vernichtung von Tausenden Hektar Wald? Die Tatsache, dass Sie das gutheißen, zeigt Ihre ganze Doppelmoral. ({4}) Die Menschen, die im Umfeld von Windindustrieanlagen wohnen, leiden unter Infraschall und zermürbenden Lichtreflexionen, ganz zu schweigen von den zahllosen Tieren, die in diesen Industrieanlagen Tag für Tag geschreddert werden. So werden jedes Jahr 250 000 Fledermäuse wegen geplatzter Lungen und anderer innerer Organe qualvoll getötet. 1 200 Tonnen Insekten jedes Jahr: Das bedeutet 5 Milliarden bis 6 Milliarden Bienen, Heuschrecken und Käfer jeden Tag. ({5}) 600 000 Vögel wie Störche, Rotmilane und Bussarde werden jedes Jahr durch Windindustrieanlagen zerhackt. Vor diesem Hintergrund ist das Zitat Ihrer Fraktionsvorsitzenden Göring-Eckardt – „Wir wollen, dass … jede Biene und jeder Schmetterling und jeder Vogel in diesem Land weiß: Wir werden uns weiter für sie einsetzen“ – an Verlogenheit kaum zu überbieten. ({6}) Sie sind schon lange keine Umwelt- oder Naturschutzpartei mehr, sondern Klimahysteriker, die alles – ob Mensch, Tier oder Umwelt – auf dem Altar ihrer Klimareligion opfern. Jetzt sollen die Deutschen praktisch im nationalen Alleingang das Weltklima mit einer CO2-Steuer retten. Durch diese Universalsteuer werden alle Bereiche des menschlichen Lebens mit einem Preisschild versehen, dessen Höhe die Regierung quasi nach Belieben festlegen kann, ob für Brot, Butter, Kleidung, Smartphones oder selbst Wasser oder auch ganz einfach nur fürs Atmen. Denn fast 10 Prozent des menschengemachten CO2 entsteht ganz einfach nur durchs Atmen. Und wozu das alles? Nur um den Bürgern noch mehr Geld abzupressen. ({7}) Der Wahnsinn geht ja noch weiter. Die über 30 000 Windindustrieanlagen erzeugen gerade einmal 18 Prozent des Stroms in Deutschland, und Sie wollen zukünftig 100 Prozent aus instabilen Energiequellen erzeugen. Dazu müssten in Deutschland mehr als 100 000 weitere Windindustrieanlagen gebaut werden. Ja wo sollen die denn alle noch hingestellt werden? Eines ist jedenfalls sicher, liebe Grünen: Wenn Sie sich hier durchsetzen, dann gibt es bald keinen Wald, keine Bienen, Vögel oder Fledermäuse mehr, und die Kinder – auch Ihre Kinder, soweit Sie überhaupt welche haben – werden Sie fragen: Warum habt ihr nichts dagegen unternommen? Ihre Politik zerstört die Umwelt, tötet Tiere und macht Menschen krank und arm. Damit muss endlich Schluss sein. ({8})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Hermann Färber, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Hermann Färber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004269, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Umweltschutz, Naturschutz, Klimaschutz und Artenschutz sind für uns alle existenzielle Themen. Dabei ist es wichtig – und so steht es auch im Klimaschutzplan –, dass wir Ökologie und Ökonomie nicht gegeneinander ausspielen, sondern beides miteinander ins Gleichgewicht bringen und niemanden mit Maßgaben und Bedingungen überfordern. ({0}) Als Mitglied des Umweltausschusses und des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft weiß ich, dass gerade in der Umweltdebatte sehr emotional diskutiert wird. Nehmen wir beispielsweise das Aktionsprogramm Insektenschutz. Darin wird die Verantwortung für den Insektenrückgang hauptsächlich der Landwirtschaft angelastet. ({1}) Das sieht man auch an der Finanzierung im Bundeshaushalt. Von rund 100 Millionen Euro, die insgesamt dafür zur Verfügung stehen, kommen nach meinen Informationen lediglich 12 Millionen Euro aus dem Bundesumweltministerium. Ministerin Schulze hat vorhin 20 Millionen Euro erwähnt. Frau Ministerin, vielleicht müssen wir die Zahlen abgleichen. Vielleicht haben Sie noch ein bisschen was übrig. Alle restlichen Mittel werden jedoch durch das Landwirtschaftsministerium bzw. durch das Bildungs- und Forschungsministerium bereitgestellt. Die Ursachen des Insektenrückgangs sind sehr vielfältig und komplex. Um den Insektenrückgang zu stoppen, müssen wir aber wissen, was denn eigentlich die Ursachen sind. Die These meines Vorredners, dass die Heuschrecken in den Windenergieanlagen zu Tode kommen, finde ich schon steil. Ich hätte Heuschrecken – anders als andere Insekten – doch eher am Boden vermutet. ({2}) Ich freue mich, dass im Einzelplan des Umweltministeriums insbesondere die Forschung eine Aufwertung erhalten hat und dass für diesen Bereich 1,7 Millionen Euro mehr zur Verfügung stehen. Neben einem intensiven Insektenmonitoring sollen auch die Auswirkungen der Energiewende untersucht werden und gerade auch dort die Schnittstelle von Ökonomie und Naturschutz unterstützt werden. Weiterhin begrüße ich, dass das Bundesprogramm Biologische Vielfalt im Haushalt von derzeit 32 Millionen Euro auf 42 Millionen Euro aufgestockt wurde. Auch diese Gelder kommen dem Aktionsprogramm Insektenschutz zugute. Damit sollen nämlich konkrete Maßnahmen umgesetzt werden, wie zum Beispiel Masterpläne für den Insektenschutz in der Stadt. Das ist sehr wichtig; denn die Flächenversiegelung und die monotonen Hausgärten sind ebenfalls maßgeblich für den Verlust der Artenvielfalt verantwortlich. Allerdings – das muss ich auch sagen – ist im Aktionsprogramm bei der Erhaltung dieser Insektenlebensräume mehr von „Anregungen“, „Anstößen“ und „aktiv werden“ die Rede, während im Bereich der Landwirtschaft erneut schärfere Maßnahmen durchgesetzt werden sollen. Verbindliche Vorgaben durch ein Insektenschutzgesetz, durch Rechtsverordnungen mit Änderungen im Naturschutzrecht, im Pflanzenschutzrecht, im Düngerecht, im Wasserrecht führen nach meiner Erfahrung, auch als praktizierender Landwirt, in erster Linie zu mehr Bürokratie und zu mehr Belastung und zeigen, dass es dadurch am Ende nicht besser, sondern eher schlechter wird. ({3}) Ja, mehr als die Hälfte der Fläche in Deutschland wird landwirtschaftlich genutzt. Die Bäuerinnen und Bauern spielen deshalb eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung von Lebensräumen, auch für Insekten. Deshalb brauchen sie dafür unsere Unterstützung und unsere Förderung. Man muss an dieser Stelle aber auch sagen: Zahlreiche ökologische Förderprogramme der Kommunen, der Landkreise in Deutschland, die mit eigenem Geld die Anlage, die Bewirtschaftung und die Pflege ökologisch wertvoller Flächen gefördert haben, wurden in den vergangenen Jahren durch die Umsetzung europäischer De-minimis-Vorgaben geradezu zu Tode verwaltet. ({4}) Pläne wie die Aufnahme von Streuobstwiesen und artenreichem Grünland in die Liste der nach § 30 des Bundesnaturschutzgesetzes geschützten Biotope sind nicht zielführend. Wie wollen wir denn den Bewirtschaftern von Streuobstwiesen, von artenreichem Grünland bitte schön erklären, dass diese Gebiete, die sie selber freiwillig und eigenständig zu ökologisch wertvollen Flächen ausgebaut haben, die sie gehegt, gepflegt und im Sinne der Artenvielfalt bewirtschaftet haben, nun vor ihnen selbst geschützt werden müssen? Es wird schon sehr viel gemacht in Deutschland, auch vonseiten der Landwirtschaft. Allein in Baden-Württemberg gibt es rund 400 000 Hektar ökologisch besonders naturverträglich bewirtschaftete Fläche, zusätzlich noch 200 000 Hektar nach den Richtlinien des Ökolandbaus, zusätzlich 40 000 Hektar Vertragsnaturschutz, zusätzlich 12 000 Hektar nur an Blühstreifen. Ich finde, das Schlimmste an Maßnahmen, wie sie jetzt geplant sind, ist, dass durch sie das Vertrauen der Menschen in den Staat, in die Regierung zerstört wird. Die Entscheidung über die Grenzen der unternehmerischen und fachlichen Entscheidungen der Landwirte darf nicht einseitig in das Ermessen der Verwaltung gestellt sein. Für alle Umweltmaßnahmen muss gelten: Wichtig ist die allgemeine, die gesellschaftliche Akzeptanz. Diese erreicht man mit Identifikation der Betroffenen, durch Informationen und durch Freiwilligkeit, mit Anreizen und Wertschätzung, aber nicht mit einer Überfrachtung der Menschen durch strikte Vorgaben, Kontrollen und Sanktionen. Herzlichen Dank. ({5})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Färber. – Als Nächstes spricht nunmehr zu uns der Kollege Dr. Lukas Köhler, FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Lukas Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004786, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fand den doch recht amüsant geführten Streit über Innovationspotenziale zwischen Ihnen, Herr Miersch, und Ihnen, Herr Nüßlein, ganz spannend. Ich fand vor allen Dingen spannend, was danach kam. Bei Ihnen war der nächste Punkt die Frage des Kohleausstiegs und die Frage der Verbote. Meine Damen und Herren, Innovationspolitik, Wettbewerbspolitik, aber auch das Fortkommen in der Klimapolitik schaffen wir nicht durch Verbote und Regulierungen; das schaffen wir durch die freien Kräfte, die am Markt und im Wettbewerb herrschen. ({0}) Das ist der einzige Weg, wie wir Klimaschutz wirklich hinbekommen werden. Das ist der einzige Weg, wie wir wirklich für die Zukunft etwas erreichen können. Das ist der einzige Weg, wie wir etwas tun können. Dafür, glaube ich, gibt es ein paar gute Systeme, ein paar gute Anreize. Aber was wir bis heute von der Bundesregierung gehört haben und was wir vor allen Dingen heute durchgehend hören, ist: „Wir bräuchten“, „Wir brauchen mal“, „Wir sollten“, „Wir müssen“. Das sind gute Oppositionsreden, aber, meine Damen und Herren, das sind doch keine Regierungsreden. ({1}) Von einer Regierung erwarte ich: „Es kommt“, „Wir machen“, „Das ist das nächste Ziel“. ({2}) Davon habe ich bisher noch nichts gehört. Ich erinnere mich da ganz gern an das Gebäudeenergiegesetz, das immer noch fehlt, und zwar seit zwei Jahren. Was wir weder brauchen noch weiter tun können, ist, planlos Geld in der Klimapolitik ausgeben. Sie können natürlich sehr viel Geld für sehr viel Klimaschutz ausgeben; das ist toll. Sie können aber auch sehr viel Geld für sehr wenig Klimaschutz ausgeben, und das ist das, was gerade passiert. Das, meine Damen und Herren, ist genau der falsche Weg. Das führt nämlich am Ende zu gar keiner Klimapolitik, und die können wir uns auf gar keinen Fall leisten. ({3}) Wirklich erfolgreich ist unsere Klimapolitik dann und nur dann, wenn wir aus jedem einzelnen Euro das Maximum an Klimaschutz rausholen; denn wir haben weder die Zeit noch das Geld, es anders zu tun. Dafür muss aber die Politik ein striktes CO2-Limit setzen. Dazu müssen wir ein jährlich sinkendes Limit festlegen, über das hinaus nichts ausgestoßen werden kann. Lieber Herr Miersch, dann schaffen wir auch das, was in Ihrem Koalitionsvertrag steht, nämlich bis 2030 unsere Ziele einzuhalten, und das können wir heute schon garantieren. Das können wir aber nur über eine Mengensteuerung, und die gibt es eben nur im Emissionshandel. ({4}) Das heißt, der muss so schnell wie möglich ausgeweitet werden, um die Ziele auch wirklich zu erreichen. Nur dann gibt es das. Das ist tatsächlich der einzige Weg, wie wir Ökologie und Ökonomie wirklich sinnvoll verbinden können; denn nur das setzt Anreize, um Wettbewerb, Innovation und Klimaschutz wirklich anzuregen, und darauf sollte auch die Bundesregierung setzen. Aber was wir im Moment hören, ist eine Potpourri aus unterschiedlichen Maßnahmen und unterschiedlichen Gegebenheiten. Das eine ist der Vorschlag einer nationalen Ausweitung des Emissionshandels auf alle Verursacher von CO2. Das ist schon mal ein guter erster Schritt – darüber kann man sicherlich reden –, aber, meine Damen und Herren, auch das ist nicht effizient. Das reduziert nicht da, wo die Kosten am günstigsten sind, weil es zwei Sektoren aufmacht. Nur dann, wenn ein vergleichbarer, ein einheitlicher CO2-Preis besteht, sind wir wirklich effizient, und das ist das, worauf es am Ende doch ankommt: nicht auf Ideologie, nicht auf Überzeugung, sondern darauf, dass wir mit dem einen Euro das Sinnvollste und Effizienteste machen, was wir im Klimaschutz tun können, und das fehlt mir hier. ({5}) Der zweite Vorschlag ist eine CO2-Steuer. Meine Damen und Herren, eine CO2-Steuer ist wirklich das schlechteste Mittel, das wir im Klimaschutz in Form einer Bepreisung einsetzen können. Das rangiert als nur nachgelagerte Option; denn niemand weiß, was das wirklich an Klimaschutz bedeutet. Niemand weiß, wie hoch diese Steuer sein muss. Niemand weiß, ob sie wirkt, wann sie wirkt und bei welcher Höhe sie wirkt. ({6}) Das ist die große Frage. Sie legen den Preis fest, aber nicht die Einsparziele, und das können wir uns nicht erlauben. Dafür haben wir einfach keine Zeit mehr. ({7}) Dafür haben vor allen Dingen wir und hat die Welt nicht mehr die Kapazitäten, um das auszugleichen. Liebe Frau Schulze, Sie haben sich fantastischerweise am letzten Freitag schon dazu geäußert und gesagt, dass Sie von der CO2-Steuer ein wenig abrücken. Das halte ich für sehr sinnvoll. Ich hoffe, diesen Weg gehen Sie weiter; nur dann schaffen wir auch das Ziel, das wir uns vorgenommen haben. Das muss das Ziel des Sonderberichts des IPCC sein, das 1,5-Grad-Ziel. Aber wenn wir dieses Ziel erreichen wollen, geht das nicht ohne CO2-Abscheidung und ‑speicherung. Beides müssen wir anreizen. Wir Freien Demokraten haben letzte Woche vorgelegt, wie das funktionieren könnte, und zwar mit einer Blockchain-basierten Kryptowährung, mit der derjenige belohnt wird, der CO2 durch Technologien, aber auch durch Aufforstung oder Renaturierung der Moore aus der Atmosphäre holt. – Ich weiß, Sie lachen alle. Sie haben alle ein bisschen Sorge vor neuen Technologien. ({8}) Das passiert immer: Die Leute lachen erst, ({9}) dann bekämpfen sie es, und am Ende kommt das, was wir wollen. Ich glaube, das ist der Weg, das wird auch hier passieren. Denn nur Innovation, nur das Vertrauen in die Zukunft wird dafür sorgen, dass wir wirtschaftlich vorwärtskommen, und nur dann werden wir das Klima am Ende auch wirklich schützen. Meine Damen und Herren, wir dürfen keine Angst vor der Zukunft haben. Wir sollten vor allen Dingen – das erwarte ich von der Bundesregierung – auch tun, was wir sagen. Wir sollten einen Energie- und Klimafonds in den Haushalt schreiben, sodass man auch darüber diskutieren kann, wie viel da wirklich ausgegeben wird. Meine Damen und Herren, ich bin gespannt auf die weitere Debatte. Ich freue mich auf den Haushalt. Ich freue mich vor allen Dingen darauf, zu sehen, wie viel Geld Sie wirklich ausgeben, und dass Sie wegkommen vom „Wir brauchen mal“ hin zum „Wir tun mal“. Danke. ({10})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Köhler. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Hubertus Zdebel, Die Linke. ({0})

Hubertus Zdebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004449, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Deutschland steht vor gewaltigen Herausforderungen in der Umwelt- und Klimapolitik. Ein Artensterben enormen Ausmaßes und drohende Kipppunkte einer eskalierenden Klimakrise erfordern ein schnelles und massives Umsteuern. ({0}) Immer mehr Menschen in der Welt sind in wachsendem Maß von den Folgen einer unverantwortlichen Wirtschaftsweise bedroht, die auf Profitmaximierung ohne Rücksicht auf Mensch und Natur beruht. ({1}) Das muss sich ändern. Man müsste meinen, dass in einer solchen Situation ein starkes Umweltministerium mit Blick nach vorn und den erforderlichen Ressourcen an die Arbeit geht. Doch die Wirklichkeit ist: Trotz des massiv steigenden Bedarfs gibt es nur marginale Fortschritte, ansonsten nichts als Stillstand. Inzwischen werden über 1,1 Milliarden Euro im Umwelthaushalt – das ist mehr als die Hälfte des gesamten Umweltetats – nur noch für das radioaktive Erbe des Irrwegs der Atomenergienutzung ausgegeben. Sie können mir glauben, dass ich der Letzte bin, der die Mittel, die dafür eingestellt werden, infrage stellen will; es kostet nun einmal Milliarden, diesen Irrweg vernünftig zu beenden. Aber es ist doch definitiv kein starkes Signal, wenn wir den überwiegenden Teil des Umweltetats in die Bewältigung des Erbes der Atomenergienutzung stecken und weniger als die Hälfte des Geldes in Zukunftsaufgaben wie Klimapolitik und Ähnliches. ({2}) Hinzu kommt, dass neben den Mitteln im Umweltetat beim Bundesforschungsministerium noch einmal 400 Millionen Euro für die Bewältigung des Erbes der staatlichen Atomforschung eingestellt sind – und das nur, weil die Atomenergienutzung in Deutschland mit allen Mitteln durchgepeitscht wurde, nicht nur zur Stromproduktion, sondern auch, um zu demonstrieren, dass Deutschland auch Atommacht sein könnte. Die Atomkonzerne wurden Ende 2016 durch Union, SPD und leider auch Grüne gegen eine im Vergleich zu den erwarteten Kosten mickrige Einmalzahlung von rund 24 Milliarden Euro und ohne Nachschusspflicht von den Haftungsrisiken der Finanzierung der dauerhaften Atommülllagerung befreit. Das geht definitiv zulasten der Steuerzahler. Denn eines war damals schon sicher, und es wird immer sicherer: Die Kosten für eine möglichst sichere Lagerung des Atommülls steigen und steigen. Frau Ihnen hat gerade schon darauf hingewiesen, was in der Asse passiert: In der Asse rosten die Atommüllfässer vor sich hin. Hier wurde gegen jede Vernunft Atommüll versenkt, obwohl selbst Laien schon klar war, dass der Salzstock absaufen könnte. Wir haben inzwischen einen Bericht des Bundesrechnungshofs vorliegen, mit fatalen Ergebnissen, was das Controlling durch die Bundesregierung angeht. Wir werden den Finger weiter auf die Wunde legen. Was ist mit der Bundesgesellschaft für Endlagerung? Was ist mit der neu gegründeten Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung, was macht die da in Zukunft in diesem Bereich? Es kann nicht so bleiben, dass das quasi an der langen Leine läuft. Ich glaube, die Bundesregierung, aber auch das Parlament müssen zukünftig sehr viel genauer hinschauen, was dort tatsächlich passiert. ({3}) Auch der Umbau von Schacht Konrad verzögert sich erneut, um weitere fünf Jahre. Warnungen, dass es auch hier, wie bei der Asse, zu einer Katastrophe kommen kann, gibt es sehr viele. Statt hier endlich das Scheitern einzuräumen und einen Neustart anzusetzen, wird weiter gutes Geld versenkt. Wir werden dazu entsprechende Anträge in die weiteren Haushaltsberatungen einbringen. Ich gebe, um der Anregung des Präsidenten zu folgen, Ihnen jetzt noch acht bzw. sechs Sekunden Zeit für eventuelle Zwischenbemerkungen oder Zwischenrufe. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({4})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege. – Von diesem Angebot hat niemand Gebrauch gemacht. Als nächste Rednerin spricht zu uns die Kollegin Dr. Bettina Hoffmann, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Dr. Bettina Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde die Restlaufzeit von allen Kollegen dazunehmen.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Das geht leider nicht.

Dr. Bettina Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Der UN-Klimagipfel und der UN-Nachhaltigkeitsgipfel stehen vor der Tür. Frau Ministerin, dort müssen Sie drängende Fragen beantworten. Wie wollen Sie wegkommen von fossilen Energien? Wie wollen Sie die Agenda 2030 umsetzen? Ich bin gespannt, was Sie dort sagen und vor allem was Sie dann tun werden. Unseren Bürgerinnen und Bürgern ist jedenfalls klar: Die Regierung muss mehr tun, um unseren Planeten zu schützen – und zwar sofort. ({0}) Nach zwei Jahren GroKo ist noch kein relevantes Umweltgesetz verabschiedet worden, alles nur Ankündigungen, Herr Miersch. Beispiel Klima: Wir warten seit Januar auf Schritte zum Kohleausstieg. Stattdessen versinken CDU, CSU und SPD immer noch im Streit um das richtige Instrument. Mit 50 Milliarden Euro umweltschädlicher Subventionen feuern Sie die Krise sogar noch an. Beispiel Kreislaufwirtschaft: Mit Aktionismus veranstalten Herr Söder und Frau Schulze ein Plastiktüten-Tamtam. ({1}) Aber wir Grüne sind ja schon froh, dass überhaupt etwas passiert. Ein Gesamtkonzept, mit dem wir von steigenden Müllmengen wegkommen: Fehlanzeige! ({2}) Was wir jetzt brauchen, ist ein Kreislaufwirtschaftsinstitut; das könnte Ihnen auf die Sprünge helfen. Beispiel Wasserschutz: Auch beim Wasserschutz tröpfelt es dahin. Seit Jahren ist klar, dass zu viel Nitrat aus zu viel Gülle unser Grundwasser verschmutzt. Demnächst wird die Bundesregierung wohl zu Strafzahlungen von 850 000 Euro verdonnert werden – pro Tag. Doch der Bauernverband diktiert weiter, was gemacht werden soll. Beispiel Luftqualität: Das einzige Gesetz aus dem BMU sollte Gerichte abhalten, die EU-Grenzwerte einzufordern und die Menschen vor Dieselabgasen zu schützen – zum Glück vergeblich. Beispiel Artenschutz: Alle Welt redet vom Schutz unserer Wälder. Frau Schulze, passen Sie bitte wenigstens auf, dass Frau Klöckner nicht Milliarden von Steuergeldern in Forstplantagen steckt. Fördern Sie naturnahe Wälder, den Biotopverbund, und weisen Sie Schutzgebiete aus. ({3}) Ach ja, das berühmte Insektenschutzprogramm wurde ja schon angesprochen – ein Sammelsurium. Fast könnte man es sein lassen; denn die EU-Zulassung für Glyphosat endet 2022. Aber Sie kündigen an, bis 2024 den Ausstieg anzupacken. Sie lassen Insektengifte auf dem Markt und verbuchen das noch als Erfolg. Und an die Reihen der AfD: Übrigens sind die Hauptursache für Insekten- und Vogelsterben nicht Windkraftanlagen, ({4}) sondern es ist nachweislich eine verfehlte Landwirtschaftspolitik. ({5}) Sie interessieren sich überhaupt nicht für Tiere. ({6}) Sie glauben, Sie können auf Stimmenfang bei Windkraftgegnern gehen. Das werden wir Ihnen vermiesen. ({7}) Mein Fazit: Die Umwelt in Deutschland ist in einem schlechten Zustand; global ist das verheerend. In einer Welt der Trumps und Bolsonaros braucht es glaubwürdige internationale Vorbilder für eine ambitionierte Umweltpolitik. ({8}) Deutschland ist schon lange kein Vorreiter mehr. Wie wenig Ihnen die Umwelt wert ist, sieht man an dem Minietat, von dem noch die Hälfte – wir haben es gehört – für die Lagerung von radioaktivem Müll ausgegeben wird. ({9}) Der Energie- und Klimafonds mit zentralen Klimaschutzprojekten ist ja im Haushalt noch gar nicht abgebildet; Strafzahlungen sind aber schon eingepreist. Was soll man da überhaupt noch erwarten? Statt in Zukunft zu investieren, zahlen wir heute für die Fehler der Vergangenheit, und morgen zahlen wir auch für die Fehler von heute. Jetzt ist Handeln angesagt. Wir müssen unseren Kindern einen lebenswerten Planeten hinterlassen. Sie mahnen das zu Recht an jedem Freitag in diesem Land an. ({10})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank Frau Kollegin. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Klaus Mindrup, SPD-Fraktion. ({0})

Klaus Mindrup (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004354, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor uns stehen lokal und global drei große Herausforderungen. Die erste Herausforderung ist die Klimakrise, die zweite Herausforderung sind das Artensterben und der Verlust an Biodiversität, und die dritte Herausforderung sind das Schaffen echter Kreislaufwirtschaften und das Beenden des Eintrags von problematischen Stoffen in unsere Ökosysteme. Es ist nicht das erste Mal, dass wir vor solchen globalen Herausforderungen stehen. Wir hatten die Herausforderung des Ozonlochs. Damals, 1985, hat die internationale Staatengemeinschaft mit dem Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht und später mit dem Montreal-Protokoll gehandelt, und FCKW wurde verboten. Damals wurde auf Naturwissenschaftler gehört, heute werden Naturwissenschaftler denunziert. ({0}) Das ist der Grund, warum die Populisten in der Welt wieder nach vorne kommen. Aber schauen wir uns einmal an, was sie praktisch machen. Schauen wir uns an, was unter Präsident Trump passiert: Trump hat seinen Wählerinnen und Wählern versprochen, die Kohle zu schützen, aber unter keinem Präsidenten der USA sind mehr Kohlekraftwerke stillgelegt worden als unter Trump – weil die Kohle einfach nicht zukunftsfähig ist. 2018 wurden in den USA 44 Kohlekraftwerksblöcke mit einer Kapazität von 15,4 Gigawatt stillgelegt. Damit wurde der bisherige Abschaltrekord aus 2015 übertroffen. Weitere Stilllegungen von 117 Kraftwerksblöcken mit 36,7 Gigawatt Leistung sind bereits angekündigt; es werden wahrscheinlich weitere folgen. ({1}) Der Kohleanteil an der Stromerzeugung ist in den USA von 39 Prozent im Jahr 2014 auf 27 Prozent in diesem Jahr zurückgegangen bzw. wird zurückgehen. ({2}) Dann geht es weiter – das ist interessant, Herr Hilse; ich komme dazu gleich noch –: ({3}) Gucken wir uns einmal an, was die Unternehmen dort machen. Peabody Energy, ein großer Energieversorger, konnte eine Insolvenz aufschieben, indem die Altersrente der Bergarbeiter um 88 Prozent gekürzt wurde. Die Insolvenzabwicklung beinhaltete gleichwohl eine Bargeldprämie in Höhe von 11,9 Millionen US-Dollar für die Topführungskräfte. Was zeigt uns das? Das ist der Weg der Populisten: Sie versprechen viel und halten nichts, ({4}) und sie machen eine Politik zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und zulasten der Rentnerinnen und Rentner. ({5}) Heute ist es so, dass die amerikanischen Gewerkschafter sich erkundigen: Was macht ihr denn da in Deutschland? Was macht ihr mit dem Kohleausstieg? Was macht ihr mit dem Kohlekonsens? ({6}) Sie sagen, es ist der richtige Weg, die Menschen nicht ins Bergfreie fallen zu lassen, die Regionen nicht in Ruhe zu lassen. Was die SPD sagt – neue Arbeit für die Regionen, Zukunft für die Regionen –, ist auch für andere Länder ein Beispiel, und das werden wir hier umsetzen. ({7}) Und weil Sie uns dann auch noch sagen – da können Sie so viel brüllen, wie Sie wollen –, dass wir damit allein auf der Welt sind: ({8}) Gucken Sie sich Kalifornien an, eine der am meisten entwickelten Volkswirtschaften der Welt. In Kalifornien ist kein aus Kohle gewonnener Strom im Stromsystem mehr enthalten. Kalifornien wird im Jahr 2024 das letzte Atomkraftwerk abschalten. Wir sind nicht alleine, wir befinden uns inmitten einer weltweiten Bewegung. Sie sind alleine! ({9}) Kalifornien baut die dezentralen Erneuerbaren aus. Ab dem nächsten Jahr muss jedes neue Dach in Kalifornien eine Photovoltaikanlage haben. Sie bauen die Dezentralität aus, sie bauen die Speicher aus. Das machen auch wir in Deutschland: mit dem Koalitionsvertrag und dem Ziel, 65 Prozent Erneuerbare bis 2030 zu schaffen. ({10}) Das wird die neue Bürgerenergie sein, auch in den ländlichen Regionen. ({11}) Die Menschen in den ländlichen Regionen können dann ihre Dächer nutzen, um PV-Strom zu erzeugen, und können mit Windkraft auch Geld verdienen. ({12}) Schauen wir, nachdem wir die USA verlassen haben, nach Bayern. Ich freue mich ja, dass Herr Söder sagt, er wolle auch beim Klimaschutz vorangehen. ({13}) Ich finde es bemerkenswert, dass er Konsense, die wir hier hart errungen haben, in Zweifel zieht. Aber ob er glaubwürdig ist, da habe ich meine Zweifel. Wer den Ausbau von Windkraft in Bayern blockiert und gleichzeitig Klimaschützer sein will, der ist nicht glaubwürdig; das muss man klar feststellen. ({14}) Die Industrie in Bayern sieht das ja auch. Wo soll denn der Strom herkommen? Im Strommix braucht man Windenergie. Es sind übrigens nur 35 000 Anlagen, die man in Deutschland braucht, um 200 Gigawatt im Jahr 2050 zu erreichen; denn die Technik wird immer moderner. ({15}) – Wenn die AfD nicht rechnen kann, kann ich nichts dafür. Das liegt vielleicht an Ihrer Schulbildung. ({16}) Aber zurück zu Bayern. Bayern bekommt Fördermittel für den Regionalverkehr, aber was macht Bayern im Augenblick? Sie schreiben neue Zugstrecken für Diesellokomotiven aus. Das kann doch nicht wahr sein! In Schleswig-Holstein werden moderne, batterieelektrische Züge eingesetzt, in Niedersachsen wasserstoffbetriebene. Die batterieelektrischen Züge werden bei mir im Wahlkreis produziert; das kann man sich einmal angucken. Es kann doch nicht sein, dass wir Bayern Geld für den Regionalverkehr geben und hinterher noch Strafzahlungen leisten müssen, weil der CO2-Ausstoß steigt. Das ist doch vollkommen absurd. ({17}) Jetzt kommen wir noch mal zu Herrn Trump und zur Automobilindustrie. Hier wird ja immer so getan, als sei Regulierung Teufelszeug. Herr Trump hat den Automobilkonzernen gesagt, er hebt die Regulierung auf. Was haben die Automobilkonzerne gesagt? Wir wollen das nicht; denn ohne Regulierung sind wir gar nicht konkurrenzfähig. – Daran sieht man, dass Regeln für den Klimaschutz und Innovationen Hand in Hand gehen ({18}) und dass man nicht eine Ökonomie ohne Regeln haben kann. Wenn das selbst die Leute in den USA kapieren, muss es doch auch bei uns möglich sein. Vielleicht kommt es dann auch bei den Leuten an, die rechts von mir sitzen. ({19}) Ich kann Ihnen nur sagen: Die SPD steht an der Seite der Klimaschützerinnen und Klimaschützer, aber auch an der Seite der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. ({20}) Wir haben gemeinsam vor wenigen Wochen mit der IG Metall unter dem Motto „FairWandel“ mit 50 000 Menschen demonstriert. Die Umweltministerin Schulze war mit mir auf der Straße – danke schön! –, ({21}) und der Arbeitsminister war mit auf der Straße. Sie können, wie gesagt, so viel brüllen, wie Sie wollen. Ihre Zukunft ist keine gute Zukunft. ({22}) Bei Ihnen geht es nämlich in eine Richtung: Es geht bergab bei Ihnen. Danke schön. ({23})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Mindrup. – Als nächster Redner hat der Kollege Karsten Hilse, AfD-Fraktion, das Wort. ({0})

Karsten Hilse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004752, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

– Der war gut, Herr Mindrup. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kohlekumpel in ganz Deutschland, vor allen Dingen aus Jänschwalde! Für wen es bergab geht, hat man in Sachsen an den Wahlergebnissen gesehen: 7,7 Prozent für die SPD. Aber gut. ({0}) In diesem Haushalt werden wieder einmal Hunderte Millionen Euro für sogenannten Klimaschutz verschwendet. Ich möchte Ihnen, liebe Zuschauer, einmal aufzeigen, was es für Menschen sind, die Ihre Steuergelder mit vollen Händen auf der Grundlage einer absurden Hypothese aus dem Fenster werfen. Diese können somit nicht mehr für vernünftige Dinge ausgegeben werden. Wir haben die Bundesregierung gefragt, auf Grundlage welcher Studie sie zu der Aussage kommt, dass 97 Prozent aller Wissenschaftler die Hypothese vom menschengemachten Klimawandel unterstützen. Bisher führte man meistens die Studie von John Cook an, der mit mehreren Studenten 11 944 Veröffentlichungen untersuchte. Neben einigen anderen Schwachpunkten bei der Datengewinnung: Es wird in 7 930 Veröffentlichungen, also in knapp zwei Dritteln der Schriften, gar nicht auf die Ursache des Klimawandels eingegangen. Diese Studie kann also nicht für die 97-Prozent-Aussage herangezogen werden. In der Antwort brachte man zum Ausdruck, dass man jetzt davon überzeugt sei, dass 99 Prozent aller Wissenschaftler die Hypothese vom menschengemachten Klimawandel für richtig halten. Grundlage ist eine Studie von James Powell, der wissenschaftliche Arbeiten aus den Jahren 2013 und 2014, in denen die Begriffe „Global Warming“ und „Climate Change“ vorkommen, aus einer entsprechenden Datenbank gesammelt hat. ({1}) In den Kurzzusammenfassungen, sogenannten Abstracts, also nicht einmal im Originalartikel, suchte er die Arbeiten, in denen die Ansicht, der Klimawandel sei menschengemacht, explizit zurückgewiesen wird. Sein Ergebnis: In 99,94 Prozent der rund 24 000 Abstracts wird der menschengemachte Klimawandel nicht explizit zurückgewiesen. Powell und die Bundesregierung schlussfolgern daraus, dass der Konsens darüber, dass der Klimawandel menschengemacht ist, 99,94 Prozent – oder für die Bundesregierung: rund 99 Prozent – beträgt. Diese Vorgehensweise ist natürlich absoluter Irrsinn – da werden Sie mir wahrscheinlich auch recht geben –, was die Bundesregierung jedoch nicht hindert, die auf diese absurde Art gewonnenen Ergebnisse zu übernehmen. Das ist nicht nur komplett unwissenschaftlich, ({2}) sondern auch in seiner Infantilität unüberbietbar und ein Beleg dafür, dass im Umweltministerium nicht Wissenschaftler, sondern Ideologen das Sagen haben. ({3}) Die Antwort der Bundesregierung veranlasste Journalistinnen, drei nicht ganz so absurde Hypothesen mit der gleichen Methode zu überprüfen, von denen ich hier zwei thematisieren will. Hypothese eins: Die Regierung Merkel hat das Ziel, die deutsche Wirtschaft zu zerstören und Armut herbeizuführen. Hypothese zwei: Die UN ist ein kommunistisches Regime, das den vermeintlich menschengemachten Klimawandel nutzt, um Armut herbeizuführen. ({4}) Die zwei hier genannten Hypothesen wurden beide – wohlgemerkt bei der Verwendung der Powell’schen Methode – bestätigt. ({5}) Das würde bedeuten: Es gibt einen wissenschaftlichen Konsens von 97,5 Prozent darüber, dass die Regierung Merkel die deutsche Wirtschaft zerstören und Armut herbeiführen will, und einen wissenschaftlichen Konsens von 99,9 Prozent darüber, dass die UN ein kommunistisches Regime ist, ({6}) das den Vorwand eines menschengemachten Klimawandels benutzen will, um Armut herbeizuführen. Natürlich ist ein immer größer werdender Teil der Menschen in unserem Land von der Richtigkeit zumindest der ersten Hypothese überzeugt, allerdings sind es noch nicht 97,5 Prozent. ({7}) Liebe Bürger, Sie sehen also, welche Methoden diese Bundesregierung als Begründung verwendet, um Sie weiter auszuplündern, um Ihre Arbeitsplätze zu vernichten. ({8}) Und natürlich nähern wir uns mit dieser Bundesregierung der in Hypothese eins beschriebenen Zustände: Die Wirtschaft wird zerstört, und das Volk wird verarmt sein. Das zu verhindern, ist die AfD angetreten. ({9}) Auch deshalb lehnen wir ab, auch nur einen einzigen Cent, der von der Bevölkerung hart erarbeitet wurde, für die auf der Grundlage einer absurden Theorie veranlassten sogenannten Klimaschutzmaßnahmen auszugeben, die zudem auch noch massive Umweltschäden verursachen. Ein freundliches Glückauf in die Lausitz, vor allen Dingen nach Jänschwalde! Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({10})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Rüdiger Kruse, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Rüdiger Kruse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004083, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Tucholsky hat ja gesagt: Es ist schwer, keine Satire zu schreiben. – Aber ich hätte nicht erwartet, dass ein AfD-Redner einen Text von Jan Böhmermann vorliest. Aber gut, es kann ja auch mal ganz lustig hier werden. ({0}) – Das können Sie doch gar nicht beurteilen. ({1}) – Doch, das kann man auch in der „heute-show“ so zeigen. Wir haben in dieser Haushaltsdebatte eine sehr deutliche Steigerung im Etatentwurf des Umweltministeriums lesen können, nämlich von 25 auf 39: Für 2019 ist nämlich 25-mal, für 2020 39-mal das Wort „Nachhaltigkeit“ in den Entwurf geschrieben worden. Das ist ein Wort, das ich persönlich sehr schätze. Ich vertraue darauf, dass Worten dann auch Taten folgen. Das ist ja so die Reihenfolge. Einige der Vorredner haben bemängelt, dass dieser Etat so klein ist, obwohl die Probleme im Umwelt- und Klimaschutz so groß sind. Nun ist es aber so, dass Umwelt- und Klimaschutz sich eben nicht nur im Umweltministerium entscheiden, sondern auch in anderen Feldern. Deswegen kommt der Haushaltsdebatte eine so große Verantwortung zu; denn wir müssen entscheiden, wo wir die Mittel allokalisieren, das heißt: Was machen wir im Bereich Wirtschaft? Was machen wir im Bereich Verkehr? Das Wort „Nachhaltigkeit“ ist auch deswegen richtig, weil es aufzeigt, dass es nicht funktionieren wird, immer nur in die Segmente zu gucken, wenn wir Klimaschutz erreichen wollen, wenn wir das Ökosystem erhalten wollen, sondern man muss natürlich einen Querschnitt bilden. Wir brauchen in diesem Haus keinen Konsens über die Maßnahmen; daran habe ich gar kein Interesse. Ich möchte im Streit über die Maßnahmen sein; aber ich möchte im Ziel einig sein. Dann kann sich darstellen, ob einer mehr Ordnungspolitik machen möchte oder mehr Wettbewerb. Wobei man zum Wettbewerb auch sagen muss: Wettbewerb ist eine staatliche Veranstaltung. Was wir brauchen, sind Kriterien, und die können sich aus unseren Nachhaltigkeitszielen ergeben. Wir haben gemeinschaftlich, sehr stark unter deutscher Federführung, weltweit 17 Ziele vereinbart. Das ist knapp doppelt so viel wie die zehn Gebote; aber sich die zu merken, wird man noch hinbekommen. Daraus ergeben sich dann auch Kriterien, an denen man erkennen kann: Erreichen wir das? Das fehlt an vielen Punkten in unserem Haushalt. Wir beschließen in unserem Haushalt Maßnahmen, steuern aber nicht nach und überprüfen nicht: Erreichen wir das auch? Deswegen sind wir zum Beispiel ins Hintertreffen geraten mit unseren 2020-Zielen. Es ist ja nicht so, dass das nicht ernst gemeint gewesen ist. Vielmehr hat die Nachkontrolle über die Jahre gefehlt, das Nachsteuern hat gefehlt. Und wir haben uns sicherlich auch ein bisschen davon verführen lassen, zunächst einmal die niedrig hängenden Früchte einzusammeln. Da war man ja auch ganz erfolgreich. Aber das Dumme ist eben, dass man die mittleren und langfristigen Dinge sehr rechtzeitig mitdenken muss. Darum ist es zwar richtig, zu sagen: Mit unserem Geld, mit dem wir in Deutschland mit Investitionen viele Effekte erzielen, könnte man anderswo viel, viel mehr bewirken. – Ja, aber wenn wir weltweit 2050 da ankommen wollen, dass wir kein CO2 mehr emittieren, dann müssen wir überall die entsprechende Technik haben, und die können wir nicht 2049 erfinden. Das heißt, wir müssen jetzt die entsprechenden Impulse auslösen. Natürlich sind wir nur für zwei Komma irgendwas Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Wir sind ja auch nur 1 Prozent der Weltbevölkerung. Das hindert uns aber nicht daran, mehr Autos zu bauen, als dieses 1 Prozent braucht. ({2}) Das hindert uns auch nicht daran, mehr Maschinen zu bauen, mehr Technologie zu entwickeln, als wir hier in Deutschland brauchen. Das heißt, wenn wir auch sonst außerhalb der Grenzen von Deutschland denken und handeln, dann müssen wir das im Klimaschutz natürlich auch tun. Die Möglichkeit, der Welt die Technologie zu liefern, die sie in den nächsten Jahrzehnten dringend braucht, ist doch fantastisch. Wir haben ja auch schon vorher die Technologie geliefert, die das Hochlaufen der CO2-Emissionen ermöglicht hat. Das heißt, die Wirkung, die wir haben, ist schon groß. Das bedeutet auch: Wenn wir hier umstellen, werden wir auch eine große Wirkung erzielen. Damit kann Deutschland seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Dann gibt es noch ein schönes Beispiel. Wenn wir allgemein über Technologiefeindlichkeit reden, hören wir von vielen Seiten immer: Wisst ihr noch, der Transrapid? – Genau. Den hat uns keiner abkaufen wollen, weil wir ihn nicht benutzt haben. Wer soll denn deutsche Klimatechnologie kaufen, wenn wir sie nicht benutzen? ({3}) Wenn man den heimischen Markt nicht bedienen will, wenn man die Voraussetzung dafür nicht schafft, dann wird sich auch kein Abnehmer dafür finden. Deswegen: Wenn man national denkt, muss man in genau diese Richtung gehen. Für unsere deutsche Industrie ist das die Chance; denn Billigtechnologie und Umweltstandard der Vergangenheit können andere viel, viel besser. Wir wollen unseren hohen Standard halten. Wenn wir uns mal angucken, wie viel Prozent der gezahlten Sozialleistungen der Welt in Deutschland ausgegeben werden, sehen wir nämlich, dass wir mit viel, viel mehr dabei sind. Was wir anstreben sollten, ist, dabei zu helfen, diesen Standard auch weltweit zu etablieren. Das können wir nur mit Produkten, die wirklich einen Weltstandard erfüllen. Dafür sind wir gut. Aber meine Bitte ist wirklich, dass wir auch innerhalb der Bundesregierung zu einem Konsens kommen, dass wir uns insgesamt an den Nachhaltigkeitszielen ausrichten. Dann erwarten wir mit hoher Spannung – das Unvollendete ist nämlich nur in der Musik und der Literatur spannend – zu unseren Schlussberatungen einen kompletten Haushaltsplan. Dieser muss sehr, sehr gut sein. Er muss so sein, dass wir nicht hinterher von jeder 14-jährigen Schülerin gesagt bekommen: Mit dem, was ihr hier aufgeschrieben habt, könnt ihr eure eigenen Ziele nicht erreichen. ({4}) – Das ist die Latte, die wir als Parlament legen. ({5}) Das ist auch unsere Aufgabe. Vielen Dank. ({6})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Kruse. – Als letzter Redner zu diesem Einzelplan erhält das Wort der Kollege Ingo Gädechens, Schleswig-Holstein. ({0})

Ingo Gädechens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004036, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben über 80 Minuten interessanter Debatte über Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit erlebt: mal aufgeregt, mal sachkundig, mal ein bisschen oberflächlich. Mir macht das große Freude, weil dieses Thema für uns, für unser Land und für die Welt enorme Bedeutung hat. Klima-, Umwelt- und Naturschutz einerseits, nukleare Sicherheit andererseits haben bei uns – das haben zumindest die Redner der Regierungskoalition deutlich gemacht – einen wirklich hohen Stellenwert. Das erkennt man daran, dass der Einzeletat steigt. Das sage ich als Haushälter; denn für uns sind dann manchmal Zahlen sehr wichtig, wobei wir auch sagen: Nicht Masse ist klasse, sondern aus der Masse von 2,6 Milliarden Euro muss auch etwas Vernünftiges gemacht werden. Der Etat steigt um 338 Millionen Euro und damit um 14,8 Prozent. Mit Blick auf die Teile des Haushaltes kann man sagen: Alles erfreulich, 20 Prozent Aufwuchs beim Umweltschutz, 20 Prozent mehr beim Klimaschutz, 15 Prozent Steigerung beim Naturschutz. Dabei muss man immer wieder darauf hinweisen, dass insbesondere Ausgaben für Umwelt- und Klimaschutz zusätzlich noch an vielen anderen Stellen in anderen Einzelplänen verankert sind. Als ich an dieser Stelle vor einem Jahr zum Einzelplan 16 reden durfte, standen wir alle noch unter dem Eindruck eines außergewöhnlich trockenen Sommers 2018 und einer zunehmenden Bedeutung des Klimawandels. Heute sind wir in einer ähnlichen Situation. Wiederum haben wir einen relativ trockenen Sommer gehabt. Unsere eigenen Wälder leiden, und die politische Debatte hat natürlich noch mal einen erheblichen Hype erlebt – Stichwort: Fridays for Future – und eine Omnipräsenz bekommen, die uns alle beschäftigt. Im Hinblick auf die vor uns liegenden Herausforderungen ist dies zu begrüßen. Umso wichtiger ist, dass die Bundesregierung noch in diesem Monat umfangreiche Vorschläge vorlegen wird, wie wir im Klimaschutz noch besser werden können, als wir es schon sind. Und auch wenn viel Kritik geäußert wurde, muss man sagen: Wir haben doch schon einiges erreicht. Ja, es stimmt: Wahr ist, dass wir uns höhere Ziele gesetzt haben und zumindest die beabsichtigten Einsparungen bis 2020, auch aufgrund des – Gott sei Dank – langanhaltenden wirtschaftlichen Aufschwungs, nicht haben einhalten können. Darum ist es wichtig, dass wir noch ordentlich eine Schippe drauflegen. Bei meinen vielen Gesprächen in der sitzungsfreien Zeit wurde mir immer wieder signalisiert, dass es eine breite Mehrheit in der Bevölkerung für mehr Klimaschutz gibt. Diese Bereitschaft ist aber nicht bedingungslos. Wir müssen behutsam vorgehen und kluge Entscheidungen treffen. Ich möchte in vier kurzen Thesen skizzieren, was mich und die CDU/CSU-Fraktion dabei in den kommenden Beratungen leiten wird. Erstens. Klimaschutz muss – anders, als das hier einige Redner dargestellt haben – Freude verbreiten. Wir müssen deutlich machen, dass das kein Quälkram ist, sondern für die Gesellschaft existenziell wichtig. Wenn wir wollen, dass Klimaschutz nicht nur ein Strohfeuer der politischen Debatte ist, müssen wir die Maßnahmen attraktiv gestalten. Wer den Menschen nur Verbote vorsetzen möchte und auflistet, was alles nicht geht und auf was wir alles verzichten müssen, der, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wird scheitern. ({0}) Der Schwerpunkt unserer Klimaschutzpolitik muss für mich daher in einem vielfältigen Anreizsystem liegen, das klimafreundliches Verhalten belohnt. Ein Beispiel – wir haben es in der Debatte gehört – sind die Ölheizungen, die aktuell diskutiert werden. Wer hier „Verbot“ sagt, löst bei vielen Eigenheimbesitzern Ablehnung und Angst aus. Wer hier aber Umsteigeprämien oder aber Einsparpotenziale skizziert, macht die Sache wesentlich attraktiver und sorgt für Akzeptanz. ({1}) Insofern, verehrte Kolleginnen und Kollegen, brauchen wir keine Verbotsdebatten, sondern eine Verbesserungsdebatte. Zweitens – wir hörten es auch schon von einigen Rednerinnen und Rednern –: Klimaschutz kann nur weltweit gelingen. Wohl kaum eine Herausforderung unserer Tage ist so international wie der Klimaschutz. Nur wenn alle mitmachen, können wir am Ende zu einem guten Ergebnis kommen. Leider scheint das Problembewusstsein noch nicht überall angekommen zu sein. ({2}) – Vielleicht aus Ihrer Sicht. Aber wir gehen da ganz pragmatisch vor. Die Kollegin Bluhm-Förster hat ja gesagt, dass wir, schon bevor die Wälder im Amazonas brannten, gucken wollten, was mit unseren Geldern in Brasilien passiert. Wir sind dort hingeflogen – nicht emissionsfrei, muss man fairerweise sagen. Aber wir waren nicht in Rio de Janeiro an der Copacabana, sondern wir sind in die Regenwälder gefahren, haben uns mit 14 Häuptlingen indigener Völker zusammengesetzt und uns tatsächlich angeguckt, wo die grüne Lunge der Welt atmet und wo wir viel größer und viel effektiver Klimaschutz betreiben könnten. Sie alle haben die aktuellen Bilder vor Augen, Sie kennen die Aussagen von Präsident Bolsonaro. Es funktioniert nur, wenn wir andere Völker, andere Länder begeistern, mit in diesen Klimaschutz einzusteigen. Deutschland kann alleine nur wenig machen, aber Deutschland muss mit gutem Beispiel vorangehen, und wir müssen die selbstgesteckten Ziele, die wir uns gegeben haben, auch erfüllen. Eine wichtige Frage ist für mich daher, wie wir in den skeptischen Ländern unserer Erde für mehr Klimaschutz werben können. Für mich gibt es nur einen Weg: Deutschland und Europa müssen zeigen, dass Klimaschutz nicht nur möglich ist, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sein kann. ({3}) Nur wenn unsere Klimaschutzmaßnahmen attraktiv sind, können wir skeptische Länder zu mehr Klimaschutz motivieren. Zugleich ist aber auch klar: Wir dürfen nicht der Versuchung erliegen, nur die Defizite anderer Länder zu sehen, sondern wir müssen zuerst selbst liefern; denn es bringt nichts, viel Geld in Klimaschutzmaßnahmen, in internationale Projekte zu stecken, wenn wir selbst unsere Hausaufgaben noch nicht erledigt haben. Und drittens ist mir sehr wichtig: Klimaschutz darf nicht auf dem Rücken des ländlichen Raumes ausgetragen werden. ({4}) Als Abgeordneter eines ländlichen Wahlkreises macht mir dieser Punkt aktuell sehr große Sorgen. Der Anspruch, gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land sicherzustellen, ist gerade für die Union von herausragender Bedeutung. Schon ein flüchtiger Blick zeigt, dass die Menschen im ländlichen Raum von einer möglichen CO2-Bepreisung im Vergleich zur städtischen Bevölkerung überdurchschnittlich betroffen sein könnten. Das gilt beispielsweise ganz praktisch in Bezug auf Mobilität. Im ländlichen Raum geht nun mal wenig ohne Autos, weil dort kein Bus fährt. ({5}) Viertens, liebe Kolleginnen und Kollegen: Rüdiger Kruse, ein Kollege im Haushaltsausschuss, der sich auch gerne mit Zahlen beschäftigt, hat es gesagt: Es muss nachhaltig sein. – Es ist so ein Begriff; alles muss nachhaltig sein. Aber wenn wir hier aus der schwarzen Null, die für kommende Generationen nachhaltig ist, eine „Zero Emission“ machen, dann haben wir eine doppelte Nachhaltigkeit. Wir brauchen nicht nur eine schwarze Null in unserem Haushalt, einen ausgeglichenen Haushalt, wir brauchen auch eine grüne Null, was Emissionsausstoß angeht. Das ist unser Ziel, und dafür werden wir gemeinsam in den kommenden Wochen streiten. Herzlichen Dank. ({6})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Gädechens. Es wäre schön, wenn Sie beim nächsten Mal die rote Null beachten würden, die auf der Anzeige steht. ({0}) Weitere Wortmeldungen zum Einzelplan 16 liegen mir nicht vor.

Julia Klöckner (Minister:in)

Politiker ID: 11003566

Jetzt kann nichts mehr schiefgehen. Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erneut lege ich dem Parlament einen Rekordhaushalt vor: 6,5 Milliarden Euro für das Bundeslandwirtschaftsministerium. Das entspricht einer Steigerung um 194 Millionen Euro. Das ist ein großer Erfolg; denn die Steuereinnahmen steigen nicht so weiter wie erwartet. Wir sehen die Kürzungen bei anderen Ministerien, nicht so beim BMEL. Mein Dank gilt dem Bundesfinanzministerium für die gute Zusammenarbeit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Geld wird benötigt; denn die Landwirtschaft ist im Umbruch. Die Landwirtschaft war schon immer im Wandel, aber jetzt erleben wir eine Zäsur – eine Zäsur in den Erwartungen, die an die Landwirtschaft gerichtet werden, im Übergang von traditionell zu modern, bei Umwelt-, Klima- und Tierschutz, aber auch eine Zäsur im Ton der Auseinandersetzung, im Umgang miteinander. Dabei machen es sich viele zu einfach mit ihren Erwartungen an die Bauern und an das Landleben. Zielkonflikte werden kaum noch formuliert, aber Ideologien ganz klar adressiert. So sollen Lebensmittel ausreichend vorhanden, die Ernten sicher und für uns Verbraucher ansehnlich, aber vor allen Dingen sollen sie günstig sein. Alle Menschen sollen satt werden, aber der Bauer soll sich als Landschaftsgärtner profilieren. Bauern sollen auf Pflanzenschutzmittel verzichten, aber im Supermarkt will man nur den schönsten Salatkopf. Landwirte sollen Tiere unter besten Bedingungen halten, aber mehr zahlen will dafür kaum jemand. ({0}) Gefühlt möchten die meisten Fleisch von Tieren essen, die nie geschlachtet worden sind, ({1}) aber Lock- und Dumpingangebote bei Lebensmitteln im Supermarkt funktionieren nach wie vor. ({2}) Das schleichende schlechte Gewissen wird meist allein bei den Bauern abgeladen. Viele beklagen zwar, dass Höfe sterben und dass die vermeintlich Großen immer größer werden, aber machen gleichzeitig mit, wenn Landwirte pauschal als Klimasünder, Tierquäler und Umweltvergifter in eine Ecke gestellt werden. Dann wundern sie sich, dass immer mehr junge Menschen sich scheuen, diesen Beruf zu ergreifen. ({3}) – Sehen Sie, das ist genau der Punkt: Zwischenruf der Grünen: Jetzt sagen Sie mal was zur Sache. – Sie tragen dazu bei, dass der Berufsstand der Bauern gespalten wird, dass die Gesellschaft gespalten ist, Sie tragen zu einer Polarisierung bei, indem Sie in gute und schlechte Landwirtschaft unterteilen, in Groß und Klein unterteilen, indem Sie pauschal von Ackergiften und Agrarfabriken reden. Das spaltet die Landwirtschaft, und das ist auch eine Arroganz aus einer städtischen Sicht dem Land gegenüber. Das tragen wir so nicht mit. ({4}) Allein dieses pauschale Einteilen spaltet die Gesellschaft und die Bauernschaft. Als zuständige Bundesministerin setze ich mich aktiv für mehr Tierwohl und für mehr Umwelt- und Klimaschutzleistungen in der Landwirtschaft ein. Ja, ich weiß: Ich mute den Landwirten einiges zu, und zwar eine Weiterentwicklung. Wir entwickeln Alternativen bei der betäubungslosen Ferkelkastration, werden aus dem Küken-Töten aussteigen und verlangen von den Schweinehaltern andere Haltungsbedingungen. Wir etablieren ein Tierwohlkennzeichen, schauen bei den Tiertransporten genauer hin oder nehmen Reglementierungen bei Pflanzenschutzmitteln vor. Wir schichten mehr um von der ersten in die zweite Säule, um mehr für Umweltleistungen zu tun. Das sind nur einige Beispiele, die für unsere Bauernfamilien massive Veränderungen bedeuten. Ich bin mir dessen bewusst. Aber abwarten wäre keine kluge Alternative. ({5}) Das Aktionsprogramm Insektenschutz beispielsweise sorgt bei manchen für Aufregung. Zunächst müssen wir aber auch bilanzieren, dass es nur mit Anreizen auch in der Landwirtschaft nicht geht. Wir brauchen Anreize und Ordnungsrecht. Genau das ist aber der Ansatz beim Aktionsprogramm Insektenschutz. Wir wollen seitens des Bundes 50 Millionen Euro jährlich in einen „Sonderrahmenplan Insektenschutz einstellen. Das sind insgesamt 83 Millionen Euro jährlich mit den Landesgeldern zusammen. Das ist etwas, womit wir den Bauern konkret helfen. Wir lassen sie nicht alleine und fordern eben nicht nur, wie das gerne die Grünen machen, sondern zeigen auch einen Weg, wie so etwas umgesetzt werden kann. ({6}) Ich begrüße im Übrigen auch die ganz aktuellen Überlegungen aus der Agrarwirtschaft, im integrierten Pflanzenschutz von der bislang üblichen wirtschaftlichen Schadensschwelle zu einer ökologischen Schadensschwelle überzugehen. Aber da muss auch klar sein, wenn man dann weniger Ertrag hat, dass das auch abgepuffert werden muss. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen einen Gesellschaftsvertrag der Verbraucherinnen und Verbraucher mit den Landwirten. Es kann nicht sein, dass wir sonntags Forderungen an die Landwirtschaft stellen, aber von Montag bis Samstag anders einkaufen oder nicht die Gelder zur Verfügung stellen, mit denen die Landwirtschaft umgestellt werden kann. ({7}) Mehr Nachhaltigkeit geht erfolgreich, nicht indem wir die Zeit zurückdrehen oder nur Forderungen stellen, sondern nur durch mehr Innovation und Forschung. Genau hier greift unser Haushalt auch an. Wir unterstützen auf Grundlage der Nutztierstrategie oder der Ackerbaustrategie, die gerade entsteht. Wir forschen, wie wir schonender produzieren können – mit weniger Dünger, weniger Pflanzenschutzmitteln – und wie wir Alternativen in die Praxis überführen. Dafür nehmen wir über 15 Millionen Euro in die Hand. Das Bundesprogramm Ökologischer Landbau führen wir weiter. Ich hatte gerade ein Gespräch mit Ökowinzern darüber, wie wir den Kupfereinsatz reduzieren können. Wir weiten die Maßnahmen im Bereich der Digitalisierung nochmals aus, und zwar auf 22,5 Millionen Euro, Herr Spiering. Unsere digitalen Testfelder, die Experimentierfelder, gehen jetzt an den Start, um zu untersuchen, wie die Digitalisierung zu mehr Tierwohl, zu mehr Biodiversität, auch zu Arbeitserleichterung und zu mehr Umweltschutz führen kann. Über 37 Millionen Euro stehen im Jahr 2020 für das Bundesprogramm Nachhaltige Nutztierhaltung zur Verfügung – mehr als doppelt so viel wie im laufenden Jahr. Das Ziel ist, die Tierhaltung weiterzuentwickeln. Wir fordern nicht einfach etwas von den Landwirten, sondern geben ihnen auch die Chance, die Landwirtschaft umzustellen und ökonomisch, ökologisch und auch sozial in den ländlichen Räumen verwurzelt zu bleiben. Denn aus der Hauptstadt heraus etwas zu fordern, wie das Land schön sein soll mit einer gewissen Romantik, das führt uns nicht weiter. ({8})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Frau Ministerin, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Göring-Eckardt?

Julia Klöckner (Minister:in)

Politiker ID: 11003566

Sehr gern.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003132, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Klöckner, Sie stehen hier immer und sagen, wir würden aus der Stadt heraus Forderungen stellen. Ich höre aus dem ländlichen Raum die Forderung, dass es endlich Planungssicherheit braucht. Ich höre von Bäuerinnen und Bauern in dieser Republik die Ansage: Bitte sagt uns endlich, wie wir zu einer anständigen Landwirtschaft kommen. Wir wollen keine Tierfabriken mehr, ({0}) und wir wollen auch nicht mehr gezwungen sein, mit Ackergiften zu arbeiten. Die wollen Umstellungen, und die wollen eine Landwirtschaftsministerin haben, die an ihrer Seite steht. Die wollen eine Landwirtschaftsministerin haben, die klar erkennt, dass die Klimakrise auch bei einer Umstellung der Landwirtschaft bewältigt wird, und dafür wollen sie Hilfe. Sie wollen nicht, dass jemand Landwirtschaftsministerin ist, der nur an der Seite derjenigen steht, die glauben, die Funktionäre der Landwirtschaft zu sein. Wer echte Landwirtschaft will, wer zukunftsfähige Landwirtschaft will, ({1}) der muss jetzt umstellen und darf nicht im Klein-Klein immer diejenigen schützen, die weiterhin die alte Landwirtschaft verfechten. ({2})

Julia Klöckner (Minister:in)

Politiker ID: 11003566

Frau Abgeordnete Göring-Eckardt, mit Ihrer Zwischenfrage haben Sie das beste Beispiel für eine städtische Sicht geliefert, die ziemlich wenig mit dem Land und der Landwirtschaft zu tun hat. ({0}) Denn zu behaupten, dass Landwirte sagen, sie wollten eine anständige Landwirtschaft, unterstellt, dass sie heute eine unanständige Landwirtschaft haben, und das weise ich wirklich von uns. ({1}) Sie haben wieder von Agrarfabriken gesprochen. Sie selber wissen, dass es auch Ökobetriebe gibt, die Tausende Stück Geflügel haben. ({2}) – Ja, das ist der Punkt. Das sind keine Agrarfabriken. – Ich will einmal festhalten: Frau Göring-Eckardt sagt, Betriebe mit Tausenden Stück Geflügel sind nur dann keine Agrarfabriken, wenn die Wirtschaftsweise ihrer Vorstellung entspricht. Aber das ist es doch, was zur Spaltung in unserer Gesellschaft führt. ({3}) Es geht nicht um die Quantität, sondern um die Qualität der Bewirtschaftung. Wenn ein kleiner Betrieb, den Sie nie als „Agrarfabrik“ titulieren würden, nicht ordentlich mit Tieren und nicht ordentlich mit dem Boden umgeht, dann funktioniert die Gleichung „Klein ist gut“ nicht. Deshalb sage ich: Lassen Sie Kampfbegriffe wie „Ackergifte“ und „Agrarfabriken“ weg. ({4}) Wissen Sie, Sie treffen damit auch Ihre Ökolandwirte. Auch die brauchen nämlich Pflanzenschutzmittel; Sie würden es Ackergift nennen. Hören Sie auf, die Landwirtschaft zu spalten. ({5}) Es ist gut, dass nicht die Grünen dieses Ministerium führen. ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen Tierhaltung weiterentwickeln mit den sogenannten Ställen der Zukunft. Es gibt nicht den einen Stall der Zukunft. Wir müssen uns überlegen, was tierwohlgerecht ist, aber nicht vom Bauchgefühl her, sondern durch Bewegungsprofile mithilfe der Digitalisierung. Wer schon in einem entsprechenden Stall war, sieht, wie ruhig Tiere sein können, wenn der Faktor Mensch nicht mehr zu Unruhe führt. Wir geben Geld für die Tierwohlkompetenzzentren aus, um Landwirte über Neuerungen in der Tierhaltung zu informieren. Wir nehmen Geld in die Hand, um ein Tierwohlkennzeichen nach Europarechtskriterien zu etablieren, um am Ende eines zu erreichen, nämlich dass der Verbraucher selbst in die Pflicht genommen wird und auch entscheiden kann, ob er es wirklich ernst meint, für mehr Tierwohl auch mehr Geld ausgeben zu wollen. Bei aller Veränderung brauchen wir auch ein Bekenntnis zu Stabilität und klaren Rahmenbedingungen. Es geht nicht um Forderungen, sofort oder im nächsten Jahr aus etwas auszusteigen. Das schafft kein Landwirt. Nur wer weiß, wo die Reise hingeht, ist auch bereit, zu investieren. Der größte Teil unseres Haushaltes ist ein solches Bekenntnis. Wir planen Ausgaben für die landwirtschaftliche Sozialpolitik in Höhe von sage und schreibe 4,1 Milliarden Euro zur Absicherung von Krankheit, Alter und Unfällen. Das ist eine soziale und eine faire Politik für unsere Landwirtschaft. Das ist ein starkes Signal für unsere Bäuerinnen und Bauern. Auch das Thema Ernährung spielt eine große Rolle. Es gibt so viele Unsicherheiten wie nie, wenn es darum geht, welche Ernährung richtig oder falsch ist. Mein Ziel ist deshalb, Komplexitäten abzubauen und Gesundes zur einfachen Wahl zu machen. Sie wissen: Es läuft derzeit die von der EU-Kommission geforderte Verbraucherbeteiligung zu einer vereinfachten Nährwertkennzeichnung. Ich werde die Ergebnisse vorstellen, wenn sie vorliegen. Es gibt zwei Schwerpunkte im Bereich Ernährung: Zum einen gibt es Aktionen zu den ersten 1 000 Tagen eines Menschen, zur Sensibilisierung, wie gut Stillen ist. Ein zweiter Schwerpunkt sind die Senioren; denn im Alter muss man sich anders ernähren. Wir wollen einen stärkeren Blick auf Senioren richten und erforschen, wie Ernährung und Demenzerkrankungen zusammenhängen, und haben die Vernetzungsstellen für Seniorenernährung ins Leben gerufen. Ich möchte noch etwas zu den ländlichen Räumen sagen. Wir stärken die ländlichen Räume. Wir haben mit der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ unseren „Plan für Deutschland“ vorgelegt. Die Themen Dorferneuerung, Ehrenamt und Digitalisierung stehen im Zentrum. Wir werden den Menschen vor Ort helfen, mit einem Stück weit mehr Hauptamt Ehrenamt zu erhalten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich werden wir uns auch mit unserem Wald beschäftigen. Ich glaube, darüber wird anschließend noch länger und intensiver gesprochen werden. Auch bei diesem Thema müssen wir aus den Ideologien rauskommen. Wir brauchen Wiederbewaldung. Wir haben eine Fläche in der Größe von 3 300 Fußballfeldern allein durch Brände verloren. Zuletzt sind uns 110 000 Hektar Wald durch Dürre, durch Kalamitäten und Borkenkäfer komplett verloren gegangen. Deshalb müssen wir klimastabile Bäume pflanzen, CO2-Binder, Mitkämpfer beim Klimaschutz. Dafür setzen wir uns ein, nicht nur in unserem Klimakabinett, sondern auch beim Verbändegespräch, das wir geführt haben, und beim Waldgipfel. Ich danke allen, die mithelfen, die nicht pauschal von Holzfabriken oder von Holzplantagen reden. Unsere Försterinnen und Förster haben unseren Wald über Jahre und Jahrzehnte kontinuierlich zu einem klimastabilen Mischwald umgebaut; daran müssen wir weiter arbeiten. Wir müssen sie unterstützen und dürfen sie nicht beschimpfen. Herzlichen Dank. ({7})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Der nächste Redner ist der Kollege Wilhelm von Gottberg von der AfD-Fraktion. ({0})

Wilhelm Gottberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004730, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Frau Ministerin Klöckner! Meine Damen und Herren! Keine Frage, Frau Klöckner ist eine hochmotivierte Ministerin, die mit Freude die Leitung ihres Ressorts wahrnimmt. Die Ministerin zählt „zu den umtriebigsten Kabinettsmitgliedern“, so die „FAZ“ vor einigen Wochen. Ihr voller Terminkalender ist sicherlich der Tatsache geschuldet, dass sie sich selbst eine hohe Leistungsvorgabe gestellt hat. Das ist nachzulesen in ihrer Berliner Rede, die sie zum Erntedankfest 2018 gehalten hat. Unabhängig von dieser Rede haben Frau Klöckner und ihr Haus viele Vorschläge und Initiativen angeregt oder auf den Weg gebracht. Frau Klöckner, beherzigen Sie ein wenig die alte menschliche Erfahrung „Weniger ist mehr“ oder, schärfer formuliert: Aktivitäten sind noch keine Effektivitäten. Viele Ihrer guten Ideen versanden oder werden bedauerlicherweise auf die lange Bank geschoben. Beispiele: Problem Wolf. Er gehört zwar nicht zu Ihrem Ressort, aber die negativen Folgen dieser Raubtiereinbürgerung haben ausschließlich die Menschen in Ihrem Verantwortungsbereich zu tragen. Setzen Sie sich bitte dafür ein, dass auch in Deutschland eine Höchstzahl für die Wolfspopulation festgelegt wird. Die Reduzierung der ersten Säule der GAP schon im Haushaltsjahr 2020 zugunsten der zweiten Säule, wie kürzlich wohl im Kabinett beschlossen, findet nicht unsere Zustimmung. Was ist mit der Verschärfung der Düngeverordnung? Sie waren kürzlich diesbezüglich in Brüssel. Es kann nicht das Ziel Ihrer Politik sein, eine weitere Verschärfung der Düngeverordnung zu akzeptieren. Klug wäre es, die Auswirkungen der Düngeverordnung von 2017 bis zum Jahre 2021 abzuwarten. Es ist gut möglich, dass dann erkennbar wird, dass die jetzt geltende Düngeverordnung hinsichtlich der Nitratbelastung des Grundwassers ausreicht. ({0}) Wie weit sind Sie mit Ihrer wichtigen Initiative zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung? Frau Ilse Aigner, Agrarministerin von 2008 bis 2013, hat sich an dieser Mammutaufgabe schon versucht, ohne Erfolg. Die letzte Frist, in der die betäubungslose Ferkelkastration erlaubt ist, läuft rapide ab. Was haben Sie für die Ferkelproduzenten in der Schublade? Beenden Sie die Kakofonie in den eigenen Reihen hinsichtlich des Tierwohllabels! Seit zwei Jahren wird Geld in die Hand genommen, um ein Label auf freiwilliger Basis einzuführen. Jetzt wird plötzlich von Teilen der Koalition ein verpflichtendes Label gefordert. Das kann es nicht sein. Ein ganz wichtiger Punkt: Die Ministerin wollte sich mit Nachdruck dafür einsetzen, dass auch für das Risiko Trockenheit der ermäßigte Versicherungssteuersatz in Höhe von 0,03 Prozent der Versicherungssumme zum Tragen kommt. Wie weit ist die Angelegenheit gediehen? Frau Klöckner, ist es nicht auch an der Zeit, von der Ernährungsministerin ein deutliches Wort zu den Forderungen aus dem Ökospektrum hinsichtlich der Halbierung oder gänzlichen Eliminierung des Fleischkonsums einzufordern? Derzeit sollte der Burn-out des Waldes ganz oben auf Ihrer Agenda stehen. Es handelt sich um eine Jahrhundertkatastrophe, so die Einschätzung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände. Hier hat es an einem frühzeitigen Hilfsprogramm für den deutschen Wald durch das Landwirtschaftsministerium gefehlt. Die Herren von der Marwitz und Schirmbeck – beiden wird man ihre Kompetenz für den Wald nicht absprechen können – haben auf einer Pressekonferenz am 28. August 2019 ein Hilfsprogramm für den notleidenden deutschen Wald gefordert. Für das Herausschaffen des Windwurf- und Käferholzes sowie die Wiederaufforstung der Kahlflächen seien 2,3 Milliarden Euro erforderlich. Einen Tag später hat dann Frau Klöckner bei einem Fachgespräch mit den Forstverbänden eine halbe Milliarde Euro aus dem Klimaschutzfonds in Aussicht gestellt. Immerhin! Gleichzeitig hat sie ein umfangreiches Wiederaufforstungsprogramm für 110 000 Hektar Kahlfläche angekündigt. Das ist sehr gut und aus Klimaschutzgründen dringend geboten. Frau Ministerin, Sie benutzen bei Ihren Ankündigungen immer recht zahlreich den Begriff „Nachhaltigkeit“. Tragen Sie doch bitte dafür Sorge, dass Ihre Ankündigungen nachträglich auch umgesetzt werden. Wie schon bei den Beratungen zum Haushalt 2019 wiederhole ich hier für das Zahlenwerk 2020 meine grundsätzliche Kritik: Die haushaltspolitischen Grundsätze Wahrheit und Klarheit sowie Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit haben bei dem vorliegenden Entwurf keine Beachtung gefunden. Einige Beispiele: Für das Deutsche Zentrum für Ernährungsforschung werden 2,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Dieser Titel wurde neu geschaffen. Eine sparsame Haushaltsführung gebietet es, diesen Titel zu streichen. Die Personalausgaben für die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung weisen gegenüber dem Vorjahreshaushalt einen Aufwuchs von 15 Millionen Euro aus. Bei den Mitteln für Aufträge und Dienstleistungen im Bereich der Informationstechnik wird eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 300 Prozent vorgesehen. Beim Friedrich-Loeffler-Institut gibt es einen Aufwuchs der Mittel für die Personalbesoldung um 6 Millionen Euro. Offenbar ist hier auch eine neue B-3-Stelle geschaffen worden. Warum, und für wen? Beim Deutschen Biomasseforschungszentrum wird einem Stelleninhaber neben dem beträchtlichen B-2-Gehalt eine besondere persönliche Zulage von monatlich 1 050 Euro gewährt. Dafür heben wir nicht die Hand. Es ist geboten, bei den Personalaufwendungen genau hinzuschauen. Die Erhöhungen gelten ja nicht nur für dieses Haushaltsjahr, sondern für die gesamte Beschäftigungszeit.

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Wilhelm Gottberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004730, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ja. – In der zweiten Lesung werden wir uns mit dem Zahlenwerk noch näher befassen. Die AfD wird ihr Votum zum Haushalt davon abhängig machen, wie die Koalition mit unseren Änderungsanträgen umgeht. Danke. ({0})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Der nächste Redner: Dr. Matthias Miersch für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Matthias Miersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003809, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Haushaltsdebatte bietet immer auch die Möglichkeit, Grundsätzliches zu sagen. Deswegen möchte ich meine drei Minuten darauf verwenden, Ihnen, Frau Ministerin, zu sagen, dass wir in Bezug auf Ihr Vorgehen einen handfesten und sehr grundsätzlichen Dissens haben. Ich will Ihnen das sehr deutlich an dem Beispiel der 20 Millionen Euro schildern, die im Haushalt, den wir hier heute beraten, für die Einführung eines Tierwohllabels vorgesehen sind. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass die Grabenkämpfe zwischen den Fronten beendet werden müssen und die Landwirte nicht Zielscheibe sein dürfen, sondern dass wir einen gesellschaftlichen Grundkonsens darüber brauchen, wie die Nutztierhaltung in Deutschland gestaltet werden soll. Das, was wir in der Kohlekommission geschafft haben, könnten wir auch schaffen, wenn wir die Borchert-Kommission ernst nähmen, die wir zusammen auf den Weg gebracht haben. ({0}) Verbraucherinnen und Verbraucher, Landwirte und Tierschutzorganisationen sitzen dort zusammen und machen sich Gedanken darüber, wie die Tierhaltung in den nächsten 10, 20, 30 Jahren in Deutschland gestaltet werden soll. Ein entsprechendes Ergebnis würde Planungssicherheit bringen. ({1}) Dieser Ansatz, Frau Kollegin Klöckner, ist für uns essenziell: zusammen und nicht gegeneinander. ({2}) Das beinhaltet aber, dass man diese Kommission ernst nimmt und auf das Ergebnis wartet. ({3}) Sie wollen jetzt, anscheinend aus purem Aktionismus, ein Tierwohllabel einführen, bei dem wir Parlamentarier nicht wissen, nach welchen Kriterien es vergeben werden soll; denn diese Kommission arbeitet ja noch, und wir als SPD-Bundestagsfraktion wollen sie sehr ernst nehmen. Darüber hinaus wollen Sie das Ganze wieder nicht verpflichtend einführen. Liebe Frau Ministerin, wir haben in den letzten Jahren schon sehr viel Hochglanz in Ihrem Haus erlebt. Substanz war an vielen Stellen nicht zu spüren. Was wir im Augenblick im Bereich „Wald und Landwirtschaft“ erleben, hängt auch damit zusammen, dass es immer große Worte, aber nur wenige Taten gegeben hat, durch die Nachhaltigkeit tatsächlich gelebt und umgesetzt wurde. ({4}) Hier, liebe Frau Kollegin Klöckner, wird es einen Dissens zwischen Parlament und Regierung geben, den wir auflösen müssen. Es ist ein sehr entscheidender Dissens darüber, wie wir Politik gemeinsam gestalten; denn aus meiner Sicht und aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion werden wir die großen gesellschaftspolitischen Herausforderungen nur in einem Diskurs lösen können, der in einer Form von Verbindlichkeit mündet, auf die sich alle Verbraucherinnen und Verbraucher verlassen können. Eine Schaumschlägerkennzeichnung bringt niemanden in diesem Land weiter, die Landwirte nicht und die Verbraucher auch nicht. ({5}) Insofern haben wir einiges miteinander zu diskutieren. Ich freue mich auf die Diskussionen. Vielen Dank. ({6})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Für die FDP-Fraktion hat das Wort die Kollegin Ulla Ihnen. ({0})

Ulla Ihnen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004765, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in erster Lesung über den Etat der Landwirtschaftsministerin. Sie hat es schon erwähnt: Gut 6,5 Milliarden Euro befinden sich in ihrem Haushalt. Das ist etwas mehr als im letzten Jahr. Dieser Aufwuchs kommt vor allem der Alterssicherung der Landwirte zugute. Land- und Forstwirtschaft sehen sich ja zahlreichen Herausforderungen ausgesetzt; das haben wir schon in den wenigen Beiträgen hier gehört. Deswegen glauben wir Freie Demokraten: Die Politik steht in der Pflicht, auch mit dem Haushalt einen Rahmen zu setzen, damit die Branche gut und zukunftssicher wirtschaften kann. Doch das haben Sie, Frau Ministerin, bislang nicht geschafft. Beispielsweise haben Sie sich beim Disput um die Düngeverordnung keine Freunde in der Landwirtschaft gemacht und darüber auch in Ihrer Rede kein Wort verloren. Für die Landwirte werden die Maßnahmen zur Nitratreduzierung langsam zur Quadratur des Kreises. Hier stehen Existenzen auf dem Spiel, weil die Bundesregierung in Brüssel nicht mehr erreichen konnte. Die Rechnung zahlt am Ende der Berufsstand. ({0}) Das ist vor allem kein gutes Zeichen für junge Menschen, die sich trotz der fast widrigen Bedingungen ganz bewusst für die Landwirtschaft entscheiden. Nun haben Sie es mit dem Agrarpaket auch noch geschafft, dass bundesweit Landwirte mit grünen Kreuzen stumm gegen Sie und Ihre Politik protestieren. Unter dem Agrarpaket leidet der gesamte ländliche Raum, der ja für die Große Koalition anfangs eine hohe Priorität hatte. 1,5 Milliarden Euro für die ländliche Entwicklung wurden zum Antritt der Bundesregierung versprochen. Die Stärkung der ländlichen Räume und Gebiete wäre ja auch dringend geboten. Wer sich diese prioritär genannten Ausgaben für den ländlichen Raum aber genauer ansieht, wird enttäuscht. Wirkungslose und seit Jahrzehnten nicht zielgerichtet wirkende Subventionen werden einfach als zusätzliches Geld für den ländlichen Raum umetikettiert. Auch für das schon diskutierte freiwillige und auch aus unserer Sicht unnötige zusätzliche Tierwohllabel zahlt die Landwirtschaft einen hohen Preis; denn auch diese Ausgaben zählen zu den 1,5 Milliarden Euro für den ländlichen Raum. Das hat für mich ein bisschen was von einer Fata Morgana. ({1}) Wir Freien Demokraten sind der Auffassung, dass man Land- und Forstwirten endlich Raum geben muss, ihre Aufgabe eigenverantwortlich und auch unabhängiger auszuüben. Schließlich haben sie als die Produzenten unserer Lebensmittel auch wirklich große Verantwortung. Zum eigenverantwortlichen Wirtschaften gehört konsequenterweise auch die Möglichkeit für die Betriebe, Risikoausgleichsrücklagen zu bilden, um schlechte Wirtschaftsjahre durch frühere Gewinne ausgleichen zu können. Das, liebe Frau Ministerin, sollte ebenfalls schnellstmöglich in Angriff genommen werden. ({2}) Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, in Ihrem Haushalt, Frau Ministerin, gibt es immer noch vieles, was nicht zielgerichtet wirkt. Das Bundesprogramm Ländliche Entwicklung wird nicht annähernd ausgeschöpft. Die Fördermittel für den Ökolandbau verpuffen einfach. Man sagt ja so schön: Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Den Mut, Subventionsabbau anzugehen und durchzusetzen, bleiben Sie bisher einfach schuldig. Sie setzen mit dem Haushalt auf das Prinzip Hoffnung. Aber den Plan dahinter sehe ich nicht. Ich kann ihn in den Zahlen bislang nicht erkennen. Zum Schluss möchte auch ich noch auf das Thema Wald eingehen. Dem Wald in Deutschland geht es nicht gut. Mancherorts stirbt er regelrecht ab. Da haben wir einen alarmierenden Zustand; das weiß jeder. Für Land- und Forstwirtschaft werden zu viel Sonne und zu wenig Niederschlag zur Existenzbedrohung. Der Sommer ist vorbei, aber die Bundesregierung lässt uns bis heute auf das Klimapaket und auf die Hilfe für die Wald- und Forstbesitzer warten. Doch die Forstwirtschaft dürfen wir doch gerade jetzt nicht alleine lassen. Unserem Wald kommt beim Klimaschutz gerade als CO2-Senke eine besondere Rolle zu. Deshalb meine ich, dass Sie auch prüfen müssen, ob nicht die Absorption von CO2 innerhalb des künftigen Klimapaketes vergütet werden müsste. ({3}) Meine Damen und Herren, gerade Forschung und Entwicklung wie auch die Digitalisierung müssen wir jetzt stärken, um Innovationen in der Land- und Forstwirtschaft in der Praxis anwendbar zu machen. Ich möchte an Roman Herzog erinnern. Er hat einst gesagt: ({4}) Die Fähigkeit zur Innovation bestimmt unser Schicksal. – Wir Freien Demokraten würden uns gerne als Serviceopposition in diesem Sinne dafür einsetzen, mutig und innovativ diese Herausforderungen zu meistern. Vielen Dank. ({5})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Heidrun Bluhm-Förster, Fraktion Die Linke. ({0})

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie kennen mich ja schon einige Zeit. Ich werde nicht müde, zu betonen, dass die Agrar- und Landwirtschaftspolitik ohne Zusammendenken mit der Wirtschafts- und Umweltpolitik heute nicht mehr möglich ist. Jedes aufmerksame Beobachten des Strukturwandels im ländlichen Raum lässt dies offenkundig werden. Die Frage, wie nachhaltig Agrarbetriebe heute wirtschaften und wie die gesamte Ernährungsindustrie funktioniert, ist sowohl eine Gewissens- als auch eine politische Frage, die vernünftigerweise auch durchdachte Antworten von uns Politikerinnen und Politikern einfordert. ({0}) Und da gehen die Meinungen aus unserer Sicht noch zu weit auseinander. Bezeichnend ist der Etatentwurf des BMEL für 2020, der sich weder in seiner Größenordnung noch in seiner Stoßrichtung im Vergleich zu vergangenen Haushalten wesentlich verändert hat. Schon im letzten Jahr habe ich an dieser Stelle kritisch angemerkt, dass die seinerzeitigen 6,3 Milliarden Euro des Einzelplans für Ernährung und Landwirtschaft kein Budget eines Weiter-so sein dürfen und dass die Gelder, die wir auch über die EU in die Agrarwirtschaft stecken, nicht zur Stabilisierung des Status quo verschwendet werden sollten. Nun ist es dem Entwurf zufolge mit wenig mehr als 6,5 Milliarden Euro und kaum signifikanten Änderungen in den Einzelposten doch leider wieder genau das geworden. Die viel diskutierten notwendigen Veränderungen in der Landwirtschaft bleiben dabei aus unserer Sicht weitgehend auf der Strecke. Nach wie vor ist die Linke der Überzeugung, dass die dringenden Reformvorhaben in der Debatte um die Neuordnung der kompletten Agrarförderung in der Gemeinsamen Agrarpolitik auf EU-Ebene und auch unter deutscher Beteiligung an der Gemeinschaftsaufgabe weitaus größere Anstrengungen einfordern, als es die Bundesregierung umzusetzen vermag. ({1}) Es geht dabei nach wie vor unter anderem darum, wie wir die agrarpolitischen Leistungen für das Gemeinwohl und ihre Effekte für den sozialökologischen Umbau der Landwirtschaft in Zukunft gerecht honorieren, statt öffentliche Gelder bedingungslos und undifferenziert in die Fläche zu verteilen. Bei der Förderung von Unternehmensgründungen und von Start-ups im ländlichen Raum dürfen sich die zuständigen Ministerien aber auch nicht im Wege stehen, sondern müssen eine gemeinsame Strategie entwickeln. Hier erwarte ich auch vom Wirtschaftsministerium eine stärkere Konzentration auf den ländlichen Raum. Das habe ich Herrn Altmaier heute Mittag in der Etatberatung auch schon mit auf den Weg gegeben. ({2}) Meine Damen und Herren, wenn wir uns den Haushaltsplan des Ministeriums genauer anschauen, dann fällt auf, dass es eine Steigerung um 50 Millionen Euro im Sonderrahmenplan Förderung der ländlichen Entwicklung im Rahmen der GAK geben soll. Wofür diese Mehrausgabe aber eingesetzt werden soll, bleibt das Geheimnis der Ministerin. Hier fordern wir Linken zum einen Transparenz bei der Mittelvergabe und bitten, dies auch den Abgeordneten des Parlaments mitzuteilen – vielleicht wissen die Koalitionäre mehr, aber wir wissen nichts –, und zum anderen brauchen wir ein definitives Umsteuern in der Förderpolitik insgesamt. ({3}) Unsere Maxime lautet: öffentliches Geld für öffentliche Leistungen. Nicht weniger auffällig ist die Reduzierung der Gelder im Bereich nachwachsender Rohstoffe um mehr als 10 Millionen Euro, wovon aber neben Forschung und Entwicklung selbst der Aufbau von Produktlinien und der Bereich von der Erzeugung bis zur Verwendung nachwachsender Rohstoffe betroffen sind. Auch die Position „Energieeffizienz in Landwirtschaft und Gartenbau“ scheint nicht mehr so förderungswürdig zu sein; denn ein Großteil der Mittel ist im Haushalt 2019 bisher gar nicht abgerufen worden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, allen Unkenrufen zum Trotz sind doch Ansätze zum ressortübergreifenden Handeln vorhanden. Die Ministerin hat für Ende September 2019 zum Nationalen Waldgipfel eingeladen, der nach eigener Aussage in Zusammenarbeit mit den Bundesländern ein Ergebnis- und Tatengipfel werden soll. In Anbetracht der großen Probleme, Schäden und Kalamitäten der Waldflächen ist das sicherlich ein hehrer Anspruch, dem nun natürlich auch Taten folgen müssen. Zahlen dazu findet man im Haushalt 2020 allerdings noch nicht. Interessanterweise hat das Umweltministerium vor einiger Zeit Leitlinien für die Wiederbewaldung in Deutschland vorgestellt und sich dabei konkret auf das Wiederbewaldungsprogramm des BMEL bezogen. Außerdem wird darin ein Paradigmenwechsel im Wald zur Sicherung ökologisch hochwertiger Waldökosysteme dargestellt. Jetzt muss nur noch die Waldwirtschaft mit ins Boot. Dann könnte man sagen: Na, geht doch. Die Linke erwartet, dass mit politischer Vernunft und sozialökologischer Weitsicht endlich zielgenaue Maßnahmen ergriffen werden. ({4}) Wenn Sie unseren Antrag vom Mai 2019 auf Einrichtung eines Nothilfefonds hervorholen, dann wissen Sie jetzt schon, was Sie im September auf Ihrem Waldgipfel beschließen müssen. ({5}) Ich freue mich jedenfalls auf die Ergebnisse und bin gespannt, ob unsere Vorschläge Eingang finden. Herzlichen Dank. ({6})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Der nächste Redner: Dr. Tobias Lindner, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Dr. Tobias Lindner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004217, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern war hier in Berlin seit Langem wieder ein Tag, wo es nahezu durchgeregnet hat. Das mag einen persönlich nicht unbedingt erfreuen, wenn man zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs ist. Aber seien wir doch ehrlich: Solche Tage hätte es in diesem Jahr, in diesem Sommer mehr gebraucht. Wenn wir uns die Debatte von vor einem Jahr in Erinnerung rufen, nachdem wir ebenfalls einen Dürresommer hatten: Da standen viele an diesem Pult – Sie auch, Frau Ministerin – und haben diskutiert, was man alles tun könnte, tun müsste. Sie hätten in den letzten zwölf Monaten die Gelegenheit dazu gehabt. ({0}) Leider trägt dieser Etatentwurf eine große Überschrift, und die lautet: hätte. Dieser Etatentwurf, so wie Sie ihn uns heute vorlegen, ist ein Weiter-so. Das ist kein Aufbruch. Das ist eine Wette auf übermorgen, die Sie hier abschließen; das ist kein Handeln im Jetzt. ({1}) Um es klar und deutlich zu sagen: Den Landwirtinnen und Landwirten, auch den Forstwirtinnen und Forstwirten, die unter diesem Sommer leiden mussten, die Verluste und Schäden erlitten haben, müssen wir helfen, wenn sie Hilfe brauchen. Aber genauso klar muss doch sein: Wer Hilfe in Anspruch nimmt, der muss bereit sein, nicht nur an der Symptombekämpfung mitzuwirken, sondern auch an der Ursachenbekämpfung. ({2}) Dazu braucht es ein Umsteuern sowohl in der Landwirtschaft als auch im Wald. ({3}) Ich habe Ihnen sehr genau zugehört, Frau Klöckner, und fand es schon interessant, dass Sie fast die Hälfte Ihrer Redezeit darauf verwendet haben, über eine Spaltung zu sprechen und darüber, dass es unsere Ökobauern seien. Vielen Dank für das Kompliment! Aber ich nehme Ihre Aufgabe als Ministerin durchaus so wahr, dass es auch Ihre Bäuerinnen und Bauern sind, um die Sie sich genauso zu kümmern haben. ({4}) Ich habe den Eindruck, Sie machen hier eine Politik, mit der Sie niemandem wehtun wollen, mit der Sie es allen recht machen wollen. In Ihrem Haushalt legen Sie an der ein oder anderen Stelle ein klein wenig drauf. Aber neue Schwerpunkte, ein Umsteuern, dass Sie sagen: „Da muss sich etwas ändern; da schichten wir um“, sucht man in Ihrem Haushalt vergebens, Frau Ministerin. ({5}) Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann zeigt das doch: Sie werden den Herausforderungen, vor denen wir stehen, nicht gerecht. Sie bekommen im kommenden Jahr zwar 194 Millionen Euro mehr; das liest sich auf den ersten Blick gut. Was Sie auch erwähnen müssen, ist, dass Ihnen der gleiche Finanzminister eine globale Minderausgabe – für die Zuschauerinnen und Zuschauer an den Fernsehgeräten: Sie müssen im Vollzug diesen Betrag einsparen, das heißt weniger ausgeben – von 110 Millionen Euro reingedrückt hat. Dann bleiben nach Adam Riese 84 Millionen Euro. Zieht man davon noch die 70 Millionen Euro ab, die notwendigerweise in die Alterssicherung der Landwirte gehen müssen, bleiben Ihnen ganze 14 Millionen Euro in einem Milliardenetat, um die Herausforderungen der Zukunft wie Klimakrise, bessere Ernährung und mehr Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu meistern. Das wird Ihnen mit diesem Ansatz vorne und hinten nicht gelingen, Frau Ministerin. ({6}) Noch ein Wort zu einer weiteren netten Überschrift, die man im Haushaltsplan findet – es ist auch schon angesprochen worden –: Tierwohl-Label. Da denkt man, es könnte den Tieren bessergehen, wenn dieses Label käme. Mein Eindruck ist: Das Ganze ist irgendwie wieder Ausdruck einer Veranstaltung, wo man es allen recht machen und niemandem wehtun will: ein freiwilliges Tierwohl-Label, wo sich Anbieter rausziehen können, indem sie sagen: „Ich will da nicht drunterfallen“, mit Kriterien, die am Ende vielleicht niemand richtig durchblickt, sodass am Ende des Tages Verbraucherinnen und Verbraucher im Biomarkt, im Supermarkt, an der Theke oder sonst wo stehen, auf irgendein Label blicken, wenn überhaupt eines da ist, und gar nicht transparent durchschauen können: Unter welchen Bedingungen ist denn dieses Tier aufgewachsen und gehalten worden? Nein, das ist kein Ansatz, der den Tieren hilft, und es ist kein Ansatz, der den Verbraucherinnen und Verbrauchern hilft, Frau Ministerin. ({7}) Wenn Sie es wirklich ernst meinen mit mehr Transparenz, wenn Sie es wirklich ernst meinen mit mehr Wettbewerb um Tierwohl, dann brauchen Sie eine verpflichtende Kennzeichnung über die Haltungsbedingungen, so wie wir Grüne es seit Jahren fordern. ({8}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben spannende Haushaltsberatungen vor uns, die zeigen werden, ob es wirklich bei homöopathischen Dosen von 14 Millionen Euro – hier ein bisschen, da ein bisschen – bleibt. Wir haben Haushaltsberatungen vor uns, bei denen Sie die Frage beantworten müssen, ob Sie wirklich umsteuern wollen, ob Sie Leuten die Botschaft vermitteln wollen „Da muss sich was ändern; wir nehmen euch mit, aber wir erwarten, dass ihr mitmacht“ oder ob alles bleiben soll wie bisher. Wir Grüne werden Vorschläge machen, wie wir jetzt handeln können, wie wir jetzt umsteuern können, wie wir jetzt für mehr Verbraucherschutz und für das Tierwohl arbeiten können. Wir sind gespannt auf Ihren Umgang damit. Herzlichen Dank. ({9})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Gitta Connemann, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bauernkind – das bin ich, das sind mein Vater, mein Bruder und Generationen vor uns. Meine Familie steht für das tägliche Brot, für das Leben in der Natur, für eine Berufung. Bauern denken nicht in Zehnjahresplänen, sondern in Generationen. Sie übernehmen Verantwortung für ihr Land, ernähren die Menschen, und deshalb haben sie Recht auf unser Vertrauen, Recht auf Respekt, Recht auf Achtung ihres Eigentums. ({0}) Heute haben sie Existenzangst. Seit 1990 mussten 57 Prozent der Höfe aufgeben – jeder zweite. Sie kapitulierten – vor Niedrigpreisen, teurer Fläche, Bürokratie. Der Rest steht heute auch an der Wand. Der Handel führt einen grausamen Preiskampf. Notfalls kommt die Ware eben aus dem Ausland. Wie dort produziert wird, interessiert kein Schwein. Der Verbraucher erwartet Höchstleistungen für Tiefstpreise. Der Grill darf etwas kosten, aber das Fleisch darauf nicht. Medien und Öffentlichkeit sehen in der Landwirtschaft den Sündenbock der Nation: Klimakiller, Wasservergifter, Insektentöter. ({1}) Jeder verlangt etwas von ihnen, ohne zu wissen, wie es geht. Den Preis zahlen die Bauern, ihre Familien, das Land, am Ende wir alle. Denn was wären wir ohne Höfe? Aber zur Wahrheit gehört: Sie fühlen sich vom Markt zerrieben, von der Gesellschaft geächtet, von der Politik verlassen. Ja, Politik. Hier müssen endlich alle realisieren: Höfe sind Betriebe. Sie müssen produzieren, was der Markt verlangt, und das ist nicht 100 Prozent Öko. Bio lässt sich nicht politisch verordnen, liebe Grüne; das ist gerade in Schweden gescheitert. ({2}) Unsere Bauern brauchen keinen staatlichen Vormund, sie brauchen einen fairen Rahmen. ({3}) Lieber Matthias Miersch, du hattest über Dissens gesprochen. An dieser Stelle haben wir einen Dissens mit dem Bundesministerium für Umwelt, wegen seines Aktionsprogramms Insektenschutz. Bislang ist es nur eine Absichtserklärung. Aber die Stoßrichtung von Ministerin Schulze lässt Landwirte gerade verzweifeln, und ich verstehe sie; denn es droht Enteignung durch die Hintertür. ({4}) So sollen zum Beispiel artenreiches Grünland und Streuobstwiesen unter Schutz gestellt werden: ({5}) raus aus der Bewirtschaftung ohne Entschädigung für die Bauern. Hier ist die Grenze überschritten! ({6}) Denn erst dank der Pflege durch Generationen von Landwirten ist diese Vielfalt überhaupt erst entstanden. Meine Fraktion weiß: Artenschutz geht nur mit Landwirtschaft. Vertragsnaturschutz ist der einzig richtige Weg. Dafür brauchen wir mehr Geld. Das sagt selbst das Bundesamt für Naturschutz. Für meine Fraktion ist darüber hinaus klar: Es darf keinen Eingriff ohne Ausgleich geben! ({7}) Noch eines: Insekten sind nicht nur die Bienen, sondern auch die Kirschessigfliege, der Borkenkäfer, der Eichenprozessionsspinner. Sie zerstören Weinberge, Obstplantagen und auch Wälder oder machen krank. Deshalb muss Pflanzenschutz möglich bleiben, auch in FFH-Gebieten – ideologiefrei. ({8}) Ich kenne keinen Bauern, der Natur und Schöpfung mit Füßen tritt. Der öffentliche Eindruck ist aber – manchmal auch gewollt – ein anderer, gerade wenn es um Tierhaltung geht. Ich danke Julia Klöckner. Sie hat Jochen Borchert beauftragt, den Weg für die künftige Nutztierhaltung aufzuzeigen. Tierhalter brauchen Planungssicherheit. Die Gesellschaft muss sich festlegen: Welche Tierhaltung wollen wir in Zukunft, und was sind wir dafür zu zahlen bereit? Wir brauchen diesen Gesellschaftsvertrag, bindend für alle, über Wahlperioden hinweg. ({9}) Viele kennen Bauer Willi. Gegenwärtig sieht er nur noch zwei Alternativen für die Landwirtschaft: entweder Abwicklung – sozialverträglich wie beim Kohleausstieg – oder Überlebenskampf. Ich bin froh, dass er sich mit anderen dafür entschieden hat, zu kämpfen, mit einem grünen Kreuz, einer Mahnung an uns alle. Diese Rede ist für mich ein grünes Kreuz: Unsere Landwirtschaft hat ihren Wert, sie ist unverzichtbar. ({10}) Dafür werden wir kämpfen. Dafür gebe ich Ihnen mein Wort als Bauernkind. ({11})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Für die AfD-Fraktion hat als Nächste das Wort die Kollegin Dr. Birgit Malsack-Winkemann. ({0})

Dr. Birgit Malsack-Winkemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004813, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Verehrter Präsident! Werte Kollegen! Ein neuer Haushalt Ernährung und Landwirtschaft – alte Probleme. Ausgangssituation ist, dass die Förderung der Landwirtschaft im Wesentlichen durch EU-Agrarsubventionen – circa 58 Milliarden Euro für die EU-Staaten jährlich – erfolgt, fast 40 Prozent des EU-Haushalts. Dazu kommen seitens des Bundes in 2020 965 Millionen Euro für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, einschließlich 200 Millionen Euro für den Sonderrahmenplan „Förderung der ländlichen Entwicklung“. Wer erhält das Geld? Wie nachhaltig ist die deutsche Landwirtschaft? Forscher durchleuchteten für den Bundestag das System und fragten, über welche Daten die Politik verfügt. Das Ergebnis ist niederschmetternd: massive Nachhaltigkeitsdefizite auf allen Ebenen. Die ökologische Nachhaltigkeit habe sich sogar verschlechtert, urteilten Experten, wie in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 12. Juli 2019 zu lesen war. Danach steige der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die Artenvielfalt nehme ab, die Abhängigkeit von Futterimporten wachse. Intensive Formen der Nutztierhaltung ohne Auslauf nehmen zu, und immer häufiger werden Nutztiere einseitig auf hohe Leistung getrimmt. Eine einzige Katastrophe! Ist das das Ergebnis einer seit über einem Jahrzehnt angeblich so fabelhaft ökologischen Landwirtschaftspolitik der CDU, Frau Klöckner? Und es geht weiter; denn die sozialen und ökonomischen Folgen entsprechen dem ökologischen Desaster. Die Landwirtschaft verzeichnet wie fast alle anderen Schlüsselbranchen Arbeitsplatzverluste in großem Stil. Allein von 2012 bis 2017 sank die Rinderhaltung um 18 Prozent, der Milchkuhbetrieb um 28 Prozent, und die Schweinehaltung hat sich zwischen 2007 und 2016 sogar halbiert. Viele Bauern beklagen finanziellen Druck, und viele wollen umsteuern, doch die Mittel fehlen. Verbraucher in Deutschland wollen gesunde Ökolebensmittel aus der Region, doch Bauern finden kaum Hilfe bei der Umstellung ihrer Höfe auf Biohöfe. ({0}) Deutschland liegt beim Ökolandausbau weit hinter anderen europäischen Ländern. 20 Prozent bis 2030 haben Sie angepeilt. Und wo liegen wir, Frau Ministerin? Zwischen lächerlichen 7 und 9 Prozent. Und was tun Sie, Frau Klöckner? Sie versprechen zwar, dass Sie Umweltbelange in Zahlungen aus Europa berücksichtigen wollen, und behaupten, dass Sie mit der sogenannten Umverteilungsprämie kleinere und mittlere Betriebe fördern, doch in Wahrheit fördern Sie – gerade mit Ihrem System der Umverteilungsprämie – Industrielobbyismus und damit weiteres Höfesterben. ({1}) Denn mit der Umverteilungsprämie werden in Deutschland die ersten 46 Hektar eines Betriebes stärker gefördert als die folgenden, und das mit insgesamt sage und schreibe 2 000 Euro jährlich. Mit dieser lächerlichen Summe von 2 000 Euro pro Jahr erhalten Sie nachweislich nicht einen einzigen Arbeitsplatz. Deutschland könnte hier mehr tun. Die EU-Regeln erlauben, bis zu 30 Prozent der Direktzahlungen der EU an kleine Betriebe umzuverteilen. Das fordern wir, die AfD, die einzige Alternative für Deutschland. ({2}) Tatsächlich sind es nur 7 Prozent, Frau Ministerin, und das unter Ihrer Verantwortung. Dazu schützen Sie mit Ihrer Umverteilungsprämie von lächerlichen 2 000 Euro die Großbetriebe Deutschlands. Denn auf der Agrarministerkonferenz Ende März/Anfang April in Brüssel wurde beschlossen, dass jeder Mitgliedstaat, der etwas Geld für die ersten Hektar umverteilt, gerade keine Kappung bei Zahlungen ab 100 000 Euro zu befürchten hat. Sie, Frau Ministerin, wissen ganz genau, dass ein Fünftel der Agrargelder in Deutschland an nur 1 Prozent der Betriebe geht, 80 Prozent der Gelder an nur 20 Prozent. So kassierte Südzucker 2016 Subventionen in Höhe von 1,82 Millionen Euro bei einem Gewinn in den letzten beiden Geschäftsjahren von 300 Millionen Euro. Und Sie, Frau Klöckner, manifestieren dieses gesamte marode System und seinen unerträglichen Bürokratismus mit Ihrer lächerlichen Umverteilungsprämie und lassen sich für diesen handfesten Skandal, der unsere Landwirte ruiniert, sogar noch feiern. Zugrunde liegt dem allem das Prinzip „Mehr Geld für mehr Fläche“. Es führt dazu, dass europaweit Kleinbauern ihre Höfe aufgeben. Allein zwischen 2005 und 2016 wurden knapp 30 Prozent aller Betriebe mit verfehlter Landwirtschaftspolitik quasi staatlich eliminiert. So geht es nicht weiter, Frau Ministerin. Wie wäre es damit, die Arbeitsplatzanzahl eines Betriebs oder ökologische Tierhaltung und Tierschutz zu honorieren und den dürregeschädigten Wald unserer Heimat aufzuforsten, anstatt mit für den Sondermüll bestimmten ineffizienten Windrädern den Wald weiter abzuholzen? ({3}) Das fordern wir, die AfD, die einzige Alternative für Deutschland. Stattdessen fördern Sie in der Art eines nicht mehr zu toppenden Industrielobbyismus Großbetriebe, wenn Sie fordern, dass ein Betrieb pro Hektar Fläche nur zwei Großvieheinheiten halten darf, also 2 Kühe oder 20 Schafe. An der Landwirtschaft verdienen Düngemittel- und Saatguthersteller, die Ernährungsindustrie und vor allem Marketingfirmen in großem Stil, nur nicht unsere deutschen Landwirte. Unsere Landwirte müssen wegen immer höherer Auflagen täglich um ihr Überleben kämpfen. Aber mit Industrielobbyismus, gespickt mit vergifteten Zuckerstückchen wie der Umverteilungsprämie, lebt es sich viel leichter, nicht wahr, Frau Klöckner? Genau diese Politik wird den Niedergang Ihrer Parteien an den Wahlurnen sichern, und dafür dankt Ihnen die kommende Volkspartei, die einzige Alternative für Deutschland, die AfD. Danke schön. ({4})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Der nächste Redner ist der Kollege Dirk Wiese, SPD-Fraktion. ({0})

Dirk Wiese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer in den letzten Tagen und Wochen, wie es viele gemacht haben, in den Wäldern seines Wahlkreises unterwegs gewesen ist, der hat die katastrophale Situation, der hat die immer deutlicher werdenden Folgen des Klimawandels, der hat die Folgen von Trockenheit gesehen. Die anschaulichste Folge, die wir momentan erleben, ist die Ausbreitung des Borkenkäfers. Dies stellt die Waldeigentümer, die Waldbesitzer, vor enorme Herausforderungen. Das Wichtigste, was jetzt gemacht werden muss, bevor wir über alles andere reden, ist, das Holz aus dem Wald und verwertet zu bekommen. In diesem Zusammenhang ist es richtig, dass die Bundesregierung die Mittel, die sie zur Unterstützung der Waldwirtschaft zur Verfügung gestellt hat, noch einmal verdoppelt. Das ist kein großer Schritt – das muss man sagen –, aber es ist trotzdem ein Signal. Ich glaube, dass in den Haushaltsverhandlungen und den anstehenden Debatten das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Wir brauchen hier noch mehr Unterstützung. ({0}) Wir brauchen dann aber auch neue Konzepte für den Brandschutz, und wir müssen uns sehr intensiv mit der Frage beschäftigen, wie der Wald zukünftig aussehen soll. Wir brauchen mehr klimastabile Mischwälder; das ist keine Frage. Was wir allerdings nicht brauchen, ist die lapidare Forderung, Wald jetzt einfach stillzulegen und der Nutzung zu entziehen. ({1}) Manchmal kommt die eine oder andere Forderung nach dem Motto: „Na ja, jetzt müssen wir nur noch Laubholz anpflanzen, und dann ist alles in Ordnung.“ – Nein! Die Buche ist von den Klimaauswirkungen genauso betroffen wie Nadelholz, zum Beispiel die Fichte, während zum Beispiel die Douglasie bei uns in den Sauerländer Wäldern wächst und grün ist. Auf der anderen Seite hören wir Forderungen wie: „Wir wollen mehr Laubholz haben; wir müssen vielleicht mehr Traubeneichen anpflanzen.“ Dies müssen wir immer direkt auch aus wirtschaftlicher Perspektive betrachten; denn es braucht 300 Jahre, bis eine Traubeneiche geerntet werden kann. Das ist ein Problem, insbesondere wenn wir uns vor Augen führen, dass alleine im Cluster Forst und Holz in Deutschland 1,1 Millionen Beschäftigte arbeiten, dass wir Beschäftigte in der nachgelagerten Forstwirtschaft, in den Sägewerken, in der Holzwerkstoffindustrie und im Möbelhandwerk haben. Darum ist es richtig, dass die SPD-Bundestagsfraktion in einem Positionspapier hier über den Tag hinaus denkt und deutlich artikuliert hat, wie wir das Bauen mit Holz stärken wollen, wie wir eine Holzbauinitiative voranbringen wollen. Das sind die Punkte, die wir über den Tag, über die derzeitige Katastrophe hinaus brauchen, und die werden wir auch in die Beratungen einbringen. ({2}) Ich habe die 1,1 Millionen Beschäftigten erwähnt. Bei mir im Hochsauerland hängen 25 Prozent der Arbeitsplätze von der holzbasierten Wertschöpfung ab. Die Beschäftigten wollen Antworten darauf haben, wie Wald auch künftig genutzt werden darf. Das muss man immer bedenken. Darum ärgert es mich manchmal wirklich, wenn ich Sommerinterviews lese oder höre nach dem Motto: „Der Wald muss stillgelegt werden.- Nein! Stillgelegte Flächen sind momentan die Ursache dafür, dass sich der Borkenkäfer ausbreitet. Wenn ich solche Sachen höre oder lese, dann ist es mir egal, ob jemand in einer Stadt oder im ländlichen Raum wohnt. Dann kann ich nur sagen: Frau Göring-Eckardt, Sie haben das Thema nicht verstanden. ({3}) Allerdings – darauf muss ich Sie, Frau Klöckner, einmal hinweisen –: Wir haben auch Unterstützungsmöglichkeiten für den Wald im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union wie etwa Möglichkeiten der Förderung einer Ansiedlung von Agroforstsystemen. Aber diese Möglichkeiten werden in Ihrem Hause nicht genutzt. Hier müssen Sie endlich einmal Förderrichtlinien erlassen. Hier besteht Potenzial; die Gelder sind vorhanden. Auch hier muss man vorangehen. ({4}) Schauen wir uns eine andere große Baustelle in Ihrem Haus an: die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Es ist richtig, dass die Gelder mittlerweile auf gut 1 Milliarde Euro erhöht worden sind. Aber es kann nicht sein, dass in den letzten vier Jahren 440 Millionen Euro durch mangelhafte Verwaltung in den Ländern nicht ausgegeben worden sind. ({5}) Und es kann nicht sein, dass gerade in meinem Heimatbundesland Nordrhein-Westfalen alleine in 2018 durch die schwarz-gelbe Landesregierung 14 Millionen Euro Fördermittel links liegen gelassen worden sind. Das ist verfehlte Verwaltungspolitik in den Bundesländern. Hier müssen wir ansetzen. Nordrhein-Westfalen mit der schwarz-gelben Landesregierung ist leider ein unrühmliches Beispiel. ({6}) Wir dürfen in den Haushaltsverhandlungen auch Folgendes nicht vergessen: Ja, wir hören momentan nichts aus dem Milchbereich, wir hören nichts darüber, wie sich der Milchmarkt weiterentwickelt. Aber auch hier werden die Herausforderungen nicht kleiner werden. Auch auf die Milchviehhalter und die Milchbauern werden wieder Herausforderungen zukommen, es wird wieder eine Milchkrise kommen. Darum müssen wir jetzt, in einer Zeit, in der es einigermaßen funktioniert, dafür sorgen, die Milchviehhalter in der Wertschöpfungskette gegenüber denjenigen, die momentan den Reibach machen, zu stärken. Das müssen wir jetzt angehen und dürfen es nicht erst, wenn die nächste Krise kommt und dann versucht wird, mit Aktionismus zu handeln. Das wäre nachhaltig, und ich kann sagen, dass wir als SPD da dranbleiben. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({7})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Der nächste Redner: der Kollege Dr. Gero Hocker, FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Gero Clemens Hocker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004754, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Frau Ministerin! Der Landwirtschaft, dem ländlichen Raum in Deutschland, steht das Wasser bis zum Hals. Ursächlich dafür sind politische Fehlentscheidungen der Vergangenheit, politische Fehlentscheidungen auch der Gegenwart. Aber vor allem liegt es daran, dass Sie immer wieder den Anschein erwecken, dass Sie gerne den teilweise haarsträubenden Forderungen von NGOs mehr Raum geben als wissenschaftlich fundierter Politik in der Landwirtschaft. Das machen wir Ihnen zum Vorwurf, und das können wir Ihnen nicht durchgehen lassen. ({0}) Ich gebe Ihnen drei Beispiele. Sie reisen mit der Umweltministerin nach Brüssel. Die geneigte Öffentlichkeit erwartet einen Kompromiss, ein neues Papier, wie man die Nitratvorgaben aus Brüssel umsetzen kann. Man ist in heller Erwartung. Und alles, womit Sie zurückkommen, sind zwei faule Kompromisse, die alles andere als neu sind. Sie haben sich offenbar mit Frau Schulze verständigt auf ein freiwilliges nationales Tierwohllabel und auf ein Verbot von chemischem Pflanzenschutz ab dem Jahre 2023. ({1}) Sehr verehrte Frau Ministerin, jeder Experte wird Ihnen bestätigen, dass ein vollständiges Verbot von chemischem Pflanzenschutz katastrophale Auswirkungen auf die Ökobilanz hat. Wir sprechen davon, dass die Böden austrocknen, wenn der Bauer wieder pflügen muss. Wir sprechen von Winderosion. Wir sprechen davon, dass Humusbildung erschwert wird. Und letzten Endes wird jedes Mal, wenn der Bauer den Acker wieder pflügen muss, um Unkraut zu bekämpfen, auch CO2 emittiert. Das ist ein Bärendienst für das Klima, und das ist ein Bärendienst für ökologisches Gleichgewicht, meine Damen und Herren. ({2}) Am allerschlimmsten ist, dass offenbar noch nicht einmal in Ihrem eigenen Hause wissenschaftliche Argumente Raum greifen. Wir haben hier vor wenigen Wochen den geschätzten Kollegen Stübgen gefragt, welche wissenschaftliche Grundlage dieses Verbot ab 2023 hat. Wissen Sie, was er geantwortet hat? Er hat erklärt, dass man in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Stimmungslage – offenbar will keiner da draußen mehr chemischen Pflanzenschutz – nicht den Rücken gerade machen kann und dass man da eben nicht auf Wissenschaft setzt. Ich sage Ihnen eines, Frau Ministerin: Sie sind nicht diejenige, die von allen geliebt und gemocht werden muss, sondern Sie als Landwirtschaftsministerin sind in der Verantwortung, Entscheidungen auf wissenschaftlicher Grundlage statt einfach aus dem Bauch heraus zu treffen. ({3}) Der zweite Punkt ist Ihr Prestigeobjekt freiwilliges nationales Tierwohllabel. Ich bin Berufsoptimist, aber ich sage Ihnen, dass das nicht funktionieren wird, alleine aus dem Grunde, dass staatliche Alleingänge in einem Binnenmarkt noch nie funktioniert haben. Wir können das ja einmal durchspielen. Was passiert, wenn ein Landwirt sich entscheidet, dieses Label erreichen zu wollen? Er muss in noch mehr Tierwohl investieren, größere Ställe bauen, zur Bank gehen und sich einen Kredit besorgen, den er ja auch wieder zurückzahlen muss. Übrigens: Ob er vor Ort eine Genehmigung für den Stallbau bekommt, steht auf einem ganz anderen Blatt. Dieser Landwirt geht zur Bank und nimmt Geld auf, um in mehr Tierwohl investieren zu können. Das Problem ist jedoch, dass er am Markt überhaupt nicht die Situation vorfindet, um gleichzeitig höhere Preise durchdrücken zu können, weil der Verbraucher in Deutschland eben leider nach der Geiz-ist-Geil-Mentalität Lebensmittel erwirbt. Das führt dazu, dass eher der, der höhere Standards erfüllt, aus dem Markt herausgedrängt wird und letzten Endes noch mehr Fleisch aus Polen, aus der Ukraine, aus Spanien und sonst woher auf den deutschen Markt drängt. Damit haben Sie keinen Beitrag zu mehr Tierwohl geleistet, sondern Sie haben nur dazu beigetragen, dass deutsche Landwirte, die höchste Standards erfüllen, aus dem Markt gedrängt werden. Meine Forderung an Sie, verehrte Frau Ministerin: Sorgen Sie dafür, dass es endlich europaweit gleiche Standards für Tierhaltung gibt! Damit erreichen Sie mehr für Tierhaltung und sorgen dafür, dass Landwirte in Deutschland und in Europa endlich auf Augenhöhe miteinander Wettbewerb betreiben können. ({4}) Mein letzter Punkt ist, dass Sie bis 2021 auf die Verwendung von Insektiziden und Herbiziden in Naturschutzgebieten verzichten wollen. Ich sage Ihnen, dass das der Sargnagel für unseren deutschen Wald wird, der es in Zeiten von Klimawandel und Trockenheit nicht auch noch aushält, wenn man dem Borkenkäfer und anderen Schädlingen einfach freie Bahn lässt. Ich lade Sie gerne einmal nach Niedersachsen ein, Frau Ministerin, dann können wir durch den Harz, dann können wir durch den Solling fahren. Da werden wir kilometerlang an grauen Baumskeletten entlangfahren, die durch den Zerfallprozess Tag für Tag über Jahrzehnte CO2 freisetzen. Ich sage Ihnen, es wäre sinnvoller gewesen, gerade im Hinblick auf das Ziel, CO2 einzusparen, dass dieser Wald bewirtschaftet worden wäre, dass dieses Holz in Dachstühlen, in Türen, in Möbeln, wo auch immer, die Funktion hätte ausüben können, tatsächlich CO2 zu binden. Das Gegenteil ist der Fall, wenn man zum Beispiel dem Borkenkäfer einfach freie Hand lässt. Ich frage Sie: Was ist das für ein Irrsinn, wie wir gegenwärtig in Deutschland Klimaschutz diskutieren? Wir diskutieren über eine CO2-Steuer, über Zertifikatehandel, wir diskutieren darüber, wie man im Amazonas den Wald schützen kann. Aber wir kriegen es vor unserer eigenen Haustür nicht hin, den Wald in Deutschland in die Lage zu versetzen, seiner Funktion als CO2-Senke gerecht zu werden. Das ist abstrus, und Sie können niemandem in Brasilien oder anderswo erklären, dass er seinen Wald nicht abbrennen darf, wenn wir es selber nicht hinbekommen, unseren Wald in Deutschland zu schützen. (Beifall bei der FDP – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was Sie sagen, ist abstrus! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: An Abstrusität nicht zu überbieten! Sie haben es nicht verstanden!

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.

Dr. Gero Clemens Hocker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004754, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das ist mein letzter Satz, sehr verehrter Herr Präsident. – Es werden in diesen Tagen und Wochen Tausende grüne Kreuze in Deutschland aufgestellt. Das Kreuz ist eigentlich das Symbol der Hoffnung. Ich kann Ihnen sagen, dass viele Landwirte in Deutschland dieses Symbol gegenwärtig als Symbol der Resignation aufstellen, weil sie das Gefühl verlassen hat, dass Landwirtschaftspolitik in Deutschland ihre Interessen im Sinn hat. Ich sage Ihnen: Die Landwirte da draußen wollen keine zusätzlichen Dürrehilfen, die am Ende nur denjenigen zugutekommen, die vielleicht aus ganz anderen Gründen in Schieflage geraten sind, sie wollen keine zusätzlichen Subventionen aus Brüssel. Sie wollen einfach faire Wettbewerbsbedingungen und auch, dass Sie endlich wissenschaftlich begründete Entscheidungen treffen und keine Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Herzlichen Dank. ({0})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Die nächste Rednerin ist für die Fraktion Die Linke die Kollegin Amira Mohamed Ali. ({0})

Amira Mohamed Ali (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004823, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Frau Klöckner, Ihr Haushaltsplan ist ganz nach dem Geschmack der Agrar- und Lebensmittelindustrie, weil er nichts an dem bestehenden falschen System verändert. Er ist gleichzeitig Ihre Halbzeitbilanz, und die sieht düster aus, vor allem für die Verbraucherinnen und Verbraucher, die verantwortungsvollen Landwirte und die Tiere in den Megaställen der industriellen Massentierhaltung. Gerade einmal 4 Prozent des Gesamtbudgets sind für den gesundheitlichen Verbraucherschutz und gesunde Ernährung vorgesehen. Dabei muss hier ganz dringend gehandelt werden. ({0}) Ernährungsbedingte Krankheiten wie Diabetes Typ 2, sogenannter Altersdiabetes, nehmen zu, sogar bei Kindern. Eine transparente Kennzeichnung, zum Beispiel die Lebensmittelampel, wäre ein wichtiger erster Schritt; aber auch da stehen Sie nach wie vor auf der Bremse. Ich denke, dass Ihnen da mal wieder die Lebensmittelkonzerne im Nacken sitzen. ({1}) Ihr freiwilliges Tierwohllabel, das Sie mit 20 Millionen Euro pro Jahr fördern wollen, verdient den Namen nicht. ({2}) Die Kriterien der Einstiegsstufe, zum Beispiel ein paar Zentimeter mehr Platz im Stall, sind lächerlich gering. Fleisch aus solch einer Produktion mit dem Label „Tierwohl“ auszuzeichnen, ist Verbrauchertäuschung. ({3}) Und solange alles nur freiwillig geschehen soll, wird sich nichts verändern. Wir brauchen verbindliche, wesentlich höhere Standards: deutlich mehr Platz im Stall, Freilaufmöglichkeiten, keine betäubungslose Kastration, kein Kükenschreddern, keine qualvollen, überlangen Tiertransporte. ({4}) Und diese Standards müssen selbstverständlich auch durchgesetzt werden. Solange die Betriebe, wie aktuell, im Schnitt nur alle 17 Jahre und nur 1 Prozent der Tiertransporter kontrolliert werden, nützen die besten Label und Gesetze nichts. ({5}) Wir brauchen zuverlässige Kontrollen, die die ständige Einhaltung der Regeln sicherstellen. Seit Jahren produziert die Agrarindustrie immer größere Umweltprobleme. Sie leidet unter dem Klimawandel, den sie aber zum Teil selbst mit verursacht, ebenso wie das dramatische Insektensterben und die antibiotikaresistenten Keime. Und sie ist verantwortlich für die Belastung des Grundwassers mit giftigem Nitrat. Mit diesem Haushalt wird sich daran nichts grundlegend ändern, und das finden wir einfach unverantwortlich. ({6}) Die EU droht jetzt mit Strafzahlungen in Höhe von 850 000 Euro pro Tag, wenn die Nitratbelastung des Grundwassers so weitergeht. 850 000 Euro pro Tag, die aus Steuergeldern fällig werden! Und weil die Agrarindustrie Druck macht, weigern Sie sich, an die Ursache des Gülleproblems heranzugehen: Wir brauchen weniger Tiere in den Ställen. ({7}) Fragen Sie die große Mehrheit der Bevölkerung! Die sagt Ihnen: Tierfabriken, Schlachtfabriken, Glyphosat und Co auf den Feldern und Nitrat im Grundwasser durch die Unmengen von Gülle wollen wir nicht. Man muss an dieses System heran, ein System, das aktuell die Landwirte, die nachhaltig wirtschaften, verdrängt und diejenigen fördert, die Raubbau an der Natur betreiben. Es sollte genau andersherum sein. ({8}) Das Gegenargument ist immer das gleiche: Angeblich wollen die Verbraucher diese Landwirtschaft; denn sie kaufen ja die Produkte in den Supermärkten. – Auch Sie, Frau Klöckner, haben das gerade wieder gesagt. Und ja, es stimmt, wir alle müssen überlegen, wie viel Fleisch wir essen und was es uns wert ist. Aber es sind nicht die Verbraucher, die das billige Fleisch in die Regale legen, sondern diejenigen, die große Profite durch die industrielle Massenproduktion machen. Diese Verantwortung können Sie nicht länger auf die Verbraucher abwälzen. ({9}) Ja, Frau Klöckner, das wird Ihnen jetzt wehtun, aber die Kosten für die Neuausrichtung der Agrarpolitik sollen nach unserer Vorstellung vor allem diejenigen tragen, die jahrelang große Profite mit diesem System eingefahren haben. ({10}) Auch wenn das möglicherweise bedeutet, dass Clemens Tönnies dann auf seine nächste Jacht verzichten muss. Wenn Sie endlich den Mut aufbringen, die mächtigen Akteure der Agrar- und Lebensmittelindustrie in die Verantwortung zu nehmen, dann ist auch Die Linke an Ihrer Seite. Bei diesem Weiter-so machen wir aber nicht mit. Danke. ({11})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort der Kollege Harald Ebner. ({0})

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Rede von Frau Ministerin Klöckner war aus meiner Sicht an Dreistigkeit tatsächlich nicht zu überbieten. ({0}) Sie schreiben das jahrzehntelange Höfesterben wegen der Agrarindustrialisierung genau den Kritikern dieser Entwicklung zu! Also dreister geht es wirklich nicht. ({1}) Und Herr Hocker, welche NGO haben Sie denn gemeint? Die einzige NGO, der die Ministerin folgt, ist der Deutsche Bauernverband. ({2}) Vielleicht können Sie das noch konkretisieren. ({3}) Jetzt hat sie den Wald entdeckt, die Frau Ministerin. Leider Gottes ist es wie immer: Erst wenn Ihnen gar nichts anderes übrig bleibt, Frau Ministerin, dann beginnen Sie über das Reagieren nachzudenken. Der Wald hätte schon viel früher Ihre Aufmerksamkeit verdient gehabt, und er hätte auch Gewicht im Haushalt bekommen müssen; aber Ihnen, Frau Ministerin, ist die Überschrift wichtiger als der Text. ({4}) Letzte Woche haben Sie den Aktionsversuch Insektenschutz vorgestellt, eine lange Aufzählung voller Hintertüren. Nicht einmal das, was da übrig bleibt, schlägt sich im Haushaltsentwurf Ihres Hauses nieder. Ganz im Gegenteil: Dort sind 500 000 Euro Aufwuchs vorgesehen. Aber dann streichen Sie gerade die Programme zusammen, die Umwelt und Insekten nützen. Beim Ökolandbau und der Eiweißstrategie kürzen Sie um fast 1,5 Millionen Euro. Da rutscht Ihr ohnehin kläglicher Saldo ruckzuck ins ökologische und ins haushalterische Minus. So wird das nichts, Frau Ministerin. ({5}) Sie wollen ja gar nichts ändern; Sie wollen so weitermachen wie bisher mit ein paar kosmetischen Änderungen an der Fassade. Sie schichten bei der GAP ein bisschen zugunsten der Agrarumweltmaßnahmen um. Es wäre möglich, noch 10 Prozent umzuschichten. Sie schichten 1,5 Prozent um. Ist das Ihr Ernst? Auch das Tierhaltungskennzeichen ist so angelegt, dass sich garantiert nichts ändert. Nur wer will, macht mit. Marktdurchdringung: Fehlanzeige! Das hilft keinem Tier. ({6}) Und jetzt also noch der Wald. Der war bislang Ihr Stiefkind. Aber jetzt können Sie sich dem Ruf nach Finanzhilfen nicht mehr entziehen. Ja, dem Wald geht es schlecht. Es geht ihm nicht so schlecht wie dem Amazonas-Regenwald, der wegen Fleisch- und Sojahunger brennt, aber auch hier brennt der Wald. Er verdorrt und wird von Käfern totgefressen, vor allem wegen des jahrzehntelang verschleppten Klimaschutzes hierzulande, aber eben auch wegen des viel zu oft verschleppten Waldumbaus und wegen einer intensiven Holznutzung, die dem Waldboden schadet, ihn verdichtet und den Wasserhaushalt schädigt. Der Wald ist mehr als ein Haufen ungesägter Bretter. Große Monokulturen aus Nadelhölzern sind leichte Beute für Feuer und Käfer. Entwässerung und Verdichtung durch schwere Maschinen tun das ihre. Es ist schon lange Zeit, etwas zu tun, Frau Ministerin. ({7}) In Ihrem Haushaltsentwurf können wir dazu nichts entdecken. Er ist unzureichend. Wenn man alle Titel zum Wald im Einzelplan 10 zusammenrechnet, haben Sie gerade einmal 5 Millionen Euro zusätzlich eingestellt. Versprochen haben Sie 500 Millionen Euro, und davon haben Sie noch keinen einzigen Cent in der Kasse. Da werden Sie sicher nachsteuern müssen. Ja, wir brauchen Geld für den Wald, aber nicht für ein Weiter-so. Es geht heute darum, dieses Geld sinnvoll in einen Wald zu investieren, der Zukunft hat, statt Fehler der Vergangenheit zu belohnen. Wir werden darauf drängen, dass die Investitionen hier ökologisch sinnvoll und langfristig wirksam angelegt werden, damit der Wald ökologischer und stabiler wird und selber zum Klimaretter wird bzw. Klimaretter bleibt. Den Waldumbau, Frau Ministerin, müssen Sie verbindlich regeln, damit das Geld, das wir hier ausgeben, in eine ökologisch sinnvolle Zukunft investiert wird, sonst sind Ihre 500 Millionen Euro hinausgeschmissenes Geld. Danke schön. ({8})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Für die CDU/CSU-Fraktion ist der nächste Redner der Kollege Albert Stegemann. ({0})

Albert Stegemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004415, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich danke zunächst unserer Bundesministerin Julia Klöckner und ihren Mitarbeitern im Ministerium für den Haushaltsentwurf 2020. Damit hat ihr Haus einen sehr guten Aufschlag für die weiteren Beratungen im Deutschen Bundestag abgeliefert. Die Bundeslandwirtschaftsministerin hat schon vieles zum Einzelplan 10 gesagt. Deshalb möchte ich etwas zur aktuellen Stimmung unter den landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland sagen. Ich weiß, wie sich Landwirte in diesen Tagen fühlen. Ich kenne das Gefühl, von zwei Mühlsteinen zerrieben zu werden. Um im angedeuteten Bild zu bleiben: Der eine Mühlstein entspricht der Sehnsucht der Gesellschaft nach einer anderen Art der Landwirtschaft. Auf der anderen Seite ist da der Mühlstein der ökonomischen Realität. Diese spielt sich in einem globalen Markt ab, und das hat mit einem Verbraucher zu tun, der ganz wesentlich preisorientiert einkauft. Zwischen diesen beiden Mühlsteinen entsteht so einiges, aber eben leider kein Optimismus. Ja, die Bundesregierung hat der Landwirtschaft mit dem Aktionsprogramm Insektenschutz vieles abverlangt. Aber ich sage an dieser Stelle auch ganz klar: Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag steht felsenfest an der Seite unserer Bauernfamilien. ({0}) Wir werden bei der Umsetzung des Aktionsprogramms der Bundesregierung in geltendes Recht parlamentarisch sehr genau hinschauen, ob und inwieweit ein Ausgleich der Interessen verfolgt wird. Dieses Aktionsprogramm darf keinesfalls ausschließlich auf dem Rücken der Landwirte ausgetragen werden. Bereits im Rahmen der laufenden Haushaltsverhandlungen klären wir, was seitens des Bundes konkret zur Flankierung der Herausforderungen für unsere Landwirte getan werden kann. ({1}) Und wir schützen das Eigentum. Wenn eine Regelung auf Grundlage des Aktionsprogrammes dazu führen sollte, dass in Eigentum von Landwirten eingegriffen wird, dann muss ein finanzieller Ausgleich erfolgen. ({2}) Insektenschutz muss auch tatsächlich Insekten schützen. Wer zum Beispiel wirklich den Erhalt von Streuobstwiesen unterstützen möchte, sollte deshalb auch Anreize und keine neuen Verbote schaffen. ({3}) Wir wollen – das ist ganz klar – eine regional verwurzelte, flächendeckende und wettbewerbsfähige Landwirtschaft in Deutschland erhalten, und wir wollen einen effizienten Klima- und Insektenschutz mit den, aber nicht gegen die Bauernfamilien. Meine Damen und Herren, wenn wir über die Perspektiven unserer Landwirtschaft im Jahr 2020 sprechen, dann müssen wir uns aber auch ehrlich machen. Laut des aktuellen Ernährungsreportes des BMEL ist es knapp drei Vierteln der Befragten sehr wichtig, dass Tiere artgerecht gehalten werden. So weit, so gut. Aber nur 16 Prozent der Verbraucher, also nicht einmal ein Viertel, sind laut einer Studie der Fachhochschule Osnabrück auch tatsächlich bereit, für mehr Tierwohl tiefer in die Tasche zu greifen. ({4}) Ich sage Ihnen: Wir brauchen hier ein Umdenken. Jeder Einzelne kann mit seinem individuellen Konsum zu mehr Tierwohl in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung beitragen. Diese Eigenverantwortung kann man dem Verbraucher niemals abnehmen. Es geht nicht um Sonntagsreden, sondern um Alltagshandeln. Jeder muss einen Beitrag leisten, wenn es um mehr Tierwohl geht: die Politik, die Landwirte und der Verbraucher. ({5}) Dafür ist das staatliche Tierwohlkennzeichen ein guter Ansatz. Es gibt den Verbrauchern die Möglichkeit, zu zeigen, was ihnen Tierwohl tatsächlich wert ist, und es gibt den Tierhaltern die Möglichkeit, einen Vermarktungsweg für Fleisch mit mehr Tierwohl zu eröffnen, wenn man es denn richtig macht. Genau dafür stellen wir im Bundeshaushalt 2020 die richtigen Weichen. Zugleich müssen wir allerdings in genau diesem Bereich Zielkonflikte lösen. So kann es zum Beispiel nicht sein, dass neue Ställe, die mehr Platz für ein Tier bieten und es an die frische Luft lassen, schlicht deshalb nicht gebaut werden können, weil das Emissionsrecht dem entgegensteht. Ich weiß aus zahlreichen Gesprächen mit jungen Landwirten, dass sie für mehr Tierwohl gerne umbauen wollen. Ihnen wird dazu zurzeit aber keine rechtliche Grundlage gegeben. Daran verzweifelt eine ganze Generation von jungen Landwirten. Deswegen müssen wir jetzt vorankommen und zügig ein neues modernes Bau- und Emissionsschutzrecht auf den Weg bringen, das Innovationen für mehr Tierwohl ermöglicht. Dafür wollen wir uns alle, insbesondere die Unionsfraktion, einsetzen. Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben. ({6})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Die Kollegin Nezahat Baradari ist die nächste Rednerin für die SPD-Fraktion. ({0})

Nezahat Baradari (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004947, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste auf der Tribüne! Nach einem Bericht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 19. Juni 2019 ging der Verbrauch von Antibiotika bei Masthühnern, ‑puten und ‑kälbern in den letzten Jahren kaum zurück. Schlimmer noch: Nach diesem Bericht muss man davon ausgehen, dass ein Reserveantibiotikum, wie Colistin, seit einiger Zeit in der Hühner- und Putenmast vermehrt eingesetzt und möglicherweise in großem Maße dem Futter beigemischt wird, obwohl das in der EU seit 2006 verboten ist. Nach einer im April 2019 vorgelegten Studie der Universität Greifswald, die auch dem Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft vorliegt, war mehr als jedes dritte Hähnchen mit Keimen belastet, die Resistenzen gegen Reserveantibiotika aufweisen. Alle Hähnchenfleischproben kamen aus deutschen Schlachtkonzernen. Allein in Deutschland sterben nach Angaben des Robert-Koch-Instituts jährlich circa 2 400 Menschen an multiresistenten Keimen, weil bei ihnen gar keine Antibiotika mehr wirken. Das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft zeigt sich besorgt über die Ergebnisse und wirbt für eine deutliche Beschränkung beim Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung. Es verweist auf die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie und empfiehlt, die Diskussion über Antibiotikaresistenzen fortzuführen. Aber Aufgabe des Ministeriums ist es nicht, diese seit Jahren bekannte Problemlage zu diskutieren. Nein, es muss endlich willens sein, das Problem zu lösen. ({0}) Die Politik muss mit gesetzlichen Regeln diesen hochgefährlichen und massenhaften Einsatz von Antibiotika stoppen. Brauchen wir nicht auch viel mehr Kontrollen in der Fleischproduktion? Wenn wir vom Antibiotikaeinsatz in der Tiermast sprechen, kommen wir nicht darum herum, von der industriellen Fleischproduktion zu reden. Werden nämlich Tausende Tiere auf engem Raum in einem Stall gehalten, sind Krankheiten vorprogrammiert. Dann müssen massenhaft Antibiotika eingesetzt werden, weil ohne ihren Einsatz diese Art der Fleischproduktion gar nicht möglich ist. Es leuchtet jedem ein, dass bei der industriellen Geflügelmast der Antibiotikaeinsatz in Fleischkonzernen aufwendige hygienische Maßnahmen erspart. Hohe Produktionskosten werden somit vermieden und die Effektivität gesteigert. Dafür zahlen wir für die öffentliche Gesundheit einen viel zu hohen Preis. Das Landwirtschaftsministerium verweist nur auf eine EU-Verordnung, die erst bis zum Jahr 2022 erlassen werden soll. Bis dahin soll eine Liste derjenigen Reserveantibiotika aufgestellt werden, die der Humanmedizin vorbehalten bleiben müssen. Dabei setzt das Ministerium weiter auf Freiwilligkeit und Eigeninitiative der Fleischindustrie. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir können nicht drei weitere Jahre warten, bis in Brüssel etwas zur Eindämmung des Antibiotikamissbrauchs geschieht – drei weitere Jahre, in denen sich Resistenzen gegen Antibiotika weiter verbreiten und Menschen weiter sterben. Das ist unverantwortlich. ({1}) Reserveantibiotika gehören nicht in die Tiermast. Der massenhafte Einsatz von Antibiotika darf nicht länger Bedingung und Grundlage industrieller Fleischproduktion sein. Diese Entwicklung muss aufgehalten werden. Dazu muss der Einsatz von Antibiotika in der Hühnermast drastisch reduziert werden. Weiter-so in der Geflügelmast ist ohne Zweifel höchst fahrlässig. Nehmen wir die Forderungen von Ärzten und Wissenschaftlern ernst und schreiten als Gesetzgeber endlich ein! Sehr geehrte Frau Bundesministerin, liebe Frau Klöckner, Sie haben immer wieder betont, wie besorgt Sie über den massiven Einsatz von Antibiotika sind. Ich möchte Sie bitten: Haben Sie den Mut, endlich zu handeln! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({2})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort der Kollege Artur Auernhammer. ({0})

Artur Auernhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003706, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren jetzt schon sehr lange über die deutsche Agrarpolitik, und ich danke der Bundesministerin Julia Klöckner für die Vorstellung des Haushaltes. Es ist wieder ein Rekordhaushalt von über 6,5 Milliarden Euro. Vieles ist bereits gesagt. Notwendiger denn je ist es aber heute, die Stimme zu erheben für eine wettbewerbsfähige, nachhaltige und bäuerliche Landwirtschaft in Deutschland. Es geht um die Zukunft unserer Bäuerinnen und Bauern, und es geht um noch viel mehr: Es geht auch um die Zukunft der jungen Menschen im ländlichen Raum, die sich in diesen Wochen, in diesen Tagen dazu entschlossen haben, den Beruf des Landwirts, den Beruf der Bäuerin zu erlernen oder ein Studium in der Landwirtschaft zu beginnen. Sie wollen eine Perspektive in der Landwirtschaft und keine Diskussion, wie sie heute hier teilweise geführt worden ist, meine Damen und Herren. ({0}) Die Stimmungsmache in Bezug auf die Landwirtschaft hat schon fast etwas Flächenbrandartiges, angefeuert von linksgrüner Ideologie, von NGOs, ({1}) die nicht müde werden, die Landwirtschaft in ihrer gesamten Breite zu verteufeln. ({2}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. ({3}) Eben wurden die Antibiotika angeprangert. Sie haben kein Wort davon gesagt, wie der Antibiotikaeinsatz in der Humanmedizin ist. Sie haben kein Wort davon gesagt, wie viele Antibiotika die Menschen eigentlich zu sich nehmen und dass das dann im Abwasser landet und dann wieder in den Kreislauf kommt. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. ({4}) Der Antibiotikaeinsatz in der Landwirtschaft hat sich enorm reduziert. ({5}) Heute haben wir auch wieder gehört, wir müssten noch mehr in die Bioproduktion einsteigen, wir müssten noch mehr Betriebe dazu bewegen, umzustellen. Wir sind längst aus der ideologischen Diskussion heraus. Die Betriebsleiter heute entscheiden nach rein betriebswirtschaftlichen Argumenten. Ich kann Ihnen Betriebe zeigen, ich kann Ihnen Milchbauern zeigen, die auf Biomilch umstellen wollen. Die gehen zu ihrer Molkerei, und die Molkerei sagt: Sorry, wir haben zu viel Biomilch; wir können sie nicht mehr vermarkten. – Auch das gehört zur gesamten Wahrheit dazu. ({6}) Ich sehe ja ein, dass wir eine öffentliche Diskussion haben, die sehr unterschiedlich gelagert ist. Wir haben viele Menschen, die über die Landwirtschaft diskutieren, die kluge Vorschläge machen, aber wir haben auch die Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten. Es sollte unsere Aufgabe als Politik sein, hier auch als Brückenbauer unterwegs zu sein und diese wieder zusammenzuführen. Teile dieser Debatte haben nicht dazu geführt. Es gibt vieles, was wir in letzter Zeit der deutschen Landwirtschaft zugemutet haben. Ich denke an die Düngeverordnung. Wir haben 2017 eine Düngeverordnung erlassen, die viele Betriebe vor große Schwierigkeiten stellt und die sich auch auf die kleinbäuerlichen Strukturen enorm auswirkt. Viele kleinbäuerliche Betriebe können diese Auflagen nicht erfüllen. Sie können nicht in neue Technik investieren. Sie werden die Lösung nehmen, dass sie sagen: Wir steigen aus. – So ist es mit vielen Aufgaben. Wenn wir nicht aufpassen, wenn wir mit den ganzen Auflagen unserer Landwirtschaft noch mehr aufbürden, dann ist dies eigentlich ein Befeuern des Strukturwandels, und dagegen müssen wir kämpfen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Sommer waren viele Kolleginnen und Kollegen im Walde unterwegs. Das finde ich positiv. Es hilft aber nicht, Bäume nur zu umarmen; man muss auch etwas tun für den deutschen Wald. ({7}) Der deutsche Wald braucht unbedingt unsere Unterstützung. Man muss den Wald pflanzen, und man muss ihn pflegen. Man muss den Wald schützen, aber man muss ihn auch nutzen dürfen. Teile dieses Hauses sind der Meinung, den Wald sollte man nicht nutzen, sondern stilllegen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch der deutsche Wald ist ein Riesen-CO2-Speicher, ein Riesenlieferant von Baustoffen und auch ein Energielieferant. Das müssen wir noch stärker in den Fokus rücken. Damit sind wir gut unterwegs im deutschen Wald. ({8}) Wir werden die anstehende Beratung nutzen, um über das eine oder andere zu diskutieren. Ich könnte jetzt noch etwas zum Tierwohl-Label sagen, aber ich möchte nur anmerken, dass mir eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung wichtig ist, damit der Verbraucher weiß, wo das Produkt herkommt. Viele Verbraucher sagen uns, sie wollen wissen, wo das Produkt herkommt. Wenn draufsteht, das Produkt kommt aus Deutschland – noch besser: es ist aus Bayern –, dann kauft er es auch. Wenn das Produkt aus anderen europäischen Ländern oder aus Ländern der übrigen Welt stammt, ist er vielleicht etwas zurückhaltend. ({9}) – Ich habe nicht Nordrhein-Westfalen erwähnt, Herr Kollege, keine Angst. – Hier brauchen wir eine noch etwas weiter gehende Entwicklung, aber ich glaube, wir sind im parlamentarischen Verfahren in einer guten Diskussion. Insgesamt muss man sagen: Die Motivation der jungen Menschen, die jetzt in die Landwirtschaft einsteigen, die jetzt den Beruf ergriffen haben, die jetzt an die Universitäten gehen, um Landwirtschaft zu lernen, ist sehr groß. Wir wollen dazu beitragen, dass diese Motivation anhält und dass sie eine gute Zukunft haben. Vielen Dank. ({10})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Herr Kollege Auernhammer. – Jetzt kommen wir zur ersten Rede unserer neuen Kollegin Isabel Mackensen von der SPD. ({0}) Die erste Rede in der ersten Sitzungswoche, das sieht mir sehr rekordverdächtig aus.

Isabel Mackensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004949, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Die gesellschaftlichen Fragen nach mehr Tierwohl, Biodiversität und Klimaschutz werden immer lauter. Der ökologische Landbau kann einen relevanten Beitrag zur Lösung der umwelt- und ressourcenpolitischen Herausforderungen dieser Zeit leisten und gilt zu Recht als ein Schlüssel für eine nachhaltige Landwirtschaft. Das erklärte Ziel der Bundesregierung – so steht es auch im Koalitionsvertrag – ist die Erhöhung des Anteils der Flächen für den Ökolandbau auf 20 Prozent bis zum Jahr 2030. Im Jahr 2018 betrug der Flächenanteil mit 1,521 Millionen Hektar nur rund 9,1 Prozent. 20 Prozent bis 2030 zu erreichen, wird bei dem jetzigen Tempo schwierig. Gleichzeitig kann es nur eine Etappe auf dem Weg zu einer nachhaltigen Landwirtschaft sein, die mit Blick auf die steigende Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher nach Bioprodukten auch von dieser Seite gewünscht wird. Daher werde ich mich zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Bundestagsfraktion für den weiteren Ausbau sowie für die Förderung von Forschung und Innovation des ökologischen Landbaus einsetzen. ({0}) Hinzu kommt, dass Bioprodukte häufig nicht direkt vor Ort verkauft, sondern über weite Strecken transportiert werden. jedoch würden von der Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten die Konsumentinnen und Konsumenten, vor allem aber auch die Landwirtinnen und Landwirte profitieren. Das Ziel muss sein, Angebot und Nachfrage nach regionalen Erzeugnissen zusammenzubringen und die dafür notwendigen Infrastrukturen für die Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte zu erhalten bzw. wieder auszubauen, ganz nach dem Motto: nachhaltig produzierte Lebensmittel aus der Region für die Region. ({1}) Als Pfälzerin liegt mir zudem der traditionelle Weinbau besonders am Herzen. Diesem Thema möchte ich hier im Hohen Haus mehr Raum geben. Letztes Wochenende haben wir in meinem Wahlkreis Neustadt-Speyer, in Bad Dürkheim an der Deutschen Weinstraße, den 603. Wurstmarkt, das größte Weinfest der Welt, eröffnet. ({2}) Hier werden Winzerhandwerk, Tradition und friedliches Miteinander gefeiert. Daher freue ich mich ganz besonders, im nächsten Jahr bei der großen Novelle des Weingesetzes mitwirken zu können. Mit den Chancen der Digitalisierung, einer Modernisierung des Bezeichnungsrechts und der verbesserten Absatzförderung werden wir unseren Beitrag für den Erfolg des deutschen Weinbaus leisten. Vielen Dank. ({3})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Und auch noch die Redezeit vorbildlich eingehalten. Glückwunsch! – Der Kollege Christian Haase hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Christian Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004286, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst der Ministerin für ihre Rede danken. Sie hat nicht nur die richtigen Inhalte gebracht, sondern sie hat vor allen Dingen auch ihre Sorge zum Ausdruck gebracht, dass in dieser Diskussion oftmals Ideologie vor Sachverstand steht. Leider haben viele Redner ihre Befürchtung im Nachhinein erfüllt. Da wünschte ich mir von dem einen oder anderen doch ein wenig Selbstreflexion. ({0}) Ich freue mich aber, dass wir uns bei einem Thema einig sind: Wir müssen etwas für unsere Wälder tun. Die Ministerin hat dafür ein umfangreiches Maßnahmenpaket vorgelegt, das im Augenblick auf der ministeriellen Ebene verhandelt wird. Wir wissen alle, dass unsere Wälder an einem entscheidenden Punkt stehen. In der Klimapolitik spricht man gerne von einem Kipppunkt; so etwas haben wir jetzt im Wald. Wir müssen uns überlegen: Wie machen wir unseren Wald klimafit? Welche neuen Baumarten pflanzen wir an? Was ist standortgerecht? Dabei schauen wir nicht nur auf heute; denn so ein Baum wächst ja hundert Jahre. Wir müssen entscheiden, was für die nächsten hundert Jahre der richtige Wald, der richtige Baum ist, den wir jetzt anpflanzen müssen, bevor er dann irgendwann hiebreif wird. Ich denke, es hat sich mittlerweile überall herumgesprochen, dass nur ein bewirtschafteter Wald eine wirkliche CO2-Senke ist. Die romantische Idee einer Waldwildnis, die das Klima schützt, entbehrt leider jeder wissenschaftlichen Grundlage. Nur nachhaltig verarbeitetes Holz bindet CO2 auf Dauer. ({1}) Deshalb müssen wir uns auch Gedanken über eine Holzbauinitiative machen. Holz ist ein großartiger und vielseitig einsetzbarer Baustoff. Wir müssen auch bei der Vermarktung alle Potenziale bündeln, um auf Überkapazitäten und Engpässe reagieren zu können. Ich danke in diesem Zusammenhang meinem Kollegen Dirk Wiese. Ich glaube, an dieser Stelle sind wir uns ziemlich einig. Ich hoffe, Sie geben auch Ihrem Kollegen, dem Bundesfinanzminister, noch etwas Rückenwind, wenn es um die Verteilung der Gelder des EKF geht. ({2}) – Danke schön. Erlauben Sie mir, zu drei Themen etwas zu sagen, die mir besonders am Herzen liegen. Ein Thema ist heute schon mehrfach genannt worden: Tierwohl. Auch die Ministerin legt großen Wert darauf. Wir nehmen in unserem Haushalt sehr viel Geld dafür in die Hand. Das unterstütze ich ausdrücklich. Auch mir als Fleischliebhaber liegt das Thema sehr am Herzen. Nach der erfolgreichen Einigung auf ein freiwilliges staatliches Tierwohllabel innerhalb der Bundesregierung stellen wir weitere 20 Millionen Euro bereit, um das Label bekannt zu machen. Wir möchten die Verbraucher für Fleisch sensibilisieren, an das bei seiner Erzeugung besonders hohe Anforderungen gestellt wurden. Hinzu kommen 28 Millionen Euro zur Förderung von Tierwohlmaßnahmen und das auf 38 Millionen Euro aufgestockte Bundesprogramm Nutztierhaltung. Nehmen wir dazu noch die 15 Millionen Euro aus der GAK, die wir extra für Investitionen in diesem Bereich zur Verfügung stellen wollen, dann kommen wir auf ein Gesamtpaket von 100 Millionen Euro. Ich glaube, nichts zeigt besser, dass wir verstanden haben und gemeinsam mit den Bäuerinnen und Bauern etwas zur Verbesserung der Tierhaltung tun wollen, weil das eine gesellschaftliche Herausforderung ist. Wir von der CDU/CSU jedenfalls lassen die Bäuerinnen und Bauern bei diesem Thema nicht im Stich. ({3}) Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, sind die ländlichen Räume. Ich denke, wir sollten die ländlichen Räume weiter im Blick behalten. Die BULE-Förderung zeigt, wie vergleichsweise kleine Beträge vor Ort große Wirkung entfalten können. Die Menschen vor Ort wissen am besten, wo man anpacken muss. Daher sollte unser Credo weiter lauten, die Leute in den Regionen zu befähigen, selbst aktiv zu werden. Wir brauchen keinen Zentralismus von Berlin aus. Es gibt viele tolle Initiativen, Menschen, die sich einen Kopf machen, die Ideen entwickeln, wie wir die Digitalisierung einsetzen können. Ich denke da an die #LandRebellen, ein Projekt der Andreas Hermes Akademie. Ich denke an die Dorf-Digital-Experten im Kreis Höxter, in meinem Wahlkreis. Ich glaube, diese Menschen müssen wir fördern. Wir müssen auf die Köpfe der Menschen setzen anstatt nur auf vom Bund verordnete Programme. ({4}) Wir haben den Menschen auch versprochen, sie beim Thema Ehrenamt nicht alleine zu lassen. Wir müssen Bürokratie abbauen. Ich bin froh, dass wir uns jetzt innerhalb der Bundesregierung bei der Ehrenamtsinitiative haben einigen können. Sie wird jetzt kommen. Wir werden die Mittel entsprechend aufteilen. Ich glaube, es ist wichtig, den Ehrenamtlichen zu sagen: Wir danken euch nicht nur, sondern wir stehen euch auch mit Rat und Tat bei euren Aufgaben zur Seite. ({5}) Bei dem letzten Punkt, den ich anbringen will, müssen wir ein bisschen Geografie machen; das liegt mir. Kennen Sie Groß Lüsewitz? Kennen Sie Waldsieversdorf oder Großhansdorf? Was haben diese Orte gemeinsam? Der eine oder andere aus der Landwirtschaft weiß es vielleicht. Ich will Sie auch nicht länger auf die Folter spannen: In diesen Orten investiert über diesen Haushalt das Landwirtschaftsministerium. Das Julius-Kühn-Institut richtet eine neue Klimahalle in Groß Lüsewitz ein, und das Thünen-Institut ertüchtigt seine Gewächshaustechnik in Waldsieversdorf und Großhansdorf. Das nenne ich Dezentralisierung. Warum sollten wir landwirtschaftliche Institute überhaupt in der Stadt – in Berlin, in Hamburg oder in München – ansiedeln? ({6}) Unser Landwirtschaftsministerium macht das schon seit jeher anders, und das soll auch in Zukunft so bleiben. Ich freue mich auf die Haushaltsplanberatungen. Schönen Dank. ({7})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Herr Kollege Haase. – Die letzte Rednerin in der Debatte: die Kollegin Ursula Schulte, SPD-Fraktion. ({0})

Ursula Schulte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004404, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Entwurf des Haushalts 2020 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft sieht Ausgaben in Höhe von gut 6,3 Milliarden Euro vor. Die soziale Absicherung der Landwirte macht zwei Drittel dieser Ausgaben aus – das relativiert Ihre Aussage etwas, Herr Auernhammer –, und die Tendenz steigt. Damit Sie mich richtig verstehen: Ich möchte, dass alle Landwirte gegen Lebensrisiken wie Krankheit, Unfall und Alter gut abgesichert sind. ({0}) Dennoch stelle ich mir vor dem Hintergrund einer sich verändernden Landwirtschaft – weg vom klassischen bäuerlichen Familienbetrieb, hin zu Betriebsgrößen, die teilweise industrielle Formen angenommen haben – die Frage, ob das jetzige agrarsoziale System noch in die Zeit passt. Wir reden über ein System, das aus einer Zeit stammt, als die Altenteiler kaum Bargeld zur Verfügung hatten. Wir reden über ein System, das hauptsächlich geschaffen wurde, um die Hofabgabe sicherzustellen und damit den Strukturwandel zu beschleunigen. Die Hofabgabe im Zusammenhang mit der Rente gibt es nicht mehr. Angesichts solcher Veränderungen ist es sicherlich gerechtfertigt, einmal über dieses agrarsoziale System nachzudenken. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, 4 Milliarden Euro für die Agrarsozialpolitik und nur 15,7 Millionen Euro für Maßnahmen im Bereich „gesunde Ernährung“. Hier ist eine deutliche Unwucht im Haushalt, und ich finde, das müssen wir ändern. Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang auch, dass für den Bereich „gesunde Ernährung“ im ersten Halbjahr 2019 lediglich 10,7 Prozent der Mittel verausgabt worden sind. Da fragt man sich als Politikerin, warum das so ist. Hier ist uns das Ministerium eine Erklärung schuldig. Die Fragen haben wir gestellt; die Antworten stehen leider noch aus. Wenn wir uns den Welternährungsbericht 2019 anschauen und lesen, dass weltweit jeder neunte Mensch hungert, dann relativieren sich unsere Ernährungsprobleme ziemlich schnell. Unsere Regale sind prall gefüllt. Die Auswahl ist so groß, dass mancher Kunde schier verzweifelt. Hungern muss bei uns niemand. Dennoch: Nicht jeder hat das Geld, sich bio zu ernähren und damit nachhaltiger zu leben. Früher war klar: Man aß, um satt zu werden oder um zu genießen. Als ich jetzt las, dass Essen immer mehr moralisiert und tabuisiert wird, habe ich für einen Moment nachgedacht und gesehen: Ja, da ist tatsächlich etwas dran. Auf der einen Seite steht der aufgeklärte, gutsituierte Verbraucher, der Wert auf gesundes Essen und einen nachhaltigen Lebensstil legt, auf der anderen Seite stehen diejenigen, die den Kopf voller Sorgen haben, kaum etwas über gesunde Ernährung wissen und sich aufgrund materieller Nöte nicht ausgewogen ernähren können. Hier wird die soziale Spaltung unserer Gesellschaft noch einmal deutlich sichtbar. ({2}) Um das ganz deutlich auch zu sagen: Ich bin dennoch nicht für eine Art Zwangsernährung mit Bioprodukten in öffentlichen Kantinen, um den Biolandbau anzukurbeln, wie von der geschätzten Kollegin Künast vorgeschlagen. Ich möchte vielmehr, dass die Menschen wissen, wie gesunde Ernährung aussieht. Dabei setze ich auf Ernährungsbildung, und zwar von der Kita an. Außerdem möchte ich, dass sich die Menschen die gesunde Ernährung am Ende auch leisten können. ({3}) Falsche Ernährung beginnt leider oft schon kurz nach der Geburt. Deswegen ist die Sicht auf das sogenannte 1 000-Tage-Fenster so bedeutend. Zwar ist jetzt endlich ein Verbot von Zucker in Säuglings- und Kindertees auf den Weg gebracht worden, aber das kann nur ein Anfang sein; denn wenn ich lese, dass Beikost für Babys in der Regel zu viel Zucker und zu wenige gesunde Inhaltsstoffe enthält, dann ärgert mich das nicht nur maßlos, sondern dann weiß ich auch, dass noch viel zu tun ist. Ernährungsfehler und Mangelernährung in dieser frühen Phase des Lebens haben nämlich weitreichende Folgen für die Entwicklung der Kinder. Hier muss das Forschungsinstitut für Kinderernährung eine größere öffentliche Bedeutung bekommen. Falls notwendig, müssen die Haushaltsmittel entsprechend angepasst werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Kinderlebensmittel enthalten weiterhin oft mehr Zucker als Lebensmittel für Erwachsene. Dafür gibt es keinen einzigen vernünftigen Grund. Das grenzt für mich teilweise sogar an Körperverletzung. Hier besteht wirklich akuter Handlungsbedarf. ({4}) Wenn wir also ernsthaft wollen – damit muss ich leider zum Schluss kommen –, dass all unsere Kinder gesund aufwachsen, dann dürfen wir Werbung für ungesunde Kinderlebensmittel nicht länger zulassen. Dann müssen Limonade und Kinderlebensmittel verpflichtend weniger Zucker enthalten. Dann, ja dann, müssen wir auch Energydrinks für unter 16-Jährige verbieten. ({5}) Ich hätte Ihnen jetzt noch gerne etwas zum Thema Lebensmittelverschwendung, zur Reduktionsstrategie und zur Lebensmittelampel erzählt. Das kann ich leider nicht mehr. Aber herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({6})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Frau Kollegin Schulte. – Es liegen zu diesem Einzelplan keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.