Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 5/15/2019

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der kommenden Woche wählen wir Europäer ein neues Parlament. Ich möchte daher einige einleitende Worte zu dieser besonderen Wahl sagen. Für Bildung und Forschung ist die Europäische Union nämlich ein echter Glücksfall. Durch Schüler-, Azubi- und Studentenaustausche sind Millionen von persönlichen Beziehungen entstanden. Es sind diese Geschichten, die unser europäisches Haus mit Leben füllen. Die Wissenschaft ist durch Europa enger vernetzt denn je. Forscher kämpfen gemeinsam gegen Krebs, tüfteln an neuen Innovationen und setzen sich für den Schutz unseres Klimas ein. Mit einer gut vernetzten Bildungs- und Forschungslandschaft ist Europa ein Ort der Chancen. Deshalb ist es wichtig, dass die Europäische Union aus der anstehenden Wahl gestärkt hervorgeht, damit wir uns dann gemeinsam und entschlossener denn je den großen Zukunftsfragen unseres Kontinents widmen können. Das Leben der Menschen durch Bildung und Forschung ein klein wenig besser zu machen, ist natürlich auch unser Anspruch hier in Deutschland. Die Leistungsfähigkeit unseres Bildungssystems ist international und auch hier im Land hoch anerkannt. Fortschritte in der Forschung schaffen immer neue Möglichkeiten für ein besseres und gesünderes Leben, für eine leistungsfähigere und stets wettbewerbsfähige Wirtschaft und mittlerweile auch für immer weiter gehende Erkenntnisse über die Grundlagen unserer Existenz. Lassen Sie mich einige Punkte explizit nennen. Erstens. Wir verbessern die Startbedingungen für Studierende und Auszubildende. Es ist noch nicht lange her, dass wir die drei großen Wissenschaftspakte unter Dach und Fach gebracht haben. Wir haben damit gezeigt, dass auf der einen Seite unser föderales Miteinander zwischen Bund und Ländern und auf der anderen Seite das Miteinander zwischen Wissenschaftsministern und Finanzministern funktioniert und dass wir zum Wohl der Menschen in unserem Land gute Kompromisse schmieden können. In den kommenden zehn Jahren werden wir Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit über 160 Milliarden Euro unterstützen. Noch nie hat es eine solche Planungssicherheit und eine so langfristige finanzielle Perspektive für unsere Hochschulen und unsere Forschungseinrichtungen gegeben. Wir stärken damit einerseits unsere Innovationskraft, andererseits unsere Wettbewerbsfähigkeit, auch – ganz klar – im internationalen Vergleich. Das ist die entscheidende Weichenstellung des kommenden Jahrzehnts. Damit schaffen wir eben auch die Grundlage für eine exzellente Entwicklung des Hochschul- und Wissenschaftsstandortes Deutschland, und zwar im ganzen Land und nicht nur an wenigen Orten. Ein weiterer Punkt ist unsere BAföG-Reform. Die BAföG-Reform ist jetzt auf der Zielgeraden. Wir setzen 1,3 Milliarden Euro zusätzlich für das BAföG ein; denn es ist uns wichtig, dass jeder junge Mensch seinen Weg in den Beruf frei wählen kann. Wir wollen bis in die Mitte der Gesellschaft hinein Familien unterstützen, die arbeiten und Kinder in Ausbildung haben. Morgen treffen Sie hier im Deutschen Bundestag die Entscheidung über das novellierte BAföG, das dann am 1. August dieses Jahres in Kraft treten kann. Damit können die spürbaren Verbesserungen aus der BAföG-Novelle rechtzeitig zum Wintersemester bei den Studierenden ankommen. Auch die Modernisierung des Berufsbildungsgesetzes geht nun, nachdem wir sie heute im Kabinett beschlossen haben, ins parlamentarische Verfahren. Wir wollen damit die berufliche Bildung in Deutschland noch attraktiver machen. Mit neuen, international anschlussfähigen Fortbildungsstufen und einer ausgewogenen Mindestausbildungsvergütung zeigen wir, dass Deutschland ein hoch attraktives und zukunftsfähiges Berufsbildungssystem hat. Auch hier bin ich für Unterstützung im parlamentarischen Verfahren dankbar. Zweiter Punkt, den ich gerne ansprechen möchte: Für ein modernes Deutschland brauchen wir moderne Bildung in Deutschlands Schulen. Auch daran arbeiten wir und unterstützen daher die Länder wie noch nie zuvor. Beim DigitalPakt Schule kann ich Vollzug melden: Die 16 Unterschriften der Länder sind da. Der Weg ist damit frei für die digitale Bildung an unseren Schulen. Länder und Kommunen können nun den DigitalPakt mit Leben füllen und dann in die Klassenzimmer bringen. Für die Zusage der 5 Milliarden Euro und die fraktionsübergreifende Unterstützung dieses Hauses bei der Grundgesetzänderung möchte ich Ihnen allen ganz herzlich Danke sagen. Ein dritter Punkt, den ich noch ansprechen will: Das, was für den DigitalPakt gilt, gilt natürlich auch für die Forschung. Die Fortschritte der Forschung müssen den Menschen in unserem Land möglichst unverzüglich zugutekommen. Ich will den Kampf gegen den Krebs nennen; er liegt mir besonders am Herzen. Anfang des Jahres haben wir die Nationale Dekade gegen Krebs gestartet. Damit bündeln wir über zehn Jahre lang alle Kräfte. Wir kämpfen dafür, dass weniger Menschen neu an Krebs erkranken, Krebs früher erkannt wird und künftig auch besser behandelt werden kann. Unsere größte Hoffnung liegt auf den Schultern der Krebsforscher. Diese stärken wir mit der Nationalen Dekade gegen Krebs mehr denn je. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nur mit einer innovativ und modern aufgestellten Bildungs- und Forschungslandschaft sind wir für die nächsten Jahre gerüstet. Die technologischen und globalen Entwicklungen fördern unsere Gesellschaft schon jetzt an vielen Stellen. Ich denke, jetzt ist es Zeit, im demokratischen Miteinander immer wieder gute Entscheidungen zu treffen: für eine leistungsfähige Bildungslandschaft, für eine leistungsfähige Forschungslandschaft, für eine leistungsfähige Wissenschaft in Deutschland, aber ganz klar auch in Europa. Herzlichen Dank. – Jetzt freue ich mich auf Ihre Fragen. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Vielen Dank, Frau Bundesminister Karliczek. – Wir beginnen jetzt mit Fragen zu Ihren einleitenden Ausführungen und zu Ihrem Geschäftsbereich, andere Fragen kommen dann ein bisschen später. Die erste Frage stellt der Kollege Dr. Michael Espendiller, AfD.

Dr. Michael Espendiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004711, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Danke, Herr Präsident, für das Wort. – Liebe Frau Karliczek, Hochschulpakt, Qualitätspakt Lehre, Pakt für Forschung und Innovation, das sind drei Bund-Länder-Vereinbarungen, die für eine bessere Qualität der Lehre sorgen sollen. Der Bundesrechnungshof hat nun festgestellt, dass es in diesen Programmen zu einer regelrechten Misswirtschaft gekommen ist. Dem Qualitätspakt Lehre spricht er sogar den Gesamterfolg komplett ab. Verantwortlich dafür ist Ihr Haus. Die Bildungspolitiker aller Fraktionen kämpfen immer wieder für mehr Geld für die Bildung. Wir alle wissen, dass das nicht so einfach ist. Hier stand jetzt einmal Geld zur Verfügung. Aber dieses Geld wurde nicht ordnungsgemäß und nicht zielgerichtet eingesetzt, sondern einfach mit der Gießkanne verteilt. Das ist aus unserer Sicht verantwortungslos. Uns ist natürlich bewusst, dass Sie persönlich das nicht alleine zu verantworten haben, sondern auch Ihre beiden Vorgängerinnen, Frau Schavan und Frau Wanka. Aber das Bildungsministerium wird seit 2005 von der Union geführt. Nun meine Frage: Wie wollen Sie verhindern, dass eine solche Misswirtschaft wieder passiert? Wie wollen Sie den Laden in den Griff kriegen, und droht uns beim DigitalPakt das gleiche Chaos?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Die Zielverfehlungen, die beim Hochschulpakt moniert werden, weise ich zurück. Es hat Vereinbarungen mit den Ländern gegeben, dass sie aufgrund von Prognosen bezüglich der Studierendenzahlen zum Beispiel die Möglichkeit haben, Geld zurückzustellen, das sie aber, wenn nachgewiesen ist, dass sie das Geld nicht für den Aufbau von Studienplätzen gebraucht haben, an den Bund zurückzahlen müssen. Zu dem, was nun im Hinblick auf die Möglichkeiten, die sehr weitgehend waren, weil vielfach Aufgaben anhand von Prognosen aus den letzten Pakten zu erfüllen waren, festgestellt wurde, kann ich nur sagen: An dieser Stelle gibt es für die zukünftigen Pakte wesentlich strengere Vorgaben. Die Rückstellung von Geld für den weiteren Aufbau von Studienplätzen zum Beispiel braucht es nicht mehr, weil der zukünftige Hochschulpakt eine ganz andere Aufgabe hat.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Wollen Sie eine Nachfrage stellen?

Dr. Michael Espendiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004711, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ja. – Der Rechnungshof macht den konkreten Vorschlag, dass der Bund ein Kündigungsrecht erhält und dass die Folgen für den Bundeshaushalt beschränkt werden. Teilen Sie das? Möchten Sie das so umsetzen, oder ignorieren Sie das?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Der Bund hat ein Kündigungsrecht. Er kann mit einer Vorlaufzeit von fünf Jahren die dauerhafte Vereinbarung, die wir nun mit den Ländern geschlossen haben, kündigen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Dann stellt die nächste Frage die Kollegin Yasmin Fahimi, SPD.

Yasmin Fahimi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004713, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Ministerin Karliczek, wir als SPD-Fraktion freuen uns natürlich außerordentlich, dass mit dem heutigen Kabinettsbeschluss zum Berufsbildungsgesetz endlich die Mindestausbildungsvergütung auf den Weg gebracht wurde. Wir begrüßen auch außerordentlich, dass darin eine Regelung gefunden wurde, die eine Inbezugnahme der sozialpartnerschaftlichen Vereinbarungen und Tarifverträge vorsieht. Teilen Sie die Auffassung, dass diese Regelung jetzt gute Klarheit für alle schafft und dass diese Regelung deutlich vorteilhafter ist als die Inbezugnahme des Schüler-BAföG, wie sie ursprünglich im Referentenvorschlag vorgesehen war?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Die Aufgabe, die wir mit der Novelle zum Berufsbildungsgesetz erfüllen wollen, ist die Stärkung der beruflichen Bildung. In der beruflichen Bildung gibt es immer viele Akteure, die mit am Tisch sitzen. Es war eine meiner Aufgaben – es war mir die wichtigste –, zusammen mit den Partnern, die mit am Tisch sitzen – das sind neben meinen Kollegen aus anderen Ministerien die Tarifpartner –, durch diese Novelle sicherzustellen, dass im Konsens ein Weg zur Einführung der Mindestausbildungsvergütung gefunden wird. Sie sollte so maßvoll sein, dass sie auf der einen Seite Wertschätzung für die Auszubildenden und für die Leistungen, die die Auszubildenden in den Betrieben erbringen, zum Ausdruck bringt und auf der anderen Seite die Dynamik auf dem Ausbildungsmarkt erhält, sodass den jungen Menschen Jahr für Jahr möglichst viele Ausbildungsplätze angeboten werden können. Wir haben in diesem Kontext, glaube ich, mit Maß und Mitte einen Weg gefunden und sind so weit gekommen, das heute im Kabinett zu verabschieden. Ich würde mich freuen, wenn Sie das weiter unterstützten.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Möchten Sie eine Nachfrage stellen?

Yasmin Fahimi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004713, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe noch eine Nachfrage. – Mit dieser Regelung wurden sicherlich Maß und Mitte gefunden; das teile ich. Aber mit dieser Regelung ist auch ein wichtiges Signal gesetzt, dass wir nicht nur eine beliebige Grenze per Gesetz einführen, sondern auch tarifvertragliche Vereinbarungen auf besondere Art und Weise berücksichtigen und die Sozialpartnerschaft, die uns wichtig ist, zur Geltung bringen. Deswegen lautet meine Frage: Sehen Sie ebenfalls die Vorteile dieser Regelung im Verhältnis zur ursprünglichen Idee der Inbezugnahme des Schüler-BAföG?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Die unbefristete tarifvertragliche Öffnungsklausel, die wir aufgenommen haben, um in verschiedenen Branchen oder in verschiedenen Regionen immer die tarifvertragliche Lösung vor die Mindestausbildungsvergütung zu stellen, halte ich für einen entscheidenden Schritt; denn das eröffnet Tarifpartnerschaften, die vor Ort die regionalen Bedürfnisse viel besser kennen, als wir sie für Gesamtdeutschland sehen können, entsprechende Möglichkeiten. Damit setzen wir ein Zeichen, dass wir Tarifpartnerschaft wertschätzen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Die nächste Frage stellt Katja Suding, FDP.

Katja Suding (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004910, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank. – Frau Ministerin, wir hatten bereits mehrfach nachgefragt, wie der Zeitplan für die Unterzeichnung des DigitalPakts aussieht. Bisher ließ sich Ihnen keine Antwort entlocken. Jetzt haben Sie gesagt, dass die 16 Länder unterzeichnet haben. Mich interessiert natürlich, wann Sie für den Bund diese Vereinbarung unterzeichnen. Die Länder scheinen schon etwas länger Bescheid über den Zeitplan zu wissen. Die Schulen in Bayern zum Beispiel können keine Landesmittel für die Digitalisierung mehr abrufen. Das ist für mich ein Alarmzeichen. Das Land Bayern scheint in Erwartung des DigitalPakts die eigenen Programme für die digitale Bildung gestoppt zu haben. Mich erinnert das sehr stark an die BAföG-Milliarden. Deswegen möchte ich von Ihnen gerne wissen: Wie wollen Sie eine Wiederholung des Desasters, das damals entstand, verhindern? Mit genau welchen Kontrollmechanismen wollen Sie verhindern, dass nun die Länder eigene Anstrengungen für die digitale Bildung vermindern, weil der Bund einspringt? Das gilt es zu verhindern, damit der DigitalPakt überhaupt seine Wirkung entfalten kann, durch den zusätzliche Mittel für ein so wichtiges Feld bereitgestellt werden. ({0})

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Noch in dieser Woche werde ich meine Unterschrift unter die Bund-Länder-Vereinbarung setzen, sodass es quasi ab der nächsten Woche losgehen kann. Man muss sehen, dass wir gerade deshalb einen Pakt, den DigitalPakt, geschnürt haben, weil jeder seine Aufgaben erfüllen muss. Dabei kommt es darauf an, zu berücksichtigen, dass es unterschiedliche Konzeptionierungen für die jeweiligen Schulen und Träger gibt. Wir brauchen unterschiedliche Konzepte. In Grundschulen wird das Konzept anders aussehen als das in einer Berufsschule. Dafür haben wir unterschiedliche Möglichkeiten im DigitalPakt gegeben. Wir wollen den Schulen außerdem Infrastrukturleistungen geben. Des Weiteren müssen die Länder die Weiterbildung der Lehrer sicherstellen. Diese drei Dinge müssen aufeinander abgestimmt werden: Konzeptionierung, Lehrerweiterbildung und Infrastrukturleistung. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Abstimmung dieser drei Dinge erst in den Ländern organisiert werden muss und dass vielleicht deswegen das Land Bayern so reagiert.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Eine Nachfrage, Frau Suding?

Katja Suding (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004910, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja. – Vielen Dank für die Ausführungen. Das beantwortet meine Frage allerdings nicht. Ich möchte gerne wissen, welche Kontrollmechanismen Sie haben und was Sie durchsetzen wollen, damit wir nicht genau das erleben, was wir im Zusammenhang mit den BAföG-Milliarden erlebt haben, nämlich dass die Länder eigene Anstrengungen in dem Moment zurückgefahren haben, wo der Bund eingesprungen ist. Das gilt es zu verhindern. Ich möchte gerne wissen, wie Sie das verhindern wollen gerade im Hinblick auf das, was wir schon in Bayern erleben.

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Die Länder müssen die Organisation der nächsten Schritte übernehmen. Wir machen am Ende eine Abrechnung und veröffentlichen, wofür die Länder das Geld ausgegeben haben. Am Ende müssen die Länder uns gegenüber nachweisen, ob die erwähnten drei Teile funktionieren. Dann bekommen sie das Geld für die Infrastruktur.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Dr. Michael von Abercron, CDU/CSU, stellt die nächste Frage.

Dr. Michael Abercron (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004650, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Frau Bundesministerin, die Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen überall im Land ist ein ganz wichtiges Anliegen. Dabei spielen natürlich Bildung, aber auch Forschung und Innovation eine wichtige Rolle. Welche Möglichkeiten nutzen Sie, um die Innovationskraft in den ländlichen und zumeist strukturschwachen Räumen zu verbessern, und wie ist der Stand der Umsetzung des Programms zur Stärkung der Forschung und Innovationskraft in strukturschwachen Gebieten?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Wir gehen verschiedene Wege. Erstens. Wir sind an der Strukturwandelkommission beteiligt, in der wir über langfristige Maßnahmen diskutieren, wie zum Beispiel die Ansiedlung von Forschungseinrichtungen, die Gründung quasi eines Nukleus, der durch weitere Entwicklung wirtschaftliche Prosperität in die betreffende Region bringen kann. Der zweite Weg, den wir gehen, ist: Wir legen Förderprogramme auf wie das Programm „WIR!“, mit dem wir gezielt die Innovation und den Wandel in den Regionen unterstützen, und zwar zusammen mit den Partnern vor Ort, weil diese am besten wissen, wie sich eine Region weiterentwickeln lässt.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Keine Nachfrage. – Dann stellt die nächste Frage die Kollegin Birke Bull-Bischoff, Fraktion Die Linke.

Dr. Birke Bull-Bischoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004688, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Bundesministerin, die Veröffentlichung und Kommentierung zum Berufsbildungsbericht – Ihre und die aus Ihrem Hause – vermitteln ein wenig den Eindruck, als sei alles eitel Sonnenschein. Das verkennt zum Beispiel die Situation, dass wir in steigendem Maße – im Moment sind es 2,12 Millionen – junge Menschen im Alter von 20 bis 34 Jahren haben, die ohne Berufsausbildung in den Arbeitsmarkt einmünden. ({0}) Das hat in aller Regel die Folge, dass sie im Niedriglohnsektor beschäftigt werden. Das ist in aller Regel mit schlechten Arbeitsplätzen verbunden. Insofern hätte ich von Ihnen gern gewusst, welche konkreten Maßnahmen, welche Ideen, welche Konzepte Sie haben, um diesen jungen Menschen eine Perspektive im Hinblick auf vollqualifizierende berufliche Bildung zu ermöglichen.

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Liebe Frau Kollegin, wir gehen da verschiedene Wege. Das eine ist: Man muss immer gucken, was die Ursache dafür ist, dass jemand keine Startqualifikation hat. Zum Teil liegt es daran, dass Menschen erst im Erwachsenenalter zu uns kommen, dass sie eine Ausbildungsstruktur, wie wir sie hier haben, in der Form nicht kennen. Zum Teil liegt es auch daran, dass es Menschen gibt, die nicht lesen und schreiben können. Ich habe in der letzten Woche eine Studie vorgestellt, wonach wir auf einem guten Weg sind. Die Anzahl der Menschen, die nicht fließend lesen und schreiben können, ist nämlich von 7,5 Millionen auf 6,2 Millionen gesunken. Wir sind also auf einem guten Weg, diesen Menschen zu helfen. Aber wir können nur helfen, wenn wir auch diese unterschiedlichen Ausgangspositionen betrachten. Wir müssen zum Beispiel den Menschen, die zu uns kommen und noch nicht so gut Deutsch sprechen, dass sie eine Ausbildung machen können, helfen, indem wir ihnen Kurse zur Verfügung stellen, die es ihnen ermöglichen, dass sie genügend Deutsch sprechen lernen. Denen, die nicht fließend lesen und schreiben können, müssen wir niedrigschwellige Möglichkeiten zur Verfügung stellen, lesen und schreiben zu lernen. Außerdem gibt es Menschen, denen ein Berufsabschluss oder auch schon ein Schulabschluss nicht möglich gewesen ist. Denen müssen wir immer wieder neue Startchancen geben. Ich bin froh, in der Lage zu sein, sagen zu können, dass wir auf dem Weg sind, auch für Menschen, die keine Qualifikation im klassischen Sinne mit einem Abschluss haben, Möglichkeiten der Anerkennung informeller Qualifikationen zu schaffen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Vielen Dank, Frau Bundesministerin Karliczek. – Die rote Ampel zeigt an, dass Ihre Redezeit überschritten ist.

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Es tut mir leid.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Mögen Sie noch eine Frage stellen, Frau Kollegin Bull-Bischoff? – Bitte sehr.

Dr. Birke Bull-Bischoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004688, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich möchte meine Frage noch etwas konkretisieren. Sie haben jetzt sehr stark Bezug genommen auf Geflüchtete; aber der sehr viel größere Anteil der Menschen, die ohne Berufsausbildung unterwegs sind, sind Menschen, die unser Schulsystem entweder ohne Schulabschluss oder mit Hauptschulabschluss verlassen haben; das ist der weitaus größere Anteil. Welche Chancen haben sie, in das System der beruflichen Bildung zurückgeführt zu werden?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Zum einen besteht die Möglichkeit, dass man über eine Berufsausbildung einen qualifizierten Schulabschluss und darüber eine Perspektive bekommt. Wir haben im Moment fast 60 000 unbesetzte Ausbildungsplätze, die mittlerweile gerade für Menschen, die vielleicht nicht optimal durch die Schule gekommen sind, sehr große Chancen bieten. Zum anderen gilt das, was ich gesagt habe: Wenn zum Beispiel jemand die Schule ohne Abschluss verlassen hat, weil er nicht richtig lesen und schreiben konnte, dann muss man ihm immer wieder eine neue Chance geben. Oft ist es so, dass solche Personen informelle Qualifikationen haben, die wir jetzt sichtbar machen wollen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Die nächste Frage stellt Beate Walter-­Rosenheimer, Bündnis 90/Die Grünen.

Beate Walter-Rosenheimer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004221, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Frau Ministerin, zum Thema Weiterbildung, insbesondere zu der Nationalen Weiterbildungsstrategie, die ja im Sommer vorgelegt werden soll, sind erste Formulierungen bekannt geworden. Meine Frage an Sie ist: Welche Beiträge und Commitments werden Sie vonseiten des BMBF dazu einbringen?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Die Nationale Weiterbildungsstrategie ist für uns ein ganz wichtiges Modul im gesamten Aus- und Weiterbildungssystem, gerade auf der beruflichen Schiene, und zwar insofern, als wir in den nächsten Jahren erleben werden, dass sich viele Arbeitsplätze und viele Branchen stark verä ndern werden, sodass wir für jeden passende Module brauchen, um ihn auf dem jeweiligen Arbeitsplatz weiterzubilden. Wir wollen ein modularisiertes System zur Verfügung stellen, sodass genau das möglich wird, dass man je nach Bedarf sehr kleinteilig Möglichkeiten schafft, die Menschen individuell weiterzubilden. Wir stellen uns vor, dass man das über eine Plattform deutschlandweit sichtbar macht. Wenn jemand einen speziellen Beruf hat, für den nicht in ganz Deutschland ein Weiterbildungsangebot vorgehalten werden kann, dann soll etwa sichtbar gemacht werden, dass jemand, der in Schleswig-Holstein arbeitet, in Bayern die passende Weiterbildung bekommen kann.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Sie mögen nachfragen? – Bitte.

Beate Walter-Rosenheimer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004221, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich würde gerne wissen, mit welchen Ausgaben für den Bundeshaushalt Sie rechnen und was da auf die Länder zukommt.

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Ein modularisiertes System zeichnet sich dadurch aus, dass man mit einem kleinen Teil, mit einem Nukleus, anfangen kann – wir müssen immer die einzelnen Branchen mit ins Boot holen; zum Beispiel sind die anderen Partnerländer häufig davon betroffen –, sodass wir an der Stelle mit einigen Millionen Euro beginnen können.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Dr. Götz Frömming, AfD, hat als Nächster das Fragerecht.

Dr. Götz Frömming (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004722, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrte Frau Ministerin Karliczek, ich möchte Ihnen eine Frage zur Wissenschaftsfreiheit stellen. Bei diesem Thema blicken wir ja oft ins Ausland; aber auch in Deutschland stellen zumindest wir fest, dass der Korridor des politisch Sagbaren enger wird, zumindest wenn man gewisse Dinge ausspricht. Auch als Universitätslehrer muss man mit Schwierigkeiten zurechtkommen. Ich nenne beispielhaft die Fälle Professor Münkler, den Sie vielleicht kennen, Baberowski und, jüngst geschehen, Frau Professorin Schröter, die mit ihren Forschungs- bzw. Lehrveranstaltungen Probleme hatten. Jüngst kam der Fall des Kriminalitätsforschers Ralph Ghadban hinzu, der sich mit Clankriminalität beschäftigt und jetzt sogar mit dem Tode bedroht worden ist. Ich möchte Sie fragen: Macht auch Ihnen diese Entwicklung Sorgen? Was tun Sie, was tut Ihr Haus, um diese Entwicklung möglichst zu stoppen und die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland zu bewahren oder erst wiederherzustellen?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Die Wissenschaftsfreiheit ist uns ein hohes Gut, deshalb ist sie grundgesetzlich verankert. In diesem Zusammenhang ist es, glaube ich, wichtig, dass wir als Gesellschaft jetzt sehr achtsam sind, wenn bestimmte Veranstaltungen nur noch unter schwierigen Bedingungen stattfinden können. Ich glaube, wir müssen alle sehr wachsam sein und erkennen, dass wir immer wieder gefordert sind, einen freien Meinungsaustausch weiter zu gewährleisten. Das, was da passiert ist, macht mir Sorgen; ganz klar. Ich mache jetzt in all meinen Veranstaltungen immer wieder darauf aufmerksam, dass wir sehr wachsam sein müssen, dass wir die Meinungsfreiheit und den Disput gerade in den Hochschulen – da ist er angesiedelt; das ist das originäre Umfeld dafür – hochhalten und dass wir das auch immer wieder klarstellen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Eine Nachfrage, Herr Kollege.

Dr. Götz Frömming (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004722, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank. – Sie erwähnten den Disput an den Hochschulen. Daran anschließend möchte ich fragen: Wie bewerten Sie den Siegeszug der politischen Korrektheit? Hier hat sich ja in sehr dezidierter Weise erst jüngst der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Herr Kempen, dahin gehend geäußert, ({0}) dass er persönlich – ich nehme an, er spricht für seinen Verband – hier eine Bedrohung der Freiheit an der Universität sieht. Wie bewerten Sie diese Aussage des Deutschen Hochschulverbandes?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Ich bin sehr froh, dass sich im Moment wirklich alle dessen bewusst sind, dass wir gerade da aufpassen müssen, wo unterschiedliche Meinungen diskutiert werden sollen und wo aus einer regen Diskussion um eine Entwicklung eine neue Entwicklungsstufe erreicht werden kann. Ich bin froh, dass jetzt alle wachsam sind und sagen: Wir müssen darauf achten. – Die Hochschulen sind ja der Ort, wo die Verteidigung dieser Freiheit originär stattfinden soll; das muss da gewährleistet sein.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Stephan Albani, CDU/CSU, stellt die nächste Frage. ({0}) – Oliver Kaczmarek, SPD, Entschuldigung. Ich bin in die falsche Spalte gerutscht. Herr Kaczmarek, jetzt haben Sie zwei Sekunden extra.

Oliver Kaczmarek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004063, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Albani und ich sind noch nicht verwechselt worden; aber es ist in Ordnung. – Frau Ministerin, Sie haben die Einigung in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz bezüglich der Wissenschaftspakte angesprochen. Das ist in der Tat, glaube ich, ein Durchbruch, weil wir damit Stabilität für sieben Jahre, beim Pakt für Forschung und Innovation sogar für zehn Jahre, schaffen. Was uns besonders gefreut hat, war, dass Sie beim Hochschulpakt zustimmen konnten, dass es 2024 einen Mittelaufwuchs gibt; das war ja durchaus umstritten. Ich glaube, dass das notwendig ist, um die Qualität der Lehre zu stabilisieren. Ich möchte Sie fragen, ob Sie dem zustimmen, dass es eine Voraussetzung für den Durchbruch war, dass sich bei der Frage des Mittelaufwuchses im Hochschulpakt der Bund bewegt hat, und wie Sie das Ziel weiterverfolgen wollen, dauerhafte Stellen an den Universitäten zu schaffen?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Ich möchte zu Beginn auf die sieben Jahre, von denen Sie gesprochen haben, eingehen: Wir stellen für den Zukunftsvertrag klar, dass er unbefristet ist. Die Vereinbarungen, die wir jetzt für die nächsten sieben Jahre mit den Ländern treffen und die die Qualität in Studium und Lehre im Fokus haben sollen, umfassen zum einen etwas Qualitatives und zum anderen die quantitative Ausstattung mit Geld. Die quantitative Ausstattung mit Geld ist unbefristet. Da die Ausstattung mit den finanziellen Mitteln unbefristet ist, haben die Hochschulen jetzt viel mehr Möglichkeiten, unbefristete Stellen gerade in den Bereichen zu schaffen, in denen sie Aufgaben haben, die langfristig anfallen. Wir werden jetzt beobachten, ob es in der Form, wie wir es mit den Ländern vereinbaren, auch stattfindet und ob es ausreichend ist. Dann vielleicht noch einen Punkt zum Aufwuchs. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir 2024 einmalig eine Schippe drauflegen mit einem Aufwuchs von 1,88 Milliarden Euro auf 2,05 Milliarden Euro. Wichtig ist, dass wir trotzdem immer klarstellen, dass die Grundfinanzierung der Hochschulen eine Aufgabe der Länder ist und bleibt und wir nur eine Unterstützung geben wollen, weil wir natürlich trotz des schnellen Aufwuchses der Zahl der Studienplätze Kontinuität auf hohem Niveau gewährleisten wollen. Da sehen wir uns natürlich in der Pflicht.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Mögen Sie noch mal? – Herr Kaczmarek, Ihre Zusatzfrage, bitte.

Oliver Kaczmarek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004063, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank für die Antwort. – Das, was Sie sagen, schließt aber nicht aus, dass wir in sieben Jahren, wenn wir die Kriterien neu verhandeln, mit den Ländern noch mal darüber sprechen, ob die Mittel weiter aufwachsen können, oder?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Das schließt es nicht aus. Aber ich sage es noch mal: Die Grundfinanzierung ist Aufgabe der Hochschulen. Wir unterstützen die Hochschulen dabei, dass sie auf hohem Niveau weiter Kontinuität gewährleisten können. Wichtig ist, dass wir vereinbart haben, nach sieben Jahren die qualitativen Kriterien zu überprüfen; denn wir wollen ja Qualität in Studium und Lehre langfristig sicherstellen. Aufgrund des starken Wandels, der im Moment in der Lehre und auch in der Forschung stattfindet, müssen wir uns das in sieben Jahren noch mal angucken. Da ist der gewählte Zeitraum von sieben Jahren auch gut. Weil die quantitativen Kriterien aber dauerhaft sind, ist die Langfristigkeit von Arbeitsverhältnissen eine andere Frage.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Hagen Reinhold, FDP, stellt die nächste Frage.

Hagen Reinhold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004229, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin Karliczek, Sie haben gesagt, Sie wollten die berufliche Bildung stärken. Da haben Sie uns Liberale ganz an Ihrer Seite. Ich glaube, Sie haben selber einen Ausbildereignungsschein, wenn ich es richtig weiß.

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Wie sich das gehört.

Hagen Reinhold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004229, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sein Erwerb ist Teil der Meisterausbildung. Insofern weiß ich Sie auf unserer Seite, wenn es um die Meisterausbildung geht. Das ist schon mal sehr schön. Ich glaube, wir haben jedes Jahr rund 24 000 Meisterabschlüsse. Damit sind Kosten von ungefähr 252 Millionen Euro für Gebühren und Prüfungskosten verbunden. Sie werden von Handwerksgesellen, aber teilweise sicherlich auch von der öffentlichen Hand und den Betrieben getragen. Ein Studium ist dagegen fast immer gebührenfrei. Sie haben sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, finanzielle Hürden für Technikerinnen und Techniker, für Meisterinnen und Meister sowie für Fachwirtinnen und Fachwirte abzubauen, und wollen bis zur Gebührenfreiheit gelangen. Jetzt frage ich Sie – der Öffentlichkeit ist bis jetzt nichts bekannt –: Wie ist denn der Stand der Vorbereitungen in Ihrem Ministerium? Rechnen Sie mit einer vollständigen Zuschussfinanzierung? Wie hoch sind denn die dafür veranschlagten Mittel?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Wir haben heute mit der Verabschiedung der Novelle des Berufsbildungsgesetzes im Kabinett die Grundlagen geschaffen. Wir brauchen nämlich, um die strukturierte Weiterbildungsmöglichkeit finanziell unterlegen zu können, die Weiterbildungsstufen, die wir jetzt mit dem Berufsbildungsgesetz auf den Weg bringen. Jetzt werden wir uns als Nächstes mit dem Aufstiegs-BAföG beschäftigen, das dann nämlich die finanzielle Grundlage ist, um die Weiterbildung bis auf Masterniveau besser zu fördern.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nachfrage? – Herr Kollege Reinhold.

Hagen Reinhold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004229, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sie haben jetzt, ehrlich gesagt, nicht meine Frage beantwortet, wie viele Mittel Sie dafür zur Verfügung stellen und wann wir endlich damit rechnen können, dass es umgesetzt wird. Vielleicht finden Sie dazu ein paar Worte. Dann ergänze ich die Frage: Wie gehen Sie in dem Zusammenhang mit Länderprogrammen um, die es in dem Bereich ja auch gibt? Planen Sie eine 100-prozentige Förderung des Bundes und nehmen die Länder aus der Pflicht, oder wie haben Sie sich das vorgestellt?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Wir geben, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart ist, in dieser Legislaturperiode 350 Millionen Euro zusätzlich für das Aufstiegs-BAföG aus. Die Weiterbildungsstufen, die wir jetzt im Berufsbildungsgesetz vorsehen, sind die Grundlage dafür, dass wir systematisch bis hin zum Masterniveau fördern können. Programme der Länder, die es, zum Beispiel mit dem Meisterbonus, gibt, bleiben erhalten. Der Meisterbonus steigert die Attraktivität eines Standorts im Wettbewerb der Länder; die Länder legen ihn obendrauf.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Jetzt mache ich einen erneuten Versuch, Stephan Albani diesmal für die CDU/CSU das Wort zur nächsten Frage zu erteilen.

Stephan Albani (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004241, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herzlichen Dank, Herr Präsident, dass ich in der Union bleiben darf. Das ist gut. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Dürfen Sie, ja.

Stephan Albani (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004241, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön. – Frau Ministerin, eingangs zwei Punkte, auf die sich meine Fragen beziehen: Kampf gegen Krebs und die Zusammenarbeit in Europa. Es gibt, glaube ich, keinen Bereich, in dem Forschung stärker ersehnt wird als im Bereich des Kampfes gegen große Krankheiten. Krebs ist wahrscheinlich eine der prominentesten Krankheiten, zumindest in der Wahrnehmung der Bevölkerung. Ihr Haus hat zusammen mit anderen Häusern die Nationale Dekade gegen Krebs auf den Weg gebracht. Ich begrüße das. Sie haben mit der Bekanntmachung einer Richtlinie zur Förderung praxisverändernder klinischer Studien begonnen. Warum stellen Sie dies in den Mittelpunkt? In Bezug auf Europa ist meine Frage: Wie wird sichergestellt, dass die Nationale Dekade in Synergie mit den Aktivitäten anderer Länder nicht nur in Europa, sondern auch weltweit aufgestellt werden kann?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Die institutionell finanzierte Krebsforschung ist ja sowieso schon im internationalen Kontext unterwegs, sodass unsere nationale Strategie relativ leicht anschlussfähig ist, wenn das Thema Krebs nach der Wahl im Europäischen Forschungsrahmenprogramm in den Fokus rückt. Dass wir jetzt die Richtlinie zur Förderung praxisverändernder klinischer Studien auf den Weg gebracht haben, hat den Grund, dass genau dort ein Gap besteht, dass dort sonst niemand hingucken würde, weil es aus Forschungssicht keinen Karrierefortschritt brächte und auch aus industrieller Sicht keinen Fortschritt. Wir wollen Maßnahmen und Therapien, die es heute schon gibt, optimieren, sodass sie den Patienten leichter und besser zur Verfügung gestellt werden können und vielleicht auch manchmal eine Medikation verkürzen können. Das ist der Grund, warum wir genau in dieses Gap reingehen: weil es da unsere Aufgabe ist, etwas zu tun, damit die Therapien für jemanden, der von Krebs betroffen ist, noch besser und schneller werden können.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Ihre Nachfrage, Herr Kollege Albani.

Stephan Albani (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004241, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das Schließen von Gaps ist gut. Ein anderes Gap ist ja immer das Valley of Death, also die Frage, wie Forschungsergebnisse in die Praxis kommen, was ja gerade im medizinischen Bereich teilweise eines langen Atems bedarf. In diesem Bereich, aber auch in anderen Bereichen: Was sind die Aktivitäten, die Sie momentan fokussieren, um den Transfer aus der Forschung – zum Teil Grundlagenforschung, aber auch angewandte Forschung – in die Praxis besser und schneller zu gewährleisten? Denn nirgends fällt es schwerer, zu warten, als in der Medizin.

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Wir haben in Heidelberg beispielsweise schon das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen, das an die Versorgung angegliedert ist. Genau dieser Weg, Forschung und Versorgung enger zusammenzubringen und dann auch in die Fläche zu bringen, ist ein Teil der Nationalen Dekade gegen Krebs. Wir wollen weitere Zentren, die Forschung und Versorgung in der Fläche zusammenbringen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Pascal Meiser, Die Linke, stellt die nächste Frage.

Pascal Meiser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004819, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Ministerin Karliczek, die Stärkung der beruflichen Bildung ist in der Tat eine dringliche Aufgabe. Deswegen ist es gut, dass Sie jetzt endlich einen Gesetzentwurf vorgelegt haben. Nur leider scheint mir, dass der Gesetzentwurf doch an einigen Stellen, obwohl Sie sich so lange Zeit gelassen haben, deutlich hinter dem Notwendigen zurückbleibt. Auch die ersten Äußerungen, beispielsweise der Gewerkschaft Verdi von heute, zeigen, dass es draußen, außerhalb dieses Hauses, so gesehen wird. Das betrifft insbesondere den Geltungsbereich, also die Frage, wer eigentlich künftig unter das Berufsbildungsgesetz fällt, und natürlich auch die konkrete Ausgestaltung der Mindestausbildungsvergütung, die wir an sich ausdrücklich begrüßen und schon lange fordern. Meine Frage an Sie: Können Sie an dieser Stelle zumindest sagen, wie viele Auszubildende eigentlich konkret von der Neuregelung, von der Mindesthöhe der Vergütung, die Sie jetzt vorschlagen – 515 Euro im ersten Lehrjahr sind ja nicht die Welt –, profitieren werden?

Anja Karliczek (Unbekannt)

Politiker ID: 11004323

Da die Regelung erst zum 1. Januar 2020 in Kraft tritt und dann für zukünftige Auszubildende gilt, müssen wir erst mal die Zahlen abwarten und schauen, wie viele Auszubildende sich zum 1. August um einen Ausbildungsplatz bewerben und dann eben auch einen Ausbildungsvertrag erhalten. Insofern können wir das noch nicht sagen. Wir hatten in den letzten Jahren steigende Ausbildungszahlen. Wir hatten immer gut über 500 000 neue Ausbildungsverträge. Ich gehe davon aus, dass sie sich auch in zukünftigen Jahren ungefähr in der Größenordnung bewegen. Vielleicht sage ich noch ein paar Sätze dazu. Wir haben uns auf steigende Mindestausbildungsvergütungen in den ersten vier Jahren geeinigt: Wir fangen mit 515 Euro an. Im Jahr 2021 beträgt die Mindestausbildungsvergütung schon 550 Euro. Im Jahr 2022 sind wir bei 585 Euro, im Jahr 2023 bei 620 Euro. Daran anschließend wird die zukünftige Steigerung der Mindestausbildungsvergütung an der durchschnittlichen Steigerung der Ausbildungsvergütungen in ganz Deutschland gemessen. Ich glaube, dass wir genau mit diesem Weg Maß und Mitte gefunden haben; denn am wichtigsten ist es, dass immer genügend Ausbildungsplätze angeboten werden. Wir haben schon eine Zeit in Deutschland erlebt, in der es anders war, in der wir händeringend darum gebeten haben, mehr junge Menschen auszubilden, mehr jungen Menschen in diesem Land eine Chance zu geben. Denn eine Erstausbildung machen zu können, ist eine Riesenchance in unserem Land. Wenn jemand in Deutschland seinen Lebensunterhalt mit seiner Ausbildungsvergütung nicht bestreiten kann, dann bekommt er über das Sozialgesetzbuch III noch weitere Unterstützungsleistungen. Das muss man, glaube ich, an der Stelle auch beachten; das ist mir wichtig.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Vielen Dank. – Mögen Sie eine Nachfrage stellen?

Pascal Meiser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004819, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Gerne.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Bitte.

Pascal Meiser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004819, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Ministerin, vielen Dank. – Mich würde interessieren: Wie viele Auszubildende erhalten mit aktuellem Stand von 2019 unter 515 Euro im ersten Lehrjahr? Die Antwort auf die Frage, wie viele davon profitieren können, ist ja für die Bewertung wichtig. Ich gehe davon aus, dass Sie sich das angeschaut haben. Die Zahlen würden mich interessieren. Meine zweite Frage dazu konkret: Ich habe von dem Geltungsbereich gesprochen; dual Studierende und die medizinisch-technischen Ausbildungsberufe sind im Geltungsbereich nicht, wie das von den Gewerkschaften gefordert wird, vorgesehen. Warum lassen Sie die im Regen stehen? Können Sie mir sagen, wie viele von diesen Betroffenen – dual Studierende und Auszubildende im medizinisch-technischen Bereich – überhaupt eine Ausbildungsvergütung bekommen? Weil die Frage, wie vielen Leuten das hilft – –

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege, Nachfragen sollen 30 Sekunden nicht überschreiten. Ich danke Ihnen sehr für Ihr Verständnis. – Die Antworten auf Nachfragen sollen übrigens auch nur 30 Sekunden dauern. ({0})

Pascal Meiser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004819, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich wollte gerade sagen. Waffengleichheit.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Frau Bundesminister.

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Ich will als Erstes auf die Zahl eingehen. Wir können Ihnen sagen, dass maximal 10 bis 11 Prozent der Betriebe von einer unter 515 Euro liegenden Ausbildungsvergütung betroffen sind. Wir werden zukünftig Statistiken erheben, sodass wir Ihnen das für einzelne Ausbildungen in Zahlen ausdrücken können. Das können wir im Moment leider noch nicht.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Vielen Dank. – Kai Gehring, Bündnis 90/Die Grünen, stellt die nächste Frage.

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident. – Uns treibt nach wie vor um: Wie geht eigentlich eine Bundesforschungsministerin mit Forschungsergebnissen um? Auf ihrer persönlichen Website ist nach wie vor zu lesen, dass es – Zitat – „keine Langzeitstudien zu den Auswirkungen auf Kinder in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften“ gäbe. Wir wissen längst: Das ist blanker Unsinn; denn es gibt Dutzende von Studien, die alle unisono zu dem Ergebnis kommen: Den Kindern geht es gut. Sie haben 2018 in einem n‑tv-Interview gesagt, den bestehenden Forschungsstand würden Sie nicht kennen; das sei eine spannende Forschungsfrage. – Daraufhin haben das BMBF und Sie persönlich zahlreiche Literaturtipps erhalten. Herr Rachel hat hier in einer Fragestunde gesagt, selbstverständlich lägen eine ganze Reihe von Studien vor. – Deshalb frage ich Sie jetzt, ob Sie sich inzwischen mit dem Forschungsstand haben vertraut machen können, ob Sie die zahlreichen Studien zur Kenntnis genommen haben, und welche Konsequenz Sie als Forschungsministerin daraus ziehen.

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Lieber Herr Kollege, ich kann an dieser Stelle einfach nur noch einmal klarstellen: In diesem Interview ging es darum, mein Abstimmungsverhalten im Jahr 2017 und das ganze Umfeld darzustellen. Es ging nicht um die Frage nach einzelnen Studien in der Form, wie Sie das heute darstellen. Natürlich gibt es Studien über Kinder in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Das habe ich nie infrage gestellt. Ich habe auch nie Forschungsergebnisse infrage gestellt. Ich habe einfach nur mein damaliges Abstimmungsverhalten in diesem Kontext dargestellt – nicht mehr und nicht weniger.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Mögen Sie eine Nachfrage stellen?

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gerne.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Bitte.

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich hatte vor allem wissen wollen, welche Schlussfolgerung Sie aus den Studien ziehen. Es ist ja schön, dass Sie die Existenz dieser Studien inzwischen anerkennen. Ich frage mal weiter: Im Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus hat die Bundesregierung 2017 angekündigt, zu Homosexuellen- und Transfeindlichkeit zu forschen. Bisher kann das Bundesforschungsministerium kein einziges Forschungsvorhaben nennen. Wie lange wollen Sie die Homo- und Transphobie im Land eigentlich noch ignorieren? Wann werden Sie ein Forschungsvorhaben gegen die Homosexuellenfeindlichkeit im Land auflegen? Wenn Sie selber dazu nicht in der Lage sind, würden Sie Ihrem Haus zutrauen, eine solche Forschung zu beauftragen? Die Bundesregierung hat sich 2017 dazu verpflichtet. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege, Nachfragen: 30 Sekunden. – Frau Bundesminister.

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Wir arbeiten in meinem Haus an vielen gesellschaftlichen Fragestellungen. Dazu gehören immer auch Fragestellungen wie: Wie entwickelt sich Gesellschaft? Insofern kann ich nicht feststellen, dass wir da ein Defizit haben.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Jetzt geht das Fragerecht an die Kollegin Nicole Höchst, AfD.

Nicole Höchst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004753, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Ministerin Karliczek, erst vor wenigen Monaten ist eine Neuköllner Grundschule bundesweit durch die Presse gegangen, an der nur noch 1 von 103 eingeschulten Kindern zu Hause Deutsch spricht. Berlin, Frankfurt, Ludwigshafen, Germersheim, Bad Kreuznach – die Rütli-Schule ist quasi überall. Deutsche Schüler sind vielerorts bereits in der Minderheit. Halten Sie diese Entwicklung für unproblematisch? Bitte nennen Sie ganz konkrete Maßnahmen, die die Bundesregierung unternimmt, um unseren Kindern ihre Heimat, ihre Kultur und ihre angestammte Sprache zu erhalten. – Vielen Dank.

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Erst einmal ist es uns wichtig, dass wir jedem Kind in Deutschland eine gute Bildung und eine auf das Kind persönlich zugeschnittene Bildungsperspektive ermöglichen. Es ist uns wichtig, die Kinder in ihrer individuellen Situation hinsichtlich ihrer Kenntnisse der deutschen Sprache und ihres Leistungsstan des abzuholen. Auch das ist eine Frage, mit der wir uns immer wieder auseinandersetzen. Voriges Jahr haben wir ein Programm für leistungsstarke Kinder aufgelegt. Wir wollen uns jetzt auch damit auseinandersetzen: Was können wir tun, um Schulen in sozial schwierigen Regionen zu unterstützen, wo vielleicht die Zusammensetzung oder die Heterogenität der Schülerschaft eine große Herausforderung für die Lehrerschaft ist? Dieses Programm bringen wir zusammen mit den Ländern auf den Weg.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Nachfrage? – Frau Kollegin.

Nicole Höchst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004753, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Welche Botschaft hat die CDU/CSU-SPD-Bundesregierung der offenen Grenzen an die Eltern, deren Kinder überall in Deutschland als Angehörige der deutschen Minderheit in Kitas, auf Schulhöfen, in Klassensälen sprachlich ausgeschlossen, diskriminiert, gemobbt und drangsaliert werden? Was ist Ihr Plan?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Ich kann nur noch einmal wiederholen: Wir haben ein Programm für leistungsstarke Kinder aufgelegt. Wir werden jetzt zusammen mit den Ländern ein Programm entwickeln – da sind wir schon auf einem guten Weg –, um auch den Kindern in Schulen, die sich mit einer sehr heterogenen Schülerschaft und Leistungsfähigkeit der Kinder auseinandersetzen müssen, individuelle Chancen und Möglichkeiten zu eröffnen, wie es sich für ein Land wie Deutschland gehört.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Dr. Wiebke Esdar, SPD, stellt die nächste Frage.

Dr. Wiebke Esdar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004710, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Verehrte Frau Ministerin, am 3. Mai hat es einen Durchbruch bei den Verhandlungen zum Hochschulpakt, zum PFI und zum Qualitätspakt Lehre gegeben. Bei der Ausgestaltung des Qualitätspakts Lehre ist vorgesehen, dass es eine eigenständige Organisation für Lehre unter dem Dach einer bestehenden Organisation geben soll. Die SPD-Fraktion hatte zuvor vorgeschlagen, dass es eine Allianz für Hochschullehre gibt, die den Schwerpunkt vor allem auf die relevanten Akteure auf dem Gebiet setzt, die sich bereits seit Jahren sehr engagiert für eine Verbesserung der Qualität der Lehre einsetzen. Meine Bitte an Sie ist: Können Sie konkretisieren, wie diese Organisation der Lehre aussehen soll? Meine Frage an Sie ist: Wie wollen Sie sicherstellen, dass die relevanten Akteure, die es in dem Feld gibt, angemessen einbezogen werden?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Das eine ist, dass wir eine rechtlich unselbstständige Organisation wollen, um die Organisation für Innovation in der Hochschullehre zu gewährleisten. Das werden wir so aufstellen, dass wir die unterschiedlichen Partner ansprechen, um ein Organisationskonzept vorzustellen, wie man so etwas machen kann. Das Zweite ist – das soll ja eine Förderorganisation werden –, dass wir über die Förderorganisation im Wettbewerb immer wieder Anreize setzen, um zusammenzuarbeiten und gemeinsam Konzepte zu entwickeln. Daran können sich natürlich alle beteiligen, die sowieso auf dem Feld engagiert sind.

Dr. Wiebke Esdar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004710, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke schön.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Kai Gehring möchte eine Nachfrage stellen.

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. – Ich wollte gerne wissen, Frau Ministerin, wann Sie dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung endlich die GWK-Vereinbarung von Anfang Mai übermitteln. Es ist dringend notwendig, dass sich der federführende Fachausschuss mit den Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern befassen kann und wir als Haushaltsgesetzgeber Bundestag adäquat über die Fortsetzung der Pakte diskutieren können. Das war heute im Ausschuss leider nicht möglich. Das finden wir eine grobe Missachtung parlamentarischer Verfahren; denn es ist dringend notwendig, dass wir, bevor die MPK beschließt, hier adäquat diskutieren können.

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Sie haben es richtig gesagt: Das waren GWK-Beschlüsse. Das bedeutet, dass eben nicht nur der Bund, sondern auch die Länder eingebunden sind. Wenn wir die Beschlüsse zuschicken wollen, dann muss das über die GWK laufen, und dann müssen alle Beteiligten zustimmen. Wir haben den Wunsch unserer Ausschüsse der GWK mitgeteilt. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Dr. Jens Brandenburg, FDP, stellt die nächste Frage.

Dr. Jens Brandenburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004676, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin, nur noch 19,8 Prozent der Betriebe bilden aus, insbesondere bei Kleinstbetrieben ist der Anteil rückläufig. Nun geht das Bundesinstitut für berufliche Bildung davon aus, dass die von Ihnen jetzt ins Spiel gebrachte gesetzliche Mindestausbildungsvergütung diesen Trend weiter verschärfen wird. Aktuell sind bereits etwa 11 Prozent der Betriebe von dieser Regelung betroffen. Bis 2023 wird sich dieser Anteil sogar verdoppeln. Deshalb meine Frage an Sie: Wie wollen Sie dafür sorgen und sicherstellen, dass insbesondere die sehr kleinen Betriebe trotz Ihrer Politik weiter ausbilden? Und zweitens: Wie hoch ist der Anteil der Betriebe – nach Ihren hausinternen Schätzungen, auf deren Basis Sie ja diesen Gesetzvorschlag machen –, die sich aus der Ausbildungstätigkeit zurückziehen? Welche Branchen und welche Regionen werden davon ganz besonders betroffen sein?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Es ist unser Bestreben, die Dynamik im Ausbildungsmarkt zu erhalten. Wir haben deswegen gerade für Kleinstbetriebe schon Förderrichtlinien auf den Weg gebracht, nach denen zum Beispiel die Fortbildung zur Ausbildereignung bezuschusst wird, um gerade auch Kleinstbetrieben Ausbildung überhaupt möglich zu machen. Vielfach ist es aber auch so, dass wir die Vernetzung von Kleinstbetrieben fördern müssen. Aufgrund der Spezialisierung unseres Marktes hat eben nicht mehr jedes Unternehmen die Möglichkeit, überhaupt eine vollständige Ausbildung anzubieten. Insofern ist die Vernetzung verschiedener Unternehmen, durch die ein Auszubildender vielleicht in verschiedenen Unternehmen ausgebildet werden kann, eine Möglichkeit, diesem Trend entgegenzuwirken.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nachfrage?

Dr. Jens Brandenburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004676, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, sehr gerne. – Sie hätten noch ein paar Sekunden, um auch meine zweite Frage zu beantworten. Konkret: Was ist Ihre Erwartung, wie hoch ist der Anteil der Betriebe – im Sinne einer Zahl, mindestens einer Größenordnung –, die sich davon zurückziehen werden? Was ist Ihre Prognose? Ich gehe sehr stark davon aus, dass Ihr Haus eine solche Prognose natürlich erstellt hat. Alles andere wäre bei einem so weitgehenden Eingriff in die Tarifautonomie der Tarifpartner sehr fahrlässig. Deshalb: Was ist Ihre Einschätzung, wie viele ziehen sich zurück?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Genau aus diesem Grund, um die Dynamik im Ausbildungsmarkt zu erhalten und auch viele Ausbildungsplatzangebote zu erhalten, sind wir maßvoll an die Mindestausbildungsvergütung herangegangen. Es wären heute sowieso höchstens 10 bis 11 Prozent der Betriebe betroffen. Und wenn man für eine Region oder für eine Branche feststellt: „Die Mindestausbildungsvergütung passt nicht, sie können nicht mithalten“, dann geben wir über eine bevorzugte Sozialpartnerschaft die Möglichkeit, einen anderen Weg zu gehen. Dadurch haben wir verschiedene Wege aufgezeigt, die es ermöglichen, die Ausbildungsdynamik hochzuhalten. Und wenn Interesse daran besteht, ein guter Partner in der Ausbildung zu sein, werden das auch einige nutzen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Dazu eine Nachfrage von Frau Fahimi.

Yasmin Fahimi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004713, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es wäre vielleicht hilfreich, wenn man in der Tat noch einmal die verschiedenen Szenarien, die das BIBB mit Blick auf eine mögliche Mindestausbildungsvergütung entwickelt hat, der Öffentlichkeit breiter kundtut; denn die Darstellung von meinem Kollegen Brandenburg stimmt leider so nicht. Meine Nachfrage ist, ob es aus Ihrer Sicht eigentlich schädlich oder dramatisch ist, wenn Ausbildungsplätze wegfallen, für die wirklich völlig unterirdische Ausbildungsvergütungen von 250 bis 350 Euro über einen langen Zeitraum gezahlt wurden? Meistens wurden die Menschen nach der Ausbildung nicht übernommen, da sie ja offensichtlich nur Billiglöhner ersetzen sollten. Meinen Sie nicht, dass der Wegfall solcher Plätze hinnehmbar ist?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Ich glaube, dass die Mindestausbildungsvergütung ein gutes Signal in die gesamte Berufsbildungslandschaft sendet. Ich denke, dass den Sozialpartnern die Verantwortungstragweite bewusst ist, wenn sie sagen, sie wollen etwas anderes vereinbaren. Sicher ist ihnen auch klar, welche Signalwirkung die Mindestausbildungsvergütung im Zweifel auch auf die Tarifpartnerschaften, die sich für eine Weile anders einigen, hat.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Der Kollege Rossmann möchte noch eine Frage dazu stellen.

Dr. Ernst Dieter Rossmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003211, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, was die Mindestausbildungsvergütung angeht, haben Ihnen die Sozialpartner ja aus der Patsche geholfen. Sie planen jetzt einen Nationalen Bildungsrat. Meine Frage ist: Weshalb muss man aus Ihrem Hause und auch von Ihnen selber hören, dass Sie die Sozialpartner in den Nationalen Bildungsrat, der auch berufliche Bildung und Weiterbildung behandeln soll, bisher nicht dabeihaben wollen, obwohl sie Ihnen mit guten Vorschlägen einen guten Weg gewiesen haben?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Ich möchte zweierlei Dinge richtigstellen. Zum einen war es uns wichtig, in einem Bereich wie der Festlegung einer Mindestausbildungsvergütung alle, die in diesem Tätigkeitsfeld unterwegs sind, mit an Bord zu nehmen. Neben meinen Kollegen Peter Altmaier und Hubertus Heil sind da ganz klar auch immer die Tarifpartner gefragt gewesen; denn es ist deren originäre Aufgabe, Ausbildungsvergütungen generell auszuhandeln. Insofern kann man, glaube ich, nicht sagen, dass sie mir aus der Patsche geholfen haben. Vielmehr sollten wir es so verstehen, dass der Vorschlag, auf den wir uns geeinigt haben, ein guter war, um in der Diskussion und in der Sache ein Stück voranzukommen. Der zweite Punkt ist: Wir wollen, dass für den Nationalen Bildungsrat neben Vertretern der Wissenschaft Praktiker ad personam benannt werden. Wir wollen Kontinuität in der Diskussion. Insofern können natürlich die Sozialpartner, aber eben auch andere Verbände Vorschläge zur Besetzung dieses Gremiums machen. Aber wir wollen eben nicht den Verband als Vertretung in diesem Gremium, sondern die Person, die dann von den Verbänden vorgeschlagen wird. Das ist, glaube ich, der Unterschied. Aber wir schätzen die Vorschläge der Sozialpartner sehr. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Dr. Dietlind Tiemann, CDU/CSU, stellt die nächste Frage.

Dr. Dietlind Tiemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004918, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin Karliczek, herzlichen Dank für Ihre Eingangsausführungen und die damit aus Ihrem Haus verbundenen Leistungen. Ich beziehe mich auf den Referentenentwurf zum Berufsbildungsmodernisierungsgesetz Kapitel 2 § 53, der auf die Frage der Fortbildungsstufen eingeht. Sehen Sie die geplanten Fortbildungsordnungen als eine klare begriffliche Abgrenzung, sodass zukünftig klar ist, was eine Fortbildungsstufe der höherqualifizierenden Berufsbildung und was ein duales Studium ist? Ich denke, das ist unter dem Gesichtspunkt, dass die Weiterbildung ganz besonders im Vordergrund steht, ganz wichtig; aber wir müssen klar differenzieren.

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Beim dualen Studium ist es ja so, dass es zwei verschiedene Varianten gibt. Die eine ermöglicht quasi in einer verkürzten Zeit eine duale Ausbildung zusätzlich zu einem Studium. Man kann nach einer Weile den Studienabschluss machen und hat zugleich einen Abschluss aus der dualen Ausbildung. Bei der zweiten Variante des dualen Studiums liegt die Organisation insgesamt bei der Hochschule, und es werden Praxisteile eingefügt. Das fällt heute unter die klassische Organisationsfreiheit der Hochschule. In diesem Zusammenhang muss man schauen, um welche Systematik es sich handelt. Wenn der Schwerpunkt auf der dualen Ausbildung liegt, wird diese von dem Berufsbildungsgesetz geregelt. Ist es die andere Variante, dann fällt es vollständig in die Hochschulfreiheit und muss im Sinne der Hochschulorganisation geregelt und mit Standards besetzt werden. Bei den Weiterbildungsstufen ist für uns wichtig, dass wir auf der einen Seite klarmachen: Es gibt bei einer dualen Ausbildung auch die Möglichkeit, im dualen System, im beruflichen System Karrierestufen zu erklimmen und dort weiterzumachen. In Bezug auf die Vergleichbarkeit mit dem akademischen System war uns zum Beispiel im Bereich des Bachelor und Master wichtig, die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung an dieser Stelle noch einmal klarzumachen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Noch eine Nachfrage? – Frau Tiemann

Dr. Dietlind Tiemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004918, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Nachfrage: Sie sehen es also zukünftig als klar definiert, dass sich eine Fortbildung im Anschluss an eine Berufsausbildung klar von einem dualen Studium differenziert?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Ja.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Die Antwort lautet Ja. – Die nächste Frage stellt die Kollegin Nicole Gohlke, Die Linke.

Nicole Gohlke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004041, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. – Frau Ministerin, ich wollte noch einmal auf die Fridays-for-Future-Bewegung zu sprechen kommen. Die Aktivistinnen und Aktivisten dieser Bewegung tragen den Klimawandel und damit ein ganz wichtiges wissenschaftspolitisches Thema in die öffentliche Debatte. Deswegen frage ich Sie: Wie bewerten Sie als auch für die Wissenschaft zuständige Ministerin diese Proteste? Sehen Sie darin vielleicht auch ein Potenzial, das Vertrauen in einen faktenbasierten Diskurs zu stärken und damit der zunehmenden Wissenschaftsfeindlichkeit und der Verbreitung von Fake News entgegentreten zu können? ({0}) Und haben Sie konkrete Maßnahmen im Blick, um die Klimaforschung in Deutschland und in Europa zu stärken und so auch die berechtigte Sorge der jungen Generation aufzugreifen und mitzuhelfen, den Klimawandel noch eindämmen zu können?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Ich bin sehr froh, dass jetzt die gesamten Forschungsinitiativen, die wir in meinem Haus zur Klimaforschung und zur systemischen Entwicklung hinsichtlich der Frage, wie die CO 2 -Belastung in Deutschland eingedämmt werden kann, schon seit langem auf den Weg gebracht haben, durch die Proteste und die Diskussionen viel stärker publik werden. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Mein Haus fördert technologieoffene Antriebsforschung im Bereich der Mobilität. Wir diskutieren in Deutschland ganz viel nur über die Batterieforschung; aber in meinem Haus geht es auch um Förderrichtlinien für Antriebe mit Wasserstoff oder auch synthetische Kraftstoffe. Das ist etwas, was jetzt durch die Diskussionen und die Proteste der jungen Leute ganz neu in den Mittelpunkt gerät, worüber ich sehr froh bin; denn das zeigt sehr schön, dass es einen wesentlich breiteren Fächer an Möglichkeiten gibt, um den CO 2 -Ausstoß in Deutschland einzudämmen. Wir haben noch einen weiteren Punkt im Blick, nämlich die industrienahe Forschung. Ich habe zum Beispiel mit thyssenkrupp eine Forschungseinrichtung in Duisburg auf den Weg gebracht, in der die Weiterverwertung von CO 2 durch die chemische Industrie erprobt wird. Das alles sind Bemühungen, die wir schon seit vielen Jahren bei mir im Haus auf den Weg gebracht haben und die jetzt durch die Diskussionen und durch die Proteste der jungen Leute viel stärker publik werden. Das ist sehr gut.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank. – Sie haben eine Nachfrage, Frau Kollegin. Bitte.

Nicole Gohlke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004041, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

I ch würde gerne nachfragen, ob Sie auch Initiativen auf europäischer Ebene angedacht haben. Ich nehme wahr, dass wir in unserer Gesellschaft einen ideologisch aufgeladenen Streit um die Bedeutung des Klimawandels führen. Rechtsradikale Kräfte und Leugner des Klimawandels versuchen ja, mit einer ganz gezielten Desinformationskampagne ideologisch einzugreifen. Ich glaube, in einer solchen Situation hat gerade die Wissenschaftsministerin des BMBF eine ganz besondere Aufgabe, nämlich den Stimmen aus der Wissenschaft eine besondere Bedeutung zuzumessen, ihnen besonderes Gehör zu verschaffen und mit Blick auf Europa zu schauen, an welchen Stellen man auch etwas im europäischen Maßstab, vernetzt, gemeinsam einbringen kann. Haben Sie sich dazu etwas überlegt?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Wir schicken im Herbst eines unserer Forschungsschiffe unter deutscher Federführung auf eine internationale Forschungsmission. Das Schiff wird im arktischen Eis quasi eingefroren. So sollen neue Erkenntnisse über den Klimawandel gewonnen werden. Das ist nur eine von vielen internationalen Maßnahmen, die wir auf den Weg bringen.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank. – Eine weitere Nachfrage dazu hat der Kollege Dr. Rainer Kraft, AfD-Fraktion.

Dr. Rainer Kraft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004792, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Danke, Herr Präsident. – Frau Minister, die angesprochenen Schüler, die sich freitags dem Unterricht entziehen, sind ja zum einen Schutzbefohlene der Lehrer und unterliegen zum anderen natürlich der Aufsicht ebendieser Lehrer. Diese unterstehen wiederum der Schulleitung. Was gedenken Sie als im Prinzip Chefin dieser Lehrer zu tun, wenn dieser Aufsichtspflicht nicht Genüge getan wird? ({0}) – Ja, ich weiß, das betrifft im Prinzip die Länder. – Was ist Ihre Empfehlung an Ihre Kollegen in den Ländern, wenn Lehrer ihrer Aufsichtspflicht nicht nachkommen? Wer wird die Verantwortung übernehmen, wenn durch Missachtung dieser Aufsichtspflicht während der Zeit, in der die Schüler eigentlich Schutzbefohlene ihrer Lehrer sind, etwas passiert? ({1})

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Sie haben es gerade selber klargestellt. Wir leben in einem föderalen System, und die Aufsicht in den Schulen obliegt nicht dem Bund. ({0}) Ich habe mich sehr früh und klar dazu positioniert und gesagt, dass ich als Bundesbildungsministerin der Auffassung bin, dass es wichtig und richtig ist, dass die Schulpflicht gilt, und dass ich genauso begeistert von den jungen Leuten wäre, wenn sie samstagmorgens protestieren gehen würden. Wichtig ist, dass wir noch einmal klarstellen, dass die sogenannte Schul pflicht ein Schul recht ist und dass die Eltern die Pflicht haben, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Viele Generationen vor uns haben dafür gekämpft, dass heute eine gute Bildung für unsere Kinder möglich ist, weil sie regelmäßig in die Schule gehen dürfen. Ich habe mich frühzeitig dazu positioniert, dass ich es richtig und wichtig finde, dass die Schulpflicht eingefordert wird.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank. – Eine weitere Nachfrage hat der Kollege Kai Gehring.

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. – Frau Ministerin, ich habe mich auf die Frage des AfD-Kollegen hin gemeldet. Die AfD bringt hier immer wieder Haushaltsanträge ein, die zum Ziel haben, die Klimaforschungsförderung und die sozialökologische Forschung komplett auf null zu setzen und die Geisteswissenschaften, die Genderforschung, ganze Forschungszweige in diesem Land dichtzumachen. Wie bewerten Sie es als Bundesforschungsministerin, dass die AfD gerade die exzellente und renommierte Klimaforschung in Deutschland zusammenkürzen und zertrümmern will? Und stimmen Sie mit uns überein, dass das ein gravierender Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit und in exzellente Forschung in Deutschland ist?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Ich glaube, wir haben in meinem Haus im letzten Jahr gezeigt, dass wir sehr kontinuierlich arbeiten, dass viele gute Dinge, die vor meiner Amtszeit auf den Weg gebracht wurden, weitergeführt werden, aber gerade im Bereich der Klimaforschung auch noch neue Akzente setzen. Wir haben hinsichtlich der Frage, was man tun kann, um dem Klimawandel zu begegnen, auch neue Initiativen auf den Weg gebracht. Das werden wir weiter tun.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank. – Wir kommen zu einer weiteren Frage der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl, Bündnis 90/Die Grünen.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön, Herr Präsident, dass Sie diese Frage noch zulassen. – Frau Karliczek, ich habe noch eine Frage zur Schulpflicht. Sie wissen wahrscheinlich wie wir alle, dass es in den 70er-Jahren ein Bundesverfassungsgerichtsurteil gab zu der Frage, ob Schülerinnen und Schülern – von Strafgefangenen war in diesem Urteil übrigens auch die Rede – die gleichen Grundrechte zustehen wie anderen Menschen, nämlich Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit, Demonstrationsfreiheit usw. Die Demonstrationsfreiheit ist bei Strafgefangenen logischerweise eingeschränkt; wir reden hier aber von Schülerinnen und Schülern. Würden Sie mir nicht zustimmen, dass sich eine kluge Schulleitung angesichts der Frage, wie Kinder heutzutage erzogen werden sollten, damit sie die großen Aufgaben, vor denen unsere Gesellschaft steht, später mit der notwendigen Kompetenz lösen können, sehr gründlich überlegt, ob die Argumentation mit der Einhaltung der Schulpflicht tatsächlich angemessen ist, wenn Schülerinnen und Schüler sich um ein Problem wie den Klimaschutz bzw. die Klimakrise kümmern und ihre Meinung äußern wollen, oder ob man den Schülerinnen und Schülern nicht das Rückgrat stärken und ihr Recht auf Meinungsfreiheit respektieren sollte?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Ich glaube, dass die Curricula aller Schulformen und aller Bundesländer genügend Möglichkeiten bieten, um die jungen Leute in die Lage zu versetzen, sich mit aktuellen Themen und aktuellen Herausforderungen auseinanderzusetzen. Ich habe in den letzten Jahren sehr genau beobachten können, wie Schule sich verändert hat, und dabei gesehen, dass Schule sehr nah am Puls der Zeit ist. Das gilt gerade für einzelne Fachrichtungen wie Biologie, Physik oder Chemie, die solche Fragestellungen, wie sie aktuell im politischen Raum diskutiert werden, immer wieder aufgreifen und diskutieren und dabei zeigen, was möglich und was nicht möglich ist.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank. – Letzte Fragestellerin ist die Kollegin Anna Christmann, Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Anna Christmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004694, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. – Frau Ministerin, ich würde gerne noch zum Thema „steuerliche Forschungsförderung“ kommen. Dazu liegt ja seit geraumer Zeit ein Entwurf des Kollegen Scholz vor, der aber bedauerlicherweise völlig am Thema vorbeizielt. Eigentlich warten wir seit langem auf eine steuerliche Forschungsförderung, die vor allem die Kooperation zwischen kleinen und mittleren Unternehmen und der Wissenschaft fördert. Nach dem vorliegenden Entwurf fallen diese aber komplett raus, weil eben nicht die Auftraggeber von der steuerlichen Forschungsförderung profitieren würden, sondern die Auftragnehmer. Das sind in dem Fall oft Wissenschaftsinstitutionen, die gar keine Steuern zahlen und insofern gar nicht davon profitieren würden. Was unternehmen Sie denn, damit dies im Gesetzentwurf geändert wird? Es könnte ja sogar zum Schaden für die Wissenschaft sein, wenn diese Gelder zukünftig nicht mehr in solche Kooperationen fließen könnten, sondern ausschließlich in Forschung fließen würden, die innerhalb der Unternehmen stattfindet. Was unternehmen Sie da als Forschungsministerin, und wann können wir mit einem gemeinsamen E ntwurf der Bundesregierung rechnen?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Als Erstes möchte ich festhalten, dass wir jetzt, nachdem wir viele Jahre darüber gesprochen haben, bei der steuerlichen Forschungsförderung auf einem sehr guten Weg sind. Ein zweiter Punkt ist, dass es ein wichtiges Signal auch an die Investoren im Ausland ist, dass Deutschland jetzt eine solche steuerliche Forschungsförderung bekommt. Der dritte Punkt ist: Ich habe immer wieder klargemacht, dass es für mich wichtig ist, gerade auch KMU-Forschung einzubeziehen, damit die kleinen und mittleren Unternehmen die Möglichkeit haben, auch sporadisch Forschung zu betreiben. Jetzt müssen wir schauen, ob der Gesetzentwurf, wie er demnächst vorliegt – wir sind ja noch in der Abstimmung; er lag heute im Kabinett nicht vor –, das leisten kann. Wichtig ist mir aber auch – darauf haben wir uns ja schon mit den Kollegen geeinigt –, dass die steuerliche Forschungsförderung unbefristet kommt. Die Tatsache, dass sie unbefristet ist, bedeutet Planungssicherheit für die kleinen und mittleren Unternehmen. Wir schauen uns das an. Wir haben vereinbart, zu evaluieren, ob es zu einer Stärkung kleiner und mittlerer Unternehmen durch die steuerliche Forschungsförderung kommt.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Sie haben eine Nachfrage; ich sehe es. Bitte schön.

Dr. Anna Christmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004694, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich würde gerne noch einmal nachfragen. Sie haben ja erwähnt, dass der Entwurf eigentlich heute im Kabinett behandelt werden sollte. Können wir denn daraus, dass das heute nicht der Fall war, schließen, dass hinsichtlich der Frage, ob auch KMU von der steuerlichen Forschungsförderung profitieren können, wenn sie mit wissenschaftlichen Einrichtungen kooperieren, eine Änderung erfolgen wird? Darauf drängen ja auch die HRK, die Fraunhofer-Gesellschaft und ganz viele Wissenschaftseinrichtungen.

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Wir haben im Rahmen der Ressortabstimmung noch einmal klargemacht, dass es für uns ein wichtiger Punkt ist, dass die kleinen und mittelständischen Unternehmen durch die steuerliche Forschungsförderung dazu angereizt werden, mehr zu forschen. Die Abstimmung läuft noch. Danach reden wir über den fertigen Regierungsentwurf.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Wir kommen damit zum zweiten Teil der Befragung: allgemeine Fragen zur vorangegangenen Kabinettssitzung. Ich lasse zwei Fragen zu. Die erste Frage darf die Kollegin Beatrix von Storch, AfD-Fraktion, stellen.

Beatrix Storch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004905, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, Ende April hat Saudi-Arabien unwidersprochenen Presseberichten zufolge fünf Männer hingerichtet, weil sie homosexuell waren. Die Frage lautet jetzt: Hat die Bundesregierung darauf reagiert, wenn ja, wie, und wenn nein, warum nicht? Und hat das Auswirkungen auf unsere zukünftigen Beziehungen oder das Verhältnis zu Saudi-Arabien, wenn ja, wie, und wenn nein, warum nicht?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Auf eine so spezielle Frage kann ich Ihnen mündlich keine Antwort geben. Ich kann Ihnen diese aber gerne schriftlich nachreichen. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank. – Als letzter Fragesteller hat der Kollege Thomas Sattelberger, FDP-Fraktion, das Wort. ({0})

Dr. h. c. Thomas Sattelberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004869, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin Karliczek, ich möchte noch einmal das Thema „steuerliche Forschungsförderung“ aufgreifen, das die Kollegin Christmann angesprochen hat. Sie haben sich im Ausschuss sehr weit herausgelehnt. Sie haben ein persönliches Commitment abgegeben, dass die steuerliche Forschungsförderung kommt. Das ist im Kabinett zum wiederholten Male verschoben worden. Im Bundesbericht Forschung und Innovation monieren Experten das seit über elf Jahren. Jetzt liegt eine Kreatur auf dem Tisch, bei der man sich fragt: Hat Finanzminister Scholz Auftraggeber und Auftragnehmer verwechselt oder schlicht und einfach einen Entwurf vorlegen wollen, der alle zu Verlierern macht? Denn die KMUs ohne eigene Forschungsabteilung sind Verlierer, weil sie keine Auftragnehmer sind, und die außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind auch Verlierer, weil sie nicht steuerpflichtig sind. Damit sind bei diesem Thema die großen Unternehmen die einzigen Gewinner. Liebe Frau Ministerin, ich möchte von Ihnen ein persönliches Statement, wie Sie dieses Vorgehen Ihres Kollegen Scholz sehen.

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Ich glaube, erst einmal bleibt festzuhalten: Nachdem wir vor knapp 14 Tagen die drei Wissenschaftspakte verabschiedet haben, kann man in diesem Land auf keinen Fall davon sprechen, dass Hochschulforschung und auch außeruniversitäre Forschung Verlierer sind. Vielmehr haben wir sie so gut aufgestellt, dass sie für die nächsten Jahre auf jeden Fall Gewinner sind und ihren Beitrag für das Innovationssystem in Deutschland leisten können. Hinzu kommt, dass wir – Sie haben es angesprochen – viele Jahre über die steuerliche Forschungsförderung gesprochen haben. Wir sind jetzt in den Endabstimmungen für einen Regierungsentwurf, und ich finde – auch das kann man schon einmal feststellen –, dass wir da sehr viel weiter gekommen sind. Wir haben nach wie vor die Absicht, dass die steuerliche Forschungsförderung zum 1. Januar 2020 in Kraft tritt. Insofern ist alles auf einem guten Weg. Dass wir uns jetzt darüber auseinandersetzen, ob Auftraggeber oder Auftragnehmer gefördert werden, und dass wir auch eine Evaluation vornehmen, wenn wir uns darauf einlassen sollten, dass der Auftragnehmer gefördert wird, ist ein ganz normaler Prozess und wird in anderen Fällen genauso gemacht. Wichtig ist doch, dass wir gerade für die Investoren das Signal setzen, dass steuerliche Forschungsförderung jetzt auch in Deutschland möglich ist. ({0}) Eine unbefristete steuerliche Forschungsförderung ist unter Planungsgesichtspunkten schon ein richtiger Schritt nach vorne. ({1}) Alles, was wir tun, zielt auf die Zukunft und muss immer erst zeigen, ob es Wirkung entfaltet. Ich glaube, wir sollten auch diesem Gesetzentwurf, wenn er denn so weit ist, die entsprechende Chance geben.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege Sattelberger, Sie haben eine Nachfrage, wie ich sehe.

Dr. h. c. Thomas Sattelberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004869, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin, ich kann mir nicht einmal annähernd vorstellen, dass internationale Investoren einen Gesetzentwurf anerkennungswürdig finden, der im Grunde zwei zu großen Verlierern macht: den Mittelstand, der darbt, und die außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die keinen Profit daraus ziehen. Wie können Sie zu der Aussage kommen, dass ein solcher Pappkamerad in irgendeiner Form die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands auf diesem Felde steigert?

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Lieber Herr Sattelberger, es steht Ihnen frei, eine Meinung dazu zu haben. Ich teile die an dieser Stelle nicht. Ich glaube, dass das Signal, dass wir in Deutschland die steuerliche Forschungsförderung auf den Weg bringen, ein sehr wichtiges ist. Ob es wirkt, werden wir sehen. Wie gesagt: Die Evaluation kommt ins Gesetz; so ist es geplant. Insofern: Warten wir es ab.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Damit beende ich die Befragung unter Hinweis an den Kollegen Kai Gehring, dass die Bundesregierung im Rahmen der Regierungsbefragung selbst entscheidet, welcher Minister Auskunft erteilt, auch wenn das manchmal unzureichend sein sollte. Der Hinweis, dass die Frage von Frau von Storch schriftlich beantwortet wird, muss in diesem Zusammenhang reichen. ({0}) – Das AA ist leider nicht entsprechend benannt worden und vertreten.

Klaus Ernst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003753, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Abkommen mit dem Iran, mit dem er auf Atomwaffen verzichtet und mit dem gleichzeitig bei uns Sanktionen gegen den Iran zurückgefahren werden, wurde überall als Erfolg gefeiert; das war es auch. Das Abkommen funktionierte. Für Trump war es ein schlechter Deal. Die USA stiegen aus. Warum? Der Iran würde sich nicht an die Vereinbarungen halten. – Die Internationale Atomenergie-Agentur hat das Gegenteil festgestellt. Dieser ganze Vorgang erinnert mich ein wenig daran – vielleicht können Sie sich noch erinnern –, wie der damalige US-amerikanische Außenminister Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat mit Bildern angeblicher Beweise für das Vorhandensein von Massenvernichtungswaffen im Irak vor der Kamera gewedelt hat. Hinterher hat sich herausgestellt: Das war schlichtweg gelogen. Es gab keine Massenvernichtungswaffen im Irak. Die ganze Weltöffentlichkeit ist „hinter die Fichte geführt worden“, wie die Kanzlerin so schön zu sagen pflegt. Ich traue in diesem Punkt den Amerikanern genau so weit, wie man einen Elefanten werfen kann. ({0}) Ich habe den Eindruck, hier soll der nächste Deal vorbereitet werden, der letztendlich wieder zu einem militärischen Konflikt in dieser Region führt. Meine Damen und Herren, die restlichen Vertragsparteien haben alle gesagt, sie wollten sich an dieses Abkommen halten. Es herrscht Einigkeit wie selten zuvor. Nun drohen die Amerikaner allen Firmen, die sich am Iran-Handel beteiligen, mit weiteren Sanktionen. Das ist vollkommen völkerrechtswidrig; das sind extraterritoriale Sanktionen. Was passiert? Inzwischen haben sich alle großen Unternehmen, auch die aus Europa, aus dem Iran zurückgezogen. Es gibt faktisch keine vernünftigen Wirtschaftsbeziehungen mehr. Die deutschen und europäischen Banken wickeln keine Zahlungen mehr mit dem Iran ab. Das SWIFT-System – SWIFT ist eine Genossenschaft nach belgischem Recht –, das weltweit bargeldlose Zahlungen abwickelt, hat den Iran gekappt. Die Telekom bei uns in der Bundesrepublik hat sogar die Leitungen abgestellt, sodass die iranischen Banken nicht mehr telefonieren können. Aufzüge in den entsprechenden Gebäuden in der Bundesrepublik werden nicht mehr repariert. So hält man ein Abkommen mit dem Iran nicht ein, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Die Frage ist natürlich: Was hat die Bundesregierung unternommen, um dieses Abkommen wirklich aufrechtzuerhalten? Herr Maas, es ist ja schön, dass Sie da sind. Ich habe den Eindruck: Das, was hier an Reaktionen kam, war wirklich Maulheldentum; denn faktisch haben die Bundesregierung und die Europäische Union so gut wie nichts unternommen, damit dieses Abkommen von Europa aus weiter eingehalten wird, und das ist das Problem, meine Damen und Herren. ({2}) Man könnte jetzt sagen: Die EU hat die sogenannte Blocking-Verordnung reaktiviert. Sie verbietet es europäischen Unternehmen, den Sanktionen der USA Folge zu leisten. Die Auslegung dieser Verordnung sieht allerdings vor, dass die Unternehmen mit Verweis auf geschäftspolitische Entscheidungen tun und lassen können, was sie wollen, und im Ergebnis haben sie das Iran-Geschäft aufgegeben. Sie machen im Übrigen sogar mehr als notwendig; denn selbst in den Bereichen, die in die US-Sanktionen nicht einbezogen wurden, ist der Handel praktisch zusammengebrochen. Doch selbst jene, die weiter ihr Iran-Geschäft aufrechtzuerhalten versuchen, können die Zahlungen nicht mehr abwickeln. Dafür bräuchte es unabhängige Zahlungskanäle. Was haben die Bundesregierung und die Europäische Union unternommen, um den Zahlungsverkehr zwischen dem Iran und den Unternehmen, die weiter handeln wollen, im Interesse der Aufrechterhaltung dieses Abkommens zu gewährleisten? Was ist mit ­INSTEX als Instrument, dass dieser Zahlungsverkehr aufrechterhalten werden kann? Es ist faktisch funktionslos. Warum gelingt es eigentlich China, der Schweiz, Indien und Südkorea, so ein System aufzubauen, während Europa und die Bundesregierung so was nicht hinkriegen? Die „taz“ titelte dazu: „Europäische Maulhelden“. ({3}) Und sie schreibt: Der mangelnde Mut kann ziemlich ungemütliche Folgen haben. Nicht nur wird Washington die Europäer außenpolitisch noch weniger ernst nehmen als bisher schon – auch jenseits des Konflikts um den Atomdeal. Auch die iranische Regierung wird nicht mehr glauben, dass Europa den US-Sanktionen noch etwas entgegensetzen kann. Warum sollten sie eigentlich das Abkommen weiterführen, wenn gleichzeitig deutlich wird, dass die Europäer sich ebenfalls nicht daran halten, wie die Amerikaner? Warum haben Sie denn eigentlich nicht die Möglichkeiten ausgenützt? SWIFT ist zum Beispiel ein Unternehmen nach belgischem Recht. Wo sind die Initiativen der Bundesregierung, dass dieses Unternehmen den Zahlungsverkehr übernimmt? Haben Sie zum Beispiel mit den Sparkassen in der Bundesrepublik gesprochen, die ja nun weniger Geschäfte mit den USA machen, um dort möglicherweise wenigstens den Zahlungsverkehr aufrechtzuerhalten? Nein, die Bundesregierung hat in der Frage der Einhaltung des Abkommens total versagt. ({4}) Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Wenn das so weitergeht, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn die Lage dort so eskaliert. Die Bundesregierung ist ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden. ({5})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Kommen Sie zum Schluss, Herr Kollege.

Klaus Ernst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003753, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich bin gleich so weit. – Ich sage der Bundesregierung: Nutzen Sie endlich die Möglichkeiten, die Sie haben, und zwar rasch! Die Bundesregierung hat versagt. Wir sind keine amerikanische Kolonie. Machen Sie uns auch nicht dazu! ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Dr. Johann Wadephul, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Johann Wadephul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004182, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das war hoffentlich nicht Ihr Ernst, Herr Ernst, was Sie hier gerade vorgetragen haben. Es ist jedenfalls weitab der außenpolitischen Realitäten, innerhalb derer wir uns hier bewegen. ({0}) Es ist vollkommen richtig, dass wir mit größter Sorge zum Persischen Golf blicken. Bei allem, was man zum amerikanischen Präsidenten kritisch sagen kann: Er hat sich schon im Wahlkampf – das ist auch im faktischen Handeln später so gewesen – als jemand erwiesen, der Truppen eher reduzieren und zurückziehen will. An manch einer Stelle haben wir sogar gesagt: Vielleicht nicht so schnell und noch nicht jetzt. – Also, dass da jetzt unmittelbar ein Krieg bevorsteht, glaube ich nicht ernsthaft. Dennoch ist die Sorge berechtigt, und wir müssen diesen Punkt auch ansprechen. Ich möchte drei kurze Anmerkungen machen. Erstens. Das Atomabkommen war und ist richtig. Es ist neben dem Klimaabkommen von Paris die wichtigste völkerrechtliche Vereinbarung, die in den letzten zehn Jahren geschlossen worden ist. Deutschland – die Bundesregierung, allen voran der damalige Außenminister Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel – hat sich dafür eingesetzt. Wir sind stolz darauf, wir stehen zu diesem Abkommen, und wir fordern alle Seiten auf, dieses Abkommen weiter einzuhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Es gibt kein besseres, kein nachhaltigeres Konzept, einen Staat von der Entwicklung von Atomwaffen abzuhalten und damit zumindest regional ein atomares Wettrüsten zu verhindern. Wir alle wissen mit Blick auf den Kaschmir-Konflikt, aber auch mit Blick auf die INF-Diskussion, die uns hier ganz unmittelbar betrifft, dass, wenn Atomwaffen erst einmal da sind, ihre Kontrolle und Einhegung umso schwerer werden. Deswegen gilt: Wehret den Anfängen! Es ist jedes diplomatischen Einsatzes wert, sich für dieses Abkommen zu engagieren. Zweitens. Es war und ist richtig, dass Deutschland als einer der Geburtshelfer dieses Abkommens sich, abgestimmt mit anderen europäischen Staaten, klar positioniert hat. Herr Außenminister, dafür herzlichen Dank! ({2}) Dazu gehört erstens eine klare Aufforderung an den Iran, das Abkommen weiter einzuhalten; sonst drohen dem Land noch schärfere Sanktionen, und wir können ihm bei der Bewältigung dieser Krise noch weniger helfen. Da ist es schon mit Sorge zu registrieren, dass die Revolutionsgarden die aktuelle Situation als Chance für ihr Land begriffen haben. – Klare Botschaft von uns. Die zweite klare Botschaft, auch an die Vereinigten Staaten von Amerika, lautet, dass wir selbstverständlich zu einer abgestimmten solidarischen Politik mit unserem wichtigsten Verbündeten bereit sind, dass wir von diesem Verbündeten aber auch erwarten können, dass er eine nachvollziehbare und nachhaltige Iran-Strategie entwickelt. Eine Strategie nur des maximalen Drucks jetzt auf das Regime – ökonomisch und militärisch – führt nur dazu, dass die kooperationswilligen Teile des Regimes wie Präsident Rohani unter Druck geraten und dann ein ganz anderer Regime Change in Teheran droht als derjenige, den sich vielleicht manche in Washington erhoffen. Deswegen erwarten wir von unserem Bündnispartner hier eine klare Strategie und nicht einfach jeden Tag mehr Druck. Das führt zu nichts. ({3}) Apropos Regime Change: Die Verläufe im Irak und in Libyen zeigen, dass derartige Rechnungen selten aufgehen. ({4}) Ich möchte zur Sicherheitssituation in der Region sagen: Natürlich ist die iranische Politik für Israel eine Bedrohung. Israel wird sich, was seine Souveränität und seine Sicherheit angeht, immer auf Deutschland verlassen können, wenn seine Sicherheit ernsthaft in Gefahr ist. Aber in der jetzigen Situation gibt es weder einen Anlass noch irgendeine völkerrechtliche Berechtigung zur Anwendung militärischer Gewalt in dieser Region gegenüber dem Iran. Das muss unsere klare Position sein. Eine letzte Bemerkung dazu: An dem Abkommen sind nicht nur Europäer beteiligt, sondern auch Chinesen und Russen; zu einigen davon haben Sie ja ganz gute Kontakte, Herr Ernst. Deswegen von dieser Stelle die Aufforderung auch an Russland, auch an China: Wenn Sie sich an einer Politik beteiligen wollen, die die weitere Proliferation von Atomwaffen verhindert, dann sind auch diese Staaten in der Verantwortung, diese Krisensituation zu lösen. Man kann sich nicht durch Wegducken aus der Verantwortung stehlen. ({5}) Dritte Bemerkung – das ist meine abschließende Bemerkung, Herr Präsident –: Es war und ist richtig, ein alternatives Finanzierungsinstrumentarium zur Verfügung zu stellen. Wir bleiben weiter aufgefordert, dem Iran zu helfen, und verbinden beides miteinander: die Aufforderung zur Einhaltung des Abkommens und die ausgestreckte Hand, um zu helfen, dass die wirtschaftliche Not in diesem Land gelindert wird. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({6})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Wadephul. – Der nächste Redner ist der Kollege Armin-Paulus Hampel, AfD-Fraktion. ({0})

Armin Paulus Hampel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004735, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Besucher im Deutschen Bundestag und Bürger zu Hause an den Bildschirmen! Die Situation im arabischen Raum ist, glaube ich, kein Anlass für parteipolitische Ränkespiele; dafür ist sie zu ernst. Herr Wadephul und Herr Ernst, vielleicht sollte man sich auf die besorgniserregenden Nachrichten aus der Region beschränken. Ich muss in diesem Fall dem Kollegen Lambsdorff im Ausschuss heute recht geben: Ja, auch ich hatte eine Art Déjà-vu-Erlebnis. Wenn ich die Information jetzt von einem Anschlag auf eine Pipeline in Saudi-Arabien, auf Handelsschiffe in der Straße von Hormus bekomme, dann stelle ich fest: Das alles klingt ein bisschen wie das, was wir während und vor der Irakkrise gehört haben. Das muss Anlass zum Nachdenken und zur Sorge geben. Bedauerl ich ist, dass die Bundesregierung keine eigenen Informationen über diese Vorfälle hat, Herr Minister. Wir müssten doch einen Bundesnachrichtendienst haben, der uns sagen kann: „Das stimmt; das trifft zu“ oder: „Hier handelt es sich um eine Fake Story, wo mit einer Lunte brandgefährlichen Ausmaßes gespielt wird“, meine Damen und Herren. – Das ist das eine. ({0}) Das andere ist: Pacta sunt servanda, Verträge müssen eingehalten werden. Auch diese Position haben wir von der AfD immer vertreten, und von daher kritisieren auch wir die Entscheidung der Vereinigten Staaten, das Iran-Abkommen aufgekündigt zu haben. Allerdings gab es auch das Angebot von amerikanischer Seite, das Abkommen nachzuverhandeln. Das wäre mit Sicherheit der bessere Weg gewesen. Iran hat einen Einfluss in den Jemen, in den Libanon und nach Syrien. Iran – Herr Wadephul, Sie haben es erwähnt – ist der Kontrapunkt zu unseren israelischen Freunden. Damit ist das dort ein Pulverfass, das wir tunlichst versuchen müssen unter Kontrolle zu halten. Die Politik der USA erfüllt mich deshalb mit Sorge. Es macht wenig Sinn, das infrage zu stellen, um das Erwünschte zu erzwingen. Wer zu hoch pokert, meine Damen und Herren, wird leicht in eine Eskalation getrieben und schießt über das Ziel hinaus. Diplomatie darf nicht zum Hasardspiel werden. Das 60‑Tage-Ultimatum des Iran an Europa hat das Ziel, den Westen zu spalten, und dagegen müssen sich die europäischen Länder wehren. Jeder Versuch muss scheitern. Unsere Position ist dennoch eindeutig: Der Atomvertrag hätte nicht gekündigt werden sollen. Noch mal: Pacta sunt servanda. Eine Lösung ist unseres Erachtens möglich; hier greife ich Vorschläge der Grünenfraktion aus dem Ausschuss auf, genauso wie Vorschläge, die der Kollege Röttgen als Vorsitzender gemacht hat. Sie haben dem heute widersprochen, Herr Minister. Ich glaube, dass es mit Blick auf unsere Erfahrungen in den Zeiten des Kalten Krieges lohnenswert wäre, den Nahostkonflikt, der ja nicht nur aus dem Iran-Konflikt besteht, in einen Korb zu packen und so etwas wie eine Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten, und zwar mit den großen Mächten dieser Welt und gemeinsam mit den europäischen Nationen, zu schaffen. Das sollten wir hinbekommen. China, auch Russland müssen eingebunden werden; Russland spielt maßgeblich an der iranischen Front mit. Wir wollen in dieser Frage keine neuen Abhängigkeiten erzeugen, auch wir von der AfD nicht. Sie haben es vielleicht mitbekommen: Der englische General Ghika hat der Einschätzung der Amerikaner, im Irak sei ein Angriff auf amerikanische Truppen geplant und selbst Syrien sei im Fokus, massiv widersprochen und gesagt: Die Lage in Syrien und im Irak ist völlig entspannt; die US‑Truppen sind dort nicht bedroht. – Auch das ist für uns ein Grund, darüber nachzudenken, was die wahren Hintergründe sind. Die Hintergründe kennen wir: der Konflikt zwischen Saudi-Arabien als sunnitischer Nation und den schiitischen Iranern. Die Stellvertreterkriege, die in der Region stattfinden, dienen nicht dem Frieden und der Stabilität im Nahen Osten. Ich greife noch mal den Gedanken auf, dass diese einzelnen Konfliktherde in einer gemeinsamen großen Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten zusammengefasst werden sollten, um sie möglichst lösen zu können. Es kann kein realistisches Ziel einer solchen Konferenz sein, meine Damen und Herren, dass alle Konflikte dort einvernehmlich beendet werden; das wäre ein Traum. Was aber getan werden kann, ist, die Spielregeln für den Umgang miteinander zu vereinbaren, um die Wahrscheinlichkeit kriegerischer Konflikte zu vermindern. Konventionen dienen dazu, sich darin zu üben, maßzuhalten. Sie helfen dabei, auch die berechtigten Interessen der Gegenseite zu akzeptieren und so faire Kompromisse zu finden. Die KSZE-Schlussakte von Helsinki 1975 hat uns gezeigt: Sie hat den Kommunismus nicht beendet, meine Damen und Herren; sie hat aber Spielregeln geschaffen, die dazu beigetragen haben, die Kriegswahrscheinlichkeit in Europa zu verringern, und sie hat den Keim dafür gelegt, dass die Völker in Osteuropa sich mit eigener Kraft von der kommunistischen Diktatur befreien konnten. Die Politik mit der Brechstange geht nicht. Wir brauchen aber auch kein Nation Building. Wir brauchen Stabilität, meine Damen und Herren.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Hampel, kommen Sie bitte zum Schluss.

Armin Paulus Hampel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004735, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

– Jawohl, Herr Vorsitzender. – Deutschland ist Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Eine solche Konferenz zu initiieren, Herr Minister, den großen Korb aufzumachen und die großen Nationen daran mitwirken zu lassen, –

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Hampel.

Armin Paulus Hampel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004735, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

– wäre eine Perspektive, im Nahen Osten Frieden zu stiften. Danke schön, meine Damen und Herren. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank. – Als nächster Redner erhält das Wort Herr Bundesminister Heiko Maas. ({0})

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lage im Nahen und Mittleren Osten ist in diesen Tagen wirklich ausgesprochen ernst. Das hat unterschiedliche Gründe. Einer besteht darin, dass der Iran in der letzten Woche angekündigt hat, seine Verpflichtungen aus dem Atomabkommen zumindest teilweise auszusetzen. Und das geschah – das wissen wir alle – als eine Reaktion auf die Entscheidung der Vereinigten Staaten, Ausnahmegenehmigungen für den Ölexport und für Nichtverbreitungsvorhaben im Rahmen des Abkommens nicht weiter zu verlängern, was die Situation und die Diskussion um dieses Abkommen weiter verschärft hat. Machen wir uns nichts vor: Zwölf Monate nach dem Ausstieg der Vereinigten Staaten aus dem Nuklearabkommen könnte dies in absehbarer Zeit auch das Ende des JCPoA bedeuten. Dies wäre – das ist nicht nur die Auffassung der deutschen Bundesregierung, sondern der gesamten Europäischen Union – ein schwerer Rückschlag im Kampf gegen die Verbreitung von Atomwaffen. Es droht darüber hinaus ein Flächenbrand in der gesamten Region mit ernsten Folgen für die Sicherheit unserer Verbündeten, aber vor allen Dingen für unsere Sicherheit hier in Europa. Manchmal reicht ein Funke – das zeigen die Entwicklungen vor der Küste der Vereinigten Arabischen Emirate in den letzten Tagen –, um einen solchen Brand auszulösen. Das macht uns außerordentlich besorgt. In dieser Situation, in dieser Lage steht deshalb für uns eines im Mittelpunkt: Wir müssen und wir werden alles tun, um eine militärische Eskalation zu verhindern. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, das beste und zuverlässigste Instrument dafür ist und bleibt dieses Atomabkommen. Das JCPoA war nie ein Freundschaftsdienst gegenüber dem Iran. Es war vielmehr Ausdruck unserer Sorge vor einem nuklear bewaffneten Iran. Bei Dingen, die eben hier gesagt wurden, hat man ja den Eindruck, dass die Seiten komplett verdreht wurden. Wenn wir kein Abkommen bräuchten, wäre uns deutlich wohler. Aber die Tatsache, dass ein Staat wie der Iran sich überhaupt nur durch die Zusicherung wirtschaftlicher Vorteile davon abhalten lässt, eine Atombombe zu bauen, ist doch ein Hinweis darauf, dass wir es mit einem Land zu tun haben, gegenüber dem nicht in erster Linie Vertrauen, sondern gegenüber dem auch viel Misstrauen herrscht. Trotzdem, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat der Iran – das zeigt ja auch den Wert dieses Abkommens – bislang das Abkommen eingehalten. Letztlich ist das auch ein seltener Erfolg der multilateralen Zusammenarbeit. Deshalb ist und bleibt die Tatsache, dass die Amerikaner aus diesem Abkommen ausgeschieden sind, für uns nach wie vor nicht nachvollziehbar. ({1}) Denn, meine Damen und Herren, gerade weil wir dem Iran misstrauen, wollen wir das Abkommen ja erhalten; deshalb macht es ja Sinn. Denn es bleibt jedenfalls im Moment der sicherste Weg, den Iran davon abzuhalten, Atomwaffen zu bauen. Deshalb ist die Welt mit diesem Abkommen sicherer als ohne. Dabei, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist Dreh- und Angelpunkt die europäische Geschlossenheit. Diese Geschlossenheit ist am Montag beim Außenrat in Brüssel von allen Amtskolleginnen und Amtskollegen innerhalb der Europäischen Union noch einmal bekräftigt und auch gestärkt worden. Alle 28 EU-Mitgliedstaaten stehen hinter dem Abkommen. Das ist dort noch einmal sehr deutlich geworden. ({2}) Gemeinsam mit dem britischen und dem französischen Außenminister und mit Federica Mogherini haben wir dabei aber auch die Gelegenheit genutzt, deutlich unsere Erwartungen an Teheran zu formulieren. Auch der Iran muss seine Verpflichtungen aus dem Abkommen weiterhin umsetzen, und zwar ohne irgendwelche Abstriche. Rabatte wird es mit uns, mit der Europäischen Union, in dieser Frage nicht geben. ({3}) Wir werden deshalb – das ist der Maßstab – sehr genau die unabhängigen Berichte der Internationalen Atom­energie-Organisation betrachten, wenn es darum geht, ob sich Iran an die Verpflichtungen hält oder nicht. Sie bleiben der Maßstab. Auch darüber sind wir uns innerhalb der Europäischen Union einig – unabhängig von allen Drohgebärden, die zurzeit von welcher Seite auch immer vollzogen werden. Wir Europäer stehen zu den Verpflichtungen aus diesem Abkommen. Das haben wir in der Vergangenheit mit unterschiedlichen Instrumenten auch noch einmal deutlich gemacht. Vor einem Jahr sind die Vereinigten Staaten aus dem Abkommen ausgestiegen. Wenn wir uns nicht an die Verpflichtung halten würden und wenn wir nicht im Rahmen unserer Möglichkeiten versuchen würden, das, was durch den Ausstieg der Amerikaner verloren gegangen ist, zu kompensieren, wüsste ich nicht, warum der Iran von sich aus ein Interesse haben sollte, seit einem Jahr an diesem Abkommen festzuhalten. Das hat er aber, und das macht deutlich, dass auch aus Sicht Teherans dieses Abkommen ohne die Vereinigten Staaten funktionieren kann. Das ist es, worum wir uns im Moment kümmern. ({4}) Niemand behauptet, dass das durch den Ausstieg der Vereinigten Staaten einfacher geworden ist. Dass durch die Sanktionen, die die Vereinigten Staaten verhängt haben, auch das Generieren wirtschaftlicher Vorteile im Iran schwieriger geworden ist, würde doch niemand in Abrede stellen. ({5}) Wir haben jedoch das Zahlungsinstrument INSTEX auf den Weg gebracht, und wir bereiten jetzt Schritt für Schritt die Operationalisierung desselben vor – auch das ist am Montag besprochen worden –, unter Führung der Briten zusammen mit den Franzosen und auch mit uns, um mit dem Iran in bestimmten Bereichen weiterhin Außenhandel treiben und vor allen Dingen die Versorgung mit wichtigen humanitären Gütern aufrechterhalten zu können. Dafür stehen wir im Moment in einem intensiven Kontakt mit Teheran. Wir sprechen mit Teheran darüber, wie wir dafür sorgen können, dass die wirtschaftlichen Vorteile und auch die Lieferung von humanitären Gütern fortgesetzt werden können. Aber ich sage Ihnen auch – das war immer Sinn dieses Abkommens –: Wir nutzen diesen Dialog eben auch, um mit dem Iran über kritische Fragen zu reden, etwa seine Rolle in Syrien oder das ballistische Raketenprogramm, das wir nicht für akzeptabel halten. ({6}) Meine Damen und Herren, in der Verantwortung für den Erhalt dieses Abkommens sind wir als Europäer aber auch nicht alleine. Die Resolution 2231 fordert alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen auf, die Umsetzung dieses Abkommens zu unterstützen. Deshalb stimmen wir im Moment alle Schritte, die wir gehen, eng mit den internationalen Partnern ab, aber vor allen Dingen mit denen, die am JCPoA beteiligt sind, also auch mit Russland und China; denn auch diese tragen als Mitunterzeichner eine besondere Verantwortung. ({7}) Und, ja, natürlich auch mit den Vereinigten Staaten. Darüber haben wir am Montag in Brüssel mit Außenminister Pompeo gesprochen. Dabei haben wir festgestellt: Ja, wir verfolgen die gleichen Ziele. Wir wollen einen Iran ohne Atomwaffen. Wir wollen, dass der Iran seine destruktive Rolle in der Region, in Syrien, im Jemen oder im Libanon, aufgibt. Und wir wollen, dass der Iran sein ballistisches Raketenprogramm und seine Drohgebärden gegen Israel stoppt. Die Wege aber, die wir dafür beschreiten, unterscheiden sich, und sie unterscheiden sich mittlerweile deutlich. ({8}) Wir glauben eben nicht – auch das haben wir am Montag gegenüber Außenminister Pompeo sehr deutlich gemacht –, dass uns eine unilaterale Strategie des maximalen Drucks wirklich weiterbringt. Das haben sowohl mein französischer Kollege als auch mein britischer Kollege und auch Federica Mogherini Außenminister Pompeo in aller Deutlichkeit gesagt; denn maximaler Druck birgt immer die Gefahr einer unbeabsichtigten Eskalation. Das, was in den letzten Tagen geschehen ist – die Sabotageakte auf Schiffe oder Pipelines –, sind doch Hinweise darauf, dass diese Gefahren konkret und real sind. Wenn man sich des Weiteren anschaut, welche Krisen und Konfliktherde es ansonsten in dieser Region gibt, dann brauchen wir zurzeit ganz sicher eines nicht, nämlich eine zusätzliche Zündschnur. Deshalb werden wir auch alles daransetzen, dass es so weit nicht kommt. ({9}) Meine Damen und Herren, nicht nur wir und nicht nur unsere französischen und britischen Partner, sondern die komplette Europäische Union – das sei auch mal erwähnt; alle reden darüber, dass es innerhalb der Europäischen Union in bestimmten Fragen nicht mehr möglich ist, Einigkeit zu erzielen, doch das hier ist ein Beispiel dafür, dass es noch funktionieren kann –, wir alle setzen auf Dialog statt auf rhetorische Aufrüstung. Wir wollen, dass das JCPoA erhalten wird, nicht nur, um auch in der Zukunft einen Iran ohne Atomwaffen zu haben, sondern auch, um auf den Iran in regionalen oder sonstigen Sicherheitsfragen einwirken zu können. Das ist die Strategie, die wir mit unseren Partnern als Europäische Union in den kommenden Tagen und in den kommenden Wochen konsequent verfolgen werden. Schönen Dank. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Alexander Graf Lambsdorff für die FDP-Fraktion. ({0})

Alexander Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004798, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Mit Blick auf diese Region, die im Moment unter extremer Anspannung leidet, politisch und militärisch, ist es wichtig, dass wir zunächst einmal abschichten, was die Wurzel des Übels ist und wie sich die Situation darstellt. Die Wurzel des Übels – das muss man in dieser Deutlichkeit sagen – ist der Versuch des Iran, sich ein nukleares Programm für militärische Zwecke zuzulegen. Die Wurzel des Übels ist, dass er ein ballistisches Raketenprogramm betreibt, das zu einer existenziellen Bedrohung für seine Nachbarn und sogar für uns in Europa werden kann. Die Wurzel des Übels ist eine aggressive Regionalpolitik, mit der der Iran den Export der Islamischen Revolution von 1979 in seine Nachbarländer betreibt, bis hin zu ganz konkreten Ansagen, Israel von der Landkarte zu tilgen. Raketen fliegen aus Gaza auf Israel. Meine Damen und Herren, ein solches Land wird niemals unser Freund und Partner sein. Wir müssen dieses Land einhegen. Das ist unsere Aufgabe in der Außenpolitik. ({0}) Bei dem Streit, den wir im Moment mit den Amerikanern darüber haben, geht es ja darum, wie wir mit dieser Situation umgehen, wie das Containment, das Einhegen des Iran, funkti oniert. Wir haben jetzt die Situation, dass der Iran, nachdem Europa ausdrücklich am JCPoA festhält, ausgerechnet uns ein Ultimatum stellt, mit dem er ankündigt, binnen 60 Tagen aus dem Abkommen auszusteigen. Denn nichts anderes ist es, wenn der Iran sagt, er fange nach Ablauf des Ultimatums wieder mit der Anreicherung von Uran an. In dieser Situation gießt der Iran zusätzlich Öl ins Feuer, indem er uns droht, die 3 Millionen afghanischen Flüchtlinge, die sich auf iranischem Territorium befinden, Richtung Türkei und weiter nach Europa zu leiten. In einer solchen Situation ist es richtig – dafür kritisieren wir die Bundesregierung nicht, sondern wir loben sie –, auf Dialog und Deeskalation zu setzen. Wir fanden es gut und richtig, dass sich die E3 und Federica Mogherini gestern mit dem amerikanischen Außenminister zusammengesetzt haben, um die europäische Position zu erörtern. Die Strategie des maximalen Drucks, der einseitigen Maßnahmen der Amerikaner ist in unseren Augen jedenfalls falsch. Die E3 haben unsere Unterstützung für diese Politik. ({1}) – Herr Ernst! ({2}) Wir sind Ihnen dankbar, dass Sie eine Aktuelle Stunde aufgesetzt haben; das ist gut. Aber dass Sie in Ihrer Rede allen Ernstes vorschlagen, die Sparkasse Villingen-Schwenningen solle die Befriedung des Persischen Golfs erreichen, ({3}) ist doch – es tut mir leid – Realsatire. ({4}) Ihre Rede war Ausdruck des Niveaus der Außenpolitik Ihrer Fraktion und Ihrer Partei. Sorry! ({5}) Schauen wir bitte auf die aktuelle Lage am Golf. Sie ist extrem angespannt. Wir haben verbale Aufrüstung seitens des Iran und der Amerikaner. Wir haben die Verlegung relevanter militärischer Mittel der Amerikaner in die Region. Wir haben Ansagen aus Washington, die man auch nur als Beitrag zur Eskalation auffassen kann. Ich habe – Armin Hampel hat es gerade gesagt – tatsächlich ein gewisses Déjà-vu, wenn ich aus Washington höre, dass der Sprecher des Weißen Hauses erklärt, der Präsident habe keinen Plan für militärische Aktionen auf seinem Schreibtisch. Das sind exakt die Worte von Ari Fleischer im Sommer 2002, als er Pressesprecher von Georg W. Bush war. Mit anderen Worten: Die Arbeit an der Deeskalation muss weitergehen. Ob das funktioniert, wissen wir nicht. Deswegen müssen wir uns darauf vorbereiten – das ist mein zweiter Punkt –, was passiert, wenn die Deeskalation nicht gelingt. Die Amerikaner tun das. Die Amerikaner haben ihre Botschaft in Bagdad und ihr Generalkonsulat in Erbil geschlossen. Und aus den Medien haben wir jetzt erfahren – das ist wirklich hochgradig ärgerlich, Herr Minister –, dass die Bundeswehr im Irak ihre Ausbildungsmission wegen der extremen Anspannung geschlossen hat, ({6}) dass sie die Soldaten zurück in die Kaserne beordert hat. Dass wir so etwas als Auswärtiger Ausschuss, als Verteidigungsausschuss aus der Presse und über Twitter erfahren und nicht von Ihnen im Ausschuss heute Morgen, geht gar nicht. Das ist eine Missachtung des Parlaments, Herr Minister. ({7}) Wenn wir uns vor Augen führen, was passieren kann, dann müssen wir uns zunächst fragen: Wie kriegen wir unsere Soldaten zurück in die Bundesrepublik Deutschland? Das ist das eine. Das Zweite ist: Wir haben eine im Raum stehende Drohung des Iran, 3 Millionen Menschen Richtung Europa loszuschicken. Der Iran hat eine 530 Kilometer lange Grenze mit der Türkei. In der Türkei befinden sich jetzt schon Millionen Flüchtlinge aus Syrien. Deswegen ist unser Appell an die Bundesregierung, Ankara, die türkische Regierung jetzt zu kontaktieren und das Gespräch zu suchen, um eine solche Situation zu vermeiden, mit dem UNHCR jetzt Vorbereitungen zu treffen für den Fall, dass es zu einer solchen Situation kommt, Frontex jetzt zu stärken, um unsere Außengrenzen wirksam zu schützen. Meine Damen und Herren, 2003 darf sich nicht wiederholen, deswegen Deeskalation. Aber 2015 darf sich auch nicht wiederholen. Keine neue Flüchtlingskrise! Deswegen jetzt Prävention, deswegen jetzt vorbeugende Maßnahmen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat Omid Nouripour für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Omid Nouripour (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003881, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Iran ist zweifelsohne ein ganz, ganz schwieriger Akteur im Nahen Osten. Die Sicherheitslage in der Region wird durch den Iran nicht gebessert, im Gegenteil: Die hochaggressive Regionalpolitik legt Feuer in vielen Länder. Die Menschenrechtslage im Land ist dramatisch und verschlechtert sich auch. Das Raketenprogramm des Landes ist hochaggressiv und besorgniserregend, und die Drohungen Richtung Israel sind selbstverständlich nicht akzeptabel. Ein Problem mit dem Iran hatten wir aber eigentlich gelöst, zumindest für mindestens zehn Jahre, nämlich die Frage der atomaren Aufrüstung des Landes. Man kann darüber nachdenken, zu welchem Zeitpunkt man historisch ansetzt – und ja, der Iran ist ganz schwierig –, aber das Atomabkommen haben schon die Amerikaner aufgekündigt und nicht die Iraner. Das muss man an dieser Stelle vielleicht auch noch mal sagen. ({0}) Es droht die Gefahr einer massiven Eskalation. Es ist verheerend, zu sehen, wie uns das Abkommen gerade aus den Händen gleitet. Und das hat selbstverständlich auch mit dem Erwartungsmanagement zu tun. Der Außenminister hat da gerade das Richtige gesagt: Das Abkommen hatte diese eine Funktion. Das Problem war, dass zu viele Erwartungen geweckt worden sind, auch von Deutschland. Der ehemalige und von mir hochgeschätzte Außenminister Steinmeier hat immer wieder gesagt: Wir wollen jetzt die Erfolge dieser Verhandlungslösung dafür nutzen, um mit dem Iran in Syrien zu einem Ergebnis zu kommen, und dabei ausgeblendet, dass das Geld, das der Iran durch das Abkommen bekommt, genau für diese aggressive Politik in Syrien ausgegeben wird, worunter gerade in diesem Augenblick die Menschen in Idlib leiden, auf die seit dem 1. April wieder massenweise Fassbomben fallen. Dafür trägt selbstverständlich auch der Iran eine große Verantwortung. Das Problem ist nun, Herr Außenminister, dass Sie mit diesem Erwartungsmanagement weitergemacht haben. Sie haben zu Anfang Ihrer Amtszeit, im Mai letzten Jahres, noch gesagt: Kein Problem, wir machen jetzt ein europäisches SWIFT-System. – Dann haben wir irgendwann mal nachgefragt, wann das denn kommt, was das denn bedeuten soll, was das ist. Wir haben von der Bundesregierung die schriftliche Antwort bekommen, das sei eine langfristige Option. Aber für langfristige Optionen haben wir keine Zeit mehr, und deshalb sollte man nicht solche Erwartungen schüren. Die amerikanische Seite eskaliert derzeit relativ schnell; sie marschieren militärisch auf. Die iranische Seite tut das auch. Das sieht man auch an den Truppenbewegungen innerhalb des Iran Richtung Persischer Golf. Die Amerikaner liefern massenweise Nukleartechnologie an Saudi-Arabien und rüsten sie auch noch auf, auch konventionell. Die Politik des maximalen Drucks richtet großen Schaden an. Es gibt Aussagen amerikanischer Offizieller, die sagen: Wir wollen, dass Teheran so verelendet wie Caracas, die Hauptstadt Venezuelas. Das ist nicht unbedingt eine Politik, die Vertrauen schafft auf der anderen Seite. Grundnahrungsmittel werden zunehmend knapp. Zucker ist seit einer Woche im Iran rationiert. Es wird jetzt sehr laut diskutiert, ob man Benzin rationiert. Die Menschen im Iran sind gefangen zwischen einer korrupten repressiven Regier ung auf der einen Seite und der Kriegsrhetorik und Kriegsgefahr, die die Amerikaner heraufbeschwören, auf der anderen Seite. Diese Spirale muss aufhören. ({1}) Aber es betrifft nicht nur die Menschen im Iran. Eine von zahlreichen Maßnahmen, die die Amerikaner jetzt zum Ende dieses Monats durchführen werden, ist, dass der Irak keinen Strom mehr aus dem Iran kaufen darf. Ein Drittel des Stroms im Irak kommt aber derzeit aus dem Iran, und niemand weiß, wie er ersetzt werden soll. Das ist in Washington einfach beschlossen worden. Das wird die Menschen im Irak natürlich vor immense Probleme stellen, was dann wiederum auch Auswirkungen auf die Sicherheitslage im Irak hat, und zwar nicht nur durch die aggressive Politik des Iran, sondern das ist natürlich auch Wasser auf die Mühlen derjenigen, die stets versuchen, die Amerikaner dort zu bekämpfen. Diese beidseitige Ignoranz führt dazu, dass sich in Teheran und Washington derzeit die Hardliner die Hand reichen. Das Problem ist, dass in zahlreichen Staaten, auf zahlreichen Schauplätzen am und im Persischen Golf – im Libanon, im Irak, in Syrien, in Afghanistan, in Jemen –, die iranischen und die amerikanischen Soldaten teilweise Nase an Nase voreinander stehen. Wenn auch nur einer die Nerven verliert, dann ist die Lunte extrem kurz, bevor die Situation massiv eskaliert. Und das liegt an der derzeitigen Sprachlosigkeit. Deshalb stelle ich mir die Frage, warum der Außenminister in dieser Sekunde nicht dort hinfährt, am besten gemeinsam mit den EU-Kollegen, um zu vermitteln, damit es wenigstens nicht zu dieser Eskalation kommt. Diesen Vorschlag habe ich neulich gemacht. Aus der Union und der SPD hieß es dann: Was soll er denn dort tun? – Ja, das ist doch der Sinn von Diplomatie, dort hinzufahren, um wenigstens die akute Kriegsgefahr anzusprechen, ({2}) wenigstens darauf zu drängen, dass die Iraner mit den Amerikanern ins Gespräch kommen bzw. das amerikanische Gesprächsangebot annehmen, und dafür zu sorgen, dass es dann wenigstens so etwas wie ein rotes Telefon gibt, damit die Situation am Persischen Golf nicht eskaliert. Man könnte auch einige Angebote machen, zum Beispiel angesichts der Dürre im Iran Hilfe zu leisten. Man könnte auch anbieten, dass wir uns darum kümmern, dass Krebsmedikamente wieder ins Land kommen; denn diese kommen wegen der Sanktionen zurzeit nicht hinein. Natürlich könnte man die Frage stellen, ob der Iran denn ernsthaft glaubt, ein Wettrennen um die Atombombe gegen Saudi-Arabien gewinnen zu können. Während der Iran eine bauen müsste, könnten die Saudis einfach eine kaufen. Das anzusprechen, ist zwingend notwendig. Es geht wirklich darum, einen Krieg zu verhindern, der wahrscheinlich – auch für uns – noch dramatischere Folgen hätte als der Irakkrieg 2003, der verheerend genug war; denn am Ende eines solchen Konfliktes stehen nicht nur Verdammnis und Verderben, sondern auch noch eine nuklearisierte Zone in unserer unmittelbaren Nachbarschaft. ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Dr. Norbert Röttgen das Wort. ({0})

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lage ist in dieser Debatte schon mehrfach beschrieben worden. Ich schließe mich der Beschreibung an: Die Lage ist wirklich ernst; sie ist wirklich besorgniserregend. Ich möchte mich darum in meinem kurzen Beitrag nur einer Frage zuwenden, nämlich der Frage: Was können, was müssen wir tun? Was ist die Schlussfolgerung für uns? Meine erste Anmerkung dazu ist die Frage: Wer ist „wir“? Ich glaube eben nicht, dass „wir“ die deutsche Politik ist, sondern es muss unmissverständlich klar sein, dass das Handlungsformat in dieser Frage die E3, die drei europäischen Staaten Frankreich, Großbritannien und Deutschland, plus die Hohe Beauftragte sind. In diesem Format müssen wir handeln. Aktionismus bringt hier nichts, sondern Realismus ist gefragt, meine Damen und Herren. ({0}) Die zweite Frage ist: Was soll denn in diesem europäischen Handlungsformat geschehen? Ich bin der Überzeugung, dass wir – „wir“ im eben definierten Sinne – eine politisch-diplomatische Initiative entwickeln und einbringen müssen, die natürlich den unbedingten Einsatz für das Nuklearabkommen zum Inhalt hat, die aber gleichzeitig darüber hinaus geht. Wir müssen uns auf mehr vorbereiten, als nur auf der Position zu beharren: Es muss dieses Nuklearabkommen aufrechterhalten werden. – Das muss es, aber das reicht nicht mehr; denn in dem Fall, dass sich der Iran teilweise oder ganz aus dem Abkommen zurückzieht, ist dieses Abkommen tot. Auf diesen möglichen Fall müssen wir uns als Erstes schon jetzt vorbereiten. ({1}) – Ja, wir müssen es zu verhindern versuchen; aber manchmal passieren Dinge, die wir nicht wollen. Darum müssen wir uns auf diese Dinge, die passieren, obwohl wir sie nicht wollen, einrichten, meine Damen und Herren; wir müssen vorbereitet sein. Zweitens. Selbst wenn der Iran nicht aussteigt, können wir die Folgen, die der Komplettausstieg und die Wiedereinführung der Sanktionen durch die USA haben, nicht ignorieren. Wir müssen auch realistisch zur Kenntnis nehmen, dass wir nicht die Möglichkeit haben – wir haben es sorgfältig analysiert –, die wirtschaftlichen Folgen, die die Sanktionen der USA haben, zu kompensieren. Das knüpft an die einzigartige Stellung des Dollar im internationalen Finanzsystem an. Wir haben nicht die Möglichkeit, das auszugleichen und zu neutralisieren. Das müssen wir wissen, und wir müssen es sagen. Drittens. Im Zusammenhang mit dem Iran stellt sich nicht nur die Nuklearfrage. Vielmehr sind zahlreiche regionale Konflikte nur aufgrund der iranischen Politik da bzw. werden durch sie verschärft. Das heißt, wir müssen uns diesem Phänomen nähern und eine politische Antwort darauf entwickeln. Wie könnte diese politische Initiative, die wir zusammen entwickeln, aussehen? Ich glaube erstens, diese Initiative muss der Politik der USA Rechnung tragen, weil sie ein Realfaktor in der Region ist. Zu glauben, wir könnten antagonistisch und dauerhaft konträr erfolgreich sein, ist keine realistische Annahme. Zweitens müssen wir versuchen, der Interessenlage Irans Rechnung zu tragen. Ist das möglich? Nach meiner Einschätzung sieht sich der amerikanische Präsident Donald Trump nicht als Krieger, sondern als Dealmaker. Ich würde, Kollege Graf Lambsdorff, auch nicht jede Ankündigung der amerikanischen Regierung, sich nicht militärisch engagieren zu wollen, als verdeckte Ankündigung einer militärischen Intervention interpretieren. ({2}) – Ja, nicht jede. – Ich glaube nicht, dass das ihr Interesse ist. Ich glaube, dass Trump die Soldaten nach Hause holen will, und zwar vor der Präsidentschaftswahl, und dass er keine neuen Kriege starten will; das ist meine Einschätzung. Donald Trump hat die Iraner auch zu Verhandlungen aufgefordert. Er hat gesagt: Kommt an den Tisch, um zu verhandeln. ({3}) Das Interessante war, dass der iranische Staatspräsident Rohani nicht kategorisch erklärt hat: Das kommt überhaupt nicht infrage. – Vielmehr hat der iranische Staatspräsident gesagt: „So nicht!“, aber er hat nicht kategorisch Nein gesagt. Das ist bemerkenswert in dieser Lage. Das heißt, da ist noch ein Faden zwischen beiden Staaten, den USA und dem Iran, vorhanden. Dieser Faden besteht darin, dass trotz der Beschädigung und der Möglichkeit des Scheiterns des Nuklearabkommens der zugrundeliegende Gedanke dieses Abkommens nicht zerstört und beschädigt ist. Der zugrundeliegende Gedan ke war ja, ein Geschäft zu machen, um die Sicherheit vor dem Iran und die wirtschaftliche Entwicklung im Iran in ein Austauschverhältnis zu bringen; das ist der Grundgedanke des Nuklearabkommens. Ich glaube, wenn man diesen Gedanken immer weiter lediglich auf das Nuklearabkommen bezieht, dann sind wir in einer Sackgasse. Wenn man ihn aber ausdehnt, wenn man auch die anderen Konflikte dieser Region einbezieht, also ein einzelnes nicht lösbares Problem vergrößert, dann könnten sich neue Möglichkeiten der Verhandlungsparität, der Verhandlungsbereitschaft ergeben. Das wird nicht von den USA und auch nicht vom Iran ausgehen, sondern das ist eine der Möglichkeiten, die die Europäer haben. Ich glaube, dass es notwendig ist, dass wir dies entwickeln, weil es an uns liegt. ({4}) Wir müssen grundlegend erkennen – das ist mein letzter Satz dazu –, dass wir, obwohl wir es uns nicht gewünscht haben, gegenüber der gesamten Region ein politisches Verhältnis entwickeln müssen. Das Schicksal dieser Region und das Schicksal Europas sind für lange Zeit nicht mehr voneinander zu trennen, und es gibt kein anderes Land, das unsere Interessen wahrnimmt. Wir müssen es selbst tun – wir, die Europäer. Danke sehr. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lothar Maier für die AfD-Fraktion. ({0})

Prof. Dr. Lothar Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004812, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Lage in der Krisenregion ist brandgefährlich. Die Vereinigten Staaten haben in den letzten Tagen und Wochen dort ein beachtliches militärisches Potenzial zusammengezogen, zu dem man das israelische wahrscheinlich im Konfliktfall wird hinzurechnen müssen. Angesichts dessen, dass eigentlich alle Vorredner auf die Aggressivität des Iran abgehoben haben, lohnt es sich, glaube ich, schon zu fragen: Wie aggressiv ist der Iran eigentlich tatsächlich? Und wie aggressiv war er in den vergangenen 20 oder 25 Jahren? Wie verlässlich ist das Land als Vertragspartner? Ich denke, es lohnt sich, diese Analyse nicht nur aus der Sicht der Europäer oder der Amerikaner, sondern auch aus der des Iran zu versuchen. Die Außenwahrnehmung der Politik des Iran ist ganz gewiss die eines aggressiven Staates, und zwar bereits seit 1979, seit der Machtübernahme des islamisch-klerikalen Regimes, gekennzeichnet – das ist ja alles bekannt – durch einen rabiaten, oftmals auch gewalttätigen Antiamerikanismus, durch Vernichtungsdrohungen gegen Israel, durch militärische Interventionen in Syrien, im Libanon, im Jemen und, wenn es zutrifft, was man zuletzt gehört hat, neuerdings auch noch in Venezuela; dort sollen iranische Militärberater aufgetaucht sein. Dazu kommt die atomare Aufrüstung, die im Anfangsstadium steht, die durch das JCPoA unterbrochen worden ist, die Raketenentwicklung. Das alles sind eigentlich Parallelen zu Nordkorea. Auch das ist ein Staat, der auf atomare Sicherheiten abstellt, ein Staat mit einem riesigen militärischen Potenzial, das allerdings in großen Teilen veraltet und kaum einsatzbereit ist. Das gilt sicherlich auch für das militärische Potenzial des Iran. Und schließlich oder auch als Erstes: Das autoritäre bis totalitäre iranische Regime duldet keinen Widerspruch und nimmt auch massive wirtschaftliche Nachteile für das Land in Kauf, wenn es das aus außenpolitischer Sicht für passend hält. Aus iranischer Sicht würde man dagegenhalten. Dieses Regime war kaum an die Macht gekommen, 1979, als es auch schon in einen jahrelangen Krieg, einen Kampf auf Leben und Tod, mit dem Nachbarstaat Irak gezwungen wurde, der gerade auf iranischer Seite zu ungeheuren Verlusten an Menschenleben geführt hat. Daher ist es das natürliche Bestreben des Iran, kein feindseliges und hochgerüstetes Regime direkt an seiner Grenze zu dulden. Das erklärt manche der Aktivitäten des Iran im Irak, aber auch in Syrien. Dazu kommen die Opfer und Leiden, die durch die amerikanischen und andere Sanktionen über Jahrzehnte hinweg entstanden sind. Auch das Selbstverständnis des Iran als Schutzmacht der Schiiten in dieser Region spielt eine Rolle. Es gibt nun einen unauflöslichen Widerspruch: Man kann als Iran entweder Atomwaffen als angebliche Lebensversicherung haben, oder man kann in die Weltwirtschaft eingebunden sein und versuchen, die eigene Wirtschaft und den eigenen Wohlstand aufzubauen. Beides zugleich schließt sich wechselseitig aus. Die Frage ist nun: Was obsiegt in diesem Land, der religiöse Fanatismus, der sich vor allem in den Revolutionsgarden manifestiert, die in erster Linie Träger der militärischen Macht sind, oder die diplomatische Vernunft? Was wir beitragen können, ist im Grunde nicht sehr viel. Es ist die notwendige Einflussnahme auf die iranische Regierung in dem Sinne, dass sie das JCPoA nicht aufkündigt und dass sie selbst dann, wenn das geschehen sollte, nicht wieder die Urananreicherung aufnimmt, und es ist selbstverständlich auch die notwendige Einflussnahme auf die Vereinigten Staaten und letzten Endes auch auf Israel, es nicht zum Äußersten kommen zu lassen und auf Provokationen, wie sie ja bereits geschehen sind, nicht mit großer Gewalt zu antworten. Sehr viel mehr wird uns nicht möglich sein. Wir haben ja auch keine militärischen Ressourcen in dieser Region. Insofern bin ich wirklich der Überzeugung, dass die von Paul Hampel angeführte wünschenswerte große Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten die Lösung sein wird im Sinne einer Internationalisierung dieses Konflikts. Danke schön. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion hat nun Dr. Nils Schmid das Wort. ({0})

Dr. Nils Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004876, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Lage im Nahen Osten ist brandgefährlich. Wir haben eine Zusammenballung von Krisen, Kriegen und Konflikten, die wir nur in den düstersten Farben beschreiben können: die Nachwirkungen der US-Intervention im Irak, der Bürgerkrieg in Libyen, der furchtbare, lang andauernde Krieg in Syrien, der Jemen-Konflikt – eine humanitäre Katastrophe –, die negativen regionalen Aktivitäten des Iran, eine zunehmend offensive, eigenständige und mit massiver militärischer Aufrüstung verbundene Außenpolitik von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, die sich selber als regionalpolitische Player verstehen, und natürlich im Hintergrund seit vielen Jahrzehnten der ungelöste Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis. In diese düstere Lage hinein kam das Nuklearabkommen mit dem Iran, der erste Lichtblick von Diplomatie in dieser Region. Es war das erste Mal, dass zumindest ein Teilkonflikt in der Region mit diplomatischen Mitteln gelöst wurde, und zwar durch eine völkerrechtliche Vereinbarung, durch eine vom UN-Sicherheitsrat zertifizierte Vereinbarung. Sie hatte Unzulänglichkeiten. Jeder wusste: Sie ist nur der Ausgangspunkt für weitere notwendige, harte Gespräche mit dem Iran über seine ballistische Raketenaufrüstung, über seine regionale Rolle. Aber dennoch: Es war der Triumph der Diplomatie. Umso unverständlicher ist es, dass ausgerechnet die Amerikaner dieses Abkommen infrage gestellt haben. Was sollen denn andere Länder in der Welt als Lehren aus dieser Kündigung ziehen? Der, der ein Abkommen über nukleare Abrüstung schließt, wird von den Amerikanern verstoßen, wird mit einer Kündigung bedacht. Der, der die Atomwaffen in der Hand hat, bekommt wie im Falle Nordkoreas ein Gipfeltreffen mit dem amerikanischen Präsidenten. Dass hier die Verhältnisse völlig verschoben worden sind und dass die Diplomatie zurückgestellt worden ist zugunsten von maximalem Druck, genau das ist aus meiner Sicht ein Grundfehler der amerikanischen Außenpolitik. Deshalb ist für uns als SPD völlig klar: Wir wollen dieses Atomabkommen aufrechterhalten. Wir wollen weiterhin auf Diplomatie setzen. Und wir wollen dem Iran als unserem Vertragspartner deutlich machen: Da gibt es keine Ausflüchte. Wenn ihr anfangt, die Grenzen des Atomabkommens zu sprengen, dann ist das Atomabkommen am Ende, und dann gibt es nur den Rückfall zu automatisch wieder in Kraft zu setzenden Sanktionen. Das muss der Iran wissen. Es gibt kein Finassieren, kein Fingerzeigen auf die Amerikaner oder andere Partner. Vielmehr hat es der Iran selber in der Hand, dieses Atomabkommen aufrechtzuerhalten. ({0}) Genauso klar sagen wir unseren amerikanischen Freunden: Eine weitere Militärintervention der USA in dieser Region würde zum Kollaps des gesamten Nahen und Mittleren Ostens führen. Das wäre fatal. Deshalb ist für uns klar: Deutschland wird sich an einem Militäreinsatz im Iran, gegen den Iran nicht beteiligen. ({1}) Das sagen wir genauso deutlich den amerikanischen Partnern, und wir weisen unsere amerikanischen Partner auch darauf hin, dass es sich im Falle eines Falles selbstverständlich nicht um einen Bündnisfall nach Artikel 5 des NATO-Vertrages handeln würde. Das müssen die Amerikaner wissen, wenn sie jetzt so ein Säbelrasseln am Persischen Golf veranstalten. ({2}) Entscheidend für uns ist, dass wir jetzt alle Mittel der Diplomatie zur Deeskalation einsetzen. Ich bin skeptisch gegenüber denjenigen, die sagen: Wir müssen jetzt das große Fass aufmachen und alle Probleme auf den Tisch bringen. – Das Vorgehen beim Nuklearabkommen entsprach genau dem Gegenteil. Viele Jahre lang hat man versucht, mit dem Iran über alles Mögliche zu reden, und dann hat man sich entschieden, dass drängendste Problem, nämlich die nukleare Aufrüstung des Iran, anzugehen und dazu eine Lösung zu finden. Zu glauben, es würde besser werden, wenn man jetzt alle Themen auf den Tisch bringt, das halte ich für verwegen. Wir müssen als EU alles dafür tun, dass der Ausgangspunkt, nämlich die Vermeidung einer nuklearen Aufrüstung des Iran, nicht aus dem Blick gerät und dass die wirtschaftlichen Vorteile des Iran aus diesem Abkommen auch wirklich sichtbar werden. Dazu gehört aus meiner Sicht, dass wir INSTEX wesentlich engagierter aufbauen, dass wir uns wesentlich engagierter dafür einsetzen, dass Nicht-EU-Staaten sich an INSTEX beteiligen und dass wir damit nach und nach ein Volumen generieren, das auch für den Iran ein Festhalten an diesem Atomabkommen attraktiver macht. ({3}) Schließlich gehört dazu ein geschlossener Auftritt der EU, auch im Rahmen der UN-Organe Sicherheitsrat und Generalversammlung. Wir müssen darauf hinweisen, dass wir eine friedliche Lösung der Konflikte in der Region wollen und dass der Einsatz von militärischen Mitteln der falsche Weg ist. Vielen Dank. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Sevim Dağdelen für die Fraktion Die Linke. ({0})

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Maas, es schien, als hätten Sie hier ein altes Redemanuskript vorgetragen, weil die aktuelle Zuspitzung, gerade im Persischen Golf, wo die Kriegsgefahr minütlich wächst, in Ihrer Rede überhaupt nicht vorkam. Seit Tagen dauert der militärische Aufmarsch der USA an. Heute überschlagen sich die Eilmeldungen. Die USA haben ihr Botschaftspersonal aus dem Irak abgezogen. Die Bundesregierung setzt die Ausbildungsmission der Bundeswehr im Irak hastig aus, sagt aber gegenüber Öffentlichkeit und Parlament nicht, warum. Was weiß die Bundesregierung über die Pläne der USA? ({0}) Das wollen wir von Ihnen wissen, Herr Maas. ({1}) Vonseiten der Trump-Administration sind öffentlich immer mehr direkte Drohungen zu vernehmen, im Iran militärisch einzugreifen. „Bomb Iran“, fordert der US-Sicherheitsberater John Bolton schon seit Jahren. Der demokratische US-Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders warnte dazu heute Nacht – ich zitiere –: John Bolton will uns in einen Krieg gegen den Iran lügen, wie er es bereits im Fall des Irak getan hat und wie sie es im Fall Vietnam getan haben. – Ich sage Ihnen: Auch wir in Deutschland und Europa wollen nicht in einen Krieg gelogen oder getrieben werden. ({2}) Hierbei ist es wichtig, dass man Klartext spricht. Bereits die Androhung von Gewalt durch die USA ist ein ­eklatanter Verstoß gegen Artikel 2 Absatz 4 der UN-Charta und stellt einen Bruch des Völkerrechts dar. Wieso verurteilt die Bundesregierung diese US-amerikanischen Kriegsdrohungen nicht als das, was sie sind, nämlich als einen Bruch des Völkerrechts? ({3}) Ich finde, es ist ein Armutszeugnis ohnegleichen, dass die Bundesregierung der Torpedierung des Iran-Atomabkommens durch die USA nichts Substanzielles entgegengesetzt hat. Sie erwarten immer noch, dass sich Iran an das Atomabkommen hält. Ja, aber wir halten uns doch selber nicht daran. Das Iran-Geschäft ist doch zu über 50 Prozent zurückgegangen. Deutsche Unternehmen werden durch die US-amerikanischen Sanktionen unter Druck gesetzt und ziehen sich raus aus dem Geschäft. Deshalb ist hier Aufwachen das Gebot der Stunde, und nicht so zu tun, als wenn wir hier die Situation von vor einem Jahr hätten. ({4}) Worum geht es den USA? Geht es in der Region um Demokratie und Menschenrechte oder um Regime Change, um einen durch eine Militärintervention unterstützten Putsch, um die Ressourcen des Landes unter Kontrolle zu bringen und den Iran als einen geopolitischen Widersacher des eigenen Verbündeten, nämlich der Kopf-ab-Diktatur Saudi-Arabien, auszuschalten? Ein Blick in die Geschichte der amerikanisch-iranischen Beziehungen zeigt, dass es zumindest in der Vergangenheit kein einziges Bemühen der USA um demokratische Verhältnisse im Iran gab. 1953 unterstützte die CIA den Putsch gegen den demokratisch gewählten Ministerpräsidenten Mossadegh, weil er sich erdreistet hatte, die Ölreserven des Iran zu verstaatlichen und damit dem Zugriff westlicher Konzerne zu entziehen. In der Folge unterstützte Washington jahrzehntelang die blutige Diktatur des Schahs. Vor diesem Hintergrund muss man sich natürlich auch einmal die andere Bilanz einer Regime-Change-Politik anschauen. 2003 wurde der Irak überfallen und Saddam Hussein gestürzt. Die Folge war die Zerstörung der ganzen Region und der Aufstieg der islamistischen Banden wie al-Qaida oder IS. Der Regime Change wurde damals durch einen Wirtschaftskrieg vorbereitet. Auf die Frage, ob es noch vor dem Krieg notwendig war, durch Boykott von Medikamenten und Nahrungsmitteln den Tod von 500 000 Kindern im Irak zu verantworten, antwortete die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright – ich zitiere –: Ich glaube, das ist eine sehr schwere Entscheidung, aber der Preis – wir glauben, es ist den Preis wert. Wer über 500 000 Kinderleichen geht, um eine unliebsame Regierung zu stürzen, ist ein Verbrecher. Unsere Aufgabe als Demokraten ist es, nicht zuzusehen, wenn diese Verbrecher das nächste große Verbrechen in der Region begehen. ({5}) Deshalb ist jetzt Handeln angesagt, bevor es zu spät ist. Sagen Sie klar und deutlich Nein zum Krieg gegen den Iran. Sagen Sie klar und deutlich Nein zu den Überflugrechten der USA über Deutschland und Europa. Und sagen Sie auch klar und deutlich Nein zur Nutzung der US-Stützpunkte in Deutschland für die Kriegsvorbereitungen. ({6}) Erst dann ist die Bundesregierung glaubwürdig, wenn sie behauptet, dass sie gegen die Eskalation und gegen einen neuen Krieg in der Region ist. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU hat nun der Kollege Jürgen Hardt das Wort. ({0})

Jürgen Hardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004050, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu meiner Vorrednerin möchte ich nur sagen: Mit plumper antiamerikanischer Polemik ({0}) werden wir die Krise mit Sicherheit nicht in den Griff bekommen. ({1}) Bemerkenswert ist ja, dass sich im Grunde die gesamte Welt – das hat sich auch in der UN-Resolution ausgedrückt – mit Blick auf das Ziel einig ist. Wir wollen den Iran – diplomatisch ausgedrückt – einhegen, insbesondere in Bezug auf seine vier aggressiven Handlungsweisen: den Plan, eine Bombe zu bauen; den Plan, Raketen zu entwickeln, die diese Bomben verschießen können, zum Beispiel nach Israel oder sogar nach Europa; die massive antiisraelische Propaganda, die der Iran regional, überregional und weltweit verbreitet; und nicht zuletzt die Förderung des Terrorismus des Iran im Jemen, in Syrien, im Irak, im Libanon, an der Grenze zu Israel, im Norden Israels und im Gazastreifen, wie wir es ganz massiv in den letzten Tagen erlebt haben. Wir sind uns in den Zielen einig. Aber es gibt seit der Diskussion um das Atomabkommen die nicht überwundene Meinungsverschiedenheit, was die richtige Strategie ist. Auch schon zu Obamas Zeiten, der das Abkommen mit verhandelt, unterschrieben und befördert hat, hat es einen Streit darüber gegeben, ob der Iran durch die Wirtschaftssanktionen an einem Punkt sei, wo er zu wesentlich weiteren Zugeständnissen bereit sein müsste, als er das am Ende beim Abkommen gezeigt hat. Wir Europäer haben immer gesagt, dass wir bezweifeln, dass dieser Zustand erreicht ist. Wir glauben bis heute, dass letztlich andere in der Welt es im Zweifel gar nicht zulassen würden, dass es zu einer Art politischer Kapitulation des Iran gegenüber der amerikanischen Drohung kommt, weil zum Beispiel Russland und andere nicht zulassen würden, dass Iran in dieser Weise vorgeführt wird. Deswegen sagen wir: Diese massive Druck- und Drohtaktik, mit Wirtschaftssanktionen das Land auf die Flurplatten zu zwingen, wie man es bei der Marine sagen würde, wird nicht verfangen. Deswegen haben wir gesagt: Wir gehen den Weg über dieses Abkommen. Es gibt ein arabisches Sprichwort: Ein Vogel in der Hand ist besser als zehn Vögel auf dem Baum. – Viele fühlen sich erinnert an unser europäisches Sprichwort von dem Spatzen und der Taube. Wenn verschiedene Kulturen zur Beschreibung eines vergleichbaren Phänomens einen ähnlichen Sinnspruch haben, dann könnte man darüber nachdenken, ob vielleicht etwas daran ist. Ich glaube tatsächlich, dass wir uns mit Blick auf den JCPoA mehr erhofft haben. Wir haben gedacht, damit öffnen wir ein Stück weit die Türen des Iran für die Welt. Wir ani mieren die jungen Menschen im Iran, zu sehen , dass es noch etwas anderes gibt als Wächterrat und Mullahregime. Wir kommen in eine neue Dimension der Gespräche mit Blick auf die übrige aggressive Handlungsweise. Das hat sich leider alles nicht erfüllt. Dennoch: Im Blick auf das Ziel der Verhinderung der atomaren Bewaffnung hat uns das Abkommen tatsächlich ein Stück weiter gebracht, als es vorher der Fall war. Die massive Kritik, die ich an der amerikanischen Regierung übe, ist, dass die amerikanische Regierung – das ist im Übrigen in der Handelspolitik auch nicht anders –, dass der amerikanische Präsident Dinge, die er auf der Habenseite hat, zum Beispiel ein solches Abkommen und entsprechende Handelsvereinbarungen, riskiert, ohne diese Lücke tatsächlich mit einer besseren Alternative füllen zu können. Es ist ein ungeheures Vabanquespiel, darauf zu setzen, dass man vielleicht in der Zukunft mehr erreicht, als man heute in der Hand hat, und es vor diesem Hintergrund leichtfertig aufzugeben. Ich finde, es ist die neue Dimension in der amerikanischen Politik, dass das überlegte, besonnene, kluge Vorgehen ersetzt wird durch dieses eruptive Vorgehen. Man könnte fast sagen, er hat Schumpeters zerstörerischen kreativen Prozess falsch verstanden. Man muss schon wissen, was man am Ende wie neu bauen will, wenn man etwas aufgibt oder einreißt. Diesen Eindruck haben wir leider nicht. Deswegen sind wir in einer ausgesprochen schwierigen Situation. Ich finde, dass der Bundesaußenminister und die Bundesregierung auf europäischer Ebene eine gute Politik vertreten und mit durchgesetzt haben. Ich habe allerdings auch meinen Zweifel, ob wir tatsächlich eine Chance haben, das Abkommen zu erhalten. Aber dieses Abkommen, dieser Spatz in der Hand, ist besser als die Taube auf dem Dach. Wenn man mit israelischen Wissenschaftlern, ehemaligen Generalen, Think-Tank-Experten hinter den Kulissen spricht, hört man sogar aus israelischen Mündern: Na ja, wir würden uns mit Blick auf den Iran natürlich etwas anderes vorstellen. Aber das Abkommen ist besser als nichts. – Deswegen sollten wir alles versuchen, die Amerikaner doch noch zum Umdenken zu bewegen. Herzlichen Dank. ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Aydan Özoğuz für die SPD-Fraktion. ({0})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was diese Debatte für mich ein Stück weit auszeichnet, ist, dass wir doch eines sehr genau sehen: In der Lage, in der wir und in der im Moment viele Länder sind, dürfen wir uns nicht einer Schwarz-Weiß-Malerei hingeben. Es zeichnet gerade Deutschland aus, dass wir die Dinge sehr nüchtern betrachten, dass wir wirklich versuchen, zu schauen, was dort passiert, und versuchen, sehr nüchtern zu analysieren, was unser Beitrag dazu sein kann, eine gewisse Rhetorik und Eskalation zu verhindern. Ich möchte deshalb noch einmal daran erinnern – es wurde in ein, zwei Beiträgen schon genannt –, wie euphorisch viele von uns im Jahr 2015 waren. Was war das eigentlich für eine Situation vorher? Und dann kam dieses Abkommen, der Joint Comprehensive Plan of Action, den wir hier immer abkürzend bezeichnen. Immerhin: China, Frankreich, Großbritannien, Russland, die USA, Deutschland und die EU haben mit dem Iran diesen Pakt vereinbart. Wir hatten damals doch ein Stück weit das Gefühl: Jetzt kann auch mehr Frieden im Nahen Osten möglich sein; gerade die Abrüstungsbemühungen könnten weltweit unterstützt werden. – Man darf auch eines nicht vergessen: Das Abkommen kam zu einem Zeitpunkt, als der Iran eigentlich schon seine Atombombe hatte; er war ja kurz davor. Es war also wirklich ein großer und wichtiger Schritt. Wo stehen wir nun heute? Knapp vier Jahre später haben wir eine enorme Ernüchterung, die Euphorie ist gewichen, und wir haben den Ausstieg der USA aus dem Abkommen vor einem Jahr, für den es zumindest augenscheinlich keinen Anlass gab; auch das muss man sagen. Außer einem Versprechen in einem Wahlkampf, das vielleicht darauf hindeutete, dass so etwas passieren kann, gab es zu dem Zeitpunkt keine weiteren Hinweise. Die Wiederaufnahme von Wirtschaftssanktionen hat dann natürlich eine Eskalation in Gang gesetzt. Das ist brandgefährlich; auch das wurde heute schon gesagt. Wir müssen deshalb sehr darauf drängen, dass wir alle Parteien ein Stück weit von den Bäumen, auf die sie sich begeben haben, herunterbekommen. Um auch das hier einmal deutlich zu sagen: Bisher konnten wir uns immer darauf verlassen, dass Nachfolgeregierungen Verabredungen ihrer Vorgänger so lange einhielten, bis alle Vertragspartner Änderungen zugestimmt haben. Das ist in diesem Fall nun leider nicht passiert. Ich glaube, daran müssen wir sehr stark erinnern; denn es ist ein fatales Signal. Vertrauen und Verlässlichkeit sind die wichtige Grundlage für internationale friedliche Beziehungen zueinander. ({0}) Nun gibt es diesen Höhepunkt bei den Wirtschaftssanktionen, die militärischen Drohgebärden – wir haben ja im Moment das Telefon alle neben uns, sehen jeden Moment neue Nachrichten ankommen, die uns nicht gerade ruhig stimmen – und das Ultimatum des Irans, welches wir alle zurückweisen. Es darf natürlich nicht sein, zu fordern, in 60 Tagen eine Lösung zu finden. Deshalb, glaube ich, ist es richtig, dass die Bundesregierung und ihre EU-Partner sehr deutlich machen: Wir lehnen ein solches Ultimatum ab. Wir wollten immer an diesem Abkommen festhalten; der Außenminister hat da s auch noch mal deutlich gemacht. Wir haben einen europäischen Weg beschrieben. Auch die Vertragspartner China und Russland sind in diese Gespräche eingebunden und weichen nicht dem aufgebauten Druck. Deshalb muss man hier festhalten: Eine weitere Verschärfung des Konflikts oder gar ein Krieg muss unter allen Umständen verhindert werden. Dazu müssen wir sehr laut, natürlich auch von dieser Stelle aus, rufen, dass wir uns für einen friedlichen Dialog einsetzen und zu einer Lösung des Problems kommen wollen. ({1}) Wir müssen dem Iran auch deutlich machen, welchen Nutzen das Abkommen bringt. Wir müssen aufzeigen, wie ein für die Wirtschaft und für die humanitäre Versorgung der Bevölkerung ausreichendes Maß an Export wieder möglich sein kann. Es ist doch das iranische Volk, welches am allermeisten unter den aktuellen Sanktionen leidet; einige Redner haben das angesprochen. Die Wirtschaft wird in die Knie gezwungen. Und was mir wirklich Sorgen macht: Wenn hier keine Verbesserung zutage kommt, dann muss man doch befürchten, dass sich große Teile der iranischen Bevölkerung – darunter Frauen und Gewerkschafter –, die sich bis heute für Demokratie, für eine offene Gesellschaft und für eine Annäherung an Europa eingesetzt haben, von uns abwenden, weil sie völlig frustriert sind aufgrund der Tatsache, dass wir sie dort alleine lassen und diese Rhetorik unerwidert lassen. Wir müssen wirklich sehr stark darauf hinwirken, dass dieses Abwenden nicht passiert. ({2}) Mein letzter Punkt: Die zugesagten Erleichterungen müssen vorangetrieben werden. Ich glaube – auch wenn wir das sicherlich noch besprechen müssen –, dass der neuentwickelte Finanzmechanismus INSTEX verkündet werden muss. Aber es muss nun auch bald eine erste Transaktion durchgeführt werden; sonst ist das wirkungslos. Ich sage es noch einmal: Wir akzeptieren keine Ultimaten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Frau Kollegin.

Aydan Özoğuz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Aber wir sollten denjenigen im Iran helfen, die das Abkommen JCPoA unterstützen. Die Operationalisierung von INSTEX ist hier entscheidend.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollegin Özoğuz, Sie müssen jetzt den Punkt setzen.

Aydan Özoğuz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, ich bin fast fertig. – Unsere diplomatischen Bemühungen müssen weiter gestärkt werden. Vielen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Mario Mieruch.

Mario Mieruch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004822, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Damen und Herren! Bereits vor einem Jahr stand an dieser Stelle meine Kollegin Frauke Petry und zählte auf, wo und warum es hakt. Das Abkommen selbst ist eigentlich kein echter Vertrag, sondern mehr ein Commitment: zeitverzögerte Inspektionen, die 24 Tage vorher angekündigt werden und den Mullahs genügend Zeit geben, ihre nuklearen Absichten zu verstecken; die angebliche friedenserhaltende Wirkung, die leider nur eine europäische Illusion war, weil man an sie glauben wollte, während der Iran munter weiterhin Milizen in der arabischen Welt unterstützte oder auch Material an die Hamas lieferte; das Problem der Sunset-Klausel, die Frage, was wohl mit der Urananreicherung passiert, wenn das Abkommen ausläuft; und der hehre Wunsch der Europäer, zugleich Freund Israels und Freund Irans sein zu wollen. Das Abkommen ist leider ein realitätsferner Wunschtraum, der sich nicht erfüllt hat und auch nicht erfüllen kann in einer Region, wo nur der Feind eines Feindes ein temporärer Freund ist und als wesentliche Maxime nach wie vor immer noch die Vernichtung Israels zu hören ist. Die Bundesregierung hat in dieser Situation nicht auf ihre Verbündeten gehört, weder auf die USA noch auf Israel. Im Gegenteil: Nie war unser Verhältnis zu den USA und zu Israel gleichermaßen schlecht – wenig verwunderlich, wenn unsere eigene Israel-Politik oft im offenen Gegensatz zu der mit dem Iran steht. Hier im Parlament wird das nicht nur von den Regierungsfraktionen mitgetragen, sondern eben auch von den Fraktionen der Linken, der Grünen und der FDP, die sich an anderer Stelle zurzeit sehr stark für Israel einsetzen wollen. Die USA zum Sündenbock machen zu wollen, ist aber auch viel zu einfach. Denn 2016 – also quasi kaum ein halbes Jahr nach dem Abschluss des Commitments – war es der Iran selbst, der mit Raketentests gegen diese Vereinbarungen verstieß. Und Trump ist auch nicht einfach ausgestiegen, sondern er hat ganz klar deutlich gemacht: Er will einen besseren Deal. Und – es wurde vorhin schon angesprochen –: Die Gesprächsbereitschaft ist nach wie vor da. Handfeste und verifizierbare Ergebnisse sollen dabei herauskommen. Statt nun mutig den Provokationen aus Teheran entgegenzutreten, stellt sich die Frage, ob und vor allen Dingen wofür wir uns hier in Geiselhaft begeben wollen. Dass China und Russland das Atomabkommen einhalten, entspricht ihren eigenen geopolitischen und strategischen Zielen, ist also überhaupt nicht verwunderlich. Die EU schachert dagegen um ein Linsengericht wirtschaftlicher Interessen und ideologischer Moralattitüden, weil man sich für besser hält als die Amerikaner. Und aus Angst vor einer medial angeheizten Eskalation lässt man sogar die deutsche Staatsräson fallen, nämlich die Sicherheit Israels. Die Schließung von Botschaften, die vorhin angesprochen wurde, würde ich auch nicht als Angst vor dem Krieg interpretieren, sondern es ist eine Vorsorge bei massiv gestiegenem Anschlagsrisiko. Ich erinnere hier – sehr ungern – zum Beispiel an Bengasi. Krieg wollen weder die USA noch der Iran; ich denke, auch das sollte jedem klar sein. Denn das wäre am Ende kein Eins-zu-eins-Krieg, sondern es wäre ein wirtschaftlicher Stellvertreterkrieg. Wir sollten uns also schnellstens entscheiden zwischen dem Regime in Teheran und der israelischen Demokratie, zwischen unseren transatlantischen Bündnispartnern und den Wirtschaftsinteressen Pekings. Ein neuer, ein echter Deal steht dem gar nicht im Wege. Der Iran war mit der Entwicklung bürgerlicher und religiöser Freiheiten schon sehr viel weiter. Und mit einem neuen Abkommen könnten die Mullahs beweisen, ob sie echte Veränderung zulassen wollen. Die Hand sollten wir ihnen reichen – mit klar definierten Standpunkten und ganz klaren Erwartungen. Danke.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Christian Schmidt für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in dieser Debatte über den Iran sehr deutlich geworden, dass wir gemeinsam mit den USA und Israel die Sicherheit in der Region durch eine aggressive Entwicklung – auch mit Blick auf Nuklearwaffen – gefährdet sehen, der wir seit Jahrzehnten mit unterschiedlichen Mitteln entgegentreten. Ich darf daran erinnern, dass es in den 90er-Jahren sehr evidente Hinweise auf illegale Aktivitäten gab. Man hatte im Iran versucht, Zentrifugen zur Urananreicherung aus verschiedenen Komponenten zusammenzubauen. Durch teils sehr konkrete Berichte der Nachrichtendienste wurden wir immer wieder darauf hingewiesen, dass – ob in zwölf Monaten oder in zwei Jahren, jedenfalls in Reichweite – das Gelangen von Atomwaffen in iranische Hände gelingen könnte. Das Abkommen JCPoA war in diesem Zusammenhang ein fundamentaler Schritt in die richtige Richtung. Nun haben wir die Situation – es ist mehrfach darauf hingewiesen worden –, dass die Variante, über ein scharfes Sanktionsregime zu erreichen, die wirtschaftlichen Potenziale des Landes so kleinzukriegen, dass es im atomaren Bereich keine Ausflüge mehr unternimmt, auf die Zeitschiene blickend durchaus mit Risiken behaftet ist. Wir können nicht genau sagen, wann und mit welchen Mitteln der Iran in der Lage ist, seine aggressive Politik, die mit den Namen Hamas, Hisbollah und Huthi-Rebellen verknüpft ist, mit entsprechenden Drohungen in Richtung nuklearer Waffen fortzusetzen. Deswegen müssen wir, was die Strategie angeht, zusammenhalten. Klar ist, dass wir gemeinsam mit d en USA und Israel über das Thema Sicherheit reden müssen. Man braucht nicht zu glauben, mit guten Worten und runden Tischen wäre im Iran etwas zu bewegen. Das wissen wir spätestens seit der danebengegangenen Revolution und den Versuchen vonseiten des Regimes der Mullahs, die zivile Regierung im Kern zu beschädigen. Zum Thema Ranking. Es stellt sich die Frage, welches Land in der Region sich besonders unappetitlich, besonders schlimm verhält. Was die Zahl der Hinrichtungen betrifft, ist der Iran mit über 500 Hinrichtungen allein im Jahr 2017 weit vorn. Da kommt „nicht einmal“ – in Anführungszeichen – das in dieser Hinsicht verurteilungswürdige Saudi-Arabien mit. Wir haben es im Iran mit einer Struktur zu tun, die auf aggressive ideologische Expansion und ideologische Absolutheit ausgerichtet ist. Wir werden die Kräfte im Iran stärken, die anders denken, und die gibt es sehr wohl. Meine Überzeugung ist, dass in manchen Teilen der Gesellschaft des Iran eine sehr westlich orientierte Gesellschaft vorhanden ist, die Potenzial hätte. Sie kann sich aber nicht leisten, zu gehen. Wir müssen daher das JCPoA weiter unterstützen. Allerdings erwarten wir von den Iranern, dass sie die Transparenz aufrechterhalten. Die Frage ist, ob es außerhalb des Iran nukleare Potenziale gibt, die dem Iran zuzurechnen sind. Die Frage ist auch, ob die von der internationalen Atomenergiebehörde geforderte Transparenz bei der Zulassung der Inspektoren zu einzelnen Anlagen wirklich eingehalten wird. Diese Fragen müssen jetzt beantwortet werden. Wir müssen gemeinsam mit unserem amerikanischen Bündnispartner die Aggression des Iran eindämmen und die Inbesitznahme von Nuklearwaffen verhindern. Ich halte das trotz aller Hektik und trotz der Nachrichtenlage für den Weg, der uns in die richtige Richtung führt, für einen friedlichen Weg. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Dr. Karl-Heinz Brunner für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Karl Heinz Brunner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004256, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Als letzter Redner in der Aktuellen Stunde zum Iran-Abkommen und zur Entwicklung im Iran und im Nahen Osten zu sprechen, ist zweifelsohne nicht leicht. Noch schwieriger ist es, nach den vielen Vorrednern den entsprechenden Bogen zu spannen. Ich hatte ursprünglich vorgehabt, damit einzusteigen – das will ich Ihnen nicht vorenthalten –, dass ich vor weit über einem Jahr niemals gedacht hätte, dass ich, wenn ich an Donald Trump, Mike Pompeo und Bolton denke, Donald Trump für den Vernünftigsten halte. Ich sage das deshalb, weil ich bei Donald Trump zumindest einen Plan erkenne, nämlich den Plan, das Lebenswerk seines Vorgängers Barack Obama zu zerstören und das seinen Wählerinnen und Wählern gegebene Versprechen einzuhalten, die amerikanischen Truppen aus dem Einsatz im Ausland zurückzuziehen. Die Aufkündigung des JCPoA-Abkommens passt nicht zur Entwicklung, die sich derzeit im Persischen Golf und im Nahen Osten abspielt. Tagtäglich kommen neue Meldungen über Drohnenangriffe auf saudi-arabische Pipelines. Wir wissen nicht, von wem das ausgeht, wir können uns nur die Frage stellen: Cui bono, wem nützt es? Wir stellen fest, dass Sabotageakte auf Handelsschiffe und Tanker verübt werden. Wir wissen nicht, von wem das ausgeht, wir können nur die Frage stellen: Wem nützt es? Wir stellen außerdem fest, dass das Atomabkommen aufgekündigt wurde mit dem Ziel, den Iran zu destabilisieren und wirtschaftlich in die Knie zu zwingen, was zwar ein legales, aber in meinen Augen unsinniges Vorgehen darstellt. Seit der Aufkündigung des Iran-Abkommens hat sich ganz deutlich gezeigt, dass alle Druckmaßnahmen gegen ein autoritäres Regime zu Gegendruck führen und nicht zu vernünftigen diplomatischen Gesprächen, die notwendig sind, damit die Menschen im Iran – dort leben rund 80 Millionen anständige Menschen, die mit ihrem täglichen Leben zu kämpfen haben – nicht noch mehr an das Regime gebunden werden. Das Auswärtige Amt und Bundesminister Heiko Maas setzen sich zu Recht mit den europäischen Partnern für eine Deeskalation ein. Es ist richtig, dass wir im Ziel alle miteinander dafür arbeiten müssen, das Iran-Abkommen zu halten; denn es stellt für uns in Europa und für die gesamte Region ein Stückchen Sicherheit und ein Stückchen Entfernung von nuklearer Aufrüstung dar. Wir leben in einer Welt, in der nicht alles so läuft, wie wir das wollen. Wir wünschen uns viel. Wir hätten uns im Nahen Osten eine andere Entwicklung gewünscht, aber die Entwicklung hat nun einmal diesen Weg genommen. Die Aufkündigung des Vertrags ist ein schwerer Schlag, und der Druck, der derzeit dadurch aufgebaut wird, ist nicht unbedingt hilfreich, um uns hinsichtlich Transparenz und notwendiger Kontrollmechanismen ein Stück weiterzubringen. Deshalb glaube ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass es gut ist, dass das Auswärtige Amt mit den europäischen Partnern eine Allianz schmiedet, eine Allianz, die wir auch eine Allianz der Willigen nennen können, eine Allianz derjenigen, die wollen, dass im Iran und im Nahen Osten Frieden herrscht; derjenigen, die wollen, dass es im Iran und um den Iran herum keine nukleare Aufrüstung gibt; derjenigen, die wollen, dass im Iran und um den Iran herum die vernünftigen Menschen die Oberhand gewinnen und dieses Land und diese Region eine Chance, eine Perspektive für die Zukunft haben. Wenn uns das gelingt, dann haben wir, glaube ich, unseren europäischen Beitrag geleistet. Zu diesem Beitrag können, glaube ich, ein vernünftiger amerikanischer Präsident und ein vernünftiger iranischer Präsident nur Ja sagen; denn beide hätten einen wirtschaftlichen Benefit davon. Sie könnten sagen: Das hat uns etwas genützt. Herzlichen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Aktuelle Stunde ist beendet.

Marian Wendt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004441, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Jahr 2018 war für den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages nicht nur ein überaus ereignis- und arbeitsreiches Jahr, sondern auch ein durch eine Reihe kontroverser, aber auch lebendiger Diskussionen gekennzeichnetes Jahr. Auch wenn solche Diskussionen emotional sein können, weil jeder von uns nur das Beste für unsere Bürgerinnern und Bürger erreichen will, behandeln wir immer alle Anliegen der Petenten sorgfältig. Die mitgeteilten Sorgen und Nöte nehmen wir sehr ernst. Jedermann, egal welchen Alters oder welcher Staatsangehörigkeit, hat das Recht, sich mit Bitten zur Gesetzgebung oder Problemen mit Bundesbehörden an uns zu wenden. Wir als Petitionsausschuss sind dazu verpflichtet, die Petition anzunehmen, sie sorgfältig zu prüfen und zu entscheiden. Zugleich dienen Petitionen dem Parlament als wichtiger Gradmesser für die Umsetzung von Gesetzen, weil sie aufzeigen, wo es Unstimmigkeiten und Handlungsbedarf gibt. Bevor ich diesbezüglich auf ein paar Fakten eingehe, möchte ich kurz ein Thema ansprechen, das mir besonders am Herzen liegt. Als stolzer Vorsitzender des Petitionsausschusses lege ich Wert darauf, dass alle von Petenten angesprochenen Themen mit Ernst und Respekt behandelt werden. Ich fordere aber auch, dass meine Kollegen, so wie die Petenten, trotz unterschiedlicher Positionen unsere Arbeit fair behandeln. Es hat mich deshalb umso mehr entsetzt, als manche Kollegen der Opposition die Petition zum Thema „Global Compact for Migration“ für eigene politische Zwecke zu missbrauchen versuchten. ({0}) Dieses Verhalten hat zudem die Konsequenz ausgelöst, dass einige Anhänger dieser Petition, meine Mitarbeiter im Büro und ich von Tausenden beleidigenden E-Mails und Anrufen – in einer teilweise ausgesprochen vulgären Sprache – überwältigt wurden. Anzeigen bei der Bundestagspolizei und Hausdurchsuchungen waren die Folge. Meine Damen und Herren, ein solches Verhalten verurteile ich aufs Schärfste. Auch wenn wir Diskussionen leidenschaftlich führen, muss der Umgang miteinander respektvoll bleiben. ({1}) Was mich besonders erfreut, ist, dass die Zahl der eingegangenen Petitionen im Vergleich zum Vorjahr um fast 15 Prozent auf 13 189 Petitionen angestiegen ist. ({2}) Als starker Befürworter der Digitalisierung begrüße ich es ausdrücklich, dass sich die Zahl der Mitzeichnungen auf der Onlineplattform des Ausschusses gegenüber dem Vorjahr vervierfacht hat, auf 685 000. Diese Anstiege zeigen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes wieder stärker engagieren und von den demokratischen Möglichkeiten der Mitbestimmung Gebrauch machen. Die Mehrzahl der Petitionen bezieht sich auf den Bereich Arbeit und Soziales – sie machen circa 16 Prozent aus –, gefolgt – auch infolge des zu Beginn dieser Wahlperiode vorgenommenen Zuständigkeitswechsels – von Petitionen zum Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat: 15 Prozent aller Petitionen. An dritter Stelle, knapp dahinter, liegt das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Im Berichtszeitraum haben sich mehr als eine halbe Million Personen neu im Portal des Petitionsausschusses angemeldet. Mit 2,6 Millionen registrierten Nutzerinnen und Nutzern ist es nach wie vor der Spitzenreiter unter den Internetangeboten des Deutschen Bundestages. Ich glaube, wir fordern zu Recht die Nutzung von Responsive Design, sodass bald auch per Smartphone eine Petition eingereicht werden kann. ({3}) Sehr wichtig finde ich, dass es einzelne Berichterstattergespräche mit Vertretern einzelner Behörden und Ministerien gab und die Abgeordneten im Rahmen dieser Berichterstattergespräche sensible und oft schwierige Einzelfälle klären konnten. Diese Gespräche finden nicht im öffentlichen Raum, in der öffentlichen Debatte statt. Es ist vielmehr die Kernarbeit des Ausschusses, für den Bürger im Kleinen zu streiten und gute Lösungen zu erreichen. Themen dieser Gespräche waren zum Beispiel Visaangelegenheiten, Asylverfahren, der Schutz vor Fluglärm, die geplante Schließung einer Wetterwarte des Deutschen Wetterdienstes oder auch die Berufszulassung von Ärzten. Wenn wir den Fall auf Basis der Aktenlage einmal nicht genau erkennen und entscheiden können, begeben wir uns vor Ort. Bei zwei Ortsterminen haben wir versucht, Lösungen zu finden. Die historische Eisenbahnbrücke von Albbruck im Süden unseres Landes sollte abgerissen werden. Gemeinsam mit der Bürgerinitiative haben wir geprüft, ob das ganze Verfahren so weit in Ordnung war. In einem zweiten Ortstermin wurde die Trasse der B 87 bei Lübben geprüft; es ging um Fragen des Lärmschutzes. Auch dieser Termin verlief sehr erfolgreich für den Ausschuss. Ich darf erwähnen, dass auf der Petitionsplattform des Deutschen Bundestages insgesamt 886 Petitionen veröffentlicht wurden, 183 Petitionen mehr als im Vorjahr. Unsere Bürger haben die Möglichkeit, die Petitionen auf der Internetplattform zu diskutieren und durch elektronische Mitzeichnung zu unterstützen. Ich sage aber auch – Stichwort: Respekt –: Auf dieser Plattform haben Hass und Hetze keine Chance. Deswegen gehen wir rigoros dagegen vor, wenn jemand unsere Spielregeln dort missbraucht. ({4}) – Getroffene Hunde bellen, sage ich mal. Im letzten Jahr wurden circa 22 500 Diskussionsbeiträge abgegeben und sieben Petitionen wurden mehr als 50 000-mal elektronisch mitgezeichnet. Das bedeutet, für die Kenner unter Ihnen, dass diese Petenten in einer öffentlichen Sitzung angehört wurden. Auf große Resonanz stießen diese öffentlichen Sitzungen des Petitionsausschusses nicht nur bei den Petenten, sondern auch bei vielen Bürgern. Die Petenten konnten ihr Anliegen den Ausschussmitgliedern und den Vertretern der Bundesregierung direkt vortragen. Diese Petitionen haben wir in drei öffentlichen Beratungen behandelt. Die Themen reichten von Cannabis über Migration bis hin zu Tierversuchen. Die Themen spiegelten die gesamte Breite der politischen Debatte wider, die wir auch aus dem Parlament kennen. Die Petition zum Terminservice- und Versorgungsgesetz hatte die meisten Mitzeichnungen, 217 000 Unterstützer. Der Zweitplatzierte hatte 100 000 Unterstützer weniger. Ohne dem Bericht über das laufende Jahr vorzugreifen, kann ich sagen, dass die Petition zum Terminservice- und Versorgungsgesetz dahin gehend erfolgreich war, dass wir als Gesetzgeber dieses Anliegen unterstützen und den Gesetzentwurf dahin gehend geändert haben, dass der Zugang zu einer Behandlung durch einen Psychotherapeuten einfach bleibt. ({5}) In einer weiteren öffentlichen Sitzung wurden sechs Sachverständige zu einer Petition angehört, in der es um die sogenannten gestohlenen Kinder in der DDR ging. Darunter versteht man Kinder, die gegen den Willen ihrer Eltern zur Adoption freigegeben wurden. Teilweise wurde dabei sogar der Tod von Säuglingen durch die staatlichen Stellen der DDR vorgetäuscht. Aktueller Stand ist – das kann uns, glaube ich, auch wenn die Sache insgesamt sehr schwer ist, erfreuen –, dass die Mehrheit dieses Hauses eine Lösung für die Betroffenen finden möchte. Dieses Thema ist, finde ich, von besonderer Bedeutung, gerade auch, wenn es um die historische Verantwortung und die Aufarbeitung des DDR-Unrechts geht. Die Mitglieder des Petitionsausschusses bemühen sich immer mit großem Engagement darum, die bestmögliche Lösung für alle Petenten zu finden. In manchen Fällen besteht eine über die Fraktionsgrenzen hinausgehende konstruktive Zusammenarbeit. Einstimmige Voten sind dabei selten, aber nicht die Ausnahme; das haben wir beispielsweise heute früh wieder praktiziert. Das prägt den besonderen Geist im Petitionsausschuss. Es wäre schade, wenn dieser Geist der gemeinsamen Zusammenarbeit weiter durch Hass und Hetze negativ beeinflusst wird. ({6}) Oftmals führt bereits das Einholen einer Stellungnahme durch den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages bei den zuständigen Behörden zu einem positiven Ergebnis. Man würde sagen: Ein kurzer Anruf reicht. Zwei Beispiele hierzu: Eine schwerbehinderte Petentin wandte sich an uns, da die Deutsche Rentenversicherung die Bezuschussung eines senioren- und behindertengerechten Autos abgelehnt hatte. Im Rahmen der Überprüfung wurde die Entscheidung korrigiert und ihr dieser Zuschuss in Höhe von 5 920 Euro gewährt. Der Fall konnte positiv abgeschlossen werden. Ebenso haben wir erreicht, dass deutsche Staatsangehörige, die im Ausland leben, nun einfacher an unseren Wahlen teilnehmen können. Der zur Versendung der Briefwahlunterlagen zur Verfügung stehende Zeitraum wurde dafür verlängert. Zumindest in diesem Punkt konnten wir die Wahl vereinfachen. Wir hoffen, dass bei künftigen Wahlen – am 26. Mai und bei anderen – viele deutsche Staatsangehörige, die im Ausland leben, von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Dies war nur ein Überblick über die Vielzahl kleinerer und größerer Erfolge der Arbeit des Peti tionsausschusses im Jahr 2018. Auch wenn wir nicht alle Wünsche der Petentinnen und Petenten erfüllen können, versucht der Ausschuss, die staatlichen Entscheidungen hilfreich zu erläutern und nachvollziehbar zu machen. Ganz besonders möchte ich allen Mitgliedern der Arbeitsgruppen des Ausschusses, den Mitarbeitern des Ausschusssekretariates, die hinter uns Platz genommen haben, ({7}) sowie unseren Mitarbeitern in den Büros für die Zuarbeit und für das tiefe Aktenstudium danken. ({8}) Ich freue mich auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit im Sinne der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Vielen Dank. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Dem Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschusssekretariates schließen wir uns, denke ich, bevor wir die Aussprache fortsetzen, an. ({0}) Das Wort hat nun der Kollege Udo Schiefner für die SPD-Fraktion. ({1})

Udo Schiefner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004397, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich denke, man kann bei dieser Debatte ruhig noch einmal betonen: Der Petitionsausschuss ist einer der wichtigsten Ausschüsse des Deutschen Bundestages. ({0}) Ich habe es noch keine Minute bereut, Mitglied dieses Ausschusses zu sein; das kann ich auch nach über fünf Jahren voller Überzeugung bekräftigen, und das gilt, obwohl sich auch im Petitionsausschuss sicherlich der Ton verändert hat. Doch zum Glück arbeitet die große Mehrheit im Ausschuss sachlich, kollegial und mit Interesse an den Petitionen der Bürgerinnen und Bürger. ({1}) Eine Petition einreichen zu können, ist ein Grundrecht. Dieses Recht steht – das will ich betonen – jedem und jeder Einzelnen, auch der Gemeinschaft, auch Verbänden und Organisationen zu. Unsere Aufgabe im Petitionsausschuss ist es, den Inhalt der Petition zu prüfen und zu bewerten. Wir bewerten nicht, wer die Petition eingereicht hat, ob es sich um einen Verband, eine Gewerkschaft oder eine Kirche handelt. Insofern ist das Petitionsrecht urdemokratisch und muss dies auch sein, meine Damen und Herren. Eine Petition an den Deutschen Bundestag ist, wie bereits dargestellt, sehr einfach eingereicht. Man braucht keinen Daumen hoch oder eine bestimmte Zahl an Unterschriften. Petitionen müssen auch nicht durch Parteigremien. Petitionen an den Deutschen Bundestag werden ohne große Öffentlichkeit und ohne Medienrummel Tag für Tag bearbeitet. Wir nehmen jede Petition ernst. Wir schauen ganz genau hin und stellen die Sorgen und Nöte der Petentinnen und Petenten in den Mittelpunkt. Wichtig ist aber, dass Petitionen tatsächlich beim Deutschen Bundestag eingereicht werden. Im Internet schmücken sich viele mit dem Wort „Petition“ und simulieren damit gesellschaftliches Engagement. Dort kann man sich erregen – wirklich etwas verändern können Sie aber nur dann, wenn Sie Ihre Petition an den Deutschen Bundestag richten. ({2}) Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages ist das Instrument echter Bürgerbeteiligung. Ich kann nur dazu aufrufen, dieses auch zu nutzen. Petitionen sind zudem ein wichtiger Seismograf unserer Gesellschaft: Welche Themen bewegen? Wo werden Änderungen erwartet? Ich stelle beispielsweise fest, dass der Tier- und der Umweltschutz immer stärker in den Fokus der Diskussion in der Bevölkerung treten. Im vergangenen Jahr haben zu diesem Themenbereich sieben öffentliche Anhörungen stattgefunden, zum Beispiel zum Verbot von Tierversuchen und zum Verbot von biologisch nicht abbaubaren Verpackungen. Das in der EU kommende Verbot von Einwegplastik wurde in vielen Petitionen gefordert. Auch der Klimawandel bewegt den Petitionsausschuss. Im nächsten halben Jahr sind öffentliche Anhörungen zum Klimaschutz und zum Schutz von Bienen und Insekten auf unserer Tagesordnung. Wir werden auch über das Tempolimit diskutieren, nicht nur mit Blick auf umweltpolitische Fragen, sondern auch mit Blick auf die Frage der Verkehrssicherheit. Man sieht, das Spektrum der von Bürgerinnen und Bürgern eingereichten Petitionen ist breit. Ich finde, diese Möglichkeit, die seit 70 Jahren besteht, hat sich außerordentlich gut bewährt und muss fortgesetzt werden. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschussdienstes und in den Büros für ihre Arbeit. In diesem Sinne: Glück auf! ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Johannes Huber für die AfD-Fraktion. ({0})

Johannes Huber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004764, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Mitbürger! Die Parlamentarischen Geschäftsführer der anderen Fraktionen haben entschieden: Erst zu dieser späten Stunde können wir uns dem Grundrecht auf Mitbestimmung widmen. ({0}) Artikel 17 des Grundgesetzes gibt jedem die verfassungsrechtliche Garantie, dass sein Anliegen im Bundestag behandelt wird und er im Gegensatz zu einer Petition bei privaten Petitionsanbietern auch direkt auf die Gesetzgebung Einfluss nehmen kann. Der kontinuierliche Rückgang an Petitionen konnte 2018 gestoppt und das Niveau von 2015 wieder erreicht werden – auch dank der AfD. ({1}) So ist es uns gelungen, Menschen zurück in den politischen Diskurs zu bringen, die sich nicht mehr von der Politik vertreten gefühlt haben. ({2}) Wir, die Mitglieder des Petitionsausschusses, haben über 6 500 Akten zur Berichterstattung bekommen und damit das historisch zweithöchste Arbeitsaufkommen bewältigt. An dieser Stelle möchte ich allen Beteiligten meine Anerkennung für diese Arbeit aussprechen. ({3}) Ein besonderer Dank gilt natürlich den Mitarbeitern des Ausschussdienstes, die auch ich herzlich begrüße. Sie verfassen zu jeder eingereichten Petition im Schnitt nicht nur drei Schreiben, sie konnten auch über ein Drittel aller Bürgeranliegen bereits im Vorfeld des parlamentarischen Verfahrens durch eine unbürokratische Hilfe erledigen. An dieser Stelle vielen Dank an die fleißigen Mitarbeiter im Ausschuss. ({4}) Im Vergleich zum Vorjahr hat das Auswärtige Amt mit einem Plus von 205 Prozent die größte Steigerung von Bitten und Beschwerden aller Ressorts zu verzeichnen. Gratulation an dieser Stelle an Heiko Maas für den rasant steigenden Handlungsbedarf in seinem Haus! Ganze 456 Petitionen gingen allein zum Globalen Migrationspakt ein. ({5}) Die ersten davon wollte man – ich zitiere jetzt Sie von den Grünen – als Dreck unter den Tisch kehren ({6}) und in einem Akt politischer Willkür noch nicht einmal veröffentlichen. ({7}) Nur durch die Beharrlichkeit der AfD konnte am Ende eine öffentliche Debatte für die Bürger zum Migrationspakt durchgesetzt ({8}) und auch geführt werden. ({9}) Dieses unwürdige Schauspiel auf dem Rücken der Bürger zeigt uns, dass die Richtlinien zu den öffentlichen Petitionen überarbeitet und verbindlich in der Geschäftsordnung geregelt werden müssen. Unseren Mitbürgern brannte der Migrationspakt ({10}) derart unter den Nägeln, ({11}) dass bereits nach zwei Tagen das Quorum von 50 000 Mitarbeitern – – Mitzeichnern erreicht war. ({12}) Es wäre sogar noch früher erreicht gewesen, wenn das Internet für den Bundestag nicht immer noch Neuland wäre. Die Petitionswebseite ist zwar das mit Abstand erfolgreichste Internetangebot des Bundestages und erhöht die Attraktivität des Petitionswesens, sie brach aber am zweiten Tag unter der Last von 87 000 Mitzeichnungsversuchen und 1,9 Millionen Seitenaufrufen aufgrund der veralteten Architektur zusammen. ({13}) Leider sind aus unserer Sicht bis heute fahrlässigerweise nur kosmetische Verbesserungen an der Plattform erfolgt. ({14}) Dass jetzt im Nachhinein Vertreter der Konsensparteien die Veröffentlichung sogar als Fehler bezeichnen, lässt tief auf das Demokratieverständnis blicken. ({15}) Um es deutlich zu sagen: Mit der Strategie, öffentliche und kontroverse Diskussionen zu vermeiden, verantworten letztlich die älteren Parteien in diesem Parlament den Vertrauensverlust der Bürger in die demokratischen Institutionen in unserem Land. ({16}) Der Antrag der AfD für eine rechtzeitige öffentliche Anhörung vor der Annahme des Migrationspaktes wurde folgerichtig von den selbsternannten Demokraten ohne Debatte abgelehnt. Im Verlauf der Kontroverse wurde immer klarer, dass den sozialen Frieden und den interkulturellen Dialog ({17}) – hören Sie doch mal zu – ({18}) keines der Bürgeranliegen belastete, sondern wenn, dann nur der Migrationspakt und die Bundeskanzlerin selbst. ({19}) Der Forderung des Hauptpetenten, wie Österreich eine Protokollerklärung bei den Vereinten Nationen abzugeben, wurde nämlich sogar vom Bundestag auf Antrag der Koalition aufgeschlossen gegenübergetreten. Aber sogar dies hinderte die demokratischste Bundeskanzlerin aller Zeiten nicht, ({20}) über die 108 000 Mitzeichner und den Bundestagsbeschluss hinweg zu entscheiden, den Migrationspakt ohne Protokollerklärung anzunehmen. Liebe Mitbürger, ich will sagen: So wird die Wahrheit deutlich. Frau Merkel hält weder viel von Ihnen noch vom Bundestag. ({21})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Huber, Sie können weitersprechen, aber das tun Sie dann auf Kosten von Herrn Spangenberg. ({0})

Johannes Huber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004764, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Genau. – Als Partei der direkten Demokratie – damit möchte ich schließen – werden wir uns weiterhin vor die Bürger stellen, ({0}) sodass sie nicht übergangen, sondern wieder ein Stück weit mehr zum Dreh- und Angelpunkt der Politik werden. Vielen Dank. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Josef Oster das Wort. ({0})

Josef Oster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004845, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bleibe bei meiner Linie, dass ich nicht wesentliche Teile meiner Redezeit darauf verwende, auf die Legendenbildung eines AfD-Kollegen einzugehen. ({0}) Ich will mich auf das Thema konzentrieren, um das es heute hier geht. Ich darf sagen: Ich bin ja in meiner ersten Wahlperiode Mitglied des Deutschen Bundestages, und ich war und bin weiterhin erstaunt, mit welchem Aufwand der Deutsche Bundestag sich jeder einzelnen Petition annimmt. Das Petitionsrecht ist damit nach meiner Überzeugung eines der bedeutendsten Angebote, das der Deutsche Bundestag zu bieten hat, und es ist vor allen Dingen ein starker Baustein in Sachen direkter Demokratie. ({1}) Der Petitionsausschuss interessiert sich dabei sowohl für Petitionen, die von sehr vielen Menschen unterzeichnet und unterstützt werden, aber eben auch für Einzelpetitionen. So hat jeder die Chance, Einfluss auf die Politik in unserem Lande zu nehmen. ({2}) Onlinepetitionen, öffentliche Petitionen, öffentliche Sitzungen: All dies sind Beispiele dafür, dass der Deutsche Bundestag die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt. Natürlich – jetzt muss ich doch ein bisschen auf das eingehen, was wir gerade eben gehört haben – ist es deshalb ausgesprochen kritikwürdig, wenn der Petitionsausschuss benutzt wird, um damit parteipolitische Zwecke zu verfolgen, und wenn der Petitionsausschuss missbraucht wird. ({3}) Es ist natürlich nicht im Sinne der Väter und Mütter des Grundgesetzes, wenn aus Abgeordnetenbüros heraus Petitionen geschrieben werden und sich daran parteipolitische Kampagnen anschließen. Das ist nicht Sinn und Zweck des Petitionsausschusses, und so ist es bei der AfD ja geschehen. ({4}) Das gefährdet das Instrument des Ausschusses. Meine Damen, meine Herren, natürlich hat nicht jede Petition Aussicht auf Erfolg. Nicht selten aber werden durch Petitionen politische Themen gesetzt und auch die Meinungsbildung im Parlament beeinflusst.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Oster, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Abgeordneten Hebner? ({0})

Josef Oster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004845, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, ausnahmsweise. Normalerweise mache ich es nicht, aber wir haben ja Zeit; das ist der letzte Tagesordnungspunkt heute. Von daher: Auf geht’s, Herr Hebner!

Martin Hebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004740, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herzlichen Dank für die Zulassung der Frage.

Josef Oster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004845, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gerne.

Martin Hebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004740, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sie haben gerade den Globalen Pakt für Migration und die Petitionen angesprochen, und Sie haben ganz klar erklärt, dass Sie jede Petition ernst nehmen. ({0}) Es gibt ein Interview Ihres Kollegen Herrn Wendt, seines Zeichens Ausschussvorsitzender, der am 19. November letzten Jahres gesagt hat, die vorliegenden Petitionen zum Globalen Pakt für Migration seien volksverhetzend oder falsch. ({1}) Unter anderem lag eine Petition von Frau Lengsfeld vor. War die Petition von Frau Lengsfeld volksverhetzend? War das in dem Fall eine Bürgerrechtlerin, die schon in der DDR aufgetreten ist und plötzlich auc h hier, von Ihrer Seite – sprich: von Ihrem Kollegen –, als volksverhetzend dargestellt wird, ({2}) oder wurde sie als falsch dargestellt? Die Petition wurde übrigens unter anderem von Herrn Dr. habil. Vosgerau mit erstellt. ({3}) Also, war die Frau Lengsfeld volksverhetzend, oder ist Herr Dr. Vosgerau falsch gelegen? Können Sie das erläutern? Herzlichen Dank. ({4})

Josef Oster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004845, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir haben klare Regeln, wann Petitionen zugelassen und freigeschaltet werden, und an diese Regeln halten wir uns. Das gilt für alle Fraktionen. Klar ist aber: Das ist Ihr Lieblingsthema. Das wissen wir ja; es gibt ja keine Debatte, in der Sie nicht irgendwann auf das Thema Migration zu sprechen kommen. Das hat auch die Debatte im Petitionsausschuss geprägt, aber es waren eben nicht nur Petitionen, die in Ihrem Sinne und mit Ihrer Zielsetzung eingegangen sind, sondern es sind auch sehr viele andere Petitionen eingegangen. Ich finde, das ist ein Beispiel dafür, wie vielfältig, aber auch wie konträr die Arbeit des Petitionsausschusses sein kann, gerade weil das Thema Migration natürlich auch unsere Arbeit im Petitionsausschuss geprägt hat. ({0}) Ich will mich an Ihrer Legendenbildung hier jetzt aber nicht beteiligen. – Das muss reichen ({1}) Ich will ein Beispiel erwähnen, das vielleicht auch einen ganz anderen Eindruck erweckt und zeigt, dass die Arbeit im Petitionsausschuss auch sehr konkret sein kann: Wir haben unter anderem eine Petition gehabt, die sich mit den Funktionen unseres Personalausweises befasst hat. Es ging darum, dass im Ausland lebende Deutsche bislang nicht die Möglichkeit hatten, ihre Auslandsadresse im Personalausweis zu hinterlegen. Das führt zu vielen Benachteiligungen im praktischen Ablauf, insbesondere wenn es um Onlinefunktionen geht. Diese Petition hat Eingang in den parlamentarischen Prozess gefunden, und gerade aktuell wird das Personalausweisgesetz geändert, mit der ganz konkreten Möglichkeit, in Zukunft auch Auslandsadressen eintragen zu können. – Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie Petitionen direkt Eingang ins Gesetzgebungsverfahren finden. Ich will darüber hinaus natürlich auch den Aspekt erwähnen – das haben wir gerade schon kurz diskutiert –, dass sich auch die großen gesellschaftlichen Debatten im Petitionsausschuss widerspiegeln, und natürlich hat das Thema Migration auch unsere Beratungen im vergangenen Jahr ein Stück weit geprägt. Es gab Petitionen, die die Forderung nach Verschärfungen der Migrationspolitik, nach einer Begrenzung der Anzahl der Flüchtlinge, nach schnelleren Abschiebungen und nach einem stärkeren Schutz der Binnen- und EU-Außengrenzen beinhaltet haben. Es gab aber auch eine ganze Reihe von Petitionen, die sich mit der Integration von Flüchtlingen, mit Beschäftigungsmöglichkeiten und mit der Frage des Familiennachzuges auseinandergesetzt haben. Das zeigt eben – ich habe es gerade schon erwähnt –, wie konträr die Eingaben im Petitionsausschuss sein können. Gerade wenn ich mir diese Petitionen anschaue, bin ich froh, dass wir jetzt endlich über das Geordnete-Rückkehr-Gesetz und über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz im Bundestag diskutieren werden. In diese beiden Gesetzentwürfe sind eben auch Erkenntnisse aus unserem Petitionsausschuss eingeflossen. Ich will ein weiteres Beispiel erwähnen, das unsere Diskussionen geprägt hat: Viel Aufmerksamkeit hat eine Petition erhalten, die sich mit der Arbeitszeit der Bundesbeamten beschäftigt hat. Die wöchentliche Arbeitszeit soll demnach von derzeit 41 Stunden auf 39 Stunden reduziert werden. Das betrifft in Deutschland rund 181 000 Menschen, die bei uns als Bundesbeamte beschäftigt sind. Dazu hat aufgrund der großen Unterstützerzahl bereits eine öffentliche Anhörung stattgefunden. Demnächst wird es dazu dann auch die Debatte im Ausschuss geben. Im Moment, wenn ich das richtig sehe, verzögert allerdings die Fraktion der Linken den weiteren Ablauf dieser Petition. Wir hoffen, dass wir bald auch ihre Berichterstattung zurückbekommen und über diese Petition im Ausschuss reden können. Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Beispiele zeigen, dass durch dieses demokratische Mittel der Bürgerbeteiligung wichtige Erkenntnisse aus Petitionen in den Gesetzgebungsprozess einfließen können. Darüber hinaus – auch das darf ich erwähnen – kann man aus der Anzahl der Eingaben zu einzelnen Themengebieten auch gewisse Rückschlüsse ziehen. Im März dieses Jahres hat die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem sie sich für die Einrichtung eines zusätzlichen Polizeibeauftragten ausgesprochen hat. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit vom Deutschen Bundestag abgelehnt – aus gutem Grund, wie die aktuellen Zahlen aus dem Jahresbericht belegen. In gerade einmal 29 Petitionen ging es um Themen rund um die Bundespolizei, in sechs Fällen um Personalangelegenheiten. Zehn Beschwerden wurden zur Arbeit der Bundespolizei vorgetragen, elf Anliegen waren allgemeiner Natur. Einen Bedarf für eine teure zusätzliche Beschwerdestelle kann ich aus diesen Zahlen nicht erkennen. ({2}) Meine Damen, meine Herren, zum Abschluss möchte ich betonen, dass ich die Arbeit im Petitionsausschuss als ausgesprochen bereichernd empfinde. Über 13 000 Petitionen im Jahr 2018 belegen die große Resonanz bei den Bürgerinnen und Bürgern. Bei dieser großen Anzahl – auch das muss man sagen – bleibt gerade auch die schnelle Abwicklung der Verfahren eine zentrale Herausforderung, der wir uns weiter stellen müssen. Umso mehr möchte ich auch im Namen der Unionsfraktion allen, den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschusses, für ihre engagierte Arbeit herzlich danken. Ich beziehe in diesen Dank auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den einzelnen Abgeordnetenbüros mit ein und natürlich auch unsere Fraktionsreferentin. Herzlichen Dank. ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die FDP-Fraktion hat nun der Abgeordnete Manfred Todtenhausen das Wort. ({0})

Manfred Todtenhausen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004222, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, um diese Zeit hier stehen und den Bericht abgeben zu dürfen, ({0}) ausnahmsweise mal nicht in der Primetime, aber es ist mir trotzdem eine große Freude, hier sein zu dürfen. Dem Dank an die Kollegen aus dem Ausschuss schließe ich mich selbstverständlich an; dazu komme ich gleich. Allgemeines vorab: Der Petitionsausschuss kümmert sich um die Probleme und Belange der Bürgerinnen und Bürger. Er ist quasi der verlängerte Arm der Bürger ins Parlament. Wir haben es ja schon gehört: Im letzten Jahr haben uns über 13 000 Eingaben erreicht. Man kann es nicht oft genug betonen: Es reicht vollkommen aus, wenn eine Petition von einer einzigen Person unterschrieben wird. Das muss man immer wieder deutlich sagen, weil einige Leute glauben, man müsse großen Aufwand betreiben. Das ist nicht so. Jeder kann das ganz einfach machen. Jede einzelne Petition wird beantwortet. Jede einzelne Petition wird auch bearbeitet. Manche Petitionen sind allgemeine Beschwerden. Das sind meistens die, die auch größere Beratung finden. Aber zwei Drittel aller Petitionen haben einen persönlichen Bezug. Da geht es um persönliche Belange. Diese werden nicht ins Internet gestellt oder jedenfalls nicht öffentlich beraten, um die Daten der Petenten zu schützen, was wir natürlich alle verstehen können. Aber wenn eine Petition – das ist letztes Jahr öfter passiert – von mindestens 50 000 Menschen unterstützt wird, bekommt sie eine ganz besondere Beachtung: Wir beraten sie in öffentlichen Sitzungen; auch das haben wir schon gehört. Im Juni 2018 haben wir zum Beispiel öffentlich über eine Reform des wettbewerblichen Abmahnwesens diskutiert. Eine Frau hat in ihrer Familienzeit ein kleines Modelabel gegründet. Ihre Produkte vertreibt sie übers Internet. Bei einer Produktbeschreibung hat sie eine Prozentangabe vergessen. Sie hat einen Fehler gemacht, es war ein Flüchtigkeitsfehler. Trotzdem wurde sie von einem Abmahnverein abgemahnt. Wir, eigentlich alle, hatten selbstverständlich großes Verständnis für ihre Beschwerde; denn die Zahl missbräuchlicher Abmahnungen nimmt leider immer mehr zu. Sie betreffen besonders diejenigen, die sich schwer oder schlecht wehren können. Die FDP hat deshalb das Thema aufgegriffen und einen Antrag in den Bundestag eingebracht. Seit September 2018 liegt auch ein Entwurf des Ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vor. In den letzten Monaten wurden Stellungnahmen von den betroffenen Verbänden eingeholt. Heute – darüber freue ich mich sehr – wurde im Kabinett über einen Gesetzentwurf abgestimmt, der dann in Kürze in den Bundestag kommt und den wir hier beraten dürfen. ({1}) Das freut mich für diese Petentin gewaltig. Ich finde, das ist ein großer Erfolg. ({2}) Es hat also etwa ein Jahr gedauert, bis aus der Petition gegen missbräuchliche Abmahnungen ein Gesetz geworden ist oder werden soll. Leider dauert es häufig deutlich länger, bis über die Anliegen der Petenten entschieden wird. Das liegt oft an § 109 der Geschäftsordnung, wir sagen immer „109er-Verfahren“: Wenn ein Thema auch in einem Fachausschuss beraten wird, ruht so lange die Beratung im Petitionsausschuss. Manchmal lässt man sich im Fachausschuss aber sehr viel Zeit. Manchmal möchte die Regierung einen Beschluss auch hinauszögern, so unser Gefühl. ({3}) Dabei haben wir die Möglichkeit, Fristen zu setzen. Wir können sagen: Bis dahin wollen wir das haben. – Diese Möglichkeit sollten wir, liebe Kollegen, viel öfter nutzen. ({4}) Über öffentliche Anhörungen bekommen Petitionen, wie gesagt, schon jetzt viel Aufmerksamkeit. Noch mehr Beachtung für Petitionen gäbe es, wenn wir sie hier im Plenum beraten würden. Deshalb sollten wir den Menschen die Möglichkeit geben, wichtige Anliegen auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages zu setzen. ({5}) Wir werden die Möglichkeit dazu in nächster Zeit beraten. Wir haben eigentlich schon beschlossen, dass wir darüber reden. ({6}) Wir haben letztes Jahr auch öffentliche Sachverständigenanhörungen durchgeführt. Dieses Format mit unabhängigen Experten sollten wir wirklich öfter nutzen. Großes öffentliches Interesse gab es auch bei zwei Ortsbesichtigungen; Kollege Wendt hat davon schon berichtet. Außerdem gab es mehrere nichtöffentliche Gespräche, bei denen uns Vertreter von Ministerien und Behörden Rede und Antwort gestanden haben. Vielen ist nicht klar, dass der Petitionsausschuss selber gar keine Gesetze erlassen oder ändern kann. Das geht leider nicht. Es wäre schön, wenn wir das manchmal könnten. Der Petitionsausschuss kann aber die Bundesregierung auffordern, zu handeln. Dabei gibt es mehrere Abstufungen. So können wir der Regierung eine Petition zur Berücksichtigung überweisen. Damit bitten wir sie, dem Anliegen des Petenten zu entsprechen. Jetzt fragen Sie sich sicher: Wie oft ist das im letzten Jahr passiert? Kein einziges Mal. Wir können die Petition der Bundesregierung auch zur Erwägung überweisen. Damit bitten wir sie, das Anliegen des Petenten noch einmal zu überprüfen und nach Möglichkeit nach Abhilfe zu suchen. Das war letztes Jahr ein Mal der Fall. Die Koalition hat im Petitionsausschuss die Mehrheit, das wissen wir. Leider ist das so. Wir sind sechs Fraktionen, zwei Fraktionen sind hier immer maßgebend. Wenn die Vorschläge gut sind, machen wir mit. Manchmal versuchen wir, die Vorschläge zu ändern. Wir wünschen uns, dass es andere Möglichkeiten gäbe; denn auch die Opposition würde gerne gewisse Sachen auf den Weg bringen, was von den Kollegen der Koalition leider blockiert wird. ({7}) Ich möchte noch ein Beispiel nennen. Eine junge Deutsche lebt und arbeitet in Nordrhein-Westfalen. Einmal pro Woche fährt sie in die Niederlande, weil sie dort eine Weiterbildung macht. Auf dem Weg zur Hochschule fährt ihr ein Lkw ins Auto. Weil der Unfall in den Niederlanden passiert ist, wollte die deutsche Berufsgenossenschaft die Kosten nicht übernehmen; ein Fall, bei dem wir uns alle einig waren. Es ist klar: Wir wollen offene Grenzen und mehr Zusammenarbeit innerhalb Europas. Dann muss die Regierung auch dafür sorgen, dass den Menschen daraus keine Nachteile entstehen, auch wenn es eine grenzüberschreitende Angelegenheit ist. Das war eine von den Petitionen, die wir gemeinsam beschlossen haben. ({8}) Natürlich kann nicht jede Forderung erfüllt werden. Aber über 1 200‑mal konnte dem Anliegen der Petenten entsprochen werden, in mehr als 3 600 Fällen konnte der Ausschuss mit Rat und Auskunft helfen. Dabei bedanke ich mich besonders bei den fleißigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Petitionsausschusses; der Dank muss natürlich sein. Ich bedanke mich auch bei den Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss. Denn wir haben überwiegend ein sehr gutes Verhältnis, auch wenn wir nicht immer übereinstimmen. Der persönliche Respekt voreinander ist großartig. Es macht mir sehr viel Freude, in diesem zeitaufwendigen, arbeitsintensiven Ausschuss zu arbeiten, alleine schon wegen der guten Kollegialität. ({9}) Zu guter Letzt – –

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu guter Letzt sollte in Zukunft die Danksagung in der Redezeit schon enthalten sein.

Manfred Todtenhausen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004222, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Der letzte Satz. – Ich möchte alle Mitbürger und Mitbürgerinnen auffordern: Wenn Sie Probleme haben, wenden Sie sich direkt an den Deutschen Bundestag. Hier kommen Ihre Petitionen richtig an. Jede einzelne wird bearbeitet. Wir kümmern uns darum. Vielen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Kersten Steinke für die Fraktion Die Linke. ({0})

Kersten Naumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003197, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim Treffen der Petitionsausschussvorsitzenden von Bund und Ländern fiel die Bemerkung, dass Petitionen nützliche Flöhe im Pelz des Staates sind. Ich bin davon überzeugt, dass wir genau diese nützlichen Flöhe oder Seismografen des Parlaments brauchen und dass sie unser Handeln noch viel mehr beeinflussen sollten. ({0}) Auch im letzten Jahr gab es wieder viele nützliche Flöhe, also Petitionen. Ich denke beispielsweise an die hier schon erwähnte öffentliche Petition mit über 217 000 Mitzeichnungen, in der es gegen den Entwurf des Terminservice- und Versorgungsgesetzes ging. Hier ging es insbesondere gegen die Diskriminierung einer ganzen Patientengruppe, der psychisch Kranken. ({1}) Wenn ich davon spreche, dass Petitionen, also die nützlichen Flöhe, unser Handeln viel mehr beeinflussen sollten, dann bin ich darüber enttäuscht und kann auch nicht verstehen, dass es im vergangenen Jahr nur einen einzigen einstimmigen Beschluss des Petitionsausschusses gab, der die Petition zur Erwägung an die Bundesregierung weiterleitete. Das ist ein absoluter Tiefpunkt der letzten Jahre und für Die Linke inakzeptabel. ({2}) Seit vielen Jahren stellen wir fest, dass wir unser Petitionswesen attraktiver, offener und transparenter gestalten müssen. Aber die Vorschläge meiner Fraktion dazu wurden stets von einer Mehrheit im Ausschuss abgelehnt. Ein weiteres Thema, das uns stets und ständig in jedem Jahresbericht bewegt, sind die DDR-Renten. Ja, ein altes Thema, aber für die Betroffenen ein sehr wichtiges! Denn Ungerechtigkeiten bleiben Ungerechtigkeiten, erst recht wenn sie schon 30 Jahre existieren. ({3}) Seit nun mittlerweile fast 30 Jahren gehen im Petitionsausschuss Beschwerden über die Ostrenten ein, und jährlich werden es mehr. Erst in der vergangenen Woche hat die Fraktion Die Linke in einer Debatte über einen Tagesordnungspunkt im Plenum des Bundestages zum wiederholten Mal auf diese Ungerechtigkeiten aufmerksam gemacht. Jedoch wurden unsere Anträge von der Mehrheit des Hauses wieder einmal abgelehnt. Noch ein Thema, das mir unter den Nägeln brennt. Die junge Generation, unsere Kinder und Enkel, Schülerinnen und Schüler, Studenten und junge Eltern, hat sich politisiert. Sie protestiert weltweit gegen den Klimawandel. Und was macht die Koalition? Sämtliche Petitionen zum Dieselskandal, zum Klimaschutz, zur Plastevermeidung, zum Atombombenabzug aus Deutschland, zum Waffenexport und zu Lebensmittelcontainern wurden abgelehnt oder verschwinden bei der Bundesregierung in der Versenkung. Wann endlich will die Politik ihre Schuld bei der jungen Generation einlösen? ({4}) Werte Kolleginnen und Kollegen, abschließend noch ein Wort von ehemaliger Ausschussvorsitzender zum amtierenden Ausschussvorsitzenden. Die übergroße Zahl der Petitionen richtet sich gegen Gesetze oder die Wirkung von Gesetzen, die die Koalitionsfraktionen beschlossen haben. Wenn dann die Petitionen bzw. die Flöhe zu diesen Gesetzen eingehen, dann muss man das aushalten, auch wenn man einer Koalitionsfraktion angehört. ({5}) Sehr geehrter Herr Wendt, Ihre medialen Aktionen gegen eine Petition der Evangelischen Kirche zum Tempolimit auf Autobahnen waren kein gutes Aushängeschild für unseren Petitionsausschuss; denn Petentenschelte geht einfach gar nicht. ({6}) Ich hoffe, dass solche Aktionen gegen Petenten in der Öffentlichkeit einmalig waren und dass wir zukünftig gemeinsam an der Erhöhung der Attraktivität und der Wirksamkeit der Arbeit unseres Ausschusses arbeiten und Petenten nicht verprellen. Herzlichen Dank. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Corinna Rüffer für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Corinna Rüffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004390, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Demokraten und Demokratinnen! Ich möchte mich als Allererstes bedanken bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschussdienstes, die eine unglaubliche Arbeit machen. Alle, die ein bisschen mit dem Petitionswesen vertraut sind, wissen: Es gibt viel zu viel Arbeit für viel zu wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir sollten nicht nur sonntags von der Wichtigkeit des Petitionswesens reden, sondern dafür sorgen, dass unsere Strukturen so ausgebaut werden, dass wir vernünftig auf die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger eingehen können. ({0}) Bedanken möchte ich mich auch ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit mit den allermeisten Kolleginnen und Kollegen in diesem Ausschuss; es ist mir ganz wichtig, das zu sagen. ({1}) Aber wir wollen ehrlich bleiben. Ich möchte zum Ausdruck bringen, dass ich mir wünsche, dass wir die Luft, die wir nach oben haben, tatsächlich konsequent nutzen. ({2}) Der Petitionsausschuss ist – das muss man sagen – ein besonderer Ausschuss. Er arbeitet auf andere Art und Weise als andere Ausschüsse. Er ist ein Ausschuss, wo Parteiprogramme, wo Fraktionszwänge beiseitegelassen werden sollen. Unsere Aufgabe ist, auf die Anliegen der Menschen zu schauen, die sich an uns wenden, die sich häufig in prekären Situationen befinden und unsere Unterstützung brauchen. Aber leider wirkt der Ausschuss sehr häufig wie ein Regierungsausschuss, wo die Mehrheiten entscheiden, wo die Große Koalition auf ihrem Standpunkt beharrt und wo viel zu selten auf den Punkt geschaut wird, an dem wir gemeinsam aktiv werden müssten, ({3}) an dem wir im Zweifel in die Auseinandersetzung mit der Bundesregierung gehen müssten, um etwas zu bewegen. Das ist die Luft nach oben, die ich meine. ({4}) Es ist gar nicht so schwierig, über den politischen Schatten zu springen. Ich weiß, dass sich viele gerade in der SPD-Fraktion sehnlich wünschen, dass wir die Potenziale ausschöpfen, die wir haben. Herr Todtenhausen, ich möchte Ihnen sagen: Es macht unheimlich viel Freude, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Sie sagen zum Beispiel solche Sätze: Ich habe mir das noch einmal angeschaut, und man kann den Grünen hier guten Gewissens zustimmen. – Ihre Art, mit diesem Ausschuss umzugehen, führt dazu, dass ganz andere Konstellationen zustande kommen, dass Linke, FDP und Grüne zu gemeinsamen Positionen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land finden. Herr Todtenhausen, Sie sollten stilbildend sein. Ich freue mich auch über Herrn Ebbing, ebenfalls ein neues Mitglied in diesem Ausschuss – er ist nicht anwesend –, der einfach sagt: Ich finde dieses Thema so interessant; ich will eine Berichterstattung. Ich will mich damit vertieft auseinandersetzen. – Der Witz ist: Er tut es dann auch. Da überwinden wir Gräben. FDP und Linke können in diesem Ausschuss zusammenarbeiten. Warum sollten SPD und CDU/CSU diesem Beispiel nicht folgen? So könnten wir gemeinsam etwas in Bewegung bringen; das wäre eigentlich unser Anliegen. Dann könnten wir stolz auf den Ausschuss sein, in dem wir alle gerne zusammenarbeiten. ({5}) Jetzt Spaß beiseite! Es ist nötig, dass wir eine andere Form der Zusammenarbeit finden; denn dieser Ausschuss ist ein total wichtiges Mittel gegen den erstarkenden Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in diesem Land, ({6}) gegen eine Diskursverschiebung nach rechts, die wir alle seit Jahren erleben und von der wir wissen, dass sie stattfindet. Wir haben eine Antwort zu geben. Unser Petitionsausschuss ist ein potenzieller Mutmacher. Er will Menschen Mut machen, mitzumachen, aktiv zu sein, Gesellschaft zu gestalten. Er will Bürgerinnen und Bürger einbeziehen, sie schützen und sie stärken. Das ist eine Perle, mit der wir es hier zu tun haben. ({7}) Das Grundrecht in Artikel 17 des Grundgesetzes gilt für jeden, unabhängig von Geschlecht und Hautfarbe. Ob ich Geld habe oder nicht, spielt hier keine Rolle. Jeder, der für Gerechtigkeit in diesem Land kämpfen möchte, ist aufgefordert, das Recht in Artikel 17 wahrzunehmen. Damit sind Artikel 17 und der Petitionsausschuss an sich ein natürliches Mittel gegen Hass, Hetze und Ausgrenzung; das sollten wir uns deutlich machen. ({8}) Genau deshalb dürfen wir nicht zulassen, dass Spalter und Populisten das Petitionsrecht für sich instrumentalisieren ({9}) und letztendlich das Vertrauen in die Demokratie aufs Spiel setzen. Es geht hier also um etwas ganz Elementares. Wir reden nicht leichtfüßig über einen Jahresbericht; wir reden über etwas sehr Elementares. Wir haben Versuche erlebt, diese Instrumentalisierung durchzuziehen, und das hat zum Teil ja auch geklappt. Ich zitiere aus einem Artikel über den UN-Migrationspakt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Frau Rüffer, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Abgeordneten Hebner?

Corinna Rüffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004390, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein. – „All das begann im Frühjahr 2018 im Büro des AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Hebner“, heißt es in einem Artikel im Berliner „Tagesspiegel“ mit dem Titel „Wie gefährlich ist rechte Desinformation im Netz?“ vom 14. April 2019, den ich allen empfehle zu lesen, die es noch nicht getan haben. Herr Hebner ist heute hier. Er ist Mitglied des Petitionsausschusses. Aus seinem Büro heraus wurde diese Petition, diese Kampagne der AfD lanciert. Sie hat Zweifel gesät und Falschnachrichten gesendet; sie hat den gesamten Diskurs vergiftet. Am Ende des Artikels heißt es – das möchte ich gerne noch zitieren; ich komme zum Ende –: Und es geht keineswegs nur um bloße Worte, denn diese können schnell zu Waffen werden. Als Mitte März ein Mann im neuseeländischen Christchurch 50 Muslime erschießt, steht auf seiner Maschinenpistole: „Hier ist euer Migrationspakt“. Und jetzt wisset, womit wir es zu tun haben. Das hier ist kein Spaß. Wir müssen um unsere Demokratie kämpfen. Herzlichen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Henrichmann, einen kleinen Moment Geduld, bitte. – Zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Hebner das Wort.

Martin Hebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004740, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Rüffer, herzlichen Dank für die Erwähnung meines Namens. Ich finde es herzallerliebst, dass Sie mich in einen Kontext mit einem Attentäter in Neuseeland gesetzt haben. Ich finde das in dem Falle eine sehr interessante Kombination. Ich weiß nicht, ob Sie damit alle Regierungen, zum Beispiel von Österreich, von Italien und anderen Ländern, die sich gegen den Globalen Pakt für Migration ausgesprochen haben, auf die Liste der Attentäter in Neuseeland setzen. ({0}) Wenn Sie das tun, ist das eine sonderbare Auffassung von Demokratie. Man kann ja einen Pakt, der angeboten wird, der zur Diskussion steht, auch ablehnen. Oder sehen Sie es als Zwang an, dass ihn jeder annimmt, und verunglimpfen Sie jeden, der das nicht tut? Im Übrigen möchte ich auf eines hinweisen: Sie haben eine eigenartige Art und Weise von Demokratieverständnis. Sie sagen, von Ihnen würden alle Anträge, die in den Petitionsausschuss kommen, entsprechend geprüft; Sie motivieren auch dazu. Wie kann es dann sein, dass Sie Anträge, die nicht in Ihr Weltbild passen, zum Beispiel Anträge zum Globalen Pakt für Migration – dazu lagen 19 Anträge von vielen Personen vor –, pauschal einfach als Dreck bezeichnen? Wie kann es sein, dass Sie so pauschal mit Bürgern umgehen? Entspricht das Ihrem Verständnis von Demokratie? ({1}) Sie diskreditieren Bürger, Sie verunglimpfen und beschimpfen Leute und stellen alle, die nach Ihrer Meinung nichts sind, in die Reihe von Attentätern. Das ist geistige Brandstiftung, und das ist es, was unser Land massiv gefährdet. ({2}) Das kann so nicht weitergehen. Die Art und Weise Ihres Tons, Frau Rüffer, ist nicht akzeptabel. Herzlichen Dank. ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur Erwiderung.

Corinna Rüffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004390, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Hebner, ich habe überhaupt keine Lust, auf Sie einzugehen, ({0}) weil ich mich Wochen und Monate mit Ihnen beschäftigen musste. Das ist überhaupt nicht zielführend. Ich möchte hier alle noch einmal darauf hinweisen: Ich habe aus einem Artikel zitiert. Wenn Sie ihn nicht gelesen haben, sollten Sie das tun; denn in dem Artikel werden auch Sie zitiert und als geistiger Brandstifter entlarvt. Der Artikel ist am 14. April 2019 im Berliner „Tagesspiegel“ unter dem Titel „Wie gefährlich ist rechte Desinformation im Netz?“ erschienen. Ich rechne nicht damit, dass Sie irgendetwas daraus gelernt haben. Sie haben sich bis heute nicht entschuldigt für das Unheil, das Sie angerichtet haben. ({1}) Sie haben viele Menschen in der Verwaltung hier zutiefst in die Bredouille gebracht. Sie wissen ganz genau, was Sie getan haben. ({2}) Wenn Sie das bis heute nicht einsehen, dann haben Sie null Unrechtsbewusstsein und aus meiner Sicht in diesem Hohen Haus überhaupt nichts verloren. ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich bitte jetzt, die notwendige Aufmerksamkeit herzustellen, damit wir die Debatte zum Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses fortsetzen können. Dazu hat nun der Abgeordnete Marc Henrichmann für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. ({0})

Marc Henrichmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004744, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Besucher! Das gute Klima im Petitionsausschuss und das Miteinander, losgelöst von den parteipolitischen Unterschieden, ist hier schon diverse Male gelobt worden, und ich kann das auch nur unterstreichen. Was ich aber bemerke, ist, dass der ein oder andere dann, wenn Arbeit ansteht und die Kameras im Ausschusssaal aus sind, hier anders argumentiert als dort und hier mächtig aufdreht. Nachdem ich hier gerade vom Altparteienduktus, Sätze wie „Merkel muss weg!“ und so einen Senf gehört habe, frage ich mich schon, ob das die gleichen Menschen sind. Aber gut, das muss jeder für sich selbst beurteilen. Bürgerbeteiligung, Briefe, Mails, Anrufe, Bürgersprechstunden kennt jeder von uns aus den Wahlkreisen; das ist bekannt. Aber gerade jetzt, wo 70 Jahre Grundgesetz zu feiern sind, ist vielleicht der richtige Anlass, das Instrument der Petitionsmöglichkeit in den Fokus zu rücken. Artikel 17 Grundgesetz und dessen besondere Stellung machen deutlich, worum es hier geht: Es ist ein Jedermannsrecht. Unabhängig von Nationalität, Herkunft, Hautfarbe, Sprache kann jeder eine Petition stellen und sein Anliegen übermitteln, und er hat die Gewissheit, im Petitionsausschuss gehört zu werden. Jede Eingabe wird bearbeitet. Jeder bekommt ein Feedback. Die zuständigen Ministerien werden eingebunden. Ich glaube, das ist ein gutes Instrument, wirklich tiefgründig Probleme anzugehen. Ganz häufig erledigen sich Anfragen schon im Vorfeld, indem man nämlich auf Rechtsmittelmöglichkeiten hingewiesen wird. Aber selbst diejenigen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, häufiger Petitionen zu schreiben, deren Name dann schon bekannt sind – „Ach, der oder die schon wieder!“ –, werden mit ihrem Anliegen nicht alleingelassen. Wir werden unterstützt durch entsprechende Stellungnahmen aus den Fachministerien. Auch dafür möchte ich einmal herzlichen Dank sagen; das erleichtert nämlich die Arbeit ungemein. Auch zu erwähnen sind die Reisen, die Ortstermine, die „Mühe“ – in Anführungsstrichen –, die sich die Beteiligten auferlegen, um eine Lösung im Sinne der Petenten zu finden. Bei manchen Petitionen haben wir es auch mit intensiven Beratungen im Ausschuss zu tun – vieles ist angeklungen – oder auch mit Berichterstattergesprächen, wo Vertreter der einzelnen Fraktionen zusammensitzen und in der Regel zielgerichtet überlegen: Wie kann ich dem Petenten bzw. der Petentin mit seinem bzw. ihrem Anliegen helfen? ({0}) Das ist eben keine Parteipolitik. Das Finden von Lösungen steht im Mittelpunkt, und deswegen schließe ich mich ausdrücklich dem Dank an das Ausschusssekretariat, an die Mitarbeiter in den Büros, die sicherlich manchmal mehr Arbeit leisten als wir Abgeordnete – sie übernehmen nämlich die Vorbereitung der Petitionen –, aber auch an die Referenten in den Fraktionen an. Für all das sage ich Danke. Gemeinsam sorgen wir dafür, dass der Mensch im Mittelpunkt steht, und das sollte das Anliegen im Petitionsausschuss sein und bleiben. ({1}) Ein Beispiel, das der Vorsitzende erwähnte und das auch mir nicht aus dem Kopf geht, ist das Terminservice- und Versorgungsgesetz. Was haben wir im Vorfeld nicht alles gelesen! Die einen wollten für die Versorgung kämpfen. Die anderen haben befürchtet, das Gesundheitssystem breche zusammen, die Versorgung psychisch kranker Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, gehe vor die Hunde. Dann war es doch beeindruckend, zu sehen – Gesundheitsminister Jens Spahn war in der Anhörung selber anwesend –, dass nach intensiver Diskussion mit der Petentin diese zum Schluss sagte: Mensch, wir sind ja gar nicht so weit auseinander. – Ich glaube, wir sollten öfter innehalten und uns fragen: Übertreiben wir nicht in der Außendarstellung, auch in dem Hype, den wir bei manchen Themen erzeugen? Im Kern geht es doch allen Beteiligten immer um die Sache. Auch dem Minister war in diesem Fall daran gelegen, eine Lösung zu finden. 217 000 Mitzeichner hatte diese Petition. Ab 50 000 Mitzeichnern findet eine öffentliche Beratung statt. Es war schön, zu sehen, dass alle Petenten die Rückmeldung bekamen: Der Kampf hat sich gelohnt. – Der Kampfbegriff „gestufte und gesteuerte Versorgung“ war damit hinfällig. Man hat eine gute Lösung gefunden. Ich glaube, jetzt sind alle Beteiligten zumindest zufrieden oder aber überzeugt davon, dass man keine gegenseitigen Feindbilder erzeugen wollte. ({2}) Dieses Beispiel steht stellvertretend für viele andere heute schon genannten. Die Petitionen sind eben nicht für die Tonne, sie sind nicht umsonst, sondern sie werden gelesen und bearbeitet. Ich glaube, das ist ein wichtiges Signal. Aber wo Licht ist, da ist manchmal eben auch Schatten. Oder – ich will es anders formulieren –: Wenn ein Petitionsausschuss Möglichkeiten zur Beteiligung bietet, gibt es immer auch Trittbrettfahrer. Nicht alles, was wir da erleben, ist gut. Man muss auch einmal kritisch erwähnen, dass es Internetportale gibt, die eben keinen hehren Zweck im Blick haben, sondern manchmal auch parteipolitisch motivierte Positionierungen und Arbeit. Da muss man schauen: Welche Kampagne ist eventuell politisch gesteuert? Die Garantie, dass mein Anliegen wirklich gehört wird, dass ein Kommentar nicht unterdrückt wird, hat man beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages. Dieser arbeitet nach innen, im Zweifel mit der Bundesregierung, gemeinsam mit den Fraktionen und den Landesvertretungen. Daran kann man sehen: Das Original ist im Idealfall besser als die Kopien. Deswegen werbe ich ausdrücklich dafür, den Petitionsausschuss auch im Rahmen der heutigen Sitzung noch bekannter zu machen und die Möglichkeiten, die er bietet, stärker nach draußen zu tragen, als es jetzt der Fall ist. ({3}) Die Arbeit im Petitionsausschuss – ich bin auch neu dabei und gucke hier in die freudigen Gesichter meiner Fraktionskollegen; ein tolles Team – ({4}) macht viel Spaß und erinnert mich manchmal an die Wahlkreisarbeit. Hier in Berlin ist man – alle wissen das – fachpolitisch sehr eingebunden; aber im Wahlkreis kriegt man alle Themen auf das Tapet. Wenn man mal Leute, die sich beschweren oder beklagen, fragt – ich tue das häufig –: „Mensch, hast du deinen Abgeordneten im Bund, im Land, in Europa, in der Gemeinde, im Stadtrat mal angesprochen?“, antwortet selten einer: Habe ich schon gemacht, hat aber nichts gebracht. – Ich glaube, das ist es: Wir brauchen Politiker, die zuhören, aber wir brauchen auch Bürger, die sich beteiligen. Das findet im Petitionsausschuss statt. Alle haben den Anspruch, mit Respekt behandelt zu werden. Dass man sich gegenseitig zuhört, macht Demokratie aus; das ist wichtig. Da wir die Europawahlen vor der Brust haben, lassen Sie mich zum Schluss plädieren: Ich wünsche mir eine solche Beteiligung auch am 26. Mai – für Demokratie, für gegenseitigen Respekt. Dafür einzutreten, sich zu beteiligen, mitzumachen – das ist das Signal, das wir senden wollen. Die direkte Demokratie wurde angesprochen: Nie ist das einfacher gewesen als im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages. Vielen Dank. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Detlev Spangenberg für die AfD-Fraktion. ({0})

Detlev Spangenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004898, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben hier nun viel Lobenswertes gehört; da kann ich noch etwas Wasser in den Wein kippen. Den Petitionsausschuss würde ich als zahnlosen Tiger bezeichnen. Herr Todtenhausen hat es eben gesagt: Das höchste Votum wurde nicht ein einziges Mal umgesetzt. Meine Damen und Herren, Hoffnung auf direkte Demokratie oder Hilferufe danach kommen von den Petenten. Die Beschlüsse, die wir fassen, sollen ja als Empfehlungen an die Adressaten verstanden werden. Da sind Zweifel angebracht. Ich gehe auf das Beispiel der sogenannten kurzen Südabkurvung am Flughafen Leipzig/Halle ein. Diese Petition ist von 2007. Sie beschäftigt sich mit dem Planfeststellungsverfahren, in dem festgestellt wurde, dass der Schutz der Stadt Leipzig und des Leipziger Auwaldes vor Lärmbelästigung in einem verträglichen Maße gewährleistet sein soll; das Bundesverwaltungsgericht hat sich ähnlich ausgedrückt. Aufgrund dessen hat der Petitionsausschuss mehrfach getagt und dieses Petitum – Herr Todtenhausen sagte es eben – zur Berücksichtigung ausgesprochen. Das ist die schärfste Waffe, die wir haben. Wir haben damit der Regierung gesagt: Nun tut mal was für die Leute dort. Das ist der Großraum Leipzig; hier geht es um 60 000 bis 80 000 Betroffene. – Dort herrscht Chaos, meine Damen und Herren. Dort starten Maschinen mit hohem Startgewicht, was eine sehr große Lärmbelästigung bedeutet. Nun hat der Ausschuss am 29. Juni 2017 das Votum „zur Berücksichtigung“ ausgebracht. Im Juli 2017 hat der Bundestag auch noch beschlossen, dass das Votum so gelten soll – einstimmig, meine Damen und Herren. Darauf folgten wieder Berichterstattergespräche, Unterhaltungen, Konferenzen – alles Mögliche. Es passierte nichts. Am 20. November 2018 hatten wir wieder ein Gespräch mit Regierungsvertretern. Darauf folgte am 7. Dezember eine Erklärung – Dank dafür an unseren Vorsitzenden Marian Wendt –, in der er noch einmal deutlich machte, dass wir, der Petitionsausschuss, erwarten, dass das Anliegen der Petenten im Planfeststellungsverfahren berücksichtigt wird. Das haben Vertreter aller Fraktionen einstimmig beschlossen. Aber es passiert nichts. Deswegen der Begriff „Papiertiger“! Was hat es denn für einen Zweck, wenn die Bevölkerung in dem Glauben gelassen wird: „Wir können etwas ändern“, wenn die Regierung sich überhaupt nicht dafür interessiert und sich nicht an dem orientiert, was wir beschlossen haben? Wir geben das Votum „zur Berücksichtigung“ ab, und keiner tut etwas, meine Damen und Herren. ({0}) Das geht mittlerweile seit 2007 so. Ich fordere die Regierung hiermit auf, den Petitionsausschuss endlich ernst zu nehmen. Ich frage Sie: Warum beschließen wir etwas, wenn Sie unsere Beschlüsse nicht umsetzen? Die Abstufungen wurden schon genannt: Wir haben das höchste Votum ausgebracht. Ich fordere die Regierung auf, den Petitionsausschuss endlich ernst zu nehmen. Vielen Dank. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Siemtje Möller für die SPD-Fraktion. ({0})

Siemtje Möller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004826, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Das einzige Instrument direkter Beteiligung auf Bundesebene und damit eine der wichtigsten tagtäglichen Brücken zwischen Bürgerinnen und Bürgern und uns hier im Parlament ist der Petitionsausschuss; denn vor allen Dingen durch Petitionen erfahren wir von den aktiven Bürgerinnen und Bürgern von strukturellen Missständen, nicht vorhersehbaren Auswirkungen von Gesetzen und erhalten Vorschläge, wo etwas eventuell besser geregelt werden könnte oder müsste. Kurzum: Durch Petitionen erfahren wir ganz unmittelbar, wo es hakt und wo wir als Parlament tätig werden müssten oder könnten. Ein Beispiel für diese praktische Rückbindung, das mir sehr am Herzen liegt und wo wir uns sehr aktiv eingebracht haben, möchte ich hier kurz umreißen. Im Entwurf für das Terminservice- und Versorgungsgesetz war ursprünglich die Einführung einer gestuften Versorgung in der Psychotherapie vorgesehen. Es hagelte massive Kritik von den Psychotherapeutinnen und ‑therapeuten, die sagten, dieser Vorschlag würde für die Betroffenen eine unnötige Hürde auf dem Weg zu einem Therapieplatz bedeuten. Über 217 000 Menschen unterstützten eine Petition, die die Streichung dieser Regelung aus dem Gesetzentwurf forderte. Mitte Januar hat der Petitionsausschuss gemeinsam mit Gesundheitsminister Spahn die Petition in einer öffentlichen Anhörung beraten. Danach wurde die Regelung zur Freude der Petentinnen und Petenten, der Betroffenen, im weiteren Gesetzgebungsverfahren schließlich aus dem Gesetzentwurf gestrichen und das Gesetz ohne diese Regelung verabschiedet. – Für mich ist das ein wirklich gutes Beispiel dafür, wie die konstruktive Kritik aus einer Petition, gekoppelt mit konstruktiven Vorschlägen und guten Sachargumenten, in die Arbeit des Parlaments einfließt und dort Berücksichtigung findet. ({0}) Eine Sache möchte ich an diesem Punkt klarstellen; denn oft gibt es hier ein gravierendes Missverständnis: Das Quorum für die öffentliche Anhörung einer Petition, so wie es in dem von mir beschriebenen Beispiel der Fall war, liegt bei 50 000 Unterschriften. Das Quorum dafür, dass wir Ihre Petition ernsthaft und mit allem Elan behandeln, liegt bei einer einzigen, nämlich bei der Unterschrift des Petenten oder der Petentin. Die Arbeit im Petitionsausschuss ist, wie von vielen Kolleginnen und Kollegen beschrieben, in der Regel konstruktiv, ist aber leider von rechts außen unter Beschuss geraten. Die gelebte Praxis der AfD, den Parlamentsbetrieb zu stören und öffentlich zu diskreditieren, wo es nur geht, dürfen wir auch regelmäßig bei uns im Ausschuss erleben – angefangen von langatmigen Debattenbeiträgen, die an der jeweiligen Sachlage vorbeigehen und damit zeitraubend sind, wo unsere Sitzungszeit schon so knapp bemessen ist, über das öffentliche Instrumentalisieren von Petitionen für die eigene menschenfeindliche Propaganda bis hin dazu, dass AfD-Abgeordnete die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschussdienstes unter Druck gesetzt haben, als es wegen einer Überlastung der Internetplattform des Petitionsausschusses zu einem unerwarteten Ausfall kam. Ich vermute, es hätte Sie weit weniger interessiert, wenn es dabei nicht um den Globalen Pakt für Migration gegangen wäre, gegen den Sie eine intensive Social-Media-Kampagne geführt haben. An dieser Stelle möchte ich kurz einschieben: Die von mir anfangs erwähnte Petition zur psychotherapeutischen Versorgung wurde von über 100 000 Menschen mehr unterstützt als jene, die durch die AfD so hochstilisiert wurde. – Das nur einmal, um die Relationen aufzuzeigen. ({1}) Für mich ist es bezeichnend, dass gerade die, die meinen, den wahren Willen des Volkes im Parlament zu vertreten, versuchen, die Arbeit des Parlamentes und des Petitionsausschusses zu kapern und zu behindern. Seien Sie sicher: Das werden wir Ihnen auch in Zukunft nicht durchgehen lassen! ({2}) Zum Abschluss möchte ich mich bedanken: Danke allen anderen Kolleginnen und Kollegen, die jederzeit um eine gute, lösungsorientierte Zusammenarbeit bemüht waren. Ebenfalls ein herzliches Dankeschön an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auch unter erschwerten Bedingungen ihre wichtige Arbeit geleistet haben. Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit. Vielen Dank. ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Kerstin Kassner für die Fraktion Die Linke. ({0})

Kerstin Kassner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004324, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger hier im Saal und am Fernseher zu Hause! Das ist auch eine Informationsveranstaltung für Sie. Wir sollten hier im Parlament viel öfter über die Möglichkeiten des Petitionswesens sprechen. ({0}) Das tun wir nämlich viel zu selten, nur einmal im Jahr. Einfach unglaublich, ist doch dieses Recht ein ganz entscheidender Bestandteil des demokratischen Systems in unserer Republik! Gerade angesichts der drohenden Rechtsruckbewegung ist es umso wichtiger, dass wir diese Rechte hochhalten. Das Petitionswesen ist die Möglichkeit für die Bürgerinnen und Bürger, sich direkt in das Geschehen im Parlament einzubringen. Andersherum ist es auch für uns Abgeordnete eine Möglichkeit, das aufzunehmen, was den Bürgern auf der Seele brennt. Wir haben die Möglichkeit, dazuzulernen durch die Erfahrungen, die die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land machen, und dies in unsere Arbeit im Parlament, in den Ausschüssen, mit den Ministerien aufzunehmen. Das sollten wir auch unbedingt tun. ({1}) Leider muss ich trotzdem etwas Kritisches bemerken: Diese direkte Beeinflussung des Geschehens findet leider viel zu selten statt. Wir haben festgestellt, dass im Jahre 2018 nur 0,7 Prozent der parlamentarisch bearbeiteten Petitionen tatsächlich dazu geführt hat, dass sich an dem Gesetzgebungsverfahren etwas verändert. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist einfach zu wenig. ({2}) Wir sollten uns nicht scheuen, die Argumente der Bürgerinnen und Bürger aufzunehmen. Es ist immer etwas Wahres daran. Vor dem Hintergrund, dass wir Mitglieder des Petitionsausschusses uns oft als Anwälte der Bürgerinnen und Bürger bezeichnen, bin ich – das muss ich sagen – sehr enttäuscht, wenn die Kollegen, die die Große Koalition stützen, sich immer wieder vor diese Koalition stellen und sich zu ihrem Verteidiger machen. Das ist nicht Ihre Funktion. Sie müssen helfen, dass die Regierung erreicht, was uns die Bürger ins Stammbuch geschrieben haben. ({3}) Deshalb ganz deutlich: Wir sollten auch Petitionen, die nicht sofort zu einer Änderung des Gesetzes führen oder schon im Koalitionsausschuss auf der Agenda stehen, an die Regierung überweisen, weil sie damit zum Verändern bestimmter Positionen angeregt wird. Das kann doch nur gut sein für das parlamentarische Verfahren. ({4}) Abschließend noch ein Punkt. Wir würden gerne mehr aus dieser Arbeit herausholen. Wir haben dazu verschiedene Vorschläge gemacht: mehr Öffentlichkeit, ein anderes Abstimmungsverhalten, mehr direkte Arbeit mit der Regierung und die Teilnahme von Regierungsmitgliedern an Ausschusssitzungen. Das wünschen wir uns. Machen Sie mit, damit wir diese Arbeit verbessern.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollegin Kassner, auch Sie müssen jetzt bitte zum Schluss kommen.

Kerstin Kassner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004324, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja. – Ich möchte mich auch sehr herzlich beim Ausschusssekretariat und bei all en Mitarbeitern für die fleißige Arbeit bedanken. Vielen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Bernhard Loos das Wort. ({0})

Bernhard Loos (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004806, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuhörer auf den Zuschauerrängen! Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben. Dieses Zitat von Hermann Hesse möchte ich meiner Rede voranstellen. Es beschreibt zum einen sehr gut, was ich als frisch gewählter Bundestagsabgeordneter und Neuling im Petitionsausschuss empfunden habe, und zum anderen, was die Kernaufgabe des Petitionsausschusses ist. Der Petitionsausschuss soll den Bürger vor der Macht des Staates schützen, wenn diese Macht falsch und ungerecht ausgeübt wird. Er soll Hilfestellung geben zur Bewältigung von Problemen in unserem Land. Diese besondere Aufgabenstellung kommt auch in der herausgehobenen verfassungsmäßigen Verankerung des Ausschusses zum Ausdruck. Im Jahr 2018 war ich hochmotiviert, weil es für mich nun konkret mit der inhaltlichen Arbeit im Deutschen Bundestag losgehen würde. Der zu Beginn zitierte Anfangszauber wich sehr schnell der Erkenntnis, dass es vor allem der Zauber der vielen Arbeit ist, welcher alle Mitglieder im Petitionsausschuss verbindet. Bei dieser Gelegenheit möchte ich natürlich, wie alle meine Vorredner, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ausschussdienst für die hervorragende und vor allem enorm umfangreiche Vorbereitungsarbeit danken. Sie leisten eine entscheidende inhaltliche Zulieferung, ohne die wir die Fülle der Petitionen nicht bearbeiten könnten. Bevor ich als Berichterstatter zu Einzelfällen aus meinen Bereichen Wirtschaft, Steuern sowie Bildung und Forschung komme, möchte ich einen Aspekt beleuchten, der aus meiner Sicht mit am erfolgreichsten und wichtigsten für die Hilfesuchenden ist, der aber am wenigsten in der Öffentlichkeit sichtbar wird. Sehr viele Anliegen können bereits rasch und effizient im Vorfeld des parlamentarischen Verfahrens positiv abgeschlossen werden; denn oft bewirken bereits allein die Stellungnahmeersuchen des Petitionsausschusses bei den angesprochenen staatlichen Stellen eine nochmalige, gründlichere Abwägung des Vorgangs und eine neue Entscheidung. Viele dieser Vorgänge, bei denen die um Stellungnahme gebetenen Behörden die Gelegenheit nutzten, ihre Fehler einzuräumen und umgehend Änderungen im Sinne des Petenten vorzunehmen, sind Erfolge, die auf der bloßen Existenz des Petitionsausschusses und auf der von meinen vielen Vorgängerinnen und Vorgängern erarbeiteten Reputation des Petitionsausschusses beruhen. Auch wenn wir jetzt einzelne Prozentzahlen betrachten, ist es nicht so, dass wir wenig erreichen. Wir erreichen schon sehr viel im Vorfeld. Das darf man bei der Aufzählung dessen, was wir tun, nicht vergessen. ({0}) Nun zu meinem ganz persönlichen Beitrag. Der Petitionsausschuss kommt zu den Menschen vor Ort. Wir wollen also nicht nur die Bürgerinnen und Bürger auffordern, zu uns zu kommen, sondern wir kommen auch zu ihnen – und das nicht nur durch unsere tägliche Arbeit. Ich selbst stand zum Beispiel den Bürgerinnen und Bürgern auf dem Stand des Petitionsausschusses bei der Münchner Heim+Handwerk zur Rede, sah dort eine rege Nachfrage und habe viele interessante Gespräche geführt. Auch im Rahmen des Tages der Ein- und Ausblicke im Deutschen Bundestag, also hier vor Ort, wo ich unseren Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble begrüßen konnte, war großes Interesse vorhanden. Ich möchte ein kleines Beispiel herausgreifen. Als Berichterstatter betreue ich unter anderem eine Petition mit 23 000 Mitzeichnern im Bereich Forschung zum Thema „gezielter Einsatz von Forschungsgeldern für klinische Studien zum Einsatz von Methadon in der Krebstherapie“. Die öffentliche Beratung war am 5. November 2018. Eine Beschlussfassung im Ausschuss steht noch aus. Daher möchte ich wiederholen, was ich in der öffentlichen Beratung bereits angemahnt habe: Wir müssen sehr sensibel mit dem Thema „Krebsbehandlung und Krebsheilung“ umgehen und dürfen keine falsche und vorschnelle Erfolgsmeldung über Wundermittel entstehen lassen. Das gilt im Endeffekt für alle Themen. Es ist mir daher wichtig, zu betonen, dass wir im Petitionsausschuss nicht der Versuchung erliegen dürfen, über die Frage zu beraten, ob eine bestimmte Therapie Wirkungen und Erfolge bei der Heilung möglich macht. Wir sollten allein über die grundsätzliche Frage beraten, ob und wie wir wissenschaftliche Forschung und klinische Studien in Deutschland zur Erforschung von Heilung und Therapie durchführen und ob wir dies mit staatlichen Mitteln erreichen und unterstützen. In meinem inhaltlichen Bereich waren vor allem folgende Themen auffällig wiederkehrend: Verbesserungswünsche im Rahmen der Elektromobilität, angefangen bei der Ladeinfrastruktur in den Autogaragen – Stichwort „Eigentümerwohngemeinschaft“ –, über ausreichende öffentliche Ladestellen und einheitliche Steckertypen bis hin zur Frage der Bepreisung des abzugebenden Stroms. Die Vielzahl der Petitionen zeigt mir, dass hier noch ein großer Handlungsbedarf, aber auch eine große Perspektive für die Zukunft liegt. Der Petitionsausschuss ist oft Seismograf der Entwicklung, doch leider auch der entsprechenden Kinderschuhprobleme. Ein Anstieg der Eingaben betreffend die Bundesnetzagentur ist mit Problemen bei der Breitbandgeschwindigkeit zu erklären. Über 33 Petitionen beschäftigten sich mit der Deutschen Post AG und den Fragen der Qualität der Zustellung, aber auch der Portopreise. Nicht immer war die Zustellfrage zufriedenstellend zu beantworten. Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas Grundsätzliches, sehr Selbstkritisches zur Arbeit im Ausschuss sagen: Der Petitionsausschuss ist kein Gesetzgebungsausschuss. Wir sind auch kein Superrevisionsausschuss und erst recht kein Gremium, in dem die großen politischen Schlachten permanent aufs Neue geschlagen werden müssen. Deshalb ist es schade, dass gerade hier im Plenum heute vielleicht der falsche Eindruck entstanden ist, dass wir im Ausschuss ganz große Streitthemen haben. Natürlich haben wir entsprechend unserer politischen Richtung auch unterschiedliche Meinungen; aber wir arbeiten konstruktiv, effizient und, wie ich denke, auch gut zusammen. ({1}) Wir sind ein wichtiger Ausschuss für Hilfesuchende, ein Anwalt für die Menschen, und darin liegt unsere Stärke,

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Loos, achten Sie bitte auf die Zeit.

Bernhard Loos (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004806, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

und dafür zollen uns die Bürgerinnen und Bürger Anerkennung. Danke für die Aufmerksamkeit. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Stefan Schwartze für die SPD-Fraktion. ({0})

Stefan Schwartze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004150, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Petentinnen und Petenten! Vorab mein Dank an die Mitarbeiter des Ausschussdienstes und an die Mitarbeiter in unseren Abgeordnetenbüros und in den Referentenbüros der Fraktionen: Ohne Ihren Einsatz wäre vieles für die Menschen nicht zu erreichen. Das höchste Votum in unserem Ausschuss lautet übrigens: Abschluss, weil dem Anliegen entsprochen worden ist. – Dieses höchste Votum gab es im Jahr 2018  1 209‑mal. ({0}) Ich finde, das ist eine große Leistung. Am 24. Juni findet die nächste öffentliche Beratung des Petitionsausschusses statt. Minister Spahn hat seine Teilnahme zum Thema Pflege bereits zugesagt. Ich lade herzlich den Minister Seehofer zum Beihilferecht und den Minister Scheuer zum Tempolimit ein. ({1}) Stellen Sie sich der Debatte. Ich finde, das sollte sich kein Minister entgehen lassen. Genauso würde ich mich freuen, wenn wir im September bei den Themen „Bienenschutz“ und „Klimaschutz“ die Ministerin Schulze begrüßen könnten. ({2}) Wir hatten in der letzten Wahlperiode eine sehr gute Anhörung zur Reform des Petitionsrechts. Ich stelle fest: Wir arbeiten solide, wir arbeiten bürgerorientiert. Es gibt aber Verbesserungsbedarf: Wir müssen schneller werden. Wir müssen transparenter werden. Bei jeder Bestellung im Internet kann man den Status verfolgen. Das muss bei Petitionen doch auch möglich sein. Wir müssen verständlich mit den Menschen kommunizieren. Was nützt der größte Erfolg, wenn die Entscheidung so mitgeteilt wird, dass sie keiner versteht. ({3}) Wir müssen öfter und besser über unsere Arbeit sprechen und für sie werben. Eine zusätzliche Debatte zur Halbzeit eines Jahres über aktuelle Themen wäre da schon einmal ein echter Fortschritt. Wie man Petitionen ins Plenum holen kann, hat der letzte Freitag gezeigt. Da wurden rentenpolitische Themen mit den dazugehörigen Petitionen verbunden. Mein Dank geht an die Redner der SPD, Daniela Kolbe und Ralf Kapschack, die das als einzige in der Debatte getan haben. ({4}) Wir sollten aber auch über einen grundsätzlichen Punkt nachdenken. Es steht diesem Haus gut an, über die Position eines Bürgerbeauftragten zu beraten. Ist das eine Möglichkeit, den Anliegen der Menschen mehr Kraft zu verleihen? Stärkt ein solches Amt die öffentliche Wahrnehmung? Stärkt es die Durchsetzungskraft der Petitionen? Ich glaube, gerade in den Konflikten des Einzelnen mit Behörden und Institutionen kann ein solches Amt sehr hilfreich sein. Das sollten wir hier in aller Breite und Ausführlichkeit miteinander beraten. ({5}) Neu ist, dass das Petitionsrecht jetzt Eingang in die Krimiliteratur gefunden hat. Ich möchte kurz zitieren: Nachdem sie mit der Klage gescheitert waren, hatten sie hin und her überlegt, was sie sonst noch unternehmen könnten: an den Petitionsausschuss des Bundestages schreiben, bis vor den Europäischen Gerichtshof gehen, eine Kampagne … auslösen … Ich verrate nur noch, dass es für unsere Krimihelden deutlich besser gewesen wäre, sie hätten eine Eingabe an den Petitionsausschuss des Bundestages gemacht. ({6}) Wer mehr dazu wissen möchte, der lese bitte das Buch „Die Schattenbucht“ von Eric Berg. Manche Petition könnte als Literaturvorlage dienen: als Krimi, als Drama, als Roman mit Happy End. Die Helden sind dabei die Menschen, die sich an uns wenden. Wir Abgeordnete sind dabei die Helfer. Niemals sollten wir Abgeordnete zu Hauptdarstellern und Autoren der Petitionen werden. ({7}) Das Petitionsrecht ist das Recht der Menschen. Es ist ihre Möglichkeit, Einfluss zu nehmen und ihre Probleme hier im Bundestag auf die Tagesordnung zu setzen. ({8}) Werden Abgeordnete und eine Fraktion hier zu Akteuren auf der Onlineplattform des Ausschusses, so missbrauchen und zerstören sie das Petitionsrecht, das im Grundgesetz verankert ist. ({9}) Genau das haben Sie von der AfD getan, als Sie Mitarbeiter aus einem Abgeordnetenbüro zu Autoren und Akteuren von Petitionen gemacht haben. ({10}) Nehmen Sie das Recht der Menschen ernst! Machen Sie das Petitionsrecht nicht zum Instrument von Parteitaktik und Kampagnen! ({11}) Es ist ein Bürgerrecht, ein Recht für Bürgeranliegen, und daraus erwächst die Kraft von Petitionen. Hören Sie auf, die Axt an das Petitionsrecht und damit an unser Grundgesetz zu legen. Vielen Dank. ({12})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 16. Mai 2019, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen alles Gute. (Schluss: 18.37 Uhr)