Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 1/31/2018

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Das Kabinett hat heute den Jahreswirtschaftsbericht 2018 verabschiedet. Sein Titel lautet: „Wirtschaftlich gestärkt in die Zukunft“. Ich habe hier das Vorabexemplar. Wir lassen ihn jetzt drucken, nachdem er im Kabinett verabschiedet und heute Morgen auch schon im Wirtschaftsausschuss diskutiert wurde. Dann können Sie alle ihn gerne haben, sofern Sie ihn sich nicht von unserer Website herunterladen. Die Aussichten der deutschen Wirtschaft sind gut; das macht der Titel schon deutlich. Im Jahr 2017 ist das Bruttoinlandsprodukt um 2,2 Prozent gewachsen. Es ist damit das achte Jahr in Folge, dass das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland wächst. Wir gehen davon aus, dass sich der Aufschwung auch in diesem Jahr weiter fortsetzen wird. Wir rechnen für das Jahr 2018 mit einem Wachstum von 2,4 Prozent. Die Konjunktur, meine Damen und Herren, hat im vergangenen Jahr nicht nur an Schwung nach oben, sondern auch an Ausdehnung in der Breite gewonnen. Mit der anziehenden Weltkonjunktur, die bei etwa 4 Prozent liegt, ziehen die Exporte insgesamt kräftig an. Dadurch, dass unsere deutschen Unternehmen mehr produzieren und mehr verkaufen, müssen sie hier in Deutschland auch mehr investieren. Das ist ein gutes Zeichen. Auch in Deutschland sind die Investitionen der Unternehmen deutlich gestiegen. Gleichzeitig haben die gute Entwicklung am Arbeitsmarkt und die gute Lohnentwicklung für eine solide Konsumnachfrage gesorgt. Die verfügbaren Einkommen sind um etwa 3,6 Prozent gestiegen, die Bruttolöhne und -gehälter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ebenfalls. Die Beschäftigung in Deutschland wird im Durchschnitt dieses Jahres auf ein neues Rekordniveau von 44,8 Millionen Personen steigen; das ist ein Anstieg um knapp eine halbe Million. Gleichzeitig wird die Arbeitslosigkeit weiter sinken. Trotz der zahlreichen zu integrierenden Flüchtlinge ist mit einem Rückgang um knapp 150 000 Personen zu rechnen. Wir gehen davon aus, dass die Arbeitslosenquote dementsprechend weiter sinken wird, auf 5,3 Prozent. Wegen der starken Binnennachfrage, die sich ja stabilisiert hat, werden sich auch die Importe dynamisch weiterentwickeln. Der Wachstumsbeitrag des Außenhandels bleibt vergleichsweise gering. Wir gehen jedoch davon aus, dass sich der deutsche Leistungsbilanzüberschuss insgesamt leicht absenken wird, und zwar auf 7,8 Prozent. Ich möchte, weil ich vorhin schon danach gefragt wurde, gerne darauf hinweisen, dass der Leistungsbilanzüberschuss beim Handel innerhalb der Europäischen Union bei nur 2 Prozent liegt. Hier hat sich die in den letzten Jahren erfolgte Angleichung deutlich fortgesetzt. All diese Entwicklungen sind natürlich nur möglich, wenn es entsprechende politische Rahmenbedingungen gibt, und deswegen möchte ich gerne ein paar dieser Rahmenbedingungen nennen. Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode die Möglichkeiten der Teilhabe am Arbeitsmarkt und der sozialen Sicherheit deutlich gestärkt. Ich nenne hier stichwortartig das Elterngeld Plus, den Ausbau der Kindertagesbetreuung, die Flexirente, die Angleichung der Berechnungsgrundlagen von Renten in Ost und West und die bessere Absicherung erwerbsgeminderter Menschen. Daneben haben wir Impulse für öffentliche Investitionen gesetzt. Wir haben die Ausgaben für Investitionen im Bundeshaushalt um 45 Prozent auf rund 36 Milliarden Euro erhöht. Außerdem haben wir den Kommunen mehr Geld gegeben. Der Kommunalinvestitionsförderfonds wurde jetzt vonseiten des Bundes mit 7 Milliarden Euro ausgestattet. Das ermöglicht es auch den ärmeren Kommunen, in Schulen und Bildung zu investieren. Die Rahmenbedingungen für die privaten Investitionen, die ungefähr 90 Prozent der Gesamtinvestitionen ausmachen, sind weiter verbessert worden; Stichwort: Start-up-Gründungen. Das INVEST Wagniskapital haben wir aufgestockt, und den High-Tech Gründerfonds gibt es jetzt schon in seiner dritten Fassung. In diesem Gründerfonds führen wir private und öffentliche Gelder zusammen, die wir Start-ups zur Verfügung stellen. Selbstverständlich ist der Abbau von Bürokratie eine Daueraufgabe für die Bundesregierung. In der letzten Legislaturperiode haben wir die One-in-one-out-Regel eingeführt; das heißt, wenn man eine bürokratieintensive Maßnahme einführen will, dann muss man eine andere dafür streichen. Darüber hinaus haben wir mit dem Zweiten Bürokratieentlastungsgesetz deutliche Fortschritte erzielt. Gleichzeitig ist es möglich gewesen, die Steuerlast der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zu senken, und zwar um insgesamt 11 Milliarden Euro. Das ist gelungen, indem wir die Stufen bei der Steuerprogression ein wenig abgeflacht und auf diese Art und Weise für mehr Gerechtigkeit gesorgt haben. Außerdem ist es gelungen, den öffentlichen Schuldenstand weiter zu reduzieren. Wir rechnen jetzt damit, dass der Schuldenstand in Deutschland bereits nächstes Jahr unter die Maastricht-Grenze in Höhe von 60 Prozent des BIP fallen wird. Sie sehen also, die Überschrift unseres Jahreswirtschaftsberichts ist berechtigt. Deutschland ist in der Tat in guter Verfassung.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herzlichen Dank. – Die erste Frage stellt die Abgeordnete Kerstin Andreae.

Kerstin Andreae (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003493, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank für den Bericht. – Ich habe eine Frage an Sie, Frau Ministerin, im Hinblick auf die Rolle des Klimaschutzes und der Umweltpolitik im Rahmen Ihrer Tätigkeit als Wirtschaftsministerin. Sie werden aus der Industrie heraus ja vermehrt dazu aufgefordert, Klimaschutz als bedeutende Chance zu sehen. Sie werden zum Beispiel vom VW-Chef Müller aufgefordert, die Dieselsubventionen abzubauen. Die Industrie scheint hier also deutlich weiter zu sein als die Bundesregierung, weil sich die Bundesregierung ihrerseits vom Klimaziel 2020 verabschiedet, was wir für ein fatales Signal halten. Ich möchte von Ihnen wissen, inwieweit Sie als Ministerin für eine ökologische Industrie- und Wirtschaftspolitik stehen, die auch international eine Vorreiterrolle übernehmen kann und sich eben nicht von den entsprechenden Zielen verabschiedet, sondern versucht, diese mit aller Kraft zu erreichen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Frau Ministerin.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Frau Andreae, ich glaube, es kann kein Zweifel daran bestehen, dass wir im Wirtschaftsministerium, aber auch in der Bundesregierung insgesamt großes Interesse daran haben, die Klimaschutzziele zu erreichen und auch sonst alles zu tun, um die Umwelt zu – befördern? Wie sagt man? ({0}) – Zu schützen; danke schön, sehr freundlich. Ich denke, es war eine gute Entscheidung, dass die Bundesregierung die Ressorts Wirtschaft und Energie zusammengelegt hat, weil wir auf diese Art und Weise erhebliche Synergieeffekte erzielen und positive Schritte vorangehen konnten. Gerade das Thema Energieeffizienz haben wir stark nach vorne gestellt, weil unser Credo ja ist: Die beste Energie ist diejenige, die erst gar nicht verbraucht wird. Deswegen haben wir gerade in diesem Bereich sehr viele Aktivitäten unternommen. Die Frage, wie es in der Zukunft weitergeht, wird eine künftige Bundesregierung beantworten müssen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt der Kollege Gremmels.

Timon Gremmels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004732, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin Zypries, vielen Dank für diesen sehr positiven Bericht. – Ich habe noch eine Nachfrage in Bezug auf private Investitionen. Sie haben einen Anteil von 90 Prozent an den Gesamtinvestitionen. Diese Entwicklung hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert; das geht ja auch aus Ihrem Bericht hervor. Ich möchte Sie fragen, was die Bundesregierung tut oder was wir tun können, um die Dynamik im Bereich der Gründungen neben den von Ihnen angesprochenen Gründerfonds weiter zu erhöhen.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Ich glaube, dass die Gründerfonds, an denen der Bund beteiligt ist, mit denen aber auch privates Kapital akquiriert wird, das eine sind. Das andere ist: Wir müssen weiter darauf dringen, dass sich auch Private stärker engagieren. Wir haben die gute Situation, dass inzwischen viele Unternehmen in Sachen Gründungen unterwegs sind. Aber ich glaube auch, dass es wünschenswert wäre, dass sich viele gutverdienende Deutsche in diesem Bereich stärker engagieren. Wir haben da immer die Amerikaner als Vorbild, wo es eine andere Kultur des Gründens und der Finanzierung von Gründungen gibt. Ich denke, dafür müssen wir stärker Werbung machen, sodass auch Einzelpersonen Verantwortung spüren und sie übernehmen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Chrupalla.

Tino Chrupalla (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004695, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Ministerin, laut Jahresgutachten werden seit 2009 immer weniger junge Menschen, gerade in traditionellen Handwerksberufen, ausgebildet. Stattdessen ist eine deutliche Akademisierung festzustellen. Die Zahl der Akademiker ist zwischen 2007 und 2015 von 37 Prozent auf 58 Prozent gestiegen. In dem Bericht ist wiederholt davon die Rede, dass sich Ausbildungsberufe in Industrie und Handwerk stark gewandelt hätten. Nun zu meiner Frage: Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um traditionelle Handwerksberufe, die stets das Rückgrat der deutschen Wirtschaft waren, vor dem Aussterben zu bewahren, und welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um junge Deutsche wieder für traditionelle Handwerksberufe zu gewinnen?

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Herr Abgeordneter, das ist nicht sonderlich schwierig. Das Aussterben von Handwerksberufen fürchten wir, ehrlich gesagt, nicht. Wir haben schon eine rege Nachfrage, gerade nach so traditionellen Handwerken wie Schreiner oder Ähnlichem. Da gibt es schon fast zu wenig Ausbildungsplätze. Trotzdem ist es grosso modo richtig: Wir wollen die Ausbildung stärken, sowohl was das Handwerk als auch was die Industrieausbildung anbelangt. Es geht generell darum, die duale Berufsausbildung stärker zu machen. Dafür haben wir gemeinsam mit den Industrie- und Handelskammern Kampagnen diskutiert, die wir auflegen wollen, und gezielte Werbeprogramme, mit denen wir an die Schulen herantreten wollen. Wir haben 100 Vorbildunternehmerinnen, die in Schulen gehen und dort erzählen, wie wichtig es ist, tatsächlich mit den Händen zu arbeiten. Wir haben auch andere Überlegungen angestellt. Ich bin sehr froh, sagen zu können, dass der Bundespräsident und seine Frau die duale Berufsausbildung sehr stark unterstützen und beispielsweise bei Meisterfeiern Reden halten, um deutlich zu machen, dass eine hohe Wertschätzung seitens der Politik gegenüber den Jugendlichen besteht, die eine Ausbildung machen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt der Kollege Alexander Ulrich.

Alexander Ulrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003858, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Ministerin, Sie waren heute Morgen schon bei uns im Wirtschaftsausschuss. Da haben Sie die Frage nach den riesigen Außenhandelsüberschüssen und dem blauen Brief der Kommission, den wir jedes Jahr erhalten, ein bisschen heruntergespielt und erklärt, das sei alles nicht so schlimm. Können Sie noch einmal die Frage beantworten, warum uns dann die Kommission jedes Jahr diesen blauen Brief schreibt, in dem steht, dass die Außenhandelsüberschüsse in Deutschland viel zu hoch seien und abgebaut werden müssten? Da reicht auch die Antwort nicht, dass die Bilanz innerhalb der EU besser geworden ist, sondern wir liegen seit Jahren deutlich über der 6-Prozent-Marke. Unsere Außenhandelsüberschüsse bedeuten nun einmal die Verschuldung von anderen Ländern. Deshalb ist meine Bitte, dass Sie entweder noch einmal die Kommission für ihre Vorgehensweise kritisieren oder sagen, was die Bundesregierung zu tun gedenkt, um diese Außenhandelsüberschüsse abzubauen. Das heißt, es müsste mehr in Deutschland investiert werden. Wir bräuchten auch eine bessere Einkommenssituation. Der prekäre Arbeitsmarkt müsste anders gestaltet werden. Gibt es da Ideen der Bundesregierung, auf diese blauen Briefe aus Brüssel zu reagieren?

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Herr Abgeordneter, ich habe eben schon in meinem Bericht gesagt, dass es zwar richtig ist, dass wir insgesamt einen Leistungsbilanzüberschuss haben, der bei gut 7 Prozent liegt, dass wir aber innerhalb der Europäischen Union nur noch bei gut 2 Prozent sind. Unser Leistungsbilanzüberschuss geht seit vier Jahren kontinuierlich zurück, und wir prognostizieren in diesem Jahreswirtschaftsbericht einen weiteren Rückgang. Das heißt mit anderen Worten: Die Kommission nimmt zur Kenntnis, dass Deutschland sich anstrengt und dass wir etwas dafür tun. – Das ist das eine. Das andere ist, dass das natürlich nicht nur unsere Sache ist. Denn teilweise sind die Bedingungen dafür, dass es so einen Leistungsbilanzüberschuss gibt, auch objektiver Natur – ich habe das heute Morgen im Ausschuss schon gesagt –: Das sind beispielsweise der Ölpreis, die demografische Entwicklung und anderes, was man nicht unmittelbar steuern kann. Deswegen ist es eben wichtig, dass man sieht, dass auch andere Länder wachsen und ihrerseits mit ihrem Wachsen den Abstand zu uns verringern. Denn auch das ist etwas, das eintritt: Die Konjunktur in Spanien, Frankreich und anderen Ländern hat sich deutlich belebt, und das merken wir natürlich auch bei der Entwicklung des Leistungsbilanzüberschusses in Deutschland.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt die Abgeordnete Katharina Dröge.

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Zypries, ich habe mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass Sie gesagt haben, die Bundesregierung habe großes Interesse daran, die Klimaziele zu erreichen. Meine Frage an Sie ist, wie sich dieses Interesse in Ihrem Ministerium in den letzten Jahren in konkretes Handeln umgesetzt hat. Denn bei den Themen Strommarktdesign oder Kohleausstieg konnte ich nicht wirklich viel Handeln erkennen. Vielleicht können Sie noch einmal erklären, wie dieses Interesse umgesetzt wird oder ob Sie vielleicht irgendetwas anderes vorhaben, um das in Zukunft zu tun. Und wenn wir gerade beim Thema Handeln sind: Sie haben eben über das Thema Leistungsbilanzüberschüsse referiert und sinngemäß gesagt, es sei nicht in Ihrer Macht, dass der Leistungsbilanzüberschuss sinkt. Auch da will ich noch einmal den Blick auf Ihr unterlassenes Handeln richten. Denn beispielsweise bei den öffentlichen Investitionen haben wir einen riesigen Investitionsstau gerade mit Blick auf die Kommunen. Da wären Sie durchaus in der Lage, zu handeln und auch etwas dazu beizutragen, diesen Leistungsbilanzüberschuss zu reduzieren. Deswegen ist auch da noch einmal die Frage, wie Sie so etwas in Handeln umsetzen.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Ich fange mit dem zweiten Teil an, liebe Frau Dröge, weil ich das schon gerade in meinem Eingangsstatement gesagt hatte. Wir haben uns bemüht, die öffentlichen Investitionen deutlich anzuheben. Ich habe von Bundesinvestitionen in Höhe von 36 Milliarden Euro gesprochen und gesagt, dass wir den Kommunen mehr Geld gegeben haben: 7 Milliarden Euro stehen den Kommunen über den Fonds für Investitionen in Schulen, Bildung und anderes zur Verfügung. Deswegen ist – darüber sprachen wir schon heute Morgen – die Bilanz der Kommunen, was ihre Investitionen angeht, sehr viel besser geworden. Die Zahlen sind gerade vor wenigen Tagen herausgekommen. Das heißt, es wirkt tatsächlich, dass der Bund den Kommunen das Geld gibt, und die Kommunen sind auch in der Lage, das umzusetzen, sprich: das Geld zu verbauen. Das ist auch immer ein Teil des Problems, und es gehört dazu, dass wir da Hilfestellung geben. Wir haben jetzt auf Bundesseite ein eigenes Unternehmen gegründet, um die Kommunen entsprechend zu unterstützen. Zum Thema Klimaziele: Wir haben festzustellen, dass die Industrie die Treibhausgasemissionen seit 1990 um fast 37 Produzent reduziert hat. Wir können darauf hinweisen, dass wir uns auf europäischer Ebene letztes Jahr mit der EU über eine Reform des Emissionshandels geeinigt haben, und auch in Bezug auf die Sektoren Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft haben wir uns mit den Mitgliedstaaten geeinigt. Insgesamt – Stichwort „Energieeffizienz“ – haben wir eine Menge erreicht. Ich glaube, das kann man sagen. Die Förderprogramme, die wir hatten, sind zwar nicht so gut gelaufen, wie sie hätten laufen können, aber sie sind schon relativ gut gelaufen. Wichtig ist auch, dass der Energiesektor weiterhin einen klaren Beitrag zum Klimaschutz leistet.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bevor der Kollege Falko Mohrs seine Frage stellt, mache ich noch einmal alle Anwesenden darauf aufmerksam, dass wir uns in diesem Teil unserer Sitzung auf eine Minute Fragezeit verständigt haben und damit auch auf die Möglichkeit, in einer Minute zu antworten. Sie haben eine optische Unterstützung: Wenn die Lampe rot ist, ist die Minute definitiv überschritten. Falko Mohrs hat das Wort.

Falko Mohrs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004824, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin, ich versuche, mich daran zu halten. – Frau Ministerin, erst einmal vielen Dank für den Bericht. In dem Jahresbericht wird richtigerweise darauf hingewiesen, welche Bedeutung die Frage der Digitalisierung für die Dynamik der deutschen Wirtschaft hat. Wir diskutieren viel über die Fachkräftegewinnung gerade in diesem Bereich. Der DigitalPakt Schule ist noch nicht richtig durchgestartet, um es einmal vorsichtig zu formulieren. Daher lautet meine Frage an Sie: Wenn wir es nicht schaffen, im Bildungsbereich flächendeckend in die Digitalisierung zu investieren, welche Risiken sehen Sie dann für die deutsche Wirtschaft?

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Herr Abgeordneter, Sie haben richtigerweise darauf hingewiesen, dass die deutsche Wirtschaft gut qualifizierte Fachkräfte braucht. Wir haben ja eben schon das Thema „Mehr duale Berufsausbildung“ angesprochen, und da braucht man natürlich auch solche, die was vom Digitalen verstehen. Wir müssen deshalb die Berufsschulen unbedingt entsprechend ausstatten; denn es macht keinen Sinn, dass diejenigen, die eine Lehre machen, in den Betrieben mit modernen Geräten konfrontiert sind, in der Schule nicht damit üben können. Wir müssen sehen, dass jedes Unternehmen in Deutschland in irgendeiner Form von der Digitalisierung betroffen ist, sich darauf einstellen muss und dementsprechend ausgebildete junge Leute braucht. Daher halte ich es für unabdingbar, dass nicht nur die Schulen, sondern auch die Berufsschulen eine ordentliche Ausstattung bekommen, die das Erlernen des Umgangs mit modernen Geräten ermöglicht.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zur nächsten Frage hat der Abgeordnete Heiko ­Heßenkemper das Wort.

Prof. Dr. Heiko Heßenkemper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004751, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Ministerin, das Wachstum in der EU dürfte knapp über dem Wachstum in der Bundesrepublik liegen, obwohl im Zusammenhang mit der Asylproblematik ein wirtschaftliches Strohfeuer mit hohen zweistelligen Milliardensummen entfacht wurde – insbesondere in der Sozialindustrie –, was sich im Konsumverhalten widerspiegelt. Durch die Nullzinspolitik spart sich der Staat auf Kosten der Bürger diese Summen. Nun zu meiner im Vergleich zu heute früh vertiefenden Frage: Was ist die Strategie bei steigenden Zinsen unter Berücksichtigung der Tatsache, dass wir bereits weltweit die zweithöchsten Steuern und Sozialabgaben haben und die Einwanderung in die Sozialsysteme weitergehen soll? ({0}) Die Aussage von heute früh, dass ein Ende der Nullzinspolitik nicht zu sehen ist, ist nicht befriedigend; denn die Fed hat inzwischen die Zinsen erhöht. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann andere Zentralbanken nachziehen. Ob wir das Problem in einem Jahr oder in drei Jahren haben, ist egal. Wir laufen ohne Strategie in ein Chaos hinein. Deshalb lautet meine Frage: Welche Strategie hat die Bundesregierung?

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Herr Abgeordneter, die Bundesregierung teilt Ihre Einschätzung nicht. ({0}) Wir gehen nicht davon aus, dass sich die Zinsentwicklung in den nächsten zwei, drei Jahren in einem solch signifikanten Bereich bewegen wird, dass in irgendeiner Form von einem erheblichen Zinsanstieg die Rede sein kann. Wir gehen davon aus, dass der Zinsanstieg, wenn überhaupt, in moderaten Schritten erfolgt. Wir rechnen nicht mit einem erheblichen Zinsanstieg.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Pascal Meiser.

Pascal Meiser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004819, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Ministerin, vielen Dank für den Bericht. – Der Bericht suggeriert – insbesondere auf dem Deckblatt –, dass es für alle in diesem Land aufwärts geht; Wohlstand für alle, das alte Versprechen. Wenn man sich die Zahlen etwas genauer anschaut, stellt man fest, dass sich das etwas anders darstellt. Das Armutsrisiko ist im gleichen Zeitraum gestiegen. Ein Teil der Beschäftigten hat – das gilt sicherlich nicht für alle – Reallohnverluste zu verzeichnen. Die Situation in diesem Land wird zunehmend gespaltener. Meine Frage an dieser Stelle lautet: Wie beurteilen Sie die Einschätzung des Wirtschaftsweisen Herrn Bofinger, der sagt, dass der Wohlstand in diesem Land trotz Wirtschaftswachstum nicht mehr bei allen ankommt, und was gedenkt die geschäftsführende Bundesregierung, was gedenken Sie eigentlich dagegen zu tun?

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Herr Abgeordneter, wir gedenken nicht erst jetzt als geschäftsführende Bundesregierung etwas dagegen zu tun. Vielmehr macht diese Bundesregierung schon sehr lange etwas dagegen. Das Erste und, ich glaube, auch das Beste und das Nachhaltigste, was wir dagegen getan haben, war die Einführung des Mindestlohns. ({0}) Denn der Mindestlohn hat dazu geführt, dass nicht nur eine erkleckliche Anzahl an Personen besser bezahlt wurde, sondern auch das Lohnniveau insgesamt angehoben wurde. Das war der erste Schritt, der besonders wichtig war. Ein weiterer Schritt ist die Klärung der Frage: Wie integrieren wir Langzeitarbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt? Das ist ein Thema, das uns schon sehr lange beschäftigt. Dazu haben wir eine Menge Projekte. Im Moment gibt es die Überlegung, einen geförderten Arbeitsmarkt einzurichten, um Langzeitarbeitslose ganz besonders zu unterstützen. Ich persönlich halte das für eine sehr gute Idee und glaube, dass uns das tatsächlich weiterbringt. Im Übrigen müssen wir feststellen, dass wir ein Problem mit der Gewinnung von qualifizierten Arbeitskräften haben, was automatisch dazu führen wird, dass deren Bezahlung besser werden wird. Ich gehe davon aus, dass die Spreizung der Einkommensverteilung in Deutschland geringer werden wird. Die unteren Einkommensschichten werden sukzessive besser verdienen, einfach weil die Lage auf dem Arbeitsmarkt schwieriger wird und Unternehmen mehr bezahlen müssen, um gute Kräfte zu gewinnen. ({1}) Ich glaube schon, das wird positive Auswirkungen haben. Jetzt leuchtet an meinem Pult gar kein Licht mehr.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Licht leuchtete vielleicht schon zu lange rot. – Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Michael Theurer.

Michael Theurer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004914, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Frau Ministerin Zypries, im Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung werden wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen auch im Steuerrecht gefordert. In Deutschland sind 3 Millionen Unternehmen Personengesellschaften; insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sind häufig Familienunternehmen. Sehen Sie eine Möglichkeit, den Wettbewerbsnachteil dieser Unternehmen zu beseitigen? Sie unterliegen ja der Einkommensteuer und nicht der Körperschaftsteuer. Können dafür die laut Wachstumsprognose zu erwartenden Steuermehreinnahmen eingesetzt werden?

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Herr Abgeordneter, soweit ich weiß, gibt es keine Überlegung in der Bundesregierung, das anzugleichen; dazu kann der Kollege Meister vom BMF vielleicht gleich noch etwas sagen. Ihre Annahme unterstellt auch, dass diese Personengesellschaften den höchsten Steuersatz zahlen. Das ist aber in den meisten Fällen nicht so, sodass sie sich durchaus auch besserstellen können, wenn ihr Steueraufkommen nach Einkommensteuergrundsätzen, nicht nach Körperschaftsteuergrundsätzen berechnet wird. Frau Präsidentin, ist es okay, wenn Herr Meister noch etwas dazu sagt?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wenn er dazu etwas beitragen kann, dann machen wir das jetzt so.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

In der Regel kann Herr Meister etwas beitragen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das ist ja in Ordnung. – Bitte, Herr Meister.

Dr. Michael Meister (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002733

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ja, die Personengesellschaften in Deutschland unterliegen der Einkommensteuer. Wir haben für die Personengesellschaften, die sehr hohe Erträge zu versteuern haben, die Möglichkeit der Thesaurierungsrücklage geschaffen. Daher können diese Unternehmen ihre Einkünfte zu einem Steuersatz versteuern, der dem von Körperschaften vergleichbar ist. Für die Personengesellschaften, die niedrigere Erträge haben, wird eine Entlastung erfolgen, wenn die Koalition die Überlegung, niedrige Einkommen bei der Einkommensteuer zu entlasten, realisiert.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage an die Ministerin stellt die Kollegin Anja Hajduk.

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie schreiben in dem Bericht – ich zitiere von Seite 9 –: Finanzpolitische Handlungsspielräume sind zu nutzen, um die Ausgabenstruktur des Bundeshaushalts schrittweise zu Gunsten wachstumsfördernder Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur zu verbessern. Angesichts der Anhebung der Wachstumsprognose um etwa 0,4 Prozentpunkte – ein gehaltvoller Wert – und angesichts der Perspektive eines sehr robusten Arbeitsmarktes möchte ich Sie fragen, ob Sie vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzplanung der geschäftsführenden Bundesregierung – danach sinkt die Investitionsquote im Bundeshaushalt – das im Papier der großkoalitionären Sondierungsgespräche festgehaltene Ziel, in den nächsten Jahren in Summe rund 6 Milliarden Euro mehr für Hochschule, Forschung und Digitalisierung anzusetzen, nicht für viel zu niedrig halten, um dem von mir zitierten Anspruch überhaupt gerecht werden zu können.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Frau Hajduk, ich bin der Auffassung, dass eine gute Bildungslandschaft eine entscheidende Voraussetzung dafür ist, dass Deutschland auch in den nächsten Jahren eine Vorreiterrolle als Industrienation hat. Deswegen bin ich persönlich der Auffassung, dass wir so viel wie möglich in Bildung investieren sollten. Aber selbstverständlich ist es so, dass es immer unterschiedliche Notwendigkeiten gibt und dass diejenigen, die die Regierung führen, abwägen müssen, wie viel Geld sie tatsächlich für Bildung zur Verfügung stellen und wie viel Geld für anderes zur Verfügung gestellt werden muss. Denn es darf natürlich nicht nur ein Thema geben, das wichtig ist, auch wenn ich persönlich es für wichtig halte. Deswegen würde ich gern dabei bleiben wollen, dass ich sage: Diejenigen, die die nächste Regierung stellen – ich werde ihr bekannterweise nicht angehören –, ({0}) haben das zu entscheiden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nach meinem Überblick letzte Frage zum Bericht stellt der Abgeordnete Chris Kühn.

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin. – Danke, Frau Ministerin, für Ihren Bericht hier. Meine Frage geht dahin: Wenn man sich mit den Immobilienmärkten und der Bauwirtschaft beschäftigt, gerät immer stärker in den Blick, dass wir in großen Teilen Deutschlands deutlich überhitzte Wohnungsmärkte haben. Dazu kann man sich die Zahlen sehr genau anschauen. Wir haben steigende Mieten. Aber zum Glück steigen die Mieten nicht in der gleichen Weise wie die Immobilienpreise. Dahinter steckt natürlich die reale Gefahr, dass, wenn sich das Zinsumfeld verändert, wenn sich die wirtschaftliche Lage grundsätzlich verändert, die Blase irgendwann platzt. Deswegen die Frage an Sie: Wie hoch ist nach Einschätzung der Bundesregierung die Gefahr einer Immobilienblase, und welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um dieses wirtschaftliche Risiko weiter zu minimieren?

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Wir sind nicht der Auffassung, dass es derzeit schon eine Immobilienblase gibt. Die Preise sind zwar hoch, aber nach allem, was ich von Untersuchungen unabhängiger Institute weiß, wird das noch nicht als Blase angesehen. Im Gegenteil: Man geht davon aus, dass dieses hohe Niveau erhalten bleibt. Ich glaube, das Beste, was man dagegen tun kann, ist, wieder stärker in den sozialen Wohnungsbau zu investieren und deutlich zu machen, dass wir die Mietpreise kontrollieren – Stichwort „Mietpreisbremse“ –, damit diejenigen, die glauben, Spekulationsobjekte in Form von Wohnraum kaufen zu müssen, wissen, dass sie damit nicht wirklich spekulieren können; es sei denn, sie spekulieren darauf, dass es in zehn Jahren noch teurer wird.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke. – Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? – Wir sind im Moment noch in der Regierungsbefragung. Jetzt geht es um andere Themen der heutigen Kabinettssitzung, und dann kommen die sonstigen Fragen an die Bundesregierung. ({0}) – Frau Polat, Sie haben das Wort zu einer Frage zu anderen Themen der Kabinettssitzung. ({1}) – Ich erkläre es gerne noch einmal, damit es für alle klar ist: Wir haben zuerst die Fragen zum Bericht der Frau Ministerin behandelt. Wir haben in diesem Format die Möglichkeit, noch zu zwei weiteren Bereichen zu fragen. Zunächst geht es um Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung, und danach kommen die sonstigen Fragen. Bezieht sich Ihre Frage, Frau Polat, auf die Kabinettssitzung, oder ist es eine sonstige Frage? ({2}) – Dann schaue ich mich noch einmal um: Offensichtlich gibt es keine Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung. Dann hat die Kollegin Polat das Wort zu einer sonstigen Frage an die Bundesregierung.

Filiz Polat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004857, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Für die Kolleginnen und Kollegen, die im Niedersächsischen Landtag waren, ist das ein ganz neues Instrument. Es ist sehr interessant. Ich frage die Bundesregierung mit Blick auf die aktuellen Diskussionen zum Familiennachzug: Wann ist ein Härtefall ein Härtefall? Vielleicht noch einmal präziser nachgefragt: Gibt es Überlegungen der Bundesregierung, hier die Regelung der Härtefallkommission Berlin anzuwenden?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Frau Ministerin.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Frau Kollegin, vielleicht darf ich die Beantwortung an das Bundesinnenministerium abgeben. Im Übrigen darf ich darauf verweisen, dass dazu, soweit ich unterrichtet bin, morgen eine Debatte hier im Haus stattfinden wird. ({0}) Aber der Herr Staatssekretär kann das wahrscheinlich beantworten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Staatssekretär Schröder, fühlen Sie sich dazu in der Lage?

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Wie ein Härtefall definiert wird, wird Gegenstand der gesetzlichen Beratungen sein. Gestern im Hauptausschuss ist ja eine Übergangsregelung auf den Weg gebracht worden. Die Überlegungen aber, die Sie eben angestellt haben, gibt es in der Bundesregierung bisher nicht.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage zu sonstigen Themen stellt der Abgeordnete Holm.

Leif Erik Holm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004761, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Noch einmal eine Frage an Frau Wirtschaftsministerin Zypries, die Energiesicherheit betreffend. Es gibt seit einiger Zeit wieder verstärkt Diskussionen über die geplante Ostseepipeline von Russland nach Deutschland. Brüssel ist ja bisher hier nicht zuständig, versucht jetzt aber, Einfluss über eine Änderung der Gas-Richtlinie zu gewinnen. Polen kritisiert dieses Projekt, und der US-Außenminister Tillerson hat jetzt gar von einer Bedrohung der allgemeinen Sicherheit Europas gesprochen. Wie bewertet die Bundesregierung diese Stimmen, und wie positioniert sich die Bundesregierung zu diesem Projekt?

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass das ein Projekt wirtschaftlicher Art ist, das beantragt werden muss und das nach den entsprechenden Vorschriften zu genehmigen ist. Wir sind allerdings auch der Auffassung, dass man nicht versuchen sollte, aus irgendwelchen übergeordneten Erwägungen, seien es eigene energiepolitische oder wirtschaftliche Interessen oder andere Interessen, da jetzt Vorschriften heranzuziehen, die vielleicht nicht so unmittelbar einsichtig sind. Deshalb würden wir sagen: Man soll dem Unternehmen die Möglichkeit geben, seine Anträge zu stellen. Man soll sie auch so bearbeiten, wie es in der Vergangenheit immer Usus war.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage kommt aus der FDP-Fraktion. Herr Kollege Hoffmann.

Dr. Christoph Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004757, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Ministerin, durch die Orkane „Brunhilde“ und „Friederike“ sind in den deutschen Wäldern ziemliche Schäden entstanden. Der Umfang steht, glaube ich, noch nicht ganz exakt fest; aber gerade für Waldbauern mit kleinerem und mittlerem Privatwald kann es existenzielle Folgen haben, dass sie jetzt sozusagen zwanghaft einen Großteil ihres Waldes nutzen müssen. Die Lage auf dem Holzmarkt ist gut; dieser wird das Holz auch aufnehmen. Das heißt aber für die Bauern, dass sie jetzt einmalig ein Einkommen haben und in den kommenden Jahren praktisch keines. Deshalb ist die Frage, ob die Bundesregierung darüber nachdenkt, analog zum § 3 des Forstschäden-Ausgleichsgesetzes steuerliche Erleichterungen für diese betroffenen Privatwaldbesitzer zu formulieren, oder es eben ermöglicht, dass die Bauern eine steuerfreie Rücklage aus den Erträgen bilden, die sie jetzt mit dem Sturmholz erzielen.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Herr Abgeordneter, vielen Dank für Ihre Frage. Ich würde zur Beantwortung gerne an das Bundesfinanzministerium weitergeben, weil es ja um eine Steuerfrage geht.

Dr. Michael Meister (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002733

Herr Kollege, wir haben in der vergangenen Wahlperiode nicht mit Blick auf die Waldbesitzer, sondern mit Blick auf die Landwirte, die ja ihre Betriebe auf unterschiedliche Ertragslagen aufgrund der Wetterlagen einstellen mussten, hier im Haus die Entscheidung getroffen, dass ein Mehrjahresausgleich und damit eine Glättung der Einkünfte vorgenommen werden kann. Dieses Gesetz muss allerdings aufgrund europarechtlicher Vorgaben notifiziert werden. Wir haben es deshalb zur Notifizierung bei der Kommission vorgelegt. Diese Notifizierung ist aber bisher nicht abgeschlossen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind jetzt am Schluss der für die Befragung der Bundesregierung festgesetzten Zeit, aber ich habe noch sieben Wortmeldungen. Ich verweise auf unsere Regel: eine Minute Frage, eine Minute Antwort. Ich lasse diese sieben Fragen und Antworten noch zu, achte aber genau auf die Einhaltung der Redezeit. Nach unseren Regeln verkürzt sich damit – für alle zur Erinnerung – die Zeit für die darauffolgende Fragestunde. Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Kraft.

Dr. Rainer Kraft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004792, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Ministerin Zypries, gemäß den Energy Charts des Fraunhofer-Instituts war es in 2017 genau wie in 2016 und 2015 und allen anderen Jahren davor bis zur Erfindung der Dampfmaschine so, dass in Deutschland mehr Strom aus Kohleverstromung erzeugt worden ist als aus den sogenannten Erneuerbaren, also Solar, Wind, Wasser und Bio, zusammen. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Fakten, dass wir eine bevorzugte Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien gemäß dem Erneuerbare-Energien-Gesetz haben, dass wir eine Verpflichtung der Netzbetreiber zur Abnahme von Strom aus erneuerbaren Quellen haben und dass die Stromverbraucher derzeit mit 25 bis 27 Milliarden Euro pro Jahr an Umlagen belastet werden, lautet meine Frage: Wie steht Ihr Ministerium zu einem kurzfristigen Ausstieg aus der Kohleverstromung? Zusatzfrage – wenn wir mittel- bis langfristig denken –: Wie kann die grundlastfähige Kohleverstromung überhaupt durch irgendetwas anderes ersetzt werden als durch ebenfalls grundlastfähige Gas- bzw. sogar Kernkraftwerke? ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Frau Ministerin.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Herr Abgeordneter, wir erörtern die Frage des Kohleausstieges in einem sehr umfassenden Prozess. Wir sind dabei, vor allen Dingen mit den betroffenen Regionen einen Prozess aufzusetzen. Denn es kann ja nicht nur darum gehen, von heute auf morgen bestimmte Kraftwerke oder den Kohleabbau stillzulegen, sondern man muss ja auch überlegen: Was passiert mit den Regionen? Wo finden die Menschen Arbeit? – So einfach ist das alles nicht. Deswegen wird es einen Prozess geben, in dem wir erörtern werden, wie man das sinnvoll gestalten kann. Im Übrigen kann ich Ihnen versichern, dass die Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen inzwischen deutlich angestiegen ist. An manchen Tagen überwiegt diese Energiegewinnung. Generell haben wir eine Quote für die erneuerbaren Energien in Höhe von gut 30 Prozent.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt der Kollege Chris Kühn.

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin, dass Sie diese Frage noch zulassen. – Meine Frage bezieht sich auf die Lobbyorganisation EUGT, die mit Versuchen an Affen und Menschen, in denen die Reaktion auf Stickoxide untersucht wurde, in den letzten Tagen durch die Presse gegangen ist. Meine Fragen an die Bundesregierung sind: Sind Gelder der Bundesregierung an diese Lobbyorganisation für Forschungszwecke geflossen? Wenn ja, welche und in welchem Ausmaß? Gab es darüber im Wissenschaftsministerium eine Klärung? Vielleicht kann auch Frau Wanka das beantworten.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Ich kann das so jetzt nicht beantworten. Das müssen wir erst einmal sorgfältig prüfen. Wir wissen das jetzt, so wie wir hier sitzen, nicht in aller Vollständigkeit. Deswegen prüfen wir das besser und beantworten das dann schriftlich. ({0}) Vom BMBF ist kein Geld geflossen, höre ich gerade.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herzlichen Dank für die Bereitschaft, schriftlich gegebenenfalls noch Informationen nachzureichen. – Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Christian Dürr.

Christian Dürr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004705, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Die Fragen richten sich an das BMF, und zwar geht es um das europäische Zahlungssystem zwischen den nationalen Notenbanken und um die entsprechenden TARGET2-Salden. Welchen Stellenwert misst die Bundesregierung den stetig wachsenden Ungleichgewichten in unserem Zahlungssystem bei, insbesondere was die TARGET2-Salden betrifft? Und: Welche Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht zu ergreifen, um die offene Forderung der Deutschen Bundesbank an die Euro-Zone in Höhe von rund 900 Milliarden Euro zurückzuführen?

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Herr Abgeordneter, ich bitte um Nachsicht: Der Kollege musste zu einem dringenden Termin. Wir würden Ihnen die Frage gerne schriftlich beantworten; sie ist ja auch recht technisch.

Christian Dürr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004705, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich danke Ihnen, Frau Ministerin.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herzlichen Dank. – Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Frömming.

Dr. Götz Frömming (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004722, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin, meine Frage bezieht sich auf die sogenannten delegierten Rechtsakte. Es gab in der vergangenen Legislaturperiode hier einen Vorgang, in dem es um die Luftverkehrssicherheit ging. Der Bundestag hat kritisiert, dass Kompetenzen in Richtung Brüssel verlagert werden. Dies hatte mit dem Institut des delegierten Rechtsaktes zu tun. Es ist nicht ganz Ihr Ressort, aber vielleicht kennen Sie dieses Rechtsinstitut, und vielleicht gibt es das auch im Wirtschaftsbereich. Ich würde gerne von der Bundesregierung wissen, ob sie dieses Rechtsinstitut „delegierte Rechtsakte“ für kritisch erachtet, insbesondere im Hinblick auf das Prinzip der Subsidiarität. – Danke.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Vielen Dank für die Frage. – Das zuständige Bundesverkehrsministerium wird Ihnen antworten.

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Zu diesem Thema stand das Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur in Kontakt mit den zuständigen europäischen Stellen; da gab es Verhandlungen. Das war um die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel herum. Wir haben bisher ein Verhandlungsergebnis dahin gehend erreicht, dass wir dafür Sorge tragen wollen, dass in diesen Fragen der Parlamentsvorbehalt erhalten bleibt. Die nationalen Parlamente werden also immer mit einbezogen werden, wenn es um Entscheidungen geht.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt die Kollegin Katharina Dröge.

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Ministerin Zypries, ich muss noch einmal auf das Thema „Air Berlin“ zu sprechen kommen, da Ihr Staatssekretär mir heute Morgen in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses meine Frage nicht richtig beantworten konnte.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Das kann ich gar nicht glauben.

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es ist tatsächlich nicht zu glauben. Es geht um die Bürgschaft in Höhe von 150 Millionen Euro, von der der Steuerzahler wahrscheinlich einen Großteil nicht wiedersehen wird. Meine Frage ist daher: Aufgrund welcher Annahmen über die Vermögenswerte von Air Berlin haben Sie eigentlich diese Bürgschaft vergeben, und inwiefern konnten Sie erwarten, diese 150 Millionen Euro am Markt zu erzielen? Könnten Sie einmal darlegen, welche Erwartung Sie hatten, was an Sicherheiten im Unternehmen vorhanden ist? Die zweite Frage ist, ob eine Absichtserklärung von Lufthansa, Air Berlin zu kaufen, Grundlage dafür war, diese Bürgschaft auszusprechen, bzw. ob dies in die Entscheidung einbezogen wurde.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Es gab keine schriftliche Absichtserklärung der Lufthansa, sehr geehrte Frau Abgeordnete; aber Sie wissen natürlich aus den Verhandlungen heute Morgen und auch aus weiteren Informationen in der Presse, dass es unsererseits Gespräche mit der Lufthansa gegeben hat. Zur Frage „Was hat die Bundesregierung für Überlegungen angestellt, worin der Gegenwert für die 150 Millionen Euro besteht?“ – danach fragen Sie ja –: Wir sind davon ausgegangen, dass es, wenn wir keinen Kredit geben, zu einem sofortigen Grounding kommt und schon dadurch eine Entwertung von Vermögenswerten stattfindet. Dann war klar – es war ja Urlaubszeit –, dass sehr viele Urlauberinnen und Urlauber mit Air Berlin unterwegs sind. Zwar haben wir als Staat keine geschriebene Verpflichtung, aber doch eine moralische Verpflichtung, Urlauberinnen und Urlauber, die irgendwo in der Welt gestrandet sind und ein Air-Berlin-Ticket haben, zurückzuholen. Das hat sich ja auch bei der Pleite von Monarch Airlines gezeigt, die kurz danach stattfand. Es wurden 70 Millionen Euro dafür ausgegeben, um die gestrandeten Passagiere wieder nach UK zurückzuholen. An diesem Beispiel kann man sich also ungefähr die Größenordnung klarmachen. Die Anzahl der betroffenen Personen im Fall von Air Berlin war ja sehr viel größer. Ansonsten waren die Vermögenswerte natürlich die Slots und die Flugrechte.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Tobias Matthias Peterka.

Tobias Matthias Peterka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004850, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Meine Frage geht dahin: Es wurde ja im Rahmen des sogenannten KiKA-Skandals bekannt, dass es Personen mit SED-Vergangenheit möglich ist, in hohe Positionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu gelangen. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung dagegen, und welche Erkenntnisse hat sie darüber?

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Was Sie hier abfragen, fällt in die Zuständigkeit der Bundesländer. Deshalb kann ich Ihnen im Moment dazu keine Antwort geben. Wir können gerne über die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien versuchen, das bei den Bundesländern in Erfahrung zu bringen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Dann halten wir das jetzt erst einmal so fest. – Die letzte Frage stellt die Kollegin Hajduk.

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte die Bundesregierung zum Thema Familiennachzug fragen, wie ich ihre Aussage zu verstehen habe, dass die Definition eines Härtefalls Gegenstand von Gesetzgebungsprozessen ist und es keine Überlegungen gibt, sich hinsichtlich einer Definition an der Härtefallregelung des Landes Berlin zu orientieren. Gestern wurde aber im Hauptausschuss den Abgeordneten genau das Gegenteil als Überlegung bekannt gegeben. Wie passt das zusammen?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Es antwortet der Staatssekretär Ole Schröder.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Ich saß gestern im Hauptausschuss. Wir haben solche Überlegungen nicht geäußert. Ich habe gestern im Hauptausschuss lediglich dargestellt, welche möglichen Kriterien es geben könnte, um einen Härtefall entsprechend zu definieren.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich danke der Frau Ministerin, den Staatssekretären und Kolleginnen und Kollegen, die ansonsten an der Beantwortung beteiligt waren, und natürlich allen Kolleginnen und Kollegen Fragestellern und beende damit die Regierungsbefragung.

Bettina Stark-Watzinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004902, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Europa braucht stabile Banken und funktionsfähige Kapitalmärkte; sie sind die Grundlage für Wohlstand und Wachstum. Ich glaube, so weit sind wir uns hier alle einig. Aber unsere Einigkeit endet, wenn wir über die Ziele diskutieren, wie wir dazu kommen. Wir sehen in diesen Tagen, dass in Brüssel die Aktivitäten zur Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion wieder Fahrt aufnehmen, allen voran die Diskussion über die Bankenunion. Ich bin der Ansicht, Entscheidungen von so grundlegender Bedeutung dürfen nicht hinter den verschlossenen Türen von Ministertreffen vollzogen werden. Sie gehören auf die Tagesordnung unseres Parlaments. ({0}) Auch in der Bankenunion muss weiterhin das Grundprinzip der sozialen Marktwirtschaft, nämlich die untrennbare Verknüpfung von Risiko und Haftung, gelten. Die wirtschaftliche Lage verdeckt derzeit, dass die Risiken im Finanzsystem mitnichten beseitigt sind. Die Staatsverschuldung ist weiterhin zu hoch, das Bankensystem krisenanfällig, und der Reformwille von Staaten erlahmt. ({1}) Otmar Issing, der Chefvolkswirt der EZB, hat in den vergangenen Tagen einen lesenswerten Beitrag in der „FAZ“ veröffentlicht. Issing schrieb: Das Ergebnis der Sondierungsgespräche muss man als Abschied von der Vorstellung einer auf Stabilität gerichteten europäischen Gemeinschaft verstehen. Damit werden die Versprechen gebrochen, die man den Bürgern in Deutschland vor der Einführung des Euros gegeben hat. Issing bescheinigt der CDU/CSU und der SPD damit eine – ich zitiere – „ordnungspolitische Orientierungslosigkeit“ in der Debatte. Das wollen wir ändern. ({2}) Deutschland war in der Vergangenheit immer ein Garant für die finanzpolitische Eigenverantwortung der Staaten. Die Große Koalition hat sich von dieser Politik verabschiedet; Risikoteilung hat heute Vorrang vor dem Prinzip der Risikovermeidung. Ein aktuelles Beispiel der von Issing angesprochenen Orientierungslosigkeit ist die Zustimmung des Finanzministers, bis Juni eine sogenannte Roadmap für eine europäische Einlagensicherung zu entwerfen. Was ist das? Die EU-Kommission will die nationalen Einlagensicherungsfonds komplett in einen europäischen Topf überführen. Bisher hat die Bundesregierung das mit der Begründung abgelehnt, dass Sparer nicht für die Guthaben von Bankkunden in anderen EU-Staaten haften dürfen. An dieser Position müssen wir festhalten. ({3}) Ja, wir brauchen in Europa gemeinsame, harmonisierte Regeln. Grundsätzlich ist es richtig, dass auch auf europäischer Ebene Anstrengungen zur Stärkung der Einlagensicherung unternommen werden. Das darf jedoch nicht zur Quersubventionierung über Grenzen hinweg führen. Mit der bereits eingeführten und geltenden EU-Einlagensicherungsrichtlinie wurden die Grundlagen für den Schutz der Sparer ja bereits gelegt. ({4}) Warum lehnen wir mehr Vergemeinschaftung ab? Ich nenne kurz drei Punkte: Eine Vorbedingung der Bankenunion war immer, dass die Risiken in den Bankenbilanzen reduziert werden. Noch heute schlummern europaweit circa 950 Milliarden Euro an faulen Krediten in den Büchern der Banken. Diese zu vergemeinschaften, wäre der falsche Anreiz. ({5}) Es wäre falsch verstandene Solidarität und würde unsolidarisches Risikoverhalten belohnen. ({6}) Europäische Banken sind noch immer eng umschlungen von ihren Heimatstaaten. Sie halten zum Teil enorme Bestände an heimischen Staatsanleihen in ihren Büchern. Die Bundesregierung und die EU-Kommission haben es bisher versäumt, diesen Teufelskreis finanzieller Abhängigkeit zwischen Staaten und ihren Banken durch die Einführung einer Eigenkapitalunterlegung zu durchbrechen. Hier wäre mehr Reformwille erforderlich. ({7}) Der Einheitliche Abwicklungsmechanismus soll verhindern, dass Steuerzahler für Fehlverhalten von Banken zahlen müssen. Trotzdem wurden in den letzten Jahren wieder Banken durch den Staat gerettet. Zu oft werden sinnvolle Regeln durch die politischen Akteure gebrochen. ({8}) Die Mehrheit der Menschen in unserem Land bekennt sich zu Europa, und das ist gut so. Das ist ein hohes Gut, das nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden darf; denn wenn wir das Vertrauen der Menschen und die Glaubwürdigkeit verlieren, dann verlieren wir die Menschen auf dem Weg nach Europa. Wir bekommen jetzt eine Bundesregierung, die über immense Steuereinnahmen verfügen wird. Wir Freie Demokraten werden uns dafür einsetzen, diese Mittel nicht dafür zu verwenden, die Ursachen der Krise nur zu überdecken, da die richtige Antwort doch wäre – das muss man auch einmal sagen –, die Menschen zu entlasten.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Frau Kollegin.

Bettina Stark-Watzinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004902, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich komme zum Schluss. Das ist meine erste Rede; da darf ich überziehen. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Ja, Sie sind aber schon fast eine Minute über der Zeit.

Bettina Stark-Watzinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004902, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Allein durch Umverteilung wird Europa nicht besser. Europa wird besser, indem es sich exzellente wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen gibt. Wir fordern die Bundesregierung auf: Konzentrieren Sie sich darauf, die bestehenden Risiken zu minimieren!

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Frau Kollegin.

Bettina Stark-Watzinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004902, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bleiben Sie bei Ihrem Nein zur Vergemeinschaftung! Lassen Sie mich noch eines sagen. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Nein.

Bettina Stark-Watzinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004902, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, doch.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Frau Kollegin, bei allem Ernst: Ein letzter Satz!

Bettina Stark-Watzinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004902, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das Sondierungspapier erinnert an einen Satz von Mark Twain: Als wir die Richtung verloren hatten, verdoppelten wir die Geschwindigkeit. Das kann nicht der Weg sein. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Ich sage herzlichen Dank, aber auch die erste Rede darf nicht dazu veranlassen, die Zeit nahezu zu verdoppeln. Frau Kollegin Antje Tillmann von der CDU/CSU ist die Nächste. ({0})

Antje Tillmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003646, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Kollegin Stark-Watzinger, es ist keineswegs so, dass das Thema Bankenunion bisher hinter verschlossenen Türen diskutiert worden wäre. Auch ohne die FDP hat es dieser Deutsche Bundestag in der letzten Legislaturperiode geschafft, sich in zwei Beschlüssen mit der Einlagensicherung zu befassen. Ich empfehle Ihnen die Beschlüsse vom 4. November 2015 und vom 23. Februar 2016. Da haben wir intensiv darüber diskutiert und uns natürlich auch mit den Problemen der Bankenunion beschäftigt. ({0}) Das werden wir auch weiterhin tun. Im Gegensatz zu Ihnen mit Ihrer sehr kritischen Rede sind wir aber fest davon überzeugt: Wir brauchen Europa, wir wollen Europa. Wir waren in Europa auch schon auf einem sehr guten Weg zur Regulierung der Finanzmarktkrise. ({1}) – Wenn Sie kurz zuhören, will ich Ihnen gerne sagen, was wir schon alles an Positivem erreicht haben. Wir haben mit dem Stresstest begonnen. ({2}) Über 130 Banken sind von der EZB geprüft worden. 25 Banken haben eine Kapitalunterdeckung aufgewiesen. Diese 25 Banken haben Kapital herangeschafft, sodass es zu einer Risikominderung gekommen ist. ({3}) Wir haben eine europäische Aufsicht. Diese Aufsicht funktioniert immer besser und so gut, dass wir darüber nachdenken, ob man über eine Small Banking Box diese Regulierung bei kleineren Banken erleichtern könnte. Den Bankenabwicklungsmechanismus haben Sie beschrieben. Wir haben die Regelung, dass Steuerzahler in Europa nur noch in Ausnahmefällen für Abwicklungsbanken bezahlen müssen. Das haben wir über einen Mechanismus sichergestellt, den Bail-in, wonach Eigentümer und Anteilseigner vorrangig haften. Wir haben einen Abwicklungsfonds mit bis zu 55 Milliarden Euro installiert, der schon zu einem Drittel angespart wurde. Auch da haben wir Sicherheit in die Finanzmärkte gebracht. ({4}) Wir haben die Einleger über eine Einlagensicherung geschützt. Alle Banken Europas müssen einem nationalen Einlagensicherungssystem angehören. Das ist ein Riesenschritt in die richtige Richtung. Einlegern können bis zu 100 000 Euro grenzüberschreitend ausgezahlt werden, in Sondersituationen sogar bis 500 000 Euro. Das ist ein guter Schritt in Europa. Ich finde, es gehört zu einer ehrlichen Debatte, zu sagen, dass wir massive Fortschritte für Einleger erreicht haben. Natürlich weiß ich, dass es noch eine Menge zu tun gibt. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass der Ecofin-Rat am 17. Juni 2016 genau das gesagt hat. Wir haben die ersten Schritte gemacht; ihnen müssen weitere folgen. Der wichtigste nächste Schritt ist die Risikoreduzierung, der Abbau notleidender Kredite. Eine Quote von durchschnittlich 4,6 Prozent an Non-Performing Loans in Europa ist zu viel; einige Staaten weisen sogar eine Quote von 46 Prozent auf. Wir brauchen europäische Benchmarks, mit denen die durchschnittliche Quote der Non-Performing Loans in Europa reduziert wird. Wir müssen auch das Insolvenzrecht harmonisieren. Wir brauchen europäische Vorgaben, wie bei faulen Krediten in Sicherheiten vollstreckt werden kann. In manchen Staaten geht das recht zügig; andere Staaten brauchen Jahre, bis in die Sicherheiten vollstreckt werden kann. Wir merken, dass der Bail-in-Puffer in Europa schon wieder infrage gestellt wird. Wir werden aber darauf bestehen; darin sind wir uns mit unserem ehemaligen Finanzminister Schäuble und unserem jetzigen Finanzminister Altmaier einig. Unser Staatssekretär kämpft auf allen Ebenen in Europa dafür, dass die von uns eingeführte Grenze nicht wieder infrage gestellt wird. Ich erwähne die latenten Steuern; das haben Sie noch gar nicht genannt. Natürlich dürfen Nationalstaaten über die Behandlung von latenten Steuern nicht weitere Risiken in die Bankbilanzen schieben. ({5}) Bei Staatsanleihen geht es um dasselbe Thema. Wir müssen uns über die Risikogewichtung von Staatsanleihen unterhalten und dabei aber auch im Blick behalten, dass die Staaten, die dank des Rettungsschirms wieder gut dastehen, nicht zusätzliche Probleme bekommen. Ich teile Ihre Auffassung, dass es noch viel zu tun gibt. Ich teile nicht Ihre Auffassung, dass wir uns bisher nicht erfolgreich auf den Weg gemacht haben. Ich glaube, es macht keinen Sinn, alles schlechtzureden und die schlechten Seiten in den Vordergrund zu stellen. Es macht vielmehr Sinn, unserem künftigen Finanzminister gemeinsam mit auf den Weg zu geben, was wir wollen. Wir wollen zuerst eine Risikoreduktion, danach kann der zweite Schritt erfolgen. Das werden wir schaffen, das werden wir tun, und zwar öffentlich, wie immer in diesem Haus. Vielleicht gucken Sie einmal in die Anträge. Wir sollten sie dem neuen Finanzminister für seine Diskussionen auf europäischer Ebene mit auf den Weg geben. Aber ich bleibe dabei: Europa ist wichtig für Deutschland. Wir wollen eine europäische Harmonisierung. ({6}) Dafür kämpfen wir mit aller Macht. Danke schön. ({7})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herzlichen Dank. Sie haben die Zeit wieder aufgeholt. – Als Nächste spricht die Kollegin Ingrid Arndt-Brauer von der SPD-Fraktion. ({0})

Ingrid Arndt-Brauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Ich finde es schön von der FDP, dass man der neuen Vorsitzenden des Finanzausschusses gleich die Möglichkeit gibt, eine Rede zu halten. Man hat überlegt: Wie schafft man das am besten? Man macht eine Aktuelle Stunde. – Es hätte heute viele Themen für eine Aktuelle Stunde gegeben. Man hätte beispielsweise über den Stand der Sondierungen zum Thema „Steuern und Finanzen“ reden können. ({0}) Man hätte über die Boni der Deutschen Bank reden können. Man hätte über das Fehlen von Grundschullehrern und die finanziellen Auswirkungen auf die Haushalte reden können. Man hätte über die Hausdurchsuchungen des Zolls reden können. ({1}) Sogar über die Sturm- und Hochwasserschäden der letzten Wochen hätten wir reden können. Wir hätten auch über die aktuelle Besetzung des Finanzausschusses reden können. Aber ich habe mir wirklich die Frage gestellt: Was ist an dem Thema der von Ihnen beantragten Aktuellen Stunde „Positionierung der Bundesregierung zu einer europäischen Bankenunion“ aktuell? Es ist deswegen nicht aktuell, weil wir eine geschäftsführende Bundesregierung haben, die alles das umsetzt, was wir in der Vergangenheit beschlossen haben. Ich habe heute bei den Nachrichtenagenturen und in Tickerberichten nachgesehen, aber ich habe nichts Aktuelles gefunden, und es kam ja auch nichts Aktuelles. ({2}) Es gibt also in dieser Woche nichts richtig Aktuelles. Sie sind länger nicht hier gewesen, aber Aktuelle Stunden beinhalten in der Regel aktuelle Themen. ({3}) – Nein, das ist nicht peinlich. Ich will etwas zur Bankenunion sagen. ({4}) – Das hätten Sie auch beantragen können, haben Sie aber nicht. ({5}) Deswegen rede ich jetzt zu Ihrem Antrag. Die EZB hat, so wie wir alle es mitbeschlossen haben, im November 2014 die Verantwortung für den Einheitlichen Europäischen Bankenaufsichtsmechanismus übernommen; das wissen wir alle. Das ist, wie gesagt, schon mehrere Jahre her. Seitdem ist sie für signifikante Banken zuständig. Das sind Banken, deren Bilanzsumme mindestens 30 Milliarden Euro oder 20 Prozent des BIP des Mitgliedstaates umfasst und die zu den drei größten Banken des jeweiligen Mitgliedstaats gehören. Nicht signifikante Banken werden weiterhin von nationalen Aufsichtsbehörden überwacht. Wir haben einen Einheitlichen Abwicklungsmechanismus. Das heißt, diese eben von mir angesprochenen Banken und große, grenzüberschreitende Banken werden jetzt auf europäischer Ebene einheitlich abgewickelt. Risiko und Haftung haben bei uns von Anfang an zusammengehört. Wir haben von Anfang an gesagt: Wir müssen das zusammen betrachten. Was haben wir für Banken vor uns, welche Risiken gehen sie ein, und wie müssen sie abgewickelt werden? – Bis zum 31. Dezember 2023 soll ein gemeinsamer Abwicklungsfonds eingerichtet werden, der mit 55 Milliarden Euro ausgestattet wird. Vorrangig werden Anteilseigner und Gläubiger herangezogen – das sogenannte Bail-in –, dann erst der Staat. Es gibt also keine Gemeinschaftshaftung der teilnehmenden Mitgliedstaaten durch den Fonds. Das war uns allen sehr wichtig. Auch in den Sondierungspapieren, über die Sie ja heute nicht reden wollten, steht das drin. Wir haben mit der CDU/CSU noch einmal aufgeschrieben, dass wir Haftung und Risiko nicht auseinanderfallen lassen wollen. Gerade laufen die Koalitionsverhandlungen zum Thema „Finanzen und Steuern“. Ich kann Ihnen nicht sagen, was dort gerade neu verhandelt wird; aber das können wir zu gegebener Zeit hier weiter diskutieren. Der geschäftsführende Finanzminister Altmaier hat Schwachstellen in der europäischen Währungsunion angesprochen. Er hat auch darauf hingewiesen – Kollegin Tillmann hat es angesprochen –, dass auf dem EU-Gipfel im Juni wichtige Entscheidungen für die Architektur der Euro-Zone gefällt werden müssen. Wir haben auch die Bedenken von Sparkassen und Volksbanken immer sehr ernst genommen. Dass sie ein eigenes Absicherungssystem haben und am liebsten überhaupt nicht in irgendeiner anderen Form in Anspruch genommen werden wollen, haben wir immer berücksichtigen wollen, und wir haben auch versucht, das nach Brüssel zu tragen. Dazu gibt es Anträge und Resolutionen; da haben wir in den letzten vier Jahren eine ganze Menge gemacht. Trotzdem brauchen wir eine Risikoabsicherung. Wir brauchen auch einen einheitlichen Mechanismus. ({6}) Wir wollen alle zusammen in Europa weiter vorankommen. Dafür ist es wichtig, dass wir eine gute Zusammenarbeit im Euro-Raum haben. ({7}) Sie können sicher sein: Der nächste Finanzminister oder die nächste Finanzministerin wird diese erfolgreiche Politik fortführen. ({8}) Ich freue mich darauf. Freuen würde ich mich auch, wenn Sie nächstes Mal eine etwas aktuellere Thematik für Ihre Aktuelle Stunde aussuchen würden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächster Herr Professor Dr. Harald Weyel. ({0})

Prof. Dr. Harald Weyel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004932, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Da ist wohl viel Freude im Himmel über reuige Sünder, die zur Tugend zurückfinden. Aber aufmerksame Beobachter haben nicht vergessen, dass es die FDP war, die schon den Anfängen der ganzen heutigen Chose nicht gewehrt hat. Im Dezember 2011 hätte sie – und nur sie! – den eigenen Mitgliederentscheid über die Überführung der EFSF in den ESM nicht mitmachen müssen. Sie hätte auch die größte deutsche Kapitulation seit dem 8. und 9. Mai 1945 nicht mitmachen müssen, ({0}) nämlich die vom 7. bis 9. Mai 2010 in Brüssel, als der Sondergipfel aller griechisch-römischen, rechtsfreien Freistil-Euro-Rettungen stattgefunden hat. ({1}) Ob nun europäische Landwirtschafts-, Kohäsions- oder Sonderfonds und sogenannte Unionen aller Art, ({2}) sie alle waren und sind nur eines: gigantische Mausefallen für den deutschen Steuerzahler. ({3}) Die meisten davon haben auch schon zugeschnappt. ({4})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Kollege Weyel, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie auf solche Dokumentationen verzichten würden. Das ist im Haus nicht üblich. ({0})

Prof. Dr. Harald Weyel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004932, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ich habe sie jetzt nicht gespannt und lasse sie nicht von links nach rechts herumgehen. Das wäre vielleicht die richtige pädagogische Maßnahme. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Unabhängig davon – wenn ich Sie unterbrechen darf – ist es im Hause nicht üblich, solche Dokumentationen vorzunehmen.

Prof. Dr. Harald Weyel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004932, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Die reichlich unselige Koalition der FDP mit den großen Nicht-Steuerzahler-Parteien und eigentlich auch nichtbürgerlichen Parteien CDU und CSU wäre dann geplatzt. Es wäre ein Jahr früher gewählt worden. Vielleicht wäre dabei schon 2013 mehr für uns alle, insbesondere für die Bürger im Land, herausgekommen, mehr als seit September 2013 eine erste Merkel-GroKo mit noch unsäglicheren Fehlentscheidungen jedenfalls. Heute wird parallel zu Bankenunion und europäischer Einlagensicherung schon von einem EWF fantasiert, einem „Europäischen Währungsfonds“. Das ist übrigens so einer, der anders als alle anderen sein bzw. unser Geld nicht zurückhaben will, ({0}) wie wir schon im letzten Jahr bei der Irlandschuldentilgung live gesehen haben. Vielleicht reicht Ihr Gedächtnis nicht. Das können Sie im Protokoll nachlesen. ({1}) Übrigens auch die mündigen Bürger auf der Tribüne und vor den Bildschirmen haben gesehen, gehört und vielleicht im Gedächtnis bewahrt, wie hier mit europäischen Dingen umgegangen wird. Das große europäische E – vor welchen Fonds oder Verträgen auch immer – steht ganz offensichtlich für e wie egal. Wie sehr die Dinge auch gegen den Vertrag oder den Geist von Maastricht bzw. eines freien Europas verstoßen mögen, sie werden trotzdem gemacht. Schon im Mai 2010 wurden mit deutschem Geld weniger die deutschen Banken gerettet als vielmehr die französischen. Deren nationale Unternehmensrisiken wurden einfach sozialisiert in diesem Finanzeuropa der Übervorteilung und Ausbeutung des deutschen Steuer- und Sparersäckels. ({2}) Es ist im Großen und Ganzen übrigens ein Europa auch des Finanzrassismus, wo die Rettung konsumverwöhnter Südeuropäer viel mehr wert ist als etwa die Unterstützung ehrlicher Marktstrukturen in Afrika oder sonst wo auf der Welt. Geld kann man eben nur einmal ausgeben. Selbst Europäer können es nur einmal ausgeben. Die EU-Einkommensgleichheit wurde zwar noch nicht überall künstlich herbeisubventioniert, wohl aber die Einlagensicherungsgleichheit. Bereits bei der bestehenden EU-Einlagensicherung von 100 000 Euro pro Bankkunde stellt sich doch die Frage: Wie kommt ein einfacher und ehrlicher Grieche, Zypriot, Portugiese etc. eigentlich zu 100 000 Euro Sparvermögen? Auf grund­ehrliche Art und Weise etwa? Solche gibt es auch. ({3}) Die Deutschen, die die Zeche anderer zahlen, brauchen offenbar selbst keine 100 000 Euro pro Person, da ihre gesamten Haushaltsvermögen gerade einmal 50 000 Euro ausmachen. Das hat die unsägliche EZB selbst berechnet in jenem Totalkapitulationsjahr restdeutscher Staatsräson anno 2010. ({4}) Wie lange soll es noch so weitergehen, dass deutsche Regierungen und Amtspersonen ein so miserables Geschäftsgebaren an den Tag legen zulasten des eigenen Souveräns? Das ist schon jenseits aller Wischiwaschipolitik auch in diesem Bereich. Das erinnert eher an eine Vichy-Waschi-Politik, mit umgekehrten Vorzeichen und umgekehrten Geldströmen freilich. ({5}) Machen Sie als deutsche Regierung endlich normale bürgerliche Politik für ein normales bürgerliches Deutschland anstatt Politik für ein immer anormaleres Enteignungseuropa oder EU-topia. Danke. Wenn Sie so weit sind, sagen Sie uns Bescheid. ({6})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Als Nächster hat das Wort der Kollege Fabio De Masi von den Linken. ({0})

Fabio De Masi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004817, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dass Sie die Befreiung von einem großen Unglück für dieses Land auch nach der heutigen Gedenkstunde als eine Kapitulation bezeichnen, das zeigt: Sie sind keine Alternative für Deutschland; Sie sind eine Schande für Deutschland. ({0}) Wissen Sie, warum ich so gerne Abgeordneter bin? Als Kind las mir Mutti immer Märchen vor. 2014 verkündete die Bundeskanzlerin auf dem G-20-Gipfel in Brisbane: ... es wird nie wieder notwendig sein …, dass, wenn große Banken zusammenbrechen, ... Steuerzahler diese Banken retten müssen. Es ist schon wieder Märchenstunde, und ich werde auch noch dafür bezahlt. ({1}) Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, schrieb kürzlich: Einiges spricht dafür, dass die Finanzmärkte im Jahr 2018 eine Korrektur erfahren, die ernste wirtschaftliche Verwerfungen mit sich bringen können.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, einen kleinen Moment, bitte. – Auch wenn ich Verständnis dafür habe, dass Erregung im Saal herrscht, bitte ich doch darum, dem Redner zuzuhören. ({0})

Fabio De Masi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004817, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Die wirtschaftliche Euphorie hat viele Akteure der Politik und auf den Finanzmärkten träge und blind vor den wachsenden Risiken gemacht. Der frühere Vorsitzende des Beirats des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken, Martin Hellwig, vertraut den Basel-Reformen zur Bankenregulierung nicht. Er fordert hohe Eigenkapitalquoten, die nicht durch die internen Modelle der Banken frisiert werden können. Das würde die Finanzierung von Banken und Kredite übrigens nicht teurer machen, weil auch Risikoprämien sinken. Zehn Jahre nach der Finanzkrise ist das zentrale Problem aber nicht gelöst. Große Universalbanken sind immer noch zu groß und zu vernetzt zum Scheitern und werden wieder Steuerzahler erpressen. ({0}) Auch die EZB unterliegt als Aufsicht und Kreditgeber der Banken permanenten Interessenkonflikten. Der einstige US-Glass-Steagall-Act zur Trennung der Banken umfasste nur 37 Seiten. Die EU-Bankenregulierung umfasst Hunderte Telefonbücher, aber mit Tausenden Schlupflöchern. Die Bilanz der Deutschen Bank ist immer noch 1,5 Billionen Euro schwer. Das entspricht dem Bruttoinlandsprodukt Italiens. Der IWF stuft die Deutsche Bank daher zu Recht als die gefährlichste Bank der Welt ein. ({1}) Die Deutsche Bank wäre ohne diverse Rettungsmilliarden von AIG, über HRE oder Griechenland mausetot. Dennoch schüttet sie schon wieder Boni von 1 Milliarde Euro aus. ({2}) Die sind das Volkswagen der Banken. Man traut sich das als Linker kaum zu sagen: Die Deutsche Bank ist faktisch eine Staatsbank, mit dem feinen Unterschied, dass sie Gewinne privatisiert und Verluste vergemeinschaftet. Für das riskante Investmentbanking genießt sie über die faktische Staatshaftung eine Subvention der Steuerzahler bzw. einen Finanzierungsvorteil. Die EU-Kommission hat indes die Aufspaltung der Megabanken unter dem Druck der Lobby beerdigt. Daher bleiben das Abwicklungsregime und die Haftung von Eigentümern und Gläubigern der Banken, wie sie für jeden Handwerker gelten, völlig unglaubwürdig. Die Ausnahme vom Haftungsprinzip bei Bedrohung der Finanzstabilität ist daher eine Lex Deutsche Bank & Co. Das Volumen des EU-Abwicklungsfonds soll in fünf Jahren 55 Milliarden Euro betragen. Die europäischen Bankenrettungen kosteten 592 Milliarden Euro, mehr als das Zehnfache – ohne Garantien, die in der Spitze 900 Milliarden Euro umfassten. Bereits die Abwicklung der Banco Popular hätte den Abwicklungsfonds ohne die Übernahme durch die Banco Santander überfordert. Aber Fusionen verschärfen die Konzentration im Bankensektor und die systemischen Risiken. Das ist, wie in einem Raum mit Grippepatienten die Klimaanlage anzustellen. Sie wissen, dass der Abwicklungsfonds nicht trägt. Daher soll mit dem EWF auch eine weitere Verteidigungslinie von 60 Milliarden Euro geschaffen werden, auch zur Einlagensicherung. Eine EU-Einlagensicherung ist aber nur sinnvoll, wenn man Risiken reduziert, bevor man sie streut. ({3}) Die EU-Kommission will aber wie bei der Bankenabgabe die Sparkassen und Genossen zur Finanzierung der Großbanken schröpfen. Dabei verfügen die über eine eigene Institutssicherung und werden vom Rettungsfonds niemals profitieren. Wir brauchen daher ein Ende der investitionsfeindlichen Kürzungspolitik, siehe Portugal. ({4}) Dies würde es südeuropäischen Banken ermöglichen, aus schlechten Krediten herauszuwachsen. Eine Trennung von Megabanken und strengere Eigenkapitalvorschriften würden den Bankensektor stabilisieren. Verbleibende systemische Risiken könnte im absoluten Notfall die EZB in die Bilanz nehmen, aber nur bei strikter öffentlicher Kontrolle der Banken, weil die uns sonst ihren ganzen Finanzmüll vor die Füße kippen. ({5}) Das wäre die billigste Lösung, weil Euros die EZB nichts kosten und sie frei bilanzieren kann.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege De Masi, kommen Sie zum Schluss.

Fabio De Masi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004817, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Eine Bankenunion als Vollkaskoversicherung für Deutsche Bank & Co lehnt Die Linke hingegen ab. Vielen Dank. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich den nächsten Redner aufrufe – Herr Kollege Schick, einen ganz kleinen Moment! –, bitte ich, folgenden Hinweis zu beachten: Aussagen im Plenum können vom Präsidium nur dann gerügt werden, wenn das Präsidium sie gehört hat. Herr Kollege Braun, wir haben nur vernommen, dass Sie davon gesprochen haben, dass Sie als Rassist bezeichnet worden sind. Weder vom Präsidium noch von der Verwaltung ist eine solche Aussage zur Kenntnis genommen worden. Aber es wäre aus unserer Sicht unparlamentarisch, so miteinander umzugehen. – Wenn das reicht, ist es in Ordnung. ({0}) Herr Kollege Schick, Sie haben als Nächster das Wort.

Dr. Gerhard Schick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003837, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will jetzt gar nicht auf das eingehen, was Sie, Kollege Weyel, gesagt haben. Ich glaube, es war deutlich, dass sich selbst große Teile Ihrer eigenen Fraktion für das geschämt haben, was Sie hier dargeboten haben. ({0}) Ich würde auch sagen, Frau Arndt-Brauer: Es ist durchaus ein aktuelles Thema, das man diskutieren kann. Es ist zwar der Vorwurf falsch, dass wir nicht darüber geredet haben – so wird ja gesagt, bloß weil die FDP nicht dabei war –, aber es ist in der Tat ein Thema, das in Europa auf der Tagesordnung ist und womit sich der Deutsche Bundestag beschäftigen sollte. Was in dieser Debatte problematisch ist, ist der Eindruck, den Sie, Frau Stark-Watzinger, in Ihrer Rede erweckt haben, dass nämlich diese faulen Kredite in Höhe von 950 Milliarden Euro in Europa jetzt vergemeinschaftet werden sollen. Darum geht es nicht. Niemand will das. Sie deuten das an, um die Leute vor Angst auf die Palme zu treiben. Dabei geht es doch darum, die Risiken zu reduzieren und Europa stabil zu machen. Das sollte man nicht in so eine Ecke stellen. ({1}) Sie landen nämlich sonst da, wo die britischen Tories gelandet sind. Inzwischen sagen die Studien aus dem Brexit-freundlichen Haus von Theresa May: Egal wie verhandelt wird, es wird ökonomisch schlechter sein für Großbritannien. – Wer in Europa nicht mitmachen will, wird schlechter dastehen. So wird es auch uns gehen, wenn wir bei dieser Frage nur Nein sagen. Das ist keine Lösung. ({2}) Sie vermitteln den Eindruck, als hätten wir immer noch nationale Bankenmärkte und als hätten wir mit den Banken in anderen Ländern überhaupt nichts zu tun. Wenn es so wäre, dann könnte man sagen: Jedem sein Einlagensicherungstöpfchen! – Aber die Welt ist schon lange nicht mehr so. Es gibt einen Finanzbinnenmarkt. Da gibt es spanische Banken, die in Deutschland Business machen. Da gibt es italienische und französische Banken. Zu meinen, dass wir in Deutschland dann, wenn es woanders ein Problem mit der Einlagensicherung gibt, nicht massiv darunter zu leiden hätten, ist einfach ökonomisch völliger Humbug. ({3}) Deswegen brauchen wir eine Stabilisierung in Europa. Das ist eine notwendige Ergänzung. Um was geht es? Es geht darum, dass man für den Fall, dass der Einlagensicherungstopf eines anderen Mitgliedstaates bei einer Krise nicht ausreicht, eine Lösung hat. Jetzt schlägt die Kommission einen Weg vor – bis zu einer gemeinsamen Einlagensicherung. Da muss man einfach einmal zur Kenntnis nehmen, dass die USA mit genau einer solchen Regelung ein hervorragendes Beispiel dafür haben, dass der Steuerzahler geschützt wird. Darüber, dass das dem Schutz der Steuerzahler dient und dass es nicht darum geht, ihn zur Kasse zu bitten, haben Sie kein Wort verloren. ({4}) Sie sagen: Da gibt es so viele Probleme in anderen Ländern. – Ja bitte! Schauen Sie sich doch die Zahlen an! Unsere Banken waren keinen Deut besser. Man weiß nicht, wer bei der nächsten Krise von dem gemeinsamen System profitieren würde. Vielleicht wäre es Deutschland. Unsere Banken waren in der letzten Krise nicht stabiler als die anderen. Vielleicht sind sie es auch in der nächsten Krise nicht. Nicht so eine deutsche Hybris! Das hat in Europa keinen guten Klang. ({5}) Was wir Grünen vorschlagen, ist, dass wir jetzt nicht einen gemeinsamen Topf schaffen, aber ein Rückversicherungssystem. Wir wissen doch, wie Versicherungen funktionieren. Ich muss doch nicht mit allen Mitgliedern der Versicherung, bei der ich Kunde bin, befreundet sein. Darunter sind viele, die ganz dumme Sachen machen. Aber die Versicherung ist für mich gut, um mich vor einem Schaden zu schützen. So würde ein Rückversicherungssystem zwischen den Einlagensystemen in Europa auch und gerade unser deutsches System stabiler machen. Deswegen sollten wir uns dem nicht verweigern, sondern daran konstruktiv mitarbeiten. ({6}) In diesem Zusammenhang und nur in diesem Zusammenhang werden wir es auch schaffen, das hinzubekommen, worüber wir uns scheinbar einig sind, nämlich eine wirkliche Risikoreduzierung. Da muss noch einiges gemacht werden. Das muss man jetzt gemeinsam mit den europäischen Partnern auf den Weg bringen. So muss man bei dem Punkt, dass Banken viele Staatsanleihen eines Staates in ihren Büchern haben und damit ein Klumpenrisiko tragen, etwas tun. Da gibt es gute Vorschläge, etwa für eine stärkere Eigenkapitalunterlegung zu sorgen, bestimmte Grenzen einzuziehen. Natürlich brauchen wir das. Wir brauchen auch – ich bin gespannt, ob die bankenfreundliche FDP dabei mitmacht – eine höhere Eigenkapitalquote, also in Richtung 10 Prozent. Damit wäre das System stabiler. Aber da sind Ihre Freunde in den Banken dagegen, und deswegen wollen Sie da nicht ran, obwohl das das Problem lösen würde, dass die Banken auf zu wackligen Füßen stehen. Danke. ({7})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Schick. – Als Nächstes der Kollege Dr. Michelbach, CDU/CSU. ({0})

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Die Bankenunion ist einer von drei Bausteinen, die dem Euro-System mehr Stabilität geben sollen. Wie wichtig mehr Stabilität ist, haben die Erfahrungen mit der Euro-Schuldenkrise gezeigt. Diese ist vom Deutschen Bundestag und mit einem großen Gemeinschaftsgeist in Deutschland erfolgreich bewältigt worden. Wir haben die Einlagen der Sparer gerettet, wir haben die richtigen Regulierungen getroffen und haben in fraktionsübergreifender Gemeinschaft im Deutschen Bundestag rund um die Uhr Schlimmeres verhindert. Das ist die Tatsache, meine Damen und Herren. ({0}) Fazit ist: Stabilität erreicht man nur, wenn die Maßnahmen richtig und sachbezogen ausgestaltet werden. Dabei steht aus Sicht der Union ein Grundsatz ganz oben: Risiko und Haftung dürfen nicht voneinander getrennt werden. Dieses Prinzip, dieser Grundsatz muss zum Maßstab genommen werden. ({1}) Das muss gerade auch für die Bankenunion gelten. Vor allem aber müssen die Risiken abgebaut werden, bevor eine Vollendung der Bankenunion tatsächlich verantwortet werden kann. Risiken, meine Damen und Herren, gibt es leider noch zuhauf. Das ist natürlich auch wahr. Da ist zum einen die anhaltend hohe Verschuldung einer ganzen Reihe von Mitgliedstaaten. Da gibt es zum anderen faule Kredite in erheblichem Umfang in den Bankenbilanzen. Deshalb darf die europäische Bankenunion kein Transferinstrument werden, und, meine Damen und Herren, die CDU/CSU plant dies auch nicht. Das möchte ich noch einmal klar und deutlich hervorheben. ({2}) Es ist klar: Der Steuerzahler und die Sparer müssen geschützt werden. Und Voraussetzung bleibt: Stabilität erreicht man nicht durch eine bloße Vergemeinschaftung von Schulden. Deshalb ist klar: Vor der Installierung einer europäischen Bankenunion müssen faule Kredite abgebaut werden. Hierzu gibt es eine Benchmark: Anteil der faulen Kredite in den USA 2 Prozent, in Deutschland 2,5 Prozent. Das ist etwas schlechter, aber es gibt auch Länder, bei denen der Anteil der faulen Kredite bei 15, 20 oder gar 50 Prozent liegt. Da muss gehandelt werden. Darauf müssen wir hinwirken. Das werden wir auch tun, indem wir in der Gemeinschaft dafür sorgen, dass das Stabilitätsbewusstsein stärker verankert wird. Dazu gehört natürlich auch, dass wir Staatsanleihen risikoadäquat behandeln; denn Staatsanleihen sind eben nicht risikofrei. Wir mussten immer wieder lernen, dass die Aufkäufe angeblich risikofreier Staatsanleihen oder deren Finanzierung schon ein Risiko bedeuten. Wir haben es für den richtigen Weg gehalten, die Finanzierung von Staatsanleihen in Zukunft mit Eigenkapital zu unterlegen. Wir haben es hier sicher mit einer komplexen Frage zu tun. Deshalb: Ehrgeizige Zeitpläne sind gut, aber Sorgfalt muss natürlich auch hier vor Schnelligkeit gehen. Meine Damen und Herren, wir müssen alles dafür tun, dass zunächst einmal bei den Banken gehandelt wird. Eine Eigenkapitalquote von 8 Prozent der Bilanzsumme als Sicherheit ist sicher ein richtiger Weg, um Stabilität in den Banken zu erreichen, um Vertrauen bei den Finanzmarktkunden zu schaffen. Das ist unabdingbar; denn die Eigentümer, Gläubiger und die nationale Einlagensicherung sind vor Ort gefragt, wenn die Banken in irgendeine Schieflage kommen, nicht eine Vergemeinschaftung. Wir sind richtig beraten, eine Bankenunion mit Augenmaß mit den großen Aufgaben der Regulierung zu verbinden. Wir werden darauf achten, dass die Sparer, die Finanzmarktkunden in Deutschland nicht in Haftung genommen werden. Die Steuerzahler dürfen nicht in Haftung genommen werden. Das ist die Voraussetzung für eine Bankenunion auf europäischer Ebene. Herzlichen Dank. ({3})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Michelbach. – Als Nächstes der Kollege Metin Hakverdi, SPD. ({0})

Metin Hakverdi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004289, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Obwohl wir heute eine Aktuelle Stunde haben, will ich die Gelegenheit nutzen, auf die Ereignisse in der Vergangenheit aufmerksam zu machen. Heute vor zehn Jahren war die sogenannte Finanzkrise in vollem Gange. ({0}) Monate zuvor ist die Subprime-Blase in den USA geplatzt, in den folgenden Monaten sind Banken wie Bear Stearns, Lehman Brothers, Banken in Europa und auch die eine oder andere deutsche Landesbank ins Schleudern geraten. Mit sehr viel öffentlichem Geld hat man diesen Sektor stabilisiert, damit wir Schlimmeres verhindern. Das war auch nötig, denn irgendwann ging es auch um den Euro als Ganzes. Die Bankenunion ist eines der Instrumente, die wir in Deutschland, in der Euro-Zone, gegründet haben, damit uns so etwas nie wieder passiert oder zumindest die Wahrscheinlichkeit drastisch reduziert wird. Die ersten beiden Säulen der Bankenunion – die einheitliche Bankenaufsicht und die einheitliche Bankenabwicklung – sind gegründet. Nun gilt es, die dritte Säule, die Einlagensicherung, voranzubringen. Die europäische Einlagensicherung ist eine, aber nicht die einzige Maßnahme, die ergriffen werden muss, um den Euro auch in schwierigen makroökonomischen Lagen stabilisieren zu können. Die EU-Kommission hat im November 2015 – es ist angesprochen worden – einen Verordnungsvorschlag zur Errichtung einer europäischen Einlagensicherung vorgelegt. In dieser war eine vollständige Vergemeinschaftung der Einlagensicherung ab 2024 vorgesehen. Aus guten und berechtigten Gründen haben wir seinerzeit einen solchen Vorstoß in einem gemeinsamen Entschließungsantrag mit der Union abgelehnt; der Vorschlag der Kommission war viel zu weitgehend. Zwischenzeitlich wurde ein Kompromissvorschlag von der zuständigen Berichterstatterin des Europäischen Parlaments vorgelegt. Ihr Vorschlag könnte einen Kompromissweg aufzeigen, der den Interessen aller Mitgliedstaaten der Euro-Zone gerecht werden könnte. Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine europäische Einlagensicherung kann nur dann funktionieren, wenn sie auf grundsoliden Füßen steht. Das setzt voraus – das ist heute schon genannt worden –, dass die Altlasten aus faulen Krediten, also die Non-performing Loans, vorher signifikant und konsequent abgebaut werden müssen. Noch immer gibt es davon viel zu viele in den Bilanzen diverser Banken der Euro-Zone. Ebenso müssen Kredite an Staaten mit Eigenkapital unterlegt werden. Bei der Risikobemessung muss das jeweilige länderspezifische Risiko berücksichtigt werden. Letztlich muss man auch die besondere Rolle der Sparkassen, der Genossenschaftsbanken, der Förderbanken, der kleinen und mittleren Privatbanken berücksichtigen. Schließlich waren sie bei der Finanzkrise ab 2008 eine wichtige Stütze für die Finanzstabilität in unserem Land. Sie dürfen nicht über Gebühr belastet werden. Darauf werden wir besonders achten. ({1}) Ferner sind aus unserer Sicht weitere Maßnahmen erforderlich, um das Bankensystem in Deutschland und der Euro-Zone insgesamt zu stabilisieren. Wir schlagen vor: Erstens: die Einführung eines Trennbankensystems. Das bedeutet, dass Geschäftsbanken, die Kundeneinlagen verwalten, eben nicht im Investmentgeschäft tätig sein dürfen. Zweitens: die Einführung einer klaren und angemessenen Verschuldungsquote für Banken. Drittens: Bei einer Schieflage einer Bank müssen vorrangig die Anteilseigner und deren vermögende Gläubiger haften. Das Bail-in-Prinzip muss konsequent angewendet werden. ({2}) Viertens: Der Eigenhandel von Banken muss eingeschränkt werden. Fünftens: Transparenz bei den Geschäftsbeziehungen zwischen Banken und Schattenbanken, die nicht der dichten Regulierung unterliegen wie Banken. Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine gemeinsame Einlagensicherung, solide organisiert, wird Banken und den Euro stabilisieren. Damit wird die Euro-Zone besser vor asymmetrischen Schocks, wie wir sie in der Finanz- und Euro-Krise ab 2008 erlebt haben, geschützt. Das ist gut für den europäischen wie für den deutschen Sparer und Steuerzahler gleichermaßen. ({3}) Zu einem friedlichen Europa gehört auch ein wirtschaftlich stabiles Europa. Viele vergessen das nach über 70 Jahren Kriegsende. Die Vollendung der Bankenunion wird Deutschland und Europa stabiler machen. Vielen Dank. ({4})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herzlichen Dank, Herr Kollege Hakverdi. – Als Nächstes der Abgeordnete Stefan Keuter, AfD. ({0})

Stefan Keuter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004778, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der geschäftsführende Finanzminister hält es für denkbar, dass sich die EU kurzfristig auf einen Fahrplan zur Vergemeinschaftung der Einlagensicherungssysteme einigt. ({0}) Voraussetzung sei, dass die Risiken in den Bankbilanzen auf ein erforderliches Minimum begrenzt würden. Der Finanzminister stellt sich hier einen längeren Fahrplan vor wie damals bei der Euro-Einführung. Wir haben schon bei der Einführung der Gemeinschaftswährung erleben dürfen, was von solchen geschlossenen Verträgen zu halten ist, nämlich nichts. ({1}) Von den Maastricht-Kriterien zur Schuldenobergrenze ist nichts übrig geblieben. Vom Verbot der gegenseitigen Staatshaftung ist nichts übrig geblieben. ({2}) Vom Verbot der Staatsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank ist nichts übrig geblieben. ({3}) Die Liste ist noch länger; ich erspare Ihnen hier die Einzelheiten. Jetzt wird gefordert, dass die Banken ihre Risiken reduzieren. Risikoreduzierung bedeutet nichts anderes als den Verkauf von Forderungen mit Verlust. Hierzu brauchen Banken frisches Eigenkapital. Das ist aber von der EU nicht gewollt. Wir nehmen den Banken also quasi die Luft zum Atmen, und wir wollen bei Bankenpleiten die betroffenen Sparer aus EU-Töpfen entschädigen, mit deutschem Geld. ({4}) Der von der EU-Kommission angestrebte Transfermechanismus zwischen soliden und weniger soliden nationalen Sicherungssystemen führt im Kern dazu, dass jede Bank in der Euro-Zone für die Risiken anderer Banken mithaften muss. Dies führt dazu, dass deutsche Sparer beispielsweise für die Risiken von südeuropäischen Banken mithaften müssen. Aber genau diese Banken sind teilweise marode und im Kern unsolide. Diese Banken in Südeuropa haben in viel zu großem Umfang faule Kredite in den Bilanzen. Wollen wir mit dem Geld deutscher Sparer russisches Roulette mit sechs Kugeln in der Trommel spielen, meine Damen und Herren? ({5}) Die aktuell vermeintlich gute Konjunktur fußt ganz im Wesentlichen auf der Niedrigzinspolitik der EZB; man mag es auch Enteignung nennen. Was aber passiert, wenn die Zinsen wieder steigen? Dann steigen die Konjunkturrisiken und damit auch die Kreditrisiken. Und wir Deutschen sollen dann über eine Bankenunion den Deckel zahlen? Was soll dieser Unsinn? Im kleinen Zypern wurden die Sparer bereits rasiert. Das Griechenland-Abenteuer haben wir mit einem blauen Auge überstanden. Gut, die Milliarden werden wir wahrscheinlich nie wiedersehen; aber sie stehen noch in den Büchern. Glauben Sie tatsächlich, dass es besser wird, wenn man jetzt Zusatznetze für Finanzjongleure spannt, in die sie sich jederzeit fallen lassen können? Unglaublich! Schauen wir einmal nach Italien. Das „Handelsblatt“ hat geschrieben, dass 360 Milliarden Euro an faulen Krediten in den Bilanzen italienischer Banken stehen. Die Gründe liegen in der schleppenden italienischen Konjunktur, dem schwachen Immobilienmarkt in Italien und ganz wesentlich in der schlampigen Kreditvergabepraxis. Der italienische Staat würde die Banken gerne stützen. Das wiederum möchte die EU nicht. Die EU möchte, dass die Banken die faulen Kredite abbauen, also die Forderungen mit Verlust verkaufen. Um diese Verluste schultern zu können, bräuchten die Banken frisches Eigenkapital, das der Staat im Zweifel auch gerne zuschießen möchte; aber die EU verbietet es wieder. Merken Sie etwas? Über diese Vergemeinschaftung der Sicherungssysteme haftet letzten Endes doch nur der deutsche Sparer. ({6}) So funktioniert das mit uns nicht, meine Damen und Herren. Es ist absolut richtig, dass ein gemeinsamer Verbleib in der Euro-Zone nur funktionieren kann, wenn die Standards in der Euro-Zone weiter vereinheitlicht werden. Damit müsste aber die EU den einzelnen Staaten immer mehr Vorschriften machen und die souveränen Rechte entziehen. Wollen Sie das? Herr Schulz würde Ihnen Beifall klatschen – heute ist er nicht hier; deswegen kann er es nicht –, wir machen es aber nicht. Im Sinne eines guten Europas, eines Europas der Vielfalt und der Kulturen halten wir den Euro und das hiesige Ansinnen für kontraproduktiv. ({7}) Wir sollten uns besser mit einem geordneten Ausstiegsszenario beschäftigen als mit dieser Utopie. Wir lehnen ein europäisches Einlagensicherungssystem entschieden ab. Vielen Dank, meine Damen und Herren. ({8})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Als Nächster, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Kollege Dr. Florian Toncar für die Freien Demokraten. ({0})

Dr. Florian Toncar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003856, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist vorhin von der Kollegin Arndt-Brauer gesagt worden, es sei hier immer wieder über das Thema Einlagensicherung und Bankenunion debattiert worden. Das mag so sein. Aber wenn man sich in dieser Debatte einmal anhört, welche Einigkeit zwischen CDU/CSU, SPD und Grünen bei diesem Thema besteht, dann sage ich: Eine lebendige Debatte kann das nicht gewesen sein. ({0}) Dass diese Debatte aktuell ist, Frau Kollegin, zeigen die Reaktionen aus der Fachwelt. Sie müssen der FDP nicht glauben, dass das ein wichtiges Thema ist; aber schauen Sie sich an, was Verdi dazu geschrieben hat. Sie hat geschrieben: Dadurch sind unsere Arbeitsplätze in Gefahr. Es ist eine Gefahr für die Arbeitsplätze, insbesondere bei den Sparkassen. – Das sagt Verdi. Wenn Verdi recht hat, dann darf man Verdi auch einmal erwähnen. Recht hat sie. ({1}) Der Städtetag sagt Ähnliches. Die Volksbanken sprechen von einer existenziellen Gefahr für alle Verbundsysteme. Deswegen, Kollege Schick, sind es insbesondere die kleinen Banken, die Sorgen haben, und nicht die großen, wie Sie hier insinuiert haben. Die kleinen Banken haben die größten Sorgen vor einer einheitlichen europäischen Einlagensicherung. ({2}) Um eines aus unserer Sicht klarzustellen: Bankenunion ist eine gute und richtige Idee. Aber Bankenunion funktioniert auch ohne eine einheitliche Einlagensicherung auf europäischer Ebene. Man kann sie machen, aber man muss sie nicht machen. Es ist nicht so, dass es ein elementarer und unverzichtbarer Bestandteil dessen wäre. Bankenunion ist heute Bankenaufsicht unter dem Dach der EZB und eine einheitliche Abwicklung von Banken durch eine einheitliche europäische Abwicklungsbehörde. Beides kann man noch besser machen; aber beides funktioniert für sich genommen sehr gut. Das hat mit der Einlagensicherung indirekt zu tun; aber Sie können das auf die eine wie die andere Weise lösen. Deshalb können wir hier debattieren und unterschiedlicher Meinung sein; es ist jetzt jedoch kein zwangsläufiger Weg, wie manche hier den Eindruck erwecken, in einer einheitlichen Einlagensicherung vorgezeichnet. ({3}) Ich will noch einmal etwas zur Einlagensicherung bei kleinen Banken sagen. Wenn eine kleine Bank pleite ist, dann kann das nationale Einlagensicherungssystem ohne Probleme einschreiten, auch in Zukunft, es kann den Fall lösen. Interessant wird es, wenn in Zukunft bei einer einheitlichen Einlagensicherung eine große Bank nach europäischen Regeln abgewickelt werden muss. Dann entschädigt nämlich das nationale Einlagensicherungssystem den einheitlichen Abwicklungsfonds; das heißt, die Gelder, die auch die kleinen Banken eingezahlt haben, gehen dann in die Abwicklung der großen, sollen die Lasten finanzieren. Ich will einmal wissen, warum das gerechtfertigt ist und wie man es rechtfertigen kann, dass die kleinen Banken für die Abwicklung der großen zahlen sollen. Dazu habe ich heute nichts gehört, wird oft übersehen, ist aber der falsche Weg, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({4}) Wenn man über die Vollendung der Bankenunion diskutiert, dann liest man in den Papieren hauptsächlich etwas zum Thema „Einlagensicherung“. Aber die wirklich wichtigen Dinge, die in der Bankenunion zu optimieren und zu verbessern sind, finden sich in den entsprechenden Planungen nirgends. Es ist eine rein auf die Einlagensicherung beschränkte Debatte. Jedenfalls lese ich in den Papieren nicht sehr viel von anderen Dingen. ({5}) – Ich will Ihnen einmal einige Beispiele nennen, bevor Sie mir widersprechen, Herr Kollege Schick. Die drei italienischen Banken, Banca Monte dei Paschi di Siena, die älteste Bank der Welt, Banca Popolare di Vicenza und die Veneto Banca, sind trotz des einheitlichen Abwicklungsmechanismus erneut mit Steuergeldern gerettet worden. Warum war das so? Weil es in den entsprechenden Rechtsgrundlagen einige Schlupflöcher gibt, die prompt beim ersten, zweiten und dritten Anwendungsfall genutzt worden sind. Nun müsste man doch zuallererst diese Schlupflöcher stopfen, damit Banken abgewickelt und nicht gerettet werden. Das wäre doch das Wichtigste. Und das erwarte ich von der Bundesregierung. ({6}) Wir könnten weitermachen. Wo lese ich etwas über einen Umschuldungsmechanismus für Staaten? Den brauchen wir – Stichwort: Gläubigerhaftung. Wo lese ich etwas über Eigenkapitalunterlegung bei Staatsanleihen? Das höre ich immer wieder. Wenn man über die Fortschreibung der Bankenunion spricht, Kollege Michelbach, dann wäre das ein Beitrag zur Lösung. Ich erwarte, dass Herr Altmaier mit seinem französischen Kollegen darüber spricht und nicht zuerst über die Einlagensicherung. ({7}) Im Übrigen, Kollege Schick, ist es aus meiner Sicht nicht so, wie Sie es gesagt haben, dass der Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen bereits so gut funktioniert, dass das alles grenzüberschreitend prima möglich wäre. ({8}) Es muss darauf geachtet werden, dass der Binnenmarkt besser funktioniert. Ich habe viele digitale Geschäftsmodelle von Banken gesehen, die versucht haben, ein Produkt digital im Internet zu vertreiben und es in verschiedenen europäischen Ländern anzubieten. Das scheitert noch immer sehr oft. Das wären doch Aufgaben für eine Integration der Bankenmärkte in Europa und nicht zuerst die Einlagensicherung. ({9}) Die einheitliche Einlagensicherung hat erhebliche Nachteile. Sie wird für die Banken hier in Deutschland teurer. Sie ist auch mit dem Risiko verbunden, dass die Absicherung schlechter wird. Bei den Verbundsystemen und bei der Institutssicherung der Volksbanken und Sparkassen ist das evident. Ich erinnere auch an die freiwillige Einlagensicherung der Privatbanken, die natürlich ebenfalls infrage steht. ({10}) Das ist doch mehr als das, was gesetzlich gefordert ist. Das ist in Gefahr, wenn man alles in eine einheitliche Einlagensicherung überführt. Das heißt, die Absicherung kann auch noch schlechter werden. Da muss man erst einmal begründen, dass das wirklich ein Fortschritt ist. Ich bin davon nicht überzeugt. Deswegen halte ich es für wichtig, dass sich die Bundesregierung hier anders positioniert, als es bisher der Fall war. ({11})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Als Nächstes, liebe Kolleginnen und Kollegen, spricht der Kollege Sepp Müller von der CDU/CSU. Meine Bemerkung: Es handelt sich hierbei um seine erste Parlamentsrede. ({0})

Sepp Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich schiebe meine Rede beiseite; denn ich habe gar nicht gewusst, dass heute im Deutschen Bundestag so viel Realsatire statt Realpolitik vorgetragen wird. Ich habe von 2007 bis 2010 eine Lehre als Bankkaufmann bei der Sparkasse absolviert. Kennen Sie das? ({0}) – Nein, das ist kein SPD-Parteibuch. Anders als vielleicht die Altersgenossen bei den Jusos scheuen wir uns in meinem Alter bei der CDU/CSU nicht vor der staatspolitischen Verantwortung. Nein, es ist ein Sparkassenbuch. ({1}) Es ist ein Sparbuch, das für Vertrauen steht. Sie, liebe Liberale, versuchen hier in der Aktuellen Stunde, die Sie gefordert haben, Angst zu schüren und Vertrauen zu zerstören. Dazu muss ich sagen: Das ist wirklich mehr als despektierlich. Wenn Sie davon sprechen, dass die Einlagensicherung demnächst auf europäischer Ebene vereinheitlicht werden soll, dann sagen Sie mir bitte, wo das steht. Was hat der geschäftsführende Finanzminister gesagt? Er hat gesagt: Wir haben eine Roadmap, an die halten wir uns, und wenn alle Punkte abgearbeitet sind, dann können wir uns am Ende des Prozesses darüber unterhalten. – Das gehört zur Ehrlichkeit dazu. ({2}) Lieber Dr. De Masi, ich empfehle Ihnen, mit Ihrem linken Genossen in Wittenberg zu sprechen, der Landrat und gleichzeitig Verwaltungsratsvorsitzender der Sparkasse ist. Sprechen Sie einmal mit ihm über den Vorschlag, die Eigenkapitalquoten zu erhöhen. Ich bin auf seine Antwort gespannt. ({3}) In den Regionalbanken, die während der Finanzkrise so wichtig waren, um das deutsche Finanzsystem aufrechtzuerhalten, sind die Eigenkapitalquoten schon peu à peu erhöht worden. Das hatte zur Folge, dass vor allem in den Regionalbanken Umstrukturierungsmaßnahmen – unter anderem mit Beteiligung Ihres eben angesprochenen Verwaltungsratsvorsitzenden – vorgenommen wurden. Es kam zu Filialschließungen und Personalabbau in der Fläche. Das gehört – gerade bezogen auf das deutsche Bankensystem – zur Ehrlichkeit dazu, wenn Sie noch höhere Eigenkapitalquoten fordern. ({4}) Es würde unsere Regionalbanken kaputtmachen, liebe Freunde. ({5}) Dr. Schick, Sie sprechen ja mittlerweile von einer Eigenkapitalquote von 10 Prozent, von faulen Krediten in Höhe von 950 Milliarden Euro und von einer hervorragenden Regelung in den USA – Sie meinen, dass es da super läuft. ({6}) Wir müssen aber ganz ehrlich sagen, Herr Schick: Wir sind nicht Amerika. Unser Ziel ist es – wir bleiben dabei –, das Risiko im Bankensystem Europas weiter zu reduzieren – ich denke, da sind wir uns einig –, einheitliche Regeln zu finden, die umgesetzt werden müssen, und die faulen Kredite, für die die Sparer mithaften – egal in welchem Land –, zu reduzieren. Das muss unser Ziel sein. Am Ende des Prozesses gehört es dazu, miteinander zu reden. ({7}) Darum ist es auch gut, dass man darüber diskutiert. Ich bin einer der wenigen ganz Jungen unter 30, die hier im Deutschen Bundestag sind, und vor allem wir profitieren von Europa, von der Reisefreiheit. Liebe Abgeordnete der AfD, was Sie hier preisgeben, spiegelt Ihr ganzes Bild von Europa wider. ({8}) Sie haben es letzte Woche am besten bewiesen, als der Präsident der französischen Assemblée nationale hier in perfektem Deutsch eine Rede gehalten hat. Ihre Reaktionen waren beschämend für unser Land. Ich schäme mich dafür, dass Sie so reagieren. ({9}) Sie fordern eine Kultur in Deutschland. Was gehört denn zur Hochkultur? Dazu gehört, dass man miteinander spricht. Wenn eine Aktuelle Stunde ansteht, dann reden wir miteinander. ({10}) Wir reden auch mit den Franzosen. Und wenn die Europäische Kommission einen Vorschlag macht, dann gehört es in einer deutschen Kultur, aber auch in einer europäischen Kultur dazu, dass man miteinander spricht, anstatt, wie Sie, hier zu sitzen und – ich zitiere; das ist eine Schande – von der „größten deutschen Kapitulation“ seit dem Zweiten Weltkrieg zu sprechen. ({11}) Es ist beschämend, dass solche Worte von Ihnen hier im Parlament fallen. ({12}) Ich schäme mich dafür. Lassen Sie uns miteinander reden. Ich freue mich darauf. Herzlichen Dank. ({13})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Müller. – Als Nächstes spricht der Kollege Markus Töns von der deutschen Sozialdemokratie. ({0})

Markus Töns (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004921, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist jetzt eine schon weit fortgeschrittene Debatte mit einigen sehr merkwürdigen Wortmeldungen. Ich will trotzdem versuchen, zum Punkt zurückzukommen. Eine der wichtigsten Lehren, die wir aus der Wirtschafts- und Finanzkrise gezogen haben, ist doch, dass wir uns im Finanzbereich auf europäischer Ebene besser koordinieren müssen. In der EU gibt es eine klare Entwicklung hin zu einem Abbau von notleidenden Krediten. Das zeigt der Fortschrittsbericht zur Entwicklung der Risiken in der europäischen Bankenbranche, den die Europäische Kommission in diesem Monat vorgelegt hat. Seit 2014 ist die Zahl notleidender Kredite in der EU – das sind die Kredite, deren Rückzahlung seit mindestens 90 Tagen fällig ist – um ein Drittel gesunken. Das ist umso bedeutsamer, weil faule Kredite noch immer eine der größten Risikoquellen im europäischen Bankensektor sind. Auch die FDP dürfte eigentlich das Risiko grenzüberschreitender Ausstrahlungseffekte – einige Redner haben es vorhin schon gesagt – im Bankensektor nicht leugnen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten begrüßen ausdrücklich, dass sich die EU-Mitgliedstaaten koordinieren, um die Bankenunion zu vollenden. Der Aktionsplan für den Abbau notleidender Kredite, den der Rat im Juli vergangenen Jahres beschlossen hat, ist ein Schritt auf dem Weg zur Vollendung der Bankenunion, und er ist richtig. ({0}) Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind in dieser Frage nicht naiv. Natürlich zeigt der Fortschrittsbericht der Kommission auch, dass der Abbau notleidender Kredite nicht in allen EU-Staaten gleich gut funktioniert. Gerade deshalb ist es ja so wichtig, dass sich die Mitgliedstaaten auch in Zukunft in diesem Bereich koordinieren. Natürlich gilt weiterhin, dass die EU-Mitgliedstaaten und individuelle Banken dafür Sorge tragen müssen, dass der Anteil notleidender Kredite sinkt. Wenn die FDP-Fraktion in dieser Aktuellen Stunde – ich will an dieser Stelle einmal auf den Kollegen Dürr von der FDP-Fraktion verweisen – und in einem Artikel der „FAZ“ behauptet, dass die Fraktion die gemeinsame Einlagensicherung im Interesse der Steuerzahler ablehnt, dann muss man sich schon fragen, wie das alles zusammenpasst. Eine gemeinsame Einlagensicherung soll doch gerade nicht aus Steuergeldern finanziert werden, meine Damen und Herren, sondern durch Finanzinstitute. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler würden nicht zur Kasse gebeten, sondern geschützt. Sie schüren nicht nur eine diffuse Angst davor, dass die Schaffung einer europäischen Bankenunion automatisch eine Transfer- und Schuldenunion bedeuten würde, ({1}) was auch immer Sie darunter verstehen; denn bisher erläutern Sie den Begriff ja nicht. Sie werfen vor allem auch eine Finanzierung durch Finanzinstitute und eine Finanzierung über Steuergelder durcheinander. Im Übrigen tun das nicht nur Sie; die AfD wirft in dieser Frage alles durcheinander und scheint das ganze System nicht verstanden zu haben. ({2}) – Ja, so ist das, Herr Gauland, die Sozialdemokraten haben das verstanden. ({3}) Für die Bürger in Deutschland soll der Eindruck entstehen, meine Damen und Herren, dass ihnen durch eine europäische Bankenunion etwas weggenommen würde. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Europäische Zentralbank hat im Jahr 2017 festgestellt, dass das anvisierte Zielvolumen eines europäischen Einlagensicherungsfonds – das sind 0,8 Prozent der gedeckten Einlagen – in der letzten Finanzkrise ausgereicht hätte, um die Ansprüche der europäischen Anleger zu befriedigen. Das heißt doch: Nur durch ein europäisches System bei der Einlagensicherung werden Steuerzahler bei einer Bankenrettung zukünftig nicht mehr zur Kasse gebeten. Wir wollen, dass die Bankenbranche sich im Falle einer Krise selbst retten kann. Eine Situation, wie wir sie im Jahr 2008 erlebt haben, als Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für die Rettung von Banken aufkommen mussten, darf sich nie wiederholen. Sichere Banken bekommen wir nur durch eine europäische Anstrengung. Eine vernünftige, funktionierende Einlagensicherung ist Teil eines Pakets, um das zu erreichen. Glück auf! ({4})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Töns. – Als letzten Redner in der Aktuellen Stunde rufe ich Herrn Dr. Hermann-­Josef Tebroke, CDU/CSU-Fraktion, auf und weise darauf hin, dass es sich hierbei um seine erste Parlamentsrede handelt. ({0})

Dr. Hermann Josef Tebroke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004912, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Jahre 2008 ereilte nicht nur die Vereinigten Staaten von Amerika, sondern auch Deutschland und Europa eine Finanz- und Wirtschaftskrise, mit der viele in diesem Ausmaß nicht gerechnet haben. Ich weiß nicht, wer damals geglaubt hätte – Sie haben es gerade angesprochen, Herr Dr. Michelbach –, dass wir uns nach zehn Jahren, sprich: heute, wieder in einer so guten wirtschaftlichen Verfassung befinden. Ich glaube, man wäre gefragt worden, ob man gesund sei. ({0}) Wir haben aber auch erlebt, meine Damen und Herren, dass es sich nicht nur um ein Problem der Banken oder der Finanzinstitute, sondern letztlich auch um ein Problem der Wirtschaftssysteme insgesamt handelte. Dass es ein Problem des Vertrauens gibt, haben nicht nur die Banken erlebt, sondern alle Wirtschaftsbereiche haben dies erleben müssen. Wir sehen heute in verschiedenen Facetten immer noch die Folgen dessen, was seinerzeit passiert ist. Die Bankenunion kann eine Antwort darauf sein; sie kann ein wichtiges Instrument sein, damit so etwas nie wieder passiert. Es geht also um die Stabilisierung der Finanzmärkte, unseres europäischen Finanzmarktes. Es geht um die Verbindung von Risiko und Haftung. Es geht um das Wiedergewinnen von Vertrauen der Sparer in ihre Bank in ihrem Land, und es geht auch um die Rücksicht auf unsere funktionsfähige deutsche kleinteilige Kreditwirtschaft. Auch ihr gegenüber sind wir in der Verantwortung. Die Bankenunion – es geht nicht darum, sie hier schönzureden – befindet sich im Aufbau und wird korrigiert; das hat auch niemals jemand aus unserer Fraktion bestritten. Es geht darum, diese Bankenunion als ein wichtiges Instrument zu begreifen, das weiterentwickelt werden muss und weiterentwickelt werden kann. Die gemeinsame Aufsicht als erste Säule ist ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Finanzmärkte. Hier soll Stabilität erreicht werden. Ich sage „soll“, weil wir natürlich keineswegs schon am Ziel angelangt sind. Es hat auch keiner die großen Risiken – gerade war von den faulen Krediten bzw. von den Staatskrediten die Rede, die in den Bilanzen vieler Banken schlummern – verheimlicht. Es ist keine gute und angenehme Diskussion, und es ist auch politisch nicht einfach, über die Bonitätsunterschiede bei der Vergabe von Krediten an öffentliche Haushalte zu diskutieren, aber wir werden diese Diskussion führen. Wir verstecken dieses Problem nicht, sondern wir werden es anpacken, und das müssen wir auch; denn sonst funktioniert die Bankenunion nicht. ({1}) Mit dem einheitlichen Bankenabwicklungsmechanismus wird die vorgesehene Haftungskaskade, so wie wir uns das wünschen, endlich normiert, nach dem Grundsatz, dass eben nicht zuvorderst die Steuerzahler zur Kasse gebeten werden, sondern für die Abwicklung die Gruppe aller Banken in Europa haftet. Das war immer unser Ziel. Und ich sage an dieser Stelle sehr deutlich: Deswegen ist auch die zweite Säule eine wichtige Säule, die auszubauen sich lohnt. ({2}) Ich komme zur dritten Säule, zur Harmonisierung der nationalen Einlagensicherungssysteme. Das ist eine wesentliche Errungenschaft. Sie dient im Besonderen dem Interesse der Sparerinnen und Sparer und der Bildung – oder muss man sagen: Rückgewinnung? – ihres Vertrauens in ihre Bank in ihrem Land. Durch die Definition von europaweit einheitlichen Mindeststandards wird erreicht, dass die Risiken nur in dem Land aufgefangen werden, wo sie tatsächlich entstehen, und dass die Risiken bei der Haftung in den jeweiligen Ländern zu verbleiben haben. Jedem Land ist es unbenommen, über die Mindestanforderungen hinausgehende Einlagen in die Institutssicherung zu implementieren. So haben wir das auch in der Bundesrepublik gehalten, und so werden wir es auch weiterhin halten. Lassen Sie mich vor diesem Hintergrund einen Blick auf die deutschen Banken, insbesondere die kleinen und mittelständischen Sparkassen und Genossenschaftsbanken werfen, für die wir uns – es wurde eben angesprochen – im Parlament sehr wohl verantwortlich fühlen. Einheitliche hohe Standards der Aufsicht in Europa sind erstrebenswert. Sie bedeuten in einigen Mitgliedstaaten deutliche Verbesserungen, von denen wir auch profitieren – das ist gewiss so –, aber wir müssen uns bei der Regulierung auch darüber Gedanken machen, ob sie verhältnismäßig ist, ({3}) ob das, was wir von den Instituten erwarten, die nicht für die Krise verantwortlich waren, eigentlich leistbar ist und ob der Verwaltungsaufwand sie am Ende nicht dazu zwingt, zu fusionieren oder aus dem Markt auszuscheiden. Das können wir nicht wollen, weil das unser durchaus erfolgreiches Bankensystem beschädigt. ({4}) In diesem Zusammenhang verweise ich auf die laufende Diskussion über die Möglichkeiten für mehr Proportionalität in der Bankenaufsicht für mittelständische Institute, Stichwort: Small Banking Box. Hier haben wir uns zwar schon auf dem Weg gemacht; aber ich glaube, dass es dringend notwendig ist, weitere Schritte zu gehen. Dass gerade die kleinen Kreditinstitute nunmehr zusätzlich zu einem neuen, europäisierten Haftungsregime erworbene Vorteile und Besonderheiten möglicherweise aufgeben sollen und in eine vergemeinschaftete Einlagensicherung einzahlen sollen, meine Damen und Herren, halte ich nicht nur für unzumutbar, sondern auch für unnötig. Ich glaube im Übrigen, dass damit falsche Verhaltensanreize gesetzt werden. ({5})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, kommen Sie freundlicherweise zum Schluss?

Dr. Hermann Josef Tebroke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004912, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das mache ich gerne, Herr Präsident. – Vor zehn Jahren begann die Finanzkrise. Vor fünf Jahren haben CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben – sie haben im Laufe der Legislatur auch entsprechend gehandelt; ich darf zitieren –: Die Sicherheit der Spareinlagen ist ein wesentliches Element stabiler Finanzmärkte.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, es wäre schön, wenn Sie Ihrer Ankündigung auch Taten folgen lassen würden.

Dr. Hermann Josef Tebroke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004912, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, das tue ich. ({0}) … Die deutschen Einlagensicherungssysteme haben sich in der Krise als stabil erwiesen. Eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung auf EU-Ebene lehnen wir ab. Meine Damen und Herren, ich kann wirklich nicht erkennen, warum von diesem guten Grundsatz abgewichen werden soll. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({1})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege. Das war sehr nachsichtig. Damit ist die Aktuelle Stunde beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich wünsche Ihnen allen einen wunderschönen Abend, vielleicht auch zur Gewinnung neuer Einsichten. Ich erwarte Sie morgen fröhlich, gut gelaunt und frisch im Plenarsaal zurück. ({0}) Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 1. Februar 2018, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 18.24 Uhr)