Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Tag! Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte
Platz.
Vor Eintritt in die Tagesordnung teile ich Ihnen mit:
Interfraktionell ist vereinbart worden, die Unterrichtung
der Bundesregierung auf Drucksache 18/4051 zur Stellungnahme des Bundesrates zu dem bereits überwiesenen Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom
5. Dezember 2014 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen zum Export besonderer
Leistungen für berechtigte Personen an den federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales sowie zur Mitberatung an den Innenausschuss zu überweisen. Sind Sie
mit diesem Vorschlag einverstanden? - Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Zweite Änderung der Vereinbarung über die Errichtung, Finanzierung und Verwaltung des Fonds „Heimerziehung in der DDR in
den Jahren 1949 bis 1990“.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend, Frau Manuela Schwesig. - Bitte, Frau
Ministerin.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren Abgeordnete! Ich freue mich sehr, dass ich
Ihnen heute über den Beschluss des Kabinetts zur Unterzeichnung einer neuen Verwaltungsvereinbarung, gemeinsam mit den ostdeutschen Bundesländern und Berlin, zur Aufstockung des Hilfsfonds für Heimerziehung
in der DDR berichten kann. Ich freue mich deshalb, weil
ich weiß, dass es vor einem Jahr ein gemeinsames wichtiges Anliegen über alle Fraktionsgrenzen hinweg war,
den bestehenden Hilfsfonds aufzustocken, nachdem wir
festgestellt hatten, dass er nicht mehr ausreicht, um allen
Betroffenen zu helfen und die Leistungen, die es bisher
gab, weiterhin zu sichern.
Wie Sie wissen, haben wir 2011 gemeinsam mit den
ostdeutschen Bundesländern und Berlin einen Hilfsfonds
für Männer und Frauen eingerichtet, die als Kinder in
DDR-Heimen untergebracht waren und dort Gewalt, Repressalien und Übergriffe erlebt haben, unter denen sie
heute noch leiden.
Ich will vorwegschicken, dass es beide Seiten gab.
Ich persönlich kenne einen sehr erfolgreichen Unternehmer, der ein hohes soziales Engagement an den Tag legt
und der in ein DDR-Heim kam, weil - um es mit seinen
Worten zu sagen - er es zu Hause nicht überlebt hätte. Er
kam also aus guten Gründen in ein Heim: damit er der
Kindeswohlgefährdung in seinem Elternhaus nicht weiterhin ausgesetzt war. Er hat in diesem Heim Gutes erlebt. Er sagt, die Beziehung zu den Erzieherinnen im
Heim war für ihn wichtig und hat ihm geholfen, einen
guten Weg zu gehen.
Es gab aber auch die andere Seite. Wie in westdeutschen Heimen haben leider auch Kinder und Jugendliche
in DDR-Heimen Repressalien erlebt. Insbesondere in
den Spezialheimen und Jugendwerkhöfen mussten sie
unter massiver Gewalt, entwürdigender Behandlung und
unmenschlichen Strafen leiden. Die Folgen davon spüren sie bis heute.
Ich gehöre einer jüngeren Generation an, die das
Glück hat, in einer guten Umgebung aufgewachsen zu
sein und die Freiheit des wiedervereinigten Deutschland
erleben zu dürfen. Deshalb ist es für mich eine besondere Verpflichtung, denjenigen zu helfen, die anderes erlebt haben.
Dieser Hilfsfonds mit einem Volumen von 40 Millionen Euro wurde 2011 in großer Einigkeit aufgelegt. Wir
wollen die Leute damit nicht entschädigen, aber zum
Teil das wiedergutmachen, was ihnen widerfahren ist.
Aus Gesprächen mit Betroffenen wissen wir, dass uns
das auch gelingt. Es geht darum, den Betroffenen im Alltag zu helfen, mit den Folgen besser klarzukommen:
durch Therapien, durch finanzielle Unterstützung in sozialen Notlagen, durch Qualifizierung - viele Heimkin8206
der waren von Bildungs- und Entwicklungschancen ausgeschlossen - oder durch Ausgleichszahlungen für
Rentenansprüche, die ihnen entgangen sind, weil sie in
den Heimen ohne Lohn oder Sozialversicherung arbeiten
mussten.
Knapp 5 000 ehemaligen Heimkindern konnte der
Fonds bereits helfen. Bis September 2014 haben weitere
27 500 ehemalige Heimkinder ihre Bedarfe angemeldet.
Das sind rund 5,5 Prozent der 500 000 Kinder und Jugendlichen, die in 40 Jahren DDR in Heimen waren.
Zum Start des Fonds hatten wir versprochen, dass wir
niemanden im Regen stehen lassen, dass jeder Hilfe bekommt. Deshalb war es notwendig, den Fonds aufzustocken, und zwar von 40 Millionen Euro auf nunmehr
364 Millionen Euro. Das ist das Neunfache der veranschlagten Summe - eine immense finanzielle Leistung.
Wichtig ist, dass wir bei den bisherigen Leistungen keine
Abstriche machen.
Ich möchte mich daher bei den Abgeordneten des
Deutschen Bundestages, die in den Haushaltsverhandlungen geholfen haben, diese zusätzlichen Mittel zur
Verfügung zu stellen, aber auch bei den Ministerpräsidenten - wir haben nur Ministerpräsidenten in den ostdeutschen Bundesländern und Berlin -, die in ihren Ländern sichergestellt haben, dass wir das gemeinsam
machen konnten, herzlich bedanken.
Mit dem Fonds „Heimerziehung in der DDR“ helfen
wir Menschen, denen wir helfen müssen. Dazu sind wir
politisch und moralisch verpflichtet. Ich bin sehr froh,
dass wir das jetzt auf den Weg bringen und dass wir weitere Hilfe leisten können. Das ist eine gute Botschaft im
25. Jahr nach der deutschen Einheit.
Danke, Frau Ministerin. - Die erste Frage stellt die
Kollegin Dörner.
Vielen Dank, Frau Ministerin, für den Bericht. - Sie
haben darauf hingewiesen, dass dieser Fonds interfraktionell im Bundestag immer gewünscht worden ist. Vor
diesem Hintergrund freuen wir uns, dass die Durststrecke jetzt überwunden werden konnte und diese Aufstockung erfolgt.
Angesichts der engen Fristen und insbesondere angesichts der sehr knappen Beratungskapazitäten in den Beratungsinstitutionen frage ich Sie: Können Sie tatsächlich sicherstellen und gewährleisten, dass bis zum Ende
der Laufzeit des Fonds alle Anträge bearbeitet und zur
Auszahlung gebracht werden können?
Wenn es mehr Anträge als geplant gibt, bedarf es
mehr Kapazitäten, diese Anträge zu bearbeiten. Dazu gehört aber vor allem Beratung. Sie ist besonders wertvoll,
wie mir Betroffene in Gesprächen gesagt haben: Es ist
das erste Mal, dass mir jemand zuhört, dass sich jemand
meine Geschichte anhört, mir glaubt und mir die Botschaft gibt, dass das nicht richtig war und ich deshalb
nun unterstützt werde.
Das ist das Wertvolle an dieser Aufarbeitung. Die entsprechende Hilfeleistung findet in den Anlauf- und Beratungsstellen vor Ort statt. Dort werden die Anträge entwickelt. Die Bearbeitung der Anträge selbst erfolgt
durch das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Wir haben in unserem Bereich Personal
aufgestockt, und auch die Länder haben dies zum Teil
gemacht und wollen noch weiter aufstocken.
Insgesamt haben wir die Laufzeit des Fonds bis zum
Ende des Jahres 2018 verlängert, weil wir glauben, dass
wir diese Zeit benötigen, um alle Fälle zu bearbeiten.
Wichtig ist, dass wir mit der neuen Vereinbarung so viel
Geld zur Verfügung stellen, dass jeder, der sich noch angemeldet hatte, darauf vertrauen kann, dass er eine Beratung bekommt und dann, wenn er Anspruch auf Leistung
hat, diese auch bekommt.
Danke, Frau Ministerin. - Bevor wir fortfahren, nur
ein kleiner Hinweis für all diejenigen, die unseren Beratungen hier folgen, aber auch für die Kolleginnen und
Kollegen. In diesem Teil unserer heutigen Sitzung gilt
die Vereinbarung: Für die Frage und für die Antwort stehen je eine Minute zur Verfügung. Um alle bei Einhaltung dieser Vorgabe zu unterstützen, haben wir hier ein
optisches Signal. Wenn die Lampe auf Rot geht, ist die
eine Minute definitiv abgelaufen.
Die nächste Frage stellt der Kollege Martin Patzelt.
Danke schön, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, damals, als der Runde Tisch entschieden hatte, den ehemaligen Heimkindern in der DDR angesichts der Bedrängnisse, in die sie geraten waren, zu helfen, wurden zwei
Beschlüsse gefasst. Der eine Beschluss zielte darauf,
dass sich die Verantwortlichen nach Möglichkeit bei den
Betroffenen entschuldigen. Leider ist es dazu nicht gekommen, obwohl doch die Erbschaft angetreten wurde.
Auch meine Anregungen haben nicht geholfen.
Insofern interessiert mich jetzt besonders: Gibt es bei
Ihnen im Hause eine Erkenntnis dazu, wie die Hilfen angekommen sind? Mit diesen Hilfen können wir zwar das
Unrecht niemals wiedergutmachen - ich glaube, die innere, seelische Verwundung ist das Allerschwierigste -,
aber wir können - wenn schon nicht mit einer klaren
Stellungnahme und Entschuldigung - doch wenigstens
materiell ein Zeichen setzen. Gibt es dazu eine Evaluation? Wie ist das aufgenommen worden?
Die Hilfen des Fonds und vor allem auch die Botschaft, wie wir die Bereitstellung der Hilfen umsetzen,
kommen an; ich habe es eben schon geschildert. Ich
habe zum Beispiel die Beratungsstelle in Leipzig besucht. Da haben mir Betroffene erzählt: Das war das
erste Mal, dass mir Leute zugehört haben, dass sich
Leute meine Geschichte angehört haben und mir konkrete Hilfeleistungen anbieten. - Die Hilfeleistungen
umfassen, wie gesagt, Rentenansprüche und Therapien,
aber zum Beispiel auch konkrete materielle Unterstützungen im Lebensalltag. Das sind Leistungen, die ankommen.
Was ich ganz besonders wichtig finde - ich habe es
mir zusammenstellen lassen -: Es existieren in den Ländern vor Ort Fachbeiräte, denen Vertreterinnen und Vertreter der Betroffenen angehören. Es gibt bei dem Fonds
auch einen Lenkungsausschuss, in dem die Betroffenen
durch eine Ombudsperson und durch einen Betroffenen,
der die Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR
von Anfang an begleitet hat, vertreten sind. Die konkrete
Beteiligung der Betroffenen an der Umsetzung der Leistungen des Fonds und an der Aufarbeitung ist ein Zeichen der Wertschätzung und kommt dort auch so an.
Wir haben überwiegend positive Rückmeldungen.
Natürlich gibt es hier und da den Fall, dass es jemandem
nicht schnell genug geht, dass jemand enttäuscht darüber
ist, dass er vielleicht nicht alles kriegt, was er sich vorgestellt hat. Aber die Leistungen des Fonds sind ganz wertvoll.
Man kann in Bezug auf die große Summe, die wir
jetzt draufgelegt haben, sagen: Es ist Geld, das bei den
Betroffenen wirklich ankommt und das sie auch brauchen. Ich weiß, dass Sie, Herr Patzelt, sich persönlich
sehr für die Hilfestellung vor Ort eingesetzt haben.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Annalena
Baerbock.
Vielen Dank, Frau Ministerin. Anknüpfend an die
Frage meiner Kollegin Frau Dörner möchte ich wissen,
wie Sie verfahren wollen, wenn das mit den Wartezeiten
nicht besser wird. Sie sagten: Wir haben personell ein
bisschen aufgestockt. - Aber derzeit wartet man zwei
Jahre, bis ein Antrag bearbeitet ist. Das bedeutet eigentlich: Ende nächsten Jahres müssten alle Anträge eingereicht sein, um das Limit, nämlich das Ende der Laufzeit
des Fonds im Jahr 2018, einzuhalten. Das führt schon zu
einem ziemlichen Druck, der auf denjenigen Betroffenen
lastet, die jetzt 60 Jahre und älter sind und in den letzten
Jahren keine Beratungsmöglichkeiten hatten. Haben Sie
vorgesehen, in den nächsten anderthalb Jahren eine Evaluation durchzuführen, um festzustellen, was der Stand
der Bearbeitung dieser Anträge ist, damit man die Option hat, die Frist doch noch zu verlängern?
Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Wir verlängern die
Laufzeit des Fonds bis zum 31. Dezember 2018. Diese
Verlängerung beruht auf unserer Hochrechnung auf
Grundlage der Angaben der Anlauf- und Beratungsstellen vor Ort, in welchem Zeitraum es zu schaffen ist.
Es ist nicht richtig, dass die Antragsbearbeitung zwei
Jahre dauert. Die Antragsbearbeitung beim Fonds „Heimerziehung in der DDR“ erfolgt zurzeit sogar schneller als
beim Fonds „Heimerziehung West“. Sie findet, wie
schon gesagt, beim Bundesamt statt und dauert dort bis
zu drei Wochen. Das Entscheidende ist, dass die Leute
einen Termin in den Anlauf- und Beratungsstellen vor
Ort bekommen, sodass sich aus der Beratung und Aufarbeitung ein Antrag entwickeln kann. Ich glaube, dass
Sie das gemeint haben. Es ist natürlich wichtig, dass
jetzt die Anlauf- und Beratungsstellen der ostdeutschen
Länder und Berlins personell so ausgestattet werden,
dass sie das auch leisten können.
Ich sage noch einmal: Die Leute bekommen keine
08/15-Beratung, sondern eine ganz individuelle. Nur Experten können das mit den Leuten gut aufarbeiten. Ich
glaube, es ist wichtig, sich die Zeit zu nehmen, auch
wenn es hier und da länger dauert. Insgesamt haben wir
das im Blick und wollen durch Personalaufstockung die
Fristen entsprechend verkürzen.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Petra Crone.
Danke, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, es gab im
vergangenen Jahr einen mehrmonatigen Auszahlungsstopp. Das hat - so ist es bei mir angekommen - viele
Betroffene verunsichert. Ich möchte Sie fragen, ob das
noch einmal passieren kann.
Vielen Dank. - Ich schließe das aus. Warum? Diesen
Stopp gab es, weil der Fonds „Heimerziehung in der
DDR“ nicht mehr liquide war. Das Geld war ausgeschöpft, es lagen aber noch viele Anträge vor. Als ich
Bundesministerin wurde, waren die Mittel des Fonds im
Grunde aufgebraucht. Eine meiner ersten Amtshandlungen war, mit Ihnen gemeinsam im Fachausschuss - dann
aber auch über den Haushaltsausschuss - dafür zu sorgen, die Mittel aufzustocken.
Im letzten Jahr wurde eine Antragsfrist gesetzt. Wir
haben gesagt, dass Ansprüche bis zum 30. September
2014 angemeldet werden müssen. Dazu musste man keinen fertigen Antrag einreichen, sondern es reichte, einfach nur formlos zu schreiben: Ich melde mich. - Die
Zahl derjenigen, die sich gemeldet haben, haben wir bei
der Hochrechnung der Maximalsumme zugrunde gelegt.
Dabei sind wir davon ausgegangen, dass jeder bis zu
10 000 Euro für materielle Hilfen bekommt, obwohl wir
noch gar nicht wissen, ob jeder, der sich gemeldet hat,
wirklich anspruchsberechtigt ist und diese Summe bekommt. Von daher stellt die Aufstockung, die wir jetzt
vorgenommen haben, die Obergrenze dar. Damit können
wir eigentlich gewährleisten, dass wir nicht noch einmal
an einen Punkt kommen, wo das Geld des Fonds nicht
mehr reicht, und dass wir nicht noch einmal einen solchen Bearbeitungsstopp erleben. Deswegen sage ich allen Beteiligten herzlichen Dank.
Sie wissen es selber: Die Summe, die wir im Rahmen
dieses Projektes stemmen mussten - es gibt ja noch andere Projekte -, war gewaltig. Es mussten in kurzer Zeit
mit den Ländern Vereinbarungen getroffen werden. Alle
sind sehr froh, dass uns das gelungen ist. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn das nicht gelungen
wäre.
Das Wort hat der Kollege Norbert Müller.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin
Schwesig, Sie haben gerade auf die Stichtagsregelung
September 2014 hingewiesen. Schätzungen gehen davon
aus, dass etwa 6 Prozent der Betroffenen entschädigt
werden können, sofern deren Anträge eine Anspruchswirkung haben. Mich würde interessieren, ob Sie davon
ausgehen, dass es ausreichend ist, mit diesem Anteil von
6 Prozent zu kalkulieren. Wenn Sie nicht davon ausgehen, möchte ich gerne wissen, wie Ihre Planungen in Bezug darauf aussehen, wie man in Zukunft - auch wenn es
hier um sehr viel Geld geht - Wege finden kann, um einen größeren Kreis von betroffenen Heimkindern über
die 6 Prozent hinaus zu erreichen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Es gibt keine valide Schätzung, wie viele der ehemaligen circa
500 000 Heimkinder tatsächlich betroffen sind und wie
viele Anspruch auf solche Leistungen haben. Es ist eine
ganz individuelle Entscheidung, ob man einen solchen
Anspruch überhaupt geltend machen möchte. Deshalb
können wir nicht wissen, ob die Zahl der Betroffenen
größer ist als die derjenigen, die sich schon gemeldet haben.
Fakt ist, dass der Fonds, der 2012 aufgelegt wurde,
zeitlich und eben auch in der Höhe der Mittel begrenzt
wurde. Wir haben uns ganz bewusst für eine Anmeldefrist entschieden, um die benötigten Mittel kalkulieren
zu können.
Ich bin sehr froh, dass sich bis zum Ende der Anmeldefrist am 30. September 2014 über 27 000 Menschen
gemeldet haben. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten erst
5 000 eine Leistung bekommen. Das zeigt, dass die Botschaft „Meldet euch an“ funktioniert hat. Wir sollten uns
jetzt darauf konzentrieren, dass diejenigen, die sich gemeldet haben, eine entsprechende Beratung und, wenn
sie einen Anspruch haben, auch die vorgesehenen Leistungen bekommen.
Der Kollege Marian Wendt stellt die nächste Frage.
Frau Ministerin, vielen Dank dafür, dass wir dieses
Thema heute im Rahmen der Regierungsbefragung debattieren. Das ist ein wichtiges Zeichen für die Betroffenen, für die Opfer.
Ich selber bin seit über zwölf Jahren Mitglied der Initiativgruppe „Geschlossener Jugendwerkhof Torgau“.
Dieser Jugendwerkhof, der der Auslöser der Debatte im
Jahr 2010 war, war die Zentralstelle des DDR-Heimsystems, des Unrechtssystems, in dem die betroffenen Kinder und Jugendlichen zu sozialistischen Persönlichkeiten
umerzogen werden sollten.
Wir haben schon festgestellt: Ein bisschen Geld kann
keine seelischen Wunden heilen. Mit der Verwaltungsvereinbarung, die jetzt erweitert wird, wird zwar Rechtsfrieden hergestellt, aber es stellt sich die Frage, ob aus
Ihrer Sicht auch eine immaterielle Entschädigung erzielt
werden kann. Das wäre wichtig, damit die Betroffenen
ihren inneren Frieden finden.
Ich haben die Selbsthilfegruppe „Verbogene Seelen“
besucht, wo mir die Betroffenen gesagt haben: Das Geld
ist das eine, aber es macht nicht glücklich. Das habe ich
auf dem Konto, davon kann ich eine Anschaffung tätigen oder eine Psychotherapie machen, aber ich habe nie
eine Entschuldigung gehört, nie ein Wort der Anerkennung des Leides von den Tätern, die mich geschlagen
haben.
Eigentlich ist es doch Ziel unseres Rechtssystems, einen Täter-Opfer-Ausgleich zu schaffen. Ich würde mich
freuen, wenn Sie ein paar Gedanken dazu äußern könnten, wie wir das gemeinsam erreichen könnten. - Vielen
Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Die Frage, was
wir mit dem Hilfsfonds erreichen können - sie schließt
an die Frage von Herrn Patzelt an -, ist eine spannende
Frage. Natürlich können wir nicht alles wiedergutmachen. Aber wir haben in dieser Richtung einen wichtigen
Beitrag geleistet.
Ich habe Anlauf- und Beratungsstellen besucht und
vor allem mit Betroffenen persönlich gesprochen. Sie
sagten: Es war nicht allein das Materielle, was mir geholfen hat. - Man muss wissen: Viele haben keine Ausbildung erhalten, sie hatten daher nicht die Chance, später einen guten Job zu bekommen, ein gutes Einkommen
zu erzielen; das Materielle spielt also schon eine große
Rolle. Aber insbesondere das Anerkennen ihres Leides
kommt bei den Betroffenen an. Daher möchte ich mich
an dieser Stelle für die wirklich sehr gute Arbeit der
Frauen und Männer in den Anlauf- und Beratungsstellen
bedanken.
Das politische Signal ist bei vielen angekommen. Wir
Politikerinnen und Politiker übernehmen stellvertretend
für die Gesellschaft die Verantwortung, die eigentlich
bei den Täterinnen und Tätern liegt. Die Botschaft dieser
Verwaltungsvereinbarung ist: Wir erkennen das Unrecht
an und übernehmen die Verantwortung dafür.
Der konkrete Täter-Opfer-Ausgleich hängt natürlich
davon ab, ob noch Täter zu finden sind bzw. wie die zivilrechtlichen Prozesse verlaufen. Aber ich kann Ihnen
rückmelden, dass das, was wir leisten, bei den meisten
ankommt. Das sollte nicht unterschätzt werden. Wir leisten einen ganz wertvollen Beitrag.
Die nächste Frage stellt der Kollege Philipp
Lengsfeld.
Danke, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, mir geht
es um die politische Bewertung und Einordnung; das
knüpft eigentlich unmittelbar an unsere heutige Diskussion an. Da die verantwortliche SED-Politikerin Frau
Margot Honecker noch lebt, will ich für das Protokoll
festhalten - ich finde, das ist in Ihrem Eingangsstatement nicht so ganz klar geworden -: Wir reden nicht darüber, dass es in der DDR Heime gab, in denen Kinder
regulär betreut wurden, wir reden auch nicht nur von
persönlichen Verfehlungen - die es im Übrigen auch im
Westen gegeben hat; Sie hatten das anklingen lassen -,
sondern wir reden von einem System systematischer Unterdrückung und Repression gegen unliebsame Jugendliche oder gegen Kinder aus politisch unliebsamen Familien. Deshalb meine ganz klare Frage: Würden Sie mir
zustimmen, dass sich der Unrechtscharakter der DDRDiktatur im System der Spezialheime und Jugendwerkhöfe besonders drastisch und dramatisch manifestiert
hat, weshalb wir uns in Bezug auf diese Opfergruppe besondere Mühe geben sollten? - Danke.
Vielen Dank. - Da das Prozedere der Regierungsbefragung - die Präsidentin hat vorhin die Bedeutung der
Ampel erklärt - nur ein eingeschränktes Eingangsstatement zulässt und ich für die Beantwortung einer Frage
nur eine Minute Zeit habe, bitte ich um Verständnis, dass
ich nicht alle Aspekte erwähnen konnte.
Das ist eine ganz wichtige Frage, die schon durch die
Bundesregierung und auch durch die Landesregierungen
der ostdeutschen Länder inklusive Berlin beantwortet
wurde. Wir haben damals 2011 - ich kann mich daran
gut erinnern, weil ich zu der Zeit die zuständige Landesministerin war - gemeinsam einen klaren Beschluss gefasst. Wir haben die Ereignisse aufarbeiten lassen; dazu
gab es einen Bericht. In Mecklenburg-Vorpommern,
zum Beispiel, hat der Landtag den klaren Beschluss gefasst, dass das Unrecht, das den Kindern systematisch
angetan worden ist, anerkannt wird und dass es deshalb
die entsprechenden Leistungen gibt.
Wir haben erfahren müssen, dass es sowohl in Heimen in Westdeutschland als auch in Heimen in der DDR
Probleme gab. Natürlich ist es so, dass ein System wie
das der DDR ein solches Unrecht noch verschärft.
Die Kollegin Daniela Kolbe hat das Wort.
Danke, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Frau Ministerin, ich möchte Ihnen ganz herzlich zu dem heutigen Beschluss gratulieren, weil er wirklich ein Meilenstein und
ein großer Kraftakt ist. Dieser Beschluss wird den Betroffenen zugutekommen. Alle, die sich bis zum Stichtag
gemeldet haben, werden eine Hilfeleistung und vor allem eine Beratung bekommen.
Aus den Beratungsstellen weiß ich, dass die meisten
Betroffenen dort zum ersten Mal von ihrer Vergangenheit erzählen und sich mit den negativen, mit den
schlimmen Erfahrungen, die sie gemacht haben, auseinandersetzen. Auf der anderen Seite haben sie natürlich auch schöne Kindheitserinnerungen. Viele setzen
sich bei der Beratung zum ersten Mal mit dieser Ambivalenz auseinander und fragen sich, was diese Erfahrungen mit ihnen und ihrer Biografie gemacht haben. Manche nutzen die Möglichkeit, auch nach der Beratung den
Kontakt zu anderen Betroffenen zu pflegen.
Aus den Gesprächen mit den Beraterinnen und Beratern weiß ich, dass in den Gesprächen ganz viele Details
zutage treten, auch zeitgeschichtlich Interessantes über
die DDR und über das, was in bestimmten Heimen passiert ist. Meine Frage lautet: Ist daran gedacht, das in irgendeiner Weise zu dokumentieren? Falls nicht, würden
Sie diesen Vorschlag dann als Anregung mitnehmen? Ich
glaube, dass in den Beratungsstellen ganz viel Wissen
über das, was in der DDR passiert ist, angesammelt
wird. Möglicherweise entspricht es auch dem Wunsch
des Kollegen Lengsfeld, dass man darüber mehr erfährt.
Vielen Dank, Frau Kolbe. - Wir haben zusammen
eine Beratungsstelle besucht und dort erfahren, dass es
den Leuten oft darum geht, ihre persönlichen Erfahrungen aufzuarbeiten. Wir haben aber auch erfahren, dass
dadurch in den Beratungsstellen Erkenntnisse über das
DDR-System angesammelt werden. Dass sich das Unrecht, das es in der DDR gab, in Heimen verstärkt gezeigt hat, war die Konsequenz aus der Tatsache, dass das
System in den Heimen noch geschlossener war als außerhalb dieser Heime. Für mich ist es daher keine Frage,
dass sich das Unrecht der DDR in den Heimen ganz
massiv widergespiegelt hat.
Diese Beratung ist ein Beitrag zur Aufarbeitung der
DDR-Geschichte. Ich gehe fest davon aus, dass geplant
ist, dazu einen Bericht bzw. ein Dokument zu erstellen.
Ich würde gerne noch einmal nachfragen, ob das so ist
und wann dieser Bericht vorgelegt werden soll. Diese Information würde ich, wenn Sie einverstanden sind, gerne
im Fachausschuss nachreichen.
Die Kollegin Annalena Baerbock stellt die nächste
Frage.
Der Fonds war nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung des Rehabilitierungsgesetzes geplant. Wir wissen,
dass die Anwendung dieses Gesetzes relativ problematisch ist und wegen der strengen gesetzlichen Regelun8210
gen in diesem Bereich nur 10 Prozent der Anträge bewilligt werden können. Das Bundesverfassungsgericht hat
jüngst harsche Kritik daran geübt, wie die Justiz in Brandenburg dieses Gesetz anwendet. Angesichts der niedrigen Anwendungsquote und der Probleme bei der Umsetzung dieses Gesetzes durch die Justiz in einigen
Bundesländern frage ich: Planen Sie, wie von einigen
angeregt, eine Kommission einzusetzen, die sich dieses
Gesetz und die Defizite bei der Anwendung ansieht?
Welches Vorgehen ist neben der Aufstockung des Fonds
geplant?
Diese Frage müsste ich mitnehmen, da mein Haus
nicht direkt für dieses Gesetz zuständig ist. Dieser Hilfsfonds ist entstanden, weil das Rehabilitierungsgesetz
nicht alle Fälle, die es in DDR-Heimen gab, abdeckt.
Das ist genau das Problem. Es gab zum Beispiel Kinder,
die in ein Heim kamen, weil ihre Eltern politisch verfolgt wurden. Diese Personen haben einen leichteren Zugang zu einer Entschädigung über das Rehabilitierungsgesetz. Es gab aber auch Kinder, die auf den ersten Blick
zu Recht in ein DDR-Heim kamen, zum Beispiel, weil
zu Hause eine Kindeswohlgefährdung bestand - das gab
es früher wie heute -, die dann aber in diesem Heim Unrecht erlebt haben, weil das System in den Heimen Unrecht war, weil sich das Unrecht der DDR in diesen Heimen widergespiegelt hat.
Die Gruppe derer, die auf diese Weise in ein DDRHeim kamen und dort Gewalt und Übergriffe erlebt haben, war bisher von Entschädigung ausgeschlossen. Deshalb haben wir gesagt: Wir brauchen diesen Hilfsfonds.
Ich erinnere daran, dass wir, die ostdeutschen Länderminister, uns damals, als wir den Fonds eingerichtet haben,
sehr stark dafür ausgesprochen haben, dass wir uns das
Rehabilitierungsgesetz noch einmal anschauen.
Die konkrete Frage nach den Problemen bei der Umsetzung in den Ländern würde ich gerne mitnehmen.
Diesen Aspekt habe ich mir nicht so genau angeschaut,
weil ich, wenn ich das so sagen darf, ziemlich gebunden
war durch die Aufgabe, diesen Fonds am Leben zu halten.
Die Kollegin Katja Dörner fragt als Nächste.
Da es ja gelungen ist, beim Fonds „Heimerziehung
Ost“ einen erheblichen Schritt voranzukommen, möchte
ich den Blick auf einen weiteren, wie ich finde, sehr
wichtigen Aspekt richten, den wir in dem damaligen interfraktionellen Antrag thematisiert haben. Es geht darum, im Rahmen eines Fonds eine analoge Lösung für
die Menschen zu finden, die als Kinder in Behinderteneinrichtungen oder in psychiatrischen Einrichtungen
Schaden genommen haben. Können Sie etwas zu den
hoffentlich erzielten Fortschritten auf dem Weg zu einer
Lösung für diese Personengruppe sagen?
Vielen Dank, Frau Dörner. - Da sprechen Sie eine
echte Baustelle an, die zeigt, dass Hilfsfonds generell
nur begrenzt gute Lösungen sind. Sie sind eine gute Lösung, um einer bestimmten Personengruppe akut zu helfen. Sie führen aber immer dazu, dass andere Personengruppen, die auch Unterstützungsbedarf haben, außen
vor bleiben.
Wir haben schon den Hilfsfonds „Heimerziehung
West“ und den Hilfsfonds „Heimerziehung Ost“; die
Mittel für beide Fonds müssen wir massiv aufstocken.
Wir haben außerdem den Hilfsfonds für Opfer sexueller
Gewalt in Familien, darüber hinaus das ergänzende Hilfesystem für Opfer sexueller Gewalt in Institutionen. Offen ist nach wie vor die Frage: Was ist mit Kindern und
Jugendlichen, die in psychiatrischen Einrichtungen und
in Einrichtungen der Behindertenhilfe waren?
Kinder und Jugendliche, die durch die Jugendhilfe in
psychiatrische Einrichtungen und in Einrichtungen der
Behindertenhilfe eingewiesen wurden, können Leistungen aus dem Hilfsfonds geltend machen. Einige Betroffene können das also tun; aber diese Möglichkeit ist sehr
stark eingeschränkt. Für die andere Personengruppe gibt
es bisher keine Lösung. Ich weiß, dass sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hier bemüht, will an
dieser Stelle aber sagen, dass dieses Thema generell
wirklich schwierig ist. Unser gemeinsamer Fokus sollte
darauf liegen, die sogenannten Regelsysteme zu stärken.
Ich bin der Meinung, dass jeder Mensch, der - in welcher Form auch immer - Opfer von Gewalt geworden
ist, Zugang zu Reha- und Therapieleistungen haben
muss, ohne dass immer wieder Fonds aufgelegt werden
müssen. Denn es ist so, wie Sie sagen: Jetzt müsste es eigentlich weitere Fonds für andere Personengruppen geben. Aber auch dann würde es Gruppen geben, die sagen: Ja, aber da finden wir uns nicht wieder. - Ich weiß,
dass die Bundesarbeitsministerin mit den Ländern über
dieses Thema spricht. Das ist aber sehr schwierig. Auch
Sie wissen, dass die Länder in die Fonds, bei denen der
Finanzbedarf unklar ist, nicht gern einzahlen. Das ist
also eine schwierige Baustelle.
Der Kollege Norbert Müller hat das Wort.
Vielen Dank für die Möglichkeit, eine weitere Frage
zu stellen. - Frau Schwesig, ich möchte an vorhin anknüpfen: Die Summe ist in der Tat neunmal so hoch wie
zu Beginn, und es sind deutlich mehr Betroffene einbezogen, als sich in der ersten Phase gemeldet haben. Ich
finde, wir sollten nun beobachten, wie die Anträge abgearbeitet werden. Gesetzt den Fall, dass, nachdem sie abgearbeitet worden sind, in den Anlaufstellen weitere
Menschen anzeigen, dass sie betroffen sind, was nach
Fristablauf ein Problem darstellt, weil sie dann keinen
Anspruch mehr haben: Könnten Sie sich vorstellen, dass
die Bundesregierung den Fonds nochmals öffnet, um dafür zu sorgen, dass eine größere Personengruppe einbeNorbert Müller ({0})
zogen werden kann, sollten weitere Bedarfe angemeldet
werden?
Das ist natürlich immer die Frage, die sich stellt, wenn
man einen Antragsschluss festsetzt. Bund und Länder
sind sich einig, dass die Aufstockung, die wir jetzt vorgenommen haben - der Umfang der Mittel ist mittlerweile,
wie gesagt, neunmal so groß wie zu Beginn -, und die
Verlängerung der Laufzeit des Fonds über die erste Vereinbarung hinaus eine endgültige Lösung darstellen sollten. Wir können nicht nach einem Jahr sagen: „Es haben
sich weitere 100 Leute gemeldet; jetzt fangen wir von
vorne an“, weil Sie als Parlament, aber auch die Länder
von mir erwarten, dass ich dafür sorge, dass diese Mittel
irgendwann einmal zu einer planmäßigen Größe werden.
Wir sind mit einem Volumen von 40 Millionen Euro gestartet, jetzt liegen wir bei 364 Millionen Euro. Ich finde,
jeder einzelne Cent ist gerechtfertigt; aber wir brauchen
auch Planungssicherheit.
Mit der Frage, die Sie gestellt haben, haben auch wir
uns befasst. Irgendwann muss man sich entscheiden. Sie
thematisieren hier allerdings ein Problem, das wir derzeit noch nicht haben. Mir zumindest ist, auch wenn ich
das nicht ausschließen möchte, kein Fall bekannt. Es gibt
derzeit keine große Personengruppe, die gesagt hat: Wir
haben uns erst am 5. Oktober 2014 gemeldet. - Wir haben vorher viel Werbung dafür gemacht, sich zu melden.
Aber es ist auch darauf hinzuweisen: Wenn man einen
Fonds auflegt, heißt das, dass die Antragsfrist irgendwann einmal abgelaufen ist.
Meine Redezeit ist zu Ende. Trotzdem würde ich Ihnen, wenn Sie es erlauben, Frau Präsidentin, gerne noch
sagen, dass mir die Bundesbeauftragte Iris Gleicke eine
Info gegeben hat - vielen Dank dafür -, die auch Sie interessieren wird. Es geht dabei um die Frage, wie das
Rehabilitationsgesetz vor Ort umgesetzt wird, und um
die Aufarbeitung und die Praxisprobleme insgesamt. Die
Bundesbeauftragte Iris Gleicke wird das demnächst in
einem entsprechenden Dialog mit den Opfern ausloten.
Damit sehen Sie: Das Thema ist bei der Bundesbeauftragten gut aufgehoben.
Keine Sorge, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich
lasse alle mir angezeigten Fragen zu diesem wichtigen
Themenkomplex noch zu. Die anschließende Fragestunde verkürzt sich entsprechend unseren Regeln, falls
das notwendig ist.
Die nächste Frage stellt der Kollege Arnold Vaatz.
Frau Bundesministerin, in meiner täglichen Arbeit als
Abgeordneter begegne ich gelegentlich Opfern des
DDR-Jugendstrafsystems, die mir sagen, dass die materielle Wiedergutmachung nur die eine Seite ist und es sie
zutiefst verletzt, wie viele Personen, die persönlich für
das verantwortlich sind, was diesen Menschen damals
dort angetan wurde, in der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland jetzt eine hohe gesellschaftliche Reputation und Anerkennung genießen.
Ich möchte hier Herrn Professor Dr. Eberhard
Mannschatz ganz speziell namentlich nennen, der, wenn
ich richtig informiert bin, vor einiger Zeit vom Rauhen
Haus in Hamburg eingeladen wurde, an einem Buch mitzuwirken, in dem es um die Erziehung von Jugendlichen
geht. Bis zum Jahr 2012 - ich beziehe mich hier auf eine
Veröffentlichung von Peter Grimm in Horch und Guck ist er zudem als politischer Berater der Linkspartei tätig
gewesen.
Frau Bundesministerin, meine Frage ist: Betrachten
Sie es als Ihre Aufgabe und wirken Sie und die Regierung darauf hin, dass auch die persönliche Verantwortung für die damaligen Zustände herausgearbeitet und
veröffentlicht wird?
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Dieser Fall war
mir bisher nicht bekannt. Ich würde Sie gerne bitten, mir
im Nachgang zu dieser Fragestunde Informationen zuzusenden und zu sagen, woher Sie diese Information haben. Ich bin grundsätzlich der Auffassung, dass Leute,
die sich gegenüber Kindern und Jugendlichen schon einmal Verfehlungen geleistet haben, nicht als Berater auf
diesem Gebiet tätig sein sollten.
Ich kann jetzt den Zusammenhang nicht beurteilen.
Fakt ist aber: Wenn wir von solchen Fällen erfahren,
dann fragen wir vor Ort, was los ist. Sie wissen aber
auch: Man kann dann zwar entweder die Möglichkeiten
des Strafrechts oder des Zivilrechts nutzen, aber das ist
nur sehr eingeschränkt möglich. Es gibt hier kein Gesetz
und keine Verordnung der Bundesregierung, sondern es
ist unser gemeinsamer politischer Auftrag, das vor Ort
zum Thema zu machen, wenn es solche Fälle gibt.
Ich kann nur sagen, dass ich hier alle Fraktionen und
alle Parteien in einer politischen Verantwortung sehe und
dass ich solche Dinge im Guten wie im Schlechten bereits erlebt habe.
Die Kollegin Britta Haßelmann hat das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, vielen Dank für Ihre Ausführungen zu dem Fonds, über den
wir hier heute hauptsächlich reden. Mit meiner Frage
knüpfe ich an eine Frage der Kollegin Dörner zu einem
Fonds für Menschen an, die als Kinder Schaden in Behinderteneinrichtungen genommen haben.
Sie haben vorhin in Ihrer Antwort gesagt, Sie hätten
eine Lösung für die Menschen, die damals durch die Jugendhilfe in psychiatrische Einrichtungen oder in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen eingewiesen wurden. Wenn es um andere gesetzliche Grundlagen
gehe, gebe es eine solche Lösung jedoch nicht. Das betrifft einen zwar relativ überschaubaren, aber doch auch
großen Personenkreis.
Meine Frage ist: Inwieweit befassen Sie sich im Kabinett damit, dass man es natürlich in keiner Weise fachlich und sachlich begründen kann, dass es für Menschen,
die damals durch die Jugendhilfe beeinträchtigt wurden
- es geht um psychische Erkrankungen und Behinderte -,
einen Fonds gibt, während für Menschen, die aufgrund
des PsychKG oder aus anderen Gründen in einer entsprechenden Einrichtung waren, kein Entschädigungsfonds existiert? Beabsichtigen Sie als Kabinett, hierzu
zeitnah etwas vorzulegen?
Vielen Dank, Frau Abgeordnete. - Ich habe bereits
gesagt, dass die Bundesarbeitsministerin an diesem
Thema arbeitet. Ich weiß nicht, ob die Parlamentarische
Staatssekretärin hierzu einen aktuellen detaillierten
Sachstand geben kann, wenn Sie dies mögen.
Ich will aber auf Folgendes hinweisen: Wir debattieren hier in der Runde isoliert einen Fonds für eine Personengruppe, für die es bisher noch keine Hilfe gibt. Ich
verantworte als zuständige Bundesministerin vier Fonds,
die ich zu einem Zeitpunkt übernommen habe, als es
dort Probleme gab. Ich nenne hier einmal den Fonds
„Heimerziehung Ost“. Ich bin da nahe bei Ihnen und
sage: Auch der Fonds „Heimerziehung West“ muss aufgestockt werden. Es gibt den Fonds für die Opfer von sexuellem Missbrauch in Familien. In diesen Fonds zahlen
nur zwei Länder ein: Mecklenburg-Vorpommern und
Bayern. Auch im Rahmen des ergänzenden Hilfesystems
gibt es mit Blick auf die Länder noch Baustellen; dies
betrifft insbesondere einzelne ostdeutsche Länder. Ich
weise darauf hin: Wir haben vier Fonds versprochen, die
Riesenbaustellen darstellen. Die Schwierigkeit ist, diese
Versprechen einzulösen, und das ist unsere politisch-moralische Verantwortung. Jetzt soll möglicherweise Weiteres hinzukommen.
Das wollte ich zur Abrundung der Problemlage anführen. Man kann immer schnell sagen: Warum seid ihr
da noch nicht so weit? - Das liegt - das darf ich zum
Schutz der Bundesarbeitsministerin sagen - auch daran,
dass es mit Blick auf die Länder bei den Fonds, die wir
bereits versprochen und aufgelegt haben, teilweise noch
Baustellen gibt.
Ich möchte die Gelegenheit hier nutzen, an Sie zu appellieren - Ihre Parteien sind alle in Landesregierungen
vertreten -, darauf hinzuwirken, eine gemeinsame Kraftanstrengung zu unternehmen, damit die versprochenen
und aufgelegten Fonds vernünftig ausgestattet werden
und möglicherweise Weiteres hinzukommt.
Danke, Frau Ministerin. - Weitere Fragen zu diesem
Themenbereich liegen mir nicht vor.
Entschuldigung, Frau Präsidentin: Ich weiß nicht, ob
das im Rahmen unserer Redezeit möglich ist. Ich hatte
angeboten, dass die Parlamentarische Staatssekretärin
meine Antwort auf die Frage der Abgeordneten der Grünen ergänzt. Oder habe ich die Redezeit schon verbraucht? Das täte mir leid.
Nein, das können wir gerne machen. Wir nehmen das
einfach noch mit hinein. Da es die Möglichkeit gibt, weitere Fragen zur Kabinettssitzung zu stellen, hat die Frau
Staatssekretärin das Wort.
Frau Kollegin, ich kann hierzu ergänzen: In der Tat ist
es so, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Vorschlag unterbreitet hat, der die Einrichtung
eines weiteren Fonds zur Folge haben würde. Wir argumentieren, dass das notwendig ist, weil wir die Zielgruppe, die Sie zutreffend beschrieben haben, bisher
noch gar nicht im Blick hatten. Das sind jene, die nicht
in Einrichtungen der Jugendhilfe waren, sondern in Einrichtungen, die im Grunde genommen anderen Personenkreisen galten.
Dazu gibt es einen Vorschlag. Sie wissen sicherlich,
dass dieser Vorschlag in der ASMK, also der Konferenz
der Arbeits- und Sozialminister der Bundesländer, diskutiert worden ist. Dort hat man mehrfach beraten. Im
Grunde genommen ist dieser Prozess noch nicht abgeschlossen. Wir setzen sehr darauf, dass er zu einem positiven Ergebnis kommt.
Die gute Nachricht ist, dass die Kirchen ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert haben. Sie sind
an einigen Stellen Rechtsnachfolger oder Träger dieser
Einrichtungen gewesen. Insofern bin ich zuversichtlich,
dass wir in absehbarer Zeit eine Lösung anbieten können, die allerdings der Einschränkung unterliegt, die
Frau Ministerin Schwesig schon so treffend beschrieben
hat: Eine solche Lösung kann entstandenes Unheil nicht
rückgängig machen. Sie ermöglicht eine kleine materielle Anerkennung oder Entschädigung. Wesentlich ist
ganz sicher auch für diesen Personenkreis der Prozess
des Gesprächs und der Beratung.
Vielen Dank. - Gibt es Fragen zu anderen Themen
der heutigen Kabinettssitzung? - Das ist nicht der Fall.
Gibt es sonstige Fragen an die Bundesregierung? - Kollegin Haßelmann.
Ich würde gerne von der Bundesregierung wissen,
welche Entscheidungen die Bundesregierung nach den
Ankündigungen des Bundesinnenministers in Sachen
Kirchenasyl vorbereitet, um hier Änderungen vorzunehmen?
Wer kann oder will für die Bundesregierung sprechen? - Herr Staatssekretär Krings.
Das kann ich gerne tun,
({0})
wenn die Parlamentarische Geschäftsführerin damit einverstanden ist, dass ich antworte.
({1})
- Ich kann das anbieten. Das muss aber von höherer
Stelle entschieden werden. Ich gebe einfach einmal eine
Antwort. Vielleicht sind Sie ja damit einverstanden.
Die Frage ist ja, ob die Bundesregierung in irgendeiner Weise sprechfähig ist.
({0})
Das war die Frage.
Also, ich bin sprechfähig.
Mir wurde einfach nichts angezeigt. - Frau Ministerin.
Also, ich kann Ihnen die Sorge nehmen: Die Bundesregierung ist jederzeit sprechfähig. Das Thema Kirchenasyl war kein Thema in der heutigen Kabinettssitzung.
Weil ich weiß, dass das viele umtreibt, wäre ich Ihnen
sehr dankbar, wenn Sie damit einverstanden wären, dass
der Parlamentarische Staatssekretär aus dem Innenministerium zur aktuellen Entwicklung berichtet.
({0})
Gut, dann machen wir das so.
Im Übrigen, nur zur Erklärung: Wir sind zurzeit in einem Klärungsprozess, wie die Regierungsbefragung zukünftig stattfindet. Richtig ist, dass für diesen letzten
Punkt der Regierungsbefragung die Bundesregierung jeweils selbst entscheidet, wem sie das Wort gibt. Aber das
löst sich ja gerade auf. - Herr Staatssekretär Krings.
({0})
Ich bin jetzt auch sprechfähig; das Mikrofon ist an. Frau Kollegin, der Bundesinnenminister hat auf die bestehende Rechtslage hingewiesen; ein Kirchenasyl ist in
der Rechtsordnung nicht vorgesehen. Insofern gibt es
keine Entscheidungen, die zu veranlassen sind, sondern
es war ein Hinweis auf die bestehende Rechtslage, die
natürlich auch keine weiteren Entscheidungen nach sich
zieht.
({0})
Wir sind damit am Ende der Regierungsbefragung.
Ich danke allen Beteiligten hier im Haus.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
Drucksache18/4043
Ich rufe die mündlichen Fragen in der üblichen Reihenfolge auf.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Die
Frage 1 des Kollegen Volker Beck wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Frage 2 des Kollegen
Andrej Hunko und die Frage 3 der Kollegin Heike
Hänsel werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Hier sollen die
Frage 4 der Kollegin Erika Steinbach, die Frage 5 der
Kollegin Veronika Bellmann sowie die Fragen 6 und 7
der Kollegin Sabine Zimmermann ebenso schriftlich beantwortet werden.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Zur
Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische
Staatssekretär Peter Bleser zur Verfügung.
Die Frage 8 des Kollegen Friedrich Ostendorff soll
schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen damit zur Frage 9 der Kollegin Steffi
Lemke:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den
Ergebnissen des Indikatorenberichtes zur Strategie der biologischen Vielfalt 2014 mit Blick auf die anstehende Novellierung
der Düngeverordnung sowie die Änderung des Düngegesetzes,
und wird sie den im Referentenentwurf vorgeschlagenen
Grenzwert für den erlaubten Stickstoffüberschuss anpassen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Frau Kollegin
Lemke, wie bereits in dem von Ihnen angesprochenen
Indikatorenbericht angeführt ist, gibt es in Betrieben mit
ähnlicher Produktionsstruktur eine hohe Bandbreite bei
der Berechnung der Nährstoffsalden und damit auch erhebliche Potenziale zur Verbesserung der Effizienz der
Stickstoffnutzung und zur Verringerung von Nährstoffverlusten in die Umwelt.
Die Bundesregierung geht davon aus, dass durch die
vorgesehenen Änderungen der Düngeverordnung hier
erhebliche Fortschritte erzielt werden können. Beispielhaft möchte ich Ihnen folgende Maßnahmen darstellen:
Konkretisierung und bundeseinheitliche Regelung der
Düngebedarfsermittlung für Stickstoff auf Acker- und
Grünland; Einbeziehung aller organischen und organisch-mineralischen Düngemittel, einschließlich der
Gärreste pflanzlichen Ursprungs, in die nach EG-Nitratrichtlinie einzuhaltende Obergrenze von 170 Kilogramm
Stickstoff je Hektar im Durchschnitt des Betriebes; Verlängerung der Zeiträume, in denen keine stickstoffhaltigen Düngemittel aufgebracht werden dürfen; Ausweitung der Mindestabstände für die Stickstoff- und
Phosphatdüngung in der Nähe von Oberflächengewässern und auf Flächen mit Hangneigung zu Oberflächengewässern; Länderermächtigung zur Regelung zusätzlicher Maßnahmen in besonders mit Nitrat belasteten
Gebieten.
Der Referentenentwurf enthält keinen Grenzwert für
einen erlaubten Stickstoffüberschuss, sondern einen
Kontrollwert für die Differenz von Zu- und Abfuhr im
Nährstoffvergleich. Laut Referentenentwurf soll dieser
ab dem Jahr 2018 auf 50 Kilogramm abgesenkt werden.
Ob sich hierzu im Laufe der noch andauernden Abstimmungen Änderungen ergeben, wird sich zeigen.
Im Übrigen wird die Bundesregierung mit der Novelle der Düngeverordnung den Nährstoffvergleich weiterentwickeln. Dabei wird insbesondere die Berechnung
der Nährstoffabfuhr von Grundfutterflächen zukünftig
über die Nährstoffaufnahme der Tiere aus dem Grundfutter erfolgen. Damit ist eine genauere Abbildung der
innerbetrieblichen Stoffströme möglich.
Im Entwurf ist weiter vorgesehen, ab dem 1. Januar
2018 schrittweise eine Bilanzierung der Nährstoffzufuhr
und -abfuhr für den Gesamtbetrieb zunächst für größere
Betriebe mit hohem Viehbesatz einzuführen.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für den Versuch der
Beantwortung meiner Frage. Ich nenne es einmal so,
weil Sie meiner Meinung nach ziemlich genau daran
vorbeigeschürft sind. Meine Frage war, ob - vor allem
im Landwirtschaftsministerium, das sich gegenwärtig
mit dem Umweltministerium über die Düngeverordnung
streitet - aus dem Indikatorenbericht zur Biodiversität,
in dem ganz klar dargelegt wird, dass die Vergüllung unserer Landschaft durch die Landwirtschaft ein Riesenproblem darstellt und wir gravierende Probleme mit dem
Trinkwasser haben, Konsequenzen gezogen werden. Angesichts dessen, dass Sie jetzt in Kenntnis des Indikatorenberichtes darstellen, dass Sie eine Hoftorbilanz erst
ab 2018 erwägen, wiederhole ich meine Frage, ob Sie
Konsequenzen aus dem Indikatorenbericht ziehen, in
dem dargelegt wird, dass das Landwirtschaftsministerium mit den gegenwärtigen Strategien das Ziel der Biodiversitätsstrategie nicht erfüllen kann, bis 2020 den
Verlust an biologischer Vielfalt zu stoppen. Das ist - da
brauchen wir nicht um den heißen Brei herumzureden der Konflikt, der gegenwärtig zwischen den beiden Häusern ausgetragen wird.
Frau Kollegin Lemke, Streit in der Sache ist nichts
Negatives, weil es um das Finden des richtigen Weges
geht.
({0})
- Das mache ich öfter so.
Die Frage ist doch, wie wir jetzt zeitlich vorgehen.
Wir haben die Verbändeanhörung Ende Januar abgeschlossen. Uns liegen über 50 Anregungen von Verbänden, auch Ökoverbänden, und elf Stellungnahmen von
Ländern vor, die jetzt mit dem Umweltministerium, aber
auch mit den Ländern beraten werden. In Kürze steht ein
Termin auf Staatssekretärsebene an, um die verschiedenen Anregungen zu bewerten und Entscheidungen vorzubereiten. Dann werden wir im Sinne des von Ihnen gewünschten Zieles die entsprechenden Entscheidungen
treffen, die auch die im Indikatorenbericht aufgezeigten
Probleme zu beseitigen helfen. Ich will aber darauf hinweisen, dass in diesem Bericht auch schon ein Fortschritt aufgezeigt worden ist, der in den letzten zehn Jahren erzielt wurde. Er reicht zwar noch nicht aus - es gibt
innerhalb Deutschlands unterschiedliche Schwerpunkte -,
aber wir haben keine flächendeckende Problematik.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Das ist sicherlich eine Interpretationsfrage. Dazu,
dass wir zusammen mit Malta die höchsten Stickstoffbelastungen im Grundwasser haben, kann man zwar sagen,
das sei kein flächendeckendes Problem; man kann aber
auch sagen: Wir haben ein gravierendes Problem.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie mir
gerade versprochen, dass Sie im Sinne meiner Fragestellung den gegenwärtigen Entwurf der Düngeverordnung
überarbeiten wollen. So haben Sie sich eben ausgedrückt. Ich weiß nicht, ob das willentlich passiert ist.
Denn das hieße, dass Sie am ursprünglichen Entwurf tatsächlich noch relevante Änderungen vornehmen müssten. Der Indikatorenbericht ist, zumindest in den Details,
erst nach der Vorlage des Entwurfs der Öffentlichkeit
und der Bundesregierung zur Kenntnis gelangt. Er
schlägt Alarm, was die Nitratbelastung des Grundwassers, aber auch der Oberflächengewässer anbetrifft, und
er macht deutlich, dass der Handlungsbedarf in diesem
Bereich größer ist, als Sie ihn bisher bei Ihrer Düngeverordnung zugrunde gelegt haben.
Ich bleibe beim Thema Hoftorbilanz ab 2018. Ich
bleibe aber auch bei einem so konkreten Detail wie der
Frage, ob auf tauenden Böden Gülle aufgebracht werden
darf, mit der Folge, dass wesentlich mehr Gülle abfließt,
wenn Sie diese Praxis beibehalten. Es geht um eine Forderung der EU-Kommission an die Bundesregierung wegen der Verletzung der Nitratrichtlinie bzw. wegen eines
Vertragsverletzungsverfahrens, die in Ihrem Entwurf
nicht berücksichtigt worden ist. Meine konkrete Frage
ist: Werden Sie die Regelung zu den tauenden Böden ändern? Werden Sie tatsächlich noch Änderungen an der
Düngeverordnung vornehmen?
Wie ich schon berichtet habe, geht es nun darum, mit
welchen Maßnahmen wir die angestrebten Ziele erreichen können. Hier gibt es unterschiedliche fachliche
Vorstellungen und Strategien, aber auch belegbare Veränderungsnotwendigkeiten. Die ökologischen Anbauverbände zum Beispiel haben uns gebeten, das Aufbringen von Festmist auch noch im Winter zu erlauben. Das
möchte die Europäische Kommission nicht mehr zulassen. Da braucht man etwas mehr Fachverstand; den
möchte ich Ihnen nicht absprechen.
({0})
- Das weiß ich, Frau Lemke.
({1})
Wir ringen zurzeit um eine Lösung. Wir liegen auf jeden Fall im Zeitplan. Es muss praktikabel sein, ohne bürokratischen Mehraufwand. Aber die Zielsetzung ist unstrittig. Die Ziele werden wir auch erreichen.
Zu einer Nachfrage hat der Kollege Meiwald das
Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Bleser, vielen
Dank für Ihre Ausführungen.
Ich bin froh, dass Sie sagen, dass wir in der Zielsetzung gar nicht weit voneinander entfernt sind. Frau
Lemke hat darauf hingewiesen, dass der Indikatorenbericht warnende bzw. sogar alarmierende Rufe beinhaltet.
Die Wasserversorger zum Beispiel machen sich massiv
Sorgen. Zudem gibt es das EU-Vertragsverletzungsverfahren, das Anlass für die jetzige Novelle ist. Deswegen
stellt sich mir die Frage, warum Sie den Stickstoffüberschuss erst ab 2018 auf 50 Kilogramm pro Hektar absenken wollen. Alle fachlich befassten Behörden versuchen,
wieder einen proaktiven Verbesserungszustand zu erreichen, und sind der Auffassung, dass man 2018 schon
sehr viel weiter sein muss. Wie begründen Sie, dass Sie
damit erst 2018 anfangen wollen, oder sehen Sie im
Rahmen der weiteren Verhandlungen noch Möglichkeiten, das zu beschleunigen?
Der Entwurf sieht zum Beispiel vor, dass alle organischen Dünger, auch Gärreste, bei den Obergrenzen berücksichtigt werden. Schon das führt zu einer Reduzierung der aufzubringenden Gesamtmenge. Darüber
hinaus wollen wir die Kontrollwerte, die in der Natur
beispielsweise aufgrund der Witterung nicht exakt vorauszusagen sind, im Hinblick auf die Überschüsse weiter zurückführen. Bei allem Verständnis für schnelles
Handeln wird man in der Praxis eine einigermaßen anwendbare Übergangsfrist brauchen. Ob das 2018 oder
früher der Fall sein wird, wird sich herausstellen. Aber
ich denke, dass 2018 schon ambitioniert genug ist.
({0})
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Die Fragen 10 und 11
der Kollegin Höger sollen schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Zur
Beantwortung der Frage steht der Parlamentarische
Staatssekretär Enak Ferlemann zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Matthias Gastel
auf:
Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die
Stuttgart-21-Planung für den Fildertunnel - Planfeststellungsabschnitt 1.2 - erst seit wenigen Tagen zusätzlich zum bisher
vorgesehenen Zugsicherungssystem ETCS - European Train
Control System - auch die konventionelle Technik für S-Bahnen umfasst, obwohl dieser Tunnel seit langem als Ausweichstrecke für den S-Bahn-Verkehr für den Fall einer Sperrung
des S-Bahn-Tunnels zwischen den Haltestellen „Österfeld“
und „Hauptbahnhof“ vorgesehen ist, der Tunnel aber ohne die
herkömmliche Technik von den S-Bahnen gar nicht genutzt
werden kann, und wer trägt nach Kenntnis der Bundesregierung die Mehrkosten für die zusätzliche Ausstattung des Tunnels mit konventioneller Zugsicherungstechnik?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich beantworte die Frage wie folgt: Die Aussage
ist nach Angaben der Deutschen Bahn AG nicht zutreffend. Im Zuge der Schlichtung zu Stuttgart 21 wurde die
signaltechnische Ausstattung dargelegt. Im Schlichterspruch wurde zur flexiblen Nutzung der gesamten neu
errichteten Hochgeschwindigkeitsinfrastruktur die volle
Doppelausrüstung mit Ks-Signaltechnik und ETCS gefordert. Die Ks-Signaltechnik gestattet, das gesamte
Netz direkt mit allen Regional- und S-Bahnzügen zu befahren. Diese Forderung des Schlichters führte zur Entscheidung für die Umplanung der Signaltechnik am
9. Dezember 2012. Seit diesem Zeitpunkt werden alle
Signaltechnikplanungen für den Bereich des Knoten
Stuttgart, also auch für den Fildertunnel, mit der Doppelausrüstung ETCS und Ks-Signaltechnik durchgeführt.
Damit ist für Störungsfälle signaltechnisch eine vollkommen flexible Umleitung der Regional- und S-Bahnzüge im gesamten Streckennetz möglich.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Herr Staatssekretär, meine erste Nachfrage bezieht
sich auf den Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr
2005. Schon damals waren beide Signaltechniken vorgeschrieben, also nicht erst seit dem Schlichterspruch. Warum kam das deutlich später?
Die Angaben, die ich Ihnen gemacht habe, stammen
von der DB AG, da es sich um ein eigenwirtschaftliches
Projekt der Deutschen Bahn handelt und nicht um ein
Projekt des Bedarfsplans.
Damals ist nach dem Schlichterspruch entschieden
worden, dass man zur Redundanz aller Strecken dann
eben auch beide Sicherungstechniken einführt, was ich
auch sehr begrüße.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Vielen Dank. - Ich habe eine zweite Frage an die
Bundesregierung. Was hält denn die Bundesregierung
davon, für S-Bahnen die ETCS-Technik zu verwenden?
Gibt es Ihres Wissens diese Technik in S-Bahnen in
Deutschland oder in anderen Metropolregionen Europas
bereits jetzt, und welche Erfahrungen gibt es dazu?
Ob es das in anderen Metropolregionen Europas gibt,
kann ich Ihnen nicht beantworten. Das würde ich gerne
schriftlich nachreichen.
Sicherlich ist es sinnvoll, wenn man Strecken mit beiden Techniken ausstattet, sodass bei Redundanz aller
Strecken, zum Beispiel für eine notwendige Umfahrung
bei Störungen an einer Strecke, auch eine andere Strecke
benutzt werden kann. Das macht verkehrstechnisch
Sinn.
Danke, Herr Staatssekretär. - Wir sind damit am Ende
Ihres Geschäftsbereichs.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung der Fragen steht die
Parlamentarische Staatssekretärin Rita SchwarzelührSutter zur Verfügung.
Die Fragen 13 und 14 der Kollegin Sylvia KottingUhl sollen schriftlich beantwortet werden.
Ich rufe die Frage 15 der Kollegin Steffi Lemke auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung das Fehlen eines Fischerei-Indikators im Indikatorenbericht zur Strategie der biologischen Vielfalt 2014?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Sehr geehrte Frau Kollegin Lemke, ein erster Vorschlag für einen Indikator zur Meeresfischerei wurde im
Rahmen eines Forschungs- und Entwicklungsvorhabens
von PAN, Planungsbüro für angewandten Naturschutz,
in München in Zusammenarbeit mit GEOMAR, dem
Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, in Kiel entwickelt. Auf der Basis dieses Vorschlags haben das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und das Bundesamt für Naturschutz eine
Diskussion mit den Fischereiforschungsinstituten des
Thünen-Instituts, dem Institut für Seefischerei in Hamburg und dem Institut für Ostseefischerei in Rostock und
dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft begonnen. Der Indikator hat daraufhin mehrere
Modifikationen erfahren. Die Arbeiten hieran konnten
aber wegen noch offener methodischer und inhaltlicher
Fragen und Defizite bei den Daten noch nicht abgeschlossen werden.
Der Diskussionsprozess wird mit dem Ziel fortgeführt, in den nächsten Indikatorenbericht einen wissenschaftlich abgesicherten, aussagekräftigen Indikator zur
Meeresfischerei aufzunehmen. Es wird auch erwartet,
dass bis dahin die offiziellen Festlegungen der Referenzwerte zur Biomasse und Häufigkeit für weitere kommerziell genutzte Bestände durch den ICES, International
Council for the Exploration of the Sea, vorliegen. Außerdem sollen bei der weiteren inhaltlichen und methodischen Ausgestaltung des Indikators die Erkenntnisse, die
bei der aktuellen Entwicklung von Indikatoren im Zusammenhang mit der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie
gewonnen werden, berücksichtigt werden.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Zunächst vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die
Antwort. - Wir sind im Prinzip bei dem gleichen Themenkomplex wie bei meiner vorhergehenden Frage. Da
gab es zwischen dem Landwirtschaftsministerium und
dem Umweltministerium einen Dissens in der Frage des
notwendigen und machbaren Meeresschutzes.
Hielten Sie es denn nicht für notwendig, wenn wir
über die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie reden, tatsächlich auch einen Indikator für die biologische Vielfalt
zur Verfügung zu haben? Es ist das größte Problem, dass
in den Meeresschutzgebieten nach wie vor keine Schutzmaßnahmen von der Bundesregierung umgesetzt worden
sind und wir keine Fischerei-Indikatoren bzw. Messstellen haben, um eine Bewertung vorzunehmen.
Sehr geehrte Frau Kollegin, ich denke, auf europäischer Ebene, auch bei der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie, bestehen Zielkonflikte zwischen der Fischerei und
der Biodiversität, die wir gemeinsam angehen müssen.
Wir prüfen, welche Erkenntnisse wir gewinnen können,
um Lösungen nachher umzusetzen.
Das ist eine schöne Antwort, die um den real existierenden Konflikt elegant herumgeht. Das Hauptproblem
ist doch, dass sich das Landwirtschaftsministerium hinter der europäischen Ebene versteckt und sagt: Wir können für die biologische Vielfalt im Rahmen der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie nur etwas auf europäischer
Ebene tun; wir können alles, was Fischerei anbetrifft,
nur europäisch regeln. - Das ist faktisch falsch, weil andere europäische Staaten nationale Regelungen erlassen
haben. Deshalb sage ich: Man versteckt sich einfach nur
hinter der europäischen Ebene.
Ich bleibe dabei, dass es hilfreich wäre, wenn wir
über den Einfluss der Fischerei auf die biologische Vielfalt im Meer mehr wüssten, wenn es einen Indikator dafür gäbe, wenn es eine aussagekräftige Information darüber gäbe, die Ihnen in der Auseinandersetzung mit
dem Landwirtschaftsministerium helfen könnte.
Frau Kollegin, ich habe gerade schon gesagt, dass wir
einen solchen Indikator erarbeiten und dass er bis zum
nächsten Bericht vorliegen soll. Insofern gehen wir mit
dem Problem auf nationaler Ebene durchaus entsprechend um.
({0})
Die Frage 16 des Kollegen Movassat soll schriftlich
beantwortet werden.
Ich rufe die Frage 17 des Kollegen Peter Meiwald
auf:
Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung, um den Anteil von Mehrweg- und ökologisch vorteilhaften Einweggetränkeverpackungen ({0}) von 47 Prozent
im Jahr 2012 ({1}) auf die in der Verpackungsverordnung angestrebten 80 Prozent zu erhöhen, angesichts der
Ankündigung von Coca-Cola, aus dem Mehrwegsystem aussteigen zu wollen ({2})?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Sehr geehrter Herr Kollege Meiwald, mit dem Mehrwegsystem in Deutschland existiert sicherlich ein ökologisches Vorzeigeprojekt. Insoweit nimmt die Bundesregierung den von Coca-Cola beabsichtigten Ausstieg aus
dem Mehrwegsystem bei 1,5-Liter-Gebinden und bei
0,5-Liter-Gebinden mit Sorge zur Kenntnis.
Die Bundesregierung hat das Mehrwegsystem in der
Vergangenheit wiederholt durch rechtliche Initiativen
und durch die Unterstützung von Werbemaßnahmen gefördert. Insbesondere hat die Bundesregierung bereits in
der letzten Legislaturperiode ergänzend zur Pfandpflicht
für ökologisch nicht vorteilhafte Einweggetränkeverpackungen eine Verordnung zur Hinweispflicht des
Handels beim Vertrieb bepfandeter Einweg- und Mehrweggetränkeverpackungen vorgelegt. Durch eine Verbesserung der Transparenz für die Verbraucher und Verbraucherinnen sollen diese die Möglichkeit erhalten, bei
einem Einkauf bewusst zwischen Einweg- und Mehrweggetränkeverpackungen zu unterscheiden.
Die Bundesregierung entspricht damit auch einem
ausdrücklichen Wunsch der Umweltverbände und der
Verbraucherverbände. Die Verordnung liegt seit dem
Frühjahr 2013 dem Bundesrat zur Zustimmung vor. Die
Bundesumweltministerin hat ihre Kolleginnen und Kollegen in den Ländern aufgefordert, dieser Verordnung
zuzustimmen.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage, Herr
Meiwald.
Vielen Dank, Frau Kollegin Staatssekretärin
Schwarzelühr-Sutter. - Es freut mich zunächst einmal,
dass auch Sie es positiv, als Erfolgsgeschichte für
Deutschland sehen, dass es hier überhaupt noch einen
Anteil der Mehrwegverpackung gibt. Trotzdem müssen
wir uns zunehmend einer Diskussion über die ökologische Vorteilhaftigkeit des Mehrwegsystems stellen. Es
hat im Jahr 2002 die letzte unabhängige Studie des Umweltbundesamtes dazu gegeben. Mittlerweile gibt es einige Interessenvertreter der Einwegbranche, die infrage
stellen, ob die ökologische Vorteilhaftigkeit des Mehrwegsystems heute eigentlich noch gegeben ist. Deswegen meine Nachfrage: Beurteilt die Bundesregierung wie
wir Grüne, die Umweltverbände und auch das UBA
Mehrwegsysteme heute immer noch als ökologisch vorteilhaft und als den eindeutig besseren Weg, den wir anstreben müssen, um die Zielvorgaben der Verpackungsverordnung wieder erreichen zu können?
Die Einschätzung der Bundesregierung zur ökologischen Vorteilhaftigkeit von bestimmten Getränkeverpackungen beruht natürlich auf Ökobilanzuntersuchungen,
die den einschlägigen nationalen wie auch internationalen Normen entsprechen und die auch vom Umweltbundesamt geprüft und bewertet sind. Diese Studien belegen
die grundsätzliche ökologische Vorteilhaftigkeit von
Mehrwegflaschen. Dabei erweisen sich Mehrwegflaschen aus PET jeweils als die ökologisch günstigere Verpackung. Einige Einweggetränkeverpackungen schneiden in den vorliegenden Ökobilanzen allerdings im
Vergleich zu Glasmehrwegflaschen vergleichbar gut ab.
Deshalb sind in der Verpackungsverordnung ökologisch
vorteilhafte Einweggetränkeverpackungen von der
Pfandpflicht befreit.
Bei der Beurteilung der ökologischen Effekte einer
Verpackung spielt das Recycling zwar eine wesentliche
Rolle, aber nicht die allein ausschlaggebende; vielmehr
ist wirklich der gesamte Lebensweg einer Verpackung zu
betrachten. Die Studien aus dem Jahr 2010 haben gezeigt, dass sich das Recycling der im Pfandsystem sortenrein zurückgenommenen PET-Flaschen positiv auf
deren ökologische Bewertung auswirkt.
Sie sehen: Wir beschäftigen uns sehr intensiv damit
und bleiben auch da bei der Bewertung nicht stehen.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Vielen Dank. - Daran schließt sich meine Nachfrage
an, ob Sie vorhaben, über das Umweltbundesamt einmal
wieder eine generelle neue Bewertung vornehmen zu
lassen, ob das schon in Arbeit ist oder in welchem
Zeitrahmen wir da mit neuen Ergebnissen rechnen können, um wieder entsprechend Druck in die gesellschaftliche Diskussion bringen zu können.
Die gesellschaftliche Diskussion - wenn ich das so
anmerken darf - ist natürlich durch die aktuelle Ankündigung von Coca-Cola sehr wohl in Gang gekommen.
Das schafft auch noch einmal Bewusstsein in dieser
Frage.
Den vorliegenden Ökobilanzstudien liegen teilweise
unterschiedliche Methoden und Annahmen zugrunde.
Im Auftrag des Umweltbundesamts wird zurzeit vom
IFEU-Institut in Heidelberg ein Vorhaben zur Prüfung
und Aktualisierung der Ökobilanzen für Getränkeverpackungen durchgeführt. Die Ökobilanzen werden verglichen, bewertet; Ziel sind einheitliche Bewertungsansätze.
Im Rahmen dieses Vorhabens wurden methodische
Vorgaben für zukünftige Ökobilanzen für Getränkeverpackungen erarbeitet und vorliegende Erkenntnisse aktualisiert. Ein Kreis von relevanten Akteuren aus Industrie-, Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden hat
dieses Vorhaben begleitet; es fand also nicht im stillen
Kämmerlein statt. Das Vorhaben wird in Kürze abgeschlossen. Es handelt sich dabei aber nicht um eine umfassende neue Ökobilanz, also nicht um eine Studie
UBA III, mit der die Ergebnisse früherer Studien revidiert würden. Für eine solche umfassende neue Bewertung ist derzeit kein Anlass zu erkennen.
Wir kommen zur Frage 18 des Kollegen Peter
Meiwald:
Welche Umwelt- und Arbeitsplatzeffekte erwartet die
Bundesregierung bei einem Ausstieg des Marktführers für Erfrischungsgetränke, Coca-Cola, aus Mehrweggetränkeverpackungen bei 0,5- und 1,5-Liter-Flaschen, wie er in der letzten Woche vom Konzern angekündigt wurde, und von einem
kompletten Ausstieg von Coca-Cola aus allen Mehrweggetränkeverpackungen, wie er von den Umweltverbänden mittelfristig erwartet wird ({0})?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Herr Kollege Meiwald, grundsätzlich tragen Mehrwegflaschen zur Abfallvermeidung bei, und sie schneiden in gesamtökologischen Untersuchungen nach wie
vor besser ab als Einweggetränkeverpackungen. Das gilt
insbesondere für Mehrwegflaschen aus Kunststoff - ich
hatte das vorhin schon genannt -, insbesondere also die
PET-Flasche. Eine Prognose der ökologischen Auswirkungen einer teilweisen Umstellung des Sortiments eines bestimmten Unternehmens, so wie das besagte Unternehmen sie angekündigt hat, ist der Bundesregierung
im Moment nicht möglich. Mit Blick auf die angekündigte Umstellung ist im Übrigen nicht abschätzbar, welcher Teil der aufgelisteten Mehrwegflaschen durch andere Mehrwegflaschen substituiert wird und welcher
Teil durch Einweggebinde; es gibt da unterschiedliche
Annahmen, auch vom Hersteller selber. Von der bereits
genannten Hinweispflicht wird ein Anreiz ausgehen, auf
Mehrwegflaschen zu setzen.
Eine Prognose etwaiger Arbeitsplatzeffekte bei einer
teilweisen oder vollständigen Umstellung des Sortiments
eines bestimmten Unternehmens von Mehrwegflaschen
auf Einwegsysteme ist der Bundesregierung derzeit nicht
möglich.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Vielen Dank. - Den Optimismus, dass es eine Substitution durch andere Mehrwegsysteme geben wird, teile
ich nicht ganz. Im Gegenteil: Wir machen uns eigentlich
große Sorgen, dass bei dem Konzern am Ende des Tages
die 1-Liter-Flasche ebenfalls durch ein Einwegangebot
substituiert wird. Insofern beschäftigt uns natürlich weiPeter Meiwald
terhin die Frage, inwieweit dadurch auch Auswirkungen
auf die Arbeitsplätze zu befürchten sind, nicht nur bei
dem Konzern selbst, sondern auch in Handel und Logistik. Es wäre für uns schon von Interesse, ob sich Ihr
Ministerium Gedanken darüber macht, in welcher Form
- über die Hinweispflicht hinaus - Maßnahmen ergriffen
werden können, um den eigentlich auch nach wie vor gesetzlich vorgeschriebenen Mehrweganteil wieder zu erreichen.
Sehr geehrter Herr Kollege Meiwald, ich bin weder
optimistisch noch pessimistisch. Es gilt, abzuwarten.
Wenn der Fall eintritt, wird das Bundesumweltministerium sehr genau beobachten, welche Entwicklung sich
abzeichnet, und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen ergreifen.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Welche ökologischen Vorteile der Mehrwegsysteme
würden Sie denn in den Diskussionen, jetzt insbesondere
auch mit der Branche, besonders in den Vordergrund
stellen, und welche könnten dabei als Argumentationshilfe dienen, um die Überzeugung durchzusetzen, dass
wieder mehr auf Mehrwegsysteme gesetzt werden soll?
Sehr geehrter Herr Kollege Meiwald, es wäre jetzt
einfach wichtig, dass wir die Hinweispflicht im Handel
tatsächlich umsetzen, damit der Verbraucher schlussendlich klar und deutlich, auch sehr schnell wahrnehmbar,
sieht, was er, wenn er ins Regal greift, tatsächlich kauft ein Einweg- oder ein Mehrwegprodukt. Insofern legen
wir Wert darauf, dass das jetzt als erster Schritt umgesetzt wird.
Danke. Wir sind damit am Ende Ihres Geschäftsbereichs.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Zypries zur Verfügung.
Die Fragen 19 und 20 des Kollegen Krischer sollen
schriftlich beantwortet werden.
Ich rufe die Frage 21 der Kollegin Kathrin Vogler auf:
Welche Vertreter deutscher Wirtschaftsunternehmen haben
Uwe Beckmeyer, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, bei seinem jüngsten
Indien-Besuch begleitet, und mit welchen Politikern auf der
indischen Seite wurden Gespräche geführt?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin
Vogler, die Reise meines Kollegen Uwe Beckmeyer bestand aus drei Teilen: Er hat erstens die Eröffnung und
den Ko-Vorsitz des 6. Deutsch-Indischen Energieforums am 13. Februar gemacht. Er hat zweitens an einer Investitionskonferenz zu erneuerbaren Energien der
indischen Regierung teilgenommen und hat dabei den
Ausstellerbereich besucht. Er hat drittens eine Wirtschaftsdelegation zu Sicherheitstechnologien geleitet,
die auch an dieser Reise teilgenommen hat.
Es gab nun unterschiedliche Teilnehmer bei den unterschiedlichen Veranstaltungen.
Bei den Veranstaltungen zu erstens und zweitens, also
beim Energieforum und bei der Investitionskonferenz zu
erneuerbaren Energien, waren folgende deutsche Unternehmen dabei: Bosch, EXXERGY GmbH, 50Hertz,
Future Innovation, Hensel, IBC SOLAR, Nanak Consult-Holding GmbH, Solea Pinpoint Energy GmbH,
STEAG, SunOyster, Siemens, Suntrace GmbH, Terrawatt Planungsgesellschaft mbH.
Bei der unter drittens genannten Unternehmung, also
der Leitung der Wirtschaftsdelegation zu Sicherheitstechnologien, waren vonseiten der Unternehmen dabei:
Airbus Defence and Space, Ambassadors Associates,
Atlas Elektronik, Bosch Sicherheitssysteme, Diehl
Defence, DLR, Drägerwerk, German-European Security Association, Heckler & Koch, Horizon Group, SAP
India, TKMS, TÜV Rheinland AG, WEW Westerwälder
Eisenwerk.
Dann hatten Sie gefragt, mit wem der Kollege Gespräche geführt hat. Das will ich Ihnen auch gerne vorlesen; das dauert aber einen Moment. Er hat geredet mit
Herrn Piyush Goyal, Minister of State, Ministry of
Power, mit Herrn Satish Kumar, Joint Secretary, Ministry of Power, mit Herrn Jain, Secretary, National Disaster Management Authority, Ministry of Home Affairs,
mit Herrn Mohan Kumar, Secretary, Department of
Defence, Ministry of Defence, mit Herrn Mathur, Secretary, Department of Defence, Ministry of Defence, mit
Herrn Inderjit Singh, Union Minister of State for Planning, Ministry of Defence, mit Herrn Somasundaran,
Secretary, Ministry of Civil Aviation, mit Herrn Goyal,
Home Secretary, Ministry of Home Affairs, mit Herrn
Prasad, Additional Secretary, Ministry of Home Affairs,
mit Frau Raje Scindia, Minster of Commerce, Industries
and Employment, Government of Madhya Pradesh, mit
Frau Ratna Prabha, Additional Chief Secretary,
Commerce and Industries Department, Government of
Karnataka, und mit Herrn Mukherjee, Chief Secretary,
Government of Karnataka.
Bevor Sie das Wort zur ersten Nachfrage bekommen,
möchte ich Folgendes anmerken: Ich habe das allgemeine Interesse an der vollständigen und ausführlichen
Antwort der Frau Staatssekretärin vorausgesetzt und
deshalb die Überschreitung der Antwortzeit natürlich
entsprechend toleriert. Ich bitte jetzt aber, sowohl die
Vizepräsidentin Petra Pau
Nachfragen als auch die Antworten so zu gestalten, dass
wir wieder auf die vereinbarte Zeit kommen. - Bitte,
Kollegin Vogler.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich denke, das bekommen wir hin. - Wir haben mitbekommen, dass das
Thema Rüstungs- und Sicherheitstechnologie bei diesem
Indien-Besuch offensichtlich eine größere Rolle gespielt
hat, als in der öffentlichen Darstellung dieser IndienReise seitens des Ministeriums zum Ausdruck gekommen ist. Deshalb möchte ich gerne nachfragen, welche
Rolle das Thema „Rüstungslieferungen nach Indien“
beim Besuch des indischen Ministerpräsidenten Modi
zur Hannover Messe im April, beim geplanten Besuch
von Ursula von der Leyen in Indien und bei der für den
Herbst anstehenden Regierungskonsultation spielen
wird. Ich glaube, das ist von allgemeinem Interesse.
Ich kann Ihnen leider nicht sagen, was die Frau
Ministerin von der Leyen für Pläne hat und was Herr
Modi auf der Hannover Messe machen will. Das entzieht
sich leider meiner Kenntnis.
Ihre zweite Frage, bitte.
Ich komme zu meiner zweiten Nachfrage: Wegen
Korruptionsvorwürfen des indischen Central Bureau of
Investigation gegen eine Tochterfirma wurde das deutsche Rüstungsunternehmen Rheinmetall auf eine
schwarze Liste gesetzt und bis 2022 vom indischen Rüstungsgeschäft ausgeschlossen. Inzwischen gibt es weitere Vorwürfe, wonach Rheinmetall einem indischen
Lobbyisten 530 000 Euro zur Bestechung der Behörden
gegeben haben soll, um das sozusagen aus dem Weg zu
räumen. Inwieweit haben das Thema Rheinmetall und
die Streichung von Rheinmetall von der Blacklist beim
Besuch des Staatssekretärs eine Rolle gespielt, und hat
sich die Bundesregierung dafür eingesetzt, dass die indische Regierung ihre schwarze Liste der korrupten Rüstungsunternehmen überarbeitet?
Nach meiner Kenntnis hat das Thema bei dem Besuch
keine Rolle gespielt. Es gibt meiner Kenntnis nach auch
keinen Einsatz der Bundesregierung gegenüber der indischen Regierung dahin gehend, irgendwelche Überarbeitungen vorzunehmen.
Zu einer Nachfrage hat der Kollege Ströbele das
Wort.
Danke. - Frau Staatssekretärin, ich habe gerade mitbekommen, dass die Firma Heckler & Koch auch an den
Gesprächen beteiligt gewesen ist. Bestehen bei der Bundesregierung nicht Bedenken gegenüber der Firma
Heckler & Koch, gegen die ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren läuft und von der gerade in den letzten
Wochen immer neue Verfehlungen bei Rüstungsexporten und der Einhaltung der gegebenen Zusagen über die
Verwendung der exportierten Waffen auch in der Öffentlichkeit bekannt geworden sind? So wurde festgestellt,
dass Waffen, die entgegen der Absprachen von Heckler &
Koch nach Mexiko geliefert worden sind, vermutlich sogar bei den Morden an mehr als 43 Studenten benutzt
worden sind. Jedenfalls wurden sie auf der Polizeiwache
in dem Ort gefunden, in dem die Studenten verschwunden sind.
Ich habe Ihre Frage nicht verstanden.
Die Frage ist, ob die Bundesregierung nicht Bedenken
hat, eine solche Firma an solchen Gesprächen in Indien
zu beteiligen, und ob die Bundesregierung nicht Anlass
dazu hat, diese Firma von weiteren Exportverhandlungen und -gesprächen auszuschließen?
Herr Abgeordneter, zunächst einmal muss erstens
festgestellt werden, dass es tatsächlich Waffen waren,
die die Firma Heckler & Koch hergestellt hat.
({0})
Zweitens muss festgestellt werden, in welcher Art und
Weise sie dort hingekommen sind, also ob die Firma
überhaupt eine Ursache dafür gesetzt hat. Das ist nach
allem, was ich weiß, nicht der Fall.
({1})
Es ist äußerst geschickt, dass Sie Ihr Mikrofon angelassen haben, Herr Ströbele. Trotz alledem ist dies die
Fragestunde und kein Zwiegespräch.
Genau. - Ich glaube auch, dass es richtig ist, dass man
gleichwohl mit der Firma redet. Selbst wenn Verfehlungen vorgelegen haben sollten, wäre es sinnvoll, dass man
mit der Firma im Gespräch bleibt und darauf drängt,
dass Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, die solche Dinge künftig ausschließen.
Zu einer weiteren Nachfrage hat die Kollegin
Karawanskij das Wort.
Vielen Dank. - Ich habe mir einmal die öffentliche
Darstellung dieses Besuchs seitens des Ministeriums angesehen. Auf der Webseite ist vor allem etwas über die
umweltpolitische und energiepolitische Komponente des
Besuches zu lesen. Sie haben gerade ausgeführt, mit
wem Gespräche geführt worden sind. Leider befindet
sich auf der Webseite sehr wenig zu den sicherheitspolitischen Aspekten bzw. zu den Firmen und Menschen, die
Sie gerade aufgezählt haben. Wie ist das zu verstehen?
Ist das eine Teil der öffentlichen Arbeit und das andere
eher geheimer Natur? Wie kommt diese Diskrepanz zustande?
Keineswegs. Es liegt daran, dass der Parlamentarische Staatssekretär Beckmeyer Ko-Vorsitzender des
6. Deutsch-Indischen Energieforums war, es eröffnet hat
und eine offizielle Rede gehalten hat. Er hat außerdem
an einer Investitionskonferenz zu erneuerbaren Energien
teilgenommen und einen offiziellen Ausstellerbesuch
gemacht. Das sind Themen, die offiziell auf den Webseiten aufgeführt sind, im Gegensatz zu irgendwelchen Gesprächen, die auch längst nicht den Anteil hatten wie die
Gespräche über erneuerbare Energien. Das ist der
Grund, weshalb der Kollege Beckmeyer gefahren ist. Er
ist bei uns im Hause für Energie zuständig. Das
6. Deutsch-Indische Energieforum und die Investitionskonferenz zu erneuerbaren Energien waren der eindeutige Schwerpunkt dieser Reise. Das andere war nur by
the way.
({0})
Danke, Frau Staatssekretärin. - Wir kommen damit
zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Zur Beantwortung der Fragen steht die Staatsministerin Professor Dr. Maria Böhmer zur Verfügung. Die Fragen 22
und 23 des Kollegen Nouripour sowie die Fragen 24
und 25 der Kollegin Brugger werden schriftlich beantwortet. Dies gilt auch für die Frage 26 der Kollegin
Hänsel sowie für die Frage 27 des Kollegen Movassat.
Auch die Fragen 28 und 29 der Kollegin Jelpke wie auch
die Frage 30 des Kollegen Hunko werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 31 der Kollegin Dağdelen.
Diese ist nicht im Saal. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen, das heißt, sie wird nicht beantwortet.
Ich rufe die Frage 32 des Kollegen Hans-Christian
Ströbele auf:
War der Bundesregierung während der Waffenstillstandsverhandlungen in Minsk am 12. Februar 2015 bekannt, dass
in der Ostukraine in der Stadt Debalzewe und deren Umgebung ein Großteil der ukrainischen Armee - circa 8 000 Soldaten - von den Truppen der Separatisten nahezu vollständig
eingekesselt und kurz vor der Aufgabe war, und warum hat
die Bundeskanzlerin als Teilnehmerin der Verhandlungen
nicht auf einer ausdrücklichen und klaren Regelung für diese
akute und das Funktionieren eines Waffenstillstandes möglicherweise entscheidende Konfrontationssituation bestanden,
um zu vermeiden, dass die militärische Lage wegen Missverständnissen eskaliert?
Bitte, Frau Staatsministerin.
Frau Präsidentin, ich antworte dem Kollegen
Ströbele: Dass die ukrainischen Truppen in Debalzewe
aufgrund des Frontverlaufs in eine schwierige Situation
kommen konnten, war allen Beteiligten und Beobachtern schon vor dem 12. Februar bekannt. Dass ein Großteil der ukrainischen Truppen am 12. Februar kurz vor
der Aufgabe stand, kann die Bundesregierung nicht bestätigen. Darüber, ob und gegebenenfalls ab wann die
Truppen eingekesselt waren, gibt es weiterhin unterschiedliche Darstellungen. Das bezieht sich auch auf die
Anzahl der Truppen.
Wie Ihnen bekannt ist, wurde in Minsk eine umfassende Regelung getroffen, die insbesondere zum Waffenstillstand und zum Abzug schwerer Waffen keine
Missverständnisse zulässt. Die nach dem Beginn der
Waffenruhe am 15. Februar fortgesetzten Angriffe der
Separatisten auf Debalzewe und die Erstürmung der
Stadt sind eindeutig eine Verletzung der Abmachung.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Danke, Frau Staatssekretärin. - Davon, dass es eine
Verletzung der Abmachung ist, bin ich auch ausgegangen. Das ergibt sich schon aus dem Text des Abkommens. Mich interessieren dabei mehr die Haltung und
die Tätigkeit der Bundesregierung. Die Bundeskanzlerin
hat gemeinsam mit dem französischen Präsidenten intensive Verhandlungen geführt. Bezüglich der Dauer haben
wir sie alle sehr bewundert, dass sie so gut durchgehalten hat. Aber mich interessiert: Ist, nachdem auch der
Bundesregierung bekannt war, dass mindestens eine kritische Situation in Debalzewe besteht, eine Regelung getroffen worden? Da sitzen sie nun zusammen und wissen: Da ist ein Kessel. Wie eng er ist und wie schnell
diese Lage möglicherweise zu einer Aufgabe führt, war
vielleicht nicht bekannt; aber es war bekannt, dass die
Situation kritisch ist. Hat man denn da gesagt: „Das
muss jetzt sofort aufhören“, oder hat man gesagt: „Ihr
habt jetzt noch drei Tage Zeit, da könnt ihr praktisch
vollendete Tatsachen schaffen, und wir werden mit denen soundso umgehen“? Was ist denn da geregelt worden?
Herr Ströbele, es ging ja weitgehend durch die Presse,
was da geregelt worden ist; es dürfte auch Ihnen bekannt
sein. Ich verstehe andererseits Ihre Frage. Wir alle setzen
auf der einen Seite große Hoffnungen in diese Abmachung, aber auf der anderen Seite wissen wir, wie fragil
die Situation ist.
Es ist sehr deutlich geworden, dass die ukrainischen
Soldaten diese Situation verlassen konnten. Das bedeutete auch, dass viele heil aus dieser Situation herauskamen. Trotzdem sage ich: Es war außerordentlich schwierig. Wir wissen auch: Mit solchen Vereinbarungen, von
denen ich eben sagte, dass sie keine Missverständnisse
zulassen, verhindert man nicht, dass wir aufgrund von
Handlungen und Entwicklungen doch immer wieder enttäuscht werden. Mit dieser Situation sind wir leider wiederholt konfrontiert worden.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Danke, Frau Staatsministerin. Das war sogar schon
ein bisschen mehr als das, was ich vorhin im Auswärtigen Ausschuss erfahren habe.
Es ist doch gut, wenn man immer nachfragt. - Entschuldigung, Frau Präsidentin.
Ich habe Sie jetzt so verstanden, dass Sie froh darüber
sind, dass jedenfalls ein Teil der Soldaten abziehen
konnte oder nur gefangen genommen wurde, aber nicht
getötet wurde. War das Gegenstand der Vereinbarung?
Hat man vereinbart, dass man, wenn ein solcher Abzug
aus dem Kessel ermöglicht wird, die Tatsache hinnimmt,
dass der Kessel gefallen ist?
Herr Ströbele, ich glaube, jeder von uns ist erleichtert,
wenn Menschenleben gerettet werden können und die
Soldaten, wie in diesem Fall, abziehen können.
Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereichs, Frau
Staatsministerin. Herzlichen Dank.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ole
Schröder zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 33 des Kollegen Hans-Christian
Ströbele auf:
Welches sind die szenetypischen Straftaten nach Auffassung der Bundesregierung, die nach dem Interview des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz von V-Leuten
im IS-Milieu - IS: „Islamischer Staat“ - begangen werden
dürfen, wenn sie nach Syrien reisen, um Informationen über
Personen aus Deutschland zu erhalten über mögliche Terrorpläne ({0}), und soll nach
dem von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines
Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich
des Verfassungsschutzes vom 6. Februar 2015 über Ausnahmen von der Beendigung solcher Einsätze auch der Behördenleiter oder sein Vertreter entscheiden, wenn V-Leute Straftatbestände von erheblicher Bedeutung verwirklicht haben ({1})?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Abgeordneter,
ich beantworte Ihre Frage wie folgt: V-Leute des Bundesamtes für Verfassungsschutz dürfen keine Straftaten
begehen. Im Rahmen ihres Einsatzes nehmen sie Amtsrechte wahr. Eine katalogmäßige Auflistung des hiernach zulässigen Verhaltens ist auch in Bezug auf
Straftatbestände nicht möglich, da dem eine Güterabwägung im konkreten Einzelfall zugrunde liegt. Eingriffe in
Individualrechte setzen aber eine besondere Befugnis
voraus. So ist die Erhebung personenbezogener Daten
unter Einsatz von V-Leuten nach Maßgabe des § 9 Absatz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes zulässig.
Der in der Frage in Bezug genommene Gesetzentwurf
ist von der Bundesregierung noch nicht beschlossen. Er
befindet sich derzeit in der Länderbeteiligung. Die Zuleitung an die Geschäftsstellen der Fraktionen des Deutschen Bundestages ist mit dem ausdrücklichen Hinweis
erfolgt, dass der Entwurf noch nicht abschließend abgestimmt ist. Er enthält ausdrückliche Regelungen zu den
eingangs beschriebenen Amtsrechten. Dabei stellt er insbesondere klar, dass eine Beteiligung an strafbaren Vereinigungen zu deren Aufklärung zulässig ist.
Im Übrigen enthält der Entwurf eine Regelung zur
Einsatzbeendigung bei zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Straftat von erheblicher Bedeutung
durch eine Vertrauensperson. Es handelt sich um eine
Sollvorschrift, da im Einzelfall eine Bewertung der konkreten Umstände erforderlich bleibt. Relevant ist dabei
insbesondere, wie vage oder verdichtet der Straftatverdacht und wie bedeutsam der Aufklärungsbeitrag der
Vertrauensperson etwa zur Verhinderung terroristischer
Anschläge ist. Über Ausnahmen vom Grundsatz der Einsatzbeendigung entscheidet nach dem Entwurf die Behördenleitung selbst.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage
Ich weiß nicht, ob ich mich für die Antwort bedanken
soll, Herr Staatssekretär, weil Sie meine Frage nicht beantwortet haben. Ich habe Sie gefragt - das kommt auch
in dem Interview mit dem Präsidenten des Bundesamtes
für Verfassungsschutz zum Ausdruck -, was zulässige
szenetypische Straftaten von V-Leuten im Milieu etwa
von ISIS in Syrien oder des IS im Irak sein können. Herr
Maaßen befürwortet in dem Interview den Einsatz von
V-Leuten dort. Es gibt Bedenken, ob er im Ausland
überhaupt zulässig ist; es handelt sich schließlich um einen Inlandsgeheimdienst, aber sehen wir einmal davon
ab.
V-Leute, die hier geworben werden, gehen nach Syrien und begehen dort szenetypische Straftaten im ISMilieu. Da gruselt es mich. Was könnte das denn sein?
Was kommt da Ihrer Auffassung nach in Betracht? Sie
müssen das jetzt nicht umfassend aufzählen, mich interessiert ein konkretes Beispiel: Was könnte es sein, was
mich nicht gruselt?
Das können Straftaten mit entsprechendem subkulturellen Hintergrund sein. Ein Beispiel ist natürlich die Beteiligung an einer solchen terroristischen Vereinigung.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Sie haben hier den entsprechenden Gesetzentwurf zitiert. Ich fürchte, es hat hier kaum einer verstanden, was
Sie damit zum Ausdruck bringen wollten. Dieser Gesetzentwurf ist nun einmal vorhanden. Sie sagen, er befinde sich in der Länderabstimmung. In ihm findet sich
ein bemerkenswerter Satz: Wenn in Zukunft Straftaten
von erheblicher Bedeutung verübt werden, muss der Behördenleiter - also der Präsident des Bundesamtes für
Verfassungsschutzes - oder sein Stellvertreter entscheiden, ob der Einsatz abgebrochen wird. Mit anderen Worten: Es gibt auch Fälle, wo der Einsatz nicht abgebrochen wird und das lediglich intern - das heißt vom
Präsidenten bzw. Vizepräsidenten - entschieden wird.
Kann es sein, dass dann da etwas außer Kontrolle gerät?
Dass das möglich ist, war bisher auch so. Es ist meines Erachtens aber dringend erforderlich, um beispielsweise schwere terroristische Straftaten zu verhindern.
Das ist dann im Einzelfall natürlich eine Güterabwägung.
Zu einer Nachfrage hat der Kollege Volker Beck das
Wort.
Habe ich Ihr Zwiegespräch gerade richtig verstanden,
dass Sie es für möglich halten, dass V-Leute - kurioserweise auch des Bundesamtes für Verfassungsschutz im
Ausland; sehen wir aber einmal von dieser Tatortvoraussetzung ab - künftig im Einzelfall auch Straftaten von
erheblicher Bedeutung im Rahmen des V-Mann-Einsatzes begehen können sollen? Wenn ja, an welche Straftaten von erheblicher Bedeutung, die Sie noch für tolerabel halten, denken Sie dabei?
Straftaten gegen Individualrechte sind V-Leuten nicht
erlaubt. Wenn es dann aber doch dazu kommt, ist im
Einzelfall abzuwägen, ob ein Einsatz abgebrochen wird
oder nicht. Wenn es beispielsweise Eingriffe in die körperliche Integrität - dabei geht es zum Beispiel um Körperverletzungsdelikte - gibt, ist es eine Frage des Einzelfalles, ob der V-Mann-Einsatz sofort abgebrochen wird.
Wenn es aber zum Beispiel notwendig ist, den V-Mann
in der Operation zu belassen, weil nur so ein schwerer
terroristischer Anschlag verhindert werden kann, ist das
natürlich eine Gütererwägung, die zu dem Ergebnis führen kann, dass der V-Mann-Einsatz nicht beendet wird.
Zu einer weiteren Nachfrage hat die Kollegin
Haßelmann das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär,
Sie schließen den V-Mann-Einsatz im Ausland nicht aus.
Ich kann mir das gar nicht vorstellen, dafür haben wir
doch gar keine Rechtsgrundlage. Des Weiteren irritiert
mich Folgendes: Sie haben gerade über szenetypische
Straftaten von V-Leuten im subkulturellen Milieu gesprochen. Ich bin, ehrlich gesagt, überfordert, mir vorzustellen, was das ist. Ich möchte Sie dringen bitten, mir
das einmal zu erläutern. Wenn Sie nicht in der Lage sind,
das mündlich zu tun, dann lassen Sie mir bitte eine
schriftliche Ausarbeitung ihrer Antwort zukommen.
Eine szenetypische Straftat im subkulturellen rechtsextremen Milieu wäre beispielsweise der Hitlergruß.
({0})
Ich trage jetzt einmal nach, was ohne Mikrofon in den
Raum geworfen wurde. Es ging in Ihrer Beantwortung
der Frage - wenn ich das richtig verstanden habe - um
Straftaten im Milieu von IS, und die Nachfrage war jetzt,
welche Straftaten da gemeint sein könnten. Es ging also
nicht um das, was das Hohe Haus die letzten zwei, drei
Jahre in Bezug auf diesen anderen Phänomenbereich beschäftigt hat.
({0})
Vizepräsidentin Petra Pau
Die Frage ist, ob Sie dazu ein Beispiel liefern können
oder ob wir das an anderer Stelle vertiefen müssen.
({1})
Das ist eine rein spekulative Frage. Insofern kann ich
darauf jetzt keine Antwort geben.
Gut. - Eine Nachfrage können Sie nach unseren Regeln leider nicht stellen, Kollegin Haßelmann.
({0})
Aber ich denke, wir werden im Nachgang zur heutigen
Fragestunde zu Regelungen kommen müssen, wie wir
eine gewünschte Beantwortung erreichen.
({1})
Herr Staatssekretär, wir fahren fort. Die Frage 34 der
Kollegin Erika Steinbach, die Fragen 35 und 36 des Kollegen Dr. André Hahn sowie die Frage 37 des Kollegen
Özcan Mutlu sollen schriftlich beantwortet werden.
Ich rufe die Frage 38 der Kollegin Sevim Dağdelen
auf:
Welche Änderungen am Erlass des Auswärtigen Amts
vom 4. August 2014 zur Umsetzung des Dogan-Urteils des
Europäischen Gerichtshofes vom 10. Juli 2014 bzw. welche
gesetzlichen Änderungen sind vor dem Hintergrund des drohenden Vertragsverletzungsverfahrens wegen unzureichender
Umsetzung des Urteils geplant ({2}) und angesichts des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. Januar 2015
({3}), und wie weit sind die Prüfungen innerhalb
der Bundesregierung seit dem Dogan-Urteil zu der Frage gereift, ob an der Regelung der Sprachnachweise beim Ehegattennachzug festgehalten werden soll ({4}), auch
angesichts des Schlussantrages des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof Maciej Szpunar vom 28. Januar 2015 in
der Rechtssache C-579/13, der auch mit Bezug auf die EUFamilienzusammenführungsrichtlinie erklärte, dass Integrationsmaßnahmen keine Erfolgspflichten, keine Pflicht zur Ablegung einer Prüfung und auch nicht den Nachweis eines bestimmten Sprach- oder Wissensniveaus vorsehen dürfen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Frau Abgeordnete, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Die Bundesregierung prüft nach Abschluss des Pilotverfahrens zur Umsetzung der Dogan-Entscheidung
des Europäischen Gerichtshofs und nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg
vom 30. Januar 2015 etwaigen gesetzlichen Anpassungsbedarf beim Sprachnachweis zum Ehegattennachzug. Die Bundesregierung beabsichtigt zudem, gegen die
Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg in Revision
zu gehen.
Was das EuGH-Verfahren angeht, so handelt es sich
um ein Verfahren aus den Niederlanden, welches die
Auslegung der Richtlinie 2003/19/EG, also der Familienzusammenführungsrichtlinien, betreffend die Rechtsstellung der langfristig Aufenthaltsberechtigten und in
diesem Zusammenhang reine Inlandssachverhalte betrifft. Diese Konstellation unterscheidet sich somit von
der Frage des Nachweises von Sprachkenntnissen vor
Einreise im Rahmen des Ehegattennachzugs nach deutschem Recht.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Verehrter Herr
Schröder, der Staatsminister im Auswärtigen Amt,
Michael Roth, erklärte mir in einem Schreiben vom
11. August letzten Jahres, dass das Dogan-Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht nur per Erlass, sondern
auch gesetzlich umgesetzt werden solle. Wörtlich sagt er
- ich zitiere -: Nach der parlamentarischen Sommerpause soll dies auch gesetzlich geregelt werden. - Dies
ist bis heute offenkundig nicht erfolgt. Ich frage Sie als
Vertreter der Bundesregierung: Warum ist dies bis heute
nicht erfolgt? Warum hat die Bundesregierung sich gegen eine gesetzliche Umsetzung des Urteils entschieden,
obwohl das von der Europäischen Union bzw. von der
EU-Kommission so verlangt wurde?
Wir haben das EuGH-Urteil zunächst auf dem Erlasswege umgesetzt. Nach der Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg wird nun innerhalb der Regierung eine
Diskussion darüber geführt, ob wir eine gesetzliche Umsetzung brauchen.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Vielen Dank für die Nichtbeantwortung, Herr
Schröder. - Ich würde gerne zu einer zweiten Frage ansetzen, die Sie eventuell beantworten können: Warum
orientiert sich die Bundesregierung eigentlich nicht am
Nachbarland Österreich, das beim Ehegattennachzug zu
türkischen Staatsangehörigen bereits seit Jahren von
Sprachnachweisen im Ausland absieht, weil sie gegen
das Verschlechterungsverbot im Assoziationsrecht EUTürkei verstoßen? Ebenso sehen die Niederlande beim
Ehegattennachzug vom Nachweis von Sprachkenntnissen im Ausland ab, weil auch sie sagen, dass er gegen
das Assoziationsrecht verstößt. In diesem Zusammenhang würde ich gerne wissen, ob diese Nachbarstaaten in
den Augen der Bundesregierung eventuell unfähig sind,
zu sehen, dass das etwas anderes ist als das, was die
Wir sehen den Sprachnachweis vor der Einreise - es
handelt sich um den Nachweis ganz einfacher Sprachkenntnisse, um den Nachweis eines aktiven Wortschatzes von lediglich circa 300 Wörtern - als wichtiges
Instrument an, um Parallelgesellschaften hier in
Deutschland zu verhindern und die Integration zu befördern.
Zu einer Nachfrage hat der Kollege Beck das Wort.
Man gewinnt ein bisschen den Eindruck, dass es so
etwas wie eine parallele Justiz in der Bundesregierung
gibt.
Das Dogan-Urteil besagt ganz klar, dass das europäische Recht dahin gehend auszulegen sei, dass die darin
enthaltene Stillhalteklausel einer Regelung des nationalen Rechts entgegensteht, die eingeführt wurde, nachdem das Zusatzprotokoll in dem betreffenden Mitgliedstaat in Kraft getreten ist, und vorschreibt, dass
Ehegatten von in diesem Mitgliedstaat wohnenden türkischen Staatsangehörigen, wenn sie zum Zweck der Familienzusammenführung in das Hoheitsgebiet dieses
Staates einreisen wollen, vor der Einreise nachweisen
müssen, dass sie einfache Kenntnisse der Amtssprache
dieses Mitgliedstaats erworben haben. Das Urteil ist da
klar - es ist völlig egal, wie Sie das empfinden; es ist
auch völlig egal, ob Sie 275, 325 oder wie bisher
300 Wörter fordern -: Das ist nicht rechtmäßig, weil das
Assoziationsrecht nach Abschluss der entsprechenden
Verträge eine Schlechterstellung von Menschen, die zu
türkischen Staatsbürgern ziehen, die ihren Wohnsitz
rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschlands haben,
nicht zulässt.
Deshalb frage ich Sie noch einmal: Wann wollen Sie
das Dogan-Urteil gesetzlich umsetzen? Ich konzediere
Ihnen: Das gilt nicht für alle Türken, sondern für alle zu
uns kommenden Familienangehörigen von türkischen
Staatsbürgern, die bei uns leben. Man muss allerdings
überlegen, ob es unter Gleichheitsgesichtspunkten Sinn
machen würde, bei diesem Recht eine solche Kasuistik
zu betreiben. Von der in diesem Urteil angesprochenen
Gruppe dürfen Sie aber keine Sprachtests verlangen,
auch nicht den Nachweis eines aktiven Wortschatzes von
50 Wörtern, weil das rechtswidrig ist.
Wir interpretieren das Urteil anders.
({0})
Notwendig ist eine Härtefallregelung. Die Frage, die
sich rechtlich stellt, ist lediglich: Geht das auf dem Erlasswege, oder brauchen wir eine gesetzliche Regelung?
Entscheidend ist doch die politische Frage: Wollen wir
das, oder wollen wir das nicht? Wir sagen ganz klar: Wir
brauchen diese Regelung nach wie vor, um Parallelgesellschaften hier in Deutschland zu verhindern. Das ist
unser Ziel.
({1})
Kollege Beck, Sie können stehen bleiben; denn Sie
haben sofort wieder das Wort.
Ich rufe die Frage 39 des Kollegen Volker Beck auf:
Wie will die Bundesregierung das Vertragsverletzungsverfahren zur Europarechtswidrigkeit von Sprachtests beim Ehegattennachzug vermeiden, und wann wird sie das deutsche
Recht an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
anpassen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Wie bereits ausgeführt, prüft die Bundesregierung
derzeit etwaigen gesetzlichen Anpassungsbedarf beim
Sprachnachweis zum Ehegattennachzug.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie einer Verurteilung in diesem Vertragsverletzungsverfahren dadurch
vorbeugen wollen, dass Sie jetzt doch eine gesetzliche
Regelung planen?
Wir sind ja noch gar nicht im Vertragsverletzungsverfahren. Wir sind lediglich im Pilotverfahren und nicht in
dem Verfahren, das Sie angesprochen haben, im Vertragsverletzungsverfahren.
Sie haben eine zweite Nachfrage?
Es tut mir leid, aber da appelliere ich als einfacher
Abgeordneter an die Präsidentin: Wenn die Staatssekretäre gar nicht auf eine gestellte Frage antworten, sondern
einfach irgendetwas anderes sagen, dann macht diese
Veranstaltung keinen Sinn, wenn wir nicht einmal bei Ihnen Zuflucht nehmen können, damit Sie das gegenüber
der Bundesregierung durchsetzen.
Ich stehe ja schon die ganze Zeit zur Verfügung, sowohl als Übersetzerin von Nachfragen, auch wenn sie
nicht über das Mikrofon kommen, als auch, indem ich
entsprechend versuche, das hier zu handhaben. Zum
Vizepräsidentin Petra Pau
Schluss stehen wir natürlich alle mit den gegebenen oder
nicht gegebenen Antworten da und müssen sie gegebenenfalls an anderer Stelle nacharbeiten. Jetzt versuchen
wir, damit umzugehen.
Frau Präsidentin, ich bin gerne bereit, das noch weiter
zu spezifizieren,
Ja, bitte.
- um auch einmal die rechtliche Lage darzustellen.
Ich möchte mir nur ungern nachsagen lassen, dass ich
nicht bereit bin, hier auf Fragen zu antworten. Nur: Das
macht wenig Sinn, wenn die Antworten immer so interpretiert werden, wie es dem jeweiligen Abgeordneten in
den Sinn kommt, und zwar unabhängig davon, was eigentlich gesagt wurde. Auch darauf ist zu achten.
Wir haben doch die Situation, dass wir zurzeit ein -
Herr Staatssekretär, tun Sie mir bitte einfach den Gefallen, Ihrem ersten Antwortsatz die Fakten, die Sie ja
offensichtlich dabei haben, hinzuzufügen?
Habe ich jetzt das Wort, Frau Präsidentin?
Ja.
Okay.
({0})
Wir haben die EuGH-Entscheidung, in der es darum
geht, ob der Sprachnachweis mit dem Assoziationsabkommen mit der Türkei in Einklang steht. Der EuGH hat
klar gesagt, dass es weiterhin möglich ist, ihn einzufordern, dass wir aber eine weiter gehende Härtefallregelung brauchen. Die Frage ist - das hat vor kurzem das
OVG Berlin formuliert -: Geht das auf dem Erlasswege,
oder brauchen wir eine gesetzliche Regelung? Dazu sind
wir in Gesprächen. Das ist jetzt die entscheidende Frage,
die es zu beantworten gilt. Wir wollen an dem Sprachnachweis nach wie vor festhalten.
Außerdem geht es noch um die Frage, inwieweit der
Sprachnachweis mit der Familienzusammenführungsrichtlinie im Einklang steht. Dazu gibt es ein Pilotverfahren, das von Ihnen angesprochen wurde. Da Sie eben
beide Sachverhalte bzw. beide Rechtsfragen durcheinandergebracht haben, ist es wichtig, klarzustellen: Die
Frage, inwieweit der Sprachnachweis mit der Familienzusammenführungsrichtlinie in Einklang steht, ist rechtlich noch nicht abschließend beantwortet. Sie haben es
eben aber so dargestellt, als sei das schon klar. Ich habe
gesagt: Wir befinden uns erst im Pilotverfahren, noch
nicht im Vertragsverletzungsverfahren. - Sie haben aber
den Eindruck erweckt, als sei rechtlich schon entschieden, dass dieser Sprachnachweis nicht im Einklang mit
der Familienzusammenführungsrichtlinie steht. Das ist
aber nicht der Fall.
Jetzt haben Sie die Möglichkeit, eine zweite Nachfrage zu stellen, aber bitte in der vorgegebenen Zeit.
Ja. - Nur ein Satz vorweg: Natürlich geht es bei der
Familienzusammenführungsrichtlinie um den Nachzug
aller Ehegatten und Familienangehörigen. Im Dogan-Urteil geht es um eine Gruppe von hier ansässigen türkischen Staatsbürgern, die Niederlassungsfreiheit besitzen,
und um den Nachzug ihrer Ehegatten oder Familienangehörigen. Ich bitte Sie, mir zu sagen, wo in dem Urteil
- es besteht aus nur einem Satz, Frau Präsidentin - das
Wort „Härtefallklausel“ oder etwas Ähnliches zu finden
ist.
Ich zitiere das Urteil jetzt vollständig - es ist, wie gesagt, nur ein Satz -:
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof ({0}) für Recht erkannt: Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls, das am 23. November 1970 in Brüssel unterzeichnet und durch die Verordnung ({1})
Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972
über den Abschluss des Zusatzprotokolls und des
Finanzprotokolls, die am 23. November 1970 unterzeichnet wurden und dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei als Anhänge beigefügt sind, und über die zu deren Inkrafttreten zu treffenden Maßnahmen im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geschlossen,
gebilligt und bestätigt wurde, ist dahin auszulegen,
dass die darin enthaltene Stillhalteklausel einer Regelung des nationalen Rechts entgegensteht, die
eingeführt wurde, nachdem das Zusatzprotokoll in
dem betreffenden Mitgliedstaat in Kraft getreten ist,
und vorschreibt, dass Ehegatten von in diesem Mitgliedstaat wohnenden türkischen Staatsangehörigen, wenn sie zum Zweck der Familienzusammenführung in das Hoheitsgebiet dieses Staates
einreisen wollen, vor der Einreise nachweisen müssen, dass sie einfache Kenntnisse der Amtssprache
dieses Mitgliedstaats erworben haben.
Wo steht hier das Wort „Härtefallklausel“? - Ich kann
nichts dafür, dass der EuGH so lange Sätze bildet.
Ich kann es auch nicht ändern, dass dort zwischendurch kein Punkt gemacht wurde. Trotz alledem bitte ich
Vizepräsidentin Petra Pau
wirklich um Einhaltung der Regeln. - Bitte, Herr Staatssekretär.
Für uns ist klar, dass der Sprachnachweis nach wie
vor möglich ist. Wir können Ihnen das gerne auch noch
einmal schriftlich nachreichen.
Ich glaube, es würde nur wenig Sinn machen, wenn
wir hier im Rahmen der Fragestunde jetzt eine ausführliche Interpretation des Urteils vornehmen würden. Das
würde dem mit Sicherheit nicht gerecht.
({0})
Die Kollegin Dağdelen hat Gelegenheit zu einer
Nachfrage.
Herr Schröder, wir debattieren hierüber seit Jahren. Ich will für Dritte kurz noch einmal erläutern, dass es um
eine Regelung geht, die durch die vorangegangene
Große Koalition beschlossen wurde und gemäß der seit
dem 1. August 2007 Deutschkenntnisse Voraussetzung
für einen Ehegattennachzug sind. Zu dieser Regelung
gab es schon verschiedene höchstrichterliche Rechtsprechungen in Deutschland. Das Bundesverwaltungsgericht
hat zum Beispiel gesagt, dass diese Voraussetzung unter
unzumutbaren Bedingungen nicht zu verlangen ist.
Sie haben jetzt gerade noch einmal kundgetan, dass
Sie in Bezug auf das Dogan-Urteil vom Juli 2014 noch
in der Interpretationsphase sind, und ich habe Ihnen vorgetragen, dass Ihr Kollege vom Auswärtigen Amt, Herr
Staatsminister Roth, gesagt hat, dass man das Urteil
nicht nur per Erlass, sondern auch gesetzgeberisch umsetzen möchte. Dazu haben Sie ausweichend geantwortet.
Nun droht ein Vertragsverletzungsverfahren durch die
EU-Kommission. Das Pilotverfahren - Sie haben gesagt,
es laufe noch - ist meines Wissens abgeschlossen, und
die EU-Kommission hat gesagt, sie behalte sich weitere
Schritte gegen die Bundesregierung vor. Meine Frage
ist: Was benötigt die Bundesregierung eigentlich noch an
Sachverstand und Expertenwissen - offensichtlich sind
Sie seit Monaten mit der Interpretation beschäftigt, Sie
kommen aber nicht zum Schluss -, um dieses Urteil umzusetzen und diese Schikane gegen Tausende Menschen
zu beenden?
Wir sind nicht der Auffassung, dass der Sprachnachweis eine Schikane ist, sondern er ist eine wichtige Voraussetzung für die Menschen, die nach Deutschland
kommen, um sich hier integrieren zu können. Es ist
keine Schikane, wenn man verlangt, dass man wenige
Worte Deutsch spricht, bevor man zu seinem Ehegatten
nach Deutschland zieht, sondern das ist für uns ein sehr
wichtiger Grundsatz für gelingende Integration hier in
Deutschland.
Der Kollege Staatsminister Roth hat nicht gesagt,
dass er eine gesetzliche Regelung für notwendig hält,
sondern er hat gesagt, er würde eine solche Regelung unterstützen. Dafür gibt es auch gute Gründe. Schauen Sie
sich insbesondere das Urteil des OVG Berlin-Brandenburg an.
Ich finde, es ist ein völlig normaler Vorgang, dass
man sich jetzt darüber unterhält, ob das weiterhin auf
dem Erlasswege gelten oder ob man jetzt erst einmal das
Revisionsverfahren beim Bundesverwaltungsgericht abwarten soll. Insofern sehe ich nicht, dass die Bundesregierung hier nicht zügig handelt.
({0})
Die Kollegin Haßelmann hat das Wort zu einer Nachfrage.
Herr Schröder, wir gehen von einem Vertragsverletzungsverfahren aus. Darauf deuten alle vorliegenden öffentlichen Kommentierungen auf EU-Ebene hin, und das
entspricht auch den Wertungen und Interpretationen aller
Fachbereiche. Der Staatsminister des Auswärtigen Amts
wurde gerade zitiert. Sie sind Staatssekretär im Innenministerium. Meine Frage lautet: Gibt es eine einheitliche Auffassung der Bundesregierung, einen Gesetzentwurf dazu vorzulegen?
Bisher ist die Bundesregierung darin einig, das auf
dem Erlasswege zu regeln. Ob wir darüber hinaus eine
gesetzliche Regelung schaffen sollen, besprechen wir
gerade. Da gibt es überhaupt keine unterschiedlichen
Auffassungen. Vielmehr haben wir zusammen mit dem
Auswärtigen Amt einen Erlass herausgebracht.
Die einzige rechtliche Frage, die sich stellt, ist: Wollen wir den Inhalt dieses Erlasses in einen Gesetzestext
gießen? Das ist eine juristische und keine politische
Frage. Die politische Frage lautet: Brauchen wir diesen
Sprachnachweis, bevor der Ehepartner ins Land kommt,
nicht? Da sagen wir politisch ganz klar: Wir tun alles dafür, dass dieser Sprachnachweis nach wie vor möglich
ist, weil wir das als ein ganz wichtiges Integrationsinstrument ansehen, anders als Sie, die sagen: Sprache
spielt überhaupt keine Rolle. Diejenigen, die zu uns
kommen, müssen kein Deutsch sprechen.
({0})
Das ist die entscheidende politische Frage, um die es
geht.
Die Kontroverse bleibt uns offensichtlich erhalten. Gleichwohl sind wir am Ende der Fragestunde.
Ich unterbreche die Sitzung bis zum Beginn der Aktuellen Stunde zum Thema: „Haltung der Bundesregierung zu einem bundeseinheitlichen Verbot des Anbaus
gentechnisch veränderter Pflanzen“ um 15.35 Uhr. Danke.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Haltung der Bundesregierung zu einem bundeseinheitlichen Verbot des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Harald
Ebner, Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen
und Kollegen! Seit Samstag reiben wir uns verwundert
die Augen. Minister Schmidt hat mal wieder einen Knaller rausgelassen und angekündigt, die Verantwortung für
Gentechnikanbauverbote an die Länder abzuschieben.
Der Minister der erratischen Dialektik ist der personifizierte irrlichternde Versuchsballon, behaupte ich mal.
Nach Wurst und Barcode kommt jetzt das nächste Kapitel.
({0})
Wir erleben seit Samstag den dreisten Versuch, den
großen, den ganz großen Gentechnikbetrug an der deutschen Öffentlichkeit zu vollenden. Denn dieser Gesetzentwurf, der der Presse vorliegt, widerspricht allem, was
den Menschen seit dem Merkel-Mais-Debakel vor einem
Jahr von der Großen Koalition versprochen wurde. Seither werden Sie ja nicht müde, zu betonen: Alles halb so
wild. Wir haben den Genmais zwar nicht verhindert,
aber wir machen jetzt ein nationales Anbauverbot. - Sie
behaupten alle immer noch, Sie wollen ein flächendeckendes Anbauverbot für ganz Deutschland. Der Minister hat jetzt zudem betont, dass er im Ergebnis keinen
Flickenteppich in Deutschland haben wolle. Leider müssen wir heute feststellen: Alles nur Lippenbekenntnisse.
({1})
Sie haben Ihr Wort beim Thema Gentechnik erneut
gebrochen und die Erwartungen der großen Mehrheit der
Menschen in diesem Land enttäuscht; das war schon
beim Genmais 1507 so. Denn wenn es kein bundeseinheitliches Anbauverbot gibt, dann kriegen wir doch genau diesen Flickenteppich. Wer garantiert uns denn, dass
alle Länder Verbote aussprechen? Ein solcher Flickenteppich ist der Anfang vom Ende der Gentechnikfreiheit
in Deutschland.
({2})
Dieser Gesetzentwurf steht im Gegensatz zu allen aktuellen Forderungen der Agrarministerkonferenz der
Länder, des Bundesrates, der gentechnikfreien Lebensmittelwirtschaft und der Umweltverbände. Das Landwirtschaftsministerium folgt Gutachten von BMBF und
BMEL und hat es nicht einmal nötig, abzuwarten, was
denn die anderen Ministerien noch so bieten.
Jetzt sollen es plötzlich die Bundesländer richten,
weil nationale Verbote angeblich nicht rechtssicher zu
begründen sind. Wofür und worüber haben Sie denn in
Brüssel monatelang verhandelt, wenn am Ende etwas
herauskommt, was angeblich gar nicht funktioniert? Ihre
Krokodilstränen können Sie sich an dieser Stelle sparen.
Sie haben mit Ihrer Haltung zum Genmais 1507 das
Ganze erst ermöglicht. Sie hatten die Gutachten schon
vor dem Beschluss in Brüssel vorliegen. Sie haben das in
Brüssel so mitbeschlossen. Sie haben das gepusht, gewollt und somit auch zu verantworten. Sie wussten das
alles. Und Sie hätten in Brüssel nie und nimmer zustimmen dürfen.
({3})
Wenn Sie hier schon komplett einknicken und versagen, wie sollen die Menschen Ihnen denn glauben, dass
Sie unsere Regeln zur Gentechnik bei TTIP nicht auf
dem Altar des Freihandels opfern werden? Deutschland
droht jetzt der Flickenteppich anhaltender Ideenlosigkeit. Ihre rechtlichen Schwierigkeiten sind nur ein Vorwand und eine Rechtfertigung, kein nationales Verbot
erlassen zu müssen. Die Folgen müssen die Menschen
ausbaden.
Was haben Sie gemacht? Sie haben keinen Finger
krumm gemacht, um die nötigen Voraussetzungen für
flächendeckende bundeseinheitliche Anbauverbote zu
schaffen. Es gibt keine Datengrundlagen zu Kosten
durch Koexistenz und Vermeidung von Verunreinigung.
Sie haben keine Vorarbeiten für tragfähige Verbotsgründe für die ganze Republik geleistet. Nichts, niente,
Fehlanzeige! Sie haben aufgegeben, bevor Sie überhaupt
begonnen haben. Sie kapitulieren heute schon vorsorglich vor den Anwaltskanzleien von Monsanto und Co.
Und dann schieben Sie es an die Länder ab? Wie soll
denn das bitte schön gehen? Wenn der Bund mit seinem
Riesenapparat an Ministerien, Anstalten, Instituten angeblich überfordert ist: Wie sollen es dann, bitte, das
Saarland, Bremen oder Thüringen schaffen,
({4})
die Herausforderungen eines wasserdichten Anbauverbots fehlerfrei zu meistern?
Das Delegieren der Anbauverbote an die Länder bedeutet in Wahrheit: Sie generieren die 16-fachen Kosten,
Sie generieren das 16-fache Risiko des Scheiterns.
({5})
Das ist aus meiner Sicht die organisierte Verantwortungslosigkeit.
({6})
Herr Schmidt, ich frage Sie: Wenn Sie angeblich ein
flächendeckendes Anbauverbot für ganz Deutschland
wollen, wie kann es dann sein, dass solch ein Gesetzentwurf, der die Zuständigkeit für ein Verbot an die Länder
abschiebt, Ihr Haus verlässt? Wer ist denn da eigentlich
Herr im Haus? Macht da jeder, was er will, oder hat der
Staatssekretär und bekennende Gentech-Fan Bleser den
Hut auf? Das würde ich von Ihnen gern mal wissen.
Herr Schmidt, Sie machen mit Ihrem Vorgehen eine
gentechnikfreundliche Politik - gegen die breite Mehrheit der Menschen in diesem Land. Das ist aus meiner
Sicht nicht tragbar. Stehen Sie zu Ihrem Wort! Sorgen
Sie dafür, dass es umfassende, echte Verbote für alle
Gentechnikpflanzen in ganz Deutschland gibt und nicht
nur bei Ihnen zu Hause in Bayern! Auch nördlich des
Weißwurstäquators gibt es ein Leben. Da müssen Sie
sich auch gegen die Kanzlerin durchsetzen. Die SPD fordere ich auf,
Und Sie müssen zum Schluss kommen.
- hier zu dem Wort, das Sie in diesem Jahr gegeben
haben, zu stehen. - Ich komme zum Schluss. - Frau
Hendricks sollte auch im Sinne des Papiers, das vor ein
paar Monaten durch die Presse geisterte, sich dafür vehement einsetzen. Ich bitte Sie alle: Zerreißen Sie diesen
Entwurf jetzt, hier und heute,
Kommen Sie jetzt bitte zum Schluss, Herr Ebner!
- und schreiben Sie ihn neu mit der Überschrift: Flächendeckendes nationales Anbauverbot für Genpflanzen.
Danke schön.
({0})
Danke schön. - Das Wort für die Bundesregierung erhält jetzt Bundesminister Christian Schmidt.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte jetzt
vom Eifer zur Realität kommen
({0})
und erst einmal feststellen, dass wir alle hier im Hohen
Haus - ich gehe einmal davon aus - und in der Bundesregierung „die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung
gegenüber der grünen Gentechnik“ anerkennen.
({1})
So steht es wörtlich im Koalitionsvertrag. - Hört doch
einmal zu! Ihr habt es doch noch gar nicht gelesen. Erst
lesen und dann reden! Das ist immer noch besser.
({2})
Mein Gott! Politik lebt zwar von Aufregung, lebt aber ab
und zu auch von Sachkunde. Die wollen wir heute, bitte,
einmal auf den Tisch bringen.
({3})
So steht es, wie gesagt, wörtlich im Koalitionsvertrag.
Den müssen Sie nicht jeden Tag lesen; es reicht, wenn
wir das tun.
({4})
So wurde es inhaltlich auch im vergangenen Jahr vom
Deutschen Bundestag bekräftigt, und er hat der Bundesregierung, mir, den Auftrag gegeben, die Möglichkeiten
zum nationalen Ausstieg aus dem GVO-Anbau - Zitat! rechtssicher zu verankern. Nichts anderes tun wir nun.
Unser gemeinsames Ziel ist es, den kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutschland flächendeckend zu verbieten
({5})
und die Opt-out-Möglichkeit schnellstmöglich zu nutzen. Übrigens: Diese Opt-out-Möglichkeit ist in Brüssel
noch gar nicht endgültig beschlossen worden, sondern
sie wird vermutlich erst nächste Woche beschlossen werden. Sie baut auf dem Binnenmarkt auf.
Wir müssen uns - ich sage das für die Feinschmecker,
die sich damit beschäftigen - natürlich an dem orientieren, was uns Europa vorgibt. Ich gehe einmal davon aus,
dass sich daran nichts mehr ändert, sondern dass wir
dankenswerterweise nächste Woche diesen Richtlinienentwurf bekommen werden.
In den letzten Wochen und Monaten habe ich intensiv
dafür gekämpft - in Europa gibt es eben Länder, die das
anders sehen als wir; das kann ich denen nicht verbieten -,
dafür geworben, dass wir für die Opt-out-Regelung eine
Mehrheit bekommen. Das ist gelungen. Darüber sollten
wir uns doch freuen.
({6})
Also: Wir wollen das Verbot im gesamten Bundesgebiet.
Vorweg halte ich sozusagen zum Mitschreiben fest:
Diese Regelungen setzen das gegenwärtige faktische
Anbauverbot, das durch das geltende Gentechnikrecht
mit Pufferzonen, sehr hohen Haftungshürden und
Schutzklauseln besteht, nicht außer Kraft.
Ich sehe Kollegin Künast hier sitzen. Dieses Gesetz
trägt eine Künast’sche/Seehofer’sche Handschrift. Sie
haben es einer nach dem anderen geprägt.
({7})
Auch Ihr Ansatz der Standortregister bleibt in Kraft. Wir
verschärfen es sogar und bauen darauf auf.
Mit dem Gesetzentwurf habe ich einen Wegweiser zu
diesem Ziel aufgestellt. Nun stimmen wir diesen Entwurf in der Bundesregierung ab. Wir haben noch nicht
einmal die Ressortabstimmung beendet. Ich darf an dieser Stelle sagen: Ich glaube, es ist ein guter Entwurf.
Aber das heißt nicht, dass ich guten Argumenten gegenüber nicht offen bin. Mein Haus hat unter Hochdruck daran gearbeitet, dass wir unseren ehrgeizigen Zeitplan
einhalten können, weil die Zeit drängt. Sieben gentechnisch veränderte Maissorten befinden sich gerade im Zulassungsverfahren. Die Maislinie 1507 ist angesprochen
worden. Für MON810 läuft der Erneuerungsantrag. Wir
müssen also schnellstmöglich handlungsfähig sein. Ich
kann alle nur einladen, sich daran zu beteiligen. Bisher
haben wir das in diesen Fragen schon erreicht.
Ich hatte Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der
Grünen, auch immer so verstanden, dass Sie gegen den
Anbau von GVO in Deutschland sind. Darin sind wir
uns wohl einig.
({8})
- Können wir vielleicht mit Unterstellungen aufhören
und einfach zuhören bzw. lesen?
({9})
- Ja, freilich, selbstverständlich. Sie dürfen dazwischenrufen, und ich darf reagieren.
Um das Anbauverbot in Deutschland umzusetzen,
gibt es in der Theorie zwei Möglichkeiten: Entweder erlässt der Bund die Anbauverbote selbst, oder der Bund
schafft den Rechtsrahmen, damit die Länder die Anbauverbote erlassen können. Wir alle wollen ein Anbauverbot, das Hand und Fuß hat und nicht nur auf dem Papier
schön klingt, sondern auch vor Gericht standhält und in
der Praxis wirksam wird.
({10})
Auf diesem Weg müssen wir nach meiner rechtlichen
Erkenntnis die Länder zumindest mit in die Pflicht nehmen. Warum ist das so? Emotionen schwingen in dieser
Debatte mit. Darüber dürfen wir nicht vergessen, dass
Anbauverbote die Berufsausübungsfreiheit und Eigentumsgarantie sowie die Warenverkehrsfreiheit im EUBinnenmarkt einschränken. Wir greifen damit in mehrere Grundrechte ein. Auf solche Eingriffe richtet das
Bundesverfassungsgericht zu Recht ein strenges Augenmerk.
({11})
Deshalb muss jedes Verbot verhältnismäßig sein, und es
muss detailliert und ermessensfehlerfrei begründet werden.
Im Übrigen weise ich die Kritik an der bremischen
und hamburgischen Regierung ausdrücklich zurück.
({12})
- Hamburg haben Sie nicht genannt, aber Sie haben es
mitgedacht.
({13})
Je genauer ein Opt-out auf die Besonderheiten vor Ort
abstellt, desto eher wahrt es die Verhältnismäßigkeit und
hat damit vor Gericht Bestand.
Eines ist doch uns allen klar: Ein allgemeines Anbauverbot für alle GVO für das gesamte Bundesgebiet kann
es nicht geben. Das erlaubt uns das EU-Recht nicht. Ich
denke, dass wir deswegen nach der EU-Richtlinie für
jede einzelne Pflanzensorte ein gesondertes Verbot verfügen müssen, und zwar sorgfältig. Dazu müssen wir die
Kriterien der Erwägungsgründe in Ziffer 15 der Richtlinie umsetzen. Staatsrechtlich bestehen erhebliche Zweifel, ob diese durch den Bund administriert werden können.
Die Stadt- und Raumordnung ist eine Abweichungskompetenz der Länder. In diesem Bereich hat der Bund
keine Kompetenz; ich muss diese Gründe aber mit aufnehmen.
({14})
Ich bin offen für die Überlegung, ob es ein Verfahren
gibt, das den Bund über die Koordinierung hinaus noch
stärker mit einbezieht. Wir wollen eine flächendeckende
Regelung erreichen.
({15})
- Wenn Sie mit Frankreich kommen, weise ich darauf
hin: Die anderen Länder sind gerade dabei, sich zu informieren, bevor sie sich entscheiden, wie sie es machen
werden. Es gibt viele, die keine Opt-out-Regelung schaffen. Deswegen wird die Koexistenz auch zukünftig eine
wichtige Frage bleiben. Gerade habe ich von meinem österreichischen Kollegen, der sich für ein nationales Anbauverbot eingesetzt hatte, gehört, dass Österreich ein
auf die Bundesländer bezogenes Anbauverbot für sinnvoller hält.
({16})
Dabei kann man den Österreichern sicherlich nicht vorwerfen, beim Thema Gentechnikfreiheit am Ende des
Zuges zu sein. Lassen Sie uns deshalb das Ganze in
Ruhe und nüchtern an den Möglichkeiten ausrichten.
Politische Zielsetzung muss bleiben, dass es auf nationaler Ebene ein flächendeckendes Anbauverbot gibt.
({17})
Wir sollten froh und dankbar sein, dass wir als Erste in
Europa ein solches Gesetz, wenn denn der Entwurf angenommen wird - die Bundesländer haben die Möglichkeit, mitzureden -, in Kraft setzen werden. Das gibt mir
dann die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass der
Mais 1507 erst gar nicht in den Anbau gelangt.
Lassen Sie uns auf dem weiteren Beratungsweg im
Detail klären, was des Bundes und was der Länder ist.
({18})
Aber dabei sollten wir nicht vergessen, worum es eigentlich geht. Wir alle wollen keinen Flickenteppich. Aber
ich will, dass die Textur so gut geknüpft ist, dass sie reißfest ist. Ich kann Ihnen versichern, dass die Bundesregierung dem Parlament einen solchen Gesetzentwurf zügig
vorlegen wird.
({19})
Wir wollen, dass keine gentechnisch veränderten Pflanzen zu kommerziellen Zwecken in Deutschland angebaut werden. Ich freue mich auf spannende und sachbezogene Diskussionen, in denen wir uns mit dem Thema
auseinandersetzen und nicht mit Geschwätz.
({20})
Vielen Dank. - Nächste Rednerin ist für die Fraktion
Die Linke Dr. Kirsten Tackmann.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Gäste! Und täglich grüßt das Murmeltier, das ist
einer meiner Lieblingsfilme. Ich habe den Eindruck:
Auch bei der Agrogentechnik kommen wir nicht aus der
Zeitschleife heraus.
({0})
Dabei ist unser Auftrag ziemlich eindeutig. Die übergroße Mehrheit in diesem Land will keine gentechnisch
veränderten Pflanzen, aus ethischen Bedenken oder deshalb nicht, weil man Gott nicht ins Handwerk pfuschen
soll oder weil man die Natur schützen will. Die Linke
will vor allem keine Macht der Konzerne über unsere
Teller.
({1})
Auch hier im Bundestag gibt es eine klare und breite
Mehrheit gegen die Agrogentechnik - das ist eine interessante Koalition -: rot-rot-grün-blauweiß. Das ist ein
ziemlich breiter Aktionsradius. Eigentlich ist auch Bundesminister Schmidt als CSU-Abgeordneter dagegen.
Aber im Kabinett ist er ein bisschen CDU-fremdbestimmt und dann doch irgendwie dafür. Das klingt absurd, ist aber so. Das Problem ist: Eine große Mehrheit
in der Volksvertretung wird von einer Minderheit erpresserisch ausgebremst, obwohl sie die Mehrheitsposition
in der Gesellschaft vertritt. Auch das klingt absurd, ist
aber leider so.
({2})
Aber bei den Saatgutkonzernen geht es eben um richtig
viel Geld, und diese Quelle soll nicht versiegen. Dafür
beerdigen ihre mächtigen politischen Freunde das Gemeinwohl unter einem Deckmantel der Freiheit von
Wissenschaft, Wettbewerb und Handel.
Die Linke hat von Anfang an prophezeit, dass sich
das sogenannte Opt-out als vergiftetes Geschenk erweisen wird. Dabei geht es um die Möglichkeit, den Anbau
von gentechnisch veränderten Pflanzen in Mitgliedstaaten auch dann zu verbieten, wenn sie in der EU zugelassen wurden. Auch das hört sich gut an, ist aber nicht gut,
weil das ein trojanisches Pferd ist. Die EU-Kommission
erwartet nämlich ein schnelles Ja bei der Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen, wenn die Regierungen
in den Mitgliedstaaten sagen können, dass sie den Anbau
im eigenen Land verbieten wollen. Auf meine parlamentarische Anfrage von vor einigen Wochen hat mir die
Bundesregierung genau diese Antwort gegeben: In Brüssel ja, hier nein - vielleicht. Auch das klingt absurd, ist
aber so.
({3})
Das zeigt das eigentliche Problem. Wenn wir ein EUZulassungsverfahren hätten, das gefährliche Pflanzen
tatsächlich verhindert, könnten wir uns die heutige Debatte ersparen. Das wäre zwar schön, ist aber leider nicht
so. Aber gut, ein Anbauverbot in den Mitgliedstaaten
wäre besser als nichts, zumal beim Opt-out genau die
Ablehnungsgründe verankert wurden, die im Zulassungsverfahren leider fehlen, zum Beispiel die sozioökonomischen Gründe, die agrarpolitischen Ziele und die
öffentliche Ordnung. Das sieht also gut aus, ist aber
nicht so, nicht nur wegen erheblicher Rechtsunsicherheiten, auf die Minister Schmidt bereits hingewiesen hat.
Noch schlimmer ist, dass die Bundesregierung die Bundesländer entscheiden lassen will - das ist deutsche
Kleinstaaterei -,
({4})
und zwar gegen die ausdrücklichen Beschlüsse der Landesagrarminister und des Bundesrates für eine bundesweite Lösung; diese werden wohl wissen, was sie getan
haben. Das nährt meinen Verdacht, dass der Ausstieg aus
dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen eigentlich sabotiert werden soll. Ich sage ganz klar: Das lassen
wir nicht zu.
({5})
Statt Gefälligkeitsgutachten mit Bedenkenträgerhintergrund wollen wir mal was ganz Neues erleben: eine
Verwaltung, die uns sagt, wie die politischen Mehrheitspositionen umgesetzt werden können, und nicht, wie sie
verhindert werden.
Denn es ist doch längst bewiesen, dass ein möglichst
großflächiges Anbauverbot die einzige Chance für den
Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft und Imkerei
ist. Das Märchen von der Koexistenz zwischen gentechnisch veränderten und konventionell gezüchteten Pflanzen ist doch längst ausgeträumt, zum Beispiel weil die
Verunreinigungen bei der Ernte, beim Transport, bei der
Verarbeitung und bei der Vermarktung nicht oder nur mit
sehr hohen volkswirtschaftlichen Kosten verhindert werden können. Wer trägt diese Kosten? Nicht Monsanto,
Pioneer oder wer auch immer, sondern wir alle, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Deshalb ist ein großflächiges Anbauverbot alles andere als unverhältnismäßig.
({6})
Dass ausgerechnet die Union, die beim Mindestlohn
gerade ein Bürokratiemonster in unglaublicher Größe an
die Wand malt, hier jetzt tatsächlich ein Bürokratiemonster schaffen will, schlägt „dem Fass nun wirklich den
Boden ins Gesicht“. Das ist Absurdistan. Das ist nicht zu
leugnen.
Um auf Punxsutawney-Phil, das Murmeltier, zurückzukommen: Bill Murray kam am Ende des Films zur
Vernunft und wurde erlöst. Bei der Union habe ich noch
nicht alle Hoffnung aufgegeben, und der SPD sage ich:
Viel Erfolg!
({7})
Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion antwortet jetzt
Ute Vogt.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Kollegin Tackmann, herzlichen Dank für die guten Wünsche für unsere gemeinsame Gesetzgebungsarbeit.
({0})
Wir sind dem Minister auf jeden Fall dankbar, dass er zu
einem sehr frühen Zeitpunkt diesen Entwurf vorgelegt
hat,
({1})
nämlich bevor die Richtlinie überhaupt in Kraft tritt;
denn wir wollen vorbereitet sein, und wir wollen, dass
unser Gesetz in Kraft ist, bevor die EU irgendeine weitere Zulassung von gentechnisch verändertem Saatgut
beschließt. Deshalb: Danke für den frühzeitigen und
rechtzeitigen Entwurf.
Allerdings sind wir, was den Text des Entwurfs angeht, in der Tat in einem noch sehr frühen Stadium. Der
Minister hat es selbst gesagt: Der Entwurf ist noch nicht
mit den anderen Ressorts abgestimmt. - Deshalb sind
wir als Gesetzgeber jetzt in einer sehr guten Lage, in der
wir nicht bei jedem Gesetzentwurf sind. Wir können
nämlich jetzt von Anfang an unsere Kompetenz mit einbringen. Sonst - Sie kennen das Verfahren - ist es häufig
so, dass erst die Ressortabstimmung erfolgt, und erst
dann, wenn sich die Ressorts geeinigt haben, hat das Parlament überhaupt die Chance, sich zu äußern. Dank dieser frühen Veröffentlichung haben wir die Möglichkeit,
schon sehr früh die wichtigen Punkte zu sammeln und
auch die unterschiedlichen juristischen Einschätzungen
zu berücksichtigen.
Ich will für die SPD-Fraktion hier sagen, welche
Punkte uns bei der Ausformulierung dieses Gesetzentwurfs wichtig sind. Für uns ist wichtig, dass im künftigen Gesetzentwurf steht, dass wir in Deutschland die
Möglichkeit, ein Anbauverbot auszusprechen, regelmäßig nutzen, dass wir uns also im Gesetzentwurf darauf
verständigen, dass wir immer dann, wenn es Zulassungsanträge gibt, in Deutschland für das Opt-out votieren.
Das ist eine wichtige Grundsatzposition.
({2})
Der zweite Punkt ist, dass wir das Opt-out auf Bundesebene festlegen wollen. Ich könnte mir vorstellen,
Herr Minister, dass wir in der Tat eine Regelung finden,
bei der wir von der Bundesebene aus auch die regionalen
Gegebenheiten beschreiben. Das wäre für mich ein Weg.
Der ist aus meiner Sicht besser, als wenn wir die EntUte Vogt
scheidung auf die Länder übertragen und warten, bis
16 einzelne Länder ihre Vorschläge machen.
({3})
Uns geht es schon darum, dass es eine bundeseinheitliche Regelung gibt. Wir können gerne definieren, welche
regionalen Besonderheiten es gibt.
Wichtig ist uns, dass die Länder nur dann ins Spiel
kommen, wenn später eine Bundesregierung sagt, sie
mache vom Opt-out keinen Gebrauch. Das wäre ein Fall,
wo die Länder gefragt wären. Ich bin froh, dass wir die
Agrarministerkonferenz mit ihrem Beschluss vom
Herbst letzten Jahres an dieser Stelle an unserer Seite haben. Sie hat sich ebenfalls für eine bundeseinheitliche
Regelung ausgesprochen. Ich denke, wenn wir, Länder
und Bund, uns da einig sind, dann müssen wir es schaffen, die rechtlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten,
dass sie unseren Willen, eine bundeseinheitliche Regelung zu schaffen, umsetzen.
({4})
Unserer Fraktion wäre es am liebsten gewesen - das
wissen Sie -, wenn es gelungen wäre, einen Verzicht auf
Grüne Gentechnik EU-weit einzuführen. Das ist noch
ein weiter Weg, den wir beschreiten wollen und werden.
Ich glaube, mit dem Opt-out ist der erste wichtige Schritt
gemacht.
({5})
Wichtig ist uns, dass es keine weitere Kleinteiligkeit gibt
und dass wir als Gesetzgeber - das Parlament ist nun
einmal der Gesetzgeber - all unseren Sachverstand nutzen, um eine Regelung zu finden, die der EU-Richtlinie
gerecht wird und auch vor ihr besteht, die aber vor allem
den politischen Willen - so habe ich den Minister verstanden - aller Fraktionen umsetzt, dass der Bund das
Heft des Handelns in der Hand behält, dass also der
Bund die Regelungen trifft und keine Länderabfrage
durchgeführt werden muss, womit wir uns möglicherweise auf schwieriges Terrain begäben, weil wir die Formulierungen der einzelnen Länder nicht kennen.
In diesem Sinne freue ich mich auf das Gesetzgebungsverfahren. Ich finde es gut, dass wir schon so früh
Gelegenheit hatten, die inhaltlich wichtigen Punkte zu
sammeln. Wenn wir alle in die gleiche Richtung denken,
dann sollten wir genügend Fachlichkeit zusammenhaben,
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.
- um den Weg so zu gestalten, wie ihn das Parlament
möchte.
({0})
Nächste Rednerin ist Gitta Connemann, CDU/CSUFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wahrheit und Klarheit, das wünschen sich und verdienen unsere Verbraucher, gerade wenn es um das Thema dieser
Stunde geht, den Einsatz von Gentechnik. Wenn man
Umfragen glauben will, lehnt der Großteil unserer Bevölkerung Gentechnik ab.
({0})
Umso wichtiger sind Wahrheit und Klarheit von Wissenschaft, Wirtschaft, Medien, NGOs und natürlich von
uns, der Politik.
Zur Wahrheit gehört erstens: In Deutschland gibt es
keinen einzigen Landwirt, der Genmais oder Genkartoffeln pflanzen würde. Der Deutsche Bauernverband rät
generell jedem Bauern davon ab, übrigens auch aus Haftungsgründen. Das ist die Wahrheit.
Zur Wahrheit gehört zweitens: Das deutsche Gentechnikgesetz gehört zu den strengsten auf der ganzen Welt.
({1})
Bei Verstößen drohen drakonische Strafen. Gehaftet
wird übrigens auch ohne Schuld. Für dieses Risiko findet sich keine Versicherung. Und wer hat es erfunden?
Es waren nicht die Grünen, sondern die Union.
({2})
Zur Wahrheit gehört drittens: Die EU kann den Anbau
von gentechnisch veränderten Pflanzen zulassen; das hat
sie in drei Fällen getan. Für das Inverkehrbringen von
gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln gibt
es inzwischen sogar rund 60 Zulassungen.
({3})
An dieser Zulassung durch die EU wird sich auch nichts
ändern. Neu ist: Die Mitgliedstaaten sollen die Möglichkeit erhalten, in bestimmten Fällen den Anbau von Genpflanzen zu verbieten.
Zur Wahrheit gehört viertens: Die Richtlinie der EU
ist noch gar nicht in Kraft. Trotzdem hat der Minister gehandelt und einen Gesetzentwurf vorgelegt.
({4})
Respekt, lieber Christian Schmidt!
({5})
Unser Minister handelt; andere reden und schwadronieren, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen.
Sofort muss eine Aktuelle Stunde her. Dabei steht der
Entwurf doch erst ganz am Anfang.
({6})
Ein Schelm, der Böses dabei denkt!
Besonders stört Sie die angedachte Entscheidungskompetenz für unsere Länder.
({7})
Sie entwerfen Horrorszenarien - wir konnten es gerade
hören -: Chaotische Situationen würden entstehen, ein
Flickenteppich unterschiedlichster Regelungen. Sie fordern mit den Ländern eine bundeseinheitliche Regelung.
Höre ich da richtig? Sind das dieselben Länder, die sonst
immer nach Öffnungsklauseln und Mitbestimmung rufen? Es heißt aktuell bei der Umsetzung der EU-NitratRichtlinie: Wir wollen mitentscheiden. - Es heißt aktuell
bei der Bundeskompensationsverordnung: Wir wollen
mitentscheiden. - Und jetzt heißt es auf einmal: „Wir
wollen nicht entscheiden; der Bund soll es machen“?
({8})
Was die Flickenteppiche angeht: Die Länder könnten
gemeinsame Wege gehen; das ist ihnen unbenommen.
Flickenteppiche wären dann schon eher 16 Schulgesetze,
jeweils anders gestrickt,
({9})
oder 30 000 Wasserschutzgebiete mit den unterschiedlichsten Bewirtschaftungsauflagen usw. usf. Das nennt
sich Föderalismus,
({10})
und den wollen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von
den Grünen, ja wohl nicht abschaffen.
({11})
Nur Mut! Trauen Sie auch Ihren eigenen Agrarministern
in den Ländern durchaus etwas zu!
({12})
Zur Wahrheit gehört: Wir wollen rechtssichere Anbauverbote, und dafür brauchen wir laut EU zwingende
Gründe. Manche Gründe sind eben nicht in allen Regionen gleich zwingend. Was am besten vor Ort entschieden
werden kann, das muss auch vor Ort entschieden werden. Deshalb verbieten sich übrigens generelle bundesweite Anbauverbote.
({13})
Das haben uns führende Rechtswissenschaftler bestätigt,
({14})
und das hat uns auch Renate Künast bestätigt. Ich darf
aus einer Presseerklärung der damaligen Bundesministerin vom 11. Februar 2004 zitieren:
Ein generelles Anbauverbot für gentechnisch veränderte Pflanzen wäre mit EU-Recht nicht vereinbar.
({15})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie
sehen mich jetzt etwas irritiert. Ist die Rechtslage immer
davon abhängig, wer gerade Minister oder Ministerin
ist? Ich glaube, das darf nicht sein.
({16})
Wir halten etwas von Rechtssicherheit, übrigens auch
bei Verfassungsrecht und EU-Recht. Deshalb ist es gerechtfertigt, dass Herr Minister Schmidt die Entscheidung auf die Länder übertragen will. Dafür sind wir
dankbar.
({17})
Wahrheit und Klarheit,
({18})
das verdienen unsere Verbraucher. Dazu gehört übrigens
auch eine bittere Erkenntnis: Die Gentechnikfreiheit in
Deutschland ist ein Mythos. Auch wenn unsere Bauern
keine Genpflanzen anbauen,
({19})
ist Gentechnik heute Alltag. In deutschen Krankenhäusern werden Patienten mit gentechnisch hergestellten
Medikamenten und Impfstoffen behandelt.
Frau Kollegin Connemann, denken Sie bitte an die
Zeit.
Gentechnik wird viel bei Lebensmitteln verwendet;
ich nenne Aminosäuren, Vitamine etc. pp. Lassen Sie
uns ernsthaft, wahr und klar darüber sprechen! Wir als
Union sind dazu bereit und freuen uns auf diese klare
und wahre Auseinandersetzung mit Ihnen.
Herzlichen Dank.
({0})
Danke schön. - Ich darf noch einmal daran erinnern,
dass die Redezeit in der Aktuellen Stunde mit unserem
gemeinsamen Einverständnis auf fünf Minuten pro Rednerin und Redner begrenzt wurde, und bitte Sie, diese
auch einzuhalten. Das darf jetzt Eva Bulling-Schröter für
die Fraktion Die Linke vormachen.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Gentechnik, ja oder nein? - Mit dieser Grundsatzfrage
beschäftigen wir uns hier im Hause schon über viele
Jahre. Ich denke, der Widerstand ist groß, und wir sind
schon sehr weit gekommen.
({0})
Darum möchte ich mich an dieser Stelle bei den vielen
aktiven Menschen bedanken, die sich für den Schutz der
Gesundheit, für die Umwelt und für die genetische Vielfalt der Natur in unserem Land einsetzen, sowie bei den
vielen aktiven Bürgerinitiativen. Vielen Dank!
({1})
Der Umgang mit der Gentechnikfrage - darum begrüße ich die Aktuelle Stunde hier - ist trauriger Beleg
für den fatalen Politikstil dieser Bundesregierung.
({2})
Wie unklar die Große Koalition mit Fragen umgeht, die
wirklich vielen auf den Nägeln brennen, wird hier wieder einmal deutlich. Sie reagieren einfach nicht auf die
Sorgen der Leute. Ich teile da mit vielen das ungute Gefühl, dass die Menschen nicht mehr ernst genommen
werden.
Die Ablehnung der Gentechnik geht mittlerweile
durch alle Parteien. Umso verwunderlicher und umso
dreister ist es, dass die Koalition hier nicht eindeutig
handelt. Das aber erwarten wir und die Menschen vor
Ort.
({3})
Bei der Regierung sehe ich sogar wachsende Missachtung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, und
ich sage einmal, warum. Es fängt beim Koalitionsvertrag
an. Dort steht zu Grüner Gentechnik:
Wir erkennen die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik an.
Ihren Kindern sagen Sie dann also: „Wir erkennen eure
Vorbehalte gegenüber der versalzenen Suppe an, aber
auslöffeln müsst ihr das trotzdem!“
({4})
Vorbehalt ist - schauen Sie in den Duden - „geltend gemachtes Bedenken gegen eine Sache [der man sonst im
Ganzen zustimmt]“. Zustimmung zur Gentechnik gibt es
aber nicht. Ende Januar hat eine Forsa-Umfrage gezeigt,
dass Gen- und Klontechnik von 70 bzw. 71 Prozent der
Verbraucherinnen und Verbraucher abgelehnt wird. Wer
da von Vorbehalten spricht, der zieht die Sorgen der Bevölkerung ins Lächerliche.
({5})
Im Koalitionsvertrag ist übrigens auch nichts zur
Gentech-Freiheit zu finden, sondern es finden sich nur
solche verschwurbelten Formulierungen wie:
An der Nulltoleranz gegenüber nicht zugelassenen
gentechnisch veränderten Bestandteilen in Lebensmitteln halten wir fest …
({6})
Erst nicht ernst nehmen und dann auch noch veräppeln!
Da verplappert sich der Herr Wirtschaftsminister
Gabriel auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos: Bei
TTIP seien wir in Deutschland ein wenig „schwierig“,
weil wir so „reich und hysterisch“ seien.
({7})
So also redet der Vizekanzler über das Verfassungsprinzip „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“.
({8})
Ich meine, da hat jemand wirklich die Hosen runtergelassen, meine Damen und Herren. Das ist eine ganz neue
Form der Transparenz bei der SPD. Wir erleben hier eine
Vertrauenskrise, und die Menschen vor Ort auch. Statt zu
sagen: „Wir steigen aus. Basta!“, ist vom ominösen Optout die Rede.
Es geht hier um die Frage von Souveränität, und zwar
von Staaten. In der Zulassungsphase bei Monsanto und
Bayer betteln, ob man verschont wird - wo ist da eigentlich unsere Selbstachtung geblieben? Ich halte das wirklich für unwürdig. Wer macht denn so etwas im Ernst?
Erst auf EU-Ebene genehmigen, und dann zwingende
Gründe für eine Einschränkung vorzubringen - das wird
vor Gericht schwierig. Aber dann wenigstens auf Bundesebene!
Herr Miersch, lieber Matthias, du hast im Mai 2014
noch Applaus von der Union bekommen, als du wörtlich
fordertest, „dass ein nationales Parlament jederzeit von
einer Ausstiegsklausel Gebrauch machen können muss“.
Vor diesem Hintergrund, meine ich, sollten wir doch gemeinsamen kämpfen, dass es nicht zu einer „Bundesländer-Ausstiegsklausel“ und damit zu einer zersplitterten
Rechtslage kommt.
({9})
Denn dann können sich die Konzerne wirklich freuen.
Statt einen können sie zwischen 16 Richtern wählen, frei
nach dem Motto: Einer wird schon umfallen.
({10})
Was uns ins Haus steht, wenn TTIP fertig geheimverhandelt ist, das steht noch auf einem ganz anderen Blatt. Wir
brauchen also dringend eine bundeseinheitliche Regelung.
Wenn Sie noch einen Restrespekt vor dem Bürgerwillen haben, dann verbieten Sie Gentechnik auf dem
Acker, und zwar bundesweit!
({11})
Vielen Dank. Das war eine Punktlandung.
Nächster Redner für die SPD-Fraktion ist
Dr. Matthias Miersch.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Minister Schmidt, ich bin Ihnen ausgesprochen
dankbar, dass Sie hier noch einmal das Ziel bekräftigt
haben, in der Tat alles zu versuchen, um die Vorbehalte
der Bevölkerung anzuerkennen und angemessen zu reagieren. Ich bin Ihnen auch dankbar dafür, dass Sie gesagt haben, Sie seien für Argumente offen, das Ganze
befinde sich noch in einem frühen Stadium. Ich gebe Ihnen auch recht - auch ich gehe fest davon aus -, dass alles, was wir hier oder auch auf europäischer Ebene gesetzgeberisch tun, beklagt werden wird; denn das, was
wir hier vorhaben, nämlich eine Ausstiegsklausel, ist juristisches Neuland.
Ohne unsere Zunft zu schlecht zu machen - wir sind
ja beide Juristen -, ist natürlich zu sagen: Absolute
Rechtssicherheit ist nicht herzustellen. Sie werden in
diesem Land, Sie werden in Europa, Sie werden weltweit immer jemanden finden, der für das eine oder für
das andere ein Gutachten schreibt.
({0})
Spannend ist es manchmal, zu gucken, für wen die Gutachter vorher einmal tätig waren.
({1})
Ich glaube, dass wir vielleicht in vielen Jahren einmal
durch eine obergerichtliche Entscheidung absolute
Rechtssicherheit bekommen; aber wir müssen nach meiner Auffassung politisch deutlich sagen, wohin wir wollen. Deshalb sage ich Ihnen: Wir müssen alles versuchen, damit es zu einer bundeseinheitlichen Opt-outRegelung kommt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({2})
- Das, lieber Harald Ebner, wollen wir gemeinsam in der
Großen Koalition durchsetzen.
({3})
Die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat
sich schon ganz deutlich positioniert.
Ihnen, Herr Minister, will ich ein paar Argumente
nennen, die wir in den nächsten Wochen miteinander
diskutieren können, spätestens hier im Parlament.
Erstens. In der Richtlinie, um die es geht, wird davon
gesprochen, dass Mitgliedstaaten von der Opt-out-Regelung für ihren gesamten Bereich oder für Teile Gebrauch
machen können. Insofern ist der Wortlaut der Richtlinie
nach meiner Auffassung völlig eindeutig.
({4})
Zweitens. Wir haben eine wegweisende Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2010. In
dieser Entscheidung hebt das Bundesverfassungsgericht
ganz ausdrücklich hervor, dass die Kompetenz zur Gesetzgebung beim Bund liegt, weil man kein Interesse an
einer Zersplitterung in diesem Bereich haben kann. Deswegen muss es aus meiner Sicht eine bundeseinheitliche
Regelung geben.
({5})
Sie ist gestützt von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
({6})
Wenn wir uns in der Richtlinie die einzelnen Ausstiegsgründe ansehen, dann stellen wir fest, dass ein Optout-Grund einer bundespolitischen Entscheidung agrarpolitische Ziele sein können. Aus meiner Praxis als Anwalt kann ich Ihnen, Herr Schmidt, sagen: In den Fällen,
in denen es in den letzten Jahren zu Verunreinigungen
des Saatguts gekommen ist, betraf es nicht nur ein Bundesland, sondern zog es sich vom Norden bis zum Süden. Alle Landwirte waren betroffen. Gerade auch im InDr. Matthias Miersch
teresse der Landwirtschaft in der Bundesrepublik
Deutschland, im Interesse unserer agrarpolitischen Ziele
brauchen wir eine einheitliche Regelung.
({7})
Ein weiterer Grund, der in der Richtlinie genannt
wird, sind die sozioökonomische Auswirkungen. Sozioökonomische Auswirkungen sind nur bundesweit zu betrachten; sie können wir nicht länderspezifisch betrachten. Insofern ist auch das ein klarer Hinweis darauf, dass
der europäische Gesetzgeber eine bundeseinheitliche
Regelung gemeint hat.
Das Dritte sind umweltpolitische Gründe. Hier will
ich auf einen Aspekt eingehen, der immer hinten runterfällt. Bei dem Thema Gentechnik haben wir nach wie
vor die Bienenproblematik. Sie macht an Ländergrenzen
nicht halt.
({8})
Auch das ist ein Argument, dass wir eine bundespolitische Opt-out-Regelung brauchen, liebe Kolleginnen und
Kollegen.
({9})
Das Vierte ist die öffentliche Ordnung. Auch das ist
ein Grund, der dafür spricht, dass es zu einer bundeseinheitlichen Lösung kommt. Deswegen freue ich mich,
dass die bayerische Ministerin heute an den Bundesratsbeschluss erinnert und für eine bundeseinheitliche Lösung geworben hat. Insofern haben wir einen großen
Konsens. Wir können uns nähern. Das müssen wir jetzt
diskutieren. Das schließt nicht aus - darauf weisen Sie
auch hin -, dass es Kernkompetenzen der Länder gibt,
beispielsweise im Bereich der Raumordnung. Wir werden überlegen müssen, wie wir das intelligent miteinander verknüpfen können. In diesem Sinne freue ich mich
auf die Debatte.
Ich möchte aber noch eines sagen: Ich wünsche mir,
dass wir eigentlich nicht zu einer Opt-out-Regelung
kommen, sondern dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten
immer, wenn es um eine Zulassung auf europäischer
Ebene geht, erst einmal dagegen votiert. Ich freue mich
auch über eine Bundesregierung mit einer in Zukunft
hoffentlich ablehnenden Haltung in Brüssel.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({10})
Vielen Dank. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Nicole Maisch das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollege
Miersch, das war eine sehr schöne Rede, klar und gut argumentiert. Ihr Problem ist nur: Der Agrarminister ist
Christian Schmidt. Geklatscht hat bei Ihrer Rede auch
der eine oder andere Grüne, aber niemand bei der Union.
Ich finde es schon bezeichnend, dass der CDU-Minister
auf der Grünen Woche gesagt hat, er möchte keinen
„Flickenteppich“ bei der Gentechnik. Jetzt wird klar,
dass das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, das Sie
zitiert haben, nämlich dass die Bedenken der Bevölkerung ernst genommen werden, nicht für alle Bürgerinnen
und Bürger in diesem Land gelten soll,
({0})
sondern nur für die, deren Landesregierung willens und
in der Lage ist, ein Verbot auf Länderebene zu administrieren und politisch durchzusetzen. Beim Thema „politisch durchsetzen“ habe ich schon ein, zwei Wackelkandidaten vor meinem geistigen Auge. Kollege de Vries
aus Sachsen-Anhalt hat bestimmt schon Hoffnungen,
dass in seinem Bundesland gegebenenfalls Öffnungen
vorgenommen werden. Ich finde es nicht richtig, einen
Flickenteppich zu schaffen. Deshalb streiten wir für eine
nationale Lösung.
({1})
Die Gentechnikpolitik der Union ist anhand des
Schaustücks, das Sie hier zeigen, sehr gut zu erkennen:
Zuerst hintertreiben Sie in Brüssel alles, was uns die
Gentechnik vom Acker und vom Teller fernhalten soll.
Sie blockieren sinnvolle Vorschläge des Europäischen
Parlaments. Sie winken jede Importzulassung durch.
Dann feiern Sie sich groß für das Opt-out, für die Möglichkeit, Gentechnik auf nationaler Ebene zu verbieten.
Und jetzt, wo es diese Möglichkeit gibt, wollen Sie sie
nicht nutzen. Das kann doch bitte schön nicht Ihr Ernst
sein.
({2})
Kollegin Connemann, Sie haben eine Äußerung von
Renate Künast aus dem Jahr 2004 zitiert. Da kann man
nur sagen: Jedes Zitat hat seine Zeit. Seit 2004 hat sich
der Rechtsrahmen geändert. Inzwischen haben wir ein
Opt-out. Man kann sich für das Opt-out abfeiern; aber
dann muss man anerkennen, dass es vorher eine andere
Rechtslage gab. Auch wenn es keine neue Rechtslage
gäbe, wäre es völlig absurd, Renate Künast ins Feld zu
führen, um Ihren vermurksten Umgang mit dem Opt-out
schönzureden.
({3})
Ich finde, es hat eine gewisse Berechtigung, großes
Vertrauen in die Bundesländer zu haben. Ein großer Teil
der Länder wird von grünen Agrarministerinnen und
Agrarministern regiert; sie zeigen - anders als Sie klare Kante bei der Gentechnik. Aber trotzdem ist und
bleibt es falsch, den Anbau von Gentechnik auf Landesebene regeln zu wollen. Ich glaube, dahinter steckt eine
sehr durchsichtige Strategie derjenigen in der Union, die
der Gentechnik immer schon Tür und Tor öffnen wollten. Die sogenannte Koexistenz, von der Sie immer spre8238
chen, ist eine Illusion. Wer Koexistenzen will, der öffnet
Monsanto, Syngenta und allen anderen die Tür,
({4})
schadet den Verbraucherinnen und Verbrauchern und
führt Landwirte in die Abhängigkeit von Gentechnikkonzernen.
Wir Grüne sagen klar: Wir wollen keine Gentechnik
auf unseren Äckern, keine Gentechnik auf unsern Tellern, und zwar in keinem Bundesland.
({5})
Das ist die grüne Position. Da haben wir die Mehrheit
der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land hinter uns.
Wir wissen aber, dass der Minister das nicht so klar
sieht. Er hat schon angeboten, bei den TTIP-Verhandlungen die europäische Gentechnikkennzeichnung zu opfern.
({6})
Wir sollten in Zukunft mit unseren Handys im Supermarkt die Barcodes einlesen;
({7})
das sei Information genug. Ich finde, wenn man beim
Thema Gentechnik so agiert, dann ist ganz klar, woher
der Wind weht: Hier möchte jemand die Tür für etwas
öffnen, was wir nicht wollen.
({8})
Meine Damen und Herren, die Pressemitteilungen der
CSU zum Thema Gentechnik sind bezeichnend. Zur Erinnerung: Die CSU regiert auch auf Bundesebene, nicht
nur in Bayern. Aber in den Pressemitteilungen geht es
immer nur um die bayerischen Äcker, um die bayerischen Bauern, um die bayerischen Verbraucher. Ich
finde, hier muss man einer Partei, die auf Bundesebene
an der Regierung beteiligt ist, zurufen: Auch nördlich
von Aschaffenburg leben Menschen.
({9})
Auch nördlich von Aschaffenburg wird Landwirtschaft
betrieben, und auch nördlich von Aschaffenburg wollen
die Leute keine Gentechnik.
({10})
Jetzt hat Ihr bayerischer Innenminister Herrmann angekündigt, es solle in Bayern wieder Grenzkontrollen geben. Aber man muss ihm sagen, dass sich Bienen und
Pollen nicht an Grenzkontrollen halten. Es ist eine absurde Vorstellung, dass man in der Gentechnikpolitik
eine Insellösung für Bayern umsetzen kann. Ich glaube,
die Menschen und auch die Landwirte in Bayern werden
dieses falsche Spiel durchschauen.
Wir haben in dieser Debatte festgestellt: Mit der
Union ist bei der Gentechnik kein Staat zu machen. Wir
haben Interessantes von Kollegin Ute Vogt und vom
Kollegen Miersch von der SPD gehört. Jetzt müssen sie
zeigen, ob sie in dieser Frage Biss haben. Ihre Position
steht diametral zu dem, was die Union in dieser Frage
vorgetragen hat. Das ist jetzt die Nagelprobe für Sie von
der SPD: Wenn es Ihnen nicht gelingt, ein einheitliches
nationales Anbauverbot für gentechnisch veränderte
Pflanzen durchzudrücken, dann haben Sie Ihre Glaubwürdigkeit in Sachen Agrarpolitik und Gentechnik ein
für alle Mal verspielt.
({11})
Vielen Dank. - Das Wort hat jetzt Franz-Josef
Holzenkamp, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Sehr geschätzte Kolleginnen
und Kollegen von den Grünen, Sie haben die Aktuelle
Stunde zu diesem Thema beantragt. Ich habe bei Ihnen
genau zugehört. Bezüglich dessen, was Sie heute hier
von diesem Pult aus erzählt haben, kann ich Ihnen nur
zurufen: Der Karneval ist vorbei. Kommen Sie bitte zurück in die Realität!
({0})
Meine Damen und Herren, ich möchte zunächst würdigen, dass Bundesminister Schmidt Wort gehalten hat,
({1})
nämlich zügig und frühzeitig einen Gesetzentwurf für
die nationale Umsetzung der Opt-out-Regelung vorzulegen. Das hat er vor Inkrafttreten der EU-Änderungsrichtlinie gemacht. Das ist, finde ich, erst einmal beispielhaft
für uns als Parlament. Herr Minister Schmidt, herzlichen
Dank dafür!
({2})
Am letzten Freitagabend, also erst vor wenigen Tagen, ist die Ressortabstimmung eingeleitet worden. Ich
bin gespannt, wie der Rücklauf sein wird. Für unsere
Fraktion will ich hier sagen: Wir sind offen für gute
Ideen; sie müssen aber bitte auch umsetzbar sein. Ich
empfehle uns allen, meine Damen und Herren - weil wir
ganz am Anfang dieser Diskussion stehen -, das unaufgeregt und entspannt zu machen. Arbeiten wir die Dinge
Schritt für Schritt ab. Dann werden wir auch zu einem
vernünftigen Ergebnis kommen. Lassen Sie also den
Klamauk! Der bringt uns nicht weiter.
({3})
Wir haben doch ein gemeinsames Ziel. Alle Fraktionen hier im Bundestag sind sich einig, die Opt-out-Regelung umzusetzen. Wir wollen einen rechtlichen Rahmen
dafür schaffen, dass der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen bundesweit flächendeckend untersagt
wird. Das wollen wir, Herr Miersch, möglichst rechtssicher machen. Sie haben recht: Vor Gericht und auf hoher
See ist man nur in Gottes Hand. - Den Spruch kennen
wir. Wir wollen aber möglichst rechtssicher sein.
Dass der Bund hier schon immer unter Unionsregierung engagiert unterwegs war,
({4})
zeigt die Tatsache, dass Frau Aigner bereits in der letzten
Legislaturperiode MON810 wegen der Gefahr für die
Marienkäfer verboten hat. Der Bund steht also in Verantwortung. Hier geht es aber insbesondere um die rechtssichere Umsetzung.
Der Einklang mit dem EU-Recht ist schon angesprochen worden. Wir müssen sauber begründen. Es muss
verhältnismäßig sein. Wir dürfen nicht diskriminieren,
und die Entscheidung muss auf zwingenden Gründen beruhen, wenn wir das grundgesetzlich verbriefte Recht
auf Eigentum und Berufsausübung in unserem Land einschränken. Das muss uns bewusst sein. Deshalb reichen
generelle Behauptungen einfach nicht aus. Wir wissen,
dass im Gesamtverfahren zuerst die EU - dort ist es die
EFSA - prüft, und zwar den allgemeinen Schutz der Gesundheit für Mensch, Tier und Umwelt. Daher ist eine
allgemeine Argumentation für eine Ablehnung im Optout-Verfahren nicht ausreichend. Zwingende Gründe
müssen mit regionalen Begebenheiten belegt werden.
Wir wissen doch, dass die Regionen in Deutschland
total unterschiedlich sind. Wir haben die Inseln mit besonderen Gegebenheiten,
({5})
und es gibt hier große landwirtschaftliche Betriebe. Beispiel: Im Osten unseres Landes wurden Tausende Hektar
arrondiert. Was machen wir denn in diesem Fall? Wie
wollen wir es begründen, wenn mittendrin - vollkommen unschädlich für die Umwelt und sonstige Dinge auf einer kleinen Fläche GVO-Pflanzen angebaut werden sollen? Hier müssen wir schon rechtssicher vorgehen. Frau Connemann hat dazu eben argumentiert. Ich
wundere mich schon, dass sich die Landesminister - allen voran die grünen Landesminister - hier ein Stück
weit der Verantwortung entziehen und sich einen schlanken Fuß machen wollen. Meine Damen und Herren, das
ist wirklich nicht in Ordnung.
({6})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will abschließend
- weil wir uns am Beginn des Verfahrens befinden - einen
Wunsch äußern, dessen Erfüllung mir persönlich ein Anliegen ist. Mit unserer Ablehnung der Gentechnik - ich
habe das hier das eine oder andere Mal angesprochen geht uns auch Wissenskompetenz verloren. Deshalb sollten wir in diesem Verfahren - das ist mein Wunsch auch miteinander diskutieren, wie wir als Hochtechnologieland Deutschland die Wissenskompetenz erhalten
können.
({7})
Ich möchte nicht, dass wir vom Wissen anderer Länder
abhängig sind. Wir wissen nicht, was in 10, 15 oder
20 Jahren sein wird. Wir wissen nicht, was es dann für
Entwicklungen und neue Erkenntnisse gibt. Deshalb
sollten wir uns dafür öffnen.
Aber ich weiß jetzt, Herr Kollege, dass Ihre Redezeit
zu Ende bzw. schon überschritten ist.
Ja, Frau Präsidentin, ich halte mich daran.
Meine Damen und Herren, ich freue mich auf eine intensive Debatte. Ich bin sicher: Wenn wir die Sache ernst
nehmen und es ernst meinen, dann erzielen wir ein gutes
Ergebnis, und zwar Deutschland als Ganzes - so wie Sie
es gesagt haben -, gemeinsam mit den Bundesländern.
Vielen Dank.
({0})
Nächster Redner ist René Röspel, SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir haben in den letzten Jahren hier im Deutschen Bundestag sehr häufig und sehr kontrovers über
Grüne Gentechnik diskutiert. Eines ist über die Jahre geblieben, nämlich eine große Skepsis gegenüber Agrogentechnik, gegenüber Grüner Gentechnik auf dem
Acker. Diese Einschätzungen haben viel mit Gefühlen,
mit Emotionen zu tun.
Als Forschungspolitiker, aber auch als Biologe habe
ich in den letzten Jahren versucht, das Ganze auf eine
wissenschaftliche Basis zu stellen. Ich habe mir angeschaut, welche wissenschaftlichen Publikationen es über
die Auswirkungen von Gentechnik gibt, und da gibt es
über Grüne Gentechnik eine ganze Menge. Auf der einen Seite gibt es die Einschätzung, dass Grüne Gentechnik keine großen Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit hat, dass es keine Bedenken gibt, dass das
Risiko gering ist. Auf der anderen Seite gibt es eine
Reihe von Publikationen, in denen das Gegenteil behauptet wird. Dort heißt es: Die Auswirkungen sind
möglicherweise groß, sie sind nicht einzuschätzen, und
man muss mit Gentechnik vorsichtig umgehen. Beide
wissenschaftlichen Strömungen haben eines gemeinsam:
Sie beschränken sich immer nur auf einen kleinen Teil
- auf einen kleinen Ausschnitt, auf einen kleinen Raum,
auf ein paar Äcker - oder eben auf einen kleinen Zeitraum. Aber die Ausbringung von gentechnisch veränderten Pflanzen bedarf eigentlich einer Langzeitbetrachtung; denn man wird vielleicht erst in 10, 20 oder
40 Jahren merken, welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Das ist auf Anhieb nicht abzuschätzen. Mein Fazit ist, dass es keine wissenschaftlich eindeutige Handlungsanleitung für die Politik gibt, Ja oder Nein zu
sagen. Deswegen muss man die Entscheidung auf einer
anderen Ebene treffen.
Geht man beispielsweise den Weg der USA, die recht
forsch sind und sagen: „Wir bauen einfach gentechnisch
veränderte Pflanzen auf großen Flächen an und schauen,
was passiert, und versuchen, das in den Griff zu kriegen“
- gentechnisch veränderte Pflanzen werden schon auf
mehreren Millionen Hektar angebaut -, oder geht man
den Weg Deutschlands, der schon seit Jahren ein zurückhaltender, ein beobachtender, ein vorsorglicher Weg ist?
Vielleicht stellt man in 50 Jahren in den USA fest: Der
Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen war überhaupt
kein Problem. - Dann war es eben kein Problem. Es
kann aber auch sein, dass es genau anders herum ist:
Man merkt, dass man etwas auf den Äckern angebaut
hat, das große Probleme verursacht, nun aber nicht mehr
rückholbar ist. In 50 Jahren ist es dann zu spät. Dann
hinterlässt man künftigen Generationen ein Problem, mit
dem sie nicht umgehen können.
Wir haben uns als SPD vor vielen Jahren für den anderen Weg entschieden. Wir haben gesagt: Wir wollen
erst sicherstellen, dass wir künftigen Generationen keine
Last hinterlassen. Wir wollen Vorsorge betreiben. Wir
wollen keinen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen
auf unseren Äckern. - Auch die Grünen haben sich vor
vielen Jahren dafür entschieden. Deswegen war es gut,
dass wir 1998 gemeinsam eine Regierung gebildet haben, und das in einem ganz anderen Umfeld. Damals gab
es auf europäischer Ebene viele Bestrebungen, gentechnisch veränderte Pflanzen auf den Acker zu bringen. Die
damalige Opposition aus Union und FDP in diesem
Haus, Frau Connemann - ich kann nicht umhin, da ins
Protokoll zu schauen -, war überwiegend dafür, gentechnisch veränderte Pflanzen auf den Acker zu bringen. In
dieser Situation ist Rot-Grün einen vernünftigen und besonnenen Weg gegangen, mit Gentechnik umzugehen.
Übrigens hat die SPD diesen Weg in der Großen Koalition von 2005 bis 2009 fortgesetzt, und wir setzen ihn
jetzt fort. Das heißt, wenn es eine Konstante in Bezug
auf einen vernünftigen Umgang mit Gentechnologie in
Deutschland gibt, dann ist das die Sozialdemokratie. An
die Grünen, die das vorhin aufgebauscht haben, gerichtet
sage ich: Sie können sich darauf verlassen - alle anderen
übrigens genauso -, dass wir diesen Weg fortsetzen werden, auch in dieser Koalition.
Es gibt gute Gründe, ein bundesweites Anbauverbot
zu fordern. Wir sind auf europäischer Ebene weiter. Eine
Opt-out-Regelung wird kommen, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, auf nationaler Ebene Anbauverbote zu
erlassen. Alles spricht dafür - Matthias Miersch hat das
hervorragend ausgeführt -, dass man auf rechtssichere
Weise den Weg eines bundesweiten Anbauverbotes wird
gehen können. Das ist genau unsere Position, und die
halten wir für richtig.
Sie, alle Fraktionen und auch die Menschen in diesem
Land, können sicher sein, dass sich die SPD weiter dafür
einsetzen wird, dass es keinen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Deutschland geben wird. Wir werden uns auch im anstehenden Gesetzgebungsverfahren
mit unserer Umweltministerin Barbara Hendricks dafür
einsetzen, dass es nicht 16 unterschiedliche Regelungen
auf Länderebene geben muss, sondern dass es ein bundesweit gültiges Gesetz gibt.
Vielen Dank.
({0})
Vielen Dank. - Nächster Redner ist Kees de Vries,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Wir diskutieren in dieser Aktuellen
Stunde über die Gesetzesvorlage der Bundesregierung
zur Umsetzung der Opt-out-Richtlinie.
Die Haltung der Bundesregierung hat der Bundesminister in dieser Debatte schon überzeugend dargelegt.
Die Gründe, die zu einem Anbauverbot von in der EU
zugelassenen gentechnisch veränderten Pflanzen führen
können, sind in fachlicher und juristischer Hinsicht von
der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Gentechnik und dem
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
beleuchtet worden. Dabei wurde deutlich, dass viele,
wenn auch nicht alle Verbotsgründe eindeutig nur lokal
oder regional greifen können; denn es lässt sich nicht bestreiten - wer die deutsche Landwirtschaft kennt, wird
das bestätigen -, dass die Agrarbetriebsstrukturen, die
Gesetze, die Landschaftselemente, die Raumordnungen
etc. in unseren Bundesländern sehr unterschiedlich sind.
Nur indem wir diese Argumente zusammenführen, können wir zu einem rechtssicheren nationalen Verbot kommen und dafür sorgen, dass es in Deutschland keinen
Flickenteppich gibt, und so dem Wunsch der meisten
Menschen in unserem Land nachkommen.
Ich möchte in dieser Diskussion über Gentechnik auf
zwei Argumente aufmerksam machen:
Zum Ersten weise ich darauf hin, dass mit der Opt-outRichtlinie - ich zitiere - „nicht verhindert werden soll,
dass biotechnologische Forschungsarbeiten durchgeführt
werden“. Ich begrüße ausdrücklich, dass Forschungstätigkeiten in Europa weiterhin möglich sind, einerseits
damit wir in Zukunft im Zulassungsverfahren eigene Argumente vortragen können, andererseits - das ist nicht
weniger wichtig - damit wir Entwicklungen in anderen
Teilen der Welt, die vielleicht auch für uns in Deutschland einmal attraktiv sein könnten, nicht verschlafen.
Zweitens. Frau Maisch, ich habe überhaupt keinen
Bedarf, gentechnisch veränderte Pflanzen anzubauen;
denn alles, was mir jetzt angeboten wird, ist einfach zu
teuer und trägt nicht zu besseren Betriebsresultaten bei.
Aber da ich nicht in die Zukunft schauen kann - das
habe ich schon einmal erklärt -, möchte ich nicht ausschließen, dass sich das einmal ändert und auch wir in
Deutschland tatsächlich einmal Bedarf an diesen Produkten haben werden.
Zum Schluss. Wenn Sie es mit Transparenz und der
Wahlfreiheit des Verbrauchers ehrlich meinen - ich spreche namentlich meine sehr verehrten Kolleginnen und
Kollegen von den Grünen an -, dann vermisse ich Ihr
Engagement, das Sie bei vielen anderen Themen zeigen.
Kämpfen Sie mit uns für die einfache und klare Kennzeichnung „Produziert mithilfe von Gentechnik“. Dann
hätten wir die Transparenz
({0})
und die Wahlfreiheit, die Sie immer so vehement fordern.
({1})
Vielleicht wäre das ein Beitrag, um in diese ganze Debatte wieder mehr Sachlichkeit hineinzubekommen.
({2})
Was mir diese Stunde gezeigt hat, ist, dass wir das unbedingt brauchen.
Vielen Dank.
({3})
Vielen Dank. - Als Nächste spricht Marlene Mortler,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir wollen den
Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Deutschland schnell und wirkungsvoll verbieten - das ist die
klare und eindeutige Haltung der CSU-Landesgruppe im
Deutschen Bundestag -, allerdings nicht aus ideologischen oder fortschrittsfeindlichen Gründen. Wir halten
Anbauverbote aufgrund einer schlichten Abwägung für
den richtigen Weg.
Erstens wissen wir einfach noch zu wenig über die
Folgen des GVO-Anbaus auf komplexe Ökosysteme:
Wie wirken sich Resistenzen gegen Schädlinge aus?
Kann es Auskreuzungen geben? Welche Folgen hätten
diese für andere Arten?
Zweitens. Wir wissen, dass der Anbau gentechnisch
veränderter Pflanzen in kleinräumigen Agrarstrukturen
durch Windeinträge zu Beeinträchtigungen der GVOfreien Landwirtschaft führen kann. Das wollen wir verhindern.
({0})
Drittens. Die Menschen im Land haben einfach kein
Vertrauen in diese Technologie. Uns ist aber sehr an einem vertrauensvollen Miteinander von Landwirtschaft
und Verbrauchern gelegen.
Viertens bringt der Anbau gentechnisch veränderter
Pflanzen in Deutschland einfach keinen relevanten Vorteil. Das mag in Spanien oder Nordafrika anders sein. In
Deutschland jedenfalls brauchen wir den GVO-Anbau
nicht.
({1})
Deshalb haben wir als CSU-Landesgruppe uns vor einem Jahr mit Nachdruck für eine Zustimmung Deutschlands zum Opt-out-Vorschlag eingesetzt und mit unserer
großen Schwesterpartei und mit der SPD hier im Deutschen Bundestag hart an einem gemeinsamen Antrag gearbeitet. Beides hat viel dazu beigetragen, dass der gordische Knoten hier in Berlin und wenig später in Brüssel
durchschlagen werden konnte.
({2})
Jetzt geht es darum, den Sack zuzumachen und das
Gentechnikgesetz so zu ändern, dass wir in Deutschland
schnell und rechtssicher Anbauverbote verhängen kön-
nen. Wer diese Anbauverbote verhängt - der Bund, die
Länder, beide gemeinsam -, kann nicht die Kernfrage
sein. Es muss aus meiner Sicht darum gehen, dass diese
Verbote a) schnell kommen und b) - was noch wichtiger
ist - einer gerichtlichen Überprüfung standhalten. Das
ist für mich die Messlatte.
({3})
Lieber Herr Minister, lieber Christian - du bist ja
noch da -, ich weiß aus vielen Gesprächen, wie intensiv
du dich mit der Frage auseinandergesetzt und beschäftigt
hast, wie man hierbei am besten vorgeht, wie du und wir
alle zur besten Lösung kommen. Ich danke dir sehr, dass
du einen Entwurf in die Ressortabstimmung gegeben
hast - wir haben das heute mehrfach gehört -, bevor die
Opt-out-Richtlinie überhaupt in Kraft getreten ist. So etwas hat wirklich Seltenheitswert. Ich erkenne auch, dass
dieser Vorschlag einzig an den Zielen Schnelligkeit und
Rechtssicherheit orientiert ist und nicht daran, wofür
man in diesem Haus am meisten Beifall erhält. Das ist
Politik im Sinne der Sache und im Interesse der Menschen in unserem Land.
Meine Damen, meine Herren, die zentrale Herausforderung, wenn man ein Anbauverbot aussprechen will, ist
die wasserdichte Begründung. Es ist nicht jeder x-beliebige Grund geeignet, ein Anbauverbot zu begründen,
sondern nur die Gründe, die in der Richtlinie aufgezählt
sind: die Umweltpolitik, die Stadt- und Raumordnung
und die Vermeidung von GVO-Einträgen. Wenn ich die
Liste der Gründe lese, dann frage ich die Befürworter eines bundeseinheitlichen Vorgehens schon, wie denn eine
Bundesbehörde nachweisen soll, dass ein Anbauverbot
aus Gründen der örtlichen biologischen Vielfalt zwingend erforderlich sei oder dass es erforderlich ist, weil in
der konkreten Situation vor Ort Koexistenzmaßnahmen
nicht möglich sind. Nach allem, was mir bekannt ist, liegen dem Bund solche Informationen überhaupt nicht
vor. Deshalb sage ich: Mit Anbauverboten, die pauschal
für das ganze Land verhängt werden, ist keinem geholfen. Das sind nur Scheinlösungen; denn sie werden der
ersten Klage zum Opfer fallen. Lassen Sie uns das Gesetz also so ausgestalten, dass Anbauverbote detailliert
zu begründen sind; denn nur so werden sie Bestand haben.
({4})
Deswegen finde ich den Vorschlag unseres Bundesministers sehr plausibel. Schnell und rechtssicher, darum
muss es gehen.
Ich danke Ihnen.
({5})
Danke schön. - Nächster Redner ist Hermann Färber,
CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf den Tribünen! Ich möchte zunächst einmal drei grundsätzliche Bemerkungen zur Gentechnik und zur tatsächlichen und
rechtlichen Lage in Deutschland machen.
Erstens. Es gibt derzeit keine gentechnisch veränderten Nutzpflanzen, deren kommerzieller Anbau sich in
Deutschland lohnt.
Zweitens. Die in Deutschland geltenden Haftungsregeln - das wurde ja schon mehrfach angesprochen - und
auch die Abstandsregeln werden auch in Zukunft den
kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten
Pflanzen wirtschaftlich extrem unattraktiv machen. Es
lohnt sich für die Landwirte einfach nicht, gentechnisch
veränderte Pflanzen anzubauen, und deshalb werden sie
das auch nicht tun.
Drittens. Ich bin sehr dafür, dass der Verbraucher bei
der Entscheidung, was er konsumieren will, wirklich
Wahlfreiheit hat. Dafür ist eine umfassende Prozesskennzeichnung notwendig. Das darf nicht nur die Grüne
Gentechnik betreffen, und es darf hier auch nicht nur um
Lebensmittel gehen.
({0})
Alle Produkte, die in irgendeiner Form während des
Herstellungsprozesses mit Gentechnik in Berührung gekommen sind, müssen gekennzeichnet werden. Erst
dann - wirklich erst dann -, wenn alles gekennzeichnet
ist, hat der Verbraucher echte Wahlfreiheit, und dafür
setzen wir uns ein.
({1})
Ich bin davon überzeugt: Hätten wir diese Kennzeichnungspflicht schon in den letzten Jahren gehabt, dann
hätten sich viele Mythen über die Gentechnik gar nicht
erst entwickelt; denn dann wüssten die Verbraucher bereits heute, wie oft sie mit gentechnisch veränderten Produkten in Kontakt kommen.
({2})
Wenn hier heute vom gentechnikfreien Teller, von Gentechnikbetrug und von der gentechnikfreien Lebensmittelproduktion gesprochen worden ist, so entspricht das
einfach nicht der Realität.
({3})
In zahlreichen Lebensmitteln sind heute genveränderte Organismen vorhanden - ganz unabhängig davon,
ob sie von genveränderten Pflanzen stammen oder nicht.
({4})
Aber nun zum Opt-out-Verfahren: Dieses Verfahren
ist ein typisch europäischer Kompromiss. Keiner ist damit zu 100 Prozent zufrieden, aber es ist eine Grundlage,
mit der man arbeiten kann, und ich bin froh, dass man
eine europaweite Lösung gefunden hat, die im Rahmen
des Binnenmarktes bleibt. Ein alleiniges nationales Anbauverbot ohne europäische Rechtsgrundlage wäre im
Übrigen eine Öffnung für Einschränkungen des Binnenmarktes gewesen, und von diesem Binnenmarkt profitieren gerade die Menschen in Deutschland ganz erheblich.
Das wollen wir nicht gefährden, und deshalb begrüßen
wir die jetzt gefundene Lösung.
Es ist richtig, dass die Opt-out-Regelung Einschränkungen enthält, die es nicht erlauben, ein Opt-out mit
rein politischen Motiven zu begründen. Das liegt zum einen an grundlegenden Mechanismen des Binnenmarktes, den wir ja alle wollen, zum anderen aber an Verpflichtungen, die Deutschland und die EU international
eingegangen sind. So müssen ausländische und inländische Produkte nach WTO-Regeln nämlich gleichbehandelt werden, wenn sie gleichartig sind. Hier stellt sich
die Frage: Ist eine gentechnisch veränderte Pflanze
gleichartig einer nicht gentechnisch veränderten Pflanze?
({5})
Ein vom BMEL in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten
spricht hier von einer „erheblichen Rechtsunsicherheit“.
Auch der Gesundheitsschutz kann nur sehr begrenzt ein
Grund für Opt-out sein, da die Gesundheitsprüfung ja eigentlich schon bei der EU-weiten Zulassung vorgenommen wird.
({6})
Hier können also höchstens noch regionale Besonderheiten angeführt werden. Dazu verlangt das SPS-AbHermann Färber
kommen der WTO über sanitäre und phytosanitäre Maßnahmen aber eine wissenschaftliche Beweisführung. Wir
alle wissen, dass es keinerlei geprüfte wissenschaftliche
Beweise für Gesundheitsschäden durch gentechnisch
veränderte Pflanzen gibt.
({7})
Wegen dieser Schwierigkeiten ist es völlig richtig,
dass die Entscheidung für Anbauverbote bei den Ländern liegt; denn die Gründe, die nach internationalen
Verträgen ein Anbauverbot begründen, sind so spezifisch, dass sie eben nicht bundesweit gelten, sondern
einen starken regionalen und lokalen Bezug haben müssen. Deshalb können diese Regelungen auch nur von den
Ländern rechtssicher umgesetzt werden.
({8})
Ich weiß, Herr Minister Schmidt, dass sich die Bundesregierung dieser Probleme und Einschränkungen sehr
bewusst ist. Deshalb begrüße ich es auch, dass sich die
Bundesregierung mit Augenmaß und Fachkenntnis an
die Umsetzung macht.
({9})
Schnellschüsse helfen in diesem komplizierten Rechtsbereich niemandem. Ich bin froh, dass sich die Bundesregierung von der Aufregung nicht auf die Bäume jagen
lässt. Schließlich muss sich nicht nur Griechenland an
internationale Verträge und Abmachungen halten, für
uns in Deutschland gilt das Gleiche.
Vielen Dank.
({10})
Vielen Dank. - Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Schluss
unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 26. Februar 2015,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.