Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie
herzlich und rufe unseren ersten Tagesordnungspunkt,
den Tagesordnungspunkt 1, auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre.
Hierzu erteile ich dem Bundesinnenminister für seinen einleitenden Bericht das Wort. Wenn es, wie absehbar, Fragen dazu gibt, wäre ich im Übrigen dankbar,
wenn mir die Geschäftsführer die Wortmeldungen aus
den Fraktionen jetzt schon mitteilten; dann kann man
diese schon ein bisschen vorsortieren.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit
dem vom Präsidenten genannten Gesetzentwurf wird geregelt, dass amtierende und ehemalige Mitglieder der
Bundesregierung anzuzeigen haben, wenn sie beabsichtigen, innerhalb von 18 Monaten nach ihrem Ausscheiden aus der Bundesregierung einer Erwerbstätigkeit oder
sonstigen Beschäftigung außerhalb des öffentlichen
Dienstes nachzugehen.
Die angestrebte Beschäftigung kann dann untersagt
werden, wenn durch ihre Aufnahme öffentliche Interessen beeinträchtigt werden können. Die Untersagung soll
in der Regel ein Jahr nicht überschreiten. In Ausnahmefällen kann der Zeitraum bis zu 18 Monate betragen.
Die Bundesregierung trifft ihre Entscheidung über die
Untersagung auf Empfehlung eines beratenden Gremiums. Die Bundesregierung schlägt dieses Gremium
vor. Der Bundespräsident soll dieses Gremium dann ernennen. Die Mitglieder dieses Gremiums - drei Personen - sollen Funktionen an der Spitze staatlicher oder
gesellschaftlicher Institutionen wahrgenommen haben
oder über Erfahrungen in einem wichtigen politischen
Amt verfügen. Die Entscheidung der Bundesregierung
wird mit der Empfehlung des beratenden Gremiums veröffentlicht.
Wird die angestrebte Beschäftigung untersagt, besteht
jedenfalls für die Dauer der Karenzzeit ein Anspruch auf
Übergangsgeld.
Das Gesetz gilt selbstverständlich auch für den Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin sowie für die Parlamentarischen Staatssekretärinnen und Staatssekretäre.
Mit dem Gesetzentwurf wird ein transparentes Verfahren geschaffen, in dem Anzeigepflichten während
und nach dem Amtsverhältnis sowie Untersagungsmöglichkeiten der Beschäftigung nach Ende des Amtsverhältnisses innerhalb einer Karenzzeit eingeführt werden.
Mit dem Gesetz soll der Anschein einer voreingenommenen Amtsführung im Hinblick auf spätere Karriereaussichten oder durch die private Verwertung von
Amtswissen nach dem Ausscheiden aus dem Amt verhindert werden. Zugleich schützen die Vorschriften den
Betroffenen vor Unsicherheiten und ungerechtfertigter
Kritik, insbesondere dann, wenn das beratende Gremium
und das Kabinett sagen: Hier ist kein Interessenkonflikt
zu befürchten.
Das beendet meinen einführenden Bericht.
Vielen Dank. - Ich bitte nun zunächst um Wortmeldungen zu dem vorgestellten Thema der heutigen Kabinettssitzung.
Die erste Wortmeldung hat die Kollegin Wawzyniak.
Herr de Maizière, erlauben Sie mir, bevor ich meine
Frage stelle, einen gewissen Unmut auszudrücken. Gestern haben wir in der Süddeutschen Zeitung einen Teil
des Gesetzentwurfes lesen können. Er ist zitiert worden.
Nach § 48 Absatz 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien ist es eigentlich üblich, dass
der Gesetzentwurf den Fraktionen zur Verfügung gestellt
wird. Nach meinem Kenntnisstand haben wir ihn nicht
bekommen. Das ist, vorsichtig gesagt, suboptimal.
Meine Frage ist: Sie haben gesagt, dass es sich um
eine Kannregelung handelt. Mich interessiert, warum Sie
sich für eine Regelung entschieden haben, nach der die
angestrebte Beschäftigung untersagt werden kann, und
warum Sie nicht zunächst eine Pflichtkarenzzeit eingeführt haben, also eine Umkehrung des Verhältnisses in
der Form, dass sozusagen ein Wechsel genehmigt werden kann. Jetzt soll es nur möglich sein, diesen Wechsel
zu untersagen. Warum dieses Verhältnis?
Frau Abgeordnete, wir haben den Anwendungsbereich breit gewählt. Deswegen folgt daraus eine Kannregelung. Was meine ich damit? Der Anwendungsbereich
bezieht sich auf Erwerbstätigkeiten, die alle entgeltlichen, auch freiberufliche oder selbstständige Tätigkeiten
umfassen, aber auch sonstige Beschäftigungsverhältnisse, also auch unentgeltliche Tätigkeiten. Das gilt
selbstverständlich auch in Fällen, in denen ein Minister
oder eine Ministerin in seinen oder ihren ehemaligen Beruf zurückkehrt. Wenn der Bereich so weit gefasst ist,
dann ist es nicht sinnvoll, eine zwingende Karenzzeit
einzuführen.
Das ist im Übrigen ein Eingriff in das in Artikel 12
Grundgesetz verankerte Grundrecht, die Freiheit der Berufsausübung. Das muss natürlich auch verhältnismäßig
sein.
Wenn wir den Wechsel von der Politik in die Wirtschaft, der Wirtschaft in die Politik oder anderen öffentlichen oder privaten Bereichen in die Politik wollen und
nicht nur Berufspolitiker haben wollen, die keinerlei Berufserfahrung haben, dann kommt es nicht darauf an,
dass man überhaupt keine Tätigkeit mehr ausübt, nachdem man Mitglied der Bundesregierung war, sondern es
kommt darauf an, ob ein Interessenkonflikt vorliegt
- das ist der entscheidende Punkt -, ob also zu befürchten ist, dass aus der Tätigkeit in der Bundesregierung ein
besonderer Vorteil erwächst oder ob aus den Beziehungen aufgrund der Mitgliedschaft zur Bundesregierung
besondere Vorteile für den zukünftigen Arbeitgeber entstehen. Dieser Interessenkonflikt soll verhindert werden;
nur der. Deswegen ist eine solche Kannregelung sehr
präzise und sehr sinnvoll.
Ich erinnere noch einmal an unser Zeitregime: jeweils
eine Minute. Da es viele Fragen gibt, gibt es auch viele
Möglichkeiten, zu antworten.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Haßelmann.
Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank auch, Herr
Minister, für die Ausführungen. - Meine Frage lautet:
Warum wird die in der Europäischen Kommission
geltende Karenzzeitregelung für ausgeschiedene Kommissionsmitglieder von 18 Monaten bei dem heute verabschiedeten Gesetzentwurf der Bundesregierung unterlaufen? Warum haben Sie sich für einen Regelzeitraum
von 12 Monaten entschieden?
Die Regelung der Europäischen Kommission war für
uns ein maßgeblicher Punkt. Wir haben in diesem Gesetzentwurf vor allen Dingen eine strenge Anzeigepflicht geregelt, von der ich nicht genau weiß, ob sie in
der Kommission auch so streng ist. Dies soll auch zu
Rechtssicherheit für den Betroffenen führen. Vor diesem
Hintergrund ist die Sollbestimmung von einem Jahr bis
zu maximal 18 Monaten, glaube ich, eine richtige Abwägung zwischen dem Wunsch von jemandem, der aus der
Bundesregierung ausscheidet oder als Parlamentarischer
Staatssekretär ausscheidet, wieder in seinen alten Beruf
zurückzukehren oder einen neuen Beruf auszuüben, und
der Verhinderung der Erweckung des Anscheins einer
Interessenverknüpfung.
Das A und O - das hat die Abgeordnete der Linken
schon gefragt - ist: Machen wir eine strenge Frist ohne
Ermessen, oder machen wir eine Kannregelung, die auf
den Interessenunterschied abstellt?
Wenn man eine Kannregelung macht, die auf den Interessenkonflikt abstellt, dann muss man auch bei der
Dauer der Karenzzeit flexibel sein: Es kann weniger als
ein Jahr sein, es kann aber auch bis zu 18 Monaten sein.
Die Tatsache, dass wir uns durch ein Gremium beraten
lassen und dessen Empfehlung auch veröffentlicht wird,
zeigt, dass im Einzelfall eine kluge Abwägung erfolgen
muss und wird.
Herr Minister, bei uns ist die Zeitvorgabe nicht ganz
so flexibel wie die Regelung, die Sie gerade vorstellen.
Deswegen will ich noch einmal daran erinnern.
Okay, ich antworte kürzer.
Die nächste Frage hat die Kollegin Sitte.
Herr Minister, meine Frage bezieht sich auf die dreiköpfige Kommission, die am Ende beraten soll, Empfehlungen geben soll. Da gab es ja mal eine Ethikkommission; ich weiß jetzt nicht genau, wie sie am Ende in
diesem Gesetz bezeichnet wird. Warum haben Sie sich
für dieses Konstrukt entschieden, und welche Verbindlichkeit wird die Empfehlung der Kommission vor diesem Hintergrund am Ende wirklich haben?
Wir haben uns für diese Konstruktion entschieden,
damit nicht der Eindruck entsteht, dass die Bundesregierung über ehemalige Kollegen sozusagen alleine entBundesminister Dr. Thomas de Maizière
scheidet. Es sollte ein auswärtiges Element hinzukommen, aber, ehrlich gesagt, nicht der Deutsche Bundestag;
denn es geht da ja um eine Entscheidung der Bundesregierung. Über die Frage der Interessenkollision bei Abgeordneten nach ihrem Ausscheiden muss der Deutsche
Bundestag entscheiden. In der Kommission sollen aber
Leute sein, die mit der Materie vertraut sind, die Bundesminister waren, die andere öffentliche Einrichtungen geleitet haben. Durch die Tatsache, dass eine Empfehlung
der Kommission zwingend vorliegen muss und veröffentlicht wird, und aufgrund der Qualität der Leute, die
in ihr vertreten sind, wird diese Empfehlung ein ziemlich
überragendes Gewicht bekommen.
Frau Keul.
Vielen Dank. - Herr Minister, ich wollte an dieser
Stelle ursprünglich die Frage nach den Sanktionen stellen, die verhängt werden, wenn jemand eine Tätigkeit
ausübt, bei der eine Interessenkollision besteht. Aber
jetzt habe ich eine ganz andere Frage: Sie haben ja gerade davon gesprochen, dass es ein Übergangsgeld geben soll. Ist es denn ein zusätzliches Übergangsgeld oder
ein verlängerter Bezug des Übergangsgeldes, oder ist es
das ganz normale Übergangsgeld, das jedem Minister
zusteht?
Es ist das ganz normale Übergangsgeld, dessen Bezugsdauer aber gegebenenfalls bei kurzen Amtszeiten
für die Dauer der Karenzzeit entsprechend verlängert
wird - kein zusätzliches Geld.
({0})
Zur ersten Frage, die Sie nicht gestellt haben, aber
gerne gestellt hätten, will ich gerne sagen: Es gibt keine
Sanktionen. Die öffentliche Kritik wird schon ihre Wirkung entfalten.
Frau Kassner.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr Innenminister de Maizière, ich habe die Frage: Wie würde
sich der Wechsel der Parlamentarischen Staatssekretärin
im Verkehrsministerium zum Verband kommunaler Unternehmen gestalten, falls dieses Gesetz mit den entsprechenden Karenzzeiten schon in Kraft wäre?
Die Parlamentarische Staatssekretärin Reiche ist noch
gar nicht gewählt. Deswegen stellt sich die Frage nicht.
({0})
Es käme dann auf die Abwägung im Einzelfall an.
Jedenfalls will ich sagen: Wir haben die Tätigkeit im
öffentlichen Dienst insoweit ausgenommen, weil wir davon ausgehen, dass der öffentliche Dienst per se gemeinwohlorientiert ist. Nehmen wir mal an, ein Parlamentarischer Staatssekretär wird Landesminister: Dann wird
man ja keine Karenzzeit und auch kein solches Verfahren verlangen. Oder nehmen wir an, ein Minister übernimmt eine andere öffentliche Funktion, wird Präsident
der Bundesbank oder so: Da wird man auch keine Karenzzeit verlangen; das ist ja öffentlicher Dienst. Anders
verhält es sich bei Bundesbeteiligungen; da gilt die Regelung. Der VKU ist als Verein organisiert. Von daher
wäre das schon einmal keine Tätigkeit im öffentlichen
Dienst.
Kollege Beck.
Herr Minister, Sie haben gerade gesagt: Sanktionen
sind keine vorgesehen. Ich bin mir unsicher, wie man
§ 6 b des Gesetzentwurfs
({0})
in dem Falle auslegen müsste, dass jemand die Tätigkeit
eben nicht anzeigt und sie antritt. Ist es dann nach § 6 b
trotzdem möglich, dass die Bundesregierung, wenn sie
Kenntnis davon erhält, dass jemand eine Tätigkeit angetreten hat, entscheidet, ihm diese zu untersagen? Ansonsten wäre ja der Ehrliche der Dumme: Er meldet
seine geplante Tätigkeit an, erhält dann von der Bundesregierung die Untersagung für eine Zeit von 12 oder im
Einzelfall auch 18 Monaten, während der andere, der
einfach mit Chuzpe den Vertrag unterschreibt und die
Tätigkeit antritt, unter Umständen weiter tätig sein kann,
auch während der Karenzzeit.
Herr Abgeordneter Beck, ich lese § 6 b des Gesetzentwurfes als eigenständige Regelung. Eine Untersagung kann demzufolge auch erfolgen, wenn keine Anzeige vorgelegen hat; denn sonst wäre die entsprechende
Entscheidung in der Tat von der Anzeigepflicht abhängig. Aber das können wir im Laufe der Gesetzesberatungen sicher noch einmal klarstellen.
Kollege Petzold.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Innenminister,
ich möchte Sie fragen, was die Gründe dafür waren, dass
sich die Bundesregierung für eine Anzeigepflicht mit
grundsätzlicher Genehmigung entschieden hat und nicht
für eine Genehmigungspflicht mit grundsätzlichem Tätigkeitsverbot?
Herr Abgeordneter, ich habe die Frage nicht ganz genau verstanden.
({0})
Es ist aber so: Die Bundesregierung weiß nicht genau,
was ein ehemaliger Bundesminister tut. Es muss auch
möglich sein, dass ein ehemaliger Bundesminister oder
eine ehemalige Bundesministerin Gespräche über eine
mögliche Tätigkeit führt. Diese müssen ja nicht zum Erfolg führen. Deswegen ist die Anzeigepflicht - das ergibt sich aus der Begründung - an einen gewissen Konkretisierungsgrad geknüpft; das ist auch richtig so. Es ist
von daher richtig, als ersten Anknüpfungspunkt die Anzeige des Betroffenen vorzusehen statt eine Ermittlungsbefugnis der Bundesregierung gegenüber ehemaligen
Mitgliedern, die anbahnende Gespräche führen.
Kollege Krischer.
Herr Bundesminister, seit wann ist der Bundesregierung der mögliche Wechsel der Parlamentarischen
Staatssekretärin Katherina Reiche zum VKU bekannt?
Welche Konsequenzen hätte das, wenn die Regelungen,
die im neuen Gesetzentwurf enthalten sind, bereits gelten würden, bzw. gibt es in der aktuellen Situation schon
Konsequenzen in Bezug auf die mögliche Tätigkeit der
Kollegin Katherina Reiche?
({0})
Einen Teil der Fragen habe ich schon in meiner Antwort auf die Frage einer Kollegin der Linken beantwortet.
Wann das der Bundesregierung insgesamt bekannt
war, weiß ich nicht. Mir, als federführendem Minister,
war das seit einigen Tagen aus der Presse bekannt; vorher wusste ich das nicht. Die Überlegungen hinsichtlich
einer Karenzzeit hingegen entstammen der Koalitionsvereinbarung und entsprangen aus Gesprächen, die wir
im vergangenen Herbst geführt haben. Der erste Entwurf
eines solchen Gesetzes ist lange vor Weihnachten erarbeitet worden. Wir sind auch in die Ressortabstimmung
gegangen, und zwar lange vor dem von Ihnen genannten
Vorgang. Von daher sehe ich da keinen Zusammenhang jedenfalls nicht vonseiten der Bundesregierung.
Frau Baerbock.
Herr Minister, daran anknüpfend, da die Frage nach
einer Karenzzeit und Verhalten von Politikern nicht nur
die Regierung, sondern auch die Politik im Allgemeinen
betrifft, die Frage: Inwieweit ist für den Übergangszeitraum, bis das Gesetz in Kraft tritt, innerhalb der Bundesregierung eine Selbstverpflichtung vorgesehen, damit
kurz vor der Verabschiedung des Gesetzes nicht sozusagen noch einmal schnell ein nahtloser Übergang erfolgen
kann? Inwieweit wirken Minister, die derzeit einen solchen Schritt in Erwägung ziehen, an der Gesetzgebung
mit?
Die Minister, die im Amt sind, planen nicht schon
jetzt ihre Erwerbstätigkeit nach dem Ausscheiden, weil
sie ja die Absicht haben, möglichst lange Mitglied der
Bundesregierung zu bleiben;
({0})
von daher verstehe ich die Frage nicht.
({1})
- Das mag sein. Sie müssten in dem Fall später ihre Anzeigepflicht wahrnehmen.
Ich möchte gerne grundsätzlich auf Ihre Frage antworten. Viele der vorgesehenen Regelungen wären nicht
nötig gewesen, wenn sich manche in der Vergangenheit
- und da denke ich durchaus an prominente Vertreter der
ehemaligen Bundesregierung - anders verhalten hätten.
Dann wäre eine solche Regelung nicht nötig.
({2})
- Ja, die Mitglieder der Bundesregierung und die Parlamentarischen Staatssekretäre der aktuellen Bundesregierung wissen, was sich gehört.
({3})
Frau Wawzyniak.
Ich würde die Bundesregierung gerne fragen, warum
sie sich nicht für eine angemessene, erforderliche und
rechtskonforme Regelung entschieden hat, die so aussehen könnte, dass sich die Karenzzeit an der Dauer des
Amtes, dem sich daraus ergebenden Anspruch auf Übergangsgeld und der Ressortzuständigkeit orientiert. Dann
hätten Sie auch nicht das Problem mit dem Übergangsgeld, das Sie angesprochen haben, und müssten nicht
§ 14 Absatz 2 Bundesministergesetz ändern, der das
Übergangsgeld an den Zeitraum der Wahrnehmung des
Amtes koppelt. Nach Ihrem Vorschlag würde es - das
haben Sie auch gesagt - ein zusätzliches Übergangsgeld
geben. Insofern bin ich auf Ihren Vorschlag zur Änderung von § 14 Absatz 2 Bundesministergesetz gespannt.
Ich glaube, dass die Regelung, die wir vorgeschlagen
haben, viel flexibler ist als die starre Abstellung auf die
Amtszeit. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Wenn ein
Minister nur kurze Zeit im Amt gewesen ist - diesen Fall
hatten wir vor kurzem -, dann hielte ich es, obwohl er
nur wenige Monate im Amt war, für ein Problem, wenn
er meinetwegen im Landwirtschaftsbereich eine Erwerbstätigkeit übernehmen würde. Dagegen würde der
jetzige Landwirtschaftsminister, der viele Jahre Staatssekretär im Verteidigungsministerium gewesen ist, meines
Erachtens nicht ohne Weiteres, wenn er jetzt aus dem
Amt schiede, eine Tätigkeit im Rüstungsbereich übernehmen können, weil er ganz lange Staatssekretär im
Verteidigungsministerium war. Das heißt, es kommt
nicht auf die Länge der Amtszeit an, sondern es kommt
darauf an, ob ein Interessenkonflikt zu befürchten ist.
Außerdem muss man berücksichtigen, dass die Länge
der Amtszeit auch ein bisschen mit dem Lebensalter zusammenhängt. Normalerweise ist, wenn man 65 Jahre
oder älter ist - bei Herrn Schäuble ist das immer etwas
anders -, der Wunsch, erwerbstätig zu sein, geringer.
Aber in der Regel ist die Lebenszeit länger als die
Amtszeit.
({0})
Ja, aber wenn man mit 40 Jahren ausscheidet, ist das
Interesse an einer Erwerbstätigkeit größer, als wenn man
mit 60 Jahren ausscheidet. Deswegen ist die Länge der
Amtszeit da kein richtiges Kriterium.
Frau Haßelmann.
Vielen Dank. - Herr Minister, ich möchte noch einmal zurückkommen auf die Unterscheidung 12 bzw. 18
Monate, weil das aus meiner Sicht nicht hinreichend dargelegt wurde. Deshalb frage ich Sie ganz konkret zur
Abgrenzung: Sie sagen, dass die Karenzzeit in der Regel
12 Monate dauern soll und im Einzelfall, in schweren
Fällen 18 Monate. Was müssen wir uns darunter vorstellen?
Reden wir zum Beispiel über die seit der letzten Legislaturperiode ausgeschiedenen Mitglieder: Pofalla,
Niebel, jetzt Frau Reiche.
({0})
Mich würde Folgendes interessieren: Würden Sie sagen,
dass das schwere Fälle sind - von Klaeden könnte ich
noch nennen -, bei denen man annehmen würde, dass
eine Karenzzeit von 18 Monaten gerechtfertigt ist, weil
klar ist, dass das Insiderwissen - ich sage das jetzt mit
meinen Worten - aus der Tätigkeit in der Regierung für
das Unternehmen, in das sie wechseln, sehr relevant
ist? - Ich meine, Herr Niebel war Mitglied des Bundessicherheitsrates und ging zur Rüstungsindustrie. Herr
Pofalla war im Kanzleramt in federführender Funktion
für die Bahn zuständig und ging jetzt zur Bahn. Wie
muss ich mir vor diesem Hintergrund die Abwägung
- 12 oder 18 Monate - vorstellen?
Ich möchte zu den Einzelfällen nicht Stellung nehmen. Wir würden dann ja auch eine Empfehlung des beratenden Gremiums bekommen. Aber in der Tat ist für
die Bemessung der Dauer dieser Untersagung der Nutzen des im Amt erworbenen Wissens ein Kriterium, und
zwar das entscheidende.
Frau Kassner.
Danke, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr de
Maizière, Sie hatten auf meine Frage geantwortet, dass
Frau Reiche noch nicht gewählt sei. Deshalb möchte ich
meine Frage wiederholen und sie allgemein formulieren,
damit auch die Besucher hier im Saal und andere erfahren, wie man sich das vorstellen kann: Was passiert,
wenn ein Mitglied der Bundesregierung ausscheidet und
in absehbarer Zeit eine Tätigkeit übernimmt, die nicht
dem öffentlichen Dienst zuzuordnen ist? Was muss da
passieren?
Ich zitiere aus der Begründung, Frau Abgeordnete.
Dort heißt es:
Die Anzeigepflicht entsteht, sobald die Absicht,
eine Erwerbstätigkeit oder Beschäftigung aufzunehmen, ein konkretes Stadium erreicht hat. Ein
solches ist erreicht, wenn Vorbereitungen für die
Aufnahme einer Beschäftigung getroffen werden,
insbesondere wenn Verhandlungen über ein Beschäftigungsverhältnis vor dem Abschluss stehen
oder wenn beabsichtigt ist, auf ein angebotenes Beschäftigungsverhältnis einzugehen.
Das heißt, die Nachfrage von irgendeinem Verband oder
irgendeinem Unternehmen: „Könnten Sie sich vorstellen, bei uns zu arbeiten?“, reicht noch nicht aus. Wenn
man aber darauf eingehen will und fragt: „Wann soll es
denn losgehen? Was ist mein Aufgabenprofil? Wie wird
das bezahlt?“, dann soll vor dem Abschluss der Verhandlungen, also bevor vollendete Tatsachen geschaffen werden, die Anzeigepflicht entstehen. All das wird sich in
einer Spruchpraxis erweisen.
Frau Keul.
Ich möchte an meine vorherige Frage bezüglich des
Übergangsgeldes anknüpfen. Sie hatten erklärt, dass es
durchaus länger gezahlt wird, wenn eine solche Tätigkeit
nicht genehmigt wird. Das verstehe ich nicht ganz. Sie
sagen - theoretisch ist es natürlich so -, dass sich alle
Mitglieder der Bundesregierung an Recht und Gesetz
halten. Der Missbrauch liegt aber sozusagen auf der
Hand: Wenn ich mir eine Tätigkeit suche, die offensichtlich mit einer Interessenkollision verbunden ist, und mir
diese untersagt wird, dann bekomme ich länger Übergangsgeld. Das kann eigentlich nicht die Konsequenz
sein; denn ich kann mir doch jederzeit, wenn mir eine
Tätigkeit aufgrund einer Interessenkollision untersagt
wird, eine andere Tätigkeit suchen; denn ich bin ja nicht
erwerbsunfähig.
Wenn man eine andere Tätigkeit wahrnimmt, gibt es
auch kein Übergangsgeld. So würde ich das jedenfalls
auslegen:
Wird die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder
sonstigen Beschäftigung untersagt, so wird das
Übergangsgeld
- das Übergangsgeld, nicht irgendein anderes für die Dauer der Untersagung gewährt.
Wenn man dann eine andere gut bezahlte Tätigkeit
annimmt, gibt es auch kein Übergangsgeld. Das ergibt
sich auch aus den allgemeinen Regelungen über die Inanspruchnahme des Übergangsgeldes. Dafür muss ich
hier keine sonstigen Regelungen vorsehen.
Herr Kollege Beck.
Wir haben ja noch keine Erfahrungen dazu, aber Ihr
Haus wird sich natürlich mit großer Expertise Gedanken
gemacht haben, wann was der Fall sein soll, also wann
zum Beispiel eine Untersagung erfolgt. Dazu habe ich
eine konkrete Nachfrage. Sie schreiben in § 6 b, dass Tätigkeiten in den Angelegenheiten oder Bereichen nicht
ausgeübt werden dürfen, in denen das Mitglied der Bundesregierung während seiner Amtszeit tätig war. Das
Gleiche gilt dann analog für Parlamentarische Staatssekretäre.
Deshalb habe ich die abstrakte Frage, ob ein Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Verkehr
und digitale Infrastruktur, wenn er zum Verband kommunaler Unternehmen gehen würde, nicht unter diese
Regelung fallen würde. Zu den kommunalen Unternehmen gehören ja Verkehrsunternehmen und Energieunternehmen. In meiner Heimatstadt betreibt die GEW das
lokale Energieunternehmen und auch eine Telefongesellschaft. Das betrifft also die digitale Infrastruktur.
Herr Kollege Beck, Sie achten bitte auf die Redezeit.
Würde ein solcher Fall unter diese Regelung fallen?
Das ist jetzt die Variante einer schon zweimal gestellten Frage. Ich könnte auch abstrakt die Frage stellen, ob
dann, wenn ein Landesumweltminister Bundesminister
würde und hauptamtlicher Geschäftsführer der Verbraucherverbände wäre, auch eine Interessenkollision zu vermuten wäre.
({0})
Der Punkt ist: Weil wir das nicht im Vorhinein wissen, haben wir - so machen das Juristen - einen unbestimmten Rechtsbegriff formuliert und dann ein Verfahren gewählt, das zu einem sicheren Ergebnis führt. In
diesem Fall heißt das: Wir haben das Gremium und das
Kabinett, und die Entscheidung wird veröffentlicht.
Dann wird sich das herausstellen. Ob dann die Aufsichtsratstätigkeit für ein Unternehmen, das Energieleitungen herstellt, unter die Regelung fallen würde oder
nicht, müsste man im Einzelfall sehen.
Ich habe jetzt noch einmal Wortmeldungen von Frau
Wawzyniak, Frau Haßelmann, Herrn Petzold und Frau
Keul. Da waren jetzt, teilweise schon mit erkennbar
großzügiger Auslegung des Fragerechts, Fragemöglichkeiten gegeben. Ich habe den Eindruck: Dann ist es auch
für heute gut, zumal wir über ein Gesetzesvorhaben reden, über das am Ende nicht die Regierung, sondern der
Deutsche Bundestag zu beschließen hat, sodass sich
manche der Nachfragen und Konkretisierungswünsche
in diesem Gesetzgebungsverfahren ausdrücken können. Frau Wawzyniak.
({0})
Bevor ich die Frage stelle, möchte ich zunächst Folgendes sagen: Nach dem Ministergesetz ist es so, dass
man, wenn man sechs Monate Minister war, sechs Monate lang Übergangsgeld bekommt. Ich bin gespannt,
wie es dann bei einem Jahr Karenzzeit ohne Übergangsgeld sein soll. Sie haben ja das Übergangsgeld gesagt.
Zweitens will ich sagen, dass ich es ausgesprochen
traurig finde, dass wir offensichtlich die einzige Fraktion
sind, die diesen Gesetzentwurf nicht kennt. Aber das
scheint offensichtlich der Umgang zu sein.
Ich komme zu meiner Frage. Nach dem Gesetzentwurf soll ja eine Tätigkeit untersagt werden, wenn das
öffentliche Interesse beeinträchtigt wird. Nach unserer
Ansicht ist das öffentliche Interesse grundsätzlich beeinträchtigt, wenn das Insiderwissen aus der RegierungstäHalina Wawzyniak
tigkeit in ein privatwirtschaftliches Unternehmen mitgenommen wird. Habe ich Sie also richtig verstanden, dass
es grundsätzlich eine Karenzzeit gibt, weil bei einem
Ministerwechsel oder einem Regierungswechsel immer
ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht und da das
öffentliche Interesse beeinträchtigt wäre? Ist das grundsätzlich geplant, aber Sie wollen es nur nicht so genau
sagen?
Nein, das kann ich nicht bestätigen. - Ich möchte aber
die Gelegenheit nutzen, um zu sagen, dass es relativ wenige Bundesländer gibt, die eine solche Regelung haben.
Das Bundesland, in dem Sie seit vielen Jahren mitregieren, hat eine solche Regelung für Landesminister noch
nicht getroffen.
({0})
Frau Haßelmann.
Das macht es in der Sache nicht besser, Herr de
Maizière.
Nein, das ist klar.
Ich meine, die Tatsache, dass Sie seit 14 Monaten von
der Opposition getrieben werden, endlich einen Gesetzentwurf vorzulegen, gehört auch zur Wahrheit.
Ich habe eine ganz konkrete Frage: Wenn Sie sagen,
dass das der Rahmen für das Gesetz ist, dass Sie diesen
Entwurf jetzt in die parlamentarischen Beratungen geben
wollen - das scheint ja jetzt Ihre Absicht zu sein -, beabsichtigen Sie dann, Frau Katherina Reiche für den Fall,
dass sie heute zur Hauptgeschäftsführerin des Verbandes
kommunaler Unternehmen gewählt wird, ihren Geschäftsbereich zu entziehen? Denn sie ist ja im Ministerium für Verkehr tätig. Dort ist sie für Regionalisierungsmittel, für Entflechtungsmittel, für digitale Wirtschaft
etc. zuständig. Nach den von Ihnen gesetzten Maßstäben
müsste das dann die logische Konsequenz sein.
({0})
Ich will zunächst etwas zu den 14 Monaten sagen:
14 Monate für eine neue Bundesregierung finde ich angesichts der Tatsache, dass es 50, 60 Jahre lang keine
solche Regelung gegeben hat, nicht besonders langsam.
Das muss ich so sagen.
({0})
Das ist überhaupt die erste Regelung dieser Art. Diese
Bundesregierung hat sich entschlossen, das zu machen,
und zwar ohne Druck der Opposition; denn es steht
schon in der Koalitionsvereinbarung. Das finde ich gut.
({1})
Jetzt zu Ihrer Frage: Das hat mit der Anwendung des
Gesetzes nichts zu tun. Vielmehr muss für den Fall, dass
sich das ergibt, der zuständige Minister entscheiden, ob
er Konsequenzen zieht oder nicht.
({2})
- Weil der Minister die Aufteilung der Zuständigkeiten
zwischen den Parlamentarischen Staatssekretären und
beamteten Staatssekretären nach der Ressorthoheit im
eigenen Haus vornimmt. So ist das.
Herr Petzold.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Innenminister,
ich möchte Sie bitten, uns noch einmal die Zusammensetzung dieser Kommission, die befinden soll, kurz zu
beschreiben.
Nach dem Gesetzentwurf sollen die Mitglieder Funktionen an der Spitze staatlicher oder gesellschaftlicher
Institutionen wahrgenommen haben, also nicht mehr im
Amt sein, oder über Erfahrung in einem wichtigen politischen Amt verfügen. Sie werden auf Vorschlag der Bundesregierung jeweils zu Beginn einer Wahlperiode des
Deutschen Bundestages vom Bundespräsidenten berufen
und sind ehrenamtlich tätig. Die Mitglieder dieses Gremiums sind auch nach ihrem Ausscheiden zur Verschwiegenheit über die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekannt
gewordenen Angelegenheiten verpflichtet.
Damit kein Missverständnis aufkommt: Die Bundesregierung wird diese Mitglieder nicht erst zu Beginn der
nächsten Legislaturperiode berufen, sondern natürlich
sofort nach Inkrafttreten.
({0})
- Das sind ganz einfache Menschen, die diese Erfahrung
haben. Wir denken an die Zahl drei. Auch das wird natürlich öffentlich mitgeteilt. Hoffentlich sind es ganz einfache Menschen.
({1})
Es wird nicht ganz einfach sein, drei ganz einfache
Menschen in diesem Land zu finden; aber dem sehen wir
dann mit Interesse entgegen. - Frau Kollegin Keul.
Herr de Maizière, wir hatten ja beide in der letzten
Legislatur des Öfteren die Gelegenheit, uns mit dem Soldatengesetz zu beschäftigen. Da gibt es ja eine ähnliche
Regel. In § 20 a des Soldatengesetzes ist eine Anzeigepflicht von fünf Jahren vorgesehen. Bei einer Interessenkollision kann eine entsprechende Tätigkeit für fünf
Jahre untersagt werden. Wer dagegen verstößt, erhält
Disziplinarmaßnahmen bis hin zu Strafverfahren. Aber
dort ist die Logik: Wenn ich aufgrund von Interessenkollisionen innerhalb der fünf Jahre eine Tätigkeit nicht
ausüben darf, erhalte ich nicht etwa eine Entschädigung,
sondern muss mir schlicht einen anderen Job suchen. Ich
verstehe Sie jetzt so, dass es hier nicht vergleichbar geregelt werden soll.
({0})
Das verstehen Sie richtig. Das Übergangsgeld wird
für die Zeit der Untersagung verlängert; das ist kein zusätzliches. So ist es.
({0})
- Die Dauer wird verlängert.
Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Das ist offenkundig nicht der Fall.
({0})
- Kabinettssitzung? - Okay, Frau Sitte, bitte schön.
Danke schön. - Wenn das, was ich gelesen habe, richtig ist, dann haben Sie sich heute im Kabinett mit einem
Gesetzentwurf im Hinblick auf ausreisende Dschihadisten beschäftigt. - Jetzt nicken Sie; dann kann ich meine
Frage also stellen.
Im Kontext dieser ganzen Diskussion ist immer wieder - ich weiß natürlich nicht, ob dazu auch etwas in diesem Gesetzentwurf steht - über den Ausweisentzug gesprochen worden. Nun habe ich mich gefragt: Wie kann
das eigentlich mit dem Grundgesetz zusammenpassen?
Da war ich dem früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier sehr dankbar, der öffentlich gesagt hat, er halte das für rechtlich fragwürdig.
Ausreisefreiheit sei ein zentrales Menschenrecht, sagte
er und fügte hinzu - ich zitiere -:
Ich darf daran erinnern, dass Diktaturen gerade die
Ausreisefreiheit mit allen, auch militärischen Mitteln zu unterbinden versuchen.
Niemand dürfe aus vagen Verdachtsgründen daran gehindert werden, das Land zu verlassen. Dies wäre weder
mit dem Grundgesetz noch mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar.
Nun frage ich Sie - unabhängig davon, ob dazu etwas
in dem Gesetzentwurf steht; erst recht natürlich, wenn
dazu etwas drinsteht -: Wie stehen Sie zu dieser Aussage?
Darf ich das beantworten? Das war nämlich nicht Gegenstand der Kabinettsberatung, Herr Präsident. Aber
ich beantworte die Frage gerne.
Bitte.
Gut, ich darf. - Wir haben heute auf Vorschlag meines
Kollegen Maas in der Tat beschlossen, den Paragrafen
im Strafgesetzbuch zum Thema Reisen zu erweitern.
Den anderen Gesetzentwurf, über den Sie gesprochen
haben, habe ich vor einigen Wochen im Rahmen einer
Regierungsbefragung erläutert. Wir hatten am letzten
Freitag die erste Lesung exakt dieses Gesetzentwurfes.
Dessen ungeachtet beantworte ich die Frage wie
folgt: Ich teile die Auffassung von Herrn Professor
Papier ausdrücklich nicht. Ich finde es richtig, dazu beizutragen, dass aus Deutschland kein Terrorismus in die
Welt exportiert wird. Schon nach geltendem Recht können die Ausreise mittels eines Passes und die Ausreise
generell untersagt werden, wenn eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorliegt. Insofern hätte
dieses Petitum schon viel früher erfolgen müssen.
Eine Nachfrage? - Frau Sitte.
Nur um die Peinlichkeit von mir zu nehmen: Ich habe
mich im Kern meiner Frage auf genau diesen Gesetzentwurf bezogen. Wenn man googelt und zu ungenau hinschaut, passieren solche Fehler manchmal.
Alles klar.
Danke.
Das muss nicht beantwortet werden. - Kollege
Koenigs, dazu?
({0})
- Nicht dazu.
Zu einer Frage an die Bundesregierung zu einem anderen Thema hat sich Frau Pothmer gemeldet. Weitere
Wortmeldungen notiere ich gerne.
Ich habe eine Frage zu den Mindestlohnregelungen.
Es ist ja so, dass ganz offensichtlich sowohl innerhalb
der Bundesregierung als auch innerhalb der Koalitionsfraktionen sehr unterschiedliche Auffassungen darüber
bestehen, wann die Mindestlohnregelungen überprüft
oder ob sie gar ausgesetzt werden sollen. So sagt Bundesarbeitsministerin Nahles, dass sie eine Prüfung bis
zum Sommer dieses Jahres vornehmen will, die Bundeskanzlerin spricht von einer Überprüfung bis Ostern dieses Jahres, und die CSU will sogar ein Moratorium, was
die Kontrollen betrifft. Ich frage die Bundesregierung:
Kann sie uns heute und hier zusichern, dass es kein Kontrollmoratorium geben wird und dass die Überprüfung
der Regelungen zum Mindestlohn wie vorgesehen am
1. März dieses Jahres in vollem Umfang stattfinden
kann?
Herr Präsident, jetzt muss ich eine Frage zur Geschäftsordnung stellen. Ich habe sie so verstanden, dass
sich die Befragung eines Mitglieds der Bundesregierung
auf das bezieht, was heute im Kabinett erörtert worden
ist. Das Thema Mindestlohn ist heute nicht erörtert worden. Wenn daraus jetzt eine allgemeine Regierungsbefragung werden soll, was ja in der Diskussion ist - ({0})
Nein, nein, nein. Das ist nicht in der Diskussion. Das
ist geltende Geschäftsordnung.
({0})
Gut, dann will ich die Frage gerne beantworten.
({0})
Ich möchte sagen: Die Bundesarbeitsministerin hat
erklärt, dass sie sich alle Regelungen, die mit der Umsetzung des Mindestlohngesetzes zusammenhängen, im
Einzelnen ansehen und gegebenenfalls Vorschläge zur
Änderung machen will. So lange gilt das Gesetz.
({1})
- Ich habe gesagt: Es ist ein Gesetz in Kraft getreten,
und das gilt.
Kollege Koenigs.
Herr Minister, ist heute im Kabinett die gesetzliche
Grundlage für das Deutsche Institut für Menschenrechte
beschlossen worden?
Nein.
({0})
- Ja. Das stand nicht auf der Tagesordnung.
({1})
Frau Kollegin Keul, Sie wollen jetzt sicher fragen,
warum das nicht auf der Tagesordnung stand.
Herrn Lammert interessiert das offensichtlich sehr.
Soll ich diese Frage jetzt stellen? Dann müssten Sie
mich aber hinterher noch einmal drannehmen. Ich denke,
wir alle wissen, warum dieses Thema nicht auf der Tagesordnung stand.
Ich möchte Sie Folgendes fragen: Sie haben heute im
Kabinett ja auch über Strafverschärfungen im Hinblick
auf die Reisetätigkeit und die Terrorismusfinanzierung
gesprochen. Wir kennen bisher nur den Referentenentwurf und hatten jede Menge Fragen dazu, über die wir
im Rechtsausschuss ausführlich gesprochen haben und
die ich in diesem Kreise gar nicht wiederholen will. Das
ist ein sehr komplexes verfassungsrechtliches Problem.
Wie kam es aber eigentlich, dass das plötzlich schon
kabinettsreif war? Das ging jetzt doch ein bisschen
schnell. Wie viele Bundesländer haben bisher zum Beispiel die Gelegenheit genutzt, Stellung zu diesem Gesetzentwurf zu nehmen?
Über die Einzelheiten der Länderanhörungen kann
ich jetzt keine Auskunft geben. Ich kann Ihnen aber sagen, dass mein Kollege Maas ursprünglich angekündigt
hatte, den Gesetzentwurf schon im Januar 2015 vorzulegen. Jetzt ist es der 4. Februar geworden.
Das ist auch überhaupt keine neue Angelegenheit; wir
haben darüber schon im September, Oktober, November
letzten Jahres diskutiert. Die Ressortabstimmung geschah zügig, was angesichts der Terrorlage auch angemessen war. Deswegen haben wir das heute beschlossen.
Frau Haßelmann.
Vielen Dank. - Herr Minister, Sie haben gerade schon
auf die Frage meiner Kollegin Pothmer eine knappe Antwort gegeben. Mich interessiert in diesem Zusammen7984
hang die Antwort auf die Frage: Planen Sie, Veränderungen im Hinblick auf das Thema „Bürokratieaufwand und
Evaluation“ vorzunehmen, oder planen Sie, Veränderungen sehr grundsätzlicher Art - das wurde auch von der
CSU durch Herrn Seehofer angekündigt - in Bezug auf
ganze Komplexe des Gesetzes vorzunehmen?
Frau Abgeordnete Haßelmann, es macht wenig Sinn,
jetzt von dem nicht zuständigen Minister Aussagen darüber zu erwarten, wenn die zuständige Ministerin sagt,
dass sie sich den gesamten Sachverhalt - Ehrenamt,
Sport, soziales Engagement und Ähnliches - erst einmal
angucken will. Wenn die zuständige Ministerin sich das
angeguckt hat und wenn wir darüber in der Regierung
beraten haben, dann wird meine Kollegin Nahles, so wie
ich sie kenne, einen klugen Vorschlag dazu machen.
({0})
Frau Hänsel, bitte schön.
Danke schön. - Herr Minister, gestern wurden dem
Innenministerium 7 000 Unterschriften gegen ein mögliches deutsch-mexikanisches Sicherheitsabkommen übergeben. War das Sicherheitsabkommen in irgendeiner
Weise heute Thema der Kabinettssitzung? Wenn nicht:
Bis wann soll es nach den Planungen Thema sein?
Frau Abgeordnete, mir ist das Thema natürlich wohlbekannt. Ich bin auch von Abgeordneten des Deutschen
Bundestages darauf angesprochen worden. Zusammen
mit dem Auswärtigen Amt verhandeln wir sowohl mit
Mexiko als auch mit ganz vielen anderen Ländern über
Sicherheitsabkommen, bei denen es um die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden geht.
Ich habe aber die Bitte zur Kenntnis genommen, dass
dieses Abkommen mit Mexiko auch angesichts der dortigen Zustände nicht zügig abgeschlossen wird, und wir
sind mit dem Auswärtigen Amt darüber im Gespräch,
dass dieses Abkommen alles andere als eilbedürftig ist.
Frau Pothmer noch einmal.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, können
Sie uns hier heute zusichern, dass die 1 600 Stellen, die
die Finanzkontrolle Schwarzarbeit erhalten soll, um den
gesetzlichen Mindestlohn zu überprüfen, der Finanzkontrolle Schwarzarbeit in vollem Umfang zur Verfügung
gestellt werden,
({0})
insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass
der Finanzminister öffentlich die Auffassung vertreten
hat, dass es sinnvoller wäre, einen Teil dieser Stellen zur
Verbrechensbekämpfung zu nutzen und der Polizei zur
Verfügung zu stellen, als einen solchen bürokratischen
Aufwand in Bezug auf den Mindestlohn zu betreiben?
Nein.
({0})
- Nein, Sie haben gefragt, ob ich das zusichern kann.
({1})
Deswegen war meine Antwort: Nein. Über den Einsatz
der Zollbeamten, die ja noch gar nicht da sind, entscheidet der Bundesfinanzminister. Deswegen möchte ich für
den Bundesfinanzminister keine Zusicherung in die eine
oder andere Richtung abgeben.
({2})
Weitere Wortmeldungen gibt es nicht. - Vielen Dank
an den Innenminister.
Ich schließe hiermit die Regierungsbefragung.
Ich rufe unseren Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
Drucksache 18/3887
Ich rufe, wie üblich, die mündlichen Fragen in der
Reihenfolge der Geschäftsbereiche der Bundesregierung
auf, die Ihnen aus den Unterlagen bekannt ist. Ich beginne mit dem Bundesministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz. Zur Beantwortung steht der Kollege
Christian Lange zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Tom Koenigs auf:
Welcher inhaltliche Dissens liegt den seit September 2014
andauernden Ressortverhandlungen bzw. der Arbeit der Koalitionsarbeitsgruppe zur gesetzlichen Grundlage für das
Deutsche Institut für Menschenrechte e. V., DIMR, zugrunde?
Vielen Dank, Herr Präsident. Wenn Sie gestatten,
möchte ich gerne die Fragen 1, 2 und 3 wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten.
Wenn die Beteiligten damit einverstanden sind
Präsident Dr. Norbert Lammert
({0})
- denen ich natürlich feierlich die entsprechende Anzahl
ihrer Nachfragen zusage -, rufe ich demgemäß die Frage 2
des Kollegen Tom Koenigs
Welche Ressorts innerhalb der Bundesregierung haben
Klärungsbedarf, Bedenken oder Vorbehalte gegen den Gesetzentwurf zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für das
DIMR aus dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz?
und die Frage 3 des Kollegen Volker Beck auf:
In welcher Form sind zum gegenwärtigen Stand die
Rechtsform und die Beibehaltung der Unabhängigkeit - das
Aufgabenfeld - des DIMR zwischen den Ressorts der Bundesregierung bzw. den Koalitionsfraktionen von CDU/CSU
und SPD streitig?
Wunderbar. - Dann will ich die drei Fragen wie folgt
beantworten: Die Beratungen innerhalb der Koalition
dauern derzeit noch an. Eine hierzu gebildete Arbeitsgruppe der Koalition prüft derzeit verschiedene Optionen hinsichtlich der für ein Nationales Menschenrechtsinstitut nach den Pariser Prinzipien angemessenen
Rechtsform ebenso wie die Frage des Umfangs der Aufgaben des Instituts. Dabei verfolgen Ressorts und Koalitionsfraktionen gemeinsam das Ziel, bei der Schaffung
einer stabilen Grundlage für das Deutsche Institut für
Menschenrechte e. V. die Unabhängigkeit des Instituts
uneingeschränkt zu erhalten, wie es den Pariser Prinzipien entspricht.
Bitte schön, Herr Kollege Koenigs.
Danke sehr für diese sehr aufschlussreiche Antwort. Treffen Berichte zu, dass das Bundeskanzleramt das Verfahren angehalten hat, nachdem die Ressortabstimmung
schon einvernehmlich abgeschlossen war?
Herr Kollege, da Sie das Bundeskanzleramt ansprechen und der Kollege hier gerade sitzt, möchte ich die
Frage gerne ans Kanzleramt abgeben.
Ich bin begeistert.
Herr Staatsminister.
Könnten Sie die Frage bitte wiederholen? Ich habe
gerade nicht aufgepasst.
({0})
Das ist schon in Ordnung. Die Frage war nicht an ihn
gerichtet.
Gerne. Ich habe zu leise gesprochen. - Treffen Berichte zu, dass das Bundeskanzleramt das Verfahren angehalten hat, nachdem die Ressortabstimmung schon
einvernehmlich abgeschlossen war?
Beim Deutschen Institut für Menschenrechte? - Das
kann ich Ihnen nicht bestätigen. In dem Moment, in dem
die Ressortabstimmung einvernehmlich abgeschlossen
wird, kommt es in der Konsequenz logischerweise zur
Befassung im Kabinett. Aus der Tatsache, dass das
Thema noch nicht im Kabinett war, können Sie schließen, dass die Ressortabstimmung noch nicht abgeschlossen ist.
Hat die Bundeskanzlerin bzw. das Bundeskanzleramt
Bedenken gegen den Gesetzentwurf des Bundesjustizministers?
Die Bundesregierung insgesamt befasst sich gerade
mit dem Thema und befindet sich in der Ressortabstimmung. Aus der Tatsache, dass diese noch nicht abgeschlossen ist, können Sie ersehen, dass in der Bundesregierung
noch nicht über alle Punkte dieses Gesetzentwurfs Einvernehmen besteht. Sofern das noch nicht der Fall ist,
gehört aber die Frage, welche Bedenken das im Einzelnen sind und von welchem Bundesministerium diese
oder ob sie vom Bundeskanzleramt artikuliert werden,
zum exekutiven Eigenverantwortungsbereich der Bundesregierung.
Kollege Beck.
Ich wende mich an das Bundesjustizministerium, weil
es um die fachliche Frage geht, inwiefern den Pariser
Kriterien bei dem Gesetzentwurf Rechnung getragen
werden soll oder kann. Teilen Sie meine Rechtsauffassung, dass es mit den Pariser Kriterien nicht vereinbar
wäre, beschränkte man die Zuständigkeit des Institutes
auf folgende Tätigkeiten: entweder auf Ersuchen der betreffenden Behörden oder in Ausübung einer enumerativen Befugnis, die eine selbstständige Stellungnahme zu
Menschenrechtsverletzungen im In- und Ausland nicht
mehr zulassen würden? Wenn nein: Worauf gründen Sie
Ihre Rechtsauffassung bezüglich der Pariser Kriterien?
Herr Kollege, ich will Ihnen zunächst einmal sagen,
wie nach unseren Vorstellungen die Unabhängigkeit des
Instituts umgesetzt werden soll. Die Unabhängigkeit des
Instituts wird nach unserer Auffassung dadurch gewährleistet, dass die von unserem Haus entwickelte gesetzliche Grundlage weitgehend den Status quo des derzeit
bestehenden Deutschen Instituts für Menschenrechte abbildet. Damit bildet die gesetzliche Grundlage außerdem
den einstimmigen Bundestagsbeschluss aus dem Jahr
2000 ab, durch den das Institut ursprünglich gegründet
wurde. Der Entwurf greift so die Tatsache auf, dass an
der Unabhängigkeit des Instituts bisher keine Zweifel
laut geworden sind.
Entsprechend dem Bundestagsbeschluss aus dem Jahr
2000 bleibt das Institut für Menschenrechte ein eingetragener Verein. Diese Rechtsform hat sich in der Praxis
bewährt und ermöglicht es dem Institut, entsprechend
den Pariser Prinzipien unabhängig zu arbeiten. Durch
die Struktur eines Vereins, der verschiedenen Mitgliedern offensteht, ist unserer Auffassung nach die geforderte pluralistische Zusammensetzung des Instituts
gewährleistet - alles Voraussetzungen der Pariser Prinzipien. Außerdem gibt es im Rahmen des Vereinsrechts
keine Rechtsaufsicht. Das ist ein ganz wesentlicher
Punkt, der sich aus den Pariser Prinzipien ergibt. Die
Kontrolle wird grundsätzlich von der Mitgliederversammlung ausgeübt.
Kollege Beck.
Das hat nicht meine Frage beantwortet, sondern Sie
haben eine nicht gestellte Frage beantwortet. Ich habe
Sie nach Ihrer Rechtsauffassung gefragt, weil es im Bereich des parlamentarischen Raumes und der Bundesregierung auch andere Entwürfe gibt, die offensichtlich im
Vergleich mit Ihren Vorschlägen diskutiert werden, die
ich durchaus unterstützenswert finde. Aber wenn diese
Vorschläge in der Bundesregierung offensichtlich nicht
abgestimmt werden können und keine Kabinettsreife erreichen, dann ist die Frage, ob dem entgegenstehende
Vorstellungen überhaupt mit den Pariser Kriterien vereinbar sind. Deshalb frage ich Sie noch einmal, ob Sie
mit mir der Auffassung sind, dass eine Beschränkung
der Tätigkeit des Institutes auf bloße Behördenersuchen
und eine enumerativ beschränkte Aufzählung von Bekanntmachungen, menschenrechtlichen Verträgen und
Vereinbarungen dem nicht gerecht wird. Denn in Ihrem
Entwurf wird durchaus richtig festgestellt, dass ein unabhängiges Menschenrechtsinstitut selbstständig zu
Menschenrechtsverletzungen im In- und Ausland Stellung beziehen können muss. In diesem Zusammenhang
will ich nur wissen, ob wir darüber die gleiche Rechtsauffassung haben, und vielleicht, weil Sie das gerade angesprochen haben -
Nein, Herr Kollege Beck. Sie reden jetzt schon deutlich über die Zeit.
Okay, dann soll er das erst einmal beantworten. Ich
habe noch mindestens zwei Nachfragen. Ich bin Fragesteller.
Ich habe Ihnen deshalb unseren Entwurf vorgetragen,
weil wir der Auffassung sind, dass nur durch unseren
Entwurf den Pariser Kriterien Genüge getan wird. Daraus können Sie den Umkehrschluss selbst ziehen, Herr
Kollege.
Nur zur Geschäftslage, Herr Kollege Beck: Sie haben
eine Frage; zu der haben Sie jetzt zwei Zusatzfragen gestellt. Das entspricht völlig unserem Reglement.
({0})
- Richtig, und dazu hat der Kollege Koenigs sich auch
noch einmal zu Wort gemeldet. Er bekommt nachher
auch noch einmal das Wort. Dazwischen bekommt Frau
Jantz das Wort, und es gibt eine ganze Reihe weiterer
Nachfragen.
Herr Präsident! Ich möchte an die Frage eines Kollegen anschließen und meine Frage direkt an Herrn Braun
richten. Sie haben ausgeschlossen, dass die Einbringung
des Referentenentwurfs ins Kabinett seitens Ihres Hauses verhindert wurde, bzw. Sie haben ausgeschlossen,
dass Ihr Haus dafür verantwortlich ist. Daran schließt
sich meine Frage an. Sie haben ein bisschen verklausuliert dargestellt, dass ein Ministerium dafür verantwortlich ist, also dass die Ressortabstimmung entgegen der
Annahme nicht stattgefunden habe. Ich bitte Sie, dazu
noch einmal ganz genau Stellung zu beziehen, zumal wir
auch beispielsweise der Süddeutschen Zeitung und weiteren Medien eindeutig entnehmen konnten, dass die
Verhinderung aus Ihrem Hause kam.
Liebe Frau Kollegin, ich bitte Sie um Verständnis. Ich
habe nichts ausgeschlossen, sondern ich habe darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung als ein Kollegialorgan grundsätzlich dann zu dem Regelungsinhalt eines
Gesetzentwurfs Stellung nimmt, wenn sie darüber Einigkeit erzielt und das dadurch dokumentiert hat, dass sie
ihn im Bundeskabinett beschlossen hat. Das ist beim
Entwurf zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für
das Deutsche Institut für Menschenrechte noch nicht der
Fall. Es gibt einen Gesetzentwurf des zuständigen
Ministeriums. Die Ressortabstimmung ist eingeleitet,
und sie ist noch nicht abgeschlossen. Die Frage, warum
sie noch nicht abgeschlossen ist, welche Ministerien
oder ob das Bundeskanzleramt dagegen Einwände hatten
und welcher Natur diese sind, gehört naturgemäß zum
exekutiven Verantwortungsbereich der Bundesregierung. Dazu nehmen wir öffentlich und auch gegenüber
dem Bundestag keine Stellung, sondern erst dann, wenn
die Bundesregierung als Ganzes sich dazu eine Meinung
gebildet hat. Deshalb kann ich weder einzelne Ministerien noch das Bundeskanzleramt davon ausnehmen oder
konkret einschließen, sondern das muss unseren weiteren Beratungen so lange anheimgestellt werden, bis der
vorliegende Gesetzentwurf Kabinettsreife hat.
Ich bitte noch einmal, die Ein-Minuten-Regelung im
Blick zu behalten. - Nächste Frage: Frau Haßelmann.
Vielen Dank. - Meine Frage richtet sich an Herrn
Braun vom Kanzleramt und bezieht sich auf die Frage
von Herrn Koenigs. Herr Braun, ich will Ihnen noch einmal die Gelegenheit geben, wahrheitsgemäß zu antworten. Sie haben das so kategorisch ausgeschlossen. Hat
das Kanzleramt den Gesetzentwurf angehalten?
Die Frage, welche Organisationseinheit innerhalb der
Bundesregierung Bedenken gegen einen Gesetzentwurf
hat, der infolgedessen seine Kabinettsreife noch nicht erhält, ist nicht Gegenstand unserer öffentlichen Äußerungen, sondern gehört zum Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung.
Frau Barley.
Ich habe eine inhaltliche Frage zu dem Gesetzentwurf. Sieht er konkrete Aufgabenzuweisungen an das
Deutsche Institut für Menschenrechte vor, und, wenn ja,
welche sind das?
Frau Kollegin, der Gesetzentwurf greift die Aufgaben
auf, die dem Deutschen Institut für Menschenrechte
durch den Bundestagsbeschluss aus dem Jahr 2000 übertragen worden sind. Diese gelten ihrerseits wiederum auf
der Basis der Prinzipien von Paris. Nach dem Bundestagsbeschluss wird das Institut tätig insbesondere im Bereich der Öffentlichkeit über die Menschenrechtslage im
In- und Ausland. Es trägt durch Forschung zur Qualifizierung der Menschenrechtsarbeit bei, betreibt Politikberatung und menschenrechtsbezogene Bildungsarbeit im
Inland, tauscht sich mit vergleichbaren Einrichtungen im
Ausland aus und begleitet verschiedene internationale
Menschenrechtsmechanismen. Der Gesetzentwurf übernimmt diese Aufgabenbeschreibung.
Herr Koenigs.
Meine Frage richtet sich wiederum an den Kollegen
Braun. Es ist abzusehen, dass die Bundesregierung den
A-Status nicht wird halten können; denn bereits im März
beschließt die Kommission über den Status. Was plant
denn die Bundeskanzlerin, um die drohende Blamage
durch den Verlust des A-Status abzuwenden?
Die Zuständigkeit für das Thema liegt im Bereich des
Justizministeriums. Natürlich hat die Bundesregierung
als Ganzes ein großes Interesse, den A-Status zu erhalten. Deshalb gehe ich davon aus, dass wir so rechtzeitig
die notwendigen Schritte innerhalb der Bundesregierung
einleiten, dass wir im Ergebnis ein Signal senden können, das uns den A-Status erhalten lässt.
Herr Koenigs.
Da dies aber so drängt und die Kanzlerin die Richtlinienkompetenz hat, müsste sich die Kanzlerin doch nun
einmischen. Sonst sind die Fristen nicht einzuhalten. Da
sich die verschiedenen Ministerien untereinander streiten, ist das doch der Moment, in dem die Kanzlerin ihrerseits sagen sollte: Jetzt kommt einmal in die Puschen! Warum macht sie das nicht?
Sie können davon ausgehen, dass im Augenblick die
gesamte Bundesregierung - das schließt die Bundeskanzlerin selbstverständlich genauso ein wie die beteiligten Ressortminister und die anderen Vertreter des
Bundeskanzleramts - daran arbeitet, den A-Status zu erhalten.
Kollege Fechner.
Herr Staatssekretär Lange, ich habe eine Frage zu den
Pariser Prinzipien. Soll im Institut eine Vielfalt von gesellschaftlichen Gruppen repräsentiert sein? Im Vorfeld
gab es Kritik, weil das derzeit nicht der Fall sein soll.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation?
Ich beurteile die aktuelle Situation so, Herr Kollege,
dass inzwischen die geforderte gesellschaftliche Vielfalt
erreicht ist. Ich sage bewusst „inzwischen“, weil es diesbezüglich im Jahr 2008, also vor fast sieben Jahren, tatsächlich einmal Kritik vom Akkreditierungsausschuss
gab. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Verein allerdings nur
14 Mitglieder. Der Akkreditierungsausschuss hat diesen
Punkt später nicht noch einmal beanstandet. Das deckt
sich mit meiner Sicht auf die Vielfältigkeit der Vertretung. Das Problem ist aus unserer Sicht gelöst. Mittlerweise ist die Zahl der Vereinsmitglieder auf 60 angewachsen. Mitglieder sind - wie gefordert - eine ganze
Bandbreite von Organisationen, die an der Förderung
und dem Schutz der Menschenrechte beteiligt sind. Wer
derzeit Mitglied ist, kann man auf der Internetseite des
Instituts sehen.
Nach unseren Vorstellungen können sich außerdem
alle natürlichen und juristischen Personen mit Bezug
zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte zum
Zweck der Aufnahme an das Kuratorium des Deutschen
Instituts für Menschenrechte wenden.
Natürlich können auch die Mitglieder des Kuratoriums Vereinsmitglieder vorschlagen. Ich erwähne das
deshalb, Herr Kollege, weil im Kuratorium schon immer
zwei Mitglieder dieses Hauses sitzen, sodass wir alle
auch hier direkt im Bundestag Ansprechpartner haben,
die wir mit Ideen, wer noch vertreten sein sollte, ansprechen können.
Kollege Wiese.
Ich habe ebenfalls eine Frage an Herrn Staatssekretär
Lange. Vielleicht können Sie Stellung dazu nehmen,
welche Aufgabe das Deutsche Institut für Menschenrechte nach den Pariser Prinzipien wahrnehmen sollte.
Können Sie das einmal darlegen?
Herr Kollege, die Pariser Prinzipien befassen sich in
einem eigenen Abschnitt damit, welche Zuständigkeiten
und Aufgaben eine nationale Menschenrechtsinstitution
haben soll. Wichtig ist hier vor allem das Recht, der Regierung, dem Parlament und anderen Organen in beratender Eigenschaft Empfehlungen, Vorschläge und Berichte vorzulegen. Des Weiteren sollen die Aufgaben die
Information der Öffentlichkeit, die Bildungsarbeit im Inland und wissenschaftliche Forschung und Publikationen
umfassen.
Die Pariser Prinzipien lassen dabei an verschiedenen
Stellen deutlich erkennen, dass sich die nationalen Menschenrechtsinstitutionen maßgeblich mit der Menschenrechtslage im Inland befassen. So heißt es dort unter anderem, dass sie die Aufgabe haben, Berichte über die
allgemeine Lage der Menschenrechte im Land zu erstellen und die Regierung auf Fälle von Menschenrechtsverletzung im ganzen Land aufmerksam zu machen.
Kollege Bartke.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär
Lange, auch von mir noch eine Frage zu den Pariser
Prinzipien. Können Sie benennen, was aus Ihrer Sicht
die wichtigsten Punkte der Pariser Prinzipien insbesondere in Bezug auf das Deutsche Institut für Menschenrechte sind?
Die wichtigsten Punkte der Pariser Prinzipien sind
aus meiner Sicht die, die sich direkt auf die Unabhängigkeit beziehen. Die nationale Menschenrechtsinstitution,
hier also das Deutsche Institut für Menschenrechte, muss
von der Regierung unabhängig sein. Sie darf also nicht
Weisungen der Regierung unterworfen sein. Auch jeder
andere Mechanismus, der das Institut de facto den Wünschen oder Anweisungen einer Regierung unterwerfen
würde, ist nicht erlaubt. Außerdem muss die Institution
nach den Pariser Prinzipien über ausreichende Finanzmittel verfügen. Schließlich verlangen die Pariser Prinzipien auch, dass die nationalen Institutionen im nationalen Recht abgesichert sind, also die gefragte gesetzliche
Grundlage haben.
Herr Schwabe.
Ich habe eine Frage an das Bundeskanzleramt. Ich
will Ihnen natürlich sehr gerne abnehmen und glaube
auch, dass es so ist, dass Sie sich der Bedeutung bewusst
sind und Sie natürlich alles tun wollen, um außenpolitischen Schaden von Deutschland abzuwenden, und auch
dafür sorgen, dass unsere Glaubwürdigkeit in Menschenrechtsfragen international nicht untergraben wird, gerade
angesichts des Vorsitzes im UN-Menschenrechtsrat.
Vielleicht können Sie uns den Zeitplan darlegen. Wie
sind eigentlich die entsprechenden Zeitpläne in Genf?
Wenn ich es richtig verstehe, steht dort eine Entscheidung Mitte März an. Wann ist aus Ihrer Sicht eigentlich
die letzte Möglichkeit, dass aus Deutschland ein Signal
kommt, das uns international in die Situation bringt, dass
der A-Status erhalten bleiben kann?
Diese konkreten fachlichen Fragen, wie es in Genf
weitergeht, muss Ihnen der Kollege aus dem zuständigen
Ressort beantworten. Aber wir alle in der Bundesregierung sind uns der Eilbedürftigkeit des Vorhabens bewusst, und deshalb arbeiten wir auch intensiv an einer
Einigung.
({0})
Kollege Beck.
Darf ich zwei Fragen auf einmal stellen?
Vielleicht sind nach der ersten Frage alle offenen
Punkte beantwortet.
Es geht um zwei unterschiedliche Fragestellungen.
Teilt das Justizministerium die Auffassung, dass eine
Zuordnung des Deutschen Instituts für Menschenrechte
zu einem Geschäftsbereich innerhalb der Bundesregierung in Konflikt mit den Pariser Kriterien zum Thema
Unabhängigkeit stünde, und, wenn nein, wie begründen
Sie Ihre Haltung?
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ist der Auffassung, dass nur der Vereinsstatus, wie wir ihn derzeit haben, den Pariser Prinzipien
entspricht, und dementsprechend haben wir unseren Gesetzentwurf ausgestaltet. Der Grund dafür liegt darin,
dass wir vermeiden müssen, dass es eine Fach- und
Rechtsaufsicht gibt. Diese Fach- und Rechtsaufsicht
wird durch die Rechtsform „e. V.“ vermieden. Deshalb
haben wir diesen Vorschlag gemacht. Das entspricht im
Übrigen der Praxis hier in der Bundesrepublik.
Zweite Nachfrage, Herr Beck.
Ich habe eine Frage zu den Folgen, wie sie das Kanzleramt schon angesprochen hat. Welche Staaten haben
den A-Status nach den Pariser Kriterien in der Vergangenheit verloren bzw. nicht erreicht? Ich habe ein gewisses Verständnis, wenn Sie das jetzt nicht sagen können;
dann hätte ich diese Frage aber gerne schriftlich beantwortet.
Die Antwort kann ich Ihnen gerne schriftlich liefern;
die nötigen Informationen sind vorhanden.
Kollege Hoffmann.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich habe eine Frage an
den Staatssekretär Lange. Der Status wird ja durch das
ICC verliehen. Nun wurden Institutionen in Afghanistan,
Nigeria, Venezuela, Aserbaidschan und Russland im
A-Status akkreditiert. Welche Aussagekraft hat demnach
dieser Status für die Bewertung der Lage der Menschenrechte in einem Land?
({0})
Keine. Der Status gibt vielmehr nur wieder, welche
Rechtsstellung das Institut hat und welche Rechte damit
verbunden sind. Das ist auch unser Ziel. Deswegen wollen wir den A-Status erhalten. Ich kann Ihnen einmal
darstellen, was das alles für Folgen hat, wenn man den
A-Status hat bzw. wenn man ihn nicht mehr hat:
Zum einen ist der A-Status ein internationales Gütesiegel, das unterstreicht, wie ernsthaft die Beobachtung
des Menschenrechtsschutzes in dem jeweiligen Land
durch die Institution erfolgt. Würde in dieser Zeit das
Deutsche Institut für Menschenrechte herabgestuft, wäre
dies für viele Gegner der Bundesrepublik auf UN-Ebene
ein willkommenes Argument, zu sagen, Deutschland beobachte den Menschenrechtsschutz im eigenen Land
selbst nicht mehr ausreichend. Den damit verbundenen
außenpolitischen Schaden wollen wir - es ist schon erwähnt worden - abwenden.
Zum anderen folgen dem A-Status wichtige Mitwirkungsrechte auf UN-Ebene. Nur Institutionen mit dem
A-Status haben Teilnahme- und Rederecht im UN-Menschenrechtsrat. Sie dürfen im UPR-Verfahren - das ist
das Überprüfungsverfahren des UN-Menschenrechtsrats
für die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen - einen
eigenen Bericht zur Menschenrechtslage in ihrem Staat
einreichen.
Außerdem haben Institute mit A-Status das Recht auf
Teilnahme an allen Fachausschüssen zu Menschenrechtspakten der Vereinten Nationen und können dort eigene Parallelberichte über die Umsetzung des jeweiligen
Menschenrechtspakts in ihrem Heimatstaat vorlegen.
Zudem geht durch den Verlust des A-Status die Möglichkeit verloren, auf die Akkreditierungspolitik des dafür
zuständigen International Coordinating Commitee, ICC,
überhaupt Einfluss zu nehmen. Auch das wollen wir sicherstellen.
Herr Kollege Brunner.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Frage an Sie,
Herr Staatssekretär, geht in die gleiche Richtung - sie
überschneidet sich mit der des Kollegen Hoffmann -:
Welche Zeitschiene ist erforderlich, um den Verlust des
A-Status und damit die von Ihnen dargestellten Folgen
für die Bundesrepublik Deutschland, Stichwort „Einflussnahme der Bundesrepublik Deutschland und die damit verbundenen Menschenrechtsfragen“, zu vermeiden?
Herr Kollege, der Akkreditierungsausschuss tagt Ende
März. Wir haben diesen Termin fest im Blick. Ich gehe
davon aus, dass ein Gesetzentwurf, wenn die Koalitionsarbeitsgruppen zu einem Ergebnis kommen, schnell auf
den Weg gebracht werden kann, zum Beispiel im Wege
eines fraktionsübergreifenden Gesetzentwurfs. Ein sol7990
cher Gesetzentwurf ist nicht zustimmungspflichtig; das
heißt, der Bundesrat kann dieses Vorgehen nicht aufhalten. Wir sind der Auffassung, dass wir diesen föderalen
Aspekt dem Akkreditierungsausschuss durchaus vermitteln können.
Frau Hänsel.
Danke schön, Herr Präsident. - Bei mir klingen jetzt
schon ein wenig die Ohren, wenn ich hier Fragen höre,
die sozusagen die Bedeutung des A-Status relativieren
wollen. Deshalb meine Nachfrage ans Bundeskanzleramt: Teilt das Bundeskanzleramt die Meinung, dass es
unbedingt wichtig ist, den A-Status des Deutschen Instituts für Menschenrechte zu erhalten, und dass man nicht
anfangen darf, das unter Verweis auf andere Länder zu
relativieren?
Die Bundesregierung als Ganzes strebt den Erhalt des
A-Status an.
Weitere Nachfragen liegen zu diesem Komplex nicht
mehr vor. Wir kommen jetzt aber natürlich noch zu den
Fragen der Kollegin Britta Haßelmann, die sicher implizit, mindestens teilweise, beantwortet sind. Aber vielleicht will der Staatssekretär noch etwas Ergänzendes sagen; sicher will die Kollegin noch etwas nachfragen.
({0})
Ich rufe zunächst die Frage 4 der Kollegin
Haßelmann auf:
Ist für die Kabinettssitzung am 25. Februar 2015 die Verabschiedung eines Gesetzentwurfs zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für das DIMR vorgesehen?
Ich beantworte die Frage gern. Da die Tagesordnung
für den 25. Februar 2015 noch nicht vorliegt, kann ich
Ihnen diese Frage nicht beantworten.
Dann kommen wir zur Frage 5 der Kollegin
Haßelmann:
Wann haben die letzten Ressortgespräche ({0}) zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für das DIMR stattgefunden?
Die Frage beantworte ich wie folgt: Ich habe in der
angesprochenen Fragestunde darauf hingewiesen, dass
die Ressortabstimmung noch läuft.
Nachfrage, Kollege Beck. - Ach so, Frau Haßelmann;
bitte, ja gern.
Genau. Ich habe auch noch eine Nachfrage, wie von
Ihnen schon angekündigt.
Meine Frage richtet sich wieder ans Kanzleramt. Herr Braun, Sie haben meinem Kollegen Koenigs bei
der Beantwortung gerade zugesichert, dass wir das mit
dem Gesetzentwurf bis März hinkriegen. Das ist notwendig, damit wir den A-Status nicht verlieren, weil
Ende März die Konferenz stattfindet, auf der darüber
entschieden wird. Der Kollege Lange hat gesagt: Auf der
Tagesordnung der Kabinettssitzung am 25. Februar steht
das Thema bislang nicht. - Deshalb meine Frage: Beabsichtigt die Bundesregierung, dieses Thema in Form eines Gesetzentwurfs auf die Tagesordnung der Kabinettssitzung am 25. Februar oder am 4. März zu setzen? Das
sind die beiden letzten Möglichkeiten, einen Gesetzentwurf vor der internationalen Entscheidung Ende März
ins parlamentarische Verfahren zu bringen.
Sehr geehrte Frau Kollegin, mir tut es leid, dass ich
Ihrem Anspruch, Ihnen mehr zu erzählen, nicht gerecht
werden kann. Aber solange die Ressortabstimmung noch
nicht abgeschlossen ist, kann auch kein Termin für die
Beratung im Kabinett festgelegt werden. Der wird in aller Regel am Montag der laufenden Woche für den jeweiligen Mittwoch bestimmt. Ein konkreter Kabinettstermin steht dementsprechend derzeit noch nicht fest.
Aber wenn die Befassung im Kabinett in den Sternen
steht, wie können Sie meinem Kollegen Koenigs dann
versichern, dass wir den Termin für den Erhalt des A-Status Ende März halten? Das würde nur funktionieren,
wenn die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin in der
Frage wahrgenommen wird. Das haben Sie verneint,
aber gleichzeitig zugesichert: Wir halten den Termin im
März. - Sie haben mir jetzt gesagt, Sie könnten nichts
dazu sagen, ob in den beiden Kabinettssitzungen, die
vorher stattfinden, das Thema beraten wird oder nicht.
Dann trifft doch die Aussage, die Sie gerade getroffen
haben, nicht zu.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass ich
mir das, was Sie mir schon in Ihren Fragen unterstellen,
ausdrücklich nicht zu eigen mache. Das Grundproblem
ist, dass Sie hier die ganze Zeit zu einem Sachverhalt
fragen, der noch nicht die Kabinettsreife hat und über
den die Bundesregierung Ihnen deshalb weder zum Regelungsumfang noch zum Zeitplan so detailliert Auskunft geben kann, wie Sie das gern möchten. Das ist eine
sinnvolle Regelung im Sinne auch einer sachgerechten
Arbeit. Deshalb kann ich Ihnen nicht sagen, welche Ressorts oder Personen sich an welcher Stelle wie eingelassen haben. Deshalb kann ich Ihnen auch zum Zeitplan
weder positiv noch negativ etwas sagen. Die Bundesregierung entscheidet im Zuge jeder Kabinettssitzung, ob
das Thema dort aufgerufen wird, und das hängt davon
ab, ob bis dahin die offenen Fragen geklärt sind und damit die Ressortabstimmung abgeschlossen ist.
Aus den Auskünften ergibt sich eigentlich konkludent, dass das Thema, wenn es der Regierung so wichtig
ist, wie dargestellt, in einer der beiden nächsten Kabinettssitzungen behandelt werden muss.
({0})
Nachfrage des Kollegen Beck.
Mit Blick auf die Anregung des Präsidenten: Kann
uns die Bundesregierung angesichts der internationalen
Sitzungen zum Erhalt des A-Status im März sagen, wie
und wann sie das Beratungsverfahren abschließen will,
um den Termin im März nicht zu reißen, weil das die unmittelbare Folge hätte, dass wir den A-Status verlieren?
Sie haben vorhin gesagt, dass Sie das auf jeden Fall vermeiden wollen. Dann müssen Sie ja eine Vorstellung haben, wie Sie dieses Ziel beratungstechnisch erreichen. Sie sind gefragt, Herr Staatsminister.
Ich sage es noch einmal: Ich kann Ihnen über die Abläufe dazu innerhalb der Bundesregierung keine Auskunft geben. Warten Sie das doch einfach mal ab. Wir
sind gerne bereit, dann im Deutschen Bundestag auch
Rede und Antwort zu stehen. Wir streben an, den A-Status zu erhalten. Den konkreten Kabinettsberatungstermin können wir Ihnen derzeit nicht mitteilen.
({0})
Damit sind die Fragen zu diesem Geschäftsbereich erschöpft.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Frage 6 der Abgeordneten Sabine Zimmermann wird schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Frage 7 der
Abgeordneten Sabine Zimmermann, die Fragen 8 und 9
des Abgeordneten Kurth sowie die Frage 10 der Abgeordneten Bellmann werden schriftlich beantwortet.
Nun kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Die Frage 11 der Abgeordneten Brugger wird schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Fragen 12 und 13 der Abgeordneten Kunert
werden ebenfalls schriftlich beantwortet.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Hier steht die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Widmann-Mauz zur
Beantwortung zur Verfügung. Ich rufe die Frage 14 der
Kollegin Scharfenberg auf:
Was beabsichtigt die Bundesregierung konkret zu tun, um
die in der vom Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung,
Karl-Josef Laumann, in Auftrag gegebenen und vorgestellten
Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
der Bundesagentur für Arbeit zur Vergütung in den Pflegeberufen „Was man in den Pflegeberufen in Deutschland verdient“ aufgezeigten eklatanten Lohnunterschiede zwischen
den Berufsgruppen der Kranken- und der Altenpflegekräfte
einerseits und die regionalen Unterschiede in der Bezahlung
sowohl von Kranken- als auch von Altenpflegekräften andererseits anzugleichen?
Frau Kollegin Scharfenberg, auf Grundlage der gesetzlichen und tariflichen Regelungen sind die Entscheidungen über die Höhe der Vergütungen und die Arbeitszeit in den Arbeitsverträgen zwischen den einzelnen
Pflegeeinrichtungen und den Beschäftigten zu treffen.
Der Gesetzgeber hat eine Reihe von Regelungen mit
Bezug auf die Vergütungen getroffen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat aufgrund von Entscheidungen der Pflegekommission durch die Pflegearbeitsbedingungenverordnung geregelt, dass der
Mindestlohn für Beschäftigte in der Pflege ab 1. Januar
2015 um 40 Cent je Stunde auf 9,40 Euro pro Stunde in
den alten Bundesländern einschließlich Berlin und um
65 Cent je Stunde auf 8,65 Euro pro Stunde in den neuen
Bundesländern - ohne Berlin - steigt. In zwei Schritten
soll er bis zum Januar 2017 weiter steigen und dann
10,20 Euro pro Stunde im Westen und 9,50 Euro pro
Stunde im Osten betragen.
Ab 1. Oktober soll zudem der Kreis derer, für die der
Pflegemindestlohn gilt, deutlich ausgeweitet werden.
Dann sollen zusätzlich auch die in Pflegebetrieben beschäftigten Betreuungskräfte von demenziell erkrankten
Personen, Alltagsbegleiterinnen und -begleiter sowie
Assistenzkräfte vom Mindestlohn profitieren. Seit dem
1. Januar gilt zudem der allgemeine gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro auch für Hilfskräfte, die in Pflegeeinrichtungen arbeiten, so zum Beispiel für Küchenkräfte, für die keine Vergütungsregeln im Rahmen von
Tarifverträgen gelten.
Der Gesetzgeber hat zudem mit dem ersten Pflegestärkungsgesetz die Anerkennung der Wirtschaftlichkeit
von tariflicher und kirchenarbeitsrechtlicher Entlohnung
der Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen in Vergütungsvereinbarungen ab dem 1. Januar gesetzlich festgeschrieben. Für Pflegeeinrichtungen werden damit Anreize gesetzt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
entsprechend zu entlohnen. Gleichzeitig erhalten die
Kostenträger ein Nachweisrecht, dass die finanziellen
Mittel auch tatsächlich bei den Beschäftigten ankommen. Das gilt sowohl für Pflegefachkräfte als auch für
Pflegehilfskräfte.
Im Rahmen der „Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege“ haben sich Verbände, Kostenträger und Gewerkschaften dazu bekannt, dass eine leistungsgerechte Vergütung der Pflegekräfte für die
Attraktivität des Berufsfeldes wichtig und im Rahmen
der Vergütungs- und Tarifverhandlungen stärker zu berücksichtigen ist.
Frau Kollegin Scharfenberg.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. - Meine erste
Nachfrage ist: Nach welchen Kriterien soll denn künftig
geprüft werden - das hat der Pflegebevollmächtigte
Karl-Josef Laumann in einer Pressemitteilung zur Studie
zur Vergütung in der Pflege vorgeschlagen -, ob ein angemessener Lohn auch tatsächlich gezahlt wird? Was ist
ein angemessener Lohn, und sollen die Pflegekassen das
regelmäßig oder nur anlassbezogen überprüfen?
Frau Kollegin Scharfenberg, ich habe bei der Beantwortung Ihrer Frage gerade ausgeführt, dass das Pflegestärkungsgesetz den Kostenträgern die Möglichkeit gibt,
nachzuprüfen, ob Tariflohn gezahlt wird; das steht den
Kostenträgern offen. Ansonsten werden die Vergütungsvereinbarungen zwischen den Vertragspartnern getroffen
und sind dadurch auch nicht in dem Maße durch den Gesetzgeber kontrollierbar.
Die Studie zur Vergütung in der Pflege hat gezeigt,
dass es eine enorme Schieflage im Verhältnis zwischen
der Vergütung in der Krankenpflege und der Vergütung
in der Altenpflege gibt. Meine Frage ist daher: Was soll
denn strukturell in der Altenpflege bzw. bei der Vergütung in der Altenpflege geändert werden, damit Altenpflegekräfte flächendeckend mehr verdienen?
Zunächst einmal ist diese Studie ein wichtiger Beitrag
dazu, dass in Bezug auf die Vergütungsbedingungen
Transparenz entsteht. Dazu hat diese Studie einen wichtigen Beitrag geleistet; denn dadurch sind den verantwortlichen Vertragspartnern sowohl die Vergütungsunterschiede zwischen der Altenpflege und der
Krankenpflege als auch die regionalen Unterschiede
stärker bewusst geworden.
Interessant an der Studie ist auch die Höhe des Anteils der Teilzeitkräfte; denn das Gesamtvergütungsniveau hängt natürlich sehr von der wöchentlichen Arbeitszeit ab. Hier hat die Bundesregierung bereits in der
Vergangenheit durch die „Initiative Neue Qualität der
Arbeit“ wichtige Hilfestellungen gegeben, zum Beispiel
bei der Gestaltung von Dienstplänen bei den Einrichtungsträgern. Sie richtet sich nach den Wünschen der
Beschäftigten, sowohl in familiärer Hinsicht als auch in
Bezug auf deren persönliche und berufliche Lebensgestaltung, und orientiert sich gleichzeitig an den Wünschen der betroffenen Pflegenden nach mehr Vollzeitkräften und Vollzeitstellen und gibt ihnen wichtige
Hilfestellungen.
Wir kommen zur Frage 15 der Kollegin Elisabeth
Scharfenberg:
Hält die Bundesregierung nach wie vor an der Strategie
fest, eine generalistische Pflegeausbildung umzusetzen, wie
vom Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, Karl-Josef
Laumann, in der Pressemitteilung zur Studie über die Vergütung in den Pflegeberufen gefordert, und welche Einschätzung hat die Bundesregierung dazu, wie sich die gemeinsame
Ausbildung auf die Entwicklung der Löhne für den Bereich
der Kranken- und der Altenpflege entwickeln wird?
Frau Kollegin Scharfenberg, auf Ihre Frage antworte
ich wie folgt: Die Bundesregierung erarbeitet derzeit einen Entwurf für ein Pflegeberufegesetz, durch das die
Ausbildungen in der Altenpflege, der Gesundheits- und
Krankenpflege sowie der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege zu einer neuen, generalistisch ausgerichteten
Pflegeausbildung zusammengeführt werden. Dabei wird
an die Vorarbeiten der letzten Legislaturperiode angeknüpft, die gemeinsam mit der Arbeits- und Sozialministerkonferenz der Länder diskutiert worden sind.
Es werden die Grundlagen für ein einheitliches Berufsbild Pflege geschaffen, das sich den Anforderungen
an die Pflege der Zukunft anpasst. Es gilt, den jungen
Menschen, die sich für den Pflegeberuf entscheiden, eine
qualitativ hochwertige und zeitgemäße Ausbildung zu
bieten, die dem breiten beruflichen Spektrum und den
Entwicklungen in der Gesellschaft und im Gesundheitswesen Rechnung trägt und Entwicklungspfade öffnet.
Die Verantwortung für die Vereinbarung der Höhe angemessener tariflicher Vergütungen obliegt auch weiterhin
den Tarifvertragsparteien.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. - Meine erste
Nachfrage ist: Welche Auswirkung hätte denn nach Einschätzung der Bundesregierung eine generalistische
Ausbildung auf den Fachkräftemangel im Arbeitsfeld
Frau Kollegin Scharfenberg, neben einer weiteren
Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufes durch zusätzliche Entwicklungsmöglichkeiten und die Aufwertung des Berufsfeldes geht es insbesondere um eine qualitative Verbesserung der Pflegeausbildung und eine
umfassende Modernisierung ihrer Inhalte.
Die Idee einer vereinheitlichten Pflegeausbildung ist
im Übrigen auch nicht neu. Fachpolitische Forderungen
zielen seit langem auf diese Neukonzeption der Pflegeausbildung im Sinne eines generalistischen Berufsprofils ab. Modellvorhaben haben gezeigt, dass eine dreijährige einheitliche Pflegeausbildung im Sinne eines neuen
allgemeinen Pflegeberufs gerade die Kompetenzen besonders vermittelt, die angesichts zunehmend komplexer
werdender Pflegesituationen und unterschiedlichster
Pflegekontexte besonders notwendig sind.
Die vereinheitlichte Pflegeausbildung wird auch eine
Antwort auf die Herausforderungen der demografischen
Entwicklung, der Alterung der Gesellschaft, sein. Es entstehen neue Pflegebedarfe, und zwar in den Krankenhäusern und in den Pflegeeinrichtungen. Darauf reagiert
die neue Pflegeausbildung. Das kommt den Pflegenden
und den zu Pflegenden zugute. Ein einheitliches Berufsbild Pflege verstärkt außerdem insbesondere das berufliche Selbstverständnis der Pflegefachkräfte im Kontext
anderer Gesundheitsfachberufe und führt damit auch zu
einer stärkeren beruflichen Identifikation.
Unterschiedliche Tätigkeitsfelder in der Pflege ermöglichen es den Pflegenden auch, den Umfang ihrer
Berufstätigkeit an ihre persönliche Entwicklung und Lebenssituation anzupassen. Das ist insbesondere in der
Kranken- und Altenpflege wichtig.
Bitte achten Sie auf die Zeit.
Zudem leisten wir einen wichtigen Beitrag dazu, dass
die Ausbildung kostenfrei ist, was bisher insbesondere in
der Altenpflege in einzelnen Bundesländern ein erhebliches Problem darstellt.
Vielen Dank. - Die Studie zur Vergütung in der
Pflege hat ganz deutlich gezeigt, dass in der Krankenpflege mehr verdient wird als in der Altenpflege, dass
Fachkräfte in der Altenpflege etwa so viel verdienen wie
Hilfskräfte in der Krankenpflege. Das ist eine erhebliche
Schieflage. Ist nicht zu befürchten, dass eine Ausbildung, die generalistisch für mehrere Pflegeberufe qualifiziert, die ausgebildeten Pflegekräfte dahin treiben wird,
wo besser bezahlt wird, mit den entsprechenden Folgen
für die schlechter entlohnten Bereiche, sprich: für die
Frau Kollegin Scharfenberg, diese Entwicklung befürchten wir nicht. Im Gegenteil. Wir erhoffen uns durch
die generalistische Pflegeausbildung eine insgesamt stärkere Attraktivität der Pflegeberufe in der Alten- wie in
der Krankenpflege. Angesichts des drohenden Fachkräftemangels sind dieses Mehr an Attraktivität und die höheren und besseren Qualifikationen, die in allen Einsatzbereichen erforderlich sind, die beste Gewähr dafür, dass
wir in allen Bereichen eine deutliche Verbesserung der
Vergütungssituation dauerhaft bewerkstelligen können.
Frau Zimmermann.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Widmann-Mauz,
ich habe eine Frage zum Koalitionsvertrag. Dort heißt
es, dass es ein einheitliches Berufsbild mit einer gemeinsamen Grundausbildung und einer darauf aufbauenden
Spezialisierung für die Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflegeausbildung geben soll. Meine Frage ist:
Soll diese Spezialisierung Teil der dreijährigen Ausbildung sein, oder soll die Spezialisierung nach der Ausbildung stattfinden?
Frau Kollegin Zimmermann, das entsprechende Berufsgesetz befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung innerhalb der Bundesregierung. Sobald diese Abstimmung abgeschlossen ist, werde ich Sie darüber
gerne an dieser Stelle oder im Ausschuss ausführlich informieren.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereiches.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur auf. Die Fragen 16 und 17 der Abgeordneten Sabine Leidig, die Fragen 18 und 19 des Abgeordneten Herbert Behrens sowie
die Frage 20 des Abgeordneten Oliver Krischer werden
schriftlich beantwortet.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit auf. Die Frage 21 des Abgeordneten André
Hahn wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf. Die Fragen 22 und
23 des Abgeordneten Jens Spahn sowie die Frage 24 der
Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl werden ebenfalls
schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung. Zur Beantwortung der Fragen steht der
Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel
zur Verfügung.
Präsident Dr. Norbert Lammert
Ich rufe die Frage 25 des Abgeordneten Uwe Kekeritz
auf:
Inwiefern treffen die Schilderungen im Nachrichtenmagazin Der Spiegel ({0}) zu, wonach der Staatssekretär
beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung, Dr. Friedrich Kitschelt, die damalige Abteilungsleiterin U. M. in ihrem Büro aufgesucht und in aggressiver Weise aufgefordert habe, die Bewertung ihrer Mitarbeiterin G. H. abzusenken, und wie hat sich das daraufhin erfolgte
Gespräch zwischen U. M. und dem Bundesminister Dr. Gerd
Müller im Ministerbüro zugetragen, wo U. M. den Bundesminister über den - aus ihrer Sicht - Versuch der „Nötigung“
durch den Staatssekretär Dr. Friedrich Kitschelt in Kenntnis
gesetzt hat?
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung:
Kann ich beide Fragen zusammen beantworten?
Dann rufe ich auch die Frage 26 des Abgeordneten
Uwe Kekeritz auf:
Kann das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung plausibel darlegen, wie der erst
wenige Wochen im Amt befindliche Nachfolger von U. M.
die Mitarbeiterin G. H. objektiver beurteilen kann als deren
langjährige Vorgesetzte U. M., und welche Konsequenzen erwägt der Bundesminister Dr. Gerd Müller, sollte die Staatsanwaltschaft tatsächlich Klage gegen den Staatssekretär
Dr. Friedrich Kitschelt wegen Nötigung erheben oder diesen
gar verurteilen?
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung:
Herr Kollege Kekeritz, zwei ganz klare Antworten:
Erstens. Die in der von Ihnen zitierten Berichterstattung
erhobenen Vorwürfe sind unbegründet.
Zweitens. Das Beurteilungsverfahren lief nach den
Grundsätzen ab, wie sie von der Bundeslaufbahnverordnung festgelegt sind.
Bitte, Herr Kekeritz.
Verstehe ich Sie richtig, Herr Fuchtel, dass es das Gespräch zwischen Frau Müller und dem Herrn Minister
nicht gab? Was wurde von Herrn Minister Müller tatsächlich an Frau Müller zurückgespiegelt? Inwieweit
war das Gespräch zwischen Frau Müller und Herrn
Kitschelt vorher mit dem Minister abgesprochen?
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung:
Ich habe Ihnen noch nicht gesagt, dass ich dazu keine
Ausführungen mache. Ich wollte Ihnen erst einmal einleitend sagen, wie der Rahmen aussieht.
Ich möchte Ihnen weiter sagen, dass ich als Dienstherr eine Fürsorgepflicht gegenüber allen Bediensteten
des Hauses habe. Des Weiteren habe ich im Interesse der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Datenschutz zu
wahren. Zudem habe ich die Aufgabe, dafür zu sorgen,
dass am heutigen Tage kein Präzedenzfall geschaffen
wird, wonach künftig alle Gespräche, Benotungen und
Konkurrenzen in Ministerien, die es täglich gibt, in diesem Plenum zur Debatte kommen.
Kann ich also davon ausgehen, dass die Staatsanwaltschaft von sich aus nicht ermitteln wird?
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung:
Sie versuchen hier, mit Suggestivfragen irgendwelche
Ergebnisse zu erzielen. Wir zwei sind schon zu lange
alte Hasen, als dass dies klappen könnte.
Insofern sage ich Ihnen: Es gab natürlich ein Gespräch zwischen Frau Müller, der Abteilungsleiterin,
und Herrn Dr. Kitschelt. Dies diente der Übergabe der
Urkunde zur Bestellung der Frau Müller zur Ministerialdirektorin auf Lebenszeit. Es gab auch ein Gespräch
zwischen Frau Müller und dem Minister, dessen zentraler Gegenstand die Frage der Besetzung einer internationalen Spitzenposition war. Abschließend darf ich Ihnen
sagen: Aufgrund ihrer besonderen Erfahrungen und Leistungen wurde dieser Ministerialdirektorin vom BMZ die
einflussreiche, multilaterale Position einer Exekutivdirektorin bei der Weltbank - es ist im internationalen Bereich eigentlich die einflussreichste Position - übertragen.
Herr Staatssekretär, achten Sie bitte auf die Zeit. Herr Kekeritz, Sie haben zwei Fragen gestellt. Jetzt können Sie zur zweiten Frage wiederum zwei Zusatzfragen
stellen.
Ich stelle eine Frage, die in die gleiche Richtung geht.
Ich möchte jetzt von Ihnen ganz allgemein wissen: Wie
viele solcher Umbewertungen sind in Ihrem Hause
schon vorgekommen, und inwieweit gibt es öfter
Schwierigkeiten bei der Bewertung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern? - Das betrifft nicht den Datenschutz; denn es geht mir nicht um Namen, sondern um
Zahlen.
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung:
Ich habe Ihnen hier schon klar gesagt, wie das Verfahren aussieht. Es gibt eine Bundeslaufbahnverordnung
und eine Verordnung für die Bewertung. Sie müssen eingehalten werden. Das betrifft alle Beamten, die eine andere Verwendung bekommen sollen und können oder
beispielsweise vor einer Beförderung stehen. Dann muss
jedes Mal ein solches Verfahren durchgeführt werden.
Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel
Ich betone nochmals, dass ich nicht all die Fälle zählen kann. Denn das würde bedeuten, dass wir die Bürokratie in den Ministerien weiter ausbauen müssten, und
das kann nicht einmal in Ihrem Interesse sein.
Außerdem hätte die Redezeit dafür auch nicht mehr
zur Verfügung gestanden. - Jetzt hat der Kollege
Kekeritz noch eine letzte Zusatzfrage.
Genau. - Ich habe das Gefühl, dass Sie mir die
Frage 26 eigentlich nicht richtig beantwortet haben. Es
stellt sich die Frage, inwieweit die Bewertung einer Mitarbeiterin, eines Mitarbeiters durch jemanden korrigiert
werden kann, der überhaupt nicht in diesem Bereich tätig war. Wie ist so etwas möglich?
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung:
Sie können vielleicht von außen nicht beurteilen, wer
da tätig war und wer nicht. Es ist eine Bewertung, die im
Hause vorgenommen werden muss. Dazu darf ich Ihnen
schlichtweg sagen: Hier handelt es sich um den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung des Ministeriums.
Das gilt nicht nur für mein Ministerium, sondern es ist
generell so. Das ist auch der Grund dafür, dass bisher
keine Debatte über eine solche Materie stattgefunden hat
und die Debatte heute die erste dieser Art gewesen wäre.
Frau Hänsel.
Danke schön. - Herr Staatssekretär, offensichtlich
stimmt bei den Vorgängen etwas nicht. Sonst würde das
ja nicht solche Wellen schlagen, sonst würde auch keine
Mitarbeiterin den Rechtsweg beschreiten wollen. Das
heißt, Sie können das nicht wegdiskutieren und sagen:
„Wir haben hier innere Abläufe, und das wird hier nicht
diskutiert“, zumal Good Governance ein sehr beliebtes
Schwerpunktthema der Entwicklungszusammenarbeit
der Bundesregierung ist. Sie sprechen immer von GoodGovernance-Kriterien usw. Dann kommt es mit Blick
auf die Glaubwürdigkeit natürlich schlecht, wenn man
im eigenen Ministerium solche Fälle hat, die doch sehr
fragwürdig sind.
Bisher haben Sie nicht plausibel erklärt, warum nicht
eine langjährige Mitarbeiterin eine Bewertung vornimmt, sondern jemand, der viel kürzer im Ministerium
arbeitet und daher die Arbeit der Kollegin gar nicht in
ausreichendem Maße beurteilen kann. Meine Frage: Ziehen Sie denn irgendwelche Schlüsse daraus, um diese
Sache zu heilen?
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung:
Sehen Sie, ich bin 20 Jahre lang aktiver Anwalt gewesen. Deswegen passe ich auf jeden Buchstaben auf. Mir
gefällt an Ihrer Wortmeldung schon nicht, dass Sie statt
von „Fall“ von „Fällen“ sprechen. Dazu gibt es selbst
nach der Presseverlautbarung des betreffenden Magazins
keinen Anlass. Daher entnehme ich Ihrer Frage, dass es
Ihnen eher um Agitation geht als um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dem betroffenen Haus.
Zu diesem Geschäftsbereich sehe ich keine weiteren
Nachfragen.
({0})
Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Die Frage 27 des
Kollegen Christian Kühn sowie die Frage 28 des Kollegen Dr. André Hahn werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Die Frage 29
der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl, die Fragen 30 und 31
der Kollegin Katharina Dröge sowie die Frage 32 des
Kollegen Oliver Krischer werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister
Roth zur Verfügung.
Die Frage 33 der Kollegin Agnieszka Brugger wird
schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Wolfgang
Gehrcke auf:
Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Moskauer Syrien-Konferenz ({1}), an der gewaltfreie demokratische Organisationen der syrischen Opposition sowie Regierungsvertreter teilnahmen, und welche Organisationen und Persönlichkeiten der
syrischen Opposition haben nach Kenntnis der Bundesregierung an der Konferenz teilgenommen?
Ich danke Ihnen herzlich, Herr Präsident. - Herr Kollege Gehrcke, Sie beziehen sich auf die Syrien-Konferenz in Moskau, die vom 26. bis 29. Januar auf Einladung der russischen Regierung stattfand. Vonseiten der
syrischen Opposition wurden ausdrücklich keine Organisationen, sondern nur Einzelpersönlichkeiten eingeladen. Inwieweit diese eingeladenen Persönlichkeiten wiederum Organisationen nahestehen, die als gewaltfrei,
oppositionell und demokratisch zu bezeichnen sind, ist
innerhalb der syrischen Opposition umstritten.
Die angereisten Personen bilden nur einen sehr kleinen Ausschnitt aus dem Spektrum der syrischen Opposition ab. Eine offizielle Liste seitens der russischen Regierung liegt uns nicht vor, aber wir haben recherchiert
und im Netz eine Liste der Teilnehmer gefunden. Ich
biete gerne an, Ihnen diese Liste im Anschluss an die
Fragestunde zur Verfügung zu stellen. Vonseiten der
Nichtregierungsorganisationen haben etwas mehr als
30 Personen teilgenommen. Die Namen haben wir aufgeführt, aber ich kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.
Sie haben eine Nachfrage, Herr Gehrcke.
Herr Staatsminister, ich bin natürlich dankbar, wenn
Sie mir diese Liste geben. Ich war so frei, sie mir ebenfalls aus dem Netz zu ziehen. Wir können ja gucken, ob
wir die gleiche haben; das unterstelle ich einmal.
Zu meiner Frage. Wie bewertet die Bundesregierung
die Ergebnisse dieser Konferenz in Moskau? Dass die
Konferenz stattgefunden hat, ist auch von der UNO sehr
positiv beurteilt worden. Dass man Einzelpersonen und
nicht Organisationen einlädt, halte ich für diplomatisch
sehr schlau; sonst hätte sie nämlich nicht stattgefunden.
Im Ergebnis hat sie, glaube ich, ein Zehnpunkteprogramm gezeitigt. Ich würde gerne wissen, ob die Bundesregierung sich mit diesen Ergebnissen auseinandergesetzt hat und wie Sie sie bewerten?
Herr Kollege Gehrcke, der Bundesregierung liegen
derzeit keine direkten Informationen vor. Das heißt, ich
müsste mit Ihnen allein auf der Grundlage von Medienberichterstattung ins Gespräch kommen. Wir haben auch
noch keine Informationen von den Veranstaltern bzw.
von den Teilnehmern der Konferenz.
Worauf wir uns beziehen können, das sind die abschließenden Äußerungen des russischen Mediators
Witalij Naumkin, der eine eigene Interpretation des Konsenses der Teilnehmer vorgenommen hat, der elf Punkte
umfasst. Herr Präsident, wenn es die Zeit erlaubt, dann
kann ich die elf Punkte gerne vortragen.
Das erlaubt die Zeit sicher nicht.
Dann müsste der Kollege Gehrcke noch einmal nachfragen und sich dazu ins Benehmen setzen.
Im Übrigen wissen Sie, Herr Kollege, dass sich die
Bundesregierung seit der blutigen Niederschlagung der
Bürgerproteste im Jahr 2011 stets für eine politische Lösung des Syrien-Konflikts eingesetzt hat. Für uns ist aber
das Kommuniqué von Genf 2012 die wesentliche
Grundlage. Für uns spielen die Vereinten Nationen als
Schirmherr dieses schwierigen Prozesses die zentrale
Rolle.
Herr Gehrcke.
Herr Staatsminister, ich bin nächste Woche in Moskau. Ich biete Ihnen an, die Informationen mitzubringen.
Ich habe mich heute im Außenministerium angemeldet,
um Informationen zu erhalten. Ich biete Ihnen an: Im
Austausch für die Liste bringe ich Ihnen Informationen
mit. Dann können wir uns darüber unterhalten.
Ich frage vor dem Hintergrund der immer grausiger
werdenden Ereignisse in Syrien - dieser Tage die Verbrennung des jordanischen Piloten bei lebendigem Leibe
und die Enthauptung des japanischen Journalisten -: Ist
es nicht notwendig, mit aller Kraft alle politischen Formationen, die gegen IS in Stellung gehen können, zusammenzubringen und in diese Richtung sehr viel Druck
zu entwickeln?
Ich kann Ihnen in Ihrer Bewertung zustimmen: Was
wir derzeit erleben, ist grauenhaft und entsetzt uns immer wieder aufs Neue. Es fällt auch mir schwer, Worte
dafür zu finden.
Ich bin natürlich immer an einem guten Miteinander
mit dem Bundestag interessiert. Sollten Sie Informationen haben, können Sie uns diese natürlich gerne zur Verfügung stellen.
Mit Blick auf die notwendigen Gespräche und den
politischen Dialog will ich noch einmal darauf hinweisen, dass Gespräche zwischen den Oppositionellen einerseits und der syrischen Regierung andererseits selbstverständlich notwendig sind. In diese Gespräche müssen
aber alle wichtigen Oppositionsgruppen institutionell
eingebunden werden. Für die Bundesregierung gehört
auch die Nationale Koalition dazu. Ohne diese Einbeziehung sehen wir kaum Aussicht auf Erfolg.
Frau Hänsel.
Danke. - Herr Staatsminister, ich habe noch eine
Nachfrage. Sie sagten gerade, dass Sie auf das UN-Format fokussieren. Aber Sie bewegen sich natürlich auch
außerhalb des UN-Formats in diesem Club der Freunde
Syriens. Dort pflegen Sie - zumindest war das in den
letzten Jahren so - enge Kontakte zur Opposition. Aus
Ihrer Sicht hat er mittlerweile den legitimen Anspruch,
die Regierung zu stellen. Für Sie ist Assad ja gar nicht
mehr der legitime Vertreter Syriens. Zumindest sah die
letzte Bundesregierung das so. Ich weiß nicht, ob Sie das
auch so sehen. Wer ist für Sie legitimer Ansprechpartner
in Syrien, und welche Initiativen ergreift der Club der
Freunde Syriens für eine Konfliktlösung? Über Kontakte
mit der Opposition usw. hört man überhaupt nichts. Vielleicht könnten Sie ein paar Sätze dazu sagen. Wie arbeitet im Moment eigentlich der angehängte Treuhandfonds
mit immerhin 30 Millionen Euro? Vielleicht könnten Sie
ein paar Punkte erläutern. Wenn Sie nicht alles beantworten können, nehme ich gerne auch eine schriftliche
Antwort.
Wenn Sie das wünschen, Frau Kollegin, biete ich natürlich an, Ihnen eine breite Information schriftlich zukommen zu lassen. Im Vorgriff darauf will ich auf die
zentrale Rolle des Beauftragten der Vereinten Nationen
hinweisen, Staffan de Mistura. Wir stehen in sehr engem
Kontakt mit dem Beauftragten, weil er für uns einer der
entscheidenden Akteure ist, wenn es darum geht, die
verschiedenen Gruppierungen an einen Tisch zu bringen.
Unsere Erwartung an die derzeitige syrische Regierung ist eindeutig, weil bislang jeglicher Beitrag zu einer
Dialoglösung fehlt. Ich will ein paar Punkte nennen, die
wesentlich sind, um den von uns geforderten politischen
Prozess zu erleichtern. Dabei geht es nicht um den militärischen Prozess. Es geht unter anderem um die Freilassung von politischen Gefangenen, es geht um die Einstellung der Bombardierung von Zivilisten, und es geht
vor allem natürlich darum, dass die VN-Resolutionen
zur humanitären Hilfe in Syrien unverzüglich umgesetzt
werden.
Ich rufe jetzt die Frage 35 des Kollegen Gehrcke auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, dass die Konferenzteilnehmer sich auf einen Zehnpunkteplan einigten, der die
Aufhebung der Sanktionen gegen Syrien fordert, den Rücktritt von Staatspräsident Baschar al-Assad nicht mehr als Vorbedingung für eine Beteiligung an einer Übergangsregierung
nennt und die ausländische Intervention im syrischen Konflikt
verurteilt, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dieser Entwicklung im Hinblick auf eine Unterstützung der geplanten Fortsetzung der Gespräche zwischen
der syrischen Regierung und der syrischen Opposition in
Moskau?
Herr Präsident, ich bin davon ausgegangen, dass ich
diese Frage schon beantwortet habe.
Dann erkundige ich mich einmal beim Kollegen
Gehrcke, ob er das auch so sieht.
Ich kann sie aber noch einmal beantworten.
Ich wollte Ihnen die Chance geben - ich würde sie
auch gerne hören -, die elf Punkte vorzutragen. Genau
darauf bezieht sich diese Frage. Ich spreche allerdings
von zehn Punkten. Wahrscheinlich ist ein elfter Punkt
hinzugekommen, den ich auch gerne hören würde.
Dafür stehen genau 100 Sekunden zur Verfügung. Bitte schön.
Ich will es ganz kurz machen. Schon in meinen einleitenden Erläuterungen habe ich darauf hingewiesen, dass
wir noch keine Information von den Veranstaltern und
Teilnehmenden hatten. Ich kann mich also nur auf die
Pressekonferenz beziehen. Dort sind die sogenannten
Moskauer Prinzipien erwähnt worden.
Ich will jetzt schnell die elf Punkte vortragen:
Erstens. Einhaltung der Souveränität, Eintracht und
territorialen Integrität Syriens.
Zweitens. Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus in all seinen Formen.
Drittens. Die Beilegung der Krise im Land mit friedlichen politischen Mitteln. Hierbei wurden auch die Prinzipien des Genfer Kommuniqués vom 30. Juni 2012 erwähnt.
Viertens. Die Bestimmung der Zukunft Syriens durch
freie demokratische Willensbekundung des syrischen
Volkes.
Fünftens. Die Unzulässigkeit einer Einmischung von
außen in die inneren Angelegenheiten Syriens.
Sechstens. Die Gewährleistung der Kontinuität staatlicher Einrichtungen.
Siebtens. Die Gewährleistung des Friedens durch umfassende Teilnahme aller Schichten des syrischen Volkes
am politischen, sozialen und wirtschaftlichen Leben des
Landes.
Achtens. Die Hoheit des Gesetzes und die Gleichheit
aller gegenüber dem Gesetz.
Neuntens. Die Unzulässigkeit ausländischer militärischer Präsenz in Syrien ohne Zustimmung der Regierung.
Zehntens. Die Beendigung der Okkupation der Golanhöhen.
Elftens. Die Aufhebung der gegen das syrische Volk
verhängten Sanktionen.
Das sind die elf Punkte.
Damit ist die Zeit auch erschöpft. Der Kollege
Gehrcke hat aber noch eine Zusatzfrage.
Ich finde, Herr Staatsminister, das, was dort in Moskau erarbeitet worden ist, ist ein recht vernünftiges Programm. Ein ähnliches Programm ist jetzt auch in Kairo
auf einer Konferenz erarbeitet worden. Kann das die
Bundesregierung nicht auch ihrerseits als Vorlage gegenüber dem Vertreter der Vereinten Nationen nehmen,
wenn es darum geht, die Unterstützung Deutschlands für
eine nicht gewaltsame Lösung der Syrienfrage, soweit es
überhaupt möglich ist, aktiver zu betreiben? Syrien verschwindet aus den Schlagzeilen, auch aus unserer Politik. Das darf nicht sein.
Ich habe schon eingangs deutlich gemacht, dass erstens jeder Beitrag, der den notwendigen politischen Prozess voranbringt, von uns erwünscht ist und dass wir ihn
zweitens selbstverständlich auch unterstützen. Wir sind
aber ebenso der Auffassung, dass die gesamte Breite der
Opposition Syriens einbezogen werden muss. Drittens
sind wir der Auffassung, dass die zentralen Gespräche
unter dem Dach der Vereinten Nationen geführt werden
sollen. Für uns bleibt das Kommuniqué von Genf dafür
die Grundlage. Wenn Russland einen konstruktiven Beitrag zu leisten vermag, ist dieser willkommen.
Die Fragen 36 und 37 der Abgeordneten Sevim
Dağdelen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Die Frage 38 des Abgeordneten
Volker Beck wird schriftlich beantwortet.
Damit schließen wir auch die heutige Fragestunde.
({0})
- Ich habe jedenfalls keine Wortmeldung registriert.
({1})
- Wir treffen uns dann nach Schluss der Sitzung beinahe
unauffällig am Rande des Plenums.
Ich bedanke mich bei allen Anwesenden und berufe
die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags auf morgen, Donnerstag, den 5. Februar 2015, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.