Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 1/14/2015

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Ich begrüße Sie herzlich zu unserer ersten Sitzung im Parlamentsjahr 2015. Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Personalausweisgesetzes zur Einführung eines Ersatz-Personalausweises und zur Änderung des Passgesetzes. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister des Innern, Herr Dr. Thomas de Maizière.

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ereignisse von Paris vom 7. Januar 2015 haben erneut auf bedrückende Weise gezeigt, dass es gilt, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung mit den erforderlichen und rechtsstaatlichen Mitteln entschlossen gegen den internationalen Terrorismus zu verteidigen. Die Bundesregierung verfolgt bereits seit längerem - auch schon vor dem Anschlag von Paris - einen breiten Ansatz, um dieser Aufgabe zu begegnen: Prävention, der Versuch der Vermeidung von Radikalisierung, Deradikalisierung und vieles andere mehr. Dazu gehört aber auch Gesetzgebung. Eine gesetzgeberische Maßnahme von mehreren ist der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Personalausweisgesetzes zur Einführung eines Ersatz-Personalausweises. Diesen Gesetzentwurf hat die Bundesregierung in ihrer heutigen Sitzung beschlossen. Ziel des Gesetzentwurfes ist die Verhinderung der Ausreise und der Wiedereinreise von Gefährdern des extremistisch-terroristischen Personenspektrums. Bislang haben sich ungefähr 3 400 Kämpfer aus Europa dem Krieg des sogenannten „Islamischen Staates“ in Syrien und dem Irak angeschlossen. Allein aus Deutschland sind rund 600 - das ist die aktuelle Zahl; zuvor waren es 550 Ausreisen in das Gebiet erfolgt. 150 bis 180 sind nach Deutschland zurückgekehrt, 30 davon als kampferprobte Fundamentalisten. Wir können schon auf der Basis der bisherigen Rechtslage deutschen Staatsbürgern den Pass entziehen und ihnen die Ausreise untersagen. Das ist unstreitig. Wir wollen verhindern, dass Personen trotz einer verfügten räumlichen Beschränkung und trotz des Entzugs des Reisepasses unmittelbar aus Deutschland oder aus anderen Schengen-Staaten in solche Drittstaaten ausreisen, bei denen für die Einreise die Benutzung des Personalausweises als Reisedokument ausreicht. Wenn wir den Pass entziehen, ist es nach bisheriger Rechtslage so, dass sich der Geltungsbereich des Personalausweises automatisch auf Deutschland beschränkt. Man sieht es aber dem Ausweis nicht an. Auch ein Grenzbeamter eines anderen Staates sieht es dem Ausweis nicht an. Deswegen fahren viele, obwohl es untersagt ist, mit ihrem Personalausweis zu einer SchengenAußengrenze und reisen aus, um in Kampfgebiete zu kommen, oder kommen mit dem Personalausweis zurück. Wir müssen sicherstellen, dass kein Zweifel darüber besteht, ob ein Ausweisinhaber ausreisen darf oder nicht. Aufgrund der neuen Regelung soll für bestimmte Personen nicht mehr nur der Pass, sondern auch der Personalausweis versagt oder entzogen werden können. Der Betroffene bekommt dann einen Ersatz-Personalausweis. Ich habe ein Musterexemplar mitgebracht. Vielen wird er bekannt vorkommen: Er sieht ungefähr so aus wie der Ausweis, den jemand erhält, der seine Plastikkarte im Ausland, in den Ferien, verloren hat, zu einem Konsulat geht und sagt: Ich brauche einen vorläufigen Personalausweis. - Er bekommt dann ein Papier, das im Wesentlichen so aussieht wie der Ersatz-Personalausweis. Mit dem Ersatz-Personalausweis ist die betroffene Person nicht mehr berechtigt, Deutschland zu verlassen. Wenn man sich bei Geschäften oder Identifizierungen, die in Deutschland erforderlich und geboten sind, ausweisen muss, kann man das mit diesem Ersatz-Personalausweis tun. Die Entziehung des Ausweises soll möglich sein, wenn Tatsachen vorliegen, die den Verdacht begründen, dass ein Gefährder einer terroristischen Vereinigung angehört oder eine solche unterstützt, Gewalt als Mittel zur Durchsetzung seiner politischen oder religiösen Überzeugungen anwendet, unterstützt oder hervorruft oder eine staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet. Die Entziehung des Ausweises und Ausstellung eines ErsatzPersonalausweises unterliegt der sofortigen Vollziehung, um Rechtsbehelfen eine aufschiebende Wirkung zu nehmen und die Maßnahmen effektiver zu machen; das ist in diesem Fall sicherlich verständlich. Was passiert, wenn ein Ausweisinhaber entgegen der ausreiseverhindernden Maßnahme die Bundesrepublik Deutschland trotzdem verlässt? Oft wird der Vorwurf gemacht, man könne auch irgendwo hinreisen, ohne den Ausweis vorzuzeigen, und die Frage gestellt, was das dann eigentlich solle. Wenn das bekannt wird, zum Beispiel weil sich derjenige im Internet damit brüstet, im Ausland aktiv zu sein, dann sind - das sieht der Gesetzentwurf vor - die Ausweispapiere, auch der Personalausweis, kraft Gesetzes ungültig. Das ist wichtig, denn das ermöglicht den Behörden eine unmittelbare Ausschreibung des jeweiligen Ausweises im Schengener Informationssystem und in der Stolen-and-Lost-TravelDocuments-Datenbank von Interpol. Damit erhöhen wir deutlich die Wahrscheinlichkeit des Aufgreifens des Reisenden bereits in Transitländern oder bei der Rückkehr. Im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus stellt dieser Gesetzentwurf also einen konzeptionell richtigen Ansatz dar. Es ist ein wichtiger Baustein neben anderen, die wir bereits haben oder an denen wir noch arbeiten und die die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bürger erhöhen. Vielen Dank.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herzlichen Dank, Herr Bundesminister. - Die erste Frage stellt die Abgeordnete Frau Irene Mihalic, Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Irene Mihalic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, vielen Dank für Ihren Bericht, für Ihre Ausführungen. Sie haben vorhin gesagt: Wenn jemand mit einem normalen Personalausweis an eine Grenze kommt und eine Ausreisebeschränkung vorliegt, dann sieht man es diesem Ausweis nicht an, dass diese Ausreisebeschränkung vorliegt. - Deswegen ist natürlich auch eine Datenabfrage im Schengener Informationssystem in so einem Fall relativ nutzlos, weil eine Ausreisebeschränkung, die ein Grenzbeamter im Ausland, etwa in einem Transitland, sehen könnte, in diesem System noch nicht hinterlegt werden kann; sie kann dort nicht ausgeschrieben werden. Meine Frage: Ist es daher richtig, dass die Bundesregierung die Änderung des Personalausweisgesetzes unter anderem deswegen für nötig hält, da Ausreisebeschränkungen bisher noch nicht im Schengener Informationssystem ausgeschrieben werden können?

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Frau Abgeordnete, das ist so nicht richtig. Ihre Beschreibung ist zwar richtig, aber es sind diesbezüglich zwei Maßnahmen vorgesehen. Die erste Maßnahme ist: Auf diesem vorläufigen Dokument steht auf der letzten Seite: „Berechtigt nicht zum Verlassen Deutschlands“. Das ist in mehr oder weniger allen wichtigen europäischen Sprachen niedergelegt, in Englisch, Französisch, Griechisch usw., sodass der Grenzbeamte zum Beispiel in Griechenland weiß, dass dieser Ersatzausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt und daher kein gültiges Ausreisedokument vorliegt. - Das ist die erste Maßnahme. Was das Schengener Informationssystem angeht, so haben die europäischen Innenminister zusammen mit der Kommission längst vereinbart, „terrorism-related activity“ als Tatbestandsmerkmal im Schengener Informationssystem niederzulegen, sodass eine Kontrolle stattfinden kann und dann, wenn der Ausweis gezeigt wird, feststeht, dass der Betreffende Dschihadist ist. Dann kann er nicht ausreisen oder wird bei der Einreise gegebenenfalls verhaftet.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Schönen Dank. - Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Herr Harald Petzold, Fraktion Die Linke.

Harald Petzold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004374, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, auch von mir vielen Dank für den Bericht. Ich habe allerdings ein Problem mit der Frage der Verhältnismäßigkeit der von Ihnen beschriebenen Maßnahmen; denn immerhin werden die Maßnahmen durch eine Behörde vorgenommen und nicht durch ein Gericht. Außerdem gilt doch eigentlich für die betroffenen Personen - wenn ich das richtig verstanden habe - die Unschuldsvermutung. Deswegen möchte ich Sie fragen, wie Sie die Verhältnismäßigkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen einschätzen, vor allen Dingen vor dem Hintergrund, dass eine Stigmatisierung durch die Gestaltung des vorläufigen Personalausweises nicht zu vermeiden ist.

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Lassen Sie mich zunächst feststellen: Ihre kritische Frage nach der Verhältnismäßigkeit wäre nur dann richtig, wenn Sie auch die Entziehung des Passes für unverhältnismäßig hielten; das habe ich aber nirgends gehört. Bei deutschen Staatsbürgern ist die Entziehung des Passes sogar dann möglich, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet ist. Der Tatbestand ist also viel weiter gefasst als in dem geplanten Gesetzentwurf, der sich auf terroristische Aktivitäten beschränkt. Von daher finde ich es nicht unverhältnismäßig, wenn die Regelungen, die für den Reisepass gelten, auch für den vorläufigen Personalausweis gelten. Zweitens. Wir haben die grundrechtsschonende Variante eines Ersatzpapiers gewählt. Es wurde auch diskutiert, ob man einen roten Balken mit dem Hinweis „Gilt nur für die Bundesrepublik Deutschland“ aufdruckt oder ob man einen Aufkleber verwendet - wenn Sie ein Kind haben, dann kennen Sie solche Aufkleber für Reisepässe -; diesen Aufkleber kann man allerdings abrubbeln, von daher ist diese Variante nicht vernünftig. Die Variante mit dem Balken würde zu einer viel größeren Stigmatisierung führen als das jetzt vorgeschlagene Ersatzpapier. Deswegen ist unser Vorschlag verhältnismäßig und grundrechtsschonend.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Jörn Wunderlich, Fraktion Die Linke.

Jörn Wunderlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003867, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, Sie haben gerade gesagt, die roten Balken seien viel stigmatisierender. Also geben Sie zu, dass dieses Ersatzpapier stigmatisierend ist; denn wenn man zum Beispiel eine Wohnung mieten möchte, wenn man sich in Geschäften ausweisen muss, wenn man ein Konto eröffnen möchte und man nur ein solches Ausweispapier vorlegt, dann legt das schon den Verdacht nahe, dass irgendetwas nicht stimmt. Das entspricht nicht der Unschuldsvermutung. Sie begründen die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme mit der UN-Resolution vom September zur Bekämpfung der Terrorgruppe ISIS. Es gibt eine Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, in der es heißt - ich teile diese Einschätzung voll und ganz -, aufgrund der Resolution sei eine Änderung des Pass- und Personalausweiswesens bei uns in Deutschland nicht erforderlich. Zum Thema Verhältnismäßigkeit. Sie haben einige Beispiele genannt. Ich frage mich: Gibt es überhaupt eine Evaluation, aus der hervorgeht, wie wirksam so ein Verfahren ist, wie viele Fälle es schon gegeben hat? Ich frage mich auch: Woran erkennen Sie überhaupt die betroffenen Personen? Wenn meine Frau sich ein Kopftuch aufsetzt, wird ihr dann auch der Pass oder der Personalausweis entzogen?

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Das war jetzt ein Durcheinander ganz vieler Aspekte. ({0}) Erstens. Ihre Argumentation wäre dann logisch, wenn Sie sagen würden: Ich halte die Entziehung des Passes für falsch. - Das habe ich aber nicht gehört. Wenn man sagt, die Entziehung des Passes ist in bestimmten Fällen richtig und die Entziehung des Passes dient dazu, die Ausreise aus Deutschland zu verhindern, dann ist es geradezu geboten, einen Umgehungstatbestand, nämlich die Bundesrepublik Deutschland auf andere Weise zu verlassen, zu verhindern. Zweitens. Der grundrechtliche Schutz gilt allen. Aber ich finde es nicht unverhältnismäßig, wenn wir einen Beitrag dazu leisten, dass von Deutschland aus kein Export von Terrorismus stattfindet. Das ist, finde ich, ein ziemlich hochrangiges Gut; verglichen mit dem, was Sie als unverhältnismäßig ansehen. ({1}) Zur Erforderlichkeit der Maßnahmen. Der Sachverhalt ist folgender: Es gibt über 400 Ermittlungsverfahren. Es gibt terroristische Vorgänge, im Wesentlichen im Bereich Ausreise. Die Kontrollen der Bundespolizei verhindern im Durchschnitt jede Woche eine Ausreise, auch wenn keine Verfügung einer Ausländerbehörde vorliegt. Hier spielt natürlich das Aussehen der betroffenen Personen eine Rolle; denn die Betroffenen nähern sich zum Teil einem bestimmten Aussehen an, um deutlich zu machen, wer sie sind. Dann findet eine Durchsuchung der Koffer statt; und wenn man in den Koffern Nachtsichtgeräte, Schutzwesten und Ähnliches findet, dann spricht viel dafür, dass mit dieser Reise ein bestimmter Zweck verbunden ist. Ich will gerne hinzufügen, dass mein Kollege Maas noch im Januar einen Gesetzentwurf vorlegen wird, der in Umsetzung des VN-Sicherheitsratsbeschlusses - ich weiß, dass die Linke sehr gerne auf Sicherheitsratsbeschlüsse hinweist - das Reisen als solches strafbar macht. Wenn das Reisen als solches strafbar ist, dann ist es recht und billig, den Personalausweis zu entziehen, damit es gar nicht erst zu einer Straftat kommt.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Clemens Binninger, CDU/CSU-Fraktion.

Clemens Binninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Präsident! - Herr Minister, vielen Dank für die Ausführungen. Ihnen geht es ja darum, die Reisebewegungen von Terrorverdächtigen einzuschränken, sie zumindest zu erschweren und im Idealfall zu verhindern. Sie haben zum Schluss Ihrer Ausführungen gesagt, das sei ein Baustein und es gebe noch weitere Bausteine. Können Sie uns bitte sagen, was Sie sich darunter vorstellen, mit welchen Maßnahmen man auf nationaler wie internationaler Ebene die Mobilität bzw. die Reisebewegungen von Terrorverdächtigen erkennen, einschränken oder auch verhindern kann?

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Herr Abgeordneter, zunächst einmal finde ich es wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir mit Blick auf den Terroranschlag zwar prüfen, ob wir weitere gesetzgeberische Maßnahmen und Bausteine brauchen, wir aber nicht den Eindruck erwecken dürfen, dass wir vorher sorglos gewesen wären. Es ist ja sehr viel geschehen: Der Deutsche Bundestag hat das Antiterrordateigesetz im letzten Jahr geändert. Manches wurde reduziert, anderes entfristet, und vieles andere mehr wurde gemacht. Auch über den hier in Rede stehenden Gesetzentwurf haben wir vor dem Terroranschlag gesprochen. Er ist auch mit den Innenministern unterschiedlicher parteipolitischer Ausrichtungen besprochen worden. Der Gesetzentwurf, den mein Kollege Maas vorlegen wird, wurde ebenfalls angekündigt und besprochen. Es gibt zwei weitere Maßnahmen, die, was die Reisetätigkeit angeht, wichtig sind. Eine Maßnahme ist die Änderung des Schengener Informationssystems. Das habe ich eben in meiner Antwort auf die Frage der Kollegin Mihalic angesprochen. Die zweite Maßnahme ist das Europäische Fluggastdatenabkommen, das alle Innenminister der Mitgliedstaaten der Europäischen Union für dringend geboten halten. Das Europäische Parlament sieht das noch nicht so. Wir halten es für dringend geboten, diesbezüglich zu einem Kompromiss zu kommen. Ich arbeite an einem solchen Kompromiss. Das haben wir in der Sitzung in Paris besprochen. Dazu gehört weiterhin, dass wir besser als bisher insbesondere mit unseren Partnern und Verbündeten Informationen über gefährliche Personen austauschen. Das ist - jetzt spreche ich den PKGr-Vorsitzenden an - eine Frage der Dienste und gar nicht so sehr der Polizei. Wir werden zu prüfen haben, ob dieser Austausch in erforderlichem Maße erfolgt und ob deutsche Gesetze deutsche Sicherheitsbehörden daran hindern, die Namen von Gefährdern mit Staaten auszutauschen, die für uns im Antiterrorkampf wichtige Verbündete sind. Das ist vielleicht eine Umschreibung, die viele verstehen. Natürlich gibt es auch noch andere Themen, die umstritten sind. Diese Themen haben mit der Reisetätigkeit direkt nichts zu tun, aber mit der Aufklärung von kompliziert nachzuweisenden Verbrechen und deren Bestrafung. Es geht dabei um die Mindestspeicherfrist.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Marian Wendt, CDU/CSU-Fraktion.

Marian Wendt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004441, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, vielen Dank für den Vortrag. Sie haben gerade gesagt, dass wir nicht nur die Mobilität von Terroristen und Islamisten einschränken müssen, sondern auch weitere Schritte hinsichtlich Aufklärung und Ermittlung gehen müssen. Meine Frage zielt deswegen auf die Notwendigkeit sogenannter Mindestspeicherfristen für Telekommunikationsmetadaten. Wie ist die Haltung der Bundesregierung dazu, und welche Vorteile ergeben sich dadurch hinsichtlich der Ermittlung terroristischer Sachverhalte? - Vielen Dank.

Not found (Minister:in)

Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat dazu noch keine gemeinsame Auffassung, sondern es werden, wie allgemein bekannt ist, unterschiedliche Auffassungen vertreten. Das hat vor allem mit den Auswirkungen des EuGH-Urteils zur europäischen Richtlinie zu tun. Vor diesem Urteil gab es eine gemeinsame Auffassung der Bundesregierung, nämlich: Umsetzung der Richtlinie. Jetzt ist es geboten, dass wir weiter darüber reden. Ich kenne natürlich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Ich kenne auch die Rechtsprechung des EuGH. Ich weiß, dass wir einen Kompromiss brauchen. Ich kenne auch das politische Umfeld. Das gilt es zu berücksichtigen. Als Bundesinnenminister, der für die Sicherheit dieses Landes eine große Verantwortung trägt, will ich aber keinen Zweifel daran lassen, dass ich aus fachlichen Gründen und in Übereinstimmung mit nahezu allen Sicherheitsexperten dieses Landes und Europas eine verfassungsgemäße Regelung über Mindestspeicherfristen für zwingend geboten und rechtsstaatlich erlaubt halte. ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Britta Haßelmann, Bündnis 90/Die Grünen.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich bin froh, in der bisherigen Diskussion feststellen zu können, dass der Maßstab die höchstrichterlichen Entscheidungen des EuGH und des Bundesverfassungsgerichts sind und nicht das, was Fraktionen oder einzelne Abgeordnete denken. Ich bin auch sehr froh, dass die anlasslose Massenüberwachung als verfassungswidrig eingestuft wurde. Herr Minister, ich glaube, dass wir uns deshalb noch sehr kontrovers mit Ihnen auseinandersetzen werden, so Sie denn als Bundesregierung hierzu etwas vorlegen werden. Meine Frage bezieht sich auf das Thema der Regierungsbefragung, nämlich auf das Personalausweisgesetz. Sie hatten ja Ihren Vorschlag in Bezug auf die Neufassung skizziert. Sie haben in Ihrem Eingangsvortrag erwähnt, welche rechtlichen Möglichkeiten derzeit bestehen. Mir leuchtet nicht ein, warum Sie nicht zunächst eine Intensivierung der Kontrollen angehen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Abwägung der Grundrechtsfragen, mögliche Umsetzungsschwierigkeiten und das Schengen-Abkommen, das meine Kollegin angesprochen hat. Bei dem, was heute möglich ist, müssten sich doch bestimmte Schwierigkeiten, die Sie skizziert haben, auch dadurch abschwächen lassen, dass man stärker auf den Vollzug achtet und die Kontrollen, die heute schon möglich sind, intensiviert. Wo ist da der Anknüpfungspunkt? Da fehlt mir etwas. Dazu höre ich nichts. Stattdessen setzen Sie sofort auf neue Instrumente.

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Zunächst einmal möchte ich Ihrer Sachverhaltsdarstellung widersprechen. Weder das Bundesverfassungsgericht noch der EuGH hat eine Regelung zu Mindestspeicherfristen für verfassungswidrig oder für mit europäischen Grundrechten nicht vereinbar erklärt, sondern das Bundesverfassungsgericht hat ein konkretes Gesetz für verfassungswidrig erklärt und Maßgaben gemacht, wie man eine solche Regelung verfassungsgemäß gestalten könnte. Auch der EuGH hat in seinem Urteil ausgeführt, dass eine andere Regelung mit den europäischen Grundrechten vereinbar sein könnte. Das nur zur Richtigstellung des Sachverhalts. ({0}) Zum zweiten Punkt möchte ich sagen, dass ich die Kritik der Grünen, die sich hinter den Fragen verbirgt, nicht so ganz verstehe. Ich stand an diesem Pult, als der Abgeordnete Beck, der zufällig oder absichtlich jetzt nicht da ist, uns aufgefordert hat, wir sollten nicht nur den Pass, sondern gefälligst auch den Personalausweis entziehen, bevor wir neue Gesetze machen. Das fand ich ein ziemlich starkes Argument. Auf meine Frage hin, warum wir nicht den Personalausweis entziehen, haben mir meine Mitarbeiter gesagt, dass wir dafür ein Gesetz brauchen. Das, was wir jetzt vorlegen, fußt mehr oder weniger also auch auf einer Anregung des Abgeordneten Volker Beck, die dieser im Rahmen einer Regierungsbefragung gegeben hat. ({1}) Ich möchte der Frage gar nicht ausweichen, sondern ich möchte lediglich die Debatte beleben. ({2}) Sie wissen sicherlich, dass nach dem geltenden Schengener Informationssystem, also nach jetziger Rechtslage, eine Personenfahndungsabfrage bei EUBürgern nur auf nicht systematische Weise zulässig ist. Wir reden gerade in Europa darüber, ob wir das ändern. Zulässig ist lediglich eine sogenannte Mindestkontrolle. Diese Mindestkontrolle umfasst die Feststellung der Identität anhand der vorgelegten Reisedokumente. Das heißt, irgendwie muss ich bei geltender europäischer Rechtslage dazu kommen, dass ein Grenzbeamter an dem Reisedokument erkennt, um wen es eigentlich geht. Genau das ist mit diesem neuen Papier möglich. Da, wo man einen Pass braucht, um auszureisen, geht es nicht, weil der Betroffene keinen Pass hat. Ich weiß nicht, ob Ihre Frage sozusagen auch eine Anregung war, eine systematische Personenkontrolle an der Schengen-Außengrenze einzuführen. Ich denke sofort darüber nach, wenn Sie dies fordern.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Rückfragen sind eigentlich nicht zulässig, dennoch frage ich Sie, ob Sie darauf reagieren möchten, Frau Haßelmann. ({0}) - Nicht. Gut, Sie halten sich an die Geschäftsordnung. Das ist sehr positiv. Nächste Fragestellerin ist Kollegin Irene Mihalic, Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Irene Mihalic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, da Sie für Anregungen der Grünen so empfänglich sind, möchte ich Ihnen gleich noch eine Anregung geben. Ich komme noch einmal auf den Punkt Schengener Informationssystem zurück bzw. auf den letzten Punkt, wo Sie ausführten, Mindestkontrollen seien anhand der vorgelegten Reisedokumente durchzuführen. Das stimmt nur zur Hälfte. Im Rahmen einer Mindestkontrolle ist auch ein Datenabgleich möglich; dies kann auch lageangepasst intensiviert werden. Wenn wir jetzt keine Lage haben, die es rechtfertigen würde, bei der Ausreise einen Datenabgleich von vorgelegten Reisedokumenten durchzuführen, dann weiß ich auch nicht, wie eine solche Lage aussehen könnte. Ich bin offen gestanden ratlos, was noch passieren muss, damit so etwas möglich wird. Insofern gehe ich davon aus, dass ein Datenabgleich bei einer Ausreisekontrolle auch nach heutiger Rechtslage durchaus machbar ist. Jetzt geht es aber natürlich um die Frage: Was kann bei einem solchen Datenabgleich herauskommen? Sie haben vorhin gesagt, dass in einem Ersatz-Personalausweis in mehreren gängigen Sprachen steht, dass dieses Dokument nicht zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland berechtigt. Meiner Auffassung nach könnte nach entsprechender Ertüchtigung des Schengener Informationssystems eine solche Information, dass eine Ausreisebeschränkung vorliegt, auch im Schengener Datenbestand hinterlegt werden. Diese würde der Grenzbeamte dann bei Kontrolle des entsprechenden Dokuments und beim Datenabgleich bei der Ausreise sehen. Dann bräuchte es diesen Ersatz-Personalausweis nicht. Deswegen frage ich: Stimmen Sie dem zu? Könnten Sie dazu noch einmal Stellung nehmen? Wie nehmen Sie diese Anregung auf?

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Zum ersten Teil Ihrer Frage. In der Tat kann bei einer Mindestkontrolle abgefragt werden. ({0}) Was ist das Ergebnis der Abfrage? Der Name. ({1}) - Nein, dies ist im Schengener Informationssystem bisher gar nicht vermerkt. Es geht darum, das zu vermerken. ({2}) Deswegen sind wir uns im zweiten Punkt völlig einig. Wir versuchen jetzt, dies auf technischer Ebene ohne Rechtsänderung hinzubekommen. Es gibt aber, auch in der Kommission, viele kluge Juristen, die sagen: Wir brauchen dazu eine Änderung des Schengener Informationssystems. - Das wiederum dauert aber zwei Jahre. Ehrlich gesagt, in der Lage, von der Sie selbst sprechen - wir wissen, dass sie kompliziert ist -, haben wir keine zwei Jahre Zeit.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Barbara Woltmann, CDU/CSU-Fraktion.

Barbara Woltmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004447, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, vielen Dank für Ihre bisherigen Ausführungen. Das Personalausweisgesetz und demzufolge natürlich auch die Änderung können sich nur an Deutsche mit einem deutschen Personalausweis richten. Wir haben aber auch viele Menschen, die eine doppelte Staatsbürgerschaft haben. Wie geht die Bundesregierung damit um? Reichen dafür die auch von Ihnen schon genannten Systeme, zum Beispiel das Schengener Informationssystem, aus? Wie läuft da die Zusammenarbeit mit den europäischen Mitgliedstaaten, aber auch mit den Staaten, die nicht in der EU sind?

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Frau Abgeordnete, wenn es sich um Doppelstaatler handelt, so haben sie möglicherweise zwei Pässe. Schon nach geltendem Recht, und zwar nach der heutigen Fassung des Aufenthaltsgesetzes - dort ist das niedergelegt -, darf zur Durchsetzung eines Ausreiseverbotes die Einbehaltung von ausländischen Pässen und Dokumenten erfolgen. Diese Untersagung der Ausreise ist nach geltendem Recht, dem Aufenthaltsrecht, also dann möglich, wenn die Anwendung der einschlägigen pass- und personalausweisrechtlichen Verwaltungsvorschriften einen solchen Entzug ermöglichen. Das bedeutet, dass bei einem Doppelstaatler beide Pässe entzogen werden müssen. Bisher konnte aber in diesen Fällen der deutsche Personalausweis oder ein entsprechender ausländischer Ausweis, sofern es ihn gibt, nicht entzogen werden, weil eine entsprechende Regelung fehlte. Daher verhindern wir mit dieser Änderung des Personalausweisgesetzes auch eine denkbare Umgehung bei Doppelstaatlern, die sonst ihre ausländischen Papiere nutzen könnten. Von daher passt das alles in ein gemeinsames Konzept.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Schönen Dank. - Abgeordneter Harald Petzold, Fraktion Die Linke.

Harald Petzold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004374, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie meinen Kollegen Wunderlich vorlassen würden, weil er eine direkte Nachfrage zur Antwort des Ministers auf die Frage von Frau Mihalic hat.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Einverstanden. - Herr Abgeordneter Wunderlich, Fraktion Die Linke.

Jörn Wunderlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003867, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, Sie haben gerade gesagt, eine Ausschreibung im SIS, also im Schengener Informationssystem, sei nicht möglich. Wenn man abfrage: „Wer ist das?“, dann komme die Antwort: Fritz Müller. - In der Antwort auf eine Kleine Anfrage meiner Fraktion vom 29. Dezember 2014 - die Druckerschwärze ist also noch nicht getrocknet - hat die Bundesregierung in Nummer 10 ausgeführt, die Mitgliedstaaten des Schengen-Raums hätten sich darauf verständigt, dass national ausgestellte Dokumente, die nicht zur Ausreise berechtigen, künftig im Schengener Informationssystem auszuschreiben sind. Sie haben das als Spezifizierung des bestehenden Rechts dargestellt, über die bislang vorhandenen Möglichkeiten hinaus, dass Dokumente gestohlen wurden, für ungültig erklärt wurden usw.; das ist ja gesagt worden. Jetzt ist das also machbar; es ist möglich. Meine Frage lautet: Wird diese verabredete Änderung derzeit schon von den Mitgliedstaaten umgesetzt, und wenn nein, für wann ist die Umsetzung geplant?

Not found (Minister:in)

Das habe ich in der Antwort auf die Frage von Frau Mihalic schon vorgetragen. In der Tat ist das die Absicht der europäischen Innenminister. Aber das ist nicht so leicht. In das Schengener Informationssystem - inzwischen SIS II - ein neues Kriterium einzuführen, ist kein technisch trivialer Vorgang; dies braucht ein bisschen Zeit. Deswegen gibt es das noch nicht. Eine Änderung des Rechtssystems, die wir gegebenenfalls auch anstreben, dauert zwei Jahre; das habe ich eben schon gesagt. Deswegen ist der Hinweis auf die Absicht der europäischen Innenminister kein Argument gegen die Notwendigkeit dieses Gesetzes.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Harald Petzold, Fraktion Die Linke.

Harald Petzold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004374, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich möchte auf den Reisepassentzug und die trotzdem mögliche Ausreise, wenn man einen Personalausweis besitzt, zurückkommen. Sie haben nämlich in Ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage auf die Frage meiner Fraktionskollegin Frau Jelpke ausgeführt, dass in 20 Fällen nachvollzogen werden konnte, dass trotz Ausreiseverbotsverfügung und Reisepassentzug eine Ausreise stattgefunden habe und diesen Personen ein Personalausweis zur Verfügung gestanden habe. Ich möchte Sie fragen, auf Grundlage welcher Informationen es bei diesen 20 Personen zur Entziehung des Passes gekommen ist, von welchen staatlichen Stellen die Informationen über diese 20 Personen stammen und ob sie dann tatsächlich mit ihrem Personalausweis ausreisen konnten.

Not found (Minister:in)

Den ersten Teil der Frage kann ich naturgemäß nicht beantworten. Ich bitte, ihn schriftlich beantworten zu dürfen. Zum zweiten Teil der Frage. Es ist so: Jeder einzelne Fall, in dem die zuständige Ausländerbehörde oder Einwohnerbehörde - je nachdem, ob es sich um einen Ausländer oder einen Deutschen handelt - eine Ausreiseverbotsverfügung erlässt, wird im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum besprochen, weil es ja möglicherweise geboten ist, nicht nur die Ausreise zu verhindern, sondern auch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren nach § 129 a des Strafgesetzbuchs einzuleiten. Möglicherweise entscheidet man auch, im Rahmen der Ermittlungen nach § 129 a des Strafgesetzbuchs - solche Verfahren finden laufend statt, wie Sie der Presse entnehmen können - eine Hausdurchsuchung durchzufühBundesminister Dr. Thomas de Maizière ren, um festzustellen, ob es Hinweise auf eine terroristische Tätigkeit gibt, und bei dieser Gelegenheit den Pass zu entziehen, in Zukunft auch den Personalausweis. Das heißt, die Ausreiseverhinderung durch Entziehung des Passes und des Personalausweises ist keine isolierte Maßnahme, sondern dies ist auch für die Ausreiseverhinderung oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bei Einreise oder Wiedereinreise ein Element des rechtlichen Instrumentariums, das wir zur Abwehr der terroristischen Gefahr für geboten halten. Ich will ein weiteres Argument vortragen, das ich bei Ihnen durchgehört habe, das bisher aber noch nicht thematisiert worden ist. Es geht um die Frage: Wie viele Personen gibt es denn, denen zwar der Pass entzogen worden ist, die aber trotzdem ausgereist sind? Es wäre schön, wenn ich die Antwort kennen würde. Sie sagen ja nicht: „April, April, ich reise jetzt mit dem Personalausweis aus“, und die Grenzbeamten an den Außengrenzen des Schengen-Bereichs wissen das natürlich nicht. Deswegen beträgt die Dunkelziffer hier 100 Prozent, es sei denn, die betreffende Person brüstet sich im Ausland und sagt: Ätsch, bätsch, ich bin mit dem Personalausweis ausgereist. - Das ist aber wahrscheinlich noch nicht vorgekommen. Deswegen kann ich Ihnen diese Frage nicht beantworten. Ich kann Ihnen nur noch einmal sagen, dass die Bundespolizei im Durchschnitt ungefähr einmal in der Woche eine Person an der Ausreise hindert oder bei Wiedereinreise ein Strafverfahren einleitet. Gerade erst gab es eine wichtige Verhaftung eines Verdächtigen mit usbekischer Staatsangehörigkeit; im Zusammenhang mit usbekischer Staatsangehörigkeit werden bei Eingeweihten sicherlich Erinnerungen wach. In ganz vielen Fällen wird hier also möglicherweise dazu beigetragen, die Sicherheit unser Mitbürgerinnen und -bürger zu erhöhen, ohne dass ich sage, das sei ein Allheilmittel. Wir wollen die Zahl der Ausreisen und Wiedereinreisen verringern bzw. vermindern. Ganz ausschließen können wir das in der Lage, in der wir in Europa sind, natürlich nicht. Diesen Anspruch will ich auch gar nicht vortragen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Britta Haßelmann, Bündnis 90/Die Grünen.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, mich interessiert in diesem Zusammenhang ein weiterer Komplex. Europol warnt aktuell davor, dass Terrorzellen und die organisierte Kriminalität oft Hand in Hand arbeiten, zum Beispiel bei Geldwäsche, Schleuserkriminalität oder auch der Fälschung von Pässen. Meine Frage lautet: Glauben Sie nicht, dass der Versuch, dieses neue Ersatzdokument einzuführen, auch zu einem deutlichen Anstieg bei den Fälschungen führen kann?

Not found (Minister:in)

Das kann ich, ehrlich gesagt, nicht ausschließen. Je umfangreicher das wird, desto mehr wird natürlich versucht werden, die rechtlichen Regelungen durch Fälschungen zu umgehen. Wir kennen das auch aus dem Bereich des Menschenhandels und sogar aus dem Bereich der Asylanträge. Beispielsweise müssen wir gerade eine verdächtig hohe Anzahl an nagelneuen Pässen aus dem Kosovo zur Kenntnis nehmen, die entweder gefälscht oder in Serbien für Bürger ausgestellt worden sind, bei denen nicht ganz klar ist, ob sie Kosovaren sind. Es ist sehr schwierig, dieses Problem zu lösen. Ich glaube aber, es wäre falsch, zu sagen: Weil Pässe, Ausweise und Geld gefälscht werden können, arbeiten wir jetzt nicht daran, dass Pässe, Ausweise und Geld so fälschungssicher wie nur irgend möglich sind und wir durch den internationalen Informationsaustausch wissen, wen wir vor uns haben. Die Gefahr, die Sie sehen, ist also real, aber das ist kein Gegenargument gegen diese Maßnahme.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Dr. Konstantin von Notz, Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Konstantin Notz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004123, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, ich glaube, bei den Diskussionen, die wir hier führen, geht es im Kern um die Effektivität der Maßnahme des Ausweisentzugs. Ich will Ihnen hier einmal zwei Tatsachen nennen und Sie diesbezüglich fragen, ob Sie nicht mit mir an der Effektivität dieses Gesetzes, das jetzt kommen soll, zweifeln. Erstens. Es ist schon heute möglich, aus der Europäischen Union auszureisen, ohne seine Ausweisdokumente auch nur an einer Stelle vorzeigen zu müssen. Das liegt mit daran, dass die Kontrollen an den Außengrenzen teilweise nur stichprobenartig erfolgen, und das liegt auch an den von der Kollegin Haßelmann geschilderten Schleuseraktivitäten. Bei der Problematik, mit der wir im Augenblick konfrontiert sind, stellt sich die Frage: Ist das, was in dieser Woche durch das Parlament gehen soll, ein Placebo oder nicht? Zweitens. Wir reden ja nicht nur über die 260 - in Anführungsstrichen gesprochen - deutschen Gefährder, die bei uns leben, sondern in einem Europa mit offenen Grenzen können auch Menschen aus Frankreich, Belgien, Holland und anderen Ländern, wo gegebenenfalls ganz andere rechtliche Regelungen im Hinblick auf die Ausweisdokumente gelten, nach Deutschland kommen. Deswegen die Frage: Ist das Ganze angesichts dieser Problemlage ein effektives Mittel, um mehr Sicherheit zu schaffen? Oder ist das nur eine Silvesterrakete, mit der zwar suggeriert wird, dass es mehr Sicherheit gibt, wobei die Probleme aber bestehen bleiben? ({0})

Not found (Minister:in)

Herr Abgeordneter von Notz, Sie sind ein bisschen später hierhergekommen und haben mit Ihrer Frage im Grunde Ihre Kollegin Mihalic in Probleme gebracht; denn sie hat uns gerade dazu aufgefordert, die Mindestkontrollen an den Schengener Außengrenzen zu verschärfen und zu verbessern. ({0}) Diese Auffassung teile ich, jedenfalls in Teilen; denn bekanntlich steckt der Teufel im Detail. Im Prinzip halte ich diese Forderung für richtig, ohne dass wir den Reiseverkehr natürlich besonders erschweren wollen. Trotzdem gibt es illegale Grenzübertritte; das ist klar. Aber ich habe nie behauptet und werde nie behaupten, dass dieses Gesetz dem Terror in Deutschland den Garaus macht. Es ist jedoch ein effektiver Baustein, verbunden mit anderen Maßnahmen, etwa dem Schengener Informationssystem. Dazu muss ich sagen: Angesichts der Lage, in der wir sind, sind auch effektive Maßnahmen, die ein Problem mindern, aber nicht lösen, dringend geboten. Der zweite Punkt: Die Logik Ihrer Argumentation hieße ja, dass der Staat letztlich auf Sanktionsmaßnahmen verzichten solle, weil sie doch umgangen werden. Diese Logik kann ich mir, ehrlich gesagt, nicht zu eigen machen. ({1})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nein, das dürfen Sie nicht. Aber Sie dürfen sich noch einmal melden; dann setze ich Sie noch einmal auf die Liste der Fragesteller, wobei es schon ganz gut ist, wenn man bei einer solchen Debatte von Anfang an dabei ist, um mögliche Wiederholungen zu vermeiden. Ich setze Sie also noch einmal auf die Liste. Dann erhält die Abgeordnete Irene Mihalic, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort und dann noch einmal Herr Dr. von Notz.

Dr. Irene Mihalic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, es ist interessant, dass Sie diese Maßnahme als Sanktion begreifen. Ich habe bisher immer geglaubt, es handele sich um eine präventive Maßnahme, um mutmaßliche Terroristen an der Ausreise zu hindern.

Not found (Minister:in)

Da haben Sie recht, aber es wird sicher als Sanktion empfunden; sagen wir einmal so.

Dr. Irene Mihalic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte noch einmal zur Änderung des Schengener Informationssystems zurückkommen. Mit diesem Thema sind wir vorhin nicht ganz fertig geworden. Sie haben gesagt, die Änderung des Schengener Informationssystems in dem Sinne, wie ich das vorhin beschrieben habe - das muss ich, glaube ich, nicht wiederholen -, würde ungefähr zwei Jahre in Anspruch nehmen. Diese Aussage erstaunt mich etwas. Ich komme gerade aus der Sitzung des Innenausschusses, bei der ein Vertreter Ihres Hauses anwesend war. Auch da haben wir diesen Sachverhalt erörtert. Ich habe explizit nachgefragt, ob es eine Verständigung darüber gibt, wann es möglich sein soll, im Schengener Informationssystem solche Ausreisebeschränkungen - das ist heute noch nicht möglich - tatsächlich auszuschreiben. Darauf hat mir der Mitarbeiter Ihres Hauses geantwortet, dass dies im ersten Quartal abgeschlossen sein soll; also nicht in zwei Jahren, sondern im ersten Quartal. Das ist ein deutlicher Unterschied zu Ihrer Aussage. Wenn ich mir dann überlege, dass auch dieses Gesetzgebungsverfahren möglicherweise im ersten Quartal dieses Jahres abgeschlossen sein wird, dann frage ich mich, ob das Ganze dann nicht obsolet ist.

Not found (Minister:in)

Nein. Es ist eine richtige Information, dass die technische Änderung des Schengener Informationssystems im ersten Quartal oder sogar schon zum 1. Februar dieses Jahres zustande kommt; das streben wir an. Dabei wird mitgeteilt, dass es sich um einen Gefährder - den genauen Ausdruck habe ich jetzt nicht im Kopf - handelt. Diese technische Änderung bekommen wir hin. ({0}) Eine Ausreisebeschränkung bedarf einer Rechtsänderung. Dies dauert viel länger. Das, von dem wir hoffen, dass es geschieht, ist, dass ein Grenzbeamter einen Gefährder an der Ausreise hindert. Dabei muss aber ein Grieche, ein Finne, ein Däne oder ein Belgier einen Deutschen an der Ausreise hindern; das ist sozusagen das Problem. Was wir ohne Rechtsänderung erreichen können, ist, den Grenzbeamten besser zu informieren, aber keine repressive oder ähnliche Maßnahme, die zur Fahndung oder zur Festnahme berechtigt. Deswegen ist das eine so wichtig wie das andere. In der Frage von Gefahrenabwehr und Repression haben Sie völlig recht: Die Ausreiseverhinderung ist eine Maßnahme der Gefahrenabwehr, wird allerdings von den Betroffenen sicherlich eher als repressiv empfunden werden. Rechtlich ist es eine Gefahrenabwehr.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Dr. von Notz, Bündnis 90/Die Grünen, noch einmal.

Dr. Konstantin Notz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004123, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, ich will noch einmal auf das Argument „Das ist eine Maßnahme, die man jetzt durchführen kann, und alles, was wir machen, hilft“ eingehen. Ich stimme Ihnen zu: Wir sind in einer schwierigen Situation. Ich bin deshalb der Meinung, dieses Parlament sollte sich mit effektiven Maßnahmen beschäftigen. Im Hinblick auf die Effektivität dieser Maßnahme ist unsere Wahrnehmung offensichtlich unterschiedlich. Mir erscheint es sehr viel sinnvoller, auf europäischer Ebene zu einheitlichen Standards zu kommen und das Schengener Informationssystem zu vereinheitlichen. Das dauert zwar seine Zeit, aber es ist dringend; denn die Lage ist so, wie sie ist. Stattdessen beschäftigen wir uns jetzt mit einem Gesetz zum Passentzug. Deshalb frage ich Sie, ob Sie in einer so interessanten Fragestunde, deren Anfang ich tatsächlich verpasst habe, nicht auch zu dem Ergebnis kommen, dass dieses Haus sich lieber mit effektiveren Maßnahmen beschäftigen sollte.

Not found (Minister:in)

Nein. Man soll das eine tun und das andere nicht lassen. Richtig ist, dass europäische Maßnahmen sehr wichtig sind. Wenn Sie das auch so sehen, dann möchte ich Sie sehr herzlich bitten, mit der Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament zu sprechen, damit wir insbesondere beim Passagierdatenabkommen und auch beim Thema Änderung des Schengener Informationssystems auf die breite Zustimmung der Grünen zu diesen sehr wichtigen Maßnahmen setzen können. ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Letzte Frage zu diesem Themenkomplex: die Abgeordnete Ulla Jelpke, Fraktion Die Linke.

Ulla Jelpke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001023, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke, Herr Präsident. - Herr Minister, ich glaube, alle in diesem Hause sind sich der Lage bewusst. Aber es geht darum, gesetzliche Schnellschüsse zu verhindern. Sie haben eben bei einer Antwort den Eindruck erweckt, als wenn es sich um bereits überführte Straftäter handelt. Der Gesetzentwurf, der heute im Kabinett beschlossen wurde, richtet sich vor allen Dingen gegen Personen bzw. Dschihadisten, die unter Verdacht stehen, eine Straftat begehen zu können oder vorbereiten zu wollen. Deswegen ist meine Frage: Warum wird in diesen Fällen kein Richter eingeschaltet? Es müssen doch sehr viele Anhaltspunkte vorhanden sein, damit das Vorgehen gerechtfertigt ist, damit Grundrechte nicht zu Unrecht geschliffen werden. Sind Sie sich darüber bewusst, welche diffamierenden Möglichkeiten es dabei gibt? Sie wissen selbst: Wenn man zur Bank geht oder eine Wohnung mieten will, dann muss man einen Ausweis vorlegen. Welche Folgen hätte das möglicherweise für Leute, die unschuldig in dieses Verfahren hineingeraten?

Not found (Minister:in)

Herr Präsident, ich bitte um Verständnis, wenn ich jetzt eine Antwort wiederhole; denn die Abgeordnete Jelpke konnte noch nicht hier sein, als ich diese beiden Fragen schon einmal beantwortet habe. Zu der ersten Frage will ich noch einmal sagen: Wenn Sie der Auffassung sind, dass wir hierfür einen Richtervorbehalt oder anderes vorsehen sollten, dann müssten Sie eine Änderung des Passgesetzes beantragen. Denn bereits jetzt kann der Pass durch eine Verfügung der Ausländerbehörde entzogen werden, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet ist. Das ist ein sehr weiter Tatbestand. Wir machen nicht mehr und nicht weniger, als diesen Tatbestand, was den Personalausweis betrifft, einzuschränken. Denn auch nach jetziger Gesetzeslage gilt bereits, dass mit der Entziehung des Passes der Geltungsbereich des Personalausweises auf die Bundesrepublik Deutschland beschränkt ist. Wir ändern das im Grunde nur dahin gehend, dass das im Personalausweis sichtbar gemacht wird, damit beim Versuch einer Ausreise für alle klar ersichtlich ist, dass dieser Ausweis nicht zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland berechtigt. Mein Mitleid gegenüber Dschihadisten ist im Übrigen nicht übergroß. ({0}) Insofern finde ich die Gleichbehandlung von Pass- und Personalausweisentziehung verhältnismäßig. Wenn das, was beim Pass erlaubt ist, in engerer Form auch beim Personalausweis Anwendung finden darf, kann ich einen zusätzlichen Grundrechtseingriff nicht erkennen. Der letzte Punkt ist - auch das habe ich gesagt, als Sie noch nicht hier sein konnten -: Wenn Sie im Urlaub auf Mallorca Ihren Personalausweis verlieren, dann bekommen Sie schon jetzt einen solchen Ersatz-Personalausweis. Wenn Sie sich nach dem Urlaub irgendwo ausweisen müssen, bevor Sie einen Reiseausweis als Passersatz haben - denn die Bundesdruckerei braucht dafür ein paar Wochen -, dann sind Sie doch genauso stigmatisiert. Wir haben deswegen den Ersatz-Personalausweis optisch weitestgehend genauso gestaltet wie das Ersatzpapier im Verlustfall, sodass wir den Stigmatisierungsverdacht auf ein Minimum reduziert haben.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Schönen Dank. Gibt es andere Fragen zu Themen der Kabinettssitzung oder sonstige Fragen an die Bundesregierung? Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Regierungsbefragung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde Drucksache 18/3710 Die Frage 14 des Abgeordneten Harald Ebner wurde durch die Bundesregierung nachträglich dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern zugeordnet und wird nach Frage 18 aufgerufen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Vizepräsident Peter Hintze Die Frage 1 der Abgeordneten Renate Künast wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Frage 2 des Abgeordneten Oliver Krischer und die Frage 3 des Abgeordneten Richard Pitterle werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Anette Kramme bereit. Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Markus Kurth, Bündnis 90/Die Grünen, auf: Welche jährlichen Kosten würden der Deutschen Rentenversicherung entstehen, wenn sich die Rentenbeitragszahlung für Altersrentnerinnen und -rentner, die einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen - geringfügige Beschäftigung ausgenommen -, künftig rentensteigernd auswirken würde, und welche jährlichen Kosten würden der Bundesagentur für Arbeit entstehen, wenn die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für Altersrentnerinnen und -rentner abgeschafft würden? Frau Staatssekretärin Kramme, bitte.

Anette Kramme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003162

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Herr Kurth, Sie haben Ihre Fragestellung in zwei Teilfragen untergliedert. Zuerst zum Bereich der Rentenversicherung. Die diesbezügliche Frage können wir nicht beantworten, da wir die genaue Ausgestaltung eines möglichen Modells nicht kennen. Nun zur Frage betreffend die Arbeitslosenversicherung. Legt man Ihre Annahmen zugrunde, ist davon auszugehen, dass der Arbeitslosenversicherung Einnahmen in Höhe von bis zu 80 Millionen Euro verloren gehen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Abgeordneter, wünschen Sie eine Zusatzfrage?

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, gerne.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Bitte schön.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es ist traurig, dass es noch nicht einmal Modellrechnungen gibt, aus denen hervorgeht, welche jährlichen Kosten der Deutschen Rentenversicherung entstehen würden, wenn sich die Rentenbeitragszahlungen für Rentner, die einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, künftig rentensteigernd auswirken würden. Wenn ich aber die Berichterstattung zur Koalitionsarbeitsgruppe betreffend flexible Rentenübergänge richtig verfolgt habe, dann sollen die von dieser Arbeitsgruppe erarbeiteten Vorschläge nicht zu Mehrkosten führen. Ist vor diesem Hintergrund der von der Union eingebrachte Vorschlag betreffend den Flexi-Bonus nicht ohnehin völlig obsolet?

Anette Kramme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003162

Es handelt sich um eine Arbeitsgruppe der Koalitionsfraktionen, an der das Arbeitsministerium beteiligt ist. Die Arbeitsergebnisse dieser Arbeitsgruppe werden abzuwarten sein, bevor ein entsprechender Gesetzgebungsprozess in Gang gesetzt wird und wir Berechnungen in der Tiefe anstellen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Eine Zusatzfrage? - Bitte schön.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wird die Bundesregierung, wenn diese Koalitionsarbeitsgruppe zu keinen Ergebnissen kommt, eigene Vorschläge unterbreiten, oder mutiert sie quasi zum passiven Klotz der Rentenpolitik?

Anette Kramme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003162

Man muss als Hintergrund den ursprünglichen Koalitionsvertrag sehen, in dem verabredet ist, Lösungsvorschläge für flexible Rentenübergänge zu prüfen und gegebenenfalls auszugestalten. Wie Sie wissen, wird die Koalition einerseits durch die SPD-Fraktion und andererseits durch die Unionsfraktion getragen. Es wird daher zu beachten sein, ob es Arbeitsergebnisse geben wird und wie diese gegebenenfalls aussehen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Es gibt keine weiteren Fragen dazu. Dann kommen wir zu Frage 5 des Abgeordneten Markus Kurth, Bündnis 90/Die Grünen: Inwiefern haben nach Ansicht der Bundesregierung ältere Beschäftigte schon heute die Möglichkeit, sofern sie dies selbst wünschen und körperlich können, über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus zu arbeiten, und in welchem Maße nehmen Arbeitgeber die durch das Rentenpaket ermöglichte Option wahr, Arbeitsverträge nicht mehr automatisch mit dem Erreichen des Regeleintrittsalters zu beenden? Frau Staatssekretärin, bitte.

Anette Kramme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003162

Herr Kurth, auch hier stellen Sie zwei Teilfragen. Zuerst zur Frage, ob ältere Beschäftigte schon heute, sofern sie das selbst wünschen und dazu körperlich in der Lage sind, die Möglichkeit haben, über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus zu arbeiten: Ja, selbstverständlich können sie dies tun. Nun zur zweiten Teilfrage, die sich wahrscheinlich auf die Neuregelung des § 41 SGB VI bezieht: Über die tatsächliche Nutzung der Gestaltungsmöglichkeiten aufgrund der Neuregelung haben wir noch keinerlei Erkenntnisse.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Mögen Sie eine Zusatzfrage stellen, Herr Abgeordneter Kurth?

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Bitte schön.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die Erkenntnisarmut der Bundesregierung in diesem Fall ist außerordentlich bedauerlich. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat bezüglich der Weiterbeschäftigung nach Erreichen der Altersgrenze erst jüngst dargelegt, dass es erhebliche finanzielle Anreize gibt, wenn man über das gesetzliche Regelalter hinaus arbeiten will, und hält insofern zusätzliche finanzielle Anreize für das Arbeiten jenseits der Regelaltersgrenze für überflüssig. Andererseits befürwortet es beim Kündigungs- und Befristungsrecht, also im arbeitsrechtlichen Bereich, Eingriffe. Meines Wissens befürwortet das auch der Wirtschaftsflügel der Union. Was hält eigentlich die Bundesregierung von arbeitsrechtlichen Einschnitten an den Stellen, die ich genannt habe?

Anette Kramme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003162

Ich kann Ihnen nur noch einmal die Antwort geben, die ich Ihnen gerade schon gegeben habe: Das Ganze ist Diskussionsgegenstand einer Arbeitsgruppe zweier Koalitionspartner, einerseits der SPD-Fraktion und andererseits der Unionsfraktion. Wir werden die Arbeitsergebnisse abwarten und dann in einen etwaigen Gesetzgebungsprozess einsteigen. Eigenständige Planungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Schaffung von neuen Befristungsregelungen liegen derzeit nicht vor.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Mögen Sie noch eine Zusatzfrage stellen, Herr Abgeordneter Kurth?

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, weil ich erneut, wie bedauerlicherweise auch schon in der Fragestunde in der vergangenen Sitzungswoche im letzten Jahr, keine richtige Antwort auf meine Frage erkennen kann. - Ich habe nicht nach den Ergebnissen der Koalitionsarbeitsgruppe in diesem Fall gefragt, sondern nach der Haltung der Bundesregierung, arbeitsrechtliche Einschränkungen beim Kündigungsschutz und bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen von Personen zu machen, die jenseits der Regelaltersgrenze arbeiten. Sie müssen doch zumindest eine Meinung zu einem bestimmten Vorschlag haben. Ich habe extra einen Vorschlag des Instituts der deutschen Wirtschaft und nicht einen der Koalitionspartner genannt, um Ihnen die Beantwortung der Frage möglicherweise zu erleichtern.

Anette Kramme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003162

Ganz herzlichen Dank, Herr Kurth, für diese Möglichkeit. Dennoch: Arbeitsgrundlage der Regierung ist selbstverständlich der Koalitionsvertrag, in dem steht, dass flexible Übergänge in die Rente überprüft werden. Zu dieser Detailfrage gibt es keine abgestimmte Position der Regierung. ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die Fragen 6 und 7 der Abgeordneten Sabine Zimmermann werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Die Frage 8 des Abgeordneten Harald Ebner wird schriftlich beantwortet. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter bereit. Ich rufe die Frage 9 der Abgeordneten Dr. Julia Verlinden, Bündnis 90/Die Grünen, auf: Wird die von der Bundesregierung geplante unabhängige Expertenkommission zum Fracking, die im Einzelfall prüfen soll, ob eine kommerzielle Fracking-Aktivität in Schieferoder Kohleflözgesteinen oberhalb von 3 000 Metern Tiefe in einer bestimmten Lagerstätte als unbedenklich einzustufen ist, auch zu Fracking-Erprobungsmaßnahmen in Schiefer- oder Kohleflözgesteinen oberhalb von 3 000 Metern Tiefe Stellung beziehen, oder soll die Prüfung im Fall von Erprobungsmaßnahmen in solchen Lagerstätten ausschließlich durch die zuständigen Behörden erfolgen und somit auch bereits vor der Einsetzung der Expertenkommission ausdrücklich möglich sein? Frau Staatssekretärin, bitte.

Rita Schwarzelühr-Sutter (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003847

Frau Kollegin Dr. Verlinden, die unabhängige Expertenkommission soll Erprobungsmaßnahmen im Schiefer- oder Kohleflözgestein oberhalb von 3 000 Metern wissenschaftlich begleiten und auswerten sowie hierzu und zum Stand der Technik Erfahrungsberichte zum 30. Juni eines Jahres, beginnend mit dem 30. Juni 2018, erstellen; sie wirkt aber nicht bei der Zulassung dieser Erprobungsmaßnahmen mit. Die zuständige Landesbehörde kann ausnahmsweise eine wasserrechtliche Erlaubnis für kommerzielle Fracking-Maßnahmen nur erteilen, wenn ein positives Votum der Expertenkommission auf der Grundlage der genannten Berichte vorliegt.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Mögen Sie eine Zusatzfrage stellen, Frau Dr. Verlinden?

Dr. Julia Verlinden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004429, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Bitte schön.

Dr. Julia Verlinden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004429, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. - Wenn dem nicht so ist, wenn also die Expertenkommission nicht schon bei den Probebohrungen dahin gehend zurate gezogen wird, ob sich diese ohne gravierende Auswirkungen durchführen lassen, dann heißt das theoretisch, dass diese Probebohrungen oberhalb von 3 000 Metern im Schiefergestein schon relativ bald beantragt werden könnten, also dann, wenn das Gesetz in Kraft tritt. Sehe ich das richtig? Wann wird dieses Gesetz in Kraft treten, und für wann rechnen Sie mit den ersten Probebohrungen?

Rita Schwarzelühr-Sutter (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003847

Damit Probebohrungen erfolgen können, muss erst einmal ein genehmigter Antrag vorliegen; das ist logisch. Bis dahin muss der Gesetzentwurf verabschiedet sein. Die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs wird in diesem Jahr erfolgen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Möchten Sie noch eine Zusatzfrage stellen, Frau Dr. Verlinden?

Dr. Julia Verlinden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004429, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gerne.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Bitte schön.

Dr. Julia Verlinden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004429, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das heißt, die ersten Probebohrungen könnten theoretisch relativ bald beantragt werden. Die Bundesregierung behauptet ja immer wieder, dass es ihr wichtig ist, dass die Entscheidungen der Behörden vor Ort eine größere Relevanz bekommen. Viele Menschen möchten, dass vor Ort mehr Einfluss auf solche Entscheidungen genommen werden kann. Wenn die Expertenkommission, die Sie mit der Verabschiedung des Fracking-Gesetzes einrichten wollen, in einem ganz konkreten Fall mehrheitlich einen Antrag auf kommerzielles Fracken - diese Expertenkommission entscheidet ja mit Mehrheit; so ist es zumindest in Ihrem Referentenentwurf vorgesehen - für unbedenklich hält, mit welcher Begründung könnte dann die vor Ort zuständige Behörde einen solchen Antrag überhaupt ablehnen? Wäre das überhaupt möglich, oder muss sich die Behörde dem Mehrheitsvotum dieser Expertenkommission anschließen, weil ihr juristisch wenig Handhabe bleibt, diesen Antrag abzulehnen?

Rita Schwarzelühr-Sutter (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003847

Ich möchte einfach noch einmal betonen, dass vor Ende 2018 kein kommerzielles Fracking stattfindet; das ist klar. Hinsichtlich der Erprobungsmaßnahmen habe ich Ihnen gerade erklärt, dass das wissenschaftliche Expertengremium diese Maßnahmen begleitet und auswertet und ab 2018 einen Bericht erstellt. Wenn es zu Erprobungsmaßnahmen kommt, dann sind natürlich immer die Landesbehörden bzw. die Wasserbehörden diejenigen, die zuständig sind. Ich wiederhole: Es sind immer die Landesbehörden bzw. die Wasserbehörden zuständig. Die Zulassungsbehörden sind an das Urteil der Expertenkommission nicht gebunden. Die Empfehlung der Experten muss bei der Zulassungserteilung vorliegen. Sie wird der Zulassungsbehörde helfen, die grundsätzliche Eignung der geologischen Formation für ein normales Fracking zu beurteilen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Danke schön. - Die Frage 10 der Abgeordneten Kotting-Uhl wird schriftlich beantwortet. Auch die Frage 11, ebenfalls der Abgeordneten Kotting-Uhl, wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Die Frage 12 des Abgeordneten Oliver Krischer wird schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 13 der Abgeordneten Sevim Dağdelen. Wie zu Beginn der Fragestunde mitgeteilt, wird Frage 14 des Abgeordneten Harald Ebner nach Frage 18 aufgerufen. Die Frage 15 der Abgeordneten Heike Hänsel wird ebenfalls schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung der Fragen steht Staatsministerin Professor Dr. Maria Böhmer bereit. Die Frage 16 der Abgeordneten Heike Hänsel wird schriftlich beantwortet. Die Frage 17 des Abgeordneten Niema Movassat wird ebenfalls schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Andrej Hunko, Fraktion Die Linke, auf: Welchen Stand hat die seit acht Monaten ausstehende Beantwortung eines Fragenkataloges der Bundesregierung an die US-Regierung zur Beteiligung von US-Anlagen in Ramstein oder Stuttgart am US-Drohnenkrieg, an die das Auswärtige Amt angeblich zunächst „fortgesetzt“, dann „eindringlich“ und „mit Nachdruck“ und mittlerweile „fortgesetzt eindringlich“ erinnern muss ({0}), obwohl die zuständige Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Dr. Maria Böhmer, mir im Juli 2014 eine Antwort auf meine mündliche Frage 3, Plenarprotokoll 18/45 „innerhalb weniger Wochen“ versprach, und welche Fragenkataloge an die USA wurden seit dem Jahr 2012 überhaupt beantwortet bzw. nicht beantwortet ({1})? Frau Staatsministerin, bitte.

Not found (Gast)

Ich darf die Frage wie folgt beantworten: Die in dem Fragenkatalog enthaltenen Fragen sind Gegenstand von laufenden vertraulichen Gesprächen mit der amerikanischen Regierung. Zur Frage einer möglichen Beteiligung in Deutschland stationierter amerikanischer Streitkräfte an bewaffneten Einsätzen unbemannter Flugzeuge ist dem Auswärtigen Amt kein weiterer Fragenkatalog der Bundesregierung bekannt.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Mögen Sie eine Zusatzfrage stellen, Herr Abgeordneter Hunko?

Andrej Hunko (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004060, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Bitte.

Andrej Hunko (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004060, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Böhmer. - Ich habe nicht nach einem weiteren Fragenkatalog gefragt, sondern nach dem Fragenkatalog, den Sie der US-amerikanischen Seite vorgelegt haben. Seit acht Monaten sind die Antworten darauf ausständig. Sie haben mir hier noch vor einigen Monaten gesagt, Sie rechneten in Kürze - von „wenigen Wochen“ war die Rede - mit einer Antwort. Ich muss mich jetzt doch sehr wundern, dass es offenbar immer noch keine Antwort gegeben hat, jedenfalls keine Antwort, die in irgendeiner Form der Öffentlichkeit zugänglich ist. Meine Nachfrage: Wie steht es konkret um den Fragenkatalog, den Sie vor acht Monaten der US-amerikanischen Seite vorgelegt haben? Die Beantwortung der darin enthaltenen Fragen haben Sie hier noch vor einigen Monaten „innerhalb weniger Wochen“ in Aussicht gestellt.

Not found (Gast)

Ich hatte damals gesagt - Sie haben es eben zitiert -, dass die Beantwortung einige Wochen dauern werde. In der Tat sind mittlerweile mehr als einige Wochen vergangen, und wir bemühen uns nach wie vor.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hunko?

Andrej Hunko (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004060, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich möchte jetzt trotzdem noch einmal meine Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen. Es geht ja nicht um irgendwas, sondern es geht um die Beteiligung Deutschlands an den rechtswidrigen Drohnenkriegen der USA, und zwar über Ramstein, wo die deutsche Seite, wenn man den ehemaligen Drohnenpiloten Glauben schenken kann, mitverantwortlich ist, weil Ramstein als Relaisstation genutzt wird. Es ist also nicht so, dass von dort die Drohnen fliegen würden oder befehligt würden, aber Ramstein ist ein untrennbarer Bestandteil dieses Drohnenkrieges. Finden Sie es nicht auch höchst misslich, dass die deutsche Öffentlichkeit über viele Monate hinweg keine Antwort kriegt, was diesen Drohnenkrieg und die Rolle von Ramstein angeht?

Not found (Gast)

Herr Kollege Hunko, es ist nicht das erste Mal, dass wir uns zu diesem Thema austauschen. Sie haben schriftlich und mündlich auch entsprechend nachgehakt. Vor dem Hintergrund verstehe ich, dass Sie jetzt erneut nachfragen. Aber ich kann Ihnen heute keine andere Auskunft geben.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Damit sind wir mit diesem Geschäftsbereich durch. Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Professor Dr. Günter Krings bereit. Die Frage 14 des Abgeordneten Harald Ebner - sie sollte an dieser Stelle aufgerufen werden - wird schriftlich beantwortet. Jetzt kommen wir zur Frage 19 des Abgeordneten Andrej Hunko, Fraktion Die Linke: Was ist im Einzelnen damit gemeint, wenn die Bundesregierung in ihrer Digitalen Agenda unter der Überschrift „Mehr Sicherheit im Cyberraum“ davon spricht, im Bundeskriminalamt das Cybercrime Center weiter auszubauen und die Bearbeitung „phänomenübergreifender Internetaktivitäten“ zusammenzufassen, und auf welche konkrete Art und Weise soll auch die Bundespolizei, wie erwähnt, von einer „strategischen Neuausrichtung der Cyber-Sicherheitsarchitektur“ und einer „besseren Ausstattung der Sicherheitsbehörden in technischer und personeller Hinsicht“ im Bereich „Cybercrime, Cyberspionage und Cybersecurity“ profitieren ({0})? Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Lieber Herr Hunko, der weitere Ausbau des Cybercrime Center im Bundeskriminalamt bezieht sich auf den bereits 2013 begonnenen Ausbau der Referatsgruppe SO 4 „Cybercrime“, die aus dem Referat SO 41, das schon vorher bestand, hervorgegangen ist, um auf die weiter stark steigenden Fallzahlen und die zunehmende Professionalisierung der Täter in diesem Phänomenbereich angemessen reagieren zu können. Die strategische Neuausrichtung der Cyber-Sicherheitsarchitektur ist ein Ziel der Bundesregierung für die gesamte 18. Legislaturperiode. Die Überprüfung der Rollen, Strukturen und Fähigkeiten der mitwirkenden Organisationen und Einrichtungen wird dann auch alle Sicherheitsbehörden einbeziehen. Konkrete Maßnahmen sind hier noch nicht überall geplant.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hunko? - Das ist nicht der Fall. Die Frage 20 des Abgeordneten Volker Beck wird schriftlich beantwortet. Im letzten Moment erscheint die nächste Fragestellerin, die Abgeordnete Martina Renner. Wir waren einen Vizepräsident Peter Hintze Millimeter davor, schon zur nächsten Frage voranzuschreiten. - Ich rufe also die Frage 21 der Abgeordneten Renner auf: Wie viele Waffen haben Bundesbehörden, insbesondere Zoll, Bundespolizei und Bundeskriminalamt, BKA, seit dem 1. Januar 2012 bei Islamisten und Rückkehrern aus Syrien, Afghanistan, Pakistan und Irak festgestellt und beschlagnahmt? Herr Staatssekretär, bitte.

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Renner, gestatten Sie mir, die Fragen 21 und 22 zusammen zu beantworten, da sie in unmittelbarem fachlichen Zusammenhang stehen? Ich glaube, das darf ich, Herr Präsident.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Dann haben Sie vier Zusatzfragen, Frau Renner, und der Herr Staatssekretär beantwortet die beiden Fragen zusammen. So machen wir es. - Ich rufe also auch noch die Frage 22 der Abgeordneten Renner auf: Welche Waffen haben Bundesbehörden, insbesondere Zoll, Bundespolizei und BKA, seit dem 1. Januar 2012 bei Islamisten und Rückkehrern aus Syrien, Afghanistan, Pakistan und Irak festgestellt und beschlagnahmt?

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Das klingt nach einem fairen Deal. Nach Kenntnis der Bundesregierung sind in dem nachgefragten Zeitraum in zwei Fällen im Jahr 2013 im Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren des Bundeskriminalamts gegen Islamisten im Inland - also keine Rückkehrer - Waffen beschlagnahmt worden. Dabei handelte es sich um eine Schusswaffe der Marke Beretta sowie um einen als Handy getarnten Elektroschocker, der Stromstöße bis zu 1 200 Kilovolt erzeugt. Der Elektroschocker besaß kein Prüfzeichen der PhysikalischTechnischen Bundesanstalt und gilt daher gemäß § 2 Absatz 2 bis 4 des Waffengesetzes als verbotene Waffe. Darüber hinaus konnte der Zoll seit 2012 in insgesamt drei Fällen Waffenteile sicherstellen, bei deren Benutzung ein islamistischer Hintergrund eindeutig erkennbar war. Im Einzelnen handelte es sich bei der Einfuhr nach Deutschland um eine Zielvorrichtung und bei der Ausfuhr aus Deutschland um insgesamt neun Zielvorrichtungen für Gewehre und Sturmgewehre, 183 Magazine für Sturmgewehre, 35 Magazine für Pistolen sowie 14 weitere Waffenteile.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Frau Renner, Sie müssen übrigens die Zahl Ihrer möglichen Zusatzfragen nicht ausschöpfen, aber Sie dürfen es. Bitte schön.

Martina Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004385, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Herr Präsident. - Zu den vom Zoll beschlagnahmten Waffen, diesen Zielvorrichtungen für Sturmgewehre, habe ich die Frage, ob diese bei Grenzkontrollen oder im Zusammenhang mit Kontrollen an Flughäfen sichergestellt wurden. Wenn ich dann gleich eine zweite Frage anschließen darf: Welche Kenntnisse hat denn die Bundesregierung zu möglichen Waffenmitnahmen aus den Krisen- und Kriegsregionen durch Foreign Fighters in die Bundesrepublik, wie zum Beispiel einer Einreise in die Bundesrepublik über die normale Transitstrecke via Türkei, Bulgarien, also nicht erneut über den Flugweg? Und gibt es spezielle Kontrollen an den Grenzen hinsichtlich der Feststellung von illegalen Waffenexporten bzw. -importen aus dem Bereich des Dschihadismus? Hintergrund der Frage - ich will es einfach noch einmal erläutern -: Wir reden ja bei dem schlimmen Attentat in Paris über Sturmgewehre, also Waffen, die sozusagen schon durch ihre Größe und Bauart doch irgendwie schwerer zu besorgen sind und vor allem auch schwerer an Kontrollstellen vorbeizubringen sind. Wie geht man eigentlich mit der Problematik „mögliche Waffenmitnahme durch rückkehrende Foreign Fighters“ seitens der Sicherheitsbehörden um?

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Vielen Dank. - Die erste Frage kann ich nicht endgültig und absolut zweifelsfrei beantworten. Nach dem, was ich mir bisher habe sagen lassen, gehe ich davon aus, dass es sich in der Tat um Flugreisende handelt, die da ausgereist sind und bei denen Waffenteile - ein Fall ging auch durch die Medien - und auch Waffen gefunden worden sind. In zwei der genannten Fälle müssten wir es noch einmal endgültig verifizieren, wenn Sie es genau wissen wollen. Mit Ihrer zweiten Frage haben Sie ja im Prinzip schon den richtigen Einstieg gefunden, nämlich dass es in der Tat faktisch nicht um Flugreisende gehen kann; denn natürlich wird auch in Flughäfen außerhalb von Deutschland und auch außerhalb des Schengen-Raumes Fluggepäck durchleuchtet. Wir wissen, dass auch dabei nicht alles gefunden wird. Aber natürlich wissen diejenigen, die etwas mitbringen wollen, dass die Wahrscheinlichkeit nicht gering ist, dass im Flugverkehr Waffen und gerade auch solche großen Waffen entdeckt werden. Da aber die meisten dieser Reisebewegungen offenbar im Flugverkehr erfolgen, gehen wir davon aus, dass da eine Mitnahme nicht stattfindet. Im Übrigen haben wir ja praktisch keine relevanten Landgrenzen, wo die deutsche Bundespolizei so etwas in eigener Regie auffinden könnte. Solche Waffen kommen ja, wie Sie schon beschrieben haben, über andere Staaten hinein. Ich kann Ihnen hier und heute ad hoc nicht beantworten, wie im Schengen-Verbund die Kontrollen verstärkt worden sind oder noch verstärkt werden, um so etwas auszuschließen. Es ist aber sicherlich ein wichtiges Thema, und wir müssen schauen, ob wir bei der Sicherung der Schengen-Außengrenzen noch nachsteuern müssen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Haben Sie noch eine Frage? - Bitte schön.

Martina Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004385, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Das wäre dann auch die letzte. - Wir wissen ja zum Beispiel aus dem Bereich des Rechtsterrorismus, dass sich die entsprechenden Gruppierungen europaweit, zum Teil auch über dieselben Wege, Waffen beschaffen oder auch mit Sprengstoff versorgen. Gibt es einen speziellen Austausch mit anderen europäischen Ländern beim Auffinden von illegalen Waffen oder Sprengstoff im Bereich des Dschihadismus, in dessen Rahmen man sich verständigt: Wo kommen die Waffen oder der Sprengstoff her, und gibt es möglicherweise größere Lieferungen, die vielleicht an mehrere Empfänger in verschiedenen Ländern gegangen sind? Wird also dieses Thema „Waffenund Sprengstoffbesitz“ auch im Informationsaustausch zwischen den europäischen Ländern dezidiert als Extrathema behandelt?

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Ein Informationsaustausch zwischen den Polizeibehörden - auch zwischen den Nachrichtendiensten - innerhalb von Europa ist ganz entscheidend und umfasst natürlich auch solche Fragen, woher Waffen kommen. Ob es da jetzt ein eigenes Programm oder einen eigenen Jour Fixe gibt, kann ich Ihnen ad hoc nicht beantworten. Dieses Thema, wie Waffenlieferungen und Waffendistributionen an der Stelle funktionieren, ist aber ein ganz wesentlicher Teil des Informationsaustausches. Wenn Sie es noch genauer wissen möchten, können wir an der Stelle gerne noch im Gespräch bleiben.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Schönen Dank. - Dann kommen wir zur Frage 23 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen: Über wie viele Personen aus Deutschland mit vermutetem Bezug zum Islam - vor allem in Richtung Irak bzw. Syrien wohl zum Kampf Ausgereiste - übermittelten Behörden des Bundes - oder der Länder nach Kenntnis der Bundesregierung - seit dem Jahr 2013 auch eigeninitiativ Informationen an US-amerikanische Sicherheitsbehörden - bitte nach Absender- bzw. Empfängerbehörde, Zahl und Art der Datensätze, Ausgereiste/nicht Ausgereiste aufschlüsseln -, deren Antiterrorismus-Zentrum NCTC - National Counterterrorism Center eine Datenbank mit bereits 15 000 mutmaßlichen IS-Kämpfern führt ({0}), und nach je welchen Kriterien wählten deutsche Behörden diese Personen sowie die über sie übermittelten Datenarten aus? Herr Staatssekretär, bitte.

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Vielen Dank. - Das ist ja eine ganz nette Koinzidenz, dass wir auch bei dieser Frage über Informationsaustausch sprechen, nachdem wir ihn gerade noch als besonders wichtig bezeichnet haben. In Ihrer Frage geht es natürlich um Informationen über Personen. Die Erarbeitung der Antwort war allerdings gar nicht so einfach. Die Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische Stellen gehört natürlich gemäß gesetzlicher Aufgabenzuweisungen zum Kerngeschäft deutscher Sicherheitsbehörden. Wir haben gerade bei den furchtbaren Vorfällen in Frankreich in der letzten Woche noch einmal gesehen, wie wichtig dieser Austausch ist. Personendaten werden nach den gesetzlichen Übermittlungsvorschriften übermittelt. Soweit die Bundessicherheitsbehörden im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung entsprechend den gesetzlichen Übermittlungsbefugnissen Informationen an ausländische Partnerbehörden weitergeben, wird stets den datenschutzrechtlichen Vorgaben Rechnung tragen und diese mit dem Hinweis versehen, dass diese Informationen nur zu polizeilichen bzw. nachrichtendienstlichen Zwecken übermittelt werden. Hierzu sind das Bundeskriminalamt gemäß § 14 Absatz 7 des BKA-Gesetzes und das Bundesamt für Verfassungsschutz gemäß § 19 Absatz 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes verpflichtet. Entsprechendes gilt für den Bundesnachrichtendienst gemäß § 9 Absatz 2 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst. Diese Normen schreiben den jeweiligen Behörden vor, den Empfänger der Information darauf hinzuweisen, dass die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm auch übermittelt wurden. Alle Datenübermittlungen werden vorab sorgfältig geprüft. Die möglichen Auswirkungen für den Betroffenen werden dabei im Rahmen einer Einzelfallprüfung berücksichtigt. Es handelt sich hierbei um eine Einzelfallbearbeitung, bei der keine statistische Erhebung erfolgt, weil wir keine Listen oder Ähnliches übermitteln. Das quantitative Ausmaß des Austausches personenbezogener Daten wird statistisch nicht gesondert erfasst und ist daher nicht nach dem Empfänger auswertbar. Eine händische Sichtung - das wäre die Alternative der entsprechenden Fall- und Sachakten wäre dazu erforderlich. Diese Sichtung hätte sich angesichts der potenziellen Übermittlungswege auf die Unterlagen, auf die Verbindungsbeamten der betroffenen Sicherheitsbehörden der Vereinigten Staaten sowie auf die Informationswege im Rahmen des polizeilichen Informationsaustausches wie etwa im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit zu erstrecken. Mithin würde sich eine entsprechende retrograde Datensicherung etwa im Falle des Bundeskriminalamtes auf Datenbestände einer Vielzahl von Organisationseinheiten der Abteilung „Polizeilicher Staatsschutz“, aber auch der Abteilung „Zentrale kriminalpolizeiliche Dienste“, zum Beispiel in Fahndungsfällen, erstrecken. Unberücksichtigt blieben Datenbestände, die aufgrund von gesetzlichen Löschungsfristen keiner Auswertung zugänglich sind, etwa im Falle von Gefahrenabwehrvorgängen, bei denen sich der Sachverhalt nicht bestätigt hat und entsprechende Datenbestände gemäß gesetzlicher Vorschriften gelöscht wurden. Bezogen auf polizeiliche Aktenbestände ist ferner zu berücksichtigen, dass ein Teil der Ermittlungsakten bereits an die sachleitenden Staatsanwaltschaften bzw. Justizbehörden übergeben wurde. Ich kürze es etwas ab. Ich kann Ihnen aber einen positiven Bescheid geben. Für den von Ihnen nachgefragten Sachverhalt in Bezug auf Syrien und Irak konnte jedoch manuell ermittelt werden, dass der BND den gesetzlichen Bestimmungen folgend seit 2013 personenbezogene Daten zu 220 Personen aus Deutschland mit vermutetem Bezug zum islamistischen Terrorismus an die NSA übermittelt hat. Diese Übermittlungen betrafen mutmaßliche Mitglieder oder Unterstützer ausländischer terroristischer Vereinigungen in Syrien oder im Irak. Sämtliche betroffene Personen befinden sich im Krisengebiet Syriens und Iraks bzw. sind auf dem Weg dorthin.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Mögen Sie eine Zusatzfrage stellen, Herr Abgeordneter Ströbele?

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. Danke, Herr Präsident. - Die nächste Frage ist auch noch einmal dazu geeignet, Licht hinsichtlich der Verwendung des Wortes „Sicherheit“ hineinzubringen. Zu den Zahlen. Ich habe nach den Zahlen seit 2013 gefragt. Hier sagen Sie, wenn ich es richtig verstanden habe, 220.

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Bezogen auf den BND. Wir konnten nur für eine Behörde händisch sichten.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Also nur Bundesnachrichtendienst. Ich entnehme Ihrer Antwort, dass Sie die Zahlen für das Bundesamt für Verfassungsschutz oder das Bundeskriminalamt nicht kennen oder nicht ermitteln können.

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Ich habe gerade ausführlich berichtet, wo die Schwierigkeiten lagen.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Also gibt es gar keine Zahlen?

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Eine händische Sichtung der entsprechenden Fallund Sachakten wäre dazu erforderlich. Diese Sichtung hätte sich angesichts der potenziellen Ermittlungswege auf die Unterlagen, auch auf die Verbindungsbeamten der betroffenen Sicherheitsbehörden in den Vereinigten Staaten sowie Informationswege im Rahmen des polizeilichen Informationsaustausches wie etwa im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit zu erstrecken. Ich habe ausführlich dargestellt, warum es aus unserer Sicht unverhältnismäßig war, diese Zahlen komplett zu ermitteln. Sie haben mit dem für den BND ermittelten Wert, den ich Ihnen genannt habe, einen Anhaltspunkt.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie hätten die Antwort nicht noch einmal wiederholen müssen.

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Vielleicht war ich ja zu schnell.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Damit ist die Sache geklärt. - Das wissen Sie also nicht und können es auch nicht feststellen oder wollen es nicht feststellen. Ich habe aber auch nach den Kriterien gefragt, nach denen sie ausgesucht sind. Haben Sie dazu etwas feststellen können?

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Die Kriterien kann ich Ihnen an dieser Stelle nicht nennen. Wir können einmal schauen, was wir offen kommunizieren können; denn hier bewegen wir uns in Bereichen, die nicht in allen Einzelheiten offen kommuniziert werden können. Ich kann gerne noch einmal nachprüfen, was wir Ihnen ergänzend dazu sagen können.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Dann kommen wir zur Frage 24 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen: Wie schloss die Bundesregierung, als sie US-Sicherheitsbehörden zum Beispiel Handydaten von Personen aus Deutschland mit vermutetem Bezug zum Islam oder Kampfeswunsch in Syrien bzw. im Irak übermitteln ließ ({0}), jeweils sicher aus, dass US-Stellen damit etwa solche deutschen Staatsbürger nach Ortung unter Umständen durch gezielten Drohnenbeschuss töten, und wie viele Datensätze über diesen Personenkreis - etwa anlässlich deren Wiedereinreisen in die EU - erhielten deutsche von US-Sicherheitsbehörden seit dem Jahr 2013, wobei hiesige Empfängerbehörden nicht ausschließen konnten, dass sie selbst diese Daten nicht hätten generieren dürfen wegen deutscher bzw. EU-Beschränkungen zum Datenabgleich? Herr Staatssekretär, bitte.

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Gerne, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ströbele, für die Informationsübermittlung an andere Stellen gelten für die Bundessicherheitsbehörden die gesetzlichen Übermittlungsvorschriften. Demnach sind Übermittlungen zum Zwecke sogenannter gezielter Tötungen ausgeschlossen. Hierauf werden Übermittlungsempfänger durch entsprechende Vorbehaltsund Zweckbindungsklauseln hingewiesen. Die Sicherheitsbehörden des Bundes geben grundsätzlich keine Informationen weiter, die unmittelbar für eine zielgenaue Lokalisierung genutzt werden können. Ergänzend wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke, Drucksache 17/13169, verwiesen. Eine Protokollierung von Übermittlungen personenbezogener Daten von ausländischen Behörden an deutsche Behörden ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Solche Übermittlungen werden je nach Bedeutung des Einzelfalls dokumentiert. Eine statistische Erhebung erfolgt hier nicht. Die Erhebung personenbezogener Daten im Ausland richtet sich nach dem für die ausländischen Behörden geltenden dortigen nationalen Recht. Die Speicherung personenbezogener Daten stellt einen eigenständigen Grundrechtseingriff dar, der deshalb natürlich dem Verhältnismäßigkeitsprinzip unterliegt. Die deutschen Sicherheitsbehörden prüfen daher vor jeder Speicherung personenbezogener Daten, ob die Daten für die Erfüllung der jeweiligen gesetzlichen Aufgaben erforderlich sind.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Abgeordneter Ströbele, haben Sie eine Zusatzfrage dazu?

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. - Herr Staatssekretär, Sie haben natürlich meine Frage genau nicht beantwortet. ({0}) Sie haben nämlich nicht gesagt, wie Sie ausschließen, dass es mithilfe der Daten unter Umständen zu Tötungen kommt. Dass das ausgeschlossen sein soll, ist ja prima; das haben Sie schon auf viele Fragen, die ich in der Vergangenheit gestellt habe, geantwortet. Aber wie geht das? Werden sie gelistet? - Sie kennen wahrscheinlich die neueste Veröffentlichung in der Bild-Zeitung, auf die ich mich sonst gar nicht so gerne beziehe, wonach ganz gezielt Informationen zur Gefangennahme oder Neutralisierung von Personen weitergegeben worden sind, gerade auch vom Bundesnachrichtendienst. Wie können Sie das dann ausschließen?

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

So schlimm ist die Bild-Zeitung eigentlich gar nicht. Den konkreten Bericht kenne ich nicht. Ich habe darauf hingewiesen - das will ich noch einmal hervorheben -, dass wir diejenigen Dienste, die von uns Informationen bekommen und zu denen wir solche Beziehungen pflegen - egal, wo sie nun sind -, darauf hinweisen, zu welchem Zweck - und zwar nur zu diesem Zweck - die Daten verwandt werden können. Natürlich gibt es keine deutsche Rechtsaufsicht über ausländische Nachrichtendienste.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Haben Sie noch eine Zusatzfrage? Es wäre die letzte.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. - Ist Ihnen bekannt, dass diese Personen gelistet werden? - Wenn ich mich recht erinnere, wurde in der Veröffentlichung unter anderem eine Person mit der Nummer viertausendsoundso genannt. Die Daten, die dann gegeben werden, insbesondere Handydaten, werden ganz konkret für solche Kill-Aktionen genutzt, und zwar von Drohnen aus; da ist eine Festnahme nicht möglich, da gibt es nur die Möglichkeit einer Tötung.

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Wir weisen darauf hin, dass die Daten nicht zu diesem Zweck übermittelt werden und auch nicht genutzt werden. Es ist in der Tat so, dass die Amerikaner - Sie haben gerade die USA angesprochen - solche Informationen natürlich aus verschiedenen Quellen erhalten; Informationen von deutschen Behörden sind natürlich nicht die einzigen Informationen. Es kann Fälle geben, in denen den Amerikanern auch aus einer anderen Quelle Informationen zu einer Person zugetragen werden, zu der wir Informationen gegeben haben. Es kann im Einzelfall sein, dass diese Person dann zum Zielobjekt einer solchen Drohne wird. Das ist eine Sache, die wir völkerrechtlich im Einzelfall zu prüfen haben. Nicht alle Drohnenangriffe sind völkerrechtswidrig; es gibt da klare Kriterien. Noch einmal: Von deutschen Behörden werden Daten nicht zum Zweck übermittelt, solche Drohnenangriffe vorzubereiten.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die Frage 25 der Abgeordneten Sevim Dağdelen und die Fragen 26 und 27 des Abgeordneten Dr. André Hahn werden schriftlich beantwortet. Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Ich unterbreche die Sitzung des Bundestages bis 15.35 Uhr. Dann wird der Zusatzpunkt Aktuelle Stunde aufgerufen: Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD haben eine Aktuelle Stunde zum Thema „Bundeshaushalt 2014 ohne neue Schulden“ verlangt. Ich unterbreche bis dahin die Sitzung des Deutschen Bundestages. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Bundeshaushalt 2014 ohne neue Schulden Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Norbert Barthle für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Norbert Barthle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Anfang dieser Woche hat uns das Bundesfinanzministerium bestätigt, dass der Jahresabschluss 2014 ergeben hat, dass wir keine neuen Schulden mehr machen müssen. Das war ein Tag der Freude. Erstmals seit 45 Jahren kann der Bund seine Ausgaben tätigen, ohne neue zusätzliche Schulden zu machen. Erstmals seit 45 Jahren wächst der Schuldenberg nicht mehr. Erstmals seit 45 Jahren können wir den Menschen draußen im Lande sagen: Wir kommen mit dem Geld aus, das Sie uns zur Verfügung stellen. - Das ist die beste Botschaft für unser Land; gerade in diesen Tagen, in denen es viele negative Schlagzeilen gibt. ({0}) Ich will deshalb als Allererstes unserem Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble ein Dankeschön sagen, der es durch große Beharrlichkeit und mit großem Weitblick und großem Überblick immer wieder geschafft hat, Ausgabewünsche zu deckeln und durch kontinuierliche Politik einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Er ist der Erste seit 1969, der das geschafft hat. Deshalb gilt ihm unsere große Anerkennung für diese Leistung. ({1}) Ich will zum Zweiten unserer Bundeskanzlerin danken. Es wäre leicht für die Bundeskanzlerin gewesen, dem internationalen Druck nachzugeben und zu sagen: „Ach komm, lasst uns 20 Milliarden für Investitionen oder Ähnliches in die Hand nehmen“, und damit die Verschuldung in die Höhe zu treiben. Sie hat es aber nicht getan. Sie unterstützt die Linie der wachstumsorientierten Konsolidierung. Sie muss sich ab heute nicht mehr mit der schwäbischen Hausfrau vergleichen lassen. Im Gegenteil: Die schwäbische Hausfrau kann sich ein Beispiel an Angela Merkel nehmen. Das ist der eigentliche Wechsel, der sich vollzogen hat. ({2}) Ich wäre natürlich froh, wenn sich nicht nur die schwäbische Hausfrau ein Beispiel an Angela Merkel nehmen würde. Ich wäre auch froh, wenn sich der schwäbische Ministerpräsident und sein Finanzminister ein Beispiel an Angela Merkel nehmen würden. Das würde unserem Land ebenfalls guttun. ({3}) Es gibt immer wieder Volkswirtschaftsprofessoren in unserem Lande, die uns raten, jetzt, da die Kreditzinsen so niedrig sind, mehr Kredite aufzunehmen, um zu investieren. Meine Damen und Herren, diese Volkswirte können uns nicht sagen, welches Zinsniveau wir in 20 oder 30 Jahren haben werden. ({4}) Sie können aber mit Sicherheit bestätigen, dass wir in 20 oder 30 Jahren - selbst wenn wir jedes Jahr Schulden tilgen können - immer noch einen riesigen Schuldenberg haben werden, für den Zinsen zu zahlen sind. Deshalb ist es gut und richtig, es so zu machen, wie wir das machen. Ich frage mich manchmal: Wo bleibt der Weitblick dieser Professoren? Drittens. Wir erleben in diesen Tagen, dass sehr schnell Vorschläge an uns herangetragen werden, was man mit den finanziellen Spielräumen anfangen könne, die sich möglicherweise im Laufe des Jahres ergeben. Es vergeht ohnehin kaum eine Woche, in der nicht irgendjemand Vorschläge an uns heranträgt, wie man unser Land noch schöner, noch angenehmer und noch sozialer gestalten kann. Es ist gar keine Frage: Wir haben bisher immer vernünftig gehandelt. Wir haben die Ausgaben gedeckelt. Deshalb sind die Ausgaben 2014 um 4 Prozent niedriger gewesen als im Vorjahr. Nun wird es in den kommenden Wochen und Monaten darauf ankommen, diesbezüglich Linie zu halten. Ich nehme gerne eine Anregung von Carsten Schneider auf, die er an uns herangetragen hat, als er noch in der Opposition war, nämlich Vorsorge zu treffen für schlechtere Zeiten. Es gibt im Einzelplan 60, Kapitel 6002, Titel 915 01 eine sogenannte Konjunkturausgleichsrücklage. Dieser Titel wurde bisher nie befüllt. Ich rate uns sehr, wenn sich in diesem Jahr Spielräume ergeben, diese Rücklage zu bilden; denn die Zeiten könnten auch wieder schlechter werden. Wenn wir dann tatsächlich noch Luft haben, sollten wir die Investitionen stärken; denn investive Ausgaben sind Einmalausgaben, während Sozialausgaben den Haushalt in der Regel auf Dauer belasten. Das ist meine Empfehlung. Ich bin mir sicher, unser Finanzminister wird ganz im Sinne des vorsichtigen Kaufmanns ähnlich handeln. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und freue mich, dass wir Gelegenheit haben, diesen großartigen Erfolg der deutschen Fiskalpolitik, der sicherlich weit über Deutschland hinaus seinen Widerhall finden wird, mit dieser Aktuellen Stunde zu würdigen. Danke sehr. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Nun hat der Kollege Dietmar Bartsch für die Fraktion Die Linke das Wort. ({0})

Dr. Dietmar Bartsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003034, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, ich sollte als Erstes den Antrag stellen, in die Liste unserer parlamentarischen Instrumentarien die „Aktuelle Feierstunde“ aufzunehmen; denn jedes Mal, wenn die Große Koalition etwas zu feiern hat, haben wir eine „Aktuelle Feierstunde“. Das wäre doch einmal ein Vorschlag. ({0}) - Sehr schön. Ich freue mich immer über Beifall aus der Union. - Ich will aber betonen, dass wir Sie nicht zur schwarzen Null beglückwünschen werden. Ich will an unsere Debatten im vorigen Jahr erinnern; im Juni und im November haben wir Haushaltsberatungen durchgeführt. Sie wissen, dass diese schwarze Null mit einmaligen Sondereffekten zusammenhängt: Das Ergebnis hat mit höheren Einkommensteuereinnahmen zu tun, es hat mit dem Bundesbankgewinn von 2 Milliarden Euro zu tun, es hat aber auch damit zu tun, dass wir ein halbes Jahr lang vorläufige Haushaltsführung hatten - das brachte natürlich einen positiven Effekt mit sich -, und letztlich hat das auch mit den niedrigen Zinsen zu tun. Ich will einen ehemaligen Finanzminister zitieren, dessen Namen ich allerdings nicht nennen möchte. Er sagt: Mit diesen Zinsen hätte ich das auch geschafft. ({1}) Das ist zwar nicht meine Meinung, aber offensichtlich spielen die niedrigen Zinsen eine Rolle. Das war übrigens kein Linker; das hatten wir in dieser Republik noch nicht. Ich will ganz klar sagen, welche Position wir vertreten: Wir sind nicht der Auffassung, dass neue Schulden irgendwie sinnvoll sind. Da, wo wir Verantwortung tragen, verhalten wir uns dementsprechend. In Thüringen zum Beispiel haben wir vereinbart, dass es in den nächsten fünf Jahren keine Nettokreditaufnahme geben wird und wir Schulden tilgen wollen. In Brandenburg, wo wir seit vielen Jahren regieren, machen wir seit vier Jahren keine neuen Schulden, sondern haben mit Rückzahlungen begonnen. In Mecklenburg-Vorpommern und Berlin haben wir die finanzpolitische und haushaltspolitische Wende eingeleitet. Dort, wo wir Verantwortung tragen, bekennen wir uns also zu einer Politik ohne neue Schulden und betreiben eine entsprechende Politik. Um das klar und deutlich zu sagen: Wir Linke können das, und wir wollen das auch. ({2}) Es ist falsch und letztlich sogar zutiefst zynisch, wenn der CDU-Generalsekretär behauptet, dass jetzt endlich Schluss damit sei, über die eigenen Verhältnisse und auf Pump zu leben. Ich frage mich: Wer hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten eigentlich die Schulden gemacht? In den letzten zehn Jahren regierte Angela Merkel, und in dieser Zeit wurden 225 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. Das ist die Wahrheit. Diese 225 Milliarden Euro neue Schulden haben Sie doch zu verantworten. ({3}) Wann immer Sie regiert haben, wurden Schulden gemacht. Grund dafür ist, dass Sie Steuergeschenke gemacht und Millionäre und Milliardäre nicht belastet haben. Das ist die eigentliche Ursache. Aufgrund Ihrer Politik zahlen wir - das war auch im letzten Jahr so 26 Milliarden Euro Zinsen. Ihre Politik ist verantwortlich dafür, dass dieses Geld nicht für andere Dinge zur Verfügung steht. Der entscheidende Punkt aber ist der Preis dieser schwarzen Null: Ihre schwarze Null und die verspielten Zukunftschancen sind zwei Seiten derselben Medaille. ({4}) Wir haben marode Brücken und Straßen, teilweise katastrophale bauliche Zustände in Schulen und Turnhallen, es fehlen Lehrer und Erzieher, wir haben Kinderarmut, Armut bei Jugendlichen und Armut im Alter. Das alles gehört zur Wahrheit in unserem Land. Mit dieser Politik gefährden Sie den sozialen Zusammenhalt in unserem Land. ({5}) Auch heute noch gilt in Deutschland der Satz, der früher ein geflügeltes Wort war: Wenn du arm bist, stirbst du eher. ({6}) Und in einer solchen Situation plündern Sie den Gesundheitsfonds. Das ist doch eine widersprüchliche Politik. ({7}) Norbert Barthle hat gesagt, wir müssten mehr investieren. Ja, Investitionen in die Zukunft sind angesagt, sie wären notwendig, aber wann hören Sie auf, nur davon zu reden? Sie haben 10 Milliarden Euro für die Jahre 2016 bis 2018 angekündigt. Ehrlich gesagt, das ist doch ein Witz. Wenn mein Bundesland Mecklenburg-Vorpommern das machen würde, wäre das die richtige Dimension. Es wäre nötig, in diesem Jahr 10 Milliarden Euro in die digitale Infrastruktur zu investieren. Das wäre eine Investitionspolitik. Sie reden darüber, tun dafür aber zu wenig. ({8}) Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen. Der ausgeglichene Haushalt ist der eine Punkt. Sie verbinden ihn immer damit, dass bei den Steuern gar nichts passiert. Das ist das eigentliche Problem. Sie müssten die Vermögenden in diesem Land, die auch in der Krise ihren Reichtum weiter vermehrt haben, mehr belasten, damit das Gemeinwesen seine Aufgaben bewältigen kann. Das ist die Aufgabe. ({9}) Dort sollte endlich einmal etwas abgeholt werden. Sie gehen das aber nicht an und sagen: um Gottes willen. Leider macht Ihr Koalitionspartner dabei mit und hat alle Wahlversprechen in dieser Hinsicht völlig vergessen. Das ist eine falsche Politik. Greifen Sie bei den Superreichen, bei den Milliardären etwas ab durch eine Vermögensteuer, die wie auch immer ausgestaltet sein kann. Über die Ausgestaltung einer Vermögensteuer können wir reden. Da Sie das aber nicht tun, können Sie auf die schwarze Null nicht stolz sein. ({10}) Krisenrobuste, nachhaltige Haushaltskonsolidierung, Zukunftsinvestitionen und konsequente Umverteilung von oben nach unten - dieser Dreiklang würde neue Möglichkeiten schaffen. Wenn man das machen würde, könnte man auch auf einen ausgeglichenen Haushalt stolz sein. Herzlichen Dank. ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Johannes Kahrs für die SPD-Fraktion. ({0})

Johannes Kahrs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003157, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Bartsch, ich schätze Sie ja sehr. Aber wenn man eine Rede aufbaut, dann muss man sich an gewisse Gesetze der Logik halten. Sie stellen sich hierhin und feiern die schwarze Null in Brandenburg und in Thüringen, wo wir Sozialdemokraten gemeinsam mit Ihnen Verantwortung tragen. Das ist richtig, das loben Sie. Da haben Sie etwas verstanden. Das ist eine gute Sache. Eine Sekunde später verdammen Sie jedoch die schwarze Null auf Bundesebene, reden diese in Grund und Boden und sagen, sie sei der Untergang des Abendlandes und der Menschen, die darin wohnen. ({0}) Das ist erstens nicht logisch, hat zweitens höchstens den Hauch von billiger Polemik, und drittens merkt das jeder. Herr Bartsch, in der Vergangenheit waren Sie deutlich intelligenter. Deswegen: Das war nichts. Man kann eine Rede auch besser vorbereiten. ({1}) Schauen wir uns die heutige Debatte einmal an. Es wird deutlich, dass diese Große Koalition wirkt. Schauen wir uns einmal den Haushalt 2014 und die Debatten zum Haushalt 2014 an, in denen uns die versammelte Opposition um die Ohren gehauen hat, wie unsolide das wäre, wie knapp genäht das wäre. Wir hätten angeblich nur Schein- und Fantasierechnungen aufgemacht. ({2}) In der Bundespressekonferenz haben wir jedoch als SPD und CDU/CSU gemeinsam erklärt, dass das solide ist, dass das so kommen wird, dass man sich darauf berufen kann und dass es das schriftlich gibt. Deswegen ist es meines Erachtens eine gute Gelegenheit, heute daran zu erinnern, dass wir unser Versprechen gehalten haben. Wir haben sogar noch mehr getan, als wir versprochen haben. Wir haben nämlich nicht versprochen, dass wir 2014 keine neuen Schulden mehr machen werden. Vielmehr waren wir bei 6,5 Milliarden Euro. Jetzt läuft es sogar besser. Woran liegt das denn? Nachdem wir schon Frau Merkel und Herrn Schäuble gedankt haben, muss man sich überlegen, woher das Geld denn kommt. Diese Einnahmen des Staates sind darauf zurückzuführen, dass die Unternehmen erfolgreich sind und dass die Menschen in diesem Land hart arbeiten. Das Ergebnis dieser harten Arbeit spiegelt sich im Bundeshaushalt wider, weil Steuern gezahlt werden, weil mehr Menschen als jemals zuvor in diesem Land in Arbeit sind und weil die Unternehmen Gewinne machen. Deswegen funktioniert das. Wir haben deswegen eine schwarze Null, weil es Steuermehreinnahmen gibt. Der Dank gilt Rot-Grün unter Gerhard Schröder, der die Agenda auf den Weg gebracht hat. Das waren die Reformen, die dieses Land aus der Krise gerissen haben, in die Helmut Kohl und Schwarz-Gelb dieses Land geführt haben. ({3}) Gleichzeitig wurde mit diesen Reformen die Grundlage dafür gelegt, dass wir im Gegensatz zu allen anderen Ländern in Europa sehr wachstumsstark durch die Krise gekommen sind und für Europa der Anker sind, um sie nach vorne zu bringen. Etwas nachdenklich gestimmt möchte ich an dieser Stelle anmerken, was in den nächsten zwei bis drei Jahren passieren wird. Dann werden wir die Auswirkungen der Reformen erleben, die unter Schwarz-Gelb passiert sein sollen. Die Hoteliers wurden begünstigt. Außerdem wurde die Luftverkehrsteuer eingeführt, die dazu geführt hat, dass Lufthansa und Air Berlin schlechtere Zukunftsaussichten haben. Das hat aber nicht viel gebracht. ({4}) Deswegen ist es richtig und gut, dass wir jetzt in dieser Großen Koalition, nachdem wir in der letzten die Schuldenbremse eingeführt haben, gemeinsam solide Haushaltspolitik machen. Das heißt, die Große Koalition wirkt. SPD hilft. Wir bekommen es vernünftig hin. Das heißt, wir haben die Möglichkeit, nicht nur in 2014 und 2015, sondern auch danach, wenn die Schuldenbremse verbindlich gilt, keine neuen Schulden zu machen. Das wollen wir als SPD so durchsetzen. Gleichzeitig investieren wir aber auch. Damit all das, was Sie aufgezählt haben, Herr Bartsch, nicht eintrifft, gibt diese Koalition - das haben wir im Koalitionsvertrag festgehalten - viel Geld für Infrastruktur, für Familien, für Kinder und für Bildung aus. Wir haben mit einem 10-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm nachgelegt und machen trotzdem keine neuen Schulden. Es ist richtig, dass man den Menschen in diesem Land, die dies ermöglichen, dankt, dass man den Unternehmen dankt, die wettbewerbsfähig sind. Wir hoffen, dass das so bleibt und dass die Politik das Notwendige dazu tut. Dafür muss es Reformen geben. Das haben wir mit Rot-Grün vorgemacht. Die Große Koalition wird es jetzt auch so handhaben. Wir werden in den nächsten Jahren die notwendigen Reformen durchführen, damit dieses Land weiterhin eine Zukunft hat, damit sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, damit sich die Wirtschaft auf diese Bundesregierung, auf diese Politik verlassen können. Vielen Dank. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Sven-Christian Kindler das Wort.

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es gut, dass die Koalition uns heute durch diese Aktuelle Stunde die Gelegenheit gibt, auf die eklatanten Schwächen ihrer Haushaltspolitik einzugehen. Wir dürfen nicht vergessen: Der Etat 2014 war nicht ausgeglichen und ist heute nicht ausgeglichen. Sie haben nur trickreich Schulden in Schattenhaushalten versteckt. Bei den Sozialkassen haben Sie Schulden aufgenommen. Sie leihen sich das Geld nicht mehr bei der Bank, aber bei der Rentenversicherung und bei den Krankenkassen. Sie haben im Haushalt 2014 nicht gearbeitet. Sie hatten viel Glück mit extrem niedrigen Zinsen. Die Investitionen im Haushalt sind immer noch sehr gering. Liebe Koalition, das ist wahrlich kein Grund zu feiern. Ich finde, es ist Anlass zu großer Sorge. ({0}) Zu den Schattenhaushalten. Sie haben sich 3,5 Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds gegriffen. 3,3 Milliarden Euro für die Mütterrente haben Sie aus Beitragsmitteln der Rente genommen, obwohl jedem klar ist, dass sie aus Steuermitteln hätte finanziert werden müssen. Das sind insgesamt etwa 7 Milliarden Euro versteckte Schulden bei den Sozialkassen. Eine ehrliche Bilanz zeigt, dass es dort 7 Milliarden Euro versteckte Schulden gibt. ({1}) Wer zahlt eigentlich die Zeche dafür? Fast alle Krankenkassen haben Zusatzbeiträge erhoben. Die Rentenkasse wird in ein paar Jahren leer sein. ({2}) Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen nachher die Zeche dafür. Ich sage Ihnen: Das hat mit seriöser Haushaltspolitik nichts zu tun. Das ist richtig ungerecht. ({3}) Man muss festhalten: Sie haben extrem viel Glück. Es gibt historisch niedrige Zinsen und gute Steuereinnahmen. Das Urteil des Bundesfinanzhofs zur Kernbrennstoffsteuer kam kurz vor Weihnachten. Sie können sich hier im Bundestag zwar für Glück loben, ({4}) aber dann können Sie sich auch gleich für gutes Wetter loben. Mit ehrlicher und harter Haushaltspolitik hat das leider nichts zu tun, liebe Koalition. ({5}) Man darf in der Haushaltspolitik nicht nur kurzfristig auf Sicht fahren, sondern man muss Haushalte dauerhaft strukturell konsolidieren, man muss dauerhaft dafür sorgen, dass Investitionen solide finanziert werden. Man darf nicht die Arbeit verweigern. Man muss im Haushalt arbeiten, man muss ihn entrümpeln, man muss Subventionen abbauen, zum Beispiel umweltschädliche, man muss die Einnahmen verbessern und Dinge umschichten. Wenn man sich das letzte Jahr dieser Koalition anschaut, sieht man: null Idee in der Haushaltspolitik, null Vision, kein Wille, kein Mut. Das ist Arbeitsverweigerung. So macht man keine Haushaltspolitik. ({6}) Es wird sich mittelfristig rächen, dass Sie nichts verändern wollen und nur auf den Status quo schauen. Sie verschieben ganz viele Kosten in die Zukunft. In den Bereichen Gesundheit und Rente, also bei den Sozialkassen, verschieben Sie viele Kosten auf die nächste Regierung, auf die nächste Legislaturperiode. Auch Investitionen verschieben Sie, obwohl wir wissen, dass wir jetzt Milliardeninvestitionen in Klimaschutz, in Energieeffizienz, in Bildung und den Ausbau digitaler Infrastruktur, in Breitbandausbau, benötigen. Wir müssen jetzt richtig in die Zukunft investieren. ({7}) Wenn wir uns den Jahresabschluss des Haushalts 2014 anschauen, sieht man, dass die Investitionsquote erstmals einstellig geworden ist. Die Investitionsquote war schon sehr gering. Beim Abschluss sieht man, dass 600 Millionen Euro weniger investiert wurden, als geplant war. Das heißt, Sie konsolidieren diesen Haushalt leider auch zulasten der Investitionen. Ich sage Ihnen: Das ist ganz klar gegen Generationengerechtigkeit. ({8}) Was ist Ihre Alternative dazu? Anstatt jetzt auf öffentliche Investitionen zu setzen, damit Anreize für private Investitionen zu schaffen und das solide zu finanzieren, plant die Bundesregierung eine neue Welle von ÖPP; Minister Gabriel plant sie, und Minister Dobrindt hat sie schon angekündigt. Der Bundesrechnungshof hat letztes Jahr trotzdem festgestellt, dass es im Hinblick auf den Straßenbau bei neuen öffentlich-privaten Partnerschaften Mehrkosten in Milliardenhöhe gibt. Das ist nicht nur teuer, sondern damit umgehen Sie de facto auch die Schuldenbremse, weil Sie Kosten in die Zukunft verlagern. Wir fordern Sie auf: Stoppen Sie diese gefährliche ÖPP-Strategie! Sie ist ein teurer Irrweg. ({9}) Was müsste man jetzt machen? Man müsste jetzt dafür sorgen, dass umweltschädliche Subventionen abgebaut werden. Aber ihr Volumen ist auf 52 Milliarden Euro gestiegen. Subventionen von rund 9 Milliarden Euro könnte man schnell abbauen. Man könnte jetzt die Einnahmesituation verbessern, zum Beispiel durch Maßnahmen bei der ungerechten Abgeltungsteuer, man könnte im Rüstungsbereich sparen, und das Betreuungsgeld könnte man sich schenken. Dann könnte man - Vor7452 schläge dazu haben wir Grüne im Hinblick auf den Haushalt 2014/2015 vorgelegt - einen Gestaltungsspielraum von über 10 Milliarden Euro schaffen. Diesen könnte man für Investitionen nutzen: in den Klimaschutz, in den Breitbandausbau, in gute Bildung. Das müsste man jetzt machen, anstatt weiterhin Schulden in Schattenhaushalten zu verstecken und die Zukunft zu verspielen. Ich fordere Sie auf: Hören Sie endlich mit der Arbeitsverweigerung auf, fangen Sie an, zu arbeiten, und hören Sie auf, sich selbst für den Haushalt zu loben! Vielen Dank. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Parlamentarische Staatssekretär Steffen Kampeter hat das Wort. ({0})

Steffen Kampeter (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001062

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war für mich als Haushaltsstaatssekretär bei Wolfgang Schäuble schon ein etwas ungewöhnliches Schriftstück, das Dienstagfrüh von mir versandt wurde. Ich habe den Haushaltsausschuss im Namen der Bundesregierung davon unterrichtet, dass wir zum ersten Mal seit 1969 einen Haushalt ohne neue Nettokreditaufnahme abschließen können. Dieses Schriftstück habe ich zum ersten Mal mit freudigen Grüßen unterzeichnet. Ich finde, das war wirklich ein Tag der Freude. ({0}) Abweichungen vom Haushaltsansatz hat es schon immer gegeben. Schulden in Höhe von 6,5 Milliarden Euro haben wir nicht aufgenommen. Gegenüber dem Vorjahr entspricht das einer um rund 20 Milliarden Euro geringeren Nettokreditaufnahme. Ein bisschen technischer formuliert - so schreiben es einem die Experten auf -: Wir haben in Deutschland sogar einen strukturellen Überschuss. Für einen strukturellen Überschuss kann man sich vielleicht nicht unmittelbar etwas kaufen. Dieser Umstand zeigt aber, dass wir nicht nur nominal bei null sind, sondern dass wir in Deutschland auch bereinigt um konjunkturelle Effekte einen recht soliden Bundeshaushalt haben. Auch im Hinblick auf das Maastricht-Kriterium, das über viele Jahre in aller Munde war, haben wir einen Überschuss von 0,5 Prozent. Auch wenn das öffentlich noch nicht so sehr beachtet worden ist: Wir haben im abgelaufenen Jahr aufgrund des überschießenden Bundesbankgewinns und anderer Effekte sogar 2,5 Milliarden Euro der Bundesschuld aktiv getilgt. Das ist zwar nicht die Welt, aber ich will es einmal so sagen: Die Richtung stimmt. Wir dürfen jetzt nur nicht nachlassen. Wachstumsorientierte Konsolidierung zahlt sich aus. ({1}) Ich finde, Johannes Kahrs hat einen richtigen Punkt angesprochen: dass wir uns zunächst einmal bei den Menschen bedanken müssen. ({2}) - Ja, einmal hat Johannes Kahrs etwas Richtiges gesagt. Darf ich das nicht feststellen? ({3}) Wir sollten uns bei denjenigen Menschen bedanken, die mit ihrer Hände und Köpfe Arbeit diese wirtschaftliche Leistung erbracht und damit die hohen Steuereinnahmen ermöglicht haben. Es sind weit über 40 Millionen Menschen, die in Deutschland in unterschiedlichen Strukturen arbeiten. Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen wir in erster Linie danken. Der hohe Beschäftigungsstand und der Fleiß der Menschen, die dieses Land jeden Tag aufs Neue nach vorne bringen, sind die Grundfundamente dieses ausgeglichenen Haushalts. ({4}) Die Grünen unterhalten sich, anstatt zu klatschen, wenn ich sage, dass die Menschen in diesem Land fleißig sind. Das sagt über diese Opposition mehr als alles andere. ({5}) Mein zweiter Dank richtet sich an die Unternehmen: an die Tüftler, die Dienstleister und die industriellen Produzenten, die im In- und Ausland darum kämpfen, wettbewerbsfähig zu sein. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft im In- und Ausland, die daran deutlich wird, dass deutsche Produkte und Dienstleistungen in Deutschland und im Ausland gekauft bzw. nachgefragt werden, hat dazu geführt, dass wir nicht nur bei der Einkommensteuer, sondern auch bei den Unternehmensteuern ein sehr respektables Ergebnis vorzuweisen haben. Danke an den Wirtschaftsstandort Deutschland! Danke an die Tüftler und Unternehmer, die Risiken übernehmen und dazu beigetragen haben, dass wir ein solides Steuerergebnis hatten. ({6}) Ja, es ist richtig: Es gab auch einen Sondereinfluss. Die Kernkraftindustrie wollte eine Steuer nicht zahlen und hat deshalb geklagt. Das war ihr gutes Recht. Wir haben aber Recht bekommen. Auch aus der Energiewirtschaft - auch der Kernenergiewirtschaft - brauchen wir einen Beitrag zur Finanzierung dieses Gemeinwesens; das finde ich nur billig und gerecht. Dass der Bundesfinanzhof unserer Position jetzt Recht gegeben hat, ist ein Beitrag zum ausgeglichenen Haushalt, aber, wie ich glaube, auch ein Beitrag zur Steuergerechtigkeit. Diesen sollten wir, anders als die Fraktion Die Linke, nicht geringschätzen. Deswegen ist das an dieser Stelle nicht zu verschweigen, sondern besonders hervorzuheben. Wenn man guckt, woher wir kamen: Als Wolfgang Schäuble Bundesfinanzminister wurde, hat er nach einer Großen Koalition - das ist nicht zu kritisieren, sondern war der Wirtschaftskrise geschuldet - einen Haushaltsentwurf mit einer Nettokreditaufnahme von 80 Milliarden Euro vorgelegt. ({7}) Heute, etwa fünf Jahre später, sind wir bei null. Das zeigt, mit welcher Geschwindigkeit diese Entwicklung vorangegangen ist. Das ist schon einigermaßen erstaunlich. Das, was wir wachstumsfreundliche Konsolidierung nennen, ist ein Erfolgsrezept. Schauen Sie sich einmal andere Länder bei gleichen weltwirtschaftlichen Bedingungen - in Europa beispielsweise - an, die Regierungen haben, die vielleicht auch nicht alle viel schlechter als unsere sind: Da ergeben sich ganz andere Defizitzahlen. Das führt zu meiner Feststellung: Ein ausgeglichener Haushalt ist nicht das Ergebnis von Technik oder von Zufällen, sondern er ist das Ergebnis eines entschlossenen politischen Willens, mit dem Geld auszukommen, das man hat. ({8}) Über Politikergenerationen hinweg haben wir das nicht getan. Jetzt machen wir es. Das ist ein Bewusstseinswandel in der deutschen Politik, der an dieser Stelle besonders hervorzuheben ist. Diese wachstumsfreundliche Konsolidierung - das will ich an dieser Stelle einmal sagen - ist auch ein Investitionsprogramm. In den Defizitländern dieser Welt sinken die Investitionen. In Deutschland, einem Konsolidierungsland, steigen sie - insbesondere im Bereich Bildung und Forschung, aber auch im Bereich Infrastruktur; in der mittelfristigen Finanzplanung haben wir gerade noch einmal einige Milliarden draufgelegt -: von 2005 bis 2013 um durchschnittlich 5 Prozent. Seit 2005 haben wir sie um 44 Prozent erhöht. Wer spart, der investiert: Das ist die Botschaft einer wachstumsfreundlichen Konsolidierung. ({9}) Ich höre immer wieder, dass in diesem föderalen System das eine oder andere nicht geleistet werden kann. Ich will sagen: Wir haben die finanzielle Situation des Bundes in den letzten Jahren zugunsten der Länder und Gemeinden erheblich verschlechtert. Hätten wir all diese Solidaritätsleistungen - beispielsweise die Investitionen in die Kinderbetreuung - nicht erbracht, dann hätten wir die schwarze Null schon sehr viel früher liefern können. ({10}) Das zeigt aber auch, dass unser Konzept, unser Verständnis von Haushaltspolitik auch mit Solidarität im Rahmen des Föderalismus einhergeht. Deswegen finde ich es unangemessen, dass der Kollege Bartsch hier sagt, wir sparen die Länder kaputt. Im Rahmen des Föderalismus sind zusätzlich Milliardenbeträge vom Bund auf die Länder transferiert worden. Wir stehen zu unserem Wort und sagen deutlich: Der Föderalismus ist ein Geschäft, das wir gemeinsam betreiben. Ich finde, die Tatsache, dass diese Milliardenbeträge auf eine andere Gebietskörperschaftsebene überführt worden sind, muss man ab und zu auch im Deutschen Bundestag erwähnen. ({11}) Auf einen Punkt, den Norbert Barthle schon angesprochen hat, will ich besonders hinweisen: Ich habe mich auch gewundert, dass die Mitteilung über den ausgeglichenen Haushalt 2014 von manchen zum Anlass genommen worden ist, eine Forderungsliste gegenüber dem Bund aufzustellen: Von Verbänden, von einzelnen Personen und selbst innerhalb der Großen Koalition ist eine Wunschliste aufgestellt worden. Ich will eines feststellen: Wir werden auch zukünftig die notwendigen politischen Schwerpunkte dabei setzen, das Wichtige von dem Unwichtigen zu unterscheiden. ({12}) Der Haushaltsausgleich ist nur möglich geworden, weil diese Koalition Politik nicht als eine Wunschliste sieht, sondern die Unterscheidung von dem Wichtigen und dem weniger Wichtigen vorgenommen hat. Das ist die Grundlage für eine verlässliche, stabilitätsorientierte Haushaltspolitik. Daran wollen wir und daran werden wir festhalten. ({13}) Ich will zum Schluss noch eines festhalten - ich bin seit Mitte der 90er-Jahre in unterschiedlichen Funktionen im Haushaltsausschuss, ({14}) die letzten fünf Jahre rechts vom Vorsitz, davor viele Jahre links vom Vorsitz -: Wir haben über die Parteigrenzen hinweg immer daran gefeilt, diesen Haushalt besser zu machen. Wir haben auch ab und zu davon geträumt, einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Ich erinnere mich, dass Carsten Schneider und ich in der letzten Großen Koalition überlegt haben: Wann fordern wir einen ausgeglichenen Haushalt? Dann kam die große Wirtschaftskrise. Es gab Regierungswechsel und Mentalitätswechsel. Für viele Politiker ist Politik mit Schuldenmachen verbunden. Wir haben den Haushaltsausgleich jetzt geschafft; das darf keine Eintagsfliege sein. Dass ich mich persönlich darüber freue, dass das innerlich ein schönes Gefühl ist, will ich nicht verschweigen. Sie gestatten mir diese Anmerkung; das ist keine Anmerkung der Regierung, sondern ein persönliches Bekenntnis eines Haushälters. Das ist richtig schön; ich muss es Ihnen sagen. ({15})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Michael Leutert für die Fraktion Die Linke. ({0})

Michael Leutert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003800, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese aktuelle Feierstunde, die Sie hier abhalten, ist ein ziemlich absurdes Theater, wie ich feststellen muss. ({0}) Es sind ja auch nicht viele Gäste zu Ihrer Party gekommen. ({1}) Das Thema schuldenfreier Haushalt 2014 hat im Jahr 2015 erstens nichts mit Aktualität zu tun, und zweitens ist dieser schuldenfreie Haushalt auch nicht Ihr Verdienst. Das Einzige, was Sie hier machen, ist: Sie blockieren wertvolle Zeit im Plenum für die wirklich aktuellen Themen, über die wir sprechen sollten. ({2}) - Sie lachen, ich kann Ihnen ein paar nennen. Seit dem Terroranschlag in Paris letzte Woche ist zum Beispiel das Thema Terrorismus mit Brutalität zurück auf die Tagesordnung gekommen. ({3}) Eine andere Frage ist: Wie gehen wir in unserem Land human und vernünftig mit Flüchtlingen um? Wie begegnen wir dem besorgniserregenden Anstieg von fremdenfeindlichen und antisemitischen Einstellungen bis hin zu Straftaten? ({4}) Oder - um ein anderes Thema zu nennen -: Wie gehen wir mit der mangelnden Familienfreundlichkeit und der Kinderarmut in Deutschland um? Der Deutsche Kinderschutzbund hat erst im Dezember 2014 ein nationales Programm gegen Kinderarmut gefordert, weil sich in den letzten zehn Jahren die Anzahl der von Armut bedrohten Kinder auf 2,8 Millionen verdoppelt hat. Ein aktueller Dauerbrenner ist auch: Wie gehen wir mit der Finanznot der Kommunen und den fehlenden Investitionen in die Infrastruktur um? Das sind die aktuellen Themen, die wir hier besprechen müssten. ({5}) Das bewegt auch die Menschen, nicht eine schwarze Null im Haushalt 2014. Aber das war nun einmal Ihr großes Projekt, vielleicht Ihr einziges: ({6}) Sie wollten im Haushalt 2015 keine neuen Schulden aufnehmen, so war der Plan. Dafür mussten wir schon im Dezember 2014 eine Feierstunde über uns ergehen lassen. Jetzt kommen Sie und sagen: Wir haben den Plan sogar schon übererfüllt. - Es kommt im Osten auch sehr gut an, den Plan übererfüllt zu haben. Wir haben im Haushaltsvollzug 2014 schon keine Schulden mehr aufgenommen, sagen Sie. Dafür nennen Sie einige Gründe - sie sind hier schon angesprochen worden -: Sie sagen, wir hätten mehr Steuereinnahmen erzielt. - Sie alle haben erwähnt, dass die Menschen fleißig gearbeitet haben. Sie haben sich auch dafür bedankt, dass die Unternehmen gut wirtschaften. Aber genau das ist eben nicht Ihr Verdienst. Das von den Menschen erwirtschaftete Bruttoinlandsprodukt kam nicht wegen, sondern trotz Ihrer Politik zustande. ({7}) Letztendlich hat die Bundesregierung schlicht und einfach 1 Milliarde Euro nicht ausgegeben; 1 Milliarde Euro, mit der wir sinnvolle Dinge hätten tun können. ({8}) Die Linke hat einiges vorgeschlagen und hier mit Antrag eingebracht. Aber Sie haben alles abgelehnt, weil angeblich kein Geld vorhanden wäre. Ich nenne Ihnen ein paar Dinge. Wir hätten die Städtebauförderung bzw. den „Stadtumbau Ost“ mit zusätzlichen 181 Millionen Euro ausstatten können. Wir hätten dringend 50 Millionen Euro für Sportstätten des Breitensports gebraucht. Wir hätten 30 Millionen Euro für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern gebraucht. Wir hätten - aktuelles Thema derzeit - dringend 67 Millionen Euro für eine gute und ausreichende Integration von Flüchtlingen benötigt. Was mich besonders ärgert, ist, dass Sie dem Vorschlag der Linken nicht gefolgt sind, wenigstens 22 Millionen Euro mehr für die Programme gegen Rechtsextremismus zur Verfügung zu stellen. Alles zusammen hätte 350 Millionen Euro gekostet, und, wie wir jetzt wissen, das Geld wäre auch da gewesen. ({9}) Stattdessen hören wir immer wieder davon - traurigerweise gerade über die Feiertage -, dass Programme unterfinanziert sind. Die UN musste im Dezember kurzfristig ihre Ernährungshilfe für syrische Flüchtlinge stoppen, weil kein Geld mehr zur Verfügung stand. Die Kommunen sind mit der Unterbringung von Flüchtlingen heillos überfordert, und viele Initiativen gegen Rechtsextremismus können sinnvolle geplante Projekte nicht umsetzen, weil ihnen das Geld fehlt. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind die Ergebnisse Ihrer Haushaltspolitik. Was Sie abliefern, ist eben keine kluge Haushaltspolitik, sondern es ist letztendlich Stillstand und Selbstbetrug. ({10}) - Die Linke wird dem, Kollege Kahrs, nicht nur eine kluge, sondern auch eine konstruktive und intelligente Alternative entgegenstellen, ({11}) und zwar gerechte Steuern auf der Einnahmenseite und eine soziale Politik auf der Ausgabenseite. Vielen Dank. ({12})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Kollegin Bettina Hagedorn hat nun für die SPDFraktion das Wort. ({0})

Bettina Hagedorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Ja, lieber Steffen Kampeter, das ist nicht nur für dich, sondern für viele von uns ein richtig guter Tag. Von den anderthalb Jahrzehnten, die du dem Haushaltsausschuss angehört hast, war ich auch mindestens 12,5 Jahre dabei. Insofern teile ich deine Freude uneingeschränkt und möchte einen Dank hinzufügen. Du hast dich schon bei den fleißigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und bei den Unternehmen bedankt, und ich möchte mich ausdrücklich bei den ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern bedanken. ({0}) Denn wir hatten in der Tat beschlossen, mit dem Haushalt 2014 noch 6,5 Milliarden Euro an Krediten aufzunehmen. Das müssen wir jetzt nicht, und das ist großartig. Dafür, wie das zustande gekommen ist, gibt es viele Parameter. Aber eines ist ganz klar, und das will ich noch einmal ausdrücklich betonen: Das ist nur dadurch geschafft worden, dass die Ausgaben um 1 Milliarde Euro gesenkt worden sind. Die Einnahmen sind allerdings um 5,5 Milliarden Euro höher ausgefallen als gedacht. Das sind zu einem ganz großen Teil Mehreinnahmen aus Steuern. Ich glaube, das darf nicht unerwähnt bleiben. Lieber Sven Kindler, du hast eben gesagt: Mit ehrlicher und harter Haushaltspolitik - und damit meinst du Ausgabenpolitik - hat das Ergebnis nichts zu tun. ({1}) Darin will ich dir recht geben. Aber es zeigt auch, dass derjenige, der auf einen guten und ausgeglichenen Haushalt, auf Konsolidieren und mehr Geld für Investitionen Wert legt, nicht nur auf die Ausgabenseite, sondern auch auf die Einnahmenseite blicken muss. Und das will ich an dieser Stelle ganz kurz tun. ({2}) Ich zitiere ein paar Schlagzeilen aus den letzten zwei Wochen: „Noch nie waren die Zeiten für Steuerhinterzieher so schlecht“, hieß es am Silvestertag. „60 Prozent mehr Selbstanzeigen“ titelte die Süddeutsche zwei Tage später, „NRW verzeichnet Höchstwert bei Selbstanzeigen“ das Handelsblatt am 8. Januar und „Zahl der Selbstanzeigen steigt auf Rekordhoch“ die Berliner Morgenpost am 13. Januar, also gestern. Dazu möchte ich ein paar Zahlen vortragen, die höchst spannend sind. 2011 - das ist nicht wirklich lange her - hatten wir 4 800 Selbstanzeigen von Steuerhinterziehern. 2012 waren es 8 627, also schon doppelt so viele, 2013 26 641 und 2014 - man höre und staune 38 587 Selbstanzeigen wegen Steuerhinterziehung in Deutschland. 15 von 16 Ländern haben im Jahr 2014 Rekordeinnahmen durch Selbstanzeigen wegen Steuerhinterziehung erzielt. Seit 2011 haben sich 78 655 Menschen in Deutschland ehrlich gemacht, fast 80 000 Steuerhinterzieher. Das hat allein im Jahr 2014 in 13 Bundesländern - von drei Bundesländern liegen uns die entsprechenden Angaben nicht vor - zu rund 1,3 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen geführt. Wir können in diesem Zusammenhang feststellen: Eine gute Steuerpolitik - wir haben für entsprechende Verschärfungen gesorgt -, die Steuerhinterziehern, die in erster Linie von Angst vor Entdeckung getrieben sind, wenn sie sich selbst anzeigen, das Leben schwer macht, hat zum Erfolg geführt, und das wird sie weiterhin tun. Lieber Sven Kindler, das ist doch eine Strukturmaßnahme, auf die wir gemeinsam stolz sein können. ({3}) Nur um die Statistik zu vervollständigen: Die Hitliste der meisten Selbstanzeigen 2014 wird von Baden-Württemberg mit über 9 000 angeführt. Dann folgen NRW mit rund 7 500 und Bayern mit knapp 6 000. In Bremen, im Saarland und in Berlin hat sich 2014 die Zahl der Selbstanzeigen im Vergleich zu 2013 verdoppelt. In Schleswig-Holstein hat sich diese Zahl innerhalb eines Jahres sogar verdreifacht. In Berlin hat sich die Zahl der Selbstanzeigen im Vergleich zu 2012 sogar vervierfacht. Wenn das nichts ist! Allein NRW hat von 2010 bis heute durch fast 20 000 Selbstanzeigen 1,5 Milliarden Euro Mehreinnahmen beim Fiskus erzielt. Das kann sicherlich noch mehr sein. Aber das ist schon einmal eine bemerkenswerte Summe. ({4}) Da meine Redezeit keine ausführliche Diskussion meines letzten Punktes mehr zulässt, möchte ich nur darum bitten, die Abgeltungsteuer, über die wir bereits im vergangenen Herbst diskutiert haben, noch einmal auf die Tagesordnung zu setzen. Da sich binnen vier Jahren fast 80 000 Menschen ehrlich gemacht haben, die teilweise jahrzehntelang ihr Vermögen ins Ausland transferiert haben - nun ist es wieder in Deutschland -, sollten wir nach meiner Meinung über die Abgeltungsteuer und ihre Höhe erneut diskutieren. Ich hoffe, dass wir 2015 den notwendigen Mut dazu finden. Vielen Dank. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Dr. Tobias Lindner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Dr. Tobias Lindner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004217, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, versuchen teilweise in dieser Aktuellen Stunde, einen Dissens an Stellen aufzuzeigen, an denen er gar nicht besteht. Es geht doch nicht darum, dass die eine Seite des Hauses gegen neue Schulden ist, während die andere Seite des Hauses für neue Schulden ist. Vielmehr geht es darum, dass Sie die schwarze Null, die Sie heute so sehr feiern, nur in den Mittelpunkt rücken, um andere Stellen zu verdecken. ({0}) Schauen wir uns einmal an, wie Sie auf Ihre schwarze Null im Jahr 2014 gekommen sind. Sie geben 1,7 Milliarden Euro weniger für Zinsen aus. Es mag für den Bundeshaushalt toll sein, weniger Zinsen zu zahlen. Das ist für die Bürgerinnen und Bürger, die ihr Geld in Lebensversicherungen investiert oder auf dem Sparkonto liegen haben, nicht unbedingt so toll. Vor allem aber sind die geringeren Zinsausgaben nicht Ihr Verdienst. ({1}) Sie senken die Ausgaben für Investitionen im Vergleich zu dem, was Sie geplant haben, nochmals um 600 Millionen Euro ab. Von 1 Milliarde Euro an Minderausgaben entfallen 600 Millionen Euro auf Investitionen, die wir in diesem Land an verschiedenen Stellen - Beispiele wurden genannt - dringend brauchen. ({2}) Dafür sollten Sie heute keine Feierstunde abhalten. ({3}) Liebe Bettina Hagedorn, Sie tun recht, den ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zu danken und darauf hinzuweisen, dass gegen Steuerhinterziehung in unserem Land endlich effektiver vorgegangen wird. Es stimmt auch, dass die Zahl der Selbstanzeigen zugenommen hat. Aber dann müssen wir uns auch angucken, welche Landesregierungen diese Steuer-CDs denn angekauft haben. Das waren Länder wie Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen nach dem Regierungswechsel, also Länder unter roter und grüner Regierungsbeteiligung. ({4}) Dagegen hat sich noch vor wenigen Jahren eine schwarz-gelb geführte Bundesregierung auf Druck der FDP gegen den Ankauf solcher CDs gewehrt. ({5}) Das ist nichts, wofür Sie sich heute feiern sollten. ({6}) Da wir gerade beim Thema Feiern sind: Wir haben vor Weihnachten über Glühwein gesprochen. Ich weiß nicht, womit Sie heute gefeiert haben oder feiern werden. ({7}) Wie es üblich ist: Nach einer Party kommt gewöhnlich der Kater. Lieber Johannes Kahrs, selbst wenn man keinen Alkohol trinkt, aber zu lange aufbleibt, kommt am nächsten Morgen das böse Erwachen. Ich prophezeie Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das böse Erwachen über Ihre Haushaltspolitik wird in wenigen Jahren, es wird schon in Kürze kommen. Es wird dann kommen, wenn Krankenkassen überlegen, Zusatzbeiträge einzuführen, und die gesetzlich Versicherten die Zeche für diese Haushaltspolitik zahlen müssen. Es wird dann kommen, wenn die Rentenkasse aufgrund Ihrer Rentenpolitik in wenigen Jahren leer sein wird ({8}) und die Beitragszahler entweder weniger Rente in Zukunft zu erwarten haben oder höhere Beiträge zahlen müssen. ({9}) Das sind die Rechnungen, die Ihre Haushaltspolitik schicken wird. Das Erwachen wird noch an einer anderen Stelle kommen. ({10}) Dazu muss ich sagen: Lieber Kollege Barthle, ich glaube, die schwäbische Hausfrau würde ganz anders vorgehen als von Ihnen unterstellt und der schwäbische Hausmann auch. Die würden es nämlich nicht einfach durch das Dach regnen lassen, wenn sie entdecken, dass wieder einmal Sanierungsarbeiten notwendig sind. Sie würden nicht bei der Ausbildung ihrer Kinder und Enkelkinder sparen, nur damit am Monatsende irgendwo eine Null steht. Was Sie mit Ihrer Haushaltspolitik machen, ist: Sie halten die Ausgaben im Wesentlichen konstant. Wo es zu Recht Tarifsteigerungen gibt, wo Ausgaben zu leisten sind, leisten Sie diese. Sie fahren Investitionen herunter und hoffen auf steigende Steuereinnahmen. Das ist das Gegenteil von Anstrengung in der Haushaltspolitik, was Sie hier machen. ({11}) Wenn Sie wirklich einen historischen Schwenk in der Haushaltspolitik vollführen und etwas ändern wollten, dann müssten Sie auch qualitativ etwas in der Haushaltspolitik ändern. Dann dürften Sie sich nicht nur auf die Null fixieren, sondern Sie müssten auch schauen, dass in Deutschland wieder in die Infrastruktur investiert wird, dass Schienen, Straßen und öffentliche Einrichtungen nicht zerfallen. Dann müssten Sie schauen, dass wir in unseren wichtigsten Rohstoff, nämlich in Forschung und Bildung, endlich mehr investieren. Dann müssten Sie auch die Zukunftstrends und die Innovationsprozesse, die ablaufen, so unterstützen, dass sie eine Richtung bekommen und dass wir als starke Industrienation auch noch in 10, 20 und 30 Jahren die Wirtschaftskraft haben, dass die Steuereinnahmen Haushalte ohne neue Schulden und vor allem solche zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger möglich machen. Das tun Sie nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({12}) Deshalb kann ich Ihnen nur eines sagen: Feiern dürfen Sie heute alleine. Wenn der Kater nachher kommt, können Sie sich vertrauensvoll an uns wenden; denn wir haben ein paar Tipps für Sie, was Sie in Ihren Haushalten anders machen können, wenn es darum geht, einen wirklich zukunftsfähigen Haushalt aufzustellen. Ich danke Ihnen. ({13})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Eckhardt Rehberg das Wort. ({0})

Eckhardt Rehberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003826, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es sind Worte wie „einmalig“, „absurdes Theater“ und „Glück gehabt“ gefallen. Schauen wir uns an, wie es im Haushaltsausschuss im Jahr 2009 aussah. Wenn ich zum jetzigen Koalitionspartner nett bin, dann kann ich sagen: Diese 86 Milliarden Euro waren die Erblast der Finanzund Wirtschaftskrise. ({0}) Wenn ich weniger nett bin, muss ich sagen: Das ist die Erblast von Steinbrück gewesen. ({1}) Im Regierungsentwurf stand noch eine Neuverschuldung in Höhe von 86 Milliarden Euro. Wir haben diese Neuverschuldung innerhalb von nur vier Jahren auf null gedrückt. ({2}) Hier wurde von verspielten Zukunftschancen gesprochen. Das Gegenteil ist der Fall. Kollege Kindler, es ist keine Arbeitsverweigerung, was wir in den vier Jahren der letzten Legislaturperiode und im letzten Jahr mit dem Koalitionspartner SPD gemacht haben. Eine schwarze Null zustande zu bringen, das sind keine verspielten Zukunftschancen, sondern das ist endlich fiskalische Generationengerechtigkeit. Das eröffnet Chancen für die zukünftigen Generationen. ({3}) Übrigens, wir haben in der letzten Legislaturperiode im Bereich von Bildung und Forschung einen Aufwuchs von 14 Milliarden Euro gehabt. Es gibt schon einen Paradigmenwechsel in der Haushaltspolitik, einen Paradigmenwechsel, den der Bundesrechnungshof mit Sorge sieht. Ich darf einmal aus Bemerkungen des Bundesrechnungshofs zum Haushalt zitieren. Der Bundesrechnungshof sagt, er sehe „strukturelle Belastungen und Risiken, die eine nachhaltige Haushaltspolitik gefährden könnten“. Zu weiteren finanziellen Zugeständnissen des Bundes an Länder und Gemeinden heißt es: Dabei erscheinen im Bund-Länder-Verhältnis die finanziellen Handlungsspielräume des Bundes angesichts der bestehenden Lasten ausgereizt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Koalitionsvertrag sind 23 Milliarden Euro für prioritäre Maßnahmen vorgesehen, wovon mehr als die Hälfte nicht für bundesoriginäre Aufgaben abfließt, sondern für Aufgaben, die originär die Ländern und die Kommunen erfüllen. Aber diese schwarze Null, die eigentlich erst für dieses Jahr vorgesehen war, hat die Möglichkeit eröffnet, dass wir in den nächsten drei Jahren bis 2018 wieder einen Ausgabenzuwachs von 30 Milliarden Euro haben werden. Das ist die Basis dafür, dass wir mehr als in der Vergangenheit in Verkehrsinfrastruktur investieren, dass wir noch mehr in Bildung und Forschung investieren können und dass wir Länder und Kommunen noch mehr unterstützen können, Stichwort „Grundsicherung im Alter“, wofür pro Jahr insgesamt mehr als 5 Milliarden Euro an die Kommunen fließen werden. Dafür liefert die Basis die schwarze Null. Diese Basis, Kollege Kindler, haben wir uns in der Koalition mit der FDP und in dem einen Jahr Koalition mit der SPD schon hart erarbeitet. ({4}) Meine Damen und Herren, was in der politischen Debatte ganz wenig beachtet wird, ist, dass wir noch in der Großen Koalition 2008/2009 und dann in der Koalition mit der FDP ({5}) eine Entlastung für die Bürger von 25 Milliarden Euro in der vollen Jahreswirkung ab 2011 und für die Kommunen von 17 Milliarden Euro vorgenommen haben. Wenn man Steuermehreinnahmen und Entlastungen gegeneinander aufrechnet, wenn man sieht, dass wir im Ausgabenzuwachs fast konstant geblieben sind, dann, Kollege Kindler, muss man feststellen: Das ist schon eine große Leistung von zwei Bundesregierungen; das ist eine große Leistung von zwei Koalitionen. Ich will Ihnen eins sagen: Dieses lassen wir uns von niemandem und von keinem schlechtreden. ({6}) Ich glaube, dieses Jahr wird von dem Thema BundLänder-Finanzbeziehungen sehr stark geprägt sein. Der Bund hat in den letzten vier Jahren, von 2010 bis 2014, Steuermehreinnahmen in Höhe von etwa 45 Milliarden Euro gehabt. Die Länder haben in fast gleicher Höhe Steuermehreinnahmen gehabt. Die Kommunen haben in der Zeit Steuermehreinnahmen von fast 19 Milliarden Euro gehabt. Jetzt muss man angesichts der vielen Forderungen, die von Ländern und Kommunen auch in den letzten Stunden und Tagen an den Bund gerichtet worden sind, in dieses Land die Botschaft senden, dass an der positiven wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung in den letzten Jahren Länder und Gemeinden in gleicher Art und Weise partizipieren. In der letzten Legislaturperiode und in dieser Legislaturperiode haben wir, der Bund, je nach Betrachtung, je nach Berechnungsweise an Länder und Kommunen zusätzlich zwischen 70 Milliarden und 90 Milliarden Euro für Aufgaben gegeben, für die wir eigentlich nicht zuständig sind. Angesichts dessen können wir jetzt nicht nur die schwarze Null für das vergangene Haushaltsjahr erfolgreich verbuchen, sondern die politischen Rahmenbedingungen, die wir heute haben, die wir uns schwer erarbeitet haben. Das steht für mehr als gute Zukunftschancen. Ich glaube, Deutschland steht mit Blick auf Europa sehr gut da. Herzlichen Dank. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion spricht nun die Kollegin Petra Hinz. ({0})

Petra Hinz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003768, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer hier im Saal, im Plenum des Deutschen Bundestages, und auch an den Bildschirmen! Wir haben jetzt von der Opposition den Vorwurf gehört, wir feierten uns selbst. Ich will gerne zu dieser Party gehen; denn das, was wir zu bieten haben, kann sich in der Tat sehen lassen. Lieber Kollege Sven-Christian Kindler, Stichwort „Arbeitsverweigerung“: Das, was wir nach einem Jahr vorzuweisen haben, soll Arbeitsverweigerung sein. Ich will am Ende meiner Rede schauen, was tatsächlich Arbeitsverweigerung ist. Unter Arbeitsverweigerung kann man auch verstehen, dass man sich guten Ideen, guten Vorhaben verschließt, weil man in der Opposition ist. Also, wir haben im zurückliegenden Jahr eine ganze Menge geleistet. Ein anderer Punkt, lieber Tobias Lindner. Sie sagen, wir hätten Kürzungen vorgenommen. Wir haben keine Kürzungen vorgenommen. ({0}) Ich glaube, wir alle wissen aus Erfahrung - zumindest die Haushälter müssten das wissen -, dass nicht alle Gelder, die wir in den Haushalt einstellen, auch abfließen. Wir könnten hier einen Catwalk mit noch mehr Zahlen präsentieren; unter dem Strich ist es so, dass nur ein Teil der Gelder tatsächlich abfließt und ankommt. Wir könnten im Bereich der Städtebauförderung oder im Bereich der Verkehrsinfrastruktur noch mehr Gelder bereitstellen; aber es gibt eben einen Realisierungsstau. Unter dem Strich könnten diese Gelder doch gar nicht abfließen. Sprich doch einmal mit den Vertretern der Kommunen oder der Länder! Die Gelder, die jetzt im Haushalt stehen, entsprechen den Maßnahmen, die in diesem Zeitraum abgearbeitet werden können. Nun zu Ihnen, lieber Herr Rehberg. Im Haushaltsausschuss duzen wir uns ja, aber jetzt einmal förmlich: Lieber Herr Rehberg, ({1}) Sie sagten, Sie wollten einmal nett sein. Dann möchte ich jetzt auch einmal nett sein. - Zu sagen: „Zwischen 2005 und 2009 war Peer Steinbrück Finanzminister, und jetzt ist es Herr Schäuble und Frau Merkel“, so funktioniert es nicht. ({2}) Frau Merkel war auch 2005 bis 2009 Kanzlerin. ({3}) Was hat Frau Merkel da gemeinsam mit dem Finanzminister gesagt? Bis 2011 werden wir es schaffen, dass wir keine Neuverschuldung mehr haben. - Es ging um 11 Milliarden Euro. ({4}) Dann kam die Finanz- und Wirtschaftskrise, die Bankenkrise dazwischen. - Diese Wahrheit muss man in dieser Form auch einmal sagen. ({5}) Das Schmunzeln in den Reihen nehme ich einmal als stille Bestätigung; denn ich habe recht. ({6}) Ich habe noch einmal die Pressemitteilungen der Kolleginnen und Kollegen der Opposition zum Haushalt 2014 herausgesucht und gelesen, was denn da alles geschrieben wurde. Sie haben im Rahmen der Medienberichterstattung gesagt: „Haushaltsentwurf 2014 ist ein Verschiebebahnhof“. ({7}) Falsch! Sie haben behauptet: „Koalition versenkt Bildungsrepublik im Haushaltsloch“. Petra Hinz ({8}) ({9}) Falsch! ({10}) Sie haben behauptet, wir würden auf Kosten sozialer Leistungen den Schuldenabbau betreiben. ({11}) Falsch! Richtig ist, was ich jetzt sage: ({12}) Wir entlasten die Städte und Gemeinden bei den Sozialausgaben - darauf ist schon mehrfach hingewiesen worden; wir gehen über das Maß dessen hinaus, was wir im Rahmen der föderalen Strukturen leisten müssen, weil wir einfach die Notwendigkeit sehen -, so in 2014 um rund 5,5 Milliarden Euro. Richtig ist: Wir werden die Kommunen im Sozialbereich, nur im Bereich der Sozialleistungen direkt, in der Zeit von 2015 bis 2018 um 25 Milliarden Euro entlasten. Richtig ist: Wir investieren in den Ausbau der Kindertagesstätten. ({13}) - Herr Kindler, nicht wer am lautesten schreit, hat auch recht. ({14}) - Man versteht Sie so sowieso nicht. Sie müssten sich zu Wort melden. ({15}) Nur, bei einer Aktuellen Stunde können Sie das leider nicht. Richtig ist: Seit dem 1. Januar 2015 haben die Arbeitnehmer Anspruch auf einen gesetzlichen Mindestlohn. Ab dem 1. Januar 2017 - also nicht sofort; das will ich der Wahrheit halber hinzufügen - haben sie diesen gesetzlichen Anspruch flächendeckend. Richtig ist: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können bereits mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen. ({16}) Richtig ist auch, dass wir Freiräume für die Familien schaffen, einen besseren Ausgleich zwischen Arbeit und Familie, auch durch die Familienpflegezeit. Ich möchte noch den Bildungsbereich ansprechen und hier das BAföG. Wir haben eine Erhöhung der Bedarfssätze um 7 Prozent vorgenommen sowie eine Anhebung der Wohnkosten- und Sozialpauschalen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollegin Hinz, Sie müssen einen Punkt setzen.

Petra Hinz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003768, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Okay, ich fasse zusammen: Der Höchstsatz für die Studierenden beträgt jetzt 670 Euro. Das sind insgesamt monatlich 9,5 Prozent mehr, auf die die Studierenden zurückgreifen können. Das ist ein Jahr Große Koalition. Das nenne ich gute Arbeit. Das ist keine Arbeitsverweigerung, meine lieben Kollegen und Kolleginnen! Danke schön. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Dr. Reinhard Brandl das Wort. ({0})

Dr. Reinhard Brandl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004018, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie merken schon: Das ist heute eine historische Debatte. Seit gestern, 10 Uhr, haben wir es schwarz auf weiß: Der Bund hat 2014 keine neuen Schulden mehr gemacht. Wenn das nicht Anlass für eine Aktuelle Stunde ist, dann weiß ich nicht, was Anlass für eine Aktuelle Stunde sein soll. ({0}) Das Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs Kampeter, in dem er uns das mitgeteilt hat, habe ich bei mir im Büro nicht unter „Drucksachen“ abgeheftet, sondern ({1}) in den Ordner „Dokumente der Zeitgeschichte“. ({2}) Meine Damen und Herren, da gehört es auch hin. Natürlich war es eine Überraschung, mit der wir bei der Aufstellung des Haushaltes 2014 nicht haben rechnen können. Aber dass es zu einem besseren Haushaltsabschluss gekommen ist, dürfte bei Wolfgang Schäuble niemanden mehr überraschen. ({3}) Seitdem Wolfgang Schäuble im Amt ist, seit fünf Jahren, war der Abschluss am Ende immer besser als der Plan. Das kann man nicht mehr mit Glück erklären. Das hat System. Das ist ein Zeichen von vorsichtiger und solider Haushaltspolitik. ({4}) 2014 war es sogar so, dass wir statt der geplanten 6,5 Milliarden Euro 0 Euro neue Schulden gemacht haben. Lassen Sie mich auch das erwähnen: Das ist zum letzten Mal unter dem Bundesfinanzminister Franz Josef Strauß im Jahr 1969 gelungen. ({5}) Wenn es anders gekommen wäre und wir statt 6,5 Milliarden Euro weniger 6,5 Milliarden Euro mehr an Schulden aufgenommen hätten: Ich weiß nicht, was für ein Theater, was für ein Spektakel die Opposition hier veranstaltet hätte. Ja, es gab ein paar glückliche Entwicklungen am Jahresende. Es gab höhere Steuereinnahmen, es gab die Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Kernbrennstoffsteuer, und es gab geringere Zinsausgaben. Aber, meine Damen und Herren, das Entscheidende ist: Selbst wenn sich diese Punkte alle nicht so positiv entwickelt hätten, wie sie sich entwickelt haben, dann wären wir immer noch unter den veranschlagten 6,5 Milliarden Euro Neuverschuldung geblieben, und wir hätten bei weitem immer noch die Vorgaben, die uns entsprechend der Schuldenbremse erlaubt gewesen wären, unterschritten. Die Botschaft, die die Große Koalition hier sendet, ist: Die Politik hält sich an ihre Versprechen. ({6}) Meine Damen und Herren, bei der Frage der Neuverschuldung geht es um mehr als darum, dass wir bei unserer Bilanz 2017 hinter dieses Vorhaben unserer Wahlprogramme einen grünen Haken setzen können. Da geht es um die Glaubwürdigkeit staatlicher Finanzpolitik insgesamt. Es geht auch darum, ob wir als Gesamtstaat - nicht nur als Bund - in der Lage sind, uns an unsere eigenen Haushaltsregeln zu halten. 2009 haben Bundestag und Bundesrat mit großen Mehrheiten - es waren jeweils über zwei Drittel - die Einführung der Schuldenbremse beschlossen. In das Grundgesetz wurde Artikel 109 Absatz 3 aufgenommen: Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Die Übergangszeit endet für den Bund 2016 und für die Länder 2020. Wenn wir hier als Bund wackeln und uns in irgendeiner Form um die Vorgaben der Schuldenbremse herumdrücken würden, dann fänden die Bundesländer sofort Gründe, warum auch sie sich nicht an die Vorgaben der Schuldenbremse halten müssten. Damit wäre eines der großen Versprechen der Nachkriegsgeschichte mit Verfassungsrang gebrochen. Dieser Bruch hätte eine fatale Wirkung auf die Glaubwürdigkeit deutscher Politik im In- und Ausland, und das in einer Phase, in der Europa immer noch um Vertrauen in die Tragfähigkeit seiner öffentlichen Schulden kämpft. Insofern hat die Null nicht nur einen fiskalischen Effekt, sondern auch eine psychologische Wirkung. Diese psychologische Wirkung wird durch das zweite Signal, das wir in diesen Wochen ausgesandt haben, verstärkt, nämlich dass wir ab 2016 ein Investitionspaket in Höhe von 10 Milliarden Euro auf den Weg bringen. Meine Damen und Herren, das ist solide Haushaltspolitik. Das ist ein Markenzeichen der Großen Koalition, das Markenzeichen von Wolfgang Schäuble. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns noch einen schönen Nachmittag. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Kerstin Radomski von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Kerstin Radomski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004382, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einem Parlament ist es seit jeher üblich, dass sich die Mehrheit positiv zu den Regierungserfolgen äußert und die Opposition versucht, an diesen etwas auszusetzen. ({0}) Aber kommen wir an einem Tag wie dem heutigen doch einmal aus den parteipolitischen Gräben heraus, und nehmen wir die historische Tatsache wahr, dass die Bundesrepublik bereits im vergangenen Jahr einen ausgeglichenen Haushalt hatte! Deshalb ist heute ein Tag der Freude. ({1}) Bevor Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, nun doch mit dem Kritisieren weitermachen: Freuen Sie sich doch mit uns! Freuen Sie sich, dass die Bundesregierung keine neuen Schulden mit aus Ihrer Sicht falschen Projekten macht! Aus unserer Sicht investieren wir in die richtigen Projekte, nur eben - im Gegensatz zu vielen linken Ideen - ohne dafür zu tief in die Taschen zu greifen. Zukunftspolitik statt Verteilungspolitik, Ansporn statt Gleichmacherei! Dass unsere Politik zum Aufschwung führt, zeigen die Steuereinnahmen, die den ausgeglichenen Haushalt maßgeblich möglich machen, verbunden mit dem Augenmaß bei den Ausgaben. Bei einer früheren Haushaltsdebatte hat eine Kollegin von den Linken Deutschland als „Sanierungsfall“ bezeichnet. Die solide Finanzlage mit ihren Steuereinnahmen zeigt nun jedoch das Gegenteil. Wenn wir uns über den Bundeshaushalt 2014 und auch den Haushalt 2015 außerhalb der üblichen Grabenkämpfe unterhalten, dann sollten wir alle berücksichtigen, dass wir doch alle eines gemeinsam haben: Wir alle haben Kinder, Neffen, Nichten oder Nachbarskinder. Wenn ich meinen beiden Töchtern sagen kann, dass in unserem Land die Politiker dafür sorgen, dass nicht mehr Geld ausgegeben als eingenommen wird, dann tue ich das mit Stolz, ({2}) weil das Erreichen der schwarzen Null gelebte Nachhaltigkeit ist, die wir der folgenden Generation vermitteln wollen. Das beginnt mit dem Ressourcenschutz im täglichen Leben und endet mit dem Vermeiden unnötiger Schulden. Wie sonst sollen wir den Kindern den verantwortungsvollen Umgang mit eigenem Geld beibringen, wenn nicht wir als Vorbild dienen? Als langjährige Lehrerin freut es mich umso mehr, dass wir trotz der schwarzen Null an den richtigen Stellen Geld ausgeben und in die Zukunft investieren, vor allen Dingen in Bildung und Forschung sowie in die Infrastruktur. ({3}) Ebenso wie sich unser Land keine Löcher im Haushalt erlauben kann, können wir auch keine Löcher in Bildungsbiografien verantworten. Deshalb haben wir im Jahr 2014 erneut knapp 14 Milliarden Euro für Bildung und Forschung ausgegeben. Wenn wir auf die vergangenen zehn Jahre blicken, so haben sich die Ausgaben dafür sogar mehr als verdoppelt, und in diesen zehn Jahren, meine Damen und Herren, wurde die Bundesregierung von Angela Merkel geführt. ({4}) Deshalb ist es nicht vermessen, wenn ich an dieser Stelle betone, dass wir heute ernten, was in diesen Jahren gesät wurde. Lieber Herr Kindler von den Grünen, im vergangenen November haben Sie an genau diesem Platz, an dem ich heute stehe, gesagt: Wer die Felder nicht bestellt, der kann nachher auch nicht ernten. Wir haben die Felder bestellt und den ausgeglichenen Haushalt verabschiedet, und nun ernten wir gemeinsam die Früchte. ({5}) Viele, auch in diesem Haus, haben währenddessen das Ziel des ausgeglichenen Haushaltes nicht erkannt oder daran gezweifelt. Doch die unionsgeführten Bundesregierungen mit ihren unterschiedlichen Koalitionspartnern haben nicht nur die Weichen für den heutigen Erfolg gestellt, sondern vor allem eines getan: Wir haben Wort gehalten. Die Herausforderung für die kommenden Jahre ist, die Nullverschuldung im Haushalt beizubehalten und gleichzeitig die Investitionen zu tätigen, die ein verantwortungsvolles Voranschreiten in unserem Land ermöglichen. Deshalb haben uns die Menschen gewählt, und das bleibt auch in Zukunft unser Ziel. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, auch viele von Ihnen sind Haushaltspolitiker. Uns Haushältern liegen solide Finanzen besonders am Herzen. Geben Sie sich deshalb einen Ruck! Freuen Sie sich nicht nur innerlich über den ausgeglichenen Haushalt, sondern geben Sie Ihrer Freude Ausdruck! ({6}) Wir freuen uns hier heute gemeinsam über keine neuen Schulden für unser Land und für unsere Kinder. Herzlichen Dank. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Ralph Brinkhaus für die CDU/CSU-Fraktion.

Ralph Brinkhaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004021, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Leutert, Herr Bartsch, Sie haben Zweifel daran geäußert, dass man Aktuelle Stunden zu Themen durchführen kann, bei denen es richtig gut läuft. ({0}) Sie haben viele Probleme adressiert, die wir haben. Was ist das aber für ein Politikverständnis, dass man sich nicht freuen kann, auch wenn es noch irgendein Problem auf der Welt gibt? - Wir haben ein anderes Politikverständnis. Wir gehen die Probleme an, wenn die Zeit dafür ist. Manchmal ist aber auch die Zeit, zu feiern, und heute ist die Zeit, zu feiern. ({1}) Gestern hat ein Journalist die Sache so kommentiert: Ein Tag der Genugtuung für die CDU/CSU, ein Tag der Genugtuung für die Union. - Mir gefällt das nicht so ganz. Erstens mag ich das Wort „Genugtuung“ nicht. Zweitens ist es zwar ein Tag der Freude, aber ein Tag der Freude für viele. Heute haben hier viele ihre Freude geäußert. Ich bekomme übrigens auch Zuspruch aus dem Wahlkreis durch Anrufe und Mails. Es ist also nicht so, dass wir uns hier im Deutschen Bundestag alleine freuen. Die Menschen im Land finden das richtig klasse und wissen das wertzuschätzen. ({2}) Meine Damen und Herren, wir freuen uns umso mehr, als wir wissen, wo wir vor fünf Jahren gestanden haben. Ich kritisiere gar nicht, dass Peer Steinbrück einen Haushalt mit einer Nettoneuverschuldung von 80 Milliarden Euro vorgelegt hat, den wir mitgetragen haben. Aber wer hätte damals gedacht, dass wir vier Haushaltsjahre später bei der Null sind? Das ist klasse. Wer hätte gedacht, dass wir das ohne Steuererhöhungen, ohne neue Steuern schaffen? Ich muss an dieser Stelle einmal ganz dezent anmerken: Alle hier im Bundestag vertretenen Parteien sind mit Konzepten in den Wahlkampf gezogen, wie der Haushalt ausgeglichen werden kann; es gab nur zwei Parteien, die gesagt haben, dass es ohne Steuererhöhungen geht, und das waren wir von CDU und CSU. ({3}) Wir haben gesagt, dass es ohne Steuererhöhungen geht, und haben das auch durchgezogen. Wir haben recht behalten, meine Damen und Herren. Wir freuen uns auch deswegen - das ist mehrfach angesprochen worden -, weil die schwarze Null von den Menschen in diesem Land ehrlich erwirtschaftet worden ist, mit ihrem Fleiß und ihrer erfolgreichen Arbeit. Das ist klasse. Wir haben - das hat die Kollegin Hinz eben erwähnt aber nicht nur auf uns geachtet, sondern auch die Kommunen und die Länder entlastet. Wir haben auch an andere gedacht. Der Kollege Kampeter, dem das Grinsen immer noch im Gesicht steht - ich habe ihn selten so fröhlich erlebt wie heute -, hat das eben auch angesprochen. Es ist ein Tag der Freude; wir alle können uns freuen. Die Menschen im Land freuen sich, bis auf einige wenige Ausnahmen, die hier im Deutschen Bundestag sitzen, und zwar in der Mitte bei den Grünen und links bei der Linken. ({4}) Das wundert mich aber gar nicht. Ich habe einmal die Berichte zur Verabschiedung des Haushaltes 2014 herausgeholt. Herr Kindler, was haben Sie da auf den Putz gehauen: ({5}) „desaströs“, „Las Vegas“, „Trickserei“! Der Kollege Bartsch hat Sie an der einen oder anderen Stelle noch überboten. ({6}) Haben Sie doch jetzt einfach die Größe, zu sagen: Unsere Prognose war falsch; wir haben uns geirrt. Es ist eine tolle Leistung der Koalition, dass sie das hingekriegt hat. ({7}) Nein, meine Damen und Herren von den Grünen und von der Linken, diese Größe fehlt Ihnen leider, und das ist sehr schade. ({8}) Sie haben hier von Arbeitsverweigerung gesprochen, Herr Kindler. Ich schätze Sie sehr; aber Arbeitsverweigerung ist, wenn man zwei Jahre lang immer die gleiche Rede mit den gleichen Argumenten hält und diese Argumente nicht richtiger werden. ({9}) Meine Damen und Herren, Sie behaupten, wir investierten zu wenig. Fakt ist: Wolfgang Schäuble hat 10 Milliarden Euro für zusätzliche Investitionen angekündigt. ({10}) Fakt ist: Jean-Claude Juncker hat 300 Milliarden Euro für zusätzliche Investitionen angekündigt. Fakt ist: Wir haben mehr für Bildung und Forschung ausgegeben. Fakt ist: Wir haben mehr für Kommunen ausgegeben. Wir haben das alles in diesem Haushalt hingekriegt. Ihre Behauptung ist also schlichtweg falsch. Sie sagen, wir plünderten die Sozialversicherungen. ({11}) Das ist doch Blödsinn. Wir stecken dieses Jahr 80 Milliarden Euro in die Rentenkasse und 10 Milliarden Euro in die Gesundheitssysteme. Wir von der Großen Koalition waren es, die die Pflegeversicherung ehrlich gemacht haben, im Übrigen auch durch Beitragserhöhungen. Das war nicht populär, aber wir haben es trotzdem gemacht. ({12}) Man sieht: Wir plündern die Sozialkassen eben nicht. Wir können sehr gerne über die Zukunft der Sozialkassen reden. Wir müssen darüber reden, wie wir sie nachhaltig gestalten können. Das muss man aber auf seriöse Art und Weise machen, Herr Kindler, und nicht so, wie Sie das heute hier gemacht haben. ({13}) Nun zu einem Punkt, der uns immer wieder vorgehalten wird: Wir haben Glück, weil wir sehr hohe Steuereinnahmen haben und weil die Zinsen niedrig sind. Ja, das stimmt. Aber das gilt auch für einige Bundesländer. Herr Lindner, Glück hat auch die Regierung in Rheinland-Pfalz. Sie hat ebenfalls hohe Steuereinnahmen und profitiert von den niedrigen Zinsen. Die Grünen regieren dort in einer Koalition mit der SPD. Sie sind einer der führenden Politiker aus Rheinland-Pfalz. Sagen Sie uns doch einmal, wie der Landeshaushalt in Rheinland-Pfalz aussieht! ({14}) Solange Herr Kahrs hier sitzt, darf ich nicht über den Landeshaushalt in Nordrhein-Westfalen reden, ({15}) weil er sonst wie ein HB-Männchen in die Luft geht. Aber weil ich der letzte Redner bin, muss er ertragen, dass ich sage: Auch in Nordrhein-Westfalen klappt es nicht, trotz niedriger Zinsen und hoher Steuereinnahmen, ({16}) und in Baden-Württemberg erst recht nicht. Die schwarze Null ist kein Zufall, sondern das Ergebnis guter Arbeit. Ich gestehe Ihnen von der Opposition zu, dass Sie diese Arbeit nicht zu schätzen wissen. Ihnen von der SPD gestehe ich zu, dass wir das gemeinsam gemacht haben. Aber gestehen Sie uns auch bitte zu, dass wir zusammen mit der FDP vier Jahre lang gut vorgearbeitet haben; insofern kann die sich auch freuen. ({17}) Alle freuen sich also, nur die Grünen und die Linken nicht. Einen schönen Abend noch. ({18})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Aktuelle Stunde ist damit beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 15. Januar 2015, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen bis dahin alles Gute.