Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Ich begrüße Sie herzlich zu unserer ersten Sitzung im
Parlamentsjahr 2015. Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung des Personalausweisgesetzes zur Einführung eines Ersatz-Personalausweises und zur Änderung des Passgesetzes.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister des Innern, Herr Dr. Thomas de
Maizière.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Ereignisse von Paris vom 7. Januar 2015 haben erneut
auf bedrückende Weise gezeigt, dass es gilt, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung mit den erforderlichen und rechtsstaatlichen Mitteln entschlossen gegen
den internationalen Terrorismus zu verteidigen. Die
Bundesregierung verfolgt bereits seit längerem - auch
schon vor dem Anschlag von Paris - einen breiten Ansatz, um dieser Aufgabe zu begegnen: Prävention, der
Versuch der Vermeidung von Radikalisierung, Deradikalisierung und vieles andere mehr.
Dazu gehört aber auch Gesetzgebung. Eine gesetzgeberische Maßnahme von mehreren ist der Entwurf eines
Gesetzes zur Änderung des Personalausweisgesetzes zur
Einführung eines Ersatz-Personalausweises. Diesen Gesetzentwurf hat die Bundesregierung in ihrer heutigen
Sitzung beschlossen.
Ziel des Gesetzentwurfes ist die Verhinderung der
Ausreise und der Wiedereinreise von Gefährdern des
extremistisch-terroristischen Personenspektrums. Bislang
haben sich ungefähr 3 400 Kämpfer aus Europa dem
Krieg des sogenannten „Islamischen Staates“ in Syrien
und dem Irak angeschlossen. Allein aus Deutschland sind
rund 600 - das ist die aktuelle Zahl; zuvor waren es 550 Ausreisen in das Gebiet erfolgt. 150 bis 180 sind nach
Deutschland zurückgekehrt, 30 davon als kampferprobte
Fundamentalisten.
Wir können schon auf der Basis der bisherigen
Rechtslage deutschen Staatsbürgern den Pass entziehen
und ihnen die Ausreise untersagen. Das ist unstreitig.
Wir wollen verhindern, dass Personen trotz einer verfügten räumlichen Beschränkung und trotz des Entzugs des
Reisepasses unmittelbar aus Deutschland oder aus anderen Schengen-Staaten in solche Drittstaaten ausreisen,
bei denen für die Einreise die Benutzung des Personalausweises als Reisedokument ausreicht.
Wenn wir den Pass entziehen, ist es nach bisheriger
Rechtslage so, dass sich der Geltungsbereich des Personalausweises automatisch auf Deutschland beschränkt.
Man sieht es aber dem Ausweis nicht an. Auch ein
Grenzbeamter eines anderen Staates sieht es dem Ausweis nicht an. Deswegen fahren viele, obwohl es untersagt ist, mit ihrem Personalausweis zu einer SchengenAußengrenze und reisen aus, um in Kampfgebiete zu
kommen, oder kommen mit dem Personalausweis zurück.
Wir müssen sicherstellen, dass kein Zweifel darüber
besteht, ob ein Ausweisinhaber ausreisen darf oder nicht.
Aufgrund der neuen Regelung soll für bestimmte Personen nicht mehr nur der Pass, sondern auch der Personalausweis versagt oder entzogen werden können. Der Betroffene bekommt dann einen Ersatz-Personalausweis.
Ich habe ein Musterexemplar mitgebracht. Vielen wird
er bekannt vorkommen: Er sieht ungefähr so aus wie der
Ausweis, den jemand erhält, der seine Plastikkarte im
Ausland, in den Ferien, verloren hat, zu einem Konsulat
geht und sagt: Ich brauche einen vorläufigen Personalausweis. - Er bekommt dann ein Papier, das im Wesentlichen so aussieht wie der Ersatz-Personalausweis.
Mit dem Ersatz-Personalausweis ist die betroffene
Person nicht mehr berechtigt, Deutschland zu verlassen.
Wenn man sich bei Geschäften oder Identifizierungen,
die in Deutschland erforderlich und geboten sind, ausweisen muss, kann man das mit diesem Ersatz-Personalausweis tun.
Die Entziehung des Ausweises soll möglich sein,
wenn Tatsachen vorliegen, die den Verdacht begründen,
dass ein Gefährder einer terroristischen Vereinigung angehört oder eine solche unterstützt, Gewalt als Mittel zur
Durchsetzung seiner politischen oder religiösen Überzeugungen anwendet, unterstützt oder hervorruft oder
eine staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet. Die Entziehung des Ausweises und Ausstellung eines ErsatzPersonalausweises unterliegt der sofortigen Vollziehung,
um Rechtsbehelfen eine aufschiebende Wirkung zu nehmen und die Maßnahmen effektiver zu machen; das ist
in diesem Fall sicherlich verständlich.
Was passiert, wenn ein Ausweisinhaber entgegen der
ausreiseverhindernden Maßnahme die Bundesrepublik
Deutschland trotzdem verlässt? Oft wird der Vorwurf gemacht, man könne auch irgendwo hinreisen, ohne den
Ausweis vorzuzeigen, und die Frage gestellt, was das
dann eigentlich solle. Wenn das bekannt wird, zum Beispiel weil sich derjenige im Internet damit brüstet, im
Ausland aktiv zu sein, dann sind - das sieht der Gesetzentwurf vor - die Ausweispapiere, auch der Personalausweis, kraft Gesetzes ungültig. Das ist wichtig, denn das
ermöglicht den Behörden eine unmittelbare Ausschreibung des jeweiligen Ausweises im Schengener Informationssystem und in der Stolen-and-Lost-TravelDocuments-Datenbank von Interpol. Damit erhöhen wir
deutlich die Wahrscheinlichkeit des Aufgreifens des Reisenden bereits in Transitländern oder bei der Rückkehr.
Im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus stellt dieser Gesetzentwurf also einen konzeptionell
richtigen Ansatz dar. Es ist ein wichtiger Baustein neben
anderen, die wir bereits haben oder an denen wir noch
arbeiten und die die Sicherheit der Bundesrepublik
Deutschland und ihrer Bürger erhöhen.
Vielen Dank.
Herzlichen Dank, Herr Bundesminister. - Die erste
Frage stellt die Abgeordnete Frau Irene Mihalic, Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, vielen
Dank für Ihren Bericht, für Ihre Ausführungen. Sie haben vorhin gesagt: Wenn jemand mit einem normalen
Personalausweis an eine Grenze kommt und eine Ausreisebeschränkung vorliegt, dann sieht man es diesem
Ausweis nicht an, dass diese Ausreisebeschränkung
vorliegt. - Deswegen ist natürlich auch eine Datenabfrage im Schengener Informationssystem in so einem
Fall relativ nutzlos, weil eine Ausreisebeschränkung, die
ein Grenzbeamter im Ausland, etwa in einem Transitland, sehen könnte, in diesem System noch nicht hinterlegt werden kann; sie kann dort nicht ausgeschrieben
werden. Meine Frage: Ist es daher richtig, dass die Bundesregierung die Änderung des Personalausweisgesetzes
unter anderem deswegen für nötig hält, da Ausreisebeschränkungen bisher noch nicht im Schengener Informationssystem ausgeschrieben werden können?
Frau Abgeordnete, das ist so nicht richtig. Ihre Beschreibung ist zwar richtig, aber es sind diesbezüglich
zwei Maßnahmen vorgesehen. Die erste Maßnahme ist:
Auf diesem vorläufigen Dokument steht auf der letzten
Seite: „Berechtigt nicht zum Verlassen Deutschlands“. Das ist in mehr oder weniger allen wichtigen europäischen Sprachen niedergelegt, in Englisch, Französisch,
Griechisch usw., sodass der Grenzbeamte zum Beispiel
in Griechenland weiß, dass dieser Ersatzausweis nicht
zum Verlassen Deutschlands berechtigt und daher kein
gültiges Ausreisedokument vorliegt. - Das ist die erste
Maßnahme.
Was das Schengener Informationssystem angeht, so haben die europäischen Innenminister zusammen mit der
Kommission längst vereinbart, „terrorism-related activity“
als Tatbestandsmerkmal im Schengener Informationssystem niederzulegen, sodass eine Kontrolle stattfinden
kann und dann, wenn der Ausweis gezeigt wird, feststeht, dass der Betreffende Dschihadist ist. Dann kann er
nicht ausreisen oder wird bei der Einreise gegebenenfalls
verhaftet.
Schönen Dank. - Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Herr Harald Petzold, Fraktion Die Linke.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, auch
von mir vielen Dank für den Bericht. Ich habe allerdings
ein Problem mit der Frage der Verhältnismäßigkeit der
von Ihnen beschriebenen Maßnahmen; denn immerhin
werden die Maßnahmen durch eine Behörde vorgenommen und nicht durch ein Gericht. Außerdem gilt doch eigentlich für die betroffenen Personen - wenn ich das
richtig verstanden habe - die Unschuldsvermutung. Deswegen möchte ich Sie fragen, wie Sie die Verhältnismäßigkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen einschätzen,
vor allen Dingen vor dem Hintergrund, dass eine Stigmatisierung durch die Gestaltung des vorläufigen Personalausweises nicht zu vermeiden ist.
Lassen Sie mich zunächst feststellen: Ihre kritische
Frage nach der Verhältnismäßigkeit wäre nur dann richtig, wenn Sie auch die Entziehung des Passes für unverhältnismäßig hielten; das habe ich aber nirgends gehört.
Bei deutschen Staatsbürgern ist die Entziehung des Passes sogar dann möglich, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet ist. Der Tatbestand
ist also viel weiter gefasst als in dem geplanten Gesetzentwurf, der sich auf terroristische Aktivitäten beschränkt. Von daher finde ich es nicht unverhältnismäßig, wenn die Regelungen, die für den Reisepass gelten,
auch für den vorläufigen Personalausweis gelten.
Zweitens. Wir haben die grundrechtsschonende Variante eines Ersatzpapiers gewählt. Es wurde auch diskutiert, ob man einen roten Balken mit dem Hinweis „Gilt
nur für die Bundesrepublik Deutschland“ aufdruckt oder
ob man einen Aufkleber verwendet - wenn Sie ein Kind
haben, dann kennen Sie solche Aufkleber für Reisepässe -;
diesen Aufkleber kann man allerdings abrubbeln, von
daher ist diese Variante nicht vernünftig. Die Variante
mit dem Balken würde zu einer viel größeren Stigmatisierung führen als das jetzt vorgeschlagene Ersatzpapier.
Deswegen ist unser Vorschlag verhältnismäßig und
grundrechtsschonend.
Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Jörn
Wunderlich, Fraktion Die Linke.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, Sie haben gerade gesagt, die roten Balken seien viel stigmatisierender. Also geben Sie zu, dass dieses Ersatzpapier
stigmatisierend ist; denn wenn man zum Beispiel eine
Wohnung mieten möchte, wenn man sich in Geschäften
ausweisen muss, wenn man ein Konto eröffnen möchte
und man nur ein solches Ausweispapier vorlegt, dann
legt das schon den Verdacht nahe, dass irgendetwas nicht
stimmt. Das entspricht nicht der Unschuldsvermutung.
Sie begründen die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme mit der UN-Resolution vom September zur Bekämpfung der Terrorgruppe ISIS. Es gibt eine Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen
Bundestages, in der es heißt - ich teile diese Einschätzung voll und ganz -, aufgrund der Resolution sei eine
Änderung des Pass- und Personalausweiswesens bei uns
in Deutschland nicht erforderlich.
Zum Thema Verhältnismäßigkeit. Sie haben einige
Beispiele genannt. Ich frage mich: Gibt es überhaupt
eine Evaluation, aus der hervorgeht, wie wirksam so ein
Verfahren ist, wie viele Fälle es schon gegeben hat? Ich
frage mich auch: Woran erkennen Sie überhaupt die betroffenen Personen? Wenn meine Frau sich ein Kopftuch
aufsetzt, wird ihr dann auch der Pass oder der Personalausweis entzogen?
Das war jetzt ein Durcheinander ganz vieler Aspekte.
({0})
Erstens. Ihre Argumentation wäre dann logisch, wenn
Sie sagen würden: Ich halte die Entziehung des Passes
für falsch. - Das habe ich aber nicht gehört. Wenn man
sagt, die Entziehung des Passes ist in bestimmten Fällen
richtig und die Entziehung des Passes dient dazu, die
Ausreise aus Deutschland zu verhindern, dann ist es geradezu geboten, einen Umgehungstatbestand, nämlich
die Bundesrepublik Deutschland auf andere Weise zu
verlassen, zu verhindern.
Zweitens. Der grundrechtliche Schutz gilt allen. Aber
ich finde es nicht unverhältnismäßig, wenn wir einen
Beitrag dazu leisten, dass von Deutschland aus kein Export von Terrorismus stattfindet. Das ist, finde ich, ein
ziemlich hochrangiges Gut; verglichen mit dem, was Sie
als unverhältnismäßig ansehen.
({1})
Zur Erforderlichkeit der Maßnahmen. Der Sachverhalt ist folgender: Es gibt über 400 Ermittlungsverfahren. Es gibt terroristische Vorgänge, im Wesentlichen im
Bereich Ausreise. Die Kontrollen der Bundespolizei verhindern im Durchschnitt jede Woche eine Ausreise, auch
wenn keine Verfügung einer Ausländerbehörde vorliegt.
Hier spielt natürlich das Aussehen der betroffenen Personen eine Rolle; denn die Betroffenen nähern sich zum
Teil einem bestimmten Aussehen an, um deutlich zu machen, wer sie sind. Dann findet eine Durchsuchung der
Koffer statt; und wenn man in den Koffern Nachtsichtgeräte, Schutzwesten und Ähnliches findet, dann spricht
viel dafür, dass mit dieser Reise ein bestimmter Zweck
verbunden ist.
Ich will gerne hinzufügen, dass mein Kollege Maas
noch im Januar einen Gesetzentwurf vorlegen wird, der
in Umsetzung des VN-Sicherheitsratsbeschlusses - ich
weiß, dass die Linke sehr gerne auf Sicherheitsratsbeschlüsse hinweist - das Reisen als solches strafbar
macht. Wenn das Reisen als solches strafbar ist, dann ist
es recht und billig, den Personalausweis zu entziehen,
damit es gar nicht erst zu einer Straftat kommt.
Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Clemens
Binninger, CDU/CSU-Fraktion.
Vielen Dank, Herr Präsident! - Herr Minister, vielen
Dank für die Ausführungen. Ihnen geht es ja darum, die
Reisebewegungen von Terrorverdächtigen einzuschränken, sie zumindest zu erschweren und im Idealfall zu
verhindern. Sie haben zum Schluss Ihrer Ausführungen
gesagt, das sei ein Baustein und es gebe noch weitere
Bausteine. Können Sie uns bitte sagen, was Sie sich darunter vorstellen, mit welchen Maßnahmen man auf nationaler wie internationaler Ebene die Mobilität bzw. die
Reisebewegungen von Terrorverdächtigen erkennen,
einschränken oder auch verhindern kann?
Herr Abgeordneter, zunächst einmal finde ich es
wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir mit Blick auf den
Terroranschlag zwar prüfen, ob wir weitere gesetzgeberische Maßnahmen und Bausteine brauchen, wir aber
nicht den Eindruck erwecken dürfen, dass wir vorher
sorglos gewesen wären. Es ist ja sehr viel geschehen:
Der Deutsche Bundestag hat das Antiterrordateigesetz
im letzten Jahr geändert. Manches wurde reduziert, anderes entfristet, und vieles andere mehr wurde gemacht.
Auch über den hier in Rede stehenden Gesetzentwurf haben wir vor dem Terroranschlag gesprochen. Er ist auch
mit den Innenministern unterschiedlicher parteipolitischer Ausrichtungen besprochen worden. Der Gesetzentwurf, den mein Kollege Maas vorlegen wird, wurde
ebenfalls angekündigt und besprochen.
Es gibt zwei weitere Maßnahmen, die, was die Reisetätigkeit angeht, wichtig sind. Eine Maßnahme ist die
Änderung des Schengener Informationssystems. Das
habe ich eben in meiner Antwort auf die Frage der Kollegin Mihalic angesprochen. Die zweite Maßnahme ist
das Europäische Fluggastdatenabkommen, das alle Innenminister der Mitgliedstaaten der Europäischen Union
für dringend geboten halten. Das Europäische Parlament
sieht das noch nicht so. Wir halten es für dringend geboten, diesbezüglich zu einem Kompromiss zu kommen.
Ich arbeite an einem solchen Kompromiss. Das haben
wir in der Sitzung in Paris besprochen.
Dazu gehört weiterhin, dass wir besser als bisher insbesondere mit unseren Partnern und Verbündeten Informationen über gefährliche Personen austauschen. Das ist
- jetzt spreche ich den PKGr-Vorsitzenden an - eine
Frage der Dienste und gar nicht so sehr der Polizei. Wir
werden zu prüfen haben, ob dieser Austausch in erforderlichem Maße erfolgt und ob deutsche Gesetze deutsche Sicherheitsbehörden daran hindern, die Namen von
Gefährdern mit Staaten auszutauschen, die für uns im
Antiterrorkampf wichtige Verbündete sind. Das ist vielleicht eine Umschreibung, die viele verstehen.
Natürlich gibt es auch noch andere Themen, die umstritten sind. Diese Themen haben mit der Reisetätigkeit
direkt nichts zu tun, aber mit der Aufklärung von kompliziert nachzuweisenden Verbrechen und deren Bestrafung. Es geht dabei um die Mindestspeicherfrist.
Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Marian
Wendt, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Minister, vielen Dank für den Vortrag. Sie haben
gerade gesagt, dass wir nicht nur die Mobilität von Terroristen und Islamisten einschränken müssen, sondern
auch weitere Schritte hinsichtlich Aufklärung und Ermittlung gehen müssen. Meine Frage zielt deswegen auf
die Notwendigkeit sogenannter Mindestspeicherfristen
für Telekommunikationsmetadaten. Wie ist die Haltung
der Bundesregierung dazu, und welche Vorteile ergeben
sich dadurch hinsichtlich der Ermittlung terroristischer
Sachverhalte? - Vielen Dank.
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat dazu
noch keine gemeinsame Auffassung, sondern es werden,
wie allgemein bekannt ist, unterschiedliche Auffassungen vertreten. Das hat vor allem mit den Auswirkungen
des EuGH-Urteils zur europäischen Richtlinie zu tun.
Vor diesem Urteil gab es eine gemeinsame Auffassung
der Bundesregierung, nämlich: Umsetzung der Richtlinie. Jetzt ist es geboten, dass wir weiter darüber reden.
Ich kenne natürlich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Ich kenne auch die Rechtsprechung
des EuGH. Ich weiß, dass wir einen Kompromiss brauchen. Ich kenne auch das politische Umfeld. Das gilt es
zu berücksichtigen.
Als Bundesinnenminister, der für die Sicherheit dieses Landes eine große Verantwortung trägt, will ich aber
keinen Zweifel daran lassen, dass ich aus fachlichen
Gründen und in Übereinstimmung mit nahezu allen Sicherheitsexperten dieses Landes und Europas eine verfassungsgemäße Regelung über Mindestspeicherfristen
für zwingend geboten und rechtsstaatlich erlaubt halte.
({0})
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Britta
Haßelmann, Bündnis 90/Die Grünen.
Ich bin froh, in der bisherigen Diskussion feststellen
zu können, dass der Maßstab die höchstrichterlichen
Entscheidungen des EuGH und des Bundesverfassungsgerichts sind und nicht das, was Fraktionen oder einzelne Abgeordnete denken. Ich bin auch sehr froh, dass
die anlasslose Massenüberwachung als verfassungswidrig eingestuft wurde. Herr Minister, ich glaube, dass
wir uns deshalb noch sehr kontrovers mit Ihnen auseinandersetzen werden, so Sie denn als Bundesregierung
hierzu etwas vorlegen werden.
Meine Frage bezieht sich auf das Thema der Regierungsbefragung, nämlich auf das Personalausweisgesetz.
Sie hatten ja Ihren Vorschlag in Bezug auf die Neufassung skizziert. Sie haben in Ihrem Eingangsvortrag erwähnt, welche rechtlichen Möglichkeiten derzeit bestehen. Mir leuchtet nicht ein, warum Sie nicht zunächst
eine Intensivierung der Kontrollen angehen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Abwägung der
Grundrechtsfragen, mögliche Umsetzungsschwierigkeiten und das Schengen-Abkommen, das meine Kollegin
angesprochen hat. Bei dem, was heute möglich ist,
müssten sich doch bestimmte Schwierigkeiten, die Sie
skizziert haben, auch dadurch abschwächen lassen, dass
man stärker auf den Vollzug achtet und die Kontrollen,
die heute schon möglich sind, intensiviert.
Wo ist da der Anknüpfungspunkt? Da fehlt mir etwas.
Dazu höre ich nichts. Stattdessen setzen Sie sofort auf
neue Instrumente.
Zunächst einmal möchte ich Ihrer Sachverhaltsdarstellung widersprechen. Weder das Bundesverfassungsgericht noch der EuGH hat eine Regelung zu Mindestspeicherfristen für verfassungswidrig oder für mit
europäischen Grundrechten nicht vereinbar erklärt, sondern das Bundesverfassungsgericht hat ein konkretes
Gesetz für verfassungswidrig erklärt und Maßgaben gemacht, wie man eine solche Regelung verfassungsgemäß
gestalten könnte. Auch der EuGH hat in seinem Urteil
ausgeführt, dass eine andere Regelung mit den europäischen Grundrechten vereinbar sein könnte. Das nur zur
Richtigstellung des Sachverhalts.
({0})
Zum zweiten Punkt möchte ich sagen, dass ich die
Kritik der Grünen, die sich hinter den Fragen verbirgt,
nicht so ganz verstehe. Ich stand an diesem Pult, als der
Abgeordnete Beck, der zufällig oder absichtlich jetzt
nicht da ist, uns aufgefordert hat, wir sollten nicht nur
den Pass, sondern gefälligst auch den Personalausweis
entziehen, bevor wir neue Gesetze machen. Das fand ich
ein ziemlich starkes Argument. Auf meine Frage hin,
warum wir nicht den Personalausweis entziehen, haben
mir meine Mitarbeiter gesagt, dass wir dafür ein Gesetz
brauchen. Das, was wir jetzt vorlegen, fußt mehr oder
weniger also auch auf einer Anregung des Abgeordneten
Volker Beck, die dieser im Rahmen einer Regierungsbefragung gegeben hat.
({1})
Ich möchte der Frage gar nicht ausweichen, sondern
ich möchte lediglich die Debatte beleben.
({2})
Sie wissen sicherlich, dass nach dem geltenden
Schengener Informationssystem, also nach jetziger
Rechtslage, eine Personenfahndungsabfrage bei EUBürgern nur auf nicht systematische Weise zulässig ist.
Wir reden gerade in Europa darüber, ob wir das ändern.
Zulässig ist lediglich eine sogenannte Mindestkontrolle.
Diese Mindestkontrolle umfasst die Feststellung der
Identität anhand der vorgelegten Reisedokumente. Das
heißt, irgendwie muss ich bei geltender europäischer
Rechtslage dazu kommen, dass ein Grenzbeamter an
dem Reisedokument erkennt, um wen es eigentlich geht.
Genau das ist mit diesem neuen Papier möglich. Da, wo
man einen Pass braucht, um auszureisen, geht es nicht,
weil der Betroffene keinen Pass hat.
Ich weiß nicht, ob Ihre Frage sozusagen auch eine
Anregung war, eine systematische Personenkontrolle an
der Schengen-Außengrenze einzuführen. Ich denke sofort darüber nach, wenn Sie dies fordern.
Rückfragen sind eigentlich nicht zulässig, dennoch
frage ich Sie, ob Sie darauf reagieren möchten, Frau
Haßelmann.
({0})
- Nicht. Gut, Sie halten sich an die Geschäftsordnung.
Das ist sehr positiv.
Nächste Fragestellerin ist Kollegin Irene Mihalic,
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Minister, da Sie für Anregungen der Grünen so
empfänglich sind, möchte ich Ihnen gleich noch eine
Anregung geben. Ich komme noch einmal auf den Punkt
Schengener Informationssystem zurück bzw. auf den
letzten Punkt, wo Sie ausführten, Mindestkontrollen
seien anhand der vorgelegten Reisedokumente durchzuführen. Das stimmt nur zur Hälfte. Im Rahmen einer
Mindestkontrolle ist auch ein Datenabgleich möglich;
dies kann auch lageangepasst intensiviert werden. Wenn
wir jetzt keine Lage haben, die es rechtfertigen würde,
bei der Ausreise einen Datenabgleich von vorgelegten
Reisedokumenten durchzuführen, dann weiß ich auch
nicht, wie eine solche Lage aussehen könnte. Ich bin offen gestanden ratlos, was noch passieren muss, damit so
etwas möglich wird. Insofern gehe ich davon aus, dass
ein Datenabgleich bei einer Ausreisekontrolle auch nach
heutiger Rechtslage durchaus machbar ist.
Jetzt geht es aber natürlich um die Frage: Was kann
bei einem solchen Datenabgleich herauskommen? Sie
haben vorhin gesagt, dass in einem Ersatz-Personalausweis in mehreren gängigen Sprachen steht, dass dieses
Dokument nicht zur Ausreise aus der Bundesrepublik
Deutschland berechtigt. Meiner Auffassung nach könnte
nach entsprechender Ertüchtigung des Schengener Informationssystems eine solche Information, dass eine
Ausreisebeschränkung vorliegt, auch im Schengener Datenbestand hinterlegt werden. Diese würde der Grenzbeamte dann bei Kontrolle des entsprechenden Dokuments
und beim Datenabgleich bei der Ausreise sehen. Dann
bräuchte es diesen Ersatz-Personalausweis nicht. Deswegen frage ich: Stimmen Sie dem zu? Könnten Sie
dazu noch einmal Stellung nehmen? Wie nehmen Sie
diese Anregung auf?
Zum ersten Teil Ihrer Frage. In der Tat kann bei einer
Mindestkontrolle abgefragt werden.
({0})
Was ist das Ergebnis der Abfrage? Der Name.
({1})
- Nein, dies ist im Schengener Informationssystem bisher gar nicht vermerkt. Es geht darum, das zu vermerken.
({2})
Deswegen sind wir uns im zweiten Punkt völlig einig.
Wir versuchen jetzt, dies auf technischer Ebene ohne
Rechtsänderung hinzubekommen. Es gibt aber, auch in
der Kommission, viele kluge Juristen, die sagen: Wir
brauchen dazu eine Änderung des Schengener Informationssystems. - Das wiederum dauert aber zwei Jahre.
Ehrlich gesagt, in der Lage, von der Sie selbst sprechen
- wir wissen, dass sie kompliziert ist -, haben wir keine
zwei Jahre Zeit.
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Barbara
Woltmann, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Minister, vielen Dank für Ihre bisherigen Ausführungen. Das Personalausweisgesetz und demzufolge
natürlich auch die Änderung können sich nur an Deutsche mit einem deutschen Personalausweis richten. Wir
haben aber auch viele Menschen, die eine doppelte
Staatsbürgerschaft haben. Wie geht die Bundesregierung
damit um? Reichen dafür die auch von Ihnen schon genannten Systeme, zum Beispiel das Schengener Informationssystem, aus? Wie läuft da die Zusammenarbeit
mit den europäischen Mitgliedstaaten, aber auch mit den
Staaten, die nicht in der EU sind?
Frau Abgeordnete, wenn es sich um Doppelstaatler
handelt, so haben sie möglicherweise zwei Pässe. Schon
nach geltendem Recht, und zwar nach der heutigen Fassung des Aufenthaltsgesetzes - dort ist das niedergelegt -,
darf zur Durchsetzung eines Ausreiseverbotes die Einbehaltung von ausländischen Pässen und Dokumenten erfolgen. Diese Untersagung der Ausreise ist nach geltendem Recht, dem Aufenthaltsrecht, also dann möglich,
wenn die Anwendung der einschlägigen pass- und personalausweisrechtlichen Verwaltungsvorschriften einen
solchen Entzug ermöglichen. Das bedeutet, dass bei einem Doppelstaatler beide Pässe entzogen werden müssen. Bisher konnte aber in diesen Fällen der deutsche
Personalausweis oder ein entsprechender ausländischer
Ausweis, sofern es ihn gibt, nicht entzogen werden, weil
eine entsprechende Regelung fehlte. Daher verhindern
wir mit dieser Änderung des Personalausweisgesetzes
auch eine denkbare Umgehung bei Doppelstaatlern, die
sonst ihre ausländischen Papiere nutzen könnten. Von
daher passt das alles in ein gemeinsames Konzept.
Schönen Dank. - Abgeordneter Harald Petzold, Fraktion Die Linke.
Herr Präsident, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie
meinen Kollegen Wunderlich vorlassen würden, weil er
eine direkte Nachfrage zur Antwort des Ministers auf die
Frage von Frau Mihalic hat.
Einverstanden. - Herr Abgeordneter Wunderlich,
Fraktion Die Linke.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, Sie haben gerade gesagt, eine Ausschreibung im SIS, also im
Schengener Informationssystem, sei nicht möglich.
Wenn man abfrage: „Wer ist das?“, dann komme die
Antwort: Fritz Müller. - In der Antwort auf eine Kleine
Anfrage meiner Fraktion vom 29. Dezember 2014 - die
Druckerschwärze ist also noch nicht getrocknet - hat die
Bundesregierung in Nummer 10 ausgeführt, die Mitgliedstaaten des Schengen-Raums hätten sich darauf verständigt, dass national ausgestellte Dokumente, die nicht
zur Ausreise berechtigen, künftig im Schengener Informationssystem auszuschreiben sind. Sie haben das als
Spezifizierung des bestehenden Rechts dargestellt, über
die bislang vorhandenen Möglichkeiten hinaus, dass Dokumente gestohlen wurden, für ungültig erklärt wurden
usw.; das ist ja gesagt worden. Jetzt ist das also machbar;
es ist möglich. Meine Frage lautet: Wird diese verabredete Änderung derzeit schon von den Mitgliedstaaten
umgesetzt, und wenn nein, für wann ist die Umsetzung
geplant?
Das habe ich in der Antwort auf die Frage von Frau
Mihalic schon vorgetragen. In der Tat ist das die Absicht
der europäischen Innenminister. Aber das ist nicht so
leicht. In das Schengener Informationssystem - inzwischen SIS II - ein neues Kriterium einzuführen, ist kein
technisch trivialer Vorgang; dies braucht ein bisschen
Zeit. Deswegen gibt es das noch nicht. Eine Änderung
des Rechtssystems, die wir gegebenenfalls auch anstreben, dauert zwei Jahre; das habe ich eben schon gesagt.
Deswegen ist der Hinweis auf die Absicht der europäischen Innenminister kein Argument gegen die Notwendigkeit dieses Gesetzes.
Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Harald
Petzold, Fraktion Die Linke.
Ich möchte auf den Reisepassentzug und die trotzdem
mögliche Ausreise, wenn man einen Personalausweis
besitzt, zurückkommen. Sie haben nämlich in Ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage auf die Frage meiner Fraktionskollegin Frau Jelpke ausgeführt, dass in 20 Fällen
nachvollzogen werden konnte, dass trotz Ausreiseverbotsverfügung und Reisepassentzug eine Ausreise stattgefunden habe und diesen Personen ein Personalausweis
zur Verfügung gestanden habe. Ich möchte Sie fragen,
auf Grundlage welcher Informationen es bei diesen
20 Personen zur Entziehung des Passes gekommen ist,
von welchen staatlichen Stellen die Informationen über
diese 20 Personen stammen und ob sie dann tatsächlich
mit ihrem Personalausweis ausreisen konnten.
Den ersten Teil der Frage kann ich naturgemäß nicht
beantworten. Ich bitte, ihn schriftlich beantworten zu
dürfen.
Zum zweiten Teil der Frage. Es ist so: Jeder einzelne
Fall, in dem die zuständige Ausländerbehörde oder Einwohnerbehörde - je nachdem, ob es sich um einen Ausländer oder einen Deutschen handelt - eine Ausreiseverbotsverfügung erlässt, wird im Gemeinsamen
Terrorismusabwehrzentrum besprochen, weil es ja möglicherweise geboten ist, nicht nur die Ausreise zu verhindern, sondern auch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren nach § 129 a des Strafgesetzbuchs einzuleiten.
Möglicherweise entscheidet man auch, im Rahmen der
Ermittlungen nach § 129 a des Strafgesetzbuchs - solche
Verfahren finden laufend statt, wie Sie der Presse entnehmen können - eine Hausdurchsuchung durchzufühBundesminister Dr. Thomas de Maizière
ren, um festzustellen, ob es Hinweise auf eine terroristische Tätigkeit gibt, und bei dieser Gelegenheit den Pass
zu entziehen, in Zukunft auch den Personalausweis. Das
heißt, die Ausreiseverhinderung durch Entziehung des
Passes und des Personalausweises ist keine isolierte
Maßnahme, sondern dies ist auch für die Ausreiseverhinderung oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bei Einreise oder Wiedereinreise ein Element des
rechtlichen Instrumentariums, das wir zur Abwehr der
terroristischen Gefahr für geboten halten.
Ich will ein weiteres Argument vortragen, das ich bei
Ihnen durchgehört habe, das bisher aber noch nicht thematisiert worden ist. Es geht um die Frage: Wie viele
Personen gibt es denn, denen zwar der Pass entzogen
worden ist, die aber trotzdem ausgereist sind? Es wäre
schön, wenn ich die Antwort kennen würde. Sie sagen ja
nicht: „April, April, ich reise jetzt mit dem Personalausweis aus“, und die Grenzbeamten an den Außengrenzen
des Schengen-Bereichs wissen das natürlich nicht. Deswegen beträgt die Dunkelziffer hier 100 Prozent, es sei
denn, die betreffende Person brüstet sich im Ausland
und sagt: Ätsch, bätsch, ich bin mit dem Personalausweis ausgereist. - Das ist aber wahrscheinlich noch nicht
vorgekommen. Deswegen kann ich Ihnen diese Frage
nicht beantworten.
Ich kann Ihnen nur noch einmal sagen, dass die Bundespolizei im Durchschnitt ungefähr einmal in der Woche eine Person an der Ausreise hindert oder bei Wiedereinreise ein Strafverfahren einleitet. Gerade erst gab es
eine wichtige Verhaftung eines Verdächtigen mit usbekischer Staatsangehörigkeit; im Zusammenhang mit usbekischer Staatsangehörigkeit werden bei Eingeweihten
sicherlich Erinnerungen wach.
In ganz vielen Fällen wird hier also möglicherweise
dazu beigetragen, die Sicherheit unser Mitbürgerinnen
und -bürger zu erhöhen, ohne dass ich sage, das sei ein
Allheilmittel. Wir wollen die Zahl der Ausreisen und
Wiedereinreisen verringern bzw. vermindern. Ganz ausschließen können wir das in der Lage, in der wir in Europa sind, natürlich nicht. Diesen Anspruch will ich auch
gar nicht vortragen.
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Britta
Haßelmann, Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, mich
interessiert in diesem Zusammenhang ein weiterer Komplex. Europol warnt aktuell davor, dass Terrorzellen und
die organisierte Kriminalität oft Hand in Hand arbeiten,
zum Beispiel bei Geldwäsche, Schleuserkriminalität
oder auch der Fälschung von Pässen. Meine Frage lautet:
Glauben Sie nicht, dass der Versuch, dieses neue Ersatzdokument einzuführen, auch zu einem deutlichen Anstieg bei den Fälschungen führen kann?
Das kann ich, ehrlich gesagt, nicht ausschließen. Je
umfangreicher das wird, desto mehr wird natürlich versucht werden, die rechtlichen Regelungen durch Fälschungen zu umgehen.
Wir kennen das auch aus dem Bereich des Menschenhandels und sogar aus dem Bereich der Asylanträge.
Beispielsweise müssen wir gerade eine verdächtig hohe
Anzahl an nagelneuen Pässen aus dem Kosovo zur
Kenntnis nehmen, die entweder gefälscht oder in Serbien für Bürger ausgestellt worden sind, bei denen nicht
ganz klar ist, ob sie Kosovaren sind.
Es ist sehr schwierig, dieses Problem zu lösen. Ich
glaube aber, es wäre falsch, zu sagen: Weil Pässe, Ausweise und Geld gefälscht werden können, arbeiten wir
jetzt nicht daran, dass Pässe, Ausweise und Geld so fälschungssicher wie nur irgend möglich sind und wir
durch den internationalen Informationsaustausch wissen,
wen wir vor uns haben.
Die Gefahr, die Sie sehen, ist also real, aber das ist
kein Gegenargument gegen diese Maßnahme.
Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete
Dr. Konstantin von Notz, Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, ich
glaube, bei den Diskussionen, die wir hier führen, geht
es im Kern um die Effektivität der Maßnahme des Ausweisentzugs. Ich will Ihnen hier einmal zwei Tatsachen
nennen und Sie diesbezüglich fragen, ob Sie nicht mit
mir an der Effektivität dieses Gesetzes, das jetzt kommen soll, zweifeln.
Erstens. Es ist schon heute möglich, aus der Europäischen Union auszureisen, ohne seine Ausweisdokumente auch nur an einer Stelle vorzeigen zu müssen. Das
liegt mit daran, dass die Kontrollen an den Außengrenzen teilweise nur stichprobenartig erfolgen, und das liegt
auch an den von der Kollegin Haßelmann geschilderten
Schleuseraktivitäten. Bei der Problematik, mit der wir
im Augenblick konfrontiert sind, stellt sich die Frage: Ist
das, was in dieser Woche durch das Parlament gehen
soll, ein Placebo oder nicht?
Zweitens. Wir reden ja nicht nur über die 260 - in Anführungsstrichen gesprochen - deutschen Gefährder, die
bei uns leben, sondern in einem Europa mit offenen
Grenzen können auch Menschen aus Frankreich, Belgien, Holland und anderen Ländern, wo gegebenenfalls
ganz andere rechtliche Regelungen im Hinblick auf die
Ausweisdokumente gelten, nach Deutschland kommen.
Deswegen die Frage: Ist das Ganze angesichts dieser
Problemlage ein effektives Mittel, um mehr Sicherheit
zu schaffen? Oder ist das nur eine Silvesterrakete, mit
der zwar suggeriert wird, dass es mehr Sicherheit gibt,
wobei die Probleme aber bestehen bleiben?
({0})
Herr Abgeordneter von Notz, Sie sind ein bisschen
später hierhergekommen und haben mit Ihrer Frage im
Grunde Ihre Kollegin Mihalic in Probleme gebracht;
denn sie hat uns gerade dazu aufgefordert, die Mindestkontrollen an den Schengener Außengrenzen zu verschärfen und zu verbessern.
({0})
Diese Auffassung teile ich, jedenfalls in Teilen; denn
bekanntlich steckt der Teufel im Detail. Im Prinzip halte
ich diese Forderung für richtig, ohne dass wir den Reiseverkehr natürlich besonders erschweren wollen. Trotzdem gibt es illegale Grenzübertritte; das ist klar. Aber
ich habe nie behauptet und werde nie behaupten, dass
dieses Gesetz dem Terror in Deutschland den Garaus
macht. Es ist jedoch ein effektiver Baustein, verbunden
mit anderen Maßnahmen, etwa dem Schengener Informationssystem. Dazu muss ich sagen: Angesichts der
Lage, in der wir sind, sind auch effektive Maßnahmen,
die ein Problem mindern, aber nicht lösen, dringend geboten.
Der zweite Punkt: Die Logik Ihrer Argumentation
hieße ja, dass der Staat letztlich auf Sanktionsmaßnahmen verzichten solle, weil sie doch umgangen werden.
Diese Logik kann ich mir, ehrlich gesagt, nicht zu eigen
machen.
({1})
Nein, das dürfen Sie nicht. Aber Sie dürfen sich noch
einmal melden; dann setze ich Sie noch einmal auf die
Liste der Fragesteller, wobei es schon ganz gut ist, wenn
man bei einer solchen Debatte von Anfang an dabei ist,
um mögliche Wiederholungen zu vermeiden. Ich setze
Sie also noch einmal auf die Liste.
Dann erhält die Abgeordnete Irene Mihalic, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort und dann noch einmal Herr
Dr. von Notz.
Herr Minister, es ist interessant, dass Sie diese Maßnahme als Sanktion begreifen. Ich habe bisher immer geglaubt, es handele sich um eine präventive Maßnahme,
um mutmaßliche Terroristen an der Ausreise zu hindern.
Da haben Sie recht, aber es wird sicher als Sanktion
empfunden; sagen wir einmal so.
Ich möchte noch einmal zur Änderung des Schengener
Informationssystems zurückkommen. Mit diesem Thema
sind wir vorhin nicht ganz fertig geworden. Sie haben gesagt, die Änderung des Schengener Informationssystems
in dem Sinne, wie ich das vorhin beschrieben habe - das
muss ich, glaube ich, nicht wiederholen -, würde ungefähr zwei Jahre in Anspruch nehmen.
Diese Aussage erstaunt mich etwas. Ich komme gerade aus der Sitzung des Innenausschusses, bei der ein
Vertreter Ihres Hauses anwesend war. Auch da haben wir
diesen Sachverhalt erörtert. Ich habe explizit nachgefragt, ob es eine Verständigung darüber gibt, wann es
möglich sein soll, im Schengener Informationssystem
solche Ausreisebeschränkungen - das ist heute noch
nicht möglich - tatsächlich auszuschreiben. Darauf hat
mir der Mitarbeiter Ihres Hauses geantwortet, dass dies
im ersten Quartal abgeschlossen sein soll; also nicht in
zwei Jahren, sondern im ersten Quartal.
Das ist ein deutlicher Unterschied zu Ihrer Aussage.
Wenn ich mir dann überlege, dass auch dieses Gesetzgebungsverfahren möglicherweise im ersten Quartal dieses
Jahres abgeschlossen sein wird, dann frage ich mich, ob
das Ganze dann nicht obsolet ist.
Nein. Es ist eine richtige Information, dass die technische Änderung des Schengener Informationssystems im
ersten Quartal oder sogar schon zum 1. Februar dieses
Jahres zustande kommt; das streben wir an. Dabei wird
mitgeteilt, dass es sich um einen Gefährder - den genauen Ausdruck habe ich jetzt nicht im Kopf - handelt.
Diese technische Änderung bekommen wir hin.
({0})
Eine Ausreisebeschränkung bedarf einer Rechtsänderung. Dies dauert viel länger. Das, von dem wir hoffen,
dass es geschieht, ist, dass ein Grenzbeamter einen Gefährder an der Ausreise hindert. Dabei muss aber ein
Grieche, ein Finne, ein Däne oder ein Belgier einen
Deutschen an der Ausreise hindern; das ist sozusagen
das Problem.
Was wir ohne Rechtsänderung erreichen können, ist,
den Grenzbeamten besser zu informieren, aber keine repressive oder ähnliche Maßnahme, die zur Fahndung
oder zur Festnahme berechtigt. Deswegen ist das eine so
wichtig wie das andere.
In der Frage von Gefahrenabwehr und Repression haben Sie völlig recht: Die Ausreiseverhinderung ist eine
Maßnahme der Gefahrenabwehr, wird allerdings von
den Betroffenen sicherlich eher als repressiv empfunden
werden. Rechtlich ist es eine Gefahrenabwehr.
Dr. von Notz, Bündnis 90/Die Grünen, noch einmal.
Herr Minister, ich will noch einmal auf das Argument
„Das ist eine Maßnahme, die man jetzt durchführen
kann, und alles, was wir machen, hilft“ eingehen. Ich
stimme Ihnen zu: Wir sind in einer schwierigen Situation. Ich bin deshalb der Meinung, dieses Parlament
sollte sich mit effektiven Maßnahmen beschäftigen. Im
Hinblick auf die Effektivität dieser Maßnahme ist unsere
Wahrnehmung offensichtlich unterschiedlich. Mir erscheint es sehr viel sinnvoller, auf europäischer Ebene zu
einheitlichen Standards zu kommen und das Schengener
Informationssystem zu vereinheitlichen. Das dauert
zwar seine Zeit, aber es ist dringend; denn die Lage ist
so, wie sie ist. Stattdessen beschäftigen wir uns jetzt mit
einem Gesetz zum Passentzug.
Deshalb frage ich Sie, ob Sie in einer so interessanten
Fragestunde, deren Anfang ich tatsächlich verpasst habe,
nicht auch zu dem Ergebnis kommen, dass dieses Haus
sich lieber mit effektiveren Maßnahmen beschäftigen
sollte.
Nein. Man soll das eine tun und das andere nicht lassen. Richtig ist, dass europäische Maßnahmen sehr
wichtig sind. Wenn Sie das auch so sehen, dann möchte
ich Sie sehr herzlich bitten, mit der Fraktion der Grünen
im Europäischen Parlament zu sprechen, damit wir insbesondere beim Passagierdatenabkommen und auch
beim Thema Änderung des Schengener Informationssystems auf die breite Zustimmung der Grünen zu diesen
sehr wichtigen Maßnahmen setzen können.
({0})
Letzte Frage zu diesem Themenkomplex: die Abgeordnete Ulla Jelpke, Fraktion Die Linke.
Danke, Herr Präsident. - Herr Minister, ich glaube,
alle in diesem Hause sind sich der Lage bewusst. Aber es
geht darum, gesetzliche Schnellschüsse zu verhindern.
Sie haben eben bei einer Antwort den Eindruck erweckt, als wenn es sich um bereits überführte Straftäter
handelt. Der Gesetzentwurf, der heute im Kabinett beschlossen wurde, richtet sich vor allen Dingen gegen
Personen bzw. Dschihadisten, die unter Verdacht stehen,
eine Straftat begehen zu können oder vorbereiten zu
wollen. Deswegen ist meine Frage: Warum wird in diesen Fällen kein Richter eingeschaltet? Es müssen doch
sehr viele Anhaltspunkte vorhanden sein, damit das Vorgehen gerechtfertigt ist, damit Grundrechte nicht zu Unrecht geschliffen werden. Sind Sie sich darüber bewusst,
welche diffamierenden Möglichkeiten es dabei gibt? Sie
wissen selbst: Wenn man zur Bank geht oder eine Wohnung mieten will, dann muss man einen Ausweis vorlegen. Welche Folgen hätte das möglicherweise für Leute,
die unschuldig in dieses Verfahren hineingeraten?
Herr Präsident, ich bitte um Verständnis, wenn ich
jetzt eine Antwort wiederhole; denn die Abgeordnete
Jelpke konnte noch nicht hier sein, als ich diese beiden
Fragen schon einmal beantwortet habe.
Zu der ersten Frage will ich noch einmal sagen: Wenn
Sie der Auffassung sind, dass wir hierfür einen Richtervorbehalt oder anderes vorsehen sollten, dann müssten
Sie eine Änderung des Passgesetzes beantragen. Denn
bereits jetzt kann der Pass durch eine Verfügung der
Ausländerbehörde entzogen werden, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet ist. Das
ist ein sehr weiter Tatbestand. Wir machen nicht mehr
und nicht weniger, als diesen Tatbestand, was den Personalausweis betrifft, einzuschränken. Denn auch nach jetziger Gesetzeslage gilt bereits, dass mit der Entziehung
des Passes der Geltungsbereich des Personalausweises
auf die Bundesrepublik Deutschland beschränkt ist. Wir
ändern das im Grunde nur dahin gehend, dass das im
Personalausweis sichtbar gemacht wird, damit beim Versuch einer Ausreise für alle klar ersichtlich ist, dass dieser Ausweis nicht zum Verlassen der Bundesrepublik
Deutschland berechtigt.
Mein Mitleid gegenüber Dschihadisten ist im Übrigen
nicht übergroß.
({0})
Insofern finde ich die Gleichbehandlung von Pass- und
Personalausweisentziehung verhältnismäßig. Wenn das,
was beim Pass erlaubt ist, in engerer Form auch beim
Personalausweis Anwendung finden darf, kann ich einen
zusätzlichen Grundrechtseingriff nicht erkennen.
Der letzte Punkt ist - auch das habe ich gesagt, als Sie
noch nicht hier sein konnten -: Wenn Sie im Urlaub auf
Mallorca Ihren Personalausweis verlieren, dann bekommen Sie schon jetzt einen solchen Ersatz-Personalausweis. Wenn Sie sich nach dem Urlaub irgendwo ausweisen müssen, bevor Sie einen Reiseausweis als Passersatz
haben - denn die Bundesdruckerei braucht dafür ein paar
Wochen -, dann sind Sie doch genauso stigmatisiert. Wir
haben deswegen den Ersatz-Personalausweis optisch
weitestgehend genauso gestaltet wie das Ersatzpapier im
Verlustfall, sodass wir den Stigmatisierungsverdacht auf
ein Minimum reduziert haben.
Schönen Dank.
Gibt es andere Fragen zu Themen der Kabinettssitzung oder sonstige Fragen an die Bundesregierung? Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Regierungsbefragung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
Drucksache 18/3710
Die Frage 14 des Abgeordneten Harald Ebner wurde
durch die Bundesregierung nachträglich dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern zugeordnet
und wird nach Frage 18 aufgerufen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz.
Vizepräsident Peter Hintze
Die Frage 1 der Abgeordneten Renate Künast wird
schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen.
Die Frage 2 des Abgeordneten Oliver Krischer und
die Frage 3 des Abgeordneten Richard Pitterle werden
schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Zur Beantwortung
steht die Parlamentarische Staatssekretärin Anette
Kramme bereit.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Markus Kurth,
Bündnis 90/Die Grünen, auf:
Welche jährlichen Kosten würden der Deutschen Rentenversicherung entstehen, wenn sich die Rentenbeitragszahlung
für Altersrentnerinnen und -rentner, die einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen - geringfügige Beschäftigung ausgenommen -, künftig rentensteigernd auswirken würde, und welche jährlichen Kosten würden der
Bundesagentur für Arbeit entstehen, wenn die Beiträge zur
Arbeitslosenversicherung für Altersrentnerinnen und -rentner
abgeschafft würden?
Frau Staatssekretärin Kramme, bitte.
Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Herr Kurth, Sie
haben Ihre Fragestellung in zwei Teilfragen untergliedert. Zuerst zum Bereich der Rentenversicherung. Die
diesbezügliche Frage können wir nicht beantworten, da
wir die genaue Ausgestaltung eines möglichen Modells
nicht kennen. Nun zur Frage betreffend die Arbeitslosenversicherung. Legt man Ihre Annahmen zugrunde, ist
davon auszugehen, dass der Arbeitslosenversicherung
Einnahmen in Höhe von bis zu 80 Millionen Euro verloren gehen.
Herr Abgeordneter, wünschen Sie eine Zusatzfrage?
Ja, gerne.
Bitte schön.
Es ist traurig, dass es noch nicht einmal Modellrechnungen gibt, aus denen hervorgeht, welche jährlichen
Kosten der Deutschen Rentenversicherung entstehen
würden, wenn sich die Rentenbeitragszahlungen für
Rentner, die einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, künftig rentensteigernd auswirken würden. Wenn ich aber die Berichterstattung zur
Koalitionsarbeitsgruppe betreffend flexible Rentenübergänge richtig verfolgt habe, dann sollen die von dieser
Arbeitsgruppe erarbeiteten Vorschläge nicht zu Mehrkosten führen. Ist vor diesem Hintergrund der von der
Union eingebrachte Vorschlag betreffend den Flexi-Bonus nicht ohnehin völlig obsolet?
Es handelt sich um eine Arbeitsgruppe der Koalitionsfraktionen, an der das Arbeitsministerium beteiligt
ist. Die Arbeitsergebnisse dieser Arbeitsgruppe werden
abzuwarten sein, bevor ein entsprechender Gesetzgebungsprozess in Gang gesetzt wird und wir Berechnungen in der Tiefe anstellen.
Eine Zusatzfrage? - Bitte schön.
Wird die Bundesregierung, wenn diese Koalitionsarbeitsgruppe zu keinen Ergebnissen kommt, eigene Vorschläge unterbreiten, oder mutiert sie quasi zum passiven Klotz der Rentenpolitik?
Man muss als Hintergrund den ursprünglichen Koalitionsvertrag sehen, in dem verabredet ist, Lösungsvorschläge für flexible Rentenübergänge zu prüfen und gegebenenfalls auszugestalten. Wie Sie wissen, wird die
Koalition einerseits durch die SPD-Fraktion und andererseits durch die Unionsfraktion getragen. Es wird daher zu beachten sein, ob es Arbeitsergebnisse geben wird
und wie diese gegebenenfalls aussehen.
Es gibt keine weiteren Fragen dazu.
Dann kommen wir zu Frage 5 des Abgeordneten
Markus Kurth, Bündnis 90/Die Grünen:
Inwiefern haben nach Ansicht der Bundesregierung ältere
Beschäftigte schon heute die Möglichkeit, sofern sie dies
selbst wünschen und körperlich können, über das gesetzliche
Renteneintrittsalter hinaus zu arbeiten, und in welchem Maße
nehmen Arbeitgeber die durch das Rentenpaket ermöglichte
Option wahr, Arbeitsverträge nicht mehr automatisch mit dem
Erreichen des Regeleintrittsalters zu beenden?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Herr Kurth, auch hier stellen Sie zwei Teilfragen. Zuerst zur Frage, ob ältere Beschäftigte schon heute, sofern
sie das selbst wünschen und dazu körperlich in der Lage
sind, die Möglichkeit haben, über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus zu arbeiten: Ja, selbstverständlich
können sie dies tun.
Nun zur zweiten Teilfrage, die sich wahrscheinlich
auf die Neuregelung des § 41 SGB VI bezieht: Über die
tatsächliche Nutzung der Gestaltungsmöglichkeiten aufgrund der Neuregelung haben wir noch keinerlei Erkenntnisse.
Mögen Sie eine Zusatzfrage stellen, Herr Abgeordneter Kurth?
Ja.
Bitte schön.
Die Erkenntnisarmut der Bundesregierung in diesem
Fall ist außerordentlich bedauerlich. Das Institut der
deutschen Wirtschaft hat bezüglich der Weiterbeschäftigung nach Erreichen der Altersgrenze erst jüngst dargelegt, dass es erhebliche finanzielle Anreize gibt, wenn
man über das gesetzliche Regelalter hinaus arbeiten will,
und hält insofern zusätzliche finanzielle Anreize für das
Arbeiten jenseits der Regelaltersgrenze für überflüssig.
Andererseits befürwortet es beim Kündigungs- und
Befristungsrecht, also im arbeitsrechtlichen Bereich,
Eingriffe. Meines Wissens befürwortet das auch der
Wirtschaftsflügel der Union. Was hält eigentlich die
Bundesregierung von arbeitsrechtlichen Einschnitten an
den Stellen, die ich genannt habe?
Ich kann Ihnen nur noch einmal die Antwort geben,
die ich Ihnen gerade schon gegeben habe: Das Ganze ist
Diskussionsgegenstand einer Arbeitsgruppe zweier
Koalitionspartner, einerseits der SPD-Fraktion und andererseits der Unionsfraktion. Wir werden die Arbeitsergebnisse abwarten und dann in einen etwaigen Gesetzgebungsprozess einsteigen. Eigenständige Planungen des
Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Schaffung von neuen Befristungsregelungen liegen derzeit
nicht vor.
Mögen Sie noch eine Zusatzfrage stellen, Herr Abgeordneter Kurth?
Ja, weil ich erneut, wie bedauerlicherweise auch
schon in der Fragestunde in der vergangenen Sitzungswoche im letzten Jahr, keine richtige Antwort auf meine
Frage erkennen kann. - Ich habe nicht nach den Ergebnissen der Koalitionsarbeitsgruppe in diesem Fall gefragt, sondern nach der Haltung der Bundesregierung,
arbeitsrechtliche Einschränkungen beim Kündigungsschutz und bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen
von Personen zu machen, die jenseits der Regelaltersgrenze arbeiten.
Sie müssen doch zumindest eine Meinung zu einem
bestimmten Vorschlag haben. Ich habe extra einen Vorschlag des Instituts der deutschen Wirtschaft und nicht
einen der Koalitionspartner genannt, um Ihnen die Beantwortung der Frage möglicherweise zu erleichtern.
Ganz herzlichen Dank, Herr Kurth, für diese Möglichkeit. Dennoch: Arbeitsgrundlage der Regierung ist
selbstverständlich der Koalitionsvertrag, in dem steht,
dass flexible Übergänge in die Rente überprüft werden.
Zu dieser Detailfrage gibt es keine abgestimmte Position
der Regierung.
({0})
Die Fragen 6 und 7 der Abgeordneten Sabine
Zimmermann werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.
Die Frage 8 des Abgeordneten Harald Ebner wird
schriftlich beantwortet.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter bereit.
Ich rufe die Frage 9 der Abgeordneten Dr. Julia
Verlinden, Bündnis 90/Die Grünen, auf:
Wird die von der Bundesregierung geplante unabhängige
Expertenkommission zum Fracking, die im Einzelfall prüfen
soll, ob eine kommerzielle Fracking-Aktivität in Schieferoder Kohleflözgesteinen oberhalb von 3 000 Metern Tiefe in
einer bestimmten Lagerstätte als unbedenklich einzustufen ist,
auch zu Fracking-Erprobungsmaßnahmen in Schiefer- oder
Kohleflözgesteinen oberhalb von 3 000 Metern Tiefe Stellung
beziehen, oder soll die Prüfung im Fall von Erprobungsmaßnahmen in solchen Lagerstätten ausschließlich durch die zuständigen Behörden erfolgen und somit auch bereits vor der
Einsetzung der Expertenkommission ausdrücklich möglich
sein?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Frau Kollegin Dr. Verlinden, die unabhängige Expertenkommission soll Erprobungsmaßnahmen im Schiefer- oder Kohleflözgestein oberhalb von 3 000 Metern
wissenschaftlich begleiten und auswerten sowie hierzu
und zum Stand der Technik Erfahrungsberichte zum
30. Juni eines Jahres, beginnend mit dem 30. Juni 2018,
erstellen; sie wirkt aber nicht bei der Zulassung dieser
Erprobungsmaßnahmen mit. Die zuständige Landesbehörde kann ausnahmsweise eine wasserrechtliche Erlaubnis für kommerzielle Fracking-Maßnahmen nur
erteilen, wenn ein positives Votum der Expertenkommission auf der Grundlage der genannten Berichte vorliegt.
Mögen Sie eine Zusatzfrage stellen, Frau
Dr. Verlinden?
Ja.
Bitte schön.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. - Wenn dem nicht
so ist, wenn also die Expertenkommission nicht schon
bei den Probebohrungen dahin gehend zurate gezogen
wird, ob sich diese ohne gravierende Auswirkungen
durchführen lassen, dann heißt das theoretisch, dass
diese Probebohrungen oberhalb von 3 000 Metern im
Schiefergestein schon relativ bald beantragt werden
könnten, also dann, wenn das Gesetz in Kraft tritt. Sehe
ich das richtig? Wann wird dieses Gesetz in Kraft treten,
und für wann rechnen Sie mit den ersten Probebohrungen?
Damit Probebohrungen erfolgen können, muss erst
einmal ein genehmigter Antrag vorliegen; das ist logisch. Bis dahin muss der Gesetzentwurf verabschiedet
sein. Die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs wird in
diesem Jahr erfolgen.
Möchten Sie noch eine Zusatzfrage stellen, Frau
Dr. Verlinden?
Gerne.
Bitte schön.
Das heißt, die ersten Probebohrungen könnten theoretisch relativ bald beantragt werden.
Die Bundesregierung behauptet ja immer wieder, dass
es ihr wichtig ist, dass die Entscheidungen der Behörden
vor Ort eine größere Relevanz bekommen. Viele Menschen möchten, dass vor Ort mehr Einfluss auf solche
Entscheidungen genommen werden kann. Wenn die Expertenkommission, die Sie mit der Verabschiedung des
Fracking-Gesetzes einrichten wollen, in einem ganz
konkreten Fall mehrheitlich einen Antrag auf kommerzielles Fracken - diese Expertenkommission entscheidet
ja mit Mehrheit; so ist es zumindest in Ihrem Referentenentwurf vorgesehen - für unbedenklich hält, mit welcher
Begründung könnte dann die vor Ort zuständige Behörde einen solchen Antrag überhaupt ablehnen? Wäre
das überhaupt möglich, oder muss sich die Behörde dem
Mehrheitsvotum dieser Expertenkommission anschließen, weil ihr juristisch wenig Handhabe bleibt, diesen
Antrag abzulehnen?
Ich möchte einfach noch einmal betonen, dass vor
Ende 2018 kein kommerzielles Fracking stattfindet; das
ist klar.
Hinsichtlich der Erprobungsmaßnahmen habe ich Ihnen gerade erklärt, dass das wissenschaftliche Expertengremium diese Maßnahmen begleitet und auswertet und
ab 2018 einen Bericht erstellt. Wenn es zu Erprobungsmaßnahmen kommt, dann sind natürlich immer die Landesbehörden bzw. die Wasserbehörden diejenigen, die
zuständig sind. Ich wiederhole: Es sind immer die Landesbehörden bzw. die Wasserbehörden zuständig. Die
Zulassungsbehörden sind an das Urteil der Expertenkommission nicht gebunden. Die Empfehlung der Experten muss bei der Zulassungserteilung vorliegen. Sie
wird der Zulassungsbehörde helfen, die grundsätzliche
Eignung der geologischen Formation für ein normales
Fracking zu beurteilen.
Danke schön. - Die Frage 10 der Abgeordneten
Kotting-Uhl wird schriftlich beantwortet. Auch die
Frage 11, ebenfalls der Abgeordneten Kotting-Uhl, wird
schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.
Die Frage 12 des Abgeordneten Oliver Krischer wird
schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 13 der Abgeordneten Sevim Dağdelen.
Wie zu Beginn der Fragestunde mitgeteilt, wird
Frage 14 des Abgeordneten Harald Ebner nach Frage 18
aufgerufen.
Die Frage 15 der Abgeordneten Heike Hänsel wird
ebenfalls schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes. Zur Beantwortung der Fragen steht Staatsministerin Professor Dr. Maria Böhmer bereit.
Die Frage 16 der Abgeordneten Heike Hänsel wird
schriftlich beantwortet. Die Frage 17 des Abgeordneten
Niema Movassat wird ebenfalls schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Andrej
Hunko, Fraktion Die Linke, auf:
Welchen Stand hat die seit acht Monaten ausstehende Beantwortung eines Fragenkataloges der Bundesregierung an die
US-Regierung zur Beteiligung von US-Anlagen in Ramstein
oder Stuttgart am US-Drohnenkrieg, an die das Auswärtige
Amt angeblich zunächst „fortgesetzt“, dann „eindringlich“
und „mit Nachdruck“ und mittlerweile „fortgesetzt eindringlich“ erinnern muss ({0}), obwohl die zuständige Staatsministerin
im Auswärtigen Amt, Dr. Maria Böhmer, mir im Juli 2014
eine Antwort auf meine mündliche Frage 3, Plenarprotokoll
18/45 „innerhalb weniger Wochen“ versprach, und welche
Fragenkataloge an die USA wurden seit dem Jahr 2012 überhaupt beantwortet bzw. nicht beantwortet ({1})?
Frau Staatsministerin, bitte.
Ich darf die Frage wie folgt beantworten: Die in dem
Fragenkatalog enthaltenen Fragen sind Gegenstand von
laufenden vertraulichen Gesprächen mit der amerikanischen Regierung. Zur Frage einer möglichen Beteiligung
in Deutschland stationierter amerikanischer Streitkräfte
an bewaffneten Einsätzen unbemannter Flugzeuge ist
dem Auswärtigen Amt kein weiterer Fragenkatalog der
Bundesregierung bekannt.
Mögen Sie eine Zusatzfrage stellen, Herr Abgeordneter Hunko?
Ja.
Bitte.
Vielen Dank, Frau Böhmer. - Ich habe nicht nach einem weiteren Fragenkatalog gefragt, sondern nach dem
Fragenkatalog, den Sie der US-amerikanischen Seite
vorgelegt haben. Seit acht Monaten sind die Antworten
darauf ausständig. Sie haben mir hier noch vor einigen
Monaten gesagt, Sie rechneten in Kürze - von „wenigen
Wochen“ war die Rede - mit einer Antwort. Ich muss
mich jetzt doch sehr wundern, dass es offenbar immer
noch keine Antwort gegeben hat, jedenfalls keine Antwort, die in irgendeiner Form der Öffentlichkeit zugänglich ist.
Meine Nachfrage: Wie steht es konkret um den Fragenkatalog, den Sie vor acht Monaten der US-amerikanischen Seite vorgelegt haben? Die Beantwortung der
darin enthaltenen Fragen haben Sie hier noch vor einigen
Monaten „innerhalb weniger Wochen“ in Aussicht gestellt.
Ich hatte damals gesagt - Sie haben es eben zitiert -,
dass die Beantwortung einige Wochen dauern werde. In
der Tat sind mittlerweile mehr als einige Wochen vergangen, und wir bemühen uns nach wie vor.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hunko?
Ich möchte jetzt trotzdem noch einmal meine Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen. Es geht ja nicht um
irgendwas, sondern es geht um die Beteiligung Deutschlands an den rechtswidrigen Drohnenkriegen der USA,
und zwar über Ramstein, wo die deutsche Seite, wenn
man den ehemaligen Drohnenpiloten Glauben schenken
kann, mitverantwortlich ist, weil Ramstein als Relaisstation genutzt wird. Es ist also nicht so, dass von dort die
Drohnen fliegen würden oder befehligt würden, aber
Ramstein ist ein untrennbarer Bestandteil dieses Drohnenkrieges. Finden Sie es nicht auch höchst misslich,
dass die deutsche Öffentlichkeit über viele Monate hinweg keine Antwort kriegt, was diesen Drohnenkrieg und
die Rolle von Ramstein angeht?
Herr Kollege Hunko, es ist nicht das erste Mal, dass
wir uns zu diesem Thema austauschen. Sie haben
schriftlich und mündlich auch entsprechend nachgehakt.
Vor dem Hintergrund verstehe ich, dass Sie jetzt erneut
nachfragen. Aber ich kann Ihnen heute keine andere
Auskunft geben.
Damit sind wir mit diesem Geschäftsbereich durch.
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der
Parlamentarische Staatssekretär Professor Dr. Günter
Krings bereit.
Die Frage 14 des Abgeordneten Harald Ebner - sie
sollte an dieser Stelle aufgerufen werden - wird schriftlich beantwortet.
Jetzt kommen wir zur Frage 19 des Abgeordneten
Andrej Hunko, Fraktion Die Linke:
Was ist im Einzelnen damit gemeint, wenn die Bundesregierung in ihrer Digitalen Agenda unter der Überschrift
„Mehr Sicherheit im Cyberraum“ davon spricht, im Bundeskriminalamt das Cybercrime Center weiter auszubauen und
die Bearbeitung „phänomenübergreifender Internetaktivitäten“ zusammenzufassen, und auf welche konkrete Art und
Weise soll auch die Bundespolizei, wie erwähnt, von einer
„strategischen Neuausrichtung der Cyber-Sicherheitsarchitektur“ und einer „besseren Ausstattung der Sicherheitsbehörden
in technischer und personeller Hinsicht“ im Bereich „Cybercrime, Cyberspionage und Cybersecurity“ profitieren ({0})?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren Kollegen! Lieber Herr Hunko, der weitere Ausbau des Cybercrime Center im Bundeskriminalamt bezieht sich auf den bereits 2013 begonnenen Ausbau der
Referatsgruppe SO 4 „Cybercrime“, die aus dem Referat
SO 41, das schon vorher bestand, hervorgegangen ist,
um auf die weiter stark steigenden Fallzahlen und die zunehmende Professionalisierung der Täter in diesem Phänomenbereich angemessen reagieren zu können. Die
strategische Neuausrichtung der Cyber-Sicherheitsarchitektur ist ein Ziel der Bundesregierung für die gesamte
18. Legislaturperiode. Die Überprüfung der Rollen,
Strukturen und Fähigkeiten der mitwirkenden Organisationen und Einrichtungen wird dann auch alle Sicherheitsbehörden einbeziehen. Konkrete Maßnahmen sind
hier noch nicht überall geplant.
Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter
Hunko? - Das ist nicht der Fall.
Die Frage 20 des Abgeordneten Volker Beck wird
schriftlich beantwortet.
Im letzten Moment erscheint die nächste Fragestellerin, die Abgeordnete Martina Renner. Wir waren einen
Vizepräsident Peter Hintze
Millimeter davor, schon zur nächsten Frage voranzuschreiten. - Ich rufe also die Frage 21 der Abgeordneten
Renner auf:
Wie viele Waffen haben Bundesbehörden, insbesondere
Zoll, Bundespolizei und Bundeskriminalamt, BKA, seit dem
1. Januar 2012 bei Islamisten und Rückkehrern aus Syrien,
Afghanistan, Pakistan und Irak festgestellt und beschlagnahmt?
Herr Staatssekretär, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Renner, gestatten
Sie mir, die Fragen 21 und 22 zusammen zu beantworten, da sie in unmittelbarem fachlichen Zusammenhang
stehen? Ich glaube, das darf ich, Herr Präsident.
Dann haben Sie vier Zusatzfragen, Frau Renner, und
der Herr Staatssekretär beantwortet die beiden Fragen
zusammen. So machen wir es. - Ich rufe also auch noch
die Frage 22 der Abgeordneten Renner auf:
Welche Waffen haben Bundesbehörden, insbesondere
Zoll, Bundespolizei und BKA, seit dem 1. Januar 2012 bei Islamisten und Rückkehrern aus Syrien, Afghanistan, Pakistan
und Irak festgestellt und beschlagnahmt?
Das klingt nach einem fairen Deal.
Nach Kenntnis der Bundesregierung sind in dem
nachgefragten Zeitraum in zwei Fällen im Jahr 2013 im
Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren des Bundeskriminalamts gegen Islamisten im Inland - also keine
Rückkehrer - Waffen beschlagnahmt worden. Dabei
handelte es sich um eine Schusswaffe der Marke Beretta
sowie um einen als Handy getarnten Elektroschocker,
der Stromstöße bis zu 1 200 Kilovolt erzeugt. Der Elektroschocker besaß kein Prüfzeichen der PhysikalischTechnischen Bundesanstalt und gilt daher gemäß § 2
Absatz 2 bis 4 des Waffengesetzes als verbotene Waffe.
Darüber hinaus konnte der Zoll seit 2012 in insgesamt
drei Fällen Waffenteile sicherstellen, bei deren Benutzung ein islamistischer Hintergrund eindeutig erkennbar
war. Im Einzelnen handelte es sich bei der Einfuhr nach
Deutschland um eine Zielvorrichtung und bei der Ausfuhr aus Deutschland um insgesamt neun Zielvorrichtungen für Gewehre und Sturmgewehre, 183 Magazine für
Sturmgewehre, 35 Magazine für Pistolen sowie 14 weitere Waffenteile.
Frau Renner, Sie müssen übrigens die Zahl Ihrer
möglichen Zusatzfragen nicht ausschöpfen, aber Sie dürfen es. Bitte schön.
Danke schön, Herr Präsident. - Zu den vom Zoll beschlagnahmten Waffen, diesen Zielvorrichtungen für
Sturmgewehre, habe ich die Frage, ob diese bei Grenzkontrollen oder im Zusammenhang mit Kontrollen an
Flughäfen sichergestellt wurden.
Wenn ich dann gleich eine zweite Frage anschließen
darf: Welche Kenntnisse hat denn die Bundesregierung
zu möglichen Waffenmitnahmen aus den Krisen- und
Kriegsregionen durch Foreign Fighters in die Bundesrepublik, wie zum Beispiel einer Einreise in die Bundesrepublik über die normale Transitstrecke via Türkei, Bulgarien, also nicht erneut über den Flugweg? Und gibt es
spezielle Kontrollen an den Grenzen hinsichtlich der
Feststellung von illegalen Waffenexporten bzw. -importen aus dem Bereich des Dschihadismus?
Hintergrund der Frage - ich will es einfach noch einmal erläutern -: Wir reden ja bei dem schlimmen Attentat in Paris über Sturmgewehre, also Waffen, die sozusagen schon durch ihre Größe und Bauart doch irgendwie
schwerer zu besorgen sind und vor allem auch schwerer
an Kontrollstellen vorbeizubringen sind. Wie geht man
eigentlich mit der Problematik „mögliche Waffenmitnahme durch rückkehrende Foreign Fighters“ seitens der
Sicherheitsbehörden um?
Vielen Dank. - Die erste Frage kann ich nicht endgültig und absolut zweifelsfrei beantworten. Nach dem, was
ich mir bisher habe sagen lassen, gehe ich davon aus,
dass es sich in der Tat um Flugreisende handelt, die da
ausgereist sind und bei denen Waffenteile - ein Fall ging
auch durch die Medien - und auch Waffen gefunden
worden sind. In zwei der genannten Fälle müssten wir es
noch einmal endgültig verifizieren, wenn Sie es genau
wissen wollen.
Mit Ihrer zweiten Frage haben Sie ja im Prinzip schon
den richtigen Einstieg gefunden, nämlich dass es in der
Tat faktisch nicht um Flugreisende gehen kann; denn natürlich wird auch in Flughäfen außerhalb von Deutschland und auch außerhalb des Schengen-Raumes Fluggepäck durchleuchtet. Wir wissen, dass auch dabei nicht
alles gefunden wird. Aber natürlich wissen diejenigen,
die etwas mitbringen wollen, dass die Wahrscheinlichkeit nicht gering ist, dass im Flugverkehr Waffen und gerade auch solche großen Waffen entdeckt werden. Da
aber die meisten dieser Reisebewegungen offenbar im
Flugverkehr erfolgen, gehen wir davon aus, dass da eine
Mitnahme nicht stattfindet. Im Übrigen haben wir ja
praktisch keine relevanten Landgrenzen, wo die deutsche Bundespolizei so etwas in eigener Regie auffinden
könnte. Solche Waffen kommen ja, wie Sie schon beschrieben haben, über andere Staaten hinein.
Ich kann Ihnen hier und heute ad hoc nicht beantworten, wie im Schengen-Verbund die Kontrollen verstärkt
worden sind oder noch verstärkt werden, um so etwas
auszuschließen. Es ist aber sicherlich ein wichtiges
Thema, und wir müssen schauen, ob wir bei der Sicherung der Schengen-Außengrenzen noch nachsteuern
müssen.
Haben Sie noch eine Frage? - Bitte schön.
Das wäre dann auch die letzte. - Wir wissen ja zum
Beispiel aus dem Bereich des Rechtsterrorismus, dass
sich die entsprechenden Gruppierungen europaweit, zum
Teil auch über dieselben Wege, Waffen beschaffen oder
auch mit Sprengstoff versorgen. Gibt es einen speziellen
Austausch mit anderen europäischen Ländern beim Auffinden von illegalen Waffen oder Sprengstoff im Bereich
des Dschihadismus, in dessen Rahmen man sich verständigt: Wo kommen die Waffen oder der Sprengstoff her,
und gibt es möglicherweise größere Lieferungen, die
vielleicht an mehrere Empfänger in verschiedenen Ländern gegangen sind? Wird also dieses Thema „Waffenund Sprengstoffbesitz“ auch im Informationsaustausch
zwischen den europäischen Ländern dezidiert als Extrathema behandelt?
Ein Informationsaustausch zwischen den Polizeibehörden - auch zwischen den Nachrichtendiensten - innerhalb von Europa ist ganz entscheidend und umfasst
natürlich auch solche Fragen, woher Waffen kommen.
Ob es da jetzt ein eigenes Programm oder einen eigenen
Jour Fixe gibt, kann ich Ihnen ad hoc nicht beantworten.
Dieses Thema, wie Waffenlieferungen und Waffendistributionen an der Stelle funktionieren, ist aber ein ganz
wesentlicher Teil des Informationsaustausches. Wenn
Sie es noch genauer wissen möchten, können wir an der
Stelle gerne noch im Gespräch bleiben.
Schönen Dank. - Dann kommen wir zur Frage 23 des
Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Bündnis 90/Die
Grünen:
Über wie viele Personen aus Deutschland mit vermutetem
Bezug zum Islam - vor allem in Richtung Irak bzw. Syrien wohl
zum Kampf Ausgereiste - übermittelten Behörden des Bundes
- oder der Länder nach Kenntnis der Bundesregierung - seit
dem Jahr 2013 auch eigeninitiativ Informationen an US-amerikanische Sicherheitsbehörden - bitte nach Absender- bzw.
Empfängerbehörde, Zahl und Art der Datensätze, Ausgereiste/nicht Ausgereiste aufschlüsseln -, deren Antiterrorismus-Zentrum NCTC - National Counterterrorism Center eine Datenbank mit bereits 15 000 mutmaßlichen IS-Kämpfern führt ({0}), und
nach je welchen Kriterien wählten deutsche Behörden diese
Personen sowie die über sie übermittelten Datenarten aus?
Herr Staatssekretär, bitte.
Vielen Dank. - Das ist ja eine ganz nette Koinzidenz,
dass wir auch bei dieser Frage über Informationsaustausch sprechen, nachdem wir ihn gerade noch als besonders wichtig bezeichnet haben. In Ihrer Frage geht es
natürlich um Informationen über Personen. Die Erarbeitung der Antwort war allerdings gar nicht so einfach.
Die Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische Stellen gehört natürlich gemäß gesetzlicher
Aufgabenzuweisungen zum Kerngeschäft deutscher Sicherheitsbehörden. Wir haben gerade bei den furchtbaren Vorfällen in Frankreich in der letzten Woche noch
einmal gesehen, wie wichtig dieser Austausch ist.
Personendaten werden nach den gesetzlichen Übermittlungsvorschriften übermittelt. Soweit die Bundessicherheitsbehörden im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung
entsprechend den gesetzlichen Übermittlungsbefugnissen Informationen an ausländische Partnerbehörden weitergeben, wird stets den datenschutzrechtlichen Vorgaben
Rechnung tragen und diese mit dem Hinweis versehen,
dass diese Informationen nur zu polizeilichen bzw. nachrichtendienstlichen Zwecken übermittelt werden. Hierzu
sind das Bundeskriminalamt gemäß § 14 Absatz 7 des
BKA-Gesetzes und das Bundesamt für Verfassungsschutz gemäß § 19 Absatz 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes verpflichtet. Entsprechendes gilt für den
Bundesnachrichtendienst gemäß § 9 Absatz 2 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst. Diese Normen
schreiben den jeweiligen Behörden vor, den Empfänger
der Information darauf hinzuweisen, dass die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen,
zu dem sie ihm auch übermittelt wurden. Alle Datenübermittlungen werden vorab sorgfältig geprüft. Die
möglichen Auswirkungen für den Betroffenen werden
dabei im Rahmen einer Einzelfallprüfung berücksichtigt.
Es handelt sich hierbei um eine Einzelfallbearbeitung,
bei der keine statistische Erhebung erfolgt, weil wir
keine Listen oder Ähnliches übermitteln. Das quantitative Ausmaß des Austausches personenbezogener Daten
wird statistisch nicht gesondert erfasst und ist daher
nicht nach dem Empfänger auswertbar.
Eine händische Sichtung - das wäre die Alternative der entsprechenden Fall- und Sachakten wäre dazu erforderlich. Diese Sichtung hätte sich angesichts der potenziellen Übermittlungswege auf die Unterlagen, auf die
Verbindungsbeamten der betroffenen Sicherheitsbehörden
der Vereinigten Staaten sowie auf die Informationswege
im Rahmen des polizeilichen Informationsaustausches
wie etwa im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit zu
erstrecken. Mithin würde sich eine entsprechende retrograde Datensicherung etwa im Falle des Bundeskriminalamtes auf Datenbestände einer Vielzahl von Organisationseinheiten der Abteilung „Polizeilicher Staatsschutz“,
aber auch der Abteilung „Zentrale kriminalpolizeiliche
Dienste“, zum Beispiel in Fahndungsfällen, erstrecken.
Unberücksichtigt blieben Datenbestände, die aufgrund
von gesetzlichen Löschungsfristen keiner Auswertung
zugänglich sind, etwa im Falle von Gefahrenabwehrvorgängen, bei denen sich der Sachverhalt nicht bestätigt
hat und entsprechende Datenbestände gemäß gesetzlicher Vorschriften gelöscht wurden. Bezogen auf polizeiliche Aktenbestände ist ferner zu berücksichtigen, dass
ein Teil der Ermittlungsakten bereits an die sachleitenden Staatsanwaltschaften bzw. Justizbehörden übergeben wurde.
Ich kürze es etwas ab. Ich kann Ihnen aber einen positiven Bescheid geben. Für den von Ihnen nachgefragten
Sachverhalt in Bezug auf Syrien und Irak konnte jedoch
manuell ermittelt werden, dass der BND den gesetzlichen Bestimmungen folgend seit 2013 personenbezogene Daten zu 220 Personen aus Deutschland mit vermutetem Bezug zum islamistischen Terrorismus an die
NSA übermittelt hat. Diese Übermittlungen betrafen
mutmaßliche Mitglieder oder Unterstützer ausländischer
terroristischer Vereinigungen in Syrien oder im Irak.
Sämtliche betroffene Personen befinden sich im Krisengebiet Syriens und Iraks bzw. sind auf dem Weg dorthin.
Mögen Sie eine Zusatzfrage stellen, Herr Abgeordneter Ströbele?
Ja. Danke, Herr Präsident. - Die nächste Frage ist
auch noch einmal dazu geeignet, Licht hinsichtlich der
Verwendung des Wortes „Sicherheit“ hineinzubringen.
Zu den Zahlen. Ich habe nach den Zahlen seit 2013
gefragt. Hier sagen Sie, wenn ich es richtig verstanden
habe, 220.
Bezogen auf den BND. Wir konnten nur für eine Behörde händisch sichten.
Also nur Bundesnachrichtendienst. Ich entnehme Ihrer Antwort, dass Sie die Zahlen für das Bundesamt für
Verfassungsschutz oder das Bundeskriminalamt nicht
kennen oder nicht ermitteln können.
Ich habe gerade ausführlich berichtet, wo die Schwierigkeiten lagen.
Also gibt es gar keine Zahlen?
Eine händische Sichtung der entsprechenden Fallund Sachakten wäre dazu erforderlich. Diese Sichtung
hätte sich angesichts der potenziellen Ermittlungswege
auf die Unterlagen, auch auf die Verbindungsbeamten
der betroffenen Sicherheitsbehörden in den Vereinigten
Staaten sowie Informationswege im Rahmen des polizeilichen Informationsaustausches wie etwa im Rahmen der
justiziellen Zusammenarbeit zu erstrecken. Ich habe ausführlich dargestellt, warum es aus unserer Sicht unverhältnismäßig war, diese Zahlen komplett zu ermitteln.
Sie haben mit dem für den BND ermittelten Wert, den
ich Ihnen genannt habe, einen Anhaltspunkt.
Sie hätten die Antwort nicht noch einmal wiederholen
müssen.
Vielleicht war ich ja zu schnell.
Damit ist die Sache geklärt. - Das wissen Sie also
nicht und können es auch nicht feststellen oder wollen es
nicht feststellen. Ich habe aber auch nach den Kriterien
gefragt, nach denen sie ausgesucht sind. Haben Sie dazu
etwas feststellen können?
Die Kriterien kann ich Ihnen an dieser Stelle nicht
nennen. Wir können einmal schauen, was wir offen kommunizieren können; denn hier bewegen wir uns in Bereichen, die nicht in allen Einzelheiten offen kommuniziert
werden können. Ich kann gerne noch einmal nachprüfen,
was wir Ihnen ergänzend dazu sagen können.
Dann kommen wir zur Frage 24 des Abgeordneten
Hans-Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen:
Wie schloss die Bundesregierung, als sie US-Sicherheitsbehörden zum Beispiel Handydaten von Personen aus
Deutschland mit vermutetem Bezug zum Islam oder
Kampfeswunsch in Syrien bzw. im Irak übermitteln ließ ({0}), jeweils
sicher aus, dass US-Stellen damit etwa solche deutschen
Staatsbürger nach Ortung unter Umständen durch gezielten
Drohnenbeschuss töten, und wie viele Datensätze über diesen
Personenkreis - etwa anlässlich deren Wiedereinreisen in die
EU - erhielten deutsche von US-Sicherheitsbehörden seit dem
Jahr 2013, wobei hiesige Empfängerbehörden nicht ausschließen konnten, dass sie selbst diese Daten nicht hätten generieren dürfen wegen deutscher bzw. EU-Beschränkungen zum
Datenabgleich?
Herr Staatssekretär, bitte.
Gerne, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen
und Herren! Herr Ströbele, für die Informationsübermittlung an andere Stellen gelten für die Bundessicherheitsbehörden die gesetzlichen Übermittlungsvorschriften. Demnach sind Übermittlungen zum Zwecke sogenannter
gezielter Tötungen ausgeschlossen. Hierauf werden Übermittlungsempfänger durch entsprechende Vorbehaltsund Zweckbindungsklauseln hingewiesen. Die Sicherheitsbehörden des Bundes geben grundsätzlich keine Informationen weiter, die unmittelbar für eine zielgenaue
Lokalisierung genutzt werden können. Ergänzend wird
auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke, Drucksache 17/13169,
verwiesen.
Eine Protokollierung von Übermittlungen personenbezogener Daten von ausländischen Behörden an deutsche Behörden ist gesetzlich nicht vorgeschrieben.
Solche Übermittlungen werden je nach Bedeutung des
Einzelfalls dokumentiert. Eine statistische Erhebung erfolgt hier nicht. Die Erhebung personenbezogener Daten
im Ausland richtet sich nach dem für die ausländischen
Behörden geltenden dortigen nationalen Recht.
Die Speicherung personenbezogener Daten stellt einen eigenständigen Grundrechtseingriff dar, der deshalb
natürlich dem Verhältnismäßigkeitsprinzip unterliegt.
Die deutschen Sicherheitsbehörden prüfen daher vor jeder Speicherung personenbezogener Daten, ob die Daten
für die Erfüllung der jeweiligen gesetzlichen Aufgaben
erforderlich sind.
Herr Abgeordneter Ströbele, haben Sie eine Zusatzfrage dazu?
Ja. - Herr Staatssekretär, Sie haben natürlich meine
Frage genau nicht beantwortet.
({0})
Sie haben nämlich nicht gesagt, wie Sie ausschließen,
dass es mithilfe der Daten unter Umständen zu Tötungen
kommt. Dass das ausgeschlossen sein soll, ist ja prima;
das haben Sie schon auf viele Fragen, die ich in der Vergangenheit gestellt habe, geantwortet. Aber wie geht
das? Werden sie gelistet? - Sie kennen wahrscheinlich
die neueste Veröffentlichung in der Bild-Zeitung, auf die
ich mich sonst gar nicht so gerne beziehe, wonach ganz
gezielt Informationen zur Gefangennahme oder Neutralisierung von Personen weitergegeben worden sind, gerade auch vom Bundesnachrichtendienst. Wie können
Sie das dann ausschließen?
So schlimm ist die Bild-Zeitung eigentlich gar nicht.
Den konkreten Bericht kenne ich nicht. Ich habe darauf
hingewiesen - das will ich noch einmal hervorheben -,
dass wir diejenigen Dienste, die von uns Informationen
bekommen und zu denen wir solche Beziehungen pflegen - egal, wo sie nun sind -, darauf hinweisen, zu welchem Zweck - und zwar nur zu diesem Zweck - die Daten verwandt werden können. Natürlich gibt es keine
deutsche Rechtsaufsicht über ausländische Nachrichtendienste.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage? Es wäre die letzte.
Ja. - Ist Ihnen bekannt, dass diese Personen gelistet
werden? - Wenn ich mich recht erinnere, wurde in der
Veröffentlichung unter anderem eine Person mit der
Nummer viertausendsoundso genannt. Die Daten, die
dann gegeben werden, insbesondere Handydaten, werden ganz konkret für solche Kill-Aktionen genutzt, und
zwar von Drohnen aus; da ist eine Festnahme nicht möglich, da gibt es nur die Möglichkeit einer Tötung.
Wir weisen darauf hin, dass die Daten nicht zu diesem
Zweck übermittelt werden und auch nicht genutzt werden. Es ist in der Tat so, dass die Amerikaner - Sie haben
gerade die USA angesprochen - solche Informationen
natürlich aus verschiedenen Quellen erhalten; Informationen von deutschen Behörden sind natürlich nicht die
einzigen Informationen. Es kann Fälle geben, in denen
den Amerikanern auch aus einer anderen Quelle Informationen zu einer Person zugetragen werden, zu der wir
Informationen gegeben haben. Es kann im Einzelfall
sein, dass diese Person dann zum Zielobjekt einer solchen Drohne wird. Das ist eine Sache, die wir völkerrechtlich im Einzelfall zu prüfen haben. Nicht alle Drohnenangriffe sind völkerrechtswidrig; es gibt da klare
Kriterien. Noch einmal: Von deutschen Behörden werden Daten nicht zum Zweck übermittelt, solche Drohnenangriffe vorzubereiten.
Die Frage 25 der Abgeordneten Sevim Dağdelen und
die Fragen 26 und 27 des Abgeordneten Dr. André Hahn
werden schriftlich beantwortet.
Wir sind damit am Ende der Fragestunde.
Ich unterbreche die Sitzung des Bundestages bis
15.35 Uhr. Dann wird der Zusatzpunkt Aktuelle Stunde
aufgerufen: Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD haben eine Aktuelle Stunde zum Thema „Bundeshaushalt
2014 ohne neue Schulden“ verlangt. Ich unterbreche bis
dahin die Sitzung des Deutschen Bundestages.
({0})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD
Bundeshaushalt 2014 ohne neue Schulden
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Norbert Barthle für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Anfang dieser Woche hat uns das
Bundesfinanzministerium bestätigt, dass der Jahresabschluss 2014 ergeben hat, dass wir keine neuen Schulden
mehr machen müssen. Das war ein Tag der Freude. Erstmals seit 45 Jahren kann der Bund seine Ausgaben tätigen, ohne neue zusätzliche Schulden zu machen. Erstmals seit 45 Jahren wächst der Schuldenberg nicht mehr.
Erstmals seit 45 Jahren können wir den Menschen draußen im Lande sagen: Wir kommen mit dem Geld aus,
das Sie uns zur Verfügung stellen. - Das ist die beste
Botschaft für unser Land; gerade in diesen Tagen, in denen es viele negative Schlagzeilen gibt.
({0})
Ich will deshalb als Allererstes unserem Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble ein Dankeschön
sagen, der es durch große Beharrlichkeit und mit großem
Weitblick und großem Überblick immer wieder geschafft hat, Ausgabewünsche zu deckeln und durch kontinuierliche Politik einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Er ist der Erste seit 1969, der das geschafft hat.
Deshalb gilt ihm unsere große Anerkennung für diese
Leistung.
({1})
Ich will zum Zweiten unserer Bundeskanzlerin danken. Es wäre leicht für die Bundeskanzlerin gewesen,
dem internationalen Druck nachzugeben und zu sagen:
„Ach komm, lasst uns 20 Milliarden für Investitionen
oder Ähnliches in die Hand nehmen“, und damit die Verschuldung in die Höhe zu treiben. Sie hat es aber nicht
getan. Sie unterstützt die Linie der wachstumsorientierten Konsolidierung. Sie muss sich ab heute nicht mehr
mit der schwäbischen Hausfrau vergleichen lassen. Im
Gegenteil: Die schwäbische Hausfrau kann sich ein Beispiel an Angela Merkel nehmen. Das ist der eigentliche
Wechsel, der sich vollzogen hat.
({2})
Ich wäre natürlich froh, wenn sich nicht nur die
schwäbische Hausfrau ein Beispiel an Angela Merkel
nehmen würde. Ich wäre auch froh, wenn sich der
schwäbische Ministerpräsident und sein Finanzminister
ein Beispiel an Angela Merkel nehmen würden. Das
würde unserem Land ebenfalls guttun.
({3})
Es gibt immer wieder Volkswirtschaftsprofessoren in
unserem Lande, die uns raten, jetzt, da die Kreditzinsen
so niedrig sind, mehr Kredite aufzunehmen, um zu investieren. Meine Damen und Herren, diese Volkswirte
können uns nicht sagen, welches Zinsniveau wir in
20 oder 30 Jahren haben werden.
({4})
Sie können aber mit Sicherheit bestätigen, dass wir in
20 oder 30 Jahren - selbst wenn wir jedes Jahr Schulden
tilgen können - immer noch einen riesigen Schuldenberg
haben werden, für den Zinsen zu zahlen sind. Deshalb ist
es gut und richtig, es so zu machen, wie wir das machen.
Ich frage mich manchmal: Wo bleibt der Weitblick dieser Professoren?
Drittens. Wir erleben in diesen Tagen, dass sehr
schnell Vorschläge an uns herangetragen werden, was
man mit den finanziellen Spielräumen anfangen könne,
die sich möglicherweise im Laufe des Jahres ergeben. Es
vergeht ohnehin kaum eine Woche, in der nicht irgendjemand Vorschläge an uns heranträgt, wie man unser Land
noch schöner, noch angenehmer und noch sozialer gestalten kann. Es ist gar keine Frage: Wir haben bisher
immer vernünftig gehandelt. Wir haben die Ausgaben
gedeckelt. Deshalb sind die Ausgaben 2014 um 4 Prozent niedriger gewesen als im Vorjahr.
Nun wird es in den kommenden Wochen und Monaten
darauf ankommen, diesbezüglich Linie zu halten. Ich
nehme gerne eine Anregung von Carsten Schneider auf,
die er an uns herangetragen hat, als er noch in der Opposition war, nämlich Vorsorge zu treffen für schlechtere Zeiten. Es gibt im Einzelplan 60, Kapitel 6002, Titel 915 01
eine sogenannte Konjunkturausgleichsrücklage. Dieser
Titel wurde bisher nie befüllt. Ich rate uns sehr, wenn
sich in diesem Jahr Spielräume ergeben, diese Rücklage
zu bilden; denn die Zeiten könnten auch wieder schlechter werden. Wenn wir dann tatsächlich noch Luft haben,
sollten wir die Investitionen stärken; denn investive Ausgaben sind Einmalausgaben, während Sozialausgaben
den Haushalt in der Regel auf Dauer belasten. Das ist
meine Empfehlung. Ich bin mir sicher, unser Finanzminister wird ganz im Sinne des vorsichtigen Kaufmanns ähnlich handeln.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und freue
mich, dass wir Gelegenheit haben, diesen großartigen
Erfolg der deutschen Fiskalpolitik, der sicherlich weit
über Deutschland hinaus seinen Widerhall finden wird,
mit dieser Aktuellen Stunde zu würdigen. Danke sehr.
({5})
Nun hat der Kollege Dietmar Bartsch für die Fraktion
Die Linke das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich
glaube, ich sollte als Erstes den Antrag stellen, in die
Liste unserer parlamentarischen Instrumentarien die
„Aktuelle Feierstunde“ aufzunehmen; denn jedes Mal,
wenn die Große Koalition etwas zu feiern hat, haben wir
eine „Aktuelle Feierstunde“. Das wäre doch einmal ein
Vorschlag.
({0})
- Sehr schön. Ich freue mich immer über Beifall aus der
Union. - Ich will aber betonen, dass wir Sie nicht zur
schwarzen Null beglückwünschen werden.
Ich will an unsere Debatten im vorigen Jahr erinnern;
im Juni und im November haben wir Haushaltsberatungen durchgeführt. Sie wissen, dass diese schwarze Null
mit einmaligen Sondereffekten zusammenhängt: Das Ergebnis hat mit höheren Einkommensteuereinnahmen zu
tun, es hat mit dem Bundesbankgewinn von 2 Milliarden
Euro zu tun, es hat aber auch damit zu tun, dass wir ein
halbes Jahr lang vorläufige Haushaltsführung hatten
- das brachte natürlich einen positiven Effekt mit sich -,
und letztlich hat das auch mit den niedrigen Zinsen zu
tun. Ich will einen ehemaligen Finanzminister zitieren,
dessen Namen ich allerdings nicht nennen möchte. Er
sagt: Mit diesen Zinsen hätte ich das auch geschafft.
({1})
Das ist zwar nicht meine Meinung, aber offensichtlich
spielen die niedrigen Zinsen eine Rolle. Das war übrigens kein Linker; das hatten wir in dieser Republik noch
nicht.
Ich will ganz klar sagen, welche Position wir vertreten: Wir sind nicht der Auffassung, dass neue Schulden
irgendwie sinnvoll sind. Da, wo wir Verantwortung tragen, verhalten wir uns dementsprechend. In Thüringen
zum Beispiel haben wir vereinbart, dass es in den nächsten fünf Jahren keine Nettokreditaufnahme geben wird
und wir Schulden tilgen wollen. In Brandenburg, wo wir
seit vielen Jahren regieren, machen wir seit vier Jahren
keine neuen Schulden, sondern haben mit Rückzahlungen begonnen. In Mecklenburg-Vorpommern und Berlin
haben wir die finanzpolitische und haushaltspolitische
Wende eingeleitet. Dort, wo wir Verantwortung tragen,
bekennen wir uns also zu einer Politik ohne neue Schulden und betreiben eine entsprechende Politik. Um das
klar und deutlich zu sagen: Wir Linke können das, und
wir wollen das auch.
({2})
Es ist falsch und letztlich sogar zutiefst zynisch, wenn
der CDU-Generalsekretär behauptet, dass jetzt endlich
Schluss damit sei, über die eigenen Verhältnisse und auf
Pump zu leben. Ich frage mich: Wer hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten eigentlich die Schulden gemacht? In den letzten zehn Jahren regierte Angela
Merkel, und in dieser Zeit wurden 225 Milliarden Euro
neue Schulden gemacht. Das ist die Wahrheit. Diese
225 Milliarden Euro neue Schulden haben Sie doch zu
verantworten.
({3})
Wann immer Sie regiert haben, wurden Schulden gemacht. Grund dafür ist, dass Sie Steuergeschenke gemacht und Millionäre und Milliardäre nicht belastet haben. Das ist die eigentliche Ursache. Aufgrund Ihrer
Politik zahlen wir - das war auch im letzten Jahr so 26 Milliarden Euro Zinsen. Ihre Politik ist verantwortlich dafür, dass dieses Geld nicht für andere Dinge zur
Verfügung steht.
Der entscheidende Punkt aber ist der Preis dieser
schwarzen Null: Ihre schwarze Null und die verspielten
Zukunftschancen sind zwei Seiten derselben Medaille.
({4})
Wir haben marode Brücken und Straßen, teilweise
katastrophale bauliche Zustände in Schulen und Turnhallen, es fehlen Lehrer und Erzieher, wir haben Kinderarmut, Armut bei Jugendlichen und Armut im Alter. Das
alles gehört zur Wahrheit in unserem Land. Mit dieser
Politik gefährden Sie den sozialen Zusammenhalt in unserem Land.
({5})
Auch heute noch gilt in Deutschland der Satz, der früher
ein geflügeltes Wort war: Wenn du arm bist, stirbst du
eher.
({6})
Und in einer solchen Situation plündern Sie den Gesundheitsfonds. Das ist doch eine widersprüchliche Politik.
({7})
Norbert Barthle hat gesagt, wir müssten mehr investieren. Ja, Investitionen in die Zukunft sind angesagt, sie
wären notwendig, aber wann hören Sie auf, nur davon zu
reden? Sie haben 10 Milliarden Euro für die Jahre 2016
bis 2018 angekündigt. Ehrlich gesagt, das ist doch ein
Witz. Wenn mein Bundesland Mecklenburg-Vorpommern das machen würde, wäre das die richtige Dimension. Es wäre nötig, in diesem Jahr 10 Milliarden Euro in
die digitale Infrastruktur zu investieren. Das wäre eine
Investitionspolitik. Sie reden darüber, tun dafür aber zu
wenig.
({8})
Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen. Der
ausgeglichene Haushalt ist der eine Punkt. Sie verbinden
ihn immer damit, dass bei den Steuern gar nichts passiert. Das ist das eigentliche Problem. Sie müssten die
Vermögenden in diesem Land, die auch in der Krise ihren Reichtum weiter vermehrt haben, mehr belasten, damit das Gemeinwesen seine Aufgaben bewältigen kann.
Das ist die Aufgabe.
({9})
Dort sollte endlich einmal etwas abgeholt werden. Sie
gehen das aber nicht an und sagen: um Gottes willen.
Leider macht Ihr Koalitionspartner dabei mit und hat
alle Wahlversprechen in dieser Hinsicht völlig vergessen. Das ist eine falsche Politik. Greifen Sie bei den Superreichen, bei den Milliardären etwas ab durch eine
Vermögensteuer, die wie auch immer ausgestaltet sein
kann. Über die Ausgestaltung einer Vermögensteuer
können wir reden. Da Sie das aber nicht tun, können Sie
auf die schwarze Null nicht stolz sein.
({10})
Krisenrobuste, nachhaltige Haushaltskonsolidierung,
Zukunftsinvestitionen und konsequente Umverteilung
von oben nach unten - dieser Dreiklang würde neue
Möglichkeiten schaffen. Wenn man das machen würde,
könnte man auch auf einen ausgeglichenen Haushalt
stolz sein.
Herzlichen Dank.
({11})
Das Wort hat der Kollege Johannes Kahrs für die
SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Bartsch, ich
schätze Sie ja sehr. Aber wenn man eine Rede aufbaut,
dann muss man sich an gewisse Gesetze der Logik halten. Sie stellen sich hierhin und feiern die schwarze Null
in Brandenburg und in Thüringen, wo wir Sozialdemokraten gemeinsam mit Ihnen Verantwortung tragen. Das
ist richtig, das loben Sie. Da haben Sie etwas verstanden.
Das ist eine gute Sache.
Eine Sekunde später verdammen Sie jedoch die
schwarze Null auf Bundesebene, reden diese in Grund
und Boden und sagen, sie sei der Untergang des Abendlandes und der Menschen, die darin wohnen.
({0})
Das ist erstens nicht logisch, hat zweitens höchstens
den Hauch von billiger Polemik, und drittens merkt das
jeder. Herr Bartsch, in der Vergangenheit waren Sie
deutlich intelligenter. Deswegen: Das war nichts. Man
kann eine Rede auch besser vorbereiten.
({1})
Schauen wir uns die heutige Debatte einmal an. Es
wird deutlich, dass diese Große Koalition wirkt. Schauen
wir uns einmal den Haushalt 2014 und die Debatten zum
Haushalt 2014 an, in denen uns die versammelte Opposition um die Ohren gehauen hat, wie unsolide das wäre,
wie knapp genäht das wäre. Wir hätten angeblich nur
Schein- und Fantasierechnungen aufgemacht.
({2})
In der Bundespressekonferenz haben wir jedoch als
SPD und CDU/CSU gemeinsam erklärt, dass das solide
ist, dass das so kommen wird, dass man sich darauf berufen kann und dass es das schriftlich gibt. Deswegen ist
es meines Erachtens eine gute Gelegenheit, heute daran
zu erinnern, dass wir unser Versprechen gehalten haben.
Wir haben sogar noch mehr getan, als wir versprochen
haben.
Wir haben nämlich nicht versprochen, dass wir 2014
keine neuen Schulden mehr machen werden. Vielmehr
waren wir bei 6,5 Milliarden Euro. Jetzt läuft es sogar
besser. Woran liegt das denn?
Nachdem wir schon Frau Merkel und Herrn Schäuble
gedankt haben, muss man sich überlegen, woher das
Geld denn kommt. Diese Einnahmen des Staates sind
darauf zurückzuführen, dass die Unternehmen erfolgreich sind und dass die Menschen in diesem Land hart
arbeiten. Das Ergebnis dieser harten Arbeit spiegelt sich
im Bundeshaushalt wider, weil Steuern gezahlt werden,
weil mehr Menschen als jemals zuvor in diesem Land in
Arbeit sind und weil die Unternehmen Gewinne machen.
Deswegen funktioniert das. Wir haben deswegen eine
schwarze Null, weil es Steuermehreinnahmen gibt. Der
Dank gilt Rot-Grün unter Gerhard Schröder, der die
Agenda auf den Weg gebracht hat. Das waren die Reformen, die dieses Land aus der Krise gerissen haben, in die
Helmut Kohl und Schwarz-Gelb dieses Land geführt haben.
({3})
Gleichzeitig wurde mit diesen Reformen die Grundlage dafür gelegt, dass wir im Gegensatz zu allen anderen Ländern in Europa sehr wachstumsstark durch die
Krise gekommen sind und für Europa der Anker sind,
um sie nach vorne zu bringen.
Etwas nachdenklich gestimmt möchte ich an dieser
Stelle anmerken, was in den nächsten zwei bis drei Jahren passieren wird. Dann werden wir die Auswirkungen
der Reformen erleben, die unter Schwarz-Gelb passiert
sein sollen. Die Hoteliers wurden begünstigt. Außerdem
wurde die Luftverkehrsteuer eingeführt, die dazu geführt
hat, dass Lufthansa und Air Berlin schlechtere Zukunftsaussichten haben. Das hat aber nicht viel gebracht.
({4})
Deswegen ist es richtig und gut, dass wir jetzt in dieser Großen Koalition, nachdem wir in der letzten die
Schuldenbremse eingeführt haben, gemeinsam solide
Haushaltspolitik machen. Das heißt, die Große Koalition
wirkt. SPD hilft. Wir bekommen es vernünftig hin. Das
heißt, wir haben die Möglichkeit, nicht nur in 2014 und
2015, sondern auch danach, wenn die Schuldenbremse
verbindlich gilt, keine neuen Schulden zu machen. Das
wollen wir als SPD so durchsetzen.
Gleichzeitig investieren wir aber auch. Damit all das,
was Sie aufgezählt haben, Herr Bartsch, nicht eintrifft,
gibt diese Koalition - das haben wir im Koalitionsvertrag festgehalten - viel Geld für Infrastruktur, für Familien, für Kinder und für Bildung aus. Wir haben mit
einem 10-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm nachgelegt und machen trotzdem keine neuen Schulden.
Es ist richtig, dass man den Menschen in diesem
Land, die dies ermöglichen, dankt, dass man den Unternehmen dankt, die wettbewerbsfähig sind. Wir hoffen,
dass das so bleibt und dass die Politik das Notwendige
dazu tut. Dafür muss es Reformen geben. Das haben wir
mit Rot-Grün vorgemacht. Die Große Koalition wird es
jetzt auch so handhaben. Wir werden in den nächsten
Jahren die notwendigen Reformen durchführen, damit
dieses Land weiterhin eine Zukunft hat, damit sich die
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, damit sich die
Wirtschaft auf diese Bundesregierung, auf diese Politik
verlassen können.
Vielen Dank.
({5})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Sven-Christian Kindler das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich finde es gut, dass die Koalition uns heute
durch diese Aktuelle Stunde die Gelegenheit gibt, auf
die eklatanten Schwächen ihrer Haushaltspolitik einzugehen. Wir dürfen nicht vergessen: Der Etat 2014 war
nicht ausgeglichen und ist heute nicht ausgeglichen. Sie
haben nur trickreich Schulden in Schattenhaushalten
versteckt. Bei den Sozialkassen haben Sie Schulden aufgenommen. Sie leihen sich das Geld nicht mehr bei der
Bank, aber bei der Rentenversicherung und bei den
Krankenkassen. Sie haben im Haushalt 2014 nicht gearbeitet. Sie hatten viel Glück mit extrem niedrigen Zinsen. Die Investitionen im Haushalt sind immer noch sehr
gering. Liebe Koalition, das ist wahrlich kein Grund zu
feiern. Ich finde, es ist Anlass zu großer Sorge.
({0})
Zu den Schattenhaushalten. Sie haben sich 3,5 Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds gegriffen.
3,3 Milliarden Euro für die Mütterrente haben Sie aus
Beitragsmitteln der Rente genommen, obwohl jedem
klar ist, dass sie aus Steuermitteln hätte finanziert werden müssen. Das sind insgesamt etwa 7 Milliarden Euro
versteckte Schulden bei den Sozialkassen. Eine ehrliche
Bilanz zeigt, dass es dort 7 Milliarden Euro versteckte
Schulden gibt.
({1})
Wer zahlt eigentlich die Zeche dafür? Fast alle Krankenkassen haben Zusatzbeiträge erhoben. Die Rentenkasse wird in ein paar Jahren leer sein.
({2})
Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen nachher die Zeche dafür. Ich sage Ihnen: Das hat mit seriöser
Haushaltspolitik nichts zu tun. Das ist richtig ungerecht.
({3})
Man muss festhalten: Sie haben extrem viel Glück. Es
gibt historisch niedrige Zinsen und gute Steuereinnahmen. Das Urteil des Bundesfinanzhofs zur Kernbrennstoffsteuer kam kurz vor Weihnachten. Sie können sich
hier im Bundestag zwar für Glück loben,
({4})
aber dann können Sie sich auch gleich für gutes Wetter
loben. Mit ehrlicher und harter Haushaltspolitik hat das
leider nichts zu tun, liebe Koalition.
({5})
Man darf in der Haushaltspolitik nicht nur kurzfristig
auf Sicht fahren, sondern man muss Haushalte dauerhaft
strukturell konsolidieren, man muss dauerhaft dafür sorgen, dass Investitionen solide finanziert werden. Man
darf nicht die Arbeit verweigern. Man muss im Haushalt
arbeiten, man muss ihn entrümpeln, man muss Subventionen abbauen, zum Beispiel umweltschädliche, man
muss die Einnahmen verbessern und Dinge umschichten. Wenn man sich das letzte Jahr dieser Koalition anschaut, sieht man: null Idee in der Haushaltspolitik, null
Vision, kein Wille, kein Mut. Das ist Arbeitsverweigerung. So macht man keine Haushaltspolitik.
({6})
Es wird sich mittelfristig rächen, dass Sie nichts verändern wollen und nur auf den Status quo schauen. Sie
verschieben ganz viele Kosten in die Zukunft. In den Bereichen Gesundheit und Rente, also bei den Sozialkassen, verschieben Sie viele Kosten auf die nächste
Regierung, auf die nächste Legislaturperiode. Auch Investitionen verschieben Sie, obwohl wir wissen, dass wir
jetzt Milliardeninvestitionen in Klimaschutz, in Energieeffizienz, in Bildung und den Ausbau digitaler Infrastruktur, in Breitbandausbau, benötigen. Wir müssen
jetzt richtig in die Zukunft investieren.
({7})
Wenn wir uns den Jahresabschluss des Haushalts
2014 anschauen, sieht man, dass die Investitionsquote
erstmals einstellig geworden ist. Die Investitionsquote
war schon sehr gering. Beim Abschluss sieht man, dass
600 Millionen Euro weniger investiert wurden, als geplant war. Das heißt, Sie konsolidieren diesen Haushalt
leider auch zulasten der Investitionen. Ich sage Ihnen:
Das ist ganz klar gegen Generationengerechtigkeit.
({8})
Was ist Ihre Alternative dazu? Anstatt jetzt auf öffentliche Investitionen zu setzen, damit Anreize für private
Investitionen zu schaffen und das solide zu finanzieren,
plant die Bundesregierung eine neue Welle von ÖPP;
Minister Gabriel plant sie, und Minister Dobrindt hat sie
schon angekündigt. Der Bundesrechnungshof hat letztes
Jahr trotzdem festgestellt, dass es im Hinblick auf den
Straßenbau bei neuen öffentlich-privaten Partnerschaften Mehrkosten in Milliardenhöhe gibt. Das ist nicht nur
teuer, sondern damit umgehen Sie de facto auch die
Schuldenbremse, weil Sie Kosten in die Zukunft verlagern. Wir fordern Sie auf: Stoppen Sie diese gefährliche
ÖPP-Strategie! Sie ist ein teurer Irrweg.
({9})
Was müsste man jetzt machen? Man müsste jetzt dafür sorgen, dass umweltschädliche Subventionen abgebaut werden. Aber ihr Volumen ist auf 52 Milliarden
Euro gestiegen. Subventionen von rund 9 Milliarden
Euro könnte man schnell abbauen. Man könnte jetzt die
Einnahmesituation verbessern, zum Beispiel durch Maßnahmen bei der ungerechten Abgeltungsteuer, man
könnte im Rüstungsbereich sparen, und das Betreuungsgeld könnte man sich schenken. Dann könnte man - Vor7452
schläge dazu haben wir Grüne im Hinblick auf den
Haushalt 2014/2015 vorgelegt - einen Gestaltungsspielraum von über 10 Milliarden Euro schaffen. Diesen
könnte man für Investitionen nutzen: in den Klimaschutz, in den Breitbandausbau, in gute Bildung. Das
müsste man jetzt machen, anstatt weiterhin Schulden in
Schattenhaushalten zu verstecken und die Zukunft zu
verspielen. Ich fordere Sie auf: Hören Sie endlich mit
der Arbeitsverweigerung auf, fangen Sie an, zu arbeiten,
und hören Sie auf, sich selbst für den Haushalt zu loben!
Vielen Dank.
({10})
Der Parlamentarische Staatssekretär Steffen
Kampeter hat das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Es war für mich als Haushaltsstaatssekretär bei
Wolfgang Schäuble schon ein etwas ungewöhnliches
Schriftstück, das Dienstagfrüh von mir versandt wurde.
Ich habe den Haushaltsausschuss im Namen der Bundesregierung davon unterrichtet, dass wir zum ersten Mal
seit 1969 einen Haushalt ohne neue Nettokreditaufnahme abschließen können. Dieses Schriftstück habe ich
zum ersten Mal mit freudigen Grüßen unterzeichnet. Ich
finde, das war wirklich ein Tag der Freude.
({0})
Abweichungen vom Haushaltsansatz hat es schon immer gegeben. Schulden in Höhe von 6,5 Milliarden Euro
haben wir nicht aufgenommen. Gegenüber dem Vorjahr
entspricht das einer um rund 20 Milliarden Euro geringeren Nettokreditaufnahme. Ein bisschen technischer formuliert - so schreiben es einem die Experten auf -: Wir
haben in Deutschland sogar einen strukturellen Überschuss. Für einen strukturellen Überschuss kann man
sich vielleicht nicht unmittelbar etwas kaufen. Dieser
Umstand zeigt aber, dass wir nicht nur nominal bei null
sind, sondern dass wir in Deutschland auch bereinigt um
konjunkturelle Effekte einen recht soliden Bundeshaushalt haben.
Auch im Hinblick auf das Maastricht-Kriterium, das
über viele Jahre in aller Munde war, haben wir einen
Überschuss von 0,5 Prozent. Auch wenn das öffentlich
noch nicht so sehr beachtet worden ist: Wir haben im abgelaufenen Jahr aufgrund des überschießenden Bundesbankgewinns und anderer Effekte sogar 2,5 Milliarden
Euro der Bundesschuld aktiv getilgt. Das ist zwar nicht
die Welt, aber ich will es einmal so sagen: Die Richtung
stimmt. Wir dürfen jetzt nur nicht nachlassen. Wachstumsorientierte Konsolidierung zahlt sich aus.
({1})
Ich finde, Johannes Kahrs hat einen richtigen Punkt
angesprochen: dass wir uns zunächst einmal bei den
Menschen bedanken müssen.
({2})
- Ja, einmal hat Johannes Kahrs etwas Richtiges gesagt.
Darf ich das nicht feststellen?
({3})
Wir sollten uns bei denjenigen Menschen bedanken, die
mit ihrer Hände und Köpfe Arbeit diese wirtschaftliche
Leistung erbracht und damit die hohen Steuereinnahmen
ermöglicht haben. Es sind weit über 40 Millionen Menschen, die in Deutschland in unterschiedlichen Strukturen arbeiten. Ihnen, meine sehr verehrten Damen und
Herren, müssen wir in erster Linie danken. Der hohe Beschäftigungsstand und der Fleiß der Menschen, die dieses Land jeden Tag aufs Neue nach vorne bringen, sind
die Grundfundamente dieses ausgeglichenen Haushalts.
({4})
Die Grünen unterhalten sich, anstatt zu klatschen,
wenn ich sage, dass die Menschen in diesem Land fleißig sind. Das sagt über diese Opposition mehr als alles
andere.
({5})
Mein zweiter Dank richtet sich an die Unternehmen:
an die Tüftler, die Dienstleister und die industriellen Produzenten, die im In- und Ausland darum kämpfen, wettbewerbsfähig zu sein. Die Wettbewerbsfähigkeit der
deutschen Volkswirtschaft im In- und Ausland, die daran
deutlich wird, dass deutsche Produkte und Dienstleistungen in Deutschland und im Ausland gekauft bzw. nachgefragt werden, hat dazu geführt, dass wir nicht nur bei
der Einkommensteuer, sondern auch bei den Unternehmensteuern ein sehr respektables Ergebnis vorzuweisen
haben. Danke an den Wirtschaftsstandort Deutschland!
Danke an die Tüftler und Unternehmer, die Risiken
übernehmen und dazu beigetragen haben, dass wir ein
solides Steuerergebnis hatten.
({6})
Ja, es ist richtig: Es gab auch einen Sondereinfluss.
Die Kernkraftindustrie wollte eine Steuer nicht zahlen
und hat deshalb geklagt. Das war ihr gutes Recht. Wir
haben aber Recht bekommen. Auch aus der Energiewirtschaft - auch der Kernenergiewirtschaft - brauchen wir
einen Beitrag zur Finanzierung dieses Gemeinwesens;
das finde ich nur billig und gerecht. Dass der Bundesfinanzhof unserer Position jetzt Recht gegeben hat, ist ein
Beitrag zum ausgeglichenen Haushalt, aber, wie ich
glaube, auch ein Beitrag zur Steuergerechtigkeit. Diesen
sollten wir, anders als die Fraktion Die Linke, nicht geringschätzen. Deswegen ist das an dieser Stelle nicht zu
verschweigen, sondern besonders hervorzuheben.
Wenn man guckt, woher wir kamen: Als Wolfgang
Schäuble Bundesfinanzminister wurde, hat er nach einer
Großen Koalition - das ist nicht zu kritisieren, sondern
war der Wirtschaftskrise geschuldet - einen Haushaltsentwurf mit einer Nettokreditaufnahme von 80 Milliarden Euro vorgelegt.
({7})
Heute, etwa fünf Jahre später, sind wir bei null. Das
zeigt, mit welcher Geschwindigkeit diese Entwicklung
vorangegangen ist. Das ist schon einigermaßen erstaunlich.
Das, was wir wachstumsfreundliche Konsolidierung
nennen, ist ein Erfolgsrezept. Schauen Sie sich einmal
andere Länder bei gleichen weltwirtschaftlichen Bedingungen - in Europa beispielsweise - an, die Regierungen haben, die vielleicht auch nicht alle viel schlechter
als unsere sind: Da ergeben sich ganz andere Defizitzahlen. Das führt zu meiner Feststellung: Ein ausgeglichener Haushalt ist nicht das Ergebnis von Technik oder von
Zufällen, sondern er ist das Ergebnis eines entschlossenen politischen Willens, mit dem Geld auszukommen,
das man hat.
({8})
Über Politikergenerationen hinweg haben wir das nicht
getan. Jetzt machen wir es. Das ist ein Bewusstseinswandel in der deutschen Politik, der an dieser Stelle besonders hervorzuheben ist.
Diese wachstumsfreundliche Konsolidierung - das
will ich an dieser Stelle einmal sagen - ist auch ein Investitionsprogramm. In den Defizitländern dieser Welt
sinken die Investitionen. In Deutschland, einem Konsolidierungsland, steigen sie - insbesondere im Bereich Bildung und Forschung, aber auch im Bereich Infrastruktur;
in der mittelfristigen Finanzplanung haben wir gerade
noch einmal einige Milliarden draufgelegt -: von 2005
bis 2013 um durchschnittlich 5 Prozent. Seit 2005 haben
wir sie um 44 Prozent erhöht. Wer spart, der investiert:
Das ist die Botschaft einer wachstumsfreundlichen Konsolidierung.
({9})
Ich höre immer wieder, dass in diesem föderalen System das eine oder andere nicht geleistet werden kann.
Ich will sagen: Wir haben die finanzielle Situation des
Bundes in den letzten Jahren zugunsten der Länder und
Gemeinden erheblich verschlechtert. Hätten wir all diese
Solidaritätsleistungen - beispielsweise die Investitionen
in die Kinderbetreuung - nicht erbracht, dann hätten wir
die schwarze Null schon sehr viel früher liefern können.
({10})
Das zeigt aber auch, dass unser Konzept, unser Verständnis von Haushaltspolitik auch mit Solidarität im
Rahmen des Föderalismus einhergeht. Deswegen finde
ich es unangemessen, dass der Kollege Bartsch hier sagt,
wir sparen die Länder kaputt.
Im Rahmen des Föderalismus sind zusätzlich Milliardenbeträge vom Bund auf die Länder transferiert worden. Wir stehen zu unserem Wort und sagen deutlich:
Der Föderalismus ist ein Geschäft, das wir gemeinsam
betreiben. Ich finde, die Tatsache, dass diese Milliardenbeträge auf eine andere Gebietskörperschaftsebene überführt worden sind, muss man ab und zu auch im Deutschen Bundestag erwähnen.
({11})
Auf einen Punkt, den Norbert Barthle schon angesprochen hat, will ich besonders hinweisen: Ich habe
mich auch gewundert, dass die Mitteilung über den ausgeglichenen Haushalt 2014 von manchen zum Anlass
genommen worden ist, eine Forderungsliste gegenüber
dem Bund aufzustellen: Von Verbänden, von einzelnen
Personen und selbst innerhalb der Großen Koalition ist
eine Wunschliste aufgestellt worden. Ich will eines feststellen: Wir werden auch zukünftig die notwendigen
politischen Schwerpunkte dabei setzen, das Wichtige
von dem Unwichtigen zu unterscheiden.
({12})
Der Haushaltsausgleich ist nur möglich geworden, weil
diese Koalition Politik nicht als eine Wunschliste sieht,
sondern die Unterscheidung von dem Wichtigen und
dem weniger Wichtigen vorgenommen hat. Das ist die
Grundlage für eine verlässliche, stabilitätsorientierte
Haushaltspolitik. Daran wollen wir und daran werden
wir festhalten.
({13})
Ich will zum Schluss noch eines festhalten - ich bin
seit Mitte der 90er-Jahre in unterschiedlichen Funktionen im Haushaltsausschuss,
({14})
die letzten fünf Jahre rechts vom Vorsitz, davor viele
Jahre links vom Vorsitz -: Wir haben über die Parteigrenzen hinweg immer daran gefeilt, diesen Haushalt
besser zu machen. Wir haben auch ab und zu davon geträumt, einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Ich
erinnere mich, dass Carsten Schneider und ich in der
letzten Großen Koalition überlegt haben: Wann fordern
wir einen ausgeglichenen Haushalt?
Dann kam die große Wirtschaftskrise. Es gab Regierungswechsel und Mentalitätswechsel. Für viele Politiker ist Politik mit Schuldenmachen verbunden. Wir haben den Haushaltsausgleich jetzt geschafft; das darf
keine Eintagsfliege sein. Dass ich mich persönlich darüber freue, dass das innerlich ein schönes Gefühl ist,
will ich nicht verschweigen. Sie gestatten mir diese Anmerkung; das ist keine Anmerkung der Regierung, sondern ein persönliches Bekenntnis eines Haushälters. Das
ist richtig schön; ich muss es Ihnen sagen.
({15})
Das Wort hat der Kollege Michael Leutert für die
Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Diese aktuelle Feierstunde, die Sie hier abhalten, ist ein
ziemlich absurdes Theater, wie ich feststellen muss.
({0})
Es sind ja auch nicht viele Gäste zu Ihrer Party gekommen.
({1})
Das Thema schuldenfreier Haushalt 2014 hat im Jahr
2015 erstens nichts mit Aktualität zu tun, und zweitens
ist dieser schuldenfreie Haushalt auch nicht Ihr Verdienst. Das Einzige, was Sie hier machen, ist: Sie blockieren wertvolle Zeit im Plenum für die wirklich aktuellen Themen, über die wir sprechen sollten.
({2})
- Sie lachen, ich kann Ihnen ein paar nennen. Seit dem
Terroranschlag in Paris letzte Woche ist zum Beispiel
das Thema Terrorismus mit Brutalität zurück auf die Tagesordnung gekommen.
({3})
Eine andere Frage ist: Wie gehen wir in unserem Land
human und vernünftig mit Flüchtlingen um? Wie begegnen wir dem besorgniserregenden Anstieg von fremdenfeindlichen und antisemitischen Einstellungen bis hin zu
Straftaten?
({4})
Oder - um ein anderes Thema zu nennen -: Wie gehen wir mit der mangelnden Familienfreundlichkeit und
der Kinderarmut in Deutschland um? Der Deutsche Kinderschutzbund hat erst im Dezember 2014 ein nationales
Programm gegen Kinderarmut gefordert, weil sich in
den letzten zehn Jahren die Anzahl der von Armut bedrohten Kinder auf 2,8 Millionen verdoppelt hat. Ein aktueller Dauerbrenner ist auch: Wie gehen wir mit der Finanznot der Kommunen und den fehlenden Investitionen
in die Infrastruktur um? Das sind die aktuellen Themen,
die wir hier besprechen müssten.
({5})
Das bewegt auch die Menschen, nicht eine schwarze
Null im Haushalt 2014.
Aber das war nun einmal Ihr großes Projekt, vielleicht
Ihr einziges:
({6})
Sie wollten im Haushalt 2015 keine neuen Schulden aufnehmen, so war der Plan. Dafür mussten wir schon im
Dezember 2014 eine Feierstunde über uns ergehen lassen. Jetzt kommen Sie und sagen: Wir haben den Plan
sogar schon übererfüllt. - Es kommt im Osten auch sehr
gut an, den Plan übererfüllt zu haben. Wir haben im
Haushaltsvollzug 2014 schon keine Schulden mehr aufgenommen, sagen Sie.
Dafür nennen Sie einige Gründe - sie sind hier schon
angesprochen worden -: Sie sagen, wir hätten mehr
Steuereinnahmen erzielt. - Sie alle haben erwähnt, dass
die Menschen fleißig gearbeitet haben. Sie haben sich
auch dafür bedankt, dass die Unternehmen gut wirtschaften. Aber genau das ist eben nicht Ihr Verdienst.
Das von den Menschen erwirtschaftete Bruttoinlandsprodukt kam nicht wegen, sondern trotz Ihrer Politik zustande.
({7})
Letztendlich hat die Bundesregierung schlicht und
einfach 1 Milliarde Euro nicht ausgegeben; 1 Milliarde
Euro, mit der wir sinnvolle Dinge hätten tun können.
({8})
Die Linke hat einiges vorgeschlagen und hier mit Antrag
eingebracht. Aber Sie haben alles abgelehnt, weil angeblich kein Geld vorhanden wäre.
Ich nenne Ihnen ein paar Dinge. Wir hätten die Städtebauförderung bzw. den „Stadtumbau Ost“ mit zusätzlichen 181 Millionen Euro ausstatten können. Wir hätten
dringend 50 Millionen Euro für Sportstätten des Breitensports gebraucht. Wir hätten 30 Millionen Euro für die
Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern gebraucht.
Wir hätten - aktuelles Thema derzeit - dringend 67 Millionen Euro für eine gute und ausreichende Integration
von Flüchtlingen benötigt.
Was mich besonders ärgert, ist, dass Sie dem Vorschlag der Linken nicht gefolgt sind, wenigstens 22 Millionen Euro mehr für die Programme gegen Rechtsextremismus zur Verfügung zu stellen. Alles zusammen hätte
350 Millionen Euro gekostet, und, wie wir jetzt wissen,
das Geld wäre auch da gewesen.
({9})
Stattdessen hören wir immer wieder davon - traurigerweise gerade über die Feiertage -, dass Programme
unterfinanziert sind. Die UN musste im Dezember kurzfristig ihre Ernährungshilfe für syrische Flüchtlinge
stoppen, weil kein Geld mehr zur Verfügung stand. Die
Kommunen sind mit der Unterbringung von Flüchtlingen heillos überfordert, und viele Initiativen gegen
Rechtsextremismus können sinnvolle geplante Projekte
nicht umsetzen, weil ihnen das Geld fehlt.
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind die Ergebnisse Ihrer Haushaltspolitik. Was Sie abliefern, ist eben
keine kluge Haushaltspolitik, sondern es ist letztendlich
Stillstand und Selbstbetrug.
({10})
- Die Linke wird dem, Kollege Kahrs, nicht nur eine
kluge, sondern auch eine konstruktive und intelligente
Alternative entgegenstellen,
({11})
und zwar gerechte Steuern auf der Einnahmenseite und
eine soziale Politik auf der Ausgabenseite.
Vielen Dank.
({12})
Die Kollegin Bettina Hagedorn hat nun für die SPDFraktion das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Ja, lieber Steffen Kampeter, das ist nicht nur für
dich, sondern für viele von uns ein richtig guter Tag. Von
den anderthalb Jahrzehnten, die du dem Haushaltsausschuss angehört hast, war ich auch mindestens 12,5 Jahre
dabei. Insofern teile ich deine Freude uneingeschränkt
und möchte einen Dank hinzufügen. Du hast dich schon
bei den fleißigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
und bei den Unternehmen bedankt, und ich möchte mich
ausdrücklich bei den ehrlichen Steuerzahlerinnen und
Steuerzahlern bedanken.
({0})
Denn wir hatten in der Tat beschlossen, mit dem Haushalt 2014 noch 6,5 Milliarden Euro an Krediten aufzunehmen. Das müssen wir jetzt nicht, und das ist großartig. Dafür, wie das zustande gekommen ist, gibt es viele
Parameter. Aber eines ist ganz klar, und das will ich
noch einmal ausdrücklich betonen: Das ist nur dadurch
geschafft worden, dass die Ausgaben um 1 Milliarde
Euro gesenkt worden sind. Die Einnahmen sind allerdings um 5,5 Milliarden Euro höher ausgefallen als gedacht. Das sind zu einem ganz großen Teil Mehreinnahmen aus Steuern. Ich glaube, das darf nicht unerwähnt
bleiben. Lieber Sven Kindler, du hast eben gesagt: Mit
ehrlicher und harter Haushaltspolitik - und damit meinst
du Ausgabenpolitik - hat das Ergebnis nichts zu tun.
({1})
Darin will ich dir recht geben. Aber es zeigt auch, dass
derjenige, der auf einen guten und ausgeglichenen Haushalt, auf Konsolidieren und mehr Geld für Investitionen
Wert legt, nicht nur auf die Ausgabenseite, sondern auch
auf die Einnahmenseite blicken muss. Und das will ich
an dieser Stelle ganz kurz tun.
({2})
Ich zitiere ein paar Schlagzeilen aus den letzten zwei
Wochen: „Noch nie waren die Zeiten für Steuerhinterzieher so schlecht“, hieß es am Silvestertag. „60 Prozent
mehr Selbstanzeigen“ titelte die Süddeutsche zwei Tage
später, „NRW verzeichnet Höchstwert bei Selbstanzeigen“ das Handelsblatt am 8. Januar und „Zahl der
Selbstanzeigen steigt auf Rekordhoch“ die Berliner
Morgenpost am 13. Januar, also gestern.
Dazu möchte ich ein paar Zahlen vortragen, die
höchst spannend sind. 2011 - das ist nicht wirklich lange
her - hatten wir 4 800 Selbstanzeigen von Steuerhinterziehern. 2012 waren es 8 627, also schon doppelt so
viele, 2013 26 641 und 2014 - man höre und staune 38 587 Selbstanzeigen wegen Steuerhinterziehung in
Deutschland. 15 von 16 Ländern haben im Jahr 2014 Rekordeinnahmen durch Selbstanzeigen wegen Steuerhinterziehung erzielt. Seit 2011 haben sich 78 655 Menschen in
Deutschland ehrlich gemacht, fast 80 000 Steuerhinterzieher. Das hat allein im Jahr 2014 in 13 Bundesländern
- von drei Bundesländern liegen uns die entsprechenden
Angaben nicht vor - zu rund 1,3 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen geführt. Wir können in diesem Zusammenhang feststellen: Eine gute Steuerpolitik - wir haben
für entsprechende Verschärfungen gesorgt -, die Steuerhinterziehern, die in erster Linie von Angst vor Entdeckung getrieben sind, wenn sie sich selbst anzeigen, das
Leben schwer macht, hat zum Erfolg geführt, und das
wird sie weiterhin tun. Lieber Sven Kindler, das ist doch
eine Strukturmaßnahme, auf die wir gemeinsam stolz
sein können.
({3})
Nur um die Statistik zu vervollständigen: Die Hitliste
der meisten Selbstanzeigen 2014 wird von Baden-Württemberg mit über 9 000 angeführt. Dann folgen NRW
mit rund 7 500 und Bayern mit knapp 6 000. In Bremen,
im Saarland und in Berlin hat sich 2014 die Zahl der
Selbstanzeigen im Vergleich zu 2013 verdoppelt. In
Schleswig-Holstein hat sich diese Zahl innerhalb eines
Jahres sogar verdreifacht. In Berlin hat sich die Zahl der
Selbstanzeigen im Vergleich zu 2012 sogar vervierfacht.
Wenn das nichts ist! Allein NRW hat von 2010 bis heute
durch fast 20 000 Selbstanzeigen 1,5 Milliarden Euro
Mehreinnahmen beim Fiskus erzielt. Das kann sicherlich
noch mehr sein. Aber das ist schon einmal eine bemerkenswerte Summe.
({4})
Da meine Redezeit keine ausführliche Diskussion
meines letzten Punktes mehr zulässt, möchte ich nur darum bitten, die Abgeltungsteuer, über die wir bereits im
vergangenen Herbst diskutiert haben, noch einmal auf
die Tagesordnung zu setzen. Da sich binnen vier Jahren
fast 80 000 Menschen ehrlich gemacht haben, die teilweise jahrzehntelang ihr Vermögen ins Ausland transferiert haben - nun ist es wieder in Deutschland -, sollten
wir nach meiner Meinung über die Abgeltungsteuer und
ihre Höhe erneut diskutieren. Ich hoffe, dass wir 2015
den notwendigen Mut dazu finden.
Vielen Dank.
({5})
Der Kollege Dr. Tobias Lindner hat für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, versuchen teilweise in dieser Aktuellen Stunde, einen Dissens an Stellen aufzuzeigen, an denen er gar
nicht besteht. Es geht doch nicht darum, dass die eine
Seite des Hauses gegen neue Schulden ist, während die
andere Seite des Hauses für neue Schulden ist. Vielmehr
geht es darum, dass Sie die schwarze Null, die Sie heute
so sehr feiern, nur in den Mittelpunkt rücken, um andere
Stellen zu verdecken.
({0})
Schauen wir uns einmal an, wie Sie auf Ihre schwarze
Null im Jahr 2014 gekommen sind. Sie geben 1,7 Milliarden Euro weniger für Zinsen aus. Es mag für den
Bundeshaushalt toll sein, weniger Zinsen zu zahlen. Das
ist für die Bürgerinnen und Bürger, die ihr Geld in Lebensversicherungen investiert oder auf dem Sparkonto
liegen haben, nicht unbedingt so toll. Vor allem aber sind
die geringeren Zinsausgaben nicht Ihr Verdienst.
({1})
Sie senken die Ausgaben für Investitionen im Vergleich
zu dem, was Sie geplant haben, nochmals um 600 Millionen Euro ab. Von 1 Milliarde Euro an Minderausgaben entfallen 600 Millionen Euro auf Investitionen, die
wir in diesem Land an verschiedenen Stellen - Beispiele
wurden genannt - dringend brauchen.
({2})
Dafür sollten Sie heute keine Feierstunde abhalten.
({3})
Liebe Bettina Hagedorn, Sie tun recht, den ehrlichen
Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zu danken und darauf hinzuweisen, dass gegen Steuerhinterziehung in unserem Land endlich effektiver vorgegangen wird. Es
stimmt auch, dass die Zahl der Selbstanzeigen zugenommen hat. Aber dann müssen wir uns auch angucken, welche Landesregierungen diese Steuer-CDs denn angekauft haben. Das waren Länder wie Rheinland-Pfalz,
Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen nach dem Regierungswechsel, also Länder unter roter und grüner Regierungsbeteiligung.
({4})
Dagegen hat sich noch vor wenigen Jahren eine
schwarz-gelb geführte Bundesregierung auf Druck der
FDP gegen den Ankauf solcher CDs gewehrt.
({5})
Das ist nichts, wofür Sie sich heute feiern sollten.
({6})
Da wir gerade beim Thema Feiern sind: Wir haben
vor Weihnachten über Glühwein gesprochen. Ich weiß
nicht, womit Sie heute gefeiert haben oder feiern werden.
({7})
Wie es üblich ist: Nach einer Party kommt gewöhnlich der Kater. Lieber Johannes Kahrs, selbst wenn man
keinen Alkohol trinkt, aber zu lange aufbleibt, kommt
am nächsten Morgen das böse Erwachen. Ich prophezeie
Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das böse Erwachen über Ihre Haushaltspolitik wird in wenigen Jahren,
es wird schon in Kürze kommen. Es wird dann kommen,
wenn Krankenkassen überlegen, Zusatzbeiträge einzuführen, und die gesetzlich Versicherten die Zeche für
diese Haushaltspolitik zahlen müssen. Es wird dann
kommen, wenn die Rentenkasse aufgrund Ihrer Rentenpolitik in wenigen Jahren leer sein wird
({8})
und die Beitragszahler entweder weniger Rente in Zukunft zu erwarten haben oder höhere Beiträge zahlen
müssen.
({9})
Das sind die Rechnungen, die Ihre Haushaltspolitik schicken wird.
Das Erwachen wird noch an einer anderen Stelle
kommen.
({10})
Dazu muss ich sagen: Lieber Kollege Barthle, ich
glaube, die schwäbische Hausfrau würde ganz anders
vorgehen als von Ihnen unterstellt und der schwäbische
Hausmann auch. Die würden es nämlich nicht einfach
durch das Dach regnen lassen, wenn sie entdecken, dass
wieder einmal Sanierungsarbeiten notwendig sind. Sie
würden nicht bei der Ausbildung ihrer Kinder und Enkelkinder sparen, nur damit am Monatsende irgendwo
eine Null steht.
Was Sie mit Ihrer Haushaltspolitik machen, ist: Sie
halten die Ausgaben im Wesentlichen konstant. Wo es zu
Recht Tarifsteigerungen gibt, wo Ausgaben zu leisten
sind, leisten Sie diese. Sie fahren Investitionen herunter
und hoffen auf steigende Steuereinnahmen. Das ist das
Gegenteil von Anstrengung in der Haushaltspolitik, was
Sie hier machen.
({11})
Wenn Sie wirklich einen historischen Schwenk in der
Haushaltspolitik vollführen und etwas ändern wollten,
dann müssten Sie auch qualitativ etwas in der Haushaltspolitik ändern. Dann dürften Sie sich nicht nur auf die
Null fixieren, sondern Sie müssten auch schauen, dass in
Deutschland wieder in die Infrastruktur investiert wird,
dass Schienen, Straßen und öffentliche Einrichtungen
nicht zerfallen. Dann müssten Sie schauen, dass wir in
unseren wichtigsten Rohstoff, nämlich in Forschung und
Bildung, endlich mehr investieren. Dann müssten Sie
auch die Zukunftstrends und die Innovationsprozesse,
die ablaufen, so unterstützen, dass sie eine Richtung bekommen und dass wir als starke Industrienation auch
noch in 10, 20 und 30 Jahren die Wirtschaftskraft haben,
dass die Steuereinnahmen Haushalte ohne neue Schulden und vor allem solche zum Wohl der Bürgerinnen
und Bürger möglich machen. Das tun Sie nicht, liebe
Kolleginnen und Kollegen.
({12})
Deshalb kann ich Ihnen nur eines sagen: Feiern dürfen Sie heute alleine. Wenn der Kater nachher kommt,
können Sie sich vertrauensvoll an uns wenden; denn wir
haben ein paar Tipps für Sie, was Sie in Ihren Haushalten anders machen können, wenn es darum geht, einen
wirklich zukunftsfähigen Haushalt aufzustellen.
Ich danke Ihnen.
({13})
Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Eckhardt
Rehberg das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es sind
Worte wie „einmalig“, „absurdes Theater“ und „Glück
gehabt“ gefallen. Schauen wir uns an, wie es im Haushaltsausschuss im Jahr 2009 aussah. Wenn ich zum jetzigen Koalitionspartner nett bin, dann kann ich sagen:
Diese 86 Milliarden Euro waren die Erblast der Finanzund Wirtschaftskrise.
({0})
Wenn ich weniger nett bin, muss ich sagen: Das ist die
Erblast von Steinbrück gewesen.
({1})
Im Regierungsentwurf stand noch eine Neuverschuldung
in Höhe von 86 Milliarden Euro. Wir haben diese Neuverschuldung innerhalb von nur vier Jahren auf null gedrückt.
({2})
Hier wurde von verspielten Zukunftschancen gesprochen. Das Gegenteil ist der Fall. Kollege Kindler, es ist
keine Arbeitsverweigerung, was wir in den vier Jahren
der letzten Legislaturperiode und im letzten Jahr mit
dem Koalitionspartner SPD gemacht haben. Eine
schwarze Null zustande zu bringen, das sind keine verspielten Zukunftschancen, sondern das ist endlich fiskalische Generationengerechtigkeit. Das eröffnet Chancen
für die zukünftigen Generationen.
({3})
Übrigens, wir haben in der letzten Legislaturperiode
im Bereich von Bildung und Forschung einen Aufwuchs
von 14 Milliarden Euro gehabt.
Es gibt schon einen Paradigmenwechsel in der Haushaltspolitik, einen Paradigmenwechsel, den der Bundesrechnungshof mit Sorge sieht. Ich darf einmal aus Bemerkungen des Bundesrechnungshofs zum Haushalt
zitieren. Der Bundesrechnungshof sagt, er sehe „strukturelle Belastungen und Risiken, die eine nachhaltige
Haushaltspolitik gefährden könnten“. Zu weiteren finanziellen Zugeständnissen des Bundes an Länder und Gemeinden heißt es:
Dabei erscheinen im Bund-Länder-Verhältnis die
finanziellen Handlungsspielräume des Bundes angesichts der bestehenden Lasten ausgereizt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Koalitionsvertrag sind 23 Milliarden Euro für prioritäre Maßnahmen vorgesehen, wovon mehr als die Hälfte nicht für
bundesoriginäre Aufgaben abfließt, sondern für Aufgaben, die originär die Ländern und die Kommunen erfüllen. Aber diese schwarze Null, die eigentlich erst für dieses Jahr vorgesehen war, hat die Möglichkeit eröffnet,
dass wir in den nächsten drei Jahren bis 2018 wieder einen Ausgabenzuwachs von 30 Milliarden Euro haben
werden. Das ist die Basis dafür, dass wir mehr als in der
Vergangenheit in Verkehrsinfrastruktur investieren, dass
wir noch mehr in Bildung und Forschung investieren
können und dass wir Länder und Kommunen noch mehr
unterstützen können, Stichwort „Grundsicherung im Alter“, wofür pro Jahr insgesamt mehr als 5 Milliarden
Euro an die Kommunen fließen werden. Dafür liefert die
Basis die schwarze Null. Diese Basis, Kollege Kindler,
haben wir uns in der Koalition mit der FDP und in dem
einen Jahr Koalition mit der SPD schon hart erarbeitet.
({4})
Meine Damen und Herren, was in der politischen Debatte ganz wenig beachtet wird, ist, dass wir noch in der
Großen Koalition 2008/2009 und dann in der Koalition
mit der FDP
({5})
eine Entlastung für die Bürger von 25 Milliarden Euro in
der vollen Jahreswirkung ab 2011 und für die Kommunen von 17 Milliarden Euro vorgenommen haben. Wenn
man Steuermehreinnahmen und Entlastungen gegeneinander aufrechnet, wenn man sieht, dass wir im Ausgabenzuwachs fast konstant geblieben sind, dann, Kollege Kindler, muss man feststellen: Das ist schon eine
große Leistung von zwei Bundesregierungen; das ist
eine große Leistung von zwei Koalitionen. Ich will Ihnen eins sagen: Dieses lassen wir uns von niemandem
und von keinem schlechtreden.
({6})
Ich glaube, dieses Jahr wird von dem Thema BundLänder-Finanzbeziehungen sehr stark geprägt sein. Der
Bund hat in den letzten vier Jahren, von 2010 bis 2014,
Steuermehreinnahmen in Höhe von etwa 45 Milliarden
Euro gehabt. Die Länder haben in fast gleicher Höhe
Steuermehreinnahmen gehabt. Die Kommunen haben in
der Zeit Steuermehreinnahmen von fast 19 Milliarden
Euro gehabt. Jetzt muss man angesichts der vielen Forderungen, die von Ländern und Kommunen auch in den
letzten Stunden und Tagen an den Bund gerichtet worden sind, in dieses Land die Botschaft senden, dass an
der positiven wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Entwicklung in den letzten Jahren Länder und Gemeinden in gleicher Art und Weise partizipieren.
In der letzten Legislaturperiode und in dieser Legislaturperiode haben wir, der Bund, je nach Betrachtung, je
nach Berechnungsweise an Länder und Kommunen zusätzlich zwischen 70 Milliarden und 90 Milliarden Euro
für Aufgaben gegeben, für die wir eigentlich nicht zuständig sind. Angesichts dessen können wir jetzt nicht
nur die schwarze Null für das vergangene Haushaltsjahr
erfolgreich verbuchen, sondern die politischen Rahmenbedingungen, die wir heute haben, die wir uns schwer erarbeitet haben. Das steht für mehr als gute Zukunftschancen. Ich glaube, Deutschland steht mit Blick auf
Europa sehr gut da.
Herzlichen Dank.
({7})
Für die SPD-Fraktion spricht nun die Kollegin Petra
Hinz.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer hier im Saal, im Plenum des Deutschen Bundestages, und auch an den Bildschirmen! Wir haben jetzt von der Opposition den Vorwurf gehört, wir feierten uns selbst. Ich will gerne zu
dieser Party gehen; denn das, was wir zu bieten haben,
kann sich in der Tat sehen lassen.
Lieber Kollege Sven-Christian Kindler, Stichwort
„Arbeitsverweigerung“: Das, was wir nach einem Jahr
vorzuweisen haben, soll Arbeitsverweigerung sein. Ich
will am Ende meiner Rede schauen, was tatsächlich Arbeitsverweigerung ist. Unter Arbeitsverweigerung kann
man auch verstehen, dass man sich guten Ideen, guten
Vorhaben verschließt, weil man in der Opposition ist.
Also, wir haben im zurückliegenden Jahr eine ganze
Menge geleistet.
Ein anderer Punkt, lieber Tobias Lindner. Sie sagen,
wir hätten Kürzungen vorgenommen. Wir haben keine
Kürzungen vorgenommen.
({0})
Ich glaube, wir alle wissen aus Erfahrung - zumindest
die Haushälter müssten das wissen -, dass nicht alle Gelder, die wir in den Haushalt einstellen, auch abfließen.
Wir könnten hier einen Catwalk mit noch mehr Zahlen
präsentieren; unter dem Strich ist es so, dass nur ein Teil
der Gelder tatsächlich abfließt und ankommt. Wir könnten im Bereich der Städtebauförderung oder im Bereich
der Verkehrsinfrastruktur noch mehr Gelder bereitstellen; aber es gibt eben einen Realisierungsstau. Unter
dem Strich könnten diese Gelder doch gar nicht abfließen. Sprich doch einmal mit den Vertretern der Kommunen oder der Länder! Die Gelder, die jetzt im Haushalt
stehen, entsprechen den Maßnahmen, die in diesem Zeitraum abgearbeitet werden können.
Nun zu Ihnen, lieber Herr Rehberg. Im Haushaltsausschuss duzen wir uns ja, aber jetzt einmal förmlich: Lieber Herr Rehberg,
({1})
Sie sagten, Sie wollten einmal nett sein. Dann möchte
ich jetzt auch einmal nett sein. - Zu sagen: „Zwischen
2005 und 2009 war Peer Steinbrück Finanzminister, und
jetzt ist es Herr Schäuble und Frau Merkel“, so funktioniert es nicht.
({2})
Frau Merkel war auch 2005 bis 2009 Kanzlerin.
({3})
Was hat Frau Merkel da gemeinsam mit dem Finanzminister gesagt? Bis 2011 werden wir es schaffen, dass
wir keine Neuverschuldung mehr haben. - Es ging um
11 Milliarden Euro.
({4})
Dann kam die Finanz- und Wirtschaftskrise, die Bankenkrise dazwischen. - Diese Wahrheit muss man in dieser
Form auch einmal sagen.
({5})
Das Schmunzeln in den Reihen nehme ich einmal als
stille Bestätigung; denn ich habe recht.
({6})
Ich habe noch einmal die Pressemitteilungen der Kolleginnen und Kollegen der Opposition zum Haushalt
2014 herausgesucht und gelesen, was denn da alles geschrieben wurde. Sie haben im Rahmen der Medienberichterstattung gesagt: „Haushaltsentwurf 2014 ist ein
Verschiebebahnhof“.
({7})
Falsch! Sie haben behauptet: „Koalition versenkt Bildungsrepublik im Haushaltsloch“.
Petra Hinz ({8})
({9})
Falsch!
({10})
Sie haben behauptet, wir würden auf Kosten sozialer
Leistungen den Schuldenabbau betreiben.
({11})
Falsch!
Richtig ist, was ich jetzt sage:
({12})
Wir entlasten die Städte und Gemeinden bei den Sozialausgaben - darauf ist schon mehrfach hingewiesen worden; wir gehen über das Maß dessen hinaus, was wir im
Rahmen der föderalen Strukturen leisten müssen, weil
wir einfach die Notwendigkeit sehen -, so in 2014 um
rund 5,5 Milliarden Euro. Richtig ist: Wir werden die
Kommunen im Sozialbereich, nur im Bereich der Sozialleistungen direkt, in der Zeit von 2015 bis 2018 um
25 Milliarden Euro entlasten. Richtig ist: Wir investieren
in den Ausbau der Kindertagesstätten.
({13})
- Herr Kindler, nicht wer am lautesten schreit, hat auch
recht.
({14})
- Man versteht Sie so sowieso nicht. Sie müssten sich zu
Wort melden.
({15})
Nur, bei einer Aktuellen Stunde können Sie das leider
nicht.
Richtig ist: Seit dem 1. Januar 2015 haben die Arbeitnehmer Anspruch auf einen gesetzlichen Mindestlohn.
Ab dem 1. Januar 2017 - also nicht sofort; das will ich
der Wahrheit halber hinzufügen - haben sie diesen gesetzlichen Anspruch flächendeckend. Richtig ist: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können bereits mit
63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen.
({16})
Richtig ist auch, dass wir Freiräume für die Familien
schaffen, einen besseren Ausgleich zwischen Arbeit und
Familie, auch durch die Familienpflegezeit.
Ich möchte noch den Bildungsbereich ansprechen und
hier das BAföG. Wir haben eine Erhöhung der Bedarfssätze um 7 Prozent vorgenommen sowie eine Anhebung
der Wohnkosten- und Sozialpauschalen.
Kollegin Hinz, Sie müssen einen Punkt setzen.
Okay, ich fasse zusammen: Der Höchstsatz für die
Studierenden beträgt jetzt 670 Euro. Das sind insgesamt
monatlich 9,5 Prozent mehr, auf die die Studierenden zurückgreifen können.
Das ist ein Jahr Große Koalition. Das nenne ich gute
Arbeit. Das ist keine Arbeitsverweigerung, meine lieben
Kollegen und Kolleginnen!
Danke schön.
({0})
Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege
Dr. Reinhard Brandl das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie merken schon: Das ist heute eine historische
Debatte. Seit gestern, 10 Uhr, haben wir es schwarz auf
weiß: Der Bund hat 2014 keine neuen Schulden mehr
gemacht. Wenn das nicht Anlass für eine Aktuelle
Stunde ist, dann weiß ich nicht, was Anlass für eine Aktuelle Stunde sein soll.
({0})
Das Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs
Kampeter, in dem er uns das mitgeteilt hat, habe ich bei
mir im Büro nicht unter „Drucksachen“ abgeheftet, sondern
({1})
in den Ordner „Dokumente der Zeitgeschichte“.
({2})
Meine Damen und Herren, da gehört es auch hin.
Natürlich war es eine Überraschung, mit der wir bei
der Aufstellung des Haushaltes 2014 nicht haben rechnen können. Aber dass es zu einem besseren Haushaltsabschluss gekommen ist, dürfte bei Wolfgang Schäuble
niemanden mehr überraschen.
({3})
Seitdem Wolfgang Schäuble im Amt ist, seit fünf Jahren,
war der Abschluss am Ende immer besser als der Plan.
Das kann man nicht mehr mit Glück erklären. Das hat
System. Das ist ein Zeichen von vorsichtiger und solider
Haushaltspolitik.
({4})
2014 war es sogar so, dass wir statt der geplanten
6,5 Milliarden Euro 0 Euro neue Schulden gemacht haben. Lassen Sie mich auch das erwähnen: Das ist zum
letzten Mal unter dem Bundesfinanzminister Franz Josef
Strauß im Jahr 1969 gelungen.
({5})
Wenn es anders gekommen wäre und wir statt 6,5 Milliarden Euro weniger 6,5 Milliarden Euro mehr an
Schulden aufgenommen hätten: Ich weiß nicht, was für
ein Theater, was für ein Spektakel die Opposition hier
veranstaltet hätte.
Ja, es gab ein paar glückliche Entwicklungen am Jahresende. Es gab höhere Steuereinnahmen, es gab die Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Kernbrennstoffsteuer, und es gab geringere Zinsausgaben. Aber, meine
Damen und Herren, das Entscheidende ist: Selbst wenn
sich diese Punkte alle nicht so positiv entwickelt hätten,
wie sie sich entwickelt haben, dann wären wir immer
noch unter den veranschlagten 6,5 Milliarden Euro Neuverschuldung geblieben, und wir hätten bei weitem immer noch die Vorgaben, die uns entsprechend der Schuldenbremse erlaubt gewesen wären, unterschritten. Die
Botschaft, die die Große Koalition hier sendet, ist: Die
Politik hält sich an ihre Versprechen.
({6})
Meine Damen und Herren, bei der Frage der Neuverschuldung geht es um mehr als darum, dass wir bei unserer Bilanz 2017 hinter dieses Vorhaben unserer Wahlprogramme einen grünen Haken setzen können. Da geht es
um die Glaubwürdigkeit staatlicher Finanzpolitik insgesamt. Es geht auch darum, ob wir als Gesamtstaat - nicht
nur als Bund - in der Lage sind, uns an unsere eigenen
Haushaltsregeln zu halten.
2009 haben Bundestag und Bundesrat mit großen
Mehrheiten - es waren jeweils über zwei Drittel - die
Einführung der Schuldenbremse beschlossen. In das
Grundgesetz wurde Artikel 109 Absatz 3 aufgenommen:
Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen.
Die Übergangszeit endet für den Bund 2016 und für
die Länder 2020. Wenn wir hier als Bund wackeln und
uns in irgendeiner Form um die Vorgaben der Schuldenbremse herumdrücken würden, dann fänden die Bundesländer sofort Gründe, warum auch sie sich nicht an die
Vorgaben der Schuldenbremse halten müssten. Damit
wäre eines der großen Versprechen der Nachkriegsgeschichte mit Verfassungsrang gebrochen.
Dieser Bruch hätte eine fatale Wirkung auf die Glaubwürdigkeit deutscher Politik im In- und Ausland, und
das in einer Phase, in der Europa immer noch um Vertrauen in die Tragfähigkeit seiner öffentlichen Schulden
kämpft. Insofern hat die Null nicht nur einen fiskalischen Effekt, sondern auch eine psychologische Wirkung. Diese psychologische Wirkung wird durch das
zweite Signal, das wir in diesen Wochen ausgesandt haben, verstärkt, nämlich dass wir ab 2016 ein Investitionspaket in Höhe von 10 Milliarden Euro auf den Weg bringen.
Meine Damen und Herren, das ist solide Haushaltspolitik. Das ist ein Markenzeichen der Großen Koalition,
das Markenzeichen von Wolfgang Schäuble.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns noch einen schönen Nachmittag.
({7})
Das Wort hat die Kollegin Kerstin Radomski von der
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! In einem Parlament ist es seit jeher üblich,
dass sich die Mehrheit positiv zu den Regierungserfolgen äußert und die Opposition versucht, an diesen etwas
auszusetzen.
({0})
Aber kommen wir an einem Tag wie dem heutigen doch
einmal aus den parteipolitischen Gräben heraus, und
nehmen wir die historische Tatsache wahr, dass die Bundesrepublik bereits im vergangenen Jahr einen ausgeglichenen Haushalt hatte! Deshalb ist heute ein Tag der
Freude.
({1})
Bevor Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
Opposition, nun doch mit dem Kritisieren weitermachen: Freuen Sie sich doch mit uns! Freuen Sie sich,
dass die Bundesregierung keine neuen Schulden mit aus
Ihrer Sicht falschen Projekten macht! Aus unserer Sicht
investieren wir in die richtigen Projekte, nur eben - im
Gegensatz zu vielen linken Ideen - ohne dafür zu tief in
die Taschen zu greifen. Zukunftspolitik statt Verteilungspolitik, Ansporn statt Gleichmacherei! Dass unsere Politik zum Aufschwung führt, zeigen die Steuereinnahmen,
die den ausgeglichenen Haushalt maßgeblich möglich
machen, verbunden mit dem Augenmaß bei den Ausgaben.
Bei einer früheren Haushaltsdebatte hat eine Kollegin
von den Linken Deutschland als „Sanierungsfall“ bezeichnet. Die solide Finanzlage mit ihren Steuereinnahmen zeigt nun jedoch das Gegenteil. Wenn wir uns über
den Bundeshaushalt 2014 und auch den Haushalt 2015
außerhalb der üblichen Grabenkämpfe unterhalten, dann
sollten wir alle berücksichtigen, dass wir doch alle eines
gemeinsam haben: Wir alle haben Kinder, Neffen, Nichten oder Nachbarskinder. Wenn ich meinen beiden Töchtern sagen kann, dass in unserem Land die Politiker dafür sorgen, dass nicht mehr Geld ausgegeben als
eingenommen wird, dann tue ich das mit Stolz,
({2})
weil das Erreichen der schwarzen Null gelebte Nachhaltigkeit ist, die wir der folgenden Generation vermitteln
wollen. Das beginnt mit dem Ressourcenschutz im täglichen Leben und endet mit dem Vermeiden unnötiger
Schulden. Wie sonst sollen wir den Kindern den verantwortungsvollen Umgang mit eigenem Geld beibringen,
wenn nicht wir als Vorbild dienen?
Als langjährige Lehrerin freut es mich umso mehr,
dass wir trotz der schwarzen Null an den richtigen Stellen Geld ausgeben und in die Zukunft investieren, vor allen Dingen in Bildung und Forschung sowie in die Infrastruktur.
({3})
Ebenso wie sich unser Land keine Löcher im Haushalt
erlauben kann, können wir auch keine Löcher in Bildungsbiografien verantworten. Deshalb haben wir im
Jahr 2014 erneut knapp 14 Milliarden Euro für Bildung
und Forschung ausgegeben. Wenn wir auf die vergangenen zehn Jahre blicken, so haben sich die Ausgaben dafür sogar mehr als verdoppelt, und in diesen zehn Jahren,
meine Damen und Herren, wurde die Bundesregierung
von Angela Merkel geführt.
({4})
Deshalb ist es nicht vermessen, wenn ich an dieser Stelle
betone, dass wir heute ernten, was in diesen Jahren gesät
wurde.
Lieber Herr Kindler von den Grünen, im vergangenen
November haben Sie an genau diesem Platz, an dem ich
heute stehe, gesagt:
Wer die Felder nicht bestellt, der kann nachher auch
nicht ernten.
Wir haben die Felder bestellt und den ausgeglichenen
Haushalt verabschiedet, und nun ernten wir gemeinsam
die Früchte.
({5})
Viele, auch in diesem Haus, haben währenddessen
das Ziel des ausgeglichenen Haushaltes nicht erkannt
oder daran gezweifelt. Doch die unionsgeführten Bundesregierungen mit ihren unterschiedlichen Koalitionspartnern haben nicht nur die Weichen für den heutigen
Erfolg gestellt, sondern vor allem eines getan: Wir haben
Wort gehalten. Die Herausforderung für die kommenden
Jahre ist, die Nullverschuldung im Haushalt beizubehalten und gleichzeitig die Investitionen zu tätigen, die ein
verantwortungsvolles Voranschreiten in unserem Land
ermöglichen. Deshalb haben uns die Menschen gewählt,
und das bleibt auch in Zukunft unser Ziel.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,
auch viele von Ihnen sind Haushaltspolitiker. Uns Haushältern liegen solide Finanzen besonders am Herzen.
Geben Sie sich deshalb einen Ruck! Freuen Sie sich
nicht nur innerlich über den ausgeglichenen Haushalt,
sondern geben Sie Ihrer Freude Ausdruck!
({6})
Wir freuen uns hier heute gemeinsam über keine neuen
Schulden für unser Land und für unsere Kinder.
Herzlichen Dank.
({7})
Das Wort hat der Kollege Ralph Brinkhaus für die
CDU/CSU-Fraktion.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Leutert, Herr
Bartsch, Sie haben Zweifel daran geäußert, dass man
Aktuelle Stunden zu Themen durchführen kann, bei denen es richtig gut läuft.
({0})
Sie haben viele Probleme adressiert, die wir haben. Was
ist das aber für ein Politikverständnis, dass man sich
nicht freuen kann, auch wenn es noch irgendein Problem
auf der Welt gibt? - Wir haben ein anderes Politikverständnis. Wir gehen die Probleme an, wenn die Zeit dafür ist. Manchmal ist aber auch die Zeit, zu feiern, und
heute ist die Zeit, zu feiern.
({1})
Gestern hat ein Journalist die Sache so kommentiert:
Ein Tag der Genugtuung für die CDU/CSU, ein Tag der
Genugtuung für die Union. - Mir gefällt das nicht so
ganz. Erstens mag ich das Wort „Genugtuung“ nicht.
Zweitens ist es zwar ein Tag der Freude, aber ein Tag der
Freude für viele. Heute haben hier viele ihre Freude geäußert. Ich bekomme übrigens auch Zuspruch aus dem
Wahlkreis durch Anrufe und Mails. Es ist also nicht so,
dass wir uns hier im Deutschen Bundestag alleine
freuen. Die Menschen im Land finden das richtig klasse
und wissen das wertzuschätzen.
({2})
Meine Damen und Herren, wir freuen uns umso mehr,
als wir wissen, wo wir vor fünf Jahren gestanden haben.
Ich kritisiere gar nicht, dass Peer Steinbrück einen Haushalt mit einer Nettoneuverschuldung von 80 Milliarden
Euro vorgelegt hat, den wir mitgetragen haben. Aber wer
hätte damals gedacht, dass wir vier Haushaltsjahre später
bei der Null sind? Das ist klasse. Wer hätte gedacht, dass
wir das ohne Steuererhöhungen, ohne neue Steuern
schaffen? Ich muss an dieser Stelle einmal ganz dezent
anmerken: Alle hier im Bundestag vertretenen Parteien
sind mit Konzepten in den Wahlkampf gezogen, wie der
Haushalt ausgeglichen werden kann; es gab nur zwei
Parteien, die gesagt haben, dass es ohne Steuererhöhungen geht, und das waren wir von CDU und CSU.
({3})
Wir haben gesagt, dass es ohne Steuererhöhungen geht,
und haben das auch durchgezogen. Wir haben recht behalten, meine Damen und Herren. Wir freuen uns auch
deswegen - das ist mehrfach angesprochen worden -,
weil die schwarze Null von den Menschen in diesem
Land ehrlich erwirtschaftet worden ist, mit ihrem Fleiß
und ihrer erfolgreichen Arbeit. Das ist klasse.
Wir haben - das hat die Kollegin Hinz eben erwähnt aber nicht nur auf uns geachtet, sondern auch die Kommunen und die Länder entlastet. Wir haben auch an andere gedacht. Der Kollege Kampeter, dem das Grinsen
immer noch im Gesicht steht - ich habe ihn selten so
fröhlich erlebt wie heute -, hat das eben auch angesprochen.
Es ist ein Tag der Freude; wir alle können uns freuen.
Die Menschen im Land freuen sich, bis auf einige wenige Ausnahmen, die hier im Deutschen Bundestag sitzen, und zwar in der Mitte bei den Grünen und links bei
der Linken.
({4})
Das wundert mich aber gar nicht. Ich habe einmal die
Berichte zur Verabschiedung des Haushaltes 2014 herausgeholt. Herr Kindler, was haben Sie da auf den Putz
gehauen:
({5})
„desaströs“, „Las Vegas“, „Trickserei“! Der Kollege
Bartsch hat Sie an der einen oder anderen Stelle noch
überboten.
({6})
Haben Sie doch jetzt einfach die Größe, zu sagen: Unsere Prognose war falsch; wir haben uns geirrt. Es ist
eine tolle Leistung der Koalition, dass sie das hingekriegt hat.
({7})
Nein, meine Damen und Herren von den Grünen und
von der Linken, diese Größe fehlt Ihnen leider, und das
ist sehr schade.
({8})
Sie haben hier von Arbeitsverweigerung gesprochen,
Herr Kindler. Ich schätze Sie sehr; aber Arbeitsverweigerung ist, wenn man zwei Jahre lang immer die gleiche
Rede mit den gleichen Argumenten hält und diese Argumente nicht richtiger werden.
({9})
Meine Damen und Herren, Sie behaupten, wir investierten zu wenig. Fakt ist: Wolfgang Schäuble hat
10 Milliarden Euro für zusätzliche Investitionen angekündigt.
({10})
Fakt ist: Jean-Claude Juncker hat 300 Milliarden Euro
für zusätzliche Investitionen angekündigt. Fakt ist: Wir
haben mehr für Bildung und Forschung ausgegeben.
Fakt ist: Wir haben mehr für Kommunen ausgegeben. Wir haben das alles in diesem Haushalt hingekriegt. Ihre
Behauptung ist also schlichtweg falsch.
Sie sagen, wir plünderten die Sozialversicherungen.
({11})
Das ist doch Blödsinn. Wir stecken dieses Jahr 80 Milliarden Euro in die Rentenkasse und 10 Milliarden Euro
in die Gesundheitssysteme. Wir von der Großen Koalition waren es, die die Pflegeversicherung ehrlich gemacht haben, im Übrigen auch durch Beitragserhöhungen. Das war nicht populär, aber wir haben es trotzdem
gemacht.
({12})
Man sieht: Wir plündern die Sozialkassen eben nicht.
Wir können sehr gerne über die Zukunft der Sozialkassen reden. Wir müssen darüber reden, wie wir sie
nachhaltig gestalten können. Das muss man aber auf seriöse Art und Weise machen, Herr Kindler, und nicht so,
wie Sie das heute hier gemacht haben.
({13})
Nun zu einem Punkt, der uns immer wieder vorgehalten wird: Wir haben Glück, weil wir sehr hohe Steuereinnahmen haben und weil die Zinsen niedrig sind. Ja,
das stimmt. Aber das gilt auch für einige Bundesländer.
Herr Lindner, Glück hat auch die Regierung in Rheinland-Pfalz. Sie hat ebenfalls hohe Steuereinnahmen und
profitiert von den niedrigen Zinsen. Die Grünen regieren
dort in einer Koalition mit der SPD. Sie sind einer der
führenden Politiker aus Rheinland-Pfalz. Sagen Sie uns
doch einmal, wie der Landeshaushalt in Rheinland-Pfalz
aussieht!
({14})
Solange Herr Kahrs hier sitzt, darf ich nicht über den
Landeshaushalt in Nordrhein-Westfalen reden,
({15})
weil er sonst wie ein HB-Männchen in die Luft geht.
Aber weil ich der letzte Redner bin, muss er ertragen,
dass ich sage: Auch in Nordrhein-Westfalen klappt es
nicht, trotz niedriger Zinsen und hoher Steuereinnahmen,
({16})
und in Baden-Württemberg erst recht nicht.
Die schwarze Null ist kein Zufall, sondern das Ergebnis guter Arbeit. Ich gestehe Ihnen von der Opposition
zu, dass Sie diese Arbeit nicht zu schätzen wissen. Ihnen
von der SPD gestehe ich zu, dass wir das gemeinsam gemacht haben. Aber gestehen Sie uns auch bitte zu, dass
wir zusammen mit der FDP vier Jahre lang gut vorgearbeitet haben; insofern kann die sich auch freuen.
({17})
Alle freuen sich also, nur die Grünen und die Linken
nicht.
Einen schönen Abend noch.
({18})
Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 15. Januar 2015,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen bis
dahin alles Gute.