Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie herzlich zu unserer Haushaltswoche und
hoffe, dass wir sie mit der geübten Verbindung von
Ernsthaftigkeit und Gelassenheit bis Freitagmittag hinter
uns bringen. Es gibt keine amtlichen Mitteilungen, so-
dass wir gleich in unsere Tagesordnung eintreten kön-
nen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte I mit den Buchsta-
ben a und b auf:
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für
das Haushaltsjahr 2015 ({0})
Drucksachen 18/2000, 18/2002
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses ({1}) zu der Unter-
richtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2014 bis 2018
Drucksachen 18/2001, 18/2002, 18/2826
Wir kommen nun zur Beratung der Einzelpläne, und
zwar zunächst der drei Einzelpläne, zu denen keine Aus-
sprache vorgesehen ist.
Ich rufe zunächst den Tagesordnungspunkt I.1 auf:
Einzelplan 01
Bundespräsident und Bundespräsidialamt
Drucksachen 18/2823, 18/2824
Berichterstatter sind die Abgeordneten Kerstin
Radomski, Steffen-Claudio Lemme, Dietmar Bartsch
und Ekin Deligöz.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 01 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dem zu? -
Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist die-
ser Einzelplan einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.2 auf:
Einzelplan 02
Deutscher Bundestag
Drucksachen 18/2802, 18/2823
Berichterstatter sind die Kolleginnen und Kollegen
Johannes Kahrs, Bernhard Schulte-Drüggelte, Roland
Claus und Anja Hajduk.
Wir kommen zur Abstimmung über diesen Einzelplan
in der Ausschussfassung. Wer stimmt der Beschlussemp-
fehlung zu? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? -
Auch dieser Einzelplan ist damit einstimmig angenom-
men.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.3 auf:
Einzelplan 03
Bundesrat
Drucksachen 18/2823, 18/2824
Berichterstatter sind die Abgeordneten Ulrich Freese,
Kerstin Radomski, Dietmar Bartsch und Tobias Lindner.
Ich lasse über diesen Einzelplan in der Ausschussfas-
sung abstimmen. Wer stimmt dafür? - Möchte jemand
dagegen stimmen? - Oder sich der Stimme enthalten? -
Das ist nicht der Fall. Dann ist auch der Einzelplan 03
einstimmig angenommen.
Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunkten I.4 a
und I.4 b:
a) Einzelplan 08
Bundesministerium der Finanzen
Drucksachen 18/2808, 18/2823
b) Einzelplan 20
Bundesrechnungshof
Drucksachen 18/2818, 18/2823
Berichterstatter für den Einzelplan 08 sind die Abgeordneten Norbert Brackmann, Hans-Ulrich Krüger,
Gesine Lötzsch und Tobias Lindner. Berichterstatter für
den Einzelplan 20 sind die Abgeordneten Michael
Präsident Dr. Norbert Lammert
Leutert, Carsten Körber, Bettina Hagedorn und Tobias
Lindner.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. - Dazu sehe ich
keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Dietmar Bartsch.
({2})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da ich der
erste Redner in der Haushaltswoche bin, will ich die Gelegenheit nutzen, um mich bei den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern des Haushaltsausschusses sowie bei den
vielen fleißigen Mitarbeitern in den Ministerien, insbesondere bei jenen, die für Haushaltsfragen zuständig
sind, zu bedanken. Das war eine wertvolle Unterstützung
für die Regierung und auch für die Opposition. Herzlichen Dank! Es war wieder toll mit Ihnen.
({0})
Meine Damen und Herren, wir hatten sehr interessante Haushaltsberatungen. Da wurde ein erster Haushaltsentwurf vorgelegt, der im Ergebnis genau eine
schwarze Null vorsah. Dann hatten wir intensive Beratungen. Es gab gewaltige Veränderungen. Es gab auch
gewaltige Veränderungen bei den Rahmenbedingungen;
zum Beispiel ist die Prognose zum Wachstum des
Bruttoinlandsprodukts im nächsten Jahr von Herrn
Gabriel nach unten korrigiert worden - von 2,0 Prozent
auf 1,5 Prozent. Die EU-Kommission sieht das alles
noch problematischer: Sie geht von einem Wachstum
von 1,1 Prozent aus. Die Steuereinnahmen sind rückläufig. Ich könnte jetzt viele Beispiele für dunkle Wolken,
die am Himmel sind, aufzählen. Dazu kommen die Krisenherde im Nahen Osten, in der Ukraine usw. Doch wie
von Zauberhand haben wir nach Monaten wieder einen
Entwurf, der genau eine schwarze Null vorsieht. Das ist
aber ein Zufall! - Das ist keine seriöse Haushaltspolitik;
das kann keine seriöse Haushaltspolitik sein. Das ist der
Versuch, sich ein Denkmal zu setzen. Herr Schäuble, sagen Sie bitte laut und deutlich, dass Sie sich kein Denkmal zulasten künftiger Generationen setzen wollen.
Denn das ist in diesem Haushalt angelegt.
Ich will einige Punkte nennen.
Zunächst: Wir haben eine blamable Investitionsquote.
Wir als Opposition - die Grünen genauso - haben bereits
bei den letzten Haushaltsberatungen darauf hingewiesen.
Sie versuchen jetzt, dies zu überdecken, indem Sie sagen: In den Jahren 2016 bis 2018 legen wir 10 Milliarden Euro drauf. - Beim Gipfel der G-20-Staaten wurde
beschlossen, dass in den nächsten Jahren zusätzlich
1,6 Billionen Euro investiert werden sollen. Die 10 Milliarden Euro, die Deutschland investieren will, würden
dabei 0,5 Prozent ausmachen. Na, das ist ja mal eine Investitionsquote! - Das ist blamabel, meine Damen und
Herren! Angesichts der Situation unserer Straßen, unserer Brücken und der digitalen Infrastruktur muss im Investitionsbereich deutlich mehr getan werden. Experten
schätzen den jährlichen Bedarf allein im Bereich der
Verkehrsinfrastruktur auf 7 Milliarden Euro. Das DIW
- wahrhaftig nicht links - schätzt die inzwischen in
Deutschland aufgelaufene Investitionslücke auf jährlich
75 Milliarden Euro in den Jahren 1999 bis 2012. Und
Sie halten an diesem Progrämmchen mit einem Volumen
von 10 Milliarden Euro fest - obwohl wir nicht einmal
wissen, wer 2018 die Regierung stellt. Nötig wäre ein
grundlegender Kurswechsel, nicht nur in der Haushaltspolitik.
Wir haben die Große Koalition, aber wo sind denn die
großen Reformvorhaben? - Fehlanzeige, meine Damen
und Herren! Stattdessen bewegen Sie sich in politischer
Geschäftigkeit auf dem Niveau der Dobrindt-Maut;
diese sollten Sie nicht ernsthaft versuchen umzusetzen.
({1})
Diese Regierung hat weder Lösungen für die entscheidenden tagespolitischen Herausforderungen noch für die
Zukunftsfragen.
Sie reden darüber, die Märkte zu beruhigen, das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen. Notwendig wäre
aber, an der Gestaltung einer besseren Gesellschaft zu
arbeiten. Es darf in diesem Lande niemand mit Existenzangst leben.
({2})
1 Million Langzeitarbeitslose: Was geschieht denn mit
denen? - Da gibt es nur ein Miniprogramm von Frau
Nahles. Jedes Kind in Armut ist eines zu viel, jeder
Rentner in Armut ist einer zu viel in diesem reichen
Land.
({3})
Eine Gesellschaft, in der es zwischen den Generationen,
zwischen Ost und West und auch bei den Vermögen und
Einkommen gerechter zugeht, wäre notwendig.
Frau Merkel, gestatten Sie mir eine Bemerkung: Wir
haben jetzt zu Recht gemeinsam 25 Jahre Mauerfall gefeiert. Aber wir haben immer noch die Situation, dass
wir bei den Renten ein geteiltes Land sind. Jemand, der
das Glück hatte, im Osten 25 Jahre zu arbeiten, hat
25 Jahre lang einen niedrigeren Rentenwert erworben.
Das ist 25 Jahre nach dem Mauerfall ein Riesenskandal,
und im Haushalt wird nichts getan, daran etwas zu ändern.
({4})
Bei der Mütterrente vertiefen Sie diese Spaltung sogar.
Das ist inakzeptabel, meine Damen und Herren.
({5})
Ich will den Kolleginnen und Kollegen der SPD zurufen: Haben Sie Mut! Stehen Sie zu Ihren WahlkampfverDr. Dietmar Bartsch
sprechen des Jahres 2013. Da war auch manch Kluges
dabei, zum Beispiel der Satz:
Die finanziellen Mittel für die Rückkehr zu einer
wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik dürfen …
nicht durch neue Schulden aufgebracht werden,
sondern durch … gerechte Besteuerung …
Das ist doch völlig richtig.
Dieses Land braucht eine Umkehr der jahrzehntelangen Umverteilung von unten nach oben. Das ist notwendig, meine Damen und Herren.
({6})
Wir haben als Linke konkrete Vorschläge dazu vorgelegt, wie wir die Einnahmen erhöhen wollen. Wir wollen
45 Milliarden Euro mehr einnehmen, und das ausdrücklich nicht durch allgemeine Steuererhöhung. Vielmehr
wollen wir diejenigen stärker beteiligen, die leistungsfähig sind und die über große Vermögen verfügen. Die
500 reichsten Familien in Deutschland besitzen ein Vermögen von 615 Milliarden Euro. Das sind zwei Bundeshaushalte. Das ist doch nicht normal! Da muss man doch
etwas tun!
Warum ziehen Sie nicht die Einführung einer Millionärsteuer in Erwägung? Warum reformieren Sie nicht
die Erbschaftsteuer, wie das noch im Wahlprogramm der
Sozialdemokraten stand? In Großbritannien ist die Erbschaftsteuer fünfmal so hoch wie in Deutschland, in
Frankreich ist sie viermal so hoch,
({7})
Und in den Vereinigten Staaten ist sie zehnmal so hoch
wie in Deutschland. Warum haben Sie nicht den Mut,
hier zu reformieren? Niemand will enteignen, aber da
muss mehr für das Gemeinwohl abgeschöpft werden,
meine Damen und Herren.
({8})
An dieser Stelle will ich Ihnen noch eines sagen: Das
vor kurzem aufgedeckte Steuervermeidungsmodell in
Luxemburg ist einer der größten Skandale, die man sich
überhaupt vorstellen kann.
({9})
Wer hat Herrn Juncker mit seinen Erfahrungen auf diesem Gebiet eigentlich zum Chef der EU-Kommission
gemacht? Wer war in dieser Zeit an der Regierung in unserem Land? Wer hat denn ausgerechnet Herrn Juncker
unterstützt?
Wie war denn das? Allein die deutschen Großkonzerne haben von 2002 bis 2010 durch diese Modelle
90 Milliarden Euro eingespart - ob sie legal sind, das
werden wir erst noch feststellen. Und wir? Wir machen
gar nichts. Doch da müsste einmal Druck gemacht werden. Ich will auch ein bisschen an die Moral der Unternehmer appellieren, dass so etwas doch nicht sein kann:
Die fleißigen Menschen in unserem Land zahlen Steuern
und die Unternehmer suchen sich Modelle wie in
Luxemburg, um das zu umgehen. Das, meine Damen
und Herren, ist wirklich ein Riesenskandal.
({10})
Es ist der falsche Weg, Haushaltskonsolidierung und
Haushaltssanierung zulasten von Zukunftsgestaltung zu
betreiben. Auch das Zu-Tode-Sparen der Zukunft ist
falsch und geht auf Kosten der jüngeren Generation. Diverse Einzeletats - wir werden darauf zu sprechen kommen - sind chronisch unterfinanziert.
Der vorliegende Haushalt zeigt einmal mehr: Die
CDU und die unionsgeführte Regierung sind eben nicht
der haushaltspolitische Stabilitätsanker. Im Gegenteil:
Ihr Kurs ist untauglich für die Gegenwart und stellt eine
Fortschrittsbremse dar. Längst ist Handeln angesagt!
Ich will mit Molière schließen, der gesagt hat:
Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir
tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.
Herzlichen Dank.
({11})
Norbert Barthle ist der nächste Redner für die CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Sehr verehrter
Herr Kollege Bartsch, die Linke hat in den Haushaltsberatungen Mehrausgaben von sage und schreibe 54 Milliarden Euro gefordert. Sie haben nur zum Teil darüber
gesprochen, wem Sie dieses Geld wegnehmen wollen.
Ich finde, Sie sollten einmal genau sagen, wem Sie die
54 Milliarden Euro wegnehmen wollen;
({0})
denn auch für die Linke fällt das Geld nicht vom Himmel.
({1})
Seriös wirtschaften sieht anders aus. Deshalb spreche ich
jetzt über unseren Haushalt.
({2})
Wir, die Große Koalition, schreiben mit dem Bundeshaushalt 2015 Geschichte.
({3})
Der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist der
erste Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland,
der einen Haushaltsentwurf ohne neue Schulden vorlegt.
({4})
Wir, der Deutsche Bundestag, werden am Freitag erstmals einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden beschließen. Das ist ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
Für uns ist die schwarze Null kein Fetisch. Für uns ist
die schwarze Null keine Monstranz oder heilige Kuh,
oder, um es mit Wowereit zu sagen, das ist für uns nicht
besonders sexy. Vielmehr machen wir das schlicht und
einfach, meine Damen und Herren, weil wir der Auffassung sind: Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir
mit dem Geld auszukommen haben, das uns die Bürgerinnen und Bürger über ihre Steuern, über Gebühren zur
Verfügung stellen.
({5})
Deshalb finanzieren wir die Ausgaben in Höhe von
299,1 Milliarden Euro in diesem Haushalt ohne zusätzliche, ohne neue Schulden. Wir steigen aus aus dem ewigen Kreislauf ständig neuer Verschuldung.
({6})
Etwas Weiteres beweisen wir damit: Die schwarze
Null gefährdet nicht das Wachstum. Im Gegenteil: Das
schrittweise Zurückfahren der Verschuldung über die
vergangenen Jahre hinweg endet im vorliegenden Haushalt, aber wir haben dennoch Wachstum, wir können
dennoch in Zukunft investieren. Beides gehört für uns
zusammen.
Der zentrale Satz im Haushaltsgesetz 2015 lautet:
Im Haushaltsjahr 2015 nimmt der Bund keine Kredite zur Deckung von Ausgaben auf.
Das war übrigens, wie ich bereits gesagt habe, lange Zeit
nicht so. Selbst 1969 unter Franz Josef Strauß waren im
Entwurf noch Schulden in Höhe von 3,6 Milliarden
D-Mark vorgesehen. Im Ist war dann sogar ein Überschuss da.
({7})
Kompliment also auch an die CSU. Aber dennoch ist
dies etwas Neues, was es bisher nicht gab. 1969 gab es
also zuletzt einen ausgeglichenen Haushalt. Das war das
Jahr, in dem Neil Armstrong den Mond betreten hat und
in dem der Berliner Fernsehturm eröffnet wurde - das
zur Erinnerung daran, was damals alles passiert ist.
Wir haben im Rahmen der parlamentarischen Beratungen den Haushalt nochmals verbessert. Der gute
Entwurf des Finanzministers ist noch besser geworden, indem wir die Ausgaben um weitere 400 Millionen
Euro abgesenkt und gleichzeitig die Investitionen um
360 Millionen Euro gesteigert haben. Ich möchte nur einige Beispiele für die politischen Schwerpunkte, die wir
während der Haushaltsberatungen gesetzt haben, nennen:
Wir haben sehr viel für die innere Sicherheit getan.
Die Bundespolizei wird mit gut 400 neuen Stellen ausgestattet und bekommt auch mehr Mittel zur Verbesserung
der Personalstruktur. Wir geben zusätzliches Geld für
moderne Schutz- und Einsatzbekleidung und für Fahrzeuge aus. Wir stellen das THW und auch die Feuerwehren besser. Wir stärken das Bundesamt für Verfassungsschutz;
({8})
denn das hat derzeit mit der Observation von Salafisten
schwierige Aufgaben zu erfüllen. Der Etat wird um
10 Prozent aufgestockt. Das ist für die innere Sicherheit
in diesen Tagen dringend notwendig.
({9})
Wir kommen aber auch unserer humanitären Verantwortung nach und erhöhen die entsprechenden Mittel im
Etat des Auswärtigen Amts und im Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung, im BMZ, um insgesamt fast 280 Millionen
Euro, um damit den aktuellen Entwicklungen in den Krisengebieten Rechnung tragen zu können.
Wir erhöhen den Etat für die Kultur wie schon in den
Vorjahren deutlich und können damit auch das Denkmalschutzprogramm für national bedeutsame Kulturgüter
wiederauflegen. Wir haben das Bauhaus-Jubiläum berücksichtigt. Wir schaffen Vorsorge für die Errichtung
eines Museums für die Kunst des 20. Jahrhunderts in
Berlin. An dieser Stelle gratuliere ich unserer Staatsministerin Monika Grütters ganz besonders zu diesem wegweisenden Schritt. Das wird für die Zukunft bedeutsam
sein.
({10})
Außerdem statten wir die Deutsche Welle besser aus.
Gerade die Deutsche Welle hat angesichts der Tatsache,
dass andere Sender, die weltweit informieren, mehr Geld
ausgeben - dazu gehören zum Beispiel Russia Today
und al-Dschasira -, zunehmend Aufgaben zu erfüllen. Es
ist nicht einfach, dagegenzuhalten.
Wir stocken auch den Verkehrsetat auf. Entsprechende
Mittel für Lärmschutzmaßnahmen stehen zur Verfügung,
und zwar mehr als bisher. Insbesondere tun wir etwas für
die Deutsche Flugsicherung, indem wir ein 500-Millionen-Euro-Programm bis 2019 aufgelegt haben. Das verhindert unverhältnismäßig hohe Gebührenerhöhungen
für die Fluggäste und stärkt somit den Luftfahrtstandort
Deutschland. Auch das ist, glaube ich, ein wichtiges Signal.
Außerdem hat die Koalition ein Herz für den Sport.
Wir erhöhen den Sportetat um 15 Millionen Euro,
({11})
allerdings mit der klaren Aussage an die Organisationen
und an den DOSB, dass wir im kommenden Jahr Vorschläge für Strukturreformen erwarten, die es ermöglichen, die Mittel effektiver einzusetzen und somit die
Spitzensportförderung in den Zustand zu versetzen, dass
wir international wieder wettbewerbsfähiger werden.
Sportverbände, Trainer und der Kampf gegen Doping
sollen insbesondere profitieren.
Wir haben den Personalbestand des Bundes trotz teilweise erheblicher Personalverstärkungen - zum Beispiel
350 zusätzliche Stellen beim Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge für die Asylbewerberverfahren - insgesamt reduziert. Im Vergleich zum Jahr 2014 gibt es insgesamt 1 100 Stellen weniger. Der Personalbestand des
Bundes umfasst insgesamt 248 400 Stellen. Das sind
deutlich weniger als noch im Jahr der Wiedervereinigung. Damals hatten wir 301 500 Stellen allein in den
westlichen Bundesländern.
Lassen Sie mich zwei Worte zur Kritik der Opposition
sagen, die bereits im Vorfeld vorgetragen wurde. Da war
immer von Tricksereien und von Schattenhaushalten die
Rede usw. usf.
({12})
Meine Damen und Herren, davon kann keine Rede sein.
Im Gegenteil: Da wird nirgendwo getrickst. Wir haben
nicht nur eine sehr gute Fassade, sondern auch die Substanz dieses Haushalts stimmt.
({13})
Wir sparen auch nicht an der Zukunft dieses Landes.
Das Gegenteil haben wir in den vergangenen Jahren bewiesen. Wir haben nicht nur die strukturelle Verschuldung sukzessive zurückgeführt, sondern wir haben auch
die Neuverschuldung Jahr für Jahr sukzessive zurückgeführt. Bei der Neuverschuldung kommen wir von 80 Milliarden Euro, die für das Jahr 2010 vorgesehen waren
- am Ende waren es 44 Milliarden Euro -, und haben
dann die Neuverschuldung Jahr für Jahr sukzessive in
gleichmäßigen Schritten zurückgeführt.
Ich bin zuversichtlich, dass wir ebenso wie in den vergangenen Jahren, als wir jeweils besser abgeschnitten
haben, als im Soll vorgesehen war, auch in diesem Jahr
besser abschneiden werden und am Jahresende hoffentlich unter der vorgesehenen Nettokreditaufnahme von
6,5 Milliarden Euro bleiben können.
Wir halten die Schuldenbremse nicht nur ein; wir
bleiben sogar deutlich unter der Grenze der Schuldenbremse. Wir haben die Kriterien bereits 2012 erfüllt, und
auch dieses Mal bleiben wir deutlich unter den Vorgaben
der Schuldenbremse.
Der Abbau der Neuverschuldung hat uns nicht geschadet, meine Damen und Herren. Trotz des Abbaus
der Neuverschuldung haben wir ein ordentliches Wirtschaftswachstum. Eine solide und verlässliche Haushaltspolitik schafft Vertrauen, und Vertrauen ist die Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum. Genau diese
Formel geht bei uns auf.
({14})
Die derzeitige Situation ist also nicht irgendeinem
glücklichen Umstand zu verdanken und uns einfach in
den Schoß gefallen. Natürlich sind die Umstände günstig, natürlich haben wir das Glück niedriger Zinsen;
keine Frage. Aber dieses Glück trifft nicht nur uns in
Deutschland; die niedrigen Zinssätze der EZB gelten für
alle. Man muss sein Glück also auch nutzen,
({15})
und wir nutzen unser Glück, indem wir richtig haushalten, indem wir richtig wirtschaften. Demzufolge können
wir konsolidierte Haushalte vorlegen. Wir haben in diesem Land glücklicherweise eine Beschäftigungsquote,
die so hoch ist wie noch nie, und eine Arbeitslosenquote,
die so niedrig ist wie nirgendwo sonst in der Europäischen Union. Aber auch das ist uns nicht in den Schoß
gefallen, sondern das muss man sich erarbeiten.
({16})
Somit hat das nur wenig mit Glück zu tun, aber viel mit
solider Politik.
({17})
Jetzt komme ich zu einem weiteren Vorwurf der Opposition. Die Opposition behauptet immer wieder, wir
würden in die sozialen Sicherungssysteme eingreifen.
({18})
Meine Damen und Herren, die Deutsche Rentenversicherung verfügt derzeit über Rücklagen in Höhe von
gut 33 Milliarden Euro, und wir leisten einen Steuerzuschuss an die Rentenversicherung von jährlich gut
80 Milliarden Euro. Es ist also doch nur vernünftig, damit neue Belastungen zu finanzieren, anstatt die Rücklage noch stärker wachsen zu lassen.
Zum Gesundheitsfonds: Wir haben im vergangenen
Jahr versprochen, dass wir den Zuschuss an den Gesundheitsfonds, der abgesenkt wurde, sukzessive wieder erhöhen. Das tun wir. In diesem Jahr wird der Steuerzuschuss an den Gesundheitsfonds um 1 Milliarde Euro
erhöht. Auch an dieser Stelle lösen wir also unser Versprechen ein. Auch der Gesundheitsfonds verfügt über
ordentliche Rücklagen. Das werden am Ende dieses Jahres rund 13 Milliarden Euro sein - zusätzlich zu den
Rücklagen, über die die Krankenkassen verfügen. Daher
muss kein Versicherter Sorge haben, dass seine Leistungen gekürzt werden.
({19})
- Wenn irgendwo Zusatzbeiträge erhoben werden sollten, Herr Kollege Kindler, dann liegt das an der jeweili6416
gen Kasse, nicht am Gesundheitsfonds. Der Gesundheitsfonds ist gut gefüllt.
Deshalb lautet mein Appell an die Opposition auch an
dieser Stelle: Bleiben Sie bei der Wahrheit, und bauen
Sie keinen Popanz auf!
({20})
Nebenbei bemerkt: Die exorbitant niedrigen Zinsen,
die, wie gesagt, auf die Zinspolitik der EZB zurückgehen, schlagen sich selbstverständlich auch in den exorbitant niedrigen Zinssätzen für unsere Staatsanleihen nieder. Aber auch diese sehr niedrigen Risikoaufschläge
- zehnjährige Staatsanleihen rentieren derzeit mit 0,8 Prozent - muss man sich erarbeiten. Wir haben uns das Vertrauen der internationalen Finanzmärkte erarbeitet. Auch
das ist nichts, was einem in den Schoß fällt. Das ist vielmehr zurückzuführen auf die solide Politik der vergangenen Jahre.
Deshalb erlaube ich mir folgenden Hinweis, meine
Damen und Herren: Wer sich im europäischen Raum
umschaut, stellt sehr schnell fest, dass die gute Situation,
in der wir uns befinden, nicht nur mit Zufall und Glück
zu tun hat, sondern mit der Politik der vergangenen Jahre
zu tun hat.
Die Situation in Frankreich ist so, dass Frankreich
seine Staatsausgaben in den vergangenen Jahren, zwischen 2010 und 2014, ordentlich erhöht hat: Im Haushaltsentwurf für 2014 waren Ausgabenzuwächse von
2,3 Prozent vorgesehen, für das kommende Jahr sind
1,8 Prozent vorgesehen, obwohl Frankreich unter dem
Konsolidierungsdruck seitens der Europäischen Union
steht. Wir haben einen Ausgabenzuwachs von 0,9 Prozent.
Wenn Sie sich die Entwicklung der Lohnstückkosten
anschauen, werden Sie sehr schnell feststellen, dass sie
bei uns stabil sind, dass sie in Spanien, in Portugal, in
Griechenland deutlich zurückgegangen sind, dass sie
aber in Frankreich und Italien gestiegen sind.
Das Glück der guten Begleitumstände dieser Zeit
trifft also nicht nur Deutschland; es trifft alle. Deshalb ist
es bemerkenswert, dass die Staatsquote in anderen Ländern steigt - in Frankreich in dieser Zeit von 56,4 auf
57,9 Prozent -, während wir bei uns in Deutschland eine
rückläufige Staatsquote haben. Das ist Ausweis klarer,
solider Politik und einer Haushaltspolitik, die Wachstumskräfte möglich macht, anstatt sie zu behindern.
({21})
Lassen Sie mich abschließend sagen, meine Damen
und Herren: Der Haushalt 2015 und die mittelfristige Finanzplanung markieren den Beginn einer neuen und besseren Ära in der Haushaltspolitik des Bundes. Wir werden diesen Weg erfolgreich weiter beschreiten.
Danke.
({22})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der
Kollege Kindler das Wort.
({0})
Ja, keine Panik. - Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen!
({0})
Herr Minister Schäuble, ich will am Anfang zugestehen:
Mit Ihrem Haushalt verfolgen Sie eine gute Marketingstrategie. Doch leider ist er die Fortsetzung der alten
Schuldenpolitik. Sie verkaufen ihn nur besser als andere.
Sie leihen sich zwar das Geld nicht mehr bei der Bank,
aber Sie greifen in den Gesundheitsfonds, Sie nehmen
bei der Rentenkasse Schulden auf, und Sie fahren die Infrastruktur auf Verschleiß. Die Investitionsquote in diesem Haushalt sinkt rapide. Herr Schäuble, Sie verstecken Ihre Schulden nur in Schattenhaushalten. Das ist
unehrlich. Wenn man ehrlich ist, muss man sagen: Bei
diesem Haushalt steht in der Bilanz ein dickes, fettes Minus.
({1})
Zur Wahrheit gehören die versteckten Schulden bei
den Sozialkassen. Rund 10 Milliarden Euro verstecken
Sie in Schattenhaushalten bei den Sozialkassen, 7 Milliarden Euro bei der Mütterrente, und Sie greifen
2,5 Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds. Und
warum? Alles nur, weil die Union zu feige war, eine gerechte Finanzpolitik zu machen, und weil die Union zu
feige war, auch hohe Einkommen, hohe Vermögen heranzuziehen. Dabei ist jedem hier im Bundestag klar
- das sagt auch die Deutsche Rentenversicherung -: Für
die Mütterrente darf nicht die Rentenkasse geleert werden. Sie muss aus Steuermitteln bezahlt werden.
({2})
Auch das Projekt der SPD, die Rente mit 63, wird klar
teurer; das wird jetzt deutlich. Das ist aber sowieso die
falsche Antwort. Die Rentenkasse ist 2018 leer. Insgesamt machen Sie im Rahmen des Rentenpaketes nichts
gegen Altersarmut. Das ist nicht nur unverantwortliche
Finanzpolitik, sondern auch ein krasses Versagen bei
diesem zentralen Gerechtigkeitsthema.
({3})
Die Plünderung des Gesundheitsfonds führt übrigens
dazu, dass fast alle gesetzlichen Krankenkassen jetzt
schon angekündigt haben, 2015 Zusatzbeiträge zu erheben. Wozu führt Ihr Griff in die Sozialkassen? Große
Einkommen werden geschont, und kleine und mittlere
Einkommen, die Beitragszahler, werden die Zeche für
Ihren Haushalt zahlen. Ich sage Ihnen: Das ist extrem
ungerecht.
({4})
Ich finde einfach, Herr Schäuble, Sie handeln fahrlässig, ignorant und zukunftsvergessen. Sie setzen weiterhin auf das Prinzip Hoffnung. Machen wir uns doch
einmal ehrlich: Bei der Steuerschätzung gab es viele
glückliche Einmaleffekte. Ohne diese Einmaleffekte
wäre sie doch eine Katastrophe für Sie geworden. Zu
den Einmaleffekten gehören: 1,3 Milliarden Euro weniger bei den Zinsen, Sie bekommen 2015 2,2 Milliarden Euro von der Europäischen Union zurück, und 2015
gibt es einen Sondereffekt bei der Postbeamtenversorgungskasse in Höhe von 560 Millionen Euro. Das macht
Einmaleffekte in Höhe von 4 Milliarden Euro. Das ist
viel Glück!
({5})
Sie machen am Haushalt aber nichts Strukturelles. Diese
Arbeitsverweigerung, dass Sie nichts Strukturelles machen, wird uns später noch teuer zu stehen kommen.
({6})
Ich finde, angesichts der historisch niedrigen Zinsen,
der extrem großen Einmaleffekte 2015, Ihres Glückes
und der gleichzeitig in den Sozialkassen versteckten
Schulden ist dieser Haushalt kein Grund, um sich auf die
Schulter zu klopfen. Diesen Haushalt mit seinen versteckten Schulden hätte jeder Bundesfinanzminister irgendwie hingebogen;
({7})
diesen Haushalt hätten auch Theo Waigel und Hans
Eichel hingebogen. Aber mit Ehrlichkeit und Leistung
hat dieser Haushalt nichts zu tun.
({8})
Sie trauen sich nicht, strukturell etwas an diesem
Haushalt zu ändern. Sie schichten nicht um, Sie entrümpeln nicht, es gibt keinen Subventionsabbau und keine
Verbesserung bei den Einnahmen.
Dabei gibt es in Bezug auf den Haushalt genug zu tun.
Es gibt kaum Investitionen; die Investitionsquote im Finanzplan sinkt. Investitionen in den Klimaschutz und die
Energiewende muss man mit der Lupe suchen, Investitionen in das Breitband sind 2015 Fehlanzeige. Sie verschlafen Investitionen in gute Bildung und gute Kitas
und bauen lieber neue Autobahnen, statt jetzt bestehende
Straßen und Brücken zu erhalten. Das heißt, Sie fahren
diese Gesellschaft auf Verschleiß. Dieser Haushalt lebt
von der Substanz, und das ist einfach total zukunftsvergessen.
({9})
Auch Sie, Herr Schäuble, haben jetzt gemerkt, dass
die Kritik an den Investitionen gesessen hat. Statt aber
substanziell zu arbeiten, machen Sie weiter mit Ihrer
Marketingstrategie. Zu dem 10-Milliarden-Euro-Paket,
das Sie bei der Steuerschätzung verkündet haben, haben
Sie im Haushaltsausschuss selbst gesagt, es gehe Ihnen
hier vor allen Dingen um eine gute Kommunikationsstrategie. Das sieht man leider auch an diesem Paket. Es
hat nur wenig Substanz, und das Ergebnis ist ziemlich
ernüchternd: In 2015 gibt es nichts, diese 10 Milliarden
Euro werden über drei Jahre verteilt, sodass es pro Jahr
nur etwas über 3 Milliarden Euro sind, und im Finanzplan sowie im Haushalt ist bisher nichts gegenfinanziert.
Insgesamt ist das leider nur ein Tropfen auf den heißen
Stein.
({10})
Sie haben daneben noch eine zweite Marketingstrategie. Seit Monaten höre ich von Herrn Schäuble und
Herrn Gabriel, dass sie mehr privates Kapital für Investitionen aktivieren wollen. Das hört sich erst einmal gut
an. Mir wird aber angst und bange, wenn ich höre, wie.
Sie wollen nämlich einen neuen Vorstoß für öffentlichprivate Partnerschaften. Dabei zeigt der Bundesrechnungshof am Beispiel Straßenbau schon jetzt, dass dies
zu Mehrkosten in Milliardenhöhe führt. Durch die höheren Zinskosten und die hohen Renditeerwartungen der
Unternehmen führt dies dazu, dass die Schuldenbremse
umgangen wird, dass es teuer wird und dass Schattenhaushalte aufgebaut werden. Insgesamt ist das ein Ausverkauf von öffentlicher Infrastruktur mit gravierenden
Folgen. Ich sage Ihnen: Diese ÖPP-Strategie ist ein gefährlicher und teurer Irrweg.
({11})
Stattdessen sollten Sie im Haushalt lieber klare Prioritäten bei den Investitionen setzen, und das muss man
auch solide gegenfinanzieren. Da muss man am Haushalt auch einmal arbeiten, indem man zum Beispiel umschichtet und entrümpelt. Da muss man das Betreuungsgeld streichen
({12})
und Milliarden bei Rüstungsdesastern einsparen.
({13})
Da muss man bei den Ausgaben für neue Autobahnen
kürzen und dafür den Erhalt von Straßen finanzieren,
und da muss man auch einmal an die Subventionen herangehen.
({14})
Der Staat verbrennt durch umweltschädliche Subventionen jedes Jahr 50 Milliarden Euro.
({15})
Davon könnte man 2015 schnell rund 9 Milliarden Euro
abbauen: bei den Subventionen für die Flugindustrie, das
Erdöl, den Agrardiesel und die schweren Dienstwagen.
Deswegen fordere ich Sie auf: Hören Sie mit dieser klimaschädlichen Subventionspolitik auf!
({16})
Der Staat ist strukturell unterfinanziert. Deswegen
muss man auch die Einnahmeseite verbessern, weswegen wir zum Beispiel dafür sorgen wollen, dass Kapitaleinkommen genauso wie Arbeitseinkommen wieder
progressiv besteuert werden und die ungerechte Abgeltungsteuer abgeschafft wird; denn wir brauchen in
Deutschland endlich mehr Steuergerechtigkeit.
({17})
Durch Entrümpeln, Umschichten, Subventionsabbau
und Einnahmeverbesserungen können wir in diesem
Haushalt pro Jahr einen Spielraum von mehr als 10 Milliarden Euro schaffen: für Innovationen, für Investitionen und für Gerechtigkeit.
Wir Grüne haben hier viele Änderungsanträge eingebracht. Ich will nur einmal drei Schwerpunkte nennen:
Erstens wollen wir, dass die Energiewende wieder an
Fahrt gewinnt. Wir wollen mit einem Energiesparfonds
im Umfang von 3 Milliarden Euro dafür sorgen, dass
Wohnungen und Gebäude saniert werden, und so das
Klima schützen.
({18})
Wir wollen zweitens dafür sorgen, dass es überall
schnelles Internet gibt: von Stralsund bis Konstanz. Deshalb wollen wir 1 Milliarde Euro für den Breitbandausbau einsetzen.
({19})
Drittens wollen wir noch mehr für Flüchtlinge tun: im
Nordirak und in Syrien, aber auch hier vor Ort in
Deutschland, in den Kommunen. Der Winter steht jetzt
vor der Tür. Wer nach Deutschland flieht, darf hier nicht
in Zelten oder Turnhallen schlafen müssen.
({20})
Deswegen wollen wir die humanitäre Hilfe in Ländern
wie Syrien und dem Irak und deren Nachbarländern
deutlich erhöhen, und wir wollen 1 Milliarde Euro in
Deutschland zur Unterstützung von Flüchtlingen und
Kommunen einsetzen.
({21})
Diese 1 Milliarde Euro haben jetzt ja auch Sigmar
Gabriel und die SPD angekündigt. Ich finde es schön,
dass Sie jetzt Verantwortung übernehmen wollen.
Schauen Sie deswegen nicht mehr weg, und stimmen Sie
unserem Antrag am Freitag bitte zu, liebe SPD!
({22})
Ich bin sehr gespannt.
Man muss sagen: Dieser Haushalt hat eine schillernde
Fassade, aber dahinter bröckelt es gewaltig. Es gibt in
diesem Haushalt viele Verlierer: das Klima und die Energiewende; die Flüchtlinge; Kinder und Jugendliche, denen es an Bildung fehlt; Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denen Sie in die Tasche greifen und die die
Zeche für Ihren Haushalt zahlen.
Herr Schäuble, Ihr Haushalt enthält viele versteckte
Schulden, und es wird kaum investiert. Sie finanzieren
diesen Haushalt auf dem Rücken von vielen Menschen:
hier in Deutschland und im Rest der Welt. Deswegen
werden wir diesen Haushalt ablehnen.
Vielen Dank.
({23})
Johannes Kahrs ist der nächste Redner für die SPDFraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Uns liegt heute ein Haushalt vor, der bemerkenswert ist. Er ist deswegen bemerkenswert, weil wir
seit ewigen Zeiten das erste Mal keine neuen Schulden
machen. Das ist ein Grund, sich parteiübergreifend zu
freuen.
({0})
Wenn man aus den Erfahrungen der letzten Jahre gelernt hat, dass es immer gute Gründe gibt, mehr Geld
auszugeben, dann weiß man, dass es nicht leicht ist,
keine neuen Schulden zu machen. Das klingt wie eine
Selbstverständlichkeit, aber das ist leider keine. Der Kollege Norbert Barthle hat gesagt, dass es eigentlich selbstverständlich sein müsste, keine neuen Schulden zu machen. Da hat er eigentlich recht.
({1})
Auf der anderen Seite haben wir das noch nie so gehalten.
({2})
Weil wir das noch nie so gemacht haben, ist diese Debatte an diesem Tag so bedeutsam. Wir müssen einfach
einmal verinnerlichen, dass wir heute etwas Selbstverständliches machen, was wir in den letzten Jahren aber
nicht getan haben.
Das wirklich Gute an diesem Haushalt ist nicht, dass
wir es einmal geschafft haben, keine neuen Schulden zu
machen, sondern es ist die Bereitschaft bei, wie ich
glaube, allen Parteien in diesem Hause, das nicht nur in
diesem Haushalt zu schaffen, sondern auch in den Haushalten der nächsten Jahre. Sinn macht diese Veranstaltung nämlich nur, wenn wir dauerhaft keine neuen
Schulden machen. Das ist der Punkt.
({3})
Wir als Sozialdemokraten haben zusammen mit der
Union in der letzten Großen Koalition dafür gesorgt,
dass die Schuldenbremse ins Grundgesetz aufgenommen
wird. Wir haben auch auf unseren Parteitagen immer beschlossen: Wir wollen keine neuen Schulden machen.
Ich bin mir sicher, auch die Union hat immer Ähnliches
gemacht. Jetzt aber wird es getan.
Wichtig ist, dass wir über diese Linie die Schuldenbremse erreichen. Es ist gut, dass uns das so gelungen
ist. Herr Minister Schäuble, ich bin dankbar, dass dies in
guter Zusammenarbeit mit Ihrem Hause gelaufen ist. Im
Gegensatz zu dem Kollegen Bartsch glaube ich auch
nicht, dass es ein Zufall war, dass wir als Ergebnis langer
Haushaltsberatungen - dabei waren wir durchaus unterschiedlicher Ansicht - keine neuen Schulden gemacht
haben, sondern das war harte Arbeit, lange, harte Arbeit.
({4})
- Herr Kollege, das ist schlicht und einfach so. Seien Sie
doch einfach einmal glücklich darüber, dass uns das gelungen ist.
({5})
Es gibt immer viele Möglichkeiten und gute Gründe,
mehr Geld auszugeben. Hier ist es uns einfach gelungen,
das nicht zu tun.
Wichtig ist für uns alle das Vorhaben, dass das nicht
nur für 2015 gilt, sondern auch für 2016, 2017, 2018,
2019, 2020. Das ist nachhaltige Politik. Das ist generationengerechte Politik. Das heißt, dass man nachfolgenden Generationen keine Schuldenberge hinterlässt. Es
heißt aber auch, dass man mit dem vorhandenen Geld
auskommen muss, dass man also, wenn es Wünsche und
Bedarfe gibt, auch einmal innerhalb eines Etats und zwischen Etats umschichten muss.
Das haben wir in der Vergangenheit alle nicht geschafft, weil wir immer lieber mit frischem Geld neue
Schulden gemacht haben, statt uns an bestehenden Besitzständen abzuarbeiten und damit die eine oder andere
Interessengruppe, die eine oder andere Lobby in diesem
Land gegen uns aufzubringen. Davor haben wir immer
Angst gehabt. Deswegen haben wir immer mehr Geld
ausgegeben.
Eigentlich aber wissen wir alle, dass es natürlich Bereiche gibt, wo gespart werden kann. Ehrlich gesagt: In
Zeiten, in denen es uns gut geht, in Zeiten, in denen wir
hohe Steuereinnahmen haben, in denen wir eine geringe
Arbeitslosigkeit haben, ist das, was wir hier machen,
keine Atomphysik; das gebe ich zu. Aber sollte sich das
einmal wieder ändern, sollten die Zeiten wieder schwieriger werden, ist das eine große Herausforderung. Wir
haben das, was die Risiken angeht, schon angesprochen.
Wenn die Zinsen wieder auf ein halbwegs normales
Niveau steigen, wie es sich jeder deutsche Sparer oder
jeder, der eine Lebensversicherung abgeschlossen hat,
wünscht, und bei 3 oder 4 Prozent liegen, dann zahlen
wir nicht mehr wie jetzt 25 Milliarden Euro jährlich an
Zinsen. Dann sind es 45 Milliarden, 50 Milliarden oder,
wenn wir Pech haben, 60 Milliarden Euro. Dann in diesem Haushalt keine neuen Schulden zu machen, das ist
die eigentliche Herausforderung. Das wird man bei jedem Etat beachten müssen. Damit wiederum werden
sich Haushaltspolitiker relativ unbeliebt machen. Dann
werden Fraktionssitzungen nicht so charmant sein wie
jetzt, wo man als Haushälter - Kollege Barthle hat es angesprochen - noch die eine oder andere vernünftige Sache umsetzen kann, sondern dann muss man erklären,
warum man die eine oder andere eigentlich gute Sache
nicht mehr macht. Das wird die Herausforderung werden.
Deswegen sind diese Haushaltsberatungen meines Erachtens nicht das, was die Opposition zum Besten gibt,
wenn sie von einer Nullnummer oder versteckten Schulden spricht. Wenn wir alle gemeinsam sagen: „Das ist
ein Anfang, der auch Konsequenzen haben muss, und
das muss über die Jahre durchgezogen werden“, dann ist
das ein wichtiger Haushalt. Dann ist es auch ein historischer Haushalt, und dann haben wir alle wirklich etwas
geleistet.
Deswegen ist das nicht nur Glück - deswegen ist es
auch nicht nur ein Zufall, Herr Bartsch -, sondern es ist
harte Arbeit, die man durchzieht.
({6})
Das kann man dann auch in der mittelfristigen Finanzplanung sehen.
Ich glaube, Herr Kindler, dass es keine Geschenke
sind, wenn man einen Mindestlohn oder die Rente mit
63 durchsetzt,
({7})
die das Pendant zur Rente mit 67 ist. Denn all diejenigen, die wie ich erst sehr spät ins Arbeitsleben eingetreten sind, weil sie studiert haben, können gerne bis 67 arbeiten, während diejenigen, die mit 15, 16, 17 oder
18 Jahren angefangen haben, zu arbeiten, und das körperlich nicht länger können, gerne mit 63 in Rente gehen
können. Das ist vernünftig, richtig und vor allen Dingen
gerecht. Deswegen ist das kein Geschenk.
({8})
Das Gleiche gilt übrigens auch für die Mütterrente,
die wir auch mitgetragen haben. Sie ist richtig und vernünftig.
Das sind keine Geschenke. Man muss nur darauf achten, dass sie entsprechend finanziert werden.
({9})
Wenn man sie jetzt beschließt, dann muss man sie auch
dauerhaft finanzieren.
({10})
Denn das ist der Sinn dieser Veranstaltung.
Deswegen ist es richtig, dass man sich darüber Gedanken macht, was man steuerpolitisch tut. Kollege
Barthle hat es schon gesagt: Wir haben etwas im Bereich
der Flugsicherung getan. Wir haben es leider nicht geschafft, uns die Luftverkehrsteuer zu schenken, die von
Schwarz-Gelb in der letzten Legislaturperiode als Steuererhöhungsmaßnahme eingeführt worden war. Gut, das
hat nicht geklappt. Aber im Ergebnis hat dieser Haushalt, glaube ich, gezeigt, dass man beides machen kann:
keine neuen Schulden und gleichzeitig auch noch ein
paar vernünftige Sachen.
Ob beim THW, der Bundespolizei oder der Bundeszentrale für politische Bildung - du hast es schon erwähnt, Norbert Barthle -: Ich glaube, das sind Maßnahmen, die man durchführen muss, damit man in dem
einen oder anderen Punkt vernünftige und gerechte Zustände hinbekommt.
({11})
Aber das, was diesen Haushalt wirklich auszeichnet,
ist, dass die beiden großen Volksparteien in diesem Land
sich geschworen haben, dass wir keine neuen Schulden
machen wollen. Wenn die Zeiten schlechter werden,
dann muss hart gespart werden. Wenn wir das durchziehen, dann haben wir etwas geleistet.
Vielen Dank.
({12})
Das Wort erhält nun der Bundesfinanzminister,
Dr. Wolfgang Schäuble.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Diese Bundesregierung hat nach der Wahl beschlossen, dass wir ab 2015 den Bundeshaushalt ohne
Neuverschuldung fahren wollen. Dieses Versprechen
halten wir ein und setzen wir heute um.
({0})
- Das hat mit einem Denkmal wenig zu tun; machen Sie
sich keine Sorgen, Herr Kindler.
({1})
- Das ist offenbar sogar Ihnen peinlich. Aber von dem,
was Sie gesagt haben, ist Ihnen manches auch peinlich.
Das war auch nicht Ihr bester Beitrag heute, mit allem
Respekt.
({2})
Ich kann ja verstehen, dass es für Sie, nachdem Sie in
Meinungsumfragen gesehen haben, dass es sogar die
Anhänger der Oppositionsparteien in großer Mehrheit
für richtig halten, dass wir keine neuen Schulden machen,
({3})
ein bisschen schwierig ist, hier dagegen zu polemisieren.
({4})
Aber entscheidend ist etwas anderes. Eine nachhaltige,
verlässliche und berechenbare Finanzpolitik, die Wort
hält, ist ein Anker für Vertrauen. Vertrauen ist in einer
Zeit, wo die wirtschaftliche Lage hochfragil und nervös
ist, ein ganz wichtiges Kapital für eine nachhaltige, stabile wirtschaftliche Entwicklung.
Es ist übrigens nicht ganz von alleine gekommen,
dass die breite Mehrheit des wirtschaftswissenschaftlichen Sachverstands in Deutschland diese Finanzpolitik
für richtig hält. Die Wirtschaftsforschungsinstitute der
Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose haben sich in ihrem aktuellen Herbstgutachten klar für diese Finanzpolitik ausgesprochen. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat
sich ebenfalls klar für diese Finanzpolitik ausgesprochen. Sie reden gegen die breite Überzeugung der Bevölkerung wie des wirtschaftswissenschaftlichen Sachverstands in Deutschland, wenn Sie diese Finanzpolitik
kritisieren.
({5})
Natürlich ist das wirtschaftliche Umfeld seit der Einbringung des Bundeshaushalts ein Stück weit schwieriger geworden. Im ersten Halbjahr konnten wir uns vor
Prognosen kaum retten, die jede Woche die wirtschaftliche Entwicklung für die nächsten Jahre noch positiver
eingeschätzt haben. Die Bundesregierung war eher auf
der zurückhaltenden Seite. Im dritten Quartal dieses Jahres ist es dann plötzlich gekippt. Nun sind jeden Tag
Meldungen zu lesen, dass es ein bisschen schlechter
wird als im Frühjahr vorhergesehen. Das wird gleich als
schlechte Nachrichten verstanden. Aber wir sind nicht in
einer Rezession und auch nicht in einer Wirtschaftskrise.
Die Wachstumsentwicklungen sind nicht ganz so gut wie
im Frühjahr vorhergesehen. Aber wir sind nahe an der
Normalauslastung unserer wirtschaftlichen Kapazitäten.
Wir haben ein höheres Wachstum als in den zurückliegenden Jahren. Deswegen wäre es ein schwerer Fehler,
wenn wir die Krise jetzt durch unbedachtes Gerede geradezu herbeireden würden. Davor kann ich nur warnen.
({6})
Herr Kollege Kindler, wenn ich den Versuch einer
ernsthaften Auseinandersetzung mit dem, was Sie als
Marketingstrategie bezeichnet haben, unternehmen darf:
Ich bin gar nicht so anspruchsvoll. Ich wollte bewusst
vermeiden - das habe ich so im Haushaltsausschuss und
bei vielen anderen Gelegenheiten öffentlich bekannt -,
dass eine Meldung, dass die Steuereinnahmen ein bisschen langsamer wachsen als noch vor fünf oder sechs
Monaten geschätzt, erneut als eine negative Nachricht
verstanden wird; denn wenn wir noch ein paar Missverständnisse dieser Art haben, dann entsteht die Krise einfach nach dem Prinzip der Selffulfilling Prophecy. Wir
reden sie dann herbei. Genau das dürfen wir nicht machen. Deswegen habe ich gesagt: Nein, wir haben eine
ordentliche wirtschaftliche Auslastung in einem schwieriger gewordenen wirtschaftlichen Umfeld. Aber damit
wird sich die Bundestagsdebatte vermutlich morgen in
der Generalaussprache stärker beschäftigen. Darum muss
ich mich heute nicht kümmern. Aber es ist völlig klar,
dass sich das wirtschaftliche bzw. geopolitische Umfeld
auf die wirtschaftliche Entwicklung, die Einschätzungen
und die Erwartungen auswirkt. Dass das etwas schwächer gewordene wirtschaftliche Umfeld in Europa auch
für Deutschland als das Land, das am meisten von der
wirtschaftlichen und politischen Integration Europas
profitiert, Auswirkungen hat, ist auch nicht zu bestreiten.
Deswegen ist es für uns entscheidend und wichtig, dass
wir in Europa Stabilitätsanker und Wachstumslokomotive und zugleich Anker von Verlässlichkeit und Vertrauen bleiben. Wenn wir uns nicht an die Regeln in
Europa halten, können wir es auch nicht von anderen erwarten. Schließlich haben wir es leichter als andere.
({7})
Damit es da gar keinen Zweifel gibt: Wir haben nach
wie vor eine gesamtstaatliche Schuldenstandsquote im
Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt von annähernd
75 Prozent. Wir werden sie in den nächsten Jahren auf
unter 70 Prozent zurückführen.
({8})
Wir erfüllen damit - und nur damit - die Verpflichtung
des europäischen Regelwerks, dass wir bis in die
2020er-Jahre unsere Schuldenstandsquote auf 60 Prozent unserer gesamtwirtschaftlichen Leistungskraft zurückführen. Deswegen sage ich noch einmal: Wenn wir
uns nicht an die europäischen Regeln halten, wie sollen
wir es dann von anderen, die es aktuell schwerer haben,
verlangen? Deswegen ist es wichtig, dass wir diese Finanzpolitik machen, auch als Beitrag zur Überwindung
der Schwierigkeiten in Europa.
Weil Sie den G-20-Gipfel in Brisbane und anderes angesprochen haben, will ich folgende Bemerkung machen: Auf dem G-20-Gipfel haben wir wieder und wieder erklärt - am Ende ist das von den Staats- und
Regierungschefs in Brisbane genau so in der Gipfelerklärung beschlossen worden -: Für ein nachhaltiges
Wachstum sind Strukturreformen, mehr Investitionen
und eine nachhaltige Finanzpolitik entscheidend. Eine
nachhaltige Finanzpolitik wird immer vergessen.
Wie man sagen kann, wir könnten mehr für die Infrastruktur tun, indem wir die Ausgaben für den Autobahnbau kürzen - auch das haben Sie in Ihrer Rede gesagt -,
hat sich mir nicht ganz erschlossen. Wenn wir Probleme
bei der Verkehrsinfrastruktur haben, sollten wir vielleicht mehr dafür tun, dass wir dort, wo Bedarf ist, zum
Beispiel bei den Bundesfernstraßen, investieren. Man
kann doch nicht sagen, wir müssten dort kürzen. Da
mussten Sie Ihren Kotau vor der umweltpolitischen
Komponente Ihres Parteitages, der gerade stattgefunden
hat, machen. Das sei Ihnen verziehen, aber Sie verlieren
ein bisschen Seriosität mit dieser Argumentation.
({9})
Es gilt auch in Europa: nachhaltige Finanzpolitik. Natürlich muss das in jedem Land nach den jeweiligen
Möglichkeiten erfolgen. Diesen Zusammenhang wird
die Europäische Kommission, die sich neu gebildet hat,
berücksichtigen, wenn sie die Haushalte der Mitgliedstaaten jetzt beurteilt. Sie wird zu allen ihre Kommentare
abgeben, und wir werden darüber in den europäischen
Räten zu beraten und zu befinden haben. Das geschieht
auf der Grundlage der Entscheidungen der Europäischen
Kommission.
Aber kein Zweifel kann daran bestehen, dass wir alle,
wo notwendig, Strukturreformen fortsetzen müssen.
Wenn Europa nicht insgesamt daran arbeitet, wettbewerbsfähig zu bleiben oder wieder zu werden, dann wird
Europa insgesamt irrelevant werden. Wir wollen, dass
Europa insgesamt stark wird. Dazu leistet die deutsche
Finanzpolitik einen Beitrag, nicht mehr, aber auch nicht
weniger.
({10})
Deswegen werden wir auch im Rahmen dieser Finanzpolitik, aber eben nicht anstelle einer soliden und
nachhaltigen Finanzpolitik, alle Spielräume für zusätzliche Investitionen nutzen. Vielleicht ist es doch manchmal ganz nützlich, das Jahresgutachten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen. Darin ist wieder einmal - das tun andere Stellen auch; die
Bundesbank schreibt es in jedem Monatsbericht - dieses
Gerede von der angeblichen Investitionslücke in Deutschland ein ganzes Stück weit relativiert worden.
Sie sollten nicht irgendjemandem nachplappern. Wir
haben, Bezug nehmend auf die Vereinten Nationen
- deswegen erfolgte übrigens die Berichtigung in den
europäischen Haushalten, die in anderen Mitgliedsländern zu großer Erregung geführt haben -, endlich im
Rahmen der Revision der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung die Ausgaben für Forschung und Entwicklung
in die Investitionsausgaben einbezogen. Mit dieser Neuberechnung stehen wir im internationalen Vergleich ausgesprochen gut da.
Ich will auch auf die Investitionen der privaten Wirtschaft hinweisen. Deutschlands 45 größte Unternehmen
haben ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung allein zwischen Juli 2013 und Juli 2014 um 11,3 Prozent
erhöht. Weltweit ist der Trend rückläufig. Es ist auch in
der privaten Wirtschaft nicht so, dass es dort eine Investitionslücke gäbe. Einer plappert die falsche Nachricht
des anderen nach. Das stimmt überhaupt nicht.
Man muss im Übrigen in Europa an Folgendes erinnern: Wenn man zu den Investitionen nur Bauinvestitionen rechnet, dann dürften wir eigentlich in einigen
Ländern keine Probleme haben. Wenn ich mir manche
Investitionsruinen, die auch durch europäische Programme finanziert wurden, anschaue, dann muss ich sagen: Die Reduzierung von Infrastruktur und Investitionen nur auf Beton macht nicht unbedingt Sinn.
({11})
Das kann man in manchen Teilen Europas besichtigen.
Entscheidend ist, dass wir vor allen Dingen mehr für
Forschung und Entwicklung tun. Indem diese Ausgaben
in die Investitionsquote einbezogen werden, liegen wir
in Deutschland über dem europäischen Durchschnitt und
nicht darunter. Das muss wenigstens einmal zur Kenntnis genommen werden.
Im Übrigen sind wir uns darüber einig - Sie werden
es spätestens bei den Verhandlungen zur Neuordnung
der Bund-Länder-Finanzbeziehungen sehen -, dass die
Hauptträger öffentlicher Investitionen die Länder und
vor allem die Kommunen sind. Die haben den größten
Bedarf. Gesamtstaatlich sind die Investitionen in Deutschland stark gestiegen; die Investitionen von Bund, Ländern und Kommunen sind insgesamt massiv gestiegen.
Die Kommunen haben im ersten Halbjahr ihre Investitionen um insgesamt 17 Prozent erhöht. Die darin enthaltenen Bauinvestitionen sind um 15 Prozent gestiegen.
Auch der Bund wird in dieser Legislaturperiode über
die zusätzlichen 5 Milliarden Euro für öffentliche Verkehrsinfrastruktur hinaus, die wir im Koalitionsvertrag
vereinbart haben, investieren. Wir haben immer gesagt:
Soweit wir Spielräume haben, werden wir zusätzlich investieren. Gemeint sind nicht die großen Programme;
das habe ich auch nicht behauptet. Wir werden an dieser
Finanzpolitik festhalten und die zusätzlichen Spielräume
für die Verstärkung der Investitionen nutzen, wie es auch
der Haushaltsausschuss in den letzten Jahren immer wieder beschlossen hat.
Aber entscheidend ist, dass wir in Forschung und Entwicklung investieren. Keine Regierung hat jemals mehr
Ausgaben für Forschung, Bildung und Entwicklung getätigt als die von der Bundeskanzlerin Angela Merkel
geführten Regierungen. Das ist der Schlüssel für den Erfolg unseres Landes.
({12})
Wir, der Bund, haben die Kommunen durch die vollständige Übernahme der Grundsicherung im Alter entlastet. Vieles ist ja schon vergessen. In den Jahren 2012
bis 2017 findet eine Entlastung der Kommunen um über
25 Milliarden Euro statt. Das ist die Grundlage für mehr
Investitionen. Wir haben dafür gesorgt, dass sämtliche
Ausgaben für das BAföG vom Bundeshaushalt übernommen werden. Die Länder haben zugesagt - ich
hoffe, dass sie diese Zusage nicht vergessen haben -,
dass sie die Mittel, die sie dadurch sparen, zusätzlich in
Schule und Hochschule investieren. So fördert der Bund
nicht nur seine eigene Investitionstätigkeit, sondern auch
die von Ländern und Gemeinden. Diesen Weg werden
wir fortsetzen.
({13})
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen - Kollege
Kahrs hat es eben gesagt -: Einmal die Null zu präsentieren - der Moment ist für manche sicherlich schön; ich
habe schöne Momente wie diesen fast hinter mir -, ist
überhaupt nicht relevant. Entscheidend ist, dass wir daran festhalten: Wir werden die Finanzpolitik als einen
Schlüssel für eine Politik nachhaltigen Wirtschaftswachstums nur fortsetzen können, wenn wir das tun,
Herr Kollege Kahrs, was Sie gerade gesagt haben - ob es
ein bisschen schwieriger wird oder ob es einfacher
wird -: daran festhalten, eine berechenbare, verlässliche
Finanzpolitik zu betreiben. Sie ist ein Anker für die wirtschaftliche Entwicklung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns doch
in dieser Debatte nicht unterschlagen, dass diese Politik
einen maßgeblichen Beitrag dazu geleistet hat, dass die
wirtschaftliche Lage in Deutschland besser ist als in allen europäischen Ländern,
({14})
dass wir eine Lage am Arbeitsmarkt haben, wie wir sie
niemals in den letzten 25 Jahren, seit dem Fall der
Mauer, hatten, dass die Realeinkommen der Beschäftigten in diesem Jahr stärker gestiegen sind - es kommt
also etwas bei den Menschen an - als in den letzten Jahren. Das heißt, die Menschen haben etwas von einer soliden Finanzpolitik. Deswegen bitte ich Sie, dass wir genau daran festhalten.
Herzlichen Dank.
({15})
Für die Fraktion Die Linke erhält nun der Kollege
Troost das Wort.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
Bundesfinanzminister ist nicht nur für den Bundeshaushalt zuständig, sondern bundesseitig auch für den Prozess des Länderfinanzausgleichs. Dazu möchte ich meine
Rede heute halten.
Bis 2019 laufen zentrale Elemente des Länderfinanzausgleichs aus und müssen neu verhandelt werden - eine
große Aufgabe, weil Länderfinanzausgleich heißt, einen
Ausgleich zwischen finanzstarken und finanzschwachen
Ländern und ihren Gemeinden zu schaffen. Die Gemeinden sind in diesem Zusammenhang immer ganz wichtig;
die kommunalen Finanzen hängen vom Länderfinanzausgleich zentral ab.
Das Ganze ist eine große Aufgabe. Alle hatten eigentlich erwartet, dass man zu ihrer Erfüllung wieder eine
Föderalismuskommission, die Föderalismuskommission III, einsetzt. Die Große Koalition ist einen anderen
Weg gegangen. Sie hat gesagt: Wir brauchen keine neue
Föderalismuskommission; wir regeln das irgendwie so. Dann haben auf einmal die Bundeskanzlerin und der
Finanzminister gemeinsam mit den Ministerpräsidenten
im Sommer gesagt: Wir machen das jetzt ganz schnell;
wir versuchen bis zum 11. Dezember dieses Jahres, das
in Geheimverhandlungen schnell zustande zu bringen.
Dies ist im völligen Chaos geendet und muss jetzt erst
einmal neu angegangen werden.
Wir haben bereits bei der Föderalismuskommission II
kritisiert, dass die Länderparlamente und Kommunen
nicht mit am Tisch waren, obwohl sie zentrale Elemente
sind. Diesmal ist es so: Der Bundestag ist außen vor, die
Länderparlamente sind außen vor, die Kommunen werden überhaupt nicht gefragt, und dies ist ein Skandal.
({0})
Das Ergebnis, das jetzt vorliegt, ist, dass wir eine völlige Zerstrittenheit zwischen dem Bund und den 16 Bundesländern haben und das Ganze erst einmal, wie eine
Zeitung geschrieben hat, im Abklingbecken hängt. Das
ist aber natürlich auch eine Chance, weil nach wie vor
der Artikel 72 des Grundgesetzes die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse vorschreibt, und das heißt
eben nicht „Ellenbogenprinzip“ - jedes Bundesland
kämpft für sich selbst -, sondern das heißt, gemeinsam
ein Konzept zu entwickeln: Wie könnte ein solidarischer
Finanzausgleich aussehen?
({1})
Dazu sind faire und transparente Verhandlungen notwendig.
Die Linke hat sich sehr intensiv mit dieser Frage beschäftigt, hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe gebildet
und dort ein sehr gutes, so glaube ich, Konzept ausgearbeitet. Alle, die das interessiert, können das auf meiner
Internetseite einsehen. Es gibt eine Langfassung. Es gibt
eine Kurzfassung. Es gibt eine relativ populär gehaltene
Broschüre, in der dargestellt ist, nach welchen Prinzipien
man eigentlich vorgehen müsste. Da ich lediglich fünf
Minuten Redezeit habe, will ich hier an dieser Stelle nur
vier Punkte einbringen:
Erstens. Die reichen Bundesländer mit reichen Kommunen können sich insofern nach wie vor armrechnen,
als ein Teil der kommunalen Steuereinnahmen nicht in
den Länderfinanzausgleich einfließt. Es gibt sogar Positionen, die sagen: Das soll noch stärker der Fall sein. Wir
sind der Ansicht: Die kommunalen Einnahmen müssen
zu 100 Prozent mit berücksichtigt werden. Das führt
dazu, dass die strukturschwachen Länder in Ost und
West deutlich besser dastehen, als es jetzt der Fall ist.
({2})
Zweitens. Auf der Kostenseite - das ist auch ganz
zentral - muss die Strukturblindheit aufhören. Wir haben
arme Kommunen, die durch die Sozialausgaben immer
mehr in Bedrängnis geraten sind. Deswegen sagen wir:
Alle bundeseinheitlich geregelten Sozialleistungen müssen im Länderfinanzausgleich Berücksichtigung finden,
dazu zählen die Ausgaben nach dem Sozialgesetzbuch II, für Arbeitslose, Asylsuchende, sozial benachteiligte Kinder und vieles andere mehr. Das entspricht nur
dem Konnexitätsprinzip. Das ist vom Bund so beschlossen worden, und der Bund soll die Ausgaben dann auch
entsprechend übernehmen. Man kann über Ausgleichszahlungen nachdenken, aber die Situation, dass strukturschwache Regionen immer weiter abstürzen, wird damit
geheilt.
Drittens. Wir glauben, dass auch die Zinszahlungen in
Zeiten der Schuldenbremse vergemeinschaftet werden
müssen, und fordern deswegen einen bundeseinheitlichen Länderaltschuldenfonds, in den auch die Schulden der Kommunen mit einfließen, um die entsprechenden Zinszahlungen gemeinsam zu tragen.
Viertens. Wir brauchen weiterhin einen Solidarpakt III
als Ergänzung, als Erweiterung des Solidarpakts II, nicht
mehr bezogen auf Ost und West, sondern auf alle strukturschwachen Regionen. Wer den Soli abschaffen will,
schafft Solidarität ab. Das, was die Ministerpräsidenten
von SPD und Grünen jetzt beschlossen haben, nämlich
„Wir legen das einfach auf die Länder und Kommunen
um“, heißt: Da, wo viel Geld ist, kommt noch viel mehr
dazu, und da, wo wenig ist, kommt auch nur wenig dazu.
- Deswegen: Der Solidarpakt muss sozusagen verlängert
werden. Der Soli muss für gemeinschaftliche Ausgaben
weiter genutzt werden.
Danke schön.
({3})
Für die SPD-Fraktion erhält der Kollege Carsten
Schneider das Wort.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als
wir 2009 hier im Bundestag die Schuldenbremse beschlossen haben, waren wir in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Wir hatten bei der Wirtschaftsleistung
Deutschlands einen Rückgang um knapp 5 Prozent, das
heißt den stärksten Konjunktureinbruch, den es jemals
gab. Wir haben 2010 einen Haushalt aufgestellt, der auf
diese schlechte wirtschaftliche Lage mit einem Konjunkturprogramm und einer Neuverschuldung von über
80 Milliarden Euro reagiert hat.
Heute geht es um den Haushalt 2015, und wir befinden uns in der Situation, dass wir das erste Mal seit vier
Jahrzehnten einen Haushalt ohne Neuverschuldung aufgestellt haben. Das ist ein gewaltiger Akt. Ich hätte mir
2009, als wir das Vorgenannte hier im Bundestag beschlossen haben, nicht vorstellen können, dass wir dieses
Ziel in der Kürze der Zeit erreichen. Das verdient Anerkennung.
({0})
Das ist vor allen Dingen darauf zurückzuführen, dass
wir - im Gegensatz zu allen anderen europäischen Ländern - mittlerweile wieder ein Niveau der Wirtschaftsleistung erreicht haben, das deutlich über dem vor der
Krise liegt. Damit gehen natürlich die gute Steuerbasis,
höhere Abschlüsse bei den Löhnen und geringere Sozialausgaben einher. Ganz entscheidend ist - darauf ist hier
schon hingewiesen worden -, dass aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation in vielen anderen europäischen Ländern, der Anpassungsprozesse, die dort stattfinden, das Zinsniveau extrem niedrig, ja, unnatürlich
niedrig ist. Davon profitieren auch wir. Man kann nicht
auf der einen Seite die EZB dafür kritisieren, dass sie die
Zinsen auf ein Niveau senkt, das auf die - ich will nicht
sagen - Deflationstendenzen, aber doch die Gefahr reagiert und somit versucht, die Wirtschaft in der EU insgesamt wieder in Gang zu setzen, während wir auf der
anderen Seite dadurch Gewinne verzeichnen, dass wir
geringere Zinsausgaben haben. Das geht nicht. Ich finde,
man muss dort kohärent sein. Das heißt, wir brauchen
auf europäischer Ebene nicht nur die EZB als einzig handelnden Akteur, sondern wir müssen auch als nationale
Regierung, als nationale Parlamente unserer Verantwortung gerecht werden.
Dazu gehört dann auch ein Blick in die geänderten
europäischen Rechtsvorschriften. Hier wird zu Recht auf
die Einhaltung der Maastricht-Kriterien in ihrer Form
durch die sogenannten Twopacks und Sixpacks hingewiesen. Wir haben die Konsequenzen daraus gezogen,
dass es nicht nur um die starre Einhaltung dieser Kriterien, maximal 3 Prozent Neuverschuldung und maximaler Schuldenstand von 60 Prozent des BIP - da sind
wir deutlich darüber - geht, sondern wir haben auch makroökonomische Fragen mit in den Blick genommen, so
etwa die Frage von Ungleichgewichten in den Leistungsbilanzen. Wenn wir wegen der Haushaltsdefizite mit
dem Finger auf Frankreich zeigen, mahne ich auch an:
Ja, Frankreich muss sich strukturell reformieren und zusehen, dass alle Steuereinnahmen, die möglich sind,
auch generiert werden. Ich sage das auch mit voller Unterstützung dafür, dass das französische Parlament berechtigterweise unserer Forderung jetzt entgegengekommen ist, die Bankenabgabe nicht steuerlich abzugsfähig
zu machen. Es ist ein großer Schritt, wenn zwei europäische Länder das nicht tun und die Kosten der Finanzkrise quasi nicht den Steuerzahlern angelastet werden.
Aber ein weiterer Blick auf Deutschland gehört dazu.
Dieser weitere Blick zielt auf den Leistungsbilanzüberschuss. Wir haben uns im Rahmen der Veränderung des
Stabilitätspaktes durch das Sixpack verpflichtet, dass der
Leistungsbilanzüberschuss maximal 6 Prozent betragen
soll. Selbst das geht auf Dauer nicht, sondern wir brauchen eigentlich einen Ausgleich. Nun sind wir in
Deutschland im vergangenen Jahr bei 7,5 Prozent gewesen. In diesem Jahr wird der Überschuss wahrscheinlich
noch höher sein. Das alles muss uns in Alarmstimmung
versetzen; denn die Schuldscheine, die wir für das bekommen, was wir heute exportieren - ich sage einmal:
den Porsche oder den BMW -, werden wir nur zurückgezahlt bekommen, wenn die anderen Länder tatsächlich
wieder auf die Beine kommen. Das werden sie nur, wenn
wir unsere Binnennachfrage und unsere Investitionen in
Deutschland stärken.
({1})
Ich als Sozialdemokrat sage - Minister Schäuble, da
haben wir einen Dissens -, die Investitionen in Deutschland sind zu niedrig, sowohl im öffentlichen Bereich als
auch im privatwirtschaftlichen Bereich. Ich habe mir das
sehr genau angesehen. Ich beziehe mich auf den Präsidenten des ZEW - er ist Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates des Bundesfinanzministeriums -, Herrn
Fuest. Er hat gesagt, wir müssten jetzt theoretisch sogar
eine höhere Verschuldung in Kauf nehmen, um mehr zu
investieren. Wir folgen an dieser Stelle seinem Rat nicht.
Aber ich finde das bemerkenswert. Schauen wir uns die
Zahlen des DIW an. Sie zeigen, dass die Infrastrukturlücke bei fast 80 Milliarden Euro liegt. Wir müssen also
deutlich mehr in den Erhalt unserer Infrastruktur investieren. Es ist richtig, dass wir mehr in Forschung investiert haben. Ich bin auch froh, dass die Unternehmen dies
tun. Das ist ein großer Unterschied zu Italien zum Beispiel, wo die Unternehmen fast nicht in den Forschungsbereich investieren.
Gerade als Transitland müssen wir eine exzellente Infrastruktur zur Verfügung stellen. Da nagt der Zahn der
Zeit. Das ist nicht so sehr in meinem Heimatbundesland
Thüringen der Fall; da ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten sehr viel investiert worden. Aber wenn ich den
Blick auf Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder andere Bundesländer werfe, dann sehe ich den Nachholbedarf. Wir werden zusätzliche Mittel in die Hand nehmen
müssen, um die Infrastruktur in Deutschland auf dem exzellenten Niveau zu halten, das wir als entwickelte
Volkswirtschaft letztendlich brauchen.
({2})
Der erste Schritt dazu ist, dass wir zusätzlich 10 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung stellen. Ich
halte das für absolut richtig. Wir werden in den nächsten
Carsten Schneider ({3})
ein bis zwei Monaten entscheiden, wie wir diese Mittel
einsetzen werden.
Der zweite Schritt ist, dafür Sorge zu tragen, dass die
Unternehmen mehr investieren. Wir haben derzeit die
Situation, dass die kleinen und mittelständischen Unternehmen Beschäftigung aufbauen und dass sie zusätzliche Investitionen in Deutschland voranbringen, dass es
aber gerade im Bereich der Großunternehmen keinen
Anstieg bei den Nettoinvestitionen gibt. Das hat viel damit zu tun, dass diese Unternehmen im Ausland neue Fabriken aufbauen. Beispielsweise investiert BASF fast
1 Milliarde Euro in den USA. Unternehmen wie VW gehen verstärkt auf die ausländischen Märkte. Wir müssen
aufpassen, dass der Markt in Deutschland für die großen
Unternehmen wichtig bleibt.
Deswegen sind Themen wie das Freihandelsabkommen und die Energieversorgung ganz zentral für die
Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass sie auch leistungsfähig
bleibt, damit sich die positive Lohnentwicklung, die wir
jetzt haben und die sich in den nächsten Jahren aufgrund
des gesetzlichen Mindestlohns noch verstärken wird,
fortsetzt. Es ist ja nicht nur so, dass der gesetzliche Mindestlohn für über 4 Millionen Menschen - da zitiere ich
Thomas Oppermann - die größte Lohnerhöhung sein
wird, die sie je bekommen haben, sondern auch die anderen Löhne werden nachziehen und zu einer höheren
Binnennachfrage führen. Das unterstützen wir; denn das
ist richtig. Ich hoffe, dass die Gewerkschaften auch höhere Löhne durchsetzen werden.
({4})
Der Kollege Troost - das ist meine letzte Bemerkung hat die Bund-Länder-Finanzbeziehungen angesprochen.
Darüber verhandeln wir gerade in der Koalition. Ich
glaube, dass die Union klären muss, was sie tatsächlich
will. Man kann nicht sagen, dass es sich bei unseren Vorschlägen um eine Steuererhöhung handelt - eine entsprechende Äußerung des bayrischen Finanzministers habe
ich heute in der Zeitung gelesen -, wenn die Summe der
Steuereinnahmen gleich bleibt. Das erschließt sich mir
nicht. Das ist bayrische Mathematik; vielleicht wird Mathematik in Bayern anders gelehrt. Ich kann das jedenfalls nicht erkennen.
Wir sind der Auffassung: Wir brauchen einen leistungsfähigen Staat. Wir brauchen die Mittel, die durch
den Soli eingenommen werden. Das sind 19 Milliarden
Euro.
({5})
Die frei verfügbare Finanzmasse des Bundeshaushalts
sind jährlich etwa 30 Milliarden Euro. Die 20 Milliarden
Euro, die wir im Jahr 2020 zur Verfügung haben - 2019
sind es 19 Milliarden Euro -, können also gar nicht wegfallen; es sei denn, man würde die Mütterrente, die in
2019 6 Milliarden Euro pro anno kostet und die wir im
Moment noch nicht aus dem Haushalt finanzieren, wieder rückgängig machen
Herr Kollege Schneider.
- oder man würde die Ausgaben für die sozialen Sicherungssysteme kürzen. Aber das wollen wir Sozialdemokraten nicht. Herr Präsident, Sie wollen das sicherlich
auch nicht.
Ich komme zum Schluss und sage: Ich hoffe auf einen
zügigen Klärungsprozess und darauf, dass wir diese
wichtige Frage der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zügig und schnell in dieser Legislaturperiode klären können.
Danke.
({0})
Ich verstehe ja, dass alle Haushaltspolitiker die Positionen im Bundeshaushalt möglichst alle der Reihe nach
einzeln erläutern wollen. Das wird aber im Rahmen der
verfügbaren Beratungszeit technisch nicht machbar sein.
Deswegen werden wir uns immer wieder ein bisschen
zwischen dem Erläuterungsbedürfnis und dem verfügbaren Zeitrahmen disziplinieren müssen.
Nun hat der Kollege Lindner das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man hört ja in
dieser Debatte alle möglichen Begriffe: Es ist die Rede
vom Beginn einer neuen Ära oder von einer historischen
Leistung. Da muss man sich doch mal im Detail anschauen - ich bin dem Kollegen Kahrs für seine entlarvende Ehrlichkeit fast schon dankbar -, was denn tatsächlich passiert: Sie haben, liebe Kolleginnen und
Kollegen, die Ausgaben und damit im Wesentlichen die
Struktur dieses Haushalts konstant gehalten - man
könnte auch sagen: Sie haben nichts gemacht -; gleichzeitig haben Sie auf steigende Steuereinnahmen gewettet. Deswegen kommen Sie bei ökonomischem Schönwetter, in Zeiten, wo es diesem Land gut geht, am Ende
bei null neuen Schulden heraus. Eine Großtat, meine Damen und Herren, ist das nicht.
({0})
Wenn wir über ökonomisch gute Zeiten reden, dann
sollten vor allem Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen
aus der Unionsfraktion, bedenken, warum es Deutschland heute ökonomisch so gut geht. Das liegt nämlich im
Wesentlichen an den mutigen Entscheidungen vieler mutiger Frauen und Männer vor zehn Jahren hier in diesem
Plenarsaal, die mit wichtigen Reformen in diesem Land
einige Strukturen verändert haben, das liegt nicht an der
Arbeitsverweigerung der CDU/CSU, die seit 2005 in
diesem Land Verantwortung trägt.
({1})
Lieber Herr Schäuble, Sie haben hier heute Morgen
versucht, einen Disput aufzumachen, der so gar nicht besteht. Es geht nicht darum, dass Sie keine neuen Schulden wollen und die Opposition, wir Grüne, etwa neue
Schulden machen würden. Ganz im Gegenteil, wir haben
Ihnen in diesen Haushaltsberatungen dezidiert dargelegt,
wie wir unsere Schwerpunkte finanzieren würden: wo
wir Ausgaben streichen würden, wo wir priorisieren
würden, wo wir umweltschädliche Subventionen kürzen
würden. Es geht darum, wie Sie zu null neuen Schulden
kommen. In der Tat befindet sich in Ihrem Haushalt eine
ganze Menge an Nullen: Es gibt null Fortschritt dabei,
dass wir bei den Bildungs- und Forschungsausgaben irgendwie einmal aus dem Bereich unterhalb des OECDDurchschnitts herauskommen. Das ist eine Null, die Sie
in Ihrem Haushalt haben. Es gibt null Fortschritt, wenn
es darum geht, den Verfall unserer öffentlichen Infrastruktur zu verhindern. Das ist eine Null, die Sie in Ihrem Haushalt haben. Und es gibt null Anstrengungen
dafür, sicherzustellen, dass es den Menschen in Deutschland auch noch in 10, 15 oder 20 Jahren ökonomisch gut
geht. Das sind die Nullen in Ihrem Haushalt, meine Damen und Herren.
({2})
Heute Morgen wurde an Franz Josef Strauß erinnert,
an die Zeit vor über 40 Jahren. So sieht, muss man ehrlich sagen, leider auch die Energiepolitik aus, die sich in
Ihrem Haushalt manifestiert: Sie halten mit Ihren Entscheidungen an Kraftwerken fest, die zu einem Zeitpunkt in Betrieb genommen wurden, als Sepp Herberger
noch Trainer der deutschen Fußballnationalmannschaft
war. Das ist es, was Ihren Haushalt unter anderem auch
zukunftsvergessen macht.
({3})
- Nichts gegen Sepp Herberger, da haben Sie voll und
ganz recht, Herr Kollege Oppermann; aber ich habe etwas gegen eine Energiepolitik aus der Zeit von Sepp
Herberger,
({4})
und leider haben Sie mit diesem Haushalt, was eine andere Energiepolitik betrifft, nicht geliefert.
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, wenn ich mir Ihren Haushaltsplan so anschaue,
dann fühle ich mich fatal an ein Projekt der letzten Großen Koalition erinnert, an den Versuch, die Deutsche
Bahn an die Börse zu bringen. Da hat man nicht nach
links und nicht nach rechts geschaut und dieses Unternehmen auf Rendite optimiert und dabei das Schienennetz fast verrotten lassen. Was machen Sie mit dem Bundeshaushalt 2015? Sie schauen in Ihrem Haushalt auf
den Fetisch Nettokreditaufnahme und fahren dabei dieses Land auf Verschleiß.
({6})
Lieber Wolfgang Schäuble, in gewisser Art und Weise
sind Sie der Hartmut Mehdorn der deutschen Finanzpolitik.
({7})
Ich glaube, das lässt sich auch an Ihren eigenen Ansprüchen nicht messen.
({8})
Wir Grüne haben in diesen Haushaltsberatungen gezeigt, dass eine Haushaltspolitik ohne neue Schulden
möglich ist, mit den richtigen Schwerpunkten.
({9})
Wo wir diese setzen würden, das werden wir mit Ihnen
in den kommenden Tagen noch Ressort für Ressort
durchgehen. Vielleicht verbessert sich dann bis Freitag
auch noch etwas an Ihrem Haushalt; wir geben Ihnen zumindest die Möglichkeit dazu.
Herzlichen Dank.
({10})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Norbert
Brackmann für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Lieber Kollege Lindner, es bleibt dabei: Die
schwarze Null ist eine historische Leistung. Sie ist es,
weil wir das erste Mal seit 46 Jahren so haushalten, dass
sich Einnahmen und Ausgaben decken. Wir machen
endlich Schluss damit, Schuldenmachen für normal zu
halten. Jahrzehntelang wurde geglaubt, dass Demokratie
und Schulden zusammengehören.
({0})
Noch immer meinen einige Experten aus Wirtschaft und
Wissenschaft, Schuldenmachen sei nötig, um das politische Leben und die Wirtschaft am Laufen zu halten.
Heute, meine sehr verehrten Damen und Herren, beweisen wir das genaue Gegenteil.
({1})
Wir demonstrieren, dass eine Demokratie ohne neue
Schulden auskommen und gleichzeitig eine leistungsfähige Wirtschaft organisieren kann, und das, ohne in die
Taschen der Bürger zu greifen oder auf Kredite angewiesen zu sein.
Wir haben tatsächlich gespart. Der Haushalt 2015
sieht Ausgaben von 299,1 Milliarden Euro vor. Lieber
Herr Kollege Lindner, ich weise darauf hin: Das ist uns
nicht zugefallen. Wir haben 2012 noch 306,8 Milliarden
Euro ausgegeben, 2013 noch 307,8 Milliarden Euro, und
trotz aller Preissteigerungen, Tarifsteigerungen usw. geben wir 2015 nur 299,1 Milliarden Euro aus. Das ist der
Beleg für eine aktive Sparpolitik, die von dieser Regierung betrieben wird.
({2})
Die Situation ist günstig. Die Beschäftigung - darauf
wird, wie ich meine, viel zu wenig eingegangen - ist die
höchste, die wir in der Bundesrepublik je hatten. Wer,
wenn nicht wir in dieser Großen Koalition, wann, wenn
nicht jetzt, soll ohne neue Schulden auskommen?
Wir sind mit dieser Politik glaubwürdig. Wir halten
Wort. Seit der Wirtschafts- und Finanzkrise führen wir
die Neuverschuldung des Bundeshaushalts Jahr für Jahr
zurück. 2009 lag sie noch bei 44 Milliarden Euro, 2011
bei 17,3 Milliarden Euro, 2012 bei 22,5 Milliarden Euro,
2013 bei 22,1 Milliarden Euro. In diesem Jahr erreichen
wir hoffentlich eine Neuverschuldung von 6,5 Milliarden Euro, und 2015 schreiben wir die Null. Keine Neuverschuldung mehr - das ist der klare Kurs des Bundesfinanzministers Schäuble und der Großen Koalition.
({3})
Damit sind wir Vorbild für ganz Europa. Im Koalitionsvertrag haben wir 2013 das Ziel vereinbart, die Staatsverschuldung in den nächsten Jahren auf 60 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts zurückzuführen und damit die
europäischen Verpflichtungen aus dem Fiskalvertrag zu
erfüllen. Bis 2017 wollen wir die Staatsverschuldung auf
unter 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bringen. Mit
einer Staatsverschuldung von 82 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sind wir 2010 gestartet, 2011 waren es
80 Prozent, 2012 81 Prozent, 2013 78,4 Prozent; in diesem Jahr werden es 75,1 Prozent sein, und im nächsten
Jahr wird die Zahl noch weiter sinken. Wir sind also auf
dem richtigen Weg. Die schwarze Null ist der nächste
Schritt, um diesen Weg erfolgreich weiterzugehen,
meine sehr verehrten Damen und Herren.
({4})
Mit diesem Haushalt schaffen wir Vertrauen in Investitionen. Bei der Einführung der Schuldenbremse im
Jahr 2009 wurde ihre konjunkturelle Unverträglichkeit
kritisiert; angeblich würde sie das Wirtschaftswachstum
begrenzen. Deutschland hat sich seitdem zur Wachstumslokomotive in Europa entwickelt. Die Wirtschaft
zeigt sich nach wie vor stabil. Bis 2016 sollte das strukturelle Defizit auf 0,35 Prozent des BIP zurückgeführt
werden. Schon 2015 soll das strukturelle Defizit minus
0,01 Prozent betragen. Damit wäre der Haushalt strukturell schon mehr als ausgeglichen. Wir befinden uns auf
einem vernünftigen Zukunftsweg.
Die Finanzplanung sieht bis 2018 jedes Jahr einen
ausgeglichenen Haushalt vor. Das bringt der Wirtschaft,
den Bürgern, den Ländern und Kommunen gleichermaßen Stabilität und Planungssicherheit. Es gilt noch immer: Ohne Vertrauen gibt es keine Investitionen.
Die schwarze Null bedeutet aber nicht nur keine
Schulden und Solidität. Sie ist vielmehr Voraussetzung
für die Finanzierung wichtiger Zukunftsausgaben, und
das gleich zweifach. Zum einen müssen Zinsen natürlich
nur für Schulden bezahlt werden. Keine neuen Schulden
bedeuten also: keine neuen Zinsen. Zum anderen hat die
allgemeine Zinsentwicklung, aber mehr noch das Vertrauen in den Standort Deutschland dazu geführt, dass
uns Investoren zu sehr günstigen Konditionen - das
weltweit geringste Zinsniveau, deutlich besser als in den
anderen Ländern Europas - Geld gegeben haben.
Insgesamt muss der Bund 2015 rund 25,6 Milliarden
Euro für Zinsen ausgeben, 2009 waren es noch 38,1 Milliarden Euro. Die gesunkenen Zinsausgaben verdanken
wir unserer soliden Haushaltspolitik.
({5})
Allein gegenüber 2009 sparen wir jährlich über
12,5 Milliarden Euro an Zinsausgaben.
({6})
Das ist das Ende der Schuldenpolitik. Das ist der Neuanfang einer soliden Zukunftspolitik. Das ist der Erfolg
dieser Großen Koalition.
({7})
Wir stärken Deutschland als Wissenschaftsstandort
durch Investitionen in Bildung und Forschung; denn wir
müssen an die Zukunft denken. 13,3 Milliarden Euro haben wir in den Jahren 2010 bis 2013 zusätzlich in Bildung
und Forschung investiert. In dieser Legislaturperiode
werden wir noch einmal 3 Milliarden Euro zusätzlich investieren. Allein im Haushalt 2015 steigern wir die Ausgaben dazu um zusätzlich 1 Milliarde Euro auf knapp
15,3 Milliarden Euro. Damit steht Deutschland derzeit
mit an der Spitze der internationalen Forschungsinvestitionen. Wenn Sie hier etwas anderes behaupten, Kollege
Lindner, dann haben Sie eine selektive Wahrnehmung.
({8})
Wir werden auch die berufliche Bildung in den Vordergrund stellen; denn Innovationen alleine reichen nicht
aus, sie müssen in der Wirtschaft auch kompetent umgesetzt werden. Das macht den Wirtschaftsstandort
Deutschland aus. Deshalb ist es vernünftig, unsere Stärken weiter zu stärken.
Neben Bildung und Forschung werden wir in die digitale Infrastruktur investieren. Mit der schnellen Breit6428
bandtechnologie werden wir zukünftig unsere Infrastruktur weiter stärken und unsere Wirtschaft besser
vernetzen. Wir investieren heute klug in die Bereiche,
die unsere wirtschaftliche Zukunft und damit Steuereinnahmen garantieren.
Im Haushalt 2014 lagen die Investitionen noch bei
25,5 Milliarden Euro. Im Jahr 2015 werden die Investitionen auf 26,453 Milliarden Euro angehoben. Das
10 Milliarden Euro schwere Investitionspaket wird ab
2016 weiterhin finanziellen Spielraum für Investitionen
geben: für Investitionen in Infrastruktur und in die wichtigen Bereiche Energieeffizienz in Gebäuden und energieoptimiertes Bauen. Wir haben damit den Haushalt
nachhaltig konsolidiert, ohne die notwendigen Investitionen zu vernachlässigen.
Die schwarze Null ist Realität und wird in den kommenden Jahren zur Normalität. Das ist Ausdruck unserer
Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen
und unserer Verantwortung gegenüber den Steuerzahlern.
Vielen Dank.
({9})
Hans-Ulrich Krüger erhält nun das Wort für die SPDFraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! „Gestalten und verantwortungsbewusst sparen“, dieses Motto haben wir uns zu Beginn der Haushaltsberatungen gegeben. Wir haben es bis zum heutigen
Tage eingehalten. 299,1 Milliarden Euro, das ist die
Summe, die wir im nächsten Jahr ausgeben wollen;
400 Millionen Euro weniger als noch im Regierungsentwurf enthalten. Das Investitionsvolumen beträgt
26,45 Milliarden Euro.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung ein Investitionsprogramm von weiteren 10 Milliarden Euro angekündigt, welches die Haushälter in ihrer Bereinigungssitzung auf den Weg gebracht haben. Wir gehen davon
aus, dass Energieeffizienz, Gebäudesanierung und Anreize für zusätzliche private Investoren hier die Kernpunkte sein werden.
Der Haushalt 2015 stellt die Weichen in die richtige
Richtung. Allerdings muss - Carsten Schneider sprach
es schon an - in den nächsten Jahren darauf geachtet
werden, dass diese Haushaltsentwicklung bei den Menschen ankommt, und zwar auch in Form steigender Reallöhne, damit auch diese an der gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung teilhaben können und sehen: Es lohnt sich,
verantwortungsbewusst mit Finanzen umzugehen.
({0})
Wir werden mit der Bereitstellung von zusätzlichen
5 Milliarden Euro die Verkehrsinfrastruktur weiter stärken. Insgesamt steigen die Investitionen in diesem Bereich bis 2017 auf 12 Milliarden Euro. Wir werden die
Förderung von Forschung und Entwicklung mit weiteren
3 Milliarden Euro unterstützen, was beispielsweise der
Exzellenzinitiative und den Hightech-Strategien zugutekommt.
Auch das sollte an dieser Stelle nicht vergessen werden: Wir haben durch die BAföG-Reform den Ländern
und Kommunen 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, die diese frei werdenden Mittel nunmehr in Schule
und Hochschule investieren können;
({1})
daneben haben wir auch die BAföG-Sätze erhöht - beides richtige Maßnahmen, die, denke ich, ihren Segen
werden entfalten können.
({2})
Wir haben das Bundesteilhabegesetz im Koalitionsvertrag verankert und dort 5 Milliarden Euro zugunsten
der Kommunen festgeschrieben. 2015 und 2016 wird je
1 Milliarde Euro kommen. Ich gehe davon aus, dass wir
2017, wenn wir dieses Gesetz verabschiedet haben werden, nicht bei 1 Milliarde Euro, sondern bei mindestens
3 Milliarden Euro stehen werden. Wünschenswert wäre
es natürlich auch, wenn wir im Jahre 2017 bereits die
5 Milliarden Euro erreicht hätten. Schau’n wir mal. Wir
werden dafür arbeiten und kämpfen.
({3})
Auch der Ausbau der Kinderbetreuung liegt uns am
Herzen. Wir haben 5,4 Milliarden Euro für die Kommunen für die Betreuung der unter Dreijährigen zur Verfügung gestellt.
Das alles sind Summen, die sich sehen lassen können,
Summen, die man sich nicht kleinreden lassen sollte,
Summen, deren man sich nicht zu schämen braucht.
Es gibt natürlich noch andere Punkte, gerade auch im
Bereich der Sicherheit. Bei der Bundespolizei werden
neue Stellen geschaffen. Besseres Equipment und Fahrzeuge werden zur Verfügung gestellt. Das alles sind
Punkte, von denen wir sagen müssen: Sie kosten Geld,
aber es ist gut angelegtes Geld im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger, in unser aller Interesse: für unsere
Sicherheit.
({4})
Im Haushalt 2014 haben wir gemeinsam schon einige
Akzente zugunsten der Hilfsorganisationen - ich spreche
hier insbesondere vom THW - gesetzt. Diese Akzente
haben wir verstärkt. Ich sehe es als eine große Leistung
von uns SPD-Haushältern an, dass wir noch einiges oben
draufgelegt haben. Das war zwar im Jahre 2014 schon
beabsichtigt, ist aber bei den Organisationen - ich sage
das einmal ein wenig euphemistisch - nicht in dem gewünschten Umfang angekommen.
Wir werden dafür sorgen, dass künftig keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des THW mehr in Unterkünften ihren Dienst tun müssen, in denen das Wasser
von der Decke tropft. Anders ausgedrückt: Das Wasser
soll auch bei THW-Unterkünften aus dem Wasserhahn
und nicht durchs Dach kommen. - 27 Millionen Euro
sind vorgesehen, um marode Bausubstanz in einem kontinuierlichen Prozess in einen vernünftigen Zustand zu
versetzen.
({5})
Wir alle haben in unseren Wahlkreisen Denkmäler,
die den unterschiedlichsten Eigentümern und Institutionen gehören, die erhaltenswert sind und ein Kulturerbe
darstellen. Diese können allerdings nicht immer in dem
gebotenen Umfang mit dem entsprechenden Geld finanziert werden. Dass wir hierfür 100 Millionen Euro zur
Verfügung gestellt haben, zeigt, dass wir uns unserer
Tradition und unseres Erbes bewusst sind und dieses
auch für die Zukunft erhalten wollen.
({6})
Noch einige Sätze zum Haushalt des Bundesfinanzministers. Er ist, wie Sie alle wissen, ein verwaltungsorientierter Haushalt. 56 Prozent des Etats betreffen Personalausgaben. Hier haben wir gegenüber dem Haushalt
2014 einen Stellenzuwachs von 916 Stellen zu verzeichnen. Da dies eine hohe Zahl ist, lassen Sie mich etwas
dazu sagen: Diese 916 Stellen mehr sind die Folge der
Übernahme der Verwaltung der Kfz-Steuer zum 1. Juli
2014 durch den Zoll. Durch diese Übernahme werden
170 Millionen Euro nicht mehr zu zahlen sein, die wir
bislang im Wege der sogenannten Organleihe an die
Länder zu leisten hatten. Hier ist es also gelungen, ein
Plus von 30 bis 40 Millionen Euro für den Bundeshaushalt zu generieren - getreu dem Motto: verantwortungsbewusst sparen.
Wir haben noch eine große Aufgabe: die Kontrolle
der Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns. Diese
Aufgabe werden wir auch weiterhin beim Zoll etatisieren. Wir werden dafür sorgen, dass das entsprechende
Personal zur Verfügung gestellt wird, um den Mindestlohn nicht zu einem zahnlosen Tiger werden zu lassen.
Wir brauchen ein effizientes Instrument zur Kontrolle
der gesetzlichen Vorgaben. Das wird passieren. Dieses
Vorhaben wird vom Finanzministerium durch ein eigens
dafür zuständiges Referat flankiert, das dafür sorgen
soll, dass durch Rechtsverordnungen und effiziente Begleitung der Mindestlohn das wird, was wir wollen,
nämlich ein großer Erfolg - getreu dem Motto: verantwortungsbewusst sparen und gestalten.
Ich danke Ihnen.
({7})
Nächster Redner ist der Kollege Barthl Kalb für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Auskommen mit dem, was man einnimmt - eigentlich
sollte das selbstverständlich sein,
({0})
war es aber nicht. Die Große Koalition hat es sich zum
Ziel gesetzt, die heute als historisches Ereignis gefeierte
schwarze Null wieder zu einer Selbstverständlichkeit zu
machen.
Die schwarze Null wurde oft ins Auge gefasst. 1999
sagte Hans Eichel: Die Bundesregierung will so schnell
wie möglich einen Haushalt ohne neue Schulden vorlegen. - 2008 Peer Steinbrück: Ab dem Haushaltsjahr 2011
wird der Bund keine neuen Schulden aufnehmen. - Es
ist immer anders gekommen. Wir kennen die Gründe dafür; das ist keine Schuldzuweisung. Ich weiß auch, dass
Theo Waigel 1989/90 knapp davor war, einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können. Dann kam aber
- ich sage: Gott sei Dank - die Wiedervereinigung. Sie
hat uns vor neue, große Herausforderungen gestellt. Ich
sage hier 25 Jahre später freimütig: Ich empfinde es noch
immer als Glück und als Segen, dass die Teilung unseres
Landes mit Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl friedlich überwunden werden konnte.
({1})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ab 2015
wollen wir auf Dauer mit dem auskommen, was wir einnehmen, und das ohne Steuererhöhungen.
({2})
Sicher hat die Opposition recht, wenn sie sagt, dass wir
Glück haben, weil wir weniger Zinsen zahlen müssen
usw.; aber - das ist vorhin schon dargestellt worden auch das drückt aus, dass die internationale Finanzwelt
Vertrauen hat in die deutsche Wirtschaft und die deutsche Politik. Insofern ist auch das ein Ertrag unserer guten Arbeit, die in Deutschland geleistet wird - neben der
guten wirtschaftlichen Entwicklung, die wir vorzuweisen haben, neben dem Höchststand an versicherungspflichtig Beschäftigten und Erwerbstätigen.
Dies alles macht aber noch keinen ausgeglichenen
Haushalt. Dazu gehört auch die Ausgabendisziplin.
Dazu wiederum gehört, dass man der Versuchung widersteht, dass man dem Druck widersteht, der aufgebaut
wird mit dem Ziel, dass man an anderer Stelle großzügig
ist. Die unionsgeführten Bundesregierungen haben in
den vergangenen Jahren bei steigenden Einnahmen konsequent strikte Ausgabendisziplin gewahrt. Diese Ausdauer wird nun belohnt.
({3})
Wir können am Freitag dieser Woche einen ausgeglichenen Haushalt verabschieden, ohne dass Investitionen
in die Zukunft unseres Landes auf der Strecke bleiben.
In der mittelfristigen Finanzplanung bereits haben wir
alle zentralen Vorhaben des Koalitionsvertrags berücksichtigt: Wir stärken Bildung und Forschung, wir inves6430
tieren mehr in Infrastruktur, und wir entlasten unsere
Kommunen und schaffen auch dort Investitionsspielräume.
({4})
Darüber hinaus treffen wir bereits im Bundeshaushaltsplan 2015 die Vorkehrungen für zusätzliche Investitionsmaßnahmen in den Jahren 2016, 2017 und 2018;
dafür ist Vorsorge getroffen. Das ist auch ein Ausdruck
von Verlässlichkeit und Berechenbarkeit. Zentrale Zukunftsvorhaben wie die Steigerung der Energieeffizienz,
die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur und der
Breitbandausbau werden dadurch beschleunigt vorangebracht. Der Bundeshaushalt 2015 schafft Vertrauen: Vertrauen der Bevölkerung und der Wirtschaft in die Politik
der Bundesregierung, aber auch Vertrauen unserer europäischen Partner in die Bundesrepublik Deutschland.
({5})
Wir sollten die Wirkung dieses Vertrauens auf die
gesellschaftliche Stabilität und das wirtschaftliche Wachstum nicht unterschätzen. Vertrauen und öffentliche Investitionen sind wichtige Grundlagen für wirtschaftliches Wachstum, aber nicht die einzigen. Wir müssen ein
innovationsfreundliches Klima erhalten und es weiter
stabilisieren. Dazu wollen wir verstärkt Mut zur Gründung und zum Unternehmertum vermitteln und die dafür
nötigen Rahmenbedingungen weiter verbessern. Eine
zentrale Aufgabe ist dabei die Stärkung der Versorgung
mit Wagniskapital. Ich weiß, wir haben hier etwas andere Verhältnisse als in den Vereinigten Staaten von
Amerika; auch das gilt es zu berücksichtigen. In Kürze
werden wir den öffentlichen Investitionszuschuss - dem
dient ein Gesetzgebungsvorhaben - von der Steuer befreien. Weitere Maßnahmen zur Unterstützung von
Wachstumsunternehmen werden folgen.
Eine weitere Herausforderung für unsere Wirtschaft
ist der demografische Wandel. Auch hier müssen wir die
entsprechenden politischen Antworten geben: Erhöhung
der Flexibilität des Arbeitsmarktes und Steigerung der
Beschäftigungsquote; keine Frage. Ab sofort müssen wir
wieder verstärkt Anreize setzen, damit das Arbeitskräftepotenzial erhöht werden kann. Um für Fachkräfte
attraktiv zu bleiben, muss Deutschland bei der Steuerbelastung der Leistungsträger - ich nenne hier insbesondere die Mittelschicht - eine Neujustierung des Systems
vornehmen; das Stichwort lautet: Abmilderung der Wirkung der kalten Progression. Ich persönlich würde mir
wünschen, dass wir unsere Kräfte bündeln und uns in
den nächsten Jahren einen Spielraum erarbeiten, damit
wir eine strukturell angelegte Steuerreform - Stichwort:
Mittelstandsbauch - angehen können. Ich weiß, das ist
eine gewaltige Herausforderung, weil es hier um enorm
große Summen geht.
({6})
Wir haben, meine sehr verehrten Damen und Herren,
auch international erhebliche Fortschritte und Erfolge
dank des enormen Einsatzes unseres Bundesfinanzministers erzielen können - auf europäischer Ebene,
aber auch im Rahmen der G 20 -, insbesondere wenn es
um Gewinnvermeidung und Gewinnverlagerung geht;
ich meine die sogenannte BEPS-Initiative. Herr Bundesfinanzminister, ganz herzlichen Dank für Ihren unermesslichen Einsatz auf diesem Gebiet! Ich weiß, wie
schwierig und hart das alles ist. Wir müssen es schaffen,
dass Steuern dort gezahlt werden, wo ein Unternehmen
tatsächlich wirtschaftlich tätig ist.
Ich hätte gerne noch zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen gesprochen. Das geht leider nicht
mehr, weil meine Redezeit nicht reicht; sonst würde mir
der Herr Präsident den Saft abdrehen.
Nein, er würde freundlich an die abgelaufene Redezeit erinnern.
({0})
Ja, Herr Präsident. Wir in Bayern reden da immer etwas deutlicher und kommen auch mit etwas kräftigeren
Ausdrücken gut voran.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will
zum Abschluss sagen: Der Bundeshaushalt ist sehr solide; das ist von meinen Vorrednern schon dargestellt
worden. Er ist nicht künstlich schöngeredet. Die Politik
der unionsgeführten Bundesregierung steht für Vertrauen, Gerechtigkeit und Verantwortung. Das spiegelt
sich im Haushalt 2015 wider. Wir werden ihm gerne und
aus Überzeugung zustimmen.
({0})
Letzte Rednerin zum diesem Einzelplan ist die Kollegin Kiziltepe für die SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Herr Minister Schäuble! Die heutige finanzpolitische
Debatte ist unter zwei Gesichtspunkten zu betrachten:
Einerseits sieht man, wenn man in die Geschichte des
Bundeshaushalts schaut, die erste schwarze Null seit
1969. Dabei ist, wie Bundesfinanzminister Schäuble in
der ersten Haushaltslesung sagte, die schwarze Null keineswegs Selbstzweck. Deshalb wollen wir auch in die
Zukunft blicken: auf die künftigen Herausforderungen.
Mit einem ausgeglichenen Haushalt sind nicht alle
Probleme verschwunden. Nein, es stellen sich auch weiterhin die Fragen: Wie fördern wir das Wirtschaftswachstum? Wie verteilen wir unseren Wohlstand gerechter?
Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise hat auch
Auswirkungen auf Deutschland. Wir sind nun einmal
keine Insel der Glückseligen. Deshalb haben wir immer
wieder mit schwachen Konjunkturdaten und auch mit einem sich eintrübenden Wirtschaftswachstum zu kämpfen.
Will man in solch einer Situation die Finanzkraft des
Staates und den Sozialstaat sichern sowie die Wirtschaft
am Laufen halten, dann muss der Staat seine Investitionstätigkeit ausweiten. Das sagt die SPD schon seit
langem, und endlich haben wir dafür gesorgt, dass genau
das in diesem Haushalt und auch in den kommenden
Haushalten berücksichtigt wird.
({0})
Die 10 Milliarden Euro, die innerhalb des Investitionspakets für die Jahre 2016 bis 2018 kommen, werden
einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den anhaltenden
Substanzverzehr, den wir in Deutschland schon seit Jahren erleben, aufzufangen. Das Geld wird auch für
Wachstumsimpulse sorgen, und in den nächsten Jahren
wird es vor allen Dingen darauf ankommen, diese Investitionsleistung zu verstetigen und auszubauen.
({1})
Verschiedene Studien rechnen uns immer wieder vor,
welchen Investitionsrückstand wir haben. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau geht allein im kommunalen Bereich von einem Investitionsstau von 118 Milliarden
Euro aus. Andere Institute sagen, dass die Investitionslücke beim Bestand jährlich um 10 Milliarden Euro steigt.
Was zeigt uns das? Das zeigt uns, was zu tun ist.
Die Finanzpolitik auf Bundesebene ermöglicht uns
Mehrausgaben für Investitionen - das ist auch gut so bei gleichzeitig ausgeglichenem Haushalt. Von dieser Situation können viele Kommunen nur träumen; sie schaffen das nicht. Deshalb ist es richtig, die Städte und Gemeinden zu entlasten, wie es dieser Haushaltsentwurf
auch tut. Im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes werden die Kommunen jährlich um rund 1 Milliarde Euro
entlastet. Weitere Entlastungen - auch für die Länder sind ebenfalls vereinbart worden, zum Beispiel - das
wurde hier auch genannt - durch die Übernahme des
BAföG durch den Bund,
({2})
durch ein stärkeres Engagement beim Kitaausbau und,
und, und.
({3})
Die gesamte Haushaltswoche steht unter dem Oberbegriff „schwarze Null“. Auch wenn ich keine schwäbische Hausfrau bin, finde ich es schon beachtlich,
({4})
die Neuverschuldung von 44 Milliarden Euro im Jahr
2010 auf nun 0 Euro zu senken. Damit das aber so bleibt,
dürfen wir nicht nachlassen; denn der Staat ist strukturell
unterfinanziert.
Wir müssen die Einnahmen stabil halten. Wenn wir
die richtigen Lehren aus dem hohen Investitionsbedarf
ziehen, dann werden wir nicht einfach darauf hoffen,
dass die Steuereinnahmen weiterhin wachsen. Die aktuelle Steuerschätzung hat auch schon gezeigt, dass
diese leicht rückläufig sind.
In der steuerpolitischen Debatte hören wir immer
wieder den Begriff der kalten Progression. Natürlich gibt
es sie bei Inflation, und wir müssen uns überlegen, wie
das an anderer Stelle kompensiert werden kann.
Keiner in diesem Haus wird mir widersprechen, wenn
ich sage, dass wir untere und mittlere Einkommen entlasten müssen. Wenn wir dies tun wollen, dann dürfen
wir aber auch über die Besteuerung großer Einkommen
und Vermögen nicht schweigen.
({5})
Wer Wohlstand gerechter verteilen will, der darf über die
Vermögensbesteuerung nicht schweigen,
({6})
sonst wird die schwarze Null ganz schnell wieder verschwinden.
({7})
Wenn wir uns die Besteuerung großer Einkommen und
Vermögen anschauen, also den Spitzensteuersatz, die
Erbschaftsteuer und auch die Vermögensteuer, dann
müssen wir auch da hinschauen, wo es diesen enormen
Reichtum gibt.
({8})
Eine aktuelle Studie der UBS, Union de Banques
Suisses, zeigt, dass in Deutschland fast 20 000 Multimillionäre, also Menschen mit einem Vermögen von
24 Millionen Euro und mehr, leben. Die Zahl an sich ist
noch nicht aussagekräftig. Aber wenn man sie ins Verhältnis setzt, erkennt man: Es sind 0,02 Promille der Bevölkerung, die 22,6 Prozent des Vermögens in Deutschland besitzen. Das ist schon bemerkenswert. Interessant
ist in diesem Zusammenhang auch, wie diese Vermögen
zustande kommen, nämlich 28 Prozent ausschließlich
durch Erbschaften und 31 Prozent zum Teil aus Erbschaften. Diese superreichen Deutschen geben jährlich
mehr als 3 Milliarden Euro alleine für Schmuck und
Jachten aus. Die Ausgaben für Kaviar und Champagner
sind da noch nicht eingerechnet.
({9})
Alleine der Konsum dieser beiden Luxusgüter beträgt
ein Drittel der Höhe des jährlichen Investitionsstaus in
Deutschland.
({10})
Dieser Vergleich soll zeigen, dass mehr Investitionen
- da sind wir uns ja mit Bundesminister Schäuble einig und das gleichzeitige Festhalten an der schwarzen Null
nur mit einer gerechteren Besteuerung gelingen können.
Vielen Dank.
({11})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nun zu den Abstimmungen, und zwar
zunächst über den Einzelplan 08 - Bundesministerium
der Finanzen - in der Ausschussfassung. Wer stimmt
dieser Beschlussempfehlung des Ausschusses zu? - Wer
stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Einzelplan mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Ich rufe auf die Abstimmung über den Einzelplan 20
- Bundesrechnungshof -, ebenfalls in der Ausschussfassung. Wer stimmt dem zu? - Wer stimmt dagegen? Niemand. Enthaltungen? - Auch niemand. Dann ist das
einvernehmlich so beschlossen.
Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt I.5:
Einzelplan 15
Bundesministerium für Gesundheit
Drucksachen 18/2814, 18/2823
Berichterstatter sind die Abgeordneten Petra Hinz,
Helmut Heiderich, Gesine Lötzsch und Ekin Deligöz.
Hierzu liegen vier Änderungsanträge der Fraktion Die
Linke sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor. Über den Entschließungsantrag werden wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen.
Auch für diese Aussprache sind interfraktionell
96 Minuten vorgesehen. - Das ist offensichtlich unstreitig. Dann können wir so verfahren.
Inzwischen haben offenkundig alle, die an dieser Debatte teilnehmen wollen, einen der wenigen freien Plätze
gefunden. Dann erteile ich der Kollegin Gesine Lötzsch
das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Gröhe, Ihr Einzelplan ist mit 12 Milliarden Euro nun wirklich nicht der größte im Bundeshaushalt. Aber auch hier greift der Finanzminister zu,
nur damit er mit der schwarzen Null in die Geschichte
eingehen kann. Wie macht er das? Er greift dazu ganz
tief in die Trickkiste.
({0})
Der Gesundheitsfonds wird über zwei Jahre hinweg um
6 Milliarden gekürzt, allerdings in diesem Jahr etwas
weniger als im vergangenen Jahr, sodass das fast wie
eine Erhöhung aussieht. Das ist keine seriöse Politik.
({1})
Was passiert? Die Krankenkassen holen sich das fehlende Geld bei den Versicherten.
({2})
Ab 1. Januar 2015 - das ist schon angekündigt und auch
in dieser Debatte angesprochen worden - verlangen die
meisten gesetzlichen Krankenkassen von ihren Mitgliedern Zusatzbeiträge. Zwar sinkt der allgemeine Beitragssatz von 15,5 auf 14,6 Prozent, aber das wird nicht ausreichen, um die Kosten zu decken. Was passiert? Die
Versicherten müssen zahlen; die Arbeitgeber werden
entlastet. Das können wir nicht akzeptieren. Das ist ungerecht, meine Damen und Herren.
({3})
Es ist doch kein Geheimnis, dass immer mehr Beschäftigte durch die Art und Weise, wie wir heute arbeiten und arbeiten müssen, krank werden. Die Zusatzbeiträge sind dabei ein weiterer Schritt zur
Entsolidarisierung der Gesellschaft. Was wir jetzt brauchen, was wir wirklich brauchen, ist endlich eine solidarische Bürgerversicherung: eine Versicherung, in die alle
einzahlen und in der die Gesundheitskosten gerechter
verteilt werden.
({4})
Neulich kam in meine Bürgersprechstunde ein ehemaliger Selbstständiger - ich denke, ein Kleinselbstständiger; über 55 -, der nach langer Zeit endlich wieder
eine Anstellung gefunden hatte. Als sein Arbeitgeber ihn
nach der Krankenversicherung fragte, marschierte er
frohgemut zur AOK und wollte aufgenommen werden.
Dort wurde ihm die Rechtslage erklärt, und er wurde natürlich nicht aufgenommen. Wir wissen das, aber für ihn
war das alles völlig unverständlich. Denn eine private
Krankenversicherung kann er sich mit einem Halbtagsjob nicht leisten.
Herr Gröhe, Sie haben sich doch so viele Gesetze vorgenommen. Sie haben ausführlich dargestellt, was Sie
alles anstoßen wollen. Ich finde, wir sollten endlich für
alle Menschen in unserem Land die Möglichkeit schaffen, sich zu versichern.
Das Statistische Bundesamt spricht von 137 000
Nichtversicherten. Ich schätze allerdings, die Dunkelziffer ist weitaus höher. Ich kann es nur noch einmal betonen: Der beste Weg, diesen Zustand zu beenden, ist die
Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung. Das
ist das Gebot der Stunde, meine Damen und Herren.
({5})
Ich möchte noch drei unserer Änderungsvorschläge
hervorheben. Die Linke will den Investitionsstau in den
Krankenhäusern auflösen. Dafür schlagen wir einen Ansatz von 2,5 Milliarden Euro für das kommende Jahr vor.
Wer in letzter Zeit einmal ein Krankenhaus besucht hat,
weiß, wie nötig das ist.
({6})
Nun hat auch der Finanzminister erkannt, dass wir in
Deutschland mehr investieren müssen. Allerdings will er
das erst ab 2016 tun, um die berühmte schwarze Null,
über die es inzwischen schon unendlich viele Kalauer
gibt, zu retten. Ich finde, in Anbetracht einer drohenden
Rezession ist eine solche Verschiebung nicht weitsichtig,
sondern fahrlässig.
({7})
Wir wollen auch die nichtkommerzielle Pharmaforschung fördern und einen Krisenfonds Ebola einrichten.
Der Chef der Weltbank hat auf einen wichtigen Fakt aufmerksam gemacht: In Nigeria haben die Behörden sehr
schnell auf den Ausbruch des Ebolavirus reagiert. Mit
13 Millionen Dollar konnten sie die Epidemie eindämmen. In Liberia, Sierra Leone und Guinea gelang das
nicht. Dort gibt es bereits über 5 000 Tote, und die Kosten für den Kampf gegen diese Krankheit schnellen in
die Höhe. Hinzu kommt, dass die ökonomische Situation
für viele Länder in Afrika dramatisch ist. Felder werden
nicht bestellt, und Experten gehen von einer Hungersnot
im nächsten Jahr aus. Der Weltbankchef sagte: Jedes
Land kann mehr tun - und sollte mehr tun. Diese Aufforderung hat die Linke aufgenommen, indem sie einen
Ebolakrisenfonds mit einem Volumen von 50 Millionen
Euro fordert.
Ich glaube, das reiche Deutschland kann und muss
mehr tun, um den Menschen in Westafrika zu helfen.
Ohne die bisherigen Bemühungen der Menschen in unserem Lande geringschätzen zu wollen: Wir müssen aber
alle gemeinsam etwas tun. Wir wissen, dass es in
Deutschland viele Menschen gibt, die das wollen. Wir
sollten diesen Willen aufgreifen.
({8})
Wir wissen, dass Ebola seit 1976 regelmäßig in afrikanischen Ländern ausbricht. Trotzdem gibt es kein Medikament gegen diese Krankheit. Das hat einen ganz einfachen Grund: Es gibt keine kaufkräftige Nachfrage. Die
Linke ist der Überzeugung: Es darf nicht dem Markt
überlassen werden, ob und welche Krankheiten bekämpft werden. Deshalb fordern wir in einem Antrag die
Förderung der nichtkommerziellen Pharmaforschung.
({9})
Wir können dem Gesundheitshaushalt nicht zustimmen. Ich will es noch einmal betonen: Wir können nicht
akzeptieren, dass für eine Obsession, die schwarze Null,
die Versicherten ihre Gesundheitskosten zunehmend selber tragen müssen. Das ist der falsche Weg.
Vielen Dank.
({10})
Vielen Dank. - Das Wort hat jetzt Helmut Heiderich,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Schön, dass Sie pünktlich zur Gesundheitsdebatte präsidieren. Meine lieben Kolleginnen
und Kollegen! Der Bundeshaushalt umfasst rund 300 Milliarden Euro. Davon entfallen auf den Gesundheitsetat
gut 12 Milliarden Euro. Darüber entscheiden neben dem
Minister im Wesentlichen die Haushälter und die Fachpolitiker. Aber Sie dürfen nicht übersehen, verehrte Frau
Kollegin Lötzsch, dass die Gesamtausgaben des Gesundheitsbereichs weit über 300 Milliarden Euro betragen, also weit höher sind als der gesamte Bundeshaushalt. Wenn Sie das alles zusammen betrachten, dann
stellen Sie fest: Das Gesundheitswesen ist ein wesentlicher Baustein unserer Gesellschaft. Darüber entscheiden
wir hier in diesem Hause.
Wir haben in den letzten Jahren erfolgreiche Arbeit
geleistet. Nach einer Allensbach-Studie von April - darauf hat der Minister schon bei der Einbringung des
Haushalts hingewiesen - sind mehr als 80 Prozent der
Bevölkerung mit der Gesundheitsversorgung in Deutschland zufrieden. In einer Umfrage der Techniker Krankenkasse von Oktober wurde ermittelt, dass sich seit
2006 das Vertrauen der Bevölkerung in das deutsche Gesundheitssystem verdoppelt hat. Vertrauen ist einer der
wesentlichen Bausteine. Deswegen können wir zu Recht
sagen, dass wir in den letzten Jahren - unter Beteiligung
vieler anderer - erfolgreiche Arbeit geleistet haben.
({0})
Wir wollen uns aber auf dem Erreichten nicht ausruhen; denn 90 Prozent der Bürger erwarten, dass wir unser
Gesundheitssystem weiter verbessern. Deswegen haben
wir in den Berichterstattergesprächen nicht nur mit dem
Ministerium und den nachgeordneten Behörden gesprochen, sondern auch mit dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten
sowie dem Bevollmächtigten für Pflege und der Drogenbeauftragten der Bundesregierung. An dieser Stelle
möchte ich der Hauptberichterstatterin ein Dankeschön
für die Vorbereitung und Durchführung dieser Gespräche
sagen. Wir haben dabei viele Erfahrungen gemacht.
Wir haben den Schwerpunkt auf die Prävention gesetzt.
Wir haben den schon im Regierungsentwurf verbesserten
Ansatz in Höhe von rund 45 Millionen Euro noch einmal
deutlich erhöht. Die erste Initiative gilt dem Aufbau einer
Präventionsstrategie gegen die Droge Crystal Meth. Wir
haben darüber bereits bei der Haushaltseinbringung debattiert. Inzwischen hat uns die Schlagzeile aufgeschreckt,
dass diese Droge auf den Schulhöfen angekommen ist.
Oder um einen der führenden Suchtmediziner Deutschlands, Roland Härtel-Petri, zu zitieren:
Der Konsum von Crystal Meth ist extrem gestiegen. … Es ist definitiv eine der gefährlichsten Drogen der Welt … Prävention ist deshalb ein ganz
wichtiges Thema.
Wir wollen durch Prävention die Nachfrage reduzieren und gleichzeitig Delikte stärker verfolgen. Wir haben
deshalb gemeinsam mit der Fraktion Die Grünen einen
neuen Haushaltsansatz bei der Drogenbeauftragten geschaffen. Wenn es eine Bestätigung dafür gebraucht
hätte, dann war es die vor etwa zwei Wochen durch die
Presse gehende Meldung, dass in Leipzig rund drei Tonnen Rohstoff zur Herstellung dieser Droge sichergestellt
wurden. Das zeigt, wie nötig unsere Initiative ist.
({1})
Die zweite Verstärkung bei der Drogenbeauftragten
dient der Prävention bei unseren Jüngsten in der Grundschule. Hier gibt es seit Jahren das erfolgreiche Programm „Klasse 2000“. Es sticht dadurch hervor, dass es
das in Deutschland am weitesten verbreitete Programm
zur Sensibilisierung von Kindern gegenüber Gewalt und
einem gesunden Leben ist. Dieses Programm setzt früh
ein, es ist nachhaltig, breit aufgestellt, wissenschaftlich
positiv evaluiert worden und wird von den Schülern und
den Schulen gerne angenommen. Deswegen wollen wir
dieses Programm weiter verstärken.
Um einmal den Mediziner Dietrich Grönemeyer zu
zitieren:
Leider steckt die Prävention bei Kindern zu oft
noch in den Kinderschuhen. Nur wenn sie erkennen, wie wichtig gute Ernährung und Bewegung
sind, können sie auch danach handeln.
Seine aktuelle Feststellung lautet:
Insgesamt sind 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen drei und 17 Jahren übergewichtig,
6 Prozent aller Kinder sogar krankhaft.
Deshalb wird, nachdem wir bereits bei der Haushaltseinbringung die Mittel für die Förderung der Kindergesundheit erhöht haben, für den Kampf gegen das Übergewicht bei Kindern noch einmal deutlich mehr Geld
bereitgestellt. Das passt auch sehr gut mit der Forderung
der Fachpolitiker zusammen, den Kampf gegen Diabetes II deutlich zu verstärken und eine gemeinsame Präventionsstrategie zu entwickeln.
({2})
Sie sehen also: Einiges von dem, was noch bei der
Haushaltseinbringung unter uns als wünschenswert diskutiert wurde, ist nach den Beratungen der Haushälter
jetzt finanziell fixiert worden.
Bei der Pflege - die Pflegeversicherung wird im kommenden Jahr die größte Verbesserung seit ihrer Einführung erfahren - haben wir eine personelle Verstärkung
ermöglicht. Es geht um die besondere Aufgabe der Ausbildung und Gewinnung neuer Pflegekräfte. Karl-Josef
Laumann hat sehr häufig darauf hingewiesen, dass wir
einem Fachkräftemangel vorbeugen müssen. Wir schaffen im Hause zusätzliche Stellen, um die Reform der
Pflegeausbildung und ein neues Pflegeberufsgesetz zu
entwickeln. Ebenso gibt es eine personelle Verstärkung
im Rahmen der Entwicklung eines Gesetzes zur Hospizund Palliativversorgung. Wir schaffen zudem die Möglichkeit, die Überwachung der Arzneimittelsicherheit zu
verbessern, indem wir auch in diesem Bereich eine personelle Verstärkung vornehmen. Ich glaube, dies alles
zeigt, dass wir dem Thema Prävention sehr viel Aufmerksamkeit widmen.
({3})
Ich will das Thema Prävention noch ein wenig ausdehnen. Der Kollege Henke hatte bei der Haushaltseinbringung so schön gesagt: Vielleicht ist Prävention die
einzige Chance, künftige Kostenbelastungen zu vermeiden. Das Problem ist allerdings, die Menschen für Prävention zu gewinnen und das Ganze so zu organisieren,
dass sie sie auch tatsächlich nutzen. - Dazu passt die gerade zitierte Umfrage der Techniker Krankenkasse. Danach sind rund 60 Prozent der Deutschen der Ansicht, jeder sei für seine Gesundheit selbst verantwortlich. Aber
rund 70 Prozent von denen, die zu dieser Erkenntnis gekommen sind, sagen selbst, dass sie aus ihrer eigenen Erkenntnis nicht genügend Konsequenzen ziehen. Das
heißt, hier ist ein breites Feld, um die Bürger dazu zu bewegen, sich selbst gesund zu halten und präventive Angebote wahrzunehmen.
({4})
Dabei sind wir in diesem Bereich bisher nicht inaktiv.
Ich will einige kurze Beispiele darstellen, solange es
meine Zeit erlaubt: Wir haben zum Beispiel im eigenen
Haus bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung das Programm „Älter werden in Balance“, das mit
3 Millionen Euro von den privaten Krankenversicherungen finanziert wird. Wir haben seit über zehn Jahren das
in Deutschland wohl bekannteste Projekt von Barmer
GEK, ZDF und Bild mit dem Titel „Deutschland bewegt
sich“. Inzwischen sind viele andere Unternehmen in
diese Initiative eingestiegen, sodass es inzwischen eine
relativ breite Unterstützung dieser Bewegung gibt. Wir
machen gemeinsam mit dem Agrarministerium das Projekt „IN FORM - Deutschlands Initiative für gesunde
Ernährung und mehr Bewegung“ und sind damit jetzt in
der zweiten Projektphase. Ich denke, dass wir das weiter
ausbauen sollten. Verschiedene Unternehmen beteiligen
sich an der Plattform Ernährung und Bewegung mit
demselben Ziel: Übergewicht zu vermeiden. Es gibt außerdem die Initiative „Zeit für Bewegung! Partnerschaften für Familien in der Kommune“, die vom Familienministerium und vom Deutschen Olympischen Sportbund
durchgeführt wird. Darüber hinaus gibt es das Deutsche
Netzwerk für Schulverpflegung, in dem inzwischen
- das habe ich überraschend festgestellt - 20 Sterneköche versammelt sind, um diesem Projekt weitere Bedeutung zu geben. - Ich glaube, wir haben genügend
Punkte, um mit dem neuen Präventionsgesetz Kräfte zu
koordinieren, Begeisterung zu wecken und bei der Bevölkerung insgesamt ein Bewusstsein für Prävention zu
entwickeln.
Zum Schluss will ich noch kurz die ganz neuen technischen Anwendungen ansprechen, die gerade durch die
Presse gehen. Das beginnt beim Fitnessarmband und
geht über den Training Tracker, die I-Watch bis hin zu
HealthKit und ähnliche Produkte. Ich glaube, auf uns
wird eine neue Diskussion über Prävention, gesundheitliche Solidarität und Nutzung moderner Anwendungen
zukommen.
({5})
Prävention wird auch in den nächsten Jahren ein spannendes Thema sein. Wir können gemeinsam daran arbeiten, es positiv weiterzuentwickeln. Wir werden uns weiterhin für die Gesundheit der Bevölkerung einsetzen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({6})
Vielen Dank. - Für Bündnis 90/Die Grünen spricht
jetzt die Kollegin Klein-Schmeink.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Anders als meine Vorredner möchte ich als
Erstes sagen: In einer Haushaltsdebatte reden wir im
Kern über Finanzen. Im Bereich des Gesundheitsministeriums, Einzelplan 15, geht es im Wesentlichen über
den Zuschuss zum Gesundheitsfonds. Dieser Zuschuss
macht 95 Prozent aller Mittel aus. Es ist doch bezeichnend, dass das bei den bisherigen Rednern der Koalition
noch keine Rolle gespielt hat.
({0})
Das verwundert uns auch nicht; denn diese Zwangsanleihe, diese Zwangsspende, die Sie kurz vor Weihnachten wieder einmal bei den Beitragszahlern erheben, ist
eine, die sich deutlich bemerkbar macht: im nächsten
Jahr mit 2,5 Milliarden Euro.
Betrachtet man die gesamte Regierungszeit der Großen Koalition, wird es sich um 8,5 Milliarden Euro
handeln. Das entspricht etwa 0,1 Prozentpunkten der
Beitragssätze. Das ist viel Geld für jeden einzelnen Beitragszahler. Man muss sich klarmachen: Die Mehrheit
der Beitragszahler hat einen Verdienst von nicht mehr als
1 500 Euro brutto. Bei ihnen statt bei den Steuerzahlern
mit breiten Schultern holen Sie sich das Geld, um Ihren
Haushalt zu sanieren. Das kritisieren wir aufs Schärfste,
und das machen wir nicht mit.
({1})
Das sind im Übrigen Gelder, die als Rücklage im Gesundheitsfonds fehlen werden, um den Anstieg bei den
Zusatzbeitragssätzen, die Sie eingeführt haben, abzufedern, was dazu führen wird, dass allein die Beitragszahler den Kostenanstieg im Gesundheitswesen bezahlen
müssen. Wir reden mit Blick auf das nächste Jahr von
über 9 Milliarden Euro Mehrbelastung, die auf den Beitragszahler zukommen. Diese Summe könnte durch einen Zuschuss zum Gesundheitsfonds natürlich erheblich
abgefedert werden; denn dann könnte sie geringer ausfallen. Insofern sprechen wir von einer echten Zwangsspende, die Sie hier kurz vor Weihnachten bei den Beitragszahlern erheben.
({2})
Es ist ganz klar: Das ist ein Verschiebebahnhof. Dieser Verschiebebahnhof hat Methode. Das Verschieben
von staatlichen Aufgaben hin zum Beitragszahler vollzieht sich auch bei der Rentenversicherung. Das erleben
wir aber auch bei den kommenden Gesetzen, die schon
als Referentenentwürfe vorliegen. Auch damit sind Kosten von etwa 350 Millionen Euro verbunden, die erneut
dem Beitragszahler zugeschoben werden. Das machen
wir nicht mit; das halten wir für eine unsoziale Politik.
({3})
Diese Politik ist aber nicht nur unsozial, sondern auch
unseriös. Den Weg einer unseriösen und unzuverlässigen
Politik - immerhin hat der Zuschuss zum Gesundheitsfonds im Gesetz immer als Zuschuss für versicherungsfremde Leistungen gestanden - setzen Sie fort, und das
finden wir falsch. Wir meinen, dass man Verlässlichkeit
darstellen muss und zu den Aussagen, mit denen man in
die Öffentlichkeit gegangen ist, auch stehen muss. Da
spreche ich Sie ganz direkt an, Herr Minister. Sie haben
versprochen, dass es zu einer breiten Entlastung der Beitragszahler zum 1. Januar 2015 kommen wird. Sie haben
versprochen, dass 20 Millionen Versicherte weniger zahlen werden als heute. Das ist ersichtlich nicht der Fall;
davon kann man nicht reden. Das war ein leeres Versprechen, und es zeigt sich: An der Stelle sind Sie extrem unseriös.
({4})
Zudem wird es in sehr schnellen Schritten dazu kommen, dass der Zusatzbeitragssatz bis 2017 auf mindestens 1,5 Prozent ansteigen wird. Das sind Kosten, die nur
die Beitragszahler tragen. Außerdem haben Sie mit Ihrer
Gesetzgebung dazu beigetragen, dass es zu einem massiven Beitragswettbewerb kommen wird. Die Kassen werden sich überbieten bzw. beim Zusatzbeitragssatz unterbieten, was dazu führen wird, dass die Solidarität im
Gesundheitswesen unterhöhlt wird. Sie legen die Axt an
unser System der Solidarität an.
({5})
Das ist kurzsichtig, das ist zukunftsvergessen; das ist
letztendlich aber auch unverantwortlich. Sie machen die
Versorgerkasse zum Auslaufmodell, das Callcenter zum
Standard - und das ausgerechnet für eine Zeit, in der wir
mehr hochbetagte Versicherte haben werden, in der wir
Kassen brauchen, die vor Ort präsent sind, die ansprechbar sind, die gute Versorgung anbieten und darin investieren. Das werden wir brauchen. Das wollen wir als
Kassenmodell. Da gehen Sie den völlig falschen Weg.
({6})
Kommen wir zu einer weiteren großen Herausforderung. Wir wissen alle, dass wir derzeit einen massiven
Zuzug von Flüchtlingen haben. Es sind Menschen in
höchster Not, Menschen, die zum Teil wirklich schwer6436
wiegende Erfahrungen gemacht haben, oft auch Kinder
und Jugendliche. Wir wissen, dass es da um die gesundheitliche Versorgung ausgesprochen schlecht bestellt ist.
Es ist ein humanitäres Armutszeugnis, dass wir in
Deutschland diesen Schutzsuchenden nur eine minimale
Gesundheitsversorgung bieten, dass nur die Behandlung
im Notfall und bei Schmerzzuständen vorgesehen ist,
dass wir für diese Menschen keine reguläre Grundversorgung im medizinischen Bereich haben. Das müssen
wir dringend ändern. Das ist eine humanitäre Aufgabe,
die vor uns steht und die wir angehen müssen.
({7})
Genau für diesen Zweck stellen wir in unserem Haushaltsmodell 490 Millionen Euro bereit. Wir wollen, dass
wir eine gute gesundheitliche Versorgung für die Flüchtlinge haben. Wir wollen die Einbeziehung in unser System der gesetzlichen Krankenversicherung möglich machen. Zusätzlich wollen wir für die Behandlung
traumatisierter Flüchtlinge 3,15 Millionen Euro bereitstellen.
So sieht unsere Art von Gesundheitspolitik aus: solidarisch und nach vorn gerichtet, menschlich. Das, denke
ich, wäre die Aufgabe, der wir uns alle zusammen stellen
müssten. Wir müssten schauen: Was müssen wir tun, um
den Kitt zu erhalten, der unsere Gesellschaft zusammenhält, nämlich Solidarität und Menschlichkeit? Darin
können wir investieren. Wir zeigen mit unserem Haushalt, der gut gerechnet ist,
({8})
dass das auch möglich ist und zu stemmen ist.
Vielen Dank.
({9})
Vielen Dank. - Nächste Rednerin ist Petra Hinz,
SPD-Fraktion.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Präsidentin! Man setzt sich hin, bereitet sich auf die zweite
und dritte Lesung vor, schreibt einige Eckpunkte oder
Schwerpunkte zum Haushalt auf, zu dem, was wir in der
Zeit von der ersten Lesung über die gemeinsame Beratung in den Fachausschüssen und in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses bis zur zweiten und dritten Lesung beschlossen haben, um es heute hier im
Plenum vorzutragen, um deutlich zu machen, dass wir
als Große Koalition in diesem Jahr in der Tat eine ganze
Menge auf den Weg gebracht haben.
Was dann kommt, wiederholt sich gebetsmühlenartig;
das ist nachzulesen. Wir haben in diesem Jahr viermal
über den Haushalt gesprochen, und viermal begann ich
meine Rede mit der Richtigstellung zum Thema Gesundheitsfonds. Ich werde es nicht leid, und ich werde auch
nicht müde, dies auch jetzt wieder zu tun: Diejenigen,
die uns die Argumente im Rahmen der Anhörung geliefert haben, haben sehr deutlich gemacht, dass die Reduzierung auf ein Zeitfenster bis 2016 nie dazu führen
wird, dass die Beitragssätze ansteigen werden. Mir ist
klar: Ob ich Ihnen das noch einmal sage oder nicht, Sie
hören meine Worte nicht, und Sie hören meine Argumente nicht. Ich möchte den Punkt jedoch nicht einfach
übergehen, sondern schon mit Bedauern feststellen, dass
Sie selbst das Urteil von Sachverständigen nicht zur
Kenntnis nehmen wollen. Wie heißt es so schön? Die
Wiederholung von unwahren Tatsachen ergibt noch
lange nicht die Wahrheit.
({0})
Richtig ist, dass wir bei den Beratungen zum Haushalt
2014 angekündigt haben, dass wir den Gesundheitsfonds
dauerhaft bis 2016 auf 14,5 Milliarden Euro aufstocken.
Dadurch - ich sage es noch einmal - wird kein Beitragssatz gekürzt. Alles andere, was Sie angesprochen haben,
was Zwangsspenden und Beitragsbetrug - welche Worte
Sie da auch gewählt haben - angeht, ist nicht richtig. Ich
verstehe ja, dass man Dinge, die man politisch nicht
mag, auf den Punkt bringen muss. Aber ich verstehe
nicht, warum Sie das in dieser Form vortragen, weil es
eindeutig nicht richtig ist.
({1})
Bei den Gesamtausgaben - das ist schon angesprochen worden - reden wir über 12 Milliarden Euro. Einen
sehr großen Teil macht die steuerfinanzierte Umlage im
Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung aus. Wir
werden in der Tat sehr genau hinsehen, welche Maßnahmen, welche Projekte und Aufgaben wir aus dem Parlament, aus dem Fachbereich dorthin überführen. Die werden dann nämlich dauerhaft unserer Kontrolle entzogen.
Ich bitte die Fachkolleginnen und -kollegen, wirklich ein
Auge darauf zu haben. Es mag zwar im ersten Augenblick richtig erscheinen. Aber manchmal ist es wichtig,
dass Dinge bei uns im Parlament bleiben.
Einen Hinweis, den ich bereits in der Bereinigungssitzung gegeben habe, möchte ich heute noch einmal vortragen, und zwar zum Pflege-Bahr. Ich verstehe Ihr
Ministerium, Herr Gröhe, dass bei der staatlichen Zulage, beim sogenannten Pflege-Bahr, im Rahmen des
Schätztitels ein Aufwuchs bzw. eine Anmeldung von
52 Millionen Euro vorgesehen ist. Ich verstehe allerdings nicht das Finanzministerium, das nach den Erfahrungen in 2014 in dem Bereich nicht die errechnete tatsächliche Summe etatisiert hat, sondern einen höheren
Betrag. Wir haben gemeinsam in der Bereinigungssitzung darum gebeten, dass diese Schätzzahl im nächsten
Haushalt dem Bedarf entsprechend dargestellt wird. Ich
möchte da meine Kollegin Ekin zitieren. Wir wollen den
Pflege-Bahr nicht streichen oder ihn aufgeben - inhaltlich diskutieren wir das jetzt gar nicht -, sondern wir
wollen, dass die Versicherungsnehmer sich auf unser
Wort verlassen können. Deshalb muss in diesem Bereich
der tatsächliche Wert dargestellt werden.
Petra Hinz ({2})
Wie mein Kollege möchte ich meine Ausführungen
unter drei Überschriften setzen: Pflege, Prävention und
Aufklärung, Kindergesundheit. Für diesen Bereich haben wir rund 78 Millionen Euro zur Verfügung. Da gilt
es in der Tat, sehr genau hinzusehen.
Der Pflegebereich ist eine Querschnittsaufgabe. Nicht
nur im Bereich Gesundheit diskutieren wir darüber.
Auch die Kollegin Manuela Schwesig und die Kollegin
Andrea Nahles haben im Pflegebereich mit der Ausbildung von Pflegekräften und dem Thema „Familie und
Pflege“ zu tun; wir tun das im gesundheitlichen Bereich.
Ich denke, das, was wir mit der ersten Pflegestufe im
Rahmen der Umsetzung auf den Weg gebracht haben, ist
genau der richtige Schritt. Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten jetzt im Bereich der zweiten Stufe an der
weiteren Umsetzung.
Zur Pflegeinformation. In der ersten Lesung ist von
unseren Fachkollegen sehr deutlich dargelegt worden,
wie wichtig gerade die Pflegeinformationen für die Bürgerinnen und Bürger sind. In dem Bereich stellen wir
3 Millionen Euro zur Verfügung, die wir dann auch verstetigen. Das heißt: Da wird nicht gekürzt; es wird bei
dem Betrag bleiben. Wenn Mehrbedarf besteht, sollen
die Mittel aufgestockt werden. Die Versorgung Pflegebedürftiger haben wir mit 2,9 Millionen auf den Weg gebracht.
Kommen wir zur internationalen Zusammenarbeit.
Hier ist schon mehrfach das Thema Ebola angesprochen
worden. Der Haushaltsausschuss hat einen entsprechenden Bericht vorgelegt bekommen. Herr Minister Gröhe
hat für alle Fachbereiche sehr ausführlich die Kooperation und Zusammenarbeit dargelegt. Ich bin dem Außenminister Frank-Walter Steinmeier dankbar, dass er
gemeinsam mit den Fachkollegen einen Sonderbeauftragten, Walter Lindner, eingesetzt hat. Jetzt können die
Maßnahmen gebündelt und konzentriert werden. Wir haben für diesen Bereich weitere 3,1 Millionen Euro zur
Verfügung gestellt. Man könnte natürlich einwenden,
dass man mit dieser Summe nicht viel bezwecken kann.
Das Geld muss in einem Haushaltsjahr aber auch ausgegeben werden können. Schauen wir uns einmal im Einzelplan 15 an, wofür diese 3,1 Millionen Euro eingesetzt
werden: für klinische Studien, für Ausbildungsprogramme, für medizinisches Personal usw. Genau da ist
das Geld richtig eingesetzt. In anderen Bereichen wie
dem der wirtschaftlichen Zusammenarbeit gibt es einen
wesentlich höheren Ansatz. Das gilt genauso für den Bereich des Auswärtigen.
Auch die Flüchtlingsgesundheit ist hier mehrfach angesprochen worden. Wir haben in der Tat 500 000 Euro
zusätzlich eingestellt; denn wir sehen, dass den Kommunen dringend geholfen werden muss, wenn es um die gesundheitliche Aufklärung der Flüchtlinge geht. Hier ist
die Frage zu klären, wer wofür zuständig ist. Uns ist
deutlich gemacht worden, dass in unserem föderalen
System eigentlich die Länder dafür zuständig sind. Wir
haben gemeinsam mit unseren Fachkollegen eine Möglichkeit gefunden, die Gelder bei der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung zu etatisieren, sodass für die
gesundheitliche Aufklärung der Flüchtlinge, wie gesagt,
500 000 Euro zur Verfügung stehen.
Die Haushaltsmittel für den Bereich „Förderung der
Kindergesundheit“ - machen wir uns da nichts vor - wären eigentlich 2014 ausgelaufen. Wir haben die Gelder
für diesen Bereich neu etatisiert. Mein Kollege
Heiderich hat für die Koalition schon sehr deutlich gemacht, dass Kindergesundheit und Prävention ein
Schwerpunkt für uns sind. Schon der Volksmund sagt:
Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Wir
hoffen, dass wir in den Bereichen Gesundheitsvorsorge
und gesundheitliche Aufklärung von der Kita bis zur
Schule Fortschritte erzielen. Die entsprechenden Mittel
haben wir nicht nur verstetigt, sondern auf 1,5 Millionen
Euro aufgestockt. Es geht auch um die Aufklärung bei
Adipositas, also Fettleibigkeit, von Kindern. Hier müssen wir genau schauen, wie die Kommunen ihre Finanzmittel einsetzen. Denn wer Schwimmbäder schließt, darf
sich nicht wundern, dass unsere Kinder nicht schwimmen können und dementsprechend auch keinen Sport
treiben. Das eine bedingt das andere.
Ein weiterer Aufgabenschwerpunkt in unserem Haushalt ist der Bereich Forschung. Hier werden für Ressortforschung 25,5 Millionen Euro angesetzt: für die Begleitung von Gesetzesvorhaben, für Strategien zur
Bekämpfung von Aids und für die Optimierung der Patientensicherheit, um nur einige Beispiele zu nennen.
Ein spezieller Punkt der Forschung ist die Aidsforschung. Seit 1981 ist Aids als Krankheit anerkannt. Seitdem investieren wir in die Forschung, aber auch in die
Aufklärung. Ich erinnere daran, dass wir 2014 10 Millionen Euro in die Aids-Stiftung eingezahlt haben, sodass
sie bis 2017 in der Lage ist, den Menschen, die sich
durch Blutübertragung infiziert haben, zu helfen. Jetzt
geht es darum, zu klären, wie es nach 2017 mit der Stiftung weitergeht. Für diesen Bereich haben wir 11,9 Millionen Euro angesetzt, 1,6 Millionen Euro für die Forschung.
({3})
Ein kleiner Betrag, der trotzdem erwähnt werden
muss, ist der für die World Transplant Games. Hier werden wir die Reisekosten für die deutschen Teilnehmer
übernehmen, schon zum zweiten Mal. Es ist zwar nur ein
kleiner Betrag; aber daran wird deutlich, mit welch komplexen Themen wir uns im Zuge der Haushaltsberatung
beschäftigen müssen.
Aus dem Fachbereich wurde auf die Kaiserschnittgeburten hingewiesen. Es ist richtig, dass die Zahl derer
zunimmt. Wir wissen, dass es auf diesem Gebiet zahlreiche Evaluierungen gibt. Trotzdem haben wir 250 000
Euro für eine Studie eingesetzt, mit der untersucht werden soll, in welcher Weise sich dieser Bereich verändert
hat.
Beim Drogen- und Suchtmittelmissbrauch - mein
Kollege Heiderich hat gerade noch einmal darauf aufmerksam gemacht - haben wir die Mittel weiter aufgestockt, auf 1,5 Millionen Euro. Sehr wichtig war uns die
Frage von weiteren Programmen gegen Glücksspielsucht, losgelöst aus den übrigen Programmen, damit die
Petra Hinz ({4})
einzelnen Punkte, die in diesem Bereich zur Umsetzung
kommen und etatisiert sind, für die Fachkolleginnen und
Fachkollegen entsprechend nachvollziehbar sind, damit
man sehen kann, welche Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, welche Evaluierung und welche Forschungsmittel eingesetzt werden.
Es wird weitere Veränderungen geben: Es wird neue
Mitarbeiter bzw. Geschäftsführer für das Robert-KochInstitut und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung geben, die im nächsten Jahr ihre neue Aufgabe
antreten werden. Auch in diesem Bereich haben wir - so
sage ich einmal - nicht nur national, sondern auch international einen sehr guten Namen. Immer wieder werden
Know-how und Kapazitäten des Robert-Koch-Instituts
abgefragt, gerade im Zusammenhang mit Ebola.
Ich möchte mich bei all denen, die dazu beigetragen
haben, dass der Haushalt für 2015 aufgestellt werden
kann, und die noch eine deutliche Aufstockung in den
Bereichen Pflege, Prävention und Aufklärung sowie
Kindergesundheit möglich gemacht haben, herzlich bedanken. Dies ist eigentlich der erste Haushalt der Großen
Koalition. Wir haben noch eine ganze Menge an Arbeit
auf den Weg zu bringen. Ich möchte mich bei allen ganz
herzlich bedanken: beim Minister, beim Bundesrechnungshof, beim Finanzministerium, vor allem aber bei
den Fachkolleginnen und Fachkollegen, die uns in dieser
Frage sehr deutlich unterstützen.
Vielen Dank.
({5})
Herzlichen Dank. - Für die Bundesregierung erhält
jetzt das Wort Bundesminister Hermann Gröhe.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Gerne
greife ich zu Beginn den Dank auf und erwidere ihn
herzlich. Nach intensiven Beratungen in diesem Jahr
- der Haushalte 2014 und 2015 - ist es in der Tat angemessen, der Hauptberichterstatterin, den Berichterstattern und dem Haushaltsausschuss als Ganzes Dank zu
sagen. Ich denke, wir haben in umfänglichen, in engagierten Beratungen ein Ergebnis vorgelegt, das uns auf
dem wichtigen Feld der Gesundheitspolitik nach vorne
bringt; dafür bin ich dankbar.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nun ist es
völlig normal, dass die Haushaltsdebatte der Opposition
Gelegenheit zur Kritik bietet. Was uns allen nicht weiterhilft, ist allerdings, wenn mit bewussten Verzerrungen
und Verdrehungen die Verunsicherung der Versicherten
gleichsam im Rahmen einer versuchten Märchenstunde
zum Ziel der Politik gemacht wird. So dienen Sie keinem Menschen, meine Damen und Herren von der Opposition.
({0})
Darüber hinaus zeigt Ihre Polemik gegen einen ausgeglichenen Haushalt,
({1})
Ihre Polemik dagegen, dass wir die Liquiditätsreserve einen Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts leisten
lassen, Ihre Polemik gegen das Festschreiben des Arbeitgeberbeitrags, dass Sie ein entscheidendes Grundprinzip
eines solidarischen Gesundheitswesens überhaupt nicht
verstanden haben: Es ist eine gute Wirtschaftslage, es
sind sichere, gut bezahlte Arbeitsplätze, die dazu beitragen, dass sich die Menschen in unserem Land auf ein
solidarisches Gesundheitswesen verlassen können, und
dies muss so bleiben.
({2})
Insofern ist es richtig, dass wir die Liquiditätsreserve einen Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts leisten
lassen. Ein Haushalt ohne Neuverschuldung, das ist ein
Signal der Generationengerechtigkeit, er stärkt aber eben
auch die wirtschaftliche Entwicklung und pflegt damit
gleichsam die Grundlagen, auf denen dann auch prall gefüllte Sozialkassen für die Sicherheit der Menschen in
diesem Land einstehen. Sie wissen sehr genau - Kollegin Hinz hat es noch einmal unterstrichen -, dass keinerlei Abstriche an gesundheitlichen Leistungen, keinerlei
Abstriche bei den Zuweisungen an die Krankenkassen
erfolgen. Es ist gewissermaßen so: Wie in den Jahren der
Finanz- und Wirtschaftskrise durch Unterstützung des
Steuerzahlers, ja unter Inkaufnahme von Staatsverschuldung, die Beiträge stabil gehalten wurden, damit Arbeitsplätze nicht vernichtet werden, leistet jetzt eine prall
gefüllte Liquiditätsreserve ihren Beitrag zu einer wachstumsfördernden Konsolidierungspolitik.
Gleiches gilt für das Einfrieren des Arbeitgeberbeitrags in der gesetzlichen Krankenversicherung. Auch das
soll und wird dazu beitragen, die Rahmenbedingungen
für Wachstum und Beschäftigung in unserem Land stabil
zu halten und damit die solidarische Gesundheitspolitik
dauerhaft abzusichern.
Die damit verbundene Verpflichtung, mit dem Geld
der Versicherten besonders sparsam umzugehen, nehmen wir ernst. Das haben wir unter Beweis gestellt, indem wir im Rahmen einer der ersten Gesetzgebungen
dieser Großen Koalition die Arzneimittelpreise angepackt haben. Hiermit stellen wir Sparsamkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung sicher. Das ist entscheidend und wird uns weiterhin leiten.
Wir sind auch der Überzeugung, dass ein guter Wettbewerb um Qualität und Effizienz in der Leistungserbringung im Interesse der Versicherten ist. Die Versicherten sind schlau genug, zu wissen, ob sie allein auf
den Preis schauen oder auch die Frage stellen: Ist da eine
Ansprechpartnerin, ein Ansprechpartner vor Ort? - Sie
vergleichen Leistungspakete und Preise, und das ist richtig so. Es führt zu einem Bemühen um Effizienz in der
Leistungserbringung. Das liegt im Interesse der Versicherten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben
eine Reihe von Dingen unmittelbar im ersten Jahr dieser
Koalition angepackt. Vieles ist derzeit in Arbeit; vieles
haben wir uns noch vorgenommen. Wir haben die gesetzliche Krankenversicherung insgesamt zukunftsfest
gemacht: Einerseits ermöglichen wir einen vernünftig
gestalteten Wettbewerb, andererseits stärken wir das
Qualitätsbewusstsein, indem wir die Grundlagen für ein
Qualitätsinstitut geschaffen haben, das schon im nächsten Jahr seine Arbeit aufnehmen wird. Wir haben
schließlich - das wurde bereits in diesem Jahr gesetzlich
abgeschlossen - die Rolle der Hausärzte gestärkt.
Erst unlängst haben wir an dieser Stelle das erste Pflegestärkungsgesetz beschlossen. Damit werden wir am
1. Januar des nächsten Jahres - gleichsam zum 20. Geburtstag der Pflegeversicherung - zu einer deutlichen
Ausweitung der Leistungen für Pflegebedürftige, für
ihre Angehörigen und damit auch im Interesse der Pflegenden in den verschiedenen Einrichtungen gelangen:
wirksamere Unterstützung zu Hause, passgenauere, besser an die individuellen Bedürfnisse angepasste Unterstützung in der Pflege und mehr Betreuungskräfte in unseren stationären Altenpflegeeinrichtungen.
Zugleich - auch das ist ein Stück Generationengerechtigkeit - legen wir einen Vorsorgefonds an, den wir
in Zukunft mit gut 1 Milliarde Euro pro Jahr anfüllen.
Damit leisten wir einen Beitrag dazu, dass Pflegeversicherungsleistungen ohne dramatischen Beitragsanstieg
erbracht werden können, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in höherem Umfang darauf angewiesen sind.
({3})
Aber es geht weiter: Mit einem zweiten Pflegestärkungsgesetz werden wir den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff einführen und ein individuelleres Begutachtungssystem umsetzen. In diesem Sommer und Herbst wurde
in umfangreichen Studien die Anwendung dieses Systems getestet. Dies wird nun ausgewertet. Das Jahr 2015
wird das Jahr der gesetzlichen Umsetzung sein, sodass
wir alsbald zu einer umfassenden Implementierung eines
neuen, individuelleren Begutachtungsverfahrens kommen.
Wir wollen die Verbesserungen in der Pflege mit Verbesserungen in der hospizlichen und palliativmedizinischen Versorgung in unserem Land verbinden, mit Verbesserungen dieser notwendigen Aktivitäten unserer
Pflegeeinrichtungen; sie haben hier schon eine intensive
Debatte geprägt. Ich bin sicher: Wenn es darum geht,
Schwerstkranken und Sterbenden einen Anspruch auf
menschliche Zuwendung und bestmögliche medizinische und hospizliche Betreuung einzuräumen, dann sind
wir uns in diesem Hause sehr einig.
({4})
2015 wird uns insgesamt das Thema Versorgung beschäftigen: Wie sichern wir gute Versorgung stationär
und ambulant? Das geschieht auch vor dem Hintergrund
veränderter Herausforderungen durch den demografischen Wandel: eine älter werdende Gesellschaft, mehr
chronisch und mehrfach erkrankte Menschen. Da liegt
mir, da liegt vielen von uns die gute medizinische Versorgung im ländlichen Raum besonders am Herzen. Wir
werden voraussichtlich noch im Dezember mit dem Entwurf eines Versorgungsstärkungsgesetzes wichtige Weichen stellen. Dazu gehört beispielsweise, dass man mithilfe von Strukturfonds in Gebieten mit drohender oder
vorhandener Unterversorgung tätig werden kann, dass
Anreize für eine Niederlassung geschaffen werden.
Zukünftig haben die kassenärztlichen Vereinigungen
damit die Möglichkeit, mit vielfältigen Maßnahmen,
vom Stipendium bis hin zur Niederlassungshilfe, einen
Beitrag dazu zu leisten, dass Unterversorgung erst gar
nicht entsteht und auch im ländlichen Raum angemessene, gute Verhältnisse im Hinblick auf die Niederlassung geschaffen und gestärkt werden.
({5})
Dabei tragen wir auch den Wünschen junger Studierender oder junger Ärztinnen und Ärzte Rechnung, etwa
wenn wir die Formen gemeinschaftlicher Berufsausübung - von der Gemeinschaftspraxis über das in Zukunft pflichtweise zu fördernde Netzwerk bis hin zu erweiterten Möglichkeiten von Zentren zur medizinischen
Versorgung - stärken. Wie gesagt: Dies trägt gerade den
Wünschen junger Medizinerinnen und Mediziner Rechnung.
Ich sage auch: Wir brauchen eine bessere Verteilung
von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten. Das ist allemal kein Grund zur Panikmache. Selbstverständlich
kann dazu auch der Abbau von Überversorgung beitragen. Dafür sollen die Verantwortlichen vor Ort zuständig
sein, die die jeweilige Versorgungslage im Blick haben.
Das kann einen Beitrag dazu leisten, die Versorgung in
unserem Land insgesamt zu verbessern. Es wird auch
darum gehen, dass dort, wo niedergelassene Ärzte den
Bedarf an ambulanter Versorgung nicht gewährleisten
können, die Krankenhäuser für die ambulante ärztliche
Versorgung geöffnet werden.
Nun komme ich zur Krankenhausplanung, zur Krankenhausversorgung in unserem Land. Sie wissen: Dazu
tagt eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die aller Voraussicht nach ebenfalls im Dezember ihre Arbeit abschließen und Eckpunkte vorlegen wird, die dann Grundlage
einer Gesetzgebung im nächsten Jahr sein werden.
Ohne den einzelnen Ergebnissen vorgreifen zu wollen
- die Beratungen dauern ja noch an -: Es wird darum gehen, die Länder bei der Krankenhausplanung darin zu
unterstützen, Qualität zu einem weiteren entscheidenden
Kriterium in der Krankenhausplanung zu machen.
({6})
Das ist entscheidend, um dann zu einem angemessenen,
wenn Sie so wollen, auch neuen, guten Miteinander von
gut erreichbaren Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung einerseits und der Spezialisierung in besonderen Zentren, in Häusern der Maximalversorgung in
den Universitätskliniken andererseits zu kommen.
Ein verbesserter Sicherstellungszuschlag wird dazu
beitragen, das notwendige Angebot in der Fläche zu erhalten. Dazu wird aber auch beitragen, dass wir die besonderen Leistungen, die in einzelnen Zentren, aber auch
in den Universitätskliniken erbracht werden, etwa bei
seltenen oder besonders schweren Erkrankungen, angemessen vergüten. Schon im Versorgungsstärkungsgesetz
werden wir uns des Themas Hochschulambulanzen annehmen, weil auch hier angesichts des Beitrages, den unsere Hochschulambulanzen gerade bei der Betreuung
Schwerstkranker bzw. besonders schwerer Fälle leisten,
eine Verbesserung notwendig ist.
({7})
Bei der Verknüpfung von Krankenhäusern der Grundund Regelversorgung, von Spezialeinrichtungen und nicht
zuletzt von Universitätskliniken, kommt dem Einsatz
neuer Informations- und Kommunikationstechnologien
in der Krankenhausversorgung große Bedeutung zu.
Ich habe neulich in der Universitätsklinik Dresden erlebt, wie dort die Zusammenarbeit mit kleinen Krankenhäusern in Ostsachsen organisiert ist: über die Nutzung
des Teletumorboards, über die Nutzung der Expertise bei
der Behandlung von Schlaganfallpatientinnen und -patienten. Dies sind eindrucksvolle Beispiele. Wir werden
durch die Nutzung solcher Technologien die Selbstständigkeit von Menschen gerade im hohen Alter, die unter
Herzinsuffizienz, Diabetes oder anderen Krankheiten
leiden, verbessern. Es geht um ein selbstbestimmtes,
aber eben mithilfe von Informations- und Kommunikationstechniken ärztlich begleitetes Leben. Wir werden
mit einem E-Health-Gesetz die Anwendung dieser modernen Informations- und Kommunikationstechniken in
unserem Land vorantreiben.
Schließlich freue ich mich, dass wir alsbald in diesem
Hause den Entwurf eines Präventionsgesetzes werden
beraten können. Das Thema ist heute verschiedentlich
angesprochen worden. Der Haushalt trägt im Einzelplan 15 durch den Titel für das „Nationale Kompetenzzentrum für Prävention“ bei der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung diesem Gedanken bereits
Rechnung. Wir wollen eine nationale Präventionsstrategie, an der alle Akteure mitwirken und ihren Beitrag für
eine lebens- und gesundheitsfördernde Lebensweise
- von der Kita über die Schule und den Arbeitsplatz bis
in die Altenpflege hinein - leisten. Was die gesetzliche
Krankenversicherung angeht, werden wir über die entsprechende Gesetzgebung die erforderlichen Mittel bereitstellen. Wir werden aber auch die Einbeziehung der
übrigen Sozialversicherungsträger, der privaten Kranken- und Pflegeversicherungen, in eine gemeinsame
Kraftanstrengung einbinden.
Zum Stichwort Prävention. Ich bin dem Haushaltsausschuss ausgesprochen dankbar für seine Arbeit im
Bereich der Sucht- und Drogenprävention. Denn verschiedene Nachrichten aus dem Görlitzer Park in Berlin,
die Entdeckung von knapp 3 Tonnen Grundstoff für die
Herstellung von Crystal Meth und andere Meldungen
beunruhigen uns. Dieser Fund zeigt die Wichtigkeit der
Arbeit von Marlene Mortler, für die ich ausgesprochen
dankbar bin.
({8})
Das Thema Ebola ist bereits angesprochen worden.
Wir haben im Haushaltsausschuss intensiv darüber gesprochen. Deutschland stellt sich ohne Wenn und Aber
seiner Herausforderung in diesem Bereich. Wir haben
bereits erhebliche Mittel außerplanmäßig zur Verfügung
gestellt und werden das weiter vorantreiben. Das gilt
zum Beispiel für den Bereich der Impfstoffe, konkrete
Forschungsprojekte, Training in der Region und in der
Nachbarschaft, in der auswärtigen humanitären Hilfe
und auch in der Entwicklungshilfe.
Mir ist es wichtig, heute allen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern sowie Freiwilligen der Nichtregierungsorganisationen, des Roten Kreuzes, des THW und der
Bundeswehr für ihren dringend benötigten und nicht risikolosen Einsatz herzlich zu danken. Sie bekommen
selbstverständlich materiellen Rückenwind und die notwendigen Ressourcen aus dem Bundeshaushalt. Ihnen
gilt unser aller Dank. Sie haben das verdient. Wir werden dieses Engagement weiter ausbauen.
Herzlichen Dank.
({9})
Das Wort hat jetzt Kathrin Vogler, Fraktion Die
Linke.
({0})
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Herr Minister!
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das mit der Märchenstunde würde ich nun gerne
zurückgeben, Herr Minister. Denn an manches, was Sie
da erzählt haben, muss man ein Fragezeichen anhängen.
Es ist nicht so, auch wenn es unsere Aufgabe als Opposition ist, dass wir nur Kritik üben.
({0})
Allerdings ist der von Ihnen vorgelegte Haushalt durchaus kritikwürdig, und zwar gerade an dem Punkt der
Einschnitte beim Steuerzuschuss für den Gesundheitsfonds.
Wir haben konkrete Vorschläge gemacht.
({1})
Ihnen würde sicherlich kein Zacken aus der Krone brechen, wenn Sie nur einen unserer guten Vorschläge, die
wir in den Änderungsanträgen vorgelegt haben, aufnehmen und umsetzen würden.
({2})
Ich möchte einmal beispielhaft den Ebolakrisenfonds
nennen. Es kann nicht sein, dass wir im Vagen gelassen
werden, wenn es darum geht, was da nächstes Jahr auf
uns zukommt.
Weiterhin wollen wir den Kampf gegen den Drogenund Suchtmittelmissbrauch mit Forschungsvorhaben unterlegen. Wir haben einen konkreten Vorschlag dahin gehend gemacht. Auch darauf haben wir keine positive Resonanz Ihrerseits erhalten.
({3})
Wir wollen die nichtkommerzielle Pharmaforschung
ausbauen. Das ist dringend nötig. Wir sehen zum Beispiel an der Ebolasituation, dass es da große Defizite
gibt. Wir laden Sie dazu ein. Unterstützen Sie das, und
machen Sie das mit!
Mit dem umfangsreichsten unserer Änderungsanträge, was die Höhe der Mittel angeht, wollen wir auch
dieses Jahr wieder den Finger in eine große Wunde unseres Gesundheitswesens legen: Wir wollen den Investitionsstau bei den Krankenhäusern abbauen. Jährlich fehlen den Kliniken 2 bis 3 Milliarden Euro für notwendige
Bauten und technische Erneuerungen. Insgesamt sind
das etwa 50 Milliarden Euro. Ja, wir wissen auch, dass
eigentlich die Länder dafür verantwortlich sind. Doch
diese wälzen angesichts von Schuldenbremsen diese
Last auf die Kranken ab. Das können wir nicht hinnehmen. Darum fordert die Linke, dass sich der Bund zur
Hälfte an den notwendigen Investitionen im Krankenhausbereich beteiligt
({4})
und damit den Krankenhäusern Unterstützung in Höhe
von circa 2,5 Milliarden Euro im Jahr leistet.
({5})
- Unsere Gegenfinanzierung haben wir doch längst dargelegt. Die legen wir Ihnen jedes Mal wieder dar, aber
Sie ignorieren das einfach.
({6})
Alle Koalitionen der letzten Jahre haben sich geweigert, diese überaus notwendige Debatte zu führen und
den Krankenhäusern an dieser Stelle zur Seite zu stehen.
Die Folge ist, dass so manches Krankenhaus inzwischen
als ökonomisch untragbar gilt und geschlossen werden
soll. Das droht zum Beispiel auch dem Marienhospital in
meiner Heimatstadt Emsdetten, einem Krankenhaus, das
im AOK-Krankenhausnavigator von den Patientinnen
und Patienten regelmäßig hervorragende Noten erhält.
Die Qualität, über die wir oft sprechen, scheint hier nicht
der Grund zu sein. Tausende Bürgerinnen und Bürger
haben bereits Petitionen unterschrieben und sind auf die
Straße gegangen, um ihr Krankenhaus zu erhalten. Ich
finde es unerträglich, dass Krankenhäuser allein aus
ökonomischen Erwägungen geschlossen werden, ohne
dass die Kommune, der Kreis oder die betroffenen Bürgerinnen und Bürger mitreden können.
({7})
Wir müssen dringend die politische Verantwortung
übernehmen. Dazu rufe ich Sie auf. Markt und Wettbewerb sind keine geeigneten Mechanismen, um die Krankenhausversorgung in diesem Land zu steuern. Deswegen bitte ich Sie: Stimmen Sie dem Änderungsantrag der
Linken zu. Lassen Sie die kleinen Krankenhäuser leben.
Vielen Dank. - Das Wort hat jetzt Burkhard Blienert,
SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem in dieser Woche zu beschließenden Haushalt 2015 zeigt die Große
Koalition, dass sie verantwortungsbewusste und solide
Haushaltspolitik mit effektiver, verlässlicher und erfolgreicher Gesundheitspolitik in Einklang bringt.
({0})
Wir setzen das um, was wir vorher gesagt haben. Wie
angekündigt erhöhen wir die Mittel für den Gesundheitsfonds wieder auf 11,5 Milliarden Euro und somit die Gesamtausgaben für das Gesundheitssystem insgesamt um
knapp 10 Prozent auf über 12 Milliarden Euro.
Für uns gilt: Das eingesetzte Geld muss den Menschen zugutekommen und darf nicht im System versickern.
({1})
Daher ist es nicht per se richtig, immer mehr Geld in das
System zu pumpen, sondern es ist vielmehr auf die Effizienz der eingesetzten Gelder zu achten. Nach wie vor
sind die finanziellen Spielräume begrenzt. Unter diesen
Voraussetzungen stellen wir die gesundheitliche Versorgung sicher, geben die richtigen Signale für die Zukunft
und reagieren auf neue Herausforderungen.
Ich möchte zwei Beispiele geben, die zeigen, dass
wir auf dem richtigen Weg sind - sie wurden bereits erwähnt -: Ebola in Westafrika und die gesundheitliche
Situation der Flüchtlinge aus den Krisengebieten. Wir
müssen Antworten geben und handlungsfähig sein; und
das sind wir, ohne an anderer Stelle zu kürzen.
({2})
Mit diesem Haushalt zeigen SPD und Union genau diese
Handlungsfähigkeit.
Aktuell erarbeiten wir mit vielen verschiedenen Akteuren eine Krankenhausreform: das Präventionsgesetz
und das Versorgungsstärkungsgesetz. Punkt für Punkt
gehen wir die unterschiedlichen Bereiche an und sorgen
für Lösungen, die den Menschen helfen. Es hilft nicht,
Anträge vorzulegen, die nicht gegenfinanziert sind und
die nicht mit einem Konzept hinterlegt sind, während
gleichzeitig zusammen mit den Ländern an Konzepten
gearbeitet wird. Anstatt mit Blick auf die Krankenhausfinanzierung Panik zu machen, muss man sich über Konzepte und Inhalte verständigen; denn das ist der richtige
Weg. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg.
({3})
Wir setzen im Koalitionsvertrag Beschlossenes wie
die Pflegereform um und verbessern damit die Situation
vieler Pflegebedürftiger. Es ist uns gelungen, die Haushaltsmittel für die Pflegekampagne zu verstetigen und
gleichzeitig die Gelder für Pflegebedürftige auf knapp
3 Millionen Euro zu steigern. Das sind gute Beschlüsse.
Sie gehören nicht in die Schublade eines parteipolitischen Klein-Klein.
Nicht zuletzt im mir sehr wichtigen Bereich der Drogen- und Suchtbekämpfung haben wir es geschafft, die
zur Verfügung gestellten Finanzmittel weiter zu erhöhen.
Für das, was wir machen, nun einige Beispiele:
Endlich ist es gelungen, Geld zur Bekämpfung der
Glücksspielsucht im Haushalt einzustellen.
({4})
Eine halbe Million Euro ist realisiert worden.
Der Aufwuchs im Bereich der Modell- und Forschungsvorhaben hilft, eine Vielzahl von Unterstützungsangeboten fortzuführen und somit Hilfesuchenden
eine Anlaufstelle zu geben.
Mit der Ausweitung des Schulbusprojekts kann der
Crystal-Ausdehnung ein erfolgversprechendes Projekt
für Jugendliche entgegengestellt werden.
Auch die Mittel für das Klasse-2000-Projekt werden
helfen, Kindern Wege in ein selbstbestimmtes und gesundes Leben zu zeigen. Es ist ein großer Schritt, wenn
wir die Finanzierung dieses Projekts an zusätzlich bis zu
2 000 Schulen ermöglichen.
An dieser Stelle muss festgestellt werden, dass wir
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten an vielen
Stellen und in vielen Programmen die gesundheitliche
Prävention bei Kindern in den Haushaltsberatungen gut
durchsetzen konnten.
({5})
Die Mittel für die Kindergesundheit steigen von
500 000 Euro auf insgesamt 2 Millionen Euro; das ist
ein gutes Zeichen. Ein Teil davon sind Gelder für die
wichtige Adipositasforschung. Übergewicht ist in unserer Gesellschaft leider ein weit verbreitetes Problem.
Umso wichtiger ist es, die Forschung auf diesem Gebiet
zu unterstützen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Prävention setzt immer am Beginn an, Prävention umfasst alle Bereiche und
sozialen Lebenslagen, Prävention vermeidet Folgekosten. Das ist in den kommenden Jahren unsere Hauptaufgabe. Mit den Beschlüssen zum Haushalt des Einzelplanes 15 dürfen wir daher ganz zufrieden sein. Die
Haushälter haben, glaube ich, gut verhandelt und so dafür gesorgt, dass das, was eingebracht wurde, besser
geworden ist und wir somit heute einen guten Einzelplan 15 verabschieden können. Danke insbesondere an
die zuständigen Berichterstatter für ihre Arbeit!
({6})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eingangs habe ich
bereits darauf hingewiesen: Es gibt Situationen, die unerwartet Handeln unsererseits erforderlich machen.
Ebola ist ein Beispiel; über 3 Millionen Euro stellen wir
hier für klinische Studien zur Verfügung. Die große Herausforderung der gesundheitlichen Versorgung von
Flüchtlingen ist ein weiteres Beispiel. Dort greifen wir
den Kommunen unter die Arme. Sie sind an der Grenze
ihrer finanziellen Belastbarkeit. Ich bin froh darüber,
dass wir dafür auch im Haushalt des BMG 500 000 Euro
zur Verfügung stellen.
({7})
Wir können somit eindeutig feststellen: Die Schwerpunktsetzungen dieser Koalition stimmen. Wir reden
nicht nur, wir zerreden nicht, wir handeln.
({8})
Vor gut einem Jahr wurde Schwarz-Gelb abgewählt.
({9})
Dies ist nun der erste ureigene Haushalt, den diese
Große Koalition in dieser Legislatur vorlegt und abschließend berät. Wir haben einiges erreicht: Schritt für
Schritt, durchdacht und fachlich untermauert, abgewogen und sozial, verlässlich und solide.
({10})
Das macht erfolgreiches politisches Handeln aus. Insofern: Marktschreierische Forderungen und illusorische
Gedankenspiele sind nicht unsere Sache. Wir sind
- Punkt für Punkt - an der Sache orientiert.
({11})
Wir fordern nichts Unerreichbares. Es muss das Machbare angegangen werden. Auf diesem Weg befinden wir
uns.
({12})
Wir haben unsere Arbeit für diesen Haushalt getan:
gründlich, solide, erfolgreich.
({13})
Die Bürgerinnen und Bürger können sich sicher sein,
dass unser Haushaltsentwurf die richtige Medizin für die
Herausforderungen in der kommenden Zeit sein wird.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. - Das Wort hat Kordula Schulz-Asche,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Minister Gröhe, ich möchte Ihnen für die Rede, die Sie
hier gerade gehalten haben, ausdrücklich danken. Denn
einen besseren Beweis für das Motto dieser Großen Koalition, was den Gesundheitshaushalt angeht, konnte es
gar nicht geben. Ihr Motto lautet „Verwalten statt gestalten“.
({0})
Wie soll die Gesundheitsversorgung in Zeiten des demografischen Wandels in Zukunft aussehen? Wie kann
diese solidarisch finanziert werden? Den Ehrgeiz zu großen, längst überfälligen Reformen bleiben Sie leider
schuldig. Diese Koalition verschleppt nahezu alles, was
den Patienten und ihren Angehörigen, den Versicherten
und den Bürgerinnen und Bürgern zugutekommen
würde. Ich möchte nur ein paar Beispiele nennen:
Die Koalition packt das Pflegestärkungsgesetz, die
Probleme des wachsenden Bedarfs an guter Pflege - ich
betone: an guter Pflege -, nicht an der Wurzel. So ist die
Einführung des neuen Pflegebegriffs wieder einmal verschoben worden. Das Problem einer langfristigen und
gerechten Finanzierung bleibt ungelöst.
({1})
Stattdessen verschwendet Schwarz-Rot das Geld der
Versicherten an einen völlig unsinnigen Pflegevorsorgefonds,
({2})
und der schwarz-gelbe Pflege-Bahr, der erwiesenermaßen schon ein totaler Reinfall ist, wird nicht etwa abgeschafft, sondern fortgeführt.
({3})
Meine Damen und Herren, mit dem sogenannten Versorgungsstärkungsgesetz - das ist im Moment offensichtlich Ihr Lieblingswort - verliert sich Minister Gröhe
hingegen im Klein-Klein. Altbekannte Akteure im Gesundheitswesen werden mit Geschenken und Detailverbesserungen bei Laune gehalten, notwendige Strukturreformen aber werden auf die lange Bank geschoben.
Konkrete Regelungen zur Reform der Krankenversorgung, also zur Bedarfsplanung, zur besseren Kooperation der Gesundheitsberufe, zur Stärkung der Verantwortung in den Bundesländern und Kommunen zur
Sicherstellung der Versorgung in Stadt und Land, fehlen
völlig.
Bei dem geplanten Präventionsgesetz bedient sich die
Große Koalition bei den Vorschlägen aus den dunklen
Zeiten der Gesundheitspolitik von Schwarz-Gelb. Hier
hilft ein bisschen SPD-Prosa überhaupt nicht.
({4})
Im Gegenteil: Schwarz-Rot verpasst die Möglichkeit,
Prävention und Gesundheitsförderung als Gemeinschaftsaufgabe zu verstehen, zu finanzieren, zu organisieren und umzusetzen.
Wir brauchen eine echte Investition in die Erhaltung
und die Förderung der Gesundheit, und zwar mit den
Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam. Das gelingt aber
nur, wenn insbesondere Kinder und Jugendliche sowie
die wachsende Zahl älterer Menschen nicht nur kompetent im gesunden Verhalten werden, sondern im Alltag
tatsächlich auch die Möglichkeit haben, diese Lebensweise umzusetzen. Das scheitert nicht an fehlenden
Kenntnissen, sondern es fehlt an den notwendigen Möglichkeiten Einzelner - übrigens auch den finanziellen
Möglichkeiten - und an den Gelegenheiten im Alltag: im
Kindergarten, in der Schule, im Betrieb, im Stadtteil.
({5})
Deshalb setzen wir Grüne auf eine Gesundheitsförderung, die auch die Verbesserung dieser Alltagswelten
zum Gegenstand hat und alle - vor allem die Menschen
vor Ort - an der Gestaltung dieser Alltagswelten beteiligt. Wenn wir es schaffen, beispielsweise Kindertagesstätten unter Mitwirkung der Kinder, der Eltern, der Erzieherinnen und Erzieher und der Träger zu gesunden
Spiel-, Lern- und Arbeitsorten weiterzuentwickeln, dann
steigt die Zufriedenheit, und das wäre eine echte Investition in die Zukunft.
({6})
Sie bleiben aber nicht nur bei der Ausrichtung hinter
Ihrem eigenen Koalitionsvertrag zurück, sondern auch
bei der Finanzierung. Wo bleibt die angekündigte breite
Finanzierungsbasis, die Einbeziehung der Arbeitslosenversicherung und der privaten Kranken- und Pflegeversicherung? Prävention kann nicht die alleinige Aufgabe
der gesetzlichen Krankenversicherung sein. Auch hier
versagen Sie leider völlig.
Die Einbeziehung der Kommunen in die Gestaltung
der Alltagswelten kommt bei Ihnen gar nicht vor. Das ist
ein besonders wichtiger Punkt. Deshalb erneuern wir
heute unseren Appell: Die Zukunft der Prävention und
Gesundheitsförderung kann nur gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern und den Kommunen gestaltet werden.
({7})
Dazu braucht man aber den Mut für einen Paradigmenwechsel.
Sehr geehrter Herr Minister Gröhe, wenn Sie die Gesundheitsförderung wirklich ernst nehmen, dann müssen
Sie diese momentane Irrfahrt beenden. Legen Sie ein
Präventionsgesetz vor, das diesen Namen auch verdient
und eine echte Investition in die Zukunft ist!
In der Gesundheitspolitik wurde lange genug herumgedoktert. In Zeiten des demografischen Wandels und im
Interesse der Gerechtigkeit für alle Generationen brauchen wir endlich eine auf Dauer angelegte bürgerorientierte und soziale Gesundheitspolitik - von der Finanzierung über die Prävention bis hin zu einer guten
Krankenversorgung.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({8})
Vielen Dank. - Das Wort hat jetzt Hubert Hüppe,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau
Kollegin Schulz-Asche, eigentlich wollte ich nichts dazu
sagen, aber ich habe manchmal das Gefühl, Sie waren
nicht immer dabei, wenn wir die entsprechenden Dinge
im Gesundheitsausschuss diskutiert haben;
({0})
denn was wir für die Menschen geleistet und auf den
Weg gebracht haben, sind Vorteile. Das alles kann man
kritisieren. Sie haben gerade aber den Pflege-Bahr und
die Vorsorge kritisiert und gleichzeitig gesagt, wir würden dieses System nicht sichern. Hier stimmt irgendetwas nicht, und ich finde es schade, dass wir hier nicht
sachlicher über diese Dinge sprechen können.
({1})
Ich möchte jetzt allerdings noch zu einigen anderen
Themen kommen. Wir hatten in der letzten Sitzungswoche eine fünfstündige und viel beachtete Debatte über
die Frage organisierter Suizid, Beihilfe zur Selbsttötung.
Dabei haben wir sehr viele Dinge diskutiert. Es gab ganz
unterschiedliche Meinungen quer durch die Fraktionen.
Aber alle waren sich einig - zumindest ich habe keine
andere Stimme gehört -: Wir wollen eine ausreichende
medizinische, auch schmerzmedizinische Versorgung für
ein würdiges Leben. Wir brauchen gute Pflege. Wir wollen ebenso - auch das ist sehr wichtig - die menschliche
Betreuung sicherstellen.
Ich glaube, dass diese Punkte, wenn wir sie weiterentwickeln und die Versorgung verbessern und sichern, die
beste Prävention sind, um dem Wunsch nach vorzeitigem Sterben entgegenzutreten. Deswegen ist es gut, dass
vor zwei Wochen eine Initiative des Bundesgesundheitsministers Gröhe und der Gesundheitspolitiker der Koalition - sie sind hinsichtlich der Sterbehilfe durchaus unterschiedlicher Meinung - vorgestellt worden ist, in der
dargelegt wird, wie die Hospiz- und Palliativversorgung
in Deutschland verbessert werden soll. Es sollen Lücken
in der Versorgung geschlossen werden. Auch soll die
Hospizarbeit finanziell stärker gefördert werden.
Es soll vor allen Dingen auch finanzielle Anreize für
die ambulante Palliativversorgung geben. Es ist wichtig,
dass Menschen gerade in ihrer letzten Phase am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, dass sie mitten in
unserer Gesellschaft sind und da leben und auch sterben
können, wo sie es wollen. Vielleicht ist das mit ein
Grund, warum wir eine solche Debatte führen: Wir haben den Tod mehr und mehr in Einrichtungen verbannt
und damit die Angst vor dem Tod gesteigert. Deswegen
ist es notwendig, diese Ideen gerade für die ländlichen
und strukturschwachen Gebiete tatsächlich aufzunehmen. Ich lade die Opposition ein, hier mitzumachen. Ich
bin sicher, dass wir uns guten Vorschlägen nicht verschließen werden.
({2})
Wichtig ist dabei - das darf ich auch einmal sagen -,
dass die Hospiz- und Palliativversorgung in den Pflegeheimen verbessert wird.
({3})
Immerhin sterben jedes Jahr 340 000 Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen. Es ist notwendig, dass
diese Menschen nicht vergessen werden und sie Zugang
zu Hospiz- und Palliativleistungen haben; denn es ist
wichtig, dass die Menschen keine Angst haben, in diesen
Heimen ohne die Möglichkeit, solche Leistungen und
auch menschliche Zuwendung in Anspruch zu nehmen,
zu sterben. Auch muss gewährleistet sein, dass die Hospizdienste und die Ärzte zusammenarbeiten und den
Menschen in ihrer letzten Phase helfen.
({4})
Gerade weil sich alle einig waren, dass die Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung Vorrang hat,
sollten wir darüber als Erstes sprechen. Das sollten wir
schnell tun, bevor wir die anderen rechtlichen Fragen regeln, damit diese Hilfe zügig ankommt. Es darf nicht
sein, dass wir zwar eine rechtliche Frage klären, aber die
Hilfe, die die Menschen brauchen, noch nicht geregelt
haben. Deswegen sollten wir hier zügig handeln und
diese Maßnahmen umsetzen.
({5})
Wenn wir über Teilhabe von kranken, behinderten
und alten Menschen sprechen, dann müssen wir auch
über Pflege reden. Wenn wir über Inklusion in die Gesellschaft sprechen und über die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, dann denken wir meistens an
gemeinsame Kindergärten, Schulen, vielleicht auch an
Werkstätten und andere Möglichkeiten für Menschen
mit Behinderung. Aber ganz wichtig ist, dabei nicht zu
vergessen, dass auch alte und pflegebedürftige Menschen ein Recht auf gesellschaftliche Teilhabe haben.
Deswegen ist das Pflegestärkungsgesetz ein wichtiger
Beitrag zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und zu mehr gesellschaftlicher Teilhabe für pflegebedürftige Menschen.
Auch in diesem Bereich wollen wir den Menschen so
lange wie möglich ein Leben mitten in der Gesellschaft
ermöglichen. Wir sehen deswegen zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen und für
Pflegekräfte vor. Wir flexibilisieren in Zukunft die Kurzzeit- und Verhinderungspflege. Wir machen die Tagesund Nachtpflege leichter zugänglich. Auch die stärkere
Förderung ambulanter Wohngruppen und die Erhöhung
der Zuschüsse für Umbaumaßnahmen tragen dazu bei,
dass Menschen dort leben können, wo sie gerne leben
wollen, auch wenn sie pflegebedürftig sind.
Wir wollen die Voraussetzungen schaffen bzw. verbessern, dass Menschen mit Pflegebedarf und/oder Behinderung möglichst so leben können, wie sie es wollen.
Gesellschaftliche Teilhabe darf nicht in stationären Einrichtungen enden. Deswegen bin ich sehr dankbar, Herr
Minister Gröhe, und finde es hervorragend, dass wir bei
den Betreuungskräften in diesen Einrichtungen eine erhebliche Aufstockung vornehmen konnten. Wie Sie wissen, konnte bisher pro 24 pflegebedürftigen Bewohnern
eine Betreuungskraft eingestellt werden. Aber dafür
zählten nur Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz, also vor allem demente Menschen. Jetzt ist der
Schlüssel verbessert worden. Es gibt eine Betreuungskraft pro 20 Pflegebedürftigen, und zwar unabhängig davon, ob sie dement sind oder nicht.
Das wird bedeuten, dass zu diesem Zweck Tausende,
wenn nicht sogar Zehntausende Betreuungskräfte in diesen Einrichtungen eingestellt werden könnten, die den
Menschen mehr geben als Pflege. Sie dürfen zwar keine
körperliche Pflege leisten. Wichtig ist aber auch, jemanden zu haben, der mit einem spricht, der einen begleitet
und mit einem spielt. Das ist Inklusion. Das ist Teilhabe,
und das schaffen wir mit diesem Gesetz.
({6})
Im Übrigen schafft das vielleicht auch die Möglichkeit, Menschen einen Arbeitsplatz zu geben, die bisher
diese Chance nicht hatten. Es gibt zum Beispiel ein Modellprojekt der Lebenshilfe, in dem man versucht, Menschen mit Lernbehinderung eine Qualifikation und einen
Arbeitsplatz außerhalb einer Behindertenwerkstatt zu ermöglichen. Auch das wäre eine sehr schöne Nebenwirkung.
({7})
Meine Damen und Herren, alle diese Leistungen kosten Geld.
({8})
Gute Pflege gibt es nicht umsonst. Deswegen nehmen
wir die Anhebung des Beitrages in Kauf, auch wenn wir
das nicht gerne tun und bei den Lohnnebenkosten ansonsten auf Stabilität achten.
({9})
Wichtig ist es auch, Barrieren im Gesundheitssystem
abzubauen. Deswegen sehen wir beim Versorgungsstärkungsgesetz vor, dass bei Ausschreibungen eines nachzubesetzenden Arztsitzes erstmals die Belange von Menschen mit Behinderungen gezielt berücksichtigt werden
können. Übrigens loben uns fast alle Selbsthilfeverbände
dafür. Es wäre richtig, auch das anzuerkennen, statt nur
zu sagen, wir hätten nichts gemacht. Im Gegenteil: Das
ist nur einer der Punkte, um die wir uns kümmern.
({10})
Ein weiterer wichtiger Punkt ist meines Erachtens der
Begriff „Transition“. Damit können vielleicht nicht alle
etwas anfangen. Es geht darum - das ist im Koalitionsvertrag festgelegt worden -, dass für erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung und schweren Mehrfachbehinderungen die Möglichkeit geschaffen wird,
sich in medizinischen Behandlungszentren behandeln zu
lassen. Diese Notwendigkeit gibt es aus meiner Sicht
schon seit geraumer Zeit. Es war notwendig und es ist
richtig, dass wir das, was im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, jetzt anpacken. Bislang sind Menschen mit
einer Behinderung oder Erkrankung wie zum Beispiel
einer Muskeldystrophie oder Mukoviszidose in sozialpädiatrischen Zentren behandelt worden. Viele sind schon
im Kindesalter gestorben. Deswegen hat man auch keine
Folgeeinrichtungen geschaffen.
Herr Kollege Hüppe, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Klein-Schmeink?
Ja, meinetwegen.
Gut.
Herr Hüppe, wenn Sie schon die Haushaltsrede dazu
nutzen, um auf das als Nächstes geplante Gesetz überzuleiten, möchte ich Ihnen eine Frage stellen.
Da Sie zu Recht auf Maßnahmen für Menschen mit
Behinderung hingewiesen haben, ist natürlich erklärungsbedürftig, warum in der letzten Legislaturperiode
das Zentrum zur medizinischen Behandlung von Menschen mit Mehrfachbehinderung von Ihrer Fraktion ab6446
gelehnt wurde; ein entsprechender Antrag hat hier im
Bundestag vorgelegen. Als Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen hatten Sie
einen umfangreichen Katalog von notwendigen Verbesserungen in der gesundheitlichen Versorgung vorgelegt.
Nun sehe ich aber, dass der Referentenentwurf für Menschen mit Behinderung gerade einmal drei Punkte enthält, die als notwendig erachtet wurden. Daher frage ich
Sie: Beabsichtigen Sie, nach dem geplanten Versorgungsstärkungsgesetz ein eigenständiges Versorgungsstärkungsgesetz für Menschen mit Behinderung zu machen? Wenn ja, dann sind Sie auf dem richtigen Weg.
Ansonsten befürchte ich, dass Sie leider bei den ersten
Schritten stehen bleiben. Sechs Jahre nach der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention wäre es in
der Tat notwendig, eine vollständige Anpassung der Regelungen vorzunehmen. Beabsichtigen Sie das?
({0})
- Die Frage lautet, ob es ein eigenständiges Gesetz für
Menschen mit Behinderung geben wird, da das andere
Gesetz quasi nur Bruchteile enthält.
Es wird in der Tat verschiedene Gesetze geben, im
Rahmen derer dieses Thema behandelt wird. Wir diskutieren bereits über ein Teilhabegesetz, auch in der Koalition. Dabei werden nicht nur die Belange behinderter
Menschen, sondern auch der Pflegebereich berücksichtigt werden, da die Pflege nicht nur durch die Pflegeversicherung, sondern auch im Rahmen des SGB XII finanziert wird. Ich bin sicher, dass verschiedene Punkte
aufgenommen werden, die die Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention verstärken. Aber ich bin
der Meinung, dass sowohl das Pflegegesetz als auch das
geplante Versorgungsstärkungsgesetz bereits wichtige
Schritte nach vorne darstellen; ich habe noch nicht alle
aufgezählt. Dazu gehört unter anderem die zahnärztliche
Betreuung. Ich bin dankbar, dass die Belange der Menschen mit Behinderung nicht in einem gesonderten Gesetz berücksichtigt werden. Vielmehr haben diese Menschen genauso wie jeder andere nicht behinderte Mensch
- das bedeutet Inklusion - das Recht auf Versorgung
bzw. ortsnahe Versorgung, soweit es möglich ist.
({0})
Es ist wichtig, dass Jugendliche und Kinder mit Behinderung bzw. Mehrfachbehinderung die Kontinuität
einer Behandlung erfahren. Ich nenne ein Beispiel. Es
reicht nicht aus, allein einen Urologen hinzuzuziehen,
wenn ein Mensch mit Spina bifida Probleme mit der
Blase hat. Ein solcher Mensch braucht zusätzlich einen
Neurologen, der feststellen kann, ob dieses Problem beispielsweise mit dem Rückenmark zu tun hat. Es ist auf
jeden Fall wichtig, dass solche Menschen eine umfängliche Beratung bekommen, die nicht nur auf den medizinischen Bereich ausgerichtet ist, sondern auch Hilfsmittel,
Versorgung und vieles andere umfasst. Wenn wir diese
Kontinuität erreichten, dann wäre das ein wichtiger
Schritt nach vorne.
Letzter Punkt. Eine gute Gesundheits- und Pflegepolitik garantiert in der Tat keine Inklusion und keine gesellschaftliche Teilhabe. Aber eines ist sicher: Wenn wir sie
nicht haben, dann wird es auch nicht zu einer gesellschaftlichen Teilhabe kommen. Deswegen bedanke ich
mich beim Minister für die eingeleiteten Maßnahmen.
Wir werden noch vieles für die betroffenen Menschen
erreichen.
Vielen Dank.
({1})
Vielen Dank, Herr Kollege Hüppe. - Nächste Rednerin ist Birgit Wöllert, Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Herr Minister Gröhe! Sehr geehrte
Kolleginnen und Kollegen! Kollege Heiderich und auch
Sie, Herr Minister Gröhe, haben recht viel zur Prävention gesagt. Um es deutlich zu machen: Bei Prävention
und Gesundheitsförderung trennen uns nicht nur Welten,
sondern wahrscheinlich genau die Lebenswelten, die in
Ihrem Entwurf fehlen.
({0})
Der große Wurf mit dem angekündigten lebensweltorientierten Ansatz ist leider nicht gelungen, und auch
der tatsächliche Neuigkeitswert ist gering.
Nach der 1986 verabschiedeten Ottawa-Charta zur
Gesundheitsförderung versteht man Lebenswelten als einen Ort, an dem Gesundheit von Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt wird, dort wo
sie spielen, lernen, arbeiten und lieben. Das heißt nichts
anderes, als die Menschen in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld anzusprechen und das Umfeld selbst zum
Gegenstand gesundheitsfördernden Verhaltens zu machen. Das bedeutet nicht, die Menschen mit Plakaten, Informationsbroschüren und Tipps zur Lebensweise zu
überschütten.
({1})
In dem Beschluss der 87. Gesundheitsministerkonferenz zur Gesundheitsförderung und zum Präventionsgesetz haben die Länder gefordert, die finanziellen Grundlagen und die Kooperationen der wesentlichen Akteure
solide und wirkungsvoll zu gestalten. Sie hatten Erwartungen an eine Stärkung der Gesundheit im Sinne der
Verlängerung der gesunden Lebensjahre in Deutschland,
insbesondere auch bei sozial benachteiligten Menschen.
Prävention, die an den Lebenswelten anknüpft, ist also
weder nur Sache der Krankenkassen noch nur eine Sache
von Früherkennungs- und Vorsorgeuntersuchungen.
Statt Steuermittel für die Gesundheitsausgaben immer
weiter zu kürzen, gehören sie richtig eingesetzt.
({2})
Deshalb brauchen wir einen Fonds für Gesundheitsförderung und Prävention mit einem Titelansatz in Höhe
von 1 Milliarde Euro. Das schlägt meine Fraktion vor.
({3})
Daraus könnte auch künftig die Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung finanziert werden. Auch die
vier Punkte der Deutschen Allianz gegen Nichtübertragbare Krankheiten zeigen, dass Prävention in Lebenswelten wesentlich mehr bedeutet, nämlich Sport und Bewegung in Kitas und Schulen, Zucker- und Fettsteuer auf
ungesunde Lebensmittel, Qualitätsstandards für Kitaund Schulessen und ein Verbot von Lebensmittelwerbung, die sich an Kinder richtet.
({4})
Ich könnte noch hinzufügen: Ausstattung von Schulen mit Möbeln, die dem im Wachstum befindlichen
Körper des Kindes entsprechen, aber nicht nach Kassenlage der Kommunen.
({5})
Ganz vorne stand bei einem Besuch von Kindern einer sechsten Klasse im Bildungsausschuss in Spremberg
der Wunsch an die Politik, E-Books einzuführen. Der
Grund: leichtere Schultaschen. Auch das ist Prävention.
({6})
Frau Kollegin Wöllert, ich muss Sie jetzt bitten, zum
Schluss zu kommen, nicht nur weil Ihre Redezeit abgelaufen ist, sondern auch angesichts Ihrer Heiserkeit wegen des Präventionsgedankens.
({0})
Deshalb stimmen Sie unserem gesamten Antrag zu.
Danke schön.
({0})
Nächste Rednerin ist Hilde Mattheis, SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es geht hier heute um den Einzelplan 15, aber wie es in
der Politik so ist: Alles hängt mit allem zusammen. Deswegen schauen wir uns alles zusammen an; denn wir als
SPD-Bundestagsfraktion sehen natürlich gerade die Daseinsvorsorge im Gesundheitsbereich als einen ganz wesentlichen Punkt an, und die Zugänge zur medizinischen
Versorgung und die Teilhabe am medizinischen Fortschritt stehen im Zentrum unserer Politik.
({0})
Deswegen sind wir auch froh, dass im Einzelplan 15
viele Maßnahmen genau dieses Anliegen erfüllen. In der
Vernetzung und gemeinsam mit dem, was wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, ist dieser Ansatz zu
erkennen. Ich sage gerne „ist zu erkennen“, weil klar ist:
Wir als Gesundheitspolitiker der SPD wollen immer
mehr, wir sind unersättlich. Das ist richtig.
Aber wir sind auf dem richtigen Weg. Ich mache das
an einzelnen Beispielen fest. Ich bitte alle, die die Metapher der Märchen benutzt haben, weiterzudenken; denn
im Märchen siegen immer die Guten. Wie heißt der nette
Schlusssatz in vielen Märchen? „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.“
({1})
Vielleicht blüht uns das.
Der Koalitionsvertrag, den wir geschlossen haben, ist
im Gesundheitsbereich sehr konkret. Ich wage zu behaupten: So wie in keinem anderen Bereich haben wir,
geleitet von den Zielen Versorgungssicherheit und Versorgungsqualität, ganz konkrete Projekte und auch ganz
konkrete Maßnahmen beschlossen und eine solche Vereinbarung getroffen.
({2})
Deswegen ist es so wichtig, auch an diesem Punkt, bei
dem es um den Einzelplan 15 geht, immer wieder darauf
hinzuweisen: Ja, wir wollen noch einmal 5,9 Millionen
Euro für alles, was in den Bereich Pflegeberatung und
Unterstützung gehört, zusätzlich ausgeben. Aber unser
zentraler Punkt ist, in dieser Legislaturperiode das Pflegestärkungsgesetz zu verabschieden. Dabei geht es insbesondere um die Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Auch im Einzelplan 15 schimmert das durch.
Wir arbeiten vernetzt und gemeinsam an der Erreichung
unseres Ziels: an der Verbesserung der Daseinsvorsorge
und der Teilhabe am medizinischen Fortschritt.
Ein weiteres Beispiel für gelungene Prävention ist
das, was ich gerne das Präventionsgesetz nenne. Das
Programm „Klasse 2000“ ist ein gutes Beispiel. Aus einem anderen Bereich könnte ich als Beispiel das Programm „Soziale Stadt“ nennen. Wo kommt Prävention
an, wenn nicht in Lebenswelten?
({3})
Wir müssen noch ein bisschen daran feilen, wie „Lebenswelten“ zu definieren sind.
({4})
Für uns sind Lebenswelten vor Ort im Zusammenspiel mit den Kommunen und mit all den Menschen, die
da Verantwortung tragen: von Erzieherinnen über Lehrerinnen und Pädagogen - die ganze Palette - bis hin zu
anderen Angehörigen der Arbeitswelt. Dass wir jetzt die
Mittel für Prävention mehr als verdoppeln, ist doch ein
guter, wichtiger Hinweis. Da könnten Sie alle klatschen,
finde ich.
({5})
Genau für den Bereich der Prävention ist auch im
Einzelplan 15 sehr viel zu finden. Dass wir mit 12,1 Milliarden Euro für den Einzelplan 15 natürlich nur einen
ganz kleinen Teil dessen investieren, was wir im Gesundheitsbereich insgesamt verausgaben, wurde hier
schon mehrfach erwähnt. Es ist doch klar: Wir als Politik
haben den Auftrag, die Versichertengelder sehr zielgenau und effektiv, Stichwort „Qualität“, einzusetzen. Das
ist unser Auftrag.
({6})
Prävention ist und bleibt also ein wichtiger Ansatz.
Zu allem, was mit Versorgungsstrukturen zusammenhängt: Im Koalitionsvertrag steht etwas zur Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Thema Krankenhausfinanzierung.
Frau Kollegin Mattheis, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Schulz-Asche?
Ja.
Ich möchte eine Zwischenfrage zum vorherigen
Punkt, Gesundheitsprävention, stellen.
Kein Problem.
Was die Betonung der Lebenswelten, die gemeinsame
Gestaltung in den Kommunen angeht, bin ich voll bei Ihnen. Sie haben aber auch darauf hingewiesen, dass der
größte Teil aus der gesetzlichen Krankenversicherung
finanziert wird. Deswegen will ich fragen, inwieweit Sie
vorsehen, die privaten Kranken- und Pflegeversicherungen stärker als bisher gerade in die Finanzierung der Förderung der Lebenswelten einzubeziehen und es dort
nicht bei der Freiwilligkeit zu belassen. - Danke schön.
Ich danke Ihnen herzlich für die Frage. - Es gelingt
vielleicht, die kleinen, aber feinen Unterschiede in einer
Großen Koalition ein Stück weit dadurch zu verdeutlichen, dass ich darauf hinweise, dass unser Herz einfach
dafür schlägt, in größerem Maße eine gleiche Teilhabe
zu gewährleisten und zu ermöglichen, dass sich die privaten Versicherungen beteiligen. Das dürfte auf der
Hand liegen. Wir müssen eine Debatte darüber führen,
ob uns das, was im Entwurf des Eckpunktepapiers vorgesehen ist, ausreicht. Ich sage - da darf ich auch für unsere Position sprechen -, dass wir da eine Teilhabe auf
Augenhöhe möchten und fordern. Es wird eine Debatte
geben. Wir haben ein Anhörungsverfahren. Und kein
Gesetz - so lautet das Struck’sche Gesetz - geht so aus
dem Parlament hinaus, wie es hereingekommen ist. Wir
debattieren, und ich glaube, es ist auch eine Qualität von
Parlament, dass hier zwischen Opposition und Koalitionsfraktionen debattiert wird. Von daher: Wir freuen
uns über jede Unterstützung.
Ein wichtiger Punkt - auch für uns in der Großen Koalition; da sind wir uns völlig einig - ist natürlich die
Versorgungsstruktur und damit all das, was die BundLänder-Kommission im Bereich der Krankenhausfinanzierung regeln möchte. Dass wir uns da ein sehr ambitioniertes Ziel gesetzt haben, wurde hier schon ausgeführt.
Wir wollen innerhalb dieses Jahres, also bis Jahresende,
Eckpunkte vorlegen und ein Ergebnis präsentieren, wie
wir gemeinsam mit den Ländern genau das erreichen
können, was unser aller Anliegen ist, nämlich dass die
Krankenhausfinanzierung gesichert ist und dass die Versorgungsstrukturen, egal wo man lebt, und die Zugänge,
egal ob man im ländlichen oder städtischen Bereich lebt,
einigermaßen gleichwertig sind.
Zum Versorgungsstrukturgesetz. Das neue Versorgungsstrukturgesetz, das wir jetzt schon sehr intensiv debattieren und uns natürlich mit der ganzen Problematik
der Versorgung konfrontiert, die wir nicht erst seit heute
kennen - schon seit etlichen Jahren versuchen wir immer
wieder, das zu regulieren -, wird Punkte enthalten, zu
denen wir nicht nur ein Nein der Opposition zu hören
wünschen. Wenn wir in den ländlichen Räumen bei den
Versorgungsstrukturen eine Verbesserung haben wollen,
bedeutet das schlicht und ergreifend, dass wir auch eine
Debatte über Überversorgung brauchen. Diese Debatte
werden wir miteinander führen müssen.
Ich glaube schon, dass es wichtig ist - nicht nur im
Hinblick auf die Akzeptanz der Gesetze, die sich die
Große Koalition als wichtige Ziele vorgenommen hat -,
dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen, insbesondere, so denke ich, für die Gebiete, in denen die Versorgung noch großer Unterstützung bedarf. Da geht es nicht
nur um die ärztliche Versorgung, um die Krankenhauslandschaft; da geht es auch um die Versorgung von Menschen mit psychischer Beeinträchtigung, da geht es um
die Arzneimittelversorgung. Es ist eine ganze Palette.
Dieses ambitionierte Ziel im Zusammenhang mit dem
Einzelplan 15 ist, glaube ich, eines, das uns nach vier
Jahren, in denen es nicht gelungen ist, Gesundheitspolitik zu machen, als diejenigen auszeichnet, die etwas für
die Menschen erreichen, die nicht eine Märchenstunde
abhalten, sondern ganz knallharte Tatsachen schaffen
und Step by Step - vielleicht will der eine oder andere
zwei Stufen überspringen; wir aber sagen: Step by Step die Versorgungsqualität und die Versorgungssicherheit
für die Menschen verbessern.
Vielen Dank.
({0})
Vielen Dank. - Das Wort hat jetzt Reiner Meier,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
beraten heute in zweiter Lesung den Entwurf des Bundeshaushalts 2015. Auch wenn es manche immer noch
nicht glauben wollen: Der Bund wird nächstes Jahr ohne
Neuverschuldung auskommen.
({0})
Der erste ausgeglichene Bundeshaushalt seit Franz Josef
Strauß im Jahre 1969 zeigt eines: 45 Jahre später braucht
es mit Wolfgang Schäuble wieder die Union im Finanzministerium, um dieses Ziel zu erreichen.
({1})
Frau Kollegin Schulz-Asche, wenn Sie dem amtierenden Gesundheitsminister vorwerfen, er verwalte nur und
gestalte nicht, dann möchte ich Ihnen sagen: Dieser Gesundheitsminister hat im ersten Jahr so viele Reformen
durchgebracht zum Wohle der Patienten und der Bevölkerung wie kein anderer Bundesminister.
({2})
Deshalb möchte ich von Ihnen weder verwaltet werden,
noch möchte ich Ihnen die Gestaltung der Gesundheitspolitik in Deutschland überlassen.
({3})
Indem wir einer unkontrollierten Schuldenpolitik eine
klare Absage erteilen, bewahren wir uns und unseren
Kindern Handlungsspielräume für die Zukunft. Die gesetzliche Krankenversicherung steht heute wieder auf einem soliden finanziellen Fundament. Im ersten Halbjahr
2014 haben die gesetzlichen Krankenkassen über Prämien und freiwillige Leistungen insgesamt 517 Millionen Euro an die Versicherten zurückgegeben. Wenn man
diese Ausschüttungen berücksichtigt, sind die Finanzen
der GKV strukturell nahezu ausgewogen. Mit 16,2 Milliarden Euro Rücklagen bei den Kassen und weiteren
10,4 Milliarden Euro beim Gesundheitsfonds verfügt die
gesetzliche Krankenversicherung über hohe Reserven.
Mit dem GKV-Finanzierungsgesetz haben wir dafür
gesorgt, dass die Kassen den umständlichen Weg über
Ausschüttungen künftig gar nicht mehr gehen müssen.
Ab dem kommenden Jahr können die Krankenkassen die
Höhe des Zusatzbeitrags selbst festsetzen und ihren
Finanzierungsbedarf eigenverantwortlich justieren. Damit, meine Damen und Herren, stärken wir den Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung. Jeder
Versicherte kann künftig für sich selbst entscheiden, ob
er lieber kostenlose Zusatzleistungen oder niedrige Beiträge haben will. In den nächsten Wochen werden wir sehen, wie die Krankenkassen ihre Zusatzbeiträge für das
kommende Jahr gestalten. Ich gehe davon aus, dass viele
Kassen ihre Versicherten auch deutlich entlasten werden.
Meine Damen und Herren, unser deutsches Gesundheitssystem gehört zu den modernsten und leistungsfähigsten Systemen weltweit.
({4})
Wegen der Vielfalt der Leistungsangebote und der Akteure kann es aber auch manchmal etwas kompliziert
werden: Welche Leistungen übernimmt die Kasse? Was
sind die Voraussetzungen für Kuren? Oder: Was muss
ich im Ausland beachten? - Genau hier ist die Unabhängige Patientenberatung eine wertvolle Ergänzung zu den
bestehenden Angeboten
({5})
und unterstützt die Versicherten seit Jahren dabei, sich
im Gesundheitssystem zu orientieren, und, wo es nötig
ist, auch dabei, ihre Rechte zu verwirklichen. Ich freue
mich deshalb besonders, dass es uns gelungen ist, die
Unabhängige Patientenberatung finanziell besser auszustatten. Von gut 5 Millionen Euro auf 9 Millionen Euro
jährlich konnten wir das Budget erhöhen. Das ist eine
wichtige Stärkung der Patientenrechte; denn künftig erhalten die Versicherten nicht nur die schon heute hervorragende Beratung, sondern sie bekommen diese Beratung schneller und idealerweise auch ohne Wartezeiten.
({6})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein kranker
Mensch interessiert sich nicht für Kennziffern oder Bürokratie, sondern alleine dafür, wie schnell er zum
nächsten Arzt oder in das nächste Krankenhaus kommt.
Wir haben deshalb mit dem Pflegestärkungsgesetz I den
Versorgungszuschlag für Krankenhäuser in Höhe von
0,8 Prozent und damit in voller Höhe um ein weiteres
Jahr verlängert. Das ist mir wichtig; denn das kommt vor
allem kleineren und ländlichen Krankenhäusern zugute,
von denen viele für die Versorgung in der Fläche unentbehrlich geworden sind.
Ich wohne in der nördlichen Oberpfalz und kenne aus
eigener Erfahrung die Probleme, die sich in manchen
Orten durch die Landflucht stellen. Erst gehen die Banken und die Fachgeschäfte, dann die Supermärkte und
am Ende die Krankenhäuser, Ärzte und Apotheker. Im
Bereich der Daseinsvorsorge, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist das für mich schlichtweg inakzeptabel. Wir haben uns deshalb im Koalitionsvertrag ausdrücklich zu einer flächendeckenden ambulanten
Versorgung, einer flächendeckenden Krankenhausversorgung und einer flächendeckenden Apothekenversorgung bekannt. Genau an diese Ziele des Koalitionsvertrags halten wir uns, meine Damen und Herren.
({7})
Mit dem Referentenentwurf zum Versorgungsstärkungsgesetz unseres Gesundheitsministers Hermann Gröhe
sind wir dabei auf einem guten Weg, und ich danke ihm
für diese hervorragende Leistung.
Weil wir gerade beim Thema Ärzte sind: Ich freue
mich, dass viele Kassenärztliche Vereinigungen schon
heute das Thema Unterversorgung offensiv angehen. Mit
dem Versorgungsstärkungsgesetz werden wir an dieser
Stelle die Instrumente der Selbstverwaltung noch weiter
ausbauen. Kern der ambulanten Versorgung ist und
bleibt für uns aber der niedergelassene Arzt als freier Berufsträger. Weisungsunabhängig und in seiner Diagnose
und Therapie nur dem Wohl des Patienten verantwortlich, bleibt er auch weiterhin absolut unverzichtbar.
Wir müssen dennoch die Rahmenbedingungen für
den Ärzteberuf weiter optimieren. Besonders junge
Ärzte tragen häufig den Wunsch an mich heran, Familie
und Beruf besser vereinbaren zu können.
({8})
Ebenso müssen wir sehen, dass es Ärzte gibt, die zwar in
der Stadt wohnen wollen, aber durchaus bereit sind, auf
dem Land zu arbeiten. Hier brauchen wir noch mehr
praktikable und flexible Modelle, damit wir trotz Ärztemangels eine bestmögliche Versorgung der Patienten
gewährleisten können. Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam mit der Selbstverwaltung hier gut vorankommen.
Meine Damen und Herren, zum Ende meiner Redezeit möchte ich noch kurz auf ein Thema eingehen, das
mir persönlich sehr wichtig ist. In der letzten Sitzungswoche haben wir eingehend über das Thema Sterbehilfe
gesprochen. Bei allen unterschiedlichen Meinungen zu
diesem Thema treffen wir uns fast alle immer wieder an
einem Punkt: nämlich der Überzeugung, dass wir die
Hospiz- und Palliativversorgung auch finanziell stärken
müssen.
({9})
Eine menschliche und menschenwürdige Begleitung bis
zum Ende ist die mindeste Grundlage für jede weitere
Diskussion.
Meine Damen und Herren, wir haben heute viele Gedanken gehört. Wenn Einzelne von uns das eine oder andere Argument nicht so überzeugend gefunden haben, so
bitte ich um Verständnis dafür, dass die Positionen für
uns klar und deutlich definiert sind. Eines ist aber doch
im Grunde unumstritten: Wir müssen aus der Schuldenspirale ausbrechen, damit am Ende nicht unsere Kinder
die Zeche für uns alle bezahlen müssen.
({10})
Dieser Haushalt ist ausgewogen und realisiert dieses
Ziel. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung.
Vielen Dank.
({11})
Vielen Dank. - Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 15
- Bundesministerium für Gesundheit - in der Aus-
schussfassung. Hierzu liegen vier Änderungsanträge der
Fraktion Die Linke vor, über die wir zuerst abstimmen.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache
18/3272? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? -
Der Antrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD
und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der
Fraktion Die Linke abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache
18/3273? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitions-
fraktionen und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ge-
gen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache
18/3274? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Änderungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU,
SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen
der Fraktion Die Linke abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache
18/3275? - Wer stimmt dagegen? - Der Änderungsan-
trag ist mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und
Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-
plan 15 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? -
Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzel-
plan 15 ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD
gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bünd-
nis 90/Die Grünen angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte I.6 a und I.6 b auf:
a) Einzelplan 07
Bundesministerium der Justiz und für Ver-
braucherschutz
Drucksachen 18/2807, 18/2823
b) Einzelplan 19
Bundesverfassungsgericht
Drucksachen 18/2817, 18/2823
Berichterstattung zu Einzelplan 07: Abgeordnete
Dr. Tobias Lindner, Klaus-Dieter Gröhler, Dennis Rohde,
Roland Claus. Berichterstattung zu Einzelplan 19: Abgeordnete Carsten Körber, Dennis Rohde, Dr. Dietmar
Bartsch, Manuel Sarrazin.
Zu dem Einzelplan 07 liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion Die Linke vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Roland
Claus, Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Bundesminister Maas, unsere Kritik am Justizetat fällt
traditionell maßvoll aus, aber sie fällt natürlich nicht
gänzlich aus. Wesentlich kritischer sehen wir dann schon
den Bereich Verbraucherschutz. Dem Haushalt für das
Bundesverfassungsgericht werden wir zustimmen.
Herr Minister, Sie strahlen es ja ganz deutlich aus,
dass für Sie die Koalition so etwas wie eine Zwangsehe
ist. Wir nehmen natürlich wahr, dass Sie mit sehr viel
konservativem Justiz- und Rechtsverständnis umgehen
müssen. Deswegen begleitet Sie hin und wieder auch unser Respekt; aber wir meinen, da ist noch sehr viel Luft
nach oben.
({0})
Ein Jahr Große Koalition ist nun um. Ihre Probezeit,
Herr Minister, ist also längst vorüber. Deshalb sagen wir:
mehr Justizcourage an den Tag legen, aber immer in dem
Sinne, den Leuten Mut und nicht Angst zu machen.
({1})
Deshalb sagen wir auch: Rechtsstaatlichkeit ist uns
wichtiger als Kabinettsdisziplin.
({2})
Im Dezember dieses Jahres soll Edward Snowden der
Alternative Nobelpreis verliehen werden; das ist gut so.
Seine nach Stuttgart übertragene Rede vom Sonntag ist,
glaube ich, für uns alle ein Lehrstück in Sachen Rechtsverständnis.
({3})
Seine Story, der Film Citizenfour, läuft zeitweilig im
Kino. Zeitlos verläuft weiterhin die Beobachtung durch
die amerikanische Sicherheitsagentur, auch während dieser Debatte, meine Damen und Herren. Ich sehe hier
zahlreiches technisches Gerät, und mit Ausnahme der
Bundeskanzlerin sind wir ja alle Gegenstand dieser Observierung. Und wie verhält sich die Regierung? Wie in
dem berühmten Bild: nichts sehen, nichts hören, nichts
sagen. - Wir sagen Ihnen dazu: Unterwürfigkeit hat in
einer Partnerschaft noch nie Nutzen gebracht. Das muss
beendet werden.
({4})
Herr Minister, Sie haben einen Gesetzentwurf mit
dem Ziel vorgelegt, die Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ rechtlich umzusetzen. Für die Linke hat meine
Kollegin Martina Renner den Gesetzentwurf in der Debatte als eine „gefährliche Symbolpolitik“ charakterisiert, also als sehr unzureichend. Gegenüber dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ haben bekanntlich viele
versagt; aber es war auch ein gigantisches Justizversagen. Wir müssen daraus endlich Schlussfolgerungen ziehen. Den Empfehlungen des Untersuchungsausschusses,
Herr Minister, haben Sie allenfalls buchstabengerecht,
nicht aber dem Geiste nach entsprochen.
({5})
Jüngste Umfragen zum Jahrestag des Mauerfalls haben übrigens eines ergeben, nämlich dass das Vertrauen
in das Funktionieren des Rechtsstaates besonders im Osten unserer Republik erschüttert ist. Das muss uns allen
doch zu denken geben. Ich glaube, wir alle wollen die
Idee vom Rechtsstaat bewahren. Ich glaube aber auch:
Wer die Idee vom Rechtsstaat bewahren will, muss diese
Idee neu denken.
({6})
Es bedarf daher endlich einer Justizreform, die diesen
Namen auch verdient, meine Damen und Herren.
({7})
Ich will zum Abschluss einen Vorgang beschreiben,
der zeigt, wie eine wundersame parlamentarische Arbeitsteilung zwischen Koalition und Opposition in Einzelfällen funktionieren kann.
Zu dem Etat des Justizministers gehört auch das Patentamt mit seinem Hauptstandort in München und einem kleineren Standort in Jena. Ich habe hier in der ersten Lesung den Vorschlag unterbreitet, für das Patentamt
mehr Mittel in den Haushalt einzustellen, ihm mehr Geld
zu geben, damit es mehr Leistungen erbringen kann, was
letztendlich wiederum zu mehr Einnahmen führt. Ich
fand das ausgesprochen plausibel.
({8})
Die Reaktion der Koalition war, wie ich sie schon erwartete: Alles Mist, was die Opposition hier erzählt!
({9})
Danach ist die Koalition intern aber ins Grübeln gekommen und hat vielleicht festgestellt: Es war ja nicht alles
schlecht, was die Opposition da gesagt hat. - Was konnte
sie jetzt tun? Sie konnte natürlich nicht den Antrag der
Linken eins zu eins übernehmen.
({10})
- Das ist ernsthaft passiert. Das ist eine ernsthafte Beschreibung eines parlamentarischen Vorgangs. Sie müssen es jetzt aushalten, dass ich Ihnen das erkläre.
({11})
Die Koalition hat also ihren ganzen Mut zusammengenommen und sogar noch mehr Mittel, als die Linke gefordert hat, eingestellt. Darüber freuen wir uns.
({12})
Das Fazit ist doch einfach toll: Dem Ministerium
wurde geholfen, die Koalition hat ihr Gesicht gewahrt,
die Linke ist hochzufrieden, aber nicht aufgrund von
Rechthaberei, sondern wegen der Wirkung; denn die
Gewinnerinnen und Gewinner dieser Entscheidung sind
junge Erfinder, Start-up-Unternehmen, kleine und mittelständische Unternehmen, weil ihr Patent schneller und
sicherer zur Vermarktung kommt.
Ich stelle deshalb nicht ganz selbstlos fest: Innovation, Mittelstand, kleine und mittelständische Unternehmer und Linke passen gut zusammen. Wenn sich das herumspricht, meine Damen und Herren - aber dann!
({13})
Vielen Dank. - Für die Bundesregierung erhält jetzt
das Wort Bundesminister Heiko Maas.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter
Claus, ein Satz hat mir in Ihrer Rede ganz besonders gefallen, der da lautete: „Das Fazit ist doch einfach toll.“ Aufgrund Ihrer Schlussbemerkung gehe ich davon aus,
dass Sie dem Justizetat in diesem Jahr möglicherweise
zustimmen können, wenn wir das alles so gut gemacht
haben.
Meine Damen und Herren, es ist noch kein Jahr her,
dass die Bundesregierung ihre Arbeit aufgenommen hat.
Wir haben uns auch für den Bereich Justiz und Verbraucherschutz eine ganze Menge vorgenommen. Und vieles
von dem, was wir uns vorgenommen haben, ist schon
auf den Weg gebracht, teilweise auch schon umgesetzt
worden.
Ein neues Adoptionsrecht für Kinder, die in Regenbogenfamilien aufwachsen, ist bereits in Kraft getreten.
Die Mietpreisbremse wird nächste Woche im Rechtsausschuss beraten und kann im kommenden Jahr bereits
in Kraft treten. Damit wird Wohnraum für Familien,
Rentner und vor allen Dingen Normalverdiener auch bezahlbar bleiben.
Die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses setzen wir ebenfalls zügig um. Der Gesetzentwurf
liegt Ihnen vor. Damit setzen wir ein Zeichen gegen
Rechtsextremismus und Gewalt und auch dafür, dass wir
uns nicht damit abfinden wollen, dass Behörden in unserem Land so gnadenlos versagt haben.
Wir reformieren auch das Sexualstrafrecht, um die
Schwächsten der Gesellschaft vor Missbrauch und vor
Kinderpornografie besser zu schützen. Dieses Gesetz haben wir intensiv beraten, und es kann bereits in wenigen
Wochen in Kraft treten.
Ich finde, es ist schon eine ganze Menge, was wir in
nicht einmal einem Jahr auf den Weg gebracht haben.
({0})
Was das Strafrecht angeht, will ich auch noch einmal
betonen - wie immer an diesem Punkt -: Prävention
bleibt der beste Opferschutz. Das gilt auch, wenn es um
den sexuellen Missbrauch von Kindern geht. Wir haben
bereits in diesem Jahr die Mittel für das Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ um 40 Prozent erhöht. Wir
werden diesen Zuschuss auch weiter steigern, weil wir
überzeugt sind: Die beste Kriminalpolitik bleibt die, die
dafür sorgt, dass es gar nicht erst zu neuen Straftaten
kommt.
({1})
Meine Damen und Herren, auch der Verbraucherschutz ist ein Thema, mit dem wir uns intensiv auseinandersetzen. Wir sind dabei, vieles auf den Weg zu bringen, und haben auch schon vieles auf den Weg gebracht.
So haben wir etwa nach dem Insolvenzantrag der Firma
Prokon sofort einen besseren Schutz von Kleinanlegern
angepackt. Mit mehr Transparenz, verständlicheren Informationen und mehr Aufsichtsbefugnissen sorgen wir
für faire Spielregeln auch auf dem grauen Kapitalmarkt,
der dies ganz besonders notwendig hat. Der Gesetzentwurf zum Kleinanlegerschutz ist bereits im Kabinett beschlossen worden und wird uns demnächst hier beschäftigen.
Für eine bessere Orientierung der Verbraucherinnen
und Verbraucher werden auch die sogenannten Marktwächter sorgen. Der Marktwächter für den Finanzmarkt
wird Anfang kommenden Jahres bereits seine Arbeit
aufnehmen. Der Marktwächter für die digitalen Märkte,
der genauso notwendig ist, wird bald folgen. Beides ist
vor allen Dingen auch dank der Mittel aus dem Haushalt,
der heute hier beraten wird, möglich geworden. Deshalb
sage ich dem Bundestag und insbesondere den Berichterstattern für unseren Einzelplan ein ganz herzliches
Dankeschön dafür, dass das möglich gemacht wurde.
({2})
Meine Damen und Herren, wir haben uns viel vorgenommen. Auch für die Zukunft bleibt noch viel zu tun.
Zurzeit berät - das ist ein ganz aktuelles Thema - die
Koalition noch einmal über die Frauenquote in den Aufsichtsräten. Sie wissen, dass das Justiz- und Verbraucherschutzministerium eine entsprechende Vorlage für
die Änderung des Aktiengesetzes eingebracht hat. Ich
sage nur das, was alle sagen: Der Koalitionsvertrag gilt.
Das bedeutet: Die Frauenquote wird kommen. Vielleicht
kommen wir heute schon einen ganz entscheidenden
Schritt weiter.
({3})
Dabei geht es nicht darum, wer politisch obsiegt.
Nein, wir setzen mit der Frauenquote, wie ich finde,
auch den Gleichstellungsauftrag aus dem Grundgesetz
um. Sie ist vor allen Dingen - das soll noch einmal gesagt werden - wirtschaftlich sinnvoll. Wir wollen, dass
Deutschlands Unternehmen die vorhandenen Potenziale
stärker nutzen. Frauen in Führungsetagen der deutschen
Wirtschaft sind keine Belastung, sondern ein Gewinn.
Deshalb wird die Frauenquote kommen.
({4})
Meine Damen und Herren, es stehen weitere Themen
auf unserer Tagesordnung. Wir haben zusammen mit den
Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundesinnenministerium, also dem Ministerium von Herrn de Maizière, einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Doping vorgelegt. Wir sind nämlich der Auffassung, dass Profisportler
- um die geht es -, die dopen, zum einen den Wettbewerb verzerren und zum anderen vor allen Dingen die
Integrität des Sportes beschädigen. Sie sind damit als
Vorbilder in der Gesellschaft, vor allem für Kinder, ein
kompletter Totalausfall. Deshalb bringen wir diesen Gesetzentwurf auf den Weg. Seit vielen Jahren wird über
Doping diskutiert. Es ist höchste Zeit, dass endlich gehandelt wird. Dieser Gesetzentwurf ist ein Statement für
sauberen Sport und eine Kampfansage an alle dopenden
Betrüger.
({5})
Wir werden uns in den kommenden Wochen und Monaten außerdem mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie wir Frauen besser vor sexueller Gewalt schützen können. Wir haben uns, auch in Abstimmung mit
den Bundesländern und den Justizbehörden vor Ort, mit
Fallgestaltungen auseinandergesetzt und dabei festgestellt, dass der Vergewaltigungsparagraf, so wie er heute
gilt, das Unrecht, das bedauerlicherweise Realität ist,
nicht in allen Fällen erfasst. Es gibt Schutzlücken. Das
Recht muss aber tatsächlich alle Situationen abdecken,
in denen sexuelle Übergriffe stattfinden. Wenn das heute
nicht der Fall ist - so ist das leider -, werden wir diese
Schutzlücken schließen müssen. Wir werden deshalb einen Gesetzentwurf vorlegen, durch den die Gesetzeslücken und die Schutzlücken, die es bedauerlicherweise
bei Vergewaltigungen gibt, in Zukunft geschlossen werden.
({6})
Eine moderne Rechtspolitik nimmt nicht nur die Herausforderungen der Zukunft an, sondern stellt sich auch
der Vergangenheit. Wenn es um die deutsche Justiz und
den Nationalsozialismus geht, dann mag persönliche
Schuld verjährt sein; aber die Verantwortung, die wir
alle haben, bleibt bestehen.
Deshalb müssen wir erstens die historische Aufarbeitung dieses Themas weiter vorantreiben. Ich meine das
Projekt des Bundesjustizministeriums, das schon unter
meiner Vorgängerin auf den Weg gebracht wurde, das
Rosenburg-Projekt. Wie Sie wissen, untersucht eine unabhängige wissenschaftliche Kommission den Umgang
des Ministeriums mit der NS-Vergangenheit nach dem
Zweiten Weltkrieg, also in den 50er- und 60er-Jahren.
Ende des kommenden Jahres soll der Abschlussbericht
vorliegen. Es zeichnet sich bereits heute ab: Die NS-Verstrickung der Nachkriegsjustiz und unseres Ministeriums
war noch weitaus tiefer als bekannt. Das müssen wir aufarbeiten, und das tun wir auch vorbehaltlos.
Zweitens müssen wir unsere Gesetze, wie ich finde,
auch von den letzten Überresten des nationalsozialistischen Rechtsdenkens befreien. Deshalb - auch wegen
anderer praktischer Probleme, aber auch deshalb - haben
wir eine Reform des Mordparagrafen in Angriff genommen.
Drittens schließlich darf die Vergangenheit nie vergessen werden. Ich habe deshalb in diesem Jahr den
Fritz-Bauer-Studienpreis gestiftet. Er ist benannt nach
dem Initiator des Frankfurter Auschwitz-Prozesses, über
den es mittlerweile sogar Kinofilme gibt und über den
weitere gedreht werden. Mit diesem Preis wollen wir gerade junge Juristinnen und Juristen ermuntern, sich mit
den Verbrechen und dem Versagen der deutschen Justiz
wieder stärker zu beschäftigen, weil wir finden: Diese
Erinnerung ist kein Selbstzweck, nein, sie stärkt unseren
Rechtsstaat.
({7})
Wie wichtig ein entschlossenes Vorgehen gegen Antisemitismus, Rassismus und Neonazis ist, das haben die
Verbrechen des NSU erneut gezeigt. Wir sind deshalb
überzeugt: Eine Justiz, die die Schattenseiten ihrer Geschichte kennt, wird den Herausforderungen der Gegenwart viel besser gerecht. Auch deshalb bleibt die Erinnerung an die Vergangenheit so wichtig für die Zukunft.
Ich danke Ihnen.
({8})
Das Wort hat die Kollegin Renate Künast für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Minister Maas, ich muss zugeben, dass ich letzte Woche,
am Vorlesetag, an Sie gedacht habe.
({0})
Ich habe überlegt, was ich in der Grundschule vorlesen
soll. Am Ende habe ich es nicht vorgelesen, aber mir
kam Das tapfere Schneiderlein in die Finger: Sieben auf
einen Streich. Das tapfere Schneiderlein stickt sich auf
seinen Gürtel, es habe sieben auf einen Streich erledigt,
und fortan halten die Leute es für einen Helden.
({1})
Das ist ganz klar ein Beispiel für gelungene PR-Arbeit.
So ähnlich machen Sie es auch, Herr Maas:
({2})
Der ganz große Macher. Sie haben ganz viel erzählt, aber
im Ergebnis haben Sie, wie ich finde, nur ganz wenige
Erfolge vorzuweisen. Sie haben vieles versprochen und
angekündigt: Die gesetzliche Frauenquote war Ostern
2014 schon fast in trockenen Tüchern; eine Mietpreisbremse haben Sie angekündigt; den Mordparagrafen
wollten Sie modernisieren - gut, Sie haben eine Kommission -; das Urheberrecht wollten Sie den Erfordernissen des digitalen Zeitalters anpassen und die Datenschutz-Grundverordnung voranbringen. Bei TTIP haben
Sie verbal so richtig zugeschlagen: TTIP soll endlich
eine breite demokratische Legitimation bekommen, und
bestimmte Bereiche sollen ausgeklammert werden. Das alles und noch viel mehr haben Sie sich auf den
kleinen Gürtel gestickt. Gefühlt haben Sie jedes Wochenende jedes dritte Thema noch einmal verkauft. Herausgekommen ist aber, finde ich, relativ wenig.
({3})
Schauen wir uns das an: Sie haben die Sachen zu einem Gutteil überhaupt nicht wirklich angepackt. Sie haben gerade als Erfolg verbucht, dass die Sukzessivadoption jetzt auch bei Homosexuellen möglich ist.
Natürlich, aber nur in dem minimalen Rahmen, den das
Bundesverfassungsgericht durch seine Entscheidung bis
spätestens 30. Juni dieses Jahres gefordert hat. Sie hätten
gar nicht anders gekonnt. Insofern geht mein Lob an der
Stelle an Karlsruhe, nicht an Sie. Sie sind keinen Millimeter weiter gegangen; trotzdem muss man zwei Verfahren hintereinander absolvieren.
Sie haben gesagt, dass Sie großartig angepackt haben.
Nehmen wir doch einmal den Fall Edathy. Natürlich
mussten Sie dieses Thema anpacken angesichts der Vorfälle und der Frage, wer in der alten Koalition oder während der Koalitionsverhandlungen wem was erzählt hat;
das hatte ja auch juristische Nachspiele. Dann haben Sie
eine Vorlage gemacht, sind aber gleich so weit vorangeschritten, dass in der Anhörung, soweit ich mich erinnere, alle sieben Sachverständigen gesagt haben: Das
wollen wir nicht; das ist nicht richtig. - Selbst der Praktiker, der Oberstaatsanwalt aus Gießen, sagte: Das haben
wir nicht gewollt. - Daraufhin mussten Sie an der Stelle
nochmals Änderungen vornehmen.
Sie haben hier auch manch andere Vorschläge gemacht, zum Beispiel zu den Marktwächtern und zum
Sachverständigenrat. Das sind ja gute Sachen, die auch
wir durchaus gefordert haben. Aber es kommt darauf an,
ob die guten Vorschläge, die gemacht werden, auch in
der Praxis umgesetzt werden.
({4})
- Nun denn, meine Liebe, Sie sagen: „Mal abwarten!“
Die Legislaturperiode hat bekanntlich vier Jahre. Davon
ist eines bald um.
({5})
Der Justizminister hat sich mit Frau Schwesig hingesetzt
und ganz klar gesagt, was alles kommen wird. Dann
wollen wir es auch sehen, und zwar zum versprochenen
Zeitpunkt.
({6})
Beispiel Mietpreisbremse. „Jetzt kommt die große
Bremse“, haben Sie noch am 8. April dieses Jahres hier
angekündigt. Sie haben sogar gesagt, die Wohnungswirtschaft solle nicht das neue Eldorado der Profitmaximierung werden.
({7})
Große kapitalismuskritische Worte eines SPDlers, des
tapferen Schneiderleins. Dann hat es sich aber doch vom
Riesen überwältigen lassen, der am Ende nicht ganz so
tumb war wie im Märchen. Eifrige Lobbyisten haben Papiere geschrieben, die Zeit schritt immer weiter voran,
und der Lobbyismus nahm immer mehr zu. Am Ende haben Sie sich die Sache zerreden lassen.
Da Sie hier gerade gesagt haben, die Menschen würden in Zukunft bezahlbare Mieten haben, frage ich Sie:
Herr Maas, geht es auch ein bisschen kleiner? Das ist ein
bürokratisches Monster. Da ist nicht einmal eine wirkliche Bremse drin. Man muss erst die Bürokratie überwinden, um Mietsteigerungen im Hinblick auf einen Teil der
Wohnungen - das gilt nämlich nicht für die Neuvermietung, sondern nur für Bestandswohnungen - für die
Dauer von fünf Jahren auf 110 Prozent zu begrenzen. So
sorgt man nicht für bezahlbare Mieten, schon gar nicht,
wenn das Begleitprogramm fehlt.
({8})
Oder nehmen wir die Frauenquote. Auch sie wurde
am 8. April dieses Jahres groß angekündigt. Sie haben
sogar mit Frau Schwesig zusammen in der Bundespressekonferenz gesessen und gesagt: Die anderen haben in
der letzten Legislaturperiode nur geredet. Wir handeln
jetzt. - Da sage ich als Frau, die auch in der letzten Legislaturperiode Abgeordnete war - vielleicht im Sinne
aller Frauen, die beim letzten Mal dabei waren -: Das ist
schon starker Tobak, wenn man nicht mehr durchbekommt als das, wofür wir in der letzten Legislaturperiode gekämpft haben.
Zugegeben, am Ende ist die Union umgefallen. Aber die
CDU-Frauen haben dafür im Wahlprogramm eine 30Prozent-Quote durchgesetzt. Mehr bekommt man heute
auch gar nicht durch. Also: Mein Dank an die Frauen der
letzten WP!
({9})
Sie hätten an dieser Stelle besser nicht aufgerüstet und
besser nicht so viele Sachen aufgenommen, dass CDU
und CSU am Ende noch lange an der Geschichte herumfuhrwerken können. Die Frauen haben keine Geduld
mehr, Herr Maas! Wir wollen endlich etwas sehen!
({10})
Ich sage - auch in Ihre Richtung -: Ich trauere ein
bisschen Rita Pawelski aus der letzten Legislaturperiode
nach; denn die wäre jetzt auf der Zinne, wenn sie Frau
Hasselfeldt hören würde. Frauen schaden der Wirtschaft,
hat Frau Hasselfeldt faktisch gesagt, indem sie formuRenate Künast
lierte: Jetzt hat die Wirtschaft Vorrang und nicht die
Frauenquote. - Ich kann nur sagen: Schade, dass sie
heute nicht da ist. Wer solche Kolleginnen wie Frau
Hasselfeldt im Bundestag hat, braucht keine altmodischen Männer mehr.
({11})
Herr Kauder - schade, dass er nicht da ist und nicht
hier sitzt -, der Umgangston in der Koalition geht mich
ja nichts an,
({12})
und auch ich bin für harte Sätze bekannt. Aber in der Sache ist es so: Herr Kauder hat über Frau Schwesig gesagt, sie sei weinerlich. Das ist eine Abwertung. So etwas sagt er über Männer nicht. Ich finde, das ist eine
Entschuldigung wert.
({13})
Nun zu Ihnen, Herr Maas. Ich würde Sie bitten, in Zukunft vernünftige Gesetzgebungsverfahren auf den Weg
zu bringen, kein Hopplahopp. Auch dafür müsste ein
Justizminister eintreten. Es kann nicht sein, dass wir
dienstagnachmittags geänderte Vorlagen für Mittwoch,
9 Uhr, vorgelegt bekommen. Bei der Istanbul-Konvention sind Sie, was § 177 StGB angeht, auf Druck der Justizministerinnen der Länder glücklicherweise umgefallen; erst wollten Sie ja keine Änderung. Ich würde mir
wünschen, dass wir hier gemeinsam eine Lösung finden.
Ich würde mir auch wünschen, dass wir dazu eine ordentliche Beratung im Rechtsausschuss durchführen.
Wir haben für den 28. Januar nächsten Jahres eine Anhörung beantragt. Ich weiß nicht, warum die Union das abgelehnt hat - vielleicht um sich vorher intern zu einigen.
Ich würde mir wünschen -
Kollegin Künast, Sie können sich das alles wünschen.
Ich muss Sie bloß darauf aufmerksam machen: Ihre Kollegin hat dann weniger Zeit.
Darf ich den letzten Satz noch sagen? - Ich würde mir
wünschen, dass Sie rechtspolitisch und verbraucherpolitisch in vielen Bereichen Ihre Stimme erheben. Um nur
einige Dinge zu nennen: Anti-Doping soll der Sport und
nicht das Strafgesetzbuch regeln,
({0})
die Verbraucherkennzeichnung hat Herr Müller gerade versemmelt, und Sie sind für nachhaltigen Konsum
zuständig.
Setzen Sie die Dinge endlich auf die Tagesordnung nicht nur verbal und in Interviews, sondern auch in der
Realität Ihres ministeriellen Handelns!
({1})
Das Wort hat der Kollege Klaus-Dieter Gröhler für
die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kollegen! Herr Minister Maas! Frau Künast, zu Renates
Märchenstunde nur eine Anmerkung:
({0})
Eine Partei, die die erste Kanzlerin der Bundesrepublik
Deutschland stellt, braucht keine Belehrung zum Thema
„Frauen in Führungspositionen“.
({1})
Bevor ich auf den Einzelplan 07 konkret eingehe, erlauben Sie mir bitte zwei persönliche Bemerkungen:
Die erste möchte ich gerne als Berliner Abgeordneter
machen. Für Berlin enthält dieser Bundeshaushalt insgesamt sehr viel Gutes. Ich will nur einmal drei Stichworte
nennen: Museum der Moderne, Humboldt-Forum,
Martin-Gropius-Bau. Ich könnte jetzt noch viele weitere
Beispiele nennen, aber dann wären die Kollegen aus den
anderen Bundesländern vielleicht neidisch.
Ich muss sagen, der Bund kommt hier seiner Verantwortung für die Bundeshauptstadt sehr engagiert nach.
Als Berliner möchte ich hier ein herzliches Dankeschön
in Richtung Bundesregierung - insbesondere in Richtung von Monika Grütters -,
({2})
aber auch in Richtung der Kollegen aus den anderen
Bundesländern dafür sagen, dass sie die Bundeshauptstadt durch diesen Haushalt so solidarisch unterstützen.
Meine zweite Vorbemerkung: In § 2 Absatz 1 Satz 1
Haushaltsgesetz 2015 heißt es:
Im Haushaltsjahr 2015 nimmt der Bund keine Kredite zur Deckung von Ausgaben auf.
({3})
- Diesen Satz haben wir heute schon öfter gehört, aber er
ist leider noch nicht bei allen Kollegen in der notwendigen Intensität angekommen, lieber Herr Kollege,
({4})
insbesondere nicht bei den Kollegen Bartsch und
Kindler, was ich feststellen konnte, als ich heute Morgen
sehr intensiv zugehört habe. Ich sage es einmal so: Wenn
diese beiden Bundesminister der Finanzen wären - was
wir nicht hoffen wollen - und es schaffen würden, einen
Haushalt ohne Schulden vorzulegen, dann - das prophezeie ich Ihnen - würden bei dem einen Banner mit der
Aufschrift „Ohne Schulden leben heißt siegen lernen“
aus den entsprechenden Häusern hängen, und bei dem
anderen würden wahrscheinlich Graffiti an der Wand
stehen. Dort hieße es: Schuldenfrei - Spaß dabei.
({5})
Wir von der Union gehen mit diesem Erfolg nicht so
überschwänglich um, sondern wir arbeiten solide und
verlässlich weiter, damit es den Menschen in unserem
Land weiterhin gut geht - auch in späteren Generationen. Dass uns unser sozialdemokratischer Koalitionspartner bei der Umsetzung dieses wichtigen Ziels verlässlich begleitet, ist, glaube ich, ein gutes Zeichen für
das Land und darüber hinaus.
Mich als Mitglied des Haushaltsausschusses erfüllt es
jedenfalls mit Freude, gerade zu dem Zeitpunkt Mitglied
im Haushaltsausschuss zu sein, in dem wir eine Überzeugung von Ludwig Erhard, nämlich „Maß halten“
- das hat jetzt weniger mit dem Herrn Minister zu tun -,
im Haushalt tatsächlich erfolgreich umsetzen können,
sodass Wohlstand für alle wirklich machbar wird.
Ich komme nun im Einzelnen zum Einzelplan 07
- Justiz und Verbraucherschutz -:
Der Etat ist in der Tat sehr klein, aber auch sehr wichtig, um den Rechtsstaat erfolgreich zu sichern und fortzuentwickeln. Wir haben verstanden, dass Rechtsstaatlichkeit und Rechtsgewährung Standortvorteile sind,
wenn das auch noch nicht in allen Teilen Osteuropas
komplett angekommen ist.
Um nur einmal eine Relation klarzumachen: Herr
Minister Maas, mit Ihrem Haushalt käme Ihre Kollegin
Frau Nahles gerade einmal zwei Tage aus. So groß ist
der Unterschied zwischen dem Sozialhaushalt und dem
Justizhaushalt. Trotz dieses geringen Umfangs - vielleicht aber auch gerade deshalb - haben wir unsere Beratungen, wie ich glaube, sehr intensiv geführt.
Herr Minister Maas, bitte bestellen Sie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ihres Hauses, aber auch bei
den Gerichten und in den Ämtern, unser herzliches Dankeschön. Lieber Steffen Kampeter, das Gleiche gilt für
das Finanzministerium. Ohne die Zuarbeiten von diesen
Stellen könnten wir unserer Kontrollaufgabe und der
Haushaltsgesetzgebung letztlich nicht nachkommen.
Das muss man an dieser Stelle auch einmal sehr deutlich
sagen.
Wir haben uns mehrheitlich zurückgehalten, was zusätzliche Ausgaben angeht. Trotzdem haben wir - wohlbegründet - 32 Millionen Euro obendrauf gepackt, wenn
ich das einmal so flapsig sagen darf. Insbesondere haben
wir einen Schwerpunkt beim Deutschen Patent- und
Markenamt gesetzt; der Kollege Claus hat darauf hingewiesen. Herr Kollege Claus, Sie sagten, die Koalition
habe ihren ganzen Mut zusammengenommen, um diese
Mittel zur Verfügung zu stellen.
({6})
Ich sage Ihnen einmal etwas: Es bedarf nicht Mut, um
bessere Politik als die Linken zu machen. Es bedarf
Werte und Köpfchen, und das hat diese Große Koalition.
({7})
Deshalb haben wir an dieser Stelle entsprechend draufgesattelt.
({8})
Nun stehe ich der Bereitstellung zusätzlicher Stellen
in Ämtern immer sehr skeptisch gegenüber, weil das
meistens mehr Verwaltung und mehr Bürokratie bedeutet. Aber an dieser Stelle ist das sehr gut investiertes
Geld. Lassen Sie mich einmal zwei, drei Zahlen nennen.
65 000 Patentanmeldungen werden in 2014 beim Patentamt eingehen, 75 Prozent davon stammen aus Deutschland, 10 Prozent aus den USA. In Frankreich ist die Zahl
der Patentanmeldungen nicht einmal halb so groß wie in
Deutschland, in Großbritannien ist es gerade einmal ein
Viertel. Mit diesen Zahlen will ich deutlich machen, wie
wichtig Patentanmeldungen für unser Land sind.
Die Nachfrage beim Patentamt hat sich in den letzten
drei Jahren um fast 10 Prozent gesteigert. Auf diese Belastung müssen wir reagieren, nicht nur um das Personal
zu entlasten und die Leistungsfähigkeit des Amtes zu erhalten, sondern auch um Einzelanmeldern, kleinen Erfindern, Mittelständlern und Großunternehmern den nötigen staatlichen Schutz für ihr geistiges Eigentum zu
geben und auch die wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit ihrer Erfindung zu gewährleisten. Das gilt übrigens genauso für den Schutz von Markendesigns und
Gebrauchsmustern.
2 000 Patentanmeldungen jährlich betreffen den Bereich regenerative Energien, 6 000 Anmeldungen die
Sparte Kfz-Abgastechnologien. Die Stärkung des Patentamtes ist wichtig für das Erfinderland Deutschland, für
uns als Exportnation, für die Energiewende, für den MitKlaus-Dieter Gröhler
telstand und für qualifizierte Arbeitsplätze. Zusätzliche
Prüferinnen und Prüfer sorgen für zusätzliche Einnahmen. Insofern ist das insgesamt eine sehr gute Verstärkung. Die Arbeitsbelastung beim Patentamt wird trotzdem hoch bleiben. Wir werden im nächsten Jahr genau
hinschauen müssen - der Kollege Rohde wird da sicherlich sehr eng an meiner Seite sein -, um sicherzustellen,
dass das Amt dauerhaft leistungsfähig ist.
Einen zweiten Schwerpunkt haben wir beim Thema
Verbraucherschutz gesetzt: mehr Personal für den Schutz
digitaler Kundenbeziehungen und besonderer Verbrauchergruppen, mehr Geld für Verbraucherzentralen und
Marktwächter. Den Grünen ist das immer noch nicht genug. Es ist nun einmal das Los der Opposition, immer
noch mehr zu wollen. Aber ich sage einmal: Das Haus,
Herr Minister, ist beim Verbraucherschutz meiner Meinung nach gut ausgestattet, stark aufgestellt und wird ordentlich arbeiten können.
Dabei sollten wir eines nicht aus dem Auge verlieren:
Im Mittelpunkt des politischen Handelns steht meiner
Auffassung nach die mündige Bürgerin, der mündige
Bürger, die mündige Konsumentin, der mündige Konsument. Verbraucherschutz heißt nicht, dass Vater Staat die
Kinder an die Hand nimmt und sie durchs Leben führt,
auf dass sich keiner an einem Stein stoße. Verbraucherschutz heißt, sich dort einzusetzen, wo es zu Verwerfungen kommt, wo der Verbraucher nicht mehr durchblicken kann oder wo die Gefahr besteht, dass er nicht als
gleichberechtigter Partner im Rahmen der Privatautonomie handeln kann. Nur dann darf der Staat eingreifen.
Der wichtigste Aspekt des Verbraucherschutzes muss
immer noch sein, die Verbraucherinnen und Verbraucher
fitzumachen, um am Markt eigenständig entscheiden
und agieren zu können, um auf Augenhöhe zu verhandeln. Dabei wollen wir die Wirtschaft, die Anbieter, als
Partner verstehen, nicht als Gegner der Verbraucher.
({9})
Gestatten Sie mir abschließend, auf ein Thema hinzuweisen - Herr Minister Maas hat es schon kurz angesprochen -: auf das Präventionsprojekt Dunkelfeld
„Kein Täter werden“. Finanziell ein ganz kleines Anliegen im Haushalt, aber in seiner Wirkung sehr wichtig.
560 000 Euro gibt der Bund in 2015 für dieses Projekt
aus, fast das Doppelte gegenüber 2013 und noch einmal
mehr als 2014.
Wir werden in Zukunft dafür sorgen müssen, dass dieses Projekt auf eine andere finanzielle Basis gestellt
wird; denn die Projektfinanzierung wird nicht ewig aus
Mitteln des Justizministeriums kommen können, weil es
ein Projekt ist. Wir werden nach Mitteln suchen müssen,
aber ich bin sicher: Auch dieses Geld ist gut angelegt.
Ich kann die Bundesländer, die bisher für dieses Projekt
noch kein Geld bereitgestellt haben, nur auffordern, zu
überlegen, ob das Projekt nicht dieses Geld wert ist.
Lassen Sie mich zwei, drei Zahlen aus Berlin nennen,
wo der Schwerpunkt dieses Projekts liegt. In den letzten
zehn Jahren haben dort fast 2 000 Männer anonym
Kontakt aufgenommen, weil sie Sorge hatten, dass sie
Straftaten im Bereich pädophiler Neigungen begehen
könnten. Bei 846 dieser Männer hat es abgeschlossene
klinische Diagnosen gegeben, und 412 Männer haben
sich entschlossen, in eine Therapie zu gehen. 6 Prozent
stammten übrigens aus der Region Berlin/Brandenburg;
der Rest kam aus der übrigen Bundesrepublik oder gar
aus dem Ausland. Insofern ist das ein deutlicher Appell
an die anderen Bundesländer, die noch nicht aktiv sind,
in dieser Frage ihre Position zu überdenken. Ich glaube,
auch diese gute halbe Million Euro ist gut angelegtes
Geld, so wie dieser Haushalt insgesamt solide ist. Auch
der Einzelplan 07 - Justiz und Verbraucherschutz - ist
nachhaltig und zukunftsorientiert. Ich glaube, auch die
Opposition kann ihm am Ende der Debatte guten Gewissens zustimmen.
Herzlichen Dank.
({10})
Der Kollege Dennis Rohde hat für die SPD-Fraktion
das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Ich bin froh und stolz, dass ich als Fazit zu den
Verhandlungen zum Einzelplan 07 festhalten kann, dass
wir unsere Versprechungen gehalten haben. Ich möchte
das an drei Punkten näher darlegen. Ich beginne mit dem
Punkt, den auch Sie gerade angesprochen haben, Herr
Kollege Claus: mit dem Deutschen Patent- und Markenamt.
Ich war sehr verwundert über Ihre Worte. Das, was
Sie in Bezug auf die erste Lesung des Haushalts 2015
hier ausgeführt haben, können Sie eigentlich nur aus
dem Märchenbuch von Frau Künast haben. Alle Kolleginnen und Kollegen haben damals gefordert, dass beim
DPMA etwas passiert. Alle Haushälter haben gesagt:
Das müssen wir angehen. - Das waren nicht nur die Linken, sondern alle Kolleginnen und Kollegen. Ich finde,
man sollte zumindest im Plenum die Wahrheit sagen.
({0})
Wir haben alle gesagt, dass das Deutsche Patent- und
Markenamt eine vernünftige Ausstattung braucht. Heute
können wir feststellen: Es gibt einen massiven Personalaufwuchs. Es gibt eine bessere finanzielle Ausstattung
des DPMA. Versprochen und gehalten, meine Damen
und Herren.
Meine Kollegin Eva Högl hat am 26. Juni 2014 zum
Haushalt im Bereich innere Sicherheit gesagt: „Ein
wichtiger Punkt ist die Stärkung des Generalbundesanwalts.“ Heute werden wir sechs zusätzliche R-besoldete
Stellen beschließen und dem Generalbundesanwalt über
700 000 Euro zusätzlich zur Verfügung stellen. Versprochen und gehalten.
Meine Kollegin Elvira Drobinski-Weiß hat in derselben Haushaltsberatung gesagt: Neben Ideen und Konzepten benötigen wir für den Verbraucherschutz auch
Geld. - Heute können wir sagen: Seit Regierungsübernahme haben sich die Mittel für den wirtschaftlichen
Verbraucherschutz um mehr als 20 Prozent erhöht. Versprochen und gehalten.
({1})
Aber lassen Sie mich auf die Punkte im Einzelnen
eingehen. Wir wussten zu Beginn der Haushaltsverhandlungen um die Situation beim Deutschen Patent- und
Markenamt. Wir wussten, dass es dort einen Antragsstau
von gut 170 000 Anträgen gibt. Ich habe ungefähr drei
Viertel meiner Rede dafür genutzt, die Wichtigkeit des
Patents für unsere Wirtschaft herauszustellen.
Ich bin sehr froh, dass wir als Koalition den Vorschlag
des Deutschen Patent- und Markenamtes heute eins zu
eins umsetzen. Wir werden 58 neue Patentprüferstellen
schaffen und eine bessere finanzielle Ausstattung zur
Verfügung stellen. Ich freue mich wirklich, dass bei diesem überlegten Vorgehen auch die Opposition mitgehen
kann.
Wir haben bei der Absicherung der Innovationskraft
unseres Landes Ernst gemacht.
({2})
Wir haben beim Schutz des geistigen Eigentums Ernst
gemacht. Wir haben beim Deutschen Patent- und Markenamt keine halben Sachen gemacht, sondern klare
Kante gezeigt.
({3})
Ein zweites Thema: Die nationale Sicherheit kostet
Geld. Das merken insbesondere die Kolleginnen und
Kollegen, die mit dem Haushalt des Bundesinnenministeriums befasst sind und mit der Bundespolizei, dem
Zoll, aber auch dem Bundeskriminalamt zu tun haben.
Aber auch die Judikative steht vor neuen Herausforderungen. So gibt es erhebliche Mehrbelastungen beim
Generalbundesanwalt. Diese stehen in unmittelbarem
Zusammenhang mit der Bedrohung durch die Terroristen
des „Islamischen Staates“ und gewaltbereite Dschihadisten. Lassen Sie mich nur ein Beispiel nennen: Im Jahr
2012 gab es beim Generalbundesanwalt in diesem Bereich einen Prüfvorgang, ein Ermittlungsverfahren und
vier Beschuldigte. Im Jahr 2014 - Stand: 30. Oktober waren es 162 Prüfvorgänge und 41 Ermittlungs- und
Strafverfahren mit insgesamt 80 Beschuldigten.
Meine Damen und Herren, das sind dramatische Entwicklungen, und diesen dramatischen Entwicklungen
müssen wir Rechnung tragen. Wir tragen ihnen Rechnung, indem der Generalbundesanwalt 720 000 Euro
mehr zur Verfügung gestellt bekommt.
({4})
Ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen: Die Sicherheit der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland und darüber hinaus ist in Geld nicht zu beziffern.
Sicherheit hat kein Preisschild. Es ist unsere Verantwortung, in Gewahrsam genommene Terroristen einem
rechtsstaatlichen Verfahren zuzuführen und sie für ihre
Gräueltaten zur Rechenschaft zu ziehen und die Bevölkerung vor ihnen zu schützen. Darum werden wir weiterhin genau prüfen und beobachten, was wir an Unterstützung für den Generalbundesanwalt werden leisten
können.
Ein drittes Thema. Es war die richtige Entscheidung,
den wirtschaftlichen Verbraucherschutz im Bundesjustizministerium einzugliedern. Wir gehen diesen Schritt
konsequent weiter und stellen den Verbraucherschutz
heute auf eine breitere finanzielle wie personelle Basis.
So haben wir überhaupt erst zum zweiten Mal in seiner
Geschichte der Verbraucherzentrale Bundesverband eine
Erhöhung seiner institutionellen Förderung zugedacht.
Ich weiß, dass das nicht allen gefällt, auch nicht allen
Kolleginnen und Kollegen; denn der vzbv ist auch gegenüber den gewählten Politikerinnen und Politikern
manchmal unbequem und nimmt sich das Recht zu Kritik heraus. Aber genau das soll er auch: mit lauter
Stimme einzig und allein für die Verbraucherinnen und
Verbraucher sprechen. Das kann er nur, wenn er unabhängig von der Wirtschaft agiert. Darum sind die staatlichen Mittel so wichtig. Wir wollen und brauchen starke
und unabhängige Verbraucherzentralen, eine starke
Lobby für die Verbraucherinnen und Verbraucher in unserem Land.
({5})
Darum werden wir eines der zentralen Projekte dieser
Koalition und der Verbraucherzentralen mit mehr finanziellen Mitteln hinterlegen. Im kommenden Jahr werden
die Marktwächter mit 5,5 Millionen Euro weiter angeschoben.
Die Große Koalition richtet ihre Politik übrigens nicht
nach dem Irrglauben aus, man müsse nur vom mündigen
Verbraucher sprechen, und alle Probleme lösten sich
dann in Wohlgefallen auf. So unterschiedlich wie Menschen, so unterschiedlich sind auch ihre Bedürfnisse und
die Herausforderungen für die Verbraucherpolitik. Dem
tragen wir Rechnung, indem wir im Bundesjustizministerium ein Referat „Besondere Verbrauchergruppen“
installieren werden. Da geht es zum Beispiel um die
Herausforderungen junger Menschen sowie der Seniorinnen und Senioren, aber auch der Migrantinnen und
Migranten. Dabei geht es ganz besonders darum, dass
auf die Dinge, die wir nicht gleich auf dem politischen
Radar haben, aufmerksam gemacht wird.
Ein Beispiel: So deckten im Oktober dieses Jahres die
Verbraucherzentralen Hamburg, Berlin und Bremen erhebliche Missstände bei den sogenannten Ethnomobilfunktarifen auf. Das sind Tarife, die bevorzugt Migrantinnen und Migranten nutzen, um Kontakt zu ihrer
Heimat zu halten. Mit diesen Tarifen erhält man verbilligte Konditionen bei Anrufen in einigen Ländern. Kaum
einer von uns wird diese Tarife intensiv nutzen. Aber geDennis Rohde
rade weil Migrantinnen und Migranten diese Tarife intensiv nutzen, gehen zusätzliche Herausforderungen
zum Beispiel bei der Sprache und der Vertragsgestaltung
damit einher. Wenn wir ganz ehrlich sind, müssen wir
zugeben, dass das ein Bereich ist, an den wir nicht zuvorderst denken, wenn wir uns die gesamte große
TK-Branche anschauen. Es ist aber wichtig, dass sich
eine Institution mit einer spezifischen Sicht genau solcher Themen annimmt. Das ist ein wichtiger Schritt hin
zu einer Verbraucherpolitik, die wirklich alle Menschen
in unserem Land einschließt.
({6})
Wir stellen uns auch der Herausforderung der Digitalisierung unserer Gesellschaft mit der Einrichtung eines
neue Referats „Digitale Kundenbeziehungen“. Heutzutage schließen wir Onlineverträge ab. Wir kaufen ein, erledigen unsere Post und informieren uns über Angebote
online. Kurzum: Ein guter Teil der traditionellen Beziehungen zwischen Verbrauchern und Anbietern ist ins
Netz gewandert. Dabei ist insbesondere der Schutz der
Kundendaten unheimlich wichtig. Wir hoffen, dass wir
mit diesem Referat neue Erkenntnisse diesbezüglich gewinnen.
Meine Damen und Herren, Verbraucherschutz ist in
der Großen Koalition in guten Händen. Wir haben einen
Paradigmenwechsel eingeleitet. Wir nehmen den Schutz
der Verbraucherinnen und Verbraucher ernst. Wir wollen
eine aktive und keine reagierende Verbraucherpolitik.
Diesen Weg gilt es in den kommenden Jahren konsequent fortzusetzen, ohne einen Rückfall in vergangene
Zeiten. Wir gehen mit dem vorliegenden Haushalt die
Herausforderungen der Judikative, des Schutzes des
geistigen Eigentums und der Verbraucherpolitik an. Wir
haben einen guten Regierungsentwurf noch besser gemacht. Hierfür werbe ich um Ihre Zustimmung.
({7})
Das Wort hat die Kollegin Caren Lay für die Fraktion
Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Was die Verbraucherarbeit und den Verbraucherschutz in diesem Haushaltsentwurf anbelangt,
komme ich leider zu einer völlig anderen Einschätzung
als beispielsweise mein Vorredner. Wenn wir uns die
Zahlen anschauen, stellen wir fest, dass die Verbraucherpolitik im Gesamthaushalt wirklich ein Schattendasein
fristet. Gerade einmal 31 Millionen Euro sind für die
Verbraucherpolitik vorgesehen. Das ist im Vergleich
zum Gesamthaushalt ziemlich wenig. Alleine der Schützenpanzer Puma beispielsweise ist der Bundesregierung
19-mal mehr wert als die Verbraucherpolitik. Das nenne
ich eine falsche Prioritätensetzung.
({0})
An diesem Beispiel sieht man auch, dass es nicht so
ist, dass kein Geld da ist oder die Opposition dauernd
Geld ausgeben möchte; es sitzt einfach an der falschen
Stelle. Auf dieses Kriegsgerät zu verzichten und das
Geld für die Verbraucherarbeit einzusetzen, das wäre
zum Beispiel eine gute Lösung.
({1})
Wenn Sie da nicht mitgehen können, will ich Ihnen
einen anderen Vorschlag machen und eine Idee der ehemaligen Verbraucherministerin Frau Aigner aufgreifen,
die bekanntlich nicht der Linken angehört, sondern der
CSU. Sie hatte vorgeschlagen, dass man die Mittel, die
dem Bundeskartellamt aus Bußgeldern zufließen, also
die Kartellstrafen aufgrund illegaler Preisabsprachen, für
die Verbraucherarbeit zur Verfügung stellen könnte. Alleine bis zum Oktober dieses Jahres waren es Bußgelder
für illegale Preisabsprachen in Höhe von 1 Milliarde
Euro, die in den Bundeshaushalt fließen. Das ist Geld,
das den Verbrauchern unrechtmäßig aus der Tasche gezogen wurde und das man für sinnvolle Projekte einsetzen könnte. Selbst wenn wir nur 20 Prozent dieser Gelder nehmen würden, wären das 200 Millionen Euro.
Dann müsste man, um ein Beispiel zu nennen, nicht
bei der Stiftung Warentest kürzen - und das ausgerechnet im 50. Jubiläumsjahr. Da frage ich mich ehrlich gesagt, wie das nächste Woche beim feierlichen Festakt ablaufen soll und ob dann die Kanzlerin sagt: Liebe
Stiftung Warentest, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Sie leisten eine wertvolle Arbeit, und als Geburtstagsgeschenk werden wir Ihnen gleich die Mittel
kürzen. - Nein, bei diesen Geburtstagsgeschenken kann
man sich die Sonntagsreden sparen.
({2})
Wir könnten von diesem Geld beispielsweise
1 000 Schuldner- und Finanzberatungsstellen finanzieren. Das wäre auch angemessen. Sie haben es selber gesehen: Die Anzahl der verschuldeten Haushalte ist erneut gestiegen. Die durchschnittlichen Wartezeiten
betragen sechs Monate, in einzelnen Kommunen können
es auch einmal eineinhalb Jahre sein. Damit vergeht viel
zu viel Zeit, in der sich die Schuldenspirale weiter dreht,
anstatt dass den Betroffenen geholfen würde. Wir müssen bei der Finanz- und Schuldnerberatung deutlich
mehr zulegen. Deswegen werden wir als Linke das auch
beantragen.
({3})
Man könnte mit einem Bruchteil des Geldes aus den
Kartellstrafen beispielsweise auch die Marktwächter
auskömmlich finanzieren, um tatsächlich und wirkungsvoll den Verbraucherschutz auf den Finanzmärkten, aber
auch in der immer komplizierter werdenden digitalen
Welt zu stärken. Wir freuen uns, dass eine langjährige
Oppositionsforderung nach solchen Marktwächtern aufgegriffen wurde, aber wir, die wir uns damit beschäftigt
haben, wissen auch: Diese 6,5 Millionen Euro sind zu
wenig. Da hilft es auch nichts, dass die ursprünglich veranschlagten Kosten von 12 Millionen Euro auf Wunsch
nach unten korrigiert wurden. Hier müssten wir eigentlich viel mehr Geld in die Hand nehmen.
({4})
Es wird gerne gesagt, das gehe gar nicht und man
könne die Bußgelder dafür nicht einsetzen. Die ganzen
Vorschläge, die ich gemacht habe, fallen einfach deswegen weg, weil das Geld, das den Verbrauchern eigentlich
zustehen würde, nicht etwa in den Haushalt des Verbraucherministers fließt, sondern weil es in den Haushalt des
Wirtschaftsministers fließt. Da frage ich mich, warum
das Geld, um das die Verbraucher betrogen wurden, am
Ende ausgegeben wird, um die Wirtschaft zu unterstützen. Das ist doch wirklich völlig absurd.
({5})
Ein beliebtes Argument in diesen Debatten ist, das sei
der kleinste Haushalt. Okay, 31 Millionen Euro sind im
Vergleich zum Gesamthaushalt nicht besonders viel. Es
wird angeführt, es gehe auch darum, gute Gesetze zu
machen. Na, bitte schön, dann machen Sie doch gute Gesetze. Ich möchte Ihnen einige aktuelle Beispiele nennen. Eines hat schon eine Rolle gespielt.
Nehmen wir die Mietpreisbremse. Das, was Sie, Herr
Minister, hier vor kurzem in den Bundestag eingebracht
haben, lässt zu, dass die Länder selber entscheiden können, ob sie Ihr Gesetz umsetzen. Die Länder haben viel
zu viel Zeit für die Umsetzung, sodass die Vermieter
schön an der Preisspirale drehen können. Es gibt viel zu
viele Ausnahmen und Bedingungen, und der Deckel, den
Sie gewählt haben, ist überhaupt nicht sachgerecht und
wird die Mieten nicht deckeln. Nein, meine Damen und
Herren, diese Mietpreisbremse ist bestenfalls eine Handbremse, und da müssen wir dringend nachbessern.
({6})
Oder nehmen wir die gesetzliche Deckelung der Dispozinsen; sie lässt ebenfalls auf sich warten. Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben selber gesagt, Verbraucherschutz sei kein Thema von Appellen. Dann möchte ich
Sie hier, ehrlich gesagt, an Ihre eigenen Worte erinnern:
Haben Sie bitte den Mut, sich mit der Bankenlobby anzulegen! Belassen Sie es nicht einfach bei mehr Transparenz, und führen Sie endlich einen gesetzlichen Deckel
ein!
({7})
Ich möchte zum Schluss noch auf das Projekt der
Frauenquote zu sprechen kommen. Dieses Projekt begrüße ich natürlich prinzipiell. Aber Ihre Behauptung,
dass mit der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs der
im Grundgesetz verankerte Gleichstellungsauftrag umgesetzt werde, ist, glaube ich, ein bisschen übertrieben.
Die feste Quote soll tatsächlich nur 108 Unternehmen
betreffen. Davon würden also gerade einmal 160 Frauen
tatsächlich profitieren. Dazu muss ich einfach sagen: Vor
diesen 160 Frauen muss die CSU nicht zittern, und der
Herr Fraktionsvorsitzende Kauder muss angesichts dessen nicht so weinerlich werden. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, da müssen Sie keine
Angst haben. Die Männerbündelei in Deutschlands Vorstandsetagen würde auch nach Verabschiedung dieses
Gesetzentwurfs weitergehen. Wir als Linke finden, es ist
dringend an der Zeit, dass wir das endlich beenden.
Vielen Dank.
({8})
Der Kollege Dr. Hendrik Hoppenstedt hat für die
CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Rechtspolitik wird bekanntlich nicht mit dem Scheckbuch gemacht. Das Bundesministerium der Justiz und
für Verbraucherschutz ist in erster Linie ein Gesetzgebungs- und Beratungsministerium.
Aber Rechtspolitik ist natürlich auch nicht zum Nulltarif zu haben. Mein Kollege Gröhler ist als Haushälter
schon auf viele Details des Einzelplans 07 eingegangen.
Auch ich möchte noch einmal auf den erheblichen Aufwuchs im Personalhaushalt des Deutschen Patent- und
Markenamtes hinweisen. Mit weit über 50 neuen Stellen
wird es in die Lage versetzt, Patentanmeldungen schneller zum Abschluss zu bringen. Damit können Erfindungen zügiger auf den Markt gebracht werden, und das sichert und schafft Arbeitsplätze in Deutschland. Dieses
Beispiel zeigt, dass wir nach einem Jahr erfolgreicher
Großer Koalition neben den Verbesserungen im Bereich
Opferschutz, auf die ich gleich noch zu sprechen kommen werde, viel für die Wirtschaft und den deutschen
Mittelstand getan haben und zukünftig auch noch tun
werden.
Lassen Sie mich das anhand der Nennung von drei
Beispielen unterstreichen:
Beispiel Nummer eins. Wir haben das Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr beschlossen und damit die EU-Zahlungsverzugsrichtlinie
umgesetzt. Wenn insbesondere kleinere mittelständische
Unternehmen wochenlang auf die Begleichung einer
Rechnung warten und die Materialkosten vorfinanzieren
müssen, dann kann sie das schnell in den Ruin treiben,
und das vernichtet Arbeitsplätze. Deshalb haben wir zur
Sicherstellung der Liquidität von kleineren und mittleren
Betrieben den bisweilen vorhandenen exorbitanten Zahlungsfristen ein Ende gesetzt. Die in den allgemeinen
Geschäftsbedingungen geregelten Zahlungsfristen werden grundsätzlich auf 30 Tage begrenzt. Die Vereinbarung einer Zahlungsfrist von mehr als 60 Tagen ist nur
dann wirksam, wenn sie ausdrücklich getroffen ist und
im Hinblick auf die Gläubigerbelange nicht grob unbillig
ist. Bei den öffentlichen Auftraggebern, die ja bekanntlich nicht immer die beste Zahlungsmoral haben, darf
auch in Ausnahmefällen die 60-Tage-Frist nicht überschritten werden. Regelmäßig wird auch hier die Frist
bei 30 Tagen liegen.
Beispiel Nummer zwei. Die Beseitigung der Haftungsfälle für Handwerker im Mängelgewährleistungsrecht. Worum geht es hier? Kauft ein Handwerker, ohne
dies zu wissen, mangelhaftes Material und baut dies bei
einem Kunden ein, zum Beispiel Parkettstäbe, dann hat
der Kunde aufgrund der werkvertraglichen Beziehungen
einen Nachbesserungsanspruch. Der Handwerker muss
die fehlerhaften Parkettstäbe auf seine Kosten ausbauen
und fehlerfreie Parkettstäbe einbauen. Der Handwerker
seinerseits hat gegen seinen Verkäufer aber nur Anspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache, das
heißt, mangelfreier Parkettstäbe. Den wegen der hohen
Lohnkosten zumeist viel teureren Ausbau und den anschließenden Einbau muss er aber selber tragen. Der
Handwerker arbeitet also zweimal, bekommt aber nur einmal sein Geld. Deswegen haben wir uns im Koalitionsvertrag richtigerweise darauf verständigt, die Haftungsfalle für Handwerker im Mängelgewährleistungsrecht zu
beseitigen. Handwerker und andere Unternehmer sollen
nicht pauschal auf den Folgekosten von Produktmängeln
sitzen bleiben, die der Lieferant oder Hersteller zu verantworten hat.
Wir wollen das Verursacherprinzip im Gewährleistungsrecht stärken. Wir streben dabei eine Lösung an,
die sich bestmöglich in das Gewährleistungsrecht des
BGB und damit in dessen Systematik einfügt und die
auch die berechtigten Interessen der übrigen Beteiligten,
insbesondere die Interessen des Handels, angemessen
berücksichtigt; der Handel ist normalerweise nicht für
Produktionsfehler verantwortlich.
Zu dieser Frage wird das Bundesministerium der Justiz gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Verbraucherrecht
der Uni Bayreuth im nächsten Frühjahr ein Symposium
durchführen. Danach werden wir uns erst mit dem Koalitionspartner, dann mit dem Ministerium und im Anschluss selbstverständlich mit dem gesamten Ausschuss
über die konkrete rechtstechnische Umsetzung austauschen und uns hoffentlich einigen.
Beispiel Nummer drei. Wir möchten bei der Bewältigung von Konzerninsolvenzen zu Erleichterungen kommen. Es geht darum, die Sanierungsmöglichkeiten von
Unternehmen zu verbessern. Das ist im Interesse der
Gläubiger, aber ausdrücklich auch im Interesse der Arbeitnehmer.
Das geltende Insolvenzrecht ist auf die Bewältigung
der Insolvenz einzelner Rechtsträger zugeschnitten. Wenn
in einem Konzern mehrere Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, muss für jeden Unternehmensträger ein Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt werden. Diese zwangsweise
Dezentralisierung kann zu Nachteilen führen, wenn die
zu dem Konzern zusammengeschlossenen Unternehmen
eine wirtschaftliche Einheit bilden. Die Verwaltungsund Verfügungsbefugnis über die konzernweit verfügbaren Ressourcen, die bislang durch die Ausübung der
Konzernleitungsmacht aufeinander abgestimmt war, wird
auf mehrere Insolvenzverwalter verteilt. Es wird damit
schwieriger, die wirtschaftliche Einheit des Konzerns als
solche zu erhalten und ihren vollen Wert für die Gläubiger zu realisieren. Ziel des Gesetzentwurfs ist es daher,
die im Fall einer Konzerninsolvenz zu eröffnenden Einzelverfahren über die Vermögen konzernangehöriger
Unternehmen besser aufeinander abzustimmen.
({0})
Meine Damen und Herren, neben diesen mittelstandsfreundlichen Regelungen geht es auch noch um den
Schutz derer, die schwere Zeiten durchmachen, sei es,
weil sie Opfer von Straftaten wurden, oder sei es, weil
sie besonderes Leid erfahren haben. Auch hier möchte
ich drei Beispiele geben:
Beispiel Nummer eins. Wir haben durch die Novelle
im Sexualstrafrecht - das klang heute schon an - insbesondere Kinder und Jugendliche vor Missbrauch besser
geschützt. Der Fall Edathy hat einmal mehr gezeigt, dass
ein Markt für Kindernacktfotos existiert. Wir haben dem
Handel mit Nacktfotos von Kindern und Jugendlichen
einen Riegel vorgeschoben, um so die Würde der Kinder
und der Jugendlichen zu schützen. Kinderfotos für das
Familienalbum bleiben erlaubt. Der Handel und der
Tausch von Kindernacktfotos ist kriminelles Unrecht
und muss auch entsprechend bestraft werden.
Der Schutz in Obhutsverhältnissen wird ebenfalls
verbessert. Für die Strafbarkeit sexueller Kontakte zwischen Lehrern und Schülern ist es künftig völlig unerheblich, ob der Lehrer nun Klassenlehrer oder Vertretungslehrer ist. Sexuelle Kontakte zu Schülern werden für alle
Lehrer einer Schule strafrechtliche Konsequenzen nach
sich ziehen.
Kinder und Jugendliche müssen besser vor Erwachsenen geschützt werden, die sich im Internet und sozialen
Netzwerken als Kinder ausgeben. Deswegen verschärfen
wir das Strafrecht im Bereich des sogenannten Cybergroomings. Als Union hätten wir uns durchaus noch gewünscht, dass auch der untaugliche Versuch unter Strafe
gestellt wird; Täter, die auf Lockvogelangebote von Ermittlern eingehen, bleiben aber leider weiterhin straflos.
Beispiel Nummer zwei. Wir gehen das Angehörigenschmerzensgeld an. Wir werden einen eigenständigen
Schmerzensgeldanspruch für Menschen schaffen, die einen nahen Angehörigen durch Verschulden eines Dritten
verloren haben. Anders als viele andere europäische
Rechtsordnungen sieht das deutsche Recht einen solchen
Angehörigenschmerzensgeldanspruch nicht vor. Bislang
ist Voraussetzung für einen Schmerzensgeldanspruch
des nahen Angehörigen, dass die Schwelle zum Schock
und damit zu einer Gesundheitsverletzung des trauernden Angehörigen überschritten wurde. Das ist aber nicht
besonders häufig der Fall.
Das, meine Damen und Herren, führt zu Wertungswidersprüchen: Leichte Schleudertraumata werden entschädigt, nicht aber das viel schwerwiegendere, zum Teil
jahrzehntelange Leid bei Verlust eines nahen Angehörigen. Auch im Falle der Ehrverletzung und selbst für den
Nutzungsausfall eines Pkw sowie für entgangene Urlaubsfreude wird Schadenersatz gezahlt. Man könnte
deswegen den Eindruck gewinnen, dass umso eher
finanzielle Kompensation geschuldet wird, je banaler die
Rechtsverletzung ist, und umso weniger, je gravierender
die Rechtsverletzung ausfällt. Diese Rechtslage empfinden wir als unbefriedigend.
({1})
Selbstverständlich kann die Einführung eines Angehörigenschmerzensgeldes den Verlust eines nahen Menschen niemals ersetzen. Aber der Schmerzensgeldanspruch wäre ein Symbol der Solidarität der Gesellschaft
und zeigt, dass die Rechtsgemeinschaft das seelische
Leid auch entsprechend anerkennt.
Und ein letztes Beispiel: die Vorratsdatenspeicherung.
Offen ist auch dieses Projekt. In manchen Bereichen ist
die Speicherung von Verbindungsdaten erforderlich, um
schwere Straftaten aufzuklären und Terrorakte verhindern zu können. Um häufigen Missverständnissen vorzubeugen: Es geht hier nicht darum, dass Korrespondenzen regelmäßig mitgelesen oder Gespräche mitgehört
werden.
({2})
Die Telekommunikationsanbieter sollen lediglich sogenannte Metadaten speichern, das heißt: Wer hat mit
wem wann und wie lange telefoniert? Im Bedarfsfalle
würde so auf diese Kommunikationsdaten zugegriffen
werden können. Im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf verständigt, dass die Vorratsdatenspeicherung nur
bei schweren Straftaten und nach Genehmigung durch
einen Richter sowie zur Abwehr akuter Gefahren für
Leib und Leben erfolgen soll. Richtig ist, dass der EuGH
die konkrete Richtlinie der EU zur Vorratsdatenspeicherung für nichtig erklärt hat.
({3})
Nachdem nun die konkrete Richtlinie gescheitert ist,
geht es darum, eine europa- und verfassungsrechtlich
konforme Regelung für die Vorratsdatenspeicherung zu
finden. Ich bin besonders dankbar, dass die SPD-Innenminister in ihrer Berliner Erklärung vom 10. April 2014
zum Ausdruck bringen, dass sie das genauso sehen. Ich
zitiere:
Verbindungsdaten müssen unter größtmöglicher
Beachtung der Grundrechte und des Datenschutzes
zur Verfolgung von Kinderpornographie, schwerster Fälle von Cybercrime und organisierter Kriminalität für eine sehr begrenzte Zeit zur Verfügung
stehen.
({4})
Ich selber habe mich bei meinem Besuch beim BKA
in Wiesbaden davon überzeugen können, wie wichtig
diese Vorratsdatenspeicherung auch für unsere Ermittlungsbehörden sind, die wir an dieser Stelle gerne unterstützen möchten. Daher wünsche ich mir, dass wir als
Koalition dieses Thema noch deutlich beherzter aufgreifen als in der Vergangenheit, auch wenn ich weiß, dass
das rechtlich schwierig ist. Aber auch hier gilt der Satz:
Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.
Meine Damen und Herren, die genannten Beispiele
zeigen, dass wir auf dem Gebiet der Rechtspolitik schon
viel erreicht haben, aber noch eine gute Wegstrecke vor
uns haben. Nach einem Jahr Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag kann ich für mich jedenfalls feststellen,
dass die Koalition gute Gesetzentwürfe auf der Grundlage der Arbeiten des Bundesministeriums der Justiz und
für Verbraucherschutz beschlossen hat, dass es in der
Rechtspolitik zwischen den Koalitionsfraktionen eine
gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit gibt und dass
es auch mit den Oppositionsfraktionen
({5})
trotz inhaltlicher Differenzen im Ausschuss ein zumindest nach meinem Dafürhalten sehr manierliches und ordentliches Miteinander gibt. Ich habe das ja schon in
meiner letzten Rede gesagt. Da kam von der Opposition
der Zwischenruf: „Warten Sie es mal ab!“ Ich habe jetzt
eine ganze Weile gewartet, und ich muss sagen: Ich fühle
mich in meiner Aussage durchaus bestätigt und freue
mich deswegen auf die zukünftige Zusammenarbeit in
diesem Ausschuss.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({6})
Das Wort hat die Kollegin Nicole Maisch für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Dr. Hoppenstedt, ich habe vernommen, dass Sie
mit Anlauf zweimal gegen dieselbe Wand laufen wollen,
nämlich bei der Vorratsdatenspeicherung.
({0})
Ich kann nur sagen: Hier hört für uns Grüne der Spaß
auf. Wenn Sie einen Angriff auf unsere Bürgerrechte
fahren, dann wird es hier in der Debatte durchaus ungemütlich. Das möchten wir nicht zulassen. Wir halten Ihr
Vorhaben hier für völlig falsch.
({1})
Aber wir sind ja heute zusammengekommen, um über
den Haushalt zu reden. Man kann sagen, dass die Beratungen im Haushaltsausschuss durchaus erfolgreich waren. Herr Maas, Sie haben viel Kritik eingesteckt. Aber
es gibt auch Dinge, die man loben kann.
Wir finden es als Grüne gut, dass der Bundesverband
Verbraucherzentralen mehr Geld bekommt. Wir finden
es gut, dass Sie endlich Geld für die Marktwächter in
den Bereichen Finanzen und Digitales eingestellt haben.
Wir finden es auch gut, dass Sie endlich einen Sachverständigenrat für Verbraucherfragen benannt haben und
den auch finanzieren wollen.
Aber - damit ist die lobende Vorrede vorbei - wenn
man so etwas Schlaues macht wie Marktwächter, was
wir lange gefordert haben, dann muss man auch den Mut
haben, alles zu tun, damit das Projekt ein Erfolg wird. So
wie Sie das angelegt haben, sieht es ein bisschen so aus,
als ob Sie sich eigentlich gar nicht trauen, dass die
Marktwächter erfolgreich werden. Warum ist das so? Sie
wollen weiter mit Projektförderungen operieren. Sie
wissen so gut wie ich, dass der Bundesrechnungshof die
Projektitis nicht gerne sieht. Hier kann man schon fragen: Ist es vor allem ein Ansinnen der Union, die Marktwächter nach kurzer Zeit in Schönheit sterben zu lassen,
oder warum finden sie nicht eine längerfristige, eine institutionelle Finanzierung?
Wenn man will, dass die Marktwächter auch wirklich
beißen und bellen können, dann brauchen sie auch die
strukturellen Voraussetzungen dafür. Dann brauchen sie
ein formales Beschwerderecht gegenüber der BaFin. Wir
müssen außerdem darüber nachdenken, ob wir nicht bessere Möglichkeiten der kollektiven Rechtsdurchsetzung
finden können.
({2})
Geld allein, so wichtig es ist, macht noch keinen guten Verbraucherschutz. Das gilt insbesondere für den
Finanzbereich. Hier haben Sie noch einige Versprechungen einzulösen. Sie haben Maßnahmen zur Begrenzung
von Dispozinsen angekündigt. Ich habe akzeptiert, dass
es erst einmal keinen gesetzlichen Deckel geben wird.
Aber Sie haben andere Möglichkeiten angedeutet und
entsprechende Gesetze versprochen. Darauf warten wir
noch.
Weil wir gerade beim Thema „Knietief im Dispo“
sind, will ich noch auf den Kollegen Klaus-Dieter
Gröhler eingehen. Er hat hier eine allgemeine Haushaltsrede gehalten, hat sich für die schwarze Null und eine
solide Haushaltsführung gerühmt und hat dann auf die
Linken und die Grünen geschimpft.
({3})
Da muss ich Ihnen Folgendes sagen, liebe Kolleginnen
und Kollegen: Wer so tief wie Sie in die Rentenkasse, in
den Gesundheitsfonds und in den Topf für die Finanzierung der Infrastruktur fasst, der hat keine schwarze Null
aufzuweisen, sondern der steckt knietief im Dispo bei
den kommenden Generationen. Das lassen wir Ihnen so
nicht durchgehen.
({4})
Wenn wir uns den Haushalt für den Verbraucherschutz
anschauen, dann finden wir dort hinsichtlich des nachhaltigen Konsums eine Leerstelle. Verbraucher sind nicht nur
schutzbedürftig, sondern sie sind auch mächtige Akteure,
wenn es um mehr Tierschutz, mehr Umweltschutz und
nachhaltigeren Konsum geht. Aber dafür braucht man
eben auch die strukturellen Voraussetzungen: vor allem
verlässliche Label und Siegel - zum Beispiel für grüne
Geldanlagen, echten Ökostrom, aber auch für faire Kleidung. Hier, finde ich, ist der Verbraucherschutzminister
in der Verantwortung, den Kollegen Müller nicht scheitern zu lassen
({5})
und dieses Textilsiegel zum Erfolg zu führen. Hier sollten Sie Ihren Kollegen unterstützen, damit das Ganze zu
einem Erfolg wird; denn so, wie es im Moment angelegt
ist, ist es eher dazu geeignet, ein Rohrkrepierer zu werden.
({6})
Ich möchte, dass Sie sich weiterhin dafür einsetzen,
dass wir bessere Informationsansprüche im VIG haben
und dass Sie Kampagnen für nachhaltigere Konsummuster und für bessere Produkte fahren. Grüner und
nachhaltiger Konsum ist eine große Macht bei der
Transformation der Wirtschaft. Hier kann der Verbraucherschutzminister einfach noch mehr tun.
({7})
Herr Maas, ich wundere mich schon, dass es beim
Thema TTIP um Sie sehr ruhig geworden ist. Vor einigen Monaten hörte sich das noch sehr mutig an. Da haben Sie den Bürgern in unterschiedlichsten Zeitungsinterviews viel versprochen. Ihr erstes Versprechen war:
keine Absenkung von Standards. Sie stehen in der Verantwortung, zu erklären, wie regulatorische Kooperationen mit einem System - nämlich dem der USA - möglich sein sollen, welches das Vorsorgeprinzip nicht
kennt. Wie soll es eine regulatorische Kooperation und
gleichzeitig den Erhalt des Vorsorgeprinzips geben?
Vielleicht ist das möglich. Aber Sie sind in der Verantwortung, es zu erklären.
({8})
Sie haben auch gesagt: keine Investor-Staats-Schiedsgerichte. Das heißt, Sie haben den Bürgerinnen und Bürgern versprochen, dass es keine undemokratische Konzernjustiz gibt. In dieser Deutlichkeit - das muss ich
ganz offen sagen - habe ich das von Ihnen lange nicht
mehr gehört. Das mag damit zusammenhängen, dass
sich Ihr Parteivorsitzender und Wirtschaftsminister
Sigmar Gabriel von der Forderung „keine InvestorStaats-Schiedsgerichte“ klammheimlich verabschiedet.
Jetzt sind Sie als Verbraucherschutzminister gefragt, gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern Ihr Versprechen
zu halten: kein Ausverkauf von Verbraucher- und Datenschutz und keine Sonderjustiz für Konzerne.
({9})
Hier steht nicht nur der europäische Standard für Verbraucher- und Datenschutz auf dem Spiel, sondern auch
Ihre Glaubwürdigkeit als Minister.
Ich bedanke mich.
({10})
Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Elvira
Drobinski-Weiß das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Maisch,
ich bitte Sie, einfach mal in den Beschluss unseres Parteikonvents zu schauen. Dann wissen Sie, was unsere
und die Position des Wirtschaftsministers zum Thema
TTIP ist. Ich denke, damit ist alles gesagt.
Wenn in den vergangenen Jahren im Rahmen der
Haushaltsberatung über die Politik des Verbraucherschutzministeriums gesprochen wurde, dann musste ich leider
immer Begriffe wie Placebo oder Etikettenschwindel benutzen. Das ist heute zum Glück anders; denn dieser
Haushalt zeigt: SPD wirkt.
({0})
Wir haben es zusammen mit unserem Koalitionspartner
in diesem Haushalt geschafft, wichtige Weichen für eine
wirksame Verbraucherpolitik zu stellen.
Wir haben einen Sachverständigenrat für Verbraucherfragen eingerichtet, der jetzt seine Arbeit aufgenommen hat. Frau Künast, das ist jetzt gerade einmal drei
Wochen her. Ich denke, dann ist es auch recht, dass er
jetzt noch keine Ergebnisse zeitigen kann. - Unser Ziel
ist eine effektive, eine empirisch fundierte Verbraucherpolitik, also keine Placebos mehr. Die Verbraucherforschung kann viel dazu sagen, welche Instrumente effektiv sind, welche Informationen Verbraucherinnen und
Verbraucher in der konkreten Entscheidungssituation
nutzen und welche Gesetze wie verbessert werden müssen. Der Sachverständigenrat wird uns genau dabei unterstützen.
Welche Weichen haben wir noch gestellt? Der Startschuss für die Marktwächter ist im Oktober gefallen. Wir
haben in der Bereinigungssitzung zum Haushalt 2015
noch einmal 1,135 Millionen Euro draufgesattelt. Insgesamt stehen den Marktwächtern rund 5,6 Millionen Euro
in 2015 zur Verfügung - wie ich finde, ein toller Erfolg.
({1})
Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz - ich würde hier
gerne vom Sparerschutzgesetz sprechen - sorgen wir dafür, dass die BaFin als Behörde nun auch die Marktaufsicht im Bereich des kollektiven Rechtsschutzes wahrnehmen kann. Einzelne Verletzungen des AGB-Rechts
und rechtswidrige Bankgebühren werden der vzbv und
die Verbraucherzentralen in ihrer Marktwächterfunktion
weiterhin durch Abmahnungen und Klagen abstellen.
Die verbraucherpolitischen Herausforderungen nehmen weiter zu, auch bei der Interessenvertretung der
Konsumentinnen, dem Verbraucherzentrale Bundesverband: Datenschutz, digitale Welt, Onlinehandel. Seit
Jahren hat der vzbv darauf aufmerksam gemacht, dass er
mehr Personal braucht, um diesen Herausforderungen
gerecht werden zu können. Mit dem Haushalt werden
die hierfür nötigen Mittel bereitgestellt. Beispielsweise
wird das vzbv-Büro in Brüssel nun auf Dauer eingerichtet. Angesichts der gewachsenen Aufgaben erhält der
vzbv im Jahr 2015 865 000 Euro zusätzlich; auch das ist
schon erwähnt worden. Damit können tatsächlich die
Fachleute für die eben genannten Bereiche der digitalen
Welt eingestellt werden.
Welche Weichen haben wir noch gestellt? Im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz werden zwei neue Referate eingerichtet, um auch hier den
gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden: ein Referat „Besondere Verbrauchergruppen“ - Dennis Rohde
hat es bereits ausgeführt - und ein Referat „Kundenbeziehungen in der digitalen Welt“. Hier geht es darum,
unsere Daten zu schützen, die sonst nur gesammelt werden.
Neulich titelte die Berliner Zeitung: „Sicher sind nur
Stempelkarten“. Das sind die Karten, die bei einem Einkauf in einem bestimmten Geschäft, in dem man öfter
einkauft, gelocht oder abgestempelt werden. Diese Daten kann man nicht erfassen. Aber wenn man heute beim
Einkauf eine Plastikkarte nutzt - man kennt die Frage an
der Kasse: „Haben Sie eine Payback-Karte?“ -, dann
werden natürlich die Daten gesammelt. Dies geht inzwischen auch über Apps auf dem Smartphone. Das ist leider Standard. Eine Firma hat einmal festgehalten: Nach
drei Käufen kennt das Computernetzwerk des Unternehmens das Kaufverhalten des Kunden mindestens in den
Grundzügen, nach zehn Einkäufen weiß man schon sehr
gut Bescheid. Für ein wenig Rabatt oder müheloses Bezahlen nutzt man die Karten bzw. Apps, und niemand
weiß, was mit den Daten passiert. Hier ist es wichtig, zu
analysieren und zu reglementieren, was mit unseren Daten passiert. Transparenz ist also notwendig: Wer sammelt welche Daten, wer nutzt sie wofür, und wer gibt sie
eventuell an wen weiter? - Die Wahrung der Privatsphäre
und der Schutz der informationellen Selbstbestimmung
müssen sichergestellt werden. Das, Frau Maisch, ist
auch ein Anliegen der Großen Koalition.
Wir wollen also eine Verbraucherpolitik, die wirkt.
Wie Sie sehen, haben wir im Haushalt 2015 die Weichen
dafür gestellt. Aber es gibt noch einige andere Themen,
um die wir uns kümmern müssen, beispielsweise um das
Thema Rechtsdurchsetzung oder aber um das Thema
- auch das ist schon angesprochen worden - der Abschöpfung von Kartellstrafen. Wir alle sind davon überzeugt, dass das Kartellamt gute Arbeit leistet. Tatsächlich sind in diesem Jahr fast 1 Milliarde Euro Bußgelder
zusammengekommen. Wir fordern auch hier, dass ein
Teil davon - da bin ich mir mit der Frau Kollegin Lay einig - für Verbraucherpolitik eingesetzt wird. Wir müssen
darauf achten, dass Kartellsünder unrechtmäßig erwirtschaftete Gewinne nicht behalten; denn ich glaube, das
würde falsche ökonomische Anreize setzen.
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. Die wenigen von mir genannten Punkte - darüber hinaus gibt es
noch weitere - stellen die Weichen für eine solide Verbraucherpolitik. Ich danke unserem Haushälter Dennis
Rohde und auch Herrn Gröhler von der CDU/CSU für
ihre Unterstützung. Ich wünsche unserem Minister Maas
und auch unserem Staatssekretär Kelber viel Erfolg bei
der Umsetzung aller unserer Vorhaben.
Vielen Dank.
({2})
Die Kollegin Mechthild Heil hat für die CDU/CSUFraktion das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere
Verbraucherpolitik, die Verbraucherpolitik der CDU/
CSU, basiert auf fünf Säulen: erstens Verbraucherforschung, zweitens Verbraucherbildung, also gezielte Förderung der Verbraucherkompetenz, drittens Transparenz
und gute Informationen für Verbraucher, viertens ein
klarer Rechtsrahmen und fünftens wirksame Rechtsdurchsetzung.
Zur ersten Säule, der Verbraucherforschung. Gute
Verbraucherpolitik orientiert sich an den Realitäten der
Verbraucher. Unsere politischen Entscheidungen müssen
sich stets am Alltag der Verbraucher orientieren und dort
erfolgreich sein. Um ein möglichst realistisches Bild der
Verbrauchersorgen zu erhalten, stellen wir im Haushalt
2015 erneut Geld ein: 637 000 Euro für die Verbraucherforschung und für die Finanzierung einer Stiftungsprofessur für Verbraucherrecht immerhin 225 000 Euro.
Aber damit nicht genug. Wir tun noch mehr. Wir haben auch einen Sachverständigenrat für Verbraucherfragen eingerichtet, der sich bereits im November dieses
Jahres konstituiert hat. Der Sachverständigenrat soll das
Bundesministerium beraten, und er soll Gutachten erstellen und Empfehlungen abgeben. Wichtig dabei ist,
dass der Sachverständigenrat unabhängig ist. Wir haben
auch Gelder für die Finanzierung einer Geschäftsstelle
dieses Sachverständigenrates bereitgestellt.
Ich kämpfe für eine Verbraucherpolitik, die empirisch
fundiert und wissenschaftlich reflektiert ist. Eine solche
Politik greift auf den Sachverstand von Experten zurück
und auf Erkenntnisse aus der Verbraucherforschung.
Aber damit nicht genug. Wir gehen noch viel weiter.
Wir sorgen auch für intensive Marktbeobachtung durch
spezialisierte Verbraucherzentralen. Wir stellen über
5 Millionen Euro zur Verfügung, damit diese spezialisierten Verbraucherzentralen ihre Funktion als Beobachter wahrnehmen können, und zwar besonders in zwei
Bereichen: zum einen im Bereich des Finanzmarktes und
zum anderen in der digitalen Welt.
Damit die Erkenntnisse des Marktwächters Digitale
Welt tatsächlich aufgegriffen und ausgewertet werden
können, stellen wir dem Ministerium Mittel für die Einrichtung eines Referats zur Verfügung, Frau DrobinskiWeiß, das sich mit Kundendatenschutz beschäftigt.
Bei aller Forschung und Wissenschaft, bei aller Marktbeobachtung und Schwachstellenauswertung bleibt eines
jedoch immer wahr: Jeder von uns, jeder Kunde und jeder
Verbraucher, sollte in der Lage sein, gute Produkte und
Dienstleistungen zu erkennen und von schlechten zu unterscheiden. Wir müssen lernen, Risiken einzuschätzen,
um nicht auf unseriöse Geschäftemacher hereinzufallen.
Das kann uns kein Staat, das kein Wissenschaftler und
auch keine Verbraucherzentrale abnehmen.
Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Nehmen wir das Gesetz
gegen unseriöse Geschäftspraktiken. Wir haben dafür
gesorgt, dass Verbraucher besser vor unerwünschten Telefonanrufen, vor unseriösen Inkassofirmen und ungerechtfertigten Abmahnungen geschützt sind. Das Gesetz
ist da. Vielen unseriösen Firmen konnten wir damit das
Handwerk legen. Aber leider wird es auch weiterhin eine
kleine Schar von schwarzen Schafen geben, die sich an
kein Gesetz halten und durch Betrug versuchen, an Geld
zu kommen. Gegen solche kriminellen Machenschaften
hilft dem Kunden nur: gute Information über seine
Rechte und eine einfache Rechtsdurchsetzung.
Ein anderes Beispiel ist die Pleite des Windkraftkonzerns Prokon, bei der auch viele Kleinanleger ihr Geld
verloren haben. Die Stiftung Warentest hat davor gewarnt, die Verbraucherzentralen hatten gewarnt. Aber
für manchen Verbraucher war die Verlockung wohl zu
groß und der Zusammenhang zwischen Rendite und Risiko offenbar doch unklar.
Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz schützen wir diese
Verbraucher nun deutlich besser vor riskanten Anlagemöglichkeiten. Aber die Entscheidung für oder gegen
eine bestimmte Finanzanlage muss der Verbraucher weiterhin selber treffen. Nach unserer tiefsten Überzeugung
darf der Staat seine Bürger nicht bevormunden, und er
darf ihnen nicht die Freiheit der Entscheidung nehmen.
Unsere Position ist klar: Wir wollen die Verbraucher
grundsätzlich befähigen, gute und richtige Entscheidungen für sich zu treffen. Das ist die zweite Säule unserer
Verbraucherpolitik: die Verbraucherbildung. Wir wissen
und haben es auch im Koalitionsvertrag niedergeschrieben, dass Verbraucher eben unterschiedlich sind und unterschiedliche Hilfestellungen benötigen. Dem tragen
wir Rechnung, indem wir dem Bundesministerium der
Justiz und für Verbraucherschutz Mittel für die Einrichtung eines Referates „Besondere Verbrauchergruppen“
zur Verfügung stellen. Uns ist wichtig, dass die besonderen Bedürfnisse zum Beispiel junger Menschen, von Senioren oder Menschen mit Migrationshintergrund in unserer Verbraucherpolitik beachtet werden. Das Referat
soll Vorschriften im Hinblick auf diese besonderen Verbrauchergruppen weiterentwickeln und auch Konzepte
für zielgruppenorientierte Angebote erstellen.
Kommen wir zur dritten Säule: Information und
Transparenz. Damit Verbraucher die Angebote an Waren
und Dienstleistungen verstehen und sinnvoll vergleichen
können, benötigen sie Informationen. Das Problem ist
heute allerdings nicht, dass Informationen fehlen, ganz
im Gegenteil: Wir werden geradezu überflutet von Informationen. Verbraucherinformationen müssen deswegen
gut sein. „Gut“ heißt in diesem Zusammenhang: Sie
müssen relevant, sie müssen übersichtlich und sie müssen verständlich sein.
Ein Beispiel: die allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Es würde jeden von uns ungefähr 76 Tage pro Jahr kosten, wenn wir alle Nutzungsbedingungen oder Datenschutzerklärungen lesen würden, die wir im Alltag lesen
müssten oder die uns begegnen und die wir meistens
ohne irgendeine Prüfung akzeptieren. Das kann man
doch eigentlich niemandem zumuten. Klar: Unser BGB
schützt uns vor überraschenden Klauseln in AGB, aber
das reicht leider nicht. Die Informationen in den AGB
müssen so aufbereitet sein, dass sie nicht nur für Juristen, sondern auch für Verbraucher verständlich sind.
Denn der Verbraucher unterschreibt den Vertrag. Er setzt
das Häkchen beim Onlinekauf. Der Kunde alleine und
nicht der Jurist trägt nachher die Konsequenzen. Ein
wichtiges Thema, an dem wir und ganz besonders ich
dranbleiben wollen.
({0})
Das Gleiche gilt für die Lebensmittel. Bei Lebensmitteln muss gelten: Was drin ist, muss auch draufstehen und andersherum. Im Dezember tritt die Lebensmittelinformations-Verordnung in Kraft. Ab dem 13. Dezember
2014 müssen auf Lebensmittelverpackungen in ganz
Europa Angaben über den Brennwert, die Menge von
Fett und gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydrate, Zucker,
Eiweiß und Salz stehen. Hinzu kommen Vorgaben für
die Schriftgröße und die Hervorhebung von Allergenen
in den Lebensmitteln.
Was bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln
selbstverständlich ist, das sollte doch auch bei homöopathischen Mitteln gelten. Der Verbraucher muss verstehen
können, was drin ist, und zwar besonders dann, wenn es
um seine Gesundheit geht. Deshalb muss an dieser Stelle
Schluss sein mit der Kennzeichnung auf homöopathischen Mitteln auf Latein.
({1})
Zur vierten Säule. Die Verbraucher benötigen einen
verlässlichen Rechtsrahmen. Seit Beginn der jetzigen
18. Legislaturperiode ist der Verbraucherschutz beim
Bundesministerium der Justiz angesiedelt, einem zentralen Verfassungsressort, das an jedem Gesetzgebungsverfahren beteiligt ist - ein Tatbestand, der hilft, den Interessen der Verbraucher in allen Gesetzgebungsverfahren
noch stärker Rechnung zu tragen.
Gute gesetzliche Rahmenbedingungen allein reichen
aber auch hier nicht aus. Wir brauchen auch eine wirkungsvolle Rechtsdurchsetzung. Sonst bleiben alle verbraucherpolitischen Maßnahmen und Gesetze stumpfe
Schwerter. Wir haben deshalb beispielsweise vereinbart,
dass wir es den Verbraucherverbänden ermöglichen, datenschutzrechtliche Verstöße abzumahnen und Unterlassungsklagen zu erheben. Wenn also Daten unzulässig erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, könnten, wenn
wir es durchsetzen, die Verbraucherverbände dagegen
vorgehen. Rechtlich ist das nicht ganz einfach - das ist
uns bewusst -, aber wir arbeiten daran.
Um all diese Ziele zu erreichen, brauchen wir Partner.
Wir brauchen Institutionen, die wir finanzieren und die
die Aufgabe haben, die Verbraucher zu informieren, zu
unterstützen und zu schützen. Einen unserer Partner, die
Verbraucherzentralen, stärken wir mit dem Haushalt
2015, mal wieder, mit zusätzlich 1,3 Millionen Euro.
Die Verbraucherzentralen erhalten im Jahr 2015 also insgesamt 10,8 Millionen Euro.
Um es auf den Punkt zu bringen: Die Große Koalition
tut viel für die Verbesserung des Verbraucherschutzes.
Dieses „viel“ lässt sich aber nicht bloß in Euro und Cent
beziffern. Unsere Verbraucherpolitik ist mehr als nur die
Summe einzelner Haushaltstitel. Unser Politikansatz ist
klar: Wir sorgen für die bestmöglichen Rahmenbedingungen, damit die Verbraucher gute Entscheidungen
treffen können, und wir vertrauen den Entscheidungen
der Menschen in unserem Land. Das ist unser Fundament. Darauf gründen sich die Säulen unserer Verbraucherpolitik. Das werden wir auch in Zukunft so halten.
Vielen Dank.
({2})
Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Metin Hakverdi
das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zu Beginn meiner Rede möchte ich zum Ausdruck bringen, dass es mir eine große Ehre und eine große Freude
ist, dabei zu sein, wenn nach über 40 Jahren der erste
Bundeshaushalt ohne Schulden aufgelegt wird.
({0})
Wir kommen damit einer schon vor Jahren verfassungsrechtlich verankerten Verpflichtung nach. Ich danke allen, die hierzu ihren Beitrag geleistet haben. Das ist ein
historisches Ereignis.
({1})
Im Einzelplan 07 wird deutlich, dass wir den Verbraucherschutz noch stärker in den Mittelpunkt gerückt haben. Viele meiner Vorredner haben das schon erwähnt,
ich will das trotzdem noch einmal tun. Ich möchte die
5,5 Millionen Euro hervorheben, die wir für die Einrichtung von Marktwächtern in den Verbraucherzentralen investieren. Mir ist der Marktwächter für die digitale Welt
besonders wichtig. Bereits heute wird im Internet eingekauft, es wird Pizza bestellt und es werden Reisen gebucht. Im Internet beschafft man sich Unterhaltung in
Form von Spielen und Filmen. Das Internet ist Ort sozialer Interaktion. Die Wahrheit ist aber auch: Die zukünftige Entwicklung im dynamischen Lebensraum Internet
können wir heute gar nicht absehen. Es wird Entwicklungen geben, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen
können. Vor allem deshalb finde ich es wichtig, dass wir
diese Marktwächter ins Leben gerufen haben und mit
den entsprechenden finanziellen Mitteln ausstatten. Unlautere Angebote müssen aufgespürt werden, Verbraucherinnen und Verbraucher müssen vor ihnen geschützt
werden.
Aber auch der Bereich des Datenschutzes ist für die
Entwicklung unserer Gesellschaft von vitaler Bedeutung. Fast jede Woche erscheint ein neues Buch, das sich
mit der Gefahr der digitalen Gesellschaft für unsere Bürgerrechte befasst. Der Datenschutz wird eines der wichtigsten Themen dieses Jahrzehnts bleiben. Die Diskussion über Big Data, über intelligente Algorithmen und
den gläsernen Bürger sowie die Snowden-Affäre zeigen,
dass in diesem Feld die Politik nicht hinterherhinken
darf. Die Reform des Bundesdatenschutzgesetzes ist ein
weiterer wichtiger Schritt zur Wahrung der bürgerlichen
Freiheiten. Eine wirksame Aufsicht kann nur durch eine
unabhängige Institution gewährleistet werden. Daher ist
es richtig, die Bundesdatenschutzbeauftragte aus der
Bindung an das Innenministerium in die Unabhängigkeit
zu entlassen. Aber damit wird es nicht getan sein. Wir
müssen auch dafür sorgen, dass diese Institution personell und sachlich auskömmlich ausgestattet wird.
Ein weiteres wichtiges Thema für die Zukunft unserer
Gesellschaft ist die Einführung einer Frauenquote in
Aufsichtsräten. Im Koalitionsvertrag haben wir Folgendes vereinbart - ich zitiere -:
Wir wollen den Anteil weiblicher Führungskräfte in
Deutschland erhöhen.
Wir wollen ihn erhöhen.
Deshalb werden wir zu Beginn der 18. Wahlperiode
des Deutschen Bundestages Geschlechterquoten in
Vorständen und Aufsichtsräten in Unternehmen gesetzlich einführen.
Mit der Einführung einer Frauenquote von 30 Prozent
in Aufsichtsräten gehen wir einen ersten Schritt, um eine
Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft zu beheben. Es
geht nicht an, dass Frauen schlechtere Aufstiegschancen
in unserer Gesellschaft haben, weil sie auf eine Unternehmerwelt treffen, die von Männern dominiert wird.
Über Jahre haben Frauen wegen dieser strukturellen Voraussetzungen schlechtere Aufstiegsmöglichkeiten gehabt. Wir können diesem Zustand nicht mehr tatenlos
zusehen. Zusicherungen der Unternehmen haben offensichtlich keine Verbesserung bewirkt; das haben wir gesehen. Es ist an der Zeit, dass wir endlich Entscheidungen treffen.
({2})
Wen ich mit diesem Gerechtigkeitsargument hier und
heute nicht überzeugen kann, dann vielleicht mit einem
ökonomischen - liebe Kolleginnen und Kollegen von
der Union, ich sage das ohne jeden Zynismus, sondern in
voller Kollegialität -: Das Argument „Wir können uns
die Frauenquote wirtschaftlich nicht leisten“ ist falsch.
Fatal an dieser Argumentation ist, dass das Gegenteil
richtig ist.
Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Anzahl
von Frauen in Führungspositionen und unternehmerischem Erfolg. Letzten Mittwoch ist die letzte Studie zu
diesem Thema veröffentlicht worden - es wird übrigens
seit Jahrzehnten immer das Gleiche publiziert; ich will
jetzt aber nicht die ganze Liste aufzählen -, und zwar
eine von McKinsey; Sie zwingen also einen Sozialdemokraten, im Deutschen Bundestag eine McKinsey-Studie
zu zeigen.
({3})
Sie stammt, wie gesagt, vom letzten Mittwoch, und sie
ist seit Freitag letzter Woche online. In dieser Studie
„Diversity Matters“ wird auf den signifikanten Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Performance
und dem Anteil von Frauen in Führungspositionen hingewiesen. McKinsey ist keine Vorfeldorganisation der
deutschen Sozialdemokratie, und die Studie ist auch
nicht von der SPD in Auftrag gegeben worden. Diese Erkenntnis ist auch nicht neu; bereits 2007 wurde das in einer Studie festgestellt. Was für politische Rückschlüsse
sind daraus gezogen worden? Keine, sieben lange Jahre.
Wenn wir die Selbstverpflichtung am Anfang des letzten
Jahrzehnts hinzunehmen, heißt das: über ein Jahrzehnt
verlorene Zeit. Es ist an der Zeit, das zu ändern.
({4})
Zum Schluss möchte ich auf das Thema Sterbehilfe
eingehen. Wenn wir in diesem und im kommenden Jahr
über Sterbehilfe sprechen, sprechen wir über unser
Selbstverständnis vom Menschsein. Dieses Selbstverständnis ist von Mensch zu Mensch höchst unterschiedlich. Sterben ist eben eine konkrete Angelegenheit für
jede einzelne Person. Es gibt aber auch eine ethische
Klammer, die unser gesellschaftliches Zusammenleben
erst ermöglicht. Diese ethische Klammer ist durch unser
Strafgesetzbuch als Minimalkonsens abgesichert. Nur
das, was für das Zusammenleben zwingend erforderlich
ist, sichern wir strafrechtlich ab, nicht mehr, aber auch
nicht weniger. Das Strafgesetzbuch ist nicht der Ort, um
individuelle ethische Vorstellungen durchzusetzen. In
diesem Geiste sollten wir auch diese Debatte führen. Auf
diese Weise schaffen wir den Raum für Vielfalt und unterschiedliche Lebens- und Sterbensentwürfe in unserem
Land.
Vielen Dank.
({5})
Das Wort hat der Kollege Dr. Volker Ullrich für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Der vorliegende Etat ist klein, aber fein. Die
Ausgabensteigerungen sind moderat und betreffen den
Generalbundesanwalt, damit er der steigenden Zahl der
Ermittlungsverfahren begegnen kann. Das ist eine richtige und leider notwendige Maßnahme. In Zeiten einer
zunehmenden Bedrohung der inneren Sicherheit hat der
Staat den Schutz zu erhöhen. Dazu gehören auch Stellenschaffungen bei Polizei und Justiz.
Die Aussprache über diesen Etat ist stets auch eine
Debatte über die Leitlinien der Rechtspolitik.
Im Bereich des Wirtschaftsrechts bedeutet dies: Der
Staat hat eine funktionsfähige und verlässliche Wirtschaftsordnung mit Rechtssicherheit zu garantieren. Wir
haben die Balance zwischen notwendiger Regulierung
und praktischer Umsetzbarkeit zu halten. Das gilt beispielsweise für die Überlegungen zur Einführung eines
Unternehmensstrafrechts. Der Koalitionsvertrag empfiehlt lediglich, ein Unternehmensstrafrecht zu prüfen.
Sympathie zeigt der Bundesjustizminister für den Gesetzentwurf des Landes Nordrhein-Westfalen. Dieser
Entwurf ist aber keine tragfähige Diskussionsgrundlage.
({0})
Er sieht nämlich vor, dass die strafrechtliche Verantwortung von Unternehmen und Verbänden nach dem Muster
der Anklage und des Strafverfahrens ausgestaltet wird.
Als Sanktionen des strafrechtlichen Verfahrens kommen
Geldstrafen oder gar die Auflösung des Unternehmens in
Betracht. Damit sei eine Konsequenz angedeutet: Das
geplante und diskutierte Unternehmensstrafrecht könnte
im Ergebnis dazu führen, dass Arbeitnehmer mit dem
Arbeitsplatzverlust für das Fehlverhalten von Managern
haften. Das ist nicht unser Ansatz einer gerechten Politik.
({1})
Auch verletzt ein solches Unternehmensstrafrecht das
Prinzip der Schuld. Schuld setzt individuelle Vorwerfbarkeit voraus und ist ein sozialethisches Unwerturteil
über persönliches Fehlverhalten. Das passt nicht zu Unternehmen.
Es gibt auch keinen Handlungsbedarf für ein Unternehmensstrafrecht. Wir müssen die jetzigen Vorschriften
des Ordnungswidrigkeitenrechts und die Vorschriften
über den Vermögensverfall nur ordentlich ausreizen und
ausschöpfen. Deswegen sei angeraten, die Prüfung der
Einführung eines Unternehmensstrafrechts zügig zum
Abschluss zu bringen und die Diskussion im Interesse
eines funktionierenden Strafrechts zu beenden.
({2})
Im Bereich des Wirtschaftsrechts sei aber auch ein
Wort zum Gesetzentwurf zur Frauenquote verloren. Um
eines vorweg zu sagen: Wir stehen ohne Wenn und Aber
zu dem, was im Koalitionsvertrag vereinbart wurde.
({3})
Wichtig erscheint mir aber: Die Ausgestaltung der
Frauenquote hat so zu erfolgen, dass sie sowohl verfassungsrechtlichen Anforderungen standhält als auch im
tatsächlichen Vollzug handhabbar bleibt.
Gerade bei der Festlegung von verbindlichen Quotenzielen für mittelgroße Unternehmen dürfen keine Dokumentationspflichten entstehen, die für Mittelständler nur
mit einem hohen oder zu hohen Aufwand zu handhaben
sind.
({4})
Eine solche Quote haben wir nicht vereinbart.
({5})
Zukünftig soll bei börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Unternehmen eine Quote von 30 Prozent Frauen im Aufsichtsrat gelten.
({6})
Wird die Quote nicht erreicht, bleibt der Sitz unbesetzt.
Dieser Eingriff in die Personalhoheit der Unternehmen
ist sicherlich zulässig, aber wir müssen bei dieser Regelung auch die verfassungsrechtlich geschützte Position
des Eigentums immer mit ins Auge fassen.
({7})
Die gebotenen Nachbesserungen am Gesetzentwurf
zur Frauenquote sind allerdings nicht so eilig und nicht
mit so großer Priorität vorzunehmen, wie manche das
verlangen.
({8})
Wenn man den Interviews der letzten Tage gefolgt ist,
dann hat man den Eindruck bekommen, dass die Familienministerin gerade nur ein Thema zu haben scheint:
die Durchsetzung der Quote. Die Menschen fragen aber
zu Recht: Gibt es nicht wesentlich wichtigere Fragen?
({9})
Ich sage Ihnen: Ja, diese Fragen gibt es.
({10})
Ich nenne beispielsweise den Kampf gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel.
({11})
Wir wissen, dass es in diesem Land bei der jetzigen Gesetzeslage zu einer Verletzung der Menschenwürde
kommt, und es ist sicherlich zu fragen, weshalb die federführenden Ministerien die Priorität andersherum setzen.
({12})
Warum gibt es nicht endlich einen Gesetzentwurf zur
Reform des Prostitutionsgesetzes? Warum heben wir
nicht das Mindestalter auf 21 Jahre an? Warum schaffen
wir nicht das Weisungsrecht ab?
({13})
Warum regeln wir nicht das, was die Menschenwürde
verletzt, und beginnen mit den Gesetzesvorhaben, die in
diesem Land eine hohe Priorität haben?
({14})
Ebenso keinen Aufschub verdient die Wiedereinführung der Strafbarkeit der Sympathiewerbung für terroristische Organisationen. Wer Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen betreibt, wirbt für Terror und
Gewalt. Das darf der Rechtsstaat nicht akzeptieren.
({15})
Der wehrhafte Rechtsstaat hat sich zu seinen ihn begründenden Werten zu bekennen. Dazu gehört auch die gesetzgeberische Wertentscheidung, die Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen wieder unter
Strafe zu stellen.
({16})
Sie abzuschaffen, war ein Fehler.
({17})
Kollege Ullrich, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Volker Beck?
Ja.
Da Sie zum Thema Sympathiewerbung für terroristische Organisationen gesprochen haben: Sie sind mit mir
der Auffassung, dass die PKK eine terroristische Organisation ist?
({0})
Würden Sie tatsächlich jemanden für den Satz bestrafen
wollen: „Wir danken der PKK, dass sie die Jesiden von
ISIS befreit hat“? - Das ist eine Sympathiewerbung und
wäre nach Ihrer Auffassung strafbar.
({1})
Ich finde, das müsste nicht sein.
Die entscheidende Frage, Kollege Beck, ist, ob wir in
diesem Land Menschen bestrafen wollen, die Sympathie
mit den Mörderbanden von ISIS haben,
({0})
die Sympathie für die Terrorbande des NSU äußern.
({1})
Das ist die entscheidende Frage.
({2})
Sie müssen bei der Frage des strafrechtlichen Schutzes auch die aktuellen Zustände berücksichtigen
({3})
und dürfen nicht theoretische Konstrukte wählen.
({4})
Ein funktionierender Rechtsstaat, der die Sicherheit
der Bürger schützt, ist ein hohes Gut. Darauf sind unsere
Anstrengungen zu richten. Die Menschen haben das
Recht, sich sicher zu fühlen und sicher zu sein: sicher
vor Terroristen und Extremisten, sicher vor Einbrechern
und dem organisierten Verbrechen, sicher auf den Straßen und Plätzen unserer Städte. Nur so bleibt die Freiheit
gewahrt.
Wir dulden nicht und werden nicht dulden, dass unter
dem Deckmantel der Versammlungsfreiheit Gewaltfantasien ausgelebt werden. Wir können auch nicht dulden,
dass Strukturen von Parallelgesellschaften und Paralleljustiz entstehen und sich verfestigen. Für diese Ziele ist
notwendig, dass genügend Mittel und Stellen für die Justiz und Polizei bereitgestellt werden. Das betrifft alle
staatlichen Ebenen.
({5})
Der Bund nimmt seine Verantwortung wahr. Dieser
werden wir aber nur vollends gerecht werden, wenn wir
die gesetzgeberischen Maßnahmen in der gebotenen
Priorität umsetzen. Maßstab dafür ist die Freiheit und die
Verletzung der Menschenwürde. Darauf kommt es bei
rechtsstaatlichem Handeln an.
Vielen Dank.
({6})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 07 - Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz - in der Ausschussfassung. Hierzu liegt ein
Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor, über den
Vizepräsidentin Petra Pau
wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 18/3271? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen
der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Wir stimmen nun über den Einzelplan 07 in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 07 ist mit
den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der SPDFraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 19 - Bundesverfassungsgericht - in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Der Einzelplan 19 ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.7 auf:
Einzelplan 06
Bundesministerium des Innern
Drucksachen 18/2806, 18/2823
Die Berichterstattung haben die Abgeordneten
Dr. Reinhard Brandl, Norbert Barthle, Martin Gerster,
Dr. Dietmar Bartsch und Anja Hajduk.
Hierzu liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor. Über diese werden wir am
Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Wenn in den Koalitionsfraktionen die notwendigen
Umgruppierungen abgeschlossen wären, könnte ich die
Aussprache eröffnen. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, auch die interfraktionellen Gespräche auf
der linken Seite des Hauses aus dem Plenarsaal zu verlagern. Auch in der Union gibt es offensichtlich noch Beratungsbedarf. Das Präsidium hat viel Zeit. Wir werden
für jeden Redner und jede Rednerin entsprechend unseren Regeln auf die Würde des Hauses achten. Ich werde
das auch für die Redner der Unionsfraktion durchsetzen,
wenn die Fraktion noch Abstimmungsbedarf hat.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Dr. Dietmar Bartsch für die Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Bundesminister, wir sind uns sicherlich einig, dass unser
Land und die Innenpolitik unseres Landes bzw. die innere Sicherheit Deutschlands vor enormen Herausforderungen stehen. Selbst seit der Einbringung des Etats hat
sich sehr viel verändert. Es gibt den Terror des ISIS und
550 Islamisten, die aus Deutschland nach Syrien und in
den Irak gegangen sind und jetzt teilweise anschlagsbereit zurückkommen. Wir haben das Problem der Salafisten, Hooligan-Probleme, Gewalt in Stadien und die
große Herausforderung der Flüchtlinge, die nach Europa
und nach Deutschland kommen. Nicht bewältigt sind die
Aufgaben, die mit NSU und NSA in Zusammenhang stehen.
({0})
Es waren in den Haushaltsberatungen diverse Änderungen nötig. Wir haben sehr viele Berichterstattergespräche geführt: zur Bundespolizei, zum THW, zu den
Stiftungen, zu Netzen des Bundes und vielem mehr. Ich
muss sagen, dass viele der Gespräche durchaus erfolgreich waren. Ich kann auch sagen, dass Opposition dort
wirkt und dass wir - auch mit den Haushältern von
CDU/CSU und SPD - in den Beratungen einiges durchsetzen konnten. Es bleibt aber generell eines festzustellen: Indem Sie, Herr de Maizière, den Kurs von Herrn
Schäuble bedingungslos mittragen, machen Sie die innere Sicherheit und die Sicherheitspolitik zu Resultanten
aus dem Ziel der schwarzen Null. Das ist unverantwortlich, meine Damen und Herren.
({1})
Eine schwarze Null zulasten der Sicherheit der Menschen geht gar nicht. Das sagt ein Linker Ihnen als Konservativen.
Die Linke kritisiert aus drei Gründen diesen Etat:
Erstens. Der Kurs der Koalition zur vermeintlichen
Haushaltssanierung und -konsolidierung ist sicherheitspolitisch verhängnisvoll. Die Personalräte Ihres Hauses
haben festgestellt: Das Top-down-Verfahren führt dazu,
dass das BMI ein abgeschlossenes Budget zugewiesen
bekommt, noch bevor über Haushaltsnotwendigkeiten
der Sicherheitsbehörden überhaupt geredet wird. Das
mag beim Verkehrsetat oder beim Bauetat gehen. In der
Sicherheitspolitik geht das meines Erachtens überhaupt
nicht; denn am Ende trifft das Präventionsprojekte, Förderstrukturen und den Datenschutz. Das ist das Ergebnis
Ihrer Politik.
({2})
Zweitens kritisieren wir Ihren Haushalt, weil er dafür
steht, dass die Bundesregierung nicht bereit ist, aus dem
Versagen der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen
Rechtsextremismus - Stichwort „NSU“ - substanzielle
Schlussfolgerungen zu ziehen.
Drittens. Der Bundesregierung fällt zum Stichwort
„Schutz der Rechte der Bürgerinnen und Bürger vor illegalen und unverhältnismäßigen Eingriffen durch deutsche und ausländische Nachrichtendienste, kommerziellen Datenmissbrauch und staatliche IT-Projekte“ kaum
etwas anderes ein als ein Weiter-so, nur mit mehr Mitteln, und das, obwohl namhafte Juristen und Sachverständige Bedenken gegen diese Vorgehensweise äußern.
Ich will zu einigen Einzelpunkten im Etat etwas sagen. Das Thema „Integration und Migration“ ist - das
habe ich vorhin erwähnt - die größte Herausforderung,
vor der wir stehen. Es ist gut, dass es beim BAMF einen
Stellenaufwuchs gibt; das ist völlig richtig. Wir müssen
dafür sorgen, dass die Mitarbeiter dort entsprechend
qualifiziert werden. Es muss aber die Offenheit geben,
dass dann, wenn der bisherige Stellenaufwuchs nicht
ausreicht, weitere Stellen geschaffen werden. In Ihrem
Koalitionsvertrag steht schließlich, dass die Bearbeitungszeit drei Monate betragen soll. Momentan liegt sie
bei 7,6 Monaten. Dieser Zustand ist nicht zu akzeptieren.
Wir werden Sie immer wieder an dieses Versprechen aus
Ihrem Koalitionsvertrag erinnern.
({3})
Wir brauchen daher qualifizierte und gegebenenfalls
noch mehr Mitarbeiter.
Es ist sicherlich vernünftig, dass für Maßnahmen zur
Migrationsberatung zusätzlich 5 Millionen Euro eingestellt wurden. Es ist allerdings zu befürchten, dass auch
diese Mittel nicht ausreichen werden. Es ist auf jeden
Fall eine Fehlentscheidung, dass die Mittel für die Integrationskurse trotz Ihrer Erkenntnis, Herr de Maizière,
dass Deutschland nun ein Einwanderungsland geworden
ist - das ist immerhin ein großer Erkenntnisfortschritt -,
nicht zur Verfügung stehen. Flüchtlinge sind Botschafter
des Unrechts und der Kriege dieser Welt.
({4})
Wir müssen natürlich zuallererst die Ursachen beseitigen. Das machen wir sicherlich nicht über den Etat. Aber
wir brauchen für eine Willkommenskultur mehr finanzielle Mittel. Man braucht natürlich auch Courage, um
sich schützend vor Flüchtlingsheime zu stellen. Wir als
Linke werden - ich hoffe, zusammen mit allen Fraktionen dieses Hauses - immer dabei sein, wenn es darum
geht, Rassismus zu bekämpfen und Flüchtlinge in unserem Land zu verteidigen.
({5})
Ich will kurz auf das THW zu sprechen kommen. Hier
sind wichtige Haushaltskorrekturen erreicht worden. Die
Haushälter haben hier parteiübergreifend erfolgreich gearbeitet. Das ist mit Blick auf die wachsenden Herausforderungen und Aufgaben des THW eine gute Botschaft für die vielen Helferinnen und Helfer des THW.
Die zusätzlichen 5 Millionen Euro für Investitionen in
den Fahrzeugbestand sind aber nur ein Tropfen auf den
heißen Stein. Aktuell fehlen infolge von Stilllegungen
rund 130 Feuerwehren. 60 Prozent des Fahrzeugbestands sind älter als 24 Jahre. Hier muss mehr geschehen. Beim THW fehlt außerdem mindestens 1 Million
Euro für Aus- und Fortbildung, Stichwort „Nutzung moderner Kommunikationsmittel“.
Im internen Verteilungskampf der verschiedenen Sicherheitsbehörden Ihres Hauses fährt - je nach Lobbyund Durchsetzungsvermögen - die eine Sicherheitsbehörde im Haushaltspaternoster hoch, während die andere
Sicherheitsbehörde hinunterfährt.
Gestatten Sie mir eine Bemerkung zum großen
Thema „Netze des Bundes“. Hierüber haben wir sehr
umfangreich debattiert. Das ist technisch und politisch
eine riesige Herausforderung, die weit über diese Legislaturperiode hinausreicht. Aber Sie, Herr Minister de
Maizière, müssen sich im Kabinett durchsetzen. Offenbar ist jeder Minister der Meinung, Seins machen zu
können. Bei den Netzen des Bundes muss aber gehandelt
werden, Herr de Maizière. Nehmen Sie das Heft in die
Hand! Dann haben Sie auch die Unterstützung des gesamten Hauses. Angesichts dessen, was bisher gelaufen
ist, besteht die große Gefahr, dass wir weiterhin finanzielle Mittel versenken. Das darf angesichts der großen
Herausforderung, vor der wir hier stehen, nicht sein.
Ich will eine kurze Bemerkung zu den politischen
Stiftungen machen. Auch hier haben wir gemeinsam Erfolge erzielt. Ich finde, dass es die Aufgabe des ganzen
Hauses ist, für alle Stiftungen - von der Hanns-SeidelStiftung bis hin zur Rosa-Luxemburg-Stiftung - eine
Lanze zu brechen, selbst wenn irgendwelche Medien
versuchen, die Stiftungen als reine Parteiinstrumente
darzustellen. Es ist unsere Aufgabe, engagiert vorzutragen, dass die Stiftungen durch die Bank eine hervorragende Arbeit im In- und Ausland leisten. Das sollte
unser gemeinsames Anliegen sein. Wir können in
Deutschland stolz darauf sein, dass es solche Stiftungen
gibt.
({6})
Eine letzte Bemerkung zur Bundespolizei. Auch sie
hat etwas mit dem eben zitierten Haushaltspaternoster zu
tun. Es ist richtig, dass einiges in personeller Hinsicht
getan worden ist. Aber es bleibt dabei, dass Schutzwesten teilweise 24 Stunden getragen und nicht gereinigt
werden. Man kann dann ein Quiz veranstalten und fragen, ob man am Geruch den vorherigen Nutzer erkennt.
Das ist die reale Situation. Ein nicht unerheblicher Teil
des Fahrzeugsparks ist längst überaltert. Von manchen
Fahrzeugen wird berichtet, dass man sie nur noch im
Sommer und bei Trockenheit benutzen kann und dass
schon eine Neulackierung den aktuellen Kfz-Wert übersteigen würde. Hier müssen wir deutlich mehr tun. Ich
sage noch einmal, dass bei den Personalentscheidungen
Positives erreicht worden ist, aber auch das kann nicht
das Ende der Fahnenstange sein.
Zum Schluss: Es sind wichtige Korrekturen durchgesetzt worden, aber am Ende des Tages ist das ein unterfinanzierter Etat. Weil es ein unterfinanzierter Etat ist,
werden wir ihm nicht zustimmen. Niemand kann damit
verantwortungsvolle und wirkungsvolle Sicherheitspolitik in Deutschland betreiben.
Herzlichen Dank.
({7})
Der Kollege Dr. Reinhard Brandl hat für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden gleich im Anschluss an die Debatte
über den Haushalt des Bundesinnenministeriums abstimmen. Dieser Haushalt wird in weiten Teilen durch zwei
Aufgabenbereiche bestimmt: Sicherheit und Verwaltung.
Es ist die Grunderwartung der Bürger an den Staat, dass
er Sicherheit bietet und dass die Verwaltung funktioniert.
So fallen diese Bereiche meistens erst auf, wenn etwas
nicht funktioniert, wenn Sicherheit nicht gegeben ist
oder es zu Problemen in der Verwaltung kommt. Verantwortungsbewusstes staatliches Handeln in diesen Bereichen heißt deshalb vor allem, Vorsorge zu treffen. Allerdings müssen wir feststellen, gerade in der jetzigen Zeit,
dass nicht alles vorhersehbar ist. Gerade im Moment erleben wir, wie sich die Herausforderungen im Bereich
der inneren Sicherheit, aber auch bei den Themen Migration und Integration in einer geradezu atemberaubenden Geschwindigkeit entwickeln. Wir haben deswegen
in den Beratungen darauf reagiert und umfangreiche
Veränderungen vorgenommen.
Bevor ich im Einzelnen darauf zu sprechen komme,
möchte ich der ganzen Mannschaft und den Mitberichterstattern danken, mit denen das gemeinsam erreicht
worden ist. Das ist in allererster Linie der Kollege von
der Koalition, Martin Gerster von der SPD; aber das sind
auch Frau Anja Hajduk von den Grünen und Herr
Bartsch von den Linken. Das war eine sehr konstruktive
Zusammenarbeit. Es gibt natürlich im Verhältnis zur Opposition unterschiedliche politische Schwerpunktsetzungen;
({0})
aber in den wesentlichen Fragen waren wir doch von einem Grundkonsens getragen. Wer die Rede von Herrn
Bartsch gerade verfolgt hat, wird feststellen, dass sich
dieser Grundkonsens auch in seinen Worten widergespiegelt hat.
Dazu beigetragen hat aber auch ganz wesentlich unser
Bundesminister Dr. Thomas de Maizière. Er hat in seiner
sehr seriösen Art und Weise, ohne Übertreibung und mediale Begleitmusik
({1})
die Anliegen seines Hauses dargestellt und über seinen
Geschäftsbereich informiert. Jeder kann heute in der Debatte feststellen, dass sein Umgang mit dem Haushaltsausschuss der erfolgreiche Umgang mit dem Haushaltsausschuss war.
Ich möchte als Hauptberichterstatter auch den anderen Kollegen der Koalitionsfraktionen danken, namentlich Norbert Barthle, der den Bereich Sport für uns mitverantwortet, aber auch Johannes Kahrs. Wir haben viel
für den Bereich Inneres erreicht. Wir haben die schwarze
Null gehalten. Das heißt, für jedes Anliegen, das im Bereich Inneres erfüllt werden konnte, ist ein Anliegen aus
einem anderen Geschäftsbereich nicht erfüllt worden.
Dennoch haben wir darüber in unseren Arbeitsgruppen
großen Konsens erreicht, und ich möchte allen Kolleginnen und Kollegen für deren Solidarität und Unterstützung danken.
({2})
Lieber Kollege von Notz, ich komme nun zu den Ergebnissen der Beratungen, die Sie bestimmt in weiten
Teilen zustimmend zur Kenntnis nehmen werden.
({3})
Ich habe am Anfang den Bereich der Migration erwähnt. Als die Regierung Anfang des Jahres mit der
Haushaltsaufstellung begonnen hatte, lag die Zahl der
Asylbewerber - das ist die Istzahl aus dem Jahr 2013 bei 127 000. Wir wissen heute, dass wir im Jahr 2014 an
die 200 000 Asylbewerber haben werden, und wir wissen auch, dass sich dieser Trend in Zukunft eher verstärken wird, das heißt, dass wir in Zukunft mit noch mehr
Asylbewerbern rechnen müssen. Wir haben darauf schon
in den Haushaltsberatungen 2014 reagiert, indem wir
dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 300 neue
Stellen gegeben haben. Diese Stellen, die wir für 2014
bewilligt haben, sind bereits vollständig besetzt. Auch
das ist eine besondere Leistung der Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter.
({4})
- Da kann man ruhig einmal klatschen. - Weil wir gemerkt haben, dass das noch nicht reicht, da der Trend anhält, haben wir für diesen Haushalt, Herr Bartsch, zusätzlich 300 Stellen bewilligt. Dazu kommen 50 Stellen,
die die Regierung eh schon vorgesehen hat. Das heißt,
wir haben allein in diesem Bereich 650 neue Stellen mit
aufgebaut. Zusätzlich sind wir dem steigenden Bedarf
nach Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer
nachgekommen, einem Anliegen vieler Wohlfahrtsverbände, aber auch des Bundes der Vertriebenen. Wir haben den entsprechenden Ansatz um 8 Millionen Euro erhöht. Ich kann aus meinem Wahlkreis berichten, dass das
wirklich ein Segen für die Menschen ist.
Meine Damen und Herren, die zweite schnell wachsende Herausforderung, der wir im Bereich der Innenpolitik gegenüberstehen, ist die Wahrung der inneren Sicherheit. Man muss sich nur einmal vor Augen führen,
dass zu dem Zeitpunkt, als mit der Haushaltsaufstellung
begonnen wurde, die Organisation „Islamischer Staat“
nur wenigen Spezialisten überhaupt ein Begriff war. Wir
erleben heute, dass diese Organisation in einer noch nie
dagewesenen Professionalität - mit Internetauftritten,
sogar mit eigenen Zeitungen - junge Menschen, vornehmlich Männer, auch bei uns anspricht, versucht, sie
zu radikalisieren und für den Dschihad zu gewinnen.
Das ist nicht nur ein Problem im Irak und in Syrien. Sowohl die Rückkehrer als auch diejenigen, die zu Hause
bleiben und sich hier im Stillen radikalisieren, stellen
eine Bedrohung für die innere Sicherheit in Deutschland
dar. Wir haben vorhin von Vorsorge gesprochen. Wir
dürfen nicht so lange warten, bis etwas passiert. Wir haben deswegen in diesem Haushalt das Bundesamt für
Verfassungsschutz, das für die Abwehr dieser Gefahren
zuständig ist, verstärkt.
Ein weiterer Schwerpunkt der Veränderungen im Bereich der inneren Sicherheit lag auf der Bundespolizei.
Die Bundespolizei ist mittlerweile an der Grenze ihrer
Belastungsfähigkeit angekommen. Die Angehörigen der
Bundespolizei müssen fast täglich ihren Kopf für uns
hinhalten. Um das zu sehen, brauchen Sie nur die
Medien zu verfolgen. Ich erinnere an die großen Aufmärsche von Hooligans und Extremisten in den letzten
Wochen, die Zunahme der illegalen Migration, die
Schleuserkriminalität, die regelmäßigen Gewaltexzesse
bei Fußballspielen am Wochenende, den wachsenden
Bedarf des Schutzes unserer Auslandsvertretungen in
verschiedenen Krisengebieten, aber auch an den G-7Gipfel im nächsten Jahr. Ich könnte diese Liste fortführen. Hinzu kommt mit der Bewachung der Goldreserven
der Bundesbank eine weitere Aufgabe.
Damit die Bundespolizei in der Lage ist, all dies zu
bewältigen, haben wir insgesamt 406 neue Stellen für
Polizeivollzugsbeamte geschaffen und zusätzlich die
Bundespolizei umfangreich mit Personal und Sachmitteln ausgerüstet. Wir haben dabei sehr bewusst einen
Schwerpunkt auf den Bereich „Einsatz- und Schutzbekleidung“ gesetzt. Es ist angesichts der zunehmenden
Gewalt gegen Polizisten einfach nicht hinnehmbar, dass
immer noch über Mängel und Engpässe bei der Körperschutzausstattung geklagt wird. Deswegen haben wir
darauf in den Haushaltsberatungen sehr bewusst einen
Akzent gesetzt. Dazu kommen insgesamt 356 Stellenhebungen in den verschiedenen Laufbahngruppen, die die
höheren Anforderungen widerspiegeln und auch den
Dienst bei der Bundespolizei attraktiver machen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, am besten
wäre es doch, wenn es gar nicht so weit käme, dass Fanatiker oder Extremisten auf unsere Polizisten einprügeln. Auch hier gilt der Gedanke der Vorsorge. Wir haben deswegen den Bereich der politischen Bildung mit
einem Schwerpunkt auf die Bekämpfung von politischem und religiösem Extremismus sowie Radikalisierung verstärkt.
({5})
Ein weiteres Aufgabenfeld des Bundesinnenministeriums ist der Zivilschutz, also der Schutz der Bevölkerung im Verteidigungsfall. Das wird seit dem Ende des
Kalten Krieges oft als unwahrscheinliches Szenario abgetan. Beim Thema Verteidigungsfall denkt man auch
immer zuerst an die Bundeswehr. Ich halte das für eine
Fehleinschätzung. Sollte heute in Deutschland tatsächlich ein Terrorangriff stattfinden, dann würden die
Menschen in allererster Linie durch die zivilen Katastrophenschutzorganisationen geschützt werden. Der Bund
unterstützt die Feuerwehren und Rettungsorganisationen
der Länder durch die Finanzierung von zusätzlichen
Fahrzeugen und Gerätschaften genau für diesen Fall.
Wir stehen zu dieser Aufgabe und haben den Ansatz bei
diesem Titel deswegen angehoben.
Meine Damen und Herren, wenn wir diese Verantwortung ernst nehmen - und wir wollen sie ernst nehmen, um einen wirksamen Schutz für die Bevölkerung
zu gewährleisten -, dann kann es nicht sein, dass die
Länder das Geld und die Fahrzeuge zwar dankend annehmen, aber der Bund nicht überprüfen kann, wie diese
Aufgabe wahrgenommen wird, sprich: wie der Katastrophen- und damit der Zivilschutz vor Ort aufgestellt ist.
Das geht ja so weit, dass überörtliche Einsätze und
Übungen mit diesem Gerät kaum stattfinden. Selbst Feuerwehren vor Ort, deren Fahrzeug vom Bund finanziert
worden ist, wissen zum Teil gar nicht, dass sie damit einen Bundesauftrag ausführen. Meine Damen und Herren, ich begrüße daher sehr, dass Bundesinnenminister
de Maizière eine Staatssekretärsrunde einberufen hat,
um mit den Ländern über die Neuorganisation dieses ergänzenden Katastrophenschutzes zu sprechen.
Der Zivilschutz war übrigens der Grund für die Gründung des Technischen Hilfswerks. Heute sind dort über
80 000 ehrenamtliche Helfer im Einsatz, die hervorragende Arbeit im In- und Ausland leisten. Um dieses
hohe ehrenamtliche Engagement aufrechtzuerhalten, ist
neben einer guten Ausrüstung und Ausbildung auch eine
gute Unterbringung der Ortsverbände notwendig.
({6})
Wir haben im Haushalt 2014 einen Schwerpunkt auf die
Fahrzeugbeschaffung und die Führerscheinausbildung
gesetzt. Wir setzen jetzt im Haushalt 2015 einen Schwerpunkt auf die Liegenschaften und beschließen heute ein
mehrjähriges Sonderprogramm „Liegenschaften für das
Technische Hilfswerk“. Das THW erhält dazu in 2015
zusätzlich 4 Millionen Euro. Darüber hinaus gibt es bis
2018 Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von weiteren 23 Millionen Euro. Damit soll der aufgelaufene
Bedarf an Neubauten bzw. an dringend notwendiger
Renovierung abgearbeitet werden und sollen die Ortsverbände besser untergebracht werden. Das ist eine besondere Wertschätzung, die wir damit dem THW entgegenbringen. Das THW liegt gerade uns Abgeordneten
im Deutschen Bundestag sehr am Herzen. Das wollen
wir damit auch zum Ausdruck bringen.
({7})
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit diesem
Haushalt geben wir auch den Startschuss für das Projekt
„Netze des Bundes“; Kollege Bartsch hat es angesprochen. Mit dem Projekt sollen die unterschiedlichen Weitverkehrsnetze der Verwaltung zusammengefasst werden.
Die IT-Sicherheit wird dadurch deutlich erhöht. Der Bürger hat erst einmal nichts davon, wenn die Regierung
plötzlich über verschlüsselte Leitungen kommuniziert.
Aber die NSA-Affäre hat uns gezeigt, dass, wenn sie es
nicht tut, eine deutliche Einschränkung der Souveränität
unseres Landes damit einhergeht. Es ist ein Projekt, das
uns über Legislaturperioden hinweg begleiten wird. Ich
freue mich deswegen besonders darüber, dass der Antrag
für dieses Projekt vom Haushaltsausschuss einstimmig
beschlossen worden ist - und das, obwohl es bei einem
solchen Vorhaben wie bei jedem großen IT-Projekt auch
Risiken gibt. Das ist Ausdruck einer gemeinsamen Verantwortung für unser Land. In diesem Sinne bedanke ich
mich bei Ihnen für die gute Zusammenarbeit bei den
Haushaltsberatungen.
Den Zuhörerinnen und Zuhörern sage ich: Herzlichen
Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({8})
Das Wort hat die Kollegin Anja Hajduk für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! In der Tat: Wir haben erst im Sommer, vor fünf
Monaten, den Haushalt 2014 verabschiedet. Seither hat
sich die damals schon angespannte geopolitische Lage
noch mehr verschärft. Ich sage das natürlich mit Blick
auf die Situation im Irak, in Syrien, der Ukraine. Auch
die Bedrohungslage durch IS ist sicherlich nicht nur für
die Außenpolitik relevant. All diese Punkte müssen sich
auch im Etat des Innern deutlich widerspiegeln.
Wenn ich so einführe, dann ist Ihnen schon klar: Mein
erster Blick richtet sich auf das Thema „Flüchtlinge und
Integration“. Schauen wir uns einmal an, wie die Mittelausstattung hier aussieht. Ich habe natürlich registriert,
dass Sie an manchen Stellen etwas getan haben. Aber
insgesamt muss man doch deutlich festhalten: Dieser
Etat wird der Realität und den Herausforderungen definitiv noch nicht gerecht.
({0})
Es ist schon ein bisschen witzig, dass heute in der
Süddeutschen Zeitung zu lesen ist, dass Herr Gabriel
1 Milliarde Euro für Flüchtlinge fordert. Wir sind ganz
erfreut. Ich gehe davon aus, dass - heute Abend ist Koalitionsrunde - Herr Gabriel das vielleicht in weiser
Voraussicht getan hat, weil er mit Blick auf die Beschlusslage der Grünen-Fraktion von dem geschnürten
1-Milliarden-Paket zur Unterstützung der Asylbewerber
und Flüchtlinge, gerade auch mit Blick auf die Kommunen, weiß. Da kann ich nur sagen: Herr Gabriel, es ist
gut, dass Sie die Koalition heute Abend darauf vorbereiten. Dieser Antrag steht am Freitag hier zur Abstimmung, und dann möchte ich, dass Nägel mit Köpfen gemacht werden.
({1})
Aber ich möchte hier natürlich nicht Herrn Gabriel
ansprechen. Ich möchte Minister de Maizière ansprechen. Ich glaube, wenn man ehrlich ist, dann sind wir
uns doch einig. Herr Minister, Sie haben ein Interview
gegeben, das am 23. November im Tagesspiegel zu lesen
war. Sie führen dort aus - wir teilen das -, es sei gut,
dass wir heute davon ausgehen dürfen, dass es eine
große Unterstützungsbereitschaft in unserer Bevölkerung gibt, Flüchtlinge aufzunehmen.
({2})
Da sind wir froh. Sie stellen auch fest und bereiten die
Öffentlichkeit zu Recht darauf vor: Wir müssen uns auf
Jahre hinaus auf hohe Asylbewerber- und Flüchtlingszahlen einstellen. - Aber ich bitte Sie: Dann müssen Sie
sich doch jetzt und nicht erst in ferner Zukunft einen
Ruck geben, um die Integration voranzubringen und die
Zeit, in der die Flüchtlinge hier sind, positiv zu gestalten,
damit die Menschen in unserer Gesellschaft diese
Flüchtlinge weiter als Bereicherung erleben können.
Das heißt, Sie müssen den Flüchtlingen Zugang zu Integrationsleistungen wie Sprache, Arbeitsmarkt und Beratung geben.
({3})
Genau dies ist doch nicht schwer zu entwickeln. Ich
komme da noch einmal auf unseren Antrag zurück. Wir
müssen bei den Integrationskursen endlich eine Öffnung
für die Asylbewerber erreichen, deren Zahl so unglaublich stark angestiegen ist. Wir sprechen hier von einem
Anstieg - Sie haben die Zahlen gerade genannt - im Vergleich zum Vorjahr um 56 Prozent; im Vergleich zu von
vor zwei Jahren handelt es sich um eine Verdoppelung.
Wir müssen das schaffen - Zugang zu den Sprachkursen,
Zugang und Öffnung auch der Migrationsberatung für
Asylbewerberinnen und Asylbewerber, Zugang zu einer
guten Gesundheitsversorgung, aber auch Beratung durch
Jobcenter und Arbeitsagenturen -, damit Integration gelingt. Wir haben Ihnen unsere Vorstellungen vorgelegt.
Das kostet Geld, und zwar nicht wenig. Aber das ist
auch keine Summe, die wir nicht aufbringen können.
Wir werden Sie von der SPD, aber auch Sie von der
CDU/CSU am Ende der Woche daran messen, ob Sie
imstande sind, diesem Paket zuzustimmen.
({4})
Ein weiterer Punkt - beim Etat des Innern geht es
nicht nur um die Integration - ist natürlich die Sicherheitspolitik. Wir wollen durchaus anerkennen, dass Sie
auch Programme zur Präventionsarbeit gegen die Radikalisierung von Jugendlichen auflegen. Wir werden eine
Menge zu tun haben mit IS-Kämpfern, die aus Deutschland kommen, auch mit solchen, die zurückkommen. Es
bleibt aber dabei, dass dieses Ausmaß an Prävention von
uns nicht für ausreichend gehalten wird. Wir denken, da
ist eine Verdoppelung der Mittel nötig.
({5})
Das große Projekt, das in Zukunft für den Haushalt
des Innenministers wichtig ist - ich möchte dies kurz erwähnen -, ist die Konsolidierung der Netze und der IT.
Wir werden Sie da konstruktiv, aber auch kritisch begleiten. Wir wollen nicht, dass das riesige IT-Projekt ein
Fass ohne Boden wird. Beim Digitalfunk haben wir
schon entsprechende negative Erfahrungen gemacht.
Wir werden darauf drängen, dass sich nicht RessortAnja Hajduk
egoismen in der Regierung durchsetzen, sondern dass es
eine vernünftige, zentrale Konsolidierungsstrategie gibt,
die durch Sie, Herr Minister, federführend umgesetzt
wird.
Mein letzter Punkt behandelt die Haushaltskontrolle
der Geheimdienste. Das betrifft nicht nur Ihren Etat,
Herr Minister. Dieser Punkt ist mir besonders wichtig;
wir haben schon vor einigen Sitzungswochen darüber
gesprochen. Wir haben, was die Kontrolle der Nachrichtendienste angeht, die Situation, dass es in der Bevölkerung einen immensen Vertrauensverlust
({6})
und Skepsis darüber gibt, ob wir unserer Kontrollaufgabe überhaupt vernünftig nachkommen. Da spreche ich
in erster Linie die Fraktionen an und nicht so sehr den
Minister.
Ich verstehe nicht, warum es nicht eine engere Kooperation zwischen Vertrauensgremium und Parlamentarischem Kontrollgremium gibt. Ich verstehe auch nicht,
warum Sie bei der auch in der Öffentlichkeit diskutierten
Ausstattung der Nachrichtendienste mit neuen Technologien unsere Beratungsmöglichkeiten nicht optimieren
wollen, zum Beispiel durch die systematische Einbindung der Bundesbeauftragten für den Datenschutz. Wir
werden Sie damit nicht durchkommen lassen, dass unsere vorhandenen parlamentarischen Möglichkeiten zur
Kontrolle der Geheimdienste nicht besser genutzt werden. Das hat auch mit den Geschehnissen um den NSU
und um die NSA zu tun.
In diesem Sinne werden wir sehr kritische Begleiter
sein. Wir sind mit Ihrer Arbeit und auch mit der Arbeit
der Koalitionsfraktionen nicht zufrieden.
Schönen Dank.
({7})
Danke, Frau Kollegin. - Schönen guten Tag Ihnen,
liebe Kolleginnen und Kollegen, und den Gästen auf der
Tribüne. - Nächster Redner in der Debatte ist Martin
Gerster für die SPD.
({0})
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Ist das nötige Geld vorhanden, ist das Ende meistens gut.
So heißt es in der filmischen Umsetzung der Dreigroschenoper von Bertolt Brecht. Im Bundeshaushalt
geht es natürlich nicht nur um drei Groschen, sondern
um fast 300 Milliarden Euro. Ich bin natürlich auch nicht
Mackie Messer, sondern der Haushälter der SPD für den
Geschäftsbereich des Innenministeriums.
Ich will an dieser Stelle eines vorwegschicken: Ich
bin froh, dass wir in der Großen Koalition gemeinsam
die Kraft hatten - das ist doch ein tolles Zeichen -, im
Haushaltsausschuss diesen Etat über die Marke von
6 Milliarden Euro zu heben und damit wichtige Veränderungen am Haushaltsentwurf zu erreichen. Dazu möchte
ich feststellen: Das Ende unserer Haushaltsberatung ist
aus Sicht der SPD-Fraktion und der Großen Koalition
nicht nur gut, sondern richtig gut. Das ist heute eine ganz
wichtige Botschaft.
({0})
Viele Anliegen und politische Schwerpunkte der
SPD-Fraktion konnten wir noch einbringen. Ich glaube,
das geschah nicht gegen den Willen des Innenministers,
sondern er wird es gutheißen, dass sein Etat an der einen
oder anderen Stelle ausgebaut werden konnte.
Aber der Reihe nach. In unruhigen Zeiten ist es notwendig, die Sicherheit zu stärken. Ich will an dieser
Stelle einen Dank vorausschicken, einen Dank an die
Männer und Frauen, die für unsere Sicherheit im Einsatz
sind.
({1})
Zehntausende sind täglich im Einsatz und sorgen dafür,
dass wir uns in unserem Land sicher bewegen können.
Ich nenne beispielsweise die Angehörigen der Bundespolizei, die an Flughäfen, auf Bahnhöfen und beim Fußball im Einsatz sind.
Wir haben ganz klar gesagt: Wir müssen diesen Bereich stärken. Deswegen haben wir zusammen mit unserem Koalitionspartner durchgesetzt, dass wir insbesondere die Bereiche stärken, von denen die Beamtinnen
und Beamten im Einsatz direkt profitieren: 15 Millionen
Euro mehr für Körperschutz und neue Bekleidung,
5 Millionen Euro mehr für neue Fahrzeuge, was ungefähr 120 neuen Fahrzeugen entspricht. Jedenfalls ist das
ein richtig gutes Signal an die Beamtinnen und Beamten,
an all diejenigen, die für die Bundespolizei in unserem
Land unterwegs sind.
Damit aber nicht genug: Wir haben über 400 zusätzliche Stellen geschaffen. Wir haben natürlich auch die
Wünsche und Anregungen aus dem Personalrat der Bundespolizei und der Gewerkschaft der Polizei berücksichtigt. Wir finden es richtig, dass unsere Leute bei der
Bundespolizei mehr berufliche Perspektiven brauchen,
und zwar im Vollzug, in der Verwaltung, aber auch bei
den Tarifbeschäftigten. Deswegen haben wir das ohnehin schon aufgelegte Hebungsprogramm bei der Bundespolizei aufgestockt - es hat eine Laufzeit von vier Jahren -,
und zwar um 181 Möglichkeiten der Beförderung von
der Besoldungsgruppe A 8 zur Gruppe A 9. Jetzt haben
wir in diesem Bereich 1 500 Beförderungsmöglichkeiten. Ich glaube, das ist gut, weil in diesem Bereich der
größte Beförderungsstau herrscht. Es ist gut, dass sich da
jetzt mehr tut, als sich ursprünglich abgezeichnet hat.
({2})
Wir haben darüber hinaus Hebungen bei den 75 Inspektionsleitungen und weitere 100 Hebungen vom ein6476
fachen in den mittleren Dienst auf den Weg gebracht.
Das ist eine richtig gute Sache für unsere Leute in der
Bundespolizei, die jede Woche, jeden Tag, jede Stunde
für uns im Einsatz sind. Ich will für unsere Fraktion die
Botschaft aussenden: Wir lassen euch nicht hängen; wir
von der SPD-Fraktion und in der Großen Koalition insgesamt kämpfen für euch.
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein weiterer
Schwerpunkt war der Katastrophen- und Bevölkerungsschutz, insbesondere natürlich das THW. Ich war - wie
viele Kolleginnen und Kollegen - in den letzten Wochen
und Monaten an vielen THW-Standorten. Was man da
sieht, ist zum Teil jämmerlich. Es ist der vielen Helferinnen und Helfer beim THW, insgesamt etwa 80 000,
wirklich nicht würdig. Ich konnte bei mir im Wahlkreis
den Standort Riedlingen besuchen. Da ist eine Fahrzeughalle wegen Einsturzgefahr nicht mehr betretbar. Nebenan, in Ehingen, sind Risse in den Gebäudemauern,
und es gibt viel zu wenig Platz. Wir haben in der Großen
Koalition gesagt: So kann es nicht mehr weitergehen. Wir werden mit diesem Haushalt ein großes Bauprogramm auf den Weg bringen, sodass in den nächsten
Jahren Dutzende von THW-Unterkünften und -Liegenschaften instand gesetzt oder neu gebaut werden können.
Ich glaube, das ist das Mindeste, was wir für die vielen
Helferinnen und Helfer beim THW tun können.
({4})
Hinzu kommen 5 Millionen Euro, die wir beim Katastrophenschutz der Länder draufgepackt haben. Davon werden vor allem auch die Feuerwehren profitieren. Ich
glaube, das ist eine ganz gute Sache.
Ein wichtiger Punkt war für uns natürlich auch das
Thema Integration und Migration. Hier geht es um Millionen von Menschen, die Leidtragende von Verfolgung,
Terror, kriegerischen Auseinandersetzungen und anderen Gräueltaten sind. Wir finden es unerträglich, wie
rechte Hetzer jetzt versuchen, Not und Elend der Flüchtlinge und der Asylsuchenden für ihre Zwecke auszunutzen.
({5})
Wir senden vom Deutschen Bundestag ein klares Signal
aus - auch mit den Beschlüssen des Haushaltsausschusses -: Wir unterstützen die Einwanderer, die Flüchtlinge,
die Asylsuchenden und stellen mehr Geld für die Beratung von Einwanderern bereit, wir halten die Mittel für
Integrationskurse auf hohem Niveau, und in den Jahren
2014 und 2015 schaffen wir 650 Stellen beim BAMF.
Ich glaube, das ist insgesamt eine richtig gute Geschichte.
An dieser Stelle ein Dankeschön an die vielen Ehrenamtlichen, die sich für die Flüchtlinge engagieren und in
der Tat für ein gutes Klima des Willkommenheißens in
unserem Land sorgen. Ich glaube, das ist in der aktuellen
Situation unverzichtbar.
({6})
Wir müssen natürlich auch politisch dafür kämpfen,
dass die Akzeptanz für Integration, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und friedliches Miteinander weiterhin hoch
bleibt. Deswegen haben wir ganz bewusst gesagt: Die
Mittel der Bundeszentrale für politische Bildung werden
aufgestockt, die politischen Stiftungen erhalten 14 Millionen Euro mehr, und im Haushalt von Manuela
Schwesig stellen wir 10 Millionen Euro mehr für den
Kampf gegen Rechtsextremismus und andere Extremismen, die wir unbedingt bekämpfen wollen, bereit.
Dann haben wir noch das Thema Sport.
Aber kurz, bitte.
Ja, danke schön, ich denke daran. - Kollege Barthle
und ich, wir haben ein 15-Millionen-Euro-Programm für
den Sport auf den Weg gebracht.
({0})
Ich glaube, das ist eine richtig gute Geschichte. Davon
geht ein gutes Signal an unsere Gesellschaft aus.
So kann ich an dieser Stelle sagen: lauter gute Nachrichten aus dem Haushaltsausschuss für den Bereich des
Bundesinnenministeriums. Ich danke den Kollegen
Brandl und Barthle, aber auch den Kollegen der Opposition. Unsere Änderungsanträge im Haushaltsausschuss
bekamen viele Jastimmen. Deswegen gilt mein herzlicher Dank den Kollegen Bartsch und Hajduk. Ich wünsche allen weiterhin eine gute Debatte.
Danke schön.
({1})
Vielen Dank, Herr Kollege Gerster. - Ja, der Herr
Barthle brauchte halt jetzt noch Schnee.
({0})
- Nein, Sie waren nicht Mackie Messer. Es fragt sich
nur, wer der Haifisch ist. Das ist jetzt aber keine Überleitung zum Bundesminister.
({1})
Dr. Thomas de Maizière, Sie haben das Wort.
({2})
Frau Präsidentin, wie soll ich denn das verstehen?
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie sehen einen fröhlichen und
dankbaren Innenminister vor sich.
({1})
- Ja, das ist so.
Die Regierung hatte im Regierungsentwurf schon etliche Verbesserungen vorgenommen. Der Haushaltsausschuss hat nun in engem Kontakt mit dem Finanzministerium und mit uns und mit Unterstützung der
Hauptberichterstatter, aber auch vieler anderer, an den
richtigen Stellen noch viel draufgepackt. Das ist wirklich
gut.
Ich möchte das vor allen Dingen betonen, weil ich
hier, gerade im Bereich der Sicherheit, der sonst zu den
umstrittensten gehört, etwas Seltenes erlebt habe. Viele
der Vorhaben und Projekte haben, auch in den Einzelabstimmungen, die ausdrückliche Zustimmung aller Fraktionen gefunden. Unverständlicherweise hat die Opposition den Haushalt insgesamt dennoch abgelehnt.
({2})
Ich verstehe das als große Unterstützung für mein
Haus, aber vor allem für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die Polizisten, für die Mitarbeiter des BAMF
und der Sicherheitsbehörden. Sie gewährleisten Freiheit
und Sicherheit in unserem Land, und dafür ein herzliches Dankeschön.
({3})
Zukunftsweisend ist auch der Beschluss der Finanzierung der „Netze des Bundes“. Hier geht es um ziemlich
viel Geld: 450 Millionen Euro in drei Jahren. Das ist ein
ehrgeiziges Projekt. Einige haben dazu gesprochen. Es
muss stärker koordiniert werden, Herr Bartsch, das
stimmt. Das ist nicht alleine, aber auch eine Antwort auf
das Thema NSA. Wir werden die Realisierung der Empfehlungen des Ausschusses zügig in Angriff nehmen.
Das führt mich zu einer grundsätzlichen Bemerkung,
die ich gerne machen möchte, weil sehr viel von Investitionen die Rede ist. Uns fällt ziemlich viel ein, wie wir
den Ländern im Bereich Bildung, Autobahnen, vor allem
im Bereich Energieeffizienz durch Investitionen helfen
können. Das ist alles gut und schön. Aber wir können
auch mal an uns denken. Wir haben das bei den Konjunkturprogrammen gemacht. Wir haben für Investitionen in Bundesliegenschaften eine Vorabquote eingeführt. Wir haben es bei der Flut gemacht. Wir haben
gesagt: Von den 8 Milliarden Euro geht ein gewisser Anteil in die eigene Infrastruktur des Bundes, Schleusen
usw.
Wenn es jetzt um die Verteilung der Investitionen
geht, dann fallen mir und uns allen ganz viele Bereiche
ein, in die wir - ich sage das als Minister für innere Angelegenheiten - investieren können, zum Beispiel in die
Erneuerung unserer IT-Strukturen oder in die Liegenschaften des Bundes. Wir können viel gutes Geld für die
eigenen Belange des Bundes in die Hand nehmen und
nicht nur für noch so berechtigte Belange Dritter. Das
wollte ich gerne an dieser Stelle einmal sagen.
({4})
Die Sicherheit und der Schutz der Freiheit haben eine
herausragende Bedeutung für unser Land. Es gibt einen
großen gesellschaftlichen und politischen Konsens, das
zu erkennen, zu erhalten und die dafür notwendigen
Schritte zu tun. Auch dafür, dass das deutlich geworden
ist, möchte ich mich beim Haushaltsausschuss ausdrücklich bedanken.
Mein wichtigstes Anliegen als Bundesminister des Innern ist, dass die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sicher leben können. Einen wesentlichen Anteil daran haben nicht nur Gesetze und die internationale
Zusammenarbeit und vieles andere mehr, sondern unsere
Polizistinnen und Polizisten und die Mitarbeiter in den
Sicherheitsbehörden. Sie üben Tag und Nacht gewissenhaft und gerne ihren Beruf aus. Sie genießen in der Bevölkerung ein hohes Ansehen. Die Polizei liegt bei über
80 Prozent, die Bundeskanzlerin bei 65 Prozent und der
Papst bei 55 Prozent, die Parteien liegen ziemlich weit
hinten.
Wir müssen dafür sorgen, dass der Polizeiberuf attraktiv bleibt. Auch dafür leisten wir mit dem Haushalt
2015 einen Beitrag. Die Zahlen wurden genannt: 406
neue Stellen für die Bundespolizei, Schutzausrüstung,
Kfz, Hebungen gerade im unteren und mittleren Bereich.
Unsere Polizistinnen und Polizisten müssen auf der
Straße immer wieder buchstäblich den Kopf hinhalten,
auch und gerade, wenn es brenzlig wird. Leider verliert
eine Reihe von Bürgern immer mehr den Respekt vor
staatlichen Funktionsträgern insgesamt. Verbale und
körperliche Angriffe nehmen zu. In Bremen wird jetzt
gerade eine Spuckhaube eingeführt, die diejenigen über
den Kopf bekommen, die regelmäßig Polizisten im Kfz
usw. anspucken. Auch dagegen, dass es diese Spuckhauben gibt, gibt es jetzt Protest. Ich finde es gut bzw. nur
recht und billig, dass man dafür sorgt, dass Polizisten
nicht angespuckt werden.
({5})
Bei links- und rechtsextremistischen Gruppen ebenso
wie bei alkoholisierten Fußballanhängern bis hin zu einzelnen Gruppen scheinen die gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei eine Art Eventcharakter
zu haben. Wir haben insgesamt einen Rückgang der Gewaltkriminalität, auch der Jugendgewaltkriminalität
- das ist gut -, verzeichnen aber einen Anstieg der Intensität von Gewaltausübung, und zwar nicht nur gegenüber
Polizisten, sondern auch gegenüber Rettungskräften und
Repräsentanten des Staates. Die Polizistinnen und Polizisten im Bund und in den Ländern tragen Verantwortung für unsere Sicherheit. Also tragen wir Verantwortung dafür, dass sie bei ihrer Arbeit sicher sind. Der
Haushalt leistet auch einen Beitrag hierfür.
({6})
Zum Katastrophenschutz ist hier viel gesagt worden.
Ich unterstütze das natürlich ausdrücklich, insbesondere
was zur liegenschaftlichen Situation gesagt worden ist.
Das hilft auch den Helfern vor Ort.
Ich will nur einmal auf Folgendes hinweisen - Herr
Brandl hat das auch gemacht -: Während wir hier debattieren, sind THW-Helfer in Afrika und kämpfen gegen
die Ausbreitung von Ebola, sind THW-Helfer in Jordanien und im Nordirak und helfen dort in den Flüchtlingslagern. Wir denken gern an unsere Ortsverbände, aber
ich finde, eine solche Debatte bietet auch Anlass, diesen
Menschen im Ausland und ihren Angehörigen sowie den
Arbeitgebern, die sie freistellen, einmal ein herzliches
lautes Dankeschön zu sagen.
({7})
Meine Damen und Herren, es ist heute nicht die Zeit,
umfassend über die Sicherheitslage zu sprechen. Aber
Sie wissen, die Sicherheitslage ist ernst. Die Terrororganisation, die sich selbst „Islamischer Staat“ nennt - und
die wir nicht „Islamischer Staat“ nennen sollten -, zeigt
eine archaische Brutalität. Menschen werden enthauptet,
Frauen vergewaltigt, versklavt, Grenzen, die seit über
100 Jahren bestehen, ignoriert - und mit all dem brüstet
sich die IS öffentlich.
Männer und einige Frauen bringen aus Deutschland,
bringen aus Europa den Krieg in diese Gegend; sie exportieren Gewalt und Terror. Mitte September habe ich
ein Betätigungsverbot gegen die Organisation IS ausgesprochen. Wir sehen hier Erfolge; es gibt viele Festnahmen und Ermittlungen. Diensteanbieter in den sozialen
Medien nehmen zunehmend Profile vom Netz. Alles,
was sich dort an Sympathiewerbung für die IS findet,
Herr Abgeordneter Beck, ist durch dieses Betätigungsverbot strafbar geworden. Das ist gut so. Das Betätigungsverbot fügt sich in eine Reihe von anderen Maßnahmen ein, sowohl von mir, die wir demnächst
diskutieren, Stichwort „Personalausweis“, als auch vom
Justizminister, Stichwort „Reisen“ und anderes; es ist
heute nicht die Zeit, im Einzelnen darauf einzugehen.
Wir wollen verhindern, dass der Terrorismus von
Deutschland aus exportiert wird. Wir wollen erst recht
verhindern, dass geschulte Terroristen - zumal wenn sie
aus Deutschland gekommen sind - nach Deutschland zurückkehren und hier Anschläge verüben. Dazu brauchen
unsere Sicherheitsbehörden Unterstützung. Dafür brauchen wir internationale Zusammenarbeit. Dazu brauchen
wir auch eine Stärkung des Bundesamts für Verfassungsschutz; davon ist gesprochen worden.
Wir können damit keine vollständige Sicherheit herstellen. Niemand kann eine Garantie dafür geben, dass es
in Deutschland nicht zu einem Anschlag kommt. Aber
wir sind entschlossen, das uns Mögliche zu tun, damit es
nicht passiert.
Meine Damen und Herren, ein Wort zum Thema
Flüchtlinge. Frau Hajduk, Sie haben darüber gesprochen, und es ist über die zusätzlichen Stellen gesprochen
worden; das ist alles richtig. In der Tat: Ich halte es für
falsch, der Bevölkerung zu sagen: Das ist jetzt mal ein
Jahr, nächstes Jahr wird alles wieder gut. - Das wird
wohl nicht der Fall sein. Trotzdem verlangt dies angesichts der Flüchtlingsströme, angesichts der Bürgerkriege in Syrien und im Irak und all dessen, was dort
passiert ist, natürlich eine Strategie, die darüber hinausgeht, einfach alle aufzunehmen. Auch darüber zu sprechen, ist heute nicht die Zeit.
Das hat etwas mit der Arbeit vor Ort zu tun, das hat
etwas mit der Arbeit in den Transitländern zu tun, das
hat mit dem Dubliner Übereinkommen zu tun - alle
Staaten müssen ihre Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen erfüllen -, das hat etwas mit europäischer
Solidarität und mit vielem anderen mehr zu tun. Darüber
sind wir uns möglicherweise einig. In einem Punkt sind
wir uns vielleicht nicht einig - ich will nicht, dass hier zu
viel Harmonie verbreitet wird -:
({8})
Ja, wir sind dafür, dass im BAMF schnell entschieden
wird - auch mithilfe zusätzlicher Stellen -, wer politisch
verfolgt wird, wer Asyl verdient. Diese Personen müssen
integriert werden, und zwar so schnell wie irgend möglich.
({9})
- Oder als Flüchtling anerkannt wird, Herr Beck. Das ist
jetzt gar nicht mein Punkt.
({10})
Ich möchte auf etwas anderes hinaus: Wir wollen auch,
dass die Anträge derjenigen, die aus sicheren Herkunftsländern kommen, genauso schnell geprüft werden,
({11})
damit sie nicht integriert werden und unser Land schnell
wieder verlassen, damit die Aufnahmebereitschaft der
Bevölkerung erhalten bleibt.
({12})
Nun ein Wort zu Herrn Gabriel. Wir sind in Gesprächen mit den Ländern über die Frage, ob, in welcher
Weise und in welchem Umfang wir den Ländern und,
ehrlich gesagt, vor allem den Kommunen in allen anstehenden Punkten, von der Unterbringung bis zum Thema
Gesundheit, helfen können und müssen. Das ist schwierig. Die Länder verhalten sich gegenüber den Kommunen sehr unterschiedlich. Das Spektrum der Kostenerstattung durch die Länder reicht von 20, 30 Prozent der
Kosten der Kommunen bis zu 90, 100 Prozent. Ich
möchte alle, die hier große Töne spucken, man sollte den
Kommunen helfen, bitten, erst einmal in den jeweiligen
Ländern dafür zu sorgen, dass diese den Kommunen helfen. Das wäre auch einmal etwas.
({13})
Aber wir überlegen uns etwas. Das läuft auf ein Gespräch der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten
der Länder hinaus. Es könnte ja sein, Frau Hajduk, dass
Herr Gabriel das, was er gesagt hat, gar nicht erfunden
hat. Es könnte ja sein, dass er es nur als Erster öffentlich
gemacht hat und es die Gespräche schon seit längerem
gibt. Wir sind der Meinung, dass wir erst am Ende der
Debatte etwas verkünden sollten und nicht am Anfang
der Debatte. Also seien Sie nicht so stolz auf Ihren diesbezüglichen Antrag auf dem Parteitag der Grünen.
({14})
- Das verstehe ich; aber vertrauen Sie doch einmal ein
bisschen darauf, dass es auch andere Möglichkeiten gibt,
den Kommunen und den Ländern zu helfen, ohne den
Haushalt noch einmal anfassen zu müssen. Norbert
Barthle, ich glaube, auch das ist ein wichtiger Punkt.
({15})
Ich will nur sagen: Wir haben das im Blick. Wir machen
das verantwortungsvoll, und das ist richtig so.
Eine letzte Bemerkung zum Sport - Herr Barthle hat
heute Morgen einiges dazu gesagt -: Wir hatten gegenüber der ursprünglichen Veranschlagung schon 8 Millionen Euro draufgelegt. Jetzt kommen noch einmal
15 Millionen Euro hinzu. Auch die NADA-Finanzierung
ist gesichert. Ich füge hinzu - das hat Norbert Barthle
heute Morgen gesagt, sicher auch im Namen von Herrn
Gerster -: Dieses Geld kommt nicht einfach obendrauf
und wird nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt,
sondern wir verbinden damit die Erwartung, dass damit
der Einstieg in eine Strukturveränderung, in eine Effektivierung der Spitzensportförderung verbunden ist - hoffentlich auf dem Weg zu Olympischen Spielen in
Deutschland.
({16})
Daran werden wir erinnern, und ich hoffe, dass wir das
gemeinsam tun werden.
Ich habe meine Rede begonnen mit dem Satz: Sie sehen einen fröhlichen, zufriedenen und dankbaren Innenminister. - Das ist so. Noch mehr würde ich mich freuen,
wenn nicht nur die Koalition, sondern nach all den schönen Reden auch die Opposition sagen würde: Verdammt
noch mal, das war eine gute Sache. Dieses Mal stimmen
wir zu.
({17})
Vielen Dank, Herr Dr. de Maizière. - Das kann Herr
Dr. André Hahn als nächster Redner für die Linke gleich
beantworten.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Minister, ich sage es gleich vorab: Wir finden zur Fröhlichkeit in Ihrem Haushalt nur wenig Anlass.
({0})
Ich möchte gerne über das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Geheimdienste allgemein sprechen
und auch zum Sport etwas sagen.
Im Zusammenhang mit dem Thema Geheimdienste
hat SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann dieser Tage
dem Spiegel ein sehr aufschlussreiches Interview gegeben.
({1})
Darin heißt es unter anderem:
Wenn die Dienste die Informationen über den NSU
richtig verarbeitet und ausgetauscht hätten, hätte
eine in der deutschen Nachkriegszeit beispiellose
Verbrechensserie wohl verhindert werden können.
Das ist eine der größten Niederlagen der deutschen
Sicherheitsbehörden überhaupt. Die Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern haben kollektiv
versagt.
({2})
Wir Linke teilen diese Auffassung.
An anderer Stelle heißt es - wieder Zitat Oppermann -:
Leider wurde der Rechtsextremismus über viele
Jahre systematisch unterschätzt. … Die Behörden
haben den brisanten Moment, als der Rechtsextremismus von der offenen Gewalt gegen Ausländer
und Flüchtlinge über national befreite Zonen in den
terroristischen Untergrund gegangen ist, schlicht
verpasst.
Ja, auch das ist leider zutreffend. Der SPD-Fraktionschef zieht verbal durchaus die richtigen Schlussfolgerungen,
({3})
wenn er darauf drängt, dass die Rechtsgrundlagen der
Dienste grundlegend revidiert werden. Wir als Linke gehen da noch einen deutlichen Schritt weiter. Wir stellen
nicht zuletzt nach dem Versagen in Sachen NSU und bei
der Spionageabwehr beim NSA-Skandal die Existenzberechtigung von Geheimdiensten grundsätzlich infrage.
({4})
So weit geht Herr Oppermann nicht. Er fordert aber immerhin eine generelle Überarbeitung des BND-Gesetzes
und des G-10-Gesetzes sowie eine spürbare Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle.
Doch Ankündigungen sind das eine. Die Realität sieht
leider anders aus.
({5})
Deshalb frage ich die Koalitionäre von Union und SPD
- drei Jahre nach der Aufdeckung der NSU-Verbrechen
und fast eineinhalb Jahre nach den Enthüllungen Edward
Snowdens zur massenhaften Überwachung der NSA
auch bei uns in Deutschland -: Wo ist denn der Entwurf
eines neuen BND- oder G-10-Gesetzes? Wo ist der Entwurf einer Novellierung des Gesetzes zur Arbeit des
Parlamentarischen Kontrollgremiums? Wo sind die Konsequenzen der Bundesregierung aus den Aussagen hochkarätiger Verfassungsrechtler vor dem NSA-Untersuchungsausschuss, nach denen zumindest ein Teil der
Tätigkeit des BND ohne jegliche Rechtsgrundlage stattfindet?
({6}): Stimmt doch gar
nicht!)
Überall Fehlanzeige. Doch daran werden Sie gemessen
und nicht an Absichtserklärungen.
({7})
Statt mit einer grundlegenden Reform auch nur zu beginnen, machen Sie im vorliegenden Haushaltsplan etwas ganz anderes: Sie schanzen den Diensten erst einmal
über Jahre hinweg weitere Mittel in dreistelliger Millionenhöhe zu, ohne dass sich an der Arbeitsweise der
Dienste auch nur irgendetwas geändert hätte. Es ist doch
geradezu absurd, dass die Geheimdienste für ihr Versagen bei NSU und NSA de facto noch mit zusätzlichen
Steuergeldern belohnt werden. Für uns Linke ist das inakzeptabel.
({8})
BND und Verfassungsschutz sollen weiter aufgerüstet
werden, um mit den Überwachungstechniken der Amerikaner künftig halbwegs mithalten zu können. Das ist
doch der völlig falsche Weg. Wo ist eigentlich, frage ich
Sie, das millionenschwere Programm zum Schutz der
Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen hier in
Deutschland vor Ausspähung und Spionage? Davon findet sich im vorliegenden Plan für 2015 nichts. Auch deshalb wird die Linke diesen Haushalt ablehnen.
({9})
Einige Anmerkungen zum Sportetat. Der Haushaltsausschuss ist über den ursprünglichen Ansatz für 2015
hinausgegangen; er hat die Mittel um 15 Millionen Euro
aufgestockt. Das begrüßen wir; das ist positiv.
({10})
Ohne diese Anhebung hätte tatsächlich die Gefahr bestanden, dass der deutsche Spitzensport noch weiter in
die Mittelmäßigkeit abrutscht, wie es der DOSB in seiner Presseerklärung ja selbst formuliert hat.
Wir verstehen die jetzige Entscheidung so, dass es,
anders als beispielsweise in Großbritannien, bei uns weiterhin eine umfassende Spitzensportförderung geben
soll, die sich nicht allein an medaillenträchtigen Sportarten ausrichtet. Auch die Verstetigung der Mittelzuweisungen für das Programm „Integration durch Sport“ bis
2017 ist richtig und sinnvoll. Allerdings gibt es leider
auch im Sporthaushalt durchaus Defizite.
Über künftige deutsche Olympiabewerbungen kann
man trefflich streiten, Herr de Maizière - ich persönlich
bin für überzeugende Konzepte durchaus offen -, aber
man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass es zum Beispiel allein in Berlin über 1 000 sanierungsbedürftige
Sportstätten gibt.
({11})
Einen derartigen Investitionsstau können die Länder allein kaum bewältigen. Deshalb bleiben wir Linke bei unserer Forderung nach einem entsprechenden Förderprogramm des Bundes.
({12})
Da Sie jetzt so schimpfen,
({13})
darf ich Ihnen sagen, dass sich die Sportpolitiker der
unionsregierten Länder im März dieses Jahres getroffen
und einstimmig ein solches Förderprogramm des Bundes
gefordert haben.
({14})
Sie haben es aber in beiden Ausschüssen abgelehnt.
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. - Wir verkennen nicht, dass es im Zuge der Beratungen zum Innenetat einige vernünftige Korrekturen gegeben hat, so
beispielsweise bei der Verbesserung der Finanzierung
der Nationalen Anti Doping Agentur oder auch bei der
Migrationsberatung für Erwachsene, die gerade wir
Linke immer unterstützt haben. Das ändert jedoch nichts
an unserer grundsätzlichen Kritik an den falschen Weichenstellungen im Einzelplan 06. Deshalb werden wir
mit Nein votieren.
Herzlichen Dank.
({15})
Vielen Dank, Kollege Dr. Hahn. - Nächster Redner in
der Debatte: Rüdiger Veit für die SPD.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich kann mich jetzt nicht auf den Beitrag des Kollegen
Hahn beziehen, weil ich mich in meiner Rede zu diesem
Bundeshaushalt nach unserer Aufgabenverteilung mit
Überlegungen zu Flüchtlingen und Integrationsaufgaben
auseinanderzusetzen habe, was ich gerne tue.
Um den Überraschungseffekt am Anfang auszunutzen: Frau Hajduk, Sie haben in einem recht: Man kann
sich bei ganz vielen Dingen, die gut gemeint sind und
hoffentlich auch gut gemacht werden, vorstellen, dass
noch mehr getan wird und dass man noch mehr Geld dafür ausgibt.
({0})
Das ist zwischen uns völlig unstreitig. Wenn man aber
eben nicht so viel Geld hat, wie das vielleicht Ihren und
vielleicht auch meinen Wunschvorstellungen entspräche,
kann man nicht den Umkehrschluss daraus ziehen und
sagen: Wenn ich nicht 100 Prozent bekomme, dann bin
ich auch dagegen, dass es mindestens 50, 60 oder
70 Prozent sind.
Deswegen will ich Ihnen im Einzelnen noch einmal
aufzählen, warum sich der Einzelplan 06 durchaus sehen
lassen kann. Natürlich wird man einwenden, dass man
das schon einmal gehört hat. Erinnern Sie sich aber bitte
- wer von Ihnen Lehrer ist, der hat das einmal so gelernt -:
Die Wiederholung ist in der Pädagogik ein ganz wesentliches Element der Vertiefung. Deswegen will ich das
gerne noch einmal tun.
Erstens. Im Bundeshaushalt sind wiederum - auch im
letzten Jahr war das so - 9 Millionen Euro für die Aufnahme von Flüchtlingen aus humanitären Gründen enthalten. Das ist gut so.
Zweitens. Es gibt - darauf ist hingewiesen worden eine durchaus beachtliche Steigerung im Bereich der Migrationsberatung für Erwachsene in Höhe von immerhin
8 Millionen Euro. Wenn ich mir die Zahlen richtig
notiert und gemerkt habe, dann wurden die Mittel von
26 auf jetzt 34 Millionen Euro erhöht.
Drittens - und das ist eigentlich noch wichtiger - haben wir in einer Zeit, in der es eine große Anzahl zusätzlicher Zuwanderer und Flüchtlinge gibt, eine erhebliche
Steigerung des Stellenbestandes beim Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge erreicht. 300 Stellen mehr
waren es im letzten Jahr - soweit ich weiß, sind mittlerweile alle besetzt -, und mit diesem Haushalt schaffen
wir für 2015 weitere 350 Stellen.
Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, als dieses Amt in Nürnberg, diese nachgeordnete Bundesbehörde, noch den Namen „Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge“ hatte. Alle, die damals
schon im Bereich der Flüchtlingsbewegung tätig waren,
werden mir zustimmen: Wir, die wir guten Wollens und
guten Willens im Sinne der Belange der Flüchtlinge tätig
waren, haben die Abkürzung BAFl eher so ausgeschrieben: Bundesamt für die Ablehnung von Flüchtlingen.
Man kann das so sagen. Das war sozusagen unser nicht
immer emotionsfrei besetzter Angstgegner. Das hat sich
seit dem Jahre 2001 aber gründlich geändert.
Ich will diese Gelegenheit nutzen, um dem vormaligen Präsidenten, Herrn Dr. Albert Schmid, und dem jetzigen Präsidenten, Herrn Dr. Manfred Schmidt, ganz
herzlich dafür zu danken, dass sie diese Behörde ganz
erheblich und nachhaltig zu einer Dienstleistungsbehörde umgebaut haben, mit der wir häufig und intensiv
Kontakt haben - auch und gerade im Sinne der Menschen, die bei uns Zuflucht suchen.
({1})
Dort wird überwiegend eine hervorragende Arbeit geleistet. Denken Sie einmal daran, wie hoch die Zahl der
Flüchtlinge in den vergangenen Jahren war. Heute müssen wir davon ausgehen, dass sich diese Zahl praktisch
verzehnfacht hat. Umso größer ist die Notwendigkeit,
hier eine entsprechende Arbeit zu leisten. Dabei ist uns
aus Sicht der SPD nicht nur eine zügige, sondern auch
eine sorgfältige und rechtsstaatlich fundierte Bearbeitung von Asylanträgen wichtig. Auch deswegen haben
wir diesem Personalaufwuchs in der Koalitionsvereinbarung zugestimmt und sehen wir das jetzt mit Freude auch
in diesem Haushalt.
Viertens. Nun komme ich zum Komplex Integrationskurse, wofür 40 Millionen Euro mehr zur Verfügung stehen. Das ist aufgrund der gestiegenen Fallzahlen der
gleiche Zuwachs wie im letzten Jahr.
Ich will nicht verhehlen, dass in diesem Bereich noch
einige Wünsche offen bleiben. Die Mindestvergütung ist
noch heute nur so hoch, dass die Lehrkräfte selbst bei
Vollzeit mit lediglich knapp 1 000 Euro netto über die
Runden kommen müssen. Es wäre wünschenswert, dass
sie ein vernünftiges Einkommen haben, um wenigstens
der jetzigen Armut, der notwendigen Aufstockung durch
staatliche Zusatzleistungen und auch der Armut im Alter
zu entgehen.
Das muss auch unser Interesse sein; denn ein hoher
Erfolg von Integrationskursen setzt guten Unterricht voraus, und guter Unterricht setzt gute Lehrkräfte voraus.
Voraussetzung für gute Lehrkräfte ist wiederum, dass
man sie halbwegs anständig bezahlt, sodass sie von dieser Arbeit leben können und nicht, was man verstehen
kann, bei jeder sich bietenden Gelegenheit einen neuen
Job annehmen, weil das der Kontinuität der Arbeit nicht
guttut.
Wir werden uns daher weiterhin dafür einsetzen, dass
durch einen entsprechenden Mittelaufwuchs in Zukunft
auch eine angemessene Vergütung der Lehrkräfte und
bei dem einen oder anderen Träger hoffentlich auch eine
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder sogar,
wie ich hoffe, auch eine dauerhafte Anstellung ermöglicht werden. Das jedenfalls wäre auch weiterhin unser
Ziel. Im Rahmen des Möglichen sind wir jedoch durchaus zufrieden.
({2})
Ich komme zum letzten Punkt: Perspektiven für die
Zukunft. Es ist schon die Rede davon gewesen, Herr
Minister - das müssen wir laut und deutlich sagen und
dann die notwendigen Schlüsse ziehen -, dass es nicht
sein kann, dass wir heute zwar eine weit verbreitete, begrüßenswerte Akzeptanz und Sensibilität in unserer Bevölkerung dafür haben, dass schutzsuchende Menschen
aus vielen Teilen dieser Welt zu uns kommen und hier
Zuflucht finden, dass wir aber diejenigen, die vor Ort
Integrationsarbeit zu leisten haben, nämlich die Kommunen, mit dieser Aufgabe, jedenfalls in weiten Teilen dieser Republik, finanziell alleine lassen; denn Flüchtlingsangelegenheiten und deren Versorgung muss zwar vor
Ort in den Kommunen geleistet werden, aber der Staat,
also Bund oder Länder, muss es bezahlen. Daran müssen
wir gemeinsam arbeiten.
({3})
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin, und bitte
um Nachsicht. Einen Punkt will ich uns allen mit auf den
Weg geben. Wenn wir über die Frage reden: „Wie können wir den Kommunen nachhaltig helfen?“, dann will
ich Sie darüber informieren, dass der Parteivorstand der
SPD gestern in einem Papier beschlossen hat: Wir sollten dafür sorgen, dass die Kosten für die Gesundheitsfürsorge der Asylbewerber und Flüchtlinge nicht mehr von
den Kommunen oder teilweise den Ländern getragen
werden, sondern wir sollten dafür sorgen, dass die
Flüchtlinge im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung eine Gesundheitsfürsorge erhalten und der Bund
dafür die Kosten übernimmt;
({4})
übrigens ein Element aus Ihrem Antrag, das ich in der
Sache für richtig halte.
({5})
Ich möchte mich, offen gestanden, am liebsten auf
dieses Instrument konzentrieren. In dem Augenblick, in
dem wir die Kommunen bei den Kosten für die Gesundheitsfürsorge entlasten, tun wir auch unmittelbar etwas
für die Kommunen. Bei jedem anderen Finanzierungsweg könnte es sein, dass Finanzierungsmittel des Bundes möglicherweise in Länderhaushalten - ich sage es
einmal so - verschwinden.
Herr Kollege.
Daher möchte ich uns herzlich bitten, zu überlegen,
ob das nicht die schnellste, wichtigste und richtigste
Maßnahme wäre, um aktuell die Kommunen zu entlasten und bei den Flüchtlingen für eine angemessene Gesundheitsfürsorge zu sorgen.
Vielen Dank.
({0})
Danke, Kollege Rüdiger Veit. - Nächster Redner in
der Debatte ist Volker Beck für Bündnis 90/Die Grünen.
Hochverehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Ich möchte zu zwei Punkten etwas sagen, zum
einen zum Thema Sicherheit und zum anderen zum
Thema, wie wir die Situation der Flüchtlinge humanitär
bewältigen.
Herr Minister, ich war schon erstaunt, dass in Ihrer
Rede - das spiegelt ein bisschen die Situation im Haushalt wider - das Thema Cybersicherheit überhaupt nicht
vorkam. Das ist jedoch eine zentrale Frage für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
({0})
Es ist auch eine zentrale Frage für das Haus in der Bundesregierung, das für Sicherheit und Freiheit in diesem
Land hohe Verantwortung trägt.
({1})
Sie haben zu Recht das Thema angesprochen - da haben wir große Aufgaben zu bewältigen -: Was machen
wir gegen den Terrorismus vom IS? Wir als Bundesrepublik Deutschland haben die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass dem IS keine weiteren Kämpfer aus Deutschland, aus Europa mehr zulaufen. Da tragen wir eine
große Verantwortung.
Wir haben im Innenausschuss erheblichen Nachbesserungsbedarf festgestellt, was die Exekution der gesetzlich geregelten Sicherheitsmaßnahmen angeht. Auch
beim Schengener Informationssystem läuft vieles nicht
rund. Da müssen wir besser werden. Ich war erstaunt,
dass das in den Innenministerien von Bund und Ländern
so lange liegen geblieben ist. Also: Nachbessern!
({2})
Aber Repressionen alleine, die in diesem Bereich notwendig sind, können es nicht richten. Wir brauchen auch
Prävention. Wir müssen um die Köpfe und Herzen der
Menschen kämpfen, die sich von der IS-Propaganda angesprochen fühlen. Wir hatten im Innenausschuss Mittel
für ein Deradikalisierungsprogramm in Höhe von
10 Millionen Euro beantragt. Sie haben das abgelehnt.
Gut, dass Sie sich bis zur Bereinigungssitzung immerhin
auf einen ersten zaghaften Schritt verständigen konnten
und für diesen Bereich 5 Millionen Euro eingestellt haben.
Ich erwarte von Ihnen, dass Sie in diesem Zusammenhang zivilgesellschaftliche Akteure suchen und stärken,
die in diesem Bereich arbeiten wollen. Weisen Sie, Herr
Innenminister, deshalb nicht die ausgestreckte Hand des
Zentralrats der Muslime zurück, der gesagt hat: Wir wollen unsere Imame so ausbilden, dass in unseren Gemeinden keiner mehr auf solche terroristischen Rattenfänger
hereinfällt.
({3})
Volker Beck ({4})
Lassen Sie mich zum Thema Flüchtlinge kommen.
Rüdiger Veit - meine Kollegin Hajduk hat es vorhin
auch schon gesagt -, deine Vorstellungen werden wahr,
indem du dem Antrag unserer Fraktion am Freitag zustimmst. Ich halte es auch für einen zentralen Punkt im
Umgang mit den Flüchtlingen, dass wir begreifen: Es
liegt eine doppelte Aufgabe vor uns, nämlich einerseits
die Menschenwürde und den Schutz der Flüchtlinge in
den Mittelpunkt zu stellen, anderseits aber auch zu erkennen, dass damit ein Potenzial an Menschen auf uns
zukommt, die etwas beitragen können, und dass wir die
Verantwortung haben, die Rahmenbedingungen so zu
gestalten, dass sie ihren Beitrag zu unserer Gesellschaft
leisten können.
({5})
Das deklinieren wir in unserem Antrag durch. Das
heißt, dass wir den Menschen, die hierherkommen, von
Anfang an die Möglichkeit geben, sich durch Integrationskurse für den deutschen Arbeitsmarkt fit zu machen, vor allem nachdem sie in Zukunft nach drei Monaten die Arbeitserlaubnis erhalten sollen und später die
Vorrangprüfung ganz wegfällt. Das ist entscheidend, damit sie die Qualifikation, die sie mitbringen, in Deutschland verwerten können.
Im Zusammenhang mit der Novellierung des Asylbewerberleistungsgesetzes regt mich eines wirklich auf.
Das hat Rüdiger Veit zu Recht angesprochen. Es gibt
eine Möglichkeit, die Kommunen enorm zu entlasten,
die das dringend brauchen, und der Menschenwürde der
Flüchtlinge gerecht zu werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte bei seiner Entscheidung zum Asylbewerberleistungsgesetz nur über das Existenzminimum zu befinden. Aber es hat einen Satz gesagt, den man auf das
ganze Gesetz anwenden muss: „Die in Artikel 1 Absatz 1
Grundgesetz garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“
Asylbewerbern steht heute als Gesundheitsfürsorge
nur akute Nothilfe und Schmerzbehandlung zu. Mehr
gewährleistet das Asylbewerberleistungsgesetz nicht.
Ich meine, dass die Behandlung einer Krankheit in einem Sozialstaat wie der Bundesrepublik Deutschland
zur Menschenwürde gehört. Deshalb müssen wir die
Flüchtlinge endlich krankenversichern.
({6})
Das ist ein Gebot der Humanität, und es ist klug, die
Kommunen so zu entlasten. Das kostet etwas. Ein Kollege von der CDU/CSU fragte gerade, ob das die Beitragszahler bezahlen sollen. Nein, natürlich muss die öffentliche Hand die Beiträge für die Flüchtlinge zahlen.
Das können wir nicht den Beitragszahlern aufbürden.
Aber das sollten wir schultern.
Wenn wir akzeptieren, dass die Menschen, die zu uns
kommen, Grundbedürfnisse haben, und wir sie ernst
nehmen, dann ist die Gesundheitsversorgung ein erster
Schritt, um sie mitten in unsere Gesellschaft zu holen.
({7})
Herr Minister, Sie haben vorhin die Frage der sicheren Herkunftsstaaten und der Roma angesprochen. Ich
war zufälligerweise, weil in Belgrad der Gay Pride stattgefunden hat, eine Woche nach der Entscheidung des
Bundesrates selbst in Serbien, und ich habe dort Romasiedlungen besucht. Die Menschen dort sind übrigens
zum Teil aus Deutschland in den Kosovo abgeschoben
worden und dann ohne Papiere in Serbien in einer wilden Siedlung aufgetaucht. Sie leben dort ohne Wasserversorgung, ohne Behausung und ohne Zugang zu irgendwelchen Sozialleistungen, weil sie für die serbische
Regierung nicht existent sind. Es gibt einige Hundert
solcher Siedlungen.
Meines Erachtens ist die entscheidende Frage nicht,
ob es sich um einen sicheren Herkunftsstaat handelt oder
nicht, sondern wie wir in unserem Flüchtlingsrecht damit umgehen, wenn Menschen durch Diskriminierung
systematisch der Zugang zu den essenziellen Menschenrechten Nahrung, Wasser, Kleidung und Schutz vor gewalttätigen Übergriffen verwehrt ist. Das betrifft Serbien
genauso wie Bulgarien und Rumänien, die sogar Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind. Sie haben
deshalb als deutscher Innenminister im Kreis Ihrer europäischen Kollegen eine enorme Verantwortung. Ich
finde, der kommen wir in der Bundesrepublik wie auch
in den anderen Staaten der Europäischen Union nicht
hinreichend nach.
Herr Beck.
Sie haben dafür plädiert, diesen Staaten ein Label auszustellen. Das geht mit der Verantwortung einher, nun
dafür zu sorgen, dass die Einhaltung der Menschenrechte dieser Menschen tatsächlich gesichert ist. Sie ist
es noch nicht.
({0})
Danke, Herr Kollege Beck. - Nächster Redner ist
Stephan Mayer für die CSU-CSU-Fraktion.
({0})
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Wir leben aus meiner
Sicht seit langem wieder einmal in einer Zeit, in der innenpolitische Themen ganz oben auf der politischen
Agenda stehen. Eine solche Zeit gab es lange nicht mehr.
Man kann mit Fug und Recht behaupten: Der Haushalt
des Innenministeriums, den wir heute verabschieden,
wird den gestiegenen und großen Herausforderungen
vollumfänglich gerecht. Das wurde aber erst dadurch erreicht - das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen -, dass in der Bereinigungssitzung des Haushalts6484
Stephan Mayer ({0})
ausschusses ein deutlicher Aufwuchs im Einzelplan 06
ermöglicht wurde. Ich muss ehrlich sagen: Ich persönlich hätte es für nicht möglich gehalten, dass sich ein
derartiger Aufwuchs darstellen lässt. Deswegen möchte
ich nicht hintanstehen, den Haushältern, insbesondere
den Mitgliedern des Haushaltsausschusses, die diesem
Aufwuchs zugestimmt haben, ausdrücklich zu danken.
Das kann sich sehen lassen. Allein 113 Millionen
Euro zusätzlich werden für die Bundespolizei eingestellt. Ich kann mir gut vorstellen, dass es durchaus
attraktivere Bereiche gibt, denen man sich im Haushaltsauschuss zuwenden könnte, zum Beispiel mehr
Geld für Verkehrsinfrastruktur, mehr Geld für soziale
Wohltaten oder mehr Geld für Forschung und Bildung.
Aber dass hier ein deutliches Signal für die innere Sicherheit und die Bedeutung der Innenpolitik gesetzt
wurde, verdient großen Respekt. Deswegen von meiner
Seite aus ein herzliches Dankeschön an die Adresse der
Haushälter!
({1})
Insbesondere der Aufwuchs der Mittel für die Bundespolizei ist ein klares Signal dafür, dass wir verstanden
haben, dass die Bundespolizei vor gestiegenen Herausforderungen, vor einem Aufwuchs an Aufgaben steht
und dass wir diesen Herausforderungen gerecht werden
müssen. 406 zusätzliche Stellen können sich genauso sehen lassen wie 356 zusätzliche Stellenhebungen. Ich
möchte gar nicht behaupten, dass damit alles getan ist.
Hier gilt der gleiche Grundsatz wie im Fußball: Nach
dem Haushalt ist vor dem Haushalt. Natürlich wird es
auch in Zukunft darum gehen, die Bundespolizei sowohl
personell als auch sächlich besser auszustatten. Aber
das, was in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses erreicht wurde, kann sich wirklich sehen lassen.
Ich würde mich freuen, wenn sich die Länder stärker
an der Bundespolizei orientieren würden. Bei der Bundespolizei gab es in den letzten zehn Jahren einen Aufwuchs an Stellen. Wenn man sich aber die Gesamtstruktur der Polizeien des Bundes und der Länder anschaut,
dann stellt man bedauerlicherweise fest, dass es heute
über 10 000 Vollzugsbeamte weniger gibt als vor zehn
Jahren. Das stellt eine klare Hausaufgabe für die Länder
dar.
Wir sollten trotz der aktuellen Themen wie der Bedrohung durch den sogenannten „Islamischen Staat“ und die
deutliche Zunahme der Zahl der Asylbewerber nicht vergessen, was die Bevölkerung unmittelbarer betrifft und
stärker besorgt: die Alltagskriminalität und die deutliche
Zunahme im Bereich der organisierten Kriminalität.
Man sollte nicht vergessen, dass in Deutschland alle
dreieinhalb Minuten ein Wohnungseinbruchsdiebstahl
stattfindet. Solche Themen berühren das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung. Wir sollten uns in
der Innenpolitik verstärkt solchen Themen zuwenden. Es
geht vor allem darum, den internationalen Austausch
von Informationen zu verbessern. In diesem Zusammenhang ist es als ein großer Erfolg anzusehen, dass erstmals in der Geschichte von Interpol - der Dank und die
Gratulation gehen an die Adresse des Bundesinnenministers - mit Herrn Dr. Stock, dem bisherigen Vizepräsidenten des BKA, ein deutscher Beamter Generalsekretär wurde.
({2})
Das kann sich ebenfalls sehen lassen und macht deutlich,
dass unsere Sicherheitsbehörden über hervorragendes
Personal verfügen.
Genauso wichtig ist aus meiner Sicht, dass wir sinnvolle Präventionsmaßnahmen unterstützen, damit sich
die Bürgerinnen und Bürger persönlich gegen Wohnungseinbruchsdiebstähle besser schützen können. In
vielen Städten und Gemeinden nimmt die Verunsicherung zu, weil ein deutlicher Zuwachs an Einbruchsdiebstählen bei Gewerbeansiedlungen und Wohnungen zu
verzeichnen ist.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, eine
große Bedrohung stellt mit Sicherheit der internationale
Terrorismus dar. Es ist eine außerordentlich besorgniserregende Entwicklung, dass mittlerweile 500 Dschihadisten Deutschland verlassen haben und auf dem Weg nach
Syrien und in den Nordirak sind. Aber wir sollten uns
gar nicht nur auf die Zahl der aus Deutschland Ausgereisten kaprizieren: Insgesamt sind allein aus Westeuropa mittlerweile über 3 000 Dschihadisten nach Syrien
und in den Nordirak gereist.
Nach Deutschland sind zumindest nach offiziellen
Angaben 180 wieder zurückgekehrt. Diese Rückkehrer
werden die Sicherheitsbehörden in Zukunft vor noch
größere Herausforderungen stellen. Ich bin Ihnen, Herr
Bundesminister, sehr dankbar, dass Sie sehr konsequent
und schnell mit der Verbotsverfügung gegenüber dem
sogenannten „Islamischen Staat“ gehandelt haben. Das
war ein klares Zeichen. Sie haben erwähnt, dass es schon
erste Ermittlungsverfahren wegen dieses Betätigungsverbotes gibt. Ich sage aber auch ganz offen: Das wird
aus meiner Sicht nicht reichen, weil es nach wie vor
heute noch zulässig ist, für Boko Haram, für al-Nusra
und für al-Schabab Werbung zu machen.
Deswegen bin ich der felsenfesten Überzeugung, dass
wir auch die Debatte führen müssen, ob es nicht richtig
ist - ich bin der Meinung, es wäre richtig -, die Sympathiebekundung für ausländische terroristische Organisationen wieder unter Strafe zu stellen, wie es schon vor
2002 der Fall war.
({3})
Ausdrückliche Unterstützung bekommen Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, bei Ihrem Vorhaben, das
Personalausweisgesetz dahin gehend zu novellieren,
dass in Zukunft, wie es schon jetzt beim Reisepass möglich ist, ausreisewilligen Dschihadisten auch der Personalausweis entzogen werden kann.
Ich denke, dass wir uns auch intensiv damit beschäftigen sollten, ob wir nicht unser Staatsangehörigkeitsgesetz ändern müssen. Es kann nicht sein, dass Personen,
die zwei Staatsangehörigkeiten haben, die deutsche und
noch eine, sich offenkundig gegen unsere Werte und gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung wenStephan Mayer ({4})
den. Deswegen halte ich es für richtig, dass wir, wie
auch in anderen Ländern, zum Beispiel in Großbritannien, die gesetzliche Möglichkeit im Staatsangehörigkeitsgesetz schaffen, dass bei Doppelstaatlern die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen werden kann, um zu
verhindern, dass diese Personen wieder nach Deutschland einreisen.
({5})
Denn gibt es ein deutlicheres Zeichen dafür, dass man
sich von Deutschland und von unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung abgewandt hat, als sich dem
sogenannten „Islamischen Staat“ anzuschließen?
({6})
In diesem Zusammenhang ist es aus meiner Sicht
auch wichtig, ein klares Bekenntnis zum Verfassungsschutz abzugeben. Ich bin dem Haushaltsausschuss
dankbar, dass es möglich war, im Haushalt 2015 das
Bundesamt für Verfassungsschutz sowohl personell als
auch mit Sachmitteln besser auszustatten. Wenn man
sich vor Augen führt, dass allein 24 Mitarbeiter des Verfassungsschutzes notwendig sind, um nur einen Dschihadisten in Deutschland rund um die Uhr, also 24 Stunden lang, zu beobachten, dann muss es doch jedem
einleuchten, dass wir im Bundesamt für Verfassungsschutz mehr Personal benötigen. Deshalb ein herzliches
Dankeschön an die Adresse der Haushälter, dass es zu
einem Personalaufwuchs auch beim Bundesamt für Verfassungsschutz kommt.
Ich persönlich bin der festen Überzeugung: Wenn
man die Sicherheitsbehörden in Deutschland miteinander vergleicht, dann stellt man fest, dass das Bundesamt
für Verfassungsschutz die am schlechtesten ausgestattete
Behörde ist, sowohl was das Personal als auch was die
Sachausstattung anbelangt. Hier gilt es auch weiterhin
deutlich nachzubessern.
Natürlich haben Maßnahmen zur Bewältigung der
deutlichen Zunahme der Flüchtlinge und Asylbewerber
eine hohe Priorität. Es ist schon erwähnt worden:
650 zusätzliche Stellen sind in zwei Haushaltsjahren allein für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
geschaffen worden. Das wird ermöglichen, dass die Verfahrensdauer deutlich reduziert wird. Es ist auch völlig
richtig, dass der Schwerpunkt auf die Bürger gelegt
wird, die aus den sicheren Herkunftsstaaten kommen.
Es muss erreicht werden, dass die Verfahren der Personen aus den sicheren Herkunftsstaaten schon abgeschlossen werden, solange die sich noch in der Erstaufnahmeeinrichtung aufhalten, um dann eine
schnellstmögliche Rückführung in das Heimatland zu
gewährleisten. Auf der anderen Seite ist es genauso richtig, dass die Verfahren der Bürger, die aus Syrien, aus
dem Nordirak und aus Afghanistan kommen, ebenso
schnell abgewickelt werden, weil zu fast 100 Prozent davon auszugehen ist, dass diese Menschen über Jahre hinweg, vielleicht sogar für immer, in Deutschland bleiben
werden. Deswegen unterstützen wir nachdrücklich die
Bemühungen, dass auf diese beiden Personenkreise eine
hohe Priorität gesetzt wird, was die Verfahrensdauer anbelangt.
({7})
Ein großer Erfolg ist, dass es möglich war, das Gesetz
zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten zu verabschieden. Das wird mit Sicherheit - davon bin ich fest überzeugt - eine klare Signalwirkung
entfalten. Ich glaube schon, dass es unsere gemeinsame
Aufgabe in den nächsten Monaten und vielleicht sogar
Jahren sein wird, dass wir den momentan noch vorhandenen - ich hoffe, es bleibt auch so - gesellschaftlichen
Konsens in unserer Bevölkerung erhalten, dass wir zu jeder Zeit denen gegenüber offen sind, die politisch verfolgt sind, denen Gefahr für Leib und Leben droht. Es
darf auch durch keine Quote und durch kein Kontingent
jemals verhindert werden, dass jemand, der aus welchen
Gründen auch immer verfolgt ist, der flüchtet, der gedemütigt wurde, der malträtiert wurde, in Deutschland Unterschlupf finden kann.
Herr Kollege.
Um dies zu erreichen, müssen wir auf der anderen
Seite konsequenter sein, wenn es um die Abschiebung
derjenigen geht, die nicht asylberechtigt sind.
({0})
Es kann nicht sein, dass der Grundsatz gilt: Wer asylberechtigt ist, der darf in Deutschland bleiben, und wer
nicht asylberechtigt ist, der darf auch in Deutschland
bleiben.
({1})
Dieser Grundsatz darf eben nicht gelten. Da geht der Appell vor allem in Richtung der Länder, konsequenter abzuschieben.
Herr Kollege, denken Sie an Ihre Redezeit; sonst
muss ich bei einem anderen Mitglied Ihrer Fraktion Redezeit abziehen.
({0})
Ich komme sehr gerne zum Schluss.
Ich darf mich abschließend wirklich ganz herzlich bedanken. Wie so häufig hat der Erfolg viele Väter. Ich
möchte aber nicht verhehlen, dass es vor allem die CDU/
CSU-Bundestagsfraktion und insbesondere die Fachpolitiker in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion waren, die
nachdrücklich immer wieder darauf hingewiesen haben,
dass der Einzelplan 06, vor allem was die Sicherheitsbehörden anbelangt, nicht auskömmlich ausgestattet ist. Insofern noch einmal ein herzliches Dankeschön für dieses
gute Ringen um den richtigen Weg. Ich glaube, das ist
Stephan Mayer ({0})
wirklich ein Erfolg, der sich sehen lassen kann. Dieser
Erfolg verdient auf jeden Fall die Zustimmung des gesamten Hohen Hauses.
Herzlichen Dank.
({1})
Danke, Herr Kollege Mayer. - Frau Dr. Eva Högl von
der SPD ist die nächste Rednerin.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Unsere Sicherheitsbehörden leisten eine
hervorragende Arbeit. Ich finde, es ist eine gute Gelegenheit, in der Haushaltsdebatte zum Innenhaushalt dies
noch einmal ausdrücklich zu betonen.
Dass wir hier alle sicher leben, dass wir vor Straftaten
geschützt werden, dass Straftaten aufgeklärt werden, das
haben wir - das ist heute schon ein paarmal gesagt worden; ich betone es aber noch einmal - den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Polizei - wir sprechen hier insbesondere über die Bundespolizei -, des Bundesamtes
für Verfassungsschutz und des Bundeskriminalamtes zu
verdanken. Diese leisten einen wichtigen Beitrag für unsere Sicherheit.
({0})
Ich komme zum Thema Kritik. Es ist richtig und
wichtig, dass wir dort, wo es angebracht ist, Kritik üben.
Wir haben in der letzten Sitzungswoche über die NSUMordserie gesprochen. Wir haben im Untersuchungsausschuss im Zusammenhang mit dieser Mordserie nicht
nur Fehler und Versäumnisse, sondern ein echtes Versagen aufdecken müssen. Insofern ist es richtig, dass wir
das hier nicht nur ansprechen und aufgreifen, sondern
auch - das ist für uns entscheidend - zum Ausgangspunkt für zahlreiche Reformen nehmen.
Ich möchte die Reformen beim Verfassungsschutz ansprechen, die wir vor uns haben. Herr Minister, wir haben uns diese Reformen für das nächste Jahr vorgenommen. Wir wollen den Verfassungsschutz grundlegend
reformieren. Einige Bundesländer haben das schon gemacht, und auch wir müssen das für den Bund auf jeden
Fall in Angriff nehmen. Wir müssen die Analysefähigkeit des Verfassungsschutzes verbessern. Wir haben es
beim NSU-Untersuchungsausschuss gesehen: Rechtsextremismus wurde über viele Jahre - man kann sagen:
Jahrzehnte - verharmlost, und Rechtsextremismus
wurde nicht als Gefahr für unsere Gesellschaft gesehen.
Das müssen wir ändern. Da ist der Verfassungsschutz
gefragt, ganz frühzeitig Entwicklungen zu registrieren
und dann gut im Blick zu behalten.
Wir haben es jüngst beim Thema HoGeSa in Köln gesehen, dass ganz offensichtlich die Einschätzung falsch
war, dass Rechtsextreme nicht in der Lage sind, ganz
kurzfristig mehrere Tausend Menschen nach Köln zu
mobilisieren und dort nicht nur die Polizei, Bürgerinnen
und Bürger, sondern auch unsere Sicherheit insgesamt
zu bedrohen und Stimmung zu machen. Deswegen ist es
wichtig, dass wir den Verfassungsschutz gut reformieren
und gut aufstellen.
Es gibt ein paar Punkte, die wir uns dabei vorgenommen haben; sie betreffen die Zusammenarbeit zwischen
Bund und Ländern. Wir wollen hier im Deutschen Bundestag dafür werben, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz eine Zentralstelle wird. Das wäre richtig
und wichtig. Nicht für alles ist eine Zentrale die richtige
Stelle. Wir wollen den Föderalismus natürlich beibehalten und, wie wir betonen, auch im Innenbereich; aber
manche Dinge sind in der Zentralstelle doch besser aufgehoben. Deswegen müssen wir das BfV an dieser Stelle
stärken.
Wir wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen, den gesamten Bereich der V-Leute neu regeln. Wir sind der
Auffassung: Wir brauchen V-Leute. Aber wir haben feststellen müssen, dass ihr Einsatz, ihre Führung, ihre Bezahlung und auch ihre Kontrolle nicht ansatzweise dem
genügen, was wir für erforderlich halten, damit sie wertvolle Informationen geben können und uns bei der Beurteilung der Lage helfen können.
Ich werbe an dieser Stelle noch einmal dafür, dass wir
die G-10-Kommission ins Boot holen und die Kontrolle
über den Einsatz der V-Leute auf die G-10-Kommission
verlagern. Es ist nichts, was nur parlamentarische Aufgabe ist; aber es ist auch nichts, was allein in der Behörde bleiben kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen in den
Sicherheitsbehörden exzellente Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter. Wir haben da schon viele; aber nichts ist so
gut, dass es nicht noch besser werden kann. Wir verlangen viel von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der
Sicherheitsbehörden; unsere Erwartungen sind hoch.
Deswegen ist es auch richtig und gut - das ist heute
schon ein paarmal betont worden; ich betone es noch
einmal und danke auch hier den Haushälterinnen und
Haushältern -, dass wir die Sicherheitsbehörden gut ausstatten sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut
bezahlen.
({1})
Es kann nicht sein, dass Beamte der Bundespolizei
Teile ihrer Ausrüstung selbst bezahlen müssen, dass sie
Knieschützer oder Anoraks selbst kaufen müssen. Es
kann auch nicht sein, dass beim Verfassungsschutz bestimmte Entwicklungen nicht in den Blick genommen
werden, weil nicht genügend Personal da ist. Deswegen
ist es gut, dass wir 20 Millionen Euro zusätzlich für Ausrüstung und Fahrzeuge bei der Bundespolizei sowie
400 Stellen zusätzlich bereitstellen und außerdem - das
möchte ich auch noch einmal betonen - auf 250 Stellen
bei der Bundespolizei Beförderungen möglich machen.
Es ist nämlich wichtig, dass wir gute Arbeit gut belohnen und auch Anreize schaffen.
({2})
Ich unterstütze ausdrücklich, dass wir die Mittel für
das Bundesamt für Verfassungsschutz aufstocken, dass
wir 10 Prozent - rund 21 Millionen Euro - mehr dafür
bereitstellen; denn - ich habe es eben schon gesagt auch der Verfassungsschutz leistet eine wichtige Arbeit
und muss entsprechend unterstützt werden.
({3})
Wir werden bei künftigen Haushaltsberatungen, liebe
Kolleginnen und Kollegen, noch einmal über Cyberkriminalität, über das Thema Kinderpornografie und das
Thema „Ausstattung des Bundeskriminalamts“ sprechen
müssen. Wir sehen im Untersuchungsausschuss gerade,
was für eine exzellente Arbeit die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter des Bundeskriminalamts, die sich mit dem
schwierigen Thema Kinderpornografie befassen, dabei
leisten.
({4})
Ich möchte das nicht den ganzen Tag machen. Deswegen
auch an dieser Stelle ein Dankeschön dafür! Ich glaube,
dass wir da auch noch Nachholbedarf haben. Wenn wir
wollen, dass Kinderpornografie besser und wirksamer
bekämpft wird, müssen wir das Bundeskriminalamt und
die anderen Stellen besser ausstatten.
Ich habe über Sicherheit gesprochen; jetzt noch ein
Wort zur Demokratieförderung. Wir setzen auch beim
Kampf gegen Rechtsextremismus gute Akzente. Wir haben im Einzelplan 06 das Programm „Zusammenhalt
durch Teilhabe“. Ich sage es ganz offen: Die SPD-Bundestagsfraktion hätte dieses Programm sehr gern weiter
aufgestockt. Wir haben dafür 6 Millionen Euro vorgesehen. Wir hätten es gern auf Westdeutschland ausgedehnt,
damit wir auch Vereine und Verbände in Westdeutschland hinsichtlich Fortbildungs- und Qualifikationsmaßnahmen besser ausstatten können.
({5})
Das war leider nicht möglich; das hätte ich aber gut gefunden.
Was aber möglich war - das betrifft jetzt nicht den
Einzelplan 06, aber ich möchte es an dieser Stelle hervorheben -: Wir haben erreicht, dass 10 Millionen Euro
mehr für das Programm „Demokratie leben! Aktiv gegen
Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ bereitgestellt werden, und das ist ein riesengroßer
Erfolg, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({6})
Wir haben jetzt 40 Millionen Euro für dieses wichtige
Programm. Wir reden nicht nur, sondern wir handeln.
Wenn man das mit dem zusammenzählt, was die Bundeszentrale für politische Bildung erhält - das sind weitere 5 Millionen Euro -, dann kommen wir sogar auf die
50 Millionen Euro, die wir im NSU-Untersuchungsausschuss immer gefordert haben und die wir brauchen, um
uns in der Demokratie wirksam gegen Rechtsextremismus und andere Formen der Menschenfeindlichkeit zu
engagieren. Das, denke ich, ist ein großer Erfolg.
Den eingeschlagenen Weg gehen wir weiter. Ich
danke allen, die dafür geworben und gekämpft haben
und sich daran beteiligt haben, und freue mich auf weitere innenpolitische Debatten zum Thema Haushalt.
Herzlichen Dank.
({7})
Vielen Dank, Eva Högl. - Nächster Redner in der Debatte: Dr. André Berghegger für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Die solide Finanzpolitik der Bundesregierung erfährt, glaube ich, eine immer breitere Zustimmung in der Bevölkerung und auch
bei den Wissenschaftlern in unserem Land.
({0})
Die schwarze Null war, ist und bleibt dabei, denke ich,
ein Kernanliegen der Union. Mit dem anstehenden Beschluss über den Haushaltsplan 2015 halten wir Wort.
Das schafft Vertrauen, und - wie hat unser Bundesfinanzminister heute Morgen gesagt? - das ist auch sehr
wichtig in der fragilen Situation der Wirtschaft in Europa.
Lieber Stephan Mayer, ich nehme dein Zitat gerne
auf, nur in etwas anderer Weise. Die Fußballweisheit
„Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“ gilt auch hier; denn
wir können uns kurz über diesen ausgeglichenen Haushalt freuen. Aber entscheidend ist, dass wir das nachhaltig angehen, dass wir dauerhaft ausgeglichene Haushalte
ohne Neuaufnahme von Krediten beschließen.
({1})
Das erfordert natürlich Ausgabendisziplin. Ich glaube,
wir tun gut daran, an dieser Stelle erst einmal das zu beschließen, was wir zwingend vereinbart haben - das ist
schwierig genug -, bevor wir uns neuen Projekten zuwenden.
({2})
Ein Haushalt ohne neue Schulden ist ja kein Selbstzweck, sondern er soll schlicht und ergreifend die Zukunftsfähigkeit unseres Landes sichern. Konsolidieren
und Wachsen gehen zusammen. Das haben wir, glaube
ich, an den Wachstumsraten in Deutschland in den letzten Jahren feststellen können. Außerdem wird dadurch
Beschäftigung geschaffen. Das ist generationengerecht,
und eine solche Politik schafft Spielräume für die Zukunft und auch für diesen Einzelplan.
Ich denke, ein Haushalt muss Antworten auf gesellschaftspolitische Fragen liefern. Auf diese gesellschaftspolitischen Fragen liefert zum Teil auch dieser Einzelplan 06 Antworten. Wir hatten einen guten Entwurf der
Bundesregierung. Den haben wir in den Beratungen aber
Stück für Stück noch spürbar verbessert mit einem
Schwerpunkt im Bereich der inneren Sicherheit. Ich
glaube, dafür gab es im Haushaltsausschuss große
Rückendeckung über alle Fraktionen hinweg. Aber
- auch das wurde in dieser Debatte mehrfach deutlich im Einzelplan 06 geht es nicht darum, den Status quo zu
bewahren, sondern es ist ein Anfang gemacht, und wir
müssen schauen, wo wir weitermachen können, wenn
wir Spielräume erarbeiten.
Der Einzelplan wächst um 350 Millionen Euro im
Vergleich zum Regierungsentwurf. Das ist ein beachtlicher Wert. Herr Bartsch, Sie haben dazu am Anfang der
Debatte, glaube ich, gesagt: Dies ist aus meiner Sicht
keine Resultante der schwarzen Null - so haben Sie es,
glaube ich, formuliert -, sondern das ist eine bewusste
politische Schwerpunktsetzung im Laufe des parlamentarischen Verfahrens hin zum Bereich innere Sicherheit. Auch ich glaube, das ist sehr gut so.
({3})
Die Nachrichten in den letzten Monaten sind geprägt
von den Stichworten: Krisen, Terror, Ausbreitung von
Seuchen. Meldungen und Bilder davon sehen wir jeden
Tag, und sie erschüttern uns. Insbesondere meine ich damit natürlich die Krise in der Ukraine, wo nach wie vor
jeden Tag Leute umkommen, das Terrorregime des sogenannten „Islamischen Staats“ und die Ausbreitung der
Ebolaseuche in Westafrika. Das scheint alles sehr weit
weg von uns zu sein. Aber in Wirklichkeit ist es uns ganz
nah. Wer einmal interessehalber die Entfernungen von
Berlin nach Kiew bzw. bis zur Krim heraussucht, wird
feststellen, dass das alles viel näher ist als teilweise uns
sehr bekannte Urlaubsziele. Deswegen ist es sehr wichtig, dass wir uns damit intensiv beschäftigen und dass
wir Hilfe in dem Umfang gewähren, wie wir das können.
Ich glaube, Deutschland leistet einen sehr guten Beitrag
im Rahmen der internationalen Gemeinschaft; denn nur
durch gemeinsame Anstrengungen können wir wirkungsvolle Unterstützung liefern.
Natürlich haben die angesprochenen Themen auch
Auswirkungen auf die Innenpolitik und insbesondere auf
den Geschäftsbereich des Innenministeriums. Einige
Stichworte wurden schon angesprochen. Ich möchte sie
aber - sehen Sie es mir nach - gerne wiederholen.
Ich beginne als Erstes mit der Bundespolizei. Der
Aufgabenbereich hier ist stetig gewachsen. Die Stichworte sind gefallen: Sicherung von Flughäfen und Bahnhöfen, Überwachung der Grenzen gegen Schmuggel und
natürlich in letzter Zeit vermehrt gegen illegale Migration, Aufgaben bei Fußballspielen und Bekämpfung der
organisierten Kriminalität.
Vor kurzem konnte ich mir mit Kolleginnen und Kollegen einmal wieder persönlich ein Bild von der Arbeit
der Bundespolizei machen. Wir durften teilnehmen an
einer grenzübergreifenden Großkontrolle von deutschen
und niederländischen Polizeibeamten an der A 30. Mit
Händen war dort zu greifen, dass die Beamtinnen und
Beamten bis an ihre Belastungsgrenze gehen, sowohl in
personeller als auch sachlicher Hinsicht. Ihre Arbeit ist
für uns von unschätzbarer Bedeutung. Wir haben
schlicht und ergreifend die Aufgabe, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sie ihre Arbeit weiterhin gut
leisten können. Ich denke, da sind wir auf einem vernünftigen Weg. An dieser Stelle möchte ich mich gerne
dem Dank an die Beamtinnen und Beamten anschließen:
Vielen Dank für ihren unermüdlichen Einsatz zum Wohl
unserer Gesellschaft!
({4})
Entsprechende Weichenstellungen im Haushalt sind
vorgenommen worden:
Die Aufstockung der Mittel und ebenso die neu geschaffenen Stellen aufgrund von Stellenanhebungen
- neben dem bereits existierenden Stellenhebungsprogramm - wurden bereits angesprochen. Dies ist, wie ich
glaube, eine gute Voraussetzung für die zukünftige Arbeit.
Ebenso erwähnen möchte ich die Mittel für die Anschaffung moderner Schutzbekleidung und neuer Einsatzfahrzeuge. Dadurch haben wir gute Voraussetzungen
zur Entwicklung mithilfe dieses Einzelplans geschaffen.
Ich fühle mich bestätigt durch ein Schreiben vom
Hauptpersonalrat des Bundesinnenministeriums, das
nicht nur ich, sondern auch die anderen Mitglieder des
Innen- und Haushaltsausschusses bekommen haben. Darin bedankt er sich für unser Engagement hinsichtlich
der Schwerpunktsetzung dieses Einzelplans. Dieses
Schreiben traf nach der Beschlussfassung ein. Es handelt
sich also um ein Dankesschreiben und nicht um ein
Schreiben mit Wünschen und Forderungen im Vorfeld.
Ich glaube, auch das zeigt, dass wir auf einem richtigen
Weg sind.
Der zweite Punkt - wahrscheinlich zählt dieser Punkt
zu den größten Herausforderungen, die vor uns stehen umfasst die Migration und Integration. Die Integrationsarbeit ist für unsere Gesellschaft wichtig, für die Zukunft
wahrscheinlich existenziell wichtig. In verschiedenen
Facetten haben wir diesen Bereich aufgewertet: Zuschüsse für die Minderheitengremien und für die Migrationsberatung von erwachsenen Zuwanderern und mehr.
Ein Ziel für uns muss es aber sein, eine deutliche Beschleunigung der Asylverfahren zu erreichen. Dafür lieferte natürlich die neue Einstufung in sichere Herkunftsländer einen Beitrag. Das bietet die Grundlage für die
Ablehnung von offensichtlich unbegründeten Anträgen
von Personen aus diesen Ländern. Unbeschadet dieser
Möglichkeit können die Betroffenen natürlich individuell immer wieder versuchen, nachzuweisen, dass sie
politisch verfolgt werden.
Wir müssen auf die dynamische Entwicklung in diesem Bereich reagieren. Die Zahl der Asylbewerber aufgrund von Flucht und Vertreibung, insbesondere aus
dem syrischen Raum, nimmt deutlich zu. Aktuell liegen
noch 150 000 Anträge vor, über die noch nicht entschieden worden ist. Die 650 bereitgestellten Stellen dienen
auch dazu, diese Anträge abarbeiten zu können. Es ist
eine riesige Herausforderung, der wir uns alle - Bund,
Länder und Kommunen - stellen müssen,
({5})
um dieser Herausforderung Herr zu werden und eine
gute Entwicklung zu ermöglichen.
({6})
Als dritter Punkt muss an dieser Stelle die Arbeit der
Stiftungen und der Bundeszentrale für politische
Bildung ebenfalls hervorgehoben werden. Sie spielen insofern eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Terrorismus, als von den politischen Stiftungen Aufklärungsarbeit hier im Land, aber auch im Ausland geleistet
werden kann. Sie tragen dazu bei, dass in Krisenregionen demokratische Strukturen aufgebaut und die Zivilgesellschaften gestärkt werden. Auch hier haben wir
eine deutliche Aufwertung erzielen können. Da schon
meine Vorredner Details genannt haben, muss ich sie
nicht wiederholen.
Ich möchte als vierten Punkt noch den Katastrophenschutz ansprechen. Humanitäre Katastrophen erfordern
eine schnelle und effiziente Hilfe. Dies geschieht im Inwie im Ausland. Diese Hilfe ist sowohl im Ausland bei
einer Epidemie wie Ebola wie auch im Inland bei den
leider immer wiederkehrenden Flutkatastrophen zu leisten. Wir tun gut daran, die entsprechenden Mittel deutlich aufzustocken. Das ist gut angelegtes Geld. Wir versuchen natürlich, eine Verstetigung der Mittel auf hohem
Niveau zu erreichen. Dadurch wird sichergestellt, dass
beispielsweise das THW seine hervorragende Arbeit
auch in Zukunft leisten kann. Wir sorgen dafür, dass die
Voraussetzungen dafür vorhanden sind.
({7})
Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich noch einen kleinen Punkt ansprechen, der heute noch gar nicht
erwähnt worden ist und für den sich Erika Steinbach, die
hier anwesend ist, über viele Jahre eingesetzt hat. Ich
freue mich, dass wir einen kleinen Titel im Haushalt beschlossen haben, in dem Geld für den Festakt zum Anlass des Gedenktages für die Opfer von Flucht und Vertreibung, der ab 2015 jährlich am 20. Juni abgehalten
werden soll, eingestellt ist. Mich freut es, dass wir diesen
Schritt endlich gehen konnten.
Jetzt bleibt mir nur noch übrig, Dank all denjenigen
zu sagen, die sich konstruktiv an den Beratungen beteiligt haben. Ich glaube, dieser Einzelplan bietet eine gute
Grundlage für die Arbeit im kommenden Jahr.
Herzlichen Dank fürs freundliche Zuhören.
({8})
Danke, Kollege Berghegger. - Nächste Rednerin:
Susanne Mittag für die SPD.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Es kommt ja nicht so oft vor, dass wir Politiker nach der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses Lob von Gewerkschaften erhalten. Das Lob der
Gewerkschaft der Polizei für den Bereich Bundespolizei
freut mich und uns deswegen natürlich besonders. Andererseits wirft es eben auch ein Schlaglicht darauf, wie die
Situation bei den Sicherheitsbehörden vorher aussah.
Denn Polizisten beklagen sich erst einmal nicht; sie ertragen sehr lange eigentlich nicht mehr hinnehmbare Situationen, versuchen alles, um doch noch ihren Dienst
für die Sicherheit in unserem Land zu leisten. Deshalb
braucht es sehr lange, bis Polizisten eine Demo für eine
Verbesserung ihrer Personalsituation und Ausstattung
veranstalten. Diese Demonstration fand im November
hier in Berlin statt. Wir haben die Forderungen mitgenommen, und ich freue mich sehr, dass zumindest für einige Punkte im Haushalt Verbesserungen erreicht werden konnten.
Es ist schon ein Erfolg der Großen Koalition, dass
205 Stellen zur Bewachung der schon erwähnten Goldreserven der Deutschen Bundesbank neu geschaffen
werden. Es ist auch ein Erfolg, dass es 140 neue Stellen
für die Bundespolizei zum Schutz des zivilen Luftverkehrs an Flughäfen gibt. Es ist des Weiteren ein Erfolg,
dass es 60 neue Stellen für den Personenschutz im Ausland, also an den deutschen Botschaften, gibt. Es ist zudem ein Erfolg - das ist schon erwähnt worden -, dass
das Stellenhebungsprogramm fortgesetzt und ausgeweitet wird.
Es ist weder zumutbar, noch können polizeiliche Aufgaben erfüllt werden, wenn Bundespolizisten in Fahrzeugen, die teilweise deutlich älter sind als sie selber, in
den Einsatz fahren und dann auch noch eine bröckelnde,
schwere Schutzweste mit ihrem Kollegen teilen müssen.
({0})
Daher ist die Bereitstellung von zusätzlichen 20 Millionen Euro für Ausrüstung und Fahrzeuge unbedingt notwendig; auch das ist ein Erfolg der Haushaltsberatungen.
Ich gebe aber auch zu, dass ich mir in einigen Bereichen des Haushaltes doch ein bisschen mehr erhofft
hätte. Das BKA zum Beispiel hat nur 20 neue Stellen
plus 6 weitere sogenannte Verfügungsstellen erhalten.
Das freut mich grundsätzlich schon. Aber insbesondere
im Hinblick auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität hätte ich mir da ein bisschen mehr gewünscht.
In der vergangenen Woche war die Herbsttagung des
BKA in Mainz. Dort wurde der langjährige Präsident
Jörg Ziercke in den Ruhestand verabschiedet. Ihm
möchte ich an dieser Stelle explizit im Namen der SPDBundestagsfraktion für seine Arbeit an der Spitze des
BKA danken. Auch wenn Herr Ziercke ab und an ein
streitbarer Geist war und auch bleibt: Seine Fachkompetenz ist hier im Hause und auch in seiner Behörde hochgeschätzt und anerkannt.
({1})
Das Thema der Herbsttagung in Mainz war die organisierte Kriminalität. Wer erfahren will, welche Bedrohung
die organisierte Kriminalität - abgesehen vom auch immensen wirtschaftlichen Schaden - für das subjektive
Sicherheitsgefühl in unserer Gesellschaft darstellt, muss
bloß einmal mit Opfern eines Einbruchsdiebstahls, eines
Schockanrufes oder eines Enkeltricks sprechen. Diese
Taten werden häufig von international agierenden Banden durchgeführt und hinterlassen fast in jedem Falle
traumatisierte Opfer. Und die Fallzahlen steigen hier seit
Jahren. Genau deshalb müssen wir das BKA weiter stärken; denn es hat in der Ermittlungsarbeit zwischen den
Bundesländern und den europäischen Institutionen eine
verbindende Funktion. Wenn wir - so habe ich Ihre Ausführungen, Herr Minister de Maizière, in Mainz verstanden - die Bekämpfung der organisierten Kriminalität
sehr ernst nehmen, müssen wir hier auch mehr investieren. Ich bin da zuversichtlich im Hinblick auf den Haushalt 2016.
Wir als SPD-Bundestagsfraktion stehen klar zu dem
Ziel, den nachkommenden Generationen keinen Schuldenberg zu hinterlassen; das ist hier schon mehrfach gesagt worden. Allerdings ist für uns dabei nicht nur ein
ausgeglichener Haushalt entscheidend, sondern auch,
dass die Infrastrukturen und Einrichtungen, die wir für
ein sicheres Zusammenleben in unserem Land brauchen,
zukunftssicher sind. Wir brauchen Feuerwehren, Rettungsdienste und das THW, die gut ausgerüstet sind, um
helfen zu können.
Wer oftmals in seiner Freizeit Dienst für unsere Gesellschaft leistet, sollte nicht mit marodem Material aus
sanierungsbedürftigen Dienststellen in den Einsatz fahren müssen. Wir haben die Mittel für das THW im laufenden Haushaltsjahr 2014 zu Recht um 10 Millionen
Euro erhöht. Das war im Haushalt 2015 leider nicht
möglich. Aber wir haben den Regierungsentwurf deutlich verbessert: 4 Millionen Euro zusätzlich und eine
Verpflichtungsermächtigung über 23 Millionen Euro bis
2018, um endlich die vielerorts maroden THW-Unterkünftige und -Liegenschaften zu sanieren. Viele Länder
beneiden uns um unsere freiwilligen Feuerwehren und
um die ehrenamtlichen Helfer des THW und der Rettungsdienste. Wir dürfen durch das Sparen nicht deren
Existenz und Zukunftsfähigkeit verspielen.
Sicherheit - auch das ist Infrastruktur, die wir erhalten müssen. Das ist ein Gebot der Gerechtigkeit nachfolgenden Generationen gegenüber und auch der sozialen
Gerechtigkeit. Es darf nicht sein, dass die Sicherheit des
Einzelnen vom eigenen Geldbeutel abhängt.
Mit dem vorliegenden Haushalt haben wir von CDU/
CSU und SPD bewiesen, dass wir bereit sind, für die innere Sicherheit Geld in die Hand zu nehmen. Wenn neue
Aufgaben, die BKA, Bundespolizei, BSI, THW und andere Behörden übernehmen sollen, in den Haushaltsberatungen in den kommenden Jahren berücksichtigt und
Versäumnisse der Vergangenheit aufgearbeitet werden,
können wir froh sein; denn Sicherheit gibt es nicht zum
Nulltarif. Aber ich denke, wir sind auf einem guten Weg.
Herzlichen Dank.
({2})
Vielen Dank, Frau Kollegin Mittag. - Die letzte Rednerin in dieser Debatte: Michaela Engelmeier für die
SPD.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was gibt es Schöneres, als als letzte Rednerin des
Tages zu einem Superthema zu sprechen?
({0})
Da fällt mir schon was ein.
({0})
Drei Minuten für den Sport; das ist, finde ich, eigentlich ganz gut.
Seit die SPD in der Regierung ist, geht es wieder richtig aufwärts mit dem Sport.
({0})
Bereits zum Abschluss des letzten Haushalts stand ich an
dieser Stelle und habe für Kontinuität im Sporthaushalt
geworben. Nun stehe ich ein knappes halbes Jahr später
wieder hier, und es sind zwei Aufträge, die wir formuliert hatten, in Erfüllung gegangen: Zum einen hat unsere Fußballnationalmannschaft die WM gewonnen und
den Titel nach Hause gebracht - herzlichen Glückwunsch! -,
({1})
und zum anderen stellen wir durch effektive Verhandlungen in den Haushaltsberatungen einen hohen Zuschlag
für den Sport bereit.
Gemeinsam mit den Fachpolitikerinnen und Fachpolitikern sowie den Haushältern der Koalition ist es uns
gelungen, stolze 15 Millionen Euro extra für die Sportförderung in Deutschland freizugeben. Ein sportlicher
Einsatz!
({2})
- Entschuldigung, Sie waren natürlich auch daran beteiligt.
Mit der Sportförderung unterstützen wir die Vielfalt
unserer Gesellschaft und die Freude am Wettkampf. Wir
stärken Integration und Inklusion und haben - hören Sie
gut zu! - die Kürzungen beim Behindertensport abgewandt.
({3})
Im Kampf gegen Doping haben wir den Bundeszuschuss für die Nationale Anti Doping Agentur, NADA,
nochmals deutlich erhöht. Die Finanzierung teilen sich
Staat und Sport übrigens zur Hälfte. Der Bund hat seinen
Beitrag erfüllt, jetzt ist der organisierte Sport am Zuge.
Durch diese kräftige Finanzspritze geben wir den Weg
frei für die Vorbereitung von Olympia und der Paralympics in Rio 2016. Das bedeutet: deutlich mehr Mittel für
die olympischen Sportverbände, für das olympische
Top-Team, die Trainerinnen und Trainer und das Personal im Leistungssport sowie die Projektförderung der Institute IAT und FES. Wir finden: Gute Arbeit muss gut
bezahlt werden.
({4})
Der Weg an die Weltspitze ist hart und das Ergebnis
sorgfältiger Vorbereitung: vom Nachwuchstraining bis
zum Wettkampfhöhepunkt. Der Bundestag leistet nun
seinen Teil, damit der autonome Sport die Sportlerinnen
und Sportler angemessen fördern kann. Im Klartext: Wir
haben geliefert, der Ball liegt nun beim organisierten
Sport.
Ich appelliere an den Deutschen Olympischen Sportbund: Halten Sie Ihr Wort, und setzen Sie mit der seit
langem überfälligen Reform der Spitzensportsystematik
richtige Akzente! Bündeln Sie unsere Steuergelder, verteilen Sie sie gerecht und nachhaltig! Lassen Sie intransparente Verfahren sein, und gestalten Sie die Sportförderung offen und effektiv! Nehmen Sie Kritik und
Anregungen auf, und präsentieren Sie eine schlagkräftige Organisation des deutschen Spitzensports! - Die
Abstimmung mit dem Parlament ist noch ausbaufähig.
Ich lade Sie gerne zu weiteren Gesprächen in den Bundestag ein. Die SPD im Bundestag steht jederzeit zur
Verfügung, um Rahmenbedingungen für einen fairen
und integren Sport mitzuentwickeln.
Noch kurz ein Wort zum Referentenentwurf des
neuen Anti-Doping-Gesetzes. Sie können sicher sein
- und das ist eine Botschaft von mir -: Wir kämpfen für
einen fairen und sauberen Sport, gegen Doping und Manipulation.
Herzlichen Dank.
({5})
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Als bekennender Fußballfan sage ich: Es würde sich anbieten, den Wissenschaftlichen Dienst zu befragen, ob es tatsächlich die
SPD war, die für den Erfolg bei der Weltmeisterschaft
zuständig war. Ich sehe Nicken bei Kollegen Grindel.
({0})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 06 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 06 ist angenommen mit den Stimmen von CDU/
CSU und SPD bei Ablehnung von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken.
Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 26. November
2014, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen einen
schönen Abend.