Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie zu unserer 66. Plenarsitzung. Ich habe zunächst einige amtliche Mitteilungen zu machen.
Die Kollegin Diana Golze hat mit Ablauf des 6. November 2014 auf die Mitgliedschaft im Deutschen
Bundestag verzichtet. Für sie ist der Kollege Norbert
Müller nachgerückt. Im Namen des ganzen Hauses begrüße ich den neuen Kollegen herzlich und wünsche eine
gute Zusammenarbeit.
({0})
Interfraktionell ist vereinbart worden, die Tagesordnung um die in der Zusatzpunkteliste aufgeführten
Punkte zu erweitern:
ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion
DIE LINKE:
Haltung der Bundesregierung zu den umstrittenen Steuermodellen in Luxemburg und der
Rolle Jean-Claude Junckers
({1})
ZP 2 Überweisungen im vereinfachten Verfahren
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu
dem Übereinkommen des Europarats vom
25. Oktober 2007 zum Schutz von Kindern
vor sexueller Ausbeutung und sexuellem
Missbrauch
Drucksache 18/3122
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz ({2})
Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Tourismus
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Matthias Gastel, Sven-Christian Kindler,
Dr. Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zur Erhaltung der Schienenwege
jetzt neu verhandeln
Drucksache 18/3153
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur ({3})
Haushaltsausschuss
ZP 3 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Unterschiedliche Auffassungen in der Bundesregierung zur Abschaltung von Kohlekraftwerken und zum Erreichen der Klimaziele
Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall.
Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.
Der Tagesordnungspunkt 12 soll abgesetzt und stattdessen der Tagesordnungspunkt 27 a aufgerufen werden.
Des Weiteren soll an der Stelle des Tagesordnungspunktes 9 der Tagesordnungspunkt 13 im Umfang von
38 Minuten debattiert werden. Die Tagesordnungspunkte 9 und 11 der Koalitionsfraktionen rücken mit einer Debattenzeit von jeweils 25 Minuten weiter nach
hinten.
Darüber hinaus sollen die Tagesordnungspunkte 5
und 21 miteinander getauscht werden und die Debattenzeit hier jeweils 60 Minuten betragen. Sind Sie mit diesen Veränderungen einverstanden? - Das ist offensichtlich der Fall.
Ich weise nur vorsichtshalber noch einmal darauf hin,
dass wir heute im Laufe des Nachmittags und Abends
eine Reihe von namentlichen Abstimmungen durchführen werden. Wie diese sich unter Berücksichtigung der
teilweise verschobenen Tagesordnungspunkte mit Blick
auf den voraussichtlichen Zeitpunkt sortieren, werden
wir verlässlich erst nach Abschluss des ersten Tagesordnungspunktes sagen können. Deswegen empfehle ich jedem, sich am frühen Nachmittag noch einmal besonders
sorgfältig zu informieren.
Präsident Dr. Norbert Lammert
Ich rufe zuerst den Tagesordnungspunkt 3 auf:
Vereinbarte Debatte
Sterbebegleitung
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Tagesordnungspunkt beginnen wir das vielleicht anspruchsvollste Gesetzgebungsprojekt dieser Legislaturperiode.
Bei der Sterbehilfe bzw. Sterbebegleitung geht es um die
Frage, wie der Staat seine unaufgebbare Verpflichtung
zum Schutz des Lebens und zum Schutz der Menschenwürde auch und gerade gegenüber dem sterbenden Menschen wahrnehmen kann. Dabei wird der Gesetzgeber
seine ganze Sorgfalt nicht nur der Frage widmen müssen, wo es zwischen individueller Selbstbestimmung auf
der einen Seite und ärztlicher Verantwortung auf der anderen Seite Handlungs- und Regelungsbedarf gibt, sondern auch, ob überhaupt und wie dieser Handlungsbedarf in allgemeinverbindlichen gesetzlichen Regelungen
überzeugend gelöst werden kann.
Ich will vor allem für die vielen an dieser Debatte interessierten Zuhörer darauf hinweisen, dass wir uns
wegen der besonderen Ansprüche dieses Gesetzgebungsverfahrens zu einem ungewöhnlichen Beratungsverfahren entschlossen haben. Wir werden uns im Plenum des Deutschen Bundestages mindestens dreimal mit
diesem Thema beschäftigen. Heute, in der Orientierungsdebatte, auf die wir uns verständigt haben, wollen
wir miteinander die Fragestellungen erörtern und vielleicht auch Gestaltungsoptionen deutlich machen. Es
wird dann Anfang nächsten Jahres eine weitere Plenardebatte geben, wenn es die Gesetzentwürfe gibt, für die
inzwischen erste Vorstellungen erkennbar sind, die aber
alle noch nicht eingebracht sind. Dann wird das selbstverständlich auf der Basis der eingebrachten Gesetzentwürfe nach einem sicherlich auch nicht ganz schnellen
Beratungsverlauf in den beteiligten Fachausschüssen in
zweiter und dritter Lesung im Plenum des Deutschen
Bundestages beraten und abschließend entschieden.
Ich möchte für all diejenigen, die heute dieser Debatte
auf der Besuchertribüne folgen, stellvertretend die
Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Frau Professor
Woopen, herzlich begrüßen
({4})
und mich beim Ethikrat für seine Begleitung dieser und
ähnlicher Fragestellungen herzlich bedanken. Im Übri-
gen wird auch der Deutsche Ethikrat am 27. November
eine öffentliche Sitzung zu diesem Thema durchführen.
Ich möchte Sie schließlich, bevor ich die Redner auf-
rufe, bitten, damit einverstanden zu sein, dass wir bei
dieser Debatte, die in Form von Fünf-Minuten-Beiträgen
stattfinden soll, ähnlich wie bei der Aktuellen Stunde
und den dortigen Fünf-Minuten-Beiträgen keine Zwi-
schenfragen zulassen. Im Übrigen besteht natürlich die
Möglichkeit, zu diesem Tagesordnungspunkt Redebei-
träge zu Protokoll zu geben, weil verständlicherweise
viele Kolleginnen und Kollegen ihre persönliche Auffas-
sung und den gegenwärtigen Stand ihrer eigenen Mei-
nungsbildung gerne vortragen würden, was aber auch in
dem für unsere Tagesordnung unüblichen Format von
vier Stunden technisch schlicht nicht für alle möglich
sein wird. Sind Sie auch mit diesem Verfahrensvorschlag
einverstanden? - Das ist ganz offenkundig der Fall.
Dann können wir so verfahren.1)
Ich eröffne die Aussprache und erteile als Erstem dem
Kollegen Michael Brand das Wort.
({5})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das
ist für mich heute keine Rede wie jede andere. Im Jahr
meiner Geburt erhielt mein Vater die Diagnose Krebs
und erkrankte schwer. Immer wieder hieß es, er habe
nicht mehr sehr lange zu leben. Gott sei Dank waren ihm
und uns noch viele Jahre geschenkt. Aber das prägt:
Krankheit und Tod waren bei uns zu Hause immer mit
am Tisch. So ist auch unsere heutige Debatte für mich
keine wie jede andere. Das ist sie wohl für niemanden
hier im Haus.
In dieser Woche haben wir als eine Gruppe von Abgeordneten unsere Position zum Thema Suizidbeihilfe vorgestellt. Nun arbeiten wir dafür, dass es gute Kompromisse und am Ende eine breite Mehrheit für einen
gemeinsamen Gruppenantrag gibt. Was wollen wir? Wir
wollen Hilfen stark ausbauen, und wir wollen Missbrauch stoppen. Das sind die beiden Seiten derselben
Medaille.
Ich habe in meiner Familie palliative Begleitung beim
Sterben erlebt. Diese Begleitung nimmt Schmerz, Angst
und Druck und bewahrt die Würde auch beim Sterben.
Mir hat diese Erfahrung gezeigt: Wir haben heute dank
palliativer Medizin ganz andere Möglichkeiten als noch
vor Jahren. In dieser Woche gab es einen wichtigen
Schritt voran für den Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung. Es ist gut, dass wir in dieser Frage eine
große Übereinstimmung hier im Deutschen Bundestag
haben.
({0})
Wir wissen inzwischen: Dank palliativer Medizin
muss niemand mehr mit unaushaltbaren Schmerzen ster-
ben, niemand muss wegen der Schmerzen in die
Schweiz reisen. Sterbehilfevereine oder Einzelne, die or-
ganisiert bzw. geschäftsmäßig Suizidbeihilfe leisten,
wollen wir aufhalten. Auch hier bin ich froh, dass wir in
diesem Parlament eine große Mehrheit haben.
Dabei wollen wir weder ärztliche Beihilfe noch Bei-
hilfe aus der Familie in Notlagen unter Strafe stellen.
Hier soll es bei den jetzigen Regelungen bleiben. Wir
wollen kein Sonderstrafrecht für Ärzte. Es geht aus-
schließlich um diejenigen, die, auf Wiederholung ange-
legt, Beihilfe zum Suizid anbieten. Was wir aber auf gar
keinen Fall wollen, ist eine Regelung, die eine Tür öff-
net, die wir nicht mehr zubekommen und durch die am
Ende Menschen geschoben werden können, die nicht
durch diese Tür wollen.
1) Zu Protokoll gegebene Reden ab Seite 6162 D
({1})
Deswegen darf der ärztlich assistierte Suizid keine
normale Behandlungsoption werden. Wir hören auch
ernstzunehmende Stimmen aus der Ärzteschaft - Präsident Montgomery, viele Palliativmediziner, die erdrückende Mehrheit der Ärzte -, die sagen: Wir werden
am Ende Töten auf Verlangen bekommen, auch wenn
heute gesagt wird, dass wir das nicht wollen. Deswegen
wehrt sich die Ärzteschaft in ihrem Standesrecht dagegen, dass sie auch nur in den Ruf gerät, nicht hin zum
Leben, sondern hin zum Tod zu arbeiten.
In Holland gibt es zu diesem steigenden Druck inzwischen große Debatten. Ich empfehle die Lektüre des Buches des Journalisten Gerbert van Loenen. Sein Buch
heißt Das ist doch kein Leben mehr! Warum aktive Sterbehilfe zu Fremdbestimmung führt. Van Loenen hat seinen Partner, der durch eine Hirnverletzung schwerstbehindert wurde, begleitet. Er mahnt, die Erfahrungen in
Holland zu beherzigen. Das heißt, liebe Kolleginnen und
Kollegen, wir müssen nicht über den großen Teich nach
Oregon schauen, es reicht der Blick in die unmittelbare
Nachbarschaft.
In Belgien und in den Niederlanden sind Tausende
Tote - im letzten Jahr waren es über 6 500 Menschen aufgrund der dort auch so genannten Euthanasiegesetze
zu beklagen. Immer hat es mit engen Kriterien begonnen, mit zahlenmäßig kleinen Ausnahmen. Aber diese
Kriterien halten einfach nicht. Es hat sich erwiesen:
Auch bei Sterbehilfe schafft Angebot Nachfrage. In Belgien wurde das Euthanasiegesetz in den letzten zehn Jahren 25-mal geändert und erweitert. Inzwischen können
selbst Kinder und Demenzkranke betroffen sein, zuletzt
auch verurteilte Sexualstraftäter. Das ist nicht über
Nacht passiert, das ist scheibchenweise passiert. Deswegen muss jeder wissen: Wer diese Tür auch nur einen
Spaltbreit öffnen hilft, der wird sie nicht mehr schließen
können.
({2})
Es geht nicht allein um Kranke, sondern es geht auch
um junge, um sprichwörtlich lebensmüde Menschen.
Diese Menschen wären in großer Gefahr, wenn der
Schritt von der scheinbar ausweglosen Situation oder einer Depression zum ärztlich assistierten Suizid nur noch
kurz wäre. Mir ist lebhaft in Erinnerung, was ein Palliativmediziner mir berichtet hat. Von über 100 Suizidbereiten, die verzweifelt bei ihm waren und die er begleitet
hat, hat kein einziger den Weg am Ende gewählt. Was
wäre eigentlich, wenn der Weg ein kurzer wäre?
Franz Müntefering hat recht, wenn er betont: Wir
müssen die Schwachen und die Alten schützen. Der
Grund, über einen schnellen Tod nachzudenken, ist doch
oftmals auch die Angst, anderen Menschen zur Last zu
fallen. Er hat recht mit der Begründung, weil wir sonst
eben auf die schiefe Ebene geraten würden, weil nämlich
Leben am Ende unterteilt würde: in solches, für das sich
der Einsatz lohnt, und solches, das nach Ansicht vieler
besser beendet würde. Wer nimmt sich eigentlich das
Recht, über Leben und Tod zu entscheiden?
Wir alle tragen hier bei diesem Thema die größte vorstellbare Verantwortung, nämlich die über Leben und
Tod. Dieser Verantwortung können wir in dieser Frage
nicht entrinnen. Deshalb bitte ich Sie: Werden wir dieser
Verantwortung gerecht! Entscheiden wir uns für das Leben und die Hilfe.
Schließen möchte ich mit einem Brief, den eine 48-jährige Frau mir in diesen Wochen geschrieben hat. Sie
macht in wenigen Sätzen deutlich, was auf dem Spiel
steht und was wir auch menschlich gewinnen können.
Ich zitiere:
Ich bin 48 Jahre alt und habe seit sechs Jahren eine
Krebserkrankung, die mittlerweile gestoppt wurde.
Ich habe in dieser Zeit viele Höhen und Tiefen erlebt, aber immer haben mich mein Mann und meine
drei Kinder begleitet. Wir sind durch diese Erfahrung immer mehr zusammengewachsen. In dieser
Zeit, wo es mir am schlechtesten ging und ich den
Tod schon vor Augen hatte, dachte ich aber nie daran, mein Leben selbst beenden zu wollen.
Ich frage mich, was wäre gewesen, wenn der psychische Druck von außen gekommen wäre, als
meine Lage hoffnungslos schien. Vielleicht wäre
ich schon tot.
Wie viel bin ich mit meinem leidenden Zustand
noch wert? Die Hilfe zum Suizid beantwortet diese
letzte Frage eindeutig mit: nichts.
Bitte setzen Sie sich weiter für das Leben ein!
Ich danke Ihnen.
({3})
Das Wort erhält nun die Kollegin Kathrin Vogler.
({0})
Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich
glaube, mir ist die Vorbereitung auf eine Rede hier im
Plenum noch nie so schwergefallen wie heute.
({0})
Denn wenn wir über das Sterben reden, dann wird es
einfach persönlich; das kann man gar nicht verhindern.
Selbst wenn es am Ende um konkrete Gesetze und Paragrafen gehen muss: Niemand von uns weiß, wie das
geht, das Sterben.
Doch es kommt unwiderruflich auf jeden und jede
von uns zu. Auch die modernste Medizin kann uns nicht
darüber hinwegtäuschen, dass das Leben endlich ist. Sie
kann die Lebenserwartung erhöhen, die Lebensqualität
verbessern, Leiden lindern; aber den Tod, den kann sie
nicht überwinden. Das Recht auf Leben, das ist wahrscheinlich das grundlegendste Menschenrecht; denn es
ist die Voraussetzung dafür, dass wir andere Menschenrechte überhaupt wahrnehmen können.
({1})
Dennoch ergibt sich daraus für mich keine Pflicht
zum Leben, jedenfalls nicht für Menschen wie mich, die
zu keiner Religionsgemeinschaft gehören. Es gibt aber
auch andererseits keine Verpflichtung für die Gesellschaft, den Tod für Sterbewillige zu einer möglichst
leicht erreichbaren Dienstleistung zu machen.
({2})
Ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte nicht in
einer Gesellschaft leben, in der Menschen ihren Lebenssinn oder gar ihren Lebensunterhalt daraus gewinnen,
anderen den Tod zu bringen.
({3})
Die Selbsttötung ist in unserer Gesellschaft zum Teil
noch immer tabuisiert. Doch es gibt auch die andere
Seite: Es führt zu einer gewissen Faszination, und es
führt zu dem, was wir den Werther-Effekt nennen. Untersuchungen belegen, dass Berichte, ja sogar fiktive Erzählungen über Selbsttötungen zur Nachahmung anregen können. Schon dies belegt, dass die Frage, welcher
Suizid wirklich aus eigenem, wohlerwogenem Willen
vollzogen wird, für Außenstehende ganz schwer zu entscheiden ist.
Wir haben in dem, was und wie wir heute hier debattieren, eine große nicht nur politische, sondern auch gesellschaftliche Verantwortung. Wir müssen offen und
frei über das Sterben sprechen; aber wir sollten den Tod
nicht verklären. Wenn wir das täten, liefen wir Gefahr,
Menschen in Not nicht das Recht auf bestmögliche Hilfe
zum Leben zuzusprechen; sondern dass ihnen eines Tages mehr oder weniger subtil vermittelt wird, wann es
für sie Zeit wird, freiwillig sterben zu wollen - und das
möchte ich nicht.
({4})
Nicht nur, dass unser gesamtes Gesundheitswesen in den
letzten Jahren mehr und mehr in einen profitorientierten,
wettbewerbsgetriebenen Wirtschaftszweig umgebaut
worden ist: Soll nun auch noch der wortwörtlich letzte
potenzielle Markt erschlossen werden?
Wenn ich mir die Werbung eines der Vereine ansehe,
die in diesem Bereich unterwegs sind, dann kann ich
mich dieses Eindrucks nicht erwehren. Dabei habe ich
zum Beispiel ein Video vor Augen, in dem ein sehr alter
Mann mit einer deutlich jüngeren Beraterin spricht - einer sogenannten Beraterin. Diese versichert ihm immer
wieder, dass seine Entscheidung, zu sterben, richtig sei.
Seine vorsichtig geäußerten Zweifel wischt sie resolut
beiseite. Seine demenzkranke Frau würde es ja gar nicht
merken, ob er bei ihr sei oder ob das jemand anders sei.
Auf mich macht dieses Video den Eindruck, dass hier
jemand Kontakt zu diesem Verein gesucht hat, weil ihm
das die Gelegenheit für ein intellektuell anregendes und
menschlich zugewandtes Gespräch bietet. Auf jeden Fall
hat er für diese Gespräche gut bezahlt: zwischen 1 000
und 7 000 Euro nach der Satzung dieser Organisation
- je nachdem, wie lange er dort Mitglied ist - plus einiges an Honoraren für die Ärzte, die ihm bescheinigen,
dass er in der Lage ist, für sich selbst zu entscheiden. Die
sogenannte Beraterin will offenbar ganz dringend zu einem Abschluss kommen.
Wollen wir wirklich zulassen, Kolleginnen und Kollegen, dass mit solchen Methoden in unserem Land neue
Geschäftsfelder erschlossen werden? Ich möchte das
nicht.
({5})
Für mich widerspricht das zutiefst der Menschenwürde,
und ich möchte daher einen Gesetzentwurf unterstützen,
der die geschäftsmäßige, organisierte und auf Wiederholung abzielende Suizidassistenz und die Werbung dafür
wirksam verbietet. Gleichzeitig sollen Personen, die aus
einer Vertrauensbeziehung heraus im Einzelfall Menschen helfen, zu sterben, auch in Zukunft straffrei bleiben. Auch Ärztinnen und Ärzte, die einer ihrer Patientinnen oder einem ihrer Patienten auf keine andere Art das
Leiden erleichtern können, sollen diese letzte Möglichkeit legal haben. Das erscheint mir einfach menschlicher, als Kriterienkataloge und festgelegte Verfahren zu
etablieren und damit das Aufgabenspektrum für die Ärzteschaft insgesamt zu erweitern, was wir auch noch gegen den Willen einer zumindest deutlichen Mehrheit der
Ärzteschaft täten.
Als Gesetzgeber sollten wir das Recht auf Selbstbestimmung auch am Lebensende sowie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit miteinander in Einklang bringen, soweit uns das irgend möglich ist, und ich
finde, wir sollten mindestens dieselbe Energie aufwenden,
um mit guten Renten, guter Pflege, flächendeckender Palliativversorgung und einer Kultur des solidarischen Zusammenhalts die Bedingungen für ein würdevolles, lebenswertes Leben bis zum Ende zu verbessern.
Ich danke Ihnen.
({6})
Die Kollegin Carola Reimann ist die nächste Rednerin.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die wenigsten sprechen gern über das Sterben. Das
Thema ist im Privaten schwierig, aber auch im Politischen; denn die Fragen, die das Lebensende betreffen,
sind nicht nur rechtlicher Natur. Es handelt sich um
wichtige ethische und moralische Fragen. Hinzu kommen persönliche Erfahrungen und tiefe persönliche
Überzeugungen. Das erklärt das teils emotionale und leidenschaftliche Ringen um den richtigen Weg.
Da ist es gut, sich zunächst einmal dem zuzuwenden,
was uns alle eint. Es ist völlig unstrittig, dass wir die
Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland weiter
verbessern müssen.
({0})
Wir haben hier große Fortschritte erzielt, aber wir sind
erst auf halber Strecke. Diesen Weg müssen wir weitergehen. Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun,
um kranken Menschen durch die bestmögliche medizinische Versorgung und menschliche Begleitung ein Ja zum
Leben zu ermöglichen.
Kolleginnen und Kollegen, wir müssen auch dafür
sorgen, dass medizinischen Laien, selbsternannten Sterbehelfern und anderen zwielichtigen Personen, das Handwerk gelegt wird. Ich will nicht, dass verzweifelte Menschen sich an anonyme Sterbehilfevereine wenden
müssen. Ich will, dass Menschen in großer Not sich ihrem persönlichen Umfeld und ihrem Arzt anvertrauen
können, weil er es ist, der fachlich am besten über die
Alternativen aufklären kann. Wir brauchen auf ärztlicher
Seite einen Freiraum, damit gerade in dieser Phase ein
starkes Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient
möglich ist.
Mich treibt die Sorge um, dass ein Verbot der Sterbehilfevereine, das ich im Grundsatz begrüße, am Ende zu
einer Situation führt, in der die ärztlichen Freiräume
weiter eingeschränkt werden und in der das Vertrauensverhältnis Schaden nimmt; denn schon heute sorgen
17 Landesärztekammern und eine Bundesärztekammer
für einen Flickenteppich an Regelungen, der dazu führt,
dass in Essen hinsichtlich des ärztlich assistierten Suizids etwas anderes gilt als in Bochum.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, unser Positionspapier sieht daher vor, Patientinnen und Patienten
sowie Ärztinnen und Ärzten mehr Rechtssicherheit zu
geben - Rechtssicherheit, die das offene Gespräch zwischen Arzt und Patient auch über die eigene Lebensbeendigung möglich macht. Denn nur so kann der Sterbenskranke fundiert über medizinische Alternativen
informiert werden. In sehr vielen Fällen wird das Ergebnis dieser Gespräche eine gute Palliativversorgung sein.
Aber - das zu sagen, gehört zu einer offenen Debatte
dazu - es wird auch unheilbar Kranke geben, die trotz
optimaler medizinischer palliativer Versorgung und liebevoller Begleitung ihr Leben beenden wollen. Diese
Schicksale können uns nicht unberührt lassen.
({1})
Es ist also keine Frage des Entweder-oder; es geht
auch nicht um, wie es im Papier vom Kollegen Brand
heißt, „Begleiten statt Beenden“. Wir sollten keine Gegensätze konstruieren, wo keine sind.
({2})
Wir wollen alle Möglichkeiten der Palliativmedizin ausschöpfen, aber wir wollen nicht die Augen verschließen,
wenn Sterbenskranke den Wunsch äußern, ihr Leben zu
beenden.
({3})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die ärztliche
Beihilfe zum Suizid wird auch mit der Regelung, die wir
vorschlagen, die krasse Ausnahme bleiben. Wir haben
eine strenge Begrenzung vorgesehen. Das wird nicht zur
normalen Behandlungsoption und auch nicht zu einem
neuen Beschäftigungsfeld; denn wir gehen ja nicht über
das hinaus, was in einigen Bundesländern schon heute
möglich ist. Im Gegenteil: Wir legen weitere enge Kriterien fest und gehen damit einen Mittelweg. Wir lassen
Freiräume für ärztlich-verantwortliches Handeln. Wir stärken auf der einen Seite die Selbstbestimmung, und auf
der anderen Seite machen wir durch Zugrundelegung
von sehr strengen Voraussetzungen ganz klar: Der assistierte Suizid ist kein Normalfall.
Gelegentlich kommt der Einwand, unser Vorschlag
betreffe nur sehr wenige Menschen. Das ist richtig und
zugleich auch falsch. Unser Vorschlag erfasst zwar nur
wenige Fälle, bewegt aber sehr viele Menschen. Insofern
machen wir hier keine Regelung für ein paar wenige
Ausnahmefälle, sondern wir wenden uns Schicksalen zu,
die ganz viele zum Nachdenken anregen, wie sie selbst
sterben wollen.
Es ist gut, dass wir uns für diese Debatte viel Zeit
nehmen. Sie darf sich aber nicht auf dieses Haus beschränken. Wir brauchen eine breite gesellschaftliche
Debatte darüber, um zu einer Regelung mit breiter gesellschaftlicher Akzeptanz zu kommen.
({4})
Mit den Umfragen ist das ja immer so eine Sache. Daraus kann man ganz unterschiedliche Schlüsse ziehen.
Das gilt selbst dann, wenn sich wie bei dieser Frage stets
eine große Mehrheit der Befragten für Sterbehilfe ausspricht. Manche kritisieren die Fragestellung, manche
glauben, dass die große Mehrheit nicht genug Bescheid
weiß über Palliativmedizin und darüber, was sie leisten
kann, oder sie unterstellen, dass viele sich nicht genug
mit dem Thema befasst haben. Vielleicht, Kolleginnen
und Kollegen, könnten diese Umfragen aber auch einfach ein Hinweis darauf sein, dass eine große Mehrheit
in Deutschland schlicht und einfach selbstbestimmt sterben will.
Danke fürs Zuhören.
({5})
Renate Künast ist die nächste Rednerin.
Meine Damen und Herren! Das ist ja keine einfache
Debatte. Jede und jeder von uns, die wir hier unten sitzen, und jede und jeder von denen, die oben sitzen und
zuhören, haben das erlebt, wenn im Bekannten- oder
Verwandtenkreis jemand geht, jemand stirbt. Gut, wenn
man dabei sein kann und darf, gut, wenn jemand so alt
ist, dass man sagen kann, sie hat ihr Leben gelebt.
Schrecklich, wenn man erlebt, dass jemand verunglückt
oder schwer an Krebs erkrankt ist, und man sich mit der
Frage des gemeinsamen Gehens des letzten Stücks Weges auseinandersetzen muss. Wir alle und viele Menschen in dieser Gesellschaft machen sich wirklich massiv Sorgen, haben Ängste und fragen sich: Wie werde
ich in Würde und selbstbestimmt sterben können? - Gut,
dass wir dies hier diskutieren. Ich hoffe, das ist der Auftakt einer langen, intensiven und offenen Debatte.
Zwei Dinge gehen mir durch den Kopf: einmal, dass
wir uns wirklich die Mühe machen, über die Gestaltung
der letzten Lebensphase zu reden, nicht nur über den Augenblick des Sterbens, sondern der gesamten letzten Lebensphase, über das Leid und vielleicht auch die Einschränkungen, die jemand erlebt. Richtig finde ich auch,
dass endlich die Demografiedebatte erweitert wird. Wir
hatten zwar lange Berichte, auf denen auf fast 100 Seiten
über demografischen Wandel geredet wurde, aber Lebensende, Tod, Sterben, Hospize und Palliativmedizin
kamen darin gar nicht vor.
Es geht um die Gestaltung der letzten Lebensphase,
und es geht für meine Begriffe, da jetzt der Anlass die
Strafbarkeit ist, auch um die Frage - auf Palliativmedizin und Hospize komme ich nachher zurück -: Wie ist
das Recht heute, und wie wollen wir es eigentlich gestalten? Heute ist es so, dass der Einzelne über sein eigenes
Leben frei bestimmen darf, entscheiden kann, wann und
wie sein Leben endet. So sagen es das Strafgesetzbuch
und die Rechtsprechung, so regelt es faktisch auch das
Grundgesetz. Und: Er oder sie darf sich dazu einer Beihilfe bedienen. Fakt ist, meine Damen und Herren: Der
Freitod - ich nenne ihn so, weil es ja um Selbstbestimmung und freie Entscheidung geht - ist straffrei und die
Beihilfe dazu auch. Wenn wir uns jetzt überlegen, ob wir
Hand an das Strafgesetzbuch legen wollen, meine ich,
sollten wir uns nicht nur Gedanken über unsere Gefühle
und Werte machen, sondern auch darüber, was das
Schutzgut des Strafgesetzbuches ist. Alle entsprechenden Paragrafen regeln doch eines: dass man einen anderen nicht töten darf. Aber mein eigenes Leben darf ich
beenden. Was ist an dieser Stelle unsere Aufgabe? Ich
glaube, unsere Aufgabe ist nicht, für den Menschen zu
entscheiden, sondern ihn vor Fremdbestimmung zu
schützen.
({0})
Wir sollten uns nicht nur damit beschäftigen, ob eine
Gelegenheit zum Suizid verschafft wird - wir, die wir
ein gemeinsames Papier erstellt haben, finden, dass das
nicht der Kern ist -, ob und unter welchen Bedingungen
Kosten erstattet werden oder warum einer einen Verein
gründet. Sondern auch mit dem Kernproblem: Wir dürfen nicht zulassen, dass ein mangelhaft informierter
Mensch, der unentschlossen ist und der das gar nicht
will, zum Suizid verleitet wird. Das ist das zu schützende
Gut. Auf dieser Basis fragen wir uns: Muss man das
Strafgesetzbuch ändern?
Ich setze mich gerne mit den Fakten, mit den Tatsachen auseinander, die heute diskutiert werden. Da wird
zum Beispiel gesagt, dass die Tätigkeit von Vereinen die
Suizidrate erhöhen könnte. Aber es gibt dazu keine Zahlen, und wenn, dann aus anderen Ländern mit anderen
Bedingungen - Steigerungen um vielleicht 0,5 Prozent.
2012 gab es einen Versuch, das Gesetz zu ändern. Damals hieß es: Wenn es Sterbehilfevereine gäbe und Ärzte
Sterbehilfe regelmäßig als letztes Mittel anbieten dürften, könnten sich die Menschen ja als zur Last fallend
fühlen. Meine Damen und Herren, ich habe beim Justizministerium nachgefragt, ob es neue Daten gibt. Dort
wurde ich auf die damalige Situation verwiesen. Jetzt
frage ich Sie aber: Wo ist denn die Begründung dafür?
Wenn man sagt, dass sich die Menschen als zur Last fallend fühlen könnten, dann müsste das doch heute schon
so sein, weil das geltende Recht das alles zulässt: Die
Beihilfe ist straffrei, egal ob von Ärzten, nahen Angehörigen oder Vereinen, aber es muss Beihilfe sein und nicht
Tötung auf Verlangen. Die jetzige Rechtslage belegt also
keine Fehlentwicklung.
({1})
Genau darauf muss es für uns ankommen.
Wir meinen, wir sollten der Versuchung widerstehen,
unseren Glauben, unsere Ansichten und unsere ethischen
Vorstellungen ins Strafgesetzbuch zu schreiben.
({2})
Stattdessen müssen wir uns mit den Ursachen von Verzweiflung beschäftigen, endlich Gespräche und Entlastung anbieten. 800 000 Menschen brauchen Palliativmedizin oder Hospizplätze, nur 35 000 bekommen sie. Das
wäre der Ansatzpunkt.
({3})
Haben wir doch Erbarmen mit den Menschen, die
sich Sorgen machen. Selbst 66 Prozent der Mitglieder
der Katholischen Kirche sagen: Wir sind für Sterbehilfe.
Haben wir Erbarmen und lassen wir zu, dass die Menschen ihrer Überzeugung entsprechend leben, aber auch
- weil es um Leben, Würde und Selbstbestimmung
geht - ihrem Leben selbstbestimmt ein Ende setzen dürfen, wenn sie das wollen. Die heutige Rechtslage ist für
unsere Begriffe klüger als alles, was sonst vorgeschlagen
wird.
({4})
Widerstehen wir der Versuchung. Lassen wir dies den
Auftakt zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte sein.
Wir träumen davon, dass wir am Ende nicht die Hand an
das Strafrecht, so wie es heute ist, legen, weil es keine
Fehlentwicklung unterstützt, sondern dass wir den Menschen in der letzten Lebensphase die Hand reichen. Der
Bundestag hat noch nicht angefangen, ernsthaft zu darüber diskutieren. Dazu sind Personal, Ausbildung und
Geld notwendig.
({5})
Das Wort erhält nun der Kollege Peter Hintze.
Präsident Dr. Norbert Lammert
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wahrheit ist konkret. Wer einmal den Todeskampf eines Menschen miterlebt hat, dem bleibt das ins
Gedächtnis eingebrannt: Panik vor dem Erstickungstod,
eine ALS-Lähmung, die es dem Menschen beim Einschlafen nicht einmal mehr ermöglicht, die Augenlider
zu schließen, ein Mundbodenkarzinom, das stinkend aus
dem Kopf herauswächst. In solchen Situationen stößt die
Palliativmedizin manchmal an ihre Grenzen.
Schutz des Lebens? Ein klares Ja. Bei einer zum Tode
führenden Krankheit geht es aber gar nicht um das Ob
des Sterbens, sondern es geht um das Wie des Sterbens.
Ich halte es für unvereinbar mit dem Gebot der Menschenwürde, wenn aus dem Schutz des Lebens ein
Zwang zum Qualtod würde.
({0})
Hier muss der Arzt dem Wunsch des Patienten folgen
dürfen: Wenn der Arzt es nach seiner Gewissensentscheidung für richtig hält, wenn er es nach seiner medizinischen Überzeugung für richtig hält, dann muss er
dem Patienten helfen dürfen und ihm beim friedlichen
Entschlafen beistehen dürfen.
Deshalb setze ich mich mit vielen Kolleginnen und
Kollegen aus Fraktionen dieses Hauses für eine Regelung ein, die es Patienten und Ärzten ermöglicht, ihrem
Gewissen zu folgen. Wir wollen, dass die Patienten dieses Recht haben, und wir wollen Rechtssicherheit für unsere Ärzte. Das will auch die große Mehrheit der Bevölkerung. Ich meine, der Deutsche Bundestag sollte dieser
Mehrheit eine Stimme geben.
({1})
Wo es um die Situation eines sterbenden Menschen geht,
sollte sich der Staat, finde ich, weitgehend zurückhalten;
da ist staatliche Bevormundung fehl am Platze.
Ein umkämpfter Begriff in dieser Debatte ist der Begriff der Menschenwürde. Für mich gehört in einer freiheitlichen Demokratie Selbstbestimmung zum Kern der
Menschenwürde. Was ein schwer leidender Mensch, der
den Tod vor Augen hat, zu ertragen noch als würdig erachtet, das kann nur er selbst bestimmen.
({2})
Im katholischen und evangelischen Bereich, im Bereich der Kirchen und der Theologie wird die Frage nach
dem Sinn des Leidens diskutiert. Ich sage dazu: Leiden
ist immer sinnlos. Wenn wir in die Bibel schauen, in das
letzte Buch der Bibel, lesen wir: Die große biblische
Hoffnung, die große christliche Hoffnung ist, dass es
einmal ein Leben ohne Leiden gibt. So heißt es in der
Offenbarung des Johannes: Kein Leid, kein Geschrei,
kein Schmerz wird mehr sein. - Das ist die biblische Vision: kein Leid, kein Geschrei, kein Schmerz.
Die ganze Werteordnung der westlichen Welt ist von
dem Bestreben getragen, Menschen ein selbstbestimmtes, gutes Leben zu ermöglichen. Deswegen wollen wir
die Palliativmedizin ausbauen. Wir wollen Ärzten und
Krankenschwestern gute Arbeitsbedingungen für die
Sterbebegleitung ermöglichen. Wir wollen durch unsere
Debatte Menschen sagen: Einen Sterbenden zu begleiten
- einen Angehörigen, einen Freund, einen Verwandten
oder auch einen Fernstehenden, dem man sich verbunden fühlt -, das ist die menschlichste und wichtigste
Form der Zuwendung überhaupt.
Nun hören wir in der Debatte Warnungen vor einer
schiefen Ebene, einem Dammbruch, einer Tür, durch die
jemand gestupst wird. Meine sehr geehrten Damen und
Herren, für mich sind die Warnungen vor einem Dammbruch nichts anderes als tiefes Misstrauen gegenüber unseren Ärzten, ja tiefes Misstrauen gegenüber uns selbst,
tiefes Misstrauen gegenüber dem Menschen, der frei und
selbstbestimmt sein Leben führen will. Ich habe ein anderes Menschenbild: Ich finde, wir können den Menschen trauen, wir können uns selbst trauen, wir können
unseren Ärzten trauen,
({3})
wir brauchen sie nicht zu bevormunden. Wir brauchen
keinen paternalistischen Staat, wir brauchen einen Staat,
der Freiraum schafft und Freiheit sichert und Freiheit garantiert. Ich bin der Überzeugung, dass gerade dadurch
das Ja zum Leben und die Bereitschaft, Ja zum Leben zu
sagen, gestärkt werden.
({4})
Der große Wert dieser Debatte liegt für mich darin,
dass wir sie überhaupt führen, dass wir das Sterben der
Menschen - diese kritischste Situation in der Existenz
eines Menschen überhaupt - aus dem allgemeinen
Schweigen herausholen, dass wir es als Thema anerkennen, dass wir darüber sprechen, was wir zur Versorgung
Sterbender besser tun können, und dass vielleicht eines
Tages jeder Mensch den Lebensrest, der ihm verbleibt,
auch annehmen kann. - Wenn unsere Debatte das auslöst
und das bewirkt, dann haben wir viel erreicht.
Ich danke Ihnen.
({5})
Petra Sitte ist die nächste Rednerin.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Irgendwann war es dann doch zu viel für ihn, weil er zu wenig
vom Leben erwarten konnte. Er mochte es nicht mehr ertragen. Dauerschmerz in einem kaputtgearbeiteten Rücken, fortschreitende Alzheimererkrankung, nahezu völlige Taubheit und Erblindung hatten sein Fenster zum
Leben, ein Leben nach seiner Vorstellung, fast völlig
aussichtslos - im Wortsinne - geschlossen.
„Ich habe es so satt!“, habe ich oft gehört. Man gebe
ihm die falschen Medikamente, sie würden sein Leiden
nur verlängern. Und so hörte er schließlich auf, zu essen
und zu trinken. Und auch die Medikamente hat er dann
verweigert, selbst in den trüben Phasen seiner Tage. Es
blieb ihm auch nichts anderes; er wusste, es würde sich
nichts zum Besseren wenden. Wenigstens half ihm dabei
dann seine Patientenverfügung.
Über viele Tage schleppte sich dieses Sterben hin, bis
er endlich mit multiplem Organversagen hinüberdämmern konnte. Meine Damen und Herren, aus meiner
Sicht war das kein würdevolles Sterben. Das war - über
Tage - eine elende Quälerei, und er hat sich seinen Tod
ertrotzt. Wir - meine Mutter und ich - konnten ihm nicht
helfen, außer in Liebe für ihn da zu sein. Meine Mutter
und ich, wir sind uns ganz sicher, dass er in den immer
weniger werdenden lichten Momenten tiefunglücklich
war, und das trifft uns heute immer noch am meisten.
Diese Ohnmacht und Hilflosigkeit, meine Damen und
Herren, soll niemand erleben müssen.
({0})
Und doch geht es Tausenden so - zugegebenermaßen
wohl kaum unter palliativmedizinischer und Hospizbegleitung, aber in unzähligen Pflegeheimen dieses Landes. Pflegekräfte haben mir bestätigt, dass Nahrungsund Medikamentenverweigerung in ihrem Berufsalltag
immer wieder vorkommen.
Wir sprechen heute in einer Orientierungsdebatte zueinander. Deshalb will ich mich auch nur mit dem ganz
Grundsätzlichen beschäftigen: Selbstbestimmt zu sterben durch Verhungern und Verdursten, weil es unsere
Moralvorstellungen und Gesetze nicht anders zulassen,
ist das nicht erbarmungslos?
({1})
Gute Pflege und gute Palliativmedizin sind unbestritten für viele, viele Kranke und Leidende extrem wichtig
und gut, um würdevoll sterben zu können. Aber mein
Vater wurde und Tausende andere werden damit nicht erreicht. Sie haben sich Leben - auch am Ende - anders
vorgestellt. Was sie in den letzten Lebensjahren oder
letzten Lebensmonaten erleiden, empfinden sie weder
als würdevolles Leben noch als würdevolles Sterben.
Dass sie, auch wenn alles bestens klappt, gut gepflegt
dem Tod entgegengehen, ist ihnen nicht Trost, sondern
eher schreckliche Vorstellung.
Eine Erleichterung für diese Menschen ist nach der
jetzigen Debatte im Bundestag leider nicht zu erwarten.
Während eine Mehrheit der Bevölkerung diesen Konflikt sieht und von uns Hilfe erwartet, sehe ich keine
Mehrheit dafür in diesem Hause. Ja, meine Damen und
Herren, ich vertrete eine weiter gehende Position. Wer
will oder kann eigentlich belegen, dass in aktiver Sterbehilfe eine Geringschätzung des Lebens liegt?
({2})
Die Sinnfrage steckt in uns Menschen. Wir leben
mehr oder weniger bewusst. Und so stellt sich diese
Sinnfrage auch bis ins hohe Alter, bis in die schwerste
Krankheit nicht nur als Sinnfrage fürs Leben, sondern
auch als Sinnfrage fürs Sterben, auch für die Art und
Weise, in der wir sterben. Dabei spreche ich wahrlich
niemandem hier die Berechtigung seiner Position ab,
auch nicht den konfessionell Motivierten. Ich bin Atheistin. Auch für mich ist das Leben ein großes Geschenk.
Dieses weitgehend selbstbestimmt zu führen, schließt
auch das Sterben ein.
Sterbehilfe umfasst im engeren Sinne nicht nur Sterbebeihilfe, um das Leben schneller und früher zu beenden. Sie muss eigentlich viel mehr leisten. Sie sollte helfen, Frieden mit dem Sterben zu schließen. Im Frieden
mit sich und seinem Leben zu gehen, ist doch für alle
eine absolut wunderbare Vorstellung. Das sei allen Menschen gegönnt. Daher halte ich Verbote zum Ende, zur
Beendigung des Lebens nicht für zulässig. Infolgedessen
sollten wir zulassen, dass dabei Ärzte freiwillig und Angehörige Hilfe geben können.
Warum eigentlich sollen nicht auch anerkannte Vereine uneigennützig und kompetent Hilfestellung geben
können?
({3})
Es gibt diese doch noch gar nicht in dieser Form. Dignitas und Sterbehilfe Deutschland e. V. von Roger Kusch
sind nicht das Angebot, was ich mir vorstelle. Lassen Sie
uns daran arbeiten, andere Angebote zu schaffen.
({4})
Sofern man es noch nicht erlebt hat, so kann es doch
jeden und jede von uns schon morgen treffen. Ihre Antwort muss aber nicht nur für Sie selbst taugen, sondern
sie muss auch vielen anderen Menschen in unserem
Land helfen. Lassen Sie uns das in den weiteren Debatten und in den Beratungen der Anträge bitte nicht vergessen.
Danke.
({5})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Karl Lauterbach.
({0})
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf die Unterschiede zu sprechen
komme, will ich zunächst betonen, was uns alle eint, und
das ist die Überzeugung, dass wir mehr für eine bessere
Palliativmedizin in Deutschland tun müssen. Herr Gröhe
und Kollegen aus der Großen Koalition haben ein breit
aufgestelltes Konzept erarbeitet, das sicher an der einen
oder anderen Stelle noch geändert wird. Aber uns alle
eint der Versuch, die Palliativmedizin in Deutschland zu
verbessern.
({0})
Was uns auch alle eint - und ein anderer Eindruck
darf nicht entstehen -, ist, dass wir uns alle für das Leben einsetzen. Die Frage ist nur: Wie schaffen wir das?
Das hat mit der Palliativmedizin allerdings nur indirekt
zu tun. Es gibt Menschen, die auch im Lichte aller Angebote der Palliativmedizin ihr eigenes Leben und den bevorstehenden Tod nicht als würdevoll empfinden; sie
selbst empfinden es so, das ist ihre eigene Einschätzung,
und niemandem von außen steht es zu, darüber zu urteilen. Diese kleine Gruppe von Menschen ist auf unsere
Hilfe angewiesen. Die Frage ist: Was können wir anbieten? Ich glaube, dass wir diesen Menschen nicht die Tür
verschließen dürfen.
Es ist wichtig, dass wir überlegen, ob wir die derzeitigen Regelungen so lassen können, wie sie jetzt sind. Ich
glaube, dass das nicht geht; denn das einzige Angebot
- das Zurückgreifen auf Sterbehilfeorganisationen, ich
drücke es einmal so aus: Seriensterbehelfer -, das die betroffenen Menschen oft haben, ist keine gute Lösung.
Die Mitarbeiter der entsprechenden Organisationen kennen die Betroffenen oft überhaupt nicht, sie kennen die
Krankheiten nicht. Sie reisen an und helfen in einer Situation, in der der Tod oft noch vermeidbar wäre, beispielsweise wenn es sich um Depressive oder psychisch
Kranke handelt. Das ist der Grund, weshalb ich dem
Vorschlag von Renate Künast, dass wir es so lassen, wie
es ist, nicht zustimmen kann; denn es funktioniert nicht.
Selbst Sterbehelfer sagen, dass 50 Prozent der Menschen, denen sie - in Anführungsstrichen - „geholfen“
haben, an psychischen Erkrankungen gelitten haben.
({1})
Viele dieser betroffenen Menschen waren wahrscheinlich depressiv und hätten von Ärzten gerettet werden
können. Von daher können wir es nicht so lassen, wie es
ist, sondern wir müssen die Tätigkeit der Sterbehilfeorganisationen, insbesondere die organisierte Sterbehilfe
und auch die Sterbehilfe durch Seriensterbehelfer, unterbinden. Das ist eine wichtige Initiative, die uns hier eint.
({2})
Wir müssen aber auch bedenken: Was bleibt übrig?
Welche Gefahren gehen wir damit ein? Wenn wir das so
machen, gehen wir natürlich die Gefahr ein, dass diejenigen, die ihren Tod vor Augen haben und die im Prinzip
nur noch Kontakt zu ihren Ärzten haben, ohne jede Hilfe
dastehen. Todkranke, die den eigenen Tod so nicht erleben wollen, können nicht einfach Heimat und Familie
verlassen, um in die Schweiz zu reisen und dort Hilfe zu
suchen. Viele dieser Menschen haben keine Angehörigen.
Die Frage ist: Darf der Arzt helfen? Ich kenne keinen
einzigen Vorschlag, der es dem Arzt verbieten würde.
Allen Anträgen ist gemein, dass wir die Hilfe des Arztes
in Einzelfällen erlauben wollen. Aber unser Antrag ist
der einzige, der das sicherstellt. Alle anderen Anträge lösen nicht das Problem, dass die Beihilfe zum Suizid in
zehn Ärztekammern derzeit unter Androhung des Verlustes der Approbation schlicht nicht erlaubt ist. Ich
kann nicht sagen: „Ich wünsche mir, dass es anders ist“,
wenn ich aber nichts dagegen tue, dass es im Moment so
ist. Von daher ist aus unserer Sicht notwendigerweise
festzuhalten: Wenn wir die organisierte Sterbehilfe wirklich verbieten wollen - was ich für richtig halte, weil es
eben nicht gut läuft -, dann müssen wir Rechtssicherheit
für Ärzte schaffen. Diese Rechtssicherheit schulden wir
der kleinen Gruppe von Patienten, die sonst ohne jede
Alternative wäre.
({3})
Man könnte natürlich auch die Position vertreten,
dass die Ärzte das selbst regeln können. Es gibt aber
zwei Gründe, die dagegen sprechen: Zum einen sieht es
im Moment nicht danach aus - wichtige Ärztefunktionäre tragen vor, dass sie das schlicht nicht wollen -, und
zum anderen ist das aus meiner Sicht nichts, was die
Ärzteschaft entscheiden sollte, weil es sich um eine
grundsätzliche Werteentscheidung für unsere Gesellschaft handelt. Das muss der Deutsche Bundestag entscheiden.
({4})
Hier ist der Punkt erreicht, wo, wie Wittgenstein sagen würde, sich der Spaten zurückbiegt. Wenn wir die
Sterbehilfeorganisationen verbieten, müssen wir ein Angebot schaffen. Dabei handelt es sich nicht um eine Kassenleistung. Es geht nicht um eine Gebührenordnungsziffer. Der Leistungskatalog der Krankenkassen soll
nicht erweitert werden. Es handelt sich vielmehr um eine
humanitäre Einzelaufgabe, um eine Gewissensentscheidung eines jeden einzelnen Arztes, der Rechtssicherheit
braucht, wenn er sich zu diesem tragischen Schritt entscheidet. Der Arzt braucht, nachdem er alles unternommen hat, den Patienten umzustimmen, diese Rechtssicherheit, um in einer Situation helfen zu können, in der
der Patient sonst niemanden hat.
({5})
Die Kollegin Elisabeth Scharfenberg erhält nun das
Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Debatte über die Beihilfe zum Suizid geht es
nicht nur um die Frage, ob wir eine bestimmte strafrechtliche Regelung brauchen oder ob wir sie nicht brauchen.
Nein, es geht um viel, viel mehr. Unsere Gesellschaft
wird sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten radikal wandeln und verändern. Immer mehr Ältere, immer mehr pflegebedürftige Menschen, immer mehr Alleinlebende und immer mehr Menschen mit psychischen
Erkrankungen werden in unserer Mitte leben. Das wer6124
den auch wir selbst sein. Wie wir uns das Leben und
Sterben in einer solchen Gesellschaft vorstellen, dazu
werden wir mit dem Ausgang dieses Gesetzgebungsverfahrens ein ganz wichtiges Zeichen setzen.
Mehr Selbstbestimmung steht hier zweifellos im Mittelpunkt. Ich frage aber auch ganz deutlich: Wenn wir
über eine Neuregelung des assistierten Suizids reden, reden wir dann wirklich von Selbstbestimmung? Es stimmt,
in zahlreichen Umfragen geben viele Menschen an, Angst
davor zu haben, im Alter nicht mehr bestimmen zu können, was mit ihnen geschieht. Sie haben Angst vor Pflegebedürftigkeit, Angst vor Schmerzen, Angst vor Einsamkeit, Angst davor, dass ihnen niemand hilft, Angst
vor einem Leben, das selbst als würdelos empfunden
wird. Sehr viele Menschen sagen eben auch, sie wollen
im Alter niemandem zur Last fallen. Dazu kommt, dass
gerade bei alten Menschen psychische Erkrankungen
sehr oft unerkannt und dann auch unbehandelt bleiben.
Doch verhält sich wirklich frei und selbstbestimmt,
wer nur den assistierten Suizid als Ausweg aus einer solchen Situation sieht, und fördern wir Selbstbestimmung,
wenn wir diesem vermeintlichen Ausweg als abrufbare
Leistung auch noch den Weg ebnen?
({0})
Sollten wir also Vereine wie Dignitas oder Sterbehilfe
Deutschland gewähren lassen, oder sollte man zumindest die Suizidbeihilfe durch Ärzte innerhalb bestimmter
Kriterien ausdrücklich zulassen?
Ich halte das gerade angesichts des demografischen
Wandels für ein katastrophales Signal. Die Botschaft
hieße doch: Unsere Gesellschaft, also auch wir, stellen
uns diesen Problemen nicht. Nein, wir kapitulieren vor
ihnen. Deshalb wird der assistierte Suizid zu einer regulären Dienstleistung ausgebaut. Unsere Botschaft kann
doch nicht sein: Wer einsam ist und niemanden hat, der
ihm hilft, der kann doch zu einem dieser Sterbehilfevereine gehen. - Damit steigt auch der Druck, eine solche
Dienstleistung doch bitte irgendwann in Anspruch zu
nehmen.
({1})
Meine Damen und Herren, das kann nicht unsere Antwort sein. Das ist keine Selbstbestimmung.
Gemeinsam mit meinem Kollegen Harald Terpe
schlage ich eine moderate Lösung vor. Die Beihilfe zum
Suizid sollte grundsätzlich straffrei bleiben. Sie sollte
aber dann unter Strafe stehen, wenn sie geschäftsmäßig
erfolgt, also regelmäßig, und auf Wiederholung angelegt
angeboten wird. Das trifft dann Organisationen wie etwa
Dignitas.
Ein vollständiges Verbot der Suizidbeihilfe hingegen
halten wir für unangemessen. Wir müssen individuelle
Freiräume lassen. Für Personen, die einander besonders
nahe stehen, sollte im Einzelfall die Suizidbeihilfe auch
weiterhin straffrei bleiben, wenn sie nicht eigennützig
handeln. Diese Personen können Verwandte oder enge
Freunde sein. Es kann aber auch der Arzt sein, wenn er
zum Patienten in einer langjährigen Behandlungsbeziehung steht. Doch aus dem Einzelfall darf eben keine Regel werden. An einer solchen Regelung möchten wir in
den kommenden Wochen und Monaten gerne gemeinsam mit möglichst vielen von Ihnen aus allen Fraktionen, liebe Kolleginnen und Kollegen, arbeiten.
Genauso wichtig - wenn nicht sogar wichtiger - muss
aber sein, dass wir Alternativen aufzeigen. Wir dürfen
uns nicht in einer reinen Strafrechtsdebatte verzetteln,
sondern müssen auch über die eigentlich zentralen Aufgaben sprechen: eine teilhabeorientierte Pflege, den weiteren Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung sowie
die Verbesserung der psychiatrischen Versorgung. Eine
ganz wichtige Rolle spielen hier auch die Suizidprävention und die Hilfe in akuten und existenziellen Krisen.
Da gibt es zweifellos noch einiges zu tun. Auch hier sind
wir mehr als gefordert.
Ich wünsche mir, dass am Ende dieser Debatte die
Botschaft steht: Diese Gesellschaft nimmt die Herausforderungen an. Wir drücken uns nicht, und wir werden
jeder und jedem Einzelnen dabei helfen, sein Leben bis
zum Schluss voller Würde und ohne Angst leben zu können. Niemand ist uns eine Last.
Zum Schluss: Die Debatte, die wir heute hier führen,
ist zweifellos eine ganz wichtige Debatte. Das Thema
Suizidbeihilfe bewegt uns alle. Genauso aber sollte uns
eine breite und tiefe Debatte zum Thema Pflege am Herzen liegen. In neun Jahren Parlamentszugehörigkeit habe
ich leider noch keine vierstündige Debatte zum Thema
Pflege erlebt. Das sollten wir nachholen.
Vielen Dank.
({2})
Johannes Singhammer erhält nun das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Leben gehört auch das Sterben. In Würde sterben zu können, war immer schon eine herausragende
Aufgabe im Miteinander der Generationen auch unseres
Landes. Die meisten von uns - eigentlich jeder - machen
sich Sorgen, ob am Ende des eigenen Lebens nicht unerträgliche Schmerzen warten, die vermieden werden können, und machen sich Gedanken darüber, wie man am
Lebensende Hilflosigkeit und Verlust der Selbstbestimmung und der Autonomie abwenden kann.
Einige meinen, mit einer organisierten und geschäftsmäßigen sogenannten Sterbehilfe sei die Verwirklichung
des Anspruchs auf Selbstbestimmung zu erreichen. Ich
meine, dass ein solcher individualisierter Anspruch aber
auch entscheidende Konsequenzen für alle hätte; denn
keiner lebt für sich allein. Ich wünsche auch niemandem,
dass er alleine stirbt.
Wenn der assistierte Suizid in schweren Lebenssituationen eine legal wählbare Wirklichkeit werden würde,
dann würde sich in Deutschland einiges ändern. Ich
bitte, einfach einmal zu überlegen: Welche Erwartungen
würden entstehen? Welcher Druck auf schwerstkranke
Menschen würde entstehen, die ihren Angehörigen am
Ende nicht zur Last fallen wollen? Welcher Erwartungsdruck könnte wachsen, obwohl er gar nicht gewollt ist?
Zeigt nicht die schmerzliche Erfahrung von Eltern, die
trotz der Prognose einer Behinderung Ja zur Geburt ihres
Kindes sagen, dass diese Sorgen alles andere als unbegründet sind? Brauchen wir nicht stattdessen eine Kultur
der Wertschätzung gegenüber kranken und sterbenden
Menschen? Brauchen wir nicht eine Mobilisierung aller
- wirklich aller - Möglichkeiten, dass niemand am Lebensende allein bleibt, sondern bis zum Ende geborgen,
aufgefangen, selbstbestimmt und schmerzfrei im vertrauten sozialen Umfeld leben kann? Ich meine deshalb,
wir sollten ein umfassendes und strafbewehrtes Verbot
der organisierten und geschäftsmäßigen Sterbehilfe im
Strafgesetzbuch und ein Werbeverbot dafür anstreben.
Die Möglichkeit, dass Tod mit einem Geschäft in Zusammenhang gebracht wird, sollten wir nicht zulassen.
({0})
Für Angehörige sollten wir die gegenwärtige Rechtslage nicht ändern. Dabei handelt es sich nicht um eine
Grauzone, die bestehen bleiben soll, sondern es geht um
einen Verantwortungsbereich, der sich einer Regelung in
feinziselierten Paragrafen weitgehend entzieht.
Die ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung ist keine Lösung. Der immer wieder beschworene hippokratische
Eid der Ärzte, vor fast 3 000 Jahren erstmals gesprochen, lautet eindeutig und klar: „Ich werde niemandem
… ein tödlich wirkendes Gift geben und auch keinen Rat
dazu erteilen.“
Ich glaube, wir brauchen eine einheitliche Lösung in
Deutschland, und wir brauchen auch den Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Arzt und dem Patienten.
Das Verbot der organisierten Beihilfe zum Suizid und
der umfassende Aufbau einer Palliativ- und Hospizversorgung gehören untrennbar zusammen.
({1})
Eine bessere Palliativversorgung als derzeit verringert
vielfach den Wunsch nach einer sogenannten Sterbehilfe
erheblich, weil dann durch entsprechende Therapien, die
immer besser werden, Schmerzfreiheit und Selbstbestimmung auch bis zum Lebensende besser ermöglicht
werden. Deshalb brauchen wir eine umfassende Unterstützung des Ausbaus von Hospiz- und Palliativnetzwerken, eine bessere ärztliche Qualifikation, eine kostendeckende Vergütung bei stationärem Aufenthalt und die
entsprechende Unterstützung des Ehrenamts und auch
der Familien.
Daher sage ich: Leben miteinander gestalten bis zuletzt ist besser, als Sterben zu organisieren. Als Christ
sage ich für mich persönlich: Mein Leben ist in Gottes
Hand.
({2})
Thomas Oppermann erhält nun das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kommt
nicht oft vor, dass wir eine schwierige Diskussion in diesem Haus mit so viel Fingerspitzengefühl und Respekt
führen wie heute. Aber das ist auch angemessen. Denn
die Frage, wie Menschen ihr eigenes Leben bewerten,
wie sie sich den Tod vorstellen, wie sie sterben wollen,
wie viel Leid, Schmerz oder Ohnmacht sie glauben am
Ende ihres Lebens aushalten zu können, das sind höchstpersönliche Angelegenheiten, die zum absolut geschützten Kernbereich der Menschenwürde gehören. Deshalb
steht es nach meinem Verständnis von Freiheit in einem
liberalen Rechtsstaat und einer pluralistischen Gesellschaft dem Gesetzgeber nicht zu, Menschen in solch
existenziellen Fragen Vorschriften zu machen.
({0})
Nicht wenige haben Angst, dass ihnen aus religiösen,
ideologischen oder rechtlichen Gründen vorgeschrieben
wird, wie sie zu sterben haben. Manche suchen Unterstützung bei Organisationen, die ihnen helfen, mit einem
Suizid rechtzeitig aus dem Leben zu scheiden. Mir bereitet es großes Unbehagen, wenn sich Menschen in die
Hände von Sterbehilfevereinen begeben. Ich empfinde
das als trostlos und deprimierend. Denn der Wunsch
nach Sterbehilfe ist in Wirklichkeit ganz oft ein Hilferuf.
({1})
Von den 10 000 Menschen, die sich jährlich in
Deutschland das Leben nehmen, sind über 4 000 älter als
65 Jahre. Viele von ihnen leiden unter akuten Depressionen, die mit professioneller Hilfe von Ärzten und Therapeuten gut behandelbar wären. Ich möchte nicht, dass
Menschen darauf angewiesen sind, Sterbehelfer aufzusuchen, die ihnen eine schnelle Lösung versprechen, um
am Ende ihre Dienste mit Erfolg anbieten zu können.
({2})
Für mich gehört die Sterbebegleitung nicht in die Hände
solcher Vereine, sondern in die Sphäre des Vertrauens
des schwerstkranken Patienten zu seinen nahen Angehörigen, Freunden, Seelsorgern und vor allen Dingen den
behandelnden Ärzten.
({3})
Es gibt also gute Gründe für ein Verbot der organisierten
Sterbehilfe.
Aber, meine Damen und Herren, damit allein ist den
Menschen noch nicht geholfen. Menschen in einer solchen Situation brauchen Verständnis, liebevolle Zuwendung, Hilfe und vor allem das Gefühl, in einer ausweglos
erscheinenden Lage nicht alleingelassen zu werden.
Deshalb, finde ich, sollten wir eine endgültige Entscheidung über die Regeln der Sterbebegleitung erst dann
treffen, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:
Die erste Voraussetzung: Die Palliativmedizin muss
in Deutschland umfassend ausgebaut und gefördert werden.
({4})
Ich gehörte vor 14 Jahren zu den Mitinitiatoren einer der
ersten Professuren für Palliativmedizin an der Universität Göttingen. Wir haben dann auch eine Palliativstiftung
gegründet, um gesellschaftliche Unterstützung und Ressourcen zu organisieren. Es gab einen ungeheuren Zuspruch für diese Stiftung, auch für das Hospiz in der
Stadt. Ich sage Ihnen: Die Kraft, die hinter diesem bürgerlichen Engagement steckt, ist die Wertschätzung des
Lebens, die ganz viele Menschen umtreibt. Das ist eine
positive Kraft.
({5})
Die Palliativmedizin ist eine ganz junge Wissenschaft, aber sie ist außerordentlich erfolgreich. Sie ermöglicht es, Menschen beim Sterben eine gewisse Lebensqualität zu erhalten, sodass die Hoffnung am Ende
des Lebens nicht ganz schwindet. Palliativmedizin kann
vielen Menschen dabei helfen, wie es Peter Hintze formuliert hat, den verbleibenden Lebensrest nicht mit
Angst, sondern als einen Gewinn zu betrachten. Deshalb, meine Damen und Herren, muss es jetzt darum gehen, die hochwertige Palliativmedizin, die es an einigen
Orten in Deutschland gibt, allen Menschen in diesem
Lande zugänglich zu machen.
({6})
Die zweite Voraussetzung: Wir sollten die Ärztinnen
und Ärzte bitten, die Entscheidung des Deutschen Ärztetages aus dem Jahre 2011 zu überdenken.
({7})
Ich finde es nicht haltbar, dass einzelne Landesärztekammern in Deutschland ihren Mitgliedern im klaren Gegensatz zum Strafrecht die Hilfe zum Suizid ohne Ausnahme verbieten. Ich habe durchaus Verständnis für den
Wunsch nach Rechtssicherheit. Natürlich muss die Hilfe
zum Leben Aufgabe der Ärzte bleiben. Niemand will,
dass Ärzte eigenmächtig entscheiden. Aber natürlich
muss ein Arzt den freiverantwortlich gebildeten Willen
eines Patienten respektieren und ihm im Interesse des
Patienten auch helfen dürfen.
({8})
Ich finde, ein Arzt, der in einer extremen Ausnahmesituation eine Gewissensentscheidung trifft und sich
dazu entschließt, einem schwerstkranken Patienten - natürlich im Rahmen dessen, was das Strafrecht zulässt Beistand zu leisten, darf nicht von einer Ärztekammer
belangt werden können, meine Damen und Herren.
({9})
In dieser zentralen ethischen Frage muss es eine einheitliche Rechtslage in ganz Deutschland geben. Ich
habe allerdings Zweifel, ob es richtig ist, den ärztlich assistierten Suizid jetzt auch explizit rechtlich auszugestalten. Laufen wir dann nicht Gefahr, den ärztlich assistierten Suizid zu institutionalisieren? Wird hier nicht der
Anschein einer vermeintlich einfachen Alternative aufgezeigt, die den Druck auf die Betroffenen, dem Leiden
freiwillig ein Ende zu machen, am Ende erhöht?
({10})
Herr Kollege.
Es ist richtig, dass wir uns jetzt die Zeit nehmen, über
diese Fragen ein Jahr lang sorgfältig zu diskutieren, bevor wir entscheiden. Aber diese Debatte ist auch für sich
wertvoll; denn sie hilft ganz vielen Menschen, ein so
schwieriges Thema wie Suizid jetzt offener anzusprechen, sich an ihre Angehörigen zu wenden, auch an die
behandelnden Ärzte. Das hilft den Menschen. Deshalb
freue ich mich sehr über diese Debatte.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({0})
Franz Josef Jung ist der nächste Redner.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Für mich steht im Mittelpunkt dieser Debatte
unser Verfassungsauftrag:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu
achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. … Jeder hat das Recht auf Leben
und körperliche Unversehrtheit.
Dies gilt vom Anfang bis zum Ende des Lebens. Aus
meiner Sicht sind mit diesem Verfassungsgebot die Vorschläge zum assistierten Suizid nicht vereinbar, ja sie
sind verfassungswidrig.
({0})
Der Erhalt der Würde des Menschen und der Schutz
des Lebens sind Kernaufgaben des demokratischen Staates. Nicht das Schaffen von Voraussetzungen für einen
schnellen und effektiven Tod ist das Gebot unserer Verfassung, sondern die Schaffung von Voraussetzungen,
dass Menschen in Würde sterben können.
Aus diesem Grunde ist aus meiner Sicht die geschäftsmäßige oder organisierte Sterbehilfe rechtlich zu
untersagen. Ich weiß aber auch, dass heute noch immer
viele Menschen Angst haben, unter Schmerzen oder hilflos zu sterben. Deshalb kann ich nur unterstreichen, was
auch die Vorredner teilweise gesagt haben: Es ist notwendig, dass die Palliativmedizin sowohl stationär als
auch ambulant weiter ausgebaut wird, um damit Menschen zu helfen, dass sie ohne Schmerzen und in Würde
sterben können.
({1})
Das gilt auch für den Ausbau der Hospizstrukturen.
Was hier noch nicht erwähnt worden ist: Wir haben,
wie ich finde, eine grundlegende Veränderung der Situation durch das Patientenverfügungsgesetz, das dieser
Bundestag beschlossen hat. Jeder Mensch hat damit das
Recht, dem natürlichen Tod eine Chance zu geben. Uns
geht es grundsätzlich um die freie Entscheidung des Patienten, die würdige Sterbebegleitung, die lindernde
Hilfe und nicht darum, den ärztlich assistierten Suizid
zur Behandlungsoption zu machen und damit letztlich
beim Töten auf Verlangen zu enden.
Wir haben in Deutschland, wie ich finde, eine liberale
Regelung zum Suizid, sodass aus unserer Sicht nur die
Untersagung der geschäftsmäßigen Sterbehilfe notwendig ist und keine weitere gesetzliche Regelung geboten
ist. Erlaubt sind ausdrücklich die passive und die indirekte Sterbehilfe. Passive Sterbehilfe bedeutet den Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen durch die freiwillige Entscheidung des Patienten. Indirekte Sterbehilfe
bedeutet den Einsatz eines schmerzlindernden Mittels,
auch wenn es den Todeseintritt beschleunigen kann. Das
nennt man palliative Sedierung. Sie hat eindeutig das
Ziel der Leidenslinderung. Hierfür sind aus meiner Sicht
allerdings Änderungen des Betäubungsmittelgesetzes
und gegebenenfalls des Arzneimittelgesetzes notwendig.
Ein Zwang zum Leiden, wie hier gerade vorgetragen, besteht aus meiner Sicht gerade nicht.
({2})
Deshalb stellt sich im Zusammenhang mit dieser Debatte für mich die Frage: Was ist der Auftrag, den unsere
Verfassung auch uns gegenüber formuliert? Meines Erachtens lautet der Auftrag, ein Sterben in Würde zu gewährleisten, und nicht, aktive Sterbehilfe zu ermöglichen. Werden wir diesem Verfassungsauftrag gerecht!
Besten Dank.
({3})
Hermann Gröhe ist der nächste Redner.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Diese Orientierungsdebatte dient der Vorbereitung auf
kontroverse Entscheidungen über die Zulässigkeit ärztlich assistierten Suizids oder über ein mögliches Verbot
organisierter Selbsttötungsbeihilfe. Worüber wir uns
nicht streiten - und es ist gut, dass dies heute an vielen
Stellen festgehalten wurde -, ist die Notwendigkeit des
Ausbaus der Hospiz- und Palliativversorgung in diesem
Land. In diesem Bereich haben wir - auch aufgrund des
Drängens aus der Zivilgesellschaft, allen voran der Hospizbewegung - in den letzten Jahren gemeinsam viel erreicht. Wenn ich mich als Gesundheitsminister für den
Ausbau ebendieser Angebote einsetze, weiß ich mich
von diesem Haus insgesamt unterstützt.
Frau Künast, Sie haben gesagt, dass noch wichtige
Debatten vor uns liegen. Ja, darin gebe ich Ihnen recht.
Nicht zustimmen kann ich allerdings der These, wir hätten das noch gar nicht erörtert. Es hat schon in der Vergangenheit zu Recht wichtige Debatten hierzu gegeben,
und Wichtiges ist gemeinsam auf den Weg gebracht worden. Dabei und auch heute ist deutlich geworden: Wir
sind uns darin einig, dass wir schwerstkranken und sterbenden Menschen zuallererst menschliche Zuwendung
und bestmögliche Hilfe schulden. Jede und jeder von uns
möchte selbst in dieser Weise gut begleitet sein Leben
beenden können.
Hilfe zu geben und Hilfe zu empfangen, gehört zum
Menschsein. Hilfsbedürftigkeit hat nichts Entwürdigendes. Deswegen müssen wir, glaube ich, jeder Haltung
nach dem Motto „Ich möchte anderen nicht zur Last fallen“ entschieden entgegentreten.
({0})
Meine Damen, meine Herren, für die heutige Debatte
und angesichts des öffentlichen Rufs nach Zulässigkeit
aktiver Sterbehilfe ist es mir wichtig, festzuhalten:
Erstens. Die Rechtsprechung und der Gesetzgeber haben das Selbstbestimmungsrecht der Patientinnen und
Patienten im Hinblick auf die Ablehnung lebensverlängernder Maßnahmen, etwa beim Thema Patientenverfügung, nicht nur anerkannt, sondern ausdrücklich gestärkt.
Zweitens. Es ist heute medizinisch, juristisch und
ethisch unstrittig, dass bei hochdosierter Schmerzmedikation auch das Risiko einer lebensverkürzenden Wirkung in Kauf genommen werden darf. Diese Verkürzung
darf nicht das Ziel der Medikation sein. Gerade diese
Unterscheidung macht deutlich, in welcher Weise wir
uns in diesem sensiblen Feld von unserem Vertrauen in
die Ärzteschaft leiten lassen.
({1})
Dieses Vertrauensverhältnis zwischen Ärztinnen und
Arzt und den Patienten wollen wir schützen. Deswegen
lehne auch ich jedes Sonderstrafrecht für Ärztinnen und
Ärzte ausdrücklich ab.
({2})
In unserer Rechtsordnung sind Selbsttötung und auch
entsprechende Beihilfehandlungen straffrei - zu Recht.
Hier schweigt das Recht zu Lebensdramen. Zugleich
werden wir weitere Anstrengungen im Bereich der Suizidprävention unternehmen müssen.
Ich sage aber genauso deutlich: Eine Verklärung der
Selbsttötung gleichsam als Akt wahrer menschlicher
Freiheit lehne ich ab.
({3})
Deswegen möchte ich, dass die Selbsttötungshilfe nicht
zur öffentlich beworbenen Behandlungsvariante wird,
und setze mich als Abgeordneter für die Strafbarkeit organisierter Beihilfe zur Selbsttötung ein.
Ich begrüße es dabei ausdrücklich, dass die deutsche
Ärzteschaft mit deutlicher Mehrheit auch den ärztlich assistierten Suizid ablehnt. Dies ist bei allen unterschiedlichen Formulierungen in einzelnen Ärztekammern der
gemeinsame Kern der berufsethischen und berufsrechtlichen Positionierung der deutschen Ärzteschaft. Wir sollten dies ernst nehmen, wenn wir das Vertrauen in Ärztinnen und Ärzte beschwören.
Befürworter eines ärztlich assistierten Suizids argumentieren mit besonders dramatischen Einzelfällen; unser Kollege Peter Hintze hat dies heute eindrücklich getan. Diese müssen uns Ansporn sein, noch besser zu
werden in einer schmerzlindernden Medizin, von der
viele Expertinnen und Experten schon heute sagen, dass
sie unerträgliches Leiden in nahezu allen Fällen verhindern kann. Wahr ist aber auch, dass Einzelfälle beschworen werden und dass gleichzeitig die Befürworter des
ärztlich assistierten Suizids diese Möglichkeit auch auf
Fälle der Demenz ausweiten wollen, mit dem Hinweis,
da müsse die Entscheidung rechtzeitig und bei klarem
Verstand erfolgen. Ich finde die Vorstellung schier unerträglich, dass der Schock über die Diagnose Demenz in
Zukunft mit einem solchen Hinweis verbunden werden
muss.
({4})
Ja, auch ich kann mir Grenzfälle vorstellen, in denen
Ärztinnen und Ärzte um ihres Gewissens willen Normen
brechen bzw. gegen sie verstoßen. Dann ist es Aufgabe
der Rechtsanwendung, im Einzelfall dieser Gewissensentscheidung Rechnung zu tragen. Sie darf uns aber
nicht Anlass sein, die Norm selber und damit den lebensschützenden Charakter unserer Rechtsordnung zu relativieren.
Herzlichen Dank.
({5})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Katherina Reiche.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu
einem würdevollen Leben gehört auch ein Sterben in
Würde. Es gibt ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. Somit gehört zu einem selbstbestimmten Leben
auch ein selbstbestimmtes Sterben.
In unserem Antrag richten wir uns an Menschen, die
an einer organischen, irreversiblen, zum Tode führenden
Erkrankung leiden, bei denen die Palliativmedizin an
ihre Grenzen stößt, die Schmerz und Qual und damit
verbundene Not nicht mehr aushalten. Von unserem Regelungsansatz nicht erfasst sind Menschen, die an einer
psychischen Erkrankung leiden, die minderjährig oder
nicht einwilligungsfähig sind. Wir richten uns auch ausdrücklich nicht an Menschen, die aus anderen Gründen
des Lebens müde oder überdrüssig sind.
Was für einen Menschen am Ende seines Lebens noch
zu ertragen ist, was er als Qual und Schmerz empfindet,
ist absolut individuell. Nicht jeder kann gleich viel tragen. Patienten, die die letzte Strecke ihres Lebens als
nicht mehr erträglich empfinden, geht es neben den
Schmerzen um den Verlust ihrer Autonomie, um den
Verlust der Kontrolle über ihren Körper, um den Verlust
der Kommunikationsfähigkeit und den Verlust ihrer
Würde.
Unser Antrag öffnet einen Ausgang bzw. möchte
- das haben manche Vorrednerinnen und Vorredner
schon gesagt -, dass die Regelungen, die in einigen Landesärztekammern, zum Beispiel in der bayerischen, sehr
wohl möglich sind, allen Ärzten im gesamten Bundesgebiet offenstehen. Wir meinen, dass im Angesicht von sicher zum Tode führenden Erkrankungen das Arzt-Patienten-Verhältnis besonders geschützt werden sollte.
Dorthin gehört die Entscheidung, in Würdigung der Lebens- und Leidensumstände des Patienten dem behandelnden Arzt zu vertrauen und ihm zu ermöglichen, den
Patienten straffrei auf einem selbst gewählten und selbst
vollzogenen letzten Schritt zu begleiten, ohne das Strafrecht fürchten zu müssen.
Dank der modernen Medizin und dank der Palliativmedizin können Menschen heute viel besser, viel länger
und mit weniger Schmerzen am Ende ihres Lebens begleitet werden. Das ist ein Segen. Die Menschen, die
sich hingebungsvoll jenen Patienten widmen, sind ebenfalls ein Segen. Die palliativmedizinischen Angebote
müssen ausgeweitet werden. Ich bin Hermann Gröhe
ausdrücklich dankbar, dass er nun die Initiative ergreift.
Die Grenzen der Leidminderung, der Schmerztherapie sowie der Sterbehilfe und -begleitung als ärztliche
Aufgaben sind aber nicht schematisch, sondern fließen
ineinander über. Was möchte ein Patient? Er möchte
Heilung. Er möchte Leidminderung. Er möchte, dass
seine Beschwerden vermindert werden. Er möchte natürlich verhindern, dass er vorzeitig stirbt. Dem sollen
Ärzte entsprechen. Wo aber nun die moderne Medizin
als Schattenseite ihrer segensreichen Fähigkeiten Siechtum, chronisches Leiden und eine zuverlässige Unheilbarkeitsprognose hervorbringt, sollten Ärzte in der Mitverantwortung bleiben dürfen, soweit es sich mit ihrem
persönlichen Gewissen vereinbaren lässt; darum geht es.
Katherina Reiche ({0})
Ich appelliere, die Gewissensfreiheit zu respektieren und
nicht durch rechtliche oder religiöse Dogmen zu beschränken.
({1})
Es wird argumentiert, dass der Suizidwunsch mancher Patienten Ausdruck von falsch verstandener Entscheidungsfreiheit sei oder gar eine mangelnde Achtung
vor dem Geschenk, das uns Gott mit auf den Weg gegeben hat. Wer so argumentiert, verkennt die existenzielle
Not, in der solche Entschlüsse gefasst werden. Für mich
jedenfalls wäre es ein Verstoß gegen das Gebot von
Nächstenliebe und Menschenwürde, wenn aus dem
Schutz des Lebens ein Zwang zum Leiden würde.
({2})
Wir wollen Ärzten für die Fälle, in denen die Palliativversorgung für die Patienten keine Alternative mehr
ist, eine mitfühlende Hilfestellung bei der selbst vollzogenen Lebensbeendigung ermöglichen. Die Ärzte bitten
uns, ein Zeichen gegen ihre Kriminalisierung zu setzen,
wenn es sich um ein einzelfallbezogenes, gemäß dem
Patientenwillen ethisch verantwortliches ärztliches Tun
oder Unterlassen handelt. Hier setzt unser Antrag an.
Ich bin zudem überzeugt: Wenn sich Patient und Arzt
auf diesen geschützten Freiraum verlassen können,
würde dies den Bedarf an organisierter Laiensuizidhilfe
oder gar an gewinnorientierten Sterbehilfeorganisationen, die ich strikt ablehne, absehbar überflüssig machen.
({3})
Die Würde eines Sterbenden zu respektieren, heißt im
Übrigen gerade nicht, den Wert eines Menschenlebens
von außen zu beurteilen. Ich meine, was zählt, ist das
Urteil des Patienten über sein eigenes Dasein.
({4})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns den
Ärzten und den Patienten vertrauen und eine zivilrechtliche Regelung finden, die der Selbstbestimmung von Patienten Raum lässt und ihnen und ihren behandelnden
Ärzten Sicherheit gibt.
({5})
Das Wort erhält nun der Kollege Harald Weinberg.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
gebe zu: Ich konnte mich am Anfang nicht recht mit einer Diskussion über Sterbehilfe anfreunden, die ich vor
dem Hintergrund der gegebenen Rechtslage eigentlich
für überflüssig gehalten habe. Jetzt haben wir diese Diskussion. Ich bin beeindruckt von der Ernsthaftigkeit und
auch der Würde, mit der sie geführt wird.
({0})
Ganz unabhängig vom letztendlichen Ausgang hat die
Diskussion sicher eines schon positiv bewirkt: Wir, die
Politik, und die Gesellschaft haben genauer in den Blick
genommen, ob und wie in Deutschland ein würdevolles
Sterben möglich ist und was dagegensteht. Wir haben einen nüchternen Blick auf die Versorgungslage im Bereich der Palliativmedizin und Hospizarbeit geworfen.
Ich will gleich darauf zurückkommen.
Im Zusammenhang mit der Diskussion über einen assistierten Suizid wurde besonders von ärztlicher Seite
auf die weitreichenden Möglichkeiten der Palliativmedizin verwiesen. In der Tat sind die Fortschritte, die dort
gemacht wurden, gewaltig. Auch der Gesetzgeber hat
mit der Ermöglichung der spezialisierten ambulanten
Palliativversorgung mit dazu beigetragen, die Versorgung zu verbessern. Aber - hier zitiere ich den Palliativmediziner de Ridder -:
Das Bemühen um bestmögliche palliative Versorgung schließt die Möglichkeit der ärztlichen Beihilfe zum Suizid nicht von vornherein aus …
Das steht - hier schließe ich mich de Ridder an - nicht
gegeneinander, sondern kann sich in ganz bestimmten
eingrenzbaren Fällen sogar ergänzen.
Aus meiner Sicht kann eine Erleichterung des assistierten Suizids weder mit dem Verweis auf eine schlechte
palliativmedizinische Versorgungslage begründet werden - das wäre sogar zynisch -, noch kann eine strafrechtliche Ahndung oder Einschränkung der Beihilfe zur
Selbsttötung mit dem Verweis auf die Palliativmedizin
begründet werden.
({1})
Aber natürlich ist es allgemein einleuchtend, dass
eine bessere Bekanntheit der palliativmedizinischen
Möglichkeiten sowie eine flächendeckende Versorgung
mit Palliativmedizin auch präventiv gegen Suizidversuche wirken können. Von einer ausreichenden flächendeckenden Versorgung sind wir jedoch noch weit entfernt.
Zwar haben wir eine Palette von Angeboten, zum Beispiel ambulante Hospizdienste, stationäre Hospizeinrichtungen, Palliativstationen und SAPV-Teams, sowie
- das muss man sagen - eine eher unbekannte Zahl von
mehr oder weniger guten und würdevollen Sterbebegleitungen in Altenpflegeheimen, was ein recht problematisches Thema ist.
Aber aus einem Standardwerk über Palliativmedizin,
dem Oxford Textbook of Palliative Medicine aus dem
Jahr 2011, ergibt sich, dass 60 Prozent der Sterbenden
eigentlich eine palliativmedizinische Behandlung benötigen.
Wir hatten im Jahre 2012 rund 870 000 Sterbefälle in
Deutschland. 522 000 dieser sterbenden Menschen hät6130
ten demnach eigentlich eine palliativmedizinische Behandlung benötigt. Zählt man die Zahlen der Menschen,
die in den oben von mir genannten Einrichtungen in diesem Jahr tatsächlich palliativmedizinisch behandelt wurden, zusammen, und zwar recht großzügig zusammen,
dann dürften das nicht mehr als 100 000 Menschen gewesen sein. 100 000 von 522 000 potenziell Bedürftigen,
da klaffen Anspruch auf würdevolles Sterben und Wirklichkeit noch weit auseinander.
({2})
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz vertritt dann
auch die These: Das Konzept des Sozialgesetzgebers
- das sind wir alle - aus Hospiz- und Palliativversorgung
setzt bei der Sterbehilfediskussion um Jahre zu spät an.
Jenseits der Frage, wie wir zum assistierten Suizid im
Einzelnen stehen - meine Haltung dürfte einigermaßen
deutlich geworden sein -, führt uns die Diskussion dieses Themas hoffentlich diese Herausforderung vor Augen, der wir uns dringend und ohne weitere Verzögerung
stellen müssen.
({3})
Der Gesundheitsminister Gröhe hat jetzt, sicher nicht
ganz zufällig im zeitlichen Zusammenhang mit dieser
Debatte, angekündigt, den Hospiz- und Palliativbereich
auszubauen. Ich begrüße das ausdrücklich. Meine Fraktion, Die Linke, wird dies kritisch, aber konstruktiv begleiten.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({4})
Eva Högl ist die nächste Rednerin.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es
ist gut und richtig, dass wir hier im Deutschen Bundestag diese schwere Debatte über Sterbehilfe führen, und
es ist auch gut, dass sie in der Gesellschaft breit geführt
wird. Wir führen eine intensive Debatte, an der viele
Bürgerinnen und Bürger - das zeigen die zahlreichen
Veranstaltungen, die schon stattgefunden haben und
noch stattfinden werden - mit großem Interesse teilnehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will es noch
einmal betonen: Es ist gut und richtig, dass wir uns hier
Zeit nehmen für diese Debatte im Deutschen Bundestag,
dass wir diese Debatte mit Fragen und nicht mit fertigen
Antworten beginnen und dass wir hier heute vielmehr
eine Orientierungsdebatte führen.
Es geht um die Menschenwürde, es geht um das Ende
des Lebens, es geht um den Umgang mit schweren
Krankheiten, und genau darauf müssen wir eine Antwort
geben. Es geht um die Angst vor Schmerzen, vor Hoffnungslosigkeit, vor Einsamkeit. Menschen möchten niemandem zur Last fallen. Sie haben aber auch Angst vor
einer Apparatemedizin, und sie haben Angst vor schlechter Pflege. Darauf müssen wir hier im Deutschen Bundestag eine Antwort geben.
({0})
Ich möchte am Anfang ganz deutlich sagen, liebe
Kolleginnen und Kollegen: Ich halte die bisherigen Regelungen in Deutschland für sehr gut. Die Abgrenzung
zwischen strafbarer Tötung auf Verlangen und straffreier
Beihilfe zum Suizid hat sich in Deutschland bewährt.
({1})
Deswegen dürfen wir die ärztlichen Behandlungsmöglichkeiten, die bestehen, auf keinen Fall einschränken.
Ausgangspunkt ist der Patientenwille, und insofern
müssen wir auch noch einmal an die Patientenverfügung
denken, mit der die Patientinnen und Patienten, die betroffenen Menschen, ihren Willen zum Ausdruck bringen. Ärzte und Ärztinnen können schon heute eine Behandlung gar nicht erst aufnehmen. Sie können eine
Behandlung unterbrechen, und sie können auch schmerzlindernde Maßnahmen vornehmen, bei denen sie in Kauf
nehmen, dass das Leben verkürzt wird. Diese ärztlichen
Möglichkeiten dürfen wir auf keinen Fall einschränken.
({2})
Der ärztlich assistierte Suizid oder gar die aktive Sterbehilfe dürfen aber auf keinen Fall zu einem Rechtsanspruch oder zu einem Normalfall werden.
({3})
Das Ende des Lebens muss unter Einbeziehung der Angehörigen, der Ärztinnen und Ärzte, der Pflegerinnen
und Pfleger unter ethischen Gesichtspunkten individuell
gestaltet werden. Unsere Antwort hier im Deutschen
Bundestag auf Alter, Krankheit, Schmerzen und Ängste
darf niemals ein erleichterter Tod sein, darf niemals eine
erleichterte Möglichkeit, zu sterben, sein - und dann
auch noch durch Ärztinnen und Ärzte.
Deshalb sehe ich gesetzgeberisch nur an einer einzigen Stelle Handlungsbedarf, und zwar bei Vereinen und
Einzelpersonen, die Sterbehilfe geschäftsmäßig, regelmäßig und organisiert anbieten. Ich finde es richtig, dass
wir hier - das zeichnet sich ab - eine breite Mehrheit dafür haben, dass niemand mit Sterbehilfe Geld verdienen
darf, dass niemand das regelmäßig machen darf und dass
wir deswegen diese Einzelpersonen und diese Vereine
verbieten.
({4})
Ich möchte ein paar Bemerkungen zum ärztlichen
Standesrecht machen, weil das nicht ganz einfach ist und
die Ärztinnen und Ärzte selbstverständlich wichtige Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für Betroffene
sind. Das Vertrauen in Ärzte ist groß, aber Ärztinnen und
Ärzte brauchen auch Rechtssicherheit. Deswegen stellt
es ein Problem dar, dass der Deutsche Ärztetag 2011 beschlossen hat, dass Ärztinnen und Ärzte keine Hilfe zur
Selbsttötung leisten. Die Ärzteschaft schränkt damit die
straflose Beihilfe für Ärztinnen und Ärzte ein. Deswegen müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir
den Flickenteppich von Regelungen, die die Landesärztekammern erlassen haben, beseitigen und wie wir den
ärztlichen Freiraum, den ich - ich sagte es schon - als
ganz entscheidend erachte, erhalten können. Jede gesetzliche Regelung, die einen begrenzten Ausnahmetatbestand für Ärzte vorsieht, bedeutet eine Einschränkung
dieses ärztlichen Freiraums, und das sollten wir uns sehr
gut überlegen.
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben keine
Gesetzgebungskompetenz, das ärztliche Standesrecht zu
regeln. Dazu müssten wir unser Grundgesetz ändern.
Unser Grundgesetz erlaubt nur, die Zulassung zum Arztberuf und zu Heilberufen hier im Deutschen Bundestag
zu regeln. Wir können das ärztliche Standesrecht weder
mit dem bürgerlichen Recht noch mit dem Strafrecht regeln. Da sind die Ärztinnen und Ärzte gefordert. Deswegen appelliere ich an die Ärzteschaft, ihr Standesrecht zu
überarbeiten mit dem Ziel, den Flickenteppich zu beseitigen und die klare Aussage zu treffen, dass ärztlicher
Beistand und auch Beihilfe in Einzelfällen zwar keine
ärztlichen Aufgaben sind - das ist klar, und das sollte
deutlich werden -, jedoch als Gewissensentscheidung
des einzelnen Arztes und der einzelnen Ärztin möglich
und auch wünschenswert sind. Das halte ich für dringend erforderlich.
({6})
Ich lade alle Kolleginnen und Kollegen ein, bei dem
Gruppenantrag, den meine Kollegin Kerstin Griese und
ich jetzt schon einmal in einem Positionspapier skizziert
haben, mitzumachen. Wir würden uns freuen, wenn viele
Kolleginnen und Kollegen das tun und die Position, die
ich hier vorgestellt habe, unterstützen.
Herzlichen Dank.
({7})
Katrin Göring-Eckardt ist die nächste Rednerin.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
reden und debattieren heute hier quasi in einer Doppelrolle, nämlich als Gesetzgeber und über uns selbst. Jedes
Leben führt unweigerlich zum Tod; nicht nur über
schwere Krankheiten. Warum wird eigentlich ausgerechnet dann so viel über Selbstbestimmung gesprochen,
wenn es um den Tod geht? „Mein Ende gehört mir“, für
wen spricht man dann und für wie viele? Zwei Dinge
sind mir in dieser Debatte wichtig:
Erstens. Es diskutieren vorzugsweise gebildete, selbstbewusste, sehr reflektierte Menschen, die ihr Leben im
Griff haben oder zumindest meinen, sie hätten es, Menschen, die ihre gesundheitlichen und finanziellen Risiken kennen, die die Gesetzeslage, die Rechtslage und
das Standesrecht der Ärzte kennen, für die es ein Zeichen von Stärke ist, selbst bestimmen zu können. Stark
und eigenverantwortlich sind aber auch die anderen, die
in jeder Phase des Lebens - nichts anderes ist das Sterben; es ist auch eine Phase des Lebens - bei sich bleiben,
Menschen, die zeigen, was Leben wert ist, auch wenn es
beschädigt ist, wenn es unselbstständig ist und wenn es
schwer wird, wenn es ertragen werden muss, Menschen,
die Krankheit nicht empörend finden und Tod auch nicht
als Schöpfungs- oder Schönheitsfehler ansehen, die ein
Zeichen setzen gegen ein überhöhtes Bild des strahlenden, selbstoptimierten, funktionstüchtigen Menschen bis
zum Ende, meine Damen und Herren.
Umgekehrt sorge ich mich um diejenigen, die meinen,
nicht nur ihr Leben, sondern auch ihren Tod in den Griff
bekommen zu müssen. Ich sorge mich um eine Welt, in
der die Alten im Vorwege sagen - viele haben diesen
Satz hier heute schon gebraucht -: Ich will ja nicht zur
Last fallen; ich will doch nicht stören im Ablauf, im Getriebe, im Funktionieren. - Ich sorge mich um Menschen, deren scheinbarer Mut zur Selbstbestimmung im
Kern nur die Angst vor Einsamkeit beim Sterben ist.
„Mut zum Leben - mitten im Sterben“, das ist unsere
Herausforderung, aber nicht „Hilfe zum Sterben“.
({0})
Heute wird gern von einer Erbengeneration gesprochen; das ist richtig. Daneben wächst aber auch eine Generation Elternunterhalt heran. Man kann auch Schulden
erben, sogar schon vor dem Tod. Kinder werden nach
dem Bürgerlichen Gesetzbuch für die Kosten von Pflege
und Palliativmedizin herangezogen, wenn das Vermögen
der Eltern aufgebraucht ist. Das verschärft die Gegensätze zwischen denjenigen, die ärztliche Betreuung in
Anspruch nehmen, und denen, die ihren Kindern auch
auf diese Weise nicht zur Last fallen wollen. Ich finde,
auch diese Gesetzeslage bedarf eines Überdenkens,
meine Damen und Herren.
({1})
Zweitens. Wir müssen uns klarmachen, dass wir in einer demografisch drastisch veränderten Welt und in einer sich weiter verändernden Gesellschaft leben. Auf
diese schöne alte Welt sind wir nicht vorbereitet. Die
Debatte der Sterbehilfe scheint mir auch ein Spiegelbild
der Angst unserer Gesellschaft vor dem Altern zu sein.
Ist es nicht eigentlich zynisch, dass wir, wenn wir über
Überalterung reden, als Erstes an den Seniorensuizid
denken? Bevor wir also ehrlich und ernsthaft über das
Sterben in Würde und unsere Position dazu reden, über
Anträge entscheiden, müssen wir - das haben hier viele
gesagt -, über Palliativversorgung und Hospize reden.
({2})
Es gibt in Deutschland über 10 000 Suizide, und bei
über 90 Prozent davon liegt eine psychische Erkrankung
vor. Es ist nur in ganz seltenen Fällen so, dass sich Menschen aufgrund von schwerer Erkrankung umbringen.
Die meisten dieser Menschen haben psychische Erkrankungen. In Deutschland wartet man bei Depressionen
übrigens - gesetzlich versichert - ein halbes Jahr auf einen Therapieplatz. Heute fehlen vor allem Fachärzte für
Psychiatrie, es fehlen Plätze in häuslicher Pflege, es fehlen qualitativ gute Plätze in der Heimunterbringung und
auch in Wohngemeinschaften, und es fehlt trotz der Verbesserungen genügend Hilfe für Demente und ihre Angehörigen.
Zuletzt: Ja, auch ich habe Menschen, ganz enge
Freunde, Verwandte, sterben sehen. Ich war noch keine
18, da sollte ich entscheiden, ob die Geräte abgeschaltet
werden sollen - die Geräte abschalten, also das Leben
abschalten. Natürlich war ich völlig unvorbereitet auf
diese Situation. Letztlich ist es wahrscheinlich jeder und
jede, egal wie alt er oder sie ist. Ich habe aber auch am
Sterbebett gestanden und miterlebt, wie Sterben begleitet
werden kann mit Schmerzlinderung, mit Nähe, mit dem
Wissen der Profis, dass es kein Schema gibt, dass man
nicht automatisch weiß, was dann gut für denjenigen
oder diejenige ist. Von daher weiß ich auch, dass es Situationen gibt, in denen die Schmerzlinderung eben
nicht mehr ausreicht. Ich glaube nicht, dass man im Vorhinein weiß, was man ertragen kann. Es gibt auch Situationen, wo Ärztinnen oder Ärzte und Sterbende spüren,
dass es nicht mehr weitergeht und dass die Kraft nicht
reicht. Wann dieser Moment gekommen ist, werden wir
nicht allgemeinverbindlich und mit letzter Rechtssicherheit regeln können. Vor allem sollten wir uns davor bewahren, Sterbebegleitung zur Sterbehilfe werden zu lassen, organisieren zu lassen, zur Dienstleistung werden zu
lassen und damit Menschen unter Druck zu setzen.
Vielen Dank.
({3})
Hubert Hüppe hat nun das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich
glaube, Menschlichkeit in unserer Gesellschaft erweist
sich daran, wie sie mit ihren schwächsten Mitgliedern
umgeht. Wenn wir heute über assistierte Selbsttötung debattieren, dann ist für mich der Kernpunkt die Frage:
Was wird passieren, wenn erst einmal akzeptiert wäre,
dass ich mithilfe eines Arztes oder einer Organisation
aus dem Leben scheiden kann und dass das meine selbstbestimmte Entscheidung ist? Der Umkehrschluss ist:
Dann trage ich selbst die Verantwortung dafür, wenn ich
weiterleben will, und damit nicht nur die Ressourcen der
Allgemeinheit in Anspruch nehme, sondern auch meine
Angehörigen.
Ich habe in den letzten Wochen verdächtig viele Talkshows gesehen, in denen Sterbehelfer auftraten - oder
vorgestern beispielsweise eine Frau, die ihre Mutter in
die Schweiz fuhr, wo sie sich töten ließ - und bei denen
ich das Gefühl hatte, dass das Ziel der Darstellung war,
zu zeigen: Das sind die wirklich Mutigen. Das sind die,
die die richtigen Entscheidungen treffen. - Mir fehlen in
diesen Talkshows Leute wie der Kollege Müntefering,
die nicht sagen: „Wir gehen diesen Weg“, sondern die
sagen: Ich bin bis zuletzt dabei - auch wenn das hart ist -,
ich halte die Hand, und ich genieße die Solidarität meiner Verwandten, meiner Angehörigen und meiner
Freunde.
({0})
Es geht nicht nur darum, dass ein Erwartungsdruck
ausgeübt wird, sondern auch darum, dass es schon gefährlich wäre, wenn er mit Blick auf die Solidarität der
Gesellschaft als solcher empfunden würde und wenn
nicht mehr das Schicksal, sondern der Patient selbst für
sein Weiterleben verantwortlich wäre. Was mir an dieser
Diskussion Sorge bereitet, ist, dass es nicht nur um
Intendanten und Playboy-Legenden geht, sondern dass
wie in Belgien und Holland irgendwann auch über die
Frage diskutiert wird: Was ist eigentlich mit Menschen,
die behindert zur Welt kommen, die schon am Anfang
nicht bis 100 zählen können und es am Ende ihres Lebens auch nicht können, die inkontinent sind, die ihren
Stuhl nicht halten können? Das können manche Menschen mit Behinderung von Geburt an nicht. Sie werden
es nie können. Natürlich wird dieser Dammbruch nicht
von heute auf morgen kommen. Aber das Beispiel anderer Länder hat gezeigt, dass es immer größere Löcher
gibt, wenn dieser Damm erst einmal gebrochen ist.
Frau Künast hat gesagt: Es gibt da keine Zahlen. Meine Damen und Herren, ich habe hier die Priorisierungsliste aus Oregon.
({1})
- Ich erwähne Oregon, weil Herr Lauterbach das heute
Morgen im Fernsehen als Beispiel gebracht hat. - Dort
steht, was die, die auf die staatliche Gesundheitshilfe angewiesen sind, noch an Leistungen bekommen. Es steht
ausdrücklich darin, dass die Leistungen unter dem Gesichtspunkt der Effizienz ausgewählt worden sind. Eines
wird immer bezahlt: die assistierte Selbsttötung. Während andere Therapien ausgeschlossen oder rationiert
werden,
({2})
wird die assistierte Selbsttötung durch den Arzt garantiert. Davor habe ich Angst. Wenn es so ist, wie die offiziellen Zahlen aus Oregon sagen - ich will sie noch einHubert Hüppe
mal nennen; man muss einfach einmal sehen, welche
Entwicklungen es geben könnte -, dass inzwischen über
die Hälfte, nämlich 53,2 Prozent, derjenigen, die in Oregon den assistierten Suizid in Anspruch nehmen, Menschen sind, die nur noch diese medizinische Mindestversorgung beanspruchen können, dann zeigt das, dass es
die armen Menschen und es, wie gesagt, nicht diese bekannten Persönlichkeiten trifft, denen die Solidarität der
Gesellschaft entzogen wird, dass es also zumindest die
alten, vereinsamten Menschen sind. Übrigens sind es zu
einem großen Teil die Frauen, die einsam sind, die
schlecht versichert sind, bei denen keiner mehr da ist,
der ihnen Mut zuspricht.
Ich glaube - wir sprechen ja sehr viel über Inklusion;
ich persönlich ja insbesondere -, dass es bei solchen
Menschen auch um Inklusion, um Teilhabe geht, dass
auch diese Menschen ein Recht auf Teilhabe haben.
({3})
Ich halte es für äußerst gefährlich, wenn wir den Arzt
zum Sterbehelfer machen, der seinen Patienten bei ihrer
Selbsttötung hilft. Das wird den kranken, behinderten
und sterbenden Menschen die Solidarität entziehen, und
das möchte ich nicht.
Vielen Dank.
({4})
Das Wort erhält nun der Kollege Matthias Birkwald.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am
11. September 2010 starb mein jüngerer Bruder Stephan
im Alter von nur 47 Jahren an einem Oligoastrozytom.
Neun Jahre hatte er sehr tapfer gegen den unheilbaren
Gehirntumor gekämpft. Mein Bruder wusste, dass er
würde sterben müssen; doch in den langen Jahren seiner
schweren Krankheit hat er nicht ein einziges Mal den
Wunsch geäußert, in den Freitod zu gehen. Im Gegenteil: Den 18. Geburtstag seines Sohnes noch erleben zu
wollen, hat ihm Kraft gegeben, und seinen eigenen
50. Geburtstag hätte er ebenfalls nur allzu gerne noch erlebt. Woher er nach neun Jahren Leiden diese Kraft
nahm, weiß ich nicht; aber ich weiß, dass mein Bruder in
mehrfacher Hinsicht ausgesprochen privilegierte Bedingungen hatte: Seine gesamte Familie, sein gesamter
Freundeskreis und vor allem auch seine Kolleginnen und
Kollegen und sein Arbeitgeber, Volvo in Köln-Rodenkirchen, haben ihn voll unterstützt, getragen und viel Verständnis für ihn gehabt, und das auch schon zu Zeiten,
als noch nicht offensichtlich war, ob und wann die
Krankheit zum Tode führen würde. In den letzten vier
Monaten seines Lebens wurde mein Bruder von meinen
Eltern liebevoll in seinem Elternhaus gepflegt. Er hat in
Würde gelebt, und er ist in Würde gestorben.
Die freie Entscheidung über das eigene Ende, meine
Damen und Herren, die wünsche ich mir für alle Menschen bis ins hohe Greisenalter.
({0})
Die Realität sieht für viele alte Menschen leider völlig
anders aus. Heribert Prantl hat in der Süddeutschen Zeitung vom vergangenen Samstag über einen „Aufschrei
gegen den Pflegenotstand“ geschrieben. Sieben Beschwerdeführer haben in Karlsruhe gegen den Pflegenotstand Verfassungsklage eingereicht, Zitat:
Eingesperrt, ruhiggestellt, verwahrlost: Die Situation vieler Menschen in Altenheimen ist alarmierend.
Weiter heißt es aus einem Pflegeheim - Zitat -:
die Bewohner seien nur alle vier Wochen geduscht
worden, es gab keine Zahnpflege, die Alten mussten oft in verkoteten Windeln oder verkoteter Kleidung stundenlang ausharren, Medikamente wurden
nicht oder nur unzuverlässig verabreicht, Notrufe
nicht beachtet …
Einzelfälle seien dies nicht; aber ich füge hinzu: Selbstverständlich gibt es auch viele gute Gegenbeispiele.
({1})
Aber diese sieben Kläger erbitten vom Bundesverfassungsgericht „Hilfe in schreiender Not“. Ich denke, dies
zeigt, dass eine Gesundheits- und Pflegereform, die die
massiven Defizite behebt, schon lange überfällig ist.
({2})
Denn auch und gerade für Todkranke, für Demente und
alte Menschen gilt Artikel 1 unseres Grundgesetzes:
„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Ich sage:
Wir brauchen dringend mehr gut geführte Hospize und
eine flächendeckende und bedarfsdeckende Palliativmedizin auf höchstem Niveau.
({3})
Davon sind wir heute weit entfernt. Ich denke, je besser die palliativmedizinische Versorgung schwerstkranker Menschen sein wird, desto weniger Menschen werden ihr Leben durch einen assistierten Suizid beenden
wollen. Aber die, die ihrem Leben ein Ende setzen wollen - wie dies zum Beispiel die 29-jährige Brittany
Maynard, die an einem aggressiven Gehirntumor litt,
Anfang November in Oregon getan hat -, sollen dies
meines Erachtens in freier Selbstbestimmung tun dürfen auch in Deutschland, auch mit Hilfe.
({4})
Mein Wunsch ist es, selbstbestimmt zu leben und
selbstbestimmt sterben zu dürfen. Die Erfüllung dieses
Wunsches gestehe ich selbstverständlich auch allen anderen Menschen zu. In unserem Grundgesetz ist ein
Recht auf Leben verankert, aber keine Pflicht zum Leben - die gibt es nicht. Darum ist der Freitod in Deutschland auch straffrei und die Beihilfe zum Freitod ebenfalls. Dabei sollte es bleiben. Darum plädiere ich dafür,
die von Angehörigen, Nahestehenden, Ärztinnen und
Ärzten und Sterbehilfevereinen geleistete Beihilfe zum
Freitod auch weiterhin straflos zu lassen.
({5})
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine Bemerkung zum Schluss. Im Vorfeld der Debatte habe ich
viele Gespräche geführt und viel gelesen. Ganz besonders überzeugt hat mich das Buch Letzte Hilfe des Berliner Arztes Uwe-Christian Arnold. Es ist ein Plädoyer für
das selbstbestimmte Sterben, und in ihm heißt es:
So wie es ein Recht auf Erste Hilfe gibt, das dafür
sorgt, dass unser Leben im Notfall gerettet wird,
sollte es auch ein Recht auf Letzte Hilfe geben, das
garantiert, dass wir unser Leben in Würde beschließen können.
Entweder mit dem assistierten Suizid - wie Brittany
Maynard ({6})
oder mit bester Pflege bis zum Schluss - wie mein Bruder Stephan -, das Prinzip sollte lauten: Mein Ende gehört mir.
({7})
Darum bin ich für das „Recht auf Letzte Hilfe“ und dafür, dass den Helferinnen und Helfern daraus keine
Nachteile erwachsen dürfen.
Herzlichen Dank.
({8})
Die nächste Rednerin ist die Kollegin Kerstin Griese.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen und
auch - denn dieses Thema geht uns alle an - liebe Bürgerinnen und Bürger! Wir reden über etwas sehr Grundsätzliches: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? In
einer Gesellschaft, in der man in Würde leben und in
Würde sterben kann. Ich wünsche mir, dass wir eine solidarische Gesellschaft sind, eine sorgende Gesellschaft,
die sich um Menschen kümmert und sie nicht allein
lässt, die die Ängste von Menschen aufgreift, die oft einsam und alt sind und die Angst haben - das hören Sie
immer wieder, wenn Sie in Pflegeheime gehen -, jemandem zur Last zu fallen. Dem müssen wir etwas entgegensetzen. Dem müssen wir eine Kultur des Lebens, eine
helfende Gesellschaft, eine sorgende Gesellschaft entgegensetzen, die Menschen in schwerer Krankheit hilft und
ihre Schmerzen lindert.
Die Antwort der Gesellschaft darf meines Erachtens
nicht der Todestrank auf dem Nachttisch für den Suizid
sein. Die Antwort sollten auch nicht organisierte Vereine
sein, die Sterbehilfe als ihr Geschäft anbieten. Die Antwort darf auch nicht sein, dass wir quasi einen Anspruch
auf assistierten Suizid gesetzlich verankern, der als Regelleistung der Krankenkassen abrufbar ist. Das wird
dem Einzelfall nicht gerecht.
({0})
Wir müssen stattdessen alles tun, damit Menschen im
Leben gestärkt, im Leben und im Tod begleitet und bestmöglich palliativ behandelt werden. Und wir müssen
mehr tun, um Suizidprävention - gerade bei jungen
Menschen - zu verstärken. Da tun wir noch viel zu wenig. „Lebenshilfe statt Sterbehilfe“ hat das der an ALS
erkrankte Tagesspiegel-Journalist Benedict Mülder diese
Woche genannt. In seinem Beitrag, der mich sehr berührt
hat, schreibt er: „Autonomie ist nur in Gemeinschaft
denkbar.“ Das ist ein wichtiger Satz; denn auch der erkrankte Mensch braucht ein Umfeld aus Familie, Freunden, Pflegenden und Ärzten. Wir sollten alles dafür tun,
damit sie mit ihm gemeinsam Entscheidungen treffen
können. Selbstbestimmung geschieht immer in Gemeinschaft.
Gleichzeitig - das ist mir genauso wichtig - wollen
Eva Högl und ich in dem Positionspapier, das wir Ihnen
vorgelegt haben, alle jetzt bestehenden Freiräume ärztlichen Handelns am Ende des Lebens erhalten, sowohl die
indirekte Sterbehilfe, die passive Sterbehilfe, den Behandlungsabbruch, die Behandlungsunterlassung - wir
hören immer wieder, dass Ärzte eher zu viel behandeln
am Lebensende - und auch die palliative Sedierung, die
in Kauf nimmt, dass der Tod früher eintreten kann, wenn
schmerzlindernde Medikamente in hoher Dosis gegeben
werden.
Wir schlagen Ihnen deshalb einen Weg der Mitte vor.
Wir wollen kein Verbot der ärztlichen Maßnahmen, die
heute möglich sind. Wir wollen, dass Beihilfe zum Suizid und auch der Suizid straffrei bleiben. Aber wir sagen
ein klares Nein zu Vereinen und Einzelpersonen, die organisiert und als Geschäft Sterbehilfe betreiben. Das halten wir für ethisch nicht verantwortbar.
({1})
Wir haben lange überlegt, wie man diese Vereine verbieten kann, und sind nach Prüfung darauf gekommen,
dass das nur über das Strafrecht möglich ist. Aber im
Mittelpunkt der Debatte, die wir heute im Bundestag beginnen und die wir auch noch eine Weile führen werden,
muss zuallererst stehen, dass wir Menschen über die
heutige Rechtslage, über Patientenverfügungen, über
Möglichkeiten der Palliativmedizin aufklären. Ich bin
froh, dass die Debatte schon erste Ergebnisse gezeigt hat
und jetzt vonseiten der Gesundheitspolitiker ein Papier
zum Ausbau von Hospizen und der Palliativmedizin vorliegt. Das ist dringend nötig.
({2})
Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht ja darum,
dass wir alle möglichst selbstbestimmt und schmerzfrei
leben und sterben wollen. Ich möchte dazu den bisherigen EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider zitieren, der in dieser Woche gesagt hat:
Die Würde und der Sinn unseres Lebens hängen
nicht an der Unversehrtheit körperlicher und geistiger Fähigkeiten.
Dieser Satz ist wichtig, denn diese Debatte muss in dem
großen Zusammenhang der Achtung vor dem Leben geführt werden, und uns ist wichtig zu betonen, dass auch
das leidende, das schwerkranke, das behinderte Leben
ein würdiges Leben ist und geachtet wird.
({3})
Uns bewegt zu Recht die Rolle der Ärztinnen und
Ärzte; dazu ist hier auch schon viel ausgeführt worden.
Ich habe in Gesprächen sehr viele verantwortungsbewusste Medizinerinnen und Mediziner erlebt, die mit
dem Freiraum umgehen können. Trotzdem sagen wir:
Das muss im ärztlichen Standesrecht geklärt werden.
Wir plädieren für eine Regelung, die besagt, dass Ärzte
keine Sterbehilfe leisten sollen, weil selbstverständlich
der Grundsatz bestehen bleibt, dass sie das nicht tun sollen, aber Einzelfälle individuell zu bewerten sind.
In dieser Woche hat die Deutsche PalliativStiftung
deutlich gemacht, dass sie die Rechtslage, so wie sie ist,
für gut halten, dass keine Unsicherheit besteht, wenn
Ärztinnen und Ärzte ihren Freiraum nutzen. Ich will ausdrücklich betonen: In Deutschland ist noch nie ein Arzt
wegen Beihilfe zum Suizid belangt worden, noch nie!
Das ist nicht strafbar.
({4})
Bei uns ist eindeutig aktive Sterbehilfe und Tötung auf
Verlangen verboten. Wir halten diese Abgrenzung auch
für genau richtig.
Die schwierigen ethischen Fragen am Ende des Lebens können meines Erachtens nicht dadurch gelöst werden, dass man in einem Gesetz sieben Bedingungen festschreibt, wann Sterbehilfe geleistet wird. Wir werden
Ärztinnen und Ärzte auch dazu nicht verpflichten können; denn es bleibt für sie eine Gewissensentscheidung.
Wir müssen sie stattdessen besser ausbilden. Ethische
Fragen, Palliativmedizin und Hospizarbeit müssen in der
medizinischen und pflegerischen Ausbildung einen viel
größeren Raum einnehmen.
Hier wird mit teilweise wirklich furchtbaren Krankheitsbildern - diese Menschen haben mein volles Mitgefühl - der Eindruck hervorgerufen, als müsste man in
Deutschland elendiglich sterben und niemand würde einem helfen. Das ist falsch; das macht Angst. Einen solchen Eindruck zu erzeugen, ist unverantwortlich. Deshalb ist Aufklärung darüber, was möglich ist, so wichtig.
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ziel unserer Debatte sollte sein, dass niemand mehr sagt: Ich will in die
Schweiz, hier hilft mir keiner. - Ziel sollte sein, dass niemand mehr sagt: Ich habe Angst, jemandem zur Last zu
fallen, und deshalb bringe ich mich lieber selber um. Unser Ziel sollte sein, dass alle Menschen die bestmögliche palliative Versorgung bekommen, dass Hospize ausgebaut und finanziert werden, dass allen Menschen, die
ihn brauchen, früh genug ein Hospizplatz angeboten
werden kann, dass man sich dort liebevoll und intensiv
um jeden Einzelnen kümmern kann. Dann sind wir eine
sorgende Gesellschaft, die das Leben achtet und die
weiß, dass der Tod zum Leben dazugehört.
Vielen Dank.
({6})
Vielen Dank, Kerstin Griese. - Einen schönen guten
Morgen von meiner Seite. - Nächste Rednerin: Lisa
Paus.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich erinnere mich noch: Es war meine erste Anhörung im Deutschen Bundestag, 2009, sinnigerweise zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz, da bekam ich den Anruf von zu
Hause: Diagnose Lungenkrebs, stark fortgeschrittenes
Stadium. Am Ende der dann folgenden vier Jahre Sterbebegleitung war für mich endgültig klar: Es braucht endlich eine Enttabuisierung der Sterbehilfe in Deutschland.
({0})
Jetzt diskutieren wir stattdessen das Gegenteil, und das
treibt mich ans Mikrofon.
Um es gleich vorweg zu sagen: Meine Position lässt
sich auf drei Punkte zuspitzen. Erstens. Ich finde, das
Strafrecht ist für dieses Thema völlig unangemessen.
Zweitens. Die allgemeine standesrechtliche Ermöglichung des ärztlich assistierten Suizids ist unbedingt geboten. Und drittens. Das Verbot von Sterbehilfevereinen
ist nicht begründbar.
({1})
Die derzeitige Situation ist aber auch nicht befriedigend.
Es braucht klarere Regeln, wie sie im Papier von Renate
Künast und anderen vorgeschlagen werden.
Warum finde ich, dass das Strafrecht im Bereich des
assistierten Suizids nichts zu suchen hat? Das meine ich
nicht nur aus rechtsdogmatischen Gründen, obwohl
mich schon wundert, dass das hier infrage gestellt wird.
Aus meiner Sicht ist das eindeutig: Wenn ein Suizid
straffrei ist - und das will anscheinend niemand ändern -, wie soll dann, bitte schön, die Beihilfe zu einer
Nichtstraftat, ob von Freunden, Ärzten oder Sterbevereinen, plötzlich zu einer Tat werden? Ich verstehe das
nicht.
({2})
Ich bin fest davon überzeugt, dass die gesellschaftliche Würdigung von Pflege und zu Pflegenden, dass die
finanzielle Ausstattung und dass die Art und der Umfang
der palliativen Versorgung nichts mit dem Strafrecht zu
tun haben. Denn wäre es so: Wie erklärt sich dann der
Istzustand in Deutschland?
({3})
Dass die Situation so ist, wie sie ist, dafür gibt es
zahlreiche Gründe. Sie liegen im Gesundheitssystem in
Deutschland, sie liegen in der Anerkennung der Berufe,
sie liegen in den wirtschaftlichen Anreizen im Gesundheitssystem, sie liegen in den Logiken der Gesundheitsindustrie etc., etc; aber sie liegen eben nicht in der mangelnden Unterstrafestellung der Suizidbeihilfe.
({4})
Wie ich inzwischen weiß, war das, was ich miterlebt
habe, durchaus typisch für unheilbar Krebskranke. Deshalb möchte ich das hier kurz skizzieren: Dieser Mensch
lebte in Berlin, in einer Stadt, die, was die ambulante
palliative Versorgung angeht, bundesweit zu den Vorreiterregionen zählt. Er litt also nicht unter der Angst vor
einer schlechten Versorgung. Er war auch nicht allein. Er
wusste, er war keine Last, sondern wurde von seinem
kleinen Kind gebraucht. Und trotzdem ging es nach der
erhaltenen Diagnose sofort und zentral darum, wie die
Medikamente zu beschaffen sind, die ein sicheres und
erträgliches selbstbestimmtes Ende ermöglichen. Warum
war das so? Natürlich ging es um Angst und um ein Umgehen mit der Angst - die Angst, zu sterben, aber vor allem eben auch die Angst, im Versorgungsapparat die
Selbstbestimmung zu verlieren. Außerdem hatte der
Mann bereits seine Schwester und seine Mutter an Krebs
sterben sehen. Es war bei ihm keine Diskussion. Es war
völlig klar.
Ich fand den Aufwand und die Hindernisse, die zu
überwinden waren, bis er endlich einen Arzt gefunden
hatte, der ihm die passenden Tabletten gab, unsäglich.
Und mit den Sterbehilfevereinen ist es eben auch nicht
so einfach, wie es manche hier darstellen.
Und dann? Über drei Jahre waren die Tabletten griffbereit. Und am Ende hat er sie nicht genommen. Aber
ohne Hilfe ging es eben auch nicht. Seine Todesumstände fielen unter die Kategorie, die gerade beschrieben
wurde: indirekte Sterbehilfe. Und die Tabletten waren
dennoch nicht überflüssig. Wie wichtig sie waren, das
zeigt die Wahnsinnsenergie, die er da reingesetzt hat,
diese Tabletten zu bekommen. Die Medikamente entfalteten nachweislich über drei Jahre eine starke suizidpräventive Wirkung. Dieser Weg, der war ein guter Weg.
Ich bin dankbar dafür, dass ich ihn begleiten durfte. Dieser Weg sollte dennoch einfacher werden, er sollte mehr
Menschen offenstehen, und er sollte nicht kriminalisiert
werden.
({5})
Vielen Dank, Lisa Paus. - Nächste Rednerin:
Dr. Claudia Lücking-Michel.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Damen und Herren! Die Debatte heute
Morgen macht deutlich: Unsere Vorstellungen von einem Sterben in Würde sind bestimmt von unseren Vorstellungen von einem Leben in Würde. Das Gleiche gilt
auch umgekehrt. Beides hängt untrennbar miteinander
zusammen.
Als Christin bin ich überzeugt, dass unser aller Leben
ein Geschenk Gottes ist. Ich bin überzeugt, dass wir als
Abbild Gottes geschaffen sind und deshalb mit einer unveräußerlichen Würde ausgestattet sind. Besonderer
Ausdruck dieser Würde und damit wichtiges Gut für jeden von uns ist das Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung. Das Motto „Mein Ende gehört mir“ bezeichnet
trotzdem eine vollkommen verkürzte Position. Wir sind
nämlich nur begrenzt autonom. Wir können nicht selbst
bestimmen ohne Beachtung der Einflüsse und der Rahmenbedingungen, die uns prägen. Wir leben in Beziehungen. Vom Anfang bis zum Ende ist unser Leben verflochten mit dem Leben anderer.
Freiheit und Selbstbestimmung - gerade weil das so
ein hohes Gut ist, will ich festhalten: Schon heute entscheidet jeder bei uns über Ende oder Fortsetzung seiner
Behandlung. Niemand muss lebensverlängernde Maßnahmen akzeptieren. Ja, man ist im Äußersten selbst frei,
sich selbst zu töten. Suizid ist nicht strafbar. Ein zunächst rein logischer Schluss lautet dann, dass auch Beihilfe zum Suizid nicht strafbar ist. Hier sehe ich auch
keinen Änderungsbedarf.
Aber in einer Hinsicht gibt es aus meiner Sicht trotzdem Regelungsbedarf, den ich zusammen mit meinen
Kollegen Brand und Frieser in unserem Papier deutlich
benannt habe. Wir wollen jegliche Art von organisierter
Sterbehilfe unter Strafe stellen. Dabei ist es nicht von
Bedeutung, ob der Anbietende mit der Absicht handelt,
Gewinne zu erzielen oder nicht. Das Motiv, warum ich
so votiere, liegt weniger in meinen religiösen Überzeugungen begründet als in meinem Verständnis von GesellDr. Claudia Lücking-Michel
schaft. Ich sehe nämlich die Verpflichtung für unsere
Gesellschaft, sich ganz besonders für diejenigen einzusetzen, die besonders wehrlos und schwach sind.
Wenn Beihilfe zum Suizid zuerst ein legales und dann
bald ein scheinbar normales Angebot werden würde,
sehe ich die Gefahr, dass sich ältere oder lebensbedrohlich erkrankte Menschen unter ökonomischen und psychosozialen Druck gesetzt fühlen. Dann kommen sie
jedenfalls nicht mehr darum herum, sich zu dieser möglichen Option verhalten zu müssen, sich zu entscheiden.
Die Tür für organisierte Sterbehilfe zu öffnen, bedeutet,
die Schutzbedürftigsten womöglich über eine Schwelle
zu drängen, die sie selbst ursprünglich gar nicht überschreiten wollten. Wir sollten stattdessen keinerlei Zweifel daran lassen, dass das Leben eines jeden Menschen
für uns als Gesellschaft unter jeder Bedingung schützenswert ist. Wie wir mit Alter, Krankheit und Sterben
umgehen, entscheidet darüber, ob unsere Gesellschaft
menschlich bleibt oder nicht.
Was heißt das nun für ärztliche Assistenz zum Suizid?
Nach meinem Verständnis muss für Ärzte wie für alle
anderen auch gelten, dass nicht organisierte Beihilfe
keine strafrechtlichen Konsequenzen hat. Ärztliche Beihilfe zum Suizid lässt sich aus meiner Sicht andererseits
nicht mit dem hippokratischen Eid und dem ärztlichen
Berufsethos vereinbaren. Die Bundesärztekammer formuliert das sehr zutreffend. Der Präsident der Landesärztekammer Westfalen-Lippe sagte noch gestern:
Wir wollen nicht töten. … Wir haben eine Berufsethik. Wir sind Sterbebegleiter, aber nicht Sterbehelfer.
Meine Damen und Herren, eines macht die Debatte
heute Morgen ganz deutlich: Wir alle sind der Meinung,
dass sich viele Menschen den schnellen Tod wünschen,
weil sie Angst vor großen Schmerzen, Einsamkeit und
Leid haben. Wenn die Debatte eines bringen muss, dann
das: die gemeinsame Anstrengung, alles zu tun, um die
palliativmedizinische und pflegerische Versorgung flächendeckend und grundsätzlich besser auszubauen sowie die Hospizversorgung zu unterstützen. Ich danke unserem Bundesgesundheitsminister daher ausdrücklich
für seine Initiativen in diesem Bereich. Wir alle werden
in diesem Zusammenhang noch viel mehr tun müssen.
({0})
Sterben ist Teil unseres Lebens, letztgültig, unumkehrbar und im wahrsten Sinne des Wortes einmalig. Jeder stirbt am Ende für sich selbst; aber es bleibt eine
Frage an uns als Gesellschaft, was wir tun, um Begleitung und Schutz der Würde am Ende des Lebens für jeden von uns möglich zu machen.
Vielen Dank.
({1})
Vielen Dank, Frau Kollegin Lücking-Michel. Nächste Rednerin: Bärbel Bas.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese
Orientierungsdebatte gibt uns heute die Zeit, unsere Einstellungen zu Leben und Tod miteinander auszutauschen. Das allein ist, finde ich, schon viel wert. Ich bin
auch all denen dankbar, die hier persönliche Worte gefunden oder auch ihre Erfahrungen mit Sterbebegleitung
mit uns geteilt haben. Sich zu orientieren, heißt auch,
sich einmal ein Stück frei zu machen, über den Tellerrand zu schauen, vielleicht aber auch ein paar Schritte
zurückzugehen, um sich einmal das ganze Bild dieser
Debatte anzusehen. Vor allem aber heißt es auch, für Argumente offen zu sein.
Vielleicht spreche ich heute für viele hier im Hause,
die noch gar nicht entschieden sind. Wir haben viele gehört, die Positionspapiere vorgetragen haben. Ich will
hier offen sagen: Ich gehöre zu denen, die sich noch
nicht entschieden haben. Das ist vielleicht auch ein
Grund, warum ich heute in dieser Orientierungsdebatte
versuchen will, einen kleinen Beitrag zu leisten.
Ich habe mich entschlossen, mich dem Thema Sterbehilfe als Gesundheitspolitikerin zu nähern; denn ein großer Teil - da sind wir uns alle einig - betrifft die Bereiche Palliativmedizin und Hospizversorgung sowie den
Hospizgedanken.
Wir haben sicherlich in den letzten 20 bis 25 Jahren
schon eine gute Entwicklung auf diesem Gebiet gehabt.
Im Hospiz findet Sterben nicht im Verborgenen statt
- das wissen viele, die sich dort engagieren -, sondern es
ist in diesen Einrichtungen Teil des Lebens. Wie viele
von Ihnen auch habe ich in meinem Wahlkreis eine
Schirmherrschaft über ein Hospiz. Dadurch weiß ich allerdings auch, wo es im Zusammenhang mit dem Hospizgedanken Schwierigkeiten mit gesetzlichen Normen
gibt. Ich komme vielleicht gleich noch einmal darauf zurück.
Die Würde des Menschen spiegelt sich im Umgang
mit dem Sterben. Deshalb braucht der Mensch am Ende
- gerade bei größtem Leid, wie es ja hier schon von Kolleginnen und Kollegen geschildert wurde - eine angemessene medizinische Versorgung - da sind wir uns alle
einig -, aber auch eine menschliche Pflege - auch das
war hier schon Thema - und eine würdevolle Begleitung. Das alles gehört für mich zusammen. Deshalb bin
ich der Kollegin Scharfenberg dankbar. Sie hat das
Thema Depressionen und die psychische Begleitung angesprochen. Viele suchen den Freitod, weil sie Depressionen haben, weil sie vielleicht nicht früh genug in ärztliche Versorgung und Behandlung kommen. Wir sollten
daher nicht nur über den Ausbau der Palliativversorgung
diskutieren, sondern auch darüber, den Zugang zu diesen
medizinischen Therapien für die Menschen zu verbessern.
Meine persönlichen Erfahrungen sagen mir, dass wir
unser Ziel allerdings mit Geboten, Verboten, Strafrecht
und Rechtsansprüchen nicht unbedingt erreichen kön6138
nen. Die Bedürfnisse der Menschen für ein würdevolles
Lebensende sind genauso individuell wie das Leben
selbst. Die Politik ist allerdings gut beraten - das tun wir
hier -, Impulse zu setzen oder eben auch gesellschaftliche Debatten, so wie heute, anzustoßen und zu begleiten.
Wir können auf der einen Seite sicherlich mehr Fakultäten für Palliativmedizin - das brauchen wir auch - und
palliative Geriatrie fordern, wir können uns Gedanken
über die palliative Regelversorgung machen, über gesundheitliche Vorausplanung in Pflegeeinrichtungen,
über die Vernetzung von Betreuung und Versorgung,
auch über die Unterschiede zwischen allgemeiner und
spezialisierter Palliativversorgung; die Gesundheitspolitiker hier, die auch im Ausschuss sitzen, wissen, wovon
ich rede. Das alles müssen wir auch tun. Auf der anderen
Seite steht die Frage nach der verlässlichen Finanzierung
von Hospizen. Im Moment finanzieren wir 90 Prozent
und bei Kinderhospizen 95 Prozent der Kosten über die
Krankenkassen. Dabei frage ich mich immer: Passt das
überhaupt zusammen?
Ich will das Problem noch einmal kurz schildern:
Hospize arbeiten sehr stark mit dem Anspruch von
Selbstlosigkeit, Aufopferung und sehr viel mit Ehrenamt. Das ist der Punkt, über den wir noch einmal diskutieren müssen. Denn das wird zum Teil nicht finanziert,
aber es wird geleistet. Krankenkassen wiederum sind
sehr in Normen verhaftet; da geht es um Standards, Effizienz usw. Dies müssen wir zusammenbringen. Auf der
einen Seite müssen wir Normen finden, und auf der anderen Seite müssen wir dafür sorgen, dass wir den Hospizgedanken nicht nur in den Hospizen haben, sondern
eben auch dorthin tragen, wo Menschen sonst noch sterben, nämlich auch in Pflegeeinrichtungen und zu Hause.
Wie bekommen wir diesen Gedanken genau dorthin, wo
die Menschen am Ende hoffentlich nicht allein sind?
Ich habe die Hoffnung, dass diese Debatte dazu beiträgt. Ich habe noch viele offene Fragen. Ich hoffe, dass
der eine oder andere mir diese im Laufe dieser Debatte
beantworten kann. Am Ende werde ich mich, so wie
viele hier im Hause, sicherlich für einen bestimmten
Weg entscheiden müssen. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob es uns weiterhilft, auf Normen, Regelungen und
das Strafrecht zu setzen.
Vielen Dank.
({0})
Vielen Dank, Bärbel Bas. - Nächste Rednerin: Emmi
Zeulner.
({0})
Ich werde ärztliche Verordnungen treffen zum Nutzen der Kranken nach meiner Fähigkeit und nach
meinem Urteil, hüten aber werde ich mich davor,
sie zum Schaden und in unrechter Weise anzuwenden. Auch werde ich niemandem ein tödliches Gift
geben, auch nicht, wenn ich darum gebeten werde,
und ich werde auch niemanden dabei beraten …
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Der hippokratische Eid steht stellvertretend
für das medizinische Ethos. Ich möchte es an dieser
Stelle noch einmal in Erinnerung rufen. In der heutigen
Debatte stehen sich zwei vermeintlich unvereinbare Gegensätze gegenüber: auf der einen Seite das Recht auf
Selbstbestimmung, auch bei der Wahl des eigenen Todeszeitpunktes, auf der anderen Seite der Schutz unseres
höchsten Gutes, des Lebens selbst. Doch ich bin überzeugt, dass sich diese beiden Seiten nicht widersprechen,
sondern ergänzen. Ein Nein zur aktiven Sterbehilfe bedeutet nicht, auf das Selbstbestimmungsrecht zu verzichten. Schon heute bietet unsere Rechtslage zahlreiche
Möglichkeiten, den Menschen ihre Ängste - wie die vor
unerträglichen Schmerzen am Lebensende oder vor einer
unnötigen Abhängigkeit von medizinischen Apparaten zu nehmen und ihrem Wunsch nach Selbstbestimmung
zu entsprechen. Denn sowohl die passive Sterbehilfe,
das heißt das Sterbenlassen durch den Verzicht auf oder
Abbruch von lebensverlängernden Maßnahmen, als auch
die indirekte Sterbehilfe, das heißt die Inkaufnahme der
Beschleunigung des Todeseintritts durch die Gabe von
schmerzlindernden Medikamenten, sind nicht strafbar.
Um aber Missbrauch im Rahmen der aktiven Sterbehilfe entgegenzuwirken und keine Türen zu öffnen, die
wir nicht mehr schließen oder kontrollieren können, sehe
ich einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Wir sollten die gewerbsmäßige und organisierte Sterbehilfe, wie
sie von Organisationen oder einzelnen Personen ausgeübt wird, unter Strafe stellen. Und wenn ein Arzt an
mein Krankenbett tritt, möchte ich sicher sein, dass sein
einziges Interesse meinem Leben gilt. Ich möchte nicht,
dass es bei uns zu der absurden Situation kommen kann,
dass sich Alte und Kranke für ein Weiterlebenwollen
rechtfertigen müssen, und ein Druck, auch wenn er nur
subtil ist, hin zur Entscheidung für den Tod und nicht für
das Leben ausgeübt wird.
Mich stört die Romantisierung der aktiven Sterbehilfe. Denn auch hier passieren Fehler bei der Anwendung, und das vermeintliche Therapieziel wird nicht erreicht. Der oft zitierte Sterbetourismus hat auch seine
Schattenseiten, wie Schilderungen von Pflegeheimen am
Bodensee zeigen. Dort sind Fälle bekannt, in denen alte
Menschen aus dem Ausland nach Deutschland in Pflege
gehen, um ihre letzten Lebenstage frei von jeglichem
Entscheidungsdruck in Bezug auf die aktive Sterbehilfe
sehr selbstbestimmt zu verbringen.
Das Lebensende muss unter der Prämisse stehen, dass
der Patient individuell und von Vertrauten aus seinem
Umfeld betreut wird. Der Ruf nach einem schnellen Tod
ist oftmals Ausdruck einer als unerträglich empfundenen
Situation. Die aktive Sterbehilfe ist meiner Meinung
nach nicht die richtige Antwort auf dieses Bedürfnis.
({0})
Nein, ich bin der Überzeugung, der Schlüssel ist ein
anderer: Mit der Errungenschaft der Hospiz- und Palliativversorgung kann den Ängsten der Menschen wirEmmi Zeulner
kungsvoll begegnet werden. Mit seinem Ursprung in der
Hospizbewegung wurde dieser Bereich in den letzten
Jahren ständig ausgebaut. Es gilt, diesen nun weiterzuentwickeln und den Hospiz- und Palliativgedanken in
die Fläche zu tragen. Ich freue mich, dass ich Bundesminister Gröhe an unserer Seite weiß und bereits ein
konkreter Maßnahmenkatalog auf dem Tisch liegt. Kernpunkte werden unter anderem folgende sein:
Erstens. Nur wenige Menschen sind vollends über
sämtliche Möglichkeiten der Hospiz- und Palliativversorgung informiert. Um dies zu ändern, soll jeder Versicherte künftig einen Anspruch auf individuelle Beratung
für die Auswahl und Inanspruchnahme der vorhandenen
Möglichkeiten haben.
Zweitens. Es gibt weiterhin weiße Flecken in der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung, gerade im
ländlichen Raum. Diese Lücken zu schließen, ist eine
große politische Herausforderung. Hierfür müssen wir
Anreize schaffen und zusätzlich dafür sorgen, dass ausreichend qualifizierte Pflegekräfte ausgebildet werden
und zur Verfügung stehen.
Drittens. Auch bei den Ärzten unterstützen wir die
palliativmedizinische Weiterqualifikation. Die Vergütung palliativmedizinischer Leistungen wird zukünftig
an eine entsprechende Weiterbildung gekoppelt.
Viertens. Um die Arbeit der Hospize mit ihren zahlreichen Ehrenamtlichen noch angemessener zu honorieren, verbessern wir unter anderem die finanzielle Ausstattung und ermöglichen eine regelmäßige Überprüfung
der Rahmenbedingungen in diesem Bereich.
({1})
Das Versprechen einer flächendeckenden Hospiz- und
Palliativversorgung, die jedem Einzelnen offensteht, gilt
es einzulösen. Ein Sterben im Leiden muss mit den heute
vorherrschenden hohen Standards und zahlreichen Möglichkeiten der Hospiz- und Palliativversorgung nicht
mehr gefürchtet werden. Es bleibt aber eine abschreckende Vorstellung, in einer Gesellschaft zu leben, in der
sich auch nur ein Einziger aufgrund eines bewussten
oder unbewussten Drucks gedrängt fühlt, eine Entscheidung gegen das Leben und für die Sterbehilfe zu treffen.
Danke.
({2})
Vielen Dank, Frau Zeulner. - Nächster Redner:
Volker Kauder.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Bei Diskussionen in den letzten Monaten im Wahlkreis und in ganz Deutschland zu dem Thema Sterbebegleitung bin ich immer wieder gefragt worden: Was ist
eigentlich der Grund, dass sich der Deutsche Bundestag
mit diesem Thema beschäftigt?
Der Anlass, bei uns über das Thema zu diskutieren
und zu reden, war nie, was Ärzte dürfen und was nicht.
Es wird nicht bezweifelt, dass bestimmte freie Berufe,
Rechtsanwälte, Architekten, Ärzte, das Recht haben,
Kriterien für ihr Standesrecht festzulegen, also in einem
vom Gesetzgeber bewusst gelassenen Freiraum eigenständig zu entscheiden. Nicht das war das Thema. Die
Frage noch einmal: Was hat euch veranlasst, diese Debatte zu führen?
Veranlasst dazu hat uns alle eine Entwicklung in den
letzten zwei, drei, vier Jahren, die viele, ja die allermeisten hier in diesem Haus mit großer Sorge beobachtet haben, dass nämlich Vereine gegründet wurden - vor allem
der Verein von Herrn Kusch war der Auslöser -, die
Menschen angeboten haben, Mitglied zu werden, einen
Beitrag zu zahlen und dann von diesen Vereinen Hilfe
bei der Realisierung des Wunsches, zu sterben, zu erhalten.
Die Perversion dieses Gedankens war, dass es dabei
unterschiedliche Beiträge geben sollte: Derjenige, der
viel Geld investieren kann, kann verlangen, sofort die
Leistung Tod in Anspruch zu nehmen, der andere mit
weniger Geld muss länger warten. Was das mit Humanität zu tun hat, hat sich mir nie erschlossen.
({0})
Dies war der Grund, dass wir uns die Frage stellen:
Wollen wir so etwas in unserer Gesellschaft haben, oder
wollen wir das nicht? Selbst diejenigen, die in der Frage
des ärztlichen Beistandes, der Assistenz beim Suizid
durch einen Arzt, anderer Auffassung sind als ich, der
Kollege Lauterbach zum Beispiel, sind sich mit mir darin einig, dass wir solche Vereine nicht in unserem Land
haben wollen, dass dies nicht die menschlich adäquate
Antwort auf die Sorgen und Ängste der Menschen in unserem Land ist. Deswegen bin ich dankbar dafür, dass
sich hierzu offensichtlich ein breiter Konsens abzeichnet.
({1})
Aus der heutigen Debatte, die ja noch keine Entscheidungen bringt, was richtig ist, soll die Botschaft an die
Menschen gehen: Wir suchen nach einer Lösung, mit der
zuverlässig für Beistand in der schwersten Stunde des
Lebens gesorgt wird. Viele Menschen haben keine Angst
vor dem Tod, sondern sie haben Angst vor dem Sterben,
Angst davor, in diesem Prozess alleingelassen zu werden.
Wir diskutieren im Deutschen Bundestag viel über
Würde, Beistand, Hilfen im täglichen Leben. Angesichts
dessen kann hier nicht die Antwort sein: Wir lassen euch
im Sterben allein. Vielmehr muss die Antwort heißen:
Wir werden alles dafür tun, dass im Sterben niemand al6140
lein ist, sondern dass er begleitet wird, dass er Beistand
hat.
({2})
Deswegen halte ich es für richtig, dass wir die organisierte Sterbehilfe verbieten. Darüber hinaus sollten wir
das, was es in unseren Krankenhäusern heute tausendfach gibt, nämlich das Vertrauensverhältnis von Arzt und
Patient, nicht durch gesetzliche Regelungen stören,
meine sehr verehrten Damen und Herren.
({3})
Wir sollten dies dem ärztlichen Standesrecht überlassen.
Eine einzige kritische Anmerkung möchte ich machen. Genau diejenigen, die vorschlagen, dass in bestimmten Bereichen bei schwerer Krankheit und entsprechender Prognose der ärztliche Beistand, die Hilfe zum
Töten, zulässig sein soll, machen genau das, was sie eigentlich nicht wollen: Sie bringen den Arzt in ernste
Konflikte mit dem Strafrecht.
({4})
Denn dann muss er in allen anderen Fällen erklären, warum er diese Voraussetzungen nicht erfüllt sieht.
Ich fordere Sie daher auf: Machen wir das, was dringend geboten ist, verbieten wir die organisierte Sterbehilfe, und stärken wir das Vertrauensverhältnis zwischen
Arzt und Patient!
({5})
Vielen Dank, Volker Kauder. - Das Wort hat Thomas
Rachel.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Wir diskutieren derzeit sehr intensiv über
Begriffe wie Sterbehilfe, Selbsttötung oder Beihilfe zum
Suizid. Darin offenbart sich eine schwierige Engführung
der Herausforderung, vor der wir ethisch und politisch
stehen; denn Aufgabe des Gesetzgebers kann es doch
nur sein, die bestmögliche Hilfe beim Sterben, aber nicht
die Hilfe zum Sterben zu organisieren und zu gewährleisten.
Im Zentrum unserer Bemühungen steht der schwerstleidende Mensch selbst. Aber der schwerstleidende
Mensch will in aller Regel überhaupt nicht selbst seinem
Leben ein Ende setzen, sondern möchte sein Leiden vermindern und seine letzte Lebensstrecke in einer erträglichen Art und Weise erleben. Deshalb sollte sich unser
ganzes Bemühen auch genau auf dieses Ziel konzentrieren: Leiden und Schmerzen nach Menschenmöglichkeit
zu mindern, persönliche Fürsorge und Betreuung zu leisten und die beste palliativmedizinische und hospizliche
Versorgung für alle in unserem Lande sicherzustellen.
Jede Ethik, jedes Nachdenken darüber, was der
Mensch tun oder lassen soll, spiegelt immer auch ein
Stück weit das zugrunde liegende Menschenbild wider.
Wie wir miteinander und mit uns selbst umgehen, hat
seinen Grund und Ausgangspunkt zuallererst in der Art,
wie wir uns und die anderen Menschen sehen bzw. sehen
wollen.
Entsprechend dem christlichen Menschenbild, dem
wir uns als CDU/CSU besonders verpflichtet fühlen,
steht der leidende Mensch in besonderer Weise im Mittelpunkt. Dabei gehören Selbstbestimmung und Solidarität, Freiheit und Verantwortung, Selbst- und Nächstenliebe untrennbar zusammen. Selbstsorge und Fürsorge
für andere sind untrennbar miteinander verbunden, weil
der Mensch aus christlicher Sicht ein Beziehungswesen
ist. Wir sind auf Beziehungen mit anderen Menschen
- und ich ergänze: auch mit Gott - angewiesen. Der
Kranke, Leidende und Sterbende steht nicht singulär mit
seinem Schicksal allein, sondern darf auf die Unterstützung der Gemeinschaft bauen. Das ist letztlich eine
Grundhaltung, die auch für andere Religionen prägend
sein kann und prägend ist. Und gerade diese notwendige
- im Sinne von „die Not wirklich wendende“ - Unterstützung dürfen wir dem betroffenen Menschen nicht
versagen.
In der evangelischen Ethik unterscheiden wir zwischen der individualethischen und der sozialethischen
Perspektive. In Grenzerfahrungen des menschlichen Lebens, in Situationen schwersten Leidens wissen wir um
die ganz tiefen Gewissenskonflikte, die die Betroffenen
und ihre nächsten Angehörigen ereilen. Wir kennen solche Grenzfälle, in denen - auch wenn man dies selbst
nicht bejahen kann - Beihilfe zum Suizid geleistet und
persönlich verantwortet wird.
Evangelische Ethik weiß, dass zu einem ethischen
Handeln auch die Übernahme von Schuld gehört. Eine
organisierte Form der Beihilfe zum Suizid muss aber unter sozialethischen Gesichtspunkten betrachtet werden,
weil sie sich auf die gesamte Gesellschaft auswirkt. Was
allenfalls als Ausnahme aufgrund einer persönlich verantworteten Entscheidung infrage kommen kann, darf
nun nicht rechtlich geregelte Normalität werden.
({0})
Der Vorschlag für solche Grenzfälle, die Möglichkeit
des ärztlich assistierten Suizids rechtlich genauer zu regeln, birgt mindestens zwei Gefahren. Erstens würden
wir die Beihilfe zum Suizid, wenn auch nur in Ausnahmefällen, zur ärztlichen Aufgabe machen. Damit würde
das Berufsbild des Arztes, der doch dem Leben verpflichtet ist, verändert, ich würde sagen: beschädigt. Es
bedarf keiner weiteren Verrechtlichung des Arzt-Patienten-Verhältnisses. Zweitens könnte sich die Einstellung
in unserer Gesellschaft zum Suizid sowie zur Beihilfe
zum Suizid verändern. Dieser würde vermutlich nicht
mehr als tragischer Einzelfall, sondern als „normale“
Möglichkeit empfunden.
Machen wir uns doch nichts vor: Suizid, in welcher
Form auch immer, hinterlässt Spuren bei den Hinterbliebenen und in der gesamten Gesellschaft. Ein Gesetz
kann der Ausnahmesituation des persönlichen und individuellen Sterbens nicht gerecht werden. Eigentlich ist
der Gedanke sogar vermessen. Deshalb erscheint der
Ruf nach gesetzlicher Regelung der Beihilfe zur Selbsttötung genauso irreführend. Aus der tragischen Not individueller Ausweglosigkeit kann keine gesetzgeberische
Tugend, quasi ein einklagbarer Normalfall werden.
Ich sage deshalb abschließend: Was wir brauchen, ist
ein Verbot der gewerblichen und organisierten Form der
Sterbehilfe; denn hier wird Hilfe versagt, wo doch Hilfe
notwendig wäre. Mit Blick auf die Beihilfe zum Suizid
benötigen wir keine Maßnahme des Gesetzgebers. Stattdessen brauchen wir einen flächendeckenden und konsequenten Ausbau von Hospizen sowie beste ambulante
und stationäre palliativmedizinische Versorgung. Jetzt
geht es um die Verantwortung für das Leben und nicht
für den schnellen Weg aus dem Leben.
Herzlichen Dank.
({1})
Vielen Dank, Thomas Rachel. - Nächste Rednerin ist
Pia Zimmermann.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
In den vielen Jahren meiner Tätigkeit im Pflegebereich
sind mir viele Fragen und Wünsche zu Ohren gekommen, darunter auch der Wunsch, nicht mehr leben zu
wollen. Ich will es vorwegnehmen: Ich selbst bin noch
zu keiner ganz endgültigen Entscheidung gelangt, wie
mit dem Thema Sterbebegleitung umzugehen ist. Allerdings bin ich mir sicher, dass wir gemeinsam dafür
Sorge tragen müssen, dass die Palliativversorgung auskömmlich finanziert, gestärkt und ausgebaut wird.
({0})
Es darf nicht sein, dass aufgrund einer schlechten Versorgung, aufgrund von Schmerzen oder deshalb, weil
kein Hospizplatz zur Verfügung steht, oder aus Angst
davor, die Angehörigen durch hohe Pflegezuzahlungen
finanziell zu belasten, nach einem assistierten Suizid
verlangt wird.
Mehr als 300 000 Menschen versterben in Pflegeeinrichtungen. Auch hier muss medizinisch, strukturell und
ökonomisch eine souveräne Palliativversorgung sichergestellt werden, sodass niemand aus Einsamkeit, wegen
Schmerzen oder Vernachlässigung zu einem Sterbewunsch kommt.
({1})
Die Hospizversorgung muss im ländlichen wie im urbanen Raum ausgebaut werden. Es muss auch ein Rahmen
geschaffen werden, in dem die ambulante Hospizversorgung uneingeschränkt gewährleistet wird; denn viele
sterbende und schwerstkranke Menschen würden gerne
in der letzten Lebensphase im gewohnten Umfeld versorgt werden.
Ich teile die Auffassung von Hermann Gröhe und anderen, die in einem Papier der letzten Tage schreiben,
dass schwerkranke und sterbende Menschen die bestmögliche menschliche Zuwendung, Versorgung, Pflege
und Betreuung erhalten müssen. Ich möchte das um zwei
Punkte ergänzen: Sie müssen erstens eine bestmögliche
medizinische Begleitung bekommen. Zweitens muss das
alles unabhängig davon stattfinden, ob sich die Familien
und Angehörigen das leisten können.
({2})
Diese vollumfängliche gute Versorgung für Menschen
mit hohem oder sehr hohem Pflegebedarf, für Menschen
mit nahendem Lebensende sind für mich durch Artikel 1
des Grundgesetzes sichergestellt; denn zu einem Leben
in Würde gehört auch das Sterben in Würde.
({3})
Doch diese Würde ist meiner Überzeugung nach nicht
denkbar ohne Selbstbestimmung. Dazu möchte ich hier
einige Fragen in die Diskussion einbringen: Gehört zu
der Autonomie, frei über sich entscheiden zu können,
auch, lebensverlängernde Maßnahmen jederzeit ohne
Patientenverfügung ablehnen zu dürfen? Wer entscheidet außer den Betroffenen selbst, welche Schmerzen erträglich sind? Wer entscheidet außer den Betroffenen
selbst, ob ein Leben zwar ohne Schmerzen, aber in Bewegungsunfähigkeit noch würdevoll ist? Darf der Staat
darüber entscheiden, ob sich Betroffene Hilfe zum Sterben erbitten dürfen, um somit nach eigenem Empfinden
würdevoll aus dem Leben zu scheiden? Wie weit darf
oder muss Selbstbestimmung gehen?
Eine gute Freundin sagte mir einmal, ausschließlich
sie allein habe zu entscheiden, wie lange sie ein als qualvoll empfundenes Leben zu ertragen habe. Das hat mich
sehr berührt, weil ich der Auffassung bin, niemand sollte
ein Leben als qualvoll empfinden. Selbst Hippokrates
verlangte von dem Arzt - ich zitiere -: Im Unheilbaren
aber muss er sich auskennen, damit er nicht nutzlos
quäle. - Diese Entscheidung über Empfindungen kann
aber nur der oder die Betroffene selber treffen, und das
muss akzeptiert werden.
({4})
In der Sache liegt meine Freundin auch richtig, da der
Suizid juristisch nicht relevant ist.
Ich wünsche mir natürlich - das habe ich vorhin
schon angesprochen -, dass wir alle Voraussetzungen
schaffen, dass die Wünsche nach Suizid gar nicht erst
aufkommen. Aber wenn der Entschluss, nachvollziehbar
oder nicht, durch den Betroffenen oder die Betroffene
selbst getroffen ist und wir anerkennen, dass Selbstbestimmung zur Würde des Menschen gehört, müssen wir
uns als Gesetzgeber die Frage stellen: Wie können wir
sicherstellen, dass auch Menschen, die nicht in der Lage
sind, einen selbstständigen Suizid zu vollziehen, selbstbestimmt über Leben und Tod entscheiden können?
({5})
Auf der anderen Seite ist zu klären, ob es in Zukunft eine
Institutionalisierung geben soll, in der verzeichnet wird,
wer auf Verlangen berechtigt ist, aktive Suizidassistenz
zu leisten und wer nicht. Einer geschäftsmäßigen Sterbehilfe, um wirtschaftlich oder aus anderen Gründen davon
zu profitieren, kann ich persönlich nicht zustimmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, dass ich
bei diesem Thema mehr Fragen als Antworten habe. Ich
bin aber zugleich froh, dass wir uns die Möglichkeit gegeben haben, in dieser Orientierungsdebatte eben diese
auch aufzuwerfen.
Zusammengefasst bin ich der festen Überzeugung,
dass wir alles dafür tun müssen, dass eine Pflege- und
Palliativversorgung in Würde und selbstbestimmt ohne
seelische und materielle Not gewährleistet wird.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({6})
Vielen Dank, Pia Zimmermann. - Nächster Redner ist
Burkhard Lischka.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Worüber
debattieren wir hier heute vier Stunden unter dem Titel
„Sterbebegleitung“? Nun, wir sprechen über Menschen,
und zwar über Menschen, die leben wollen - mit jeder
Faser ihres Körpers. Sie wünschen sich nichts sehnlicher
als eine Heilung ihrer tödlichen Erkrankung. Sie wissen
aber auch, oft nach einem jahrelangen Kampf, dass sie
diesen Kampf verloren haben. Insoweit sprechen wir
heute nicht über einige unmündige und dumme Menschen, denen wir nur einmal richtig erklären müssen, wie
wir sie künftig besser betreuen und pflegen, und schon
wird das Sterben leichter. Anstand, Respekt und Ehrfurcht vor Menschen in einer ausweglosen Situation
sollte der Kern der Debatte sein, die wir heute und in den
kommenden Monaten führen.
({0})
Dabei gibt es Krankheiten, die so schrecklich sind, dass
sie uns vor gegenseitigen Unterstellungen, aber übrigens
auch vor Prinzipienreiterei schützen sollten.
({1})
Mit Prinzipienreiterei konnten noch keine qualvollen
Schmerzen gelindert werden. Es muss uns stattdessen in
dieser Debatte gelingen, Brücken zu bauen, anstatt neue
Gräben aufzureißen.
Meine Damen und Herren, der Schutz des Lebens ist
ein elementarer Grundsatz, eine rote Linie in dieser Gesellschaft. Die Politik und der Gesetzgeber müssen alles
tun, um diese rote Linie zu wahren. Insofern: Ja, es gibt
ein Recht auf Leben. Aber: Nein, es gibt in dieser Gesellschaft keine Pflicht, qualvoll zu verrecken,
({2})
weil die Würde des Menschen eben nicht nur in seinem
Leben, sondern auch in seinem Tod unantastbar ist.
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe eine 85-jährige Mutter. Sollte die mich eines Tages mit dem
Wunsch nach Sterbehilfe konfrontieren, dann werde ich
persönlich alles tun, ihr diesen Wunsch auszureden. Ja,
das hat durchaus auch etwas mit meinen eigenen Werteund Moralvorstellungen zu tun. Aber ich werde als Gesetzgeber in diesem Hohen Haus nicht meine Hand dafür
heben, dass todkranke Menschen zum Objekt meiner eigenen Werte- und Moralvorstellung gemacht werden;
denn am Ende zählt der Mensch und nicht die strafrechtliche Bevormundung.
({4})
Der Staat hat das zu verbieten, was vollkommen inakzeptabel ist, beispielsweise eine gewinnorientierte Sterbehilfe oder die obszöne Werbung dafür. Der Staat muss
auch dafür Sorge tragen, dass die Sterbehilfe nicht zu
leicht gemacht wird, weil sonst die Gefahr besteht, dass
Dämme brechen und Missbrauch entsteht. Insofern habe
ich auch kein Problem damit, sogenannte Sterbehilfevereine zu verbieten. Ich will auch nicht, dass Laien ohne
jegliche Kontrolle Todkranken Suizidbeihilfe leisten.
Aber ich will, dass es in diesem Land einen letzten Freiraum für mitfühlendes ärztliches Ermessen in unvorstellbaren Notlagen gibt. Ärzte, das sind diejenigen, die aufgrund ihrer Ausbildung und beruflichen Praxis heute
schon ganz schwierige Entscheidungen über Leben und
Tod treffen müssen. Wer demgegenüber auch den ärztlich assistierten Suizid unter Strafe stellt - ich sage es
einmal deutlich: der Entzug der Approbation eines Arztes ist auch eine solche Strafe -, der schafft ein fatales
Schweigen zwischen Arzt und Patienten,
({5})
dass die existenzielle Not vieler Menschen nur noch vergrößern wird.
({6})
Eine humane Gesellschaft muss in Situationen, in denen
Atemnot, Schmerzen, Angst und Verzweiflung nicht
mehr beherrschbar sind, auch die Kraft aufbringen, sterben zu lassen. Ich will jedenfalls nicht, dass todkranke
Menschen dieses Land verlassen müssen, um frei verantwortlich ärztlich begleitet in Würde sterben zu können.
({7})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es kann bei dieser
Debatte nicht um ein Entweder-oder gehen; wir müssen
vielmehr zu einem Sowohl-als-auch kommen. Menschen
muss das Ende ihres Lebens so erträglich wie möglich
gestaltet werden; das ist eine der Hauptaufgaben der Medizin. Aber wenn es für den Einzelnen nicht mehr erträglich ist, dann muss es auch die Möglichkeit geben, dass
dem Einzelnen geholfen wird, frei verantwortlich sein
Leben in Würde zu beenden. Auch das kann die Gewissensentscheidung eines Mediziners sein, übrigens, eine
höchst individuelle Entscheidung - für den Patienten, für
seine Angehörigen, aber auch für den Arzt.
Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt in diesem
Zusammenhang Grenzen und Extremsituationen, an die
Recht und Strafe nicht heranreichen. Diese Einsicht
sollte uns vor jedem Rigorismus in der Gesetzgebung
bewahren.
Vielen Dank.
({8})
Vielen Dank, Burkhard Lischka. - Nächster Redner
ist Kai Gehring.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wohl jeder hier
in diesem Raum hat so wie ich einschneidende Erfahrungen machen müssen, geliebte Menschen zu verlieren, sie
beim Sterben begleitet zu haben, sei es auf der Intensivstation, in einer Pflegeeinrichtung oder in einem Hospiz.
Diese frühen persönlichen Erfahrungen und die Auseinandersetzung mit der Patientenverfügung haben mir
gezeigt: Sehr viele Menschen bewegt, was für sie ein
würdiges Lebensende bedeutet. Sie wollen, dass die
letztendliche Entscheidung über Leben und Tod bei ihnen verbleibt.
Sie, meine Damen und Herren, wissen: Nur die Hilfe
zur Selbsttötung, nicht aber die anderen Formen von
Sterbehilfe stehen heute zur Diskussion. Die passive und
die indirekte Sterbehilfe sind verbrieftes Patientenrecht,
bestehende Praxis, und sie stehen nicht zur Disposition.
Es geht im Kern um die Beibehaltung der Hilfe zur
Selbsttötung.
({0})
Zusammen mit Renate Künast, Petra Sitte und vielen
anderen habe ich eine Position erarbeitet, für die ich
auch heute um Zustimmung werbe. Wir wollen kein Verbot von Suizidbegleitung durch Ärzte und Sterbehilfeorganisationen. Wir wollen, dass das Spektrum der letzten
Hilfe beim frei verantwortlichen Suizid so bleibt, wie es
ist.
({1})
Für uns ist der einzelne Mensch Souverän seines eigenen
Lebens. Nicht andere haben darüber zu entscheiden, wie
ich zu sterben habe. Für mich zählt, wie ein Mensch sein
Dasein einschätzt. Für mich zählen seine ganz persönliche Definition von Würde, die ganz persönliche Entscheidung, ob und, wenn ja, wie er oder sie in einer extremen,
unerträglichen Leidenssituation um Assistenz bittet.
Der Freitod ist hierzulande straffrei. Das soll auch so
bleiben; denn als Gesetzgeber haben wir diese wohl
schwerwiegendste aller Entscheidungen zu achten und
zu respektieren.
({2})
Wir wollen, dass auch die Beihilfe zum Suizid weiter
straffrei bleibt, und zwar straffrei für alle infrage kommenden Gruppen, also die Angehörigen, die Ärzte und
die Sterbehilfevereine.
({3})
Das Strafrecht ist das schärfste Regelwerk einer Gesellschaft, aber überhaupt keine adäquate Antwort für
Sterbende und Sterbewillige in existenzieller Not, die
um letzte Hilfe nachsuchen. Das Strafrecht ist auch kein
Ort, die eigene Weltanschauung oder Religion zum Maßstab für alle zu erheben, erst recht in einer so pluralistischen und vielfältigen Gesellschaft, wie wir sie heute haben.
({4})
Wir brauchen mehr Fürsorge statt mehr Strafrecht. Es
braucht ein breites, flächendeckendes Angebot an Unterstützung, an helfenden Händen und ergebnisoffene Gespräche, damit eine autonome Entscheidung getroffen
werden kann. Es ist bei allen Fortschritten der letzten
Jahre heute mitnichten so, dass alle, die Palliativversorgung oder Hospizhilfe suchen, ebendiese auch finden,
und das muss sich endlich ändern.
({5})
Wir sollten deswegen als Bundestag gemeinsam zuallererst beschließen, worüber hier heute offenbar Einigkeit besteht: eine Ausbauoffensive sowohl für Hospize
als auch für Palliativmedizin.
({6})
Von der Koalition erwarte ich endlich auch eine Pflegereform, die gleiche Würde in Pflegeeinrichtungen sichert. Dafür braucht es deutlich mehr Geld, deutlich
mehr Personal, bessere Bezahlung und Ausbildung als
bisher.
({7})
Zu einem flächendeckenden Hilfesystem gehören für
mich und unsere Gruppe aber auch nichtkommerzielle
Sterbehilfevereine. Für diese schlagen wir klarere Regeln vor, vor allem mehr Transparenz durch Dokumentation und Rechenschaft über ihre Arbeit. Und: Man darf
mit Sterbehilfe kein Geld machen dürfen.
({8})
Ich sage Ihnen, warum mir die Arbeit von Sterbehilfevereinen so wichtig ist: weil es immer mehr Menschen in
diesem Land gibt, die gar keine Angehörigen haben oder
die kein Vertrauensverhältnis zu ihren Verwandten haben, die ganz bewusst über letzte Hilfe mit einem Arzt
oder einem Verein sprechen wollen und diese gegebenenfalls um Suizidassistenz bitten. Wieso sollten wir das
diesen Menschen verwehren, indem wir ihre möglichen
Assistenten kriminalisieren? Wäre es nicht ethisch hochproblematisch, sterbewillige Patienten abzuweisen? Das
treibt mich um.
({9})
Die geäußerte Sorge, dass der heute erlaubte assistierte Suizid den Druck erhöhe, sich umzubringen, teile
ich nicht. Dafür gibt es hierzulande keine belastbaren Indizien. Dem Druck Dritter muss und kann vorgebeugt
werden: durch gesellschaftliche Wachsamkeit, durch
ärztliche Achtsamkeit, also durch genaues Hinsehen und
genaues Hinhören. Ich habe erlebt, dass Menschen in
höchster Not die bloße Option der Suizidhilfe Ängste
nehmen kann, sei es vor Würdeverletzung oder vor völligem Autonomie- oder Kontrollverlust im Sterben.
Daher ist unser Weg: Beihilfe zur Selbsttötung straffrei belassen; Ja auch zu Vereinen, aber mit klareren Regeln, damit die Freiheit zur Selbstbestimmung auch am
Lebensende gesichert ist.
({10})
Vielen Dank, Kai Gehring. - Nächster Redner:
Michael Frieser.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Ich bin heute wirklich stolz, ein Mitglied
dieses Parlamentes zu sein, weil sich dieser Bundestag
mit dem richtigen und notwendigen sittlichen Ernst dieser Debatte widmet. Diesen Eindruck habe ich nicht immer bei den Debatten. Die Tatsache, dass sich die Kollegen so intensiv auch mit ihrer persönlichen Geschichte
und ihrer persönlichen politischen Motivation in diese
Debatte einbringen, zeigt, wie ich glaube, dass die politische Klasse, wenn man sie so bezeichnen darf, der vor
uns liegenden Aufgabe gerecht werden kann. Wir befinden uns allerdings erst am Anfang des Weges.
Ja, mir persönlich wäre auch wohler, wenn wir nichts
ändern müssten. Nein, es gibt keine Katastrophe in diesem Land. Aber Änderungsbedarf zeichnet sich ab. Organisationen, ob aus dem benachbarten Ausland oder im
Inland, und eine geänderte Rechtsprechung machen es
notwendig, dass auch wir uns mit der Frage des assistierten Suizids beschäftigen. Deshalb bin ich sehr dankbar,
dass es gelungen ist, zusammen mit der Kollegin
Lücking-Michel und dem Kollegen Brand eine Position
zu beschreiben, die uns heute, wie ich sehe, doch mit
sehr vielen eint. Um es noch einmal deutlich zu machen:
Jede organisierte Form von Sterbehilfe, jede organisierte
Form von assistiertem Suizid treibt uns um, und wir wollen nicht, dass jemand alleine oder zu mehreren auf
Dauer angelegt mit Erwerbsabsicht oder ohne in diesem
Land den Tod auf Bestellung anbietet.
({0})
Diese Position braucht noch deutlich mehr Unterstützer,
auch in der Öffentlichkeit.
Wir wollen darüber hinaus nicht, dass gerade die
Menschen, die nahen Angehörigen, die in einer ganz
schweren existenziellen Situation mit einem Menschen,
den sie lieben, den sie schätzen und den sie bis zum letzten Tag begleiten, kriminalisiert werden. Wir wollen
auch nicht in dieses emotional ganz stark belastete Verhältnis, in dieses vertrauensvolle, intime Verhältnis eines
Arztes mit seinem Patienten hineinregieren. Deshalb
darf es kein Sonderstrafrecht für Ärzte geben. Deshalb
darf es keinen Katalog geben, mit dem wir beschreiben,
wie ein Arzt den assistierten Suizid zu erbringen hätte.
Es darf aber, wo wir schon nichts Organisiertes wollen, auch keinen damit in Zusammenhang stehenden
Ausnahmetatbestand geben. Was wäre denn die Folge?
Die Folge einer solchen Ausnahmeregelung wäre, dass
irgendwann eine Gebührenziffer für diesen Tatbestand
eingeführt werden müsste, dass irgendwann einmal geregelt werden müsste, wie dies vonseiten der Berufshaftpflicht zu handhaben ist; denn ein Arzt, der sich auf dieses Terrain begibt - als Angehöriger eines freien Berufes
trägt er sowieso schon erhöhte Verantwortung -, muss
mögliche Fälle irgendwann auch einmal einer Berufshaftpflicht vorlegen können. Es stellt sich auch die Frage
der Ausbildung: Wollen wir in einem Land leben, in dem
der Tod als Gebührenziffer auftaucht?
All das sind Punkte, über die wir uns noch austauschen müssen. Deshalb ist es, wie ich glaube, entscheidend, dass wir gerade bei dieser Frage nicht den Eindruck erwecken dürfen, eine Tötung auf Verlangen sei in
Ausnahmefällen möglich für Menschen, die zum Beispiel todkrank sind. Denn dann beginnen wir bei der
Leistungserbringung zwischen Krankheitsfall und nicht
Krankheitsfall zu unterscheiden. Ich bin gespannt, wie
lange so ein Vorgehen verfassungsrechtlich überhaupt
Bestand hätte und ob es nicht irgendwann dazu kommt,
dass sich auch der Gesunde dieses Recht auf Leistung einer Beihilfe, eines assistierten Suizids, im Grunde das
Recht auf diese Täterschaft erstreitet.
Wir müssen uns eines vor Augen halten: Im Augenblick sprechen wir noch von assistiertem Suizid. Aber irgendwann, wenn dieser Fall des assistierten Suizids der
Normalfall, der Normfall in dieser Gesellschaft ist, wird
der Arzt vom Helfer zum Täter werden müssen. Diese
Gesellschaft wird nämlich, wenn das zur Normalität
wird, dem Arzt dies irgendwann als Forderung vorlegen.
Dann will man begleitet sein, und zwar nicht nur in
Form einer Beihilfe - bei der wir nichts ändern wollen -,
sondern tatsächlich auch in der Form, dass wir dieses
Schicksal in die Hand des Arztes geben. Das ist eine
Entwicklung, die ich nicht gutheißen kann. Ich bin aber
schon heute der Überzeugung - das zeigt sowohl diese
Debatte als auch unser einheitlicher Wille, eine Alternative zu bieten -: Wenn wir uns aufschwingen und die
Frage regeln wollen, inwieweit Menschen am Ende ihres
Lebens dieses Ende tatsächlich gestalten wollen und
müssen, dürfen wir das nur tun, wenn wir in Palliativversorgung und Hospizversorgung eine echte Alternative
anbieten und den Menschen deutlich machen, dass in
dieser Gesellschaft niemand durch die Hand eines anderen, sondern an der Hand eines anderen sterben soll.
Danke schön.
({1})
Vielen Dank, Michael Frieser. - Nächster Redner ist
Wolfgang Gehrcke.
({0})
Schönen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Damen und
Herren und Kolleginnen und Kollegen! Ich denke schon,
dass es eine gemeinsame Verpflichtung des Bundestages
ist, Bedingungen zu schaffen, dass ein Mensch am Ende
seines Lebens oder im Falle einer schweren, nicht überwindbaren Krankheit in Würde sterben kann, und dass
nicht die finanzielle Bedingungen darüber entscheiden,
ob er die Würde hat oder ihm die Würde genommen
wird.
({0})
Man kann ihm auch durch finanzielle Bedingungen die
Würde nehmen.
Hier besteht Regelungsbedarf. Das liegt hier im Bundestag auf dem Tisch, und dem müssen wir uns stellen.
Wenn wir die Verhältnisse nicht ändern, sind viele Reden, die hier gehalten werden, hohle Reden. Leider
stimmt ja der Satz: Weil du arm bist, musst du früher
sterben.
({1})
Ich kann dazusetzen: Aus meiner Sicht sind auch im Tod
nicht alle Menschen gleich. Wenn man sich anschaut,
wie Menschen sterben oder sterben müssen, kann man
die Feststellung: „Auch im Tod sind nicht alle gleich“
- das Ende ist gleich; aber im Tod sind nicht alle
gleich -, nur unterstreichen. Deswegen ist meine Bitte:
Lassen Sie uns gemeinsam die Verhältnisse ändern, damit man wirklich in Würde leben und sterben kann.
Ich möchte einen zweiten Punkt aus meiner Sicht ansprechen. Ich stelle ihn anderen Auffassungen nicht entgegen, sondern daneben. Zu meinem Verständnis von
Selbstbestimmung gehören die Selbstbestimmung der
Frau, ob sie eine Schwangerschaft austragen will oder
nicht, und die Selbstbestimmung, zu entscheiden, ob und
wann man seinem Leben ein Ende setzen will ({2})
Nicht nur bei schweren Krankheiten, nicht nur im Alter:
Ein Mensch muss das Recht haben, über das eigene Leben zu entscheiden. Dafür muss ihm Hilfe angeboten
werden, als soziales Ensemble, von der Medizin, von der
Kultur des Lebens und Sterbens, in vielfacher Hinsicht.
Das müssen wir leisten.
({3})
Deswegen muss mehr Geld in die Hospizversorgung
fließen und muss mehr Aufmerksamkeit auf sie gerichtet
werden. Wir müssen in der Gesellschaft darauf hinwirken, das Menschenbild zu verändern. Das Menschenbild, das propagiert wird, ist: Ein Mensch ist, wer top
leistungsfähig ist. Alles andere, was von dieser Norm
abweicht, wird in der Gesellschaft schon kritisch betrachtet. Wir brauchen ein anderes Menschenbild in der
Gesellschaft, das wirklich die vielen Facetten, Veränderungen, Entwicklungen und die Unterschiedlichkeit der
Menschen zum Gegenstand hat.
({4})
Ich bin für mehr Gleichheit, ich bin aber auch für ein
sehr vielfältiges Menschenbild.
Ich möchte Ihnen zum Schluss gern einen Text vortragen, der mich immer beschäftigt hat, den ich von Zeit zu
Zeit lese, bei dem ich nicht mit allem einverstanden bin,
der mich aber immer wieder anregt. 1911 haben in Paris
zwei für mich wichtige Personen den Freitod - ich benutze diesen Begriff und nicht den Begriff „Selbstmord“ - gewählt: Jenny Marx, die Tochter von Karl
Marx, und Paul Lafargue. Paul Lafargue hat darüber geschrieben, warum er und Jenny Marx den Freitod gewählt haben. Ich will Ihnen das nicht vorenthalten. Er
schreibt:
Gesund an Körper und Geist töte ich mich selbst,
bevor das unerbittliche Alter, das mir eine nach der
anderen alle Vergnügen und Freuden des Daseins
genommen und mich meiner körperlichen und geistigen Kräfte beraubt hat, meine Energie lähmt, meinen Willen bricht und mich für mich und andere zur
Last werden lässt.
Das war seine Begründung, warum er mit seiner Frau
Jenny Marx zusammen den Freitod gesucht hat.
Die Aussage, man möchte nicht anderen zur Last fallen, beunruhigt mich. Ich bin nicht gläubig, aber da hat
das Christentum die schöne Begrifflichkeit: „Einer trage
des andern Last.“ Warum können wir nicht zusammen
über eine Gesellschaft nachdenken, in der Solidarität
und Selbstbestimmung keine Widersprüche sind? Für
eine solche Gesellschaft sollten wir eintreten. Dann hat
die Debatte hier einen Sinn. Lassen Sie uns die Verhältnisse ändern, die Verhältnisse, die aus den Menschen ge6146
quälte Wesen machen; man findet sie massenhaft in sogenannten Pflege- und Altersheimen.
Herzlichen Dank.
({5})
Vielen Dank, Wolfgang Gehrcke. - Nächster Redner:
René Röspel.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! „Ich will selbst bestimmen, wie ich sterbe.“ Ich
glaube, jeder und jede in diesem Haus wird diesen Satz
unterschreiben können. Vor etwa zehn Jahre hat eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages sich mit
diesem Satz und mit der Frage befasst - einige waren dabei -, wie das Ende des menschlichen Lebens denn aussehen soll. In vielen Gesprächen und Anhörungen haben
wir herausfinden können - das kann man auch ohne Expertenanhörungen -, wovor die Menschen Angst haben,
wenn sie an das eigene Lebensende denken. Es ist die
Angst davor, in Schmerzen, mit Leid und Qualen sterben
zu müssen; es ist die Angst davor, irgendwo einsam in
einem Krankenhaus am Ende des Flures oder in einem
Pflegeheim - das ist häufig der Fall - sterben zu müssen;
es ist die Angst, den lange hinausgezögerten Tod an irgendwelchen Apparaten und Schläuchen hängend erleben zu müssen. Diese Ängste und diese Eindrücke wurden häufig durch schlechte Bilder und negative Beispiele
aus Pflegeheimen verstärkt - es gibt sie -, durch extreme
Krankheitssituationen, die sich keiner von uns wünscht
und die Frage aufkommen lassen: Was ist eigentlich der
Ausweg aus diesem Dilemma?
Besser wurde es auch nicht dadurch, dass, wie wir vor
zehn Jahren herausgefunden haben, viele Ärztinnen und
Ärzte nicht wirklich in der Lage waren und sind - es hat
sich gebessert -, zu unterscheiden, was überhaupt möglich und erlaubt ist. Untersuchungen und gute Studien
zeigten, dass ein Therapieabbruch, ein Behandlungsabbruch, der erlaubt, der zulässig ist, dass das Abschalten
von Apparaten, das erlaubt ist, häufig als aktive Sterbehilfe angesehen wurden, die verboten ist. Den Richterinnen und Richtern ging es häufig auch so. Das hat es sicherlich nicht besser gemacht. Denn vieles wurde als
verboten angesehen, was doch zulässig, erlaubt und
sinnvoll ist.
Was ist jetzt die Antwort auf die Ängste, die die Menschen umtreiben? Ist es wirklich, wie gefordert wird,
mehr Selbstbestimmung? Ich gebe zu, ich verstehe dies
nicht wirklich. Das Selbstbestimmungsrecht ist eines der
höchsten Verfassungsrechte, die wir haben. Ich glaube,
es wird in Deutschland wirklich garantiert. Niemand
darf gegen seinen Willen von seinem Arzt behandelt
werden. Wenn Ihr Arzt etwas machen will und Sie es
nicht wollen und sagen: „Lass es sein!“, dann hat er es
zu lassen. Das ist Selbstbestimmungsrecht.
In Deutschland ist auch der Freitod zulässig; die
Selbsttötung ist nicht strafbar. Wer sich dazu entscheidet
- wir alle wollen sicherlich jeden davon abhalten, den
Freitod zu wählen -, darf das tun. Zulässig ist in
Deutschland auch die Beihilfe zur Selbsttötung. Wer
sagt: „Ich kann das nicht alleine“, und jemanden findet,
der den Schierlingsbecher hinstellt, der kann das tun lassen. Er muss allerdings selbst den Becher oder den
Strohhalm in die Hand nehmen und selbst trinken.
Was also ist die Forderung nach mehr Selbstbestimmung? Eigentlich kann es nur um den Fall gehen, in dem
jemand sagt: Ich kann mich nicht mehr selbst töten, ich
will mich nicht mehr selbst töten; mach du das bitte für
mich! - Das ist Tötung auf Verlangen oder aktive Sterbehilfe - aus meiner Sicht der Rubikon, der nicht überschritten werden darf.
({0})
Ich glaube nicht, dass es eine Antwort auf die Ängste
der Menschen ist, jetzt, wie es eines der Positionspapiere
vorsieht, gesetzlich und sehr eng zu regulieren, inwieweit Ärzte diese Beihilfe zum Suizid leisten dürfen. Ich
glaube, dass der Automatismus sein wird, dass gefragt
werden wird - wir haben das bei der Patientenverfügungsdiskussion vor fünf Jahren gehabt -: Warum macht
ihr das nur für diesen kleinen Bereich? Wann kommt der
nächste Schritt, und mit welcher Begründung vollzieht
ihr diesen nächsten Schritt nicht, mehr zuzulassen? Ich
glaube, das wird uns nicht weiterführen.
Ich bin auch sehr überzeugt, dass nicht Antwort sein
kann, das Treiben der Sterbehilfevereine weiter zuzulassen, sondern - das ist der Punkt, wo ich mich mit Eva
Högl, Kerstin Griese und anderen treffe - zu überlegen
ist, wie wir das Treiben der organisierten Sterbehilfevereine eindämmen und verhindern oder verbieten können.
Meiner Überzeugung nach ist die Antwort auf die
Ängste, die die Menschen umtreiben, nicht mehr Selbstbestimmung, sondern mehr Fürsorge. Wir nehmen den
Menschen die Angst vor Schmerzen, wenn wir ihnen die
Schmerzen nehmen, und wir nehmen ihnen die Angst
vor Einsamkeit, wenn wir Hospizsysteme ausbauen,
wenn wir eine Gesellschaft haben, die Einsamkeit nicht
mehr so zulässt, wie es jetzt der Fall ist. Wir brauchen
Nächstenliebe und Solidarität.
Das sind genau die Punkte, die auch die EnqueteKommission vor zehn Jahren in einem guten Bericht
vorgeschlagen hat, von dem vieles umgesetzt worden ist;
denn Medizinstudenten lernen mittlerweile Palliativmedizin. Es gibt den Rechtsanspruch auf Palliativmedizin
und -pflege. Auch die Hospizarbeit wird ausgebaut, aber
wir haben noch längst nicht eine flächendeckende Palliativversorgung. Es muss also noch viel getan werden. Da
bin ich froh über das, was Elisabeth Scharfenberg vorschlug: Warum führen wir nicht einmal eine vierstündige
Debatte über Pflege und darüber, wie wir das Leben verbessern können, und vor allen Dingen darüber, wie wir
das finanzieren, denn das gehört zur Ehrlichkeit dazu?
({1})
Folgender abschließender Gedanke sei mir erlaubt,
weil er noch relativ frisch ist. Wir haben vor drei oder
vier Wochen in Gevelsberg ein ambulantes Hospiz
eingeweiht, und ich habe - wie wahrscheinlich alle größten Respekt vor der Arbeit der vielen Tausend
Ehrenamtlichen in Deutschland, die in ambulanten oder
stationären Hospizen Sterbebegleitung leisten. Das sind
für mich die stillen Helden unserer Gesellschaft.
({2})
Wenn wir diesen stillen Heldinnen - meist sind es Heldinnen - und Helden etwas besser zuhören würden,
wüssten wir vielleicht auch, wie wir das Sterben menschlicher und würdiger gestalten können.
Vielen Dank.
({3})
Vielen Dank, René Röspel. - Nächster Redner ist
Volker Beck.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sterben
ist nie würdelos, aber die Umstände und die Versorgung,
unter denen Menschen in unserem Land an schweren
Krankheiten leiden oder sterben, sind es oftmals leider
schon. Deshalb muss es in dieser Debatte meines Erachtens auch um die Lebensqualität im Sterben gehen, denn
die Situation vieler Sterbender, die viele Menschen gesehen oder über die sie in Berichten gelesen haben, findet
Ausdruck in dem breit verankerten Wunsch, man solle
da doch mehr zulassen.
Im Kern der Debatte geht es um den grundgesetzlichen Auftrag an den Gesetzgeber, Freiheit und Leben
der Menschen zu schützen. Artikel 2 unseres Grundgesetzes konkretisiert die Würde des Menschen darin, dass
das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit der
Menschen, aber auch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit geschützt sind. Wir haben also die
Aufgabe, dem Willen des Sterbenden Rechnung zu tragen und sein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit in den Mittelpunkt zu stellen.
Das große Problem, das wir haben, besteht darin:
Rechtsrahmen und Rechtswirklichkeit klaffen in unserer
Gesellschaft in den Krankenzimmern, in den Hospizen
und im häuslichen Bereich der Menschen leider dramatisch auseinander. Die Rechtsordnung hat längst durch
Urteile des Bundesgerichtshofes klargestellt, dass passive und indirekte Sterbehilfe erlaubt sind. Aber es ist
nicht im Bewusstsein vieler Ärzte und Krankenhäuser,
dass eigentlich jeder medizinische Eingriff eine Körperverletzung darstellt und sie nur durch die Einwilligung
des Patienten gerechtfertigt wird.
Auch am Krankenbett müssen Ärzte Patienten und
ihre gesetzlichen Vertreter befähigen, informierte Entscheidungen zu treffen. Sie sollten nicht einfach Apparate anbieten und medizinische Prophylaxebehandlungen, die ein Patient seit Jahrzehnten mitbringt,
gedankenlos fortsetzen. Vielmehr müssen sie mit dem
Patienten darüber reden: Was nützt dir in dieser konkreten Situation für deine Lebensqualität, und was ist
lebensverlängernd und damit unter Umständen auch
qualenverlängernd? Darüber findet oftmals kein reflektierter Prozess statt, sodass die Patienten und ihre Angehörigen keine informierte Entscheidung treffen können.
Ich würde gerne eine Debatte über diesen Punkt führen.
Wir müssen überlegen, wie man gesetzlich die Information stärker in den Mittelpunkt des medizinischen Auftrags der Ärzte stellt; denn hier geht es tatsächlich um
den Schutz des Lebens und um den Schutz der Selbstbestimmung der Sterbenden.
({0})
Meine Damen und Herren, die Palliativversorgung
wurde in dieser Debatte immer wieder in den Vordergrund gestellt. Ich musste vor einigen Jahren in dieser
Stadt die Erfahrung machen, wie es um die Palliativversorgung tatsächlich bestellt ist. Ich muss sagen: Wäre
ich nicht so entscheidungserfahren, durchsetzungsstark
und jung, dann wäre ich an dieser Aufgabe gescheitert.
Es gibt selbst in einer Stadt wie Berlin keine verlässliche
ambulante palliative Versorgung, es gibt Ansätze dazu.
Wir haben auch viel Geld dafür auf den Tisch gelegt.
Was Sie zum Thema ambulante Palliativversorgung vorgelegt haben, Herr Gröhe, löst die Probleme nicht. Es
kann doch nicht sein, dass ein älterer Mensch, der seinen
Lebenspartner oder Ehegatten zu Hause versorgen will,
weil er austherapiert ist und weil sie denken: „Es ist
schöner, wenn wir gemeinsam die letzten Stunden in der
gewohnten Umgebung verleben können“, sich als Manager dieses Versorgungssystems bewähren muss, dass er
dem standhalten muss, dass er Apothekengänge, den Besuch von Pflegediensten und Ärzten - die Fachärzte
kommen noch nicht einmal - organisieren muss, damit
sein Angehöriger anständig versorgt ist. Eigentlich will
er sich um seinen Partner kümmern, aber er kommt gar
nicht mehr dazu, das Zwischenmenschliche, das Abschiednehmen in den Mittelpunkt zu stellen, weil das in
unserer Versorgung nicht vorgesehen ist. Hier müssen
wir dringend etwas tun. Das Thema Palliativversorgung
sollte nicht Ausrede in der jetzigen Debatte über das
Strafrecht sein. Wir müssen es anpacken. Ich denke, dieses Thema können wir über alle Positionen hinweg in
Angriff nehmen.
({1})
Ich will ein letztes Wort zum Strafrecht sagen. Ich
finde, das Strafrecht muss nicht im Zentrum stehen. Wir
müssen vielmehr darüber reden, ob wir wollen, dass die
Beihilfe zum Suizid eine ganz normale Dienstleistung
ist, die in der Gesellschaft angeboten werden kann. Ich
will den Suizid und die Beihilfe zum Suizid grundsätzlich straflos lassen. Durch die organisierte und geschäftsmäßige Form verändert sich unsere Gesellschaft
aber in einer Art und Weise, dass es dann am Ende des
Lebens tatsächlich zwei Wege gibt: den normalen, bei
Volker Beck ({2})
dem man dem Tod eine Chance lässt, und den anderen,
bei dem man den Weg abkürzt. Das macht Druck auf die
Menschen, die sich im Sterbeprozess befinden.
Herr Kollege.
Deshalb ist es gerechtfertigt, die organisierten und geschäftsmäßigen Formen strafrechtlich zu unterbinden,
ohne die Beihilfe, auch die durch Ärzte, grundsätzlich
unter Strafe zu stellen.
({0})
Vielen Dank, Volker Beck. - Nächste Rednerin ist
Annette Widmann-Mauz.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
So wie wir heute hier diskutieren, tun wir das nicht allgemein und abstrakt als Politikerinnen und Politiker, die
pragmatisch einen Interessenausgleich suchen, wie wir
das an dieser Stelle sonst häufiger tun. Nein, heute debattieren hier zuallererst Menschen, Menschen, die Erfahrungen mit sterbenden Angehörigen und Freunden
haben, Menschen, die sich auch ganz persönlich fragen:
Wie möchte ich sterben? Viele sagen: „Ich möchte in
Würde sterben“, und sie verstehen dabei unter „Würde“
sehr Unterschiedliches. Die einen verstehen darunter,
dass sie ihren Tod mit ärztlicher Assistenz zu einem
bestimmten Zeitpunkt herbeiführen können. Andere verstehen unter würdevollem Sterben, dass sie nicht alleingelassen, sondern von Menschen liebevoll begleitet werden, dass sie keine Schmerzen haben und, wie man sagt,
in Frieden gehen können, in Frieden mit sich, mit dem
eigenen Leben versöhnt, mit Menschen, denen man Unrecht getan hat oder die einem Unrecht getan haben. Religiöse Menschen wie ich mögen hinzufügen: und in
Frieden mit Gott.
Aber, ob religiös oder nicht, wir sollten uns dabei im
Klaren sein: Diesen Frieden kann man nicht machen,
auch die moderne Medizin nicht. Dieser Friede lässt sich
nicht an- und verordnen. Auch alle Vorkehrungen und
Bedingungen für Selbsttötungshilfe, die sich ersinnen
lassen, schaffen diesen Frieden nicht. Die moderne
Medizin kann aber im Sterben helfen, und zwar in einem
Maße, das leider noch immer zu wenig bekannt ist. Der
Tod wird deshalb nie sein Unheimliches verlieren; aber
wir sollten uns und auch andere nicht in zusätzliche
Ängste hineinreden.
Mir sagte vor einiger Zeit ein sehr erfahrener Palliativmediziner, auch er habe Patienten gehabt, die ihn aus
lauter Angst vor dem qualvollen Sterben um Suizidhilfe
gebeten hätten. Er habe aber nie - er betonte: nie - erlebt, dass sie an ihrem Suizidwunsch festgehalten hätten,
sobald er und sein spezialisiertes ambulantes Palliativteam mit der Schmerztherapie angefangen haben. In der
Regel sei bereits nach einer schmerzfrei durchgeschlafenen Nacht der Lebenswille wieder da, spätestens nach
zwei, drei schmerzfreien Tagen. In all den Jahren seiner
Arbeit habe er einen Suizid erlebt, aber gerade dieser Patient habe zuvor nie über seinen Wunsch gesprochen.
Meine Damen, meine Herren, diese medizinischen
Möglichkeiten gibt es also, und - verschiedentlich
wurde schon darauf hingewiesen - es gibt alle rechtlichen Möglichkeiten, Behandlungen zu untersagen oder
abbrechen zu lassen. Was zu tun bleibt, ist, über diese
Möglichkeiten aufzuklären, ihre Nutzung zu fördern und
die Lücken, die in der Palliativ- und Hospizversorgung
noch existieren, zu schließen.
({0})
Wir haben in den letzten Jahren die Bedingungen der
schmerzlindernden Medizin und der Palliativversorgung
bereits verbessert. Ich nenne nur den Aus- und Aufbau
der spezialisierten ambulanten Teams. Ich nenne die
Neuregelungen im Betäubungsmittelrecht und die Verankerung der Palliativmedizin als Pflicht- und Prüfungsfach in der ärztlichen Ausbildung. Ich selbst habe im
Bundesministerium für Gesundheit das Forum „Palliativ- und Hospizversorgung in Deutschland“ ins Leben
gerufen, das der Vernetzung wichtiger Akteure dient und
das zentrale Ziel verfolgt, die Hospiz- und die Palliativversorgung in der Regelversorgung besser zu verankern
und weitere Bedarfe zu identifizieren.
Ganz in diesem Sinne haben wir jetzt konkrete Vorschläge für eine gezielte, flächendeckende Weiterentwicklung der Hospiz- und Palliativversorgung vorgelegt.
Lieber Kollege Beck, es lohnt, sich mit diesem Papier zu
befassen;
({1})
denn Themen wie die Pflegevorausplanung und das Ziel,
dass man sich auf ein funktionierendes Netz verlassen
kann, sind darin nicht nur adressiert, sondern es werden
auch konkrete Lösungsmöglichkeiten angesprochen.
({2})
Auch wenn das Sterben eine Herausforderung bleibt,
die wir nicht wegreglementieren können, sind wir, denke
ich, auf einem guten Weg, das voranzubringen und bereitzustellen, was den Menschen in ihrer letzten Lebensphase wirklich hilft.
Nun sagen einige: Es gibt aber Ausnahmefälle, die
wollen einfach nicht weiterleben, trotz aller Möglichkeiten der Schmerztherapie. Sollen die sich denn weiterhin
vor den Zug werfen müssen? - Ich möchte dazu sagen:
Die allermeisten der 10 000 Menschen, die sich in unserem Land jährlich das Leben nehmen, und der 100 000,
die es versuchen, tun dies nicht, weil sie sterben wollen,
sondern weil sie so nicht weiterleben wollen. Wir können viel dafür tun und wir tun viel dafür, ihnen zu einem
anderen, von ihnen wieder als lebenswert empfundenen
Leben zu verhelfen.
Ich rate auch davon ab, genau diese Menschen dann
dafür in Anspruch zu nehmen, das Anliegen oder die
Möglichkeit des ärztlich assistierten Suizids rechtlich zu
regulieren. Menschen, die in einer solchen verzweifelten
Lage ihres Lebens sind, die befolgen keine Prozeduren,
die suchen keinen Arzt auf, um ihn davon zu überzeugen, dass die Kriterien für die straffreie Suizidhilfe
erfüllt sind. Erst recht gehen sie nicht, wie ein Gesetzentwurf dies ernsthaft vorsieht, zu einem zweiten Arzt, der
die Zulässigkeit der Suizidhilfe bestätigen müsste.
Frau Kollegin, bitte.
Meine Damen, meine Herren, das ist eine Bürokratisierung des Todes, die wir nicht brauchen, weil sie nicht
wirklich hilft. Es geht dem Sterbenden nicht um Prozeduren und Verwaltungsverfahren, sondern es geht um
persönliche Zuwendung, menschliche Begleitung, professionelle Hilfe, Vertrauen und Verantwortung.
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende.
Frau Präsidentin, gestatten Sie mir noch einen Satz? Die Menschen in Deutschland sollen das uneingeschränkte Vertrauen haben, dass ihnen der Arzt, der an
ihr Bett tritt, helfen will. Die Ärzte müssen immer
wieder neu beantworten, was ihre Verantwortung ist: ihr
berufliches Selbstverständnis und ihr Berufsethos auf
der einen Seite und ihre individuelle Verantwortung gegenüber dem einzelnen ihnen anvertrauten Patienten auf
der anderen Seite. Sie müssen erkennen und anerkennen:
Wenn keine Chance auf Heilung mehr besteht, dann
dürfen und sollen sie sich ganz der Schmerzlinderung
widmen. Schließlich mögen sie in den wenigen gesetzlich nicht fassbaren Einzelfällen, in denen einem Menschen einfach nicht mehr zu helfen ist, weil er nicht
mehr will, das tun, was sie vor ihrem Gewissen verantworten können.
Frau Kollegin, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen!
Im Zweifel, in individuellen Grenzsituationen
menschlicher Existenz gilt: Das Recht kann das Gewissen nicht ersetzen.
Herzlichen Dank.
({0})
Ich bitte wirklich alle Kollegen, sich an die vereinbare
Redezeit zu halten. Das war jetzt deutlich überzogen. Es
tut mir in dieser sehr spannenden und sehr intensiven
Debatte sehr leid, das sagen zu müssen. Aber Sie haben
fast doppelt so lang geredet. - Jetzt kommt Dr. Johannes
Fechner.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir beginnen heute
eine Debatte darüber, wie würdevolles und selbstbestimmtes Sterben ermöglicht werden kann. Das ist zunächst eine ethische Debatte, aber auch mit vielen juristischen Fragen verbunden. Als Rechtspolitiker möchte
ich mein Augenmerk heute auf die rechtlichen Fragen legen.
Wenn wir diese Diskussion heute führen, sprechen
wir über den höchstpersönlichen Lebensbereich unserer
Mitbürgerinnen und Mitbürger. Da müssen wir uns ganz
besonders fragen: Wieso gibt es überhaupt gesetzgeberischen Handlungsbedarf? Wo müssen wir als Gesetzgeber überhaupt tätig werden?
Die derzeitige Rechtslage sieht so aus, dass die aktive
Sterbehilfe als Tötung auf Verlangen strafbar ist und die
Beihilfe zur Selbsttötung - der sogenannte assistierte
Suizid - straffrei ist. Aus meiner Sicht geht es genau
darum, dass der ärztlich assistierte Suizid auf jeden Fall
straffrei bleibt. Ich glaube, dass die Ärzteschaft mit den
Möglichkeiten, die sie nach der heutigen Rechtslage
schon hat, sehr verantwortungsvoll umgeht.
Wo also sehe ich den Handlungsbedarf? Nach einer
Umfrage der Bundesärztekammer sind 30 Prozent der
Ärzte bereit, die schwierige Aufgabe der Sterbehilfe, der
Sterbebegleitung zu übernehmen. Weil das eine schwierige Aufgabe ist, finde ich, dass wir die Ärzte, die diese
Aufgabe übernehmen möchten, nicht einmal dem theoretischen Risiko aussetzen sollten, ihre Zulassung zu
verlieren.
({0})
Damit ich komme ich zum ärztlichen Standesrecht.
Die Berufsordnungen der Ärztekammern enthalten einen
regelrechten Flickenteppich. So heißt es in § 16 der Berufsordnung in Brandenburg, dass Ärzte keine Hilfe zur
Selbsttötung leisten dürfen, wohingegen sie in Westfalen-Lippe lediglich keine Hilfe leisten sollen. In Bayern
und Baden-Württemberg heißt es lediglich recht allgemein, Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter
Achtung ihres Willens beizustehen. Ich finde, dass Ärzte
Rechtssicherheit brauchen, wenn sie diese schwierigen
Aufgaben übernehmen. Deswegen sehe ich hier einen
Regelungsbedarf.
Das führt uns natürlich zu der Frage - ich räume ein,
dass es verfassungsrechtlich schwierig ist -, ob der Bundesgesetzgeber hier tatsächlich eine Kompetenz hat.
Aber ich will Ihnen meine Zweifel, ob eine Landesärztekammer diese wesentliche Frage der Sterbehilfe überhaupt regeln kann, nicht verheimlichen.
({1})
Ich glaube, dass wir im Verfahren durchaus darüber
sprechen müssen, ob wir als Bundesgesetzgeber hier
nicht doch eine Gesetzgebungskompetenz haben.
({2})
Wichtig ist mir dabei, dass klargestellt wird, dass es
auf keinen Fall einen Rechtsanspruch eines Patienten gegenüber einem Arzt geben darf. Diese Frage ist für den
Arzt viel zu schwierig, als dass es hier einen Anspruch
geben sollte. Ich denke, unser Hauptaugenmerk sollte
auf einer einheitlichen, rechtssicheren Regelung für die
Ärzte liegen.
({3})
Der zweite Punkt. Ich halte, wie gesagt, die momentane Rechtslage für gut und nur in Nuancen für zu ändern, aber da, wo wir Auswüchse haben - das ist mehrfach angesprochen worden -, nämlich bei der
organisierten Sterbehilfe, müssen wir, finde ich, eingreifen. Für mich ist ein Punkt ganz wichtig, nämlich dass
Sterbehilfe in Deutschland kein Geschäftsmodell sein
darf.
({4})
Es darf nicht sein, dass erhebliche Summen genommen werden und dann noch höhere Summen, wenn man
„früher bedient“ werden möchte. Was ich auch für besonders bedenklich halte, ist, dass bei diesen Vereinen
und Organisationen selten differenziert wird, ob jemand
überhaupt in der Lage ist, frei verantwortlich die Entscheidung zu treffen, ob er nicht depressiv ist oder ob es
nicht psychische Erkrankungen gibt, die ihn einschränken. Ich meine also, dass wir da genau prüfen sollten, ob
im Gewerberecht, im Vereinsrecht oder - dazu tendiere
ich - im Strafrecht eine gesetzgeberische Lösung erforderlich ist, um das Treiben dieser Vereine, diese Auswüchse zu unterbinden.
Ich komme zum Schluss. Ich meine, dass die regelungsbedürftigen Punkte überschaubar sind, dass wir in
diesem höchstpersönlichen Bereich nur im Sinne der
Rechtssicherheit für die Ärzte eingreifen und den Missbrauch der Sterbehilfe durch die Organisationen einschränken sollten. Wenn ein Dammbruch befürchtet
wird, dann lassen Sie uns darüber diskutieren, ob wir
nicht eine Norm auf Bundesebene brauchen, die konkret
die Regelungen einschränkt, wann der ärztlich assistierte
Suizid zulässig sein soll, um eben die Verhältnisse, wie
wir sie in Belgien haben, einzuschränken.
In diesem Sinne herzlichen Dank. Ich freue mich auf
die Diskussion.
({5})
Vielen Dank, Dr. Fechner. - Nächster Redner: Rudolf
Henke.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Herr Fechner hat von der
Frage gesprochen, ob man nicht doch diese Vereine verbieten sollte. Es hat ja zumindest - zuletzt 2012 - von
dem prominentesten dieser Vereine, „Sterbehilfe
Deutschland“, von Roger Kusch geleitet, eine Übersicht
über das gegeben, was dort vollzogen worden ist. Von
diesem Verein wird berichtet, dass 26 Personen im Jahr
2011 Sterbehilfe, Suizidassistenz in Anspruch genommen haben. Sechs dieser Suizidenten waren körperlich
gesund, nur sechs weitere Personen litten überhaupt an
einer tödlichen Krankheit. Bei neun ist der Suizid ohne
jede Diskussion über Alternativen vollzogen worden.
Das geht aus den Dokumentationen des Vereins selbst
hervor. Solchen Geschäften, ob sie kommerziell betrieben werden oder im Gewand eines Vereins, der Mitgliedsbeiträge nimmt, solchen Usancen müssen wir,
glaube ich, ein Ende bereiten.
({0})
Ich komme zu dem Thema Wertungswiderspruch. In
dem Positionspapier von Peter Hintze, Carola Reimann,
Karl Lauterbach, Burkhard Lischka und anderen wird
gesagt, es wäre ein Wertungswiderspruch, wenn Patienten einerseits das Recht haben, dass ihre medizinische
Behandlung auch gegen ärztlichen Rat auf Wunsch jederzeit abgebrochen werden kann, ihnen andererseits
aber eine ärztliche Hilfe bei der selbstvollzogenen Lebensbeendigung vorenthalten wird. Wenn das ein Wertungswiderspruch ist, warum ist das dann nur ein Wertungswiderspruch in Situationen unerträglichen Leids, in
Situationen, in denen Palliativversorgung nicht mehr
möglich ist, in Situationen, in denen das Leiden so extrem ist, dass man - so hat es Herr Lischka eben ausgedrückt - von einem „Verrecken“ spricht? Wenn es in bestimmten Situationen möglich ist, die Behandlung
abzubrechen, und es ein Wertungswiderspruch dazu ist,
wenn man dann keine selbst vollzogene Lebensbeendigung mithilfe anderer als Anspruch durchsetzen kann,
dann muss das eigentlich - gedanklich - immer gelten.
Im Übrigen ist meine Sorge, dass wir dann, wenn wir
das realisieren, in der Tat mit einer gänzlich anderen Erwartung der Menschen konfrontiert sein werden, als sich
mit dem Ausdruck der Suizidassistenz verbindet. Denn
in Wirklichkeit wollen die Menschen doch nicht, dass
der Arzt ihnen einen Becher mit Pentobarbital hinstellt,
dann das Zimmer verlässt und sich nicht weiter um sie
kümmert,
({1})
sondern sie wollen doch, dass der Arzt da bleibt. Sie
wollen auch, dass der Arzt sie dabei begleitet, dass er,
wenn der Suizid nicht gelingt, irgendwie interveniert,
dass er, wenn sie sich übergeben, irgendwie interveniert,
dass er auch dann, wenn sie sich quälen, während sie
sterben, interveniert. Was sie eigentlich wollen, ist eine
komplette Präsenz und auch Herrschaft des Arztes über
diesen Prozess. Deswegen sage ich: Die Abgrenzung zur
Tötung auf Verlangen ist sehr, sehr unscharf, und diese
Grenze wird mit der Zeit notwendigerweise verschwimmen.
Ich glaube, dass wir vor ein paar Missverständnissen
stehen, die ausgeräumt werden müssen: Es ist oft die
Rede davon gewesen, die Ärzte seien von einem Approbationsentzug bedroht. Ja, mit Sicherheit nicht durch die
Ärztekammern.
({2})
Keine Ärztekammer in Deutschland kann die Approbation entziehen, sondern das ist eine Entscheidung, die
von der dafür eingerichteten staatlichen Instanz - das
sind in der ganz überwiegenden Zahl der Bundesländer
die Bezirksregierungen - getroffen wird. Ich finde es
auch sehr missverständlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn immer so getan wird, als sei einzig die
Durchsetzung der Suizidabsicht ein Sterben in Würde.
Was ist es denn, das nicht zu tun? Ist das kein Sterben in
Würde?
({3})
Das eine ist selbstbestimmt. Ist das andere nicht selbstbestimmt?
Es ist der Satz gesagt worden, die moderne Medizin
würde dazu beitragen, dass es chronische Krankheiten,
Siechtum, chronische Leiden und sichere Unheilbarkeitsprognosen gibt. Nein, das bringen unsere Bedingtheit als sterbliche Menschen und ein auch mit eigenem
Leiden konfrontiertes Leben mit sich. Wir sollten uns
davor hüten, den einen Helfern Hilfe zu attestieren und
den anderen nicht.
Ich habe eine letzte Bitte. Wenn ich einmal sterbe, bin
ich nicht bange vor Schmerzen; ich glaube, die Medizin
konnte da noch nie besser helfen als heute. Ich bin aber
bange davor, dass ich dann vielleicht alleine bin, dass
mich keiner berührt, dass ich meine letzten Dinge nicht
regeln kann und dass ich vielleicht nur wenige Chancen
habe, nach dem Sinn zu fragen, ihn zu erfahren, ihn mit
anderen zu besprechen. Deswegen: Palliativhilfe und
das, was wir uns da jetzt vornehmen, sind viel, viel mehr
als die Linderung körperlichen Leids. Es geht um die
Überwindung des sozialen Todes eines Todkranken vor
dem körperlichen Tod. Lassen Sie uns daran arbeiten!
({4})
Vielen Dank, Rudolf Henke. - Nächster Redner:
Patrick Schnieder.
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich - wie alle, die hier um die richtige
Antwort auf die Frage, die sich uns stellt, ringen - dem
Ausgangspunkt und dem Kern des Problems zuwenden.
Das ist der Todeswunsch des Einzelnen, den er in einer
Situation angesichts von Leid, von Schmerzen, von Kontrollverlust, von der Angst vor dem Verlust der Selbstständigkeit formuliert, der ein existenzieller ist, auf den
wir eine Antwort finden wollen.
Wenn wir uns diesen Todeswunsch anschauen, dann
stellen wir fest, dass er zunächst ein Schrei nach Hilfe
ist. Er besagt: Ich will in der Situation, in der ich mich
befinde, nicht sterben. Ich möchte nicht so sterben, wie
mir das im Moment droht. - Deshalb können wir vielen,
die diese Frage stellen und die sich in dieser Notsituation
befinden, mit der Palliativmedizin und mit dem Ausbau
der Hospize eine Antwort geben. Ich will nicht verschweigen, dass es dann immer noch Menschen geben
wird, die bei ihrem Tötungswunsch bleiben, die keine
andere Lösung sehen und für die wir, vielleicht auch die
Medizin, keine letztlich befriedigende Antwort anbieten
können.
Ich will ausdrücklich sagen: Es ehrt alle, die dafür
eine Lösung finden wollen, egal wie sie aussieht. Das
nimmt jeder für sich in Anspruch. Ich glaube aber, dass
man sich in dem Moment nicht nur auf den Einzelfall fokussieren darf, sondern sich auf die Fragen zubewegen
muss: Was bedeutet die Antwort, die ich darauf gebe, für
all die anderen in einer Gesellschaft? Welche Wirkung
hat das auf eine Gesellschaft? Sind solche Extremsituationen und Fälle, wie sie zum Beispiel Peter Hintze geschildert hat, geeignet, Grundlage einer allgemeinen gesetzlichen Regelung zu werden?
Ich möchte Udo Di Fabio zitieren, der sehr treffend
gesagt hat:
Eine Gesellschaft, die ihre Hand zur Selbsttötung
reicht, verändert den Umgang mit dem menschlichen Leben.
Das beschreibt neben der Wirkung auf den Einzelnen,
der in seiner Not schreit, das, was wir anderen Menschen
damit antun, welchen Rahmen wir bieten und in welcher
Gesellschaft und in welchem Staat wir leben. Deshalb
glaube ich, dass wir neben dem Recht auf Selbstbestimmung und der Freiheit des Individuums fragen müssen:
Was prägt eine Gesellschaft? Gerade auf diese grundsätzliche Frage müssen wir eine Antwort geben.
Es besteht Regelungsbedarf in einem begrenzten Fall,
nämlich in dem Fall der hier beschriebenen organisierten
und/oder geschäftsmäßigen Sterbehilfe. Wir drohen hier
in eine Situation zu geraten, in der das Drama, das jeder
Suizid darstellt, zu einer normalen, gesellschaftlich akzeptierten Option wird. Daraus kann ein Klima entstehen, das ältere, kranke und schwache Menschen unter
Druck setzen könnte, anderen nicht zur Last zu fallen,
sondern diese akzeptierte, vielleicht normale Option zu
wählen.
Aus der Menschenwürde folgt nicht nur, die Selbstbestimmung zu maximieren, sondern auch, den anderen zu
zeigen: Wir haben eine Pflicht zum Schutz des Lebens
und dafür, für das Leben einzutreten. Das kann auch angesichts der betroffenen Rechtsgüter wegen der Signalwirkung, die wir damit in die Gesellschaft geben, nur mit
dem Strafrecht geschehen. Es geht nicht in erster Linie
um Kriminalisierung, sondern es geht um die Frage der
Bedeutung des Rechtsgutes, um das wir hier kämpfen.
Wenn wir über Selbstbestimmung reden, dann möchte
ich klar betonen: Nein, es gibt keine Pflicht zum Leben.
Diese kann jeder für sich selbst empfinden, aber ein
Staat kann sie nicht statuieren.
({0})
Aber daraus zu folgern, dass dann, wenn der Staat nicht
die Hand zum Töten reicht, eine Pflicht zum qualvollen
Sterben bestehe, halte ich für unzulässig. Diesen Schluss
darf man nicht ziehen.
({1})
Bei der Frage nach der Selbstbestimmung müssen wir
auch die Fragen stellen, die sich daran anschließen: Ist
ein Leben in Abhängigkeit ohne Würde, oder hat es weniger Würde? Hat ein Leben, das nur noch mit der intensiven Begleitung durch andere geführt werden kann, einen geringeren Wert? Kann Krankheit, kann Leid einem
Menschen die Würde nehmen? Ist dann der Schritt nicht
klein, zu sagen, dass nur noch die autonome, aktive Entscheidung, aus dem Leben zu treten, in einer solchen Situation würdevoll ist? Ist es wirklich selbstbestimmt, den
Tod in die Hände von Fachleuten zu legen, die jemandem nach bestimmten Voraussetzungen zum Tod verhelfen können? Ich glaube, dass man aus einer Unsicherheit
heraus nur neue Unsicherheit, aber keine abschließende
Regelung schafft.
Nein, meine Damen, meine Herren, liebe Kolleginnen
und Kollegen, ich glaube, wir sollten in etwas vertrauen,
das in unserem Land Realität ist: Es gibt Zuwendung,
Solidarität, Beistand und Einfühlungsvermögen. Es gibt
Gewissensentscheidungen, auch von Ärzten. Da, wo wir
das ausbauen können und müssen, sollten wir das tun.
Kollege Hintze hat recht, wenn er sagt: Wir alle haben
die Vision von einem Leben ohne Leid und ohne
Schmerz. Die Realität sieht anders aus, und sie wird immer anders aussehen. Wir alle können nicht leidloses Leben und leidloses Sterben versprechen. Wir müssen versprechen, da zu sein, wenn Hilfe gebraucht wird. Alles
andere, die Hand zum Töten zu reichen, wäre, glaube
ich, die Kapitulation vor dem Leid, und es wäre das Signal einer Gesellschaft,
Herr Kollege.
- die nicht die Zuwendung im Sterben praktiziert. Wir
brauchen eine Zuwendung im Sterben und damit eine
Zuwendung zum Leben.
({0})
Vielen Dank, Kollege Schnieder. - Nächster Redner
ist Dr. Peter Tauber.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen!
Meine Herren! Der Philosoph Ludwig Wittgenstein hat
gesagt: Die Beschäftigung mit dem Tod ist eine gigantische Quelle für sprudelnde Lust am Leben. - Doch wenn
das Leiden unerträglich, die Depression so stark und die
Angst so groß wird, wo ist dann diese Lust am Leben?
Wie viel Leben braucht es, und wie wenig Leben reicht
aus, dass wir es wollen, daran festhalten und es wertschätzen? Wer mag das definieren?
Fakt ist: Viele Menschen in unserem Land haben
Angst davor, beim Sterben zu leiden und alleine zu sein.
Genau mit dieser Frage müssen wir uns intensiv beschäftigen. Das ist unsere Aufgabe. Es reicht deswegen nicht,
teilweise auch mit Hinweis auf die deutsche Geschichte,
die gewerbsmäßige und die organisierte Sterbehilfe unter Strafe zu stellen.
Wir müssen den Menschen sagen, dass wir alles dafür
Notwendige tun, um die Hospizbewegung zu unterstützen. An dieser Stelle muss man allen, die sich dort engagieren, auch den Kirchen, ein großes Dankeschön sagen.
Wir müssen alles dafür tun, um palliativmedizinische
Angebote gerade auch im ländlichen Raum auszubauen.
Darauf haben die Menschen einen Anspruch.
Trotzdem bleibt es dabei: Ich habe ein Problem damit,
mir vorzustellen, dass aktive Sterbehilfe ein Bestandteil
des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenkassen
ist. Wir müssen am Ende mehr tun, als Leistungen bereitzustellen und abstrakt darüber zu reden. Wir müssen
uns mit der Frage beschäftigen: Was macht unsere Gesellschaft - gerade auch dann, wenn es auf das Ende des
Lebens zugeht - menschlich und lebenswert?
Wie viele andere in der Debatte treibt auch mich ein
Satz um, den Eltern, vielleicht manchmal ohne nachzudenken, zu ihren Kindern sagen: Ich will dir später nicht
zur Last fallen. - Was ist das für ein Satz? Dort, wo
Pflege in der Familie erfolgt, oft unter großen Anstrengungen und Entbehrungen, sind es meist Kinder, die ihre
Eltern pflegen - bis zum letzten Tag.
Wenn man bedenkt, dass beim Sterben niemand allein
ist, sondern immer jemand zurückbleibt, dann relativiert
das, finde ich, den Satz „Mein Tod gehört mir“.
({0})
Denn wir sind soziale Wesen. Wer stirbt, lässt jemanden
zurück.
Ich finde auch, dass Artikel 1 Grundgesetz uns verbietet, den Wert eines Lebens zu bemessen. Wenn das
gilt, dann muss dieser Satz nicht nur im privaten Umfeld
- ich glaube, dass viele Kinder ihren Eltern widersprechen, wenn sie diesen Satz sagen - infrage gestellt werden, sondern dann müssen wir allgemein widersprechen,
wenn Menschen in unserer Gesellschaft das Gefühl haben, dass sie anderen zur Last fallen.
({1})
Deswegen glaube ich, wir müssen mehr tun. Ich
glaube, niemand muss sich wegen einer Depression umbringen oder daran sterben. Aber die Wahrheit ist: Wir
haben natürlich Nachholbedarf im Bereich der palliativmedizinischen Versorgung und im Bereich der Hospizversorgung.
Mich treibt noch etwas anderes um - das merken wir
immer wieder, auch in der heutigen Debatte -: Wir erwecken den Eindruck, als ob wir das Sterben gesetzlich regeln könnten. Wenn wir ehrlich sind, dann merken wir
auch bei anderen Gesetzgebungsvorhaben, über die wir
hier diskutieren und beschließen, dass es uns selten gelingt, eine Regelung zu treffen, die wirklich allen gerecht
wird und alle umfasst. Und genau bei diesem Thema
glauben wir, dass wir das können? Da bin ich persönlich
skeptisch.
Die heutige Debatte ist trotzdem ein Gewinn, ein Gewinn für uns alle und wahrscheinlich auch für viele
Menschen, die sich intensiv mit dem Tod eines Angehörigen oder vielleicht sogar mit dem eigenen Sterben befassen. Das, was Ärzte hier oft leisten, und zwar nicht als
Dienstleistung im Gesundheitswesen, sondern gegenüber einem Menschen, der ihnen als Patient oft lange anvertraut ist, wird, glaube ich, allerhöchstens standesrechtlich neu zu regeln oder klarer zu fassen sein, aber
nicht durch den Gesetzgeber im Deutschen Bundestag.
Wenn das so ist, dann ist ein wichtiger Beitrag, den wir
leisten können, dass wir über Tod und Sterben sprechen;
denn je mehr wir darüber sprechen, desto mehr verliert
der Tod seinen Schrecken. Je mehr der Tod seinen Schrecken verliert, desto weniger werden Menschen in der
Selbsttötung einen Ausweg sehen.
Ich glaube fest daran, dass wir unser Leben im Bewusstsein des eigenen Todes besser bewältigen können.
Wie heißt es im 90. Psalm so treffend:
Herr, … lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.
Das wünsche ich uns allen in dieser schwierigen Debatte.
({2})
Vielen Dank, Dr. Peter Tauber. - Nächster Redner ist
Thomas Lutze.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Gäste! Ich bin kein Freund einer Verschärfung der gegenwärtigen Rechtslage. Ich bin dagegen,
dass Sterbehilfe oder die Beihilfe strafrechtlich relevant
wird. Ich habe aber auch Zweifel, wenn hier die Rechtslage weiter liberalisiert werden soll. Ich bin noch nicht
davon überzeugt, dass der Gesetzgeber zweifelsfrei sicherstellen kann, dass sich alle Betroffenen zu 100 Prozent über ihre Entscheidung für einen Suizid klar sind.
Der Tod bzw. eine Selbsttötung ist unumkehrbar; das ist
relativ sicher. Jeder Fehler bei diesem Schritt wäre fatal.
Was ist zum Beispiel mit todkranken Menschen, die ihren Angehörigen vielleicht nach langer schwerer Krankheit und entsprechender Pflege nicht zur Last fallen wollen? Das sagen die Betroffenen ihren Angehörigen oder
ihren Ärzten vielleicht gar nicht. Es kann aber ihr Handeln bestimmen. Wie gesagt, ich bin noch nicht überzeugt und weiter offen für Argumente. Deshalb ist es gut
und wichtig, dass diese Debatte heute noch nicht beendet
ist.
({0})
Ein Aspekt bleibt dieser wichtigen Debatte von heute
aber haften. So wichtig eine offene Debatte zum Thema
Sterben ist, mindestens genauso wichtig wäre eine vergleichbar offene und intensive Debatte zum Thema
Pflege.
({1})
Zahlreiche Vorrednerinnen und Vorredner haben das genauso ausgesprochen. Ich erinnere zum Beispiel an die
Kollegin Scharfenberg von den Grünen und den Kollegen Birkwald aus meiner Fraktion, aber auch an viele
Rednerinnen und Redner der Koalition. Zahlreiche Rednerinnen und Redner forderten mehr und bessere Hospize. Die Palliativmedizin soll ausgebaut und verbessert
werden. Das alles ist richtig. Ich glaube - ich habe die
ganze heutige Debatte verfolgt -, darüber ließe sich fast
Einstimmigkeit im Bundestag herstellen.
({2})
Nur, wenn die gesprochenen Worte ernst gemeint
sind, dann nutzen Sie bitte die kommende Haushaltswoche und stellen Sie die dafür notwendigen Mittel in den
Haushalt ein. Das wäre konsequent.
({3})
Allein eine ehrliche Debatte hier im Deutschen Bundestag, so wichtig sie auch ist, reicht den Betroffenen und
ihren Angehörigen nicht aus.
Vielen Dank.
({4})
Vielen Dank, Thomas Lutze. - Nächster Redner ist
Dr. Lars Castellucci.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Es steht nicht uns
zu, zu bewerten, ob diese Debatte hier heute eine gute
Debatte ist. Das sollen die Menschen entscheiden, die ihr
folgen. Aber für mich als Abgeordneten ist es doch neu
und beispielgebend, dass wir uns Zeit nehmen und dass
wir über die Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg eine
Orientierungsphase ermöglichen. Ich frage mich, ob wir
so etwas nicht häufiger ermöglichen könnten.
({0})
Ich will sagen, was ich teile: Ich teile die Meinung,
dass wir den Bereich der palliativen Versorgung massiv
ausbauen müssen. Ich teile die Meinung, dass wir das
Gleiche mit der Hospizarbeit tun müssen, damit diese
auch auf dem flachen Land erreichbar wird. Wir müssen
dann nicht nur spezialisierte Dienste finanzieren, sondern auch Ärztinnen und Ärzte, die dort tagtäglich ihren
Dienst tun.
Wir brauchen - das ist ein Thema, das mir besonders
wichtig ist und das ich in dieser Debatte stärken
möchte - eigentlich flächendeckend Patientenverfügungen oder Vorsorgevollmachten.
({1})
Ich glaube, mit diesem Instrument lösen wir die größten Konflikte, denen die Menschen in diesen Fragen immer begegnen müssen. Wir wissen, dass das rückläufig
ist. Deswegen müssen wir hier überlegen, wie wir das
stärken können.
Wir müssen auch die ärztlichen Freiräume sichern,
und wir müssen in die Aus- und Weiterbildung in diesem
Bereich investieren. Auch für mich steht fest: Ich will
kein Geschäft mit dem Tod, ich will nicht, dass ausgerechnet wird, ob der „Oma ihr Häuschen“ schon draufgeht oder ob man die Sache nicht beschleunigen kann.
Das ist nicht die Gesellschaft, an deren Aufbau wir mitwirken wollen. Ich kann mir auch keine Abrechnungsziffer für Sterbedienstleistungen vorstellen.
Mit all dem, was ich gesagt habe, glaube ich, dass niemand in Deutschland einen Qualtod sterben muss, den
hier einige angesprochen haben, wenn wir diesen Ausbau wirklich schaffen.
Lassen Sie mich zwei Punkte ansprechen, die mir in
der Debatte ein Stück weit fehlen und die ich ergänzen
möchte. Der eine Punkt ist: Ich bin für den Ausbau professioneller Dienste, aber ich spüre gleichzeitig eine
Sehnsucht der Menschen nach Zuwendung, einer Zuwendung, die eben nicht professionell ist, nicht Dienstleistung ist, nicht Service ist, nicht unter Zeitdruck steht,
nicht bürokratisch ist und bei der der oder die Pflegende
nicht gleich wieder weg ist. Es geht einfach um Menschen, die da sind.
({2})
Deswegen müssen wir die Debatte ein Stück weiter
führen. Wir müssen schauen, wo der Raum und die Zeit
sind, die wir den Menschen wieder neu schenken müssen, eine Zeit, die doch von Verdichtung und Beschleunigung geprägt ist, damit sie dieses Füreinander-Dasein
in ihrem Alltag leben können.
Die Umfragen sind für mich ein Schrei gegen die Einsamkeit. Deswegen müssen wir hier aktiv werden, eben
nicht nur professionell. Wir müssen die Gesellschaft ein
Stück weit befreien, zu sich selbst.
({3})
Selbstbestimmung: Liebe Kolleginnen und Kollegen,
übertreiben wir es nicht mit diesem Wort von der Selbstbestimmung! Wir alle sind hier für Selbstbestimmung,
aber wir alle kommen völlig abhängig auf diese Erde,
und wir sind auf andere angewiesen. Dann werden wir
erwachsen und stärker, und dann sind wir auch selbstbestimmter. Aber wir sind genauso weiter auf andere angewiesen. So ist der Mensch.
Deswegen schmerzt mich dieser Satz so, dass man einem anderen nicht zur Last fallen möchte. Das ist unmenschlich. Der Mensch fällt immer auch anderen zur
Last. Das gehört zu unserem Schicksal. Einer trage des
anderen Last, das ist die Botschaft.
({4})
So wie wir als Kinder unseren Eltern natürlich Freude
bereitet haben, aber ihnen auch zur Last gefallen sind, so
dürfen - das will ich allen Eltern in Deutschland zurufen - auch die Eltern ihren Kindern zur Last fallen. Das
ist das Land, das wir brauchen. Wo es keine Kinder gibt
oder sie weit weg sind oder wenn man sich mit den Kindern nicht ausreichend versteht, dann, ja, sind spätestens
die professionelle Hilfe und Zuwendung nötig, die ausbauen zu wollen wir uns hier in die Hand versprechen.
Meine Damen und Herren, niemand soll in Schmerzen sterben, und niemand soll allein sterben. Das sind für
mich die Hauptaufgaben, vor denen wir stehen: Niemand soll in Schmerzen sterben, und niemand soll allein
sterben. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, allen zu
danken. Ich denke dabei auch an die vielen, die in den
Hospizen freiwillig oder als Hauptamtliche arbeiten, an
die Ärztinnen und Ärzte, an das Pflegepersonal. Sie alle
setzen sich dafür schon heute nach Kräften und unter Bedingungen, die immer zu verbessern sind, ein. Ihnen allen ein herzliches Danke von dieser Stelle von diesem
Hause aus.
({5})
Vielen Dank, Lars Castellucci. - Nächste Rednerin:
Corinna Rüffer.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich bin dankbar dafür,
dass ich in dieser so wichtigen ethischen Debatte das
Wort ergreifen darf. Es geht heute um nichts weniger als
die Würde des Menschen, eine wahrhaft große Sache.
Das Besondere an dieser Debatte ist - ich will es mit
Oliver Tolmein formulieren -, dass wir alle einmal sterben werden und dass damit immer auch die Protagonisten der jeweiligen Positionen über Entwürfe und Möglichkeiten für den Fall sprechen, dass ihr eigenes Leben
zu Ende geht oder in eine schwere Krise gerät. Die VorCorinna Rüffer
stellungen darüber gehen, wenig verwunderlich, auseinander.
Unsere Aufgabe als Parlamentarierinnen und Parlamentarier ist es aber, zuvorderst nicht das eigene Interesse, sondern die gesamte Herausforderung und das
gesamtgesellschaftliche Wohlergehen im Blick zu behalten. Vor diesem Hintergrund schauen wir uns für den
Moment den Begriff „Sterbehilfe“ etwas näher an. Dem
Wortlaut nach geht es darum, beim Sterben zu helfen
bzw. Hilfe zu bekommen. Helfen ist ja allgemein anerkannt eine gute und respektierte Sache. Aber Helfen
beim Sterben? Warum sollte das nötig sein? Warum entscheiden sich Menschen für den Tod, dafür, sich das Leben zu nehmen? Häufige Argumente sind: die Angst davor, nicht mehr selbstbestimmt leben zu können,
abhängig zu sein von anderen Menschen, unter Schmerzen zu leiden, ein aus ihrer Sicht würdeloses Leben zu
führen. Weil sie das fürchten, sprechen sich viele Leute
für die Beihilfe zum Suizid aus. Ich finde, es wäre eine
politisch zutiefst deprimierende Antwort auf die berechtigten Sorgen und Ängste, der organisierten Sterbehilfe
das Wort zu reden. Ich finde, wir sollten eine andere
Antwort geben.
({0})
Wir müssen dafür sorgen, dass Menschen am Lebensende nicht unter unerträglichen Schmerzen leiden müssen. Wir müssen dafür sorgen, dass Menschen am Lebensende nicht alleingelassen werden. Das ist etwas
anderes, als die Angebote zu stärken, das eigene Leben
zu beenden. Wir müssen daran arbeiten, dass sich unsere
Vorstellungen von einem Leben in Würde erweitern. Es
ist nicht unwürdig, zu vergessen, wer man ist. Es ist
nicht unwürdig, nicht selbst auf die Toilette gehen zu
können. Es ist nicht würdelos, gefüttert zu werden. Wir
dürfen den Verlust von Fähigkeiten nicht mit dem erleichterten Weg in den Tod beantworten.
({1})
Wir sollten bedenken, welche Wirkung eine solche
Diskussion bei denen hat, die die genannten Fähigkeiten
nicht verloren, sondern nie gehabt haben. Bei vielen behinderten Menschen ist das so. Wir sollten uns klar darüber werden, dass wir vereinzelt nicht existieren können. Ein Leben lang sind wir abhängig von anderen
Menschen, mehr oder weniger intensiv. Wir brauchen
eine Unterstützung in den intimsten Lebensbereichen.
Die richtige Antwort auf die Herausforderung, vor die
uns diese Tatsache stellt, ist nicht der Tod. Die richtige
Antwort ist, politisch die Möglichkeiten zu schaffen, in
Situationen, in denen wir uns abhängig fühlen, Raum für
selbstbestimmtes Leben zu schaffen.
({2})
Wie in vielen anderen Fällen auch ist es leichter, aus
einer starken gesellschaftlichen Rolle heraus das Recht
auf ein selbstbestimmtes Leben und die Autonomie im
Tod einzufordern. Selbstbestimmung setzt schließlich
voraus, dass man zwischen Alternativen wählen kann.
Dem Matheprofessor wird es in der Regel leichter fallen,
sich im Bedarfsfall eine geeignete Pflegesituation zu organisieren und sich frühzeitig um einen Platz im Hospiz
zu bemühen, als es jemand kann, der einen weniger privilegierten Hintergrund hat. Was für den einen die „freie
Wahl“ sein mag, darf auf der anderen Seite nicht den
Druck erzeugen, das, was man seit einiger Zeit als „ExitStrategie“ bezeichnet, zu wählen.
({3})
Aber oft geht es auch gar nicht um die Schwerstkranken und Sterbenden, wenn es um die Sterbehilfe geht.
Erschreckend häufig sind es Menschen mit psychischen
Erkrankungen, vielfach solche mit Depressionen, die aus
dem Leben scheiden wollen, und diese Gruppe wächst.
Ist unsere Gesellschaft wirklich so schwach, dass sie
alten und kranken Menschen im Leben nicht gerecht
werden kann? Gestern stand in einer Meldung:
… immer mehr Menschen lebten im Alter als Singles und hätten keine Angehörigen, die sie beim
Sterben begleiteten. Sie dürfe man nicht alleinlassen.
Unsere Antwort auf diese Feststellung darf aber nicht
sein, dass wir ihnen Sterbehelfer zur Seite stellen.
({4})
Ansonsten würden wir das Plädoyer des ALS-Kranken
Benedict Maria Mülder für „Lebenshilfe statt Sterbehilfe“ ignorieren,
({5})
der viele bedenkenswerte Fragen aufwirft:
Doch wie viel Einsamkeit, verzweifelte Verlorenheit und mangelndes Vertrauen motivieren eine solche Tat, die man auch als Anklage an uns alle lesen
kann? Wer hat die Hilfeschreie vorher überhört?
Vielleicht wollten wir sie gar nicht hören.
… Und ist die Debatte um die assistierte Suizidbeihilfe durch Ärzte die Spiegelung eines trostlosen
Zustands unserer Gesellschaft?
Ich sage deutlich: Bevor die organisierte Sterbehilfe
am Markt akzeptiert wird, sollten wir alle Energie darauf
richten, dass jeder Mensch eine Wahl hat, und damit
werden wir noch lange beschäftigt sein.
Vielen Dank.
({6})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Christian Schmidt, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Kolleginnen und Kollegen! Als Mitglied dieses Hauses,
als evangelischer Christ, der wie wir alle hier Verantwortung spürt, der die Verantwortung in diesen Punkten immer im Blick hat, der weiß, dass wir alle Teil dieser Fra6156
Christian Schmidt ({0})
gestellung, aber auch Teil dieser Entscheidung sind, der
sich mit diesen Fragen intensiv auseinandersetzen muss
und sich natürlich auch die Frage stellt: „Wie halte ich es
denn selbst?“, zeigt sich mir, dass wir uns in unserer individuellen Verantwortung, aber auch in der Verantwortung, die wir kraft unseres Mandats für die gesamte Gesellschaft ausüben, selbst eine Orientierung geben
müssen. Diese Orientierung kann sich nicht an den Maßstäben der Nützlichkeit ausrichten. Über die Maßstäbe
müssen wir in einer gewissen Abstraktion hier intensiv
und mit gegenseitigem Respekt diskutieren.
Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass der Weg
zum assistierten Suizid ein Weg ist, der eine Grenze zu
überschreiten versucht, die man nicht überschreiten darf.
Das ist hart - auch im Hinblick auf manche Hoffnungen
und Wünsche, die man für sich selbst in guten Zeiten
formuliert; wir haben heute von vielen Kolleginnen und
Kollegen Beispiele gehört. Aber ich glaube, angesichts
der Begrenztheit unserer Möglichkeiten und Fähigkeiten, solche Dinge zu entscheiden, müssen wir dabei bleiben, dass weder gewerblich noch individuell noch ärztlich Unterstützung gegeben werden kann, wenn jemand
seinem Leben ein Ende setzen will.
Nach unserem Verständnis ist der von Gott geschaffene Mensch von ihm mit einem besonderen Auftrag für
die Schöpfung versehen - in Freiheit und Verantwortung. Gewisse Handlungsoptionen sind daher von vornherein bereits ausgeschlossen. Das sind all jene Handlungsschritte, die die unantastbare Würde des Menschen
verletzen; wir haben heute schon sehr intensiv darüber
gesprochen. Die Anerkennung der unveräußerlichen
Würde des Menschen gilt unabhängig von seinen Eigenschaften oder seiner Leistungsfähigkeit, und sie gilt
selbstverständlich auch für das ungeborene Leben, für
den Sterbenden oder den Menschen mit Behinderung.
Sie ist nicht differenzierbar. Unsere Bemühungen müssen daher darauf abzielen, mit den Mitteln, die uns zur
Verfügung stehen, in diesem Rahmen zu handeln. Hospizversorgung und Palliativmedizin sind genannt worden. Ja, sie werden letztendlich nicht in jeder Situation
jedem helfen können, erträglich dem Ende entgegenzugehen. Ich mache meine Haltung aber an einem Zuspruch fest, den ich vor kurzem bei einer Diskussion zu
diesem Thema von einer pensionierten Krankenschwester, 83 Jahre alt, agil und fit, erhalten habe. Sie sagte:
Wissen Sie, ich habe mich für die Hospizbewegung engagiert, und ich mache Sterbebegleitung. Ich darf Ihnen
versichern, eine gute Palliativbetreuung, die auch
Schmerzen lindert, soweit sie Schmerzen lindern kann,
gibt mehr als medizinische Unterstützung; sie gibt auch
geistige und geistliche Orientierung. - Das hat mich sehr
stark beeindruckt. Diese Krankenschwester hat mich ermutigt, nicht den Weg zu gehen, die Sterbehilfe, wie es
gerne heißt, zu unterstützen.
Der gedankliche Ansatz von der Selbstbestimmung
des Menschen hat ja zwei Ebenen: Die eine ist die
ethisch-christliche. Römer 14 - unser keiner lebt sich
selber, unser keiner stirbt sich selber - wurde ja heute
schon zitiert. Die andere Ebene bei der Frage nach der
Selbstbestimmung ist, ob Selbstbestimmung, die Begleitung und Hilfe gebraucht, eigentlich noch Selbstbestimmung ist oder eine solche Form von Selbstbestimmung
nicht dazu tendiert, in einen gesellschaftlichen Rahmen
und in eine Erwartungshaltung gestellt zu werden, wodurch eigentlich mehr das beantwortet wird, was Teile
der Gesellschaft vom Einzelnen fordern mögen. Meine
Vorrednerin hat das sehr treffend und für mich voll zustimmungsfähig ausformuliert. Ich glaube, das sind die
entscheidenden beiden Ebenen. Beide geben uns die
Antwort, dass wir das Zur-Last-Fallen an die Gesellschaft richten müssen und dass die Gesellschaft die Last
auf sich nehmen muss, dem Sterbenden all das zu geben,
was sie geben kann. Das ist aber nicht, Gift zu reichen.
Herzlichen Dank.
({1})
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Sabine Dittmar, SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! 15 Jahre lang habe ich als Hausärztin auf dem
Land gearbeitet und in dieser Zeit viele Patientinnen und
Patienten in ihrer letzten Lebensphase begleitet. Gemeinsam mit meinem Praxisteam und der Sozialstation
war es immer mein Anliegen, dem Patienten ein Sterben
unter Bewahrung seiner Würde und Berücksichtigung
seines Willens im häuslichen Umfeld zu ermöglichen.
Aufgrund der fehlenden Hospiz- und Palliativstrukturen
in meiner ländlichen Heimatregion war das nicht immer
ganz einfach.
Ich muss Ihnen sagen, meine Kolleginnen und Kollegen: Bei der Betreuung von Sterbenden baut sich ein
sehr enges, ein ganz spezielles, intensives Arzt-Patienten-Verhältnis auf. Als Arzt überbringe ich die todbringende, die das Leben des Patienten auf den Kopf
stellende Diagnose. Ich bespreche die möglichen Therapieoptionen. Und als Arzt erlebe ich mit dem Patienten
gemeinsam das Hoffen und Bangen, die Freude, wenn
ein kleiner Fortschritt erzielt wurde, und die tiefe Enttäuschung, wenn eine Therapie wieder nicht den erhofften
Erfolg bringt.
Und irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem Arzt,
Patient und Angehörige gleichermaßen erkennen und akzeptieren müssen: Es gibt keine Therapieoption mehr
oder der Patient will keine weitere Therapie mehr. Es
bleibt mir dann nur noch die Aufgabe, Schmerz und
Angst zu nehmen und zu begleiten. Deshalb ist es so
wichtig, dass wir unsere Anstrengungen verstärken, flächendeckend die ambulante und stationäre Hospiz- und
Palliativversorgung weiter auszubauen. Ich bin sehr
dankbar für das vorgelegte Eckpunktepapier. Ich erwarte
aber auch, dass die jetzt formulierten Forderungen umgehend in gesetzgeberisches Handeln umgesetzt werden in Bund und Ländern!
({0})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich weiß
aber auch, dass es Einzelfälle gibt, in denen der Patient
trotz Palliativmedizin letztendlich seinen Sterbewillen
äußert. In dieser Situation wünsche ich mir, dass der Patient nicht auf kommerzielle bzw. organisierte Sterbehilfevereine zurückgreifen muss.
({1})
In dieser Situation wünsche ich mir, dass mein Patient
offen mit mir reden kann. Als Ärztin wünsche ich mir,
wenn in dieser tief gewachsenen und vertrauten Arzt-Patienten-Beziehung der Sterbewille an mich herangetragen wird, dass ich zu einer ethisch abgewogenen
Entscheidung kommen kann, einer Entscheidung, die
geleitet ist vom Patientenwohl und vom Patientenwillen
und die ich mit meinem Gewissen in Einklang bringen
kann.
({2})
Diese Einzelfallentscheidung muss ich ohne Androhung von berufsrechtlichen Konsequenzen treffen können. Ich sage Ihnen: In Bayern ist mir das möglich. Die
bayerische Berufsordnung gab und gibt mir dieses
Quäntchen Entscheidungsfreiheit. Aber für Kolleginnen
und Kollegen in anderen Bundesländern ist es schwieriger. Hier wurde die explizite Verbotsregelung der Bundesärztekammer übernommen. Ich muss Ihnen sagen:
Ich kam mit den ursprünglichen Grundsätzen der Bundesärztekammer zur Sterbebegleitung sehr gut zurecht.
Sie stellten heraus: Meine Aufgabe ist es, Leben zu erhalten, Leid zu lindern, Sterbenden Beistand zu leisten.
Die Mitwirkung bei der Selbsttötung ist dagegen keine
ärztliche Aufgabe. Sie gaben mir Orientierung und
gleichzeitig den notwendigen Entscheidungsspielraum,
den ich in Grenzsituationen brauche, um eine sorgfältig
überlegte Entscheidung zu treffen.
Die neue Berufsordnung der Bundesärztekammer
schränkt diesen Handlungsspielraum ein. Noch viel dramatischer ist: Wir haben seitdem völlig unterschiedliche
Regelungen in den einzelnen Bundesländern, einen Flickenteppich. In diesem Zusammenhang muss ich Professor Wiesing, der bis 2013 Vorsitzender der Zentralen
Ethikkommission bei der Bundesärztekammer war, recht
geben, wenn er sagt: „Eine solche Vielfalt im Standesrecht ist den Patienten in Deutschland nicht zumutbar.“
Ich füge hinzu: Diese Unterschiede sind auch den Ärztinnen und Ärzten nicht zumutbar.
({3})
Wir brauchen hier Rechtssicherheit. Wenig hilfreich ist
in diesem Zusammenhang auch der Hinweis, dass mein
Handeln in dieser Grenzsituation durch das Strafrecht
gedeckt ist; denn das Berufsrecht hat für uns Ärzte und
Ärztinnen eine ganz hohe moralische Bindung. Da befindet man sich in einem wirklichen Zwiespalt.
Insofern gibt es für mich in dieser Debatte noch viele
offene Fragen, auf die ich Antworten suche: Kann und
darf in einer Berufsordnung eine solche ethische Frage,
ein solcher ethischer Konflikt, der sowohl in der Ärzteschaft als auch in der Gesellschaft so kontrovers und differenziert diskutiert wird, per Mehrheitsentscheidung
geklärt werden? Kann und darf das Berufsrecht wirklich
über das Strafrecht hinausgehende Regelungen treffen?
Wie schaffen wir Rechtssicherheit für Ärzte und Ärztinnen? Können wir durch Regelungen im BGB den Konflikt zwischen Standesrecht und Strafrecht auflösen?
Ich suche Antworten. Ich hoffe sehr, dass unsere intensive parlamentarische Befassung mir diese in den
nächsten Monaten auch gibt, Antworten, die dem Wohle
der Patientinnen und Patienten dienen und ihnen eine
menschenwürdige letzte Phase ermöglichen, aber auch
Antworten, die den Ärztinnen und Ärzten in ganz
Deutschland Rechtssicherheit geben.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
({4})
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Jeder Mensch kommt auf die
Welt und verlässt diese auch wieder. So ist der Lauf der
Dinge. In einem langen Prozess der Schaffung einer modernen, aufgeklärten und demokratischen Gesellschaft
haben wir es geschafft, den Menschen verbindliche
Rechte mitzugeben. Es ist uns sogar gelungen, nach vielen Gräueln durch Kriege, die Menschenrechte weltumspannend in der Charta der Vereinten Nationen zu fixieren. Dafür sind wir heute dankbar.
In Deutschland wurde die Todesstrafe erst vor drei
Generationen abgeschafft. Die Gesellschaft war bis zu
dieser Zeit Richter über Leben und Tod. Das entspricht
nicht dem Verständnis von Menschenrechten, das wir
heute in einer aufgeklärten, modernen Gesellschaft haben. Darum bin ich froh, in Deutschland zu leben, wo
die Menschenrechte Verfassungsrang haben. Allein ein
Blick in den Artikel 1 unseres Grundgesetzes zeigt uns,
welche Aufgabe wir als Abgeordnete unseres gesamten
Volkes haben, also als Delegierte auf Zeit: Wir müssen
die Würde der Menschen hier im Land und ihre Menschenrechte schützen.
({0})
Zur Menschenwürde gehört auch, sich bei klarem
Verstand für einen frei verantwortlichen Suizid zu entscheiden. Bettina Schöne-Seifert zeigt in ihrem sehr
nachdenklichen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen
Zeitung vor wenigen Tagen deutlich, dass es dabei nicht
um Suizidabsichten im Affekt oder unter Drogen geht.
Frei verantwortliche Selbsttötung ist in Deutschland zulässig. Das ist unbestritten, seit nunmehr 250 Jahren.
Derzeit lassen wir diese Menschen aber mit ihrem
Wunsch allein. Sie erhalten keine ärztliche Hilfe. Sterbehilfe ist hier nach dem Trauma der menschenverachtenden Naziherrschaft ein Tabuthema. Wenn ich jedoch dieses Thema anspreche, dann schallt mir in breiter Front
der Wunsch entgegen, bei Bedarf selbst aus dem Leben
scheiden zu können, und das in Würde. Ich habe den
Eindruck, viele Menschen wünschen sich hier endlich
eine Lösung von der Politik; sie wünschen sich, wenn
nötig, ärztliche Hilfestellung bei der Erfüllung des Wunsches, selbst aus dem Leben zu scheiden.
({1})
Dürfen wir das den Menschen in unserem Land länger vorenthalten? Das ist nach meiner Auffassung die
zentrale Frage, über die wir im Rahmen der Debatte zur
Sterbehilfe entscheiden müssen. Oder wollen wir den
Kopf weiter in den Sand stecken? Dann sind diese Menschen in unserem Land bei der Erfüllung ihres Sterbewunsches weiterhin darauf angewiesen, eine brutale
Form der Lebensbeendigung zu wählen. Es gibt viele
brutale Methoden, das Leben zu beenden, und häufig
werden dabei auch nicht betroffene Menschen traumatisiert oder verletzt; ich denke da zum Beispiel an ICELokführer.
({2})
Werte Kolleginnen und Kollegen, solch würdelose Methoden dürfen wir den Menschen hier im Lande nicht
mehr länger zumuten.
({3})
Wie kann eine Lösung aussehen, die ein würdevolles
selbstbestimmtes Sterben ermöglicht, ohne dass dabei
andere Menschen gefährdet werden? Sie liegt sicherlich
nicht darin, weiterhin aktive Sterbehilfe zu verbieten,
nicht darin, zu versuchen, die schon vorhandenen Sterbehilfevereine zu verbieten, auch nicht darin, Ärzten mit
dem Standesrecht zu drohen, oder darin, Palliativmedizin als Ersatz anzubieten.
Gerade die Palliativmedizin wird oft vordergründig
als Lösung angeboten, um ein „schmerzloses Sterben in
Würde“ zu ermöglichen. Aber reicht ein mögliches Sterben in Schlafnarkose wirklich aus, um die Selbstbestimmung der Menschen beim Sterben zu gewährleisten?
Dazu sage ich eindeutig Nein. Denn diejenigen, die ein
selbstbestimmtes Sterben erbitten, erleben den mit der
Palliativmedizin verbundenen Autonomieverlust als entscheidende Einschränkung ihrer Handlungsmöglichkeiten. Wir nehmen ihnen am Ende die Kontrolle über den
eigenen Körper und die Kommunikation mit anderen
Menschen. Mit dem Ausweg Palliativmedizin wird ihnen eine Unmündigkeit ihres eigenen Handelns aufgezwungen, nach der Devise: Schmerzfreiheit ja, aber
durchhalten müssen sie schon bis zum natürlichen
Ende. - Nirgendwo in unseren Gesetzen steht geschrieben, dass wir ein naturgewolltes Ende unseres Lebens
zwingend abwarten müssen.
Werte Kolleginnen und Kollegen, werfen wir einen
Blick auf den Fall Udo Reiter, ein aktuelles Beispiel aus
der Gesellschaft. Der ehemalige Intendant des MDR hat
sich dazu entschieden, in freier, eigener Verantwortung
aus dem Leben zu scheiden. Dazu musste er sich eine
Waffe besorgen. Muss das heute wirklich noch sein?
({4})
Werfen wir einen Blick über die Landesgrenzen, nach
Holland oder Belgien. Dort gibt es nicht nur eine akzeptierte und transparente Praxis der Sterbehilfe; sogar die
aktive Sterbehilfe ist erlaubt. So ist für Betroffene wirklich Selbstbestimmung möglich, auch bei der Beendigung ihres Lebens, ohne die Gefährdung anderer. Von
einem Anstieg der Suizidzahlen ist dort nichts zu erkennen, auch wenn das fälschlicherweise immer wieder behauptet wird.
Lassen Sie mich hier zu meinen Schlussfolgerungen
kommen. Wir sollten hier in diesem Parlament nicht
nach Verboten suchen, sondern eine Lösung finden, mit
der jeder frei verantwortbare Wunsch nach Suizid akzeptiert wird. Die dafür nötige auch ärztliche Hilfe müssen
wir ermöglichen. Sie darf weder unter Strafe gestellt
werden noch einer standesrechtlichen Sanktion unterstehen. Nur so schaffen wir den von vielen Menschen hier
im Land gewünschten Sterbehilfeliberalismus.
Vielen Dank.
({5})
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Dr. Kristina Schröder, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
haben heute viel über Menschenwürde gesprochen, und
wir sind uns alle einig: Dem menschlichen Leben kommt
in jedem Stadium und in jeder Situation die unveräußerliche Menschenwürde zu. Niemand kann und darf von
außen sagen, dass menschliches Leid, so unerträglich es
ist, mit der menschlichen Würde nicht vereinbar sei, zumal es doch immer wieder erstaunlich und für uns Gesunde auch hoffnungsstiftend ist, zu sehen, wie sehr
schwerstkranke Menschen, die aus unserer Sicht physisch und psychisch Schreckliches erdulden müssen, ihr
Leben als lebenswert und jeden Tag als sinnstiftend und
beglückend empfinden.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, gehört nicht
auch zur Menschenwürde, dass der Mensch selbst das
Gefühl hat, über sie zu verfügen? Wenn alle palliativmedizinischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind und ein
sterbender Mensch sein eigenes Leid und das, was es mit
ihm anrichtet, selbst nicht mehr als seiner Menschenwürde gemäß empfindet - was ist dann? Natürlich ändert
dieses subjektive Empfinden nichts an seiner objektiven
Dr. Kristina Schröder ({0})
Menschenwürde; das ist glasklar. Aber haben wir in einer solchen Situation wirklich das Recht, zu sagen: „Das
musst du jetzt ertragen“? Ich glaube, dass es in diesen
wenigen Fällen, um die es uns hier geht, ein Gebot der
Nächstenliebe und auch ein Gebot der Menschenwürde
ist, diesen Menschen zu ermöglichen, so zu sterben, wie
sie es ihrer eigenen Menschenwürde gemäß empfinden.
({1})
Viele Redner - auch in der heutigen Debatte - haben
trotz unterschiedlicher Positionen anerkannt, dass es
diese menschlichen Grenzsituationen gibt. Viele sagen
dann jedoch: Aber das sollten wir nicht explizit gesetzlich regeln. Einen ärztlich assistierten Suizid in so einer
Situation müssen die Mediziner selbst verantworten. Ich finde diese Haltung, ehrlich gesagt, ein wenig feige.
Wenn wir heute als Gesetzgeber sagen: Ja, es gibt diese
menschlichen Grenzsituationen - selten zum Glück, aber
es gibt Situationen, in denen die Palliativmedizin versagt, in denen der ärztlich assistierte Suizid eine menschliche Antwort sein kann -, dann, finde ich, müssen wir
als Gesetzgeber auch den Mut haben, dies in Gesetzesform zu bringen. Denn sonst waschen wir zwar unsere
Hände in Unschuld, überlassen es aber dem Patienten,
dem sterbenskranken Patienten, abwägen zu müssen. Er
muss dann abwägen: Bitte ich meinen vertrauten Arzt
um Beistand, auch wenn er dadurch in Zukunft vielleicht
seinen Beruf nicht mehr ausüben kann? Oder will ich
diese Verantwortung nicht tragen und suche deswegen
doch nach anderen Wegen des Suizids? - Diese Wege
sind fast immer qualvoller und würdeloser, als es eine
professionelle und empathische Unterstützung durch den
Arzt sein kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, dass viele
von Ihnen das Bauchgefühl haben, dass unsere geltenden
gesetzlichen Regelungen im Bereich der Sterbehilfe eigentlich ganz gut sind. Die organisierte Sterbehilfe wollen viele verbieten; das unterstütze ich auch. Aber ansonsten - so ein verbreitetes Empfinden - gibt es keinen
großen Regelungsbedarf; wir lassen bereits heute einen
angemessenen Freiraum, in dem Patient, Arzt und Angehörige einen guten Weg finden können.
Gerade diejenigen unter Ihnen, die dieses Gefühl haben, bitte ich, sich unsere Initiative ganz genau anzuschauen. Sie werden feststellen, dass unser Weg ein sehr
behutsamer ist.
In diesem Zusammenhang wende ich mich besonders
an die Kolleginnen und Kollegen in der Unionsfraktion.
Sie alle kennen und schätzen Peter Hintze. Deswegen
denken jetzt bestimmt ganz viele unter Ihnen: Peter
Hintze ist wieder einmal mit einem total liberalen Kurs
unterwegs. Liebe Kolleginnen und Kollegen: Das ist er
diesmal nicht! Die Initiative, die Peter Hintze gemeinsam mit Kollegen anderer Fraktionen angestoßen hat,
will an den bestehenden Regelungen nur ganz behutsame Korrekturen vornehmen.
({2})
Die aktive Sterbehilfe ist verboten und soll verboten
bleiben. Die ärztliche Assistenz beim Suizid ist bereits
jetzt in Deutschland vom Gesetzgeber nicht verboten.
Wir wollen sie lediglich erstmals explizit zivilrechtlich
regeln, um den Ärzten mögliche standesrechtliche Konsequenzen zu ersparen.
({3})
Das sind behutsame Änderungen, für die wir werben;
denn in unserer heutigen Regelung steckt schon viel: an
menschlicher Erfahrung, an gesetzgeberischer Beschränkung und an Respekt vor dem Sterbenden und seinen
Angehörigen. Ich bitte Sie, uns auf diesem behutsamen
Weg zu unterstützen.
({4})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Edgar Franke, SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich habe in letzter Zeit mit vielen Menschen, mit
vielen Ärztinnen und Ärzten über Fragen der Sterbehilfe
gesprochen und fast alle sagen, dass man mit der Palliativmedizin menschliches Leid lindern oder oftmals
völlig ausschalten kann. Als einer der letzten Redner in
dieser Debatte möchte ich zunächst festhalten, dass diese
Debatte dazu führen muss, dass wir Geld in die Hand
nehmen, Palliativangebote zu erweitern und die Hospizversorgung weiter zu verbessern. Wir müssen dafür sorgen, dass aus der Diskussion die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden.
({0})
Viele fragen: Brauchen wir Regelungen zur Sterbehilfe, wenn das palliativmedizinische Angebot erweitert
wird? Man muss ehrlich zugeben, dass dieses Thema in
der Öffentlichkeit zum Teil ganz anders diskutiert wird.
Laut einer Umfrage - wir alle haben sie gelesen - sind
angeblich sogar 70 Prozent für eine aktive Sterbehilfe in
Deutschland. In den Niederlanden, in der Schweiz und in
Belgien wird ganz anders über das Thema Sterbehilfe
diskutiert. Dort herrscht allerdings auch eine ganz andere Rechtslage: Es gibt rechtliche Optionen für aktive
Sterbehilfe. Der eine oder andere, auch hier in der Diskussion, befürwortet das auch für Deutschland. Persönlichkeitsrecht und Selbstbestimmung wurden in diesem
Zusammenhang als Stichworte genannt.
Gegner der aktiven Sterbehilfe befürchten - meiner
Ansicht nach zu Recht -, dass es zu einer Veränderung
im gesellschaftlichen Klima in Deutschland und zu einer
Ökonomisierung des Denkens kommen könnte. Sie
befürchten, dass Menschen an ihrer Leistungsfähigkeit
gemessen werden, dass sozialer Druck auf Alte und
Kranke erhöht wird, auch der Druck, aus dem Leben zu
scheiden. Man will niemandem zur Last fallen - so die
Redensart. In der heutigen Diskussion wurde auch plakativ gesagt, man mache eine Tür auf, die man nicht
mehr zubekommt; von einem Dammbruch war die Rede.
Der Gesetzgeber soll nun diesen Konflikt auflösen. Das
ist schwierig, mit gesetzgeberischen Mitteln eigentlich
kaum möglich.
Es liegt ein Vorschlag auf dem Tisch, unter anderem
von der hochgeschätzten Kollegin Carola Reimann formuliert, in dem die Voraussetzungen für einen ärztlich
assistierten Suizid aufgelistet sind. Man will im BGB
entsprechende Regelungen schaffen, dass das Standesrecht durch Bundesrecht außer Kraft gesetzt werden
kann. Bei Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über
eine unheilbare Erkrankung oder ein schweres Leiden
soll - bei Nichtvorliegen einer psychischen Erkrankung die ärztliche Assistenz bei der Selbsttötung gerechtfertigt sein; so lautet es sinngemäß. Das liest sich erst einmal gut. Aber was bedeutet das konkret für die Praxis?
Was passiert, wenn der Patient unerkannt an einer psychischen Erkrankung leidet? Was passiert, wenn eine
Fehldiagnose vorliegt? Was passiert, wenn die Voraussetzungen der angedachten Regelungen nicht erfüllt sind
und der Arzt dennoch handelt? - Es passiert nichts. Es
sind keine Sanktionen vorgesehen. Ich glaube, man muss
überlegen, ob man diesbezüglich gesetzgeberisch in die
eine oder andere Richtung gehen sollte.
Für mich geht es vor allen Dingen um rechtliche Aufklärung, darum, die Verunsicherung in der Gesellschaft,
die Verunsicherung aller Beteiligten zu beseitigen, und
weniger um eine Rechtsänderung. Wir wissen alle - das
haben wir heute oft gehört -, dass der Suizid in Deutschland straffrei ist. Das stimmt, aber das bedeutet nicht,
dass uns das als Gesellschaft nichts angeht.
({1})
So ist die Polizei verpflichtet, einzugreifen und einen
Suizidwilligen zu retten, auch wenn dieser frei verantwortlich handelt und gar nicht gerettet werden will. Die
Polizei muss etwas tun. Die Beihilfe zum Suizid ist
ebenfalls straffrei - auch das haben wir heute gehört -;
aber das bedeutet nicht, dass die Polizei nicht ermittelt.
Es wird immer geprüft: Handelt es sich um eine Tötung
auf Verlangen, oder ist es eine straffreie Beihilfe? Dieser
Kategorien sollte man sich bewusst sein.
Auch das Thema Sterbehilfevereine hat uns heute begleitet. Sterbehilfevereine, deren Vereinszweck es ist,
Beihilfe zu leisten, können aber nicht ohne Weiteres verboten werden, gerade weil die Beihilfe straflos ist. Aber
auch ich bin der Meinung: Wenn es Sterbehilfevereine
gibt, wenn es Seriensterbehelfer gibt, wenn man über
Todesengel spricht, dann braucht man rechtliche Lösungen, im Einzelfall auch eine strafrechtliche. Dabei ist der
Gesetzgeber aber - auch das sage ich hier ganz ausdrücklich - an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
gebunden. Man muss fragen: Gibt es mildere Mittel? Ist
ein Verbot eines Vereins wirklich ein milderes Mittel?
Das sind wichtige Fragen, gerade angesichts der Tatsache, dass in Deutschland traditionell auch Parteien und
viele andere gesellschaftliche Gruppen als Vereine organisiert sind und bisher in der Tat nur links- und rechtsradikale Vereine verboten werden konnten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, in der aktuellen Debatte wird häufig über würdiges Sterben gesprochen. Was ist würdiges Sterben? Was ist großes und
was ist kleines Leid beim Sterben? Was ist ein guter Tod,
was ist ein schlechter Tod? Im Rahmen des Selbstbestimmungsrechts des Patienten ist der Abbruch einer
ärztlichen Behandlung oder eine palliative Sedierung,
wie wir sagen, die mittelbar zum Tod führt, rechtlich
nicht zu beanstanden. Aber die ärztliche Therapie muss
sich immer am Leben orientieren. In Fragen der Sterbehilfe, der Sterbebegleitung muss man deshalb - das sage
ich ausdrücklich auch als Vorsitzender des Gesundheitsausschusses - zusammen mit den Ärzten, mit der Ärzteschaft Lösungen finden. Ich sage aber auch: Die Ärzteschaft ist aufgefordert, selbst darüber nachzudenken, ob
sie nicht andere Regelungen schaffen sollte. Die Ärzteschaft muss, glaube ich, über ihre bisherigen Regelungen
hinaus Einzelfallentscheidungen ermöglichen. Sie muss
wirklich über Änderungen nachdenken. Die Diskussion
in diesem Parlament sollte dazu führen, dass die Ärzteschaft intern darüber diskutiert, ob ihre aktuellen Regelungen zur sogenannten Beihilfe noch zeitgemäß sind,
ob sie den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht
werden.
Ich glaube, abschließend sagen zu können - der Präsident hat mir gerade ein Zeichen gegeben, dass meine
Redezeit abläuft -, dass wir alle gemeinsam versuchen
sollten, diese ethischen und rechtlichen Fragen zu beantworten. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Diskurs.
Wir brauchen einen offenen Diskurs mit allen gesellschaftlichen Gruppen. Ich denke, diese Debatte dient der
Orientierung und ist ein guter Anfang für diesen gesellschaftlichen Diskurs, in dem wir die eine oder andere
Frage, die ich aufgeworfen habe, gemeinsam mit allen
Beteiligten beantworten können.
Danke schön.
({2})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Jens Spahn, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zum Ende der Debatte kann man, glaube ich, festhalten,
dass es erwartungsgemäß einen großen Konsens hinsichtlich des Ausbaus der Palliativ- und Hospizversorgung in Deutschland gibt. An einigen Stellen müssen wir
noch besser werden. Zum Zweiten gibt es meiner Ansicht nach einen relativ großen Konsens hinsichtlich der
gewerblich organisierten Sterbehilfe: Ein Geschäft mit
dem Tod soll verboten werden. Auch Werbung für Assistenz beim Suizid, also für Sterbehilfe, soll verboten werden. Niemand möchte an der Litfaßsäule neben der
Cola-Werbung die Werbung fürs sanfte Sterben sehen.
Dass da klare Grenzen gezogen werden müssen, darüber
besteht, glaube ich, ein großer Konsens.
Wo aber sehe ich die große Differenz in der Debatte?
Das betrifft vor allem das Arzt/Patienten-Verhältnis und
die Frage, was da zu regeln ist und was nicht. Wenn ich
auf die Debatte zurückschaue, kann ich feststellen, dass
wir aufpassen müssen, da nicht Probleme großzureden,
die eigentlich gar nicht so groß sind.
({0})
Die Beihilfe zum Suizid - das ist jetzt bereits mehrfach gesagt worden - ist in Deutschland straffrei. Dem
gegenüber steht das ärztliche Berufsrecht. Mit Blick auf
dieses Berufsrecht sage ich: Nennen Sie mir einen Fall in
Deutschland, bei dem ein Arzt berufsrechtliche Probleme bekommen hat, weil er im Rahmen einer intimen,
persönlichen Vertrauenssituation zum Patienten Beihilfe
zum Suizid geleistet hat. Nennen Sie mir einen einzigen
Fall! - Den gibt es nicht, Sie werden ihn nicht finden.
Etwas anderes ist es, wenn jemand mit System, also wiederholt, diese Beihilfe geleistet hat. Wenn aber jemand
im Rahmen eines Arzt/Patienten-Verhältnisses im Einzelfall Unterstützung gegeben hat, hat es nicht ein einziges Mal berufsrechtliche Probleme gegeben. Ich finde,
wir müssen ein bisschen aufpassen, dass wir hier nicht
ein Problem, das eigentlich gar keines ist, großreden, um
es dann anschließend zu regeln.
({1})
Das höchst intime und höchst individuelle Verhältnis
zwischen Arzt und Patient macht, wenn es um einen extremen Einzelfall geht, schon heute eine entsprechende
Unterstützung möglich. Das müssen die beiden miteinander ausmachen. Wer sonst soll es denn entscheiden?
Etwas anderes ist es aber, wenn wir anfangen, das zu
verrechtlichen. Dann machen wir aus dem extremen Einzelfall auf einmal einen Normalfall. Das ist eine Option
von vielen anderen, die wie selbstverständlich aufgeführt ist. Wir fangen dann auf einmal an, Kriterien zu
normieren.
Gerade sprach ein Redner von „bei Bedarf“. „Bedarf“
ist ein spannendes Wort.
({2})
Ein Vorschlag beinhaltet den Begriff „tödlich verlaufende Krankheit“. Diejenigen, die das vorschlagen, sind
- seien Sie ehrlich - am Ende auch nicht konsequent.
Wenn Sie sagen, dass Sie das Selbstbestimmungsrecht in
die Mitte Ihres Vorschlags stellen: Warum begrenzen Sie
dann das Selbstbestimmungsrecht wieder nur auf tödlich
verlaufende Krankheiten?
({3})
- Ich will jetzt keine Namen zuordnen. Es gibt diese
Vorschläge.
Ich war vor kurzem bei einer Radiosendung mit Anrufern zu dem Thema, das wir hier diskutieren. Eine Anruferin sagte: Für mich ist das Leben schon dann nicht
mehr lebenswert, wenn ich einen künstlichen Darmverschluss habe. Ich möchte nicht, dass sich dann andere
um mich kümmern müssen. Beim Stuhlgang möchte ich
nicht von der Hilfe anderer abhängig sein. - Darauf habe
ich geantwortet: Über den Fall reden wir aber eigentlich
gar nicht; das ist keine tödlich verlaufende Krankheit.
Ich habe folgende große Sorge: In dem Augenblick,
wo wir auf einmal Kriterien aufstellen, kommen wir
ganz schnell zu einer Debatte über die Frage, was denn
möglicherweise noch alles da mit hineinzunehmen ist.
Ich sage noch einmal: Es ist nicht konsequent, sich einerseits auf das Selbstbestimmungsrecht zu berufen
- dann gilt das auch für einen Menschen mit Darmverschluss -, während man es dann an anderer Stelle wieder
begrenzt. Sie wissen genau: Wenn man keine klaren
Grenzen zieht, gerät man auf eine schiefe Bahn, auf der
es dann ganz schnell sehr rutschig wird.
Deswegen möchte ich sehr davor warnen, dass wir
irgendwie versuchen, das persönliche Arzt/PatientenVerhältnis zu verrechtlichen bzw. mit Kriterien zu füllen.
Denn jedes Kriterium, das da irgendwie definiert wird,
führt sofort wieder zu der Frage: Warum nicht andere?
Warum nicht mehr? Der Fall Belgien, wo es 25 Änderungen am Gesetz gab, ist schon genannt worden.
Ich möchte auch noch auf den beispielhaft angesprochenen Fall eingehen, dass jemand Selbstmord begeht,
indem er sich vor den Zug schmeißt. Die allermeisten
derjenigen, die das tun - 80 bis 90 Prozent; diese Zahl
bezweifelt niemand -, sind psychisch krank. Dabei handelt es sich um Menschen mit schweren Depressionen,
denen man vielleicht mit einer entsprechenden rechtzeitigen Behandlung hätte helfen können. Ich kenne hier
niemanden, der sagt, dass das für psychisch Kranke
selbstverständlich genauso gelten soll. Eigentlich sagen
in der Debatte alle: Psychisch Kranke sind, was ihre
Selbstbestimmung angeht, natürlich nicht völlig frei. Für
sie sollen die Regelungen nicht gelten. - Dann darf man
in diese Debatte aber auch nicht das Beispiel des ICELokführers einführen. Das passt an der Stelle nicht zusammen.
({4})
Ich möchte abschließend dafür werben, hier schnell
zu einem Konsens in Bezug auf die Punkte zu kommen,
wo wir großen Konsens haben: Verbesserung der Palliativversorgung sowie Verbot des Geschäftsmodells Sterbehilfe. Ich bitte um Abstimmung bei den einzelnen
Punkten. Anschließend könnten wir uns vielleicht darauf
verständigen, dass wir mehr Debatten brauchen, die aufzeigen, dass der Tod zum Leben gehört.
Ich war Ende 20, als ich zum ersten Mal einen Toten
gesehen habe. Meine Eltern und meine Großeltern haben
mir gesagt, dass es früher für ein Kind ganz normal war,
dass man auch einen Menschen sterben, einen toten
Menschen sieht. Wir haben heute den Tod, die direkte
Konfrontation mit dem Tod für Kinder, für junge Menschen, zum Teil schon für Erwachsene völlig aus dem
Leben verbannt. Kaum einer hat je einen Toten gesehen.
Vielleicht hilft eine Debatte wie diese, deutlich zu machen, dass Tod und Sterben auch zum Leben gehören.
({5})
Als letzter Rednerin in dieser Debatte erteile ich das
Wort der Abgeordneten Maria Michalk, CDU/CSUFraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Als letzter Rednerin in dieser Debatte ist es
mir ein Herzensbedürfnis, allen ganz herzlich für diese
großartige, inhaltsreiche und auch differenzierte Debatte
zu danken, die uns mit Sicherheit in dieser ganz konkreten Frage weiterbringen wird.
({0})
Ich will einmal an den Anfang des Lebens gehen.
Niemand von uns hat bestimmt, wann und unter welchen
Umständen er oder sie auf die Welt gekommen ist. Wir
gebären uns ja nicht selbst, sondern wir werden geboren.
Am Anfang sind wir alle gleich, nämlich Kinder der
Liebe. Ich reflektiere für mich daraus den Urwunsch des
Menschen, auch am Ende des Lebens in eine liebevolle
Umgebung eingebettet zu sein: Angehörige, Ärzteschaft,
Palliativmediziner, Schwestern, Freunde, vielleicht auch
die Nachbarn. Aber weil sich dieser Wunsch in unserer
modernen, schnelllebigen Zeit nicht für jedermann erfüllen kann, sind Ängste entstanden. Was wird sein, wenn
ich in eine solche Situation komme? Deshalb bin ich zunächst einmal sehr glücklich darüber, dass wir uns unabhängig von den verschiedensten Positionen in einer
Frage einig sind, nämlich darin, dass die Würde des
Menschen unantastbar ist und bleiben muss,
({1})
und zwar sowohl am Anfang des Lebens als auch am
Ende des Lebens.
Für mich ist auch eine andere Frage relevant. Manche
sagen ja: Mir wäre es am liebsten, mich ereilt gar keine
Krankheit und irgendwann falle ich tot um. Dann brauche ich nicht zu leiden, und dann brauchen auch meine
Angehörigen nicht zu sehen, wie ich leiden muss. - Das
sind Wünsche, die man in manchen Situationen vielleicht sogar verstehen kann, aber menschlich sind sie
nicht. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns auch in der
folgenden Frage einig sind: Was müssen wir noch alles
tun, damit in schwierigen Situationen bei Ängsten, bei
Schmerzen die Hilfe da ist, die wir in einer so reichen
Gesellschaft erwarten dürfen? Sind wir als reiche Gesellschaft nicht auch arm, nämlich arm wegen mangelnder
Zuneigung, notfalls auch durch Dritte? Da kommt diese
Debatte für mich an einen Punkt, an dem ich sage: Hilfe
zum Sterben unter medizinischen Gesichtspunkten in
den Grenzen, die uns heute schon das Gesetz vorgibt, ja,
aber niemals ein Geschäft mit dem Tod. Das muss verboten bleiben.
({2})
Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass wir irgendwann Kriterien finden, die in einer ganz individuellen
Situation des Menschen, des Umfeldes abgearbeitet werden können nach dem Motto: Hier ist es erlaubt und hier
nicht. Ich kann es mir nicht vorstellen. Deshalb ist es
auch so wichtig, welche Worte wir in dieser Debatte
wählen. Denn wir müssen mit unserer politischen Debatte in unserem Land auch Vertrauen schaffen.
Dass, wie manche erwähnt haben, viele Menschen,
die sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben, sagen: „Ich möchte am Ende des Lebens selbst bestimmen,
wann ich von dieser Welt gehe“, kann ich als Christ
nicht verstehen. Denn wir sagen ja auch nicht: „Er ist
von uns gegangen“, sondern: „Er ist vor uns gegangen.“
Wir haben da auch eine Hoffnung in uns.
Es ist sehr wichtig, dass wir unsere Bevölkerung informieren. Die absoluten Ausnahmen, die in unserem
Leben passieren können, dürfen wir nicht zur Regel machen. Vor diesem Hintergrund rate ich uns am Ende dieser Debatte - das ist eher ein Wunsch von mir -, dass wir
uns in dieser modernen Welt, die fast alles kann, ab und
zu einmal an alte Lebensweisheiten erinnern und alte
Volksweisheiten, die die geballte Lebenserfahrung vieler
Generationen vor uns in sich bergen, lesen oder sie uns
anhören.
Eine dieser Volksweisheiten möchte ich uns, auch ein
Stück weit als Leitlinie für die jetzt folgenden Diskussionen hier im Deutschen Bundestag, auf den Weg geben:
Achte auf deine Gedanken; denn deine Gedanken
werden Worte. Achte auf deine Worte; denn sie
werden Handlungen. Achte auf deine Handlungen;
denn sie werden Gewohnheiten. Achte auf deine
Gewohnheiten; denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter; denn er wird dein
Schicksal.
Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.
({3})
Wir werden alle sterben, aber eigentlich wollen wir
es nicht. Es fällt uns schwer zu akzeptieren, wenn keine
Überlebenschance mehr besteht. Selbst wenn die
93-jährige Mutter vom Arzt erfährt, dass die medizinischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, ist es nicht
leicht, dies anzunehmen. Und noch schwerer ist es, abzuwarten bis es so weit ist. Denn niemand weiß, wann
der Tod eintritt. Mal sind es Stunden, mal Tage, mal
Monate. Oft dauert es lang. Das Nachlassen der
Kräfte oder auch das Leiden mit anzusehen, fällt uns
schwer. „Wenn man dem doch ein Ende setzen
könnte“, wird von den Betroffenen gesagt und macht
uns als Angehörige oft ratlos. Sterben ist nicht leicht.
Selbst wenn mitentschieden werden kann, ob die
medizinischen Geräte abgestellt werden sollen, ist es
in den allermeisten Fällen ein großes Ringen, ob man
dem wirklich zustimmen soll.
Sterben und Sterbenlassen fällt uns nicht leicht.
Denn der Tod bedeutet endgültiges Abschiednehmen
vom Leben. Er ist ein tiefer Einschnitt für alle, die zurückbleiben. Nichts kann mehr ausgesprochen werden,
was einem auf dem Herzen liegt. Was man noch gemeinsam vorhatte, kann nicht mehr miteinander erlebt
werden. Unmittelbare Beziehung wird für immer abgebrochen. Darum ist es für die Zurückbleibenden zunächst auch gar nicht so tröstlich, wenn einer so aus
dem Leben geht, wie wir es uns im Innersten eigentlich
alle wünschen: einfach nachts auf ewig einschlafen, so
wie es einem meiner Großväter vergönnt war.
Wenn es uns so schwerfällt, uns mit dem Tod abzufinden, das Sterbenmüssen selbst im schweren Krankheitsfall zu akzeptieren, warum brauchen wir dann
eine Debatte darüber, wie wir Menschen ein rasches
Ende bereiten können? Kann der Gesetzgeber das
Sterben überhaupt leicht({0}) machen? Und sind die bestehenden gesetzlichen Regelungen hierfür nicht bereits ausreichend?
Als Gesetzgeber können wir vor allem dazu beitragen, die medizinische und pflegerische Versorgung zu
verbessern, die Palliativversorgung und Hospizkultur
stärker zu fördern. Mit der Patientenverfügung wurde
bereits die Möglichkeit geschaffen, Vorkehrungen zu
treffen für den Ernstfall des Lebens. Dennoch wird es
weiterhin tragische Ausnahmesituationen geben, in
denen auch Hospiz- und Palliativmedizin und liebevolle Zuwendung durch vertraute Menschen den Sterbewunsch nicht zurückdrängen können. Hatte der Gesetzgeber solche existenziellen Nöte im Blick, als er
entschieden hat, Assistenz beim Suizid straffrei zu lassen? Weitergehende Regelungen zu treffen, erscheint
mir zum jetzigen Zeitpunkt nicht notwendig.
Sterben ist nicht leicht - den Tod herbeizuführen,
muss schwerer sein.
Es ist gut, dass es sich der Deutsche Bundestag
nicht leicht macht, über diese existenziellen Fragen zu
entscheiden.
Es ist ein emotionales Thema, weil es jeden Menschen betreffen kann, weil es ethische und moralische
Fragen aufwirft: die Sterbehilfe. Deshalb begrüße ich,
dass der Deutsche Bundestag heute diese wertschätzende Debatte führt, um mit viel Sorgfalt, ausreichend
Zeit und der nötigen Sensibilität über dieses wichtige
gesellschaftliche Thema der Sterbehilfe zu entscheiden.
Beim Thema der organisierten Sterbehilfe, aber
auch bei der Beihilfe zum Suizid geht es um nichts weniger als um den Umgang mit Leben und Tod, die
Würde des Menschen, Nächstenliebe und unser Menschenbild, aber auch um die Frage: In welcher Gesellschaft möchten wir leben? Und das ist für mich in ganz
besonderer Weise eine Gewissensfrage.
Unser gesellschaftliches Fundament ist das christliche Menschenbild. Unsere Werte und Normen entstanden auf Grundlage dieses Fundaments. Und wenn wir
uns dieser christlichen Wurzeln besinnen und sie auch
für die Zukunft als Maßstab nehmen, dann können wir
nur zu einem Ergebnis kommen - nämlich: Jegliche
Form der organisierten Sterbehilfe, sei es durch Vereine unter dem Deckmantel der „Barmherzigkeit“
oder durch Gewerbetreibende, ist abzulehnen.
Nur so kann verhindert werden, dass aus dem Tod
eine Dienstleistung oder gar eine Geschäftsidee wird.
Ein Verbot muss alle Arten von Sterbehilfevereinen
und Sterbehelfern umfassen. Denn ob gewerblich oder
„nur“ gemeinnützig, jede Form von öffentlich erlaubter Suizidbeihilfe öffnet die Tür für Missbrauch, die
Ausübung von psychischem Druck und Altersdiskriminierung.
Ich halte es für nicht zutreffend, wenn die Befürworter der Sterbehilfe den Anschein erwecken, dass die
Deutschen sich eindeutig für die organisierte Sterbehilfe in Umfragen aussprechen. Erst recht, wenn die
Fragestellungen sehr unpräzise sind. Fragt man nach
dem Wunsch auf „Hilfe am Ende des Lebens“, dann ist
die Antwort naturgemäß: Ja. Ja zur Hilfe, aber sicherlich nicht Ja zur Überdosis an Medikamenten oder der
„Todesspritze“.
Hier soll aus Angst vor dem unsicheren Leben ein
sicheres Ende gesucht werden. Doch das Sterben ist
Teil des Lebens. Die öffentliche Darstellung von Sterbehilfe suggeriert oft, auf diese Weise könne gleichsam
die „dunkle Seite“ des Lebens abgeschafft werden.
Das Leid ist aber kein Fehler der Schöpfung. Wie die
Freude muss es zum Leben dazugehören. Die menschenwürdige Antwort auf Schmerz und Qual ist nicht
der Tod, sondern echte Nähe und Zuwendung. Freiheit
ohne Solidarität gibt es nicht.
Dieser Respekt vor dem Schwachen und Kranken
macht gerade eine moderne Gesellschaft zu einer lebenswerten Gesellschaft. Schon heute haben viele alte
und kranke Menschen Angst, anderen zur Last zu fallen. Eine Liberalisierung der Sterbehilfe durch den
Gesetzgeber würde den Druck auf alle erhöhen, die
sich aufgrund ihres Alters oder einer schweren Erkrankung nicht mehr genug leistungsfähig fühlen. Die
Frage, die alte oder kranke Menschen sich oft stellen,
ist: Darf ich meinen Nächsten zur Last fallen? Diese
Frage kann recht schnell zu einer Anklage oder einem
Druck werden. Das dürfen wir nicht zulassen.
Auch Ärzte haben hier eine ganz besondere Verantwortung. Sie müssen immer für den Erhalt des Lebens
stehen. Menschen sollen bei ihren Arztbesuchen das
Gefühl von Sicherheit haben. Daran muss festgehalten
Zu Protokoll gegebene Reden
werden, denn gerade ärztlich assistierter Suizid und
Tötung auf Verlangen sind nicht zu trennen.
Angst vor den Schmerzen, vor dem grausamen langen Sterben, das ist ein Argument. Aber unsere Palliativmedizin kann viel. Viel wichtiger ist es doch, den
Menschen die Angst vor einem qualvollen Tod zu nehmen, anstatt den schnellen Tod per Knopfdruck zu ermöglichen. Sprechen Sie doch einmal mit den Palliativmedizinerinnen und -medizinern, wie sie zum Leben
mit Schmerzen stehen. Sie werden Ihnen antworten:
Wenn Sie sich in palliative Betreuung begeben, dann
werden Sie merken, dass Sie nicht den Wunsch haben,
unmittelbar zu sterben. Sie entscheiden sich für das
Leben.
Daher müssen wir die Palliativmedizin in Deutschland weiter stärken. Hier sind in den letzten Jahren
erhebliche Fortschritte gemacht worden, die in der öffentlichen Debatte um Sterbehilfe oft zu kurz kommen.
Hospize und andere Formen der Sterbebegleitung leisten eine wichtige Arbeit, indem sie den Sterbenden und
ihren Angehörigen ein würdiges Abschiednehmen erleichtern.
Deshalb müssen wir uns der Herausforderung stellen, eine flächendeckende, bestmögliche medizinische
und palliativmedizinische Versorgung bereitzustellen,
und den Aufbau und Ausbau von Hospizen weiter fördern. Dafür lohnt es sich zu kämpfen.
Uns muss auch bewusst sein, welche Bedeutung die
organisierte und geschäftsmäßige Sterbehilfe für unsere Gesellschaft hat und welche weitreichenden Folgedebatten ausgelöst werden. Schauen wir doch nach
Belgien! Belgien hat die Altersgrenze für aktive Sterbehilfe herabgesetzt. Werden wir dann in zwei Jahren
darüber diskutieren, ob ein 14-Jähriger über seinen
Tod selbst entscheiden soll? Oder werden wir verurteilten Mördern und Vergewaltigern ein Recht auf Sterbehilfe einräumen, weil sie unter ihren „unerträglichen psychischen Qualen“ leiden?
Schauen wir in ein anderes Nachbarland: die Niederlande, wo kurz nach der Legalisierung der aktiven
Sterbehilfe in vielen Fällen die Formalitäten, wie die
direkte Willensäußerung des Patienten, nicht beachtet
wurden. Wie wird also mit Missbrauch umgegangen?
Letztlich tangieren die genannten negativen und gefährlichen Entwicklungen unsere gesamte Werteordnung.
Unsere Rechtsordnung verpflichtet, das Leben und
die Würde der Menschen zu schützen. Sie impliziert ein
generelles Tötungsverbot. Auch wenn die Beihilfe zur
Selbsttötung straffrei ist, ist es etwas anderes, wenn die
Beihilfe organisiert und geschäftsmäßig angeboten
wird und die Selbsttötung damit gleichsam als eine Behandlungsvariante neben der Palliativmedizin und andere Hilfe tritt.
Deshalb spreche ich mich klar und deutlich für ein
Verbot von jeglicher Form von organisierter Sterbehilfe aus!
Das Thema Sterbebegleitung bewegt die Menschen
in unserem Land. Es ist eine höchst emotionale und
zum Teil sehr kontrovers geführte Debatte. Schließlich
geht es hier um die Frage, wie wir in unserer Gesellschaft mit Alter, Krankheit, Pflege und dem Ende des
Lebens umgehen. Durch eine stetig steigende Lebenserwartung, medizinischen Fortschritt und die demografische Entwicklung gewinnt die Frage einer menschenwürdigen Sterbebegleitung zunehmend an
Bedeutung.
Laut Berechnungen des Bundesgesundheitsministeriums wird die Zahl der pflegebedürftigen Menschen
bis zum Jahr 2030 auf über 3,2 Millionen ansteigen.
Die meisten Menschen möchten, dass das medizinisch
Notwendige und Sinnvolle für sie getan wird. Und das
ist auch gut so. Gerade in der letzten Phase des
menschlichen Lebens, die häufig durch Krankheit und
Schwäche gekennzeichnet ist, sind Menschen besonders schutz- und pflegebedürftig. Als Gesetzgeber ist
es unsere Aufgabe, die bestmöglichen Rahmenbedingungen für ein menschenwürdiges und würdevolles Leben und Sterben zu schaffen. Deshalb steht für uns als
Union der Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung, insbesondere der spezialisierten ambulanten
Versorgung, im Vordergrund.
Wir benötigen einen weiteren Ausbau der Beratungsangebote zum Thema Sterbebegleitung. Diese
Angebote bieten den Betroffenen die notwendige Hilfe
in der letzten Lebensphase. Sie basieren auf den bestehenden rechtlichen Regelungen und ethisch vertretbaren Formen der Sterbebegleitung.
Diese beinhalten - einen entsprechenden Willen des
Patienten vorausgesetzt - Ansätze vom Verzicht auf
lebensverlängernde Maßnahmen über den aktiven
Abbruch lebenserhaltender Therapien bis hin zu
Schmerztherapien, die im Extremfall das Bewusstsein
einschränken und eine Lebensverkürzung in Kauf nehmen. In Deutschland ist bisher niemand gegen seinen
Willen lebensverlängernden medizinischen Maßnahmen ausgesetzt. Vielen Menschen ist dies jedoch nicht
bekannt, weil die Beratungsangebote in Deutschland
sehr unterschiedlich ausgebaut sind. In Zukunft wird
es wichtig sein, in den verschiedenen Bundesländern
entsprechende Angebote für sterbende Menschen und
ihre Angehörigen weiter auszubauen.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir eine organisierte Sterbehilfe als Dienstleistung wollen. Niemand
darf mit dem Leid und der Verzweiflung von Menschen
sein Geld verdienen. Die Würde des Menschen bleibt
vom Beginn des Lebens bis zu seinem Ende unantastbar. Dies ist durch Artikel 1 in unserem Grundgesetz
besonders geschützt.
Sollte sich erst einmal eine scheinbare Normalität
der unterstützten Selbsttötung für schwerkranke Menschen einstellen, ist zu befürchten, dass bei diesen
Menschen der Erwartungsdruck entsteht, ihren Angehörigen oder der Gemeinschaft nicht dauerhaft zur
Zu Protokoll gegebene Reden
Last zu fallen. Je selbstverständlicher und einfacher
zugänglich Optionen zur Hilfe bei Selbsttötung werden, umso eher ist zu befürchten, dass sich Menschen
dazu verleitet sehen, von der bestehenden Option Gebrauch zu machen und ihrem Leiden ein Ende zu bereiten. Viele haben schon den Satz gehört: „Ich will doch
aber niemandem zur Last fallen.“ Suizid darf niemals
gesellschaftsfähig werden! Natürlich soll der Wunsch
des Einzelnen, über sein Leben und auch über dessen
Ende zu entscheiden, respektiert werden. Dieser
Wunsch sollte immer auf freiem Willen beruhen und
nicht durch andere Personen, Institutionen oder organisierte Dienstleistungen beeinflusst werden. Aus meiner Sicht ist das Geschäft mit der Sterbehilfe, egal ob
gewerbsmäßig oder als erbrachte Hilfeleistung, nicht
hinnehmbar.
Wir brauchen für diesen Gesichtspunkt klare gesetzliche Regelungen. Dabei sollten die flächendeckende
medizinische, pflegerische und seelsorgliche Betreuung und Begleitung schwer kranker Menschen und
Sterbender im Mittelpunkt all unserer Überlegungen
stehen. Palliativmedizin und das Hospizwesen in ambulanten und stationären Einrichtungen sollten weiter
ausgebaut werden. Es ist bekannt, dass eine qualitativ
hochwertige und professionelle palliative Begleitung
den Menschen Schmerz und Angst vor dem Sterben
nehmen kann. Die wenigsten Menschen halten aktiv
am Suizid fest, wenn ihnen Ängste genommen und aktive Angebote zur Unterstützung gemacht werden.
Der katholische Theologe Adolph Kolping schrieb
einst: „Das erste, das der Mensch im Leben vorfindet,
das letzte, wonach er die Hand ausstreckt, das Kostbarste, das er im Leben besitzt, ist die Familie.“ Besonders wichtig ist daher die Einbeziehung der Familie und der Angehörigen.
Doch nicht alle Menschen haben eine Familie oder
Angehörige, die sie auf dem letzten Weg begleiten können. Das Engagement von Ehrenamtlichen in Hospizeinrichtungen hat deshalb eine besondere Bedeutung,
die von der Öffentlichkeit oft nur am Rande wahrgenommen wird. Für diese wahrlich nicht einfache und
sehr verantwortungsvolle Aufgabe gebührt den Ehrenamtlichen ein großes Dankeschön für ihr Engagement
und ihren persönlichen Einsatz.
Laut Aussage der Caritas ergab eine bundesweite
Umfrage, dass die Vorstellung, alleine zu sterben, für
viele Menschen die schlimmste Vorstellung überhaupt
darstellt. Die meisten Menschen wollen zu Hause sterben. In die Obhut eines Hospizes will sich jeder vierte
begeben. Ein Grund dafür ist, dass die Hospizbewegung noch immer nicht ausreichend bekannt ist. Es
gibt bundesweit circa 200 stationäre Hospize sowie
zahlreiche ambulante Hospizdienste. Überträgt man
diese Anzahl jedoch auf 80 Millionen Einwohner in
Deutschland, reicht dies nicht aus. Hinzu kommt, dass
die Themen Tod und Sterben in der Öffentlichkeit häufig noch ein Tabuthema sind.
Es ist ein großer Unterschied, ob ein sterbender
Mensch sagt: „Ich kann nicht mehr“, oder ob man sich
als gesunder Mensch diese Situation vorstellt und
sagt: „So möchte ich es bestimmen.“ Die meisten Sterbenden haben große Angst. Sie haben Angst vor möglichen Schmerzen, Angst vor dem Alleinsein.
An dieser Stelle sollten wir uns die Frage stellen,
was wir tun können und was notwendig ist, um mögliche Ängste und Schmerzen zu lindern. Unsere Gesellschaft muss sich in Zukunft verstärkt der Herausforderung stellen, das Sterben menschenwürdig zu
gestalten. Die Gewissheit, am Ende des Lebens nicht
allein zu sein, entlastet die Betroffenen und nimmt ihnen die Ängste. Diese Aufgabe erfüllen Hospize, Familien und Freunde, medizinisches Fachpersonal und
viele Ehrenamtliche. Sie ermöglichen ein Lebensende
in Würde und Geborgenheit.
Diese Leistung verdient allerhöchste Anerkennung
und meinen persönlichen Respekt. Wir wollen diese
Leistung stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Mit der Schaffung von guten und nachhaltigen
Rahmenbedingungen können wir dies ermöglichen. Jeder Mensch hat das Recht auf ein menschenwürdiges
Leben und ein ebenso menschenwürdiges Lebensende.
Wir diskutieren heute über die organisierte Beihilfe
zum Suizid und insbesondere die Frage, inwiefern sie
gesetzlich geregelt werden sollte. Sogenannte „Sterbehilfevereine“, wie es sie auch in meiner Heimatstadt
Hannover gibt, verursachen Regelungsbedarf des Gesetzgebers. Wir haben dabei Menschen vor Augen, die
an schweren, unheilbaren Krankheiten leiden, die im
Alter in hohem Maße auf Hilfe angewiesen sind - oder
die Angst haben, in solche Lagen zu geraten. Eine
Angst, die viele von uns sicherlich gut nachvollziehen
können.
Zuallererst stellt sich dabei aber die Frage: Ist es
überhaupt notwendig, dass wir ein neues rechtliches
Instrument einführen, nämlich das des assistierten
Suizids, um eine unerträgliche Situation am Lebensende zu vermeiden oder zu beenden? Seit zwölf Jahren
gehöre ich diesem Hause an, und wir haben nicht nur
mehrfach über diese Thematik diskutiert, sondern
auch einige rechtliche Instrumente eingeführt, die die
Situation am Lebensende regeln:
Erstens: Solange eine Person im Vollbesitz ihrer
geistigen Kräfte ist, hat sie jederzeit das Recht, eine
Behandlung abzulehnen. Niemand muss sich gegen
seinen Willen behandeln lassen, zum Beispiel auch
keine Magensonde legen lassen. Mein eigener Vater,
selbst Arzt, hat schwer chronisch erkrankt im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ärztliche Behandlungen
abgelehnt und ist an den Folgen verstorben. Also: Niemand muss eine Behandlung an sich vornehmen lassen.
Zweitens: Auch für den Fall, dass die Sorge besteht,
dass nach Verlust des Bewusstseins medizinische Be6166
handlungen an einer Person durchgeführt werden, die
sie bei Bewusstsein nicht billigen würde, haben wir in
den letzten Jahren rechtliche Instrumente eingeführt.
Das ist auf der einen Seite die Patientenverfügung.
Man kann darin dezidiert aufschreiben, welche Behandlungen vorgenommen werden sollen und welche
nicht - und wenn ja oder nein, unter welchen Bedingungen. Und falls man sich nicht in Form einer Patientenverfügung im Voraus selbst auf ein konkretes
Vorgehen festlegen möchte oder kann: Schon jetzt hat
jeder und jede die Möglichkeit, einer selbst gewählten
Vertrauensperson eine Vorsorgevollmacht zu erteilen.
Dies ist für alle Lebensbereiche möglich: für die Regelung der persönlichen Finanzen bis hin zu der Frage,
wie man medizinisch behandelt werden will - oder
eben nicht.
Und drittens ist auch eine Form „passiver Sterbehilfe“ als rechtliches Instrument vorhanden: Ärztliche
Maßnahmen zur Bekämpfung von Leiden und Schmerzen, ausdrücklich im Rahmen der Palliativmedizin,
können dazu führen, dass Leben verkürzt wird - dies
ist nicht strafbewehrt.
Ich kann darum wirklich keine Notwendigkeit erkennen, warum assistierter Suizid notwendig sein sollte,
um erstens Selbstbestimmung zu garantieren - das will
ich selbstverständlich auch, und es ist mittels der soeben genannten rechtlichen Instrumente ja auch schon
möglich - und um zweitens Leiden und Schmerzen zu
vermeiden oder zu beenden.
Hingegen sehe ich sehr wohl die Notwendigkeit, geschäftsmäßigen und gewerbsmäßigen assistierten Suizid gesetzlich zu verbieten. Wir sind dem Grundgesetz
verpflichtet. Das Recht auf Leben ist als Grundrecht in
Artikel 2 unserer Verfassung festgeschrieben: Ich zitiere Artikel 2 Absatz 2 Grundgesetz: „Jeder hat das
Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“
Aber auch - ich zitiere weiter -: „Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur aufgrund
eines Gesetzes eingegriffen werden.“
Die Gesetzgebung muss sich darum für den Schutz
jedes menschlichen Lebens einsetzen - besonders in
seinen verletzlichen Phasen -, selbstverständlich in
Respekt vor der Selbstbestimmtheit der Person. Eine
humane Gesellschaft muss deshalb gerade Menschen,
die verzweifelt, schwerstkrank, einsam oder lebensmüde sind, andere Angebote unterbreiten als die Beihilfe zu einem Suizid - oder gar die Tötung auf Verlangen.
Ich denke dabei insbesondere an den weiteren Ausbau der Hospizarbeit und der Palliativversorgung.
Hier gilt es, insbesondere dort nachzubessern, wo es
- gerade in der ambulanten - Palliativversorgung
noch Lücken gibt, und für die nötige finanzielle Ausstattung zu sorgen, damit Schwerstkranke in Hospizen,
Krankenhäusern, Alteneinrichtungen und im privaten
Umfeld würdevoll und begleitet sterben können. Ich
denke aber auch an eine Stärkung der Maßnahmen zur
Suizidprävention sowie eine Verstärkung der Aufklärung über die legalen Möglichkeiten, schwerem Leid
und Schmerzen am Lebensende zu begegnen, wenn
kurative Behandlungsmaßnahmen nicht ausreichen.
Nicht zuletzt müssen offenbar die Informationen zu Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht noch weiter
verbessert werden. Dass diese als rechtliche Möglichkeiten bereits heute jedem zur Verfügung stehen,
scheint leider nicht allgemein bekannt zu sein.
Solange das Recht auf Leben ein Grundrecht ist,
kann die Hilfe zum Suizid keine normale Dienstleistung sein und darf nicht als solche angesehen werden.
Organisierte Formen solcher Beihilfe müssen wir darum gesetzlich verbieten und auch die Werbung dafür.
Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der jeder
Mensch willkommen ist, unabhängig von seinem Lebensalter, seiner Leistungsfähigkeit oder seiner Gesundheit. Es wäre eine humane Katastrophe, wenn
Menschen, die - egal in welcher Lebensphase - auf
Hilfe angewiesen sind, sich womöglich rechtfertigen
müssten, überhaupt noch am Leben zu sein. Sterben an
der Hand eines anderen Menschen ist das Ziel - nicht
das Sterben durch die Hand eines anderen. Insofern ist
es die Aufgabe von Politik und Gesellschaft, schwerstkranke oder verzweifelte Mitmenschen nicht allein zu
lassen, sondern sie bis zuletzt lebensbejahend zu begleiten. Und es ist unsere Aufgabe als gewählte Abgeordnete, dafür geeignete rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen.
Eine eindeutige Regelung zum Thema aktive Sterbehilfe ist seit langem überfällig. In der vergangenen Legislaturperiode ist eine Einigung an der Frage gescheitert, ob neben gewerbsmäßiger auch organisierte
Sterbehilfe unter Strafe zu stellen sei. Für mich hat
sich seither in dieser Frage nichts geändert. Aktive
Sterbehilfe, also eine Tötung auf Verlangen, lehne ich
ganz grundsätzlich aus tiefster innerer Überzeugung
ab.
Der Wunsch nach aktiver Sterbehilfe wird aus der
Verzweiflung geboren, weil es den Betroffenen natürlich schwerfällt, mit dem Verlust der Selbstbestimmung
und der totalen Abhängigkeit von anderen umzugehen.
Hinzu kommen Schmerzen und die Angst, alleine gelassen zu werden. Statt diesem Zustand ein vorzeitiges
Ende zu bereiten, müssen wir als Gesellschaft Alternativen bieten, damit die Würde der Menschen erhalten
bleibt.
Wenn wir aktive Sterbehilfe zulassen, wäre dies ein
Armutszeugnis für unsere Gesellschaft. Es wäre geradezu pervers, das Töten von Kranken per Gesetz freizugeben, statt Hilfe zum Leben zu bieten. Wir müssen
und wir können andere Antworten geben auf das Leid
und die Einsamkeit von Schwerstkranken. In Deutschland sind in den vergangenen Jahren viele Hospize
entstanden, die ein würdevolles Sterben ermöglichen.
In der Öffentlichkeit wird leider auch viel zu wenig
über die Möglichkeiten der modernen SchmerztheraZu Protokoll gegebene Reden
pie gesprochen. Die Aufgabe der Ärzte muss es sein,
Schmerzen zu lindern, nicht Todkranke auf deren
Wunsch hin zu töten. Das sehen auch die meisten Ärzte
so, denn auch in der Medizin gibt es bewährte ethische
Prinzipien.
Schon aus ethischen Gründen kann es daher keine
Unterscheidung zwischen gewerbsmäßiger und organisierter Sterbehilfe geben. Schon die Duldung organisierter Sterbehilfe wäre ein Schritt dahin, aktive Sterbehilfe in die gesellschaftlich akzeptierte Normalität
zu holen. Schon der Eindruck der Normalität von Sterbehilfe erhöht den Druck auf die Betroffenen. Für eine
moralische Gesellschaft ist das undenkbar. Wir brauchen ein echtes Verbot ohne Schlupflöcher!
Gleichzeitig müssen wir als Gesellschaft auf allen
Ebenen für eine bessere Sterbebegleitung arbeiten.
Wir brauchen bessere Pflege sowie eine Ausweitung
der Hospizangebote und der Palliativmedizin, damit
niemand am Lebensende leiden muss. In einer humanen Gesellschaft gibt es einen würdevollen Tod nicht
durch die Hand der Ärzte und Angehörigen, sondern
an ihrer Hand.
Der Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt hat einmal
gesagt: „Die Beschäftigung mit dem Tode ist die Wurzel der Kultur.“
Der Umgang mit der eigenen Endlichkeit gehört zu
den großen Fragen der Menschheit und bestimmt
unser christliches Menschenbild, einen Grundpfeiler
unserer Werteordnung. In der heutigen Debatte geht es
um dieses Menschenbild. Und zwar nicht nur im Hinblick auf den Umgang mit dem Tod, sondern auch mit
dem Sterben. Es geht um die Bedeutung menschlichen
Lebens in seiner letzten, schweren Phase.
Dies ist nicht nur eine Fragestellung für die Betroffenen selbst: Wir alle müssen uns einer Verantwortung
stellen. Wir müssen für uns als Gesellschaft beantworten, wie wir mit schwerstkranken, sterbenden Menschen umgehen wollen. Es ist eine schwierige Frage,
das gebe ich zu.
Die aktuelle Diskussion ist von Ängsten geprägt, die
nachvollziehbar und verständlich sind: die Angst vor
einem Tod in Einsamkeit und Schmerzen, die Angst,
ausgeliefert zu sein an andere und vor der absoluten
Hilflosigkeit, der Wunsch, bis zum Schluss ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Dabei entsteht aber das Bedürfnis schwerstkranker
Menschen, ihrem Leben ein vorzeitiges Ende zu setzen,
nach meiner Erfahrung meist nicht nur aus unerträglichem körperlichem Leid. Vielmehr ist es ein seelisches
Leid, nämlich die Angst, alleingelassen zu werden, die
Angst, anderen zur Last zu fallen. Sie empfinden ein
solches Leben als nicht mehr lebenswert.
Das ist eine individuelle Entscheidung. Sie ist aber
auch durch die gesellschaftliche Wahrnehmung dessen
geprägt, was lebenswert ist und was nicht. Sie wird
auch davon bestimmt, wie viel Solidarität zwischen
den Menschen herrscht. Wenn alte und kranke Menschen nur als Belastung gesehen werden, ist es nachvollziehbar, dass sie sich selbst als solche empfinden.
Wir haben in der deutschen Geschichte schon einmal erlebt, wohin es führen kann, wenn die Gesellschaft entscheidet, ab wann ein Leben nicht mehr
lebenswert ist.
Wir müssen uns fragen: Wollen wir eine Gesellschaft, die bis zur völligen Vereinsamung und Verzweiflung individualisiert ist, in der Menschen den
Ausweg des schnellen Todes wählen, weil sie niemanden haben, der ihnen in den letzten Wochen und Stunden beisteht?
Wenn wir die assistierte Sterbehilfe als gesellschaftliche und rechtliche Normalität etablieren, steigt der
Druck auf die Menschen, diese Möglichkeit in Anspruch zu nehmen. Davon bin ich überzeugt.
Bei unseren europäischen Nachbarn können wir
sehen, was es bedeutet, wenn der ärztlich oder
gewerblich assistierte Suizid erlaubt wird: In den
Niederlanden gibt es die Möglichkeit des assistierten
Suizids seit 2001. Die Zahl der Tötungen wächst stetig,
im Jahr 2012 lag sie bei mehr als 4 000. Nun wird
diskutiert, ob die Sterbehilfe nicht auf psychisch Erkrankte ausgeweitet werden soll. Das ist der Dammbruch, den ich befürchte, wenn der organisierte oder
ärztlich assistierte Suizid gesetzlich legitimiert wird.
Ein Leben in Würde bis zuletzt ist das Recht aller
Menschen. Es ist unsere Pflicht als Gesellschaft, dies
zu gewährleisten und uns solidarisch zu zeigen.
In meiner langjährigen Hospizarbeit habe ich viele
Menschen auf ihrem letzten Weg kennengelernt und
auch begleitet. Viele von ihnen haben mir anfangs gesagt, dass sie am liebsten sofort sterben wollten. Als
sie dann erfahren haben, was eine liebevolle, aufmerksame, respektvolle Sterbebegleitung sein kann, haben
sie Abstand von ihrem Sterbewunsch genommen. Sie
waren letztlich dankbar für die zusätzliche Lebenszeit,
die ihnen ermöglicht hat, vom Leben und von ihren
Lieben Abschied zu nehmen, letzte Dinge zu regeln,
auch Unangenehmes zu besprechen, bisher nicht Gesagtes zu sagen.
Die Antwort auf die schwierige Frage nach dem
Umgang mit dem Ende des Lebens liegt daher nicht in
einer Ausweitung der Hilfe zu Selbsttötung, sondern in
einer Stärkung der Hospiz- und Palliativarbeit. Ich
sage es ganz klar: Die Begleitung des sterbenden Menschen bis ganz zum Schluss ist eine besondere Aufgabe
und eine Frage des sozialen und kulturellen Anspruchs
einer Gesellschaft an sich selbst.
Unsere Gesellschaft muss sich an ihrem Verhalten
gegenüber den hilfsbedürftigsten und schwächsten
Mitgliedern messen lassen. Sterben darf nicht im Verborgenen, ausgelagert in Institutionen, stattfinden.
Sterbenskranken Menschen beizustehen, sie in der
Mitte unserer Gesellschaft zu behalten, ihre Leiden zu
Zu Protokoll gegebene Reden
lindern und sie zu trösten, ist eine Aufgabe, die wir
politisch unterstützen müssen.
Der Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung ist
der richtige Weg, um Menschen ein schmerzfreies und
würdevolles Lebensende im vertrauten sozialen Umfeld zu ermöglichen. Dabei ist vor allem die Hospizarbeit eine Botschaft an und für das Leben, indem sie
dem Sterbenden hilft, das Leben bis zuletzt zu leben
und dem Sterben die Zeit zu geben, die es braucht.
Gute Sterbebegleitung bedeutet vor allem eines:
keine Maske zu tragen, nicht die Augen vor dem Leid
anderer und dem eigenen Erschrecken angesichts dieses Leids zu verschließen. Sterbebegleitung heißt, bei
und mit diesen Menschen zu sein, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, statt sie zu bemitleiden.
Wir müssen dem Leben auch in seiner letzten Phase
Raum geben, wir müssen dafür sorgen, dass das
Wesentliche - nämlich der Wert und die Würde des
Menschen auch in Krankheit und Schmerz - wesentlich bleibt.
Diese lebensbejahende Grundhaltung ist ein humaner Gegenentwurf zu einer Haltung, die im schnellen
Tod die beste Lösung sieht.
Die heutige erste Orientierungsdebatte im Deutschen Bundestag zum Thema Sterbebegleitung ist gut
und sinnvoll - ich empfinde es auch persönlich als gut,
heute einmal die unterschiedlichsten Argumente hören
und nachvollziehen zu können. Ich gestehe offen:
Meine Meinungsbildung habe ich noch nicht abgeschlossen. Schließlich ist es keine leichte Frage, über
die wir sprechen und entscheiden müssen, wenn es um
das Ende des Lebens, um den Tod geht.
Es ist ein Thema, was viele Menschen zutiefst umtreibt. Dabei haben viele Menschen vor allem Angst
vor einem qualvollen Tod. Die Würde des Menschen
muss auch für den Tod gelten. Ein Sterben in Würde ist
ein wichtiges Anliegen für viele Menschen, dem wir
Rechnung tragen müssen.
Aber wie? Wo beginnt, wo endet die staatliche Verantwortung, hier einzugreifen?
Darüber müssen wir sprechen und am Ende entscheiden, jeder nach seinem Gewissen.
Meine persönliche Meinungsfindung orientiert sich
dabei an zwei Leitplanken:
Erstens. Das Leben steht nicht in der Verfügungsgewalt von uns Menschen. Das Leben ist uns von Gott
gegeben. In dieser Verantwortung vor Gott handeln
wir, handle ich persönlich auch in meiner christlichen
Verantwortung. Dies ist für mich die eine Seite der
Diskussion über Sterbebegleitung, über Sterbehilfe,
über den Übergang vom Leben in den Tod.
Zweitens. Auf der anderen Seite steht der Wunsch,
sicherlich auch das Recht eines jeden Menschen,
selbstbestimmt sein Leben zu führen - und es gegebenenfalls auch zu beenden. Die Zeiten sind vorbei, in
denen die Selbsttötung ein christliches Begräbnis ausschloss. Der Freitod ist nicht verboten.
Die Frage nach dem richtigen Umgang mit dem
Sterben ist keine leichte Frage. Die heutige Debatte
zeigt dies. Jeder Standpunkt hat seine Berechtigung,
seine individuelle ethische Begründung. Hier gibt es
kein Richtig, hier gibt es kein Falsch: Hier gibt es nur
sehr persönliche Auffassungen, die oft genug auch geprägt sind von persönlichem Erleben. Ich denke an die
letzten Stunden meines Vaters, als ich an seiner Seite
war - es war gut, dass er im Kreise seiner Familie aus
dem Leben scheiden konnte.
Nun erleben wir aber auch eine ganze Reihe von
Organisationen, gewerblicher oder halbgewerblicher
Art, die Menschen beim Übergang vom Leben in den
Tod unterstützen. Für mich ist eines klar: Gewerbliche
oder organisierte Sterbehilfe ist nicht akzeptabel. Auf
keinen Fall darf es ein Geschäft mit dem Tod geben.
Wenn ich eingangs davon gesprochen habe, dass
viele Menschen beim Thema Sterbebegleitung vor
allem von der Angst getrieben werden, dass ihr Sterben mit Qual und Leid verbunden sei, so ist dies der
Auftrag für uns, in erster Linie Palliativmedizin und
Hospizarbeit zu unterstützen. Ich habe vor wenigen
Jahren den Aufbau eines Hospizes in meinem Wahlkreis als Mitglied im Förderverein unterstützt und tue
dies weiter. Schmerz und Leid zu lindern, Qual zu verhindern und stattdessen menschliche Nähe im Sterben
sicherzustellen, das ist für mich die erste und wichtigste Aufgabe echter Sterbebegleitung.
Und dennoch mag es die Fälle geben, in denen auch
dies alles nicht ausreicht, um Menschen Angst und
Qual zu nehmen. Allen Beteiligten, den Sterbenden wie
den Angehörigen und den Ärzten, dabei Sicherheit und
Gewissheit verantwortungsbewussten und rechtssicheren Handelns zu geben, das ist unsere Aufgabe in der
jetzt anstehenden Diskussion.
An manchen Tagen wird einem die besondere Verantwortung, die wir hier in diesem Hause zu tragen
haben, deutlich bewusst. Heute ist einer dieser Tage.
Unser grundsätzlicher Auftrag, das gesellschaftliche
Miteinander in diesem Land gesetzgeberisch zu ordnen, stößt beizeiten auch in Grenzbereiche vor. Die
Auseinandersetzung mit dem Thema Sterbebegleitung
gehört ganz bestimmt dazu, insbesondere mit Blick auf
die gegenwärtigen Tendenzen, die bestehende Grauzone mittels eines regelrechten Sterbetourismus zu umgehen.
Grundsätzlich geht es hier um das Selbstbestimmungsrecht des Menschen, das gewährleistet sein
muss. Selbstbestimmung aber setzt nach meinem
christlichen Werteverständnis auch Selbstverantwortung voraus, und dies verbietet mir als Christin Selbsttötung. Besonders mit Blick auf unsere Vergangenheit
Zu Protokoll gegebene Reden
in Deutschland, mit den schrecklichen Erfahrungen
der Euthanasie während der NS-Diktatur, lehne ich
jede Form aktiver Sterbehilfe ab.
Und doch ist es unsere Aufgabe, die Argumente der
Befürworter ernst zu nehmen. Das tue auch ich. Wer im
Kreise seiner Familie oder Freunde angefleht wird, einem in einigen Fällen sicher kaum noch menschenwürdigen Dasein ein Ende zu setzen bzw. aktiv dabei
zu helfen, steht vor einem kaum fassbaren Dilemma.
Ich habe größtes Mitgefühl für all diejenigen, die sich
solchen Extremsituationen ausgesetzt sehen.
Diesen Extremsituationen sind nicht nur Familienmitglieder und Freunde ausgesetzt, sondern auch die
Ärzte und das Pflegepersonal, die sich tagtäglich mit
diesen Fragen konfrontiert sehen. Was ich mir nicht
vorstellen möchte, ist ein Arzt als Sterbehelfer. Mediziner sind Ärzte für das Leben, nicht Ärzte für das Sterben. Es geht hier um die Bewahrung der Integrität des
ärztlichen Berufes. Kann man den Ärzten zumuten, alleine zu entscheiden, ob sie eventuell bewusst einige
Minuten später zur Notfallversorgung eines Sterbenden gehen, um diesem weiteres Leiden zu ersparen?
Ärzte benötigen Rechtssicherheit und eine belastbare
Verfahrensgrundlage. Wie das im Detail, mit Blick auf
die unterschiedlichsten Einzelschicksale wirksam umgesetzt werden kann, wird die Diskussion in den nächsten Wochen und Monaten hoffentlich aufzeigen. Eines
ist jedoch klar: Wir sollten sie sehr sorgfältig führen
und mit besonderer Verantwortung auf mögliche zukünftige Interpretationsmöglichkeiten überprüfen.
Es geht hier um das Ringen um ein Modell, das
nicht die „eine“ Lösung darstellt, sondern das Missbrauch verhindern und Handlungsmöglichkeiten gesetzeskonform ermöglichen soll. Auf keinen Fall erlaubt werden darf Sterbehilfe als gewerbliche oder
berufliche Tätigkeit. Mir geht es darum, das Thema
passive Sterbehilfe politisch in dem Maße zu diskutieren, dass das Sterben in Würde gewährleistet wird,
dass aber auch den Menschen geholfen werden kann,
die es versäumt haben, vor einer lebensbedrohlichen
Krankheit eine entsprechende Patientenverfügung verfasst zu haben. Die Möglichkeit der Patientenverfügung ist bisher viel zu wenig bekannt und wird auch
nur sehr wenig genutzt. Ich sehe es also als Aufgabe
der Politik, das Thema Patientenverfügung breit in die
Gesellschaft zu tragen.
Der wichtigste Punkt aber ist - und auch hier ist
wieder die Politik gefragt -: Palliativ- und Hospizbetreuung muss in Deutschland verbessert und ausgebaut werden, auch angesichts einer immer älter
werdenden Gesellschaft, für die immer weniger junge
Menschen zur Betreuung zur Verfügung stehen. Der
klassische Dreigenerationenhaushalt, in dem die
Frauen der mittleren Generation sich ausschließlich
um Kinder und Alte kümmern können, gehört endgültig
der Vergangenheit an. Deshalb ist es unsere christliche
Pflicht, Sterbenden Einsamkeit zu ersparen, ihre Leiden zu mildern und, ich sage es noch mal, ihnen ein
würdiges Sterben zu ermöglichen.
Wir setzen uns heute damit auseinander, wie wir das
Thema „Sterbehilfe“ - oder genauer gesagt: „Suizidbeihilfe“ - in Deutschland regeln wollen. Doch dieses
Thema ist Teil einer viel größeren Frage. Es geht darum: Wie wollen wir leben, und wie wollen wir sterben? Diese Fragen betreffen die ganze Gesellschaft.
Darum: Für ein Leben in Würde bis ganz zuletzt!
Die Würde des Menschen ist unantastbar, vom Beginn bis zum Ende des Lebens. Wir müssen dem Menschen ein Sterben in Würde ermöglichen. Nicht durch
die Hand eines anderen, sondern an der Hand eines
anderen sollen Menschen sterben können. Eine Gesellschaft darf nicht zulassen, dass Menschen einsam und
unter Schmerzen sterben müssen. Wir dürfen nicht
Hilfe zum Sterben leisten, sondern wir müssen die
Menschen beim Sterben begleiten, ihnen Schmerzen
und Ängste nehmen.
Die aktuelle Sterbehilfediskussion in Deutschland
ist in meinen Augen fehlgeleitet: Wir brauchen keine
Sterbehilfe, sondern wir brauchen einen weiteren Ausbau der hospizlich-palliativen Angebote zur Betreuung
von Schwerstkranken und Sterbenden. Das, was wir
also wirklich brauchen, ist Lebenshilfe statt Sterbehilfe!
Als Schirmherrin des Franziskus-Hospiz in Erkrath,
einer Stadt in meinem Wahlkreis, weiß ich, wie wichtig
es ist, einem Menschen ein Sterben in Würde zu ermöglichen, einem Sterbenden die Hand zu reichen. Menschenwürdiges Sterben heißt gut begleitetes Sterben.
Dafür müssen wir die Palliativ- und Hospizversorgung
in Deutschland noch weiter ausbauen. Wir haben bereits viele gute Einrichtungen und exzellente, engagierte Palliativmediziner. Das haben wir auch hier bei
unserer fraktionsoffenen Sitzung zu dieser Thematik
erfahren. Eine gute palliativmedizinische Versorgung,
eine verantwortungsvolle Gesellschaft und familiärer
Zusammenhalt sind die wirkungsstärksten Hilfen für
schwerstkranke Menschen am Ende ihres Lebens.
Wenn ich sage „verantwortungsvolle Gesellschaft“,
geht es insbesondere auch darum, dass das Thema
Sterben kein Tabu sein darf. Das Sterben ist ein Teil
des Lebens. In Würde alt zu werden und in Würde sterben zu können, ist eine der wichtigsten Fragen des
menschlichen Miteinanders. Als Christen haben wir
dieses Bild des Lebens. Für uns hat der Schutz des Lebens Vorrang. In der letzten Phase des menschlichen
Lebens, die häufig durch Schmerzen, Krankheit,
Schwäche und leider auch oft durch Einsamkeit geprägt ist, brauchen Menschen besondere Zuwendung.
Es darf nicht passieren, dass Menschen sich in einer
derart verzweifelten Lage befinden, dass sie sich das
Leben nehmen wollen.
Es darf nicht sein, dass Menschen sich unter Druck
gesetzt fühlen, dass sie das Gefühl haben, anderen zur
Last zu fallen, und deshalb ein Angebot der Suizidbeihilfe in Anspruch nehmen wollen.
Zu Protokoll gegebene Reden
Ich spreche mich ganz klar gegen Sterbehilfevereine
und andere organisierte Formen der Förderung der
Selbsttötung oder der Beihilfe zum Suizid aus. Und es
darf auch keine organisierte ärztliche Beihilfe zum Suizid geben. Das ist mit der ärztlichen Ethik und dem
ärztlichen Berufsrecht nicht vereinbar. Ein Arzt hat die
Aufgabe, Leben und Gesundheit zu schützen. Ärzte
sind Helfer zum Leben! Wenn ein Mensch sterbenskrank ist, kann der Arzt das Leiden lindern und den
Patienten beim Sterben begleiten. Ich sehe deshalb
keine Notwendigkeit, die gesetzlichen Regelungen für
Ärzte im Umgang mit schwerstkranken Menschen neu
zu regeln. Es sollte dabei bleiben, was die ureigensten
Aufgaben des Arztes sind: Heilen manchmal, lindern
oft, trösten immer - töten nie!
Wir dürfen hier keine Grenzen öffnen. Es darf nicht
sein, dass sich geschwächte oder verzweifelte Menschen in Situationen wiederfinden, in denen sie den
einzigen Ausweg im assistierten Suizid sehen. Oder
schlimmer noch: Wenn durch die bloße Existenz eines
Angebots ärztlicher Hilfe beim Suizid gesellschaftlicher Druck entsteht.
Viele Palliativmediziner, Forscher und Begleiter
von Menschen, die sich das Leben nehmen wollten, berichten, dass der Wunsch, seinem Leben ein Ende zu
setzen, verworfen wird, wenn psychologische und palliativmedizinische Hilfe in Anspruch genommen wurden. In unserer fraktionsoffenen Sitzung haben wir
vom Palliativmediziner Thomas Sitte gehört, dass er in
99 Prozent der Fälle den schwerkranken Patienten
helfen könne. Das muss unser Ziel sein: Helfen, begleiten und Schmerzen lindern!
Kommen wir noch einmal zu der grundsätzlichen
gesellschaftlichen Frage, die ich am Anfang gestellt
habe: Wie wollen wir leben, und wie wollen wir sterben? Die meisten Menschen möchten selbstbestimmt,
ohne Schmerzen und in einem ihnen vertrauten Umfeld
sterben dürfen.
Deshalb wiederhole ich es noch einmal: Ich wünsche mir, dass palliativmedizinische Betreuung und
Hospizarbeit deutlich gestärkt werden. Und wir brauchen ein flächendeckendes Netzwerk nicht nur stationärer, sondern vor allem auch ambulanter Angebote.
Ganz wichtig ist in meinen Augen auch die Beratung. Das Problem ist, dass viele Menschen alternative
Wege, die letzte Lebensphase zu bewältigen, nicht kennen. Viele wissen zu wenig über die verschiedenen
Möglichkeiten der Leidenslinderung, über die wir
heute durch die moderne Medizin verfügen. Gerade
auch das Wirken der Palliativmedizin und der Hospize, in der die Menschen ganzheitlich betreut werden
- nicht nur medizinisch, sondern auch seelsorgerisch,
psychisch und sozial -, wird oft zu wenig wahrgenommen.
Für schwerkranke Menschen sind die Familie, das
soziale Umfeld sehr wichtig. Deshalb müssen wir auch
die Familien stärken. Wir müssen den Angehörigen
helfen, mit Situationen, in denen ein Familienmitglied
schwerstkrank oder sterbend ist, umgehen zu können.
Ich bin überzeugt: Wenn es uns gelingt, die Angebote der Hospize und der Palliativmedizin weiter auszubauen und ihre wertvolle Hilfe für die Menschen
erfahrbar zu machen, wird auch der Ruf nach organisierter Suizidbeihilfe und aktiver Sterbehilfe verstummen.
Die Diskussion um das Thema Sterbehilfe bewegt
viele Menschen in unserem Land. Nötig wurden eine
breite Diskussion und eine Reaktion, da sich kommerzielle Sterbehilfe, das heißt gewerblich organisierte
Vereine und Organisationen, gründeten, um ein
„schnelles“ Sterben zu organisieren.
An erster Stelle steht für mich ein würdevolles und
selbstbestimmtes Leben, und ich möchte keinen Zweifel daran lassen, dass das Leben aller Menschen, ob
sie behindert, krank oder alt sind, schützenswertes Leben ist. Deshalb unterstütze ich ausdrücklich den Ausbau der Hospizarbeit und der Palliativmedizin und
nicht die aktive Sterbehilfe oder das Töten auf Verlangen.
Zurzeit ist in Deutschland die passive Sterbehilfe,
also das Unterlassen von lebensverlängernden Maßnahmen, erlaubt. Patienten können in einer Verfügung
selbst bestimmen, wann lebenserhaltende Maßnahmen
unterlassen werden sollen. Auch das Bereitstellen eines tödlichen Cocktails ist nicht strafbar. Wir erkennen
damit das Recht des Menschen auf sein selbstbestimmtes Ende an.
Ich halte das derzeitige Strafrecht für ausreichend.
Der Freitod und die Beihilfe zum Freitod sind straffrei.
Die aktive Sterbehilfe und die Tötung auf Verlangen
sind zu Recht verboten.
Die Politik kann derzeit weder mit dem Strafrecht
noch mit Bürgerlichem Recht in das Standesrecht der
Ärzte eingreifen. Das sollte auch so bleiben. Es sollte
weiterhin straflos bleiben, wenn Angehörige, Nahestehende, Ärzte und Sterbehilfevereine selbstlose Beihilfe
zum Freitod leisten. Es darf nicht dazu kommen, dass
sich Alte, Kranke und Behinderte rechtfertigen müssen, weil sie leben wollen, obwohl sie Kosten verursachen. Wir benötigen gute Hilfe beim Sterben, aber
keine Hilfe zum Sterben, und wir müssen verhindern,
dass sich die Sterbehilfe zu einem Geschäftsmodell
entwickelt.
Es ist ein Gebot der Menschenwürde und Selbstbestimmung, in Fällen irreversibel zum Tod führender
Erkrankungen und wenn Palliativmedizin an Grenzen
stößt, dem Wunsch schwer leidender Menschen nach
ärztlicher Hilfe bei selbstbestimmter und selbst zu vollziehender Lebensbeendigung zu entsprechen.
Zu Protokoll gegebene Reden
Zwar ist die Hilfestellung zum Suizid in Deutschland straflos. Dieser Rahmen sollte aufrechterhalten
bleiben. Einige Ärztekammern untersagen aber jede
Form der Hilfestellung zur selbst vollzogenen Lebensbeendigung. Allein der Umstand, dass es heute entsprechend ungleiches Landesärztekammer-„Recht“
gibt, wonach Ärztinnen und Ärzte verbreitet eine nach
den heutigen gesetzlichen Rahmenbedingungen legale
Sterbebegleitung nicht leisten können, vermittelt
Rechtsunsicherheiten und bei den betroffenen Menschen Angst vor dem Alleingelassenwerden. Entsprechende Ängste mögen heute dazu verleiten, statt medizinischer Hilfe durch vertraute Ärztinnen und Ärzte
Hilfe bei kommerziellen Sterbehilfeeinrichtungen zu
suchen. Dies halte ich für einen menschenunwürdigen
Zustand.
In Fällen irreversibel zum Tod führender Erkrankungen muss es Ärztinnen und Ärzten möglich sein, bei
selbst zu vollziehender Lebensbeendigung im Rahmen
fachlicher Leitlinien zu helfen. Insofern bedarf es eines
Abbaus bestehender Rechtsunsicherheiten und einer
entsprechenden Anpassung des ärztlichen Standesrechts. Eine Beseitigung von Rechtsunsicherheiten und
gegebenen standesrechtlichen Einschränkungen wird
auch dem Abbau von Ängsten vor ärztlichen Therapiegrenzen dienen.
Auf der politischen Ebene bedarf es aber eines genauen Hinschauens auf die Wurzeln der Diskussion um
die Sterbehilfe. Und diese sind vielfältig. Zum einen
existieren die skizzierten Rechtsunsicherheiten. Zum
anderen wird aber auch zunehmend offenbar, dass unsere Gesellschaft bislang nicht hinreichend auf eine älter werdende Gesellschaft vorbereitet und eingestellt
ist. Verbreitete Missstände in Pflegeheimen, wie sie
nicht nur durch die jüngst eingereichte Verfassungsbeschwerde offenbar werden, vermitteln Ängste vor einem Altwerden in Abhängigkeiten oder gar vor einem
physischen Ausgeliefertsein - mit leidvollem Lebensende.
Das Modell, wonach Großfamilien die Pflege ihrer
Angehörigen übernehmen und die bei Alt wie Jung bestehenden körperlichen Abhängigkeiten auffangen,
kann mit der gegebenen Sozial-, Arbeits- und Altersstruktur unserer Gesellschaft nicht überall realisiert
werden. Immer mehr Menschen werden ohne Angehörige alt, und immer mehr Menschen werden in Armut
alt. Die Erwartung an den Sozialstaat, auch bei Pflegedürftigkeit garantiert eine menschenwürdige Behandlung zu erfahren, wird heute mangels Kapazitäten
und Ausstattung verbreitet nicht hinreichend erfüllt.
Selbst wenn die Herausforderungen inzwischen erkannt sind und auch mit der jüngsten Pflegereform
richtigerweise angegangen wurden, bleibt hier eine
große Aufgabe mit Blick auf die Erfüllung des Anspruchs menschenwürdiger Pflegeumstände bestehen.
Solange in der Vorstellung unserer Gesellschaft und
der älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger ein den
Realitäten entsprechendes Abbild unzureichender
Pflege und nicht altersgerechter Fürsorge für alternde
Menschen gezeichnet werden kann, wird es auch die
Angst vor einem Altwerden und die Angst vor hiermit
möglicherweise einhergehenden physischen Abhängigkeiten geben. Diese Angst findet sich auch im Streben nach Selbstbestimmtheit und eigens zu setzendem
Lebensende wieder. Menschen, die von sich aus nie an
Suizid denken würden, finden heute teilweise angesichts der Vorstellung über eine unwürdige Behandlung
in physischer Abhängigkeit aufgrund körperlichen Alterns keine andere Antwort als die des selbstbestimmten Lebensaustritts, für den sie möglicherweise auf
Hilfe angewiesen sein werden. Eine Gesellschaft mit
grundgesetzlich verbrieftem Sozialstaatspostulat darf
es zu solchen Ängsten und zu solchem Notempfinden
nicht kommen lassen!
Demokratische Gesellschaften zeichnen sich durch
die Freiheit des Individuums und sein umfassendes
Recht auf Selbstbestimmung aus. Auch wenn Menschen frei entscheiden können, wie sie leben möchten,
bleiben sie dennoch auf die Solidarität der Gesellschaft angewiesen; denn niemand kann für sich allein
leben. Dies gilt für das gesamte Leben und besonders
für das menschenwürdige Ende des Lebens und beim
Sterben. Keine Religionsgemeinschaft, keine Ideologie, kein Staat hat das Recht, diese Selbstbestimmung
einzuschränken. Die Zeiten, in denen sogenannte
Selbstmörder außerhalb des Friedhofs begraben werden mussten, sind glücklicherweise in Deutschland
vorbei.
Was diskutieren wir eigentlich im Moment im Bundestag?
Wir sind uns einig, dass die passive Sterbehilfe, das
heißt der Abbruch einer Therapie oder lebenserhaltenden Maßnahme, wenn die Betroffenen dies ausdrücklich oder durch Patientenverfügung wollen, nicht nur
erlaubt ist, sondern sogar umgesetzt werden muss. Wir
sind uns einig, dass eine möglicherweise mit einer Lebensverkürzung einhergehende leidens- und schmerzmindernde Behandlung erlaubt und gewollt ist.
Wir sind uns weitgehend einig, dass die aktive Sterbehilfe, das sogenannte Töten auf Verlangen, in
Deutschland verboten ist und es auch bleiben soll. Beispiele aus anderen europäischen Ländern, wie zum
Beispiel den Niederlanden, in denen ärztliche aktive
Sterbehilfe praktiziert wird, mahnen zu äußerster Vorsicht. Es ist nach den bisherigen Erfahrungen nicht
auszuschließen, dass diese zur weiteren Vernachlässigung einer menschenwürdigen Behandlung und Pflege
am Lebensende führt.
Wir sind uns einig, dass es in Deutschland ein Recht
auf Freitod gibt und der Versuch der Selbsttötung nicht
bestraft wird. Wir sind uns auch einig, dass es Beratungs- und Unterstützungsangebote geben sollte, die
ehrenamtlich und uneigennützig Menschen in NotlaZu Protokoll gegebene Reden
gen bei der schwerwiegenden Entscheidung über ihren
eigenen, selbstbestimmten Tod beraten.
Was also ist der Anlass der aktuellen Diskussion?
Denn auch die Beihilfe zum Suizid ist grundsätzlich
nicht strafbar. Wir diskutieren das Thema, weil es Unternehmen oder sogenannte Sterbehilfevereine gibt,
die gegen Bezahlung oder wegen einer öffentlichkeitswirksamen Selbstdarstellung die konkrete Hilfestellung bei der Selbsttötung zum Dienstleistungsangebot erklärt haben. Ich halte es für wesentlich, genau zu
unterscheiden: Nicht die uneigennützige Beratung und
Begleitung ist für mich das Problem, sondern der assistierte Suizid als Geschäftsmodell.
Die Beihilfe zum Suizid ist, wie bereits gesagt,
grundsätzlich nicht strafbar. Dies wird aber durch die
Beistandspflicht bestimmter Personengruppen, wie
Ärztinnen und Ärzten, eingeschränkt. Sie machen sich
des Totschlags durch Unterlassen strafbar, wenn sie
bei Suizidanten, die bereits ohne Bewusstsein sind, auf
Rettungsmaßnahmen verzichten. In der Rechtsprechung wird die Strafbarkeit bei freiverantwortlichen
Suiziden gelegentlich verneint, aber es herrscht derzeit
große Unsicherheit. In einigen Bundesländern besteht
zudem ein berufsrechtliches Verbot für Ärztinnen und
Ärzte, Hilfe bei der Selbsttötung zu leisten. Hier wären
mehr Rechtssicherheit und vor allem bundeseinheitliche Regelungen wünschenswert.
Was jetzt zu tun ist:
Wir brauchen eine starke Förderung des bürgerschaftlichen Engagements im Bereich der Begleitung
von Menschen am Lebensende, um ihnen ein menschenwürdiges Sterben zu ermöglichen. Dazu gehören
die vielen Hospize und die professionelle Begleitung
der dort ehrenamtlich Tätigen.
Ja, und wir brauchen dringend einen Ausbau der
Palliativversorgung, und zwar nicht die häufige Politikerlyrik, sondern in knallharter Finanzierung für eine
integrierte, ganzheitliche Versorgung schwerstkranker
Menschen. Umfassende multiprofessionelle Therapiekonzepte gehören ebenso dazu wie die umfassende
Aufwertung eines wesentlichen Elements der Betreuung Schwerstkranker - die patientenzentrierte Krankenpflege - und dazu gehört auch die angemessene
Entlohnung. Die noch junge Wissenschaft der Palliativmedizin und -pflege zeichnet sich durch vieles aus,
was unserem traditionellen Gesundheitswesen fehlt:
Der Mensch steht tatsächlich im Mittelpunkt. Sein Leiden zu lindern, ist Aufgabe berufsübergreifender
Teams von Ärztinnen und Ärzten, Pflegekräften,
Sozialarbeitern bis hin zu den ehrenamtlich Engagierten - in Zusammenarbeit mit den Patientinnen und Patienten. Um dies zu erreichen, bedarf es eines Umdenkens in unserer gesamten Krankenversorgung, eines
Endes standesrechtlicher Egoismen und einer abgesicherten Finanzierung durch die Pflege- und Krankenversicherung.
Ohne Zweifel braucht es in Einzelfällen allerdings
auch Beratung und Assistenz, um eine selbstbestimmte
Entscheidung zum Freitod umsetzen zu können. Dies
kann nicht durch Geschäftsverträge, sondern nur gemeinsam mit Personen des Vertrauens geschehen.
Dazu können neben ({0})Verwandten und Freundschaften auch Personen aus Hospizvereinen und ärztliches oder pflegendes Personal gehören. Der vorgeschlagene Nachweis der besonderen Nähebeziehung
ist dabei wesentlich und hebt den Straftatbestand der
unterlassenen Hilfeleistung für Angehörige, aber auch
für Gesundheitsberufe auf.
Insgesamt würde es der Debatte guttun, wenn wir
weniger nur über Selbstbestimmung bei der Wahl der
Todesart und des Todeszeitpunkts, sondern mehr über
Autonomie und Selbstbestimmung von Individuen am
Lebensende reden würden. Dazu gehört auch das
Recht auf ein menschenwürdiges Umfeld und auch das
Recht auf einen natürlichen Tod.
Zu Beginn die Feststellung: Die anstehende Debatte
wird schon seit längerem von einer öffentlichen Diskussion begleitet, in der immer stärker die „Protagonisten des süßen Todes“ an Raum gewinnen. Zurzeit
werden für mich wahrnehmbar die „Helden der Selbsttötung“ geradezu hofiert. Ich lese und höre da von einem falschen Verständnis von Selbstbestimmung. Daher unterstütze ich voll und ganz die Position der
katholischen wie der evangelischen Kirche. Wir brauchen eine „Kultur der Begleitung im Sterben“ und
nicht eine „Kultur der Hilfe zum Sterben“.
Unsere Ärzte haben sich vor allem verpflichtet, Leben zu erhalten. Eine gesetzliche Erlaubnis für den assistierten Suizid aber würde sie in einen gewaltigen
Gewissenskonflikt und viele Menschen in eine tiefe
Verunsicherung führen. Wenn in Holland nach vollkommener Liberalisierung bereits einzelne ältere Menschen den Zettel vorhalten: „Maak mij niet dood, Doktor“, dann sollte uns dies nachdenklich werden lassen,
die große Tür zum assistierten Suizid nicht zu öffnen.
Ich höre, eine Mehrheit in der Bevölkerung befürworte
den assistierten Suizid. Dieser Mehrheitsauffassung
müsse der Gesetzgeber folgen. Nein, hier geht es um
unser höchstes Gut, das Leben, ja, und um die Würde
des Menschen, die durch unsere Verfassung geschützt
ist. Warum werben wir nicht intensiver für den Erhalt
des Lebens, warum führen wir nicht häufiger eine solche Wertediskussion? Wo bleibt bisher die Kampagne
der Kirchen vor Ort? Ich bin ganz sicher, eine Mehrheit der Menschen in unserem Lande wird dann mit
mir gegen den assistierten Suizid stimmen.
So trete ich weiterhin ein für das Verbot der aktiven
Sterbehilfe, für ein Verbot der gewerblich organisierten Sterbehilfe sowie vor allem für den Ausbau der
schmerzlindernden Palliativmedizin und -pflege. Hier
sollten wir zukünftig deutlich mehr leisten. So unterstütze ich den Gruppenantrag von Michael Brand und
weiterer Abgeordneter.
Zu Protokoll gegebene Reden
Bei der Sterbebegleitung müssen wir eine Begleitung bis in den Tod fördern und nicht die Beförderung
in den Tod.
Wenn Menschen sich den Tod wünschen, wünschen
sie sich eigentlich nur ein schmerzfreies Leben.
Hier müssen wir helfen. Dies gelingt uns, indem wir
Hospiz- und Palliativversorgung verbessern und somit
Schmerzen gelindert werden können. Schon heute wird
vertreten, dass kein Mensch unter Schmerzen sterben
muss. Hierzu muss aber auch alles im Bereich der Palliativmedizin getan werden.
Krankheit und Sterben sind Teil des Lebens. Die
meisten Menschen wünschen, dass das medizinisch
Notwendige und Sinnvolle für sie getan wird. Deshalb
müssen wir eine flächendeckende, gerade auch ambulante Palliativversorgung und Hospizdienste gewährleisten. Nicht hinnehmbar ist vor diesem Hintergrund
völlig unstreitig das Geschäft mit der Sterbehilfe. Dies
müssen wir verbieten und müssen hier auch als Staat
ein klares Signal für das Leben setzen.
Doch damit kann es nicht genug sein. Wirkliche
Humanität kann nämlich nur Hilfe beim Leben sein,
niemals aber Hilfe beim Sterben, und dies darf auch
nicht unter dem Deckmantel von Vereinen geschehen.
In Artikel 1 Absatz 1 GG steht für die Ewigkeit festgeschrieben der Grundsatz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das bedeutet aber, dass der
Mensch würdevoll lebt, nicht, dass er würdevoll stirbt.
Mit der erlaubten Hilfe zum Sterben wird die Würde
des Menschen gerade angetastet. Weiter heißt es in
Artikel 1 Absatz 1 GG zur Würde: „Sie zu achten und
zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Genau das also ist auch unsere Pflicht. Wir als
Parlament dürfen uns nicht von einem angeblich
„leichten Tod“ verführen lassen. Wir müssen an dem
festhalten, was uns der Grundsatz der Unantastbarkeit
der Würde gebietet. Das Leben und vor allem die
Würde sind dem Menschen nicht disponibel. Anfang
und Ende bestimmt nicht der Mensch. Insoweit zumindest sind wir in Gottes Hand. Wir dürfen hier keine
Ausnahmen zulassen. Jede Ausnahme würde nämlich
bereits die Grundfesten des Würdeschutzes erschüttern
und zerstören.
Ich spreche mich daher für ein grundsätzliches Verbot der Suizidbeihilfe für alle Personen aus. Hierbei
kann man sich am Vorbild Österreichs orientieren.
Entsprechend der österreichischen Rechtslage wäre
dann unter Strafe zu stellen, „wer einen anderen dazu
verleitet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe
leistet“. Hier sollten wir über die vorliegenden Gruppenanträge hinaus die Einführung eines § 217 StGB
diskutieren
Die Sterbehilfe auch durch nahe Angehörige darf
nicht als humane Tat gewertet werden. Einem anderen
dabei behilflich zu sein, das Leben zu beenden, ist niemals eine menschliche Tat. Die menschliche Tat wäre
es nämlich, dem anderen in seiner Not beizustehen.
Ich hoffe, dass in der folgenden Debatte auch diese
Position noch deutlicher vertreten werden wird. Erst
dann werde ich mich einem der Anträge anschließen
können oder Überlegungen, die ergänzend zu den vorliegenden Anträgen sind, zur Diskussion stellen.
Die Themen Sterbebegleitung und Sterbehilfe sind
Anlass für eine Debatte im Deutschen Bundestag, in
der jeder einzelne Abgeordnete sein persönliches
Gewissen besonders eindringlich prüft. Es ist eine
Debatte, bei der keine einfachen Antworten existieren,
bei der es schwierig ist, zwischen richtig oder falsch zu
unterscheiden.
Die aktuelle Diskussion um die Sterbebegleitung
und Sterbehilfe wühlt nicht nur uns als Parlamentarier
auf. Das Pro und Contra wühlt die Gesellschaft insgesamt auf. Die Kirchen, eine Vielzahl von Verbänden
und Organisationen nehmen Stellung. Viele Frauen
und Männer haben zu den Themen Sterbebegleitung
und Sterbehilfe ihre ganz persönliche Meinung.
In den vergangenen Wochen und Monaten haben
wir als Abgeordnete die Wirkmächtigkeit dieses Themas bereits durch eine Vielzahl von Zuschriften aus
unseren Wahlkreisen, von Verbänden und Privatpersonen hautnah erleben können. Auch über die Medien,
ob in Funk und Fernsehen oder in den sozialen Medien, wurde bereits deutlich, wie differenziert und wie
emotional besetzt dieses Thema ist. Ich bin mir sicher,
dass die Meinungsbekundungen in den kommenden
Wochen sogar noch zunehmen werden. Ich halte aber
diesen Prozess für notwendig und dringend geboten.
Dieser Diskussionsprozess wird für den Zusammenhalt
der Menschen in unserem Land hilfreich und ein Gewinn sein.
Schließlich geht es in dieser Diskussion, die wir hier
in diesem Haus, aber auch außerhalb, in der gesamten
Gesellschaft, führen, nicht nur um das Gewissen jedes
Einzelnen. Vielmehr wird die Entscheidung, die wir am
Ende dieses Diskussionsprozesses treffen werden, eine
gesamtgesellschaftliche Tragweite haben. Die große
Frage wird daher sein, welche Signale wir aus diesem
Plenum heraus, aus Berlin heraus in unser Land senden werden?
Ich bin überzeugt, dass die Debatte um dieses gesellschaftlich so wichtige Thema bereits zu diesem
Zeitpunkt eine positive Wirkung entfaltet hat. Der Prozess, in dem wir uns alle gemeinsam derzeit befinden,
zeigt eindrucksvoll die Funktionsfähigkeit, Vitalität
und Stärke der parlamentarischen Demokratie in
Deutschland. Die Debatte zeigt, wie ernsthaft und verantwortungsvoll wir ethische Grundsatzfragen der
Zeit parlamentarisch und gesellschaftlich diskutieren.
Im Vorfeld dieser heutigen Debatte im Bundestag
wurden bereits verschiedene Positionspapiere von Abgeordneten erarbeitet und veröffentlicht. Einige von
diesen Positionspapieren sind unter parteiübergreifender Beteiligung entstanden. Sie haben verschiedene
Zu Protokoll gegebene Reden
Peter Weiß ({0})
Schwerpunkte und differenzieren untereinander. Ich
begrüße es sehr, dass nicht die Parteizugehörigkeit bei
der Erstellung der Positionspapiere im Mittelpunkt
stand, sondern einzig und allein die gemeinsame Überzeugung in der Sache. Dieses Signal der Kooperation
stimmt mich optimistisch, dass von der heutigen Debatte ein positiver Impuls in die Gesellschaft ausgehen
wird. An dieser kooperativen Arbeitsweise sollten wir
daher gemeinsam in den kommenden Wochen und
Monaten festhalten. Schließlich darf es am Ende dieses Prozesses - so ist meine feste Überzeugung - keine
Gewinner oder Verlierer, insbesondere nicht bei den
Betroffenen geben. Am Ende dieses Prozesses sollte
ein möglichst großer gesellschaftlicher Konsens stehen, hinter dem sich die Menschen in unserem Land
gemeinsam versammeln können.
In der jüngeren Vergangenheit haben einige Beispiele der Selbsttötung für öffentliche Furore gesorgt.
Am 1. November dieses Jahres hat die todkranke 29jährige Amerikanerin Brittany Maynard ihre Ankündigung wahrgemacht und sich selbst getötet. Der ehemalige MDR-Intendant Udo Reiter nahm sich nach fast
50 Jahren im Rollstuhl das Leben. Seiner im Fernsehen verlesenen Erklärung war zu entnehmen, dass er
nicht als ein von anderen abhängiger Pflegefall enden
wollte. Auch beim US-amerikanischen Schauspieler
Robin Williams, der wohl an Parkinson in einer frühen
Phase litt, mag die Angst vor dem Verlust der Kontrolle
über den eigenen Körper ein zentrales Motiv gewesen
sein.
Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land sind
aber auch durch weniger öffentlichkeitswirksame
Fälle für das Thema Suizid und Sterbehilfe sensibilisiert. Ob im eigenen Familien- und Bekanntenkreis jeder von uns wurde und wird mindestens einmal im
Leben mit der Kombination von Tod, Schmerz und Leiden konfrontiert. Der Tod, der oftmals mit den Leiden
und Qualen des Betroffenen, des Ehepartners, der
Eltern oder auch der eigenen Kinder verbunden ist,
wirft häufig die Frage auf, ob es nicht besser wäre,
wenn dieses Leiden durch die aktive Handlung einer
anderen Person beendet werden könnte. Das bedeutet,
das eigene Schicksal in die Hände eines anderen legen,
der entscheiden kann, ob man von dem Leiden erlöst
wird oder nicht. Meiner Ansicht nach ist es nicht verwunderlich, wenn rund zwei Drittel der in Deutschland lebenden Menschen die „aktive Sterbehilfe“ befürworten. Allerdings zeigen Nachfragen, dass unter
„aktiver Sterbehilfe“ von denselben Personen sehr
Unterschiedliches verstanden wird, erst recht wird darunter mehrheitlich nicht aktive Mithilfe zur Selbsttötung verstanden. Häufig wird in diesem Zusammenhang vor allem geäußert, dass in unserer Gesellschaft
ein Sterben in Würde möglich sein muss. Niemand
wünscht anderen und niemand wünscht sich selbst,
qualvoll, unter Schmerzen und auch noch alleine, ohne
liebende Zuwendung anderer zu sterben.
Daraus den Schluss zu ziehen, dass „aktive Sterbehilfe“ eine Lösung sein könnte und daher generell
nicht unter Strafe zu stellen sei, halte ich jedoch für fatal. Sterben in Würde heißt für mich, dass ein Leben
nicht nur am Anfang und in der Mitte des Lebens in
Würde möglich sein muss, sondern auch insbesondere
am Ende des Lebens. Gerade in der letzten Phase des
menschlichen Lebens, welche oft durch Leid, Krankheit und Schwäche geprägt ist, sind Menschen besonders schutzbedürftig und hilfebedürftig. Und deshalb
muss es in erster Linie um Hilfe und Begleitung gehen.
Ich sperre mich entschieden gegen jeden Versuch,
den in unserer Verfassung verankerten Grundsatz
des Schutzes der Menschenwürde aufzuweichen. In
Deutschland sind der Suizid und die Beihilfe zum Suizid bisher straflos. Das soll auch meiner Meinung
nach so bleiben. Die Kriminalisierung der Selbsttötung sowie deren indirekten Beihilfe halte ich für
schwierig. Ich möchte es mir nicht anmaßen, einen
Menschen zu verurteilen, der die Selbsttötung als letzten Weg gewählt hat. Die Motive für seine Wahl sind
wahrscheinlich vor allem auf die eigene Ausweglosigkeit zurückzuführen und für ihn selbst schwierig genug
gewesen. Die Moralkeule möchte ich daher nicht
schwingen, wenngleich ich für mich persönlich jede
Form der Selbsttötung ablehne.
Eine klare Trennlinie muss aber gezogen werden gegenüber den verschiedenen Formen der organisierten
Selbsttötung. Das trifft vor allem auf die Arbeitsweise
der Sterbehilfevereine zu. Meist handelt es sich dabei
um eine seltsame Verquickung von geschäftlichen und
vermeintlich helfenden Aspekten. Jeder Versuch, der
organisierten Sterbehilfe die Tür einen Spalt zu öffnen,
würde meiner Meinung nach unweigerlich dazu führen, dass irgendwann Tür und Tor für jedwede Sterbehilfe geöffnet ist. Ich kann in diesem Zusammenhang
nur ausrufen: Wehret den Anfängen!
Wer in Sachen aktiver Sterbehilfe einen Ausnahmetatbestand schafft, weckt Begehrlichkeiten, und wer
Begehrlichkeiten weckt, schafft neue Ausnahmetatbestände bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Ausnahmetatbestand zum Regelfall geworden ist. Das betrifft
auch die ärztliche Tätigkeit im Sterbeprozess. Deshalb
sage ich auch in aller Deutlichkeit: Ärzte sind keine
Sterbehelfer, sondern Sterbebegleiter! Die Äußerungen
der Standesvertreter der Ärzteschaft in den vergangenen Tagen und Wochen haben mich in dieser Auffassung noch einmal bestätigt. Die Ärzteschaft selbst
lehnt die Beihilfe zum Suizid als ärztliche Regelleistung ab. Es ist nicht Aufgabe der Ärzte, den Tod aktiv
herbeizuführen. Es darf auch niemals dazu kommen,
dass eine einzelne Personengruppe jemals zum Richter
über Leben und Tod wird. Im Bereich der Ärzteschaft
ist es allein für das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt unerlässlich, dass dieser Grundpfeiler
niemals erschüttert wird. Was Ärzte brauchen, ist eine
einwandfreie Rechtssicherheit, und diese müssen wir
ihnen in einem gesellschaftlichen Konsens geben.
Statt ärztlich assistierten Suizid zu einer scheinbar
normalen Behandlungsoption zu machen, die im Ergebnis eine Öffnungsklausel für Töten auf Verlangen
Zu Protokoll gegebene Reden
Peter Weiß ({1})
beinhaltet, müssen wir uns daher eher auf die ethischen Grundsätze der ärztlichen Sterbebegleitung
besinnen, die lindernde Hilfe und nicht das schnelle
Herbeiführen des Todes zum Ziel haben. Mit den
gesetzlichen Regelungen zur Patientenverfügung ist
übrigens ein zuverlässiges Instrument geschaffen worden, im Voraus klare Anweisungen für das ärztliche
Handeln am Ende des Lebens niederzuschreiben.
Wir dürfen die Menschen, insbesondere die Armen
und Schwachen, die Alten und diejenigen, die ohne Familie dastehen, in den Stunden des Schmerzes und des
Leidens nicht alleine lassen. Umfragen haben auch ergeben, dass es gerade diese Gruppen sind, die infolge
einer legalisierten Form der organisierten Sterbehilfe
unter Druck geraten, das Angebot einer organisierten
Form der Sterbehilfe anzunehmen, weil sie den Eindruck haben, niemanden mehr belasten zu wollen, aus
Scham vor dem eigenen Dasein, aufgrund der scheinbaren Ausweglosigkeit ihrer Situation oder einzig und
allein aus Kostengründen.
Für mich darf sich niemand aus Angst vor Schmerz,
Einsamkeit und Kontrollverlust gedrängt fühlen, seinem Leben ein Ende zu bereiten. Ich möchte nicht in
einer Gesellschaft leben, in der diese Argumente
- nicht schon jetzt, aber vielleicht irgendwann einmal eine Rolle spielen. Die Frage ist daher: Was müssen
wir tun, um zu verhindern, dass eine solche gesellschaftliche Entwicklung eintritt?
Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir die
Hospizarbeit, die Palliativversorgung und die Arbeit
der Schmerztherapeuten in Deutschland stärker fördern müssen. Niemand muss unerträgliche Schmerzen
erdulden. Hilfe ist möglich. Schon heute wird in diesem
Bereich eine hervorragende Arbeit geleistet. Eine
Arbeit, die auch geprägt ist durch das großartige
Engagement von vielen Bürgerinnen und Bürgern, die
sich ehrenamtlich für ihre Mitmenschen zum Beispiel
in Hospizgruppen engagieren. Bürgerinnen und Bürgern, die sich bewusst dafür entschieden haben, sich
um ihre Mitmenschen zu kümmern. Bürgerinnen und
Bürgern, welche für diese Menschen eine Stütze sind
und ihnen auch in scheinbar dunklen Stunden Beistand
leisten. Die Stärkung der palliativen Versorgung und
der Hospizarbeit stellt uns aber auch vor enorme Herausforderungen.
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels
werden die Herausforderungen, vor denen wir stehen,
in Zukunft sogar noch zunehmen. Wie ist es beispielsweise heute, wenn jemand alt und schwer erkrankt ist?
In den allermeisten Fällen existieren Angehörige in
der Nähe, die sich auch um diese Mitmenschen kümmern können und die für diese Mitmenschen da sind.
Aber wie wird es sein, wenn keine Familie mehr im
Umkreis vorhanden ist, weil sie in einer anderen Stadt
leben oder gar in einem anderen Bundesland? Wir verlangen von den Menschen heute, dass sie flexibel sind.
Wir brauchen dann aber auch Strukturen, die diese Anforderungen auffangen. Wir dürfen Menschen, auch
wenn sie alt sind, auch wenn sie schwerkrank sind,
nicht alleine lassen.
Daher sind wir gefordert, den gesellschaftlichen
Zusammenhalt in diesem Bereich zu stärken, alternative Angebotsformen für die Versorgung von alten und
schwerkranken Menschen zu finden und die weißen
Flecken in der Hospizversorgung und Palliativmedizin
zu beseitigen. Ziel muss es sein, ein flächendeckendes
und leistungsfähiges Hospiz- und Palliativangebot in
ganz Deutschland sicherzustellen. Ganz wichtig ist dabei auch, die Sterbebegleitung dort zu stärken, wo die
Menschen sind. Dazu gehören insbesondere auch die
Pflegeeinrichtungen. Es geht ums Kümmern und das
Bekämpfen von Ängsten.
Die Botschaft aus dem Deutschen Bundestag sollte
lauten: Hilfe und Begleitung am Ende des Lebens, um
menschenwürdig sterben zu können, sind unsere zentralen Anliegen. Dafür wollen wir bessere Rahmenbedingungen und Regelungen schaffen. Den Anfängen
organisierter oder auch verdeckt organsierter Sterbehilfe sollten wir wehren! Wer die Schleuse für die
organsierte Selbsttötung in Deutschland einmal öffnet,
wird den Fluss nicht mehr aufhalten können, sondern
einen Dammbruch erreichen. Der Schutzauftrag unserer Verfassung verlangt, sicherzustellen, dass auch
aufgrund schwerer Krankheit oder Alters hilfebedürftige Menschen den Wert ihres Lebens erkennen können
und nicht etwa aus Sorge und Angst, anderen lästig zu
fallen, am Ende den Suizid anstreben. Ein Leben in
Würde bedingt auch ein Sterben in Würde. Dafür wollen wir gemeinsam eintreten.
Bei der Debatte über das Thema Sterbehilfe gibt es
kein Richtig oder Falsch. Es gibt keinen Anspruch auf
absolute Wahrheit. Das Wertvollste an der Diskussion
heute aber ist, dass sie stattfindet, dass wir anfangen,
über elementare Fragen zwischen Leben und Tod zu
sprechen, dass wir beginnen, Parameter abzustecken
zwischen juristischen, medizinischen, philosophischen,
theologischen, ethischen Fragen - ruhig, sachlich,
nachdenklich, aber nicht ideologisch oder gar parteipolitisch.
Unser Grundgesetz gibt es vor: „Die Würde des
Menschen ist unantastbar.“ Daraus leiten wir ab, dass
wir ein selbstbestimmtes Leben führen können müssen.
Daraus muss sich aber auch ableiten lassen, dass man
selbstbestimmt sterben darf.
Dies jedoch nicht um jeden Preis. Wir dürfen keine
Ökonomisierung des Sterbens in Deutschland zulassen, das heißt ein an den Maßstäben der Wettbewerbsfähigkeit und Gewinnmaximierung orientierter Markt
für Suizidbeihilfeleistungen darf nicht entstehen. Deshalb lehne ich persönlich gewerbliche und organisierte Unterstützung zum Suizid ab. Eine Hilfestellung
bei der selbstvollzogenen Lebensbeendigung sollte nur
auf der Grundlage ärztlicher Fachkenntnis und in medizinischer Begleitung erfolgen. Nicht sollte die VerZu Protokoll gegebene Reden
antwortung alleine auf enge Angehörige übertragen
werden.
Unsere Verantwortung gebietet es, alles in unserer
Macht Stehende zu tun, um kranken Menschen durch
die bestmögliche medizinische und menschliche Begleitung ein Ja zum Leben zu ermöglichen.
Dazu gehören eine konsequente Inanspruchnahme
und Fortentwicklung palliativmedizinischer Möglichkeiten und ein Ausbau des Hospizwesens. Der medizinische Fortschritt ermöglicht es, dass Menschen besser und länger leben können. Dies ist ein großer
zivilisatorischer Fortschritt. Zugleich führt die medizinisch ermöglichte Lebensverlängerung zu neuen Herausforderungen in der Behandlung eines krankheitsbedingten Leidens in der Sterbephase. In den Fällen,
in denen auch die Palliativmedizin bei zum sicheren
Tod führenden Erkrankungen für den Patienten nicht
infrage kommt, leiden schwerstkranke Menschen oftmals eine große Not. Das körperliche und psychische
Leiden ihrer Patienten stellt auch für die Ärzte eine äußerst belastende Situation dar.
Während die Hilfestellung zum Suizid gesetzlich
straflos ist, untersagen einige Ärztekammern in Deutschland jede Form der Hilfestellung zur selbstvollzogenen
Lebensbeendigung ihrer Patienten. Dies sowie eine in
Bezug auf Grenzfälle komplizierte Rechtslage führen
zur Rechtsunsicherheit bei Ärzten und Patienten. Menschen in auswegloser Lage werden hierdurch zusätzlich belastet, gerade auch durch die zahlreichen Graubereiche, die es im momentanen Regelungskonstrukt
gibt.
Derzeit ist es so, dass die 17 Landesärztekammern
in Deutschland unterschiedlich in ihrem jeweiligen
Standesrecht regeln, ob Ärzte ihren Patienten bei der
Selbsttötung assistieren dürfen. Es kann aber nicht
sein, dass wir in Deutschland 17 verschiedene Wege
zum Sterben haben. Und erst recht möchten wir einem
möglichen „Sterbetourismus innerhalb und außerhalb
Deutschlands“ vorbeugen.
Deshalb möchte ich an dieser Stelle auf die Bayerische Landesärztekammer verweisen. In der Berufsordnung für bayerische Ärzte steht, dass sie Sterbenden
unter Wahrung ihrer Würde und ihres Willens beizustehen hätten. Die Unterstützung von Sterbenden führt
also nicht zu einem möglichen Berufsverbot. Auf diese
Gewissenfreiheit, die bayerische Ärzte genießen, sollen sich alle Ärzte in Deutschland berufen können.
Wir haben Regelungen für ein menschenwürdiges
Leben. Wir benötigen aber auch Normen für ein menschenwürdiges Sterben. Eine solche Regelung, wie
ich sie mit meinen Kollegen Peter Hintze, Katherina
Reiche, Dr. Carola Reimann, Professor Dr. Karl
Lauterbach und Burkhard Lischka vorgestellt habe,
sollte es volljährigen und einsichtsfähigen Menschen
ermöglichen, die freiwillige Hilfe eines Arztes bei der
selbst vollzogenen Lebensbeendigung in Anspruch zu
nehmen, wenn feststeht, dass eine unheilbare Erkrankung unumkehrbar zum Tod führt, der Patient objektiv
schwer an einer organischen Krankheit leidet, eine
umfassende Beratung des Patienten bezüglich anderer,
insbesondere palliativer Behandlungsmöglichkeiten
stattgefunden hat und die ärztliche Diagnose von einem anderen Arzt bestätigt wurde.
Bei unserem Entwurf steht also ein umfassendes und
lebensbejahendes Gespräch zwischen Patient und Arzt
im Mittelpunkt. Die Ermutigung zum Leben sowie eine
umfassende Aufklärung über die palliativmedizinischen Möglichkeiten müssen dabei immer Vorrang haben. Allein das sichere Wissen, im Falle einer aussichtslosen Lebenssituation auf die Möglichkeit einer
ärztlichen Hilfe zur Beendigung ihres Lebens zurückgreifen zu können, hilft schwer leidenden Menschen,
von einer tatsächlichen Inanspruchnahme dieser Möglichkeit abzusehen.
Aus Sterbehilfe wird somit Lebenshilfe.
Auch wenn wir hier über das Ende der menschlichen Existenz sprechen, dürfen wir nie vergessen, dass
das Leben unser wertvollstes Geschenk ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Schluss
einer wichtigen und ernsthaften Debatte, aber noch lange
nicht an deren Ende. Heute ist jedenfalls, wie ich denke,
ein guter Tag für die Palliativmedizin und die Hospizbewegung in Deutschland.
({0})
Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine
Zimmermann ({1}), Klaus Ernst, Matthias
W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE
Fünf-Punkte-Programm zur Bekämpfung und
Vermeidung von Langzeiterwerbslosigkeit
Drucksache 18/3146
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Als erster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Fraktion Die Linke.
({2})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! In Deutschland sind über 1 Million Menschen
ein Jahr und länger erwerbslos. Jeder dritte registrierte
Erwerbslose ist inzwischen langzeiterwerbslos. Betroffen sind vor allem ältere Menschen, Erwerbslose ohne
Berufsausbildung, Menschen mit Behinderung, Frauen
und Alleinerziehende. Für diejenigen, die in der Arbeitslosenstatistik nicht auftauchen, gilt noch lange nicht,
Sabine Zimmermann ({0})
dass sie keine Probleme hätten. Nein, viel zu viele pendeln zwischen kurzfristigen Jobs und Erwerbslosigkeit
hin und her. Hinter all diesen nüchternen Zahlen stehen
Einzelschicksale, die uns betroffen machen und nicht ruhen lassen sollten.
({1})
Deshalb legt die Linke heute ein Programm zur Bekämpfung und Vermeidung von Langzeiterwerbslosigkeit vor.
Was heißt heute eigentlich „Langzeiterwerbslosigkeit“? Jeder siebte Erwerbslose lebt unter der Armutsgrenze. Fast alle Langzeiterwerbslosen befinden sich im
Hartz-IV-Bezug. Das heißt: ständige Gänge zu den Ämtern, oft Auflagen, Gängeleien, aber meist wenig Aussicht auf eine gute Förderung bzw. einen guten Job. Ihnen und ihren Kindern wird eigentlich gesellschaftliche
Teilhabe verweigert. Dass wir diese Zustände bekämpfen müssen, sollte nicht nur unser soziales Gewissen fordern, sondern das ist auch eine zutiefst demokratische
Aufgabe.
({2})
Erwerbslose nehmen ihr Wahlrecht viel zu selten
wahr, weil sie auch der Meinung sind, dass sie von der
Politik nichts mehr zu erwarten haben. Das, meine Damen und Herren, gefährdet die Demokratie. Ich muss Ihnen sagen: Ihre Arbeitsmarktpolitik der letzten Jahre hat
hier deutlich versagt.
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin seit 20 Jahren in der Arbeitsmarktpolitik unterwegs: als Gewerkschafterin, in einigen Verwaltungsausschüssen der
Bundesagentur für Arbeit und in vielen Beiräten der Jobcenter. Mit dieser Erfahrung im Hintergrund sage ich Ihnen: Die Ankündigungen Ihrer Bundesarbeitsministerin
machen mir wenig Hoffnung.
({4})
Das von ihr vorgelegte Konzept zum Abbau der
Langzeiterwerbslosigkeit greift aus unserer Sicht viel zu
kurz und ist in weiten Teilen völlig unverbindlich. Es ist
auch nichts Neues; das haben wir alles schon gehabt. Die
Bundesarbeitsministerin will zwei kleine Schmalspurprogramme auflegen, die höchstens 43 000 Langzeiterwerbslose erreichen. Ich frage mich wirklich - schade,
dass die Frau Ministerin heute nicht da ist -: Was passiert mit der verbleibenden 1 Million betroffener Menschen?
({5})
Was mich am meisten ärgert, ist, dass die Ursachen
für die Langzeiterwerbslosigkeit immer wieder bei den
Einzelnen und ihren angeblich zahlreichen Vermittlungshemmnissen gesucht werden. Aufgezählt werden Gründe
wie Alter über 50, Migrationshintergrund, alleinerziehend oder eine Behinderung. Aber all das sagt überhaupt
nichts über die individuellen Fähigkeiten des Einzelnen
aus, über das individuelle Leistungsvermögen. Es deutet
vielmehr auf ein diskriminierendes Einstellungsverhalten der Arbeitgeber hin. Wir wissen aus Untersuchungen, dass zwei von drei Betrieben Langzeiterwerbslose
im Bewerbungsverfahren schon vorher aussortieren.
Die Arbeitsministerin verliert auch kein Wort über
den arbeitsmarktpolitischen Kahlschlag, den wir seit
2010 erlebt haben: Auf der einen Seite wurden Milliarden für die Bankenrettung bereitgestellt, auf der anderen
Seite wurden Milliarden in der Arbeitsmarktpolitik gekürzt. Ich frage mich wirklich: Ist die Arbeitsmarktpolitik das Sparschwein der Nation? Das kann doch so nicht
weitergehen.
({6})
Als Sie noch nicht an der Regierung waren, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, haben Sie dagegen gewettert; ich höre Sie hier noch reden. Und heute? Heute
passiert nichts mehr. Zwischen 2010 und 2013 ist die
Zahl der Langzeiterwerbslosen nur um 5 Prozent zurückgegangen, aber bei der Zahl der Fördermaßnahmen
gab es einen Rückgang von 41 Prozent. - Ja, Frau Mast,
da brauchen Sie nicht zu lachen.
({7})
Ich sage Ihnen: Das passt doch nicht zusammen.
Wir als Linke legen heute ein Fünf-Punkte-Programm
zur Bekämpfung und Vermeidung von Langzeiterwerbslosigkeit vor. Wir haben dieses Programm mit den Gewerkschaften, Erwerbsloseninitiativen und Vertretern
der Wissenschaft zusammen beraten.
Erstens. Wir sagen: Wer Erwerbslosigkeit wirksam
bekämpfen will, braucht mehr Beschäftigung. Bundesweit kommen trotz günstiger Arbeitsmarktentwicklung
mehr als drei Erwerbslose auf eine offene Stelle. In
Nordrhein-Westfalen kommen fünf Erwerbslose und in
Sachsen-Anhalt neun Erwerbslose auf eine Stelle. Das
ist natürlich eine schwierige Situation.
Notwendig ist aus unserer Sicht ein Investitions- und
Zukunftsprogramm für mehr gute Arbeitsplätze. Zudem
muss es die Regierung endlich möglich machen, dass
Mittel der Arbeitsmarktpolitik zur Schaffung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung genutzt werden können. Ich will hier nur das Stichwort Aktiv-Passiv-Transfer nennen.
({8})
Wir schlagen ein Programm zur öffentlich geförderten
Beschäftigung im Umfang von 200 000 Stellen vor.
Die Kolleginnen und Kollegen der SPD möchte ich
an Folgendes erinnern: Im Wahlkampf sprachen Sie vom
„sozialen Arbeitsmarkt“.
({9})
Da muss ich Sie fragen: Haken Sie das unter „Versprochen - Gebrochen“ ab? Oder wie sollen wir das einordnen?
({10})
Sabine Zimmermann ({11})
Zweitens. Qualifizierung ist das A und O; ich denke,
darin sind wir uns alle einig. Etwa die Hälfte aller Betroffenen hat keine oder eine veraltete Berufsausbildung.
Das sind etwa eine halbe Million Menschen. Hier passiert zu wenig. Wir wollen einen Rechtsanspruch auf
Qualifizierung für die Betroffenen. Nur das kann auf
dem Arbeitsmarkt wirklich wirksam sein.
({12})
Drittens. Wir müssen die Vermittlung vom Kopf auf
die Füße stellen. Ich weiß nicht, mit wie vielen Betroffenen Sie zu tun haben. Ich zumindest habe mit sehr vielen
Betroffenen zu tun. Mir hat eine Betroffene geschrieben,
dass viele Menschen psychische Probleme bekommen,
nicht nur wegen der anhaltenden Erwerbslosigkeit, sondern wegen - ich zitiere - des wenig menschenfreundlichen Umgangs der Jobcenter mit den Betroffenen. Weiter schreibt sie: Drohungen, Schikanen, Willkür und ein
Klima der Angst vertiefen die Probleme, anstatt sie zu
beseitigen.
({13})
Wir sagen deshalb klar: Die Sanktionen müssen endlich abgeschafft werden.
({14})
Die Betroffenen brauchen eine Vermittlung, die mit ihnen gemeinsam an ihren Stärken und an ihren Potenzialen ansetzt, also eine Vermittlung auf Augenhöhe, damit
Erwerbslose nicht immer wieder nur als Bittsteller gesehen werden. So sollte es nicht sein. So ist keine professionelle Vermittlung möglich.
({15})
Auch die Personalsituation in den Jobcentern ist zu
verbessern. Die 1 000 befristeten Vermittlerstellen, deren Laufzeit Frau Nahles verlängern will, bedeuten nicht
dauerhaft mehr Personal und schon gar nicht einen besseren Betreuungsschlüssel.
Viertens wollen wir die Arbeitgeber wieder stärker in
die Pflicht nehmen. Durch die gesenkten Beiträge zur
Arbeitslosenversicherung wurden die Arbeitgeber in den
letzten Jahren um 100 Milliarden Euro entlastet. Ich
frage Sie: Warum? Es geht doch nicht an, dass die Arbeitgeber immer stärker aus der Finanzierung der Arbeitslosigkeit herausgenommen werden.
Wir wollen einen Sonderbeitrag zur Bekämpfung von
Langzeitarbeitslosigkeit einführen. Damit hätten wir
4,5 Milliarden Euro mehr im Jahr zur Verfügung.
({16})
Fünftens brauchen wir für die älteren Erwerbslosen
armutsfeste Übergänge. Darauf wird mein Kollege noch
eingehen.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.
Die bisherigen Pläne Ihrer Arbeitsministerin deuten an,
dass diese Koalition grundsätzlich nichts verändern
wird. Sie setzen auf Schmalspurprogramme, und Sie
wollen den Betroffenen keine Rechtsansprüche einräumen, weil Sie keinen Cent mehr in die Hand nehmen
wollen. Mit einer nachhaltigen Strategie hat das rein gar
nichts zu tun.
({17})
Wenn Sie ernsthaft etwas gegen Langzeiterwerbslosigkeit tun wollen, dann geht das nicht zum Nulltarif.
({18})
Dann müssen Sie Geld in die Hand nehmen, um den
Menschen wieder eine Perspektive am Arbeitsmarkt zu
geben. Dafür werden wir als Linke weiter streiten.
Danke schön.
({19})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort Professor
Dr. Matthias Zimmer, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große
Koalition hat sich in ihrer Koalitionsvereinbarung dafür
ausgesprochen, Geringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen neue Chancen zu erschließen. Zu diesem
Zweck hat die Ministerin ein Eckpunktepapier vorgelegt,
und auch in unserer Fraktion werden zurzeit einige Ideen
diskutiert, wie wir Langzeitarbeitslosen mit besonderen
Vermittlungshemmnissen helfen können, Teilhabe und
Integration am Arbeitsmarkt zu finden.
Wir haben in der Instrumentenreform 2011 vielleicht
zu sehr den Blick auf die schnelle Integration in den ersten Arbeitsmarkt gelegt. Das war für einen großen Teil
der Langzeitarbeitslosen auch richtig. Aber wir müssen
nun nach dem Prinzip des Aufstiegs und Ausstiegs auch
diejenigen an die Hand nehmen, die besondere Schwierigkeiten haben.
Wir müssen davon ausgehen, dass bis zu 200 000 Menschen trotz Bemühen keine Chance auf eine Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt haben, da sie mehrere Vermittlungshemmnisse aufweisen, etwa gesundheitliche
Beeinträchtigung, Sucht, Schulden oder aber die Langzeitarbeitslosigkeit selbst.
Ich sage das so deutlich, weil es an groben Unfug
grenzt, zu behaupten: Man muss einfach nur die flexiblen Beschäftigungsformen erhalten und ausbauen, dann
würde sich das Problem schon lösen.
({0})
Gemeint sind Teilzeit, Zeitarbeit und geringfügige Beschäftigung, jedenfalls nach Meinung der Initiative Neue
Soziale Marktwirtschaft.
({1})
Wir reden bei den verfestigten Formen der Langzeitarbeitslosigkeit über Menschen, die teilweise mehrere
Vermittlungshemmnisse haben, die zur Rückkehr auf
den ersten Arbeitsmarkt einer engen Begleitung und Betreuung bedürfen und die nicht einfach von heute auf
morgen wieder auf den ersten Arbeitsmarkt gehen können, sondern Zeit brauchen. Denen nutzen die Ratschläge der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft
nichts. Die brauchen begleitende und nachbereitende
Betreuung, und die gibt es in der Regel bei den flexiblen
Beschäftigungsformen nicht.
({2})
Wir haben in der Union in diesem Zusammenhang
mit einer kleinen Gruppe von Arbeitsmarktpolitikern
den Passiv-Aktiv-Transfer diskutiert und uns die Frage
gestellt, ob das nicht ein geeignetes Instrument sein
könnte. Wir sind uns da selbst nicht sicher. Deswegen
haben wir in einem Thesenpapier gesagt: Lasst uns das
Instrument einmal ausprobieren. - Wir wollen also nicht,
wie es das Institut der deutschen Wirtschaft behauptet
hat, dieses Instrument bei allen Langzeitarbeitslosen zur
Anwendung bringen, sondern wenn überhaupt, dann nur
als Pilotprojekt. Schon gar nicht sollen die Menschen,
für die wir an einen solchen Passiv-Aktiv-Transfer denken, darüber hinaus in einer Art dauerhafter Staatssubventionierung landen. Das Ziel ist eine Beschäftigung im
ersten Arbeitsmarkt. Deswegen kann ich mir einen Passiv-Aktiv-Transfer nur zeitlich eng befristet vorstellen.
Ich bin im Übrigen etwas erstaunt gewesen, dass der
Passiv-Aktiv-Transfer nicht im Eckpunktepapier der
Ministerin auftaucht.
({3})
Aber sie hat eine Regelung zu Lohnkostenzuschüssen in
Aussicht gestellt, die mit 150 Millionen Euro im Jahr
finanziert wird. Vielleicht lässt sich unter diesem Schirm
auch ein Pilotprojekt zur Erprobung des Passiv-AktivTransfers einbinden.
({4})
Unabhängig vom Namen des Ganzen bin ich dafür, dass
wir die Kommunen nicht aus der Verantwortung entlassen und dass es darum gehen muss, Beschäftigung zu
finanzieren, nicht Arbeitslosigkeit.
Der Antrag der Linken, Frau Kollegin Zimmermann,
lässt sich kurz zusammenfassen: mehr Geld. - Das erinnert an den Jago aus Shakespeares Othello, dessen Kernsatz ja lautet: „Open thy purse“ - öffne deine Geldbörse!
Ich will die Linke aber nicht mit dem Erzbösewicht Jago
vergleichen.
({5})
Da war am Ende Schweigen, und das wäre schade; denn
Ihr Antrag enthält mindestens zwei Aspekte, die ich tatsächlich teile.
Zum Ersten teile ich die Forderung, die Vermittlung
und die Betreuung individueller und nachhaltiger zu gestalten; das ist richtig. Die Betreuer vor Ort sollen nicht
nach einem Schema vorgehen, sondern auch sehr individuell die Hilfe zur Wiedereingliederung zuschneiden
dürfen, etwa über eine Ausweitung der freien Förderung.
Ich bin auch sehr bei Ihnen, wenn es um eine Änderung der Vergabepraxis der Bundesagentur bei Arbeitsmarktdienstleistungen geht. Es ist schon richtig, gerade
aus Gründen der Nachhaltigkeit einer Maßnahme nicht
nur auf den Preis, sondern auch auf die Qualität zu
schauen.
({6})
Bei der Vergabe solcher Aufträge sollten auch die Kompetenz und das Know-how der Träger genutzt werden,
um zu nachhaltigen Ergebnissen zu kommen.
In diesen beiden Punkten steht der Antrag der Linken
durchaus solide auf den Füßen; Sie wollten ja das Ganze
vom Kopf auf die Füße stellen, Frau Kollegin
Zimmermann. Ich will aber auch sagen, wo der Antrag,
wie ich glaube, noch sehr auf dem Kopf steht, also durch
eine ideologische Betrachtung stärker geprägt ist
({7})
als durch eine realistische Betrachtung der Dinge. Ich
glaube nicht, dass es hilfreich ist, Arbeitgeber durch eine
Sonderabgabe stärker zu belasten. In Deutschland sind
so viele Menschen in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen wie nie zuvor.
({8})
Das hat viele Gründe, aber eben auch den Grund, dass
Firmen investieren, dass sie neue Beschäftigung schaffen. Sie von den Linken sehen die deutsche Wirtschaft
als Geldgeber für Ihre gesellschaftstherapeutischen Utopien.
({9})
Ich sehe die deutsche Wirtschaft als Garant dafür, dass
Arbeitsplätze entstehen und erhalten bleiben. Die Firmen brauchen Geld, um zu investieren. Ich sehe das
Geld dort besser aufgehoben als bei den Umverteilungsekstatikern der Linken.
({10})
Meine Damen und Herren, Erwerbslosigkeit bedeutet
häufig soziale Ausgrenzung. Wir wollen aber die Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe stärken, weil dies
für den Zusammenhalt einer Gesellschaft unabdingbar
ist. Deshalb gilt es, die anstehende Debatte seriös zu führen, mit Blick auf das Machbare und mit Blick darauf,
für die Menschen klug zu gestalten, nicht nur für die Betroffenen, sondern für die Gesellschaft insgesamt.
Herzlichen Dank.
({11})
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unterstützung für Menschen am Rand gibt es nicht zum Nulltarif.
Wir müssen ausreichend Geld in die Hand nehmen, um
Langzeitarbeitslose zu integrieren.
({0})
Wo bleibt eigentlich der Applaus der SPD-Fraktion? In
der letzten Legislaturperiode haben Sie bei diesem Satz
noch frenetisch geklatscht. Das ist nämlich ein Satz Ihrer
Kollegin Katja Mast.
({1})
Leider haben Sie diese richtige Position beim Übergang
von der Oppositionspartei zur Regierungspartei entsorgt.
Denn mit dem Programm, das Ihre Ministerin hier zur
Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit vorgelegt hat,
nimmt sie keinen zusätzlichen Cent in die Hand.
({2})
Hier wird lediglich ein Programm durch ein anderes Programm ausgetauscht.
({3})
Beispiel ESF-Programm. Dieses Programm von Frau
Nahles ersetzt eins zu eins das Bürgerarbeitsprogramm
von Frau von der Leyen. Das Sonderprogramm von Frau
von der Leyen hatte 33 000 Plätze. Interessanterweise
hat auch das ESF-Programm von Frau Nahles
33 000 Plätze. Jede Ministerin bekommt ihr Profilierungsprogramm. Leider bleibt für die Langzeitarbeitslosen kein einziges zusätzliches Angebot übrig.
({4})
Beispiel Aktivierungszentren. 1 000 Mitarbeiter sollen Langzeitarbeitslose bei der Integration in Arbeit unterstützen. Diese 1 000 Mitarbeiter unterstützen derzeit
über 50-Jährige bei der Integration in Arbeit. Das Programm 50plus wird schlicht und ergreifend umetikettiert. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPDFraktion, die Decke, die die Arbeitslosen wärmen soll,
wird keinen Millimeter größer. Sie ziehen einfach nur an
einem anderen Zipfel, und dabei kommt heraus, dass
dann eben die über 50-Jährigen kalte Füße bekommen.
Das ist zu wenig.
({5})
Beispiel Teilhabeprogramm. Das Geld für dieses Sonderprogramm wird vorher aus dem Integrationstitel den
anderen Langzeitarbeitslosen schlicht und ergreifend
weggenommen. Sie verteilen um, und zwar von den Mittellosen zu den Habenichtsen.
Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, das, was Ihre
Ministerin da vorgelegt hat, reicht weder quantitativ
noch qualitativ. In der öffentlich geförderten Beschäftigung sind in den letzten Jahren 200 000 Plätze weggefallen. Sie machen ein Angebot von 43 000 Plätzen. Sie
glauben doch nicht ernsthaft, dass Sie für ein 4-ProzentAngebot hier auch noch Applaus bekommen. In der Opposition haben Sie dieses Programm und eine solche
Politik noch Kahlschlagpolitik genannt.
Dieses Programm ist auch qualitativ enttäuschend.
Hier wird ein Projekt durchgeführt und noch ein Projekt
und wieder ein Projekt.
Wir wollen … keine Projektitis …, sondern wir
wollen dauerhafte Möglichkeiten, auf die sich die
Menschen auch verlassen können …
({6})
Frau Mast, diesen Text hätten Sie mitsprechen können.
Auch das haben Sie in der letzten Legislaturperiode hier
unter viel Applaus gesagt. Ich frage mich wirklich: Welche wundersame Wandlung haben Sie eigentlich in dieser kurzen Zeit der Regierungsbeteiligung durchgemacht, dass Sie dieses Programm-Hopping, das Sie in
der Vergangenheit zu Recht kritisiert haben, jetzt loben?
({7})
Sie wissen doch genauso gut wie ich: Mit dieser Form
der Politik für Langzeitarbeitslose sind wir grandios gescheitert. Deshalb reden wir hier seit Jahren, und zwar in
einem breiten Bündnis, darüber, dass wir einen verlässlichen sozialen Arbeitsmarkt brauchen. Von dieser Erkenntnis findet sich in dem Vorschlag von Frau Nahles
leider nichts. Wissen Sie, was ich wirklich als Armutszeugnis empfinde? Ganz offensichtlich ist die CDU da
weiter als eine sozialdemokratische Arbeitsministerin,
jedenfalls wenn ich die Worte von Herrn Zimmer hier
ernst nehme.
({8})
Sie lassen nicht nur die Arbeitslosen im Stich, Sie lassen Ihre eigenen grün-roten und rot-grünen Regierungen
im Stich. Die haben in Form von Landesprogrammen inzwischen Vorleistungen erbracht, und die brauchen jetzt
dringend Ihre Unterstützung.
({9})
Ab dem Haushalt 2013 wollten Sie den Eingliederungstitel jedes Jahr um 1,6 Milliarden Euro aufstocken.
({10})
„Daran lassen wir uns gerne messen, wenn wir in der
Regierung sind“, haben Sie, Frau Mast, gesagt. Wir haben Sie, wir haben die SPD an diesem Programm gemessen, und ich kann Ihnen nur sagen: Wir haben Sie für zu
leicht befunden.
({11})
Wir haben einen Regierungswechsel; aber einen Politikwechsel für Langzeitarbeitslose haben wir nicht bekommen. Schade eigentlich!
Ich danke Ihnen.
({12})
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Daniela Kolbe, SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sie gestatten mir, dass ich die Tonlage jetzt
ein bisschen in Richtung Sachlichkeit verschiebe.
({0})
Ich möchte mich zunächst bei der Fraktion der Linken
dafür bedanken, dass sie ein sehr wichtiges Thema anspricht, das für uns Sozialdemokraten eins der ganz zentralen ist. In der Tat haben wir in unserem Land mehr als
1 Million Menschen, die langzeitarbeitslos - sie sind
also länger als ein Jahr ohne Erwerbstätigkeit - sind, und
das, obwohl die Arbeitsmarktlage äußerst gut ist. Wir sehen, in diesem Bereich bewegt sich nichts, und das bewegt uns sehr. Denn hinter jedem dieser mehr als 1 Million Menschen steckt ein Schicksal, von dem oft auch
weitere Menschen, etwa der Partner oder die Partnerin
oder auch Kinder, betroffen sind. Jeder, der Betroffene
kennt, weiß, was Langzeitarbeitslosigkeit aus ihnen und
ihren Familien macht und wie stark das zerstörerische
Potenzial von Langzeitarbeitslosigkeit ist.
Langzeitarbeitslosigkeit hat auch objektive Auswirkungen, und zwar manifeste: auf den Gesundheitszustand der Betroffenen, auf deren psychisches Wohlbefinden - es ist nachweisbar deutlich schlechter -, auf die
Lebenschanchen der betroffenen Kinder aus den Bedarfsgemeinschaften, aber auch - wenn viele Menschen
keine Perspektive mehr sehen - auf ganze Stadtteile.
({1})
Deswegen ist es richtig und wichtig, dass Ministerin
Andrea Nahles dieses Thema auf die Agenda gesetzt hat,
und zwar nicht erst letzte Woche im Ausschuss. Ich kann
mich an kaum eine Rede der Ministerin hier im Plenum
erinnern, in der sie das Thema „Perspektiven für Langzeitarbeitslose“ nicht auf das Tableau gehoben und nicht
als eines der für sie wichtigsten Themen adressiert hat.
({2})
Das trägt dazu bei, dass ein Thema, das sonst gerne verdrängt wird, sichtbar gemacht wird. Brigitte Pothmer,
ich finde den Vorwurf, dass sich Andrea Nahles mit diesem Thema profilieren will, wirklich vollkommen daneben.
({3})
In der Tat, in den vergangenen Jahren hat es eine ganz
starke Kürzung in diesem Bereich gegeben und auch
eine Instrumentenreform, die dazu beigetragen hat, dass
wir den Betroffenen relativ wenig Lebenschancen anzubieten haben. Andrea Nahles will das jetzt verändern
und kehrt den Trend damit deutlich um. Wir finden uns
jedenfalls nicht damit ab, diese Menschen zu Hause sitzen zu lassen und ihrem Schicksal zu überlassen. Das
wäre nämlich verantwortungslos und unmenschlich.
({4})
Die Ministerin wählt genau den richtigen Ansatz.
Denn hinter der Zahl von 1 Million Langzeitarbeitslosen
verbergen sich tatsächlich 1 Million ganz unterschiedliche Schicksale; da gleicht keines dem anderen. Deswegen ist der differenzierte Ansatz der Ministerin hier
goldrichtig. Wir haben zum Beispiel langzeitarbeitslose
Alleinerziehende, die gerade in den Randzeiten, also
sehr früh und sehr spät, das Problem der Kinderbetreuung haben. Die Ministerin hat angekündigt, hier tätig
werden zu wollen und dieses Thema immer wieder zu
adressieren.
Es gibt auch diejenigen, bei denen vor allen Dingen
Betreuung wichtig ist, damit der Sprung in den ersten Arbeitsmarkt wieder gelingt und sich Erfolg einstellt. Für sie
gibt es eine Betreuungsoffensive, und die 1 000 Stellen,
die im Bereich der Perspektive 50plus enthalten waren,
werden erhalten und in Aktivierungszentren überführt,
damit bestes Profiling möglich ist und gute Angebote an
die Betroffenen gemacht werden können. Das Programm
wäre ausgelaufen. Die Ministerin hat wie eine Löwin dafür gekämpft, diese 1 000 Stellen dauerhaft zu erhalten.
Ich finde, dafür gilt ihr unsere Anerkennung, und zwar
zu Recht.
({5})
Wir erhöhen überdies den Eingliederungstitel. Wir
haben auch noch weitere Gruppen, zum Beispiel jüngere
Menschen, die eher marktfern sind, denen eine Ausbildung fehlt, deren Ausbildung veraltet ist oder nicht
passt. Für sie gibt es das ESF-Programm „Perspektive in
Betrieben“. In diesem Zusammenhang werden die Betriebe ganz gezielt angesprochen; denn es ist in der Tat
richtig, dass derzeit sehr viele Betriebe pauschal Langzeitarbeitslose ablehnen, was ich krass finde, was wir
aber ändern wollen.
Frau Kollegin, Frau Kollegin Pothmer würde gerne
etwas fragen oder sagen. Möchten Sie weitersprechen
oder das zulassen?
Unbedingt zulassen, wenn das nicht auf meine Redezeit angerechnet wird.
Ja, das ist ein weiterführender Hinweis, dem ich nachkomme. - Bitte schön.
Vielen Dank, Frau Kolbe, dass Sie die Frage zulassen. Sie haben gerade gesagt, die Ministerin habe wie eine
Löwin gekämpft, um diese 1 000 Stellen auch in Zukunft
zu erhalten. Jetzt stelle ich aber fest, dass der Ansatz
beim Eingliederungstitel auf 3,9 Milliarden Euro festgeschrieben ist, und zwar nicht nur für 2015, sondern auch
für 2016 und die folgenden Jahre. Im Ausschuss hat Frau
Nahles ausdrücklich gesagt, dass sie den Personalkostenetat und den Verwaltungskostenetat der Jobcenter
nicht aufstocken will. Heißt das, dass Sie dann, wenn
diese 1 000 Stellen weggefallen wären, die Absicht gehabt hätten, den Ansatz beim Eingliederungstitel weiter
zu kürzen? Wollten Sie ihn eigentlich noch zusätzlich
kürzen?
({0})
- Der Personalkostenetat wird auch nicht aufgestockt.
({1})
Wir sollten schon sauber trennen. Es geht an dieser
Stelle um den Eingliederungstitel. Daneben gibt es das
weitere Programm - darauf wollte ich gleich noch eingehen - zum öffentlich geförderten Beschäftigungssektor,
das über einen Vorabzug beim Eingliederungstitel organisiert wird. Wir wollen an dieser Stelle natürlich nicht
kürzen. Dieser Vorwurf ist wirklich absurd.
({0})
Das Wort „Kürzung“ an dieser Stelle in den Mund zu
nehmen, wo wir erhöhen, finde ich schon reichlich
merkwürdig. Vielleicht können wir versuchen, gemeinsam einen etwas konstruktiveren Weg zu finden; es ist
nicht alles schwarz oder weiß.
({1})
Es ist natürlich eine Herausforderung finanzieller Art,
es bei 1 Million Menschen vernünftig zu organisieren,
Lebenschancen zu ermöglichen. Das ist tatsächlich eine
starke Herausforderung. Die wollen wir aber annehmen.
Dass wir das nicht von heute auf morgen zu 100 Prozent
schaffen, ist klar; wir sind ja nicht im Wolkenkuckucksheim. Sie sollten schon anerkennen, dass diese Regierung einen Schwerpunkt bei diesem Thema setzt und
diese Menschen gerade nicht alleinlassen will.
({2})
Ich komme zurück zu den jüngeren Menschen und
zum ESF-Programm. Wir werden die Betriebe aktiv ansprechen und die Betroffenen - das ist ganz wichtig auf ihrem Weg begleiten; denn wir haben in der Vergangenheit oft gesehen, dass die Beschäftigung abgebrochen worden ist. Das wollen wir vermeiden. In diesem
Zusammenhang werden degressive Lohnkostenzuschüsse
bezahlt.
Dann gibt es aber auch solche Menschen - sie sind
mir als ostdeutscher Abgeordneten besonders wichtig -,
die wirklich sehr marktfern sind, viele Vermittlungshemmnisse haben und bei denen wir zunächst nicht davon ausgehen können, dass wir sie in den ersten Arbeitsmarkt vermitteln können. Frau Nahles schlägt vor,
150 Millionen Euro für Teilhabe auszugeben, für Lohnkostenzuschüsse bis zu 100 Prozent. Zielgruppe sind dabei Menschen, die gesundheitlich besonders eingeschränkt sind oder die mit Kindern zusammen in einer
Bedarfsgemeinschaft leben. Das, finde ich, ist der absolut richtige Ansatz.
Teilhabe ist dabei der zentrale Begriff. Diese Menschen haben nur ein Leben, ihr eigenes Leben, und wir
wollen sie bestärken, ihren Weg zu gehen, sodass sie aus
der Langzeitarbeitslosigkeit herauskommen und Selbstwirksamkeit und Wertschätzung erleben. Wenn sie dann
irgendwann den ersten Arbeitsmarkt erreichen, ist das
wunderbar, aber wir müssen realistischerweise sagen:
Das ist ein sehr langer Weg. Deshalb kann das auch nicht
das unmittelbare Ziel sein.
Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube:
Ich hätte mir aus dem Finanzministerium etwas mehr
Mut gewünscht, wenn es darum geht, den Passiv-AktivTausch auszuprobieren, zumal ich aus der Unionsfraktion höre, dass man da aufgeschlossen ist. Wir wollen
das gern ausprobieren. Vielleicht sollten wir miteinander
noch einmal ins Gespräch kommen und schauen, ob wir
da etwas bewirken können.
({3})
Wir jedenfalls sagen: Diese Regierung nimmt die
Menschen und ihre Problemlagen ernst. Für uns ist das
kein zusätzliches Sahnehäubchenthema, sondern ein für
die Menschen und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ganz zentrales Thema. Wir wollen Lebenschancen schaffen, und darauf bin ich stolz.
Vielen Dank.
({4})
Frau Kollegin, Sie hätten die Chance, zusätzliche
Redezeit zu gewinnen, wenn Sie noch auf Frau
Zimmermann antworten wollen, aber Sie müssen diese
Chance nicht wahrnehmen.
Wir können das am Platz machen oder auch in Form
einer Kurzintervention, sodass ich zu meinem Platz gehen kann.
({0})
Dann wird das am Platz geregelt. - Ich erteile als
Nächstem das Wort dem Kollegen Matthäus Strebl,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Wir beraten heute den Antrag der
Fraktion Die Linke zur Bekämpfung und Vermeidung
von Langzeitarbeitslosigkeit. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen an der Gesamtzahl der Arbeitslosen lag im
Sommer dieses Jahres bei 37 Prozent. Das sind - wir haben es vorhin schon gehört - 1 Million Menschen. Wir
sprechen also über eine nicht gerade geringe Anzahl von
Menschen, die über einen längeren Zeitraum Leistungen
nach dem SGB II erhalten.
Meine Damen und Herren, die Gruppe der Langzeitarbeitslosen ist keine homogene Gruppe, und sie umfasst
Menschen mit den unterschiedlichsten Lebensgeschichten und auch Hemmnissen. Besonderes Risiko, von
Langzeitarbeitslosigkeit betroffen zu sein, besteht für ältere Menschen, für Alleinerziehende, für gering qualifizierte Arbeitnehmer und für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen.
Hervorheben möchte ich schon, dass sich die Große
Koalition, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, der Problematik widmet, gleichwohl mit anderen Ideen, als die
Fraktion Die Linke es vorschlägt. Natürlich kann man in
der Opposition leicht kostenwirksame Programme fordern;
({0})
man muss ja keine gerechten Finanzen gewährleisten.
Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea
Nahles, hat vor kurzem bei uns im Ausschuss ihr Konzept zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit vorgestellt.
Ihr Konzept befasst sich genau mit den eben genannten
Personengruppen.
Lassen Sie mich auf einige Vorschläge aus dem Antrag der Linken eingehen:
Sie wollen die Rechtsposition von Erwerbslosen stärken. Hierfür sehe ich überhaupt keinen Bedarf; denn Bezieher von Arbeitslosengeld II haben schon verschiedene Möglichkeiten, ihre Beschwerden und Wünsche zu
artikulieren. Zunächst haben sie die Möglichkeit, sowohl
mit ihrem Vermittler als auch mit dessen Teamleiter und
dem Standortleiter ihre Problematik zu besprechen. Zusätzlich können die Leistungsbezieher eine Dienstaufsichtsbeschwerde als auch einen Widerspruch einlegen.
Letztendlich steht ihnen auch der Rechtsweg zu den Sozialgerichten offen.
Außerdem lehne ich den von der Fraktion Die Linke
geforderten Rechtsanspruch auf Durchführung von
Weiterbildungsmaßnahmen entschieden ab. Bei dem
Anspruch auf Weiterbildung handelt es sich um eine Ermessensleistung; das heißt, der jeweilige Vermittler im
Jobcenter prüft, ob die Voraussetzungen für eine Weiterbildung vorliegen.
({1})
Nicht jede Weiterbildung, werte Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion, ist sinnvoll, insbesondere wenn
kein Bedarf in der betroffenen Region auf dem Arbeitsmarkt vorhanden ist. Sie dürfen mir glauben, dass ich
mich bei mir zu Hause im Wahlkreis des Öfteren im Jobcenter nach diesbezüglichen Möglichkeiten erkundigt
habe.
Wie nicht anders erwartet, enthält der Antrag der
Fraktion Die Linke natürlich auch die Absicht, Sanktionen im Arbeitslosengeld II abzuschaffen. Zu diesem
Thema haben wir uns ja bereits in diesem Sommer ausführlich ausgetauscht. Auch der Petitionsausschuss hat
sich, wie ich weiß, mit diesem Thema befasst. Meine
Position hat sich seitdem nicht geändert. Ich halte Sanktionen für eine notwendige Konsequenz. Wenn Leistungsbezieher sich ihren Mitwirkungspflichten und Meldeterminen entziehen, dann müssen Sanktionen greifen.
Davon bin ich zutiefst überzeugt.
({2})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was denken
denn die vielen Menschen draußen, die tagtäglich zur
Arbeit gehen, von der Politik, wenn ein solches Verhalten
keine Konsequenzen nach sich ziehen würde? Ansonsten
könnten wir ja gleich ein bedingungsloses Grundeinkommen in Deutschland einführen, und das wollen wir
doch nicht.
({3})
Mir ist durchaus bewusst, dass Langzeitarbeitslosigkeit sowohl individuelle wie auch gesamtgesellschaftliche Auswirkungen hat. Gesamtgesellschaftliche Folgen
sind: Verlust von Steuern und Sozialabgaben, Kosten für
Arbeitslosengeld II und verringerte Kaufkraft. Für den
einzelnen Betroffenen sind insbesondere die Entwertung
von Qualifizierungen und erhebliche finanzielle Einbußen die größten Auswirkungen der Langzeitarbeitslosigkeit. Aus diesem Grund befürworte ich auch den gesetzlich
verankerten Grundsatz des Förderns von Leistungsbeziehern.
Zweifelsfrei werden Langzeitarbeitslose von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Jobcenter unterstützt.
Diese leisten bereits jetzt hervorragende Arbeit.
({4})
Ich bin allerdings weiterhin der Überzeugung, dass auch
von den Langzeitarbeitslosen Eigeninitiative gefordert
werden kann und auch gefordert werden muss. Dazu gehören eben auch die Grundsätze des Förderns und Forderns; denn die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch werden von der Allgemeinheit finanziert.
Die Koalition unterstützt das Konzept zum Abbau der
Langzeitarbeitslosigkeit des Bundesministeriums für Ar6184
beit und Soziales und lehnt daher den Antrag der Fraktion Die Linke ab.
Vielen Dank.
({5})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Fraktion Die Linke.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einer der Vorgänger von Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles, Arbeitsminister Franz Müntefering,
hat die Rente erst ab 67 mit den Worten gerechtfertigt:
Ohne Anstrengung geht es nicht. - Das sollte wohl bedeuten: Ältere Menschen müssen länger arbeiten, Ältere
müssen sich mit Krankheiten und Stress am Arbeitsplatz
arrangieren, und Ältere müssen sich leider oft mit
Minijobs über Wasser halten, das heißt, sie bekommen
höchstens 450 Euro im Monat. Knapp 2 Millionen der
über 55-Jährigen haben nur einen Minijob, zum Beispiel
als Hausmeister, Putzhilfe oder Taxifahrerin. Die strengen sich an. Aber viele von ihnen sind offiziell arbeitslos, und die meisten hätten lieber einen Vollzeitjob.
Deswegen sage ich: Münteferings Satz war damals
zynisch, er ist heute zynisch, und er wird noch lange zynisch bleiben.
({0})
Meine Damen und Herren, keine Altersgruppe hat es
auf dem Arbeitsmarkt so schwer wie die Älteren. Erstens
sind Ältere im Durchschnitt häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen. Zweitens ist die Hälfte der 55- bis 64-jährigen Erwerbslosen langzeiterwerbslos. Drittens ist die
durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit von Älteren
in nur zwei Jahren um 14 Wochen gestiegen. Im Januar
2013 waren Ältere im Schnitt noch 81 Wochen ohne
Erwerbsarbeit. Heute sind es schon 95 Wochen. Das sind
22 Monate, also fast zwei Jahre. Das heißt dann, dass ein
hartes Arbeitsleben oft auf den letzten Metern mit
Hartz IV und all seinen Schikanen endet. Das ist
schlimm, und damit muss endlich Schluss sein.
({1})
Aber damit noch nicht genug: Hartz-IV-Zeiten werden nicht auf die Rente ab 63 bzw. 65 angerechnet. Der
Maurer und die Krankenschwester schauen dann in die
Röhre, wenn sie nur 43 Jahre geschafft haben. Aber
auch der Bezug von Arbeitslosengeld I in den letzten
beiden Jahren vor dem Renteneintritt wird nicht auf die
45 Beitragsjahre angerechnet, die man für die abschlagsfreie Rente ab 63 braucht. Nicht einmal die sechs
Wochen Mutterschutz werden anerkannt. Das ist unglaublich, aber es geht noch weiter.
({2})
In die Rentenkasse wird für Langzeiterwerbslose auch
nichts mehr eingezahlt. Union und FDP haben die
Pflichtbeiträge abgeschafft. Die sogenannte 58erRegelung wurde abgeschafft. Und - das ist der größte
Skandal -: Bezieht man nach dem 63. Geburtstag HartzIV-Leistungen, bekommt man vom Jobcenter ein
brutales Geburtstagsgeschenk: einen Brief, der einen mit
hohen Abschlägen in die vorgezogene Zwangsrente befördert.
({3})
So geht unsere Gesellschaft mit langzeiterwerbslosen
Älteren um. Das ist beschämend, und das führt direkt in
die Altersarmut. Das darf nicht sein.
({4})
Ohne Anstrengung geht es nicht, sagt Franz
Müntefering. Frau Staatssekretärin, ich frage jetzt Sie:
Was tun Sie, um die Lage von älteren Erwerbslosen zu
verbessern? Ich sage: bisher zu wenig. Haben Sie
den Zugang zur Erwerbsminderungsrente erleichtert?
Nein! Jeder zweite Antrag auf Erwerbsminderungsrente
wird nach wie vor abgelehnt. Wie viele Betriebe kennen
Sie, die einen der 282 000 langzeiterwerbslosen Älteren
über 55 Jahre eingestellt haben? Ich würde sagen: wenige. Deshalb sage ich: Hören Sie mit der Gesundbeterei
auf. Solange Sie an Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt für Ältere nichts vorweisen können, ist es unverantwortlich, an der Rente erst ab 67 festzuhalten. Schaffen Sie die Rente erst ab 67 ab. Ein Renteneintrittsalter
von 65 Jahren ist genug, für viele mehr als genug.
({5})
Darum fordern wir:
Erstens. Zahlen Sie aus Steuermitteln wieder Rentenbeiträge für Hartz-IV-Betroffene, und zwar in Höhe eines halben Durchschnittsverdienstes.
Zweitens. Schaffen Sie die Zwangsverrentung ab 63
ab, solange die Altersarmut in Deutschland Jahr für Jahr
ansteigt.
Drittens. Fördern Sie die öffentlich geförderte
Beschäftigung von Älteren, solange Unternehmen sich
weigern, sie einzustellen.
Viertens. Erleichtern Sie den Zugang zur Erwerbsminderungsrente, und schaffen Sie die durch nichts
zu rechtfertigenden Abschläge ab. Durchschnittliche
Abschläge in Höhe von 77 Euro monatlich sind für die
betroffenen Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner viel Geld.
Frau Staatssekretärin, ohne Anstrengung geht es
nicht. Lassen Sie die älteren Langzeiterwerbslosen nicht
im Regen stehen!
Danke schön.
({6})
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Katja Mast, SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Lieber
Matthias Birkwald, wenn eine Partei zurzeit mit dem
Stempel „Wir tun etwas für Ältere“ unterwegs ist, dann
ist das die SPD,
({0})
und zwar deshalb, weil wir die abschlagsfreie Rente
nach 45 Versicherungsjahren beschlossen haben, Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente vorgenommen haben, den Rehadeckel gelupft haben und vieles
Weitere. Insofern würde eine ein bisschen differenzierte
Argumentation im Plenum uns allen guttun.
({1})
Wenn ich auf die Debatte eingehen darf, die wir hier
gerade führen: Es geht um die Vermittlung von langzeitarbeitslosen Menschen in Arbeit und dort, wo das nicht
geht, darum, dass wir ihnen eine Aufgabe in unserer
Gesellschaft geben, also soziale Teilhabe organisieren.
Da will ich an erster Stelle mit ein paar Vorurteilen aufräumen, die hier geäußert worden sind aber so einfach
nicht stimmen. Natürlich nimmt diese Bundesregierung
für Langzeitarbeitslose zusätzliches Geld in die Hand.
Es sind wir, die bei den Leistungen im Eingliederungstitel die Trendwende bei der Pro-Kopf-Summe hinbekommen haben: 2012 waren wir noch bei 1 792 Euro, 2014
sind wir bei 1 975 Euro.
({2})
Wenn dazwischen nicht ein paar Euro liegen, dann habe
ich in Baden-Württemberg auf dem Wirtschaftsgymnasium keine Mathematik gelernt!
({3})
Es gibt hier einen Unterschied von knapp 200 Euro.
Wenn unsere Bundesarbeitsministerin - und ich bin so
verdammt stolz, dass Andrea Nahles das macht - sagt,
dass Maßnahmen für Langzeitarbeitslose bei ihr Chefsache sind und nicht nebensächlich, wenn sie sich nicht
zufriedengibt mit den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag, in dem nur auf ein ESF-Programm verwiesen wird,
wenn ihr das zu wenig ist, wenn sie mehr machen will
und dem Kollegen Finanzminister für 1 000 Stellen zusätzlich Geld aus dem Kreuz leiern will, dann verstehe
ich nicht, wie Sie sich hier hinstellen und behaupten
können, dafür gebe es kein zusätzliches Geld. Frau
Pothmer, das ist keine Frage der Mathematik.
({4})
Wir erhöhen nicht nur die Mittel für den Eingliederungstitel und stellen zusätzliches Geld für 1 000 Stellen bereit, wir geben auch zu, dass wir uns mit unserem Koalitionspartner beim Passiv-Aktiv-Tausch noch nicht einig
sind, und geben uns damit nicht zufrieden.
({5})
Lieber Kollege Zimmer, ich reiche Ihnen gerne die
Hand stellvertretend für die ganze SPD-Fraktion, wenn
es darum geht, ein Modellprojekt zum Passiv-AktivTausch zu machen.
({6})
Ich glaube, dass die CDU/CSU in ihrer Fraktion Mehrheiten dafür suchen muss und nicht in der Bundestagsfraktion der SPD.
({7})
Wir stehen zu dem Antrag, den wir in der letzten
Legislatur gemacht haben. Ich darf an dieser Stelle auch
sagen: Ich bin stolz darauf, dass Katrin Altpeter, die
SPD-Sozialministerin in Baden-Württemberg, dem einzigen Bundesland in Deutschland, das grün-rot-regiert
ist, den einzigen Modellversuch zum Passiv-AktivTausch macht,
({8})
- den einzigen und damit auch ersten flächendeckenden
Modellversuch, der nicht nur Einzelne betrifft, sondern
bei dem über 500 Menschen gefördert werden.
({9})
Deshalb will ich schon sagen: Ich habe das Gefühl,
dass es mehr daran hapert, dass der Finanzminister für
den Passiv-Aktiv-Tausch keine dauerhafte Finanzzusage
machen will; denn der politische Wille ist im Bundesarbeitsministerium auf jeden Fall vorhanden, lieber
Kollege.
({10})
Frau Kollegin, den Kollegen Zimmer drängt es zu
einer Zwischenfrage oder -bemerkung - wenn Sie die
zulassen.
Das mache ich gerne.
Bitte schön, Kollege Zimmer.
Ganz herzlichen Dank, Frau Kollegin Mast. Es freut
mich natürlich immer sehr, wenn sich die SPD so staatstragend äußert, wie Sie das heute tun.
({0})
Aber darf ich in diesem Zusammenhang noch einmal
fragen, ob ich richtig informiert bin - oder richtig gelesen habe -, dass in dem Eckpunktepapier, das die Ministerin vorgelegt hat, der Passiv-Aktiv-Tausch mit keinem
Wort erwähnt wird?
({1})
Lieber Kollege - Sie müssen stehen bleiben, wenn ich
Ihnen antworten soll -,
({0})
es ist richtig, dass da nichts drinsteht; aber Frau Nahles
äußert sich in solchen Papieren ja auch nicht als Individuum, sondern als Mitglied der Bundesregierung.
({1})
Damit man einen Aktiv-Passiv-Tausch machen kann,
muss sich die Bundesregierung an der Stelle einig sein.
Deshalb steht da nichts drin.
Wenn wir es zusammen hinbekämen, einen PassivAktiv-Tausch in Modellprojekten zu erproben, würde
ich mich wie eine Schneekönigin freuen. Er wird zwar in
seiner Wirkung überschätzt, nämlich als - umgangssprachlich - Allheilmittel zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit angesehen - ich behalte die Umgangssprache an der Stelle bei -, ist aber im Kern ein
Finanzierungsinstrument, und zwar ein kluges; denn
man nimmt das Geld zur Finanzierung der Arbeitslosigkeit, wandelt es quasi um und finanziert damit Arbeit
bzw. Lohnkostenbestandteile. Es generiert also Geld, es
ist ein Finanzierungsinstrument.
Da ich nicht glaube, dass wir uns einigen können, zur
Finanzierung von Maßnahmen für Langzeitarbeitslose
die Steuern zu erhöhen, ist es sinnvoll, gemeinsam zusätzliche Finanzierungsquellen zu erschließen.
({2})
Sie haben die Chance, noch eine Zwischenfrage zuzulassen, und zwar von der Kollegin Zimmermann. Möchten Sie die zulassen?
Gerne.
Bitte schön, Frau Zimmermann.
Vielen Dank, liebe Kollegin Mast. Ich habe zwei Fragen. Sie sprechen davon, dass die Bundesministerin
Geld in die Hand nimmt, und von den 150 Millionen
Euro für Ihren sogenannten sozialen Arbeitsmarkt. Sie
wissen jedoch auch, dass das die Restmittel aus dem
letzten Jahr sind und das dann praktisch jedes Jahr wieder so laufen soll. Daher ist meine erste Frage: Müssen
Sie jetzt dafür beten, dass die 150 Millionen auch für
nächstes Jahr bereitgestellt werden?
Die zweite Frage: Sie sprechen davon, dass jetzt die
Verträge für 1 000 Vermittlerstellen wieder verlängert
worden sein sollen.
Sie werden verlängert.
Sie werden verlängert, genau. Ja, es muss schon alles
korrekt sein. - Sie wissen aber auch, dass wir in den letzten Jahren viel Geld aus den Eingliederungstiteln genommen haben, um die Verwaltungskosten abzudecken.
Da ist schon die Frage: Wie viele Stellen davon werden
aus dem Eingliederungstitel bezahlt, sodass diese Mittel
dann nicht für Maßnahmen für arbeitslose Menschen zur
Verfügung stehen?
({0})
Vielen Dank für die Frage. - Ihre erste Frage, Frau
Kollegin Zimmermann, betrifft das Programm - es heißt
übrigens nicht „sozialer Arbeitsmarkt“, sondern „Chancen eröffnen - soziale Teilhabe sichern“ - für 10 000
Langzeitarbeitslose, die ganz am Rand des Arbeitsmarktes stehen, bei denen selbst bei großen Anstrengungen in
den nächsten zwölf Monaten nicht mit einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zu rechnen ist. Ich
halte es für einen guten Ansatz, dass wir da herangehen.
Ich habe es gerade gesagt: Ich bin eine Freundin dessen,
dafür auch zusätzlich Geld zu generieren über den Passiv-Aktiv-Tausch.
({0})
- Das weiß ich. Ich will es nur noch einmal so klar sagen.
Wenn wir dafür keine gemeinsame Mehrheit finden,
hat Ministerin Nahles vorgeschlagen, im ersten Jahr
75 Millionen, ab dem zweiten Jahr kontinuierlich weiter
150 Millionen dem Eingliederungstitel der Jobcenter im
Vorwegabzug zu entnehmen, sodass wir ein festes Budget für diese sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben. Das ist aus meiner Sicht die zweitbeste
Lösung; denn ich hätte lieber einen Passiv-Aktiv-Transfer, wie ich gerade gesagt habe. Aber es ist die zweitbeste und nicht die dritt-, viert-, fünft- oder sechstbeste
Lösung. Es hat nichts damit zu tun, wie viele Restmittel
im Eingliederungstitel pro Jahr übrig bleiben. Diese beiden Debatten müssen Sie trennen.
Dieser Vorwegabzug von 150 Millionen ist deshalb
wichtig, weil sich sonst verschiedene Arbeitsmarktinstrumente in den Jobcentern „kannibalisieren“, weil hohe
Lohnkostenzuschüsse für das einzelne Jobcenter, wenn
keine Extrabudgets da sind, eine recht teure Maßnahme
im Verhältnis zu anderen Maßnahmen sind. So haben
wir eine Garantie dafür, dass auch 10 000 Plätze realisiert werden können.
Ich finde, dass man an der Stelle, was Haushaltspolitik angeht, tatsächlich aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat, als man dieses Budget nie vorher
separierte, sondern den Jobcentern immer gesagt hat: Ihr
könnt entscheiden, welches Instrument ihr wählt. - Das
halte ich für einen richtig guten Ansatz an der Stelle.
Die zweite Frage:
({1})
- Die 1 000 Stellen des Bundesprogramms „50plus“
werden zusätzlich finanziert.
({2})
Der Arbeitsministerin ist es gelungen, gemeinsam mit
dem Finanzminister dafür die Lösung zu finden. Die
Stellen waren bis 2015 befristet, also - für Feinschmecker - mit kw-Vermerk versehen. Dieser kw-Vermerk
wird - immerhin - um zwei Jahre nach hinten verschoben. Vielleicht schaffen wir es ja, ihn irgendwann noch
weiter nach hinten zu schieben oder ihn ganz abzuschaffen. Das bedeutet, die Stellen werden aus einem zusätzlichen Bundesprogramm finanziert und nicht aus den Mitteln des Eingliederungstitels.
({3})
Ich bin durch die Zwischenfrage in meiner Rede unterbrochen worden; was nicht schlimm ist. Lassen Sie
mich darauf zurückkommen, was diese Regierung für
Langzeitarbeitslose tut. Über einzelne Punkte des Programms „Chancen eröffnen - soziale Teilhabe sichern“,
das Ministerin Nahles vorgestellt hat, haben wir schon
gesprochen, aber wir haben noch nicht alle Aspekte diskutiert. Ich habe es bereits erwähnt: Der Eingliederungstitel wurde erhöht. Zudem sollen die Rechtsvereinfachungen im SGB II umgesetzt werden. Hier geht es
darum, im Bereich der Arbeitsvermittlung für Langzeitarbeitslose Bürokratie abzubauen und dafür zu sorgen,
dass Vermittler mehr Zeit für die Vermittlung haben und
sich weniger mit Verwaltung beschäftigen müssen. Auch
das ist ganz wichtig für die Langzeitarbeitslosen.
({4})
Wir wissen nämlich: Je mehr Zeit vorhanden ist und je
höher die Kontaktdichte, desto besser ist es für die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen in Arbeit. Deshalb
finde ich die reine Fokussierung in der Debatte auf nur
ein Instrument, nämlich die öffentlich geförderte Beschäftigung, nicht richtig.
Langzeitarbeitslosigkeit in Deutschland hat unheimlich viele Gesichter: Ein Jugendlicher, der nach sechs
Monaten keinen Job hat, gilt als langzeitarbeitslos, bei
über 25-Jährigen beträgt die Frist zwölf Monate. Da ist
die alleinerziehende Mutter, die viele Jahre zu Hause
war, noch keine Berufsausbildung gemacht hat und die
unbedingt eine Ausbildung machen will. Sie braucht etwas völlig anderes als der alleinstehende langzeitarbeitslose ehemalige Handwerker, der schon sieben oder acht
Jahre zu Hause sitzt und keine Aufgabe hat. Das sind
völlig unterschiedliche Problematiken. Deshalb ist es so
wichtig, dass unsere Bundesarbeitsministerin betont,
dass es darum geht, für alle eine Antwort zu finden und
nicht nur für einen; denn nur ein Instrument wird die
Langzeitarbeitslosigkeit in Deutschland nicht beseitigen.
({5})
Ich kann für meine Fraktion sagen: Wir sind stolz darauf, dass wir eine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt
hinbekommen haben. Ich freue mich, mit Ihnen weiterhin diese spannende Debatte zu führen.
({6})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Bündnis 90/
Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr verehrte Kollegin Mast, ich möchte ergänzen:
Nicht nur in Baden-Württemberg gibt es das Programm
„Passiv-Aktiv-Transfer“, sondern auch in NordrheinWestfalen und demnächst auch in Hessen. Allen drei
Ländern ist eines gemein: Dort regieren Grüne.
({0})
Insofern finde ich es klasse, dass Sie mit Herrn Zimmer
darum wetteifern, wer sich am stärksten für den PassivAktiv-Transfer eingesetzt hat.
({1})
Ich kann nur sagen: Willkommen im Klub; allerdings
nicht so ganz, aber darauf komme ich gleich noch einmal
zu sprechen.
Ich will beschreiben, worum es eigentlich geht. Die
Arbeitslosigkeit ist wie ein Bus. Viele von uns sind
schon einmal mitgefahren, manche auch nicht. Die meisten Menschen fahren eher kurze Zeit mit diesem Bus,
weil sie nicht mehr weiterkommen, an der nächsten Station steigen sie aber wieder aus. Manche fahren etwas
länger mit dem Bus, viele über ein Jahr. Aber auch von
denen kommen viele wieder gut aus dem Bus raus, manche mit einer gewissen Unterstützung. Aber problematisch ist eine Gruppe - leider nimmt ihre Zahl zu -, die
trotz der guten Arbeitsmarktzahlen dauerhaft in diesem
Bus sitzt. Das ist die Kerngruppe, um die wir uns vor allen Dingen kümmern müssen.
Laut einer neuen Studie der Hochschule Konstanz
gibt es mehr als 480 000 Menschen, die länger als drei
Jahre arbeitslos sind. Kollege Zimmer hat die Zahl
200 000 genannt. Die Zahl kann schwanken, je nachdem, welche Vermittlungshemmnisse man zugrunde
legt, aber das ist die Größenordnung, wenn wir von denjenigen sprechen, die dauerhaft langzeitarbeitslos sind
und große Schwierigkeiten haben, wieder aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen.
Wir sind der Meinung: An dieser Stelle müssen wir
entsprechende Maßnahmen in der Arbeitsmarktpolitik
ergreifen. Es reicht nicht aus, wie es die Bundesministerin gemacht hat, nämlich einfach alte Programme zu
nehmen, diese umzuetikettieren und so zu tun, als sei das
eine geeignete Maßnahme für diese Gruppe. Das ist
nichts anderes als alter Wein in neuen Schläuchen.
({2})
Ich freue mich sehr, dass wir in unseren Analysen zu
teilweise ähnlichen Ergebnissen kommen, aber die entscheidenden Schritte fehlen noch. Ich wünsche mir hier
einfach mehr Mut. Ich habe drei Bundesländer genannt,
die das Thema angehen. Dort könnte man Modellprojekte auflegen. Letztlich muss aber der Bund die Rahmenbedingungen setzen. Die Finanzierung sollte so aussehen: Das Geld, das wir bisher für Arbeitslosengeld II
ausgeben, sollten wir im Sinne eines Passiv-AktivTransfers einsetzen. Wir sollten statt Arbeitslosigkeit Arbeit finanzieren.
Ich fordere Sie auf, ein bisschen mehr Mut zu haben.
Dann erhalten Sie auch Unterstützung. Das, was Sie bisher vorgelegt haben, reicht nicht.
Herzlichen Dank.
({3})
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Christel Voßbeck-Kayser, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
freue mich, dass wir uns fraktionsübergreifend darüber
einig sind, dass der Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit
ein wichtiges Thema ist, welches wir konsequent verfolgen müssen.
Richtig ist, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen seit
der Finanz- und Wirtschaftskrise stagniert. Dennoch
finde ich es nicht in Ordnung, dass wir hier nur die negativen Aspekte aufzeigen; denn die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist trotz der Finanz- und Wirtschaftskrise in
den Jahren von 2007 bis 2013 immerhin um 670 000 gesunken.
({0})
Allein im Jahr 2013 wurden 360 000 Menschen, die dauerhaft langzeitarbeitslos waren, in den Arbeitsmarkt integriert. Damit komme ich zu einem wichtigen Aspekt:
Das heißt, dass die Mitarbeiter der Jobcenter gute Arbeit
leisten und dass der vorhandene Instrumentenkasten
greift.
Dennoch will ich die Situation hier nicht schönmalen.
Richtig ist, dass nicht jeder, der als erwerbsfähig eingestuft ist, auch beschäftigungsfähig ist. Aber das gab es in
der Gesellschaft schon immer, und das müssen wir akzeptieren. Richtig ist auch, dass sich gesellschaftliche
Rahmenbedingungen und Strukturen verändert haben,
nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die familiären Strukturen. Alleinerziehende, Patchworkfamilien
und Lebenspartnerschaften - das sind nur drei Beispiele
dafür, dass sich die Gesellschaft stetig wandelt.
Wir von der CDU/CSU-Fraktion wollen die Menschen da abholen, wo sie stehen. Das bedeutet für uns:
Individuelle Unterstützungsangebote und individuelle
Förderung sind notwendig und sollten weiter ausgebaut
werden.
({1})
Jeder Einzelne mit seinen individuellen Fähigkeiten, seinen Möglichkeiten und Lebensbedingungen hat das
Recht, an die Stelle auf dem Arbeitsmarkt zu gelangen,
wo er hinpasst und eine Chance hat. Personen, die seit
vielen Jahren arbeitslos sind, haben häufig eine Vielzahl
von Vermittlungshemmnissen. Sie wollen wir passgenau
qualifizieren, begleiten und, wenn notwendig, auch
nachgehend betreuen. „Kompetentes Fallmanagement“
ist das Stichwort.
Der Weg, den wir gehen wollen, ist ein anderer als
der, den Sie, Kolleginnen und Kollegen von den Linken,
hier fordern. Der Arbeitsmarktforscher Werner Eichhorst
vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit sagt dazu
ganz richtig:
Berater brauchen eine große Offenheit, um den Einzelfall mit all seinen Problemen und Schicksalsschlägen zu verstehen.
Deshalb ist uns die Qualifizierung der Berater ebenso
wichtig wie eine bessere individuelle Förderung der
Langzeitarbeitslosen; denn der Berater wird hierdurch
noch besser in die Lage versetzt, die individuellen Vermittlungshemmnisse und die fehlende Qualifikation der
Langzeitarbeitslosen gezielt anzusprechen. Somit kann
er sie in passgenaue Angebote der Bündnispartner vor
Ort vermitteln. Eine enge Vernetzung mit den örtlichen
Bündnispartnern wie Arbeitgebern und sozialen Anbietern auf kommunaler Ebene ist ein zentraler Bestandteil.
Dies möchte ich an zwei Beispielen deutlich machen:
In meinem Wahlkreis - das ist der Märkische Kreis in
Nordrhein-Westfalen - gibt es - das ist sicherlich kein
Einzelfall - ein spezielles Beratungsangebot für Alleinerziehende. Acht Integrationsfachkräfte unterstützen und
beraten Alleinerziehende mit dem Ziel, den Einstieg in
den Arbeitsmarkt zu schaffen. Diese Personengruppe
wird durch Bündelung von Hilfsmöglichkeiten und
Netzwerken der spezialisierten Alleinerziehendenberatung unterstützt. Das geschieht einerseits durch verschiedene Kinderbetreuungsangebote und soziale UnterstütChristel Voßbeck-Kayser
zungsmöglichkeiten, aber auch durch weiterführende
Beratungsstellen und Sprachkurse. Andererseits werden
die Bewerberinnen und Bewerber durch passende Weiterbildungsmaßnahmen gefördert und qualifiziert.
Das ist eine erfolgreiche Maßnahme; denn binnen
zwei Jahren wurden 1 004 Alleinerziehende in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vermittelt.
({2})
Darüber hinaus fanden auch 748 dieser Alleinerziehenden den Zugang zu einer geringfügigen Beschäftigung.
Ich sage hier sehr deutlich: Jeder einzelne dieser Menschen ist ein Erfolg und zeigt, dass individuelle Beratung, Hilfe und Förderung mit guter Netzwerkarbeit der
richtige Weg ist.
({3})
Ich möchte noch ein Beispiel aus meinem Nachbarkreis nennen. Hier gibt es eine Kooperation zwischen
der Kreishandwerkerschaft und dem örtlichen Jobcenter.
Das ist ein Modellprojekt, das dazu führen soll, dass
200 Empfänger von SGB-II-Leistungen in Arbeit
gebracht werden. Wer sich hier zum Handwerker umschulen lässt, hat bei erfolgreichem Abschluss einen
Arbeitsplatz sicher. Das ist also eine Jobgarantie für Umschulungswillige. Ich finde, dies ist auch ein hervorragendes Beispiel für erfolgreiche Vernetzung und Hinführung in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung,
gleichzeitig aber auch für Fachkräftesicherung.
({4})
Ich kann nur sagen: Mit dem SGB II steht ein großes
und vielfältiges Instrumentarium an Eingliederungs- und
Förderungsleistungen zur Verfügung. Dennoch werden
wir diesen Instrumentenkasten auf seine Passgenauigkeit
und Effizienz überprüfen sowie entsprechend den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen weiterentwickeln.
Wir lassen uns durch linke Experimente die Verlässlichkeit unserer sozialen Sicherungssysteme nicht gefährden. Ihr Antrag, Kollegen der Linken, ist nicht unser
Weg. Daher lehnen wir ihn auch ab.
({5})
Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten
Dr. Matthias Bartke, SPD-Fraktion, das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es
stimmt: In Deutschland sind fast 43 Millionen Menschen
erwerbstätig. Das sind so viele wie noch nie. Im Oktober
waren nur 2,7 Millionen Menschen arbeitslos. Das sind
so wenige wie zuletzt vor drei Jahren. Wir stehen damit
im europäischen Vergleich hervorragend da.
({0})
Es stimmt aber auch: Bei uns sind über 1 Million
Menschen langzeitarbeitslos. Das ist mehr als ein Drittel
aller Arbeitslosen. Diese Zahl hat sich außerdem seit
2009 kaum verändert. Von den neu geschaffenen Stellen
und der positiven Entwicklung des Arbeitsmarktes haben andere profitiert. Deutschland steht damit im europäischen Vergleich schon deutlich schlechter da.
Wir sprechen hier von Menschen, die sich vergeblich
auf Jobsuche befinden: ein Jahr, zwei Jahre und länger.
Ihnen fehlen zum Teil Qualifikationen oder Deutschkenntnisse. Oder sie müssen sich um Kinder oder Angehörige kümmern. Sie sind zu alt, zu krank oder zu lange
nicht beschäftigt. Die Gründe, weshalb sie aus eigener
Kraft keine Beschäftigung finden, sind genauso vielfältig wie individuell. Auch mit Hilfestellungen gehört ihre
dauerhafte Vermittlung zu den schwierigsten Aufgaben
der Arbeitsmarktpolitik.
Die Teilhabe am Erwerbsleben ist bei uns eine wichtige Voraussetzung für die Teilhabe an der Gesellschaft.
Man kann das berechtigt kritisieren. Der Wert eines
Menschen wird sicherlich nicht durch seine berufliche
Tätigkeit bestimmt. Am Ende ist es aber doch so, dass
Arbeitslosigkeit soziale Ausgrenzung provoziert. Wenn
wir Teilhabe wollen, muss uns die Integration der Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt ein Herzensanliegen sein.
({1})
Aus diesen Gründen rechne ich es der Bundesarbeitsministerin hoch an, dass sie das Thema Langzeitarbeitslosigkeit wieder prominent auf die Agenda gebracht hat.
({2})
Es ist ihr Verdienst, dass wir hier heute stehen und darüber diskutieren. Ihrem Konzept zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit liegen eine umfassende Analyse und
der Anspruch zugrunde, sich nicht mehr allein auf die
Konjunktur zu verlassen. Nachdem die Bundesarbeitsministerin ihr Konzept vergangene Woche präsentiert
hatte, wurde schnell auch Kritik laut. Die Hannoversche
Allgemeine hat zum Beispiel getitelt: „Nahles wird keine
Wunder wirken“. Aber ganz ehrlich: Es geht hier nicht
um Wunder. Es geht darum, mit konkreten Maßnahmen
konkrete Verbesserungen zu erwirken. Das Maßnahmenpaket der Bundesarbeitsministerin hat großes Potenzial,
neue Chancen für Langzeitarbeitslose zu erwirken. Die
verschiedenen Maßnahmen setzen bei den unterschiedlichen Gründen der Langzeitarbeitslosigkeit an: mehr Beratung, bessere Betreuung und weniger Bürokratie.
({3})
Wenn ich mir die Schlagworte aus dem Linkenantrag
anschaue, sehe ich, dass Sie in vielen Punkten durchaus
nicht so weit von uns entfernt sind. Der Unterschied ist:
Sie wollen von allem viel mehr, wie immer,
({4})
allein 200 000 Stellen auf einem sozialen Arbeitsmarkt.
Mit Kleinigkeiten wie der Finanzierung halten Sie sich
gar nicht erst länger auf. Wenn Sie auf den Passiv-AktivTransfer abstellen, muss ich sagen: Er beinhaltet leider
keine Vollfinanzierung des sozialen Arbeitsmarktes.
({5})
Wenn ich ehrlich bin: Auch ich will mehr. Aber der
Bund kann nicht beliebig viel Geld drucken. Im Bereich
Passiv-Aktiv-Transfer könnte auch ich mir trotzdem vorstellen, noch etwas zuzulegen. Wir haben ja vorhin darüber gesprochen. Da scheint das letzte Wort noch nicht
gesprochen zu sein. Und das finde ich richtig so.
({6})
Ich bin überzeugt, dass das vorliegende Maßnahmenpaket der Arbeitsministerin einen entscheidenden Unterschied machen wird. Es handelt sich eben nicht um
dieselben Programme in einem anderen Gewand. Ja,
Lohnkostenzuschüsse gab es auch schon vorher.
({7})
Sie sind aber auch besonders sinnvoll.
({8})
Hier haben wir die absolut höchste Eingliederungsquote.
Neu ist aber: Den Langzeitarbeitslosen wird durch das
Programm in Ergänzung ein Coach an die Seite gestellt,
und zwar auch, wenn sie bereits erfolgreich in einen Job
vermittelt worden sind.
({9})
Ein stufenweiser Einstieg ist ebenfalls möglich. Die
Chancen auf eine nachhaltige Vermittlung sind damit
deutlich größer.
Sie werfen uns eine Umetikettierung mit Bezug auf
das Programm „Perspektive 50plus“ vor. Ich sage Ihnen:
Darum geht es nicht. Es geht darum, gewonnene Erfahrung und besonders geschulte Vermittler zum Vorteil der
Langzeitarbeitslosen insgesamt einzusetzen. Das ESFProgramm mag auf 33 000 Teilnehmer und das Programm zur sozialen Teilhabe auf 10 000 beschränkt sein.
Die Verbreitung der Aktivierungszentren aber, die individuell auf Langzeitarbeitslose eingehen, ist flächendeckend geplant.
Das vorliegende Konzept ist nur der Anfang. Es zeigt:
Endlich haben wir wieder eine Arbeitsministerin, die die
Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit in Angriff
nimmt.
Ich danke Ihnen.
({10})
Als letzter Rednerin in der Aussprache erteile ich das
Wort der Abgeordneten Jutta Eckenbach, CDU/CSUFraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Zuhörer oben auf den Tribünen, auch Ihnen ein herzliches Willkommen im Deutschen Bundestag! Wir haben heute Vormittag eine sehr intensive und,
wie ich meine, sehr gute Debatte über menschliche
Schicksale, Ethik und Verantwortung geführt. Unsere
Hochachtung gilt besonders den Menschen, die kranke
und sterbende Angehörige pflegen und bis zum Ende begleiten. Mich hat dies sehr beeindruckt. Ich denke, es
war für uns alle eine sehr nachdenkliche Debatte.
Ich will mit diesem Eingangssatz daran erinnern, dass
es auch eine einschneidende Erfahrung im Leben eines
jeden Menschen ist, arbeitslos zu werden. Je länger die
Arbeitslosigkeit dauert, desto stärker können Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein verloren gehen. Eine abwärts gerichtete Spirale kann bewirken, dass das Leben
komplett aus den Fugen gerät. Für mich persönlich war
es daher stets eine Motivation, mich bei der aktiven Politikgestaltung für die Menschen einzusetzen - dies gehört
zu unserer christlich-sozialen Verantwortung -, die es
ohne Hilfe nicht schaffen, ihr Leben zu gestalten.
Deswegen hat mich diese Debatte bis jetzt geärgert.
Wir führen im Moment eine Debatte auf der Grundlage
eines Antrags der Linken, der uns Kosten in Höhe von
9 Milliarden Euro bescheren würde und in dem an dieser
Stelle aber überhaupt nicht darüber nachgedacht wird,
was es für unsere Wirtschaft und für die Menschen in der
Langzeitarbeitslosigkeit heißt, wenn wir die wirtschaftliche Lage in Deutschland gefährden
({0})
und keine ausgewogene Politik, wie wir sie in den vergangenen Jahren gemacht haben, mehr machen.
({1})
Mich hat geärgert, dass wir heute auf der Grundlage
eines Antrags der Linken eine Debatte darüber führen,
wie toll unsere Sozialministerin ist, Frau Mast. Ich darf
an dieser Stelle auf eines hinweisen - ich habe mir das
gerade herausgeschrieben -: Grundlage unserer Arbeit
ist der Koalitionsvertrag. Die entsprechenden Aussagen
im Koalitionsvertrag habe ich mir extra notiert; ich
werde sie gleich vorlesen. Ich finde, als Grundlage für
das, was wir als CDU/CSU-Fraktion zukünftig planen,
ist er ganz wichtig. Der Koalitionsvertrag ist unsere
Grundlage, und die Ministerin ist keinen Deut von ihm
abgewichen; aber sie hat letztendlich auch nicht mehr
getan, als darin festgeschrieben worden ist.
({2})
Was den Koalitionsvertrag betrifft, kam von Frau
Mast gerade die ganz deutliche Aussage, dass die Ministerin darüber hinausgegangen ist. Der Koalitionsvertrag
- ich finde ihn für diese Debatte wichtig - sagt wortwörtlich aus:
Der Arbeitsmarkt ist aufnahmefähig wie selten zuvor.
Ich denke, das können wir alle unterstreichen.
Das eröffnet Chancen bei der Bekämpfung der
Langzeitarbeitslosigkeit.
({3})
Deswegen wollen wir hier einen Schwerpunkt der
Arbeitsmarktpolitik setzen.
Personen, die seit vielen Jahren arbeitslos sind, finden
bisher selten Zugang zum ersten Arbeitsmarkt. Häufige Gründe sind persönliche Vermittlungshemmnisse. Deswegen wollen wir Geringqualifizierte und
Langzeitarbeitslose verstärkt in existenzsichernde Arbeit vermitteln, sie passgenau qualifizieren und begleiten sowie bei Bedarf auch nachgehend betreuen
und dafür die notwendigen Rahmenbedingungen
schaffen.
({4})
Besonderes Augenmerk richten wir auf die Personengruppe langzeitarbeitsloser Menschen, die nur
mit massiver Unterstützung Teilhabe und Integration am Arbeitsmarkt finden können. Dieses Ziel
wollen wir u. a. durch ein ESF-Bundesprogramm
für Langzeitarbeitslose und die Gewinnung von Arbeitgebern für die Gruppe arbeitsmarktferner Personen in den Vordergrund rücken.
Die Steuerung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende soll verstärkt auf das Ziel „Vermeidung
von Langzeitleistungsbezug“ und die Mittelverteilung stärker auf Wirkungsorientierung ausgerichtet
werden. …
Zur Verstetigung von Förderleistungen wollen wir
die wirksame Übertragbarkeit von Haushaltsmitteln
von einem Haushaltsjahr ins nächste in der Grundsicherung verbessern.
Besser als so, wie es im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist, hätte auch ich es heute nicht sagen können.
({5})
Das ist die Grundlage der Arbeit der CDU/CSU. Darauf
werden wir uns stützen. An dieser Stelle werden wir
weiterarbeiten. Es wird ein Papier dazu von der CDU/
CSU geben. Lassen Sie sich überraschen!
Nur, wir werden eines tun: Wir werden auch darauf
achten, dass wir nicht mehr Mittel einsetzen; denn das
können wir nicht, und das dürfen wir nicht. Wir wollen
die Wirtschaft in Deutschland nicht schwächen, sondern
wir wollen sie stärken, damit sie mehr Langzeitarbeitslose aufnehmen kann, als es in der Vergangenheit vielleicht möglich war. Auch dafür werben wir.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({6})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/3146 an den Ausschuss für Arbeit und
Soziales vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? -
Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlos-
sen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 21 a und 21 b auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten
Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung
({0})
Drucksache 18/3121
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz ({1})
Innenausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz ({2}) zu dem Antrag der
Abgeordneten Heidrun Bluhm, Caren Lay,
Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion DIE LINKE
Mieterhöhungsstopp jetzt
Drucksachen 18/505, 18/3203
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Als erstem Redner erteile ich für die Bundesregierung
Herrn Bundesminister Heiko Maas das Wort.
({3})
Sehr geehrter Herr Präsident und sehr geehrte Frau
Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
54 Prozent aller Deutschen wohnen zur Miete - das ist
mehr als in jedem anderen europäischen Land. Immer
mehr Menschen in Deutschland sind heute von steigenden Mieten betroffen. Wir wollen etwas tun. Deshalb legen wir Ihnen heute diesen Gesetzentwurf vor.
In den vergangenen Jahren sind die Mieten vor allen
Dingen in zwei Bereichen gestiegen, und zwar drastisch:
erstens in den attraktiven Lagen vieler Großstädte, zweitens in den Universitätsstädten und in den Städten, die
ganz besonders viele Arbeits- und Ausbildungsplätze anbieten.
Wenn dort nach einem Auszug eine Wohnung wieder
neu vermietet wird, dann wird dies oft für eine kräftige
Erhöhung der Miete genutzt. Die Preise liegen dann zum
Teil deutlich über den ortsüblichen Vergleichsmieten. In
Regensburg etwa beträgt diese Abweichung im Schnitt
mittlerweile 33 Prozent. In Frankfurt am Main und in
Münster sind es 30 Prozent, und in Hamburg und München sind es - schon bei einem außerordentlich hohen
Niveau - 25 Prozent.
In dieser Situation brauchen wir die Mietpreisbremse.
({0})
Wenn der vorliegende Entwurf Gesetz wird, dann kann
bei einer Wiedervermietung die angehobene Miete nur
maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Zudem werden wir im Maklerrecht einen
allgemeinen Rechtsgrundsatz durchsetzen, nämlich dass
die Maklerkosten bei dem anfallen, in dessen Interesse
der Makler tätig wird. Beides zusammengenommen ist
sinnvoll, angemessen und notwendig. Wir brauchen dieses Gesetz gerade zum jetzigen Zeitpunkt.
({1})
Ich will einige besondere Aspekte, auch solche, die in
den vergangenen Wochen und Monaten schon intensiv
diskutiert worden sind, noch einmal herausstellen. Die
Geltungsdauer für die Ermächtigungsgrundlage für die
Mietpreisbremse beträgt fünf Jahre. Einige sagen: nur
fünf Jahre. - Aber auch das hat seinen Grund. Wir wissen, dass die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt
zyklisch verläuft. Das hängt von Angebot und Nachfrage
ab, entsprechend entwickeln sich die Preise.
Wenn man zusammenzählt, dass für fünf Jahre die
Länder ermächtigt werden, entsprechende Verordnungen
zu erlassen, und dass diese dann noch einmal fünf Jahre
dauern können, dann sieht man, dass die Wirkungen der
Mietpreisbremse bis zu zehn Jahre dauern. Mit diesem
Zeitraum geben wir durchaus angemessene Antworten
auf das, was im Moment auf dem Wohnungsmarkt stattfindet.
Ich sage auch dazu: Das ist ein neues Instrument. Wir
sind davon überzeugt, dass dieses Instrument wirken
wird. Aber es ist vollkommen berechtigt, nach fünf Jahren zu evaluieren, ob und wie dieses Instrument gewirkt
hat, um es möglicherweise entsprechend weiterzuentwickeln.
Die Mietpreisbremse gilt nur für Wohnungsmärkte, in
denen die Lage angespannt ist.
({2})
Es gibt Menschen, die der Auffassung sind, die Mietpreisbremse solle überall gelten.
({3})
Der Grund, warum wir uns auf diesen Geltungsbereich
beschränkt haben, ist ganz einfach: Die Mietpreisbremse
wird nicht überall gebraucht. Es gibt viele Regionen, von
Mecklenburg-Vorpommern bis ins Saarland, in denen
wir andere Probleme haben: Da fehlen aufgrund der demografischen Entwicklung eher die Mieter. Dort gibt es
auch keine Preissprünge. Vielmehr ist es für Vermieterinnen und Vermieter außerordentlich schwierig, für ihre
Wohnung überhaupt einen Mieter zu finden. Deshalb
wollen wir, dass die Mietpreisbremse dort gilt, wo sie
wirklich notwendig ist. Alles andere würde nur zu unnötiger Bürokratie führen. Das wollen wir nicht.
({4})
Wir haben in diesem Gesetzentwurf auch die Voraussetzungen definiert, nach denen die Länder eine Verordnung zur Einführung der Mietpreisbremse umsetzen
können. Auch das wird unterschiedlich diskutiert. Letzte
Woche ist der Gesetzentwurf bereits in den Bundesrat
eingebracht worden. Dort ist zum Beispiel von dem
Land Brandenburg moniert worden, dass man den Ländern überhaupt Spielräume belässt. Aus Bayern kam dagegen der Einwand, dass die festgelegten Kriterien die
Länder vielleicht doch etwas zu sehr einengen. Möglicherweise ist das, was der Gesetzentwurf vorsieht, nämlich die Mitte, auch die goldene Mitte. Es ist nichts anderes als das Angebot einer sachgerechten Lösung.
({5})
Denn wir sind davon überzeugt, dass aufgrund der Sachund Ortsnähe am besten vor Ort darüber entschieden
werden kann, wo diese Kriterien erfüllt sind.
Die Kriterien als solche halte ich für unbestreitbar:
Ein Wohnungsmarkt gilt dort als angespannt, wo die
Mieten hoch sind, wo sie besonders stark steigen, wo die
Wohnbevölkerung bei stagnierendem Wohnraum wächst
und wo geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht.
({6})
Deshalb ist es richtig, es den Ländern zu überlassen, wo
sie von diesem Instrument Gebrauch machen.
Ein weiterer Punkt in unserem Gesetzentwurf, einer,
der vielleicht am heftigsten diskutiert worden ist, ist das
Vorhaben, Neubauten von der Mietpreisbremse auszunehmen.
({7})
Auch das ist, wie ich finde, eine richtige Entscheidung.
Wir wollen niemanden, der in den Wohnungsbau investieren will, mit der Mietpreisbremse zum Nachdenken
veranlassen, was die Amortisation angeht, was möglicherweise zur Folge hat, dass diese Investition nicht
durchgeführt wird.
Die Einwände dagegen, die Neubauten von der Mietpreisbremse auszunehmen, gehen aber auch aus einem
anderen Grund völlig ins Leere. Wir haben in Deutschland 20 Millionen Bestandsmietwohnungen. Jedes Jahr
kommen etwa 200 000 neue Wohnungen, also NeubauBundesminister Heiko Maas
ten, dazu. Die Hälfte dieser 200 000 neuen Wohnungen
sind Mietwohnungen. Das heißt, weniger als 1 Prozent
der Wohnungen kommt überhaupt für die Mietpreisbremse in Betracht.
Bedenkt man zudem, dass statistisch gesehen eine
Wohnung alle zehn Jahre wieder- und weitervermietet
wird, dann wird sehr schnell deutlich, dass es nur marginale Ergebnisse bringen würde, Neubauten miteinzubeziehen, weil es praktisch überhaupt keine Fälle gibt, die
wir mit dieser Regelung erfassen würden. Deshalb ist es,
finde ich, richtig, in dem Fall der Investitionsbereitschaft
den Vorrang zu geben. Es gibt praktisch keine Mieter bei
Neubauten, die wir mit der Mietpreisbremse schützen
müssten.
({8})
- Für die Durchschnittsmiete gilt: Die Mietpreisbremse
soll in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt gelten, und wenn dort neue Wohnungen gebaut werden,
dann werden in der Regel Quadratmeterpreise von weit
über 10 Euro pro Quadratmeter verlangt.
({9})
Das bewegt sich in Regionen, wo es um Menschen geht,
die nicht unbedingt von der Mietpreisbremse geschützt
werden müssen.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Punkt, der
schon diskutiert worden ist: Bei der Mietpreisbremse
stellen wir nicht auf einen Mietspiegel, sondern auf die
ortsübliche Vergleichsmiete ab. Die ortsübliche Vergleichsmiete ist im Mietrecht bereits heute ein anerkannter Maßstab. Mietspiegel reflektieren lediglich die ortsübliche Vergleichsmiete.
Bis heute haben aber lediglich 7 Prozent aller deutschen Gemeinden einen Mietspiegel. Selbst unter den
Städten mit hohen Mietpreisen haben nur 20 Prozent einen Mietspiegel. Über die Einzelheiten, wie ein einfacher oder ein qualifizierter Mietspiegel genau aussehen
soll - das sind Fragen, mit denen wir uns anschließend
intensiv und zügig beschäftigen müssen -, gibt es bislang keinen Konsens zwischen den Beteiligten.
Wir können aber nicht abwarten, bis sich alle Beteiligten auf die Gestaltung eines - am besten eines qualifizierten - Mietspiegels geeinigt haben. Wir müssen sofort
etwas gegen die steigenden Mieten tun. Deshalb stellen
wir auf das anerkannte Kriterium der ortsüblichen Vergleichsmiete ab. Alles andere würde dazu führen, dass
die Einführung, Umsetzung und Anwendung der Mietpreisbremse genau dort, wo sie gebraucht wird, gefährdet würde.
Meine Damen und Herren, alles in allem: ein sinnvolles und notwendiges Gesetz, zu dem ich um Ihre Zustimmung bitte.
({10})
Ich will noch eine Anmerkung machen. Es kann sein,
dass ich die Debatte etwas früher verlassen muss, aber
nur deshalb, weil in wenigen Minuten der Haushalt des
Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses aufgerufen wird. Da muss ich selber hin. Das
hat nichts damit zu tun, dass mir der Respekt vor dem
Hohen Hause fehlt. Ich bitte darum um Verständnis.
Ich danke Ihnen.
({11})
Als nächste Rednerin spricht die Kollegin Caren Lay.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Minister, Sie haben Ihren Gesetzentwurf
heute eingebracht mit dem Begriff der Mietpreisbremse.
Das ist ein schillernder Begriff, der Hoffnungen bei den
Zuhörerinnen und Zuhörern weckt, die Ihr Gesetzentwurf aber leider nicht erfüllen kann.
({0})
Wir als Linke haben lange eine Mietpreisbremse gefordert. Wir fordern sie noch immer. Aber gut gemeint ist
noch lange nicht gut gemacht. Bevor zu viele Mieterinnen und Mieter denken, dass sie von dem Gesetzentwurf
der Großen Koalition profitieren werden, möchte ich auf
die Bedingungen und Ausnahmen eingehen, die aus meiner Sicht der Pferdefuß des vorliegenden Gesetzentwurfs
sind.
Sie haben es selber gesagt: Die Umsetzung liegt bei
den Ländern. Aber es ist nicht nur so, dass die Länder
fünf Jahre Zeit haben, das umzusetzen. Vielmehr haben
die Länder die Wahl, ob sie es überhaupt umsetzen wollen. Das heißt, wenn man Pech hat und in einem Bundesland lebt, dessen Landesregierung nicht gewillt ist, die
Mietpreisbremse umzusetzen, dann hat man gar nichts
davon.
({1})
Es muss weiterhin definiert werden, wann ein sogenannter angespannter Wohnungsmarkt vorliegt. Über die
Kriterien wurde bereits im Bundesrat diskutiert. Darüber
wird in der Anhörung sicherlich weiter diskutiert werden. Sie binden also das Inkrafttreten der Mietpreisbremse an einen angespannten Wohnungsmarkt.
({2})
Sie regulieren überhaupt nicht die bestehenden Mietverhältnisse. Da gilt die Gesetzeslage aus der letzten Legislaturperiode wie bisher. Man hat nur dann das Glück,
von der Mietpreisbremse zu profitieren, wenn man umzieht. Wie gesagt, das soll auch nur für fünf Jahre gelten.
({3})
Das ist angesichts der rasanten Mietenexplosion in den
letzten Jahren völlig lächerlich.
({4})
Ich will auf die Ausnahmen eingehen, beispielsweise
auf die Staffelmieten, die im Gesetzentwurf ausgenommen sind, oder auf die Ausnahmen beim Neubau; das
haben Sie selber gesagt. Im Endeffekt ist die Gruppe, die
von Ihrem Gesetz profitieren wird, ziemlich klein. Deswegen sagen wir als Linke: Diese Mietpreisbremse verdient ihren Namen nicht.
({5})
Sie haben im Vorblatt Ihres Gesetzentwurfs selber
ausgerechnet, dass die Mieterinnen und Mieter in Höhe
von 280 Millionen Euro im Jahr - ich vermute, dass das
hochgerechnet wurde - von Ihren Wohltaten profitieren.
Das ist besser als nichts; das sagen wir als Linke ganz
klar. Aber wir sagen auch: Das steht in gar keinem Verhältnis zu den Milliardenrenditen und -gewinnen, die die
Immobilienlobby und die Immobilienspekulanten in den
letzten Jahren eingefahren haben.
Ich möchte auf die sehr umstrittene Änderung eingehen, die Sie in der Sommerpause auf Druck der Immobilienlobby und der Union vorgenommen haben, nämlich
die Neubauten komplett aus dem Gesetzentwurf herauszunehmen. Das Problem ist nicht, dass es Wohnungen
für Mieter mit mehr Geld gibt, die dann auch eine höhere
Miete zahlen können. Das ist nicht das zentrale Problem.
Das eigentliche Problem ist, dass durch die Dynamik des
Mietspiegels auch die Miete der Oma nebenan perspektivisch ansteigen wird. Deswegen sagen wir als Linke:
Das ist ein völlig unnötiges Einknicken vor der Immobilienlobby gewesen. Wir lehnen das ab.
({6})
Hier wird gerne ein Gespenst an die Wand gemalt und
behauptet: Dann wird nicht mehr gebaut, und man müsse
bauen, bauen, bauen. - Das haben wir bislang von der
Union gehört. Das werden wir sicherlich heute noch ein
paar Mal hören. Ich halte das für ein Gespenst. Es ist
festzustellen, dass bereits mehr gebaut wird. Der Vizepräsident eines Immobilienverbandes sagt nach wie vor,
dass das Geschäft boomt. Jedem Kapitalanleger wird geraten: Wenn du die schnelle Mark machen willst, dann
investiere in Rohstoffe in Madagaskar oder in Mietwohnungen in Berlin. - Hier so zu tun, als würde nicht gebaut, ist völlig falsch. Wenn man einen Schritt auf die
Straße macht, dann sieht man, dass hier überall gebaut
wird. Aber in der Regel werden Lofthouses und Townhouses gebaut. Solche Neubauten meinen wir als Linke
nicht.
({7})
Wenn Sie für Neubau sind und Ihre Forderung ernst
meinen, dann müssen Sie aus meiner Sicht mehr in den
sozialen Wohnungsbau investieren. Hier waschen Sie
Ihre Hände angeblich in Unschuld und schieben die Verantwortung auf die Länder.
({8})
Wir brauchen einen Neustart im sozialen Wohnungsbau. Das ist noch immer die beste Mietpreisbremse.
({9})
Frau Lay, darf die Kollegin Winkelmeier-Becker eine
Zwischenfrage stellen?
Ja, selbstverständlich.
Bitte, Frau Winkelmeier-Becker.
Frau Kollegin, ich habe eine Frage, weil Sie den Zusammenhang zwischen der Mietpreisbremse und den
Lofthouses und Townhouses, die jetzt gebaut werden,
herstellen. Das sei nicht die Bautätigkeit, die Sie sich
vorstellen. Inwiefern würden Sie einen Zusammenhang
zwischen einer Mietpreisbremse und einem verstärkten
Bau einfacher Wohnungen herstellen? Würde das denn
dazu führen, dass mehr Wohnungen von der Art gebaut
werden, wie Sie sie sich wünschen?
Da haben Sie mich falsch verstanden. Ich habe gesagt: Wenn wir mehr Mietwohnungen im hochpreisigen
Segment bauen - es geht um den Neubau von Mietwohnungen -, dann führt die Dynamik des Mietspiegels
dazu, dass die Mieten insgesamt steigen werden. Denn
der Mietspiegel steigt ja.
({0})
Wenn Sie dem einen Riegel vorschieben wollen, dann
müssen Sie die Dynamik und die Berechnungsweise des
Mietspiegels berücksichtigen. Nur das wäre wirkungsvoll.
Ich habe zweitens gesagt, dass wir in der Tat einen
Neustart im sozialen Wohnungsbau brauchen. Dazu hätten Sie die Möglichkeit. Hier nur zu sagen: „Wir haben
das an die Länder gegeben“, ist aus meiner Sicht nicht
zielführend. Wir müssen endlich mehr Haushaltsmittel
in die Hand nehmen. Dazu haben Sie bei den Haushaltsverhandlungen in der übernächsten Woche die Chance.
Meine Damen und Herren, ich möchte zu einem
nächsten großen Pferdefuß kommen: Das ist aus meiner
Sicht der Deckel in Höhe von 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete, den Sie vorschlagen. Das hört
sich erst einmal ganz vernünftig an. Aber schauen wir
uns an, was das in der Praxis bedeutet.
Eine vierköpfige Familie hat einen alten Mietvertrag
und zahlt für die Wohnung in einer einfachen Wohnlage
in Berlin - weiß ich nicht genau - vielleicht noch
480 Euro. Irgendwann wird der Gesetzentwurf der Bundesregierung umgesetzt. Ortsübliche Vergleichsmiete
plus 10 Prozent kann dann bedeuten, dass der Nachmieter locker 680 Euro oder 700 Euro zahlen würde. Das
verdient doch wirklich nicht den Namen einer wirkungsvollen Bremse.
({1})
Deswegen sagen wir auch ganz klar: Der Maßstab
kann nicht die ortsübliche Vergleichsmiete sein, erst
recht nicht, wenn man die Berechnungsweise des Mietspiegels nicht ändert, was Sie mit Ihrem Gesetzentwurf
nicht tun. Wir sagen: Wir wollen an der Vorgängermiete
anknüpfen. Ich verstehe ehrlich gesagt gar nicht, warum
der Nachmieter mehr bezahlen soll als der Vormieter,
wenn an der Wohnung überhaupt kein Pinselstrich getan
wurde. Das ist einfach nur ungerecht.
({2})
Auch die Bestandsmieten müssen wir aus meiner
Sicht neu regeln. Das, was in der Vergangenheit dazu geändert wurde, ist aus meiner Sicht nicht zielführend. Wir
als Linke haben vorgeschlagen, man soll sich am Inflationsausgleich orientieren. Es hieß, dass wir mit unserem
Vorschlag zu einer Mieterhöhung beitragen würden. Ich
habe es extra nachgerechnet. Nach der gegenwärtigen
Gesetzeslage können Sie die Miete in drei Jahren um
15 Prozent erhöhen, nach unserem Vorschlag wären es
gerade einmal 4,5 Prozent in den letzten drei Jahren gewesen. Das spricht wirklich für den Linkenantrag.
({3})
Ich möchte zuletzt darauf eingehen, was in dem Gesetzentwurf alles nicht geregelt ist. Ein ganz großes Problem ist, dass gerade die Modernisierung in ihrer jetzigen Form dazu beiträgt, dass Mieterinnen und Mieter
aus ihren angestammten Kiezen vertrieben werden. Sie
alle haben die Fälle gelesen, die in den letzten Wochen
und Monaten durch die Presse gegangen sind. Da war
der 69-jährige Rentner aus Düsseldorf, der nach 50 Jahren seine Wohnung verlassen sollte. Das hat das Gericht
so entschieden. Hoch und runter diskutiert wurde das
Beispiel aus Berlin-Prenzlauer Berg in der Kopenhagener Straße, wo nach einer energetischen Sanierung plötzlich das Dreifache der vorherigen Miete verlangt wurde.
Deswegen sagen wir als Linke ganz klar: Wenn man es
mit einer Mietpreisbremse wirklich ernst meint, dann
müssen wir an die Modernisierungsumlage heran. Wir
wollen sie von derzeit 11 Prozent auf 5 Prozent reduzieren.
({4})
Bei aller Kritik gibt es zwei Dinge, die ich befürworte. Das eine ist, dass im aktuellen Entwurf der Wucherparagraf wieder aufgenommen worden ist. Das finden wir gut. Es hat viel Kritik von der Linken und auch
von den Mieterverbänden daran gegeben, dass er gestrichen wurde. Er ist jetzt wieder hereingekommen. Wir
müssen allerdings auch sagen: In der jetzigen Form ist er
leider ziemlich wirkungslos. Wir müssen ihn also verändern, nämlich dahin gehend, dass die Beweislast nicht
weiterhin beim Mieter liegt. Sonst kann man damit nicht
ganz so viel anfangen.
Ein letzter Punkt. Das Bestellerprinzip bei Maklerverträgen war längst überfällig. Ich finde, dass auf dem
Wohnungsmarkt das Gleiche wie in jeder Kneipe gelten
sollte: Wer bestellt, bezahlt. Ich freue mich, dass auf diesem Wege endlich eine langjährige Forderung der Linken umgesetzt wird.
Vielen Dank.
({5})
Als nächster Redner hat der Kollege Jan-Marco
Luczak das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Das Zustandekommen des Kabinettsentwurfs
zur Einführung einer Mietpreisbremse, über den wir jetzt
reden, war ein wirklich langer und auch steiniger Weg,
den wir zurückgelegt haben. Das merken wir auch an
den Schlagzeilen, die wir heute überall lesen können.
Nach einer Studie im Auftrag der Grünen haben viele
Vermieter diese Zeit genutzt, um die Mieten gerade in
großen Städten, in Ballungsgebieten noch einmal zu erhöhen. Ich persönlich finde das schade. Der Justizminister ist leider nicht mehr da; sonst hätte ich es ihm noch
einmal gesagt. Wenn Sie die Fraktionen rechtzeitig eingebunden hätten, wenn wir uns rechtzeitig abgestimmt
hätten, dann wären wir wesentlich schneller gewesen
und dann wären uns diese Schlagzeilen vielleicht erspart
geblieben.
({0})
Aber man muss sagen: Wir haben die Zeit natürlich genutzt,
({1})
und zwar gut, weil wir in den Referentenentwurf viele
Verbesserungen noch haben einfügen können,
({2})
die sich im Kabinettsentwurf, über den wir jetzt sprechen, wiederfinden.
Ich will am Anfang sehr klar und deutlich betonen:
Die Union steht zur Mietpreisbremse. Wir wollen nicht,
dass Menschen und insbesondere junge Familien aus ihren angestammten Kiezen verdrängt werden. Deswegen
sagen wir: Die Mietpreisbremse ist ein Instrument, das
in der Tat kurzfristig Abhilfe schaffen kann. Für uns als
Union war aber auch immer klar, dass wir, wenn wir
nachhaltig etwas gegen steigende Mieten machen wollen, wenn wir den Menschen nachhaltig helfen wollen,
etwas für den Wohnungsneubau tun müssen, gegen die
Ursachen des Mietpreisanstiegs angehen müssen und
nicht nur an dessen Symptomen herumdoktern dürfen.
({3})
Das zentrale Anliegen der Union war immer, zu sagen: Die Mietpreisbremse darf keine Investitionsbremse
werden. Das haben wir mit dem Kabinettsentwurf erreicht. Die Neubauten sind von der Mietpreisbremse
ausgenommen. Alle Wohnungen, die ab dem 1. Oktober
2014 - das ist das Datum des Kabinettsentwurfs - erstmals genutzt und vermietet werden, fallen nicht unter die
Mietpreisbremse. Das ist gut, weil es somit Planungsund Investitionssicherheit für all diejenigen gibt, die
Geld in die Hand nehmen wollen, die in den Wohnungsneubau investieren wollen. Damit haben wir gegenüber
dem Referentenentwurf einen großen Fortschritt erreicht.
({4})
Im Zusammenhang mit Planungs- und Investitionssicherheit ist ein zweiter Punkt ganz wichtig: Dieser
Gesetzentwurf sieht eine klare zeitliche Befristung vor;
bis zum 31. Dezember 2020 können die Länder von der
Ermächtigungsgrundlage Gebrauch machen. Ich will das
betonen: einmalig Gebrauch machen. Nach dem Referentenentwurf wäre es noch möglich gewesen, davon
mehrmals Gebrauch zu machen. Man hätte dann eine
Mietpreisbremse nach der anderen schalten können.
Solche Kettenmietpreisbremsen sind nach dem Kabinettsentwurf nicht mehr möglich. Damit haben wir eine
klare Perspektive, wann mit der Mietpreisbremse
Schluss ist. Auch das ist ein Beitrag dazu, dass es Planungs- und Investitionssicherheit gibt.
({5})
Wir haben in dieser Zeit weitere Dinge erreicht - das
ist schon angesprochen worden -, zum Beispiel was die
örtliche Abgrenzung der Mietpreisbremse anbelangt. Im
jetzigen Gesetzestext sind klare, objektive und nachprüfbare Kriterien enthalten, wann ein angespannter Wohnungsmarkt vorliegt; und das ist gut so, dass wir das haben. Das war auch notwendig, weil die Länder mit
solchen Ermächtigungsgrundlagen - das hat die Vergangenheit gezeigt - sehr freihändig umgegangen sind. Man
muss sich das immer wieder vor Augen halten: Die
Mietpreisbremse ist ein gravierender Eingriff in die
Rechte der Eigentümer. Ein solcher Eingriff muss verfassungsrechtlich sauber begründet werden. Deswegen
war es notwendig, dass wir diese Kriterien im Gesetzestext formuliert haben.
Ich muss an dieser Stelle aber auch sagen: Wenn man
sich die Bezugspunkte dieser Kriterien genau anschaut,
erkennt man, dass wir sie noch einmal prüfen sollten.
Wenn von Leerstand, von Mietbelastung, von Mietanstieg gesprochen wird, dann wird immer auf den
Bundesdurchschnitt Bezug genommen. Wir reden hier
aber gerade von angespannten Wohnungsmärkten, von
großen Städten, von Ballungszentren. Insofern, glaube
ich, müssen wir schon schauen, ob es eigentlich ein
sachgerechter Maßstab ist, auf den Bundesdurchschnitt
abzustellen, oder ob es nicht viel besser wäre, auch regionale, lokale Gesichtspunkte heranzuziehen und den
Gesetzestext daran zu orientieren. Das scheint mir hier
der sachgerechtere Maßstab zu sein.
({6})
Wir haben den Ländern hier eine qualifizierte Begründungspflicht auferlegt. Sie müssen im Einzelfall
nachweisen, wieso in einem bestimmten Gebiet ein angespannter Wohnungsmarkt herrscht. Das ist erst einmal
gut. Wir haben aber einen zweiten Punkt in die qualifizierte Begründungspflicht mit hineingenommen: Die
Ländern müssen zukünftig genau darlegen, welche Maßnahmen sie ergreifen wollen, um gegen die Wohnungsknappheit etwas zu tun, um Abhilfe zu schaffen. Da sind
die Länder und die Kommunen ganz klar in der Pflicht.
Zu der Vorstellung des einen oder anderen, wonach es
ausreicht, wenn die Länder sagen: „Uns schwebt vor,
hier eigentlich überhaupt nichts zu tun“, muss ich sagen:
Das reicht in keiner Weise aus. Wir erwarten von den
Ländern, dass sie ihrer Verantwortung gerecht werden
und dass sie konkrete Maßnahmen ergreifen, dass sie
mehr für den Wohnungsneubau tun, um damit den Mietern in den betroffenen Gebieten zu helfen.
({7})
Die Stellungnahme des Bundesrates ärgert mich
schon ein bisschen.
({8})
Sie besagt nämlich im Prinzip: Alles das, was wir in den
letzten Wochen und Monaten erreicht haben, soll wieder
auf null zurückgesetzt werden. Da müssen sich die
Länder auch an die eigene Nase fassen. Die Grunderwerbsteuer wird ständig erhöht. 2015 wollen Nordrhein-Westfalen und das Saarland die Grunderwerbsteuer auf 6,5 Prozent anheben; in Schleswig-Holstein
liegt sie schon bei 6,5 Prozent. Die Kommunen erhöhen
die Grundsteuer. Das Volumen aus Grunderwerbsteuer
und Grundsteuer ist in den letzten vier Jahren um
25 Prozent gestiegen. Meine Damen und Herren, wer
bezahlt das denn? Natürlich sind das letztendlich die
Mieterinnen und Mieter in unserem Land. Das ist also
eine vom Staat verursachte Mehrbelastung der Mieter.
Die Welt hat vor ein paar Tagen getitelt „Wie der Staat
die Mieter schröpft“ - und das nicht ganz zu Unrecht.
Das gehört zur Wahrheit dazu, wenn wir über steigende
Mieten sprechen. Auch die Länder sind hier in der
Pflicht. Man darf nicht immer nur auf den Bund schauen. Das ist der eine Punkt.
Der zweite Punkt, der mich dabei ärgert: Wir reden
hier immer von Mieten. Wenn man die Grunderwerbsteuer so stark erhöht, erschwert das natürlich auch die
Eigentumsbildung. Es sollte doch eigentlich unser politisches Ziel sein, gerade jungen Familien zu ermöglichen,
zu einem kleinen Eigenheim zu kommen. Wer nämlich
im Eigentum wohnt, braucht hinterher keine Miete mehr
zu zahlen.
({9})
Ich möchte noch zwei Punkte aufgreifen, die mir für
das weitere parlamentarische Verfahren wichtig sind.
Das ist zum einen die Bestimmung der ortsüblichen
Vergleichsmiete. Da ist die Frage - darauf wurde schon
hingewiesen -: Wie bekommen wir es hin, dass sie sich
klar und rechtssicher bestimmen lässt?
({10})
Das ist etwas, was nicht nur für die Vermieter entscheidend ist. Es ist natürlich für beide Parteien, für den Mieter wie für den Vermieter, wichtig, klar und zuverlässig
sagen zu können, was die zulässige Miete ist.
Der einzige Maßstab, der da sachgerecht ist, ist der
Mietspiegel. Da befinden wir uns übrigens auch in Übereinstimmung mit dem Deutschen Mieterbund. Der sagt
ganz genauso: Wir brauchen hier irgendeine Form der
Verknüpfung, sodass wir auf den Mietspiegel rekurrieren
können. Nur über die Verknüpfung der ortsüblichen
Vergleichsmiete mit dem Mietspiegel erreichen wir das
notwendige Maß an Rechtssicherheit. - Ich bin zwar Anwalt, will aber trotzdem nicht, dass wir die Menschen zu
den Gerichten treiben. Eine solche Belastung für das
Mietverhältnis ganz zu seinem Beginn will ich nicht.
Deswegen brauchen wir Rechtssicherheit an dieser
Stelle.
({11})
Ich möchte am Ende der Rede einen letzten Punkt ansprechen, und dabei geht es um die Makler. Ich habe gerade auf den Bundesrat geschimpft. An der Stelle hat er
aber recht gehabt. Er hat nämlich gesagt: Wir müssen
beim Bestellerprinzip nachbessern. - Im Koalitionsvertrag haben wir sehr klar formuliert: Wer bestellt,
bezahlt. - Daran gibt es auch nichts zu rütteln. Wir haben aber immer Wert darauf gelegt, dass es sich um ein
echtes, um ein marktwirtschaftliches Bestellerprinzip
handeln muss, das ermöglicht, dass beide Parteien,
Vermieter wie Mieter, als Besteller, als Auftraggeber
auftreten.
Herr Kollege Luczak, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich komme sehr gern zum Schluss. - Das ist im Gesetzentwurf nicht gewährleistet. Ich glaube, da müssen
wir rangehen. Die Makler haben es ein bisschen schwer.
Sie sind von ihrem Berufsbild her unbeliebt; da haben
sie etwas mit Politikern gemeinsam. Aber, ich glaube,
wir dürfen sie da nicht im Regen stehen lassen.
Ich glaube, dass uns ein ordentlicher Gesetzentwurf
vorliegt. Aber auch hier gilt das Struck’sche Gesetz:
Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es hereingekommen ist. - Auch wenn der eine oder andere meint,
hier werde kein Komma mehr geändert, bin ich mir
sicher, dass es noch einige Veränderungen geben wird.
Am Schluss werden wir dann ein sehr gutes Gesetz
haben, das beiden Parteien, Vermietern und Mietern,
eine gute Grundlage für ihre Zusammenarbeit gibt.
Vielen Dank.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie
noch einmal bitten, sich an die Redezeiten zu halten. Der
Kollege hat fast eine Minute überzogen. Wir haben jetzt
schon eine Überziehung von 45 Minuten. Sie wissen, wir
haben eine lange Tagesordnung. Deswegen meine ganz
herzliche Bitte, sich wirklich an die vorgegebene Zeit zu
halten.
Als nächster Redner spricht Christian Kühn.
Danke, Frau Präsidentin! - Sehr geehrte Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Mietpreisbremse ist im Kern ein Rettungsschirm für bezahlbares Wohnen, ein Rettungsschirm, der schnell aufgespannt werden muss, und ein Fiebermedikament gegen
die Überhitzung angespannter Wohnungsmärkte in
Deutschland. Doch die Mietpreisbremse, die Sie heute
hier von der Großen Koalition vorlegen, ist ziemlich
löchrig und wird das Fieber in den Ballungsräumen nur
unzureichend senken.
({0})
Diesen Sommer, als die meisten Menschen im Urlaub
waren, haben die Sektkorken bei der Immobilienlobby
geknallt, und zwar in dem Augenblick, als Herr Maas in
Sachen Mietpreisbremse beim Neubau eingeknickt ist.
Er ist da eingeknickt, und es war sicherlich auch kein
Zufall, dass das mitten im Sommer passiert ist. So
konnte es schön geräuschlos laufen, und niemand
merkte, dass die SPD hier den Interessen der Immobilienlobby ganz klar nachgegeben hat und eingeknickt
ist.
({1})
Ich kann deshalb nicht verstehen, dass Sie sich heute
hier hinstellen und sagen: Alles ist prima. - Sie legen
heute eine ziemlich durchlöcherte, verzögerte Mietpreisbremse vor und machen dabei dicke Backen. Ich sage
Christian Kühn ({2})
Ihnen: Wir hätten eine robuste, schnell eingeführte
Mietpreisbremse in Deutschland dringend gebraucht.
({3})
Die Mietpreisentwicklung kennt nicht erst seit gestern
nur eine Richtung, nämlich die nach oben. Wir von der
Bundestagsfraktion der Grünen haben hier bereits 2011
eine Mietpreisbremse beantragt, also vor drei Jahren.
Kern dieser grünen Mietpreisbremse war, dass die
Miethöhe bei Neuverträgen in Gebieten mit Wohnraummangel bei 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete begrenzt wird, und zwar ohne Ausnahmen. Das
war auch richtig so. Die jetzt vorliegende Mietpreisbremse ist voller Ausnahmen.
({4})
Dass das keine ganz dumme Idee von uns Grünen
war, sieht man daran, dass die Linke, die SPD und am
Ende auch die Union mit Angela Merkel auf den Zug
aufgesprungen sind. Alle haben schließlich im Wahlkampf verkündet, es solle eine Mietpreisbremse geben.
Sie von der Großen Koalition stehen heute in der Pflicht,
eine Mietpreisbremse zu bringen. Ich sage Ihnen eines:
Die jetzt vorgelegte durchlöcherte Mietpreisbremse ist
Wählertäuschung oder zumindest Wählerenttäuschung.
Sie legen heute eine Minimietpreisbremse vor, deren
Wirkung begrenzt ist, die viele Ausnahmen beinhaltet
und gravierende Probleme.
Das erste Problem ist aus meiner Sicht das, was Herr
Luczak qualifizierte Begründungspflicht genannt hat.
Die von den Ländern geforderten Maßnahmenpakete bedeuten nichts anderes als eine weitere Verzögerung der
dringend notwendigen Umsetzung der Mietpreisbremse
vor Ort. Das ist falsch. Wir brauchen diesen Rettungsschirm jetzt und in vielen Gebieten nicht erst in zwei
Jahren.
({5})
Zweitens. Die generelle Herausnahme des Neubaus
ist auch falsch. Sie heizen die Mietpreise damit weiter an
und drehen an der Preisspirale. Das ist falsch. Sie sind
hier vor der Immobilienlobby eingeknickt; Sie haben
sich da kirre machen lassen. Das müssen Sie im weiteren
Gesetzgebungsverfahren rückgängig machen.
({6})
Das dritte gravierende Problem ist die Ausnahme der
umfassenden Modernisierung. Wenn hier „30 Prozent
vergleichbarer Neubaukosten“ das Kriterium ist, dann
reizt man damit ja die Vermieter in den angespannten
Wohnungsmärkten an, möglichst hochpreisig zu modernisieren, um dann nicht unter die Mietpreisbremse zu
fallen.
({7})
Das ist doch Irrsinn! Wenn ich ein Instrument will, das
preisdämpfend wirkt, dann muss ich es so machen, dass
es funktioniert. Das, was Sie hier vorhaben, ist Irrsinn.
({8})
Ich glaube, Ihnen von der Union und gerade Ihnen als
Berliner Abgeordneter ist es egal, dass Menschen in
Berlin heraussaniert werden.
({9})
Des Weiteren sage ich Ihnen: Nehmen Sie die Kritik
der Bundesländer ernst! Diese müssen letztlich die Mietpreisbremse umsetzen. Wenn das nicht gelingt und sie
weiterhin verzögert wird, ist das Ihre Schuld. Schauen
Sie sich deswegen noch einmal ganz genau an, welche
Kritik die Bundesländer in der Strichdrucksache geübt
haben. Wir dürfen die Mietpreisbremse nicht weiter
verzögern. Sie haben bereits viel zu lange aufgrund Ihrer
internen Querelen gebraucht, um eine Mietpreisbremse
hier im Deutschen Bundestag vorzulegen.
Nach unserer Studie zahlt ein Berliner, der im letzten
Jahr umgezogen ist, 1 200 Euro mehr, als er hätte zahlen
müssen, wenn die Mietpreisbremse schon vor einem
Jahr gekommen wäre. Das zeigt, dass die Große Koalition auch die Mieterinnen und Mieter sehr teuer zu stehen kommt. Deswegen sage ich: Spannen Sie diesen
Rettungsschirm schnell auf, und zwar ohne Löcher und
ohne Ausnahmen!
Danke.
({10})
Als nächster Redner spricht der Kollege Dirk Wiese.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Stellen Sie sich vor, es ist Streik und keiner
geht hin - so erging es nämlich dem Maklerverband.
Nicht einmal die eigenen Makler konnten in den letzten
Wochen mobilisiert werden. Allein 65 Prozent der
Angeschriebenen enthielten sich. Vielleicht sollte der
Maklerverband, der zu dem Streik aufgerufen hatte, einmal Nachhilfe bei der GDL nehmen.
({0})
Doch was war der Grund für den geplanten Streik? Es
war die Ablehnung eines Grundprinzips der sozialen
Marktwirtschaft, das da lautet: Wer die Leistung bestellt,
der zahlt diese auch. Das ist ein natürliches Grundprinzip der Wirtschaft, das wir in unserem heute vorgelegten
Gesetzentwurf durch die Einführung des Bestellerprinzips im Maklerrecht verankert haben, einem Gesetzentwurf, der ursprünglich - das wollen wir anmerken - auf
einen Vorschlag der SPD-regierten Bundesländer im
Bundesrat zurückgeht und von uns, insbesondere meiDirk Wiese
nem Kollegen Sören Bartol, in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt werden konnte.
({1})
Darum heißt es ab heute auch für Wohnungsmakler:
Herzlich willkommen in der sozialen Marktwirtschaft!
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jede Maklerin und
jeder Makler kann auch zukünftig gutes Geld verdienen.
Aber sie bekommen ihr Geld nicht mehr automatisch
von den Mieterinnen und Mietern, sondern von demjenigen, der sie beauftragt. Und wenn Makler jetzt mit der
Marktwirtschaft konfrontiert werden, dann wird auch
ihre Leistung transparenter; denn jeder Auftraggeber
kann konkret sehen, was der Makler für sie macht, und
das ist gut so. Das Bestellerprinzip - das möchte ich anmerken - greift weder in die Vertragsfreiheit ein noch
belastet es eine ganze Branche unsachgemäß, weil das
Grundprinzip „Wer bestellt, bezahlt“ allgemein anerkannt ist. Außerdem kann man heute nicht von einer
wirklichen Vertragsfreiheit sprechen; denn der Mietsuchende hat oft aufgrund der Verknappung auf dem Wohnungsmarkt kaum Ausweichmöglichkeiten. Weiterhin ist
es wahrscheinlich, dass Mieter bei der Wohnungssuche
aufgrund der angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt zunehmend selbst einen Makler einschalten
werden, was zu neuen Verdienstmöglichkeiten für diese
Branche führen kann.
Mit zwei weiteren Gerüchten bzw. Fehlinformationen, die durchaus gezielt verbreitet werden, möchte ich
hier und heute auch noch aufräumen. Herr Kollege
Luczak, hören Sie einmal gut zu; denn dann können wir
das Struck’sche Gesetz außer Acht lassen. Passen Sie
also jetzt auf, dann sind Ihre Bedenken ausgeräumt.
Erstens. Entgegen den geäußerten Befürchtungen können selbstverständlich auch Wohnungssuchende einen
Makler beauftragen, müssen ihn dann allerdings selbst
bezahlen. Für den die Wohnungsvermittlung betreffenden Maklervertrag ist künftig die Textform vorgesehen.
Die in diesem Zusammenhang neue gesetzliche Form
soll sowohl dem Wohnungssuchenden als auch dem Vermieter noch einmal vor Augen führen, dass er einen
rechtsverbindlichen Vertrag schließt und deshalb bei erfolgreicher Vermittlung oder erfolgreichem Nachweis
eine Vergütung fällig werden kann.
Zweitens. Sehr wohl kann der Makler einem Wohnungssuchenden auch eine Wohnung aus seinem Bestand vermitteln. Entgegen den Aussagen vieler Makler
ist die Wohnung nach einem Vermittlungsversuch natürlich nicht verbrannt. Allerdings kann der Makler die
Kosten dann nicht mehr dem Mieter in Rechnung stellen. Die Kosten des Maklers hat in einem solchen Fall
der Vermieter zu tragen, und das ist richtig.
({3})
Denn derzeit - um das anzumerken - haben die Mietsuchenden meist keine andere Wahl, als die Maklerkosten
zu übernehmen, wenn sie eine Wohnung finden wollen.
Der Schutz des Schwächeren in diesem Verhältnis ist uns
als SPD ein wichtiges Anliegen. Deshalb führen wir ein
Prinzip ein, welches im Wirtschaftsleben völlig selbstverständlich ist. Damit machen wir Schluss mit einer
Politik auf dem Rücken der Mieterinnen und Mieter. Das
machen wir zügig, trotz der Äußerungen von Herr
Luczak.
Um es abschließend auf den Punkt zu bringen: Es
handelt sich um einen guten Gesetzentwurf, um gute und
richtige Änderungen im Bereich der Wohnungsvermittlung. Wir sorgen mit diesem Gesetzentwurf als Große
Koalition für mehr Transparenz und verteilen die Kosten
gerecht. Das kann sich sehen lassen.
Frau Lay, eines noch zu Ihrer Anmerkung, die Sie
vorhin in Sachen Staffelmietverträge gemacht haben.
Mein Professor hat im ersten Semester einmal gesagt:
Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. Vielleicht können Sie diesen Rechtsirrtum zukünftig
nicht mehr vortragen. Was Sie gesagt haben, war einfach
falsch.
({4})
Ich mache an dieser Stelle einen Punkt.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({5})
Als nächste Rednerin hat die Kollegin Elisabeth
Winkelmeier-Becker das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Erste Lesung des Gesetzentwurfs
zur Mietpreisbremse - angesichts der Diskussion, die
wir darum schon geführt haben, meint man fast, man
wäre im Gesetzgebungsverfahren schon weiter fortgeschritten.
Lieber Kollege Dirk Wiese, Sie haben gesagt, dass
wir hier mit einem guten Gesetzentwurf starten. Das hat
auch eine Vorgeschichte. Der erste Entwurf aus dem
Hause des Ministers ging in vielen Punkten noch in eine
andere Richtung, und wir haben in der Diskussion eben
schon Verbesserungen erzielt. Daran wollen wir in der
ersten Lesung und im weiteren parlamentarischen Verfahren anknüpfen.
({0})
Was uns allen gemeinsam ist, ist sicherlich die Einschätzung, dass die Wohnung eine ganz besondere Bedeutung für jeden Menschen hat. Sie ist der Ort des privaten Lebens, der eigene Lebensmittelpunkt. Sie ist der
Ausgangspunkt für soziale Kontakte. Sie hat eine große
Bedeutung. Deshalb ist nachvollziehbar, dass jemand,
der über viele Jahre in einer Wohnung, in einem Kiez, in
einem Wohnviertel gelebt hat, auch dort bleiben und sich
nicht aus finanziellen Gründen vertreiben lassen will.
Die Wohnung ist auch deshalb existenziell, weil sie
bei den Haushaltsausgaben ganz schön ins Kontor
schlägt; die Wohnkosten machen häufig über ein Drittel
aus. Das heißt ganz einfach: Wenn sich da noch Erhöhungen ergeben, dann ist das nur schwer auszugleichen.
Deshalb ist das für uns ein ganz wichtiges Thema. Wir
wollen Tendenzen entgegenwirken, dass Menschen, die
ein geringeres Einkommen haben, nicht in ihren angestammten Wohngebieten bleiben können. Deshalb ist es
uns nicht egal, dass der Befund so aussieht, dass in den
Ballungszentren ganz erhebliche Mietsteigerungen zu
verzeichnen sind, dass neu vereinbarte Mieten manchmal 20 Prozent, 30 Prozent über dem liegen, was vorher
zu zahlen war. Das kann man so nicht hinnehmen.
Es ist verständlich, dass die Bürger von der Politik erwarten, dass wir da mit den Mitteln der Politik dagegenhalten. Deshalb haben wir ja auch - Sie haben es zu
Recht gesagt - im Programm der Union den Menschen
eine Mietpreisbremse zugesagt, und zwar genau in der
Art und Weise, wie wir das jetzt andenken: regional begrenzt, zeitlich begrenzt, mit der Möglichkeit für die
Landesregierung, zu verfügen, dass neue Mietverträge
nur noch 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen dürfen.
Aber wir müssen zusehen, dass der Schuss nicht nach
hinten losgeht; denn nicht immer ist gut gemeint auch
gut gemacht. Am Ende wird sich die Situation auf den
angespannten Mietmärkten nur dann entspannen, wenn
es dort mehr neue Wohnungen gibt. Das müssen wir im
Auge behalten. Wir müssen die Zusammenhänge betrachten, weil sich eben nicht alles so regeln lässt, wie
wir das gerne hätten. Wir sehen doch die Ausweichreaktionen der Vermieter - Sie haben es selber gerade dargelegt -, die sich schon jetzt auf die zu erwartenden Regelungen einstellen und die Mieten ausreizen, so gut sie
können. Das wollen wir nicht.
Für uns folgt daraus, dass wir die Zusammenhänge realitätsnah betrachten müssen. Wir wollen die Mietpreisbremse nur dort, wo sie wirklich gebraucht wird, nämlich dort, wo der Wohnungsmarkt wirklich angespannt
ist. Wir wollen die Festlegung, wo das der Fall ist, nicht
in das Belieben der Landesregierungen stellen, die das
gerne politisch festlegen würden, sondern brauchen da
objektive Kriterien. Die nennt der Gesetzentwurf der
Bundesregierung völlig zutreffend: Dort, wo überdurchschnittliche Mietsteigerungen, eine überdurchschnittliche Belastung der Haushalte durch Mietkosten zu verzeichnen sind, dort, wo die Bevölkerung stärker wächst
als im Durchschnitt, oder dort, wo es besonders wenig
Leerstand gibt, da haben wir einen angespannten Wohnungsmarkt und da kann dann die Mietpreisbremse wirken.
Der zweite Punkt, der wichtig ist: Wenn die Mietpreisbremse für fünf Jahre angeordnet wird, dann muss
diese Zeit auch genutzt werden. Wenn eine Landesregierung sagt: „Wir haben hier einen angespannten Mietmarkt“, dann ist sie aufgefordert, zu überlegen, was mit
den Mitteln der Politik möglich ist, und dies auch zu tun.
Da gibt es einen ganzen Strauß von Möglichkeiten.
Nicht umsonst gibt der Bund jedes Jahr eine halbe Milliarde Euro für den sozialen Wohnungsbau dazu. Das
muss dann ganz zielgenau für die Regionen mit einem
angespannten Wohnungsmarkt genutzt werden. Es gibt
weitere Möglichkeiten: Zusammen mit den Kommunen
kann mehr Bauland ausgewiesen werden; die Bebauungspläne können so zugeschnitten werden, dass baurechtliche Hürden vereinfacht werden.
({1})
Gut ist, dass Neubauten von der Mietpreisbremse ausgenommen sind. Das heißt nämlich, dass Investitionen
weiter möglich sind. Das entlastet den Wohnungsmarkt
da, wo er besonders angespannt ist; genau da brauchen
wir ja Neubauten. Deshalb ist es konsequent, die Neubauten auszunehmen.
Wir brauchen aber auch - das ist wichtig - eine gewisse Praktikabilität der Regelungen. Ich glaube, da ist
ein Fehler im System, dass wir zu sehr den Blick auf die
großen, professionellen Vermieter richten. Die Union hat
vor allem die privaten und kleinen Vermieter im Blick;
ihre Wohnungen machen nämlich 60 Prozent der vermieteten Wohnungen aus. Das sind zum Beispiel selbstständige Handwerker, die zwei Wohnungen als Altersversorgung haben, oder Fälle, in denen jemand aufgrund
eines beruflichen Ortswechsels sein Eigenheim vermietet und am neuen Arbeitsort Mieter wird; auch das ist gar
nicht so selten. Das sind eben nicht die Profis, die schon
zig Mietverträge geschlossen haben und genau wissen,
was die ortsübliche Vergleichsmiete ist. An diese Personenkreise müssen wir ebenfalls denken; deshalb brauchen wir bei den Regelungen eine gewisse Praktikabilität.
Aus unserer Sicht wäre der qualifizierte Mietspiegel
vor Ort hilfreich. Der gibt einen objektiven Anhaltspunkt dafür, was die ortsübliche Vergleichsmiete ist.
Wenn wir das nicht auf diese oder eine andere Weise
hinbekommen, schicken wir die Parteien sehenden Auges zu den Gerichten. Da fallen erst einmal hohe Kosten
für die Gerichte und die Sachverständigen an, die dann
- je nach Ausgang - vom Mieter oder Vermieter zu tragen sind. Das sind dann Beträge, von denen man lange
Zeit die strittige Miete hätte bezahlen können; man hätte
sich das also besser gespart. Das würden wir gern verhindern, indem wir auch qualifizierte Mietspiegel zur
Voraussetzung machen.
Noch kurz zum Bestellerprinzip: Wir halten es für
richtig, dass das Drei-Personen-Verhältnis zwischen Vermieter, Mieter und Makler noch einmal unter die Lupe
genommen und im Sinne des Bestellerprinzips neu geregelt wird. Derzeit haben wir da die typischen Fehler eines Vertragsverhältnisses zulasten Dritter. Da einigen
sich Vermieter und Makler auf die gesetzlich höchstzulässige Maklergebühr, und bezahlen muss es ein anderer.
Das kann so nicht gehen. Allerdings sehen wir die Ausgestaltung des Bestellerprinzips, wie es im Gesetzentwurf steht, als zu eng geführt. Es fallen einige Fälle darunter, bei denen das keinen Sinn macht. Da müssen wir
sicherlich noch einmal heran. Dazu werden wir sicherlich auch von den Sachverständigen einige Tipps bekommen.
Schön wäre es gewesen, wenn wir noch den Sachund Fachkundenachweis für die Makler mit hereingenommen hätten.
Frau Winkelmeier-Becker, Sie müssen zum Schluss
kommen.
(Renate Künast ({0})
Auch das hätte zur Qualität beigetragen. - Damit soll
es für mich genug sein.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({0})
Jetzt spricht Renate Künast.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gut,
dass wir hier über eine sogenannte Mietpreisbremse
sprechen. Noch schöner wäre gewesen, die sogenannte
Mietpreisbremse hätte auch eine Bremse.
({0})
Jedes Auto, das solche Bremsen hätte, würde beim TÜV
durchfallen.
({1})
Schön, Herr Minister, dass Sie wieder da sind. Ich
hoffe, Sie waren im Haushaltsausschuss erfolgreich. Daumen hoch! Das ist ja schon einmal gut. Jetzt ist natürlich Ihr Nachteil, dass ich Sie umso netter kritisieren
kann. Dumm gelaufen; aber so ist Parlamentarismus, wie
wir wissen.
Ich sage: Wahrheit bei dieser Mietpreisbremse ist,
dass seit der Ankündigung dieses Gesetzes ein Jahr lang
jeder Tag ein guter Tag für die Vermieter war, aber kein
einziger guter Tag für die Mieterinnen und Mieter in diesem Land.
({2})
Medial war das grandios gemacht - Frau Merkel hat sich
zwischendurch auch dazu eingelassen -: Herr Maas
kommt - gefühlt für mich - jedes dritte Wochenende mit
diesem Thema. Für die Mieter war es so, dass die Vermieter in der Sorge, es könnte tatsächlich ein tatkräftiges
Instrument kommen, alle Möglichkeiten genutzt und die
Mieten heraufgesetzt haben. Wir haben ein Gutachten
dazu und stellen fest: Seit der Koalitionsvereinbarung ist
mehr erhöht, mehr ausgeschöpft worden als vorher.
Aber das Allerschärfste heute ist - ich habe bewundernd dagesessen; herzlichen Glückwunsch, Herr Kollege Luczak -, dass man als Berliner Abgeordneter, in
dessen Stadt es wirklich Wohnungsnot gibt, wo Zentrifugalkräfte die Leute raustreiben - auch in Ihrem Wahlkreis -, eine solche Rede halten kann. Chapeau! Dazu
gehören Chuzpe und Mut.
({3})
Sie waren hier der parlamentarische Arm der Immobilienwirtschaft, der internationalen Investoren, derer, die
Geld haben. Kein einziges Wort der Wärme für Mieterinnen und Mieter!
({4})
Wo geht es denn da um Ausgleich? Es geht um Eigentumsrechte und die Sozialbindung des Eigentums. Wenn
viele Leute in bestimmte Städte ziehen - sei es Berlin,
sei es Hamburg, wo Studentinnen und Studenten keine
Wohnung mehr bekommen -, dann kann man doch nicht
sagen: „Wir machen das so!“, sondern Sie müssen das
Recht des einen, des Vermieters wahren, aber seine Verpflichtung, die Sozialbindung, auch realisieren.
({5})
Kein Wort dazu ging über Ihre Lippen, obwohl Sie Jurist
sind.
({6})
Ich finde, Sie waren heute hier am Podium eine traurige
Gestalt.
({7})
Wir wissen, wo die CDU/CSU definitiv nicht steht: auf
der Seite der Mieterinnen und Mieter.
Nun zum Gesetzentwurf. Was mich, was uns an der
Geschichte stört, ist, dass es an der Stelle gar nicht um
die Bekämpfung der Ursachen geht.
({8})
Die Ursachen liegen nämlich darin, dass in attraktiven
Städten schlichtweg zu wenig Wohnungen zur Verfügung stehen.
({9})
Wenn Herr Luczak hier sagt, wenn Sie hier sagen, es
müsse mehr Wohnungsbau geben, dann frage ich Sie: An
welcher Stelle sorgen Sie denn mit Ihren Maßnahmen
dafür, dass nicht nur die reichen, wohlhabenden internationalen Investoren Geld anlegen,
({10})
sondern es auch Wohnungen gibt, die für Otto Normalverbraucher in den Städten bezahlbar sind? Das ist nicht
Ihr Interesse.
({11})
Deshalb sind Sie zum Beispiel mit der Senatsvorlage bei
der Abstimmung über das Tempelhofer Feld in Berlin
gescheitert. Es gab kein einziges entsprechendes Kriterium.
Frau Kollegin Künast, lassen Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Luczak zu?
Gern. Von wem? - Bitte.
({0})
Frau Kollegin Künast, jetzt haben Sie mich doch zu
einer Zwischenfrage provoziert. Sie kennen doch die Situation in Berlin. Sie haben eben gesagt, wir würden
keine Anreize dafür setzen, dass Wohnungen gebaut
werden. Ich wundere mich dann schon. Wenn ich mich
recht erinnere, dann haben wir hier in Berlin eine sehr
intensive Diskussion darüber geführt, ob wir auf dem
Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof etwa
5 000 Wohnungen bauen wollen, und zwar Wohnungen,
die ganz ausdrücklich für alle bezahlbar gewesen wären.
({0})
Wenn ich mich recht erinnere, dann hat Ihre Partei, die
Grünen hier in Berlin, ganz massiv dagegen agitiert, und
das Volksbegehren, das es in Berlin dazu gegeben hat, ist
nicht erfolgreich gewesen. Das akzeptiere ich als Demokrat, überhaupt keine Frage, aber ich wundere mich
schon, dass Sie hier Dinge behaupten und an anderer
Stelle in die völlig entgegengesetzte Richtung argumentieren. Das hat mit konsequentem politischem Handeln
und mit Glaubwürdigkeit nichts zu tun, Frau Kollegin.
({1})
Ich danke für diese Nachfrage. Eigentlich habe ich erwartet, dass Sie noch darauf hinweisen, dass es die SPD
in Berlin war, die während der langen Zeit ihrer Verantwortung keine Wohnungen gebaut hat, keine Grundstücke an Wohnungsbaugesellschaften weitergegeben hat
und sogar noch 70 000 Wohnungen auf dem freien
Markt verkauft hat. Die Chance, das anzusprechen, haben Sie verpasst, aber ich jetzt nicht.
({0})
Zu meiner Antwort. Sie sagen, wir waren nicht für
preiswerte Wohnungen. Herr Luczak, in der Vorlage des
Senats stand nichts von einer Preisbindung.
({1})
In der Vorlage des Senats stand nicht drin, dass die
Grundstücke auch an Genossenschaften oder an alle
kommunalen Wohnungsbaugesellschaften gehen. Davon
stand null drin. Wir als Grüne hatten Ihnen angeboten,
mit dem Senat gemeinsam eine Vorlage zu erstellen, in
die wir genau das hineingeschrieben hätten: Preise, die
nach oben gedeckelt sind. Bei Ihnen wäre nichts unter
10 Euro gelaufen.
({2})
Im Gesetz stand keinerlei Kriterium drin. Ehrlich gesagt:
Wer eine Gesetzesvorlage macht und behauptet, dass da
etwas drinsteht, was dann aber im Gesetz nicht drinsteht,
dem traue ich nicht.
({3})
Ich möchte meine restliche Redezeit nutzen, um zwei
Fragen zu stellen. Erstens. Wo ist eigentlich die Wohnungsbauförderung geblieben? Sie sagen: Der Bund gibt
Geld, er hat aber keinen Finger drauf, dass die Länder
das Geld wirklich für den Bau bezahlbarer Wohnungen
ausgeben. Ich finde, da muss der Bund anders verhandeln.
Zweitens. Durch den Verkauf von Bundesimmobilien
ist der Bund zu einem Preistreiber geworden. Herr
Luczak, in den Zeitungen ist überall zu lesen, man würde
Gespräche über die BImA-Verkäufe führen oder versuchen, bestimmte Verkäufe nicht durchzuführen. Meine
Damen und Herren, ich will endlich, dass die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in den attraktiven Städten
nicht mehr Preistreiber ist, sondern Wohnungen für Otto
Normalverbraucher anbietet.
({4})
Mein letzter Satz. Wenn man ins Kleingedruckte dieses Gesetzentwurfs blickt, zum Beispiel dem geplanten
§ 556 g Absatz 2 BGB, stellt man fest, dass der Mieter
bei einer Falschberechnung der Miete die zu viel geRenate Künast
zahlte Miete nur zurückverlangen kann, wenn er den
Verstoß schon früh gerügt hat. Das ist schon wieder so
eine Regelung zugunsten der Eigentümer und nicht zugunsten der Mieter.
({5})
Denen wird Bürokratie vor die Füße geknallt. Das hat
auch der Bundesrat letzte Woche kritisiert.
Jetzt, liebe Frau Kollegin, muss ich Sie wirklich unterbrechen.
({0})
Es gab in unserem Land Zeiten, in den 20er-Jahren,
da wurden Arbeitersiedlungen gebaut, da war der Staat
Bauherr der Schwächeren. Ich würde mir wünschen,
dass wir uns an diese Zeit erinnern und nicht nur an die
reichen Investoren.
({0})
Als nächster Redner spricht Michael Groß.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kühn, wir wären
gerne schon vor einem Jahr an der Regierung gewesen.
Ich kann mich erinnern: Da waren wir noch nicht in der
Regierung, da haben wir gerade die Koalitionsverhandlungen durchgeführt. Wir haben uns für die Mietpreisbremse mit ihrer sozialen Funktion eingesetzt, und jetzt
ist sie da. Ich bin Bundesminister Heiko Maas dankbar,
dass er die Vorgaben in dieser Zeit umgesetzt hat. Sie haben im Januar noch bezweifelt, dass das in dieser Zeit
geht. Das ist eine gute Vorlage. Auf dieser Grundlage
können wir weiter diskutieren.
({0})
Gerade hat man sich hier aufgeregt und behauptet, wir
hätten nur die Vermieter im Blick. Ich kann Ihnen sagen:
Eigentum verpflichtet. Das ist für die SPD ein hohes
Gut, und das werden wir in den nächsten Monaten zeigen.
Es ist schon über die Situation der Mieterinnen und
Mieter viel gesagt worden. In manchen Regionen
Deutschlands, insbesondere in den Ballungsgebieten,
zum Beispiel in den Universitätsstädten, steigen die
Mieten schneller als die Einkommen. Die Warmmiete
beträgt zum Teil 50 Prozent des Einkommens. Das ist für
uns nicht akzeptabel. Die Mietpreisbremse ist ein gutes
Instrument, dem entgegenzuwirken und den Menschen
zu zeigen, dass sie in den Quartieren, in denen sie wohnen wollen, auch ein Zuhause finden.
({1})
Für viele Familien ist es nicht mehr machbar, sich auf
dem Mietmarkt zu bewegen, sich eine neue Wohnung zu
suchen. Die Mietpreisbremse ist nur ein Instrument. Sie
tun heute so, als wenn wir den Wohnungsmarkt allein
über die Mietpreisbremse regulieren. Wir haben das
Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen, auf das ich
hinweisen möchte. Alle Akteure sind eingeladen und haben sich bereit erklärt, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, wie wir die Mieten bezahlbar halten können.
Die Mietpreisbremse wird, wie gesagt, das Problem
nicht alleine lösen. Wir brauchen ohne Zweifel auch
Neubau. In den Wachstumsregionen brauchen wir Neubau, aber eben nicht nur teuren Neubau, sondern wir
brauchen auch sozialen Wohnungsbau. Neben den Hunderttausenden Wohnungen, die neu gebaut werden müssen, brauchen wir circa 60 000 bis 70 000 Sozialwohnungen im Jahr. Wir müssen natürlich auch andere Wege
gehen: Neben den neuen Wohnungen brauchen wir auch
neue Belegungsbindungen.
Ein weiteres wichtiges Thema wird die Baukostensenkungskommission sein. Wir erhoffen uns natürlich,
dass wir über die technischen Standards bzw. generell
über Standards zu einer Senkung der Miete kommen.
Ich muss auch die Warmmiete ansprechen; denn die
Nebenkosten laufen davon. Wenn wir an den Klimaschutz denken - Stichwort „Energieeffizienz“ -, wird
uns klar, dass wir eine Riesenaufgabe vor uns haben.
({2})
Wir müssen beides zusammenbringen: Energieeffizienz
und Klimaschutz sowie bezahlbare Mieten.
({3})
Das werden wir tun, und zwar über verlässliche Förderinstrumente. Wir werden die Mittel für die CO2-Gebäudesanierung aufstocken,
({4})
und wir werden andere Instrumente wie die steuerliche
Förderung nutzen. Allerdings - das sage ich insbesondere denjenigen, die jetzt rufen - werden wir nicht unbedingt dafür sorgen müssen, dass die Leuchtturmprojekte
noch leuchtender leuchten, sondern wir müssen in der
Breite fördern. Wir müssen dafür sorgen, dass Hunderttausende von Vermietern ihre Häuser und Wohnungen
- technologieoffen - sanieren, damit alle in den Quartieren davon profitieren.
({5})
Noch ein Satz an diejenigen, die sich ständig über die
Erhöhung der Grunderwerbsteuer und der Grundsteuer
beschweren. Das können wir hier beklagen. Das können
wir auch noch drei Jahre beklagen. Wir können täglich
über NRW und andere Regionen und Länder sprechen,
die dazu gezwungen sind, die Grunderwerbsteuer und
die Grundsteuer zu erhöhen. Die Kolleginnen und Kollegen in den Landtagen und Räten erhöhen die Grunderwerbsteuer und die Grundsteuer doch nicht aus Liebe,
sondern weil sie sich in finanziellen Zwängen befinden.
Jetzt ist der Bund aufgefordert, die versprochenen 5 Milliarden Euro den Kommunen tatsächlich zur Verfügung
zu stellen.
({6})
Ein letzter Satz zur BImA, zur Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Wir halten es für unbedingt erforderlich, dass die BImA auf dem Wohnungsmarkt als Vorbild
auftritt und nicht als Preistreiber.
({7})
Wir haben keine Lust, als Bundesheuschrecke in die Annalen einzugehen.
({8})
Die soziale Stadt ist für uns ein großes Ziel. Wir wollen
für Menschen und mit Menschen Politik machen.
Danke schön. Glück auf!
({9})
Als nächste Rednerin hat die Kollegin Dr. Anja
Weisgerber das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und
Kollegen! In einigen Teilen Deutschlands steigen die Mieten stark an mit der Folge - wir haben es gehört -, dass
die Menschen aus ihren angestammten Wohnvierteln
verdrängt werden, weil sie sich die Miete nicht mehr
leisten können. Das dürfen wir nicht zulassen. Mit der
zeitlich befristeten, gezielt eingesetzten Mietpreisbremse
werden wir genau hier gegensteuern und die Mieten in
Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten dämpfen.
Es kommt aber auch auf die richtige Ausgestaltung an.
Richtig eingesetzt, kann die Mietpreisbremse ein flankierendes Mittel sein, um die Mietentwicklung in den
Ballungsgebieten zu bremsen.
Der Vorschlag der Linken-Fraktion, nach dem Mieterhöhungen nur noch in Höhe des Inflationsausgleichs zulässig sein sollen,
({0})
ist aber bestimmt nicht das richtige Instrument. Diese
Regelung wäre nicht nur eine Mietpreisbremse, sondern
eine Investitionsbremse, und genau das können wir nicht
wollen, meine Damen und Herren.
({1})
Uns hingegen ist es wichtig, Wohnungssuchende vor
überhöhten und überzogenen Mietforderungen gezielt zu
schützen. Aber gleichzeitig müssen wir Investitionen in
Gebieten mit Wohnraumknappheit fördern und Anreize
dafür geben. Deshalb haben wir gefordert, dass Neubauten und umfassend modernisierte Wohnungen von der
Mietpreisbremse komplett ausgenommen werden. Wir
sind froh darüber, dass dies im Gesetzentwurf auch so
vorgesehen ist. Denn, werte Frau Künast, der Bau neuer
Wohnungen ist und bleibt der beste Mieterschutz, um der
Anspannung auf den Wohnungsmärkten auch wirklich
zu begegnen.
({2})
Die Ausnahme von umfassend modernisierten Wohnungen ist außerdem nicht nur im Hinblick auf Investitionen in den Wohnungsbau bedeutsam, sondern auch
aus klimapolitischen Gesichtspunkten, werter Herr
Kühn. Als Klimapolitikerin ist es mir - ich denke, uns
allen - wichtig, dass Anreize für Investitionen in eine
energetische Modernisierung nicht abgewürgt werden.
40 Prozent der Energie werden im Gebäudesektor verbraucht. Er kann deshalb einen enormen Beitrag leisten,
die Energieeffizienz zu steigern und die Energieeinsparziele zu erreichen. Diese Einsparpotenziale müssen wir
nutzen, und wir müssen Anreize für die energetische Sanierung setzen. Wir dürfen sie nicht eher behindern. Ein
Anreiz wäre zum Beispiel auch die steuerliche Absetzbarkeit der energetischen Gebäudesanierung. Auch dies
fordern wir energisch, meine Damen und Herren.
({3})
Mit der vorliegenden Mietpreisbremse schützen wir
die Mieter und schaffen Rechtssicherheit für Investoren;
denn die neue Regelung wird nur dort zum Einsatz kommen, wo wirklich Wohnungsnot herrscht. Die Länder
müssen nachweisen, dass es in einem bestimmten Gebiet
einen angespannten Wohnungsmarkt gibt. Gleichzeitig
müssen sie auch die entsprechenden Maßnahmen einleiten, um den bestehenden oder drohenden Wohnungsmangel abzubauen. Auch das ist wichtig.
Damit die Mieterinnen und Mieter in den betroffenen
Gebieten schnellstmöglich von der Mietpreisbremse profitieren können, ist es aber auch wichtig, dass die Länder
sie zielgenau dort anwenden können, wo sie wirklich
notwendig ist, und dass die Länder und die betroffenen
Kommunen die Regelungen zügig umsetzen können.
Auch darauf müssen wir jetzt natürlich schauen, wenn es
um die Ausgestaltung der Kriterien geht.
Die Mietpreisbremse allein jedoch kann das Problem
steigender Mieten nicht lösen, denn sie behandelt nur die
Symptome. Wir müssen aber auch die Ursache bekämpfen. Die Ursache ist, dass wir zu wenig Wohnraum haben. Hier stehen Bund, Länder und Kommunen gemeinsam in der Verantwortung. Die Zuständigkeit für die
soziale Wohnraumförderung liegt bei den Ländern. Dafür stellt ihnen der Bund jährlich 518,2 Millionen Euro
zur Verfügung. Werte Frau Künast, auch wenn die Länder diese Mittel aus der sozialen Wohnraumförderung
vom Bund bekommen
({4})
- es wäre schön, wenn Sie mir einmal zuhören würden,
Frau Künast -, erwarten wir von Ihnen im Gegenzug,
dass sie auch zweckgebunden für neue Wohnungen eingesetzt werden.
({5})
In Berlin ist das nicht geschehen. Es kann nicht sein,
dass der Bund den Ländern Millionen an Mitteln für den
sozialen Wohnungsbau überweist, die Länder damit die
Haushaltslöcher stopfen, aber keine einzige neue Wohnung bauen. Das muss sich in Zukunft ändern.
({6})
Wir beraten heute auch über die Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung. Das haben wir
im Koalitionsvertrag vereinbart und setzen es nun um.
Künftig soll das Prinzip „Wer bestellt, der zahlt“ gelten.
Wir von der Union sind der Meinung, dass wir dabei
aber marktwirtschaftliche Prinzipien nicht völlig ausblenden können. Das heißt, Vermieter und Mieter sollen
auch weiterhin als Auftraggeber in die Verantwortung
kommen. Dem entspricht meiner Meinung nach der Gesetzentwurf jedoch nicht. Demnach müssen Mieter nur
noch dann die Courtage an den Makler zahlen, wenn dieser ausschließlich aufgrund des Vermittlungsvertrages
mit dem Wohnungssuchenden tätig wird und auch einen
Auftrag vom Vermieter einholt, die Wohnung anzubieten. Also selbst wenn ein Wohnungssuchender einen
konkreten Suchauftrag an einen Makler richtet, aber der
Makler ihm Wohnungen aus seinem Bestand anbietet,
müsste künftig der Vermieter die Courtage zahlen. Das
ist unserer Meinung nach kein echtes marktwirtschaftliches Bestellerprinzip. Deshalb müssen wir hier im parlamentarischen Verfahren noch nachbessern und so die Interessen aller Beteiligten, der Mieter, der Eigentümer
und der Makler, in Einklang bringen.
Vielen Dank.
({7})
Als letzte Rednerin in der Debatte hat die Kollegin
Sylvia Jörrißen das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Minister Maas, schön, dass Sie wieder da sind. Ich
möchte Ihnen jetzt nämlich für diesen Gesetzentwurf
danken, über den ich mich sehr gefreut habe, weil er
deutlich besser ist als der erste Entwurf.
({0})
Mit diesem Gesetzentwurf werden Wohnungssuchende
zukünftig vor überzogenen Mieten geschützt. Dem Vorgehen, dass Eigentümer ihre Eigentumsrechte quasi
missbrauchen und die angespannte Marktlage ausnutzen,
um Mietpreisforderungen zu stellen, die weit über das
ortsübliche Normalmaß hinausgehen, wird jetzt ein Riegel vorgeschoben. Mit diesem Gesetzentwurf ist ein
schwieriger Spagat gelungen, einerseits kurzfristig die
Symptome auf den angespannten Märkten zu lindern
und andererseits langfristig die Investitionsbereitschaft
bei Neubau nicht zu verhindern.
In einem Punkt sind wir uns hier, denke ich, alle einig: Die Mietpreisbremse lindert nur die Symptome.
Man könnte sie als Schmerztablette bezeichnen. Was
nützt eine einzige Wohnung, auch wenn sie mietpreisgedeckelt ist, wenn fünf Menschen in ihr wohnen möchten? Am Ende kann nur einer den Zuschlag bekommen,
und das ist in den allermeisten Fällen der Zahlungskräftigste.
Die Ursache für den Wohnungsmangel wird nur durch
den Bau neuer Wohnungen behoben.
({1})
Deshalb ist es wichtig und richtig, dass die Neubaumaßnahmen komplett aus diesem Gesetzesvorhaben ausgenommen sind. Gleichzeitig ist es wichtig, dass dort, wo
die Mietpreisbremse gelten soll, die Länder und Kommunen verpflichtet werden, einen Maßnahmenkatalog
aufzustellen, wie dem Wohnungsengpass begegnet werden soll.
Ich möchte eine andere Überlegung ins Spiel bringen.
Durch eine steuerliche Förderung in Form einer Sonderabschreibung ausschließlich im Geltungsbereich der
Mietpreisbremse könnte Wohnungsneubau gezielt dort,
wo er benötigt wird, gefördert werden.
({2})
Lassen Sie mich auf einen anderen Punkt zu sprechen
kommen. Mit der Mietpreisbremse greifen wir massiv in
das marktwirtschaftliche Prinzip und in die Eigentumsrechte ein. Dessen bin ich mir bewusst. Dennoch halte
ich es an einigen Stellen für richtig und erforderlich. Die
Entscheidung, wo die Mietpreisbremse gelten soll, überlassen wir den Ländern, weil diese näher an den Märkten
dran sind. Aber wir übertragen den Ländern damit auch
eine große Verantwortung, und wir müssen an dieser
Stelle einen willkürlichen Einsatz verhindern. Deshalb
ist es richtig, dass im Gesetz Kriterien festgelegt werden,
und zwar die richtigen und konkrete Kriterien, die diesen
Eingriff in die Eigentumsrechte und in den Markt rechtfertigen.
Ich habe den Gesetzentwurf jetzt in vielen Punkten
gelobt. Ich frage mich aber auch: Wie funktioniert das
Ganze in der Praxis?
({3})
Woher weiß der Mieter, wie hoch die ortsübliche Miete
ist? Woher weiß der Mieter, wann sich ein Vermieter gesetzeswidrig verhält? Um hier ein Stück weit mehr
Rechtssicherheit zu schaffen, sollten wir das Bestehen
der Mietpreisbremse an einen qualifizierten Mietspiegel
knüpfen.
({4})
Ansonsten wären teure Gutachten die Folge, und das Gesetz würde sich zu einem Konjunkturprogramm für
Rechtsanwälte entwickeln.
Ich möchte am Ende noch kurz zu einem anderen Aspekt kommen, nämlich zur Stärkung des Bestellerprinzips
in der Wohnungsvermittlung. Grundsätzlich begrüße ich
das marktwirtschaftliche Prinzip „Wer die Musik bestellt, bezahlt sie“; denn es ist richtig. Es soll auf jeden
Fall auch bei der Wohnungsvermittlung gelten. Aber
auch hier müssen wir uns die Frage stellen: Wie würde
sich der jetzige Wortlaut des Gesetzentwurfes in der Praxis auswirken?
Stellen Sie sich einmal folgende Situation vor: Ich als
neue Abgeordnete bin im letzten Jahr in Berlin auf
Wohnungssuche gewesen. Ich habe einen Makler eingeschaltet und ihn beauftragt, mir Wohnungen anzubieten,
wissend und bereit, dafür eine Courtage zu zahlen. In
Zukunft kann der Makler mir nur dann eine Wohnung
provisionspflichtig anbieten, wenn er diese explizit für
meinen Suchauftrag in Auftrag genommen hat. Die
Wohnung, die er eine Woche zuvor für den Suchauftrag
meiner ebenfalls neuen Kollegin in Auftrag genommen
hat, wäre für mich schon nicht mehr courtagepflichtig.
Herr Wiese, es stimmt nicht, dass dann der Vermieter die
Courtage zu zahlen hat; denn er hat dem Makler diese
Wohnung ja nur im Hinblick auf den Suchauftrag übergeben. Das heißt, der Makler müsste umsonst arbeiten
- das kann nicht einmal den Linken gefallen -, oder er
würde mir die Wohnung gar nicht mehr anbieten; dann
sind am Ende doch wieder die Suchenden die Leidtragenden.
({5})
Alles in allem beinhaltet der Gesetzentwurf viele gute
Ansätze, und er bietet eine gute Arbeitsgrundlage. Ich
freue mich auf die weiteren Beratungen in den Ausschüssen.
Herzlichen Dank.
({6})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen gleich
zu den Abstimmungen.
Zunächst geht es aber um die Überweisung des Ge-
setzentwurfs auf der Drucksache 18/3121 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse. Gibt es andere
Vorschläge für die Überweisung? - Das ist nicht der
Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Ver-
braucherschutz zu dem Antrag der Fraktion Die Linke
mit dem Titel „Mieterhöhungsstopp jetzt“. Der Aus-
schuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/3203, den Antrag der Fraktion Die Linke
auf Drucksache 18/505 abzulehnen. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? - Das sind die Koalitions-
fraktionen und das Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt
dagegen? - Die Linke. Wer enthält sich? - Niemand. Da-
mit ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen der
Koalition und von Bündnis 90/Die Grünen angenommen
worden.
Ich rufe die Zusatzpunkte 2 a und 2 b auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem
Übereinkommen des Europarats vom 25. Oktober 2007 zum Schutz von Kindern vor
sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch
Drucksache 18/3122
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz ({0})
Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Tourismus
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Matthias
Gastel, Sven-Christian Kindler, Dr. Valerie Wilms,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung
zur Erhaltung der Schienenwege jetzt neu
verhandeln
Drucksache 18/3153
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur ({1})
Haushaltsausschuss
Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der
Fall. Damit sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 27 b bis 27 k auf.
Hierbei handelt es sich um die Beschlussfassung zu
Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.
Zunächst rufe ich Tagesordnungspunkt 27 b auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und
Energie ({2}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Heinz Riesenhuber, Dr. Joachim
Pfeiffer, Dr. Kristina Schröder ({3}),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn
CDU/CSU sowie der Abgeordneten Wolfgang
Tiefensee, Hubertus Heil ({4}), Niels Annen,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Strategische Ziele für die Raumfahrt in dieser
Legislaturperiode absichern
Drucksachen 18/3040, 18/3195
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 18/3195, den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf der Drucksache
18/3040 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt
dagegen? - Niemand. Wer enthält sich? - Das ist die Opposition. Damit ist diese Beschlussempfehlung mit den
Stimmen der Koalition bei Enthaltung der Opposition
angenommen worden.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 c auf:
Beratung der Ersten Beschlussempfehlung des
Wahlprüfungsausschusses
zu Einsprüchen gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 8. Europäischen Parlament am
25. Mai 2014
Drucksache 18/3100
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das
sind alle. Ich frage trotzdem: Gibt es Gegenstimmen
oder Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlussempfehlung einstimmig angenommen worden.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 d auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz ({5})
zu dem Streitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 4/14
Drucksache 18/3189
Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung, eine Stellungnahme abzugeben und den Präsidenten zu bitten, einen
Prozessbevollmächtigten zu bestellen. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? - Niemand.
Wer enthält sich? - Die Linke. Damit ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition und von
Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Linken angenommen worden.
Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses. Auch das ist eine ganze Reihe von
Beschlussempfehlungen, über die wir hier abzustimmen
haben.
Ich rufe zunächst Tagesordnungspunkt 27 e auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({6})
Sammelübersicht 108 zu Petitionen
Drucksache 18/3057
Wer stimmt dafür? - Alle. Gibt es jemanden, der dagegen stimmt? - Das ist nicht der Fall. Gibt es jemanden, der sich enthält? - Auch das ist nicht der Fall. Dann
ist die Sammelübersicht 108 einstimmig angenommen
worden.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 f auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({7})
Sammelübersicht 109 zu Petitionen
Drucksache 18/3058
Wer stimmt dafür? - Ebenfalls alle, wenn ich das
richtig sehe. Stimmt jemand dagegen? - Das ist nicht der
Fall. Enthält sich jemand? - Auch nicht. Damit ist auch
die Sammelübersicht 109 einstimmig angenommen worden.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 g auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({8})
Sammelübersicht 110 zu Petitionen
Drucksache 18/3059
Wer stimmt dafür? - Die Koalition. Wer stimmt dagegen? - Die Linke. Wer enthält sich? - Bündnis 90/Die
Grünen. Damit ist die Sammelübersicht 110 mit den
Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Linken
bei Enthaltung der Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen
angenommen worden.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 h auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({9})
Sammelübersicht 111 zu Petitionen
Drucksache 18/3060
Wer stimmt dafür? - Alle. Gibt es jemanden, der dagegen stimmt? - Nein. Gibt es jemanden, der sich enthält? - Auch das ist nicht der Fall. Damit ist die Sammelübersicht 111 ebenfalls einstimmig angenommen
worden.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 i auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({10})
Sammelübersicht 112 zu Petitionen
Drucksache 18/3061
Wer stimmt dafür? - Die Koalition plus Bündnis 90/
Die Grünen. Wer stimmt dagegen? - Niemand. Wer enthält sich? - Die Linke. Damit ist die Sammelübersicht
112 mit den Stimmen der Koalition und Bündnis 90/Die
Grünen bei Enthaltung von der Linken angenommen
worden.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 j auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({11})
Sammelübersicht 113 zu Petitionen
Drucksache 18/3062
Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn
Wer stimmt dafür? - Koalition plus Bündnis 90/Die
Grünen. Wer stimmt dagegen? - Die Linke. Wer enthält
sich? - Niemand. Damit ist die Sammelübersicht 113 mit
den Stimmen der Koalition und von Bündnis 90/Die
Grünen bei Gegenstimmen der Linken angenommen
worden.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 k auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({12})
Sammelübersicht 114 zu Petitionen
Drucksache 18/3063
Wer stimmt dafür? - Die Koalition. Wer stimmt dagegen? - Bündnis 90/Die Grünen und die Linke. Gibt es jemanden, der sich enthält? - Das ist nicht der Fall. Dann
ist die Sammelübersicht 114 mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen
worden.
Jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 6 auf:
Wahl von Mitgliedern des Kuratoriums der
Stiftung „Deutsches Historisches Museum“
Drucksache 18/3148
Hierzu liegt ein Wahlvorschlag der Fraktionen von
CDU/CSU, SPD und der Linken auf Drucksache 18/3148
vor. Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Die Koalition, die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es jemanden, der dagegen stimmt? - Nein, das ist nicht der
Fall. Enthaltungen? - Auch keine. Dann ist der Wahlvorschlag einstimmig angenommen worden.
Ich rufe den Zusatzpunkt 3 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Unterschiedliche Auffassungen in der Bundesregierung zur Abschaltung von Kohlekraftwerken und zum Erreichen der Klimaziele
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Krischer.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
„Es wird wohl nicht anders gehen, als dass wir auch
Kohlekraftwerkskapazitäten abbauen.“ Das hat Barbara
Hendricks am 3. November dem Spiegel mit Blick auf
das deutsche Klimaschutzziel gesagt. Ich sage, Frau
Hendricks - auch wenn sie heute leider nicht an dieser
Debatte teilnehmen kann -: Das ist richtig. Diese Aussage ist zutreffend. Wir werden das deutsche Klimaschutzziel nicht erreichen, wenn wir nicht auch ernsthaft
darüber reden, dass Kohlekraftwerkskapazitäten abgebaut werden müssen.
({0})
Das hat Frau Hendricks gesagt. Aber nur eine Woche
später war das alles auch für Frau Hendricks nicht mehr
wahr, nachdem Siggi Kohle deutlich gemacht hat, wo in
der SPD der Hammer hängt. Dann hieß es plötzlich wieder: Es wird nicht abgeschaltet; der Kohlekraftwerkpark
in Deutschland bleibt unangetastet.
Meine Damen und Herren, ich hätte mich sehr gefreut, wenn in dieser Aktuellen Stunde die beiden Minister zu diesem Thema gesprochen hätten. Aber beide sind
nicht anwesend.
({1})
Die Debatte darüber findet bei den Champagnerempfängen der deutschen Wirtschaft statt, aber nicht im Deutschen Bundestag. Das ist nicht in Ordnung.
({2})
Ich bin, ehrlich gesagt, fassungslos, dass der Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland selbst
glaubt oder zumindest davon redet, dass die Zukunft des
Wirtschaftsstandortes Deutschland an Kraftwerken
hängt, die zur Zeit von Ludwig Erhard gebaut worden
sind. Das ist alles schon ein bisschen länger her. Wir
haben in Deutschland Überkapazitäten. Das Problem ist
doch nicht, dass wir nicht genug Kohlekraftwerke haben.
Das Problem ist vielmehr, dass diese Methusalem-Kraftwerke rund um die Uhr laufen und moderne Gaskraftwerke und Kraft-Wärme-Kopplung aus dem Markt drängen, sodass klimaschonende, effiziente und flexible
Kraftwerkskapazitäten nicht zum Zuge kommen. Das
kann doch nicht sein.
Das ist keine Energiewende. Das steht allem entgegen, was wir eigentlich wollen, meine Damen und Herren.
({3})
Was ist das eigentlich für ein Signal, das wir damit in
die Welt schicken? Nicht nur, dass die deutschen Kraftwerksemissionen steigen und dass wir längst die Vorreiterrolle im Klimaschutz verloren haben: Jetzt ist es so
weit, dass die ersten Betreiber ernsthaft überlegen,
hocheffiziente vorhandene Kraftwerke in Deutschland
abzubauen, weil sie nicht mit den Methusalem-Anlagen
konkurrieren können. Was senden wir damit für ein Signal? Ist das die Zukunft des Wirtschaftsstandortes
Deutschland, dass wir auf Kraftwerkstechnologien unserer Großväter bauen? Das kann doch nicht sein, meine
Damen und Herren.
({4})
Deshalb fordern wir die Herausnahme von Kraftwerkskapazitäten aus den 60er- und 70er-Jahren. Der
Strukturwandel im fossilen Kraftwerkspark - und darum
geht es - ist nicht nur eine Frage des Klimaschutzes,
sondern auch eines zukunftsfähigen Strommarktdesigns.
Er ist ein notwendiger Beitrag zur Energiewende und
- das betone ich ganz bewusst - auch für den AtomausOliver Krischer
stieg. Das gehört zusammen. Das sind zwei Seiten einer
Medaille.
({5})
Jetzt haben wir die Situation, dass das Klimaschutzziel wahrscheinlich nicht erreicht werden kann. Barbara
Hendricks hat gestern ein mittelfristiges Sofortprogramm vorgelegt, das „Aktionsprogramm Klimaschutz“
heißt. Wenn ich es lese, weiß ich, ehrlich gesagt, nicht,
ob ich lachen oder weinen soll. Die großen Brocken
Kohlekraftwerke, Gebäudesanierung und Verkehr werden gar nicht angepackt. Aufgeführt sind so schöne
Sachen wie 1 Million Elektrofahrzeuge, die soundso
viele Millionen Tonnen an CO2-Einsparungen bringen
sollen. Dabei haben Sie bisher überhaupt keine Maßnahmen vorgelegt und auch nichts in petto, wie Sie diese
1 Million Elektrofahrzeuge bis 2020 erreichen wollen.
({6})
So können Sie das in allen Bereichen durchdeklinieren. Sie betreiben Schönfärberei und Schönrechnerei mit
Maßnahmen, die durch nichts hinterlegt sind. Das ist
nicht seriös, meine Damen und Herren. Das ist keine
Klimaschutzpolitik. Das ist das exakte Gegenteil davon.
({7})
Das Sammelsurium, das Sie vorlegen, enthält noch
weitere Punkte von nett bis skurril. So werden tatsächlich Fahrerlehrgänge mit einem Klimaschutzbeitrag
belegt. Ich habe nur noch auf ein Pullover-PromotionProgramm gewartet, mit dem die Leute in kälteren Wohnungen nicht so viel CO2 ausstoßen.
({8})
Das, was Sie vorgelegt haben, zeigt: Nach einem Jahr
kommt die Große Koalition wieder dort an, wo Philipp
Rösler bei der letzten Wahl aufgehört hat. Das ist die
Realität Ihrer Klimaschutzpolitik. Anders kann man das
nicht sagen.
({9})
Wir werden Ihnen das nicht durchgehen lassen. Wir
werden Ihnen diese Schönrechnerei und Simulation von
Klimaschutzpolitik nicht durchgehen lassen. Das werden
wir weiter problematisieren. Wir werden von Ihnen verlangen, dass Sie am 3. Dezember tatsächlich ein
Maßnahmenprogramm vorlegen. Das, was Sie jetzt machen, hat mit Klimaschutz rein gar nichts zu tun. Das ist
Klimazerstörung. Das ist das exakte Gegenteil von Energiewende.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({10})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, da auch Zeit eine
Ressource ist, weise ich noch einmal darauf hin, dass in
der Aktuellen Stunde die Redezeit fünf Minuten beträgt
und nicht sechs Minuten.
Als nächster Redner hat der Kollege Andreas Jung
das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nachdem der Kollege Krischer offensichtlich das Ziel
schon bei seiner Redezeit verfehlt hat, werde ich mich
bemühen, hier auf den Punkt zu kommen. Genau darum
geht es bei dem Klimaziel.
({0})
Wir haben in Deutschland fraktionsübergreifend das Ziel
formuliert und es gutgeheißen, bis 2020 den CO2-Ausstoß um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren.
({1})
Das ist Ausdruck unserer besonderen Verantwortung, die
wir als der größte Emittent innerhalb der Europäischen
Union haben. Das ist auch Ausdruck unserer Vorreiterrolle. Unsere Botschaft ist klar: Es gibt kein Vertun. Dieses Ziel gilt. Es muss erreicht werden. Deshalb werden
wir beim Klimaschutz einen Zahn zulegen und eine
Schippe drauflegen.
({2})
Herr Krischer, wir sind uns doch einig, dass wir auf
dem Weg zum 3. Dezember noch über die eine oder andere Frage diskutieren müssen. Wir haben gerade einmal
die Ressortabstimmung eingeleitet. Aber Ihre Behauptung, dieses Programm enthalte nichts zu Gebäudesanierung und Energieeffizienz, geht an der Wirklichkeit und
der Wahrheit total vorbei.
({3})
Wir haben immer gesagt, wir wollen einen besonderen
Schwerpunkt auf die Energieeffizienz legen; denn hier
ist in der Vergangenheit - übrigens auch während Ihrer
Regierungszeit - viel versäumt worden. Hier besteht viel
Potenzial.
Was steht konkret in dem Papier? Die steuerliche Förderung der Gebäudesanierung soll nun eingeführt werden. Für diese Maßnahme kämpfen wir seit langem.
Aber diese Maßnahme haben Ihre Kollegen im Bundesrat bislang blockiert und verhindert. Diese Maßnahme
muss nun kommen. Dafür treten wir ein.
({4})
Das wird uns voranbringen und einen wichtigen Beitrag
zum Klimaschutz leisten.
Das Gleiche gilt für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Unsere Forderung lautet, die Förderung auszubauen und zu verbessern. Vorgeschlagen ist, die Mittel
für dieses Programm auf 2 Milliarden Euro aufzustocken. Unter Rot-Grün beliefen sich die Mittel auf lediglich 300 Millionen Euro. Wir legen nun noch etwas
drauf. Im Rahmen der Fördersystematik werden aber
nicht nur Kredite und Zuschüsse gewährt. Vielmehr gibt
es neue Programme für Kommunen und zur Quartierssanierung. Es soll Netzwerke geben. Auch beim Neubau
werden neue Anreize gesetzt. Die Vorschläge beinhalten
viel Neues. Es geht nun darum, gemeinsam darüber zu
diskutieren und es dann zu verabschieden. Dieses
Programm wird uns bei der Energieeffizienz und beim
Klimaschutz voranbringen.
({5})
Dann haben Sie die Elektromobilität angesprochen.
Hier bin ich über Ihre Behauptung verwundert, es gebe
zwar Ziele, aber keine Maßnahmen. Jetzt steht auch bei
der Elektromobilität - aufbauend auf dem, was wir
schon gemacht haben mit Nutzervorteilen mit diesbezüglichen Gesetzen - ganz konkret drin, was angestrebt
wird,
({6})
eine steuerliche Förderung einzuführen, um diese Elektroautos auf die Straße zu bringen und gewerblichen Nutzern die Anschaffung solcher Autos zu erleichtern.
({7})
So steht es in dem Papier. Das sollten wir auch machen.
Unterstützen Sie diese Maßnahme! Dann kommen wir
voran.
Zum letzten Punkt, zur Energie. Um diese ist es nicht
so schlecht bestellt, wie Sie behaupten. Ich will darauf
hinweisen, dass die erneuerbaren Energien in diesem
Jahr zum ersten Mal die Braunkohle als die wichtigste
Energiequelle überholt haben. Die erneuerbaren Energien sind Herbstmeister. Wahr ist aber auch, dass nicht
alle Fragen gelöst sind und dass wir in den letzten Jahren
einen Anstieg des CO2-Ausstoßes aufgrund der Braunkohlekraftwerke zu verzeichnen hatten; das ist ein Problem. Dieses Problem wird adressiert, auch schon in der
Vorlage zum „Aktionsprogramm Klimaschutz“. Es steht
hier drin, dass der Emissionshandel saniert werden muss,
dass es die Haltung der Bundesregierung ist, dass es wie
in der EU vorgesehen, vor 2020 kommen soll und dass
die Bundesregierung dafür kämpft, das schon 2017 zu
machen. Weiterhin steht darin, dass die Bundesregierung
darauf drängt, dass dieser Beschluss im ersten Halbjahr
2015 in der EU getroffen und umgesetzt wird. Ich
glaube, das wäre ein wichtiger Beschluss. Der
Emissionshandel ist das Herzstück der europäischen
Klimapolitik. Der muss saniert werden, und dabei kommen wir voran.
({8})
Wir werden darüber hinaus noch weitere Fragen auch
in diesem Programm diskutieren, um zu klären, wie wir
es schaffen, dass wir bessere Rahmenbedingungen für
effiziente Gaskraftwerke bekommen, um damit den
CO2-Ausstoß zu reduzieren. Das ist unser gemeinsames
Ziel. Wir wollen die Trendwende beim CO2-Ausstoß.
Dafür arbeiten wir.
Herzlichen Dank.
({9})
Als nächste Rednerin hat die Kollegin Eva BullingSchröter das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Im Dezember 2007 hat Umweltminister
Gabriel bei der UN-Klimakonferenz in Bali das 40-Prozent-Ziel verkündet. Er hat eine wirklich gute Rede gehalten und konnte viele Leute auf der Klimakonferenz
begeistern. Er hat über Nachhaltigkeit und zukünftige
Generationen gesprochen, und er bekam viel Applaus.
Dann kam die Debatte über die Verlängerung der AKWLaufzeiten in der letzten Legislatur. Auch der Oppositionsführer Gabriel hat sich echauffiert. Ich lese Ihnen
das einmal vor:
Sie schüren Ängste in Europa. Sie treiben die Antieuropäer in die Parlamente und in die Regierungen.
Europa braucht wieder Hoffnung, und erneuerbare
Energien bringen Hoffnung und Arbeitsplätze in
Deutschland und in ganz Europa.
Gut, kann ich da nur sagen.
({0})
Jetzt sind wir in dieser Woche. In dieser Woche gab es
den dena-Kongress, den Kongress der Deutschen Energie-Agentur.
({1})
- Das war ein super Auftritt, sagt der SPD-Kollege. Greenpeace hat demonstriert, wie ich finde, sehr gut an
dieser Stelle. Meine herzliche Gratulation.
({2})
Es geht um den Kohleausstieg. Es geht um die CO2Reduzierung um 40 Prozent, die wirklich erreichbar sein
sollte. Ich sage als linke Abgeordnete: Wir haben schon
zweimal einen Antrag zum Kohleausstieg in dieses
Plenum eingebracht. Wir stehen dahinter.
({3})
Es geht auch um den Bericht des IPPC, der zum x-ten
Male sagt: Klimaerwärmung ist menschengemacht. Es
ist eigentlich schon fünf nach zwölf, und wir müssen heraus aus den fossilen Energien. Was sagt Herr Gabriel?
Arbeitsplätze in Gefahr, Versorgungssicherheit in
Gefahr, Industriestandort Deutschland in Gefahr, die
Bezahlbarkeit von Strom in Gefahr.
({4})
Ich kann Ihnen sagen: Das hätte Rösler in der letzten
Legislatur genauso sagen können. Da gibt es keinen
Unterschied.
({5})
Ich habe mir die Rede im Internet wirklich angeschaut.
({6})
Ich habe mich auch nicht gewundert, dass vorher ein
Werbefilm einer Erdölfirma anzusehen war. Das war natürlich reiner Zufall.
Da fallen dann solche Worte wie „blauäugiger
Ökopopulismus“ oder „Illusion der Energiewendepropaganda“. Ich frage mich dann: Wie kommt er dazu, Befürwortern eines geordneten Kohleausstiegs die Fähigkeit
abzusprechen, zu differenzieren? Ich sage Ihnen: Niemand will den sofortigen Ausstieg aus der Kohleenergie.
Das ist eine Unterstellung.
({7})
Wenn Sie unsere Anträge lesen, dann stellen Sie fest,
dass da etwas von 2040 steht. Wenn Sie die GreenpeaceProgramme lesen, dann stellen Sie fest, dass auch dort
nichts von einem sofortigen Ausstieg steht.
({8})
Es ist vielmehr von einem geordneten Kohleausstieg mit
übertragbaren Laufzeiten die Rede. Sie sollten das einmal lesen.
({9})
Sie sprechen von Arbeitsplätzen, um die es Ihnen
gehe. Um die geht es auch uns. Dazu kann ich Ihnen
Folgendes sagen: Vor meiner Bundestagszeit war ich
Betriebsrätin in einer Metallfirma. Ich habe nämlich
Schlosserin gelernt. Ich kann Ihnen sagen: Damals
hatten die Kollegen auch ab und zu Angst. Es gab
Entlassungen. Ich kann die Angst nachvollziehen. Nur,
ich habe in der Zeit, als ich auf einer Gewerkschaftsschule war, gelernt: Verpasster Umweltschutz vernichtet
Arbeitsplätze. Bitte, meine Kolleginnen und Kollegen,
schreiben Sie sich das hinter die Ohren.
Ich weiß auch, dass Konversionspläne nicht so einfach zu erfüllen sind. Das ist doch kein Geheimnis. Ich
denke, wir sollten anfangen und wir sollten Gelder in
solche Konversionspläne stecken. Wir brauchen Regionalpläne, und wir brauchen keine Verschiebung des
Strukturwandels. Der kommt, ob wir wollen oder nicht.
Aus diesem Grund sage ich: Wir müssen jetzt etwas tun.
Herr Gabriel hat das Allgemeinwohl beschworen.
Zum Allgemeinwohl gehören ja auch Kosten. Es gibt
eine neue Studie der EU, für die Herr Oettinger verantwortlich ist. Diese Studie besagt: 140 Euro pro Megawattstunde aus Kohle sind die Folgekosten für Mensch
und Umwelt. 86 Milliarden Euro an europaweiten Folgekosten entstanden im Jahr 2012 aus der Kohleverstromung zusätzlich. Diese Folgekosten tragen alle. Das
Ganze geht auf Kosten des Klimas. Deshalb brauchen
wir definitiv ein gutes Aktionsprogramm Klimaschutz.
Es kann uns wirklich nicht egal sein, was am anderen
Ende der Welt mit Klimaflüchtlingen, mit Menschen, die
demnächst absaufen werden, die aufgrund des Klimawandels verhungern werden, passiert. Ich wiederhole:
Das kann uns allen nicht egal sein. Ob Sozialisten, Sozialdemokraten, Grüne oder Christen: Wir haben eine
Verantwortung, und dieser Verantwortung müssen wir
endlich gerecht werden.
({10})
Als nächster Redner hat der Kollege Hubertus Heil
das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Deutschland hat sich mit der Energiewende auf
den Weg gemacht. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir
darauf hinweisen, dass es in Deutschland um eine doppelte Energiewende geht. Zum einen wollen und werden
wir als hochindustrialisiertes Land aus der Kernkraft
aussteigen, und zum anderen haben wir uns sehr ehrgeizige Klimaschutzziele gesetzt.
Meine Damen und Herren von den Grünen und von
der Linkspartei, die Ziele, die wir damit verbinden, sind
eine saubere, aber eben auch eine bezahlbare und eine
versorgungssichere Energieversorgung in Deutschland.
Das mag uns unterscheiden. Einfach nur darauf zu dringen, dass es sauber sein soll, und die anderen Dinge
nicht im Blick zu haben, ist eben falsch. Ich sage Ihnen:
Mit dem, was Sie hier betreiben, streuen Sie den Leuten
Sand in die Augen. Ich will es Ihnen deutlich sagen: Wir
sind uns alle einig, dass die fossilen Energieträger auf
der Strecke an Bedeutung abnehmen werden und abnehmen müssen. Zur Frage, wie das geschehen muss, sage
ich Ihnen: Wir wollen diesen Prozess marktwirtschaftlich organisieren,
({0})
indem wir den Emissionshandel in Europa stärken, damit es an dieser Stelle die richtigen Preissignale gibt.
Das ist der wahre Punkt.
({1})
Da gibt es einen Unterschied zwischen Grünen und
Linkspartei. Die Linkspartei tut hier so, als würde das,
was sie hier gerade vorgeführt hat, einen Beitrag zur Erreichung des 40-Prozent-Ziels bis zum Jahr 2020 leisten.
Das ist natürlich Quatsch, wenn die Linke, wie sie sagt,
bis 2040 aus der Kohle aussteigen will.
({2})
Hubertus Heil ({3})
Für die Erreichung des 40-Prozent-Ziels bis zum Jahr
2020 bringt das gar nichts. Die Grünen sind da noch ein
bisschen eleganter: Sie nennen nicht mal ein Jahr. Bis zu
welchem Jahr wollt ihr denn den Kohleausstieg? Dazu
kann man nachher ja vielleicht noch einmal Stellung
nehmen.
Wenn wir der Meinung sind, es solle so laufen, wie
ich es eben beschrieben habe - sauber, sicher und bezahlbar -, dann müssen wir darauf achten, dass wir die
Energiewende in Deutschland nicht gegen die Wand fahren. Dazu gehört, dafür zu sorgen, dass wir die erneuerbaren Energien in Deutschland weiter ausbauen, und
zwar systematisch, dass wir Versorgungssicherheit in
Deutschland gewährleisten und dass wir das Ganze bezahlbar machen.
({4})
Ein ordnungspolitischer Eingriff in den Kraftwerkspark, der im Moment durch den Merit-Order-Effect dafür sorgt, dass die Kohlekraftwerke ganz schnell stillgelegt werden und dass ganz teure Gaskraftwerke
kurzfristig nach vorne kommen, führt zu steigenden
Preisen. Die Frage an dieser Stelle ist, ob die Grünen das
wollen.
So zu tun, als würde das zur Erreichung des 40-Prozent-Ziels bis zum Jahr 2020 irgendetwas bringen, Oli
Krischer, ist etwas unterkomplex. Wenn wir hier Kohlekraftwerke in kurzer Frist scheinbar stilllegen und den
Menschen suggerieren, wir würden damit 1 Tonne CO₂
in Europa sparen, ist das auch nicht richtig. Die Wahrheit
ist an dieser Stelle, dass der Emissionshandel dazu führt,
dass, wenn hier ein Kohlekraftwerk zwangsabgeschaltet
wird, das entsprechende Zertifikat in ein anderes europäisches Land wandert und dass dieses Verschmutzungszertifikat dort genutzt wird.
Der Schlüssel ist ein anderes Marktdesign, und dazu
gehört im Übrigen auch der Emissionshandel.
({5})
- Nein, Moment mal. Wir sind uns einig, dass da in den
letzten Jahren zu wenig passiert ist. Aber ich sage: Diese
Bundesregierung macht Druck in Europa.
({6})
Das ist der richtige Weg.
({7})
Das andere ist, dass ihr Grünen den Menschen suggeriert, es gehe bei der Energiewende nur um Strom, um
den Strommarkt. Wir werden die Klimaschutzziele nicht
allein über den Kraftwerkspark und den Strommarkt erreichen, sondern wir müssen auch über den Wärmemarkt, die Gebäudesanierung, den Verkehrsbereich und
den Landwirtschaftsbereich gehen. Das ist das, was wir
brauchen.
({8})
Ich finde es ein bisschen traurig, dass ihr Grüne, die
ihr die Energiewende einmal mit auf den Weg gebracht
habt, inzwischen allein der Propaganda willen, um noch
ein Alleinstellungsmerkmal zu haben - das habt ihr beim
Atomkraftausstieg nicht mehr, weil inzwischen alle dafür sind; freut euch darüber! -, an dieser Stelle einen Popanz aufbaut.
({9})
Wir haben eine Verantwortung dafür, dass die Energiewende in Deutschland gelingt, damit andere uns folgen.
({10})
Deshalb sind für uns eine saubere, sichere und bezahlbare Energieversorgung gleichrangige Ziele, und das
mag uns unterscheiden, meine Damen und Herren.
({11})
Noch einmal: Das 40-Prozent-Ziel bis 2020 im Bereich CO2-Minderung in Europa in Deutschland durchzusetzen, wird von uns angepeilt. Wir alle wissen: Das
ist nicht leicht zu erreichen. Aber wir halten an dem Ziel
fest, eine Reduktion von CO2 um 40 Prozent, gemessen
an dem Wert von 1990, zu erreichen.
({12})
Das ist anstrengend, aber es muss auch weitergehen,
über 2020 hinaus. Die Frage ist, wie wir das miteinander
erreichen. Ich sage noch einmal: Diese Bundesregierung
diskutiert darüber, wie man das erreicht. Es wird am
3. Dezember Vorschläge dazu geben.
Die Frage, wie wir eine saubere, sichere und bezahlbare Energieversorgung auf den Weg bringen, die noch
viel entscheidender ist, wird im nächsten Jahr entschieden, wenn wir über das Strommarktdesign in Deutschland zu diskutieren haben.
Hier Klischees nach dem Motto „Die einen sind für
die Kohle, die anderen sind für die Erneuerbaren“ zu
verbreiten, das ist, mit Verlaub, unterkomplex. Das hat
mit der Realität nichts zu tun. Da kann ich den Grünen
und den Linken nur sagen: Fortschrittlich zu sein, heißt
nicht, mythisch zu sein, sondern aufklärerisch tätig zu
sein. Das wäre auch etwas, was den Menschen helfen
würde, das Ganze zu begreifen, dieses komplexe Thema
Energiewende zu verstehen; das ist nämlich komplex;
das ist nicht einfach. Hier mit einfachen Parolen zu arbeiten, wird der Sache nicht gerecht.
Ich sage es noch einmal: Wir müssen es in Deutschland schaffen, die Energiewende zu stemmen, sicher,
sauber und bezahlbar, damit andere uns folgen. Wenn
Hubertus Heil ({13})
wir die Energiewende gefährden oder die Akzeptanz der
Energiewende gefährden, weil Versorgungssicherheit infrage gestellt wird
({14})
oder die Bezahlbarkeit auf der Strecke bleibt, würden
wir der Energiewende einen Tort antun. Das wollen wir
nicht. Das werden wir nicht. Deshalb werden wir konsequent daran festhalten, eine sichere und saubere Energieversorgung in Deutschland auf den Weg zu bringen. Wir
werden uns dabei von solchen Aktuellen Stunden nicht
aufhalten lassen.
Herzlichen Dank.
({15})
Als nächste Rednerin spricht die Kollegin Dr. Anja
Weisgerber.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen
und Kollegen! Zu den Klimazielen: Ende Oktober ist es
uns gelungen, dass sich die 28 Staats- und Regierungschefs der EU auf ein Treibhausgasminderungsziel von
mindestens 40 Prozent bis 2030 geeinigt haben. Das ist
auch ein Verdienst unserer Kanzlerin Angela Merkel und
von Umweltministerin Hendricks.
({0})
Noch ein paar Tage zuvor war es nicht klar, ob überhaupt
eine Einigung erzielt werden kann. Damit sind wir nicht
nur die Ersten, die einen konkreten Beitrag vorlegen,
sondern im internationalen Vergleich sind wir auch die
Ambitioniertesten, und das ist gut so, meine Damen und
Herren.
Die Tatsache, dass die EU-Mitgliedstaaten sich trotz
dieser unterschiedlichen Ambitionsniveaus einigen
konnten, ist einzigartig in der Welt und zeigt, dass die
EU ein klares Ziel vor Augen hat, nämlich den Abschluss eines international verbindlichen Abkommens
für die Zeit nach 2020. Mit unseren Beschlüssen senden
wir ein klares Signal in die Welt, dass wir entschlossen
gegen den Klimawandel ankämpfen, und wir sagen zu
den anderen Staaten: Jetzt seid ihr an der Reihe, und jetzt
müsst ihr eure Beiträge auf den Tisch legen.
Wir in Deutschland stehen auch national ganz klar zu
unseren Klimazielen. Wir wollen den CO2-Ausstoß bis
2020 um 40 Prozent reduzieren. Aber es gibt dahin nicht
nur den einen Weg. Es gibt viele Wege und Maßnahmen,
um die Klimaziele, die wir uns gesetzt haben und zu denen auch wir von der Union ganz klar stehen, zu erreichen.
Ministerin Hendricks hat gestern das Klimaaktionsprogramm vorgelegt, das nun in die Ressortabstimmung
geht. Damit werden sämtliche Bereiche einbezogen: Industrie, Energiewirtschaft, Handel/Dienstleistungen, Verkehr, Haushalte, Landwirtschaft. Sie sehen: Wir reden
nicht nur, sondern wir handeln. Klimaschutz ist eine
große Herausforderung, die wir nur mit klarem Verstand
und mit wirtschaftlicher Vernunft bewältigen können.
Da gilt es jetzt eben auch, Kosten und Nutzen abzuwägen und sich zu fragen, welche Maßnahmen am meisten bringen, und dann auch den Einsatz zu bewerten, den
wir dafür bringen müssen. Aus diesem bunten Blumenstrauß von rund 700 Vorschlägen, die eingebracht wurden, werden wir nun solche intelligenten Maßnahmen
herausfiltern. Wenn ich von intelligenten Maßnahmen
spreche, dann meine ich Maßnahmen, die Anreize setzen, und nicht solche, die auf Zwang und Verbote setzen.
Das ist in unseren Augen nämlich genau der falsche
Weg. Das Wichtigste dabei ist, dass wir den Fokus auf
eine enorme Steigerung der Energieeffizienz legen,
({1})
ja, wenn Sie es so wollen, wenn Sie auch diesen Begriff
hören wollen - ich denke, das ist ein guter Begriff -,
auch eine Energieeffizienzrevolution auslösen. Das ist
die richtige Antwort auf den Klimawandel.
({2})
Der Klimawandel ist eine so große Herausforderung,
dass wir es uns nicht leisten können, naheliegende Chancen nicht zu ergreifen.
({3})
Deswegen sage ich: Die steuerliche Absetzbarkeit von
Maßnahmen zur energieeffizienten Gebäudesanierung
muss jetzt kommen.
({4})
Es ist unumgänglich, dass wir in Deutschland dieses
Thema endlich angehen.
Jetzt, meine verehrten Damen und Herren von den
Grünen, möchte ich vor allen Dingen an Sie appellieren,
dass auch Sie endlich tatkräftig dazu beitragen, dass
diese Maßnahme kommt, dass wir eine Einigung zusammen mit den Bundesländern hinbekommen.
({5})
Und da appelliere ich auch an die Bundesländer: Bitte
bewegt euch! Viele Bundesländer haben eigene Klimaaktionsprogramme, deren Ziele sie aber auch nicht erreichen können, wenn wir die steuerliche Absetzbarkeit
nicht bekommen, und zwar zusammen mit den Bundesländern. Und da müssen die Grünen auch mithelfen,
meine Damen und Herren.
({6})
Bayern hat angekündigt, einen entsprechenden Antrag
im Bundesrat einzubringen. Jetzt müssen wir alle gemeinsam diese Chance am Schopf packen.
Diese Maßnahmen sind auch vor dem Hintergrund zu
sehen, dass sie Konjunktureffekte auslösen. Jeder Euro,
der in Sanierungsmaßnahmen investiert wird, löst circa
8 Euro an Folgeinvestitionen aus. Außerdem fließt über
die Mehrwertsteuer Geld in die Staatskasse zurück. Deshalb ist mehr Energieeffizienz ein Gewinnerthema für
alle, für das Klima genauso wie für die Handwerker, die
dämmen und Fenster einbauen, meine Damen und Herren.
Aber nicht alle können in vollem Umfang von der
steuerlichen Absetzbarkeit profitieren. Ich denke hier
zum Beispiel an die Rentnerin, die in ihrem unsanierten
Häuschen aus den 60er- oder 70er-Jahren wohnt. Hier
müssen die KfW-Mittel aufgestockt, verstetigt und deren
Beantragung deutlich vereinfacht werden, sodass auch
hier saniert werden kann.
({7})
- Herr Krischer, da gibt es das ganz positive Signal aus
dem Bundeswirtschaftsministerium, dass es im Rahmen
des Nationalen Aktionsplans Energieeffizienz plant, die
Gebäudesanierungsprogramme um 200 Millionen auf
künftig 2 Milliarden Euro jährlich aufzustocken. Auch
das können Sie honorieren und einmal als ein gutes Signal anerkennen.
Also, lassen Sie uns weg vom ordnungsrechtlichen
Klein-Klein kommen! Lassen Sie uns die Chancen ergreifen, die wirklich auch große Potenziale beinhalten,
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen!
- wie zum Beispiel Energieeffizienzmaßnahmen.
Vielen Dank.
({0})
Als nächster Redner hat der Kollege Hubertus Zdebel
das Wort.
({0})
Der ist derselbe. - Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es immer
wieder entzückend, zu erleben, wie die CDU/CSU um
den heißen Brei herumredet.
({0})
Das ist umso bemerkenswerter, als es sich doch im Wesentlichen um Ministerien handelt, die im Moment in der
Hand von sozialdemokratischen Ministern sind, nämlich
der Umweltministerin Frau Hendricks und des ehemaligen Umweltministers Sigmar Gabriel, der jetzt Wirtschaftsminister ist. Darum geht es ja.
Wir haben es schon häufiger erlebt, dass es diesen
Zielkonflikt zwischen Umweltpolitik und Wirtschaftspolitik gibt. Aber es ist auch völlig klar - und das haben
Sie eben nicht gesagt -: Um das 40-Prozent-Ziel beim
Klimaschutz zu erreichen, brauchen wir jetzt den schrittweisen Ausstieg aus der Kohle, vor allen Dingen der
Braunkohle. Alles andere ist eine Mogelpackung. Das
wissen Sie haargenau.
({1})
Wir erleben heute nicht mehr den Mut des ehemaligen
Umweltministers Gabriel - was er 2007 in Bali verkündet hat, ist ja schon zitiert worden -, sondern eine unglaubliche und unverantwortliche Rolle rückwärts des
jetzigen Wirtschaftsministers Gabriel. Aber es hat jetzt
wenig Sinn, lange darüber zu spekulieren, welche vermeintlichen Unterschiede es zwischen den politischen
Positionen von Frau Hendricks und Herrn Gabriel gibt.
Wir müssen eigentlich darüber reden, um was es hier
wirklich geht, nämlich um die ökonomischen Interessen,
die hinter diesen Entscheidungsprozessen stehen.
({2})
Tatsächlich geht es wieder einmal darum, die wirtschaftlichen Interessen einer im Strukturwandel untergehenden Branche großer Stromkonzerne dem Klimaschutz zu
opfern. Das ist das, was hier wirklich gespielt wird.
RWE musste im Frühjahr ein Minus von 2,8 Milliarden Euro bekannt geben. Der Aktienkurs von RWE ist
zwischen 2008 und 2013 um über 70 Prozent eingebrochen, der von Eon sogar um fast 75 Prozent. Vattenfall
ist derart schwer angeschlagen, dass jetzt der Ausverkauf des Deutschland-Geschäftes, insbesondere der
Braunkohle in der Lausitz, auf der Tagesordnung steht.
Die Schweizer Großbank UBS stellt fest, dass sich
der Bau privater Solaranlagen in Deutschland schon bald
ganz ohne Fördermittel rentieren wird. Kommt es so
weit, dann bricht das Geschäftsmodell der Stromkonzerne, die die Energiewende verschlafen haben, endgültig zusammen. Ihre Stromverkäufe würden laut UBS bis
2020 um weitere 20 Prozent einbrechen, die Gewinne
aus dem Stromgeschäft um 50 Prozent absacken. Das ist
der wirkliche Hintergrund dieser ganzen Geschichte. Die
Politik von Schwarz-Rot dient dazu, dieser sterbenden
Branche lebensverlängernde Maßnahmen auf Kosten der
Allgemeinheit zu gewähren. Das ist die ganze Wahrheit
zu dem, was hier abläuft.
({3})
Das gilt nicht nur für den Klimaschutz, sondern wir
erleben das im Moment auch bei den explodierenden
Kosten der Atommüllendlagerung. Da läuft genau dasselbe Spiel. Die Stromkonzerne wollen sich aus der Verantwortung stehlen, und eine bundeseigene Stiftung soll
die Kostenrisiken übernehmen. „Bad Bank“ fürs Atom
wurde das richtigerweise in den Medien genannt. Die
Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb damals - ich zitiere -:
Tatsächlich gibt es Parallelen zwischen Banken und
Energieversorgern. Große und miteinander verwobene Banken gelten als systemrelevant. „Too big to
fail“, sagen Amerikaner dazu und meinen: Zu groß,
als dass man diese Banken untergehen lassen dürfe.
Notfalls müsse sie der Staat retten, weil sie beim
Sturz in den Abgrund zu viel mitreißen. Spätestens
seit die SPD nicht nur in Düsseldorf, sondern auch
in Berlin wieder ({4})regiert, gelten auch die Versorger Eon und RWE … als quasi systemrelevant.
Darum geht es in Wirklichkeit. Genau diesem Verständnis folgt die Politik der Großen Koalition und des
Wirtschaftsministers. Der Umwelt- und Klimaschutz
wird einmal mehr kurzfristigen Konzerninteressen geopfert.
Sehr geehrte Damen und Herren, es ist nicht neu
- auch für Sozialdemokraten nicht neu -: Die Energiewende muss gegen die Atom- und Kohlekraftwerkskonzerne durchgesetzt werden. Das hatte bereits der 2010
verstorbene Präsident von Eurosolar, Hermann Scheer,
klargemacht und festgestellt - ich zitiere -: „Es bleibt
keine andere Wahl, als die Strukturmacht des etablierten
Energiesystems zu durchbrechen.“
({5})
Diesen Weg müssen wir fortsetzen; denn mit unserem
Planeten lassen sich keine Kompromisse ausverhandeln.
Deswegen sagt die Linke: Es muss Schluss sein damit,
dass Klimaschutzziele im Interesse der Stromkonzerne
und der energieintensiven Industrie mit Füßen getreten
werden.
({6})
Für halbherzige Maßnahmen ist keine Zeit mehr.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({7})
Vielen Dank. - Nächster Redner ist Dirk Becker,
SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Fünf Minuten werden nicht reichen, um mit all dem
ein bisschen aufzuräumen, was hier an Theorien und
Thesen verkündet wurde.
Lieber Oliver Krischer, du hast Seriosität angemahnt.
Ich will bei dem Thema Seriosität einmal an die Auftritte
des Oliver Krischer aus Zeiten der letzten Großen Koalition erinnern. Bei jeder Veranstaltung hast du dich hingestellt und gesagt: Sigmar Gabriel will zusätzliche
Kohlekraftwerke bauen.
({0})
Er hat aber immer und zu jeder Gelegenheit gesagt: Über
die Kraftwerke, die damals geplant und genehmigt waren, hinaus wird es keine Kraftwerke geben. - Du hast
das immer bestritten. Die heutige Bilanz besagt: Er hatte
recht, nicht du.
({1})
Populismus alleine reicht nicht. Man muss auch mal
ein paar Gegebenheiten anerkennen. Sich hier hinzustellen und zu sagen: „Der Gabriel will, dass die Kohlekraftwerke weiterlaufen“, ist so unkonkret wie nur was.
({2})
Bitte sagt uns doch mal, welche Kapazitäten ihr an welchen Standorten bis wann abschalten wollt, damit wir
vor Ort auch mal darüber diskutieren können, was vor
dem Hintergrund der Versorgungssicherheit und des
Energiemarkts geht! - Das ist euch zu kompliziert. Ihr
sendet einfach eine blöde Botschaft: Kohle muss weg! So einfach geht es nicht.
({3})
Jeder, der sich die Mühe macht, sich mit den energiepolitischen Entscheidungen der nächsten zwölf Monate
auseinanderzusetzen, der fragt sich: Wie werden die im
Grünbuch vorgesehenen Maßnahmen wirken? Nach Abschluss der Debatten über das Grünbuch und das Weißbuch zum Strommarkt, die die richtigen Akzente für den
Strommarkt setzen, werden ohnehin nicht unwesentliche
Kapazitäten aus dem Markt gehen; bis zum Jahr 2030
wird es altersbedingte Rückgänge am Markt geben. Die
Überkapazitäten, die wir gegenwärtig ja haben, werden
wir doch mittels normaler Abgänge im Kraftwerkspark
abbauen können. Darüber kein Wort von Ihrer Seite.
({4})
Ihr erweckt den Eindruck, es bleibe bis 2050 bei der jetzigen Kohleverstromung. Das ist Ausdruck energiepolitischer Ahnungslosigkeit.
({5})
Ich will zum Thema Energieeffizienz zurückkommen;
denn ich finde, solch eine Debatte ist viel zu wichtig, um
hier einfach nur Polemik zu machen und dieses Thema
zu versemmeln.
({6})
Wichtig ist, zu gucken: Was hat die letzte Große Koalition 2008 in Meseberg für Zielgrößen beschlossen, um
das 40-Prozent-Ziel zu erreichen, und an welchen Stellen haben wir ein Problem mit der Zielerreichung? Andi Jung hat es vorhin angesprochen. Wir haben in einigen Bereichen der Effizienzpolitik - am Wärmemarkt,
im Bereich Verkehr - Defizite. Da sind wir weg von den
Zielen; da ist in den letzten Jahren zu wenig passiert.
Wenn man dann wie ihr sagt: „Ihr schlagt nichts vor“,
aber nicht einmal die Maßnahmen kennt, die Andi Jung
genannt hat, dann zeigt das: Ihr habt das Papier nicht
einmal gelesen. Dann kann man aber nicht solche Behauptungen aufstellen.
({7})
Ich will allerdings zugeben - ich konzentriere mich
mal auf den Erzeugungsbereich -: Wir haben in zwei
Bereichen ein großes Problem. Den Emissionshandel haben wir mehrfach angesprochen. Aber jetzt kann man
sich doch nicht allen Ernstes hier hinstellen und sagen,
die Bundesregierung mit Sigmar Gabriel und Barbara
Hendricks
({8})
würde an der Stelle nichts tun oder sei gar zerstritten.
Beide sind in Europa die engagiertesten Kämpfer dafür,
dass wir den Emissionshandel wieder fitmachen. Das
wird europaweit anerkannt.
({9})
Ja, wir haben im Erzeugungsbereich an einer anderen
Stelle ein Problem, und zwar ein Problem aufgrund der
Situation, dass ineffiziente Kraftwerke in der Tat effiziente Kraftwerke aus dem Markt nehmen; das Thema
Kraft-Wärme-Kopplung ist eben angesprochen worden.
Da ist es gerade diese Bundesregierung, die ganz aktuell
dabei ist, in intensiven Gesprächen dafür zu sorgen, dass
wir beim Thema KWK zu unserer Zielverpflichtung für
das Jahr 2025 stehen. Wir wollen Effizienz in der Erzeugung; wir wollen den KWK-Ausbau.
({10})
Aber wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass wir
nicht nur beim Ausbau ein Problem haben, sondern auch
im Bestand. Wir erleben das deutschlandweit.
({11})
- Herr Hofreiter, auch wenn es lauter wird, wird es nicht
besser.
({12})
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es nicht nur
um den Neubau geht, sondern auch KWK-Bestandsanlagen vor der Abschaltung stehen,
({13})
weil sie nicht wirtschaftlich sind, und die Wärmeversorgung stattdessen beispielsweise mit Ölkesseln sichergestellt wird.
Darum sage ich: Wir, die SPD-Bundestagsfraktion,
wollen bis zum 1. August des nächsten Jahres hier für
Abhilfe sorgen.
({14})
Wir tun das ohne Klamauk. Wir machen das in der Verantwortung dafür, unsere Effizienzziele bis zum Jahr
2025, also auch das 40-Prozent-Ziel, zu erreichen; zu
diesen Zielen stehen wir ohne Wenn und Aber. Man erreicht sie jedoch nur mit viel kleinteiliger, mühsamer Arbeit, aber nicht mit Klamaukveranstaltungen.
Vielen Dank.
({15})
Danke schön. - Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt
Annalena Baerbock das Wort.
Liebe Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen
und Herren! Lieber Herr Becker, ich versuche gerade,
meiner kleinen Tochter zu erklären, dass man nicht dadurch überzeugt, dass man sagt: „Du bist aber doof!“,
sondern dadurch, dass man bessere Argumente anführt.
({0})
Wir haben wirklich gehofft, dass Sie heute mit besseren
Argumenten kommen und nicht - wie Ihr Wirtschaftsminister - einfach sagen: Greenpeace ist aber blöd, die
Grünen übrigens auch.
({1})
Ihr Parteifreund Matthias Miersch hat auf solche subtilen Behauptungen, Greenpeace und die Grünen wollten
sofort - gleichzeitig mit der Atomkraft - aus der Kohle
aussteigen, im Deutschlandfunk die richtigen Worte gefunden. Er hat gesagt:
Ich finde, wir führen da im Moment sowieso eine
Phantom-Diskussion, denn ich kenne niemanden,
auch keinen bewegten Umweltschützer, der gleichzeitig den Ausstieg aus der Atomkraft und der
Kohle fordert.
({2})
- Genauso ist es. Hören Sie bitte endlich einmal zu.
({3})
Und wenn nicht auf uns Grüne, dann hören Sie doch einfach auf Ihre Kollegen.
Sie haben es ja selber angesprochen, und da wird Ihre
ganze Argumentation einfach unstimmig, wenn Sie sagen: Ja, wir brauchen einen Wandel im Strommarkt. Ja,
es gibt Überkapazitäten.
({4})
Ja, auch wir wollen irgendwann aus der Kohle aussteigen, nur nicht jetzt.
({5})
- Das ist wirklich sehr schön: Wir machen unsere Hausaufgaben, aber dann, wenn die nächste Regierung dran
ist. Das ist eine ganz tolle Regierungsverantwortung, die
Sie hier an den Tag legen.
({6})
Und wie wollen Sie das denn machen?
({7})
- Wir wollen jetzt damit anfangen, Herr Heil, den Einstieg in den Kohleausstieg einzuleiten.
({8})
- So, jetzt hören Sie mir auch einmal zu. Das hat Ihr
Minister bei der Dena ja so schön gesagt: Ich habe das
Mikrofon, jetzt rede ich.
({9})
Und zwar: Wenn die Anteile der Erneuerbaren auf der
einen Seite ansteigen, dann müssen Sie doch den fossilen Kraftwerkspark auf der anderen Seite abbauen.
({10})
Wir haben einen Nettostromexport von 32 Terrawattstunden, und da müssen wir doch irgendetwas machen.
({11})
Und dann behauptet Ihr Minister plötzlich, dieser Nettostromexport, das sei die Windkraft. Man könnte wirklich
denken, man habe sich verhört.
({12})
Denn die Windkraftanlagen werden doch abgeschaltet,
und zwar in einem Umfang von mehr als 400 000 Megawattstunden im Jahr, weil die Braunkohlekraftwerke
eben nicht heruntergefahren werden.
({13})
Wir verstopfen mit unserem Braunkohlestrom die Netze
in Polen und Tschechien. Und wissen Sie was? Der
Minister hat es eigentlich ja auch dadurch eingestanden,
dass es die Überlegung gibt, den Anteil des Exports herauszurechnen, um die CO2-Ziele zu schönen.
({14})
Dann muss es doch der Braunkohlestrom sein; denn die
Windenergie erzeugt ja nicht CO2-Emissionen wie die
Braunkohle.
({15})
Sie wissen es also eigentlich besser.
Da Sie immer davon reden, die anderen sollten nicht
so große Illusionen haben, muss ich jetzt einmal mit einer Ihrer Illusionen aufräumen. Sie sagen, wir wollen
aus der Kohle aussteigen und der Emissionshandel soll
es richten. Da fragt man sich wirklich, ob das ein Karnevalsgag gewesen sein soll.
({16})
- Nein, ich schaue der Realität ins Auge.
({17})
Vor gut zwei Wochen wurde auf dem Europäischen
Rat festgestellt, dass wir eine Reform des Emissionshandels nicht vor 2020/21 in Gang bringen. Das bestreiten
Sie in den Ausschüssen auch gar nicht.
({18})
Aber Sie wollen mit diesem Emissionshandel, der nicht
vor 2020/21 reformiert werden wird, den Kraftwerkspark in Deutschland gestalten. Das passt doch alles vorn
und hinten nicht zusammen.
({19})
Sie können da die Augen verdrehen, so viel Sie wollen. Andere Länder haben es erkannt und sagen: Der
Preis ist im Keller, deswegen führen wir jetzt einen Mindestpreis ein.
({20})
- Ja, machen sie weiter so mit „Die haben ja keine Ahnung“.
({21})
Ich habe eben versucht, Ihr Verhalten am Beispiel eines
kleinen Kindes aufzuzeigen.
({22})
Andere Länder führen also einen Mindestpreis ein.
Sie machen auch hier nichts, sondern sagen einfach: Die
Reform des ETS wird schon irgendwie vom Himmel fallen. - So wird es eben nicht gehen. Es gibt keine Lenkungswirkung, und deswegen werden die Gaskraftwerke
aus dem Markt gedrängt. Das kann doch wirklich nicht
in Ihrem wirtschaftlichen Interesse liegen.
({23})
- Da Sie dauernd dazwischen schreien und fragen, was
wir denn machen wollen, sage ich Ihnen: Schauen Sie
sich unsere Anträge an.
Vor der Sommerpause haben wir hier eine Debatte
über Instrumente zum Kohleausstieg geführt. Da haben
wir CO2-Grenzwerte vorgeschlagen. Das machen auch
andere Länder. Das hat auch das DIW vorgeschlagen.
Das sind nicht nur die „grünen Spinner“, die so etwas
vorschlagen.
({24})
Die Linken haben etwas anderes vorgeschlagen, und
dann haben auch Sie von der SPD gesagt: Ja, Sie haben
recht. Wir müssen darüber diskutieren. Wir nehmen uns
die Sommerpause, schauen uns die Pläne an - das ist im
Wortprotokoll nachzulesen -, und im Herbst machen wir
uns gemeinsam daran, denn da kommt ja der Klimaaktionsplan, und dann legen wir einen Fahrplan für den fossilen Kraftwerksplan vor.
({25})
Genau auf Ihren Vorschlag warten wir. Keine Sorge, wir
bringen unsere CO2-Grenzwerte wieder ein.
({26})
Wir können darüber hier dann abstimmen, und dann sind
Sie einfach blank.
({27})
Dann kommt noch Ihr letztes, wirklich allerschönstes
Argument: Und wenn wir in Deutschland aus der Kohle
aussteigen, dann hat das für das Klima gar nichts gebracht, denn dann geht es ja in andere Länder.
({28})
- Sie müssen darüber verhandeln; denn Sie regieren. Ich
bin hier leider nur Opposition, ich kann es nicht verändern.
({29})
Wenn hier Zwiegespräche entstehen, dann muss ich
auf die Redezeit verweisen.
Vielleicht könnten Sie die Zeit stoppen?
Das mache ich nicht. Bitte denken Sie daran, dass Sie
zum Schluss kommen müssen.
Sie sagen, die Zertifikate würden in andere Länder
gehen. In Deutschland stehen die ältesten Kohlekraftwerke. In schlechtere Kraftwerke können die Zertifikate
gar nicht reinfließen. Andere Kraftwerke sind effizienter.
Unser Nachbarland Dänemark macht es uns vor. Es
fängt mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung an.
Ich kann Ihnen nur sagen: Ziehen Sie nach! Erinnern Sie
sich an die Worte Ihres Wirtschaftsministers, der damals
Umweltminister war, als er 2007 sagte:
Wir wissen, dass unsere Wirtschaft leiden wird,
wenn wir den Klimawandel nicht stoppen.
Herzlichen Dank.
({0})
Vielen Dank. - Nächster Redner ist Thomas Bareiß,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen! Meine
Herren! Frau Baerbock, da war sehr viel heiße Luft dabei.
({0})
Von besseren Argumenten habe ich nicht viel mitbekommen.
({1})
Erlauben Sie mir eine ganz grundsätzliche Feststellung zu Beginn meiner Rede. Sie haben immer noch
nicht anerkannt, dass wir in Deutschland die höchsten
klima- und energiepolitischen Ziele der Welt haben
({2})
und am schnellsten mit unserer Zielsetzung vorankommen. Die neuesten Zahlen belegen: Schon heute beträgt
der Anteil an Strom aus erneuerbaren Energien 27 ProThomas Bareiß
zent, so viel wie bei keiner anderen Industrienation der
Welt. Wir haben im Bereich Energieeffizienz - das ist
vielfach angesprochen worden - erreicht, was keine andere Nation geschafft hat: Wir haben das Wirtschaftswachstum vom Energiesparen entkoppelt. Wir haben seit
1990 ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von
30 Prozent, trotzdem haben wir 10 Prozent Energie eingespart.
({3})
Auch im Bereich des Klimaschutzes sind wir Vorreiter. Wir haben die Vorgaben der Kioto-Protokolle weit
übererfüllt. Auch wenn wir früher aus der Kernenergie
aussteigen und somit 50 Millionen Tonnen CO2 bei der
Einsparung verlieren, werden wir es trotzdem schaffen,
unser 40-Prozent-Ziel bis 2020 zu erreichen. Wir haben
entsprechende Vorschläge eingebracht. Wir fordern Sie
auf: Unterstützen Sie uns bei unseren Aktionen!
Wir haben gezeigt: Wir sind in allen Bereichen Vorreiter. Es fällt Ihnen schwer, das anzuerkennen, aber ich
glaube: Es ist es wert, bei diesem Projekt mitzumachen.
Ich bitte Sie: Packen Sie die Maßnahmen an, die wir mit
dem „Aktionsprogramm Klimaschutz 2020“ vorgelegt
haben.
Genauso, wie wir anerkennen müssen, dass wir beim
Erreichen unserer Ziele enorm vorangekommen sind,
müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass wir es nicht
schaffen werden, aus der Kernenergie und aus der Kohlekraft gleichzeitig auszusteigen.
({4})
Wir würden damit einerseits die Versorgungssicherheit
gefährden, andererseits würde die Wirtschaftlichkeit unserer Energieversorgung komplett aus dem Ruder laufen.
Wir würden unsere Wettbewerbsfähigkeit, gerade im Bereich der energieintensiven Industrie, in besonderer
Weise gefährden.
Deshalb war es wichtig, dass unser Vizekanzler und
Wirtschaftsminister vorgestern klar und deutlich gesagt
hat, dass es das mit uns nicht geben wird, sondern dass
wir eine Energiepolitik machen, die, wie Hubertus Heil
gesagt hat, auf Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit,
Klimaschutz und Umweltverträglichkeit aufbaut. Das ist
unser Maßstab, an dem wir uns auch messen lassen.
({5})
Was würde passieren, wenn wir das tun, was die Grünen vorschlagen: Ausstieg aus der Kohleenergie und der
Kernenergie innerhalb von zwei Jahrzehnten? Damit
würden wir zwei Drittel unserer Energieversorgung verlieren. Dann würden nicht nur die Energiepreise massiv
nach oben drehen. Damit würden wir unsere Energieversorgung massiv gefährden und im energieintensiven Bereich unsere Wettbewerbsfähigkeit aufs Spiel setzen.
Wir würden aber auch einen wichtigen Wirtschaftszweig in Deutschland innerhalb von wenigen Jahren kaputtmachen. Ich spreche von der Braunkohle. Auch
wenn es immer gleich abgetan wird - von den Linken in
ganz besonderer Weise, obwohl die betroffenen Regionen immer sehr stark auf die Linken setzen -, muss man
klar sagen, dass 60 000 Menschen von der Braunkohle
leben, einem heimischen Rohstoff, dessen Abbau viele
Jahre Tradition hat. Wir müssen unsere Verantwortung,
die wir gegenüber den Menschen gerade im rheinischen
Revier und in der Lausitz haben - die, wie gesagt, schon
viele Jahre auf diesen Rohstoff setzen -, wahrnehmen.
Wir brauchen eine Verlässlichkeit in unserer Politik. Wir
übernehmen Verantwortung, auch für diese Regionen.
({6})
Ein weiterer Punkt, den ich unterstreichen will - mein
Kollege Hubertus Heil hat ihn schon angesprochen -, ist:
Auch wenn wir jetzt einseitig aus der Kohle aussteigen
würden, würden wir dem Klimaschutz kein bisschen helfen. Wir haben auf europäischer Ebene ein Instrument
für den Klimaschutz. Wir haben uns 2005 auf den Emissionshandel geeinigt, der richtig und sinnvoll ist. Wenn
wir jetzt aus der Stromerzeugung mittels unserer effizienten Kraftwerke aussteigen, dann werden alle davon
profitieren, die weiterhin auf ineffiziente Kraftwerke setzen. Das wäre ein Pyrrhussieg für die Energiewende.
Das würde uns gar nichts bringen. Wir müssen schauen,
dass der Emissionshandel funktioniert und stark ist. Bei
der Klimagasreduktion muss die marktwirtschaftliche
Komponente stärker an Bedeutung gewinnen.
({7})
Wenn wir im Zusammenhang mit dem Klimaschutz
über Braunkohle und Steinkohle diskutieren, müssen wir
berücksichtigen, dass in den nächsten Jahrzehnten der
Anteil der Energiegewinnung aus Kohle in der Welt zunehmen wird. Allein in den nächsten Jahren werden jede
Woche zwei Kohlekraftwerke ans Netz gehen. Ich sage
es ganz offen: Wenn wir es mit dem Klimaschutz ernst
meinen, dann müssen wir dafür sorgen, dass diese Kraftwerke auf der Basis unserer Technologie klimafreundlich sind. Wir müssen sehen, dass, wenn die klimafreundlichen Kohlekraftwerke aus Deutschland in der
Welt gebaut werden, jedes Jahr 300 Millionen Tonnen
CO2-Ausstoß gespart werden können. Auch das wäre ein
ganz wichtiger Baustein. Statt als Einziger auszusteigen,
müssen wir schauen, dass die Welt auf effiziente und klimafreundliche Produkte setzt. Das ist unser Ziel, das wir
gemeinsam anpacken müssen.
Herzlichen Dank.
({8})
Vielen Dank. - Nächster Redner ist Dr. Matthias
Miersch, SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben heute Vormittag eine sachliche und sehr tiefgehende Debatte erlebt. Ich glaube, das Thema, über das
wir jetzt reden - der Klimaschutz in der zeitlichen
Perspektive 2020/2050 -, hat es auch verdient, dass wir
einander einfach einmal zuhören und uns gegenseitig unsere Sichtweisen erklären.
({0})
Ich finde, es geht nicht, dass einfach nur mit Unterstellungen und Halbwahrheiten gearbeitet wird. Ich jedenfalls habe in den Diskussionen der letzten Tage den Eindruck gewonnen, dass wir uns gegenseitig etwas
unterstellen, obwohl wir es möglicherweise gar nicht
wollen.
({1})
- Jetzt hören Sie doch einfach erst einmal zu!
Diese Große Koalition hat einen Koalitionsvertrag
vereinbart. Darin steht als Ziel eine Minderung des CO2Ausstoßes um mindestens 40 Prozent. Kein Regierungsmitglied hat dieses Ziel infrage gestellt. Das muss hier
noch einmal betont werden.
({2})
Diese Bundesregierung gibt erstmalig zu, dass nach
vielen Jahren des Stillstands dieses Ziel mit den bisherigen Maßnahmen nicht zu erreichen ist. Dieser Wirtschaftsminister und diese Umweltministerin haben diese
transparente Diskussion überhaupt erst ermöglicht.
({3})
- Britta Haßelmann, zur Wahrheit gehört auch, dass hier
in diesem Raum keiner ist - so glaube ich; das wurde in
den Beiträgen heute deutlich -, der 2020 aus der Kohleverstromung aussteigen will. Damit haben wir hier möglicherweise ein gutes Fundament. Wenn ich mir die Koalitionsverträge in Brandenburg und NRW anschaue,
dann weiß ich, dass zumindest die Linken und die Grünen in den Ländern, wo sie mitregieren, anerkennen,
dass das eine große Strukturfrage ist, die wir auch im
Sinne dieser Regionen beantworten müssen.
({4})
Deswegen weigere ich mich, eine Debatte zu führen
nach dem Motto: Umwelt gegen Wirtschaft und Wirtschaft gegen Umwelt.
({5})
Ich glaube, wir können gemeinsam mehr hinbekommen.
Jetzt kommen wir zum entscheidenden Punkt, Herr
Krischer: Diese Regierung hat gesagt, dass sie am 3. Dezember 2014 einen Aktionsplan, einen Effizienzplan
vorlegt. Ich finde, es ist das Mindeste, dass man als Opposition abwartet, was vorgelegt wird. Dann werden wir
uns darüber austauschen müssen.
({6})
Ich sage Ihnen auch: Am 3. Dezember 2014 wird das
Klima weder gerettet noch wird es verloren sein. Die Fokussierung auf einen Stichtag halte ich für grundfalsch,
im Übrigen auch im internationalen Sektor. Wir werden
kontinuierlich prüfen müssen, ob die Stellschrauben
richtig gesetzt sind und ob sie greifen; denn beim Klimaschutz geht es immer auch um die Frage, wie das Wetter
aufs Jahr gesehen war und wie sich die Wirtschaft entwickelt. All diese Geschichten spielen eine Rolle.
Ab dem 3. Dezember 2014 werden wir als Parlamentarier erstmalig in der Lage sein, diese Bundesregierung
diesbezüglich zu kontrollieren. Es gibt offene Fragen,
die die Bundesregierung und wir als Parlamentarier gemeinsam beantworten müssen. Eine entscheidende
Frage für mich ist: Wie schaffen wir es, dass hochflexible Gaskraftwerke am Netz und alte Kohlemöhren vom
Netz sind? Denn wir können nicht wollen, dass der augenblickliche Zustand bestehen bleibt, liebe Kolleginnen
und Kollegen.
({7})
- Sie unterstellen wieder, dass man das nicht will!
({8})
Ich glaube aber, dass dieser Fakt so nicht zutreffend ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden dann
auch darüber reden müssen, wie wir beispielsweise all
die anderen Sektoren behandeln. Bislang haben wir nur
über Umwelt und Wirtschaft geredet. Ich glaube, in
diese Debatte gehört auch, zu erwähnen, dass das ein
ganzheitliches Thema ist, welches wir auch unter Mobilitäts- und landwirtschaftspolitischen Gesichtspunkten
behandeln müssen. Auch das gehört in die Debatte, liebe
Kolleginnen und Kollegen.
({9})
Jetzt mache ich einen großen Strich darunter, weil man
ja nicht mehr als fünf Minuten Redezeit hat.
Ich glaube, dass wir alle gut beraten sind, ein bisschen
sachlicher zu sein und dem anderen ein wenig mehr zuzuhören. Das Thema ist viel zu groß, als dass wir uns bei
seiner Behandlung zerlegen sollten. Die Lösungen
müssen über Jahre und Jahrzehnte halten. Ich finde, ab
3. Dezember sollten wir das gemeinsam und konstruktiv
tun.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
({10})
Vielen Dank. - Nächster Redner ist Josef Göppel,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die
Stimmung für den Klimaschutz ist im Herbst 2014 etwas
günstiger geworden. Es gab den Beschluss der europäischen Regierungschefs, 40 Prozent CO2-Minderung bis
2030 zu erreichen. Das hat eine neue Dynamik in die
Debatte gebracht. Man darf vermuten, dass die jüngsten
Absichtserklärungen der Vereinigten Staaten und Chinas
auch auf das europäische Signal zurückgehen. Diesen
Beschluss der europäischen Regierungschefs hat Frau
Merkel durchgekämpft. Das war das entscheidende Signal. Deswegen ist für die Konferenzen, die jetzt in Südamerika und nächstes Jahr in Paris stattfinden, eine
günstigere Ausgangslage vorhanden.
Auf der anderen Seite müssen wir aber auch sehen,
dass trotz des großen Einsatzes der deutschen Kanzlerin
das Ziel einer Minderung des CO2-Ausstoßes um 40 Prozent am unteren Ende des Pfades der Europäischen
Union für 2050 liegt. Das macht klar: Wir haben auf dem
Weg bis 2050 zur Einhaltung des 2-Grad-Zieles mehr zu
tun, als dieser Beschluss jetzt festlegt, obwohl es schon
schwer genug ist, die darin enthaltenen Ziele zu erreichen.
Ich richte nun den Blick auf das deutsche Ziel, bis
2020 minus 40 Prozent zu erreichen. Selbstverständlich
spielen da die Emissionen der fossilen Kraftwerke eine
entscheidende Rolle.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben da nur ein
Problem. Wenn man das jetzt marktwirtschaftlich über
den Emissionshandel lösen will, ist das richtig. Es ist
aber so, dass die Beschlüsse der europäischen Regierungschefs erst ab 2021 gelten.
({1})
Wir müssen uns in der Koalition in der Tat überlegen,
was wir in diesem Jahrzehnt noch tun müssen. Genau
darum geht es. Herr Kollege Heil, ich erinnere mich,
dass im letzten Jahr bei den Koalitionsverhandlungen in
der Arbeitsgruppe Energie eine Liste alter fossiler Kraftwerke vorgelegt wurde. Ich bin nicht der Meinung, dass
der Staat den Befehl zum Stillstand geben muss; wir
müssen aber die politische Richtung und die Rahmenbedingungen vorgeben.
Wir von der Union halten uns exakt an das, was
Sigmar Gabriel als Umweltminister damals in Meseberg
für die gesamte Bundesregierung verkündet hat. Wir
wollen die Lücke füllen. Insofern unterstützen wir die
Vorlage der Umweltministerin. Ich denke, dass die Koalition aus dieser Debatte überzeugend herauskommen
kann; denn wir dürfen unseren Blick in der Tat nicht nur
auf die Stromerzeugung richten.
Es geht jetzt, meine lieben Kollegen von den Sozialdemokraten, darum, dass sozialdemokratisch- und grüngeführte Länder der steuerlichen Absetzbarkeit der Kosten für energetische Sanierungen zustimmen.
({2})
Es geht auch um die Energieeffizienz. Wenn ich heute
in einer großen deutschen Zeitung lese, Energieeffizienz
könne man nicht verordnen, man brauche einen „Instrumentenmix, der Lust auf Energieeffizienz macht“, frage
ich mich, ob das ausreichen wird. Auch da ist eine gewisse politische Rahmensetzung unumgänglich.
Die Europäische Union hat eine Untersuchung veröffentlicht, nach der die Kosten der Energieerzeugung in
Europa, und zwar in Bezug auf die Primärenergie,
50 Prozent über dem liegen, was die Verbraucher heute
wirklich zahlen. Gemeint sind die Umwelt- und Gesundheitskosten. Wer heute davon spricht, dass wir Rohstoffe
noch lange ausbeuten sollen oder dass wir das eine oder
andere aufschieben sollen, der verkennt völlig, dass wir
uns mit einer solchen Haltung volkswirtschaftlich in die
Tasche lügen.
({3})
Vielen Dank. - Das Wort hat jetzt Volkmar Vogel,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Als Ingenieur und als positiv denkender Mensch
möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal an die
Opposition wenden und daran erinnern, um was es hier
geht: Es geht darum, die Treibhausgasemissionen bis
2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Bei aller
Kritik, die auch heute kam: Wir sind dabei auf einem
sehr guten Weg, weil die richtigen Entscheidungen der
vergangenen Jahre dazu geführt haben, dass wir nach
heutigem Stand eigentlich nur noch eine Lücke - deswegen bin ich auch ein positiv denkender Mensch - von
etwa 6 oder 7 Prozent haben, die wir unter Umständen
noch bis 2020 schließen müssen. Die bereits erreichte
Senkung von 33 oder 34 Prozent kommt auch nicht von
irgendwoher, sondern, ich denke, unser gemeinsames
Handeln in den letzten Jahren hat dazu geführt, dass wir
hier auf dem richtigen Weg sind.
Wenn wir diese Lücke schließen wollen - das sage ich
jetzt als Ingenieur - gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wir beseitigen die Quelle der Emissionen und schalten die Kraftwerke ab, oder - das ist die zweite Möglichkeit - wir sorgen dafür, dass der Bedarf, den wir an
Energie haben, weniger wird, sodass wir überhaupt nicht
Volkmar Vogel ({0})
so viel zu erzeugen brauchen. Letztendlich müssen wir
trotz alledem dafür sorgen, dass dieser Weg für alle wirtschaftlich und sozial verträglich ist, vor allen Dingen für
unsere Endverbraucher, für den Bürger, aber in gleicher
Weise natürlich auch für unsere Wirtschaft. Mit dem,
was wir bisher auf den Weg gebracht haben, hat sich gezeigt, dass dies für unsere Bürger vertretbar bzw. hinnehmbar ist und unsere Wirtschaft noch keinen großen
Schaden erlitten hat.
Das wird sich aber ändern, wenn wir dem folgen, was
seitens der Grünen vorgesehen ist, nämlich übereilt
Kraftwerkskapazitäten vom Markt zu nehmen. Das hat
auch mit sozialer Verantwortung zu tun. Denken Sie
bitte auch an die Kumpel im Tagebau, denken Sie an die
Mitarbeiter in den Kraftwerken, die natürlich jetzt über
ihre Betriebsräte, über ihre Interessenvertretungen sehr
viele Ängste zum Ausdruck bringen und sich mit diesen
Ängsten auch an uns wenden.
Mit dem Ersatz sind wir auf dem richtigen Weg. Über
25 Prozent wird mittlerweile aus erneuerbaren Energien
erzeugt. Dieser Weg setzt sich fort und wird dazu führen,
dass wir Schritt für Schritt vernünftig die fossilen Energiequellen abschaffen können. Wichtiger ist, dass der
Bedarf reduziert wird. Jede Kilowattstunde, die nicht gebraucht wird, muss auch nicht wie auch immer erzeugt
werden. Insofern muss ich sagen, dass die Diskussion
seitens der Opposition zu einem großen Teil ideologiegesteuert war.
({1})
Ich denke, ein Stück weit die physikalischen Gesetze
wirken zu lassen und anzuwenden, kann an dieser Stelle
nicht schaden.
Ein Bereich, den ich als Baupolitiker zu vertreten
habe, der Gebäudebereich, ist mit 40 Prozent an dem beteiligt, was wir hier in Deutschland an Energie brauchen.
Deswegen denke ich, dass das, was derzeit in der Diskussion ist und auch auf den Weg gebracht wird, nämlich unser Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 und der
darin enthaltene Nationale Aktionsplan Energieeffizienz,
ein Schritt in die richtige Richtung ist. Wir werden hier
bereits im nächsten Jahr Sofortmaßnahmen einleiten.
Für mich spielt es eine ganz besonders wichtige Rolle,
die Bürger mitzunehmen. Deswegen bedarf es Beratung.
Deswegen bedarf es Information. Deswegen bedarf es
auch einer Qualitätssicherung im Hinblick auf das, was
wir vorhaben.
Die Menschen brauchen Planungssicherheit. Die Erfolge der letzten Jahre, besonders der letzten Monate,
zeigen: Wenn wir den Leuten Planungssicherheit geben,
sowohl bei den ordnungsrechtlichen Vorschriften wie
der EnEV als auch bei den Förderinstrumenten wie dem
CO2-Gebäudesanierungsprogramm, wenn wir dafür sorgen, dass diese Programme langfristig gut ausgestattet
sind, und zeigen, dass auch eine finanzielle Aufstockung
stattfindet, dann hilft das, die klimapolitischen Ziele zu
erreichen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe,
an der sich alle beteiligen müssen und an der sich mittlerweile auch alle beteiligen wollen.
Die steuerliche Abschreibung, die zum Glück wieder
in der Diskussion ist - es gab sie ja bereits 2011; leider
ist sie damals an den Ländern gescheitert -, ist dafür ein
wesentlicher Baustein. Wir können nicht alles durch die
Umverteilung von Steuermitteln erreichen. Wir müssen
privates Kapital heben. Privates Kapital heben wir durch
die Schaffung steuerlicher Anreize. Deswegen bin ich
und sind wir Baupolitiker sehr froh, dass diese Diskussion wieder geführt wird.
Ich muss aber anmahnen: Wir müssen hier schnell,
und zwar bis zum Ende des Jahres, zu einem Ergebnis
kommen. Alles andere würde für Unsicherheit sorgen
und dazu führen, dass viele Akteure, die willens sind, in
diesem Bereich etwas zu tun, abwarten würden. Das hilft
weder dem Klima noch der Wirtschaft, etwa dem Handwerk und der Industrie, die natürlich auch darauf warten,
dass etwas geschieht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie
mich zum Abschluss sagen: Die Diskussion, die wir hier
führen, sollten wir unideologisch führen. Wir sollten
auch die physikalischen Vorgaben, die es gibt, beachten,
nämlich den Satz von der Erhaltung der Energie.
Ich bin ja in einem Teil unseres Landes aufgewachsen, der einmal versucht hat, eine Energieträgerumstellung vorzunehmen. Ich muss sagen: Das Fehlschlagen
dieser Energieträgerumstellung war - auch wenn es
nicht der entscheidende Sargnagel war - zumindest ein
Sargnagel für den Untergang dieses Staates. Meine Verantwortung ist es, hier mit Weitsicht und den richtigen
Entscheidungen dafür zu sorgen, dass uns diese Energiewende gelingt.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({2})
Vielen Dank. - Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 7 a und 7 b auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
({0})
Drucksache 18/2710
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({1})
Drucksache 18/3141
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung ({2})
- zu dem Antrag der Abgeordneten
Dr. Rosemarie Hein, Diana Golze, Matthias
W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Kooperationsverbot abschaffen - Gemeinschaftsaufgabe Bildung im Grundgesetz
verankern
- zu dem Antrag der Abgeordneten Kai
Gehring, Katja Dörner, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kooperationsverbot kippen - Zusammenarbeit von Bund und Ländern für bessere
Bildung und Wissenschaft ermöglichen
Drucksachen 18/588, 18/2747, 18/3141
Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegen
ein Änderungsantrag und ein Entschließungsantrag der
Fraktion Die Linke sowie ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Über den Gesetzentwurf der Bundesregierung und über die beiden Änderungsanträge werden wir später namentlich abstimmen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Für die Bundesregierung
erhält jetzt das Wort die Bundesministerin Professor
Dr. Johanna Wanka.
({3})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Uns liegen der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Grundgesetzes und zwei Änderungsanträge vor; von der
Präsidentin wurden sie gerade genannt. Zudem liegt ein
Antrag von Bündnis 90/Die Grünen vor. Er ist überschrieben mit „Kooperationsverbot kippen - Zusammenarbeit von Bund und Ländern für bessere Bildung und
Wissenschaft ermöglichen“.
({0})
Er beginnt mit dem Satz:
Im Jahr 2006 hat die letzte Große Koalition das Kooperationsverbot im Grundgesetz verankert.
Dann kommt die Linke mit einem Antrag unter der
Überschrift „Kooperationsverbot abschaffen - Gemeinschaftsaufgabe Bildung im Grundgesetz verankern“. Der
erste Satz dieses Antrags lautet:
Das Verbot der Zusammenarbeit von Bund und
Ländern in der Bildung gilt seit der … Föderalismusreform von 2006 …
({1})
Der Witz ist: Es gibt überhaupt kein Kooperationsverbot.
({2})
- Das weiß ich auch nicht. - Wir haben so viel Kooperation zwischen Bund und Ländern wie noch nie.
({3})
2006 ist eine Änderung in das Grundgesetz aufgenommen worden, über die wir uns in den Ländern und
auch in den Hochschulen riesig gefreut haben: Mit dieser
Änderung des Grundgesetzes wurden neue Möglichkeiten geschaffen. Auch vorher war es schon möglich, zu
kooperieren, etwa im Bereich der Bildungsplanung, im
Bereich der Forschung, und dann ab 2006: auch die
Möglichkeit im Bereich der Lehre. Wir alle haben uns
damals riesig über den Mut der Großen Koalition gefreut, dieses Vorhaben anzugehen. Die Verträge und die
Pakte, zum Beispiel der Hochschulpakt oder der Qualitätspakt Lehre, wären vorher nicht möglich gewesen.
Ohne diese Grundgesetzänderung hätten diese Pakte
nicht aufgelegt werden können.
({4})
Das war die Basis dafür.
Die Minister haben vorletzte Woche in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz die dritte Programmphase
des Hochschulpakts beschlossen. Alle Minister, egal
welcher Partei, haben gemeinsam einen einstimmigen
Beschluss gefasst. Sie haben gesehen, dass dies ein tolles
Instrument ist. Wenn wir etwas gemacht haben, um der
demografischen Entwicklung Rechnung zu tragen, dann
war das diese Grundgesetzänderung. Sie war das
Klügste, was wir machen konnten.
Die Erfolge sind da. Jetzt wollen wir das Ganze noch
verbessern, Herr Mutlu. Das, was immer noch als Nachteil angesehen wird - laut Grundgesetz ist seit 2006 eine
Kooperation im Hochschulbereich zwar temporär, aber
nicht institutionell möglich -, ändern wir jetzt. Das
heißt, das, was wir 2006 begonnen haben, werden wir
noch weiter verbessern.
Wenn diese Maßnahmen greifen, dann können wir
vieles machen, was wir bisher nicht machen konnten und
was für eine Industrie- und Wissenschaftsnation wie
Deutschland eigentlich ein Unding ist. Wir konnten in
den letzten Jahren zwar gemeinsame Strategien mit der
Max-Planck-Gesellschaft oder mit der Helmholtz-Gemeinschaft entwickeln. Wir konnten fragen: Was wollen
wir als Nächstes machen? Was sind die großen Forschungsprojekte? Aber wir konnten mit den Hochschulen langfristig keine strategischen Kooperationen eingehen und entsprechende Zielstellungen entwickeln. Jetzt
schaffen wir diese Möglichkeit.
({5})
Dabei geht es zum Beispiel - Stichwort „Industrie
4.0“ - um die Frage: Wie gelingt es uns, die Ordnung total zu verändern? Wie gelingt es uns, die Fachkräfte, die
wir dafür brauchen, aber noch nicht haben, zu bekom6224
men? Das sind strategische Fragen. Dabei geht es nicht
nur ums Geld, sondern es geht auch um Strategien und
Abstimmungen.
Ich kann Ihnen sagen, dass sich in der Wissenschaftsszene, als der Koalitionsvertrag geschlossen wurde,
große Enttäuschung breitmachte, weil alle erwartet haben, dass das Ganze jetzt angegangen und noch einmal
verbessert wird. Dass wir heute diese Änderung besprechen, ist ein ganz großer Erfolg. Dieser wird auch von
außen so wahrgenommen.
({6})
Das, was wir heute machen, reicht weit über diese Legislaturperiode hinaus. Diese Veränderungen im Wissenschaftssystem in Deutschland mit positiven Auswirkungen auf die Leistungskraft wirken bis weit über die
nächsten Jahre hinaus.
Wir haben vor kurzem in unserem Ausschuss eine
Anhörung dazu durchgeführt. Alle Sachverständigen,
egal welcher Couleur, haben ohne Ausnahme - wann
passiert einem das schon einmal? - diesen Entwurf eines
Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes - er liegt auf
dem Tisch - begrüßt und haben gesagt: Das ist ein wichtiger Schritt, das ist ein richtiger Schritt.
({7})
Ich möchte Ihnen das Lob dieser Sachverständigen
nicht vorenthalten. So sagte zum Beispiel Professor
Löwer in der Anhörung - man muss bedenken, er ist Jurist -: Ich sehe mich außerstande, die Regelung, die auf
dem Tisch liegt, zu kritisieren.
({8})
- Ja, das war klasse. - Herr Hippler, der Präsident der
Hochschulrektorenkonferenz, in der über 300 Hochschulen Mitglied sind, und Herr May, der Generalsekretär des
Wissenschaftsrates, haben gesagt, sie sähen das genauso.
Dabei reden sie nicht für sich als Person, sondern als
Vertretung ihrer Institution. Ich denke, das ist ein Riesenschritt in der Kooperation zwischen universitären und
außeruniversitären Einrichtungen. Eine Weiterführung
der Exzellenzinitiative wird durch diese Grundgesetzänderung sehr viel einfacher und effektiver.
Man muss auch sagen, dass in der Diskussion einige
Sachverständige natürlich weitergehen wollten und
meinten: Das ist ein großer, wichtiger Schritt; aber wir
müssen darüber nachdenken, diesen Schritt auch für die
anderen Bereiche der Bildung zu machen.
({9})
Einige Sachverständige sagten jedoch eindeutig - der
Meinung bin auch ich -: Es ist nicht so, dass man nach
diesem ersten Schritt einfach den zweiten machen kann.
Vielmehr besteht strukturell ein grundlegender Unterschied zwischen der Organisation von Schulen und den
Einrichtungen im Wissenschaftsbereich. - Sie haben
auch ausgeführt, was es für die Länder bedeuten würde,
wenn man an dieser Stelle ihre Kompetenzen, die sie
auch auf der kommunalen Ebene haben - die Schulen
werden von den Kommunen getragen -, streichen
würde, und deutlich gemacht, was eine Änderung des
Artikels 91 b des Grundgesetzes bedeuten würde, nämlich Mitwirkungsrechte des Bundes. Das wollen die Länder nicht, was ich verstehe. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass die Länder irgendwelche
Mitwirkungsrechte angeboten hätten. Aber nur Geld zu
geben - ohne Mitwirkung -, ist natürlich überhaupt nicht
in Ordnung.
({10})
Als wir das Thema im Bundesrat diskutiert haben,
gab es keinen Antrag der Länder dazu. Es gibt keinen
Antrag der Länder im Bundesrat, die Mitwirkungsrechte
zu erweitern. Dort wird vielmehr ganz klar gesagt: Wir
wollen, dass der Bund uns bei den großen Themen wie
der Inklusion mit unterstützt, und zwar unterhalb einer
Grundgesetzänderung.
({11})
Jetzt kommt meine Sozialisation als frühere Landesministerin durch: Ich habe es nie gemocht, wenn einem
Gutes getan wird, wenn einem also von oben gesagt
wird, was man machen soll, ohne dass man entsprechende Kenntnisse und Kompetenzen hat. Deswegen
glaube ich, wir sollten an dieser Stelle sagen: Wir gehen
heute einen wichtigen, entscheidenden Schritt für den
Wissenschaftsbereich, und das wollen wir in den nächsten Jahren entsprechend nutzen.
In den Diskussionen und auch in verschiedenen Anfragen wurde nach dem Hochschulbau gefragt. Der
Hochschulbau ist mit finanzieller Beteiligung des Bundes in die alleinige Kompetenz der Länder übergegangen: 700 Millionen Euro jährlich bis 2013.
({12})
Dies war klasse. Alle, die einmal mit HBFG-Verfahren
zu tun hatten, wissen, wie einem zumute war: Man war
es gründlich leid. Dass in den Ländern das nötige Geld
zur Verfügung stand, um entsprechend zu bauen, galt bis
2013. Die 700 Millionen Euro sollten bis 2019 auf null
abschmelzen.
Was ist im letzten Jahr von der Bundesregierung verhandelt worden? Es ist verhandelt worden, dass es bis
2019 bei 700 Millionen Euro bleibt. Jetzt ist es Sache der
Länder, dafür eine Zweckbindung zu schaffen,
({13})
Kabinettsbeschlüsse zu schaffen und das Geld wirklich
in den Hochschulbau zu leiten. Das Geld ist dort vorhanden.
Mit der Grundgesetzänderung, über die wir jetzt beraten, besteht die Option, nach 2019 neu darüber nachzudenken, den Hochschulbau dann möglicherweise wieder
etwas anders zu realisieren.
({14})
Eine letzte Bemerkung. Bei der im Gesetzentwurf
enthaltenen Formulierung, dass es um „Fälle überregionaler Bedeutung“ geht, geht es nicht um einzelne Institutionen, auch wenn das ebenfalls möglich ist. Es geht
vielmehr um Themen wie die Frauenförderung. Im Zusammenhang mit der Förderung von Frauen in der Wissenschaft in der Bundesrepublik Deutschland ist zum
Beispiel das Professorinnenprogramm von überregionaler Bedeutung. Es betrifft über 120 Hochschulen; es ist
nicht auf einzelne Institutionen beschränkt.
Es geht auch um das Thema „wissenschaftlicher
Nachwuchs“. Das ist eines der größten Probleme, die
uns beschäftigen. Mit dieser Grundgesetzänderung sind
wir, wenn sie uns gelingt, in der Lage, auch institutionell
in diesem Bereich etwas zu machen. Ich könnte noch
weitere Themen nennen; auch die kleinen Fächer sind
von Bedeutung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sollten
mir einfach glauben: Wenn das Grundgesetz an dieser
Stelle geändert wird, dann wird die Tür zu einer neuen
Qualität der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Hochschulbereich aufgestoßen. Ich würde mich
sehr freuen, wenn Sie die Tür heute ein Stück aufmachen, und wünsche mir, dass Sie zustimmen.
Danke schön.
({15})
Vielen Dank. - Das Wort hat die Kollegin
Dr. Rosemarie Hein, Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Mit dem Glauben ist es bei mir so eine Sache: Ich glaube
nicht jedem.
({0})
Was Sie gesagt haben, Frau Ministerin, kommt mir ein
bisschen vor wie das Pfeifen im Walde. Es gibt gar kein
Kooperationsverbot? Aha.
Ich frage mich nur, worüber wir die ganzen letzten
fünf Jahre, seit ich im Bundestag bin, am laufenden
Band gestritten haben. Immer wenn wir einen Antrag
vorgelegt haben, in dem es um Bildungsfinanzierung
ging, wurde uns gesagt: Das geht nicht. Wir haben doch
das Kooperationsverbot; dafür sind die Länder zuständig.
({1})
Das war wirklich so. Deshalb denke ich heute, ich bin im
falschen Film. Ist das alles nicht mehr wahr?
({2})
Warum um alles in der Welt wollen wir dann heute
das Grundgesetz ändern, und wofür? Das müssen Sie
mir schon erklären.
({3})
Klar, Sie wollen Artikel 91 b des Grundgesetzes ändern und nun auch die Zusammenarbeit im Bereich von
Wissenschaft und Lehre erlauben. Aber ebenjener zitierte Professor Löwer hat auch gesagt: Alles, was Sie
danach können, konnten Sie bisher auch schon, wenn
auch über befristete Pakte.
({4})
Nun frage ich mich: Was wird jetzt anders? Ich habe
ein großes Problem damit, dass Sie sagen: Das wird jetzt
alles viel besser.
Ich verstehe auch die Hochschulvertreter. Sie glauben
Ihnen nämlich tatsächlich. Sie glauben, dass sie jetzt
mehr Geld und mehr Verlässlichkeit bekommen.
({5})
Auch die Länder werden das so konnotieren, in der
Hoffnung, dass sie nun endlich die Grundfinanzierung
der Hochschulen besser gestalten können. Möglicherweise werden alle Länder, auch diejenigen, in denen wir
mitregieren, dieser Grundgesetzänderung im Bundesrat
zustimmen. Ich verstehe das auch. Aber das heißt nicht,
dass wir unsere Kritik daran aufgeben. Ich finde, dass
hier kein Erfolg zu vermelden ist.
({6})
Wir kritisieren vor allem drei Punkte:
Erstens. Der gesamte Bereich der nichtakademischen
Bildung bleibt außen vor, von der Kita bis zur Weiterbildung. Da tun Sie gar nichts. Sie haben natürlich recht:
Das ist nicht erst seit 2006 so. Das ist wohl wahr!
({7})
Zweitens. Es sollen nur Vorhaben von überregionaler
Bedeutung gefördert werden. Wir haben gerade in der
Anhörung gehört, wie auslegungsbedürftig das ist und
wie lange man sich darüber streiten kann.
Drittens. Die Länder müssen einstimmig entscheiden;
sonst gibt es gar kein Geld. Das heißt, ein einziges Land
kann eine vernünftige Regelung für alle anderen blockieren. Das ist unbefriedigend. Das reicht uns nicht.
({8})
Deshalb haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, der diese Kritikpunkte und keine anderen zu heilen versucht. Ich sage es Ihnen gleich: Wenn Sie diesem
Antrag zustimmen, bekommen Sie auch unsere Zustimmung zur Grundgesetzänderung; das ist es uns wert. Das
ist dann ein Schritt in die richtige Richtung. Anderenfalls ist es das nicht.
({9})
Wie gesagt, das, was Sie nach der Grundgesetzänderung finanzieren wollen, können Sie schon jetzt finanzieren, zum Beispiel Hochschulpakte und die Exzellenzinitiative. Da drängt sich doch der Verdacht auf, dass es
lediglich um eine Entfristung solcher Pakte geht und
nicht um neue Möglichkeiten der Grundfinanzierung der
Hochschulen. Genau genommen ist das auf Seite 2 des
Gesetzentwurfs sogar zu lesen. Da steht nämlich - ich
zitiere -: „Durch die Grundgesetzänderung ergeben sich
keine finanziellen Auswirkungen.“ Aha! Es geht also
nicht ums Geld, wie die Ministerin schon gesagt hat. Allein das Grundgesetz zu ändern, gefährdet natürlich noch
nicht die schwarze Null. Wenn Sie aber nicht mehr Geld
in das System stecken, ist das Ganze völlig überflüssig.
Dann kann man das alles schon jetzt machen. Dann
brauchen wir keine Grundgesetzänderung.
({10})
Schlimmer allerdings ist, dass sich Bund und Länder
keinen Millimeter bewegen, um die verfahrene Situation
in anderen Bildungsbereichen zu ändern. Vor allem bei
der Schulbildung bleibt alles beim Alten.
Ich will Ihnen nur ein einziges Beispiel dafür nennen:
Gestern Abend wurde eine Studie zur Medienbildung in
den Schulen vorgestellt. In der anschließenden Podiumsdiskussion haben die Vertreter der Koalition im Regen
gestanden. Als sie gefragt wurden, wie der Bund die Medienbildung befördern wolle - das ist ein wichtiges
Thema auch im Koalitionsvertrag -, antworteten sie,
dass sie ein Papier erarbeiten und mit Sicherheit am
Thema dranbleiben wollten. Tatsache ist aber: Ohne eine
Änderung des Grundgesetzes können Sie eben nicht dafür sorgen, dass zum Beispiel alle Schulen mit WLAN
ausgestattet werden; denn den Schulbau dürfen Sie nicht
mitfinanzieren. Sie können auch nicht für kostenlose
Lehr- und Lernmittel sorgen. Sie können nicht einmal einen Pakt mit den Ländern zum Ausbau der Medienbildung in den Schulen schließen; denn dann müssten Sie
Schulen finanzieren. Das ist Ihnen aber verboten.
So wird Ihr groß angekündigtes Papier nichts weiter
sein als weiße Salbe, also Medizin ohne Wirkung. Das
wird nichts helfen. Deshalb bleiben wir hartnäckig bei
der Forderung nach einer umfassenden Grundgesetzänderung für den gesamten Bildungsbereich. Wir haben in
Erwartung Ihres überschaubaren Abstimmungsverhaltens einen Entschließungsantrag vorgelegt; denn nach
der Grundgesetzänderung ist vor der Grundgesetzänderung. Es muss weitergehen. Wir haben Ihnen aufgeschrieben, wie es besser gehen kann. Im Übrigen ist mir
völlig klar, warum Sie diese Debatte in die frühen
Abendstunden gelegt haben: Es soll niemand merken.
({11})
Ich befürchte, dass das auch besser so ist.
Vielen Dank.
({12})
Vielen Dank. - Es spricht jetzt der Kollege Dr. Ernst
Dieter Rossmann, SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Hein, das soll jeder merken.
({0})
Wenn wir heute diese Grundgesetzänderung beschließen, dann dürfen Sie sicher sein, dass wir zu den Hochschulen und den Wissenschaftseinrichtungen im ganzen
Land gehen und sagen werden: Wir haben ein gutes
Stück geschafft. - Aber wie alle hier im Bundestag wissen, ist das für die Sozialdemokratie noch nicht das
ganze Stück.
({1})
Denn wir möchten, dass der Geist der gemeinsamen Förderung von Bildung nicht auf Hochschulen begrenzt ist,
sondern tatsächlich durch die gesamte Bildungskette,
von der frühkindlichen über die schulische und die berufliche Ausbildung bis zur Weiterbildung, geht. An dieser Stelle gibt es ein Kooperationsverbot, und es gibt ein
Förderungsverbot, wenn Sie es präzise haben wollen.
Wir, der Bund, wollen natürlich keine Schulgesetze
oder Hochschulgesetze machen, aber wir wollen möglichst das Sinnfällige tun können.
({2})
Da, wo es ein gemeinsames Interesse gibt, wollen wir
die Kräfte des Bundes und der Länder bündeln, und zwar
zum Besten der Bildung.
Wir müssen anerkennen: Das hat der Wähler noch
nicht goutiert, dafür haben wir im Parlament noch keine
Zweidrittelmehrheit. Was wir aber geschafft haben, ist
Folgendes: In der Kontinuität von 1949 bis in die Gegenwart hinein haben wir in Sachen Hochschule eine
aufbauende, zusätzliche Förder- und Kooperationsmöglichkeit geschaffen.
({3})
1949 gab es gar keine Kooperation. Damals gab es
den separativen Föderalismus. 1969 wurden die Rahmenplanung, der Hochschulbau und die Bildungsplanung eingeführt. Zusätzlich gab es einen ersten gemeinsamen
Aufbruch hin zu mehr Förderung der Hochschulen. 2006
drohte das Ganze in sich zusammenzufallen. Es waren
die SPD-Bildungspolitiker, die durchgesetzt haben, dass
die Vorhaben der Wissenschaft als Gemeinschaftsaufgabe in das Grundgesetz aufgenommen wurden. Jetzt
sind alle froh darüber. Wir sind erst recht froh darüber,
dass wir jetzt, 2014, eine erweiterte Kooperation in der
Verfassung verankern. So deutlich hat das für die Wissenschaft und die Hochschulen noch nie in einer deutschen Verfassung nach dem Nationalsozialismus gestanden.
({4})
Das ist etwas, für das wir ohne Weiteres die Fanfaren
erklingen lassen. Wir haben jetzt etwas Modernes erreicht, etwas, was der Hochschulrepublik Deutschland
gut entspricht. Das ist wichtig.
({5})
Ich möchte das aufnehmen, was die Ministerin gesagt
hat: Ja, im Ausschuss hat es tatsächlich eine volle Unterstützung für diesen Vorschlag gegeben. Es ist auch von
den Sachverständigen herausgearbeitet worden, welche
Gestaltungsmöglichkeiten es gibt.
Frau Hein, Sie greifen den einen kritischen Punkt der
Einstimmigkeit auf. Wir sagen doch auch an anderer
Stelle: Wir wollen alle mitnehmen. Wollen wir denn
nicht auch alle bei der Hochschulkooperation zwischen
Bund und Ländern mitnehmen? Oder wollen wir einzelne Bundesländer beiseitelassen? Sie als Vertreterin eines Bundeslandes würden es auch nicht gut finden, wenn
Sie nicht mitgenommen würden. Deshalb ist auch das etwas, was den kooperativen Geist ausmacht. Wir wollen
alle mitnehmen.
({6})
Die Türen werden jetzt geöffnet, wie die Ministerin es
gesagt hat. Das bedeutet nicht, dass jetzt unmittelbar
Milch und Honig fließen und dass es jetzt noch dramatisch viel zusätzliches Geld für die Hochschulen und die
Wissenschaft geben könnte. Dafür hat die Gemeinsame
Wissenschaftskonferenz und dafür wird die Bundeskanzlerin zusammen mit den Ministerpräsidenten in einem guten Monat, im Dezember, ein Zeichen setzen
können; denn es sind 25 Milliarden Euro, die wir, Bund
und Länder, über die Jahre hinweg für den Ausbau von
Wissenschaft, Forschung und Lehre mobilisieren. Auch
dass die Lehre zum ersten Mal im Grundgesetz erwähnt
wird - das nur in Klammern -, bedeutet keine Schwächung der Hochschulen; es ist vielmehr eine Stärkung
der Hochschulen. Auch das ist mit dieser Grundgesetzänderung verbunden.
({7})
Wir werden das Jahr 2015 mit dieser Grundgesetzänderung im Rücken dafür nutzen können, uns neue Gedanken über die zukünftige Wissenschafts- und Forschungsarchitektur zu machen; denn dafür wird jetzt das
Tor geöffnet. Wir werden viel freier und präziser darüber
nachdenken, was das in Bezug auf die bessere Kooperation von außeruniversitären und universitären Forschungseinrichtungen bedeutet, was das in Bezug auf die
Profilierung der Hochschul- und der Forschungslandschaft bedeutet und was das in Bezug auf die nachhaltige
Förderung von Internationalität heißt. Die Aufgabe, die
wir jetzt haben, nachdem das Grundgesetz die Voraussetzungen dafür schafft, ist, in den Jahren 2015 und 2016
alles dafür zu tun, dass wir im Jahr 2017 mit einer guten
Fortsetzung der Exzellenzinitiative in der Spitze und in
der Breite weiteren Fortschritt für Deutschland erreichen
können.
({8})
Wir setzen auch einen sozialdemokratischen Akzent.
Für uns muss der wissenschaftliche Nachwuchs - wir
haben uns darüber gefreut, dass die Wissenschaftsministerin das in gleicher Weise immer wieder betont - ins
Zentrum rücken. Wir möchten einen zusätzlichen Pakt
für den wissenschaftlichen Nachwuchs,
({9})
zusätzlich zu dem Pakt für Exzellenz, zu dem Pakt für
die Forschung und zu dem Pakt für die Hochschulen.
Dass dies notwendig ist, muss man hier nicht begründen;
denn die Einsicht ist gewachsen, dass es der Wissenschaft und der Forschung nicht zuträglich ist, wenn viele
junge Leute mit heißem Herzen in die Wissenschaft und
die Hochschullehre gehen, aber tatsächlich immer darauf
achten müssen, wann ihr Vertrag zu Ende ist. Wenn sie
mit heißem Herzen zum Nutzen von Wahrheit und zum
Nutzen der Menschen und ihrer Lebensverhältnisse etwas bewegen wollen, aber gleichzeitig merken, dass ihre
Lebens- und Arbeitsbedingungen und ihre Perspektiven
schlechter werden, dann schadet das der Wissenschaft
und Forschung.
Deshalb: Nutzen wir dieses neue Grundgesetz dazu,
auch den in der Wissenschaft handelnden Menschen eine
verlässliche Perspektive zu geben.
Wenn wir diesen Entwurf zur Änderung des Grundgesetzes jetzt gleich verabschieden, dann wird das hoffentlich nicht nur mit Zustimmung der Regierungsfraktionen
geschehen; schließlich sind auch die anderen hier vertretenen Parteien, die Linken wie die Grünen, an anderer
Stelle an der Regierung. Am Ende muss es so wirksam
sein, dass, egal wie Regierungen zusammengesetzt sind,
Länderregierungen wie Bundesregierung zusammen die
neue Qualität des Grundgesetzes nutzen.
Also, etwas pathetisch zum Schluss: Diese Grundgesetzänderung öffnet neue Horizonte. Kommen Sie mit,
und nutzen Sie diese Horizonte!
Danke schön.
({10})
Vielen Dank. - Nächster Redner ist Kai Gehring,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Damen und Herren! Natürlich freuen auch
wir uns über neue Horizonte; aber da gibt es doch einige
Wolken am Himmel. Wir stehen heute vor einer Grundgesetzänderung, die einen Schritt in die richtige Richtung bringt,
({0})
aber wohl kaum als Meilenstein in die Geschichte eingeht.
({1})
Es gab aber solche Meilensteine, zum Beispiel die
Föderalismusreform von 1969. Sie eröffnete die Kooperation von Bund und Ländern in der Bildung und machte
den Weg frei für die Bildungsexpansion der 1970erJahre. Außerdem gab es die BAföG-Novelle von 2001.
Mit Kanzler Kohl regierte beim BAföG die Abrissbirne.
Grüne und SPD brachten die Wende und machten die
Studienfinanzierung wieder attraktiver.
({2})
Darüber hinaus gab es den Meilenstein des rot-grünen
Ganztagsschulprogramms; das war ja vor dem Kooperationsverbot.
({3})
Kein Programm hat je so viele Erneuerungen und so viel
Aufbruchstimmung an den Schulen gebracht.
Im Kreise dieser denkwürdigen Entscheidungen
kommt die Änderung des Grundgesetzartikels 91 b dieser Koalition nicht als großer Wurf daher, sondern als
halbgare Lösung. Sie verzwergen die Verfassungsänderung auf den Wissenschaftsbereich, anstatt Ihre Zweidrittelmehrheit hier im Parlament zu nutzen. Das Kooperationsverbot in der Bildung bleibt. Dazu können wir
nicht Ja sagen. Wir wollen den Irrweg Kooperationsverbot vollständig verlassen. Die Verfassungsbarriere muss
auch im Bildungsbereich fallen. Alles andere sind halbe
Sachen.
({4})
Der Regierungsvorschlag soll mehr und dauerhafte
Kooperation in der Wissenschaft bringen. Das ist gut.
Aber es bleibt mir unklar, ob das irgendwelche realen
Folgen hat.
({5})
Denn Sie schreiben ja selbst: Kosten - keine.
Was meint Ihre Verfassungsformulierung „in Fällen
überregionaler Bedeutung“?
({6})
- Ja. Ich habe da eine Gegenposition. ({7})
Was das sein soll, ist rechtlich realistischerweise kaum
trennscharf abzugrenzen; das ist in der Sachverständigenanhörung sehr deutlich geworden. Dieses schwammige Kriterium könnte ein Einfallstor werden, zum Beispiel für den Bundesrechnungshof. Ich will aber, dass
Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern nicht in
schweres Fahrwasser kommen. Dieses Kriterium kann
man also streichen.
({8})
Ein weiterer Punkt. Warum schreiben Sie ein Einstimmigkeitsprinzip ins Grundgesetz? Alle 16 Länder müssen künftig zustimmen, wenn Vereinbarungen getroffen
werden sollen, die - Zitat - „im Schwerpunkt Hochschulen betreffen“. Solche Regeln gehören nicht in die Verfassung.
({9})
Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz, GWK, kann
und sollte selbst über die Abstimmungsquoren entscheiden. Das klappt ja schließlich auch genauso bei der Kultusministerkonferenz. Also verankert die Koalition das
Einstimmigkeitsprinzip im Grundgesetz. Dann verzögern Sie innovative Entscheidungen. Das führt dazu,
dass kreative Länder nicht mit dem Bund vorangehen
können, oder die Verabredung kommt gar nicht erst zustande. Daran können doch auch Union und SPD kein
Interesse haben.
({10})
Per Kopplungsgeschäft nach dem Motto „Nur dann,
wenn man der Änderung des Grundgesetzes zustimmt,
gibt es die BAföG-Entlastung“ und in sehr großer Eile
peitscht die Regierung ihre Verfassungsänderung von
Artikel 91 b des Grundgesetzes durch den Bundestag.
Doch offensichtlich ist diese Eile gar nicht angebracht.
Denn vor zwei Wochen haben Bund und Länder in der
GWK die Fortsetzung der abermals zeitlich befristeten
Wissenschaftspakte - Hochschulpakt, Pakt für Forschung und Innovation und Exzellenzinitiative - grundsätzlich auf den Weg gebracht. Das heißt, die Pakte
funktionieren offenkundig ohne Ihre Verfassungsänderung. Problematischer ist: Die Koalition hat keine gemeinsame Idee, was sie mit der neuen Kooperationsmöglichkeit in der Wissenschaft überhaupt anfangen
will.
({11})
Auch dazu habe ich hier heute nichts gehört. Studierende, wissenschaftlicher Nachwuchs, Lehrende und
Forschende brauchen bessere Perspektiven, bessere
Lehr- und Studienbedingungen. Von Kooperation, die
nur auf dem Papier steht, hat niemand etwas.
({12})
Endlich besteht allgemeiner Konsens in der Analyse,
dass die Grundfinanzierung und die Ausstattung der
Hochschulen stabilisiert und gestärkt werden müssen.
Wir als Grüne wollen daher einen gesamtstaatlichen
Kraftakt für einen zukunftsgerechten Hochschulbau, und
wir brauchen dringend einen Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs und gute Karrierewege.
({13})
Genauso groß sind aber die bildungspolitischen
Herausforderungen. Man denke nur an die Aufgabe,
Inklusion endlich gesamtstaatlich auszufinanzieren und
für mehr Chancengerechtigkeit zu sorgen! Deswegen
muss auch das Kooperationsverbot bei der Bildung weg.
Das ist möglich, ohne die Kulturhoheit der Länder infrage zu stellen.
({14})
Eine Ermöglichungsverfassung für einen kooperativen
Bildungsföderalismus ist machbar; sie ist möglich. Dazu
unterbreiten wir dem Parlament einen schnörkellos klaren Formulierungsvorschlag.
({15})
Zitat:
Bund und Länder können auf der Basis von Vereinbarungen zur Sicherstellung der Leistungsfähigkeit
und der Weiterentwicklung des Bildungswesens zusammenarbeiten.
Das, meine Damen und Herren, eine solche Verfassungsänderung, wäre ein Meilenstein.
Wir streiten und werben weiter dafür, das Kooperationsverbot komplett zu kippen. Wir wollen das Grundgesetz zu einer Ermöglichungsverfassung für bessere
Wissenschaft und bessere Bildung weiterentwickeln.
Wir wollen ein Bildungsaufsteigerland mit Chancen für
alle und keine Bildungsbarrieren.
({16})
Vielen Dank. - Nächster Redner ist der Kollege
Tankred Schipanski, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir verabschieden heute ein Gesetz, mit dem wir die föderale
Ordnung in unserem Bundesstaat optimieren. Die zweite
und dritte Lesung einer Verfassungsänderung steht dabei
ganz im Geist der Verfassung, und wir wollen dabei unserem Auftrag gerecht werden, den Verfassungsanwendern Auslegungshilfe zur Verfügung zu stellen. In einer
solchen Debatte, Herr Gehring, Frau Hein, verbietet sich
daher eigentlich Polemik,
({0})
vor allem mit dem Wissen, dass in der Sachverständigenanhörung - die Ministerin hat es gesagt - alle Sachverständigen diese Grundgesetzänderung im Grundsatz
gelobt haben.
({1})
Meine Damen und Herren, ich möchte gleich zu Beginn der Rede mit einer Mär, die in dieser Debatte aufgebaut wird, aufräumen. Hier wird ein Junktim zwischen
der jetzigen Debatte und der zu dem BAföG-Änderungsgesetz hergestellt. Die Änderung des Artikels 91 b
Grundgesetz ist ein lang verabredetes Ziel. Damit greifen wir einen breiten gesellschaftlichen Konsens auf.
Das bringen wir heute zu einem krönenden Abschluss.
Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, dass wir
die Hochschulen in den nächsten vier Jahren auch bei
der Grundfinanzierung unterstützen. Das machen wir
über die Änderung beim BAföG, indem wir die Länder
ab dem 1. Januar nächsten Jahres um jährlich gut
1,2 Milliarden Euro entlasten. Das debattieren wir in
Kürze hier in diesem Hohen Hause.
Die zweite Mär, mit der man aufräumen muss, betrifft
den Artikel 91 b und den Bildungsbereich. Meine
Damen und Herren, für eine weiter gehende Änderung
des Artikels 91 b ist in unserem Bundesstaat keine
Mehrheit zu erblicken. Wir scheitern damit im Bundesrat. Die Länder wollen es nicht. Sie alle wissen: Schule
ist ein klassischer Kernbereich der Länderstaatlichkeit.
Es ist mithin müßig, hier über Dinge zu debattieren, die
sich in der Verfassungswirklichkeit nicht umsetzen
lassen. Ich darf die Worte des Sachverständigen Professor Geis zitieren. Er sagte, wenn man in diese Verfassungsänderung auch den Bildungsbereich einbeziehen
wolle, dann würden wir die Beteiligung des Bundes an
der institutionellen Hochschulförderung wohl erst am
Sankt-Nimmerleins-Tag erleben.
({2})
Daher bekräftige ich in dieser Rede abermals das Angebot an die Bundesländer, dass wir als Bund eine stärkere Koordinierung im Kultusbereich vorantreiben. Wir
strecken die Hand aus, die Ministerin streckt die Hand
aus, aber wir wissen - das hat sich immer wieder aufs
Neue erwiesen -, dass sie von der KMK ausgeschlagen
wird. Daher kann ich nur sagen: Wir erneuern unseren
Aufruf und unseren Hinweis an die Länder, das für den
Bildungsbereich in einem Staatsvertrag verfassungskonform untereinander zu regeln.
({3})
Eine dritte Mär, meine Damen und Herren, die hier
immer wieder vorgetragen wird, ist, dass im Jahr 2006
die Kooperationsmöglichkeiten eingeschränkt worden
sind. Das ist schlichtweg falsch. Die Ministerin hat darauf hingewiesen, dass die Kooperationsmöglichkeiten
im Hochschulbereich bereits 2006 erweitert wurden. Es
wurde nämlich möglich, den Bereich der Lehre an den
Hochschulen von Bundesseite zu unterstützen. Mit Blick
auf den Hochschulbau darf ich auf Artikel 143 c unseres
Grundgesetzes verweisen, gemäß dem wir umfangreiche
Kompensationsbeträge im Moment noch zahlen und
auch weiter zahlen werden. Im Übrigen wurde mit diesem Verfassungstext die Grundlage für die erfolgreichen
Pakte, die wir eingegangen sind, gelegt.
Ergänzend der Hinweis, weil immer erzählt wird,
Möglichkeiten im Bildungsbereich seien 2006 eingeschränkt worden: Die Trennung zwischen Bund und
Land im Schulbereich besteht seit 1949 und ist nicht erst
durch die Föderalismusreform I eingeführt worden.
({4})
Meine Damen und Herren, bezüglich der Gründe und
Erwägungen zur vorliegenden Verfassungsänderung darf
ich auf unsere erste Lesung verweisen. Die Wortbeiträge
der Mitglieder der Unionsfraktion haben eindeutig gezeigt:
Wir wollen Kooperationshemmnisse abbauen, die wir
bei der Einrichtung von KIT in Karlsruhe, von BIG in
Berlin, von JARA in Aachen erlebt haben. Wir wollen
also eine stärkere Kooperation haben.
Wir wollen - der Wissenschaftsrat hat es formuliert die Unwucht zwischen außeruniversitärer und universitärer Forschung beheben.
Und wir wollen als Bund die Hochschulen als das
Herz unseres Wissenschaftssystems stärken, indem wir
als Bund zukünftig auch institutionelle Hochschulförderung betreiben dürfen. Wir räumen dem Bund heute eine
Finanzierungsbefugnis ein, ohne dass das automatisch
Ansprüche von irgendjemandem nach sich zieht.
Dabei ist uns wohl bewusst - das hat der Sachverständige Professor Löwer in der Anhörung auch klar beschrieben -, dass die Stärke des deutschen Wissenschaftssystems in seiner Gesamtheit in dem breiten
Fundament der Hochschulen liegt. Nur auf diesem breiten Fundament kann man die Beletage der Spitzenforschung überhaupt aufsetzen. Logisch ist aber, dass der
Bund nicht das gesamte breite Fundament fördern kann;
denn wir wollen mit dieser Verfassungsänderung ja auch
die föderale Kompetenzordnung nicht auf den Kopf stellen, sondern sie bewahren.
({5})
Die Hochschulförderung des Bundes kann also nur
Sinn machen, wenn wir zusätzliches Geld hineingeben.
Um die Länder zu entlasten, haben wir andere Mechanismen in unserem Bundesstaat. Es geht vielmehr
darum, zusätzliche Impulse zu setzen und den Innovationsstandort Deutschland strategisch zu stärken. Dabei
haben wir ganz bewusst Tatbestandsmerkmale eingefügt.
Das Merkmal der überregionalen Bedeutung wurde
schon angesprochen. Der Bund will also nur da investieren, wo wir eine Ausstrahlungskraft über das einzelne
Bundesland hinaus haben, wo es einen internationalen
oder nationalen Kontext gibt. Das heißt, der Bund wird
nur dort mehr Geld geben bzw. mehr Geld investieren,
wo wir einen systematischen Mehrwert für das Wissenschaftssystem erreichen.
({6})
Exzellente Wissenschaftsstrukturen definieren sich
durch eine Ausnahmestellung. Definieren wir alles als
exzellent, ist niemand mehr exzellent. Die Gesetzesbegründung formuliert ganz klar: „Exzellenz in Breite und
Spitze“ - eine spannende Formulierung. Das bedeutet
aber, dass bei der Förderung wissenschaftlicher Exzellenz stets auch sorgfältig geprüft werden muss, inwieweit das Wissenschaftssystem als Ganzes davon profitiert.
Wir werden das Geld nicht nach dem Königsteiner
Schlüssel verteilen. Dieser ist ja regionalpolitisch ausgerichtet; das bringt aber im internationalen Wettbewerb
unsere Hochschulen nicht voran.
({7})
Kollege Schipanski, wenn ich Sie kurz unterbrechen
darf. - Kolleginnen und Kollegen, im Moment hat überwiegend der Kollege Schipanski das Wort. Wer nebenbei
reden möchte, der kann das gerne außerhalb des Saales
tun. Ich bitte jetzt aber, auch ein bisschen Respekt vor
dem Redner zu haben.
({0})
Frau Präsidentin, vielen Dank. - Überregionale Bedeutung - die Ministerin hat es gesagt - betrifft auch die
Lehre. Es ist uns wichtig, dass wir formuliert haben, dass
es bei der Grundgesetzänderung um Wissenschaft, Forschung und Lehre geht. In bester Humboldt’scher Tradition wollen wir auch hier Lehre und Forschung nicht
künstlich trennen. Somit werden wir auch unseren Qualitätspakt Lehre weiter aufleben lassen, von dem ja derzeit 186 Hochschulen bundesweit profitieren. Sie sehen,
wir sind auf Nachhaltigkeit ausgerichtet.
Lassen Sie uns gemeinsam - der Kollege Rossmann
hat es gesagt - Visionen für die Kooperationskultur entwickeln, die wir jetzt neu durch diese Grundgesetzänderung erhalten. Der Wissenschaftsrat hat Vorschläge
gemacht. Die Fraunhofer-Gesellschaft hat regionale
Leistungszentren in die Diskussion gebracht. Wir denken gemeinsam mit der GWK über die Neugestaltung
der Exzellenzinitiative nach. Wissenschaftlicher Nachwuchs ist angesprochen worden. Ich denke, wir sollten
in diesem Hause gemeinsam für unser Wissenschaftssystem nach vorne denken.
Lieber Kai Gehring, es wird Sie überraschen, aber ich
ende mit einem Zitat der grünen Wissenschaftsministerin aus Baden-Württemberg,
({0})
die nämlich in einem Interview mit der Süddeutschen
Zeitung mit Blick auf dieses Gesetz feststellte - das ist
die gute Frau Theresia Bauer -:
Ich halte das für einen zielführenden Vorschlag. …
Das ist genau richtig und tut not in diesem Land.
In diesem Sinne: Stimmen Sie diesem Gesetz zu.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({1})
Vielen Dank, Herr Kollege Schipanski. - Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Swen
Schulz, SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Stellen Sie
sich einmal für einen Moment vor, bei dieser Debatte im
Deutschen Bundestag hätte sich jemand hingestellt und
gesagt: Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern im
Bereich von Hochschule und Wissenschaft gehört verboten. Dieser Jemand würde ausgelacht.
({0})
Aber es ist noch gar nicht so lange her, dass die Ministerpräsidenten und diejenigen, die die Föderalismusreform
verhandelt haben, das genau so gesehen haben. Ich erinnere mich daran, wie wir als Bundestagsfraktion zusammensaßen und uns die Verhandlungsergebnisse vorgestellt wurden. Da wurde gesagt: Komplettes
Kooperationsverbot für Schule und für Hochschule.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die SPDBundestagsfraktion hat daraufhin einen Aufstand gemacht.
({1})
Wir haben durchgesetzt, dass das Kooperationsverbot im
Grundgesetz, was die Hochschulen betrifft, gelockert
wird. Auf dieser Basis haben wir den Hochschulpakt,
den Qualitätspakt Lehre und viele weitere Programme
realisiert. Wir von der SPD-Bundestagsfraktion haben
viel Kritik, gerade auch von Ministerpräsidenten, einstecken müssen, aber wir haben recht behalten. Ohne die
SPD-Bundestagsfraktion hätten die Hochschulen wesentlich größere Probleme. Wir würden hier ganz andere
Debatten führen.
({2})
Freilich war schon damals in der SPD-Fraktion die
Meinung sehr weit verbreitet, dass das Kooperationsverbot für den Bereich Schule auch unsinnig ist.
({3})
Wir haben uns damals nicht durchgesetzt - bis heute haben wir uns nicht durchgesetzt -, aber ich sage Ihnen voraus: Genauso wie das Kooperationsverbot im Bereich
Hochschule gefallen ist, so wird es auch für den Bereich
Schule fallen. Wir werden da nicht lockerlassen.
({4})
Nun gehen wir immerhin einen wichtigen Schritt.
({5})
Wir weiten die Zusammenarbeit von Bund und Ländern
im Bereich Wissenschaft und Hochschule aus. Wir machen sie verlässlich. Wir stellen sie auf eine dauerhafte
Basis. Das ist eine Möglichkeit, die wir auch nutzen wollen. Der Kollege Ernst Dieter Rossmann hat es gesagt:
Lassen Sie uns in allererster Linie einen Pakt für den
Nachwuchs, für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler schließen.
({6})
Das hilft den Leuten, der Wissenschaft, den Hochschulen, den Studierenden. Das hilft ganz Deutschland. Wir
sollten das in der Großen Koalition beschließen.
Lassen Sie mich noch einige Überlegungen zum Verhältnis von Bund und Ländern anschließen, gerade aus
der Sicht eines Mitgliedes des Haushaltsausschusses.
Die Länder sind verantwortlich für Bildung und
Hochschule
({7})
und werden vom Bund massiv unterstützt. Der Hochschulpakt ist angesprochen worden, verschiedene andere
Programme, aber auch die BAföG-Entlastung, über die
wir gleich noch diskutieren und abstimmen werden. Der
Deutsche Bundestag respektiert die Eigenständigkeit der
Bundesländer, die Freiheit der Länder, ihre Schwerpunkte zu setzen. Doch diese Eigenständigkeit und
diese Freiheit enden dort, wo die Zweckentfremdung
von Bildungsmitteln beginnt.
({8})
Ich gehe nicht davon aus, dass das stattfindet;
({9})
aber wir sollten schon einmal ordentlich darauf schauen.
Deswegen hat der Haushaltsausschuss bereits einen sogenannten Monitoringbeschluss gefasst und die Bundesregierung gebeten, einmal genau zu schauen, was die
Bundesländer da so veranstalten. Wenn es doch einen
falschen Umgang mit den Bildungsmitteln geben sollte,
dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten wir das
öffentlich ansprechen. Dann müssen die verantwortlichen Landespolitiker ihren Bürgerinnen und Bürgern erklären, warum die Bildungsmittel nicht ordentlich ausgegeben wurden.
({10})
Swen Schulz ({11})
Ich füge hinzu: Das sollten wir im Deutschen Bundestag dann auch unabhängig von der Farbe der jeweiligen
Landesregierung machen, also nicht nach dem Motto
„Die eigene Landesregierung schützen wir, die andere
greifen wir an“. Ich sage das deswegen, weil ich manchmal den Eindruck habe, dass wir hier im Deutschen Bundestag gelegentlich weniger bundespolitische Debatten
führen als vielmehr landespolitische Schlachten schlagen.
({12})
Das sollten wir hier im Bundestag jedenfalls nicht tun.
({13})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein
guter Tag für die Wissenschaft und für die Hochschulen.
Ab morgen arbeiten wir weiter daran, dass es einen
nächsten guten Tag geben wird, nämlich für die Schulen:
wenn auch das Kooperationsverbot im Bereich Schule
fällt.
Herzlichen Dank.
({14})
Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung des Grundgesetzes ({0}). Der Aus-
schuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät-
zung empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussemp-
fehlung auf Drucksache 18/3141, den Gesetzentwurf auf
Drucksache 18/2710 anzunehmen.
Hierzu liegt je ein Änderungsantrag der Fraktion Die
Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über
die wir zuerst abstimmen. Zu beiden Änderungsanträgen
ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich mache darauf
aufmerksam, dass wir bis zum Vorliegen der Ergebnisse
der namentlichen Abstimmungen die Sitzung dann un-
terbrechen werden. Im Anschluss daran erfolgt die na-
mentliche Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf.
Wir werden also zu diesem Tagesordnungspunkt insge-
samt drei namentliche Abstimmungen und im Anschluss
daran eine Reihe von weiteren Abstimmungen durchfüh-
ren.
Wir stimmen zuerst ab über den Änderungsantrag der
Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/3162. Ich bitte
die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehe-
nen Plätze einzunehmen. - Sind die Plätze an den Urnen
besetzt? - Hier links fehlt noch eine Schriftführerin oder
ein Schriftführer der Koalition. - Ist eingetroffen. Oben
rechts fehlt auch noch der Schriftführer oder die Schrift-
führerin. - Ich glaube, jetzt sind überall die Schriftführe-
rinnen und Schriftführer da. Ich eröffne die erste na-
mentliche Abstimmung, über den Änderungsantrag auf
Drucksache 18/3162.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat? - Ich sehe, das ist
nirgendwo der Fall.
Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh-
lung zu beginnen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Ände-
rungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 18/3163. Sind die Plätze an den Urnen be-
setzt? - Ich sehe, das ist der Fall. Ich eröffne die zweite
namentliche Abstimmung, über den Änderungsantrag
auf Drucksache 18/3163.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat? - Haben jetzt auch
alle an der Urne 5 abgestimmt? - Ich sehe, das ist der
Fall.
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftfüh-
rerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen. Bis zum Vorliegen der Ergebnisse der namentlichen
Abstimmung unterbreche ich die Sitzung.1)
({1})
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie, jetzt
Platz zu nehmen. Die unterbrochene Sitzung ist wieder
eröffnet.
Wir haben noch Abstimmungen durchzuführen. Ich
bitte Sie, jetzt Platz zu nehmen. Sonst geht es nicht wei-
ter.
Ich möchte Ihnen das Ergebnis der namentlichen
Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeord-
neten Dr. Rosemarie Hein und der Fraktion Die Linke
auf Drucksache 18/3162 bekannt geben, das von den
Schriftführerinnen und Schriftführer ermittelt wurde: ab-
gegebene Stimmen 592. Mit Ja haben gestimmt 54, mit
Nein haben gestimmt 538. Damit ist der Antrag abge-
lehnt.
1) Ergebnis der zweiten Abstimmung Seite 6235 A
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 592;
davon
ja: 54
nein: 538
Ja
DIE LINKE
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr. André Hahn
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Dr. Gesine Lötzsch
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller ({0})
Harald Petzold ({1})
Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Kersten Steinke
Dr. Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Dr. Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Jörn Wunderlich
Pia Zimmermann
({2})
Nein
CDU/CSU
Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Norbert Barthle
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens ({3})
Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr. André Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Dr. Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer ({4})
Axel E. Fischer ({5})
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich
({6})
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Reinhard Grindel
Ursula Groden-Kranich
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr. Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr. Stefan Heck
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich ({7})
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Christian Hirte
Dr. Heribert Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Andreas Jung
Xaver Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Carsten Körber
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr. Karl A. Lamers
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Paul Lehrieder
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr. Thomas de Maizière
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({8})
Reiner Meier
Dr. Michael Meister
Jan Metzler
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller
({9})
Stefan Müller ({10})
Dr. Philipp Murmann
Helmut Nowak
Dr. Georg Nüßlein
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr. Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Ronald Pofalla
Eckhard Pols
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({11})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer ({12})
Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt ({13})
Gabriele Schmidt ({14})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
({15})
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
Armin Schuster ({16})
Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Tino Sorge
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel ({17})
Sven Volmering
Kees de Vries
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg ({18})
Peter Weiß ({19})
Sabine Weiss ({20})
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Heinz Wiese ({21})
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Oliver Wittke
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Dr. Matthias Zimmer
Gudrun Zollner
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding ({22})
Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr. Karl-Heinz Brunner
Martin Burkert
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Dr. Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Dr. Ute Finckh-Krämer
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Gabriele Groneberg
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann
({23})
Dirk Heidenblut
Hubertus Heil ({24})
Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({25})
Thomas Hitschler
Matthias Ilgen
Christina Jantz
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Johannes Kahrs
Christina Kampmann
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Dr. Bärbel Kofler
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange ({26})
Steffen-Claudio Lemme
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Hilde Mattheis
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Michelle Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Mahmut Özdemir ({27})
Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Dennis Rohde
Dr. Martin Rosemann
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({28})
Bernd Rützel
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim
Schabedoth
Axel Schäfer ({29})
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr. Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt ({30})
Matthias Schmidt ({31})
Dagmar Schmidt ({32})
Carsten Schneider ({33})
Ursula Schulte
Swen Schulz ({34})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Claudia Tausend
Michael Thews
Wolfgang Tiefensee
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Waltraud Wolff
({35})
Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Luise Amtsberg
Marieluise Beck ({36})
Volker Beck ({37})
Dr. Franziska Brantner
Ekin Deligöz
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Sylvia Kotting-Uhl
Stephan Kühn ({38})
Christian Kühn ({39})
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr. Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({40})
Manuel Sarrazin
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Markus Tressel
Dr. Julia Verlinden
Beate Walter-Rosenheimer
Von den Schriftührerinnen und Schriftführern ermitteltes Ergebnis der namentlichen Abstimmung über
den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/3163: abgegebene Stimmen 592.
Mit Ja haben gestimmt 56, mit Nein haben gestimmt
482, Enthaltungen 54. Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 592;
davon
ja: 56
nein: 482
enthalten: 54
Ja
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Luise Amtsberg
Marieluise Beck ({41})
Volker Beck ({42})
Dr. Franziska Brantner
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Sylvia Kotting-Uhl
Stephan Kühn ({43})
Christian Kühn ({44})
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr. Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({45})
Manuel Sarrazin
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Markus Tressel
Dr. Julia Verlinden
Beate Walter-Rosenheimer
Nein
CDU/CSU
Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Norbert Barthle
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens ({46})
Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr. André Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Dr. Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer ({47})
Axel E. Fischer ({48})
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich
({49})
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Reinhard Grindel
Ursula Groden-Kranich
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr. Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr. Stefan Heck
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich ({50})
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Christian Hirte
Dr. Heribert Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Andreas Jung
Xaver Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Carsten Körber
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr. Karl A. Lamers
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Paul Lehrieder
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Dr. Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr. Thomas de Maizière
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({51})
Reiner Meier
Dr. Michael Meister
Jan Metzler
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller
({52})
Stefan Müller ({53})
Dr. Philipp Murmann
Helmut Nowak
Dr. Georg Nüßlein
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr. Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Ronald Pofalla
Eckhard Pols
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({54})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer ({55})
Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt ({56})
Gabriele Schmidt ({57})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
({58})
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
Armin Schuster ({59})
Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Tino Sorge
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel ({60})
Sven Volmering
Kees de Vries
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg ({61})
Peter Weiß ({62})
Sabine Weiss ({63})
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Heinz Wiese ({64})
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Oliver Wittke
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Dr. Matthias Zimmer
Gudrun Zollner
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding ({65})
Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr. Karl-Heinz Brunner
Martin Burkert
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Dr. Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Dr. Ute Finckh-Krämer
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Gabriele Groneberg
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann
({66})
Dirk Heidenblut
Hubertus Heil ({67})
Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({68})
Thomas Hitschler
Matthias Ilgen
Christina Jantz
Frank Junge
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Johannes Kahrs
Christina Kampmann
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Dr. Bärbel Kofler
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange ({69})
Steffen-Claudio Lemme
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Hilde Mattheis
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Michelle Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Mahmut Özdemir ({70})
Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Dennis Rohde
Dr. Martin Rosemann
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({71})
Bernd Rützel
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim
Schabedoth
Axel Schäfer ({72})
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr. Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt ({73})
Matthias Schmidt ({74})
Dagmar Schmidt ({75})
Carsten Schneider ({76})
Ursula Schulte
Swen Schulz ({77})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Rainer Spiering
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Claudia Tausend
Michael Thews
Wolfgang Tiefensee
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Waltraud Wolff
({78})
Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
Enthalten
DIE LINKE
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr. André Hahn
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Dr. Gesine Lötzsch
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller ({79})
Harald Petzold ({80})
Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Kersten Steinke
Dr. Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Dr. Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Jörn Wunderlich
Pia Zimmermann
({81})
Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf der
Bundesregierung auf Drucksache 18/2710 zustimmen
wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? -
Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zwei-
ter Beratung mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/
CSU und SPD bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen und Ablehnung der Linken angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich weise darauf hin, dass zur
Annahme des Gesetzentwurfs die Mehrheit von zwei
Dritteln der Mitglieder des Deutschen Bundestages er-
forderlich ist. Das sind mindestens 421 Stimmen. Wir
stimmen nun über den Gesetzentwurf namentlich ab. Ich
bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorge-
sehenen Plätze einzunehmen. - Sind die Plätze an den
Urnen besetzt? - Ich sehe, das ist der Fall.
Ich eröffne die dritte namentliche Abstimmung, die
über den Gesetzentwurf.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Ich sehe, das ist nicht der
Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh-
lung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Ab-
stimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.1)
Wir kommen nun zu einer Reihe von weiteren Ab-
stimmungen. Ich darf noch einmal bitten, Platz zu neh-
men.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Ent-
schließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksa-
che 18/3164. Wer stimmt für diesen Entschließungsan-
trag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der
Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koali-
tionsfraktionen bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke
abgelehnt.
1) Ergebnis Seite 6241 C
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Tagesordnungspunkt 7 b. Wir setzen die Abstimmungen zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für
Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung auf
Drucksache 18/3141 fort.
Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner
Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der
Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/588 mit dem Titel
„Kooperationsverbot abschaffen - Gemeinschaftsaufgabe Bildung im Grundgesetz verankern“. Wer stimmt
für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen
gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke angenommen.
Unter Buchstabe c empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/2747 mit dem Titel „Kooperationsverbot kippen - Zusammenarbeit von Bund und
Ländern für bessere Bildung und Wissenschaft ermöglichen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die
Linke mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Doris
Wagner, Beate Walter-Rosenheimer,
Dr. Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Von Anfang an beteiligen - Partizipationsrechte für Kinder und Jugendliche im demografischen Wandel stärken
Drucksache 18/3151
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ({82})
Innenausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Doris Wagner von Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen
und Kollegen! Wir legen Ihnen heute einen Antrag zur
Stärkung der Partizipation von Kindern und Jugendlichen im demografischen Wandel vor. Die Jungen werden
immer weniger, und schon sehr bald leben in Deutschland doppelt so viele über 60-Jährige wie unter 20-Jährige. Die demografische Entwicklung verändert die Lebenswelten der jungen Menschen. Ich erinnere mich
noch sehr gut daran, wie ich als junges Mädchen in meiner Heimatstadt mit den Nachbarskindern auf der Straße
gespielt habe und herumgestrichen bin. Heute hingegen
haben Kinder und Jugendliche oft wenige Altersgenossen und kaum Freiräume. Aber diese Freiräume brauchen sie unbedingt.
({0})
Das ist nur ein Beispiel dafür, warum Kinder und Jugendliche gehört werden müssen. Denn nur so können
sie Einfluss nehmen und ihre Anliegen artikulieren. Die
Politik der Bundesregierung fokussiert hingegen auf die
ältere Generation. Eine komplette Legislatur hat sie sich
an einer Demografiestrategie versucht, und die Jugend
kam gar nicht vor. Jetzt gibt es zwar endlich eine AG
„Jugend gestaltet Zukunft“, und das ist auch gut so, aber
konsequent wäre es doch, die Belange von Kindern und
Jugendlichen als Querschnittsaufgabe im kompletten
Strategieprozess zu verorten.
({1})
Inzwischen gibt es auch einen Demografie-Check.
Dabei handelt es sich um einen sanktionslosen unverbindlichen Fragebogen ohne jegliche Konsequenz für
neue Gesetze. Er wurde ja auch nicht zufällig erst nach
der Verabschiedung des Rentenpakets eingeführt. Er ist
das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt wurde.
({2})
Jetzt planen Sie einen Jugend-Check. Selbst Jugendverbände glauben nach der Erfahrung mit dem Demografie-Check nicht mehr an ein wirksames Instrument.
Aber wir brauchen einen Ausgleich zwischen den Generationen. Für meine Fraktion steht Generationengerechtigkeit ganz oben auf der Agenda.
({3})
Das heißt, junge Menschen sind Expertinnen und Experten in eigener Sache. Sie müssen ermutigt und in die
Lage versetzt werden, sich für ihre Belange einzusetzen.
Dann werden sie zu artikulationsstarken Bürgerinnen
und Bürgern. Das stärkt den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und fördert den Dialog zwischen den Generationen.
Außerdem heißt Generationengerechtigkeit für mich,
dass die jetzt jungen Menschen und auch die künftigen
Generationen ihre Zukunft tatsächlich selber gestalten
können. Deshalb müssen wir ihnen eigene Gestaltungsräume und Handlungsoptionen offenhalten. Wir müssen
ihnen eine Welt hinterlassen, die sie verändern und gestalten können.
Um konkret zu werden: Wir wollen zum Beispiel die
Mitwirkungsrechte von Kindern und Jugendlichen in der
Baugesetzgebung festschreiben. Wir wollen, dass Demokratie und Teilhabe Leitprinzipien der Bildung sind,
und wir wollen das Wahlalter auf 16 senken.
Es ist unsere Aufgabe, es ist die Aufgabe dieses Parlaments, in unserer älter werdenden Gesellschaft für Generationengerechtigkeit zu sorgen. Lassen Sie uns den jungen Menschen eine kräftige und hörbare Stimme geben!
Stimmen Sie bitte für unseren Antrag!
Vielen Dank.
({4})
Vielen Dank. - Nächster Redner ist Markus Koob,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Zuschauer! Ich möchte diese Rede mit uns allen
bekannten Worten beginnen:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu
achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen
Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit
in der Welt. Die nachfolgenden Grundrechte binden
Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Liebe Abgeordnete der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, selbstverständlich besitzen Kinder und Jugendliche
ebenfalls diese Rechte; ja, gerade sie besitzen diese
Rechte. Ich gebe Ihnen recht, dass Kinder aufgrund ihrer
Schutzbedürftigkeit eine ganz eigene Intensität der Erwachsenenrechte besitzen. Allerdings ist dies mit allen
bestehenden Gesetzen in Deutschland möglich.
({0})
Es bedarf daher in meinen Augen keiner zusätzlichen
gesetzlichen Präzisierung. Ansonsten könnten demnächst auch Rentner, Menschen mit Migrationshintergrund, Männer oder Frauen explizit ein Grundrecht im
Grundgesetz verlangen, obwohl die Grundrechte sowieso für jeden Menschen gelten.
({1})
Ich glaube, diese Aufgabe hat eine Verfassung nicht.
Eine Verfassung ist dazu da, um grundsätzliche Zwecke
zu regeln, nicht dazu, Regelungen für alle möglichen
spezifischen Lebenslagen zu treffen.
({2})
Entschuldigen Sie diese Deutlichkeit. Aber nachdem
ich bei Ihrem Antrag zunächst ein durchaus positives
Gefühl hatte, muss ich nun sagen, dass ich damit folgendes Grundproblem habe: Er ist zwar gut geschrieben,
aber leider nicht inhaltlich, sondern stilistisch.
({3})
Glauben Sie denn, dass nur, wenn Kinder wählen gehen
dürfen, gute Entscheidungen für Kinder getroffen werden können?
({4})
Sie, die Sie Tag für Tag im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sitzen, widmen sich die ganze
Zeit den Belangen von Kindern und Jugendlichen. Haben Sie denn kein Vertrauen in Ihre eigene politische Arbeit? Haben Sie kein Vertrauen, dass wir die Kinder und
Jugendlichen gemeinsam politisch gut vertreten können?
({5})
Kinder und Jugendliche können bereits heute auf bestimmten Feldern partizipieren und sich engagieren. Gerade wir als Parteimitglieder müssen doch wissen und
anerkennen, dass sich rund 200 000 Mitglieder in unseren Jugendorganisationen engagiert an der gesellschaftlichen Entwicklung beteiligen,
({6})
und das bereits ab 14 Jahren. Ich darf an dieser Stelle sagen: Dass ich heute überhaupt hier stehe, liegt auch daran, dass ich mich in unsere Jugendorganisation, die
Junge Union, die größte politische Jugendorganisation in
diesem Land, einbringen konnte.
245 000 organisierte Mitglieder in den Jugendfeuerwehren und 113 000 Rotkreuz-Mitglieder sind ebenfalls
gesellschaftlich umfassend engagiert. Ich finde daher
nicht, dass es für die gesellschaftliche Teilhabe von Kindern und Jugendlichen neuer Gesetze bedarf. Es scheint
ja, wenn man die Jugendorganisationen von Gewerkschaften, Umwelt- und Naturschutzverbänden, Schülerverbände und andere sieht, auch ohne zu funktionieren.
Aber auch Sport- oder Schützenvereine laden zur demokratischen Partizipation ein. Meiner Ansicht nach ist der
Handlungsbedarf daher eher gering.
Die U-18-Wahl, parallel zur letzten Bundestagswahl,
hat gezeigt, dass unter 18-Jährige zwar in der Lage sind,
zu wählen. Studien haben aber belegt, dass Unterschiede
im Wissen und Verständnis von Politik zwischen 16-Jährigen und 18-Jährigen bestehen. So sind auch erst 18Jährige voll geschäfts- und deliktfähig. Wählen, ohne die
volle Geschäftsfähigkeit innezuhaben, bedeutet in meinen Augen ein Rechte-Pflichten-Ungleichgewicht. Für
die CDU/CSU ist die Volljährigkeit das geeignete Alter,
sowohl das Recht als auch die Pflicht, also die Tragweite
in vollem Umfang, wahrnehmen zu können. Allerdings
habe ich auch eine kleine Vermutung, warum Sie sich für
eine Herabsetzung des Wahlalters einsetzen, wenn ich
mir die Ergebnisse der vergangenen U-18-Wahlen anschaue - ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
({7})
Warum glauben Sie eigentlich an Kinder, aber nicht
an Erwachsene, die diese Kinder erziehen? Sie glauben
nicht an Eltern, dass diese ihren Kindern bei wichtigen
Entscheidungen der öffentlichen Hand Gehör gegenüber
Dritten verschaffen werden.
({8})
Sie glauben offenbar auch nicht an die Lehrerinnen und
Lehrer, da Sie annehmen, dass diese nicht bereits ohne
gesetzliche Regelung Demokratie und sowohl schulische
als auch gesellschaftliche Partizipation in den Schulen
vermitteln würden.
Sie glauben auch nicht an die Erzieherinnen und Erzieher in diesem Land, da Sie der kuriosen Annahme
sind, dass diese keine Teilhabekonzepte für ihre Schützlinge entwickelt haben. Sie glauben offenbar vielmehr
an die Existenz autoritärer Strukturen in den Kitas, in
den Schulen und zu Hause. Ihr Menschenbild verwirrt
mich.
({9})
Ich möchte betonen, dass sowohl ich als auch die CDU/
CSU-Fraktion an die Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher in diesem Land glauben. Ich
möchte ihnen für ihr Engagement und ihre Arbeit mit
und für Kinder und Jugendliche ganz herzlich danken.
({10})
Einer unserer ureigenen familienpolitischen Schwerpunkte ist es, gute Politik für die Kinder und Jugendlichen in unserem Land zu gestalten. Die CDU/CSUFraktion hat in den vergangenen Jahren vieles für die
Kinder und Jugendlichen in diesem Staat getan.
({11})
Durch Elterngeld und Elterngeld Plus haben wir geholfen, die Familien finanziell zu stabilisieren, was den
Kindern nicht nur beim Zeitmanagement zugutekommt.
({12})
Darüber hinaus haben wir die Betreuung des Kindes
durch beide Elternteile gefördert. Das ist ein Fortschritt,
auch und gerade für Kinder und Jugendliche.
({13})
Der Betreuungsausbau, in den der Bund trotz Länderverantwortung bereits über 6 Milliarden Euro investiert
hat, verbesserte die wirtschaftliche Situation für sehr
viele Familien in Deutschland, da er es den Müttern und
Vätern ermöglichte, ihre Arbeit zumindest in Teilzeit
wieder aufzunehmen. Kinder und Jugendliche profitieren in besonderem Maße davon. Nicht nur, dass durch
die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf überhaupt mehr Kinder geboren werden, als es ohne Betreuung der Fall gewesen wäre, auch materielle Wünsche
können durch die Arbeit beider Elternteile besser erfüllt
werden.
Nun wird sich die CDU/CSU-Fraktion in den nächsten Jahren nicht zurücklehnen. Wir als Koalition werden
weitere wichtige Belange der Kinder und Jugendlichen
im Auge behalten. Dazu gehört auch der DemografieCheck, auf den sich SPD und CDU/CSU im Koalitionsvertrag verständigt haben. Im Gegensatz zu Ihnen von
Bündnis 90/Die Grünen glauben wir schon, dass wir hier
ein wirkungsvolles Mittel haben, mit dem wir die Partizipation von Jugendlichen in den nächsten Jahren deutlich stärken können.
Mit diesem Vorhaben sollen künftige Gesetzesvorhaben, Richtlinien und Investitionen dahin gehend überprüft werden, welche Auswirkungen sie für die Jugend
und darauffolgende Generationen haben. Damit soll das
Bewusstsein für gesellschaftliche Nachhaltigkeit geschärft werden. Gerade wenn die bis 20-Jährigen nur
noch einen kleiner werdenden Teil der Bevölkerung ausmachen, ist es wichtig, für die Belange der künftigen Generationen einzutreten. Um dieses Problem wissen wir.
Daher werden wir dem vorbeugen.
Die schwarze Null im Haushalt ist ein weiteres Projekt, um die Jugend nicht ihrer Zukunftschancen zu berauben. Durch die schwarze Null heute, die die CDU/
CSU-Fraktion täglich verteidigt, und durch die Rückführung der Schulden in den nächsten Jahren schaffen wir
Haushaltsspielräume für die künftigen Generationen.
({14})
Knapp 10 Prozent des Bundeshaushaltes fließen lediglich zum Bedienen der Zinsen jährlich in die Bundesschuld. Sparen sollte nie ein Selbstzweck sein. Unser
Zweck aber ist die Zukunftssicherung aller Menschen in
Deutschland, der jetzt lebenden und aller in der Zukunft
geborenen.
Uns allen liegen die Rechte von Kindern und Jugendlichen sehr am Herzen.
({15})
Dennoch sollte über diese Sache rational gesprochen
werden. Ist eine Verankerung von Kinderrechten im
Grundgesetz notwendig, um in der Alltagsrealität Kinder
zu schützen? Nein, weil sie durch das Grundgesetz bereits geschützt werden.
Ja, auch ich möchte den Kindern und Jugendlichen in
einer immer älter werdenden Gesellschaft Gehör verschaffen. Aber das geht nicht durch Symbolpolitik, sondern durch tägliche harte pragmatische Arbeit für Kinder
und Jugendliche, wie es die CDU/CSU seit 2005 in der
Bundesregierung macht.
Ich erlaube mir an dieser Stelle eine abschließende
Bemerkung zu den Vorschlägen, die Sie in Bezug auf die
Verankerung von Rechten von Kindern und Jugendlichen auf kommunaler Ebene machen. Ich selbst bin
Kommunalpolitiker, und ich vermute, dass viele von Ihnen das auch sind. Kommunalpolitiker leiden in den
letzten Jahren darunter, dass viele Vorgaben von Bund
und Ländern nach unten gedrückt werden, ohne darauf
Rücksicht zu nehmen, ob die entsprechenden Rahmenbedingungen vor Ort gegeben sind.
Bei dem, was Sie in Ihrem Antrag fordern, dass die
Rechte von Kindern und Jugendlichen bei Bauleitplanungen, bei allen möglichen Gesetzen und Vorhaben berücksichtigt werden, lassen Sie außer Acht - ich selbst
bin, wie gesagt, Stadtverordneter -, dass wir selber von
vornherein ein Interesse daran haben, wenn wir ein
neues Wohnbaugebiet entwickeln, zu schauen: Gibt es
tatsächlich Spielplätze? Haben wir Schulen? Haben wir
Betreuungseinrichtungen?
({16})
- Natürlich werden sie beteiligt, und der beste Weg der
Beteiligung ist immer noch der, dass Kinder und Jugendliche über Wahlen die Möglichkeit haben, in den Stadtverordnetenfraktionen bzw. in den Gemeinderäten mitzureden.
Von der Variante, dass wir einen Beirat gründen und
Kindern die Möglichkeit geben, das Wort zu ergreifen,
ohne aber im Ergebnis etwas entscheiden zu können,
halte ich persönlich nichts. Das ist Symbolpolitik. Deshalb lehne ich das ab. Wir sollten auch auf Bundesebene
damit aufhören, den Kommunen ständig neue Vorgaben
zu machen, nur weil wir glauben, dass sich einige mit
neuen Spielplätzen austoben wollen. Ich glaube, die
Kommunen wissen sehr genau, was sie vor Ort machen
und wie sie das umsetzen können. Daher lehnen wir
auch diesen Teil Ihres Antrags ab.
Vielen Dank.
({17})
Vielen Dank. - Liebe Kolleginnen und Kollegen,
bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern
ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung
über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur
Änderung des Grundgesetzes bekanntgeben: abgegebene
Stimmen 592. Mit Ja haben gestimmt 482, mit Nein
haben gestimmt 54, Enthaltungen 56. Damit hat der
Gesetzentwurf die erforderliche Mehrheit und ist angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 592;
davon
ja: 482
nein: 54
enthalten: 56
Ja
CDU/CSU
Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Norbert Barthle
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens ({0})
Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr. André Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Dr. Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer ({1})
Axel E. Fischer ({2})
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich
({3})
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Reinhard Grindel
Ursula Groden-Kranich
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr. Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr. Stefan Heck
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich ({4})
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Christian Hirte
Dr. Heribert Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Andreas Jung
Xaver Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Carsten Körber
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr. Karl A. Lamers
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Paul Lehrieder
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Dr. Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr. Thomas de Maizière
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({5})
Reiner Meier
Dr. Michael Meister
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Jan Metzler
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller
({6})
Stefan Müller ({7})
Dr. Philipp Murmann
Helmut Nowak
Dr. Georg Nüßlein
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr. Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Ronald Pofalla
Eckhard Pols
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({8})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer ({9})
Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt ({10})
Gabriele Schmidt ({11})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
({12})
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
Armin Schuster ({13})
Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Tino Sorge
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel ({14})
Sven Volmering
Kees de Vries
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg ({15})
Peter Weiß ({16})
Sabine Weiss ({17})
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Heinz Wiese ({18})
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Oliver Wittke
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Dr. Matthias Zimmer
Gudrun Zollner
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding ({19})
Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr. Karl-Heinz Brunner
Martin Burkert
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Dr. Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Dr. Ute Finckh-Krämer
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Gabriele Groneberg
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann
({20})
Dirk Heidenblut
Hubertus Heil ({21})
Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({22})
Thomas Hitschler
Matthias Ilgen
Christina Jantz
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Johannes Kahrs
Christina Kampmann
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Dr. Bärbel Kofler
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange ({23})
Steffen-Claudio Lemme
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Hilde Mattheis
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Michelle Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Mahmut Özdemir ({24})
Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Dennis Rohde
Dr. Martin Rosemann
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({25})
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Bernd Rützel
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim
Schabedoth
Axel Schäfer ({26})
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr. Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt ({27})
Matthias Schmidt ({28})
Dagmar Schmidt ({29})
Carsten Schneider ({30})
Ursula Schulte
Swen Schulz ({31})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Claudia Tausend
Michael Thews
Wolfgang Tiefensee
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Waltraud Wolff
({32})
Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
Nein
DIE LINKE
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr. André Hahn
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Dr. Gesine Lötzsch
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller ({33})
Harald Petzold ({34})
Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Kersten Steinke
Dr. Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Dr. Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Jörn Wunderlich
Pia Zimmermann
({35})
Enthalten
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Luise Amtsberg
Marieluise Beck ({36})
Volker Beck ({37})
Dr. Franziska Brantner
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Sylvia Kotting-Uhl
Stephan Kühn ({38})
Christian Kühn ({39})
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr. Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({40})
Manuel Sarrazin
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Markus Tressel
Dr. Julia Verlinden
Beate Walter-Rosenheimer
({41})
Nächster Redner ist der Kollege Norbert Müller,
Fraktion Die Linke.
({42})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen
und Kollegen! Kollege Koob, ich kenne Sie nicht weiter;
aber ich hätte gute Lust, von meiner Rede abzuweichen
und auf Ihren Beitrag zu antworten. Aber dann würde
ich ebenfalls nicht zum Antrag sprechen. Deswegen sehen Sie es mir nach, wenn ich zum Antrag rede.
({0})
- Freuen Sie sich nicht zu sehr, Kolleginnen und Kollegen von den Grünen.
Ich möchte Ihnen zunächst für Ihren Antrag danken,
weil er uns die Möglichkeit gibt, nicht nur in der Kinderkommission, sondern auch im Plenum den 25. Jahrestag
der UN-Kinderrechtskonvention zu würdigen. Als ich
Anfang der 90er-Jahre in die Grundschule gegangen bin,
war das bereits ein Thema. Das haben wir aber nicht verstanden. Es wurde im Ethikunterricht der fünften oder
sechsten Klasse behandelt, dass die UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland nur unter Vorbehalt umgesetzt wird. Es ist ein großer Fortschritt, dass sie inzwischen zumindest vollständig umgesetzt werden soll.
({1})
Ihr Antrag hat in seiner Detailliertheit insbesondere
bei den vorgeschlagenen Maßnahmen einige Stärken.
Das gestehen wir selbstverständlich zu. Die Aufnahme
von eigenständigen Kinderrechten ins Grundgesetz, die
Herabsetzung des Wahlalters, längst überfällige Anpassungen des Aufenthalts- und Asylverfahrensgesetzes
- vor allem im Hinblick auf die steigende Zahl unbeglei6244
Norbert Müller ({2})
teter minderjähriger Flüchtlinge - oder auch die umfassende Demokratisierung des Bildungssystems, dies alles
teilen wir, auch wenn festzuhalten bleibt, dass die
Umsetzung der angeführten Punkte im Antrag im Unklaren bleibt und die Zuständigkeiten zumeist bei den
Ländern und Kommunen liegen. Diese sind schon ganz
unterschiedlich weit damit, das umzusetzen, was Sie
jetzt fordern.
Gerade die Detailliertheit beim Ausbau von Partizipationsrechten von Kindern und Jugendlichen verschleiert
aber, dass Sie bei Ihrer Definition von Kinder- und
Jugendrechten zentrale Bestandteile schlichtweg außen
vor lassen. Dies ist insbesondere zum 25. Jahrestag der
UN-Kinderrechtskonvention durchaus bedauerlich. Es
geht eben nicht nur um Beteiligung, sondern auch um
die Voraussetzungen für Beteiligung.
({3})
Die Förderung und der Schutz von Kindern und Jugendlichen sind nämlich kein zu vernachlässigendes Thema,
wie Ihr Antrag nahelegt, ob beabsichtigt oder nicht. Das
Recht auf Förderung und Schutz ist auch nach der UNKinderrechtskonvention nicht vom Recht auf Beteiligung zu trennen.
({4})
Das bedeutet: Die soziale Frage stellt sich auch als
eine Frage der Demokratisierung unserer Gesellschaft.
Wenn, wie gestern in der Kinderkommission festgestellt
wurde, 20 bis 25 Prozent aller Kinder in Deutschland durch
Armut oder Armutsgefährdung innerhalb der Gesellschaft
abgehängt zu werden drohen, dann nützt ihnen weder die
Direktwahl eines Schülersprechers noch das Wahlrecht mit
16 - das gestehe ich Ihnen zu, Herr Koob -; denn dann hat
die Gesellschaft ein ganz anderes Problem: Dann steht es
auch um unsere Demokratie schlecht.
({5})
Ich will Ihnen ein Beispiel geben: Mein Bundesland
Brandenburg hat auf Initiative von SPD, Linken, FDP
und Grünen als erstes Flächenland das Wahlrecht mit 16
für Landtagswahlen, Kommunalwahlen sowie bei der
Volksgesetzgebung eingeführt und umgesetzt. Bei der
Landtagswahl am 14. September - für die übrigens die
CDU damit geworben hat, man könne mit 16 CDU wählen; die Plakate hingen im Land - gaben gerade einmal
41 Prozent der 16- bis 18-Jährigen ihre Stimme ab. Das
liegt deutlich unter der Wahlbeteiligung insgesamt, trotz
größter Anstrengungen von Verbänden, Initiativen,
Gewerkschaftsjugenden und auch vonseiten der Politik.
Wenn man die regionale Wahlbeteiligung dieser Altersgruppe mit der Kinderarmut im Land abgleicht, dann
habe ich keine Zweifel, wie das Ergebnis ausfallen
würde. Das ist deprimierend.
({6})
Es muss daher darum gehen, zu gesellschaftlicher
Beteiligung zu ermächtigen und sie nicht nur formal,
sondern lebenspraktisch zu ermöglichen. Das heißt, die
soziale Frage bei Kindern und Jugendlichen zu beantworten, also den Gedanken von Schutz und Förderung
eben nicht zu vernachlässigen, sondern in den Vordergrund zu stellen.
({7})
Dazu benötigen wir zum Beispiel eine gut ausgebaute
soziale Infrastruktur, Kollege Koob. Das heißt, auf die
schwarze Null zu verzichten; denn die schwarze Null
und die Schuldenbremse werden dazu führen, dass wir
die Infrastruktur und ihren Wert nicht mehr erhalten können und dass wir die soziale Infrastruktur für Kinder und
Jugendliche nicht weiter ausbauen werden.
({8})
Deswegen kann es bei der Aufnahme von Kinder- und
Jugendrechten in das Grundgesetz auch nicht bei Beteiligungsrechten bleiben und kann der Schwerpunkt auf
Partizipation nicht allein der Hebel sein, um Schutz und
Förderung von Kindern und Jugendlichen zu sichern.
Der Antrag der Grünen enthält wenig Falsches. Aber
er schießt zu kurz und offenbart ein bisschen Ihre alte
Schwäche, was die soziale Frage angeht, liebe Fraktion
der Grünen. Das ist aber gar nicht dramatisch. Viel dramatischer finde ich den Redebeitrag des Kollegen Koob,
der offenbar nicht verstanden hat, worum es geht. Noch
dramatischer finde ich die Absetzbewegung der sozialdemokratischen Fraktion, die in früheren Legislaturperioden und in ihrem Wahlprogramm schon sehr viel weiter war. Ich finde es armselig, dass im Koalitionsvertrag
ausschließlich darauf hingewiesen wird, dass man internationale Standards - zu diesen gehört auch die UNKinderrechtskonvention - berücksichtigen werde, wenn
man Normen und Standards hier im Land verändere. Wir
werden im Ausschuss die Möglichkeit nutzen, den
Antrag der Grünen zu qualifizieren. Wir stimmen insgesamt zu.
Vielen Dank.
({9})
Das war die erste Rede des Kollegen Müller. Herzlichen Glückwunsch!
({0})
Als nächste Rednerin hat die Kollegin Svenja Stadler
das Wort.
({1})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Verehrte Gäste! Eine Studie aus Zürich
zur Partizipation von Kindern und Jugendlichen fasste
kürzlich eines ihrer zentralen Ergebnisse wie folgt zusammen: Kinder handeln einen Konsens aus. Sobald Erwachsene ins Spiel kommen, wird abgestimmt. Erwachsene und Kinder verstehen offenbar etwas anderes unter
Partizipation. Sie verhandeln anders und kommen auch
zu ganz anderen Ergebnissen. Wir reden zwar viel über
die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Zu oft
soll sie aber nach den Regeln der Erwachsenen funktionieren. Zu wenig wird sich die Mühe gemacht, die Spielregeln der Kinder aufzunehmen oder die Welt aus den
Augen der Kinder und Jugendlichen zu betrachten. Bei
der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen vor Ort
können wir gemeinsam dafür sorgen, in Zukunft vieles
für uns alle besser zu machen. Die Devise lautet also:
Wir müssen die Bereitschaft der Kinder und Jugendlichen zur Partizipation nach ihren Regeln fördern und sie
als Experten in eigener Sache ernst nehmen.
({0})
Wir in der SPD-Fraktion setzen uns auf allen Ebenen
dafür ein, dass sich Kinder und Jugendliche besser beteiligen können. Dazu sind aus unserer Sicht besonders Beteiligungsmöglichkeiten vor Ort zentral. Wo beginnt
denn tatsächlich Partizipation von Kindern und Jugendlichen? Doch in ihrem unmittelbaren Umfeld, in Kitas, in
Schulen, in Vereinen sowie in Jugendorganisationen und
-zentren. Durch die Integration ihrer Interessen in das direkte Lebensumfeld erfahren sie doch, dass ihre Meinung zählt, dass sie ernst genommen werden.
({1})
Jugendliche sind keinesfalls politikverdrossen; das
belegen Ereignisse der letzten Zeit und zahlreiche Studien. Sie finden sich jedoch nicht in den bestehenden
Parteistrukturen wieder. Deshalb ist die Arbeit der Jugendverbände von großer Bedeutung.
({2})
Hier, in den eigenen Verbänden und selbstständigen
Strukturen, erfahren Jugendliche am besten, dass ihr
Engagement anerkannt und wertgeschätzt wird, dass sie
etwas erreichen und bewegen können. Das ist, finde ich,
Demokratieunterricht par excellence.
({3})
Wir als SPD-Bundestagsfraktion haben uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Mittel für die Jugendverbandsarbeit im letzten Haushaltsjahr erhöht wurden und
dass diese Förderung auch in den kommenden Jahren angemessen fortgesetzt wird.
({4})
Sie kennen doch sicher das Förderprogramm
„JUGEND STÄRKEN im Quartier“, oder? Mit dem
Programm unterstützen wir die Kommunen bei der
Durchführung von Projekten für sozial schwache
Jugendliche zwischen 12 und 26 Jahren. Durch die frühzeitige und weitgehende Beteiligung der Jugendlichen
an der Entwicklung von Projektideen und ihrer Realisierung verbessern wir die Entwicklung der Team- und
Kommunikationsfähigkeit der Jugendlichen und stärken
ihr Selbstbewusstsein.
({5})
Ob Jugendliche sich bei der Organisation eines Stadtteilfestes beteiligen, ob sie gemeinsam einen neuen Spielplatz anlegen oder sich für ältere Menschen engagieren stets machen sie die Erfahrung, dass sie selbst gefragt
werden, dass sie selbst entscheiden können und dass sie
mit ihrem Engagement etwas bewirken können. Das ist
doch toll.
Es gibt weitere Beispiele wie das Bundesprogramm
„Elternchance ist Kinderchance“, um die Beteiligung
auch der Jüngsten in ihrem direkten Lebensumfeld zu
stärken. Damit werden Eltern stärker in die frühe Förderung ihrer Kinder einbezogen. Zudem sind wir in enger
Abstimmung mit den Jugendverbänden bei der Ausarbeitung eines Jugendchecks und setzen die Entwicklung
einer eigenständigen Jugendpolitik fort.
({6})
Wir als SPD arbeiten daran, die Partizipationsrechte
von Kindern und Jugendlichen auf allen Ebenen zu stärken und auszubauen.
({7})
Das haben wir gemeinsam mit Ihnen in der rot-grünen
Koalition getan, und wir setzen es in der Großen Koalition fort.
({8})
Echte Beteiligung von Kindern und Jugendlichen
nach ihren eigenen Spielregeln stärkt die Persönlichkeit
der Kinder, eröffnet uns als Erwachsenen neue Perspektiven und stärkt das Miteinander der Generationen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten. Packen wir’s an!
Vielen Dank.
({9})
Als nächster Redner hat der Kollege Paul Lehrieder
das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Herr Kollege Müller, ich darf Ihnen zunächst auch von dieser Stelle aus zu Ihrer ersten Rede in
diesem Hohen Haus gratulieren. Es hat sich gezeigt: Sie
sind ein trockener Schwamm; Sie wollen noch viel
Wissen aufsaugen. Wir sind Ihnen gern dabei behilflich.
({0})
Neben dem Kollegen Wunderlich sind natürlich auch
wir gern bereit, Ihr Wissen in den nächsten Wochen und
Monaten zu mehren, damit Sie in familienpolitischen
Themen noch kompetenter werden.
Meine Damen und Herren, im Deutschen Bundestag
diskutieren wir viel über den demografischen Wandel.
Der findet sich auch in der Überschrift des heutigen
Antrags. Die Folgen einer geschätzten Bevölkerungsabnahme von bis zu 15 Millionen Menschen bis zum
Jahr 2060, so sagt es das Statistische Bundesamt, stellen
uns vor große Herausforderungen. Deswegen ist es umso
wichtiger, dass jedes Kind in Deutschland seine spezifischen Fähigkeiten entfalten und zur Gemeinschaft beitragen kann; von der Kollegin Stadler wurde völlig zu
Recht auf die Details hingewiesen. In diesem Kontext
spielen gesellschaftliche und politische Partizipationsmöglichkeiten eine zentrale Rolle. Ja, das ist richtig. Ein
solches Engagement ermöglicht es den Jugendlichen,
soziale Kompetenz zu erwerben und an einem aktiven
Interessenaustausch mit anderen jungen Menschen teilzunehmen. Dadurch wird Gemeinschaft erlebbar, mit all
ihren Möglichkeiten, die Gesellschaft mitzugestalten
und zum Positiven zu verändern.
Im Allgemeinen ist das Bild der heutigen jungen Generation in der Gesellschaft jedoch oft alles andere als
positiv. Vor allem bei vielen Älteren gelten die Jugendlichen als antriebslos, uninteressiert und politikverdrossen. Doch nichts könnte weiter von der Wirklichkeit entfernt liegen.
({1})
- Ja, da darf man schon einmal klatschen. Ihr könnt auch
mitklatschen.
({2})
Der Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung
vom Januar 2013 zeigt, dass Jugendliche heute ein großes und oft zunehmendes Engagement an den Tag legen.
Im Vergleich zu den Vorjahren sind immer mehr Jugendliche sozial engagiert. Sie wirken in Sport-, Musik- und
Kulturvereinen mit, engagieren sich in der örtlichen Kirchengemeinde und interessieren sich durchaus für das
politische Geschehen.
Ähnlich wie viele Kollegen hier, habe auch ich meine
ersten Erfahrungen im gesellschaftlichen Umgang natürlich in einem Jugendverband, damals in der KLJB, gemacht. So waren viele im religiösen Bereich tätig. Sogar
bei der Grünen Jugend gibt es engagierte Jugendliche,
die dort ihre ersten Erfahrungen bei der Gestaltung der
Gesellschaft sammeln dürfen. Außerdem nutzen sie routiniert das Internet, um sich zu informieren, Gedanken
auszutauschen und sich zu organisieren. In sozialen
Netzwerken wird munter kommentiert, geteilt und diskutiert. Die Jugendlichen nehmen an Umfragen teil und
schreiben selbst Blogs.
Meine Damen und Herren von den Grünen, in Ihrem
Antrag fordern Sie unter anderem die Aufnahme der
Kinderrechte ins Grundgesetz.
({3})
- Das Protokoll wird vermerken: Applaus eines einzelnen Abgeordneten. - Dieses Vorhaben hat mich und
meine Kollegen erst kürzlich im Petitionsausschuss beschäftigt. Unsere Position bleibt indes unverändert: Die
Grundrechte im Grundgesetz gelten für alle Bürger unseres Staates,
({4})
für Babys, für Jugendliche, für Erwachsene oder für
Menschen im Ruhestand gleichermaßen. Ich frage mich,
wieso Sie in Ihrem Antrag alle anderen Gesellschaftsgruppen diskriminieren. Immerhin sollen deren Rechte
nicht explizit ins Grundgesetz aufgenommen werden.
Aber wer weiß, vielleicht habe ich Sie mit meinen heutigen Ausführungen inspiriert, und wir beschäftigen uns in
der kommenden Sitzungswoche mit Grünen-Anträgen,
in denen besondere Rechte für die genannten Gesellschaftsgruppen gefordert werden. Man darf gespannt
sein.
Ebenso ist die Senkung des aktiven Wahlrechts auf
16 Jahre für Bundestags- und Europawahlen eine Forderung der Grünen, die immer wieder in die Legislaturperiode eingebracht wird. Fakt ist jedoch, dass das BGB
und das Strafrecht jungen Menschen aus gutem Grunde
erst mit 18 Jahren die volle Verantwortung für ihr Handeln übertragen. Nach § 2 BGB beginnt die Volljährigkeit mit der Vollendung des 18. Lebensjahres. Das bedeutet, dass man ab 18 alle Rechte und Pflichten eines
Erwachsenen hat und für sein Handeln selbst verantwortlich ist. Ab diesem Zeitpunkt entfallen alle rechtlichen Beschränkungen, die für Minderjährige gegolten
haben. Die Eltern sind nun nicht mehr die gesetzlichen
Vertreter. Damit endet auch die elterliche Sorge, die Personen- und Vermögenssorge. Mit der Vollendung des
18. Lebensjahres ist man dann voll geschäftsfähig, aber
auch voll strafmündig.
({5})
Für alle angerichteten Schäden ist man nun selbst verantwortlich und kann dafür zivilrechtlich belangt werden.
Mit der Volljährigkeit erlangen die jungen Menschen das
aktive und passive Wahlrecht. Von da an kann man selbst
wählen oder auch selbst gewählt werden, zum Beispiel
in den Stadtrat, aber auch in den Landtag oder hier in
den Bundestag.
Doch es war nicht immer so, dass man in Deutschland
mit dem Alter von 18 Jahren volljährig wurde. Erst am
22. März 1974 beschloss der Bundestag, die Altersgrenze zur Volljährigkeit von 21 auf 18 herabzusetzen,
da man bereits vor dem Erreichen des 21. Lebensjahres
umfangreiche Pflichten wahrzunehmen hatte. Am 1. Januar 1975 trat die neue gesetzliche Regelung in Kraft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, auch
39 Jahre später beabsichtigen wir nicht, die Altersgrenze
abzusenken, weder für das Wahlrecht noch für andere
rechtliche Beschränkungen, die für Jugendliche unter
18 Jahren gelten.
({6})
An einer Bundestags- oder Europawahl teilzunehmen,
bedeutet nämlich auch, Verantwortung für die Wahlentscheidung zu übernehmen. Sollen Jugendliche nach Ihrem Verständnis also schon ab 16 Jahren als voll geschäftsfähig angesehen werden? Welche Maßstäbe legen
Sie denn an, das Wahlalter auf 16 Jahre festzulegen?
Wieso fordern Sie denn eigentlich nicht gleich eine Absenkung auf 14 Jahre?
({7})
Immerhin dürfen Menschen ab diesem Alter frei über
ihre Religionszugehörigkeit entscheiden.
({8})
- Danke.
Des Weiteren darf an dieser Stelle wohl auch einmal
kritisch nachgefragt werden, ob Ihr Antrag auch das passive Wahlrecht ab 16 Jahren beinhaltet; das lassen Sie
offen. Obwohl ich sehr großes Vertrauen in unsere Jugend habe und allergrößten Respekt vor dem, was viele
Jugendliche bereits in jungen Jahren leisten, verwundert
es mich doch sehr, dass Sie allem Anschein nach bereit
sind, 16-Jährige als Bundestagsabgeordnete in dieses
Parlament einziehen zu lassen, und das, obwohl Sie doch
die Komplexität der Aufgaben hier im Hause sehr wohl
kennen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Auch Herr
Müller wird sie kennenlernen. Die Arbeit in der Opposition mag zwar weniger fordernd sein als in der Koalition; dennoch glaube ich nicht, dass 16-Jährige dem gewachsen wären.
Fakt ist: Wahlen sind kein Spiel. Ihr Ergebnis muss auf
einen öffentlichen, nach Möglichkeit mit rationalen Argumenten zu führenden Diskurs zwischen Wählern und zu
Wählenden zurückführbar sein. Das Wahlrecht setzt die Fähigkeit voraus, an einem solchen Kommunikationsprozess
mit einigem Verständnis teilzunehmen.
({9})
Ein solcher Grad an Verstandesreife kann typischerweise
bei den über 18-Jährigen leichter vorausgesetzt werden,
bei den 16- bis 17-Jährigen noch nicht in demselben
Umfang.
Meistens begründen die Grünen ihre Anträge auf Absenkung des Wahlalters damit, das Interesse der Jugend
an der Politik zu wecken. Davon abgesehen, dass ein
zentraler Aspekt der freiheitlichen Demokratie nicht als
pädagogisches Hilfsmittel zum schulischen Politikunterricht degradiert werden sollte, sprechen Wissenschaft
und empirische Erfahrungen auf Landesebene eine andere Sprache. Laut einer Studie der Universität Hohenheim besitzen Jugendliche unter 18 Jahren ein signifikant geringeres politisches Interesse als junge Menschen
über dieser Altersgrenze. Gleiches gilt für das Verständnis von politischer Kommunikation.
Die Erfahrungen auf Landesebene mit dem Wahlrecht
ab 16 sprechen ebenfalls für sich: In Sachsen-Anhalt,
das 1999 das Wahlalter absenkte, lässt sich sogar in einem Zeitraum von über zehn Jahren keine Zunahme der
Stimmabgabe von Jugendlichen unter 18 Jahren feststellen. Die Partizipation der unter 18-Jährigen lag zudem
durchweg unter der durchschnittlichen Wahlbeteiligung.
In Hessen wurde das Wahlalter nach einer Experimentierphase sogar wieder auf 18 Jahre erhöht.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, besonders bezeichnend ist doch, dass sich selbst einer Ihrer eigenen Jugendverbände gegen die Senkung
des Wahlalters ausgesprochen hat.
({10})
Die „Grüne Jugend Ostalb“ in Baden-Württemberg
({11})
führte 2009 eine Umfrage unter 550 Aalener Schülern
durch. 58 Prozent der Teilnehmer antworteten mit Nein
auf die Frage, ob sie das Wahlrecht mit 16 für sinnvoll
halten. Ihr eigener Jugendverband folgerte - Zitat -:
Ein Großteil der Jugendlichen hält das Wahlrecht
ab 16 nicht für sinnvoll. Hier zeigt sich, dass die Jugendlichen sich noch sehr unsicher fühlen.
Herr Kollege Lehrieder!
Mehr muss ich an dieser Stelle nun wirklich nicht
mehr sagen. - Liebe Frau Präsidentin, ich habe das
Blinkzeichen zur Kenntnis genommen.
Sehr schön.
Wir werden diesen Antrag selbstverständlich mit
größtem Interesse debattieren; aber ich befürchte, dass
es schwer werden wird, ihm in einigen Wochen in letzter
Konsequenz unsere Zustimmung zu erteilen.
Herzlichen Dank.
({0})
Jetzt hat die Kollegin Walter-Rosenheimer das
Wort. - Ich bitte einfach um Verständnis dafür, dass ich
ein bisschen auf die Uhr schauen muss. Ich bitte auch
Sie, das Blinkzeichen nicht zu ignorieren, sondern von
ihm, wie es der Kollege getan hat, Notiz zu nehmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Koob,
ich könnte Ihnen jetzt antworten; aber ich möchte auch
etwas zu unserem Antrag sagen. Deshalb nur ganz kurz:
Sie wissen schon, dass das Deutsche Kinderhilfswerk
heute in einer Pressemitteilung unseren Antrag sehr begrüßt und gelobt hat
({0})
und dass im Vorstand dieses Kinderhilfswerks Ihr Fraktionskollege Dr. Tauber sitzt.
({1})
Wir alle blicken dieser Tage 25 Jahre zurück. Und an
was denken wir? An den Mauerfall, der für ganze viele
Menschen das Leben verändert hat und der damals den
Geburtstag der UN-Kinderrechtskonvention etwas aus
dem Blickpunkt gerückt hat. Gestern haben wir dieses
Jubiläum in der Kinderkommission mit unserer Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth und vier hochkarätigen
Experten zum Thema Kinderrechte gefeiert; Sie waren
dabei, Herr Müller. Die UN-Kinderrechtskonvention war
ein Meilenstein für die Rechte von Kindern und Jugendlichen; ich glaube, da sind wir alle, die wir hier sitzen,
uns einig.
Wir haben von unseren Gästen aber auch gehört, dass
es mit der Umsetzung in Deutschland ganz schön hapert.
Deutschland ist noch immer ein Flickenteppich, was
Kinderrechte angeht. Die Beteiligungsmöglichkeiten
junger Menschen in Deutschland entsprechen immer
noch nicht den Standards der UN-Kinderrechtskonvention und auch nicht der EU-Grundrechtecharta, Herr
Lehrieder; das ist Ihnen, sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen der Großen Koalition, sicher auch bekannt. Natürlich sind Sie hier gefordert. Wir möchten gern, dass
Sie endlich gesetzgeberischen Handlungswillen zeigen.
({2})
Das tun Sie nämlich nicht, und dafür gebe ich Ihnen
auch gern ein Beispiel:
In der Antwort auf meine jüngste Schriftliche Frage,
welche Maßnahmen die Bundesregierung plant, um die
Partizipation von Jugendlichen auf Bundesebene zu stärken, lese ich zwar durchaus von einem ganzen Bündel an
Maßnahmen, aber von keiner konkreten Absicht, für
klare gesetzliche Regelungen zu sorgen. Wenn in Ihrem
Haus schon so wenig konkret Gesetzgeberisches dazu
passiert, dann haben Sie doch heute den Mut und unterstützen Sie unseren Antrag! Das wäre doch mal was.
Kinder- und Jugendpolitik soll nicht länger eine Alibipolitik sein.
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in unserem Land
sind dringend weitere konkrete Schritte notwendig.
Mehr Partizipation ist angesagt, vor allem auch deshalb,
weil wir wissen, dass davon besonders Kinder und Jugendliche profitieren, die - da komme ich auf Sie zurück, Herr Müller - nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen und die in irgendeiner Weise benachteiligt
sind. Sie profitieren am allermeisten von früher Partizipation. Insofern haben wir sehr wohl an diesen sozialen
Gedanken gedacht.
Wir schlagen in unserem Antrag konkrete Schritte vor
wie mehr Information über die Rechte von Kindern, die
Aufnahme der Kinderrechte in die Leitbilder von Schulen und Kitas, Ombudsstellen, Monitoringstellen. Wir
sind für die Senkung des Wahlalters, Herr Lehrieder,
weil wir finden, dass 16-Jährige, wenn wir sie vorher gut
informieren und die politische Information an den Schulen ausbauen, sehr wohl imstande sind, teilzuhaben.
({4})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Demokratie ist kein
Geschenk Gottes, sie ist ein ganzes Stück harte Arbeit.
Sie ist auch kein Selbstläufer, sondern muss gelernt werden. Wir fangen damit bei den Kindern an. Wie zitierte
doch gestern in der Kinderkommission einer unserer Experten ein Kind, das an einer UN-Konferenz teilgenommen hatte, so schön: Wir Kinder sind nicht nur die Zukunft. Wir sind jetzt schon da.
Danke.
({5})
Als nächste Rednerin spricht Susann Rüthrich.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich danke der Fraktion der Grünen für den
Anstoß, heute hier über die Beteiligung von Kindern und
Jugendlichen sprechen zu können.
Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen, und zwar
aus einem wunderbaren kleinen Büchlein:
Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist,
sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu,
diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen
die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.
Das steht in der Konvention über die Rechte des Kindes
der Vereinten Nationen. Wir haben sie ratifiziert. Damit
ist auch dieses Kinderrecht für uns bindend. In regelmäßigen Abständen wird überprüft, wie weit wir mit der
Umsetzung der Kinderrechtskonvention sind, und uns
wird regelmäßig ins Stammbuch geschrieben, dass wir
die Kinderrechte endlich ins Grundgesetz aufnehmen
sollen, weil sie sonst eben nicht verbindlich gewahrt
sind.
({0})
Doch wie hören wir eigentlich die Meinung von Kindern in den sie betreffenden Angelegenheiten, wie es in
der Konvention heißt? Hand aufs Herz, liebe Kolleginnen und Kollegen im Verkehrsausschuss, im Haushaltsausschuss und auch bei uns im Familienausschuss, in
dem die Kinder ja eigentlich zu Hause sind - wir alle
können uns angesprochen fühlen -: Wie oft haben wir
auch nur ein Kind gefragt, wie dieses entscheiden
würde?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin zutiefst davon überzeugt: Wenn wir die Kinder an den sie betreffenden Entscheidungen beteiligen, werden wir nicht nur
den Kindern gerecht. Nein, auch das, was bei den EntSusann Rüthrich
scheidungen herauskommt, wird besser. Ich nenne ein
Beispiel; es ist einfach zu naheliegend. Ich habe zwei
Städte bei mir zu Hause vor Augen. Beide wollen einen
Spielplatz bauen.
Stadt A: Die Kinder der Grundschule malen und beschreiben einen tollen Spielplatz. Diesen Plan geben sie
beim Stadtrat ab. Der legt ihn zu den Akten. Er beauftragt danach einen Architekten; der baut einen Spielplatz, seinen Spielplatz. Als dieser fertig ist, kommt die
Überraschung, die eigentlich keine ist: Die Kinder der
Grundschule nutzen den Spielplatz nicht; denn sie sagen:
Die Geräte, die da stehen, sind doch für Babys. - Ein
trauriger Spielplatz, so fast ohne Kinder.
Stadt B dagegen: Der neugewählte Bürgermeister hat
vom Stadtrat nur den Beschluss: Ja, wir bauen eine
Spielplatz. - Er hängt Zettel in die Stadt und postet auf
Facebook: Einladung zur Fahrradtour für alle Kinder der
Stadt. Er zeigt den Kindern die drei potenziellen Baugrundstücke. Er fragt sie, was für das eine und gegen das
andere spricht, und fragt: Was wollen wir denn da hinbauen? Und das gibt er dann dem Architekten. Die Kinder sehen einige Zeit später ihren Spielplatz. Es gingen
nicht alle Wünsche in Erfüllung. Aber es ist ein fröhlicher Spielplatz und die Kinder wissen nun: Sie selber
können etwas verändern. - Und sie werden es wieder
tun; denn so lernen wir: durch Tun.
({1})
Vieles steht in Büchern, vieles versucht uns jemand
beizubringen. Aber wenn wir es nicht selbst anwenden,
ist es schneller aus dem Kopf, als es reingekommen ist,
und das Herz hat eine solche Erkenntnis erst gar nicht erreicht. Wir wollen, dass möglichst alle unsere Kinder
gute Menschen werden: engagiert, mitfühlend, sozial,
bereit, sich einzubringen. Dann müssen wir sie das auch
lernen lassen, indem wir sie jetzt mitmachen lassen.
Doch eigentlich, liebe Kolleginnen und Kollegen,
finde ich das schon viel zu zweckgebunden; denn nicht
für einen möglichst reibungslosen späteren Zweck
müssen wir die Kinder heute beteiligen, sondern weil
jedes Kind seine eigene Welt ist, und die muss heute ihren Platz bei uns haben. Dabei geht es nicht nur um
punktuelle Beteiligung, etwa beim Mittagessensplan in
der Kita, sondern um das pädagogische Prinzip, das
sich durch den gesamten Alltag zieht, damit es wirkt.
Ich selbst habe vor meinem Leben im Bundestag Zukunftswerkstätten in Schulen durchgeführt. Was hatten
die Erwachsenen Sorge, dass die Kinder vielleicht gleich
den Unterricht abschaffen wollen oder sich gegen einzelne Lehrerinnen und Lehrer aussprechen. Weit gefehlt!
Sie wollten ein besseres Mülltrennsystem einführen, sie
wollten einen grüneren Pausenhof, und sie wollten im
Sportunterricht auch einmal auf den Reiterhof nebenan
gehen, also nichts, was das Lernen in der Schule unmöglich macht; ganz im Gegenteil.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, fassen wir uns aber
an die eigene Nase. Vieles, was wir hier entscheiden, berührt das Leben von Kindern. In unseren Expertenanhörungen sehe ich aber so gut wie nie Kinder. Ich finde,
das sollten wir ändern. Lassen Sie uns Kinder einladen
und hören wir ihnen zu!
({2})
Dass wir ihnen zuhören, ist kein Recht, das sie sich erkämpfen müssen, sonst wäre es ja kein Recht.
Vielen Dank.
({3})
Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist diese De-
batte beendet.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/3151 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 13 a bis 13 c auf:
a) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Fünfundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ({0})
Drucksache 18/2663
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({1})
Drucksache 18/3142
- Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
Drucksache 18/3143
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung ({3})
zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring,
Ekin Deligöz, Katja Dörner, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN
Sofort besser fördern - BAföG-Reform über-
arbeiten und vorziehen
Drucksachen 18/2745, 18/3142
c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung ({4})
zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole
Gohlke, Diana Golze, Dr. Rosemarie Hein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
BAföG-Reform zügig umsetzen
Drucksachen 18/479, 18/715
Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn
Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegen
fünf Änderungsanträge der Fraktion Die Linke und sechs
Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
vor. Über zwei Änderungsanträge der Fraktion Die
Linke und zwei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen werden wir später namentlich abstimmen. Über den Gesetzentwurf der Bundesregierung werden wir ebenfalls namentlich abstimmen. Somit werden
wir also nach der Aussprache fünf namentliche Abstimmungen durchführen. Das ist eine ganze Menge.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Debatte 38 Minuten vorgesehen. Gibt es dagegen
Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so
beschlossen.
Ich eröffne die Debatte und gebe Frau Professor
Dr. Johanna Wanka als erster Rednerin das Wort.
({5})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrte Damen und
Herren! Das BAföG war für mich immer eine Herzensangelegenheit. Ich habe im letzten Jahr, als ich neu in
das BMBF kam, von Beginn an gesagt, dass es mir
wichtig ist, dass das BAföG erhöht wird, und dass ich
mich dafür engagiere - nicht zur Freude einer Reihe von
Ländern. Wir hatten schon Jahre zuvor darüber diskutiert. Jetzt haben wir das Gesetz auf dem Tisch liegen.
Wenn man sich dieses Gesetz anschaut und fragt: „Was
bringt denn dieses Gesetz? Was bringt es denn für die
Studierenden? Was bringt es für die Mitarbeiter? Was
bringt es für die Hochschulen?“, dann ist es etwas, was
niemand erwartet hat.
({0})
- Dafür kann ich nichts. Soll ich noch einmal anfangen?
({1})
Entschuldigung. Wir sagen Bescheid; das ist alles geklärt.
({0})
Redundanz ist zwar ein pädagogisches Prinzip, aber
man darf nicht übertreiben. Da Sie sich selbst loben,
muss ich das, glaube ich, an dieser Stelle nicht machen.
({0})
- War nun einmal so, ist aber auch okay.
Meine Damen und Herren, noch einmal, damit es zu
hören ist: Ich habe mich immer für das BAföG engagiert
und im letzten Jahr sehr früh gesagt - nicht zur Freude
aller Beteiligten, die ja auch mit zahlen müssen -: Wir
müssen das BAföG novellieren. Wir müssen das BAföG
erhöhen. - Jetzt haben wir das Gesetz auf dem Tisch,
und die Frage ist: Was bringt es? Was bringt es für die
Studenten? Was bringt es für die Mitarbeiter? Was bringt
es für die Hochschulen? Dieses Gesetz besagt, dass ab
dem 1. Januar 2015 - nicht in zwei Jahren, sondern in
zwei Monaten - der Bund 100 Prozent der BAföG-Zahlungen übernimmt. Das heißt, in den Ländern wird Geld
frei in der Größenordnung von 1,2 Milliarden Euro.
({1})
- Das ist der Hammer.
({2})
Wir haben in den Koalitionsverhandlungen darüber
diskutiert, dass wir das Problem haben, dass es in den
letzten Jahren nur im Bereich der außeruniversitären
Forschungseinrichtungen, wo der Bund zum Teil zu
90 Prozent mitfinanziert, regelmäßig Steigerungen gab.
Diese gab es aber nicht in dem Bereich, für den die Länder verantwortlich sind, nämlich der Grundfinanzierung
der Hochschulen. Bei den Drittmitteln hat der Bund auch
sehr viel getan, gemeinsam mit den Ländern. Jetzt stehen
den Ländern 1,2 Milliarden Euro jährlich frei zur Verfügung. Das ist etwas, was es ganz viele Jahre nicht gab
- ich kann mich überhaupt nicht an so etwas erinnern -:
Es fließt nicht nur frisches Geld ins System, sondern es
fließt dauerhaft Geld, mit dem Dauerstellen geschaffen
werden können. Das ist das Besondere, das Entscheidende.
({3})
Wofür macht das der Bund? In der Gesetzesbegründung steht: „insbesondere für Hochschulen“. Wenn Sie
es ganz bis zum Ende lesen, sehen Sie, was wir im Hinblick auf die Schulen und Hochschulen vereinbart haben. Aber auch dort steht: „insbesondere für Hochschulen“.
({4})
Man könnte also mit diesem Geld etwas machen, worüber hier viel diskutiert wurde - das hängt jetzt aber
von den Entscheidungen in den Ländern ab -: das große
Problem angehen, das wir dadurch haben, dass wir im
Hochschulbereich viele neue junge Leute in das System
gebracht haben, etwa durch die Exzellenzinitiative.
Durch die Aufstockung haben die Länder jetzt die Möglichkeit, Dauerstellen zu schaffen; denn das Geld steht
dauerhaft zur Verfügung. Jetzt kann man für diese jungen Leute, wenn man es denn will, unbefristete Mitarbeiterstellen einrichten.
({5})
Man hat das Geld; man hat es für immer. Man kann Juniorprofessuren einrichten, man kann den Tenure-Track
damit verlässlich gestalten. Es ist also, wenn man so
will, ein riesenhaftes Programm, um - Sie können ja einmal ausrechnen, was man mit 1,2 Milliarden Euro machen kann - Tausende von unbefristeten Stellen zu
schaffen.
({6})
Man kann das Geld aber auch einsetzen, um zum Beispiel Schulsozialarbeiter unbefristet einzustellen oder
anderes zu tun. Hätte ich mich entscheiden können, dann
hätte ich mich dafür entschieden, etwas für den Mittelbau, den Nachwuchs zu tun. Jetzt können die Länder
diese Entscheidung treffen.
({7})
Das ist in einem föderalen System auch vernünftig. Wir
schauen sehr interessiert hin: Wo setzt man die Schwerpunkte? - Wenn jetzt ein Land, das immer sagt: „Wir
brauchen da mehr Stellen“, nichts von dem Geld dafür
verwendet, dann müssen wir uns zumindest wundern.
Wir haben jetzt eine Situation, die von den Hochschulen auch mit Sorge begleitet wird; denn die Hochschulen
verschiedener Länder wissen zum Teil nicht: Was
kommt bei uns an? Das Monitoring, das Herr Schulz
heute angesprochen hat, ist an dieser Stelle sehr wichtig.
Aber es ist eben eine Landesentscheidung, wie das Geld
verwendet wird.
Die Übernahme der Kosten des BAföG durch den
Bund bedeutet zum Beispiel: in der nächsten Legislaturperiode 4,8 Milliarden Euro mehr - das ist von vornherein klar -, die zusätzlich in die Länder fließen, unabhängig davon, wie schlecht oder gut die Finanzlage des
Bundes ist. Wenn gesagt wird - das werde ich nachher
sicherlich von links und aus der Mitte hören -, dass die
Länder das Geld brauchen, weil sie eine so schwierige
Finanzsituation haben, dann erwidere ich: Schauen Sie
sich einmal das PwC-Ranking an, in dem die Finanzsituation aller Bundesländer eingeschätzt wurde! Die
schlechteste hat der Bund. Wir haben Bundesländer, die
schon Schulden tilgen und nicht wollen und sich nicht in
der Lage sehen, im Bereich der Hochschulen Schwerpunkte zu setzen. Deswegen ist es für mich ganz spannend, was in den Ländern geschieht, die jetzt die Möglichkeit haben, Schwerpunkte zu setzen.
Das eine sind also die 1,2 Milliarden Euro, die den
Ländern zusätzlich zur Verfügung stehen; das andere ist
die Novelle, die 2016 in Kraft tritt, mit der es zu einer
entsprechenden Erhöhung der Bedarfssätze, zu einer Erhöhung und Angleichung des Kinderbetreuungszuschlages, zur Erhöhung der Wohnkostenzuschläge und zur Erhöhung der Freibeträge kommt. Das muss ich Ihnen hier
nicht erzählen, das haben alle schon gesehen, darüber
haben wir schon geredet. Für mich ist die Erhöhung der
Freibeträge für die Eltern ein ganz entscheidender Punkt.
Denn ich habe folgende praktische Erfahrung gesammelt: Wenn jemand den vollen BAföG-Satz bekommt,
kann er sich damit einrichten; aber diejenigen, die knapp
am Anspruch auf BAföG vorbeischrammen, haben sehr
viele Nachteile, die über den Fakt, kein BAföG zu bekommen, hinausgehen. Deswegen ist es, glaube ich, unter dem Aspekt der Bildungsgerechtigkeit ganz entscheidend, dass die Freibeträge für die Eltern erhöht werden.
({8})
Man kann sagen, dass mit diesem Gesetzentwurf die
Gesamtzahl der geförderten Studierenden auf den höchsten Wert seit 30 Jahren steigt und zugleich die Bildungsbeteiligung nicht sinkt. Das ist entscheidend; denn Bildungsgerechtigkeit ist eine der Baustellen, an denen wir
alle gemeinsam in dieser Legislaturperiode und darüber
hinaus arbeiten müssen.
({9})
Ich glaube, das Gesetz ist ganz ordentlich.
({10})
Die Anträge vonseiten der Koalition bedeuten keine inhaltliche Änderung, sondern bedeuten, dass vier Punkte,
die wir genau so formuliert haben, vorgezogen werden.
Sie verursachen keine belastbaren Mehrkosten, sind für
die Geförderten aber schon ein Gewinn, weil sie es ein
Jahr früher haben. Diese Möglichkeit haben die Koalitionäre eingeräumt.
Nun wird immer gesagt - das werden wir gleich wieder hören -: Die vorgesehenen Änderungen bei den Bedarfssätzen sind viel zu wenig; es ist seit 2010, 2011
oder 2012 nichts mehr passiert. - Man muss beachten,
dass bei jeder BAföG-Novelle immer prognostiziert
wird: Wie sind die Summen, die Steigerungen in den
nächsten Jahren? Wenn man jetzt sagt, wir haben die Bedarfssätze um 7 Prozent gesteigert, dann muss man auch
sehen, dass der BAföG-Bericht Anfang dieses Jahres
analysiert hat: Wie haben sich die Nettogehälter von
2012 bis 2014 entwickelt? Um 4,9 Prozent. Wie sind die
Verbraucherpreise gestiegen? Um 3,3 Prozent. Für die
betroffenen Studierenden, die auch den Wohnkostenzuschlag bekommen, erhöht sich das, was sie bar haben,
auf 9,7, fast 10 Prozent. Das ist, denke ich, eine beachtliche Größenordnung.
({11})
Die vielen Rufe: „Es muss mehr sein!“ - natürlich, alles mehr -, und: „Es muss eher kommen!“, sind aus
Sicht der Betroffenen - das wird Ihnen jeder Studierende
unterschreiben - okay. Sie sind aber auch ein Indiz dafür, dass wir mit diesem Gesetzentwurf einen guten Entwurf vorgelegt haben. Denn wenn als Kern der Kritik
von der Opposition übrig bleibt, es sollte früher und
mehr sein, dann kann ich damit ganz gut leben.
({12})
- Ja, habe ich gelesen, lese ich immer, Herr Gehring. Und man muss sagen, dass im Bundesrat von den Rednern der Bundesländer kein kritisches Wort zu unserem
Teil der Novelle gefallen ist.
({13})
Ein Argument, das vorgetragen wird, ist, man müsste
das jetzt automatisieren. Der Bund ist jetzt allein verantwortlich, also machen wir automatische Anpassungen
und reden gar nicht mehr darüber, sondern das erfolgt
wie an anderen Stellen. - Da muss ich sagen: Den politischen Gestaltungsspielraum, den man gerade an dieser
Stelle hat, sollte man nicht einfach freigeben, denn Studierende haben andere Situationen. Die müssen nicht
immer an der Nettolohnentwicklung gemessen werden.
Die Studierenden haben andere Bedürfnisse, wenn zum
Beispiel das Teilzeitstudium stärker greift, und darauf
muss man reagieren können. Auch das Meister-BAföG
- nur damit das nachher keiner sagen muss; so steht es
im Gesetz - wird automatisch mit erhöht. Da ist also
keine gesonderte Regelung notwendig, sondern das ist
da schon enthalten.
({14})
Wenn ich als Vorletztes sehe, dass die Linke in ihrem
Änderungsantrag vorgeschlagen hat, die finanzwirtschaftliche Entwicklung, die bisher ein Prüfkriterium
war, als solches zu streichen, dann muss ich fragen: Auf
welchem Planeten leben Sie denn? Schauen Sie sich
doch einmal an, was Sie dort, wo Sie die Verantwortung
haben, machen. Als Sie in Mecklenburg-Vorpommern in
der Regierung waren, haben Sie im Hochschulbereich
die Stellen im Mittelbau um 25 Prozent reduziert. In
Brandenburg haben Sie einen linken Finanzminister, der
das Geld, das wir für die Studierenden gegeben haben,
einkassiert und es nicht einmal an das Wissenschaftsministerium weitergegeben hat.
({15})
Meine Damen und Herren, ich denke, der Gesetzentwurf ist ein starkes Stück. Es ist ein gutes Gesetz, es ist
ein Gesetz für die Zukunft in diesem Land. Ich würde
mich freuen, wenn Sie zustimmen.
({16})
Als nächste Rednerin hat Nicole Gohlke das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Jedes
Mal, wenn wir hier im Bundestag zum Thema BAföG
diskutieren, gibt es mindestens einen Redner - meist natürlich aus den Reihen der SPD -, der den Geist Willy
Brandts beschwört, gibt es einen oder eine, der oder die
erzählt, wie Willy Brandt als Bundeskanzler 1971 das
BAföG eingeführt hat, und der oder die auf das große
und wichtige Erbe verweist, das es heute zu bewahren
gilt.
Liebe Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten,
ich bin da natürlich ganz bei Ihnen: Das Bundesausbildungsförderungsgesetz, das endlich jungen Menschen
aus Arbeiterhaushalten den Zugang zur akademischen
Bildung eröffnete, war eines der wichtigsten sozialen Instrumente überhaupt.
({0})
Ich muss Ihnen aber auch sagen - jetzt kommt das Aber -:
Um den Geist der Reformen von 1971 zu erhalten, reicht
es natürlich nicht aus, ihn wieder und wieder zu beschwören und die Geschichte von damals zu erzählen.
({1})
Das heutige Handeln muss diesem Geist schon auch gerecht werden.
Mit Verlaub, Kolleginnen und Kollegen, bei dieser
BAföG-Novelle der Großen Koalition fehlt so einiges,
wenn man sie an dem sozialen Anspruch von 1971 messen möchte. Wie war das im Jahr 1971? Nachdem das
BAföG in Kraft getreten war, wurden 44,6 Prozent der
Studierenden damit gefördert. Man hatte also richtig
gute Chancen, zu den Geförderten zu gehören. Man
konnte tatsächlich vom BAföG leben und musste sich als
BAföG-Empfänger im Übrigen nicht verschulden, denn
das BAföG war ein Vollzuschuss.
({2})
- Ja, für das BAföG von 1971 kann man klatschen.
Wie sieht das heute aus? 2013 haben nicht einmal
19 Prozent der Studierenden BAföG bekommen, also
nicht einmal jeder Fünfte. Ein BAföG-Empfänger, der
den Höchstsatz bekommt, ist ein noch selteneres Exemplar geworden.
({3})
Gerade einmal 7 Prozent haben 2012 den vollen BAföGSatz bekommen. Das BAföG ist heute leider kaum mehr
als ein Schatten seiner selbst, und das ist das Ergebnis
vieler Jahre neoliberaler Politik.
({4})
Es ist ein Drama, dass diese Regierung nicht bereit ist,
das von Grund auf zu korrigieren.
({5})
Jetzt hat die Große Koalition ihre BAföG-Novelle
mit sehr wohlklingenden Etiketten versehen. Ich gebe
zu, bei Frau Wanka klang es gerade nicht ganz so euphorisch. Sie hat, glaube ich, von „ganz ordentlich“ gesprochen.
({6})
Das ist nicht ganz so enthusiastisch, wie es im Gesetzentwurf selber etikettiert worden ist. Dort heißt es „subNicole Gohlke
stanziell“ und „nachhaltig“; so nennen Union und SPD
ihre Reform.
({7})
Ich weiß, dass es zum politischen Geschäft gehört, sich
selbst und das eigene Handeln möglichst positiv zu
labeln.
({8})
Aber man sollte es nicht übertreiben, vor allem wenn es
eben nicht zur Sache passt.
„Substanziell“, das wäre zum Beispiel der Fall, wenn
das BAföG den Bedarf abdecken würde. Aber das von
der Regierung vorgesehene Plus bei den Bedarfssätzen
gleicht nicht einmal die Preissteigerungen der letzten
Jahre aus. Die Anhebung der Wohnkosten, die Sie vornehmen wollen, liegt bereits jetzt, zwei Jahre bevor die
Novelle überhaupt in Kraft tritt, 50 Euro unter dem, was
Studierende im echten Leben für die Miete hinblättern
müssen. Ihre ganze Reform soll überhaupt erst in zwei
Jahren in Kraft treten. Das ist weder substanziell noch
nachhaltig, das ist Verschleppung.
({9})
„Nachhaltig“ hätten Sie Ihre Reform dann nennen
dürfen, wenn Sie endlich eine automatische Anpassung
der Bedarfssätze an die Preisentwicklung ins BAföG
eingebaut hätten, sodass wir nicht alle paar Jahre um
Prozentpunkte feilschen müssen.
({10})
Genau so, wie das die Große Koalition bei der Abgeordnetendiät erst vor wenigen Monaten beschlossen hat.
({11})
Aber bei den eigenen Diäten flutscht ohnehin so einiges,
was ansonsten ganz mühsame Prozesse sind. Die Abgeordnetendiäten wurden 2012 um 3,5 Prozent erhöht,
2013 um 4 Prozent, 2014 um 5 Prozent, und 2015 sollen
sie noch einmal um 4,8 Prozent steigen. Insgesamt
kommen wir Abgeordnete in vier Jahren auf eine Diätenerhöhung um 18,5 Prozent. Das BAföG wurde in derselben Zeit gar nicht erhöht, und das finden Sie kein
Problem? Manchmal bekommt man leider den Eindruck:
Wären die Kinder der Abgeordneten auf das BAföG angewiesen, gäbe es heute wahrscheinlich eine wirkliche
Erhöhung.
({12})
Die Linke hat das, was eine nachhaltige und substanzielle Reform wäre, in fünf guten Änderungsanträgen
zur Abstimmung vorgelegt. Wir wollen, dass die
BAföG-Sätze und die Freibeträge sofort um 10 Prozent
erhöht werden. Wir wollen endlich die automatische Anpassung des BAföG an die Lebenshaltungskosten. Wir
schlagen vor, dass das BAföG wieder zum Vollzuschuss
umgebaut wird, damit sich junge Menschen nicht erst
verschulden müssen. Wir beantragen, dass Schülerinnen
und Schüler wieder gefördert werden können, auch
wenn sie noch bei ihren Eltern wohnen, und dass
Migrantinnen und Migranten und junge Geflüchtete
bereits nach drei Monaten Aufenthalt gefördert werden
können und nicht erst 15 Monate nachdem sie das
Asylverfahren durchlaufen haben mit ihrem Leben beginnen können.
({13})
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, könnten zur
Abwechslung unseren Änderungsanträgen einmal zustimmen.
({14})
Das wäre nicht nur substanziell und nachhaltig, das wäre
auch überaus sympathisch.
Vielen Dank.
({15})
Als nächster Redner hat der Kollege Oliver
Kaczmarek das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte wieder auf den Gesetzentwurf zurückkommen.
({0})
Wer von uns sich von der gesellschaftlichen Wirkung
des BAföG ein realistisches Bild machen will, dem empfehle ich, die BAföG-Beratung aufzusuchen; denn dort
laufen die Studierenden mit ihren Fragen auf. Ich hatte
kürzlich die Gelegenheit, den Infopoint vom Studentenwerk Dortmund besuchen zu können. Mit welchen Fragen kommen die jungen Leute dorthin? Das sind zum
Beispiel junge Menschen, die unsicher sind, weil sie
nicht wissen, was sie an der Hochschule erwartet, die
vielleicht auch die ersten aus ihrer Familie sind, die eine
Hochschule besuchen, oder junge Menschen, die aus Familien kommen, deren erste Sorge nicht war, den akademischen Weg der Kinder zu bestimmen. Es kommen
auch viele Studierende aus Migrantenfamilien. Es
kommt also eine ganze Reihe von Menschen, von denen
wir wissen, dass sie es an der Hochschule ohnehin schon
am schwersten haben. Mit dem BAföG gewährleisten
wir hier ein Stück materielle Sicherheit. Es ist eine politische Errungenschaft, dass das BAföG diesen Menschen Sicherheit gibt und ihnen das Studium ermöglicht.
({1})
Es geht hier auch um bildungs- und sozialpolitische
Grundsatzentscheidungen. Ich will eine aktuelle Debatte
kurz streifen. Die Frage ist: Was gibt Sicherheit im
Studium, und was schafft Unsicherheit im Studium?
Konzentrieren wir uns dabei auf diejenigen, die von zu
Hause nicht unbedingt das Geld zum Studieren mitbringen. Eine materielle Basis schafft Sicherheit - darum
muss man sich als Student dann schon nicht mehr kümmern -, und Unsicherheit wird auch durch materielle
Unsicherheit geschaffen. Man fragt sich deshalb, was
einige Hochschulrektoren derzeit antreibt, die Debatte
über Studiengebühren wieder aufzuwärmen. Das ist das,
was bei den Studierenden für Unsicherheit sorgt. Die
Studiengebühren sind abgeschafft worden, weil die
Menschen das demokratisch so entschieden haben.
({2})
Den Studiengebühren muss man nicht nachweinen. Das
BAföG schafft mehr Sicherheit für junge Menschen, die
ein Studium aufnehmen wollen, und ich bin froh, dass
die Große Koalition das heute mit diesem Gesetzentwurf
bekräftigt und für mehr Chancengleichheit eintritt.
({3})
Wir verfolgen drei große Ziele - ich will sie kurz ansprechen -:
Erstens. Wir wollen, dass das BAföG substanziell erhöht wird. Ich glaube, eine siebenprozentige Erhöhung
von Bedarfssätzen und Freibeträgen, die Erhöhung der
Wohnpauschale, die Erhöhung der Hinzuverdienstgrenzen, die Erhöhung und Vereinheitlichung des Kinderzuschlags, das sind tatsächlich substanzielle Fortschritte.
({4})
Wenn man dann noch bedenkt, dass ab dem Jahr 2016
110 000 junge Menschen zusätzlich gefördert werden,
dann ist klar, dass dies ein deutlicher Schritt nach vorne
ist. Deswegen sage ich: Diese BAföG-Erhöhung kann
sich sehen lassen. Sie steht in einer Reihe mit anderen
großen Reformen.
({5})
Zweitens. Wir wollen das BAföG strukturell modernisieren. Ich glaube, dass uns das an einigen Punkten
gelungen ist. Mit dieser Novelle gehen wir auf Veränderungen in der Studienorganisation ein; endlich wird die
Förderlücke zwischen Bachelor- und Masterstudiengängen geschlossen. Wir gehen auf Internationalisierungsaspekte des Wissenschaftsstandortes ein, indem Menschen, die aus dem Ausland zu uns kommen, einen
verbesserten Zugang zum BAföG bekommen. Im
Übrigen profitieren von dieser Regelung nicht nur diejenigen, die BAföG bekommen, sondern davon profitiert
auch der gesamte Wissenschaftsstandort, weil er internationale Impulse bekommt.
({6})
Ich finde, das kommt im Konzert der vielen Programme,
die wir auflegen, manchmal ein bisschen zu kurz.
Das BAföG rückt mit dieser Novelle näher an die
Lebens- und Studienrealität junger Menschen heran. Wir
entbürokratisieren das BAföG, und wir unternehmen
erste Schritte in Richtung einer größeren Familienfreundlichkeit. Das ist unser Ziel. Wir können die
Lebensrealität natürlich nicht eins zu eins abbilden, aber
wir kommen ihr ein deutliches Stück näher. Die Botschaft von heute ist, dass die Studierenden sich darauf
verlassen können.
({7})
Drittens. Wir setzen ein deutliches Signal für Investitionen in Bildung. Der Bund ist jetzt alleine für das
BAföG verantwortlich. Das ist gut. Das erspart uns
politisch das schaurige Schauspiel von früher, als von
fehlenden Angeboten oder vermeintlichen Blockaden
geredet wurde. Das können wir jetzt alleine und, glaube
ich, auch repolitisiert thematisieren. Ich will das kurz in
Zahlen verdeutlichen: Wir mobilisieren im Bundeshaushalt ab sofort - die Ministerin hat es gerade gesagt 1,2 Milliarden Euro pro Jahr. 3,5 Milliarden Euro erhalten die Länder, um ihrerseits in Bildung, Betreuung und
Wissenschaft investieren zu können. Ab 2016 mobilisieren wir jedes Jahr 2 Milliarden Euro im Bundeshaushalt.
Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich kenne nur ganz wenige
Gesetze, die wir hier verabschiedet haben, bei denen so
viel Geld mit einer Entscheidung bewegt wird. Deswegen ist diese Reform substanziell.
({8})
Das verbessert die Studienbedingungen und ist ein klares
Bekenntnis der Großen Koalition für Zukunftsinvestitionen, für Investitionen in die Bildungs- und Chancengleichheit, und zwar sowohl im Bund wie auch in den
Ländern.
Vielleicht noch einen Satz dazu: Im Moment sind
viele Vorschläge im Umlauf, was die Länder mit diesem
Geld alles machen können. Die Ministerin hat gerade einige Punkte genannt. Einige Vorschläge konnten wir
auch in der Zeitung nachlesen. Ich glaube, wir sollten
uns darauf verständigen, dass wir darauf vertrauen, dass
die Länder dieses Geld jetzt richtig einsetzen. Wir sind
wirklich der Meinung, die Länder sollen das entscheiden. Lassen Sie uns die Latte nicht zu hoch hängen. Im
Haushaltsausschuss werden wir ein Monitoring bekommen. Die Ergebnisse dieses Monitorings können wir
dann wieder zugrunde legen. Ich denke, wir sollten jetzt
nicht dazu übergehen, in jeder Debatte zu sagen: Die
Länder können das Geld nicht richtig ausgeben. - Wir
haben gerade das Grundgesetz geändert und eine neue
Kooperationskultur festgeschrieben. Ich bin sicher, dass
wir mit dieser BAföG-Reform einen Schritt in diese
richtige Richtung gehen.
({9})
Ich möchte noch einen Satz zum Meister-BAföG loswerden. Tatsächlich steigen - das ist gerade angesprochen worden - die Bedarfssätze und Freibeträge in gleichem Umfang. Das ist in den Gesetzen so festgelegt. Wir
müssen uns aber darüber hinaus einigen Herausforderungen stellen. Es gibt Veränderungen in den Berufsbiografien und Lebensläufen derjenigen, die über das
Meister-BAföG gefördert werden, die wir noch nicht abgebildet haben. Deswegen werden wir als Koalition das
Meister-BAföG in dieser Wahlperiode noch anfassen.
Wir reden deshalb nicht nur über die Gleichwertigkeit,
sondern dokumentieren das auch in unserem Handeln.
({10})
Eine Anmerkung noch: Wir haben hier häufig das
Struck’sche Gesetz zitiert. Es ist in diesem Gesetzgebungsverfahren nicht nur zitiert, sondern auch angewandt worden. Es hat einen sehr guten Gesetzentwurf
der Bundesregierung gegeben. Es ist uns gelungen, im
Beratungsverfahren - weil es ein ernst gemeintes Beratungsverfahren war - einige Punkte vorzuziehen, die
sich jetzt unmittelbar und schneller auf die Alltagserfahrungen der Studierenden auswirken können als der Rest
des Gesetzes. Ich möchte an dieser Stelle allen Beteiligten dafür danken, dass der Weg dafür im Sinne der Studierenden freigemacht worden ist.
({11})
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.
Wir müssen das BAföG immer wieder an der Lebensrealität der Studierenden und an der Realität des Studiums neu messen; aber wir können auch sagen, dass wir
mit dieser 25. BAföG-Änderungsnovelle einen erheblichen Beitrag dazu geleistet haben, das BAföG substanziell zu erhöhen und strukturell zu modernisieren. Deswegen kann man diesem Gesetz mit ruhigem Gewissen
und überzeugt zustimmen. Darum bitte ich Sie.
Vielen Dank.
({12})
Als nächster Redner spricht Kai Gehring.
({0})
Frau Präsidentin, liebe Ministerin a. D.! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und
Kollegen!
({0})
- Genau! Das muss jetzt mit den Nettigkeiten reichen. In der über 40-jährigen Geschichte des BAföG bringt die
25. BAföG-Novelle ein Novum. Der Bund wird ab 1. Januar 2015, also in sieben Wochen, für das BAföG alleine
zuständig sein. Die BAföG-Reform der Koalition
beglückt also zuallererst die Länder, die entlastet werden. Schüler und Studierende müssen aber bis zum Wintersemester 2016/2017 weiter warten. Sie als Koalition
stecken die jüngere Generation in die Warteschleife. Wir
können das nicht hinnehmen!
({1})
Wir sagen Nein, wenn Ihr Gesetzentwurf so bleibt;
und wir sagen Ja zu unseren BAföG-Änderungsanträgen. Das sollten Sie als Große Koalition auch tun, denn
Sie haben ja jetzt zu 100 Prozent den Gestaltungsauftrag
für das BAföG.
Nach vier Jahren ohne BAföG-Erhöhung verordnen
CDU/CSU und SPD Schülerinnen und Schülern sowie
Studierenden zwei weitere Jahre Nullrunden. Ganze
zwölf Semester ohne BAföG-Erhöhung, das hat Chancen blockiert. Dies ist durch nichts zu rechtfertigen. Das
BAföG muss heraufgesetzt werden, und zwar sofort!
({2})
Die Lebenshaltungskosten, vor allem Mieten und Nebenkosten, sind deutlich gestiegen. Das spüren Studierende, wenn das Geld schon aufgebraucht, der Monat
aber noch lang ist. Darum beantragen wir eine angemessene Erstattung der tatsächlichen Wohnkosten, gestaffelt
entlang den regionalen Durchschnittsmieten. Darum beantragen wir hier heute im Parlament, das BAföG um
10 Prozent statt um 7 Prozent zu erhöhen, und zwar zum
nächstmöglichen Semester; denn das BAföG muss zum
Leben und zum Lernen reichen.
({3})
Auch die Freibeträge müssen um 10 Prozent statt um
7 Prozent steigen, damit überhaupt mehr junge Menschen BAföG erhalten, statt weiter massenhaft aus der
Förderung und dem Berechtigtenkreis herauszufallen.
Der Anteil der BAföG-Empfänger gehört nicht geschrumpft, sondern er gehört ausgeweitet, meine Damen
und Herren.
({4})
Damit neuerliche Warteschleifen, welche die Koalition hier heute beschließen will, künftig nicht mehr vorkommen, brauchen wir auch mehr Verlässlichkeit. Wir
brauchen beim BAföG eine dynamische, regelmäßige
und automatische Anpassung der Bedarfssätze und Freibeträge. Das schützt vor Regierungswillkür und bringt
Verlässlichkeit. Wir beantragen das deshalb heute auch.
Auch die SPD hat es einmal gefordert. Sie können da
gerne mitstimmen.
Die 25. BAföG-Novelle kommt nicht nur zu spät und
ist halbherzig, die Koalition produziert auch neue Ungerechtigkeiten. Beispiel eins: Bei BAföG und Berufsausbildungsbeihilfe planen Sie unterschiedliche Zugangsmöglichkeiten für EU-Bürger. Die Gleichwertigkeit
von beruflicher und akademischer Bildung ist für Union
und SPD an dieser Stelle reines Lippenbekenntnis. Wir
sagen: Azubis aus der EU sollen Berufsausbildungsbeihilfe erhalten können und damit einen Rechtsanspruch
auf eine Förderung. Auch hierzu liegt ein Änderungsantrag von uns vor.
({5})
Beispiel zwei. Es ist mir unverständlich, dass Flüchtlingen nach drei Monaten das Arbeiten erlaubt wird,
Flüchtlingen, die studieren, aber erst nach 15 Monaten
BAföG gewährt wird. Wir brauchen endlich eine Politik,
die zügig in alle Talente und alle Potenziale investiert
und selbstverständlich auch in die der Flüchtlinge. Deswegen liegt auch hierzu ein Änderungsantrag von uns
vor.
({6})
Mit der 25. BAföG-Novelle handeln Sie in Zeiten des
Fachkräftemangels ökonomisch kurzsichtig. Sie verzögern Bildungsaufstieg für viele, und Sie verzögern die
überfällige soziale Öffnung der Hochschulen.
Liebe Abgeordnete von Union und SPD, schieben Sie
die BAföG-Erhöhung nicht länger auf die lange Bank,
sondern ziehen Sie sie vor. Stimmen Sie unseren Vorschlägen und Änderungsanträgen zu. Andernfalls werden bis zum Inkrafttreten in zwei Jahren mehrere Zehntausend junge Menschen aus dem Kreis der BAföGBerechtigten herausfallen. Das kann niemand ernsthaft
wollen. Die junge Generation braucht jetzt ein klares Ja
für eine unverzügliche Reform des BAföG. Denn BAföG
muss zum Leben und zum Lernen reichen.
({7})
Als nächster Redner hat der Kollege Dr. Stefan
Kaufmann das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Vor 23 Jahren habe ich in Tübingen einen BAföG-Antrag gestellt. Das war mit enorm
viel Papierkram verbunden, und ich musste monatelang
auf eine Entscheidung warten. Es gab bis zur Entscheidung kaum Übergangsgeld. Damals sagte ich mir: Das
geht besser. Heute, 23 Jahre später, wird es besser. Ich
bin dankbar, dass ich dabei mithelfen konnte.
({0})
Ab 1. August 2016 wird es ein obligatorisches Onlineantragsverfahren geben. Es wird schon bei vorläufiger Zulassung zum Master BAföG geben. Die Vorauszahlung während der Wartezeit auf die Zulassung wird
erhöht. Der Maßstab war auch für mich im Rahmen dieser Diskussion über die BAföG-Reform immer: Was
hilft den Studierenden eigentlich wirklich? Der Kollege
Kaczmarek hat dies auch angedeutet. Wenn man sich
dies fragt, ist ganz schnell klar: Es geht nicht nur um die
Erhöhung der Bedarfssätze. Es geht vielmehr um Bürokratieabbau und um Vereinfachung. Es geht um Beschleunigung und Planbarkeit. Das sind die Meilensteine
dieser BAföG-Reform, und das, lieber Kai Gehring, lassen wir uns nicht schlechtreden, auch nicht von der Opposition.
({1})
Der andere Leitgedanke dieser BAföG-Reform lautet:
Wie bekommen wir mehr bedürftige junge Menschen in
die Förderung? Dazu gibt es zwei Wege: zum einen die
Erleichterung bei der Antragstellung - das erhöht die
Zahl der Antragsteller; es nehmen ja nicht alle BAföG in
Anspruch, die es dürften - und zum Zweiten - das hat
die Ministerin gesagt - die signifikante Erhöhung der
Freibeträge. Das hilft insbesondere den Mittelstandsfamilien. Die Prognose besagt, lieber Kai Gehring, dass
diese Novelle über 110 000 mehr junge Menschen in die
BAföG-Förderung bringen wird. Das ist ein Wort.
({2})
Deshalb freue ich mich, dass wir heute in zweiter und
dritter Lesung eine große dreistufige BAföG-Reform
verabschieden. In langer Detailarbeit haben wir diese
große Reform in den letzten Jahren ausgearbeitet. Diese
Reform im Umfang von 2 Milliarden Euro - das wurde
jetzt gesagt - kann sich wirklich sehen lassen. In sieben
Wochen - auch das wurde gesagt - werden durch diese
Reform in den Ländern nun 1,17 Milliarden Euro jährlich für Bildung frei, und zwar für Schulen und Hochschulen.
Damit könnten wir den Grundetat aller Hochschulen
inklusive Fachhochschulen um satte 5 Prozent erhöhen,
oder wir könnten - das ist ein Punkt, der der Ministerin
auch sehr wichtig war - Dauerstellen für Nachwuchswissenschaftler schaffen. Auch dieses Thema begleitet
uns hier schon eine ganze Weile. Alternativ könnten wir
Schulen mit IT ausstatten oder zusätzliche Lehrer einstellen. Das Beste: Dieses Geld ist nicht befristet oder an
ein Programm gebunden, nein, es steht den Ländern dauerhaft zur Verfügung.
({3})
Das ist aber nur die erste Stufe der Reform. Auf eine
zweite Stufe haben wir uns hier im Parlament im Rahmen der Ihnen auch vorliegenden Änderungsanträge bei
der Gesetzesberatung geeinigt. Ich zähle es noch einmal
auf:
Erstens. Die Vorauszahlungen bei nicht kurzfristig zu
bearbeitenden Erstanträgen werden wir auf 80 Prozent
des jeweils zustehenden Förderungsbetrages erhöhen.
Zweitens. Die Förderung von Masterstudierenden
wird bereits ab einer zunächst nur vorläufigen Zulassung
zum Studium unter Rückforderungsvorbehalt ermöglicht.
Drittens. Die Studierenden haben Anspruch auf eine
Vorabentscheidung über die Förderungsfähigkeit eines
geplanten Masterstudiums dem Grunde nach.
Viertens. Wir streichen den Leistungsnachweis vor
dem dritten Semester.
Diese zweite Stufe der Reform, die keine zusätzlichen
Kosten verursacht, werden wir zum 1. August 2015 vorziehen. Erste Erleichterungen kommen den Studierenden
damit schon im nächsten Wintersemester zugute. Zum
Wintersemester 2016/17 zünden wir dann die dritte Stufe
der Reform, und das ist ein wahres Feuerwerk an Verbesserungen; das wurde hier schon gesagt.
({4})
- Ja, das ist ein Feuerwerk an Verbesserungen. Das ist
ein Hammer! Das kann man wirklich so sagen.
({5})
Ich zähle auf: Anhebung der Bedarfssätze und der
Freibeträge um 7 Prozent, für auswärts wohnende Studierende sogar Höchstsatzsteigerungen um fast 10 Prozent auf 735 Euro monatlich, Erhöhung des Wohngeldes
auf 250 Euro monatlich, Anhebung des Vermögensfreibetrages auf 7 500 Euro, Anhebung des Kinderbetreuungszuschlags auf einheitlich 130 Euro, Schließung der
Förderlücke zwischen Bachelor- und Masterstudium,
und für die Minijobber wird die Hinzuverdienstgrenze
auf 450 Euro angehoben. Wir stärken Mobilität und
Internationalität durch die Umsetzung von EuGHEntscheidungen. Hinzu kommen Maßnahmen zur Entbürokratisierung, Verfahrenserleichterungen, auch das
Thema „Onlineanträge für alle“ und vieles mehr. Das
elektronische Antragsverfahren war mir auch persönlich
besonders wichtig. Wir verpflichten die Länder, die elektronische Antragstellung bis zum 1. August 2016 zu ermöglichen. Das, meine Damen und Herren, ist mehr als
überfällig und ein richtig großer Fortschritt.
({6})
Insgesamt bedeutet die dritte Stufe der Reform für die
Studierenden weitere 825 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich, und das auf Dauer.
({7})
- Lieber Kai Gehring, 825 Millionen Euro pro Jahr, und
das auf Dauer: Wenn das eine kleine Reform ist, dann
weiß ich es nicht.
({8})
Lieber Kai Gehring, in diesem Punkt sind wir unterschiedlicher Meinung.
Das sind beeindruckende Investitionen in Hochschulen und Schulen durch die CDU-geführte Bundesregierung. Da soll mal einer erzählen, die schwarze Null blockiere alles. Sie blockiert nichts. Diese Koalition kann
beides.
({9})
Wir können solide haushalten und in Bildung und Forschung investieren. Das ist zukunftsorientierte Politik,
die den jungen Menschen und damit uns allen in
Deutschland hilft.
({10})
Dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen Bildungspolitiker, haben wir jahrelang gekämpft.
({11})
Nun ist das eine gemeinsame Leistung der CDU/CSU
und unseres Koalitionspartners, der SPD. Ich danke Frau
Ministerin Wanka und Staatssekretär Rachel für die hervorragende Vorbereitung.
Lassen Sie mich noch einen Satz zu denjenigen sagen,
die ein Haar in der Suppe finden. Ja, natürlich wird auch
diese Reform nicht alles perfekt machen; keine Reform
macht alles perfekt. Aber sie ist ein großer Wurf und ein
großer Fortschritt im Hinblick auf die Chancengerechtigkeit in Deutschland, meine Damen und Herren.
({12})
Weitergehende Forderungen gibt es natürlich immer;
sie wurden hier heute ja auch schon benannt. Wir nehmen diese auf dem Weg zu einer neuen BAföG-Reform
gerne mit, die wir dann - ohne die Länder; darüber hatten wir gesprochen - in Eigenregie planen können. Da
geht es dann zum Beispiel um die Berücksichtigung des
Ehrenamtes und um die Anforderungen an das BAföG
im Lichte des lebensbegleitenden Lernens.
({13})
Zum Vorschlag der Grünen noch ein letztes Wort.
Lieber Kai Gehring, Ihr Vorschlag, den Wohnkostenzuschlag regional zu verändern, ist undurchdacht; denn
auch der Standort einer Universität ist beim Werben um
Studierende ein Faktor. Bei Ihrem Vorschlag würden
Studierende in München deutlich mehr BAföG erhalten
als Studierende in Essen. Das entspricht jedenfalls nicht
meinen Vorstellungen von Chancengleichheit.
({14})
Jetzt wollen wir sehen, meine Damen und Herren,
was die Länder mit diesem gigantischen finanziellen Paket für die Bildung in wenigen Wochen anfangen. Ich
kann nur sagen: Die Schüler und Studierenden haben es
verdient. Zusätzliche Investitionen in Bildung zahlen
sich immer aus. Wie sagt man so schön? Es gibt nur eines, das teurer ist als Bildung, nämlich keine Bildung.
({15})
Wir jedenfalls, Herr Kollege Kaczmarek, werden die
Länder bei der Umsetzung ganz genau beobachten.
Denn es muss schon für jeden nachvollziehbar sein, welche Prioritäten eine Landesregierung setzt, wenn es um
die Übernahme der Mittel geht. Sich in die Büsche
schlagen, das gibt es, jedenfalls aus unserer Sicht, nicht
mehr.
({16})
Meine Damen und Herren, wir von der Regierungskoalition zeigen heute, dass wir Leistung bringen und zu
unserem Wort stehen. Jetzt sind die anderen am Zuge.
In diesem Sinne, liebe Kolleginnen und Kollegen,
freue ich mich über unsere große dreistufige BAföG-Reform, die sich wirklich sehen lassen kann. Ich bin gespannt, ob die Kolleginnen und Kollegen der Opposition
bei der nachfolgenden Abstimmung über ihren Schatten
springen und zustimmen; denn es gibt objektiv keinen
Grund, gegen diese BAföG-Reform zu stimmen.
Danke sehr.
({17})
Als letzte Rednerin in dieser Debatte hat die Kollegin
Saskia Esken das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Das in der Kanzlerschaft von Willy Brandt eingeführte BAföG hat in seiner Geschichte die Bildungsbiografie unzähliger junger
Menschen geprägt und sie unabhängig vom Geldbeutel
der Eltern gemacht. Es schafft damit Chancengerechtigkeit und ist ein existenzieller Teil des deutschen Bildungssystems. Darauf können wir mit Stolz zurückblicken.
({0})
Aber die Kollegin Gohlke hat natürlich recht: Wir
müssen das BAföG immer wieder für die Zukunft fit machen, und das tun wir mit dieser Reform. Für die SPD ist
das BAföG deshalb ein ganz besonderes Anliegen, weil
wir das sozialdemokratische Versprechen des Aufstiegs
durch Bildung immer wieder einlösbar machen wollen.
({1})
Wir haben im Rahmen eines Fachgesprächs meiner
Fraktion das Vorhaben mit Betroffenen und Sachverständigen diskutiert, einige der Beteiligten sitzen heute auf
der Tribüne. So stelle ich mir die Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die politische Arbeit vor. Wir freuen
uns über Ihr Interesse und einen weiteren regen Austausch.
({2})
Auf zwei mir wichtige Punkte der BAföG-Reform
möchte ich eingehen. Zum einen ist es mir besonders
wichtig, dass wir endlich nach acht langen Jahren die
Freibeträge beim Einkommen, die Bedarfssätze und die
Wohnzuschläge substanziell erhöhen. Das war Zeit;
denn viele Familien waren in diesen Jahren durch gestiegene Einkommen aus dem Kreis derer, die BAföG beziehen können, herausgefallen, obwohl ihre Lebenshaltungskosten in mindestens gleicher Höhe gestiegen
waren.
Mit der Erhöhung der Einkommensgrenze um 7 Prozent können jetzt mehr als 110 000 zusätzliche junge
Menschen BAföG erhalten; der Kollege Kaufmann hat
es gesagt. Durch höhere Bedarfssätze und Zuschläge
können sie ihre Lebenshaltung wieder besser bestreiten.
Insgesamt 500 Millionen Euro mehr fließen pro Jahr in
die Verbesserung des BAföG. Mehr Geld, mehr Geförderte, mehr Bildungsgerechtigkeit - das ist ein wichtiges
Ergebnis dieser Novelle.
({3})
Zum anderen war es unser Ziel, das BAföG an die geänderte Lebenswirklichkeit der Menschen anzupassen.
Mich freut es als Vertreterin des Ausschusses Digitale
Agenda in diesem Haus besonders, dass die BAföG-Antragstellung in Zukunft durchgängig über das Internet erfolgen soll, also da, wo die jungen Leute zu Hause sind.
Dabei ist es wichtig, dass in den Ländern kompatible
Systeme oder, noch besser, sogar nur ein System entwickelt wird; denn die Mobilität von Studierenden darf
nicht durch neue, künstliche Ländergrenzen gebremst
werden.
({4})
Beispielhaft sehen wir an dem Onlineantrag das Potenzial von E-Government, also von digitalen Nutzungsangeboten und Verfahren von Verwaltungen und Behörden. Ein BAföG-Antrag ist sehr umfangreich, und es
müssen dafür zahlreiche Nachweise erbracht werden.
Allzu oft ist der per Post verschickte Antrag unvollständig. Das erfährt der Antragsteller erst und kann darauf
reagieren, wenn der Antrag geprüft und per Post wieder
zurückgeschickt worden ist. Das entspricht nicht unserer
modernen Zeit. In einem Onlineverfahren kann die Prüfung auf formale Vollständigkeit schon beim Ausfüllen
erfolgen. Das Programm kann dem Antragsteller dann
sofort Rückmeldung geben, welche Angaben und welche Nachweise fehlen.
Aber auch das Verwaltungsverfahren kann durch die
Onlinebearbeitung wesentlich vereinfacht und verbessert
werden. Denken wir an mehrstufige Bearbeitungen
durch unterschiedliche Beteiligte, eine Wiederaufnahme
oder Urlaubs- und Krankheitsvertretungen. All das wird
in einem elektronischen Verfahren wesentlich vereinfacht.
Der Onlineantrag vereinfacht das Leben der jungen
Menschen, die auf das BAföG angewiesen sind. Er verSaskia Esken
einfacht auch die Arbeit der Menschen, die das BAföG
beim Studentenwerk bearbeiten. Anwenderfreundlichkeit und Optimierung von Verwaltungsvorgängen: Wir
sehen beim BAföG beispielhaft, wie die Digitalisierung
dem Menschen hilft.
Vielen Dank.
({5})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes
zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgeset-
zes. Der Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung empfiehlt unter Buchstabe a
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/3142,
den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache
18/2663 in der Ausschussfassung anzunehmen.
Hierzu liegen insgesamt elf Änderungsanträge vor. Zu
zwei Änderungsanträgen der Fraktion Die Linke und zu
zwei Änderungsanträgen der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen wurde namentliche Abstimmung verlangt. Nach
den daran anschließenden einfachen Abstimmungen
über die sieben verbleibenden Änderungsanträge werde
ich die Sitzung unterbrechen. Nach der Auszählung wird
die Abstimmung über den Gesetzentwurf der Bundes-
regierung erfolgen. Hierfür ist ebenfalls namentliche
Abstimmung verlangt.
Wir werden also zu diesem Tagesordnungspunkt ins-
gesamt fünf namentliche Abstimmungen durchführen.
Deshalb bitte ich Sie um etwas Geduld, aber auch um
Disziplin - wenn ich das so sagen darf. Sonst zieht sich
das Ganze sehr lange hin.
Wir kommen zur Abstimmung über die vier Ände-
rungsanträge, zu denen namentliche Abstimmung ver-
langt wurde.
Zunächst Änderungsantrag der Fraktion Die Linke
auf Drucksache 18/3177. Ich bitte die Schriftführerinnen
und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzuneh-
men, falls das noch nicht geschehen ist. - Sind alle
Plätze an den Urnen besetzt? - Das scheint der Fall zu
sein. Damit eröffne ich die erste namentliche Abstim-
mung.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimmkarte noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht
der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte
die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Aus-
zählung zu beginnen.
Wir kommen nun zur zweiten namentlichen Abstim-
mung, der Abstimmung über den Änderungsantrag der
Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/3181. Auch hier
bitte ich die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre
Plätze an den Urnen einzunehmen. Sind die Plätze
besetzt? - Das ist der Fall. Dann eröffne ich die zweite
namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag auf
Drucksache 18/3181.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der
Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh-
lung zu beginnen.
Wir kommen jetzt zur dritten namentlichen Abstim-
mung: über den Änderungsantrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/3182. Auch hier
bitte ich die Schriftführerinnen und Schriftführer, wieder
ihre Plätze an den Urnen einzunehmen. Sind alle Urnen
besetzt? - Das ist der Fall. Dann eröffne ich die dritte
namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag auf
Drucksache 18/3182. Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme
noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich
schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerin-
nen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Wir kommen jetzt zur vierten namentlichen Abstim-
mung, zur Abstimmung über den Änderungsantrag der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/3183.
Es gilt das gleiche Verfahren wie üblich. Sind die
Schriftführerinnen und Schriftführer an den Plätzen? -
Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie
schon darauf hinweisen, dass wir im Anschluss an diese
vierte namentliche Abstimmung eine ganze Reihe nicht
namentlicher Abstimmungen haben. Danach gibt es die
Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf, die wiede-
rum namentlich ist. Bitte berücksichtigen Sie das bei Ih-
rer Abendplanung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall.
Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu
beginnen.
Ich weise noch einmal darauf hin, dass es im An-
schluss an die weiteren Abstimmungen, die wir jetzt
gleich beginnen werden, noch eine namentliche Abstim-
mung gibt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bleiben Sie jetzt
bitte nicht an den Urnen stehen, sondern setzen Sie sich,
weil wir jetzt eine größere Zahl von Abstimmungen
durchführen werden; sonst kann ich nicht beurteilen, wie
das Abstimmungsergebnis ist. - Liebe Kolleginnen und
Kollegen, auch zu fortgeschrittener Stunde bitte ich Sie
jetzt noch einmal ausdrücklich, die Plätze einzunehmen.
Wir kommen zunächst zu drei weiteren Änderungsan-
trägen der Fraktion Die Linke, über die ich jetzt abstim-
men lasse.
Zunächst komme ich zum Änderungsantrag auf
Drucksache 18/3178. Wer stimmt für diesen Änderungs-
antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Da-
mit ist dieser Änderungsantrag mit den Stimmen der Ko-
alition gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt worden.
Ich komme zum Änderungsantrag auf Drucksa-
che 18/3179. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? -
Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist
Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn
dieser Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalition
abgelehnt worden bei Zustimmung der Linken und Ent-
haltung von Bündnis 90/Die Grünen.
Ich komme zum Änderungsantrag auf Drucksa-
che 18/3180. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? -
Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Dann
ist dieser Änderungsantrag abgelehnt worden mit den
Stimmen der Koalition und der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen bei Zustimmung der Linken.
Wir kommen jetzt zu vier weiteren Änderungsanträ-
gen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag auf
Drucksache 18/3184 abstimmen. Wer stimmt für diesen
Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Damit ist dieser Änderungsantrag mit den Stim-
men der Koalition abgelehnt worden bei Enthaltung der
Linken und Zustimmung durch Bündnis 90/Die Grünen.
Ich komme zum Änderungsantrag auf Drucksa-
che 18/3185. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? -
Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist
dieser Änderungsantrag ebenfalls mit den Stimmen der
Koalition abgelehnt worden bei Enthaltung der Linken
und Zustimmung von Bündnis 90/Die Grünen.
Ich komme zum nächsten Änderungsantrag, Drucksa-
che 18/3186. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? -
Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist
auch dieser Änderungsantrag abgelehnt worden mit den
Stimmen der Koalition bei Enthaltung der Fraktion Die
Linke und bei Zustimmung von Bündnis 90/Die Grünen.
Ich komme zum Änderungsantrag auf Drucksa-
che 18/3187. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? -
Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist
auch dieser Änderungsantrag mit den Stimmen der Ko-
alition abgelehnt worden bei Enthaltung der Fraktion
Die Linke und Zustimmung durch Bündnis 90/Die Grü-
nen.
Jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir
noch etwas warten, nämlich bis die Ergebnisse der na-
mentlichen Abstimmungen vorliegen. Deshalb unterbre-
che ich die Sitzung kurz. Wir werden die Sitzung bei
Vorliegen der Ergebnisse der namentlichen Abstimmun-
gen wieder aufnehmen.1)
({0})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Vielen Dank an diejenigen, die die Auszählung so
schnell durchgeführt haben! Ich gebe jetzt die von den
Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Er-
gebnisse der namentlichen Abstimmungen bekannt.
Erste namentliche Abstimmung; Änderungsantrag auf
Drucksache 18/3177. Hier sind abgegeben worden
580 Stimmen. Mit Ja haben gestimmt 53, mit Nein ha-
ben gestimmt 527, 0 Enthaltungen. Der Änderungsan-
trag ist damit abgelehnt worden.
1) Ergebnisse siehe Seiten 6262 B, 6265 A, 6267 B
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 580;
davon
ja: 53
nein: 527
Ja
DIE LINKE
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Roland Claus
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr. André Hahn
Inge Höger
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Dr. Gesine Lötzsch
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller ({0})
Thomas Nord
Harald Petzold ({1})
Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Kersten Steinke
Dr. Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Dr. Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Jörn Wunderlich
Pia Zimmermann
({2})
Nein
CDU/CSU
Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Norbert Barthle
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens ({3})
Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr. André Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Dr. Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Axel E. Fischer ({4})
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich
({5})
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Reinhard Grindel
Ursula Groden-Kranich
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr. Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr. Stefan Heck
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich ({6})
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Christian Hirte
Dr. Heribert Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Andreas Jung
Xaver Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Carsten Körber
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr. Karl A. Lamers
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Paul Lehrieder
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Dr. Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({7})
Reiner Meier
Dr. Michael Meister
Jan Metzler
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller
({8})
Stefan Müller ({9})
Dr. Philipp Murmann
Helmut Nowak
Dr. Georg Nüßlein
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr. Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Ronald Pofalla
Eckhard Pols
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({10})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer ({11})
Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt ({12})
Gabriele Schmidt ({13})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
({14})
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
Armin Schuster ({15})
Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Tino Sorge
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel ({16})
Sven Volmering
Kees de Vries
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Albert Weiler
Marcus Weinberg ({17})
Peter Weiß ({18})
Sabine Weiss ({19})
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Heinz Wiese ({20})
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Oliver Wittke
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Dr. Matthias Zimmer
Gudrun Zollner
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Dirk Becker
Lothar Binding ({21})
Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr. Karl-Heinz Brunner
Martin Burkert
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Petra Ernstberger
Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn
Karin Evers-Meyer
Dr. Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Dr. Ute Finckh-Krämer
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Gabriele Groneberg
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann
({22})
Dirk Heidenblut
Hubertus Heil ({23})
Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({24})
Thomas Hitschler
Matthias Ilgen
Christina Jantz
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Johannes Kahrs
Christina Kampmann
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Dr. Bärbel Kofler
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange ({25})
Steffen-Claudio Lemme
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Hilde Mattheis
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Michelle Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Mahmut Özdemir ({26})
Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Dennis Rohde
Dr. Martin Rosemann
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({27})
Bernd Rützel
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim
Schabedoth
Axel Schäfer ({28})
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr. Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt ({29})
Matthias Schmidt ({30})
Dagmar Schmidt ({31})
Carsten Schneider ({32})
Ursula Schulte
Swen Schulz ({33})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Claudia Tausend
Michael Thews
Wolfgang Tiefensee
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Waltraud Wolff
({34})
Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Luise Amtsberg
Marieluise Beck ({35})
Volker Beck ({36})
Dr. Franziska Brantner
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Dieter Janecek
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Sylvia Kotting-Uhl
Stephan Kühn ({37})
Christian Kühn ({38})
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr. Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({39})
Manuel Sarrazin
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Markus Tressel
Dr. Julia Verlinden
Beate Walter-Rosenheimer
Zweite namentliche Abstimmung; Änderungsantrag
auf Drucksache 18/3181. Hier wurden abgegeben 578
Stimmen. Mit Ja haben gestimmt 54, mit Nein haben 468
gestimmt, enthalten haben sich 56 Kollegen. Damit ist
auch dieser Änderungsantrag abgelehnt worden.
Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 579;
davon
ja: 53
nein: 470
enthalten: 56
Ja
DIE LINKE
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Roland Claus
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr. André Hahn
Inge Höger
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Dr. Gesine Lötzsch
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller ({40})
Thomas Nord
Harald Petzold ({41})
Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Kersten Steinke
Dr. Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Dr. Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Jörn Wunderlich
Pia Zimmermann
({42})
Nein
CDU/CSU
Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Norbert Barthle
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens ({43})
Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr. André Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Axel E. Fischer ({44})
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich
({45})
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Reinhard Grindel
Ursula Groden-Kranich
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr. Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr. Stefan Heck
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich ({46})
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Christian Hirte
Dr. Heribert Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Andreas Jung
Xaver Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Carsten Körber
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr. Karl A. Lamers
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Paul Lehrieder
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Dr. Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({47})
Reiner Meier
Dr. Michael Meister
Jan Metzler
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller
({48})
Stefan Müller ({49})
Dr. Philipp Murmann
Helmut Nowak
Dr. Georg Nüßlein
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr. Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Ronald Pofalla
Eckhard Pols
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({50})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer ({51})
Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt ({52})
Gabriele Schmidt ({53})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
({54})
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
Armin Schuster ({55})
Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Tino Sorge
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel ({56})
Sven Volmering
Kees de Vries
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Albert Weiler
Marcus Weinberg ({57})
Peter Weiß ({58})
Sabine Weiss ({59})
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Heinz Wiese ({60})
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Oliver Wittke
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Dr. Matthias Zimmer
Gudrun Zollner
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Dirk Becker
Lothar Binding ({61})
Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr. Karl-Heinz Brunner
Martin Burkert
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Dr. Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Dr. Ute Finckh-Krämer
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Gabriele Groneberg
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann
({62})
Dirk Heidenblut
Hubertus Heil ({63})
Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({64})
Thomas Hitschler
Matthias Ilgen
Christina Jantz
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Johannes Kahrs
Christina Kampmann
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Dr. Bärbel Kofler
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange ({65})
Steffen-Claudio Lemme
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Hilde Mattheis
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Michelle Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Mahmut Özdemir ({66})
Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Dennis Rohde
Dr. Martin Rosemann
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({67})
Bernd Rützel
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim
Schabedoth
Axel Schäfer ({68})
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr. Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt ({69})
Matthias Schmidt ({70})
Dagmar Schmidt ({71})
Carsten Schneider ({72})
Ursula Schulte
Swen Schulz ({73})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Claudia Tausend
Michael Thews
Wolfgang Tiefensee
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn
Waltraud Wolff
({74})
Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
Enthalten
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Luise Amtsberg
Marieluise Beck ({75})
Volker Beck ({76})
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Sylvia Kotting-Uhl
Stephan Kühn ({77})
Christian Kühn ({78})
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr. Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({79})
Manuel Sarrazin
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Markus Tressel
Dr. Julia Verlinden
Beate Walter-Rosenheimer
Dritte namentliche Abstimmung; Änderungsantrag
auf Drucksache 18/3182. Hier wurden wiederum 576
Stimmen abgegeben. Mit Ja haben gestimmt 55, mit
Nein haben gestimmt 467, enthalten haben sich 54. Damit ist auch dieser Änderungsantrag abgelehnt worden.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 576;
davon
ja: 55
nein: 467
enthalten: 54
Ja
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Luise Amtsberg
Marieluise Beck ({80})
Volker Beck ({81})
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Dieter Janecek
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Sylvia Kotting-Uhl
Stephan Kühn ({82})
Christian Kühn ({83})
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr. Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({84})
Manuel Sarrazin
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Markus Tressel
Dr. Julia Verlinden
Beate Walter-Rosenheimer
Nein
CDU/CSU
Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Norbert Barthle
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens ({85})
Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr. André Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Ralph Brinkhaus
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Axel E. Fischer ({86})
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich
({87})
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Reinhard Grindel
Ursula Groden-Kranich
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr. Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr. Stefan Heck
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich ({88})
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Christian Hirte
Dr. Heribert Hirte
Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Andreas Jung
Xaver Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Carsten Körber
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr. Karl A. Lamers
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Paul Lehrieder
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Dr. Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({89})
Reiner Meier
Dr. Michael Meister
Jan Metzler
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller
({90})
Stefan Müller ({91})
Dr. Philipp Murmann
Helmut Nowak
Dr. Georg Nüßlein
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr. Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Ronald Pofalla
Eckhard Pols
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({92})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer ({93})
Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt ({94})
Gabriele Schmidt ({95})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
({96})
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
Armin Schuster ({97})
Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Tino Sorge
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel ({98})
Sven Volmering
Kees de Vries
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Albert Weiler
Marcus Weinberg ({99})
Peter Weiß ({100})
Sabine Weiss ({101})
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Heinz Wiese ({102})
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Oliver Wittke
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Dr. Matthias Zimmer
Gudrun Zollner
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Dirk Becker
Lothar Binding ({103})
Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr. Karl-Heinz Brunner
Martin Burkert
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Dr. Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Dr. Ute Finckh-Krämer
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Gabriele Groneberg
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann
({104})
Dirk Heidenblut
Hubertus Heil ({105})
Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({106})
Thomas Hitschler
Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn
Matthias Ilgen
Christina Jantz
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Johannes Kahrs
Christina Kampmann
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Dr. Bärbel Kofler
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange ({107})
Steffen-Claudio Lemme
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Hilde Mattheis
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Michelle Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Mahmut Özdemir ({108})
Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Andreas Rimkus
Dennis Rohde
Dr. Martin Rosemann
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({109})
Bernd Rützel
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim
Schabedoth
Axel Schäfer ({110})
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr. Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt ({111})
Matthias Schmidt ({112})
Dagmar Schmidt ({113})
Carsten Schneider ({114})
Ursula Schulte
Swen Schulz ({115})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Claudia Tausend
Michael Thews
Wolfgang Tiefensee
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Waltraud Wolff
({116})
Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
Enthalten
DIE LINKE
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Roland Claus
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr. André Hahn
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Dr. Gesine Lötzsch
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller ({117})
Thomas Nord
Harald Petzold ({118})
Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Kersten Steinke
Dr. Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Dr. Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Jörn Wunderlich
Pia Zimmermann
({119})
Vierte namentlichen Abstimmung; Änderungsantrag
auf Drucksache 18/3183: Abgegeben wurden 580 Stimmen. Mit Ja haben gestimmt 56, mit Nein haben gestimmt 470, enthalten haben sich 54 Kollegen. Auch dieser Änderungsantrag wurde damit abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 578;
davon
ja: 56
nein: 469
enthalten: 53
Ja
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Luise Amtsberg
Marieluise Beck ({120})
Volker Beck ({121})
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Sylvia Kotting-Uhl
Stephan Kühn ({122})
Christian Kühn ({123})
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr. Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({124})
Manuel Sarrazin
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn
Hans-Christian Ströbele
Markus Tressel
Dr. Julia Verlinden
Beate Walter-Rosenheimer
Nein
CDU/CSU
Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Norbert Barthle
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens ({125})
Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr. André Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Dr. Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Axel E. Fischer ({126})
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich
({127})
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Reinhard Grindel
Ursula Groden-Kranich
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr. Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr. Stefan Heck
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich ({128})
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Christian Hirte
Dr. Heribert Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Andreas Jung
Xaver Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Carsten Körber
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr. Karl A. Lamers
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Paul Lehrieder
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Dr. Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({129})
Reiner Meier
Dr. Michael Meister
Jan Metzler
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller
({130})
Stefan Müller ({131})
Dr. Philipp Murmann
Helmut Nowak
Dr. Georg Nüßlein
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr. Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Ronald Pofalla
Eckhard Pols
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({132})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer ({133})
Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt ({134})
Gabriele Schmidt ({135})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
({136})
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
Armin Schuster ({137})
Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Tino Sorge
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Volker Ullrich
Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn
Arnold Vaatz
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel ({138})
Sven Volmering
Kees de Vries
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Albert Weiler
Marcus Weinberg ({139})
Peter Weiß ({140})
Sabine Weiss ({141})
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Heinz Wiese ({142})
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Oliver Wittke
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Dr. Matthias Zimmer
Gudrun Zollner
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Dirk Becker
Lothar Binding ({143})
Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr. Karl-Heinz Brunner
Martin Burkert
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Dr. Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Dr. Ute Finckh-Krämer
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Gabriele Groneberg
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann
({144})
Dirk Heidenblut
Hubertus Heil ({145})
Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({146})
Thomas Hitschler
Matthias Ilgen
Christina Jantz
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Johannes Kahrs
Christina Kampmann
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Dr. Bärbel Kofler
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange ({147})
Steffen-Claudio Lemme
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Hilde Mattheis
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Mahmut Özdemir ({148})
Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Dennis Rohde
Dr. Martin Rosemann
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({149})
Bernd Rützel
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim
Schabedoth
Axel Schäfer ({150})
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr. Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt ({151})
Matthias Schmidt ({152})
Dagmar Schmidt ({153})
Carsten Schneider ({154})
Ursula Schulte
Swen Schulz ({155})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Claudia Tausend
Michael Thews
Wolfgang Tiefensee
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Waltraud Wolff
({156})
Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
Enthalten
DIE LINKE
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Roland Claus
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr. André Hahn
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Dr. Gesine Lötzsch
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller ({157})
Thomas Nord
Harald Petzold ({158})
Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Kersten Steinke
Dr. Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Dr. Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Jörn Wunderlich
Pia Zimmermann
({159})
Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn
Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, kommen wir
jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Bun-
desregierung auf der Drucksache 18/2663 in der Aus-
schussfassung. Wer dem Gesetzentwurf der Bundesre-
gierung zustimmen will, den bitte ich um das
Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Damit ist dieser Gesetzentwurf in zweiter Bera-
tung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen
von Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der Linken
angenommen worden.
Wir kommen jetzt zur
dritten Beratung
und Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf. Es
handelt sich wieder um eine namentliche Abstimmung.
Das Procedere kennen ja alle. Deshalb frage ich gleich:
Sind die Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne
die Abstimmung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ist noch ein Mit-
glied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht
abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall.
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftfüh-
rerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen. Das Ergebnis der Abstimmung, liebe Kolleginnen
und Kollegen, wird Ihnen später bekannt gegeben.1)
Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 13 b:
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, For-
schung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „So-
fort besser fördern - BAföG-Reform überarbeiten und
vorziehen“. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/3142,
den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 18/2745 abzulehnen. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer
enthält sich? - Damit ist diese Beschlussempfehlung mit
den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen von
Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Linken ange-
nommen.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 13 c. Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, For-
schung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag
der Fraktion Die Linke mit dem Titel „BAföG-Reform
zügig umsetzen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Be-
schlussempfehlung auf Drucksache 18/715, den Antrag
der Fraktion die Linke auf Drucksache 18/479 abzuleh-
nen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer
stimmt gegen die Beschlussempfehlung? - Enthaltungen?
- Damit ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen
der Koalition gegen die Stimmen der Linken bei Enthal-
tung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Wolfgang Gehrcke, Klaus Ernst, Jan van Aken,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
1) Ergebnis Seite 6282 A
Einstieg in den Ausstieg - Sanktionen gegen
Russland aufheben
Drucksache 18/3147
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({160})
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. - Dazu höre ich
keinen Widerspruch. Dann ist das auch so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner erhält
Wolfgang Gehrcke das Wort.
({161})
Herzlichen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir könnten, wenn sich die
Kollegen der SPD und der CDU/CSU ein bisschen mehr
zutrauen würden, gemeinsam feststellen, dass die Sanktionen gescheitert sind und dass die Sanktionen bisher
nichts Vernünftiges gebracht haben. Das wissen Sie alle.
Sie trauen sich nur nicht, das zuzugeben.
({0})
Ich will Ihnen dafür auch ein paar Argumente nennen.
Erstes Argument. Das Verhältnis zu Russland war in
den letzten 20 Jahren noch nie so schlecht, wie es heute
ist. Nicht einmal zu Zeiten des Kalten Krieges gab es ein
so schlechtes Verhältnis zu Russland.
({1})
- Ja, das war ja ein Teil der sozialdemokratischen Politik. „Wandel durch Annäherung“ war ja nicht meine
Politik; das war Ihre. Dazu stehen Sie ja bloß nicht mehr.
({2})
Wenn man wirklich Sicherheit und Stabilität in
Europa will, muss man ein anderes, besseres Verhältnis
zu Russland herstellen. Dazu wäre ein erster Schritt, dass
man sagt: Wir bauen nicht mehr auf Sanktionen, sondern
wir suchen den Ausstieg aus den Sanktionen, genauer:
den Einstieg in den Ausstieg. Wir haben es ja vorsichtig
formuliert. Sie müssen ja nicht gleich alles aufheben.
({3})
Ich möchte Ihnen ein zweites Argument nennen.
Durch Ihre Politik ist Putins Position in Russland so stabil wie nie zuvor mit Zustimmungsraten von über
80 Prozent. Eigentlich müsste Putin Ihnen ein Dankschreiben für das schicken,
({4})
was Sie ihm an Ansehen und Resonanz im eigenen Land
verschafft haben.
Mein drittes Argument ist - da muss man auch genau
hinschauen -: Die Ukraine ist tief gespalten, und die Gefahr wird immer größer, dass sich auch andere Teile der
Ukraine aus dem staatlichen Verbund herauslösen.
({5})
Wenn man das nicht will, muss man für die Ukraine einen anderen Weg aufzeigen. Ich sage Ihnen noch einmal:
Die Ukraine darf nicht Bollwerk sein, sondern die
Ukraine muss Brücke zu Russland werden. Es ist unbedingt notwendig, einen solchen Schritt zu gehen.
({6})
Herr Gehrcke, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, gerne.
Bitte.
Verehrter Kollege Gehrcke, Sie haben gerade davon
gesprochen, dass Sie eine andere Ukraine haben möchten. Jetzt könnte ich Ihnen natürlich unterstellen - wir
kennen uns ja ein bisschen -, dass zu dieser anderen
Ukraine oder überhaupt zu Ihrem Bild, wie ein Staat sich
positiv entwickeln sollte, die politische Präsenz von
kommunistischen Parteien gehört oder zumindest ein
Beitrag ist, wenn nicht sogar der eigentlich entscheidende.
Sie und Ihre Kollegen haben hier im Deutschen Bundestag und auch in den Ausschusssitzungen immer wieder kritisiert, dass die Kommunistische Partei in der
Ukraine nicht zu den Wahlen zugelassen werden sollte.
Das dortige Verfassungsgericht hat aber den Ausschluss
verhindert, und die Kommunistische Partei hat an den
Wahlen teilgenommen. Sie hat die Fünfprozenthürde leider knapp verpasst, weil die Wähler in den Bollwerken
der Partei, in Luhansk und Donezk, nicht abstimmen
konnten.
Ich frage Sie: Sind Sie bereit, Wladimir Putin zu kritisieren - und damit wirklich deutlich zu machen, dass Sie
sich von seiner Politik distanzieren -, der nicht dafür gesorgt hat, dass die Kommunistische Partei bei den angeblichen Wahlen in den sogenannten Volksrepubliken
Donezk und Luhansk antreten konnte? Im Gegensatz
zum angeblich faschistischen Kiew, wo die Kommunistische Partei bei den Wahlen antreten durfte, konnte man
bei den von Separatisten angesetzten Scheinwahlen in
Donezk und Luhansk die Kommunistische Partei nicht
wählen, weil sie dort nämlich gewählt worden wäre.
Sind Sie bereit, sich von diesem Vorgehen in aller
Schärfe zu distanzieren?
({0})
Sind Sie bereit, zu sagen: „Ich bin mehr Kommunist, als
dass ich Putin verteidige“?
Ich will Ihnen zwei Antworten darauf geben.
({0})
- Ja, zwei gleich. - Die erste Antwort ist: Bei den Wahlen herrschte ein unglaublich schlechtes Klima. Es kam
zur persönlichen Bedrohung von Leuten, die für die
Kommunistische Partei kandidieren wollten. Sie waren
überhaupt nicht mehr in der Lage, eigene Versammlungen und Veranstaltungen durchzuführen; das ist für einen
Wahlkampf nie gut. Dass drei Tage nach diesen Wahlen
das Verbotsverfahren gegen die Kommunistische Partei
wieder eröffnet worden ist, halte ich für einen extremen
Fehler.
({1})
- Sie kriegen ja Ihre Antwort.
Die zweite Antwort. Dass die Kommunistische Partei
in Donezk nicht kandidieren konnte, bedaure ich sehr;
das halte ich für einen großen politischen Fehler. Egal,
ob Putin oder wer auch immer dafür verantwortlich ist:
Wenn man da schon solche Wahlen und Abstimmungen
durchführt, hätte ich es gerne gehabt, dass alle politischen Kräfte, die wollen, auch kandidieren können.
Dann hätten die Kommunistische Partei und andere kandidieren können; dann hätte das Ergebnis mehr Substanz
und Aussagekraft gehabt. Das gehört auch zur Antwort
dazu.
({2})
Sie haben auch erwartet, dass Sie von mir solch eine
Antwort kriegen.
Ich will Ihnen noch ein Argument dafür anführen,
dass die Sanktionen gescheitert sind. In Russland treffen
die Sanktionen nicht die Oligarchen;
({3})
sie leben nach wie vor nicht schlecht bzw. sehr gut. In
Russland treffen die Sanktionen die einfachen Menschen. Sie finden sie in den Metrostationen, wo sie versuchen, sich aufzuwärmen.
({4})
In Deutschland werden durch die Sanktionen immer
mehr Arbeitsplätze und auch die Wirtschaft gefährdet.
Ich will Ihnen ehrlich sagen: In der ganzen Zeit, in der
ich im Bundestag war, hatte ich noch nie so viel Besuch
von Unternehmerinnen und Unternehmern, die - angesichts dieser Frage - Interesse an der Politik der Linken
haben.
({5})
Die Linke ist auch für die Unternehmer, für den OstAusschuss der Deutschen Wirtschaft ein Partner im Hinblick auf eine andere und vernünftige Europa- und
Deutschlandpolitik geworden.
({6})
Darauf bin ich ein Stück weit stolz. Sie müssen sich bemühen, wieder dorthin zu kommen.
({7})
- Nehmen Sie doch mal Fakten zur Kenntnis.
({8})
Nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass die Betriebsräte
vieler Betriebe gerade des Maschinenbaus höchst verunsichert sind im Hinblick darauf, was mit ihren Arbeitsplätzen passiert. Auch das gehört zu den Ergebnissen der
Sanktionen. In Deutschland ist es nicht besser geworden,
in Russland ist es nicht besser geworden. Das möchte ich
gern geändert sehen.
({9})
Ich möchte Ihnen gerne noch zwei Argumente vortragen.
({10})
- Ich weiß, dass es manchmal schwer ist, so etwas zu akzeptieren.
({11})
- Ja, das weiß ich doch. - Ich habe die Rede von
Gorbatschow, seine öffentlichen Einlassungen, seine
Warnungen, dass wir wieder zum Kalten Krieg zurückkehren, sehr ernst genommen, gerade weil ich
Gorbatschow gut kenne und ich mich oft auch kritisch
mit ihm auseinandergesetzt habe.
({12})
Da sind wir ja ganz komisch: Eine Zeit lang war es „unser Gorbi“; alle haben geklatscht und gejubelt. Jetzt hat
er uns einmal die Leviten gelesen, und jetzt ist es nicht
mehr „unser Gorbi“, sondern der frühere sowjetische
Parteiführer, der gegeißelt wird und dem man eine Abfuhr erteilt. Ich finde, man hätte Gorbatschow ganz anders behandeln und seine Kritik ernst nehmen müssen.
({13})
Wenn Sie schon Gorbatschow nicht ernst nehmen,
liebe Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie:
Ähnliches können Sie von drei ehemaligen Vorsitzenden
Ihrer Partei hören. Helmut Schmidt, Matthias Platzeck
und Gerhard Schröder - alle bedauern, dass man zu einer
Politik des Kalten Krieges zurückgekehrt ist.
Herr Gehrcke, lassen Sie noch einmal eine Zwischenfrage zu?
Ja, gerne. Von wem? - Omid, prima.
Herr Kollege, Sie haben gerade Gorbatschow zitiert.
Gorbatschow hat unzweifelhaft riesige Verdienste auch
um die deutsche Einheit. Aber das bedeutet ja nicht, dass
man alles, was er sagt, richtig finden muss. Deshalb will
ich Sie fragen, ob Sie auch richtig finden, dass
Gorbatschow dieser Tage wiederholt hat, dass er es völlig richtig findet, dass die Krim annektiert worden und
nun ein natürlicher Bestandteil der russischen Republik
sei.
Außerdem würde mich interessieren - weil Sie es bisher nicht gesagt haben -, ob Sie nun, nachdem die Wahlergebnisse in der Ukraine so waren, wie sie waren, und
nachdem Swoboda unter 5 Prozent und der rechte Sektor
unter 2 Prozent gerutscht sind, Abstand von der These
nehmen, dass es in Kiew jetzt eine faschistische Machtübernahme gegeben habe.
Gut, ich werde Ihnen zunächst einmal die Frage zu
Gorbatschow beantworten. Man muss nicht alles akzeptieren, was ein Mensch - auch mit den Verdiensten
Gorbatschows - sagt. Man muss sich aber auch offen damit auseinandersetzen.
({0})
Wenn Gorbatschow sagt, er habe Sorge, dass Europa
wieder in den Kalten Krieg zurückkehrt, halte ich das für
die sehr ernsthafte Aussage eines Mannes, der ein solches Lebenswerk vollbracht hat, dass man das ernst zu
nehmen und sich mit dieser Aussage auseinanderzusetzen hat.
({1})
Ich finde, er hat recht: Wir kehren zum Kalten Krieg zurück. Und genau das möchte ich verhindern.
({2})
Jetzt will ich Ihnen etwas zu dem rechten Sektor sagen.
({3})
Also zur Krim: Ich war immer der Auffassung, dass
das Vorgehen Russlands auf der Krim völkerrechtswidrig ist. Das habe ich in Russland immer gesagt. Ich darf
meine russischen Kollegen ja nicht nach Deutschland
einladen; denn sie sind hier gelistet worden. Russische
Abgeordnete dürfen noch nicht einmal Deutschland betreten. Das ist das, was wir unter Dialog verstehen.
Das habe ich in Russland immer gesagt: Das Vorgehen auf der Krim war genauso völkerrechtswidrig wie
das Vorgehen im Kosovo. Wenn wir das eine nicht kritisieren, dann haben wir bei dem anderen ganz schlechte
Karten.
({4})
Von Ihnen habe ich noch kein Argument gehört, dass das
Vorgehen im Kosovo völkerrechtswidrig war.
({5})
Zum rechten Sektor in der Ukraine: Mich hat das sehr
entsetzt und besorgt, was an faschistischen Positionen,
({6})
an Gewalt, an faschistischer Symbolik da aufgetaucht
ist. Mich hat das Vorgehen der sogenannten Freiwilligenbataillone besorgt. Das sind Mörderbanden in der
Ostukraine. Ich bin froh, dass Swoboda und andere Naziparteien nicht wieder hineingekommen sind.
({7})
Aber schauen Sie sich einmal die Zusammensetzung
der Abgeordneten der Volksfrontpartei von Jazenjuk und
anderen an. Da finden Sie diese ganzen rechten Figuren
wieder, und das kritisiere ich genauso.
({8})
Dieser Entwicklung nach rechts muss man entgegentreten.
Ich bitte Sie sehr: Wir beantragen einen Einstieg in
den Ausstieg. Lassen Sie uns zumindest für einen Moment innehalten und uns überlegen, ob wir uns da nicht
anders benehmen können. Könnten wir nicht sagen - wir
müssten es EU-weit regeln -, russische Abgeordnete
sollten wieder nach Deutschland und in andere EU-Länder kommen können?
({9})
Sollte es hier nicht endlich ein Treffen des Auswärtigen
Ausschusses des Bundestages mit dem Auswärtigen
Ausschuss des russischen Parlamentes geben? Dann
kann man über die Fragen ja streiten und diskutieren.
Sollten wir nicht eine solche Geste an den Tag legen
- mehr ist es ja nicht -, mit der gezeigt wird, dass wir
über eine andere Politik nachdenken?
Ich finde, wir sollten hier auch darüber nachdenken,
ob man nicht die Sanktionen zumindest erst einmal in einigen Bereichen zurücknimmt, was auch zum Vorteil der
deutschen Wirtschaft und der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer wäre. Ich würde Sie bitten, mit uns mindestens ernsthaft darüber zu diskutieren, ob die Sanktionen im Bereich des Maschinenbaus zurückgenommen
werden.
({10})
Mich stimmt die Frage sehr besorgt, ob nicht ein
neuer Krieg im Donezk vor der Tür steht. Vieles spricht
dafür, dass es zu einem neuen Krieg um das Gebiet kommen könnte. Das wäre das Letzte, was wir uns in Europa
leisten können. Ich möchte Sie bitten, zumindest in dieser Frage mit uns gemeinsam zu agieren, damit diese
Kriegsgefahr ausgeschaltet wird.
Danke sehr.
({11})
Als nächster Redner hat der Kollege Manfred Grund
das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Es sprach zu uns der Genosse Wolfgang
Gehrcke,
({0})
erster Sekretär der Hauptabteilung für Desinformation
und Propaganda bei der Deutschen Kommunistischen
Partei, gestählt und argumentativ geschult durch viele
Studienaufenthalte in der Sowjetunion bzw. in Moskau.
({1})
Ich will den im Zusammenhang mit dem „Rechten
Sektor“ gemachten Vorwurf des Nationalismus und der
faschistischen Symbolik aufgreifen. Ich habe bei ItarTass, einer der russischen Nachrichtenagenturen, eine
Aussage von Wladimir Putin sowohl auf Russisch als
auch auf Deutsch gefunden. Ich lese Ihnen vor, was
Wladimir Putin über Goebbels gesagt hat. Putin zitiert
Goebbels: Je größer die Lüge, desto schneller wird sie
geglaubt. Er sagte weiter über Goebbels: Er erreichte
seine Ziele, denn er war ein sehr talentierter Mensch. Falls Sie des Russischen noch mächtig sind, Herr Kollege,
({2})
würde ich Ihnen diesen Artikel gerne geben. - Nur so
viel dazu, was alles zurzeit unter Faschismus subsumiert
wird und als argumentative Waffe eingesetzt wird.
In diesen Tagen hat der Hitler-Stalin-Pakt einen prominenten Verteidiger gefunden: Wladimir Putin hat diesen Pakt als Beispiel sowjetischer Friedenspolitik gewürdigt. Putin stellt sich damit in die Tradition deutschrussischer Großmachtpolitik ohne Rücksicht auf das
Schicksal anderer Völker und Staaten.
Denn was war der Hitler-Stalin-Pakt? Der HitlerStalin-Pakt hat den Zweiten Weltkrieg in Europa eingeleitet. Vor allem aber war der Hitler-Stalin-Pakt das
schlimmste Beispiel einer Verständigung von Großmächten zulasten der Schwächeren in Europa.
({3})
Das eigentliche Ziel des Paktes war die Aufteilung Ostund Mitteleuropas. Der trügerische Frieden, die Verständigung zwischen Russland und Deutschland, wurde erkauft mit dem Krieg gegen Polen, dem sowjetischen
Krieg gegen Finnland, der gewaltsamen Einnahme und
Unterdrückung der baltischen Länder und Bessarabiens.
({4})
- Ja, Geschichtsstunde. Das ist notwendig.
({5})
Wenn sich Putin in diese Tradition stellt, zeigt er nur,
dass er eine wirklich unabhängige Ukraine nicht akzeptieren kann, nicht akzeptieren will. Eine unabhängige
Ukraine, die sich frei entscheidet, sich der Einflusssphäre von Moskau zu entziehen, muss nach dieser Logik bekämpft, kleingehalten und destabilisiert werden.
Russen und Ukrainer sind beides Slawen, slawische Völker; aber, Herr Kollege Gehrcke, die Ukrainer sind nicht
die Sklaven Russlands.
({6})
Die gesamte Friedensordnung, die zuerst in Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg und in Gesamteuropa
mit dem Helsinki-Prozess und dem Zerfall der Sowjetunion geschaffen wurde, beruht auf einer fundamentalen
Absage an genau diese Logik, die nur die Ansprüche der
großen Mächte gelten lässt. Die Prinzipien der Respektierung von Grenzen und nationaler Souveränität gilt es
zu verteidigen, auch und gerade in der und für die
Ukraine.
Von Anbeginn der Krise in der Ukraine haben wir militärische Maßnahmen ausgeschlossen. Das Mittel, das
uns, das der Weltgemeinschaft bleibt, sind Sanktionen.
Wir haben diese Sanktionen verantwortungsbewusst und
gezielt eingesetzt: nicht zuerst gegen die Bevölkerung,
sondern gegen diejenigen, die die Verantwortung für die
Aggression in der Ukraine tragen und daran verdienen.
Dabei haben wir in Kauf genommen, dass manche unserer Sanktionen nicht unmittelbar, sondern erst mit der
Zeit wirken. Aber sie wirken, und sie wirken zunehmend.
Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg hat ein
Staat in Europa Gebiete eines Nachbarstaates zuerst besetzt und dann annektiert.
({7})
- Das war im Kosovo nicht so gewesen. - Zum ersten
Mal seit dem Zweiten Weltkrieg hat ein Staat in Europa
ohne jegliche Konsultationen mit den Vereinten Nationen oder anderen internationalen Partnern und ohne jegliche vorherige Vermittlungsbemühungen eine gewaltsame Sezession in einem Nachbarland gefördert, wenn
nicht gar veranlasst, und das auch noch mit einer Invasion der eigenen Streitkräfte auf dessen Territorium.
Nur wenn Russland damit aufhört, die Ukraine weiterhin zu destabilisieren, können wir unsere Sanktionen
zurückführen. Bisher haben sich alle Zugeständnisse,
einschließlich derer in Minsk, als reine Kosmetik vonseiten Russlands herausgestellt.
({8})
Die Minsker Vereinbarungen - ohnehin eine Konzession
der Ukraine unter dem Druck russischer Waffengewalt sind längst wieder gebrochen worden, und zwar einseitig. Die territoriale Integrität der Ukraine wurde durch
die Anerkennung der Wahlfarce in den separatistischen
Gebieten im Osten der Ukraine seitens Russlands erneut
verhöhnt. Der Waffenstillstand im Osten der Ukraine ist
nicht nur brüchig; er wird systematisch unterlaufen - mit
fortgesetzter Unterstützung Russlands für die Rebellen.
Unverhohlen drohen die Rebellen in Donezk und
Lugansk mit der Eroberung weiterer Gebiete der
Ukraine. Und was sagt Russland zu alldem? Es hat
schon mal eine Landkarte gezeichnet von „Novaja Rossija“, von Neurussland, unter Einschluss der Ost- und
Mittelukraine, bis nach Odessa und bis nach Transnistrien.
Wir haben unsere Sanktionen wegen eklatanter Brüche des Völkerrechts verhängt. Russland hingegen setzt
seit Jahren und bis auf den heutigen Tag wirtschaftliche
Sanktionen gegen seine Nachbarstaaten ein. Es tut dies
nicht nur ohne jede Rücksicht auf die Bevölkerung; es
tut dies auch aus rein politischen Gründen, um russische
Interessen durchzusetzen, und es bedient sich dabei aller
möglichen Erklärungen und Vorwände:
2006 verhängte Moskau ein Embargo für den Import
von Wein und Mineralwasser aus Georgien. Offizielle
Begründung: Gesundheitsstandards. Weitere Sanktionen
folgten unter anderen Vorwänden. Der wirkliche Grund:
Russland wollte Georgien für seinen Westkurs abstrafen.
Zugleich verhängte Russland ein Embargo für den
Import moldauischer Weine. Offizielle Begründung lautete wieder: Gesundheitsstandards. Der wirkliche Grund:
Moskau wollte Moldau abstrafen, nachdem es die russischen Pläne zur Lösung des Transnistrien-Konfliktes abgelehnt und sich stärker der EU zugewandt hatte.
Ebenfalls 2006 stoppte Russland die Öllieferungen an
Litauens einzige Raffinerie. Offizielle Begründung:
Schäden an der Pipeline. Der wirkliche Grund: Russland
wollte den Verkauf der Raffinerie an ein polnisches Unternehmen verhindern.
Bereits 2005 verhängte Russland ein Embargo für den
Import von Fleisch aus Polen. Offizielle Begründung:
Qualitätsstandards. In Wirklichkeit ging es um die kritische Haltung Polens gegenüber Russland.
Seit 2013 ist wieder ein russisches Verbot zum Import
von moldauischen Weinen in Kraft. Kaum hatte Moldau
das Assoziationsabkommen mit der EU ratifiziert, verhängte Russland ein weitgehendes Handelsembargo. Offizielle Begründung: Gesundheitsstandards. Aber wir
alle wissen: Es geht nur darum, Moldau für seinen proeuropäischen Kurs zu bestrafen.
Herr Kollege, es gibt einen Wunsch nach einer Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung von dem Abgeordneten Dr. Neu von der Fraktion Die Linke. Möchten Sie
das zulassen?
Ja.
Bitte schön.
Herr Kollege Grund, es ist Ihnen ja bekannt, dass die
Verschärfung der Wirtschaftssanktionen nicht allein mit
Blick auf die Banken und Oligarchen vorgenommen
wurde, sondern die Wirtschaftssanktionen mit dem Abschuss der MH17 in Verbindung gebracht worden sind.
Nun ist bis heute immer noch nicht bewiesen - es gibt
eine Behauptung des BND, aber auch da gibt es widersprüchliche Aussagen -, dass Russland oder die Aufständischen dahinterstecken. Das heißt, es hat eine Sanktionsverschärfung auf Grundlage der Behauptung
gegeben, Russland stecke dahinter, direkt oder indirekt,
was aber bis heute nicht bewiesen ist. Mit anderen Worten: Sind Sie der Auffassung, dass die Verschärfung der
Sanktionen gerechtfertigt ist, obwohl man nach rechtsstaatlichen Kriterien bis heute immer noch nicht beweisen kann, dass Russland direkt oder indirekt dafür verantwortlich ist? Sind Sie dieser Auffassung, ja oder
nein?
Herr Kollege Neu, bis zum Abschuss der MH17 gab
es überhaupt keine Sanktionen gegen Russland. Erst mit
dem Abschuss sind Sanktionen diskutiert und in Kraft
gesetzt worden.
Zurzeit gibt es Ermittlungen über den Abschuss der
MH17; sie liegen in holländischer Hand. Das Problem
ist, dass das Abschussgebiet im Bereich der Separatisten
liegt, ständig beschossen wird und die holländische Ermittlungsgruppe es bis heute nicht gewagt hat, sich die
letzten Trümmerstücke anzusehen. Hinzuzufügen ist,
dass noch nicht einmal alle Leichenteile von den Separatisten an Holland überstellt worden sind.
In den letzten Tagen berichteten investigative Journalisten - vielleicht haben Sie es verfolgt -, dass sie nach
ihren Untersuchungen davon ausgehen, dass im Gegensatz zu dem, was bisher angenommen worden ist, auch
von unserem Bundesnachrichtendienst, die MH17 von
einer Buk russischer Bauart, genommen aus russischen
Beständen, abgeschossen worden ist. Nach diesen Untersuchungen wäre Russland viel stärker als bisher als Verantwortlicher ausgemacht. Ich vermute, dass über diese
Ermittlungsergebnisse in den nächsten Tagen in der breiten Öffentlichkeit diskutiert wird. Vielleicht nehmen wir
uns dann noch einmal Zeit, uns darüber zu unterhalten,
wer ein Interesse daran gehabt hat, diese MH17, ein ziviles Flugzeug, in 10 000 Meter Höhe abzuschießen.
({0})
Meine Damen und Herren, den russischen Standard
für Sanktionen habe ich eben anhand der von mir aufgezählten Beispiele erklärt. Russland wird wegen eklatanter Verletzung des Völkerrechtes sanktioniert, nicht wegen Unbeständigkeit oder weil es nicht dem folgt, was
der Westen Russland vorgibt. Vielmehr verletzt Russland Völkerrecht. Bevor wir unsere Sanktionen gegenüber Russland zurücknehmen, wäre es vielleicht angezeigt, dass zunächst Russland seine willkürlichen
Sanktionen gegenüber seinen Nachbarn beendet.
Was ist mit den Rechten der Ukrainer, der Moldauer,
der Georgier und der baltischen Staaten? Haben diese
Nationen nicht das gleiche Recht auf Respekt, Nichteinmischung, freie Entwicklung und freie Entscheidung,
das Russland für sich in Anspruch nimmt? Ich möchte
klarstellen: Wir wollen ein gutes Verhältnis zu Russland.
Ich sage nicht, dass Russland alles falsch gemacht hat.
Auch sage ich nicht, dass wir alles richtig gemacht haben.
Ich habe mich oft genug für ein besseres Verständnis
und ein Entgegenkommen gegenüber Russland ausgesprochen. In diesem Konflikt geht es aber nicht mehr nur
um unterschiedliche Interessen, auch nicht mehr nur um
die Frage, wie wir einen besseren Ausgleich zwischen
diesen Interessen herstellen können, sondern es geht um
eine fundamentale Differenz zwischen Macht und Recht
in den internationalen Beziehungen.
Russland hat sich in der Vergangenheit immer wieder
selbst auf völkerrechtliche Prinzipien wie territoriale
Unversehrtheit und nationale Souveränität berufen, so in
Tschetschenien oder im Kosovo. Es hat diese Prinzipien
aber de facto in der Vergangenheit immer wieder unterlaufen, wenn dies - wie in Abchasien, Südossetien oder
Transnistrien - den eigenen Interessen entsprach. In der
Ukraine hat Putin dieses Prinzip der territorialen Integrität jetzt aber mit der Leichtigkeit eines Hasardeurs über
Bord geworfen.
Herr Präsident, ich sehe, meine Redezeit geht langsam zu Ende.
({1})
Das ist nicht falsch, die ist schon zu Ende.
Die ist schon zu Ende. - Wir sehen also zurzeit keinen
Anlass, die Sanktionen zurückzunehmen. Ich hatte, Herr
Kollege Gehrcke, nach den Berichten, die heute in allen,
auch den internationalen, Medien zu lesen sind, nämlich
dass Russland mit militärischen Einheiten in Richtung
Ostukraine unterwegs bzw. dort angekommen ist, eigentlich vermutet, dass Sie Ihren Antrag einfach zurückziehen. Das haben Sie nicht gemacht. Deswegen gab es
diese Debatte.
({0})
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Marieluise Beck, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Rede des Kollegen Grund beinhaltet eigentlich eine bittere Bilanz. Sie ist ein Ausdruck dafür, was an Hoffnungen zerstört worden ist, die es nach dem Fall der Mauer,
nach 1990, gegeben hat. Einer der Bausteine dieser zerstörten Hoffnungen ist das Brechen des Budapester Memorandums und der damit zusammenhängende Verrat.
Man überlege sich: Ein Land wie die Ukraine gibt
1994 freiwillig seine gesamte atomare Rüstung gegen
das Versprechen ab, dass seine Grenzen integer sein bzw.
bewahrt werden. Ebendieses Land, das dieses Versprechen abgegeben hat, geht mit militärischer Macht über
diese Grenze hinweg. Was das nicht nur für die Ukraine,
sondern auch für uns und die Welt insgesamt in Bezug
auf das bedeutet, was wir wollen, nämlich atomare Abrüstung, was aber natürlich Vertrauen voraussetzt, können wir noch gar nicht absehen. Von russischer Seite ist
mit dem Bruch des Budapester Memorandums ein wirklich grundlegender Schlag gegen Vertrauen, mögliche
Vertragsabschlüsse und atomare Abrüstung erfolgt.
({0})
Die ganze Geschichte, das ganze Drama der schrittweisen Abriegelung, das Luftwegnehmen durch wirtschaftlichen und letztlich auch massiven militärischen
Druck auf die Ukraine, kann und will ich hier nicht noch
einmal darstellen. Wir haben es aber mit einer Geschichte von ständigen Versprechen und des ständigen
Bruchs von Versprechen zu tun. Das bedeutet, dass immer wieder Vertrauen missbraucht worden ist.
Es gab die Genfer Vereinbarung. Russland stimmte
der Entwaffnung der Milizen und der Räumung der besetzten Territorien zu. Nichts passierte. Es gab das Protokoll von Minsk. Das zu erreichen, war schwierig genug;
denn wir haben Präsident Poroschenko nach einer vollständigen militärischen Niederlage ziemlich alleingelassen. Er musste sich auf einer Basis der Asymmetrie alleine mit Präsident Putin einigen. Es gibt Zusagen von
Minsk, und es gibt Protokolle. Nichts davon ist eingehalten.
Wir diskutieren hier über den Vorschlag der Rücknahme der Sanktionen, der zu meinem großen Bedauern
auch immer wieder vom Ost-Ausschuss der Deutschen
Wirtschaft kommt, von dem ich mir wünschen würde,
dass es mehr Gemeinsamkeit von Ethik, Moral und Geld
gäbe.
({1})
Wir diskutieren über diesen Vorschlag an einem Tag, an
dem die OSZE uns noch einmal ganz deutlich sagt, dass
es wieder einen massiven Truppenvormarsch in die
Ostukraine gibt. Wollen wir belogen werden? Wollen
wir nicht sehen, dass gegen die Ostukraine Krieg geführt
wird? Sind wir schon bei der Orwell’schen Sprachverwirrung? Wir sagen Waffenstillstand, aber eigentlich ist
Krieg? Ist es Orwell’sche Sprachverwirrung, dass von
Verhandlung und Dialog gesprochen wird, während unterhalb der scheinbar ganz deutlich belegbaren Schwelle
tatsächlich militärische und kriegerische Aggressionen
stattfinden?
({2})
Wir erklären immer wieder, dass wir keine militärische Antwort leisten werden. Das ist richtig so. Es ist
schwer genug für die Ukrainer; denn sie zahlen den
Preis. Aber dann diesem bedrängten Land nicht einmal
zur Seite zu stehen und zu sagen: „Wir tun das, was wir
können“, selbst wenn es uns etwas kostet? Wir zeigen,
dass diese fundamentalen Völkerrechtsverletzungen ihren Preis haben. Wir setzen darauf, dass der Preis irgendwann so hoch wird,
({3})
dass auch Putin von seiner Strategie Abstand nehmen
muss. Das ist das Mindeste, das wir tun müssen, nicht
nur wegen der Ukraine, sondern auch, weil wir Teil der
europäischen Friedensordnung sind, die zur Diskussion
steht.
({4})
Ich finde, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
Linken, Sie sollten sich noch einmal überlegen, an
wessen Seite Sie sich stellen. Es geht nicht mehr um das
sozialistische Bruderland Russland.
({5})
Sie haben in Russland ein sehr, sehr zynisches Kartell
der Macht aus ehemaligen Geheimdienstleuten und aus
dem großen Geld. Die Herren bringen ihr Geld auch
noch zu uns in den Westen, ins sichere kapitalistische
Ausland.
({6})
Es sind Personen wie Ken Jebsen und Eva Herman,
die hier inzwischen Sachen sagen wie: Die Ukraine gehöre zu Russland, der Westen wolle nur die Kornkammer, Gas und geostrategische Basen. Die unappetitliche
rechtsradikale Zeitschrift Compact liegt an jeder Supermarktkasse. An wessen Seite stehen Sie eigentlich? Sie
stehen neben UKIP, Jobbik, Le Pen und all den anderen,
die als getarnte Wahlbeobachter auf der Krim und bei
Marieluise Beck ({7})
diesen Scheinwahlen in der Ostukraine waren und die
auch hier in Deutschland ihr Unwesen treiben, übrigens
getarnt als Montagsdemos.
Ich finde, eine aufrechte Linke gehört nicht an die
Seite dieser unappetitlichen politischen Gesellen.
Schönen Dank.
({8})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Niels Annen, SPD-Fraktion.
({0})
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Ich muss zugeben, dass der vorliegende Antrag der Linksfraktion mich ein bisschen ratlos
stimmt. Denn er zeichnet sich in erster Linie durch Weglassungen aus, Herr Kollege Gehrcke. Er sagt nichts zu
den Ursachen der aktuellen Krise in der Ukraine. Er sagt
nichts zu der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim
und auch nichts zu den neuen Truppenkonzentrationen
der russischen Armee. Er sagt auch nichts zu den sogenannten Wahlen, die in Donezk und Luhansk von Separatisten abgehalten worden sind, übrigens eindeutig gegen die internationalen Vereinbarungen verstoßend. Er
sagt auch nichts zu den von der OSZE und der NATO inzwischen bestätigten Truppenbewegungen von ungekennzeichneten Militärfahrzeugen über die russischukrainische Grenze in Richtung Donbass, ein Manöver,
das wir schon aus der Krim-Krise kennen. Herr Kollege
Gehrcke, Ihr Antrag weist auch keinerlei ernsthafte
Handlungsalternativen im Hinblick auf die sehr besorgniserregende Entwicklung, die wir in Russland beobachten können, auf. Zu guter Letzt - auch das muss man der
Vollständigkeit halber hier erwähnen - sind auch die
Aussagen in Ihrem Antrag, auf den ich mich jetzt einmal
konzentriere, zu den Äußerungen der neuen EU-Außenbeauftragten Mogherini nachweislich falsch.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kritik der
Linksfraktion an der Sanktionspolitik und ihre Forderung, diese Sanktionen aufzuheben - das ist eigentlich
der Kernpunkt meiner Intervention -, sind doch im Kern
inkonsequent. Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen,
was Sie hier immer wieder vorgetragen haben, ist, dass
Sie die Politik der Bundesregierung im Kern unterstützt
haben, die da sagt - da sind wir uns im gesamten Hause
einig -: Wir haben in diesem Konflikt keine militärische
Option. - Wenn man das aber sagt, dann muss man auch
die Frage beantworten, welche Instrumente uns zur Verfügung stehen.
({1})
Es sind die Instrumente der Diplomatie - die auch dafür
sorgen müssen, dass wir eine klare Positionierung vornehmen -,
({2})
und es ist das politische Instrument der Sanktion. Insofern ist Ihre Haltung inkonsequent. Stattdessen gerieren
Sie sich, Herr Gehrcke - das muss ich einmal sagen,
nachdem Sie so stolz auf Ihre Besuche beim Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft waren -, als Genosse
der Bosse. Das hilft uns nun wirklich nicht weiter.
({3})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Dreh- und
Angelpunkt unserer Ukraine-Politik ist und bleibt das
Abkommen von Minsk. Warum ist das so? Ganz einfach:
weil es ein Abkommen bzw. ein Protokoll ist, das Russland mit verhandelt und unterzeichnet hat, ein Abkommen, dessen Umsetzung wir aktiv unterstützen. Ich muss
an dieser Stelle auch sagen, Frau Kollegin Beck: Diese
Unterstützung ist auch eine Unterstützung der Regierung
Poroschenko. Von „alleinegelassen“ kann da überhaupt
nicht die Rede sein; darauf lege ich allergrößten Wert.
Denn dieses Format basiert auf den unterschiedlichen
Initiativen, die die Bundesregierung in den letzten
Wochen und Monaten in mühsamer Kleinarbeit durchgesetzt und umgesetzt hat.
({4})
Meine lieben Kollegen von der Linksfraktion, Sie
schreiben in Ihrem Antrag, die Sanktionen hätten „die
Eskalationsspirale weiter gedreht“; das ist ein Zitat aus
Ihrem Antrag.
({5})
In Wirklichkeit ist es aber genau umgekehrt: Doch nicht
die EU hat die Eskalationsspirale weiter gedreht, sondern die Russische Föderation hat die Eskalationsspirale
weiter gedreht. Es gibt bis heute keinen belastbaren Waffenstillstand, obwohl er vereinbart war und diese Vereinbarung auch von Russland unterzeichnet worden ist. Es
gibt bis heute kein von der OSZE organisiertes Monitoring an der Grenze - Kernbestandteil der Minsker Vereinbarung, mit Russland ausgehandelt und von Russland
unterschrieben. Das, Herr Kollege Gehrcke, hätten Sie
an dieser Stelle durchaus erwähnen können,
({6})
weil es die Grundlage der Politik ist, die von der internationalen Gemeinschaft unterstützt wird.
Stattdessen gibt es eine De-facto-Anerkennung des
Ergebnisses illegaler Wahlen, die von den sogenannten
Separatisten durchgeführt worden sind, obwohl im
Minsker Abkommen geregelt wurde, dass es zwar Wah6278
len geben solle, aber nach ukrainischem Recht und an
einem anderen Datum. Davon haben Sie hier kein Wort
erwähnt. Die Friedensbemühungen, die wir auch weiterhin gemeinsam tragen und die in diesem Parlament - darüber bin ich sehr froh - eine breite Mehrheit und große
Unterstützung finden, sind von Russland in den letzten
Wochen systematisch hintergangen und unterlaufen worden. Das führt dazu, dass wir heute vor einer wirklich
schwierigen Situation stehen. Auch die OSZE hat dieses
Verhalten mehrfach verurteilt. Die Vereinten Nationen
haben diese Politik - ich zitiere - als ein „Hindernis für
die Friedensverhandlungen“ bezeichnet. Ich glaube, das
spricht für sich.
Wie lautet die Antwort, die uns von den Kolleginnen
und Kollegen der Linksfraktion vorgeschlagen wird?
Eine Aufhebung der Sanktionen. Ich bin nicht ganz sicher, ob uns die polemische Art und Weise, in der wir
diese Debatte - nicht nur heute, sondern an vielen Tagen geführt haben, immer weiterhilft. Trotzdem muss man
sagen: Das, was Sie vorschlagen, Herr Gehrcke, ist doch
im Kern - darum kommt man nicht herum - eine Ermutigung des bisherigen Kurses von Wladimir Putin, eines
Kurses, der uns und die internationale Gemeinschaft
- an dieser Stelle bin ich mit der Kollegin Beck in der
Tat einer Meinung - über die Ziele, die die Russische
Föderation verfolgt, im Unklaren lässt. Ich sage nicht,
dass eine klare Politik dazu führen würde, dass wir einer
Meinung wären und uns automatisch einigen könnten.
Aber die systematische Politik der Verunsicherung und
der Täuschung, übrigens eine Politik, die mit chauvinistischen Elementen und der Aufheizung von nationalistischen Gefühlen arbeitet, ist etwas, mit dem wir uns klar
auseinandersetzen müssen.
Am Ende ist es vielleicht sogar so, dass man sagen
kann: Das, was Sie von der Bundesregierung fordern, tut
die Bundesregierung. Sie arbeitet an der Aufhebung der
Sanktionen. Aber dafür müssen die politischen Grundlagen stimmen.
Vielen Dank.
({7})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Hans-Peter Uhl, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und
Kollegen! Frau Kollegin Beck, wir waren in diesem
Hause weiß Gott nicht immer einer Meinung.
({0})
- Das kann man so sagen. ({1})
Aber gestatten Sie mir dennoch in aller Offenheit und
Ehrlichkeit ein ganz großes Wort des Dankes für Ihre
brillante Analyse der Lage, in der wir uns derzeit befinden, wenn es um die Ukraine geht. Vielen herzlichen
Dank!
({2})
Man merkt und spürt, dass Sie sich wie keine andere
Kollegin oder wie kein anderer Kollege in diesem Hause
mit der Lage in den letzten Monaten befasst haben und
dass es Ihnen ein Anliegen ist, die Wahrheit ans Licht zu
bringen.
Ich möchte mich auch beim Kollegen Grund und auch
bei Herrn Annen bedanken.
An die Linken möchte ich die Frage richten: Wenn
Sie spüren, wie hier alle demokratischen Kräfte dem
Grunde nach einer Meinung sind, muss es Sie doch
nachdenklich stimmen, ob Sie mit der Position, die Sie
einnehmen, richtig liegen. Sie erwähnen nicht die hemmungslose Brutalität, mit der Russland gegen die
Ukraine vorgeht, angefangen mit der Krim bis über die
Ostukraine, und auch nicht die Art und Weise des Versuches, diesen Staat mit prorussischen Kräften zu zerstören
und zu zersetzen, die man mit all dem ausstattet, was
notwendig ist, um ein Land zu destabilisieren. Vielmehr
drücken Sie all dies weg und wollen davon ablenken. Sie
geben uns sogar eine Schuld, als hätten wir mit den
Sanktionen einen aggressiven Akt begonnen.
Wir würden diese Sanktionen - ich glaube, auch Sie,
Frau Kollegin Beck - lieber heute als morgen beenden.
({3})
Wir haben doch gemeinsam über Jahre, seit der Wende,
an einer strategischen Partnerschaft mit dem Osten, mit
Russland, mit allen Ländern Osteuropas gearbeitet.
Auch heute wollen wir, dass dieses Land wirtschaftlich
blüht und gedeiht. Welches Interesse kann Deutschland
an einem Niedergang Russlands haben?
({4})
Das wäre dann unser ureigenes Problem.
({5})
Das wollen wir nicht. Das kann auch niemand in diesem
Hause wollen. Wie gesagt, wir würden die Sanktionen
lieber heute als morgen beenden. Aber wir können das
zurzeit nicht, und das hat einen ganz einfachen Grund.
Auch Sie denken in den Schablonen der Großmachtpolitik, egal ob sich das auf den Hitler-Stalin-Pakt oder
andere schlechte Vorbilder bezieht. Sie arbeiten auch daran - dazu wurde viel zu Papier gebracht, auch in
Deutschland -, den Gedanken zu verbreiten, die Ukraine
habe kein Recht auf Selbstbestimmung. Das ukrainische
Volk habe nicht das Recht, sich zu entscheiden, ob es
sich nach Westen oder nach Osten orientiert. Nein, der
Ukraine wird die Aufgabe zugewiesen, eine Brückenfunktion zwischen Ost und West zu übernehmen.
({6})
Nach Ihrer Ansicht entscheiden Moskau und der Westen
darüber. Die Ukraine müsse eine Brücke zwischen Ost
und West sein und dürfe sich nicht für den Westen entscheiden.
Was für eine Vorstellung vom Selbstbestimmungsrecht der Völker!
({7})
Sehr merkwürdig. Das kann nicht richtig sein. Es gilt,
dafür zu kämpfen, dass jedes Volk, auch das ukrainische
Volk, das Recht hat, selbst zu bestimmen, wohin es will.
({8})
Das sollen nicht Moskau, nicht Washington und auch
nicht Berlin entscheiden. Kein Land hat das Recht, über
die Ukraine zu bestimmen und zu sagen, wohin das Land
will.
({9})
Herr Kollege Uhl, erlauben Sie eine Zwischenfrage
der Kollegin Beck?
Ja, bitte schön.
Bitte, Frau Kollegin Beck.
Herr Dr. Uhl, weil Sie über die bedenkliche Verschiebung von Maßstäben gesprochen haben, möchte ich Sie
fragen, ob Sie meine Sorge teilen können, die die Einlassungen des ARD-Programmbeirats betreffen. Der Vorsitzende des ARD-Programmbeirats hat in einer öffentlichen Podiumsdiskussion, als Golineh Atei der FriedrichPreis verliehen wurde, erklärt, warum der ARD-Programmbeirat die Berichterstattung der ARD-Journalisten
für „biased“, also nicht immer objektiv, erklärt hat. Er
hat gesagt, das Gutachten sei unter Verschluss. Aber er
hat vier Punkte angeführt, die einen Beleg für dieses
Monitum bedeuten.
Der erste Punkt, den Herr Dr. Siebertz vorgetragen
hat, war, dass die Krim, und das wisse doch jeder, eigentlich nicht zur Ukraine gehört habe. Der zweite Punkt
war, dass es keine Beweise für russische Truppen auf der
Krim gebe. Der dritte Punkt war, dass die Übergangsregierung illegitim gewesen sei. Der vierte Punkt betraf
Odessa, nämlich dass man schon an dem dramatischen
Abend habe wissen können, dass die 40 Toten im Gewerkschaftshaus in Odessa die Opfer ukrainischer Nationalisten gewesen seien.
({0})
Ich finde diese Einlassungen bedenklich und frage Sie
angesichts der Tatsache, dass Sie eben angefangen haben, sich mit Halbwahrheiten auseinanderzusetzen, ob
Sie diesen Vorgang kennen und wie Sie dazu stehen.
Ich teile Ihre Auffassung, dass es in Deutschland viele
Kräfte gibt, die auf die Propagandamaschinerie, die auf
vollen Touren läuft, hereingefallen sind,
({0})
und dass eine Reihe dieser Argumente aus Moskau übernommen werden.
Ich möchte nur einen der vier Punkte aufgreifen, die
Sie erwähnt haben, sonst dauert es zu lange. Wie verhält
es sich mit den prorussischen Kräften, die mordend und
brandschatzend durch die Ostukraine ziehen, womit
Moskau angeblich nichts zu tun haben soll? Es ist wahr,
dass keine offiziellen militärischen Einheiten der russischen Armee unter Führung des russischen Verteidigungsministeriums im Einsatz sind. Aber natürlich werden diese prorussischen Kräfte von Moskau mit Gerät
unterstützt; sie sind geschult, und sie sind angehalten,
das zu tun, was sie tun. Der Zeitpunkt wird kommen, wo
der Einfluss Putins auf diese führungslose Gruppe prorussischer Kämpfer - zum Teil Ukrainer, aber auch Russen mit Spezialausbildung - immer deutlicher wird, weil
er sonst sein Ziel nicht erreicht: die Destabilisierung der
Ukraine.
Sie müssen unter seiner Führung weiterkämpfen, und
dann wird ihm die Maske vom Gesicht gerissen. Dann
wird er zeigen müssen, dass er bei diesem Kampf in der
Ostukraine der wahre Feldherr ist. Das ist der Punkt, und
das muss schonungslos aufgedeckt werden. Darüber
müssen wir in aller Offenheit und Klarheit reden. Sie
sollten aufhören, eine Rolle einzunehmen, die dieses
Hauses nicht würdig ist.
({1})
Ich weise auch darauf hin, dass in der Ukraine eine
Verfassungsreform notwendig ist, die garantiert, dass
Minderheiten geschützt werden und alle Bevölkerungsgruppen in der Ukraine zu ihrem Recht kommen. Das ist
eine ganz wesentliche Aufgabe für die Herstellung des
sozialen Friedens in der Ukraine.
Den Linken möchte ich sagen, dass die Sanktionen,
die wir in mehreren Stufen verhängt haben, uns in der
Tat schaden. Das ist doch eine Binsenweisheit, und die
Stimmen aus der Wirtschaft - auch aus der mittelständischen Wirtschaft - erreichen natürlich auch uns. Aber
das ist der Preis, den wir für das Selbstbestimmungsrecht
der Ukraine bezahlen müssen. Den Preis müssen wir gemeinsam mit der Wirtschaft bezahlen.
({2})
Ich möchte, dass auch Sie ihn mit bezahlen, Herr
Gehrcke: mit Ihrer politischen Unterstützung. Als Demokrat haben Sie die Pflicht, dafür zu sorgen, dass jedes
Land in Europa nach den entsetzlichen Erfahrungen
zweier Weltkriege das Recht bekommt, für sich selbst zu
entscheiden, wo es hinwill. Das ist die Lehre aus den
schrecklichen Ereignissen des letzten Jahrhunderts.
({3})
Es ist richtig, dass eine der Sanktionen ein Reiseverbot für bestimmte Abgeordnete beinhaltet. Sie sollen auf
diese Weise ermahnt und an ihre Verantwortung erinnert
werden, in der Duma dafür zu sorgen, dass das umstürzlerische Treiben Moskaus in der Ostukraine beendet
wird.
({4})
Deswegen ist das Reiseverbot richtig. Es hat auch keinen
Sinn, den Petersburger Dialog, den wir in den vergangenen Jahren sehr intensiv betrieben haben, derzeit fortzuführen. Es gibt zurzeit nichts zu besprechen.
Wir müssen uns natürlich Gedanken darüber machen,
wohin die Reise geht, die Putin begonnen hat. Er will
das historische Zeitfenster nutzen, um so viel wie möglich vom alten Russland wiederherzustellen. Was für ein
obskures Ziel! Er will das Zeitfenster bis 2020 nutzen,
weil er davon ausgeht, dass er angesichts der schwachen
amerikanischen Administration und der Probleme, die
die Europäische Union unter anderem mit dem Euro hat,
Gestaltungsspielraum hat. Er meint, er könne so viel wie
möglich vom alten Russland wiederherstellen. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass er nach dem Schwinden
der Kräfte der ehemaligen Sowjetunion neue Bündnisse
in Osteuropa - bis hin zum Balkan - schaffen will. Dabei knüpft er an die Kontakte der orthodoxen Kirche und
an gewisse Gemeinsamkeiten an.
({5})
Er hofft, auf diese Weise die Einflusssphäre der alten
Sowjetunion wiederherzustellen. Das ist nichts anderes
als Großmachtpolitik. Das ist eine Politik, die wir nicht
unterstützen dürfen. Wir überlassen es jedem Land, zu
entscheiden, wohin es will. Wir werden nicht mit wirtschaftlichem Druck und militärischen Mitteln dafür sorgen, dass sich bestimmte Länder uns zuwenden. Das ist
die Entscheidung der betreffenden Länder, nicht unsere.
Sanktionen gegen Russland sind nun notwendig. Sie
müssen durchgehalten werden. Wir müssen den Preis dafür so lange zahlen, bis die Moskauer Führung zur Einsicht kommt, dass sie mit den Mitteln des letzten Jahrhunderts keine Politik in diesem Jahrhundert machen
kann.
({6})
Als letztem Redner in dieser Aussprache erteile ich
das Wort dem Abgeordneten Franz Thönnes, SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
glaube, die Antragsteller verkennen in ihrem Antrag die
Realität und die Entwicklung, die wir in den letzten
zwölf Monaten in Europa und in der Ukraine erlebt haben. Sie blenden die Ereignisse und Entwicklungen aus
und tun so, als bestünde die Antwort Deutschlands und
der Europäischen Union einzig und allein aus Konfrontation und einer Absage an den Dialog. Wie sonst ist zu
verstehen, dass von einer „Konfrontationslogik“ die
Rede ist? Das ist falsch und verlogen. Das zeigt, dass es
den Antragstellern im Kern eigentlich nicht darum geht,
einen ernsthaften Beitrag zur Lösung der Krise zu leisten. Wie sonst ist der Vorwurf der Konfrontationslogik
zu verstehen?
Von Anfang an, von Beginn der Zuspitzung an, war
Deutschland klar auf den Kurs eines Dialogs ausgerichtet. Von Anfang an haben die EU und Deutschland klar
und deutlich erklärt, dass eine militärische Lösung keine
Option ist. Der Dialog, das Offenhalten von Gesprächskanälen und der permanente Versuch, am Verhandlungstisch zu einer friedlichen Lösung zu kommen, prägten
das europäische und deutsche Verhalten.
Ich will die Beispiele an dieser Stelle deutlich nennen,
damit klar wird, wie falsch die Antragsteller liegen. Am
21. Februar gab es die Verhandlungen mit den Außenministern Frankreichs, Deutschlands und Polens zur Beendigung des Blutvergießens auf dem Maidan in Kiew. Im
weiteren Verlauf wurde immer wieder von unserer Seite
deutlich betont: Wir wollen eine Kontaktgruppe und eine
Genfer Zusammenkunft. - Am 31. März hat das Weimarer Dreieck - Deutschland, Polen und Frankreich - getagt und ganz klar und deutlich erklärt, dass es Frieden
und Sicherheit in Europa nur mit Russland und nicht gegen Russland geben kann. Am 1. April hat der NATOAußenministerrat getagt und hat vor dem Hintergrund
der Annexion der Krim deutlich gemacht, dass die praktische Kooperation zurzeit ausgesetzt wird, dass aber
Gesprächskanäle offen bleiben.
Am 17. April haben in Genf die USA, Russland, die
Ukraine und Europa gemeinsam am Tisch gesessen und
die Genfer Vereinbarung getroffen. Es hat die runden Tische in der Ukraine gegeben, die auf unser Drängen
stattgefunden haben. Es hat die Gespräche im Normandie-Format gegeben, sowohl leibhaftig als auch am TeleFranz Thönnes
fon. Es hat die trilateralen Kontaktgruppentreffen gegeben. Es hat zweimal Außenministertreffen mit Russland,
der Ukraine, Deutschland und Frankreich hier in Berlin
gegeben, bei denen der Waffenstillstand ausgehandelt
worden ist, was sich nachher in den einzelnen Gesprächen, die in Minsk stattgefunden haben, fortgesetzt hat.
All das, ungefähr 20 Gespräche und Dialoge, Versuche,
die anderen dazu zu bewegen, eine friedliche Lösung zu
finden, ist ein klarer Ausdruck eines deutlichen Dialoginteresses und ist weit weg von einer Konfrontation.
({0})
Wenn man dies so ernsthaft betreibt, dann darf man
auch als einigungsfördernde Maßnahme zu einem abgestimmten Verfahren von Sanktionen greifen, weil sie
ausdrücklich unterstreichen, dass Gewalt nicht angewendet wird, sondern dass man auf diesem Weg die andere
Seite zu einer Veränderung ihres Verhaltens bringen will.
Wenn dann von Ihrer Seite so getan wird, als seien
nun die Sanktionen das schlimme Element, das die
Wirtschaft so beeinträchtigen würde, verwechseln Sie
Ursache und Wirkung; denn wenn die Antworten aus
Russland lauten, dass man die Einfuhr von Landwirtschaftserzeugnissen aus Europa untersagt, dann darf
man sich nicht beschweren, wenn auf einmal die Lebensmittel nicht in Russland ankommen und wenn die
deutsche Landwirtschaft und die europäische Landwirtschaft Einbrüche erleben. Aber die Entscheidung darüber ist in Moskau getroffen worden, sie ist nicht hier
getroffen worden.
Ich empfehle der Linken ausdrücklich, nachzulesen,
was Putin selbst noch am 12. Dezember 2013 in seiner
Jahresbotschaft gesagt hat:
Auch wir bekommen die Folgen der globalen Krise
zu spüren, aber lassen Sie es mich direkt sagen: Die
grundlegenden Ursachen der Verlangsamung unseres Wachstums kommen nicht von außen, sondern
sie kommen von innen.
Die fünftgrößte Volkswirtschaft - so fährt er fort - ist
in der Situation:
Was die Arbeitsproduktivität betrifft, die eine ganz
wesentliche Kennziffer darstellt, so ist sie zwei- bis
dreimal niedriger ist als in den führenden Ländern.
Damit ist ganz deutlich, dass die Ursache in dem
Land selbst zu suchen ist. Wir wären ja offen für eine
Modernisierungspartnerschaft, für eine gute Kooperation. Nur, die muss gewollt werden, und das muss auch
überzeugend bekundet werden.
({1})
Ich will damit abschließen, was man eigentlich hätte
erwarten sollen, was in dem Antrag steht.
({2})
Der Schlüssel liegt nicht hier, der liegt auch nicht in
Brüssel, der Schlüssel liegt in Moskau, wenn man ein
Ende der Sanktionen will und wenn man will, dass wir
uns auf eine friedliche Entwicklung in Europa hinbewegen. Da liegt der Schlüssel.
({3})
Das bedeutet auch, dass wir eigentlich erwartet hätten, dass folgende Forderungen aufgestellt werden: Wir
fordern dazu auf, dass mit der Grenzüberwachung durch
die OSZE endlich ernst gemacht wird, dass sich Russland konstruktiv verhält und dabei mitmacht. Wir wollen
einen Waffenstillstand, wir wollen, dass Schluss damit
ist, dass weiterhin schweres Gerät und Truppen über die
Grenze Russlands in die Ukraine kommen. Wir wollen,
dass die Schlussakte von Helsinki der KSZE eingehalten
wird, in der klar und deutlich vermerkt ist, dass wir eine
Enthaltung der Androhung von Gewalt, die territoriale
Integrität der Staaten, keine Verschiebung von Grenzen
mit Gewalt, sondern eine friedliche Lösung von Streitfällen wollen. Darum wäre es gegangen. Dies hätte in
dem Antrag stehen müssen. Dann hätte man sich ernsthaft damit auseinandersetzen können.
({4})
Wer uns an der Stelle sagt, Russland habe keinen Einfluss auf die Separatisten, der will uns wahrscheinlich
die Erde als Scheibe beschreiben. Fordern Sie uns nicht
zu dieser intellektuellen Herausforderung auf. Lassen
Sie das. Was die Dialogbereitschaft angeht: In der nächsten Woche werden wir in Moskau im EU-Russia-Dialogue mit der Friedrich-Ebert-Stiftung zwei Tage zusammensitzen und den Dialog betreiben, wir werden uns
über die Krise unterhalten, über die islamistische Herausforderung und über die Migrationsherausforderung.
Eines wissen Sie, Herr Kollege Gehrcke, genau, und
ich weiß nicht, warum Sie das vorhin in eine Frage gekleidet haben: Anfang Dezember wird der Auswärtige
Ausschuss des russischen Parlaments hier nach Deutschland kommen, und wir werden gemeinsam mit Sicherheit auch über diese Fragen streiten, über die wir hier
streiten. Die Dialogbereitschaft auf unserer Seite ist da.
Nur, das setzt voraus, dass nicht immer nur Versprechungen gemacht werden, man zwei Schritte vor und drei
Schritte zurückgeht, sondern dass man sich an die Versprechungen hält.
Was wir in diesem Europa wieder brauchen, ist Vertrauen. Das ist eine der wesentlichen Voraussetzungen
dafür, dass wir gemeinsame Sicherheit und gemeinsame
Abrüstung und Frieden in Europa organisieren können.
({5})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf der
Drucksache 18/3147 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein6282
Vizepräsident Peter Hintze
verstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich verlese nun das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen
Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Fünfundzwanzigsten Gesetzes
zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, Drucksachen 18/2663 und 18/3142: abgegebene
Stimmen 585. Mit Ja haben gestimmt 474, mit Nein haben gestimmt 57, Enthaltungen 54. Der Gesetzentwurf
ist damit angenommen.
({0})
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 585;
davon
ja: 474
nein: 57
enthalten: 54
Ja
CDU/CSU
Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Norbert Barthle
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens ({1})
Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr. André Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Dr. Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer ({2})
Axel E. Fischer ({3})
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich
({4})
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Reinhard Grindel
Ursula Groden-Kranich
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr. Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr. Stefan Heck
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich ({5})
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Christian Hirte
Dr. Heribert Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Andreas Jung
Xaver Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Carsten Körber
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr. Karl A. Lamers
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Paul Lehrieder
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Dr. Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({6})
Reiner Meier
Dr. Michael Meister
Jan Metzler
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller
({7})
Stefan Müller ({8})
Dr. Philipp Murmann
Helmut Nowak
Dr. Georg Nüßlein
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr. Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Ronald Pofalla
Eckhard Pols
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({9})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer ({10})
Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt ({11})
Gabriele Schmidt ({12})
Dr. Andreas Schockenhoff
Vizepräsident Peter Hintze
Dr. Ole Schröder
({13})
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
Armin Schuster ({14})
Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Tino Sorge
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel ({15})
Sven Volmering
Kees de Vries
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Albert Weiler
Marcus Weinberg ({16})
Peter Weiß ({17})
Sabine Weiss ({18})
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Heinz Wiese ({19})
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Oliver Wittke
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Dr. Matthias Zimmer
Gudrun Zollner
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Dirk Becker
Lothar Binding ({20})
Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr. Karl-Heinz Brunner
Martin Burkert
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Dr. Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Dr. Ute Finckh-Krämer
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Gabriele Groneberg
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann
({21})
Dirk Heidenblut
Hubertus Heil ({22})
Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({23})
Thomas Hitschler
Matthias Ilgen
Christina Jantz
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Johannes Kahrs
Christina Kampmann
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Dr. Bärbel Kofler
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange ({24})
Steffen-Claudio Lemme
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Hilde Mattheis
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Michelle Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Mahmut Özdemir ({25})
Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Dennis Rohde
Dr. Martin Rosemann
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({26})
Bernd Rützel
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim
Schabedoth
Axel Schäfer ({27})
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr. Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt ({28})
Matthias Schmidt ({29})
Dagmar Schmidt ({30})
Carsten Schneider ({31})
Ursula Schulte
Swen Schulz ({32})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Claudia Tausend
Michael Thews
Wolfgang Tiefensee
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Waltraud Wolff
({33})
Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
Nein
DIE LINKE
Inge Höger
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Luise Amtsberg
Vizepräsident Peter Hintze
Marieluise Beck ({34})
Volker Beck ({35})
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Sylvia Kotting-Uhl
Stephan Kühn ({36})
Christian Kühn ({37})
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr. Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({38})
Manuel Sarrazin
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Markus Tressel
Dr. Julia Verlinden
Beate Walter-Rosenheimer
Enthalten
DIE LINKE
Jan van Aken
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Roland Claus
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr. André Hahn
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Dr. Gesine Lötzsch
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller ({39})
Thomas Nord
Harald Petzold ({40})
Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Kersten Steinke
Dr. Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Dr. Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Jörn Wunderlich
Pia Zimmermann
({41})
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:
- Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({42}) zu dem Antrag der Bundesregierung
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an der von den Vereinten Nationen geführten Friedensmission in
Südsudan ({43}) auf Grundlage der Resolution 1996 ({44}) des Sicherheitsrates der
Vereinten Nationen vom 8. Juli 2011 und Folgeresolutionen, zuletzt 2155 ({45}) vom
27. Mai 2014
Drucksachen 18/3005, 18/3191
- Bericht des Haushaltsausschusses ({46})
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
Drucksache 18/3192
Über die Beschlussempfehlung werden wir später namentlich abstimmen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Rednerin in der
Aussprache erteile ich das Wort der Abgeordneten
Bärbel Kofler, SPD-Fraktion.
({47})
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen
und Kollegen! Wir beschäftigen uns in der Debatte um
UNMISS wieder einmal mit der Situation im Südsudan,
einer Situation, die geprägt ist von Hunger und Gewalt.
Die Welthungerhilfe hat in einer Publikation zu Beginn
dieses Jahres, mit der sie aufrütteln und auf die Situation
in diesem Land aufmerksam machen wollte, die Lage
dort mit dem Titel „Nach den Macheten kommt der Hunger“ beschrieben. Ich glaube, das bringt schon zum Ausdruck, in welcher desaströsen humanitären Situation sich
die Menschen im Südsudan befinden.
Man hat nach den jahrzehntelangen Bürgerkriegen,
nach den kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem
Norden, dem jetzigen Sudan, gehofft, dass nach der Unabhängigkeit des Südsudan im Jahr 2011 der Fokus auf
den Aufbau von Staatlichkeit gelegt wird und dass man
mit einer positiven Entwicklung des Landes beginnen
kann. Ursprünglich war das UNMISS-Mandat, über das
wir heute reden, genau dafür von allen, auch von der Regierung des Südsudan, gewollt: den Aufbau der Staatlichkeit zu begleiten und zu unterstützen.
Leider ist die Situation seit Dezember letzten Jahres
erneut völlig gekippt und in kriegerische, militärische
Auseinandersetzungen entglitten. Mittlerweile sind
1,4 Millionen Menschen im Südsudan als Binnenflüchtlinge auf der Flucht. Sie sind in 170 Flüchtlingslagern
untergebracht, zum Teil unter desaströsen Bedingungen,
die wieder zu Gewalt führen und die Gewaltspirale
vorantreiben. Zuletzt gab es 60 Verletzte in einem
Flüchtlingslager in Juba. 470 000 Flüchtlinge sind in den
Nachbarländern untergekommen, zum Teil mehr
schlecht als recht; sie sind in Uganda, Äthiopien, im Sudan und in Kenia aufgenommen worden.
Was ganz wichtig ist, auch in der Beurteilung von
UNMISS, ist die Tatsache, dass allein 110 000 Flüchtlinge in Einrichtungen der UNMISS Zuflucht gefunden
haben. Ich halte das für eine sehr gute und richtige Haltung der dortigen Verantwortlichen.
({0})
Angesichts dieser Zahlen muss man hier mehr tun;
das ist ganz klar. Ich finde es richtig, dass man im Oktober dieses Jahres noch einmal versucht hat, für weitere
28 000 Binnenflüchtlinge Sicherheitseinrichtungen zu
suchen und zu finden. Wir stehen vor großen Herausforderungen. Eine der großen Herausforderungen ist die humanitäre Situation im Südsudan. 4 Millionen Menschen
sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Ernährung
von 7 Millionen Menschen ist akut gefährdet. Die Hälfte
der Bevölkerung in den Regionen, in denen gekämpft
wird, hat nicht genügend Zugang zur Nahrung. Bis zu
50 Prozent der Kinder in diesen Regionen sind unterernährt - mit allen Konsequenzen für die Kindersterblichkeit dort.
Ich schildere es deshalb so drastisch, weil ich der
Überzeugung bin, dass die internationale Gemeinschaft
auf drei Ebenen zum Handeln verpflichtet ist: Es ist die
humanitäre Hilfe, mit der wir tätig werden müssen; es
sind die diplomatischen Bemühungen um Frieden, die
gerade von der Regionalorganisation vorangetrieben
werden, die gestützt und unterstützt werden müssen; es
ist insbesondere die Weiterführung des Mandats von
UNMISS, vor allem zum Schutz der Zivilbevölkerung.
({1})
Die UN gehen davon aus, dass wir einen Bedarf an
humanitärer Hilfe von 1,8 Milliarden US-Dollar haben
werden. Nur 60 Prozent sind zum jetzigen Zeitpunkt
durch Geberzusagen gedeckt. Das macht deutlich: Wir
brauchen mehr finanzielle Mittel und mehr Unterstützung für die hungernden Menschen im Südsudan.
Ich bin froh, dass der Haushaltsausschuss heute ein
erstes Zeichen gesetzt hat und für die humanitäre Hilfe
wieder 400 Millionen Euro veranschlagt werden. Ich bin
mir aber dessen bewusst - ich glaube, die meisten Kolleginnen und Kollegen im Hause sehen das ähnlich -, dass
angesichts der Herausforderungen, vor denen wir in der
internationalen Zusammenarbeit bei der Unterstützung
notleidender Menschen stehen, diese Mittel nicht reichen werden und wir einen Aufbaupfad darüber hinaus
beschreiten müssen.
({2})
Ich finde es sehr richtig, dass Deutschland sich auf
der Geberkonferenz in Oslo beteiligt hat, auch einen
Aufwuchs gerade für den Südsudan zugesagt hat, sowohl über die Mittel des Auswärtigen Amts wie auch
über die Mittel des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit - in Unterstützung internationaler Fonds
und in Unterstützung auch der Nichtregierungsorganisationen, die wie die Welthungerhilfe wirklich Unglaubliches leisten, um die Menschen im Südsudan zu unterstützen und ihnen Hilfe zukommen zu lassen. Ohne
diese Unterstützung wären im letzten Jahr, glaube ich,
Tausende von Menschen mehr gestorben. An der Stelle
kann man diesen Helfern auch einen Dank aussprechen.
({3})
Wir brauchen mehr diplomatische Bemühungen. Die
Regionalorganisation IGAD, die sich bereits seit Anfang
dieses Jahres um Frieden und Waffenstillstandsabkommen bemüht und sich dafür einsetzt, muss unterstützt
werden; sie muss in ihren diplomatischen, in ihren Mediationsmöglichkeiten unterstützt werden, und zwar mit
allem, was Europa, was die Weltgemeinschaft an Möglichkeiten zu bieten hat. Es ist richtig, dass auch Diplomaten aus Deutschland, der Sudan-Sondergesandte der
USA und der der EU die Mission unterstützen und gemeinsam einen Weg zu finden versuchen, Frieden zu erlangen. Die Verhandlungen und die mehrfachen Vereinbarungen zu einem Waffenstillstand in diesem Jahr, die
immer wieder gebrochen wurden und immer wieder
nicht zum Ziel geführt haben, zeigen aber auch, wie
schwierig das ist und wie schwierig es ist, die südsudanesischen Kontrahenten zu einem Friedensschluss zu bewegen. Ich glaube, wir dürfen hier nicht nachlassen.
Man muss auch auf UN-Ebene über verschiedene andere Dinge nachdenken. Ich würde mich freuen, wenn
ein Waffenembargo auf UN-Sicherheitsratsebene irgendwann zum Ziel führen würde - bei allen Schwierigkeiten, die dort sehr wohl noch zu überwinden sind.
Man kann über vieles nachdenken, auch über die
Frage, wie die Öleinnahmen der Bevölkerung und dem
Staatsaufbau zugutekommen können. Zum Beispiel einen internationalen Fonds zu gründen, der dies befördert, wäre sicher ein Schritt in die richtige Richtung und
würde vielleicht auch dazu beitragen, dass einige der
Kontrahenten, denen es in diesem Konflikt vorrangig um
ihre finanziellen Belange geht, keinen so großen Antrieb
mehr hätten, den Konflikt weiterzuführen.
({4})
Wir brauchen aber trotz allem, trotz all dieser Bemühungen das Mandat und die Mission UNMISS, gerade
weil der Schutz der Zivilbevölkerung und die Sicherstellung des Zugangs zu humanitärer Hilfe Kernelemente
dieses Mandats sind und dies ohne diese Unterstützung
für viele Tausende oder Hunderttausende Menschen einfach nicht mehr gewährleistet werden kann.
Auch dann, wenn ein Waffenstillstandsabkommen zustande kommt, wird man UNMISS brauchen; denn dann
wird es um die Umsetzung dieses Abkommens gehen.
Auch dazu wird und muss UNMISS, wie es die Mandatsbeschreibung festlegt, einen entsprechenden Beitrag
leisten.
Die Welthungerhilfe schildert die Situation ihrer Mitarbeiter in manchen Regionen, in denen gekämpft wird,
so: Sie können nicht mehr aus den UNMISS-Camps hi6286
nausgehen. Sie können außerhalb keine humanitäre Unterstützung mehr leisten. Sie können nur noch in den
Flüchtlingscamps, so nötig das auch dort ist, tätig werden. - Das zeigt die katastrophale Sicherheitslage, und
das macht deutlich, dass wir auf eine Verlängerung des
Mandats nicht verzichten können.
Deutschland beteiligt sich mit 16 Soldaten und 7 Polizisten. Ich glaube, das ist keine Überforderung Deutschlands. Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Mandat.
({5})
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Kathrin Vogler, Fraktion Die Linke.
({0})
Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Frau Kollegin, Sie haben ja in Ihren sieben Minuten nur sehr kurz über das Mandat gesprochen.
Das will ich jetzt einmal nachholen. Worüber reden wir?
Der Südsudan, seit 2011 nach einem Referendum unabhängig, droht seit Ende letzten Jahres in einem
Bürgerkriegschaos zu versinken. Formal gibt es ein Waffenstillstandsabkommen, aber trotzdem immer wieder
Gefechte. Mehr als 1,5 Millionen Menschen sind auf der
Flucht, der größte Teil innerhalb des Landes. Ein Drittel
bis die Hälfte der Bevölkerung ist auf humanitäre Hilfe
angewiesen. Hier muss dringend gehandelt werden.
({0})
Im Antrag der Bundesregierung heißt es nun - ich zitiere -:
Neue Kernelemente des VN-Mandats sind der
Schutz der Zivilbevölkerung, die Beobachtung und
Untersuchung von Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts, die Sicherstellung des Zugangs für humanitäre Hilfe und
die Unterstützung bei der Umsetzung des Waffenstillstandsabkommens …
Meine Fraktion, liebe Kolleginnen und Kollegen, hält
ein Mandat nach Kapitel VII der UN-Charta für die Erfüllung dieser Aufgaben nicht für notwendig.
({1})
Die Mehrheit in diesem Haus ist leider anderer Meinung.
Was ich aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht
verstehe, ist, warum Sie unseren Antrag vom Juni dieses
Jahres zur Umwidmung der nicht verbrauchten Mittel
für die UNMISS-Mission für den unbewaffneten Schutz
der Zivilbevölkerung nicht unterstützt haben. Jedes Jahr
verfallen von den im Bundeshaushalt ausgewiesenen
Mitteln fast zwei Drittel. Allein 2013 war das über
1 Million Euro. Ich finde, das geht gar nicht.
({2})
Wir hatten ja beantragt, diese Mittel für den unbewaffneten Schutz von Zivilistinnen und Zivilisten auszugeben. Das machen nun Nonviolent Peaceforce und andere Organisationen im Südsudan sehr erfolgreich und
effizient, indem sie für Sicherheit in den Flüchtlingslagern sorgen, Gerüchte über Gräueltaten überprüfen und
damit helfen, Spannungen abzubauen. In der Debatte ist
uns dann entgegengehalten worden, gewaltfreier Schutz
der Zivilbevölkerung könne nicht funktionieren. Doch,
die Arbeit von Nonviolent Peaceforce und anderen im
South Sudan Protection Cluster zusammengeschlossenen Organisationen beweisen täglich das Gegenteil.
Wie aber steht es um UNMISS? Die Evaluation der
UNMISS-Strategie zum Schutz von Zivilistinnen und
Zivilisten durch eine niederländische Forschungseinrichtung hat festgestellt, dass UNMISS vor allem mit politischen und zivilen Initiativen erfolgreich war, das Versprechen eines militärischen Schutzes aber gerade nicht
einhalten kann. Nun schreiben Sie, die Afrikapolitischen
Leitlinien der Bundesregierung legten einen Schwerpunkt auf den Südsudan. Nur leider wird der Südsudan
in den Afrikapolitischen Leitlinien offiziell gar nicht erwähnt.
Mir scheint ohnehin, dass die Bundesregierung nur
die militärischen Initiativen aus diesen Afrikapolitischen
Leitlinien mit Nachdruck umsetzt. Wo bleiben etwa Initiativen für die „Zukunftsperspektive von jungen Menschen“? Wo bleibt das Engagement der Bundesregierung
„für die Reintegration von Flüchtlingen und internen
Vertriebenen sowie für den wirtschaftlichen Wiederaufbau unter aktiver Mitwirkung von Frauen“? Was tut die
Bundesregierung, um die Ernährungssouveränität zu erhöhen? Was tut sie für den Menschenrechtsschutz? Es
gibt ja Landesteile, in denen nicht gekämpft wird. Da
könnte man ja schon einmal anfangen.
Dass UNMISS mit der südsudanesischen Regierung
kooperieren muss, das hat meine Fraktion ja immer wieder als Konstruktionsfehler dieses Mandats kritisiert.
Aber, Kolleginnen und Kollegen, muss diese Kooperation so weit gehen, dass man sich nicht einmal für ein
Waffenembargo einsetzen kann?
({3})
Es ist, finde ich, wirklich unglaublich, dass in dieser
Bürgerkriegssituation immer noch Waffen in den Südsudan geliefert werden
({4})
und dass die Bundesregierung international nichts unternimmt, um das zu verhindern.
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir halten es für unverantwortlich, dass die Bundesregierung angesichts der
desaströsen humanitären Situation dermaßen untätig
bleibt, dass es keine nachhaltigen Initiativen für eine
friedliche Entwicklung im Südsudan gibt und dass sie
sich stattdessen an einem so schlecht konzipierten Militäreinsatz beteiligt. Deshalb lehnt die Linke diesen Antrag der Bundesregierung ab.
({6})
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Schönen guten Abend
von meiner Seite aus!
Der nächste Redner in der Debatte: Philipp Mißfelder
für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Ich bitte die Kollegen, dieser Debatte zu folgen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Vogler, ich habe, ehrlich gesagt, auch schon bei der
Diskussion im Ausschuss nicht verstanden - ich glaube,
es war der Kollege Schmidt, der diese Frage kürzlich
auch Herrn van Aken gestellt hat -, was eigentlich Ihre
Alternative zu dem Vorgehen bei UNMISS ist. Man
kann sicherlich auch kritische Punkte ansprechen - das
tun wir ja auch -, aber das, was Sie vorgeschlagen haben, war definitiv gar keine Alternative dazu. Die Entscheidung, sich bei UNMISS zurückzuziehen, würde in
der Konsequenz dazu führen, dass die Situation im Land
unübersichtlicher werden und die Gefährdung der Zivilbevölkerung zunehmen würde. Das werden wir nicht zulassen. Wir wollen einen, wenn auch begrenzten, aber
substanziellen Beitrag dazu leisten, dass sich im Südsudan Staatlichkeit entwickeln kann.
({0})
Dazu trägt UNMISS aus unserer Sicht bei.
Deshalb gilt mein Dank zunächst einmal den 16 deutschen Soldatinnen und Soldaten, die sich im Einsatz befinden und die unter der Flagge der UNO dort tätig sind.
Angesichts der schwierigen Bedingungen im Südsudan
gehört es gerade am heutigen Abend dazu, neben dem
Dank auch zu sagen: Wir finden es richtig, dass die Bundeswehr sich an diesem UNO-Mandat beteiligt.
({1})
Der Kampf des Südens um seine Unabhängigkeit ist
ja nun wirklich nicht neu. Seit 1947 hat sich dieses Land
darum bemüht, unabhängig zu werden. 99 Prozent der
Südsudanesen haben für die Unabhängigkeit ihres Landes gestimmt. Vor diesem Hintergrund ist es keine Überraschung, dass wir nun seit Jahren über dieses Thema reden. Seit 2005 beschäftigen wir uns mit dem Thema
„bewaffnete Streitkräfte im Sudan“. Später ging es dann
um den Südsudan, als dieser seine Eigenstaatlichkeit erreicht hatte. Wir glauben, dass dieser Beitrag nach wie
vor sinnvoll ist.
Ich glaube, dass man eines schon kritisch diskutieren
muss - das haben Sie und andere Vorredner ja auch angesprochen -, nämlich die Frage: Reicht das, was wir
tun, aus, oder muss das nicht stärker eingebettet werden
in das, was wir bei der NATO dank Franz Josef Jung, der
den Comprehensive Approach dort eingeführt hat, unter
dem Stichwort „vernetzte Sicherheit“ deutlicher betonen? Da sage ich ganz ehrlich: Das ist etwas, was wir
uns vielleicht im Rahmen dieser Mandatsverlängerung
noch einmal genauer anschauen müssen. Trotzdem
glaube ich, dass die heutige Mandatsverlängerung aus
vier wichtigen Gründen sinnvoll ist.
Erstens. Sie trägt maßgeblich dazu bei, den Zugang
der südsudanesischen Zivilbevölkerung zur Hilfe überhaupt sicherzustellen; denn ohne militärisches Eingreifen wäre zivile Hilfe gar nicht möglich. Auch das gehört
zu diesem Mandat.
Zweitens. Es ist wichtig, dass das Waffenstillstandsabkommen, das nach wie vor sehr fragil ist und durch
das die verfeindeten Parteien weiter in einen politischen
Prozess hineingebracht werden müssen, durch militärische Maßnahmen unterstützt wird.
Drittens. Ein weiterer Punkt ist die Entstehung von
öffentlicher Sicherheit und der Schutz der Flüchtlingslager. Gemäß Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen - auch das ist vorhin angesprochen worden - ist es
aus unserer Sicht sehr wohl richtig, hier einen flankierenden Militäreinsatz zu fordern und diesen auch fortzusetzen. Insofern passt dieses UNO-Mandat sehr gut in
die Aufgabenstellung hinein, weil gerade der Schutz von
Flüchtlingslagern zum Kernbereich dieses Mandats gehört.
Viertens. Ein letzter Grund, warum das Mandat sinnvoll und richtig ist, ist die Untersuchung der Verletzung
von Menschenrechten sowie die Überwachung des humanitären Völkerrechts.
Damit bin ich nun bei einem Punkt, bei dem ich natürlich sage: Das wird nie allein durch militärische Maßnahmen gewährleistet werden können. Vielmehr stellt
sich die Frage: Hat der Südsudan die Chance, dass eine
Staatlichkeit entsteht und dass dadurch im Bereich der
Konfliktprävention zukünftig mehr getan werden kann?
Weiterhin stellt sich die Frage, was wir, auch finanziell,
über das bisherige Maß hinaus tun können. Ich habe es ja
gerade schon gesagt: Wir glauben, dass die vernetzte Sicherheit, das Zusammenwirken von Entwicklungshilfe,
Bundeswehrmaßnahmen und diplomatischen Initiativen, dazu führen kann, dass es eine Friedenskonsolidierung gibt, aber auch dazu, dass eine dauerhafte Beilegung des Konflikts überhaupt in greifbare Nähe rückt;
denn davon sind wir noch weit entfernt. Ich glaube, dass
der Konflikt nach wie vor zeigt, dass wir immer noch
vor einer Herausforderung stehen, bei der man natürlich
nicht gerne militärische Maßnahmen einsetzt, bei der es
aber nach wie vor sinnvoll ist, diese militärische Komponente einzubringen, um damit den politischen Prozess
tatsächlich weiter anstoßen zu können.
Ich plädiere dafür - wir haben es in unserer Fraktionssitzung, aber auch in anderen Gremien in dieser Woche
besprochen -, dass wir uns über dieses Mandat hinaus,
und nicht erst wieder in zwölf Monaten, mit der Frage
der Zukunft des Südsudan beschäftigen und überlegen:
Was können wir unter dem Stichwort „vernetzte Sicherheit“ zusätzlich leisten, um neben den militärischen Aufgaben einen politisch stabilisierenden Beitrag zu leisten?
Ob nun die Afrika-Leitlinien der Bundesregierung, die
herausgebracht worden sind, dazu ausreichen, lasse ich
einmal dahingestellt sein. Vielleicht können wir darauf
aufbauend aber noch einen weiteren Beitrag leisten.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({2})
Vielen Dank, Philipp Mißfelder. - Nächste Rednerin
in der Debatte: Agnieszka Brugger für Bündnis 90/Die
Grünen.
Ich bitte noch einmal die Kollegen, und zwar in allen
Teilen des Hauses, entweder der Debatte zu folgen oder
dann nur zur Abstimmung zu kommen. Die Unruhe stört
total. Es geht hier um ein wichtiges Mandat; es geht um
die Frage, unter welchen Bedingungen wir deutsche Soldatinnen und Soldaten entsenden. Da hat jeder Kollege,
der redet, das Recht, dass ihm zugehört wird, weil es
eine sehr wichtige Entscheidung ist, die wir hier treffen
müssen.
({0})
Bitte, Frau Kollegin Brugger. Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über
Jahrzehnte haben die Menschen im Südsudan unter Gewalt und Unterdrückung gelitten. Und 2011 gab es mit
der Unabhängigkeit ein großes Aufatmen und die aufkeimende Hoffnung, dass nun endlich mehr Frieden und Sicherheit herrschen würden. Die internationale Gemeinschaft hat versucht, den jüngsten Staat der Welt auf
diesem Weg zu unterstützen, auch in Form der VN-Friedensmission UNMISS, über deren Verlängerung wir
heute beraten.
Im Dezember 2013 sind all diese Hoffnungen aber
schlagartig erloschen, als Präsident Salva Kiir und sein
Vize Riek Machar ihren persönlichen Machtkampf auf
brutalste Weise ausgetragen haben. Am Wochenende haben sie sich wieder auf einen Waffenstillstand geeinigt.
Ich habe sehr große Skepsis, ob sie wenigstens dieses
Mal gewillt sind, ihn umzusetzen. Die internationale Gemeinschaft muss hier weiter Druck ausüben; sie muss
genau hinschauen. Sie muss mehr Sanktionen verhängen, falls sie sich wieder nicht an die Vereinbarungen
halten. Die Vereinten Nationen sollten darüber hinaus
der Europäischen Union folgen und endlich ein Waffenembargo gegen den Südsudan verhängen.
({0})
Meine Damen und Herren, das grausame Ausmaß der
Gewalt, die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen,
die schrecklichen Massenvergewaltigungen und auch
der Einsatz von Kindersoldaten - all das ist nicht nur unfassbar, all das muss aufgeklärt werden und die Täter zur
Verantwortung gezogen werden.
({1})
Der Südsudan war immer ein armes Land. Der verheerende Bürgerkrieg hat aber nicht nur Tausende Todesopfer gefordert, sondern auch eine humanitäre Katastrophe ausgelöst: Fast 2 Millionen Menschen sind auf
der Flucht, 3,8 Millionen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, eine halbe Million ist unmittelbar von Tod
durch Hunger und Krankheit bedroht. Dass der VN-Aufruf zu humanitärer Hilfe von den Mitgliedstaaten bisher
nur zu 61 Prozent erfüllt wurde, finde ich angesichts der
dramatischen Lage beschämend.
({2})
Meine Damen und Herren, als die Gewalt kurz nach
der letzten Mandatsberatung im Bundestag im letzten
Jahr so extrem eskaliert ist, hat die Friedensmission UNMISS umgehend reagiert. Damit meine ich nicht nur die
richtige Anpassung des Auftrages der Mission im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, bei dem ihr Fokus
ganz klar vom Staatsaufbau auf den Schutz der Zivilbevölkerung gerichtet wurde. Meine Fraktion und ich, wir
haben höchsten Respekt vor der schnellen und mutigen
Entscheidung der Leiterin der UNMISS-Mission, Hilde
Johnson, die in dieser gefährlichen Lage die Tore der
VN-Camps für die Flüchtlinge geöffnet hat.
({3})
Ich möchte all jenen danken, die sich unter hohem
persönlichen Risiko für den Schutz der unschuldigen
Menschen eingesetzt haben, ob mit Uniform oder ohne,
ob im Rahmen von UNMISS oder außerhalb der Mission.
Meine Damen und Herren, wenn ich mit denjenigen
spreche, die bei UNMISS eingesetzt waren, dann macht
mich das sehr betroffen. Denn schnell wird klar: Es hätten noch mehr Menschen gerettet werden können, wenn
die Mitgliedstaaten, auch Deutschland, schneller und engagierter reagiert hätten.
Nach wie vor wäre eine Stärkung von UNMISS notwendig. Es gibt einen Mangel an bestimmten Fähigkeiten in der Logistik, bei der Aufklärung, bei der Verlegefähigkeit, bei der Mobilität der Mission. Aber es mangelt
auch an Personal, an Ärzten, an Ingenieuren und angesichts der Übergriffe in den Camps vor allem auch an
Polizisten.
Und meine Damen und Herren, diese Debatte macht
mich auch ein bisschen wütend. 100 000 Menschen
konnten Zuflucht in den Camps der Vereinten Nationen
finden. Allein das zeigt doch, wie wichtig diese Mission
ist und dass eine Ablehnung dieses Mandates derzeit
nicht nur unverantwortlich, sondern auch grausam wäre.
({4})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei,
dass Sie diesen wichtigen Beitrag immer unerwähnt lasAgnieszka Brugger
sen, weil es Ihnen eben nicht in den Kram passt, finde
ich zynisch.
({5})
Ich kann Ihre Begründung für die Ablehnung auch logisch nur schwer nachvollziehen. Sie kritisieren, dass
hier mit der südsudanesischen Regierung zusammengearbeitet wird. Sie kritisieren, dass nicht jede Gewalteskalation verhindert werden konnte. Folgerichtig müssen
Sie dann doch ein robusteres Mandat und mehr Truppen
fordern.
({6})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition,
auch Ihre Argumentation finde ich wenig überzeugend.
Aktuell sind im Rahmen von UNMISS 16 deutsche Soldaten und 7 deutsche Polizisten im Einsatz. Trotz der
völlig veränderten dramatischen Lage bleibt der deutsche Beitrag gleich. Es wäre lächerlich, wenn es nicht so
traurig wäre, dass in der Mandatsbegründung steht:
UNMISS ist ein Schwerpunkt des deutschen Engagements in Afrika. Liebe Kolleginnen und Kollegen von
der Koalition, ich frage Sie ernsthaft: Sieht so die neue
deutsche Verantwortung aus?
({7})
Meine Damen und Herren, ich denke hier auch an die
großen Worte und Ankündigungen von Frau von der
Leyen, die gesagt hat: Wir können nicht zur Seite
schauen, wenn Mord und Vergewaltigung an der Tagesordnung sind. „To sit and wait is not an option.“ Afrika
als Nachbarkontinent lag ihr besonders am Herzen.
Nichts habe ich in den letzten Monaten von der Verteidigungsministerin zur Lage im Südsudan gehört. Da, muss
ich sagen, ist eben nicht mehr Verantwortung übernommen worden, sondern es wurde weggeschaut und abgewartet.
({8})
Ich finde es mehr als bitter und falsch, dass Sie das
mit diesem Mandat nicht korrigieren, dass der von-derLeyen-Show an dieser Stelle keine Taten der Bundesregierung folgen.
({9})
Frau Kollegin, denken Sie an die Redezeit?
Meine Damen und Herren, den Menschen im Südsudan helfen weder die wohlfeile Kritik der Linkspartei
noch die leeren Verantwortungsfloskeln der Regierung.
Deshalb fordern wir Grüne Sie auf: Erhöhen Sie die Mittel für die humanitäre Hilfe! Setzen Sie sich für ein VNWaffenembargo ein! Stärken Sie UNMISS! Schicken Sie
mehr Polizisten und zivile Experten! Übernehmen Sie
Verantwortung, schauen Sie nicht weg und warten Sie
nicht ab!
({0})
Vielen Dank, Frau Kollegin Brugger. - Letzte Rednerin in der Debatte ist Julia Bartz.
({0})
Ich sage es noch einmal: Auch Frau Bartz hat das
Recht, dass ihr zugehört wird. Wir können es auch so
machen: Bis alle sich hingesetzt und aufgehört haben,
ihre Debatten zu führen, mache ich einfach eine Pause.
Dann kommen Sie aber heute nicht mehr nach Hause.
({1})
Das gilt auch für Herrn Heil. Hubertus Heil, wir haben hier gerade eine Debatte über ein wichtiges Mandat,
und ich sage es jetzt noch einmal: Setzen Sie sich hin
und hören Sie der letzten Rednerin bitte zu.
({2})
Das gilt für alle, auch für die da hinten - die kenne ich
besser.
({3})
Jetzt bitte Frau Bartz.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Im Rahmen eines Hilfsprojekts für den Bau
von Schulen besuchte der rehabilitierte Drogendealer
Sam Childers in den 90er-Jahren zum ersten Mal den Sudan. Als Bauhandwerker erlebte er dort die schrecklichen Auswirkungen des Bürgerkriegs. Er musste mit ansehen, wie kleine Kinder als Kindersoldaten zum
Kämpfen gezwungen wurden. Ein kleiner Junge, der vor
seinen Augen auf eine Tretmine lief, wurde in Stücke gerissen.
Aufgrund dieser Erlebnisse hat Childers gemeinsam
mit seiner Frau ein Kinderdorf im Südsudan gegründet.
({0})
Im Gegensatz zu vielen anderen Hilfsorganisationen engagiert sich Sam Childers, der auch durch den Film Machine Gun Preacher bekannt ist, bis heute für Waisenkinder im Südsudan.
Viele zivile Helferinnen und Helfer sind durch die
prekäre Sicherheitslage vor Ort an ihrer Arbeit gehindert. Die internationale Gemeinschaft bemüht sich seit
seiner Gründung intensiv um den Südsudan. Gerade
Deutschland setzt sich seit Jahren in der Entwicklungszusammenarbeit stark für das Partnerland Südsudan ein.
An dieser Stelle danke ich allen ganz herzlich, die sich in
der bilateralen staatlichen Entwicklungsarbeit für den
Südsudan einsetzen;
({1})
denn auch diese Helferinnen und Helfer begeben sich
vor Ort in Gefahr für Leib und Leben, da sich mit dem
erneuten Ausbruch schwerer bewaffneter Auseinandersetzungen Ende Dezember letzten Jahres die Sicherheitslage in weiten Teilen des Südsudan wieder verschärft
hat.
Entsprechend prekär ist auch die humanitäre Lage.
Über 2 Millionen Menschen sind auf der Flucht vor
Massenhinrichtungen, vor Folter, vor Massenvergewaltigungen, vor Plünderungen und Brandschatzungen.
Wenn aber alle auf der Flucht sind, bestellt niemand
mehr die Felder. Das hat auch nachhaltige Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion. So ist die
Versorgung mit Lebensmitteln für über 4 Millionen
Menschen kritisch. Angesichts dieser dramatischen Lage
ruhen eigentlich alle internationalen Projekte zum
Staatsaufbau; denn jetzt heißt es: Helfen beim Nötigsten.
Auch die deutschen Projekte der Entwicklungszusammenarbeit wurden entsprechend umgewidmet. Anstatt
städtische Wasserversorgungen aufzubauen und eine
nachhaltige Landwirtschaft zu etablieren, wird nun
Trinkwasser für die Flüchtlinge aufbereitet und Essen
beschafft.
Das BMZ stellt derzeit 10 Millionen Euro für Nothilfemaßnahmen des Welternährungsprogramms zur Verfügung. Über 5 000 Tonnen Nahrungsmittel wurden bereits beschafft. Mit 7,5 Millionen Euro unterstützt
Deutschland unterschiedliche NGOs bei der Versorgung
von 400 000 Flüchtlingen im Südsudan und in den umliegenden Ländern.
Insgesamt gibt Deutschland alleine in diesem Jahr
über 45 Millionen Euro, um den Menschen im Südsudan
zu helfen. Aber der Südsudan braucht mehr als Nahrung
und humanitäre Hilfe. Der Südsudan braucht auch Frieden, damit die Menschen in ihrer Heimat sicher leben
können, damit sie die nächste Saat ausbringen und damit
die Entwicklungszusammenarbeit und der Staatsaufbau
langfristig Früchte tragen können.
({2})
Am Beispiel des Südsudan wird wieder einmal deutlich: Es braucht einen ganzheitlichen und vernetzten Ansatz. Nur im Zusammenspiel aus Sicherheit, Diplomatie
und Entwicklungszusammenarbeit können wir überhaupt erreichen, dass die Menschen in den Krisenregionen eine bessere Zukunft haben werden. Deshalb beraten
wir heute die Verlängerung des UNMISS-Mandats mit
einer Obergrenze von 50 Soldatinnen und Soldaten. Bisher sind 16 deutsche Soldatinnen und Soldaten vor Ort
im Einsatz, dazu 7 Polizisten und 4 Sonderberater.
Vorrangiges Ziel der Friedensmission ist es, die Zivilbevölkerung im Südsudan zu schützen und die humanitären Hilfsmaßnahmen zu sichern. Weitere Aufgaben
sind, den Staatsaufbau im jüngsten Staat der Welt zu unterstützen, die Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und die Umsetzung des Waffenstillstandsabkommens zu unterstützen.
All diese Ziele sind wichtig, damit die humanitären
Hilfsmaßnahmen bei den Bedürftigen ankommen, damit
die deutschen Projekte der Entwicklungshilfe und des
Staatsaufbaus ihre Wirkung entfalten können, und auch,
damit die Waisenkinder im Kinderdorf von Sam
Childers eine bessere Zukunft im Südsudan erleben können. Deshalb bitte ich Sie um Ihre Zustimmung zum Antrag der Bundesregierung.
Vielen Dank.
({3})
Vielen Dank, Frau Kollegin Bartz. - Ich schließe die
Aussprache.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zum Antrag der Bundesregierung zur
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher
Streitkräfte an der von den Vereinten Nationen geführten
Friedensmission in Südsudan, UNMISS. Der Ausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/3191, den Antrag der Bundesregierung auf
Drucksache 18/3005 anzunehmen.
Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen, und
möchte Sie darauf hinweisen, dass nach dieser namentlichen Abstimmung in etwa 30 Minuten die nächste namentliche Abstimmung stattfindet. - Sind die Plätze an
den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Hiermit eröffne
ich die Abstimmung über die Beschlussempfehlung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat?
({0})
- Wenn der Herr Kauder „Nein!“ sagt, muss ich doch
noch einmal genauer schauen. - Das ist nicht der Fall.
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführe-
rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekannt gegeben.1)
Ich sage es noch einmal: Die nächste namentliche Abstimmung findet in einer halben Stunde statt. Das heißt,
wenn Sie gerne so lange im Saal bleiben wollen, sind Sie
herzlich eingeladen, der Debatte zu folgen. Wenn nicht,
bitte ich Sie, jetzt zügig den Raum zu verlassen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 a auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie ({1}) zu dem Antrag der Abgeord-
neten Katharina Dröge, Kerstin Andreae,
1) Ergebnis Seite 6292 C
Vizepräsidentin Claudia Roth
Dr. Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Nationales Reformprogramm 2014 nutzen -
Wirtschaftspolitische Steuerung in der EU
ernst nehmen und Investitionen stärken
Drucksachen 18/978, 18/1675
Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden.1) Ich sehe, Sie sind damit einverstanden.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für
Wirtschaft und Energie empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/1675, den Antrag der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/978
abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die
Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/
CSU und SPD bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die
Grünen und Enthaltung der Linken angenommen.
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 11 auf:
- Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({2}) zu dem Antrag der Bundesregierung
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an der AU/UN-HybridOperation in Darfur ({3}) auf Grundlage der Resolution 1769 ({4}) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom
31. Juli 2007 und folgender Resolutionen, zuletzt 2173 ({5}) vom 27. August 2014
Drucksachen 18/3006, 18/3193
- Bericht des Haushaltsausschusses ({6})
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
Drucksache 18/3194
Über die Beschlussempfehlung werden wir später namentlich abstimmen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind
25 Minuten für die Aussprache vorgesehen. - Ich höre
und sehe keinen Widerspruch.
Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort dem
Kollegen Lars Klingbeil für die SPD-Fraktion.
({7})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich möchte die Aussprache zur Mandatsver-
längerung damit beginnen, dass ich, hoffentlich im Na-
men von uns allen hier im Hause, denjenigen danke, die
in Darfur als Soldatinnen und Soldaten, als Polizisten,
als zivile Helfer, als Militärbeobachter ihren Einsatz leis-
ten, weil wir sie dorthin schicken. Ich glaube, das ist ein
angemessener Rahmen, um ihnen einmal Danke zu sa-
gen für die Mühe, die sie sich geben.
1) Anlage 2
({0})
Lassen Sie mich in dem Zusammenhang aber auch sagen, dass ich mir - selbst wenn es sich aktuell nur um
zehn Soldatinnen und Soldaten und fünf Polizisten handelt, die in Darfur im Namen der Bundesrepublik aktiv
sind - gewünscht hätte, dass wir über ein solches Mandat in der zweiten und dritten Lesung nicht zu so später
Stunde hier im Parlament entscheiden müssen, sondern
dass wir diese Debatte eher geführt hätten. Ich hätte das
für angemessener gehalten. Ich finde es gut, dass wir als
Deutscher Bundestag über jeden Militäreinsatz namentlich abstimmen und dass es hier Debatten dazu gibt; aber
ich finde, ehrlich gesagt, dass solche Diskussionen in
eine frühere Tageszeit gehören. Das hätte ich mir gewünscht. Ich hoffe, dass das viele hier im Haus genauso
sehen.
({1})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sehen internationale Umbrüche. Die Außen- und Sicherheitspolitik ist
gerade in den letzten Monaten mit brachialer Gewalt in
die Öffentlichkeit gerückt. Wir sehen die Konflikte in
Syrien, in der Ukraine und im Nordirak - Konflikte, die
uns hier im Parlament bewegen. Umso wichtiger ist es,
dass die kleinen Konflikte oder die Konflikte, bei denen
wir als Bundesrepublik nur in geringem Umfang beteiligt sind, nicht in Vergessenheit geraten und wir auch
hier im Bundestag über Sudan und Darfur reden.
Schauen wir uns die Zahlen an: Dort sind in den letzten Jahren 300 000 Menschen umgekommen. Es gibt
2,5 Millionen Binnenflüchtlinge, die dort auf der Flucht
sind. Es gibt Not, Vertreibung und Elend. Das alles sind
Dinge, die uns hier im Parlament beschäftigen müssen.
Es ist richtig, dass die Bundesrepublik Deutschland als
einer der wenigen westlichen Staaten - neben vielen
Ländern der Afrikanischen Union - auch im Sudan und
in Darfur ihrer Verantwortung gerecht wird.
Wir stimmen heute über ein Mandat ab, das einen
wichtigen Beitrag zur Friedenssicherung leistet. Es handelt sich um eine gemeinsame Operation mit der Afrikanischen Union im Rahmen der Vereinten Nationen.
Wenn wir uns das Mandat und seine Umsetzung anschauen, dann müssen wir feststellen: Es läuft in Darfur
nicht alles so, wie wir es uns wünschen. Wir sehen Fortschritte, dann wieder Rückschritte. Ich sage Ihnen aber:
Es ist unabdingbar, dass wir dort einen Militäreinsatz
leisten, der Helfer schützt und für den Schutz der Zivilbevölkerung und die Absicherung von humanitärer Hilfe
sorgt, damit es dort in absehbarer Zeit zu politischen Lösungen kommen kann.
Ich bin mir sicher: Wir werden auch heute wieder darüber diskutieren, dass es vielleicht eine Verengung auf
das Militärische gibt. Deswegen will ich hier in aller
Deutlichkeit sagen, dass wir aktuell von zehn Soldatin6292
nen und Soldaten sowie von fünf Polizisten reden. Es
gibt viele weitere Unterstützungsleistungen der Bundesrepublik Deutschland, auch in finanzieller Hinsicht.
Es findet im Rahmen des Kofi-Annan-Trainingscamps für Polizisten eine Unterstützung bei der Ausbildung von afrikanischen Polizisten für Einsätze im Rahmen von UNAMID statt. Dabei handelt es sich um eine
Vernetzung von Bundespolizei mit afrikanischen Polizisten. Es werden senegalische Polizeieinheiten ausgebildet. Diese Ausbildung wird durch das Auswärtige Amt
unterstützt. Das THW ist dort aktiv. Wir sehen auch,
dass bei der Darfur-Unterstützungskonferenz in Doha in
umfangreichem Maße - es handelt sich um 16 Millionen
Euro - BMZ-Mittel zur Verfügung gestellt wurden, um
den Wiederaufbau in Darfur zu unterstützen.
Es gibt also neben der militärischen Mission, die eine
Schutzmission ist, eine umfangreiche politische Agenda,
mit der wir als Deutscher Bundestag versuchen, den
Friedensprozess in Darfur zu unterstützen, um zu
schauen, wie wir dort zu politischen Lösungen kommen
können. Ich glaube, es gibt keine Alternative zu diesem
Weg, auch wenn wir uns, glaube ich, wünschen würden,
dass es dort an vielen Stellen besser läuft sowie dass es
weniger Gewalt und Tote bei diesem Prozess gibt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe eigentlich
sieben Minuten Redezeit. Die will ich aber wegen der
fortgeschrittenen Stunde nicht ausnutzen.
({2})
Wir sehen eine Mission, die Sinn macht, bei der es Sinn
macht, dass wir sie weiter unterstützen. Wir setzen große
Hoffnungen auf diese UN-Mission. Ich kann Ihnen deswegen sagen, dass die SPD-Fraktion - wie in den letzten
Jahren - dem Mandat zustimmen wird.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
({3})
Vielen Dank, Kollege Klingbeil. - Lassen Sie mich
zunächst die Gäste auf der Tribüne recht herzlich begrüßen, die diese Debatte wahrscheinlich aus gutem Grund
mit besonderem Interesse verfolgen. Schönen guten
Abend!
({0})
Lassen Sie mich Ihnen zweitens das Ergebnis der
ersten namentlichen Abstimmung, der über die
UNMISS-Mission - also die Friedensmission im Südsudan -, mitteilen: abgegebene Stimmen 581. Mit Ja haben
gestimmt 523 Kolleginnen und Kollegen, mit Nein haben gestimmt 55 Kolleginnen und Kollegen, Enthaltungen 3. Die Beschlussempfehlung ist damit mit großer
Mehrheit angenommen.
({1})
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 581;
davon
ja: 523
nein: 55
enthalten: 3
Ja
CDU/CSU
Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Norbert Barthle
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens ({2})
Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr. André Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Dr. Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer ({3})
Axel E. Fischer ({4})
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich
({5})
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Reinhard Grindel
Ursula Groden-Kranich
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr. Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr. Stefan Heck
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich ({6})
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Christian Hirte
Dr. Heribert Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Andreas Jung
Xaver Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Vizepräsidentin Claudia Roth
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Carsten Körber
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr. Karl A. Lamers
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Paul Lehrieder
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Dr. Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({7})
Reiner Meier
Dr. Michael Meister
Jan Metzler
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller
({8})
Stefan Müller ({9})
Dr. Philipp Murmann
Helmut Nowak
Dr. Georg Nüßlein
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr. Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Ronald Pofalla
Eckhard Pols
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({10})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer ({11})
Dr. Wolfgang Schäuble
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt ({12})
Gabriele Schmidt ({13})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
({14})
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
Armin Schuster ({15})
Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Tino Sorge
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel ({16})
Sven Volmering
Kees de Vries
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Albert Weiler
Marcus Weinberg ({17})
Peter Weiß ({18})
Sabine Weiss ({19})
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Heinz Wiese ({20})
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Oliver Wittke
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Dr. Matthias Zimmer
Gudrun Zollner
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding ({21})
Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr. Karl-Heinz Brunner
Martin Burkert
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Dr. Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Gabriele Groneberg
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann
({22})
Dirk Heidenblut
Hubertus Heil ({23})
Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Thomas Hitschler
Matthias Ilgen
Christina Jantz
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Johannes Kahrs
Christina Kampmann
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Dr. Bärbel Kofler
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange ({24})
Steffen-Claudio Lemme
Vizepräsidentin Claudia Roth
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Hilde Mattheis
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Michelle Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Mahmut Özdemir ({25})
Markus Paschke
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Dennis Rohde
Dr. Martin Rosemann
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({26})
Bernd Rützel
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim
Schabedoth
Axel Schäfer ({27})
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr. Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt ({28})
Matthias Schmidt ({29})
Dagmar Schmidt ({30})
Carsten Schneider ({31})
Ursula Schulte
Swen Schulz ({32})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Claudia Tausend
Michael Thews
Wolfgang Tiefensee
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Waltraud Wolff
({33})
Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck ({34})
Volker Beck ({35})
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Sylvia Kotting-Uhl
Stephan Kühn ({36})
Christian Kühn ({37})
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr. Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({38})
Manuel Sarrazin
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Markus Tressel
Dr. Julia Verlinden
Beate Walter-Rosenheimer
Nein
SPD
Christian Petry
DIE LINKE
Jan van Aken
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Roland Claus
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Dr. André Hahn
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Dr. Gesine Lötzsch
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller ({39})
Thomas Nord
Harald Petzold ({40})
Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Dr. Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Dr. Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Jörn Wunderlich
Pia Zimmermann
({41})
Enthalten
SPD
Dr. Ute Finckh-Krämer
Petra Hinz ({42})
Jeannine Pflugradt
Nächster Redner in der Debatte zu UNAMID Stefan
Liebich für die Linke.
({43})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Herr Klingbeil, der Abend ist fortgeschritten, der Plenartag war lang, und viele wollen nach Hause. Ich kann das
gut verstehen. Trotzdem finde ich es richtig und notwendig, dass wir die Argumente für und wider einen solchen
Einsatz hier abwägen. Das Parlamentsrecht - darüber
wird ja diskutiert - ist ein hohes Gut. Wir sollten es
wahrnehmen und auch heute am späten Abend ernst nehmen.
({0})
Ich denke, niemand von Ihnen sollte einfach Ja sagen,
weil er einer Partei angehört, die die aktuelle Bundesregierung bildet, die den Einsatz hier beantragt.
({1})
- Herr Kauder, Sie nehmen mir die Worte aus dem
Mund. - Niemand sollte einfach Nein sagen.
({2})
- Richtig, ich gebe Ihnen hinterher mein Manuskript.
Das war genau mein Satz: Niemand sollte Nein sagen,
weil er der Bundesregierung misstraut.
Es geht konkret um den Einsatz. Wir müssen uns anschauen, was dafür und was dagegen spricht. Kann man
es verantworten, Soldaten in einen gefährlichen Einsatz
zu schicken? Ich muss an der Stelle sagen: Gerade vor
wenigen Wochen sind wieder drei Soldaten bei diesem
Einsatz getötet worden. Die Bundesregierung weist in
ihrem Antrag selbst darauf hin, dass insgesamt bereits
202 Soldaten bei diesem Einsatz ums Leben gekommen
sind. Auf der anderen Seite wiegt es natürlich schwer,
wenn der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen immer
wieder einstimmig diesen Einsatz befürwortet. Aber
dass er dem Völkerrecht entspricht, bedeutet ja nicht,
dass man ihn befürworten muss oder gar die Beteiligung
Deutschlands automatisch bejaht. Die Frage, über die
wir hier diskutieren und die wir beantworten müssen,
lautet: Helfen wir mit der Beteiligung am konkret beschlossenen Einsatz, den blutigen Konflikt in Darfur zu
beenden? Bringt er mehr Sicherheit? Das ist die Frage,
die wir hier heute beraten.
Ich zitiere hier Kristian Brakel, den ehemaligen Leiter
des Büros des Sonderbeauftragten der Europäischen
Union für den Sudan. Er sagte:
Elf Jahre nach dem Kriegsausbruch in Darfur ist die
Mission schon lange am eigenen Mandat gescheitert.
Sie kennen wahrscheinlich die Kritik der ehemaligen
Pressesprecherin von UNAMID, Frau al-Basri, die darüber gesprochen hat, dass UNAMID die Medien belogen hat und in einigen Fällen noch nicht einmal den Versuch unternommen hat, die Zivilbevölkerung zu
schützen. Es gibt Kritik von Samantha Power, der USBotschafterin bei den Vereinten Nationen. Es gibt auch
Kritik der Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs, Fatou Bensouda, die sich besorgt zeigt, dass
UNAMID Verbrechen sudanesischer Paramilitärs gegen
die Bevölkerung deckt. Darüber darf man nicht einfach
hinweggehen.
({3})
Ich hätte mir gewünscht, dass die Bundesregierung, die
diesen Antrag hier einbringt, etwas zu dieser Kritik sagt.
Nun kann man ja sagen, dass man noch mehr Soldaten dorthin schicken soll. Das hat Herr Mißfelder in der
Debatte zuvor bei UNMISS gesagt. Ich glaube allerdings, dass mehr vom Falschen nicht hilft.
({4})
Um zu einer wirklichen Lösung zu kommen, muss man
an die Wurzeln des Konflikts gehen. Wie so häufig geht
es hier um Verteilungsfragen. Sudan ist ja kein armes
Land. Es ist reich an Bodenschätzen: Öl, Erz, Edelmetalle, insbesondere Gold, Nilwasser und fruchtbares
Ackerland. Was Darfur und die Menschen in ganz Sudan
brauchen, ist Verteilungsgerechtigkeit im ganzen Land.
Wenn das nicht geschieht, werden wir hier wieder und
wieder über Mandatsverlängerungen reden. Das anzupacken, würde den Machtinteressen der Eliten im Sudan
und anderswo widersprechen, ist aber dringend notwendig.
({5})
Der UNO-Einsatz UNAMID in Darfur steht vor der
unlösbaren Aufgabe, einen Frieden zu schützen, den es
nicht gibt und den man durch den Militäreinsatz der
UNO auch nicht erreichen wird. Deshalb empfehle ich
Ihnen, die Beteiligung der Bundeswehr daran abzulehnen.
Vielen Dank.
({6})
Vielen Dank, Stefan Liebich. - Nächster Redner in
der Debatte ist Philipp Mißfelder für die CDU/CSUFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! In der
vorhergegangenen Debatte habe ich nach einer Rednerin
der Linksfraktion gesprochen. Der Zufall will, dass ich
auch in dieser Debatte nach einem Redner aus Ihrer
Fraktion spreche. Ich muss sagen, dass ich diese Gelegenheit nutzen möchte, um ein paar Dinge einzuordnen,
die bei der Linksfraktion beim Thema „Auslandseinsätze
der Bundeswehr“ grundsätzlich schieflaufen. In der Regel fordern Sie - das werfen Sie uns an der Stelle vor, wo
wir im Rahmen der NATO unseren Bündnisverpflichtungen nachkommen - ein UNO-Mandat. Hier gibt es nun
ein UNO-Mandat, das breit getragen wird. Trotzdem sagen Sie Nein.
Sie haben Frau Power, die Botschafterin der Vereinigten Staaten von Amerika bei den Vereinten Nationen, zitiert. Aber Sie haben weggelassen, dass sie als Konsequenz aus ihrer Kritik an UNAMID eigentlich mehr statt
weniger Engagement fordert. Das Herausziehen von
Soldaten bzw. der militärischen Komponente aus
UNAMID würde bedeuten, dass der Frieden, der noch
lange nicht erreicht ist - das ist der einzige Punkt, in dem
ich Ihnen zustimme -, in noch weitere Ferne rücken
würde. Vor diesem Hintergrund sage ich Ihnen: Wenn
wir über Verantwortungsethik sprechen, ist die militärische Komponente hier zwingend notwendig, wenn auch
in einem sehr begrenzten Umfang und wenn das Ganze
auch in einem gefährlichen Rahmen stattfindet.
Da Sie angesprochen haben, dass drei Peacekeeper
ums Leben gekommen sind, sage ich Ihnen: Es ist rich6296
tig, dass wir uns - da sich nicht alle von uns jeden Tag
mit diesem Konflikt beschäftigen - am heutigen Donnerstagabend, wenn auch zu später Uhrzeit, im Rahmen
einer Bundestagsdebatte mit diesem Thema auseinandersetzen.
Unsere Strategie, was den Konflikt in Darfur insgesamt angeht - Lars Klingbeil hat das gerade herausgearbeitet -, ist auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Es gibt einen
sehr großen zivilen und einen sehr großen entwicklungspolitischen Teil. Das Auswärtige Amt leistet im Rahmen
internationaler Konferenzen, aber auch bei zahlreichen
bilateralen Gesprächen einen großen Beitrag dazu, den
notwendigen politischen Rahmen zu setzen, um einen
erneuten Völkermord an dieser Stelle zu verhindern.
Aber die entscheidende Komponente besteht darin - wir
können sicherlich darüber reden, ob wir hier nicht noch
mehr tun müssen -, die Ertüchtigungsstrategie weiter zu
forcieren und dort Polizeieinheiten aufzubauen, sodass
man im Rahmen der staatlichen Strukturen in Zukunft in
der Lage ist, selbstständig für Sicherheit zu sorgen. Aber
man muss nüchtern bilanzieren: Davon ist man aktuell
noch sehr weit entfernt.
Es ist an dieser Stelle auch schon gesagt worden: Die
Rahmenbedingungen für beide Länder - das betrifft also
beide Mandate, über die wir im Rahmen dieser zwei Debatten diskutieren - sind eigentlich von Natur aus gut.
Aber wie so häufig in Afrika ist Rohstoffreichtum eher
ein Fluch als ein Segen. Deswegen müssen wir uns im
Hinblick auf die politische Konzeption, was Afrika angeht, schon die Fragen stellen: Welche Formate müssen
wir wählen? Welche regionalen Partner müssen wir stärken? Welche regionale Partnerschaftsorganisation müssen wir stärker in den Blick nehmen? Das tun wir. Wir
engagieren uns dafür, dass diejenigen, die dort versuchen, den politischen Prozess zu verstetigen, von uns unterstützt werden. Das darf man trotz eines Bundeswehreinsatzes bzw. trotz des Einsatzes bewaffneter
Streitkräfte nicht unter den Tisch fallen lassen.
Ich glaube, am heutigen Tag muss man darauf hinweisen: Wir dürfen diesen Konflikt nicht kleinreden. Schon
in der Vergangenheit handelte es sich um eine erhebliche
Auseinandersetzung. Die Gefahr, dass sich eine solche
Auseinandersetzung wiederholt, ist nach wie vor sehr
groß. Laut Angaben der Vereinten Nationen sind bis zum
heutigen Tag 385 000 Menschen auf der Flucht. Vor diesem Hintergrund würde ich nicht von einem kleinen
Konflikt sprechen. Es ist ein sehr großer Konflikt, meine
Damen und Herren. Aus meiner Sicht muss diese Einordnung vorgenommen werden, weil das in der Debatte
vorhin etwas anders klang.
Auch ich befürworte die Unterstützung des Antrags
der Bundesregierung. Ich bin der Meinung, dass wir hier,
indem wir in begrenztem Maße militärische Mittel einsetzen, einen Beitrag zum Frieden leisten. Der zivile
Beitrag, den wir leisten - das ist vorhin schon gesagt
worden -, hat einen größeren Umfang. Ich glaube, dass
dies im Sinne der vernetzten Sicherheit der richtige Weg
ist.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({0})
Vielen Dank, Philipp Mißfelder. - Nächster Redner in
der Debatte ist Omid Nouripour für Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der
Einsatz im Rahmen von UNAMID, ein gemeinsamer
Einsatz der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen, ist ein wichtiges Zeichen der internationalen Gemeinschaft, ein Zeichen der Solidarität mit Menschen,
die schon sehr lange eine der größten humanitären Katastrophen unserer Zeit erleiden müssen. An dieser Stelle
möchte auch ich mich bei den Soldatinnen und Soldaten
und den Polizistinnen und Polizisten, die sich seit nunmehr sieben Jahren in diesem gefährlichen und wichtigen Einsatz befinden, bedanken. Wir sollten aber auch
denjenigen Truppen danken, die von anderen Staaten
dorthin geschickt worden sind, um dafür zu sorgen, dass
dieser Einsatz tatsächlich trägt. Herzlichen Dank für diesen großen Beitrag!
({0})
UNAMID bringt keinen Frieden. Eine politische Lösung würde Frieden bringen. Eine politische Lösung im
Hinblick auf die Situation in Darfur ist aber wahnsinnig
kompliziert, und sie ist nicht in unmittelbarer Reichweite. Wir sollten die Ursachen des Konflikts nicht vergessen. Wir reden über unzureichende Strukturen, über
Unterentwicklung. Wir reden über jahrzehntelange Lieferungen von Waffen in die Region. Wir reden über Klimaveränderungen, die konfliktverschärfend wirken.
Aber wenn wir schon nicht den Frieden bringen können,
dann müssen wir zumindest das tun, was möglich ist.
Hier wurde die Frage gestellt: Was bringt UNAMID
konkret? Es ist zwar richtig, dass UNAMID weit davon
entfernt ist, sich selbst zu erledigen, was das Ziel des
Einsatzes sein müsste. Aber UNAMID schafft wenigstens zwei Dinge: erstens einen besseren Zugang für
Hilfsorganisationen und zweitens Schutz für die Menschen in den Camps, und das sind nicht wenige. Schon
deswegen kommen wir zu dem Ergebnis, dass UNAMID
derzeit sehr wichtig ist. Wir werden der Fortsetzung des
Mandats zustimmen.
({1})
Wenn wir über politische Ansätze reden, dann steht
fest, dass wir natürlich mehr tun müssen. Deutschland
hat eine Verantwortung in Afrika. Man hat das Gefühl,
dass sich die Bundesregierung nur engagiert, um zu zeigen, dass man etwas Gutes tut. Es gibt derzeit drei verschiedene afrikapolitische Strategien. Wir haben Konzepte für Afrika aus dem BMZ, dem Auswärtigen Amt
und dem BMBF vorliegen. Bei einem genaueren Blick
auf diese Konzepte ist zweifelhaft, ob sie aufeinander
abgestimmt sind oder nebeneinander existieren. Eine
Koordination der Konzepte wäre aber absolut notwendig. Ich hoffe, dass das Verkehrsministerium nicht auch
noch ein Afrika-Konzept auf den Tisch legt.
Im Ausschuss wurde uns gesagt, Sudan sei ein
Schwerpunkt der deutschen Afrika-Politik; das wurde
schon in der vorangegangenen Debatte gesagt. Schaut
man sich die Afrikapolitischen Leitlinien an, stellt man
fest: Der Sudan kommt darin gar nicht vor. Im Mandatstext steht aber: Wir werden zustimmen, weil der Einsatz im Sudan ein „wichtiges Zeichen“ ist. Dort finden
sich auch Textstellen, bei denen man sich fragt, ob sie eigentlich ernst gemeint sind. Ein Beispiel: Aufgrund des
verstärkten Einsatzes, den wir brauchen, wird die Zahl
der Soldatinnen und Soldaten gleich hoch gelassen. Hier wird nicht sauber argumentiert.
({2})
Es ist auch erstaunlich, dass auf den UN-Bericht, den
der Kollege Liebich eben völlig zu Recht angesprochen
hat, auf die Kritikpunkte und Mängel an UNAMID nicht
ausreichend eingegangen wird. Die USA, Großbritannien und Frankreich haben hier sehr klare Worte der Kritik gefunden. Sie haben gesagt, dass das nicht gehe und
die UN solche Berichte nicht verfassen dürfe. Es ist erstaunlich, dass wir als einzige Truppenstellernation Europas dazu schweigen. Das ist nicht ausreichend.
Genauso wenig ist es ausreichend, sich beim Thema
China auszuschweigen. China ist das Land, das am meisten blockiert, wenn es darum geht, im Rahmen der UN
eine Waffenblockade durchzusetzen. Hier drückt man
sich vor schwierigen Aufgaben, mit denen man sich aber
beschäftigen und derer man sich annehmen muss.
Erlauben Sie mir, zum Schluss noch etwas Lobendes
zu sagen. Ich finde es hervorragend, dass Deutschland
sich maßgeblich daran beteiligt hat, dass die EU ein
Waffenembargo verhängt hat. Das ist ein guter Schritt.
Wir begrüßen dieses Engagement der Bundesregierung.
Aber wenn man wie bei allen Einsätzen ernsthaft daran
arbeiten will, dass sich UNAMID überflüssig macht,
dann sollte man mehr tun, dann braucht man gerade auch
im politischen Bereich deutlich mehr Ambitionen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({3})
Vielen Dank, Kollege Omid Nouripour. - Der letzte
Redner in dieser Debatte ist Thorsten Frei für die CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir entscheiden heute über die weitere deutsche Beteiligung am UNAMID-Einsatz in Darfur. Blicken wir auf
das Jahr 2003 zurück, als dieser Konflikt gewaltsam ausgebrochen ist: Er war omnipräsent in der Welt. Die UNO
hat davon gesprochen, dass es die schrecklichste humanitäre Katastrophe der Welt ist. Heute reden wir über einen vergessenen Konflikt. Aber das darf nicht dazu führen, dass wir ob der Zahlen, mit denen wir konfrontiert
sind, abstumpfen. 300 000 Tote in diesem Konflikt,
200 000 Flüchtlinge, die im Tschad unter elenden Bedingungen in Flüchtlingscamps und Zelten hausen, 2,4 Millionen Binnenflüchtlinge, die durch das Land irren,
4 Millionen Menschen - das ist die Hälfte der Bevölkerung in Darfur -, die unmittelbar von humanitärer Hilfe
abhängig sind - das sind die Strukturen, mit denen wir es
dort zu tun haben. Vor diesem Hintergrund ist es richtig,
dass es vor allen Dingen humanitärer Hilfe und Unterstützung bedarf. Aber die Sicherheitslage ist so, dass das
ohne ein robustes Mandat nicht funktioniert.
Im April hat die Regierung die bisher größte Offensive gestartet, die neue Flüchtlingsströme in Gang gesetzt hat. Im Oktober sind drei Peacekeeper bzw. Blauhelme gestorben. Insgesamt sind 202 Peacekeeper in
diesem Einsatz getötet worden. Deshalb ist es zunächst
einmal notwendig, dass auch mit militärischer Unterstützung eine Situation geschaffen wird, in der humanitäre
Hilfe möglich ist und wir darüber hinaus in die Lage versetzt werden, eine Basis dafür zu schaffen, dass eine
politische Lösung des Konfliktes weiter fortschreiten
kann. Es geht am Ende des Tages darum, Infrastruktur
wie die Wasser- und Energieversorgung aufzubauen. Es
müssen Strukturen geschaffen werden, die es dem Land
ermöglichen, sich aus humanitärer Abhängigkeit herauszulösen. Dafür müssen wir etwas tun.
Die Bundesregierung tut deutlich mehr, als nur diesen
Militäreinsatz zu ermöglichen. Ich schätze, dass die zehn
Soldaten im Rahmen dieses Einsatzes Kosten von weniger als 1 Million Euro verursachen werden. Die Kosten
für zivile Hilfe dürften um ein 50-faches höher sein. Allein im Haushaltsplan 2015 sind 43 Millionen Euro an
UN-Beiträgen für diesen Einsatz vorgesehen. Wir tun
nicht nur etwas im Rahmen des Doha-Prozesses und der
humanitären Hilfe, sondern unterstützen auch Aussöhnungsprozesse und die Stärkung der Zivilgesellschaft
vor Ort. Ich glaube, das ist in der Tat ein vernetzter, gesamthafter Ansatz, der einen wirkungsvollen Beitrag
dazu leisten kann, dass wir in diesem Konflikt einer Lösung näher kommen können.
({0})
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen, in
dem wir, wie ich glaube, durchaus noch besser werden
können. Wir entscheiden heute nicht über den Einsatz
deutscher Polizeibeamter in Darfur. Aber ich glaube, insgesamt ist das ein Bereich der Krisenprävention, in dem
wir besser werden müssen. Wir haben sehr viel Expertise
und Know-how, was den Einsatz deutscher Polizeibeamtinnen und Polizeibeamter im Ausland angeht. Diese
Leistung ist international nachgefragt. Im Innenausschuss
und im Unterausschuss für Zivile Krisenprävention haben wir uns vergangene Woche mit der Frage auseinandergesetzt, wie wir es schaffen können, mehr deutsche
Polizeibeamte in Auslandsmissionen zu bringen. Ich glaube,
dass wir in dieser Frage noch Hausaufgaben zu erledigen
haben. Wir müssen besser werden, Karrierehemmnisse
abbauen und Leistungsanreize schaffen, damit ein solcher Einsatz eine normale Station in der Karriere eines
Polizeibeamten werden kann.
Zum Schluss möchte ich noch eines ansprechen: Ich
glaube, dass uns dieser Konflikt auf unserem Nachbarkontinent nicht kaltlassen darf. Wir müssen uns im Rahmen unserer Möglichkeiten engagieren, und das tun wir
im gesamthaften Ansatz. Das ist notwendig, weil es unsere Verpflichtung ist, weil wir helfen können, Fragilität
zu beseitigen, die letztlich zu weiteren Rückzugsorten
für internationalen Terrorismus führt, und weil wir einen
Beitrag dazu leisten können, in den Herkunftsländern etwas gegen die Flüchtlingsströme nach Europa zu tun.
Wir müssen neben den Krisen und Schwierigkeiten in
Afrika auch die Chancen sehen. Dieser Kontinent ist
letztlich auch ein Wachstumskontinent voller Chancen.
In diesem Sinne, glaube ich, ist der UNAMID-Einsatz
richtig und notwendig, und ich werbe für Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank.
({1})
Vielen herzlichen Dank, Thorsten Frei. - Damit
schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zum Antrag
der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung be-
waffneter deutscher Streitkräfte an der AU/UN-Hybrid-
Operation in Darfur, UNAMID. Der Ausschuss emp-
fiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache
18/3193, den Antrag der Bundesregierung auf Drucksa-
che 18/3006 anzunehmen. Wir stimmen über die Be-
schlussempfehlung namentlich ab. Ich bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, die Plätze an den Urnen
einzunehmen. - Sind alle Plätze an den Urnen besetzt? -
Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung über
die Beschlussempfehlung.
Gibt es Kolleginnen und Kollegen, die noch nicht ab-
gestimmt haben? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe
ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Er-
gebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gege-
ben.1)
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({0})
zu dem Antrag der Abgeordneten Caren Lay,
Dr. Dietmar Bartsch, Jan Korte, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion DIE LINKE
Für eine transparente Haushaltskontrolle nach-
richtendienstlicher Tätigkeiten
Drucksachen 18/2872, 18/3085
1) Ergebnis Seite 6300 A
Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden.2) -
Wie ich sehe, sind Sie damit einverstanden.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Haushaltsaus-
schuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/3085, den Antrag der Fraktion Die Linke
auf Drucksache 18/2872 abzulehnen. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? -
Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist ange-
nommen mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD bei
Ablehnung der Linksfraktion und Enthaltung von Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15 a und 15 b auf:
a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({1})
zu dem Antrag der Abgeordneten Sibylle
Pfeiffer, Sabine Weiss ({2}), Katrin
Albsteiger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten
Dr. Bärbel Kofler, Axel Schäfer ({3}),
Heinz-Joachim Barchmann, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion der SPD
Gute Arbeit weltweit - Verantwortung für
Produktion und Handel global gerecht wer-
den
Drucksachen 18/2739, 18/3133
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({4})
zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz,
Claudia Roth ({5}), Tom Koenigs, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN
Sozial-ökologischen Rahmen für die Aktivitä-
ten transnationaler Unternehmen schaffen
und durchsetzen
Drucksachen 18/2746, 18/3134
Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden.3) -
Wie ich sehe, sind Sie damit einverstanden.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktio-
nen der CDU/CSU und der SPD mit dem Titel „Gute
Arbeit weltweit - Verantwortung für Produktion und
Handel global gerecht werden“. Der Ausschuss emp-
fiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 18/3133, den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU
und der SPD auf Drucksache 18/2739 anzunehmen. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt
dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist die Beschluss-
empfehlung bei Zustimmung der Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die
Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ange-
nommen.
2) Anlage 3
3) Anlage 4
Vizepräsidentin Claudia Roth
Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen mit dem Titel „Sozial-ökologischen Rahmen für
die Aktivitäten transnationaler Unternehmen schaffen
und durchsetzen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/3134, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/2746 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Die Beschlussempfehlung ist bei Zustimmung der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD bei Gegenstimmen
der Fraktion Die Linke und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und eines Kollegen aus der SPDFraktion angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Friedrich
Ostendorff, Kordula Schulz-Asche, Harald Ebner,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Wirksamkeit von Antibiotika erhalten - Einsatz in der Tierhaltung auf vernünftiges Maß
reduzieren
Drucksache 18/3152
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft ({6})
Ausschuss für Gesundheit
Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden.1) Wie ich sehe, sind Sie einverstanden.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/3152 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Sie sind damit einverstanden. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des
Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel
für Wachstum und Beschäftigung und zur
Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG
Drucksache 18/2953
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales ({7})
Drucksache 18/3190
Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden.2) -
Wie ich sehe, sind Sie damit einverstanden.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für
Arbeit und Soziales empfiehlt in seiner Beschlussemp-
fehlung auf Drucksache 18/3190, den Gesetzentwurf der
Bundesregierung auf Drucksache 18/2953 in der Aus-
schussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? -
1) Anlage 5
2) Anlage 6
Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung bei Zustimmung der Fraktionen der CDU/
CSU, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist bei Zustimmung der Fraktionen der CDU/
CSU, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der
CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern
Drucksache 18/3144
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({8})
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden3) Sie sind einverstanden.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs 18/3144 an die in der Tagesordnung aufgeführten
Ausschüsse vorgeschlagen. - Es gibt keine anderweitigen Vorschläge dazu. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:
Zweite Beratung und Schlussabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen
Übereinkommen vom 27. November 2008
über die Adoption von Kindern ({9})
Drucksache 18/2654
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz
({10})
Drucksache 18/3198
Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor.
Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden.4) -
Ich sehe, Sie sind einverstanden.
Zweite Beratung
und Schlussabstimmung. Der Ausschuss für Recht und
Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/3198, den Gesetzentwurf der
Bundesregierung auf Drucksache 18/2654 anzunehmen.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen
wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer
3) Anlage 7
4) Anlage 8
Vizepräsidentin Claudia Roth
enthält sich? - Damit ist der Gesetzentwurf bei Zustimmung von allen Fraktionen im Haus angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 18/3204. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt bei Zustimmung von Bündnis 90/
Die Grünen und der Linken und Ablehnung von CDU/
CSU- und SPD-Fraktion.
Lassen Sie mich das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen
Abstimmung über die Beschlussempfehlung zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Kräfte
am UNAMID-Mandat bekannt geben: abgegebene Stimmen 577. Mit Ja haben gestimmt 521, mit Nein haben
gestimmt 54, Enthaltungen 2. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 577;
davon
ja: 521
nein: 54
enthalten: 2
Ja
CDU/CSU
Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Norbert Barthle
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens ({11})
Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr. André Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Dr. Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer ({12})
Axel E. Fischer ({13})
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich
({14})
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Reinhard Grindel
Ursula Groden-Kranich
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr. Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr. Stefan Heck
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich ({15})
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Christian Hirte
Dr. Heribert Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Andreas Jung
Xaver Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Carsten Körber
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr. Karl A. Lamers
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Paul Lehrieder
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Dr. Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({16})
Reiner Meier
Dr. Michael Meister
Jan Metzler
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller
({17})
Stefan Müller ({18})
Dr. Philipp Murmann
Helmut Nowak
Dr. Georg Nüßlein
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr. Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Ronald Pofalla
Eckhard Pols
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({19})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Vizepräsidentin Claudia Roth
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer ({20})
Dr. Wolfgang Schäuble
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt ({21})
Gabriele Schmidt ({22})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
Armin Schuster ({23})
Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Tino Sorge
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel ({24})
Sven Volmering
Kees de Vries
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Albert Weiler
Marcus Weinberg ({25})
Peter Weiß ({26})
Sabine Weiss ({27})
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Heinz Wiese ({28})
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Oliver Wittke
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Dr. Matthias Zimmer
Gudrun Zollner
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding ({29})
Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr. Karl-Heinz Brunner
Martin Burkert
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Dr. Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Gabriele Groneberg
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann
({30})
Dirk Heidenblut
Hubertus Heil ({31})
Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Thomas Hitschler
Matthias Ilgen
Christina Jantz
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Johannes Kahrs
Christina Kampmann
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Dr. Bärbel Kofler
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange ({32})
Steffen-Claudio Lemme
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Hilde Mattheis
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Michelle Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Mahmut Özdemir ({33})
Markus Paschke
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Dennis Rohde
Dr. Martin Rosemann
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({34})
Bernd Rützel
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim
Schabedoth
Axel Schäfer ({35})
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr. Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt ({36})
Matthias Schmidt ({37})
Dagmar Schmidt ({38})
Carsten Schneider ({39})
Ursula Schulte
Swen Schulz ({40})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Claudia Tausend
Michael Thews
Wolfgang Tiefensee
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Waltraud Wolff
({41})
Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck ({42})
Vizepräsidentin Claudia Roth
Volker Beck ({43})
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Sylvia Kotting-Uhl
Stephan Kühn ({44})
Christian Kühn ({45})
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr. Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({46})
Manuel Sarrazin
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Markus Tressel
Dr. Julia Verlinden
Beate Walter-Rosenheimer
Nein
SPD
Christian Petry
DIE LINKE
Jan van Aken
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Roland Claus
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Dr. André Hahn
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Dr. Gesine Lötzsch
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller ({47})
Thomas Nord
Harald Petzold ({48})
Richard Pitterle
Michael Schlecht
Dr. Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Dr. Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Jörn Wunderlich
Pia Zimmermann
({49})
Enthalten
SPD
Dr. Ute Finckh-Krämer
Petra Hinz ({50})
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/99/EU
über die Europäische Schutzanordnung, zur
Durchführung der Verordnung ({51}) Nr. 606/
2013 über die gegenseitige Anerkennung von
Schutzmaßnahmen in Zivilsachen und zur
Änderung des Gesetzes über das Verfahren in
Familiensachen und in den Angelegenheiten
der freiwilligen Gerichtsbarkeit
Drucksache 18/2955
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz
({52})
Drucksache 18/3200
Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden.1) -
Ich sehe, Sie sind einverstanden.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für
Recht und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Be-
schlussempfehlung auf Drucksache 18/3200, den Gesetz-
1) Anlage 9
entwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/2955 in
der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen,
die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit
in zweiter Beratung bei Zustimmung aller Fraktionen angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich jetzt zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist mit Zustimmung aller Fraktionen angenommen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung angekommen. Ich bedanke mich bei den Kollegen. Es war, glaube ich, ein sehr intensiver Tag heute
hier im Plenum.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 14. November, 9 Uhr,
ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen noch
einen sehr schönen Restabend. Bis morgen früh!