Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Herzlich willkommen! Guten Tag, liebe Kolleginnen
und Kollegen! Guten Tag, liebe Gäste! Ich eröffne die
Sitzung.
Ich bitte um Verständnis dafür, dass wir ein paar Minuten warten müssen, weil Frank-Walter Steinmeier im
Stau steckt. Es wäre zu kompliziert, wenn wir mit anderen Fragen anfangen würden. Ich hoffe, Sie sind damit
einverstanden. - Gut.
({0})
- Im Liedersingen sind wir schon geübt. Hat jemand Geburtstag? - Nein, heute singen wir nicht.
({1})
Herzlich willkommen, Frank-Walter Steinmeier!
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: 4. Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung des Aktionsplans „Zivile
Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“.
Das Wort für den fünfminütigen einleitenden Bericht
hat der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. FrankWalter Steinmeier.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
In der Außenpolitik haben wir in diesen Zeiten viel zu
reden und reden wir viel über akute Krisen. Über die
verhinderten Krisen reden wir kaum, aber das macht die
Arbeit in der Krisenprävention deshalb nicht unwichtiger. Im Gegenteil: Jede verhinderte Krise war bisher
nach unserer Beurteilung die beste außenpolitische Investition. Das Paradoxe ist nur: Am erfolgreichsten ist
die Krisenprävention, wenn sie am wenigsten sichtbar
ist, wenn eben nicht Bilder von Krieg und Gewalt unsere
Fernsehbildschirme erreichen. Gerade dann hat sich
frühzeitig investierende oder vorsorgende Außenpolitik
gelohnt.
Wir haben vor zehn Jahren in der damaligen Bundesregierung den Aktionsplan „Zivile Krisenprävention“
auf den Weg gebracht. Ich glaube, man darf sagen, dass
seither viel passiert ist. Wir setzen heute etwa zehnmal
so viele Mittel für zivile Krisenprävention ein wie damals im ersten Jahr. Es sind allein im Auswärtigen Amt
jetzt, im Jahr 2014, etwa 150 Millionen Euro. Mit Ihrer
Hilfe, mit der Hilfe des Hohen Hauses, wollen wir diese
Größenordnung natürlich auch in den nächsten Jahren
verstetigen und erhalten.
Wir haben heute im Kabinett, wie eben angekündigt,
den 4. Umsetzungsbericht zum Aktionsplan beschlossen.
Darin finden sich viele Schwerpunkte der präventiven
Außenpolitik und der Krisenvorsorge. Das ist erstens die
Stärkung der Staatlichkeit. Denn Sie wissen es wie ich:
Fragile Staaten und fragile Staatlichkeit sind die häufigste Ursache nicht nur von Destabilisierung, sondern
auch von neuen Krisen und Konflikten.
Dafür gibt es verschiedene Beispiele. Denken Sie
zum Beispiel an die Stärkung von Sicherheit in krisengefährdeten Staaten. Dazu gehört die Polizeiausbildung in
Afghanistan, für die wir uns engagiert haben. Das
schließt aber auch das Training von afrikanischen Polizisten für Peacekeeping-Einsätze in Afrika ein. Oder
denken Sie an die Stärkung der öffentlichen Infrastruktur. Eines der Ziele, die wir auf der Syrien-Konferenz
vor wenigen Tagen hier in Berlin verfolgt haben, war, zu
verhindern, dass durch die Vielzahl der Flüchtlinge in
Jordanien und im Libanon - mehr als 1,3 Millionen bzw.
1,5 Millionen - staatliche Strukturen, vor allem im Bildungs- und Gesundheitssystem, völlig zusammenbrechen.
Ein weiteres Beispiel ist Rechtsstaatlichkeit - mit
ganz vielen Aspekten. Einer der jüngeren Aspekte, von
dem ich Ihnen berichten kann, ist die Einrichtung einer
neuen Kammer für Völkerstrafrecht; es hat seine Ursachen, wenn wir helfen, eine neue Kammer für Völkerstrafrecht am kenianischen Obersten Gerichtshof in Nairobi einzurichten.
Die drei unterschiedlichen Felder, die ich nur beispielhaft genannt habe, folgen einer gemeinsamen Philosophie, nämlich Staaten zu ertüchtigen, weil funktionierende Staaten nach unserer und meiner Auffassung am
Ende die erste Verteidigungslinie gegen Krisen und Konflikte sind und bleiben.
Die zweite Verteidigungslinie, die man braucht, sind
regionale und multilaterale Strukturen der Friedenssicherung. Da engagieren wir uns zum Beispiel durch
Stärkung der Afrikanischen Union, aber auch durch Mitunterstützung des Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre der ECOWAS in Ghana, Westafrika.
Ein dritter Schwerpunkt, der nicht vergessen sein soll
und der in diesen Zeiten Konjunktur hat, ist Friedensmediation und Konfliktlösung - vielfach nachgefragt, oft
mehr, als wir leisten können -, zum Beispiel in Mali, wo
wir die Kommission des neu geschaffenen Ministeriums
für Versöhnung unterstützen, oder in Korea, wo ich gerade eben - Sie haben es wahrscheinlich mitverfolgt und
gelesen - mit einer Beratergruppe zu außenpolitischen
Aspekten der Wiedervereinigung Koreas unterwegs war,
oder die Beiträge, die wir von europäischer Seite gemeinsam mit unseren französischen und britischen
Freunden als Ergänzung hoffentlich möglicher Waffenstillstandsvereinbarungen zwischen Israel und Palästina
auf den Weg zu bringen versuchen. Gerade eben erst, vor
anderthalb Wochen, war Präsident Santos hier, der uns
mit Blick auf seine Aussöhnungsbemühungen, die er in
Kolumbien anstrengt, gebeten hat, Vorsorge zu treffen,
damit es nach Vereinbarungen mit der FARC in Kolumbien zu einem innerstaatlichen Aussöhnungsprozess
kommen kann. - All das sind Themen, die in diesen Bereich der Friedensmediation, Konfliktlösung und Aussöhnung gehören, bei denen wir mit unseren Möglichkeiten beratend zur Seite stehen.
Das alles zeigt, liebe Kolleginnen und Kollegen: Der
Instrumentenkasten der Diplomatie ist eigentlich reichhaltiger, als viele glauben. Er endet nicht am letzten
Stuhl des Verhandlungstisches, und er beschränkt sich
insbesondere auch nicht auf die ganz groben Werkzeuge,
auf die Kneifzange der Sanktionen oder auf schwere Geschütze bis hin zum Einsatz von Waffen. Vielmehr liegt
all diesen Beispielen aus der zivilen Krisenprävention,
die ich eben genannt habe, der Gedanke der vorsorgenden Außenpolitik zugrunde, in dem Sinne, lieber vorsorgend gezielt in Frieden und Stabilität zu investieren, als
am Ende zu spät eingreifen zu müssen.
Natürlich gibt es keine Garantie, dass Investitionen in
Krisenprävention sich auszahlen. Natürlich gibt allein
die Investition noch nicht die Garantie, dass es zu keiner
Verschärfung eines Konfliktes kommt. Aber ich bin mir
sicher, sie wird in ihrer Bedeutung unterschätzt. Manche
Krise hat sich eben nicht zum militärischen Konflikt entwickelt, weil wir mit den Instrumenten der Krisenprävention helfen konnten. Sie ist zudem, wenn ich das so
sagen darf, zu so etwas wie einem Markenzeichen deutscher Außenpolitik geworden. Das spürt man im Augenblick zum Beispiel an den Gesprächen, die wir gestern
mit der International Crisis Group hier in Berlin geführt
haben. Es zeigt sich aber auch an den vielen Expertenmeinungen, die wir in unserem Reviewprozess eingeholt
haben, in dem wir die Fragestellungen der deutschen
Außenpolitik im Augenblick durch Befragung nationaler
und internationaler Experten einer Überprüfung zuführen.
Ich glaube, dass jeder Euro, den wir zur Krisenverhinderung einsetzen, ein gut investierter Euro ist. Deshalb
lohnt es sich aus meiner Sicht, diesen Bereich der Außenpolitik noch stärker auszubauen.
Vielen Dank.
({0})
Vielen Dank, Frank-Walter Steinmeier. - Es gibt einige Fragesteller und Fragestellerinnen. Es beginnt
Dr. Franziska Brantner.
Danke schön. - Lassen Sie mich zunächst feststellen,
dass wir als Grüne es sehr begrüßenswert finden, dass
Sie dieses Thema heute an dieser Stelle diskutieren. Es
ist das erste Mal, dass der Bericht so prominent vorgestellt und diskutiert wird.
Ich habe eine Nachfrage zu Ihren Ausführungen. Sie
haben von den finanziellen Mitteln gesprochen. Soweit
wir wissen, wird im Haushalt 2015 der Titel „Unterstützung von internationalen Maßnahmen auf den Gebieten
Krisenprävention, Friedenserhaltung und Konfliktbewältigung durch das Auswärtige Amt“ um 2 Millionen
Euro gekürzt. Nun könnte man sagen: Das ist nicht viel.
Aber wenn man bedenkt, dass 2013 eigentlich 40 Millionen Euro mehr hätten ausgegeben werden können, dann
wird deutlich, dass die Mittel nicht ausreichen.
Sie haben die Polizeieinsätze angesprochen. In diesem Bereich ist der Unterschied noch eklatanter. Im
Titel 532 04, Untertitel „Mandatierte polizeiliche Friedensmissionen und bilaterale polizeiliche Auslandseinsätze in internationalen Krisengebieten“, wurden 2014
über 13 Millionen Euro veranschlagt, für 2015 sind dafür 7,7 Millionen Euro veranschlagt. Nun könnten Sie
argumentieren: Der Afghanistan-Einsatz ist beendet.
Aber natürlich ist der Bedarf an deutschen Polizistinnen
und Polizisten weltweit nicht gedeckt. Als Beispiele sind
zu nennen die Ukraine, Tunesien, das um Unterstützung
bei der Polizeireform gebeten hat, und die UN-Missionen. Derzeit sind über 13 000 Polizeibeamtinnen und
Polizeibeamte in UN-Missionen tätig; übrigens nur 24
davon sind aus Deutschland.
Sieht so Ihre neue Verantwortung in diesem Bereich
aus? Steht das im Einklang mit dem Anspruch, den Sie
gerade dargestellt haben?
Vielen Dank, Franziska Brantner. - Frank-Walter
Sollten Sie die Frage, ob wir uns dieser neuen Verantwortung stellen, ernst gemeint haben, so kann ich sie mit
Ja beantworten. Die Wahrnehmung unserer Verantwortung beschränkt sich in der Tat nicht auf den Mittelansatz bei der zivilen Krisenprävention. Wenn Sie zum
Beispiel die Kolleginnen und Kollegen, die sich im Moment in der Ukraine aufhalten, befragen, dann wird deutlich, dass sie sehr dankbar sind, dass sich diese Bundesregierung nicht in die Furche legt, wenn es darum geht,
Gespräche zwischen der Ukraine und Russland in Gang
zu halten, um den Konflikt zu entschärfen und, so hoffe
ich, irgendwann in mittelfristiger oder ferner Zukunft einer Lösung zuzuführen.
Selbstverständlich ist es so, dass wir bei der Vielzahl
der Krisen - auf die wir nicht nur schauen, sondern bei
der einen oder anderen sind wir auch gefragt - noch
mehr Mittel gebrauchen könnten, auch für die zivile Krisenprävention; das ist gar keine Frage.
Ich sage für mich und für das Außenministerium: Unter den gegenwärtigen Haushaltsbedingungen bin ich
froh, dass wir unser Niveau in dieser Größenordnung haben halten können. Wir müssen in Zukunft überlegen
- wenn Sie an Länder Nordafrikas denken, mit denen
wir im Rahmen der Transformationspartnerschaften zusammenarbeiten -, ob wir dort zusätzliche Mittel, etwa
für Polizeiausbildung, generieren können. Das ist zum
gegenwärtigen Zeitpunkt aber noch nicht entschieden.
Vielen Dank, Frank-Walter Steinmeier. - Nächste
Fragestellerin: Kathrin Vogler für die Linke.
Vielen Dank. - Herr Minister, der heute vorgestellte
Bericht liegt uns noch nicht vor. Ich nehme an, er wird
von Ihnen in Kürze an den Bundestag weitergeleitet. Bei
den vergangenen Berichten haben Organisationen aus
der Zivilgesellschaft, zum Beispiel aus dem Umfeld der
Plattform Zivile Konfliktbearbeitung, die immer deutlichere Verschränkung mit militärischen Maßnahmen und
die zunehmende Versicherheitlichung der Konzepte, die
die Bundesregierung in diesem Bereich verfolgt, beklagt. Hat die Bundesregierung da im neuesten Bericht
andere Akzente gesetzt, und wie sehen die aus?
Herr Minister, bitte.
Vielen Dank. - Das war Anlass für meine Vorbemerkungen eben, in denen ich versucht habe, das breite
Spektrum ziviler Krisenprävention darzustellen, mit dem
wir weltweit unterwegs sind. Ich glaube, wenn Sie eine
faire Einschätzung des ganzen Aktivitätenspielraums
vornehmen, dann werden Sie darin keinen militärischen
Schwerpunkt, nicht einmal eine Versicherheitlichung
feststellen; wenngleich ich zu bedenken gebe, ob in diesen fragilen Staaten Sicherheit und die Gewährleistung
von Sicherheit nicht ein wichtiger Anker sind, um zunächst eine Grundlage dafür zu schaffen, dass sich Staatlichkeit überhaupt entwickeln kann.
Aber das beiseitegelassen, kann man mit dem Hinweis
darauf, was wir zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit tun,
beispielsweise durch die Ausbildung von Richtern und
Verwaltungsbeamten, feststellen, dass Sicherheit einer
der Schwerpunkte sein muss, es daneben aber viele andere Schwerpunkte gibt, die nicht weniger bedeutsam
sind, was sich auch in unseren Ausgabenansätzen widerspiegelt. Ich denke etwa an unsere Beratungshilfe bei der
Einrichtung einer Völkerstrafkammer beim Obersten
Gerichtshof in Kenia. Für diese Aufgabe kam, wenn ich
das richtig sehe und die Gespräche mit den Kenianern
richtig erinnere, im Grunde niemand anders in Betracht.
Vorhin habe ich Kolumbien angesprochen. Wenn es
um die Aufarbeitung langer innerstaatlicher Konflikte
geht, dann gibt es am Ende, insbesondere seit der Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofs, oft nur eine
Möglichkeit: den Weg über eine Anklage beim Strafgerichtshof. Dann ist ein Aussöhnungsprozess aber nur
noch schwer möglich, weil diejenigen, die befürchten
müssen, vor dem Internationalen Strafgerichtshof zu landen, bis zur letzten Möglichkeit kämpfen werden. Deshalb sucht man nach Alternativen, um im Zuge der Aufarbeitung erlittenen Unrechts nach langjährigen
Konflikten zu einer Versöhnung zu kommen. Beispiele
dafür gibt es in Südafrika. Dort ist das einigermaßen gelungen. Wir versuchen, diese Erfahrungen für vergleichbare Konflikte fruchtbar zu machen. Vielleicht ist Kolumbien ein Anwendungsfall dafür.
Vielen Dank. - Darf ich alle Anwesenden bitten, sich,
wenn es irgendwie geht, an die Minutenvorgabe zu halten? Denn es folgen noch viele spannende Fragen, und
wir erhalten sicher auch in Knappheit spannende Antworten.
Frank Heinrich ist für die CDU/CSU der nächste Fragesteller.
Ganz herzlichen Dank, sehr geehrter Herr Außenminister, für den Bericht. - Ich habe eine kurze Frage.
Sie sprachen im Zusammenhang mit der Krisenprävention von fragilen Staaten und Staaten, die auf dem Weg
in die Fragilität sind, und davon, dass wir diesen Staaten
möglichst Stabilität bieten sollten. In den letzten Tagen
und Monaten haben sich die Anzeichen dafür gemehrt
- es gibt auch entsprechende Warnungen -, dass die drei
Staaten, in denen Ebola sich am stärksten ausgebreitet
hat, auf dem Weg in Richtung Fragilität sind. Die Schulen sind seit Juli mehr oder weniger nicht mehr geöffnet,
man wird nur noch über das Radio unterrichtet, und das
Gesundheitssystem liegt brach. Die Warnungen sind
ernst zu nehmen. Auch Botschafter Lindner hat das so
gesagt. Gibt es in diesem Zusammenhang konkrete Aussagen der deutschen Außenpolitik?
Herr Minister.
Ein Beispiel ist Nigeria. Bei unserem Besuch in Nigeria vor kurzem haben wir gesagt: Wir dürfen jetzt nicht
nur in die Bekämpfung von Ebola investieren, sondern
wir müssen auch in die Gesundheitsstrukturen der Nachbarstaaten investieren, die im Augenblick noch ebolafrei
sind. Deshalb haben wir gemeinsam mit Frankreich in
Nigeria ein Ausbildungsprogramm auf den Weg gebracht, in dem wir 200 medizinische Fachkräfte ausbilden wollen. Die Hälfte dieser Fachkräfte soll in Nigeria
bleiben, um das Gesundheitssystem dort zu stabilisieren,
und die andere Hälfte soll in die Nachbarstaaten gehen,
um dort mit den Möglichkeiten, die wir haben, zu helfen,
Ebola zu bekämpfen.
Ein zweiter Gesichtspunkt ist das, was wir in Brüssel
vorgeschlagen haben: Lessons learned unter der Überschrift White Helmets. Wir stellen jetzt fest, dass wir im
Kampf gegen Ebola tendenziell zu spät gekommen sind.
Für die Zukunft brauchen wir einen Pool von Nichtregierungsorganisationen und medizinischem Fachpersonal,
auf den man in Zukunft gesamteuropäisch zugreifen
kann, um im Wege der Arbeitsteilung unterschiedliche
Fähigkeiten zusammenzubringen, damit man bei einer
zukünftigen Epidemie, die noch gefährlicher sein kann
als Ebola, schneller reaktionsfähig sein kann.
Vielen Dank. - Edelgard Bulmahn ist für die SPD die
nächste Fragestellerin.
Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben in Ihrer Einführung - zu Recht, wie ich finde, und das gilt sicherlich
auch für viele Kollegen - darauf hingewiesen, dass die
zivile Krisenprävention inzwischen zu einem Markenzeichen deutscher Außenpolitik geworden ist. Deshalb
liegt uns allen sehr daran, dass wir sowohl die Ziele als
auch die Schwerpunkte der deutschen Politik in diesem
Bereich sehr deutlich machen. Es ist gut, dass wir als
Parlament insgesamt jetzt die gute Möglichkeit haben,
dieses miteinander zu diskutieren.
Ich habe zwei Fragen. Die erste Frage bezieht sich auf
die Schwerpunkte, die Sie in den kommenden Jahren in
diesem Feld setzen wollen, zum Beispiel beim Aufbau
von Rechtsstaatlichkeit; Sie haben die Justiz genannt.
Vielleicht können Sie uns noch etwas zum Aufbau von
Polizei bzw. zur Polizeiausbildung sagen. Weiter geht es
um die Beratung bei der Erarbeitung neuer Verfassungen. Ich jedenfalls mache immer die Erfahrung, dass gerade unser föderales System in vielen anderen Ländern
auf ein sehr großes Interesse stößt. Außerdem geht es um
die Ausbildung von Jugendlichen, die eine Perspektive
bekommen sollen. Das sind nur einige Beispiele.
Die zweite Frage bezieht sich darauf, wie die Zusammenarbeit mit anderen Ressorts erfolgt; vielleicht können Sie dazu noch etwas sagen. Denn zivile Krisenprävention ist sicherlich eine Querschnittsaufgabe der
gesamten Bundesregierung, an der sich zum Beispiel
auch das BMZ und das BMI beteiligen müssen.
Danke, Edelgard Bulmahn. - Herr Minister, bitte.
Um mit dem Letzten zu beginnen: In dem Bericht,
den wir Ihnen übergeben werden, werden Sie sehen, dass
eine Zusammenarbeit nicht nur angeraten wird, sondern
dass dort ausdrücklich eine Selbstverpflichtung der beteiligten Ressorts aufgenommen wurde, die Zusammenarbeit bei der Krisenprävention weiter zu verstärken.
Das ist auch sinnvoll, weil wir gerade bei der Krisenfrüherkennung unterschiedliche Fähigkeiten und Instrumente benötigen, um in bestimmten Regionen dieser
Welt - gerade auch dort, wo wir mit den eigenen Strukturen dünner vertreten sind; das gilt zum Beispiel für
Afrika und Teile Asiens - den unterschiedlichen Erkenntnisgewinn möglichst frühzeitig zusammenzubringen. Das ist verabredet. Wir werden entsprechende
Foren schaffen, in denen auch regelmäßiger Informationsaustausch stattfinden wird.
Was die erste Frage angeht: Jenseits von Fragen der
Polizeiausbildung - die nach meiner Auffassung gerade
wegen der Zunahme von Fragilität in Staatlichkeiten in
Zukunft stärker abgefragt werden wird - gehören Verfassungsfragen zu den Schwerpunkten, die wir uns gar
nicht selbst aussuchen müssen, sondern die andere abfragen.
Nehmen Sie aktuell die gemeinsame Initiative Bosnien-Herzegowina. Das ist ein Beispielfall, wo mit den
verfassungsrechtlichen Vorgaben, die dieses Land hat,
keine Integration bzw. wirklich inklusive Politik stattfinden kann. Deshalb habe ich gemeinsam mit dem britischen Kollegen in Anwesenheit aller Außenminister des
westlichen Balkans in der vergangenen Woche hier in
Berlin einen Vorschlag vorgelegt.
Danke, Frank-Walter Steinmeier. - Nächste Fragestellerin: Agnieszka Brugger für Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Außenminister,
ich teile absolut das, was Sie zu Beginn ausgeführt haben, nämlich dass jeder Euro in der Krisenprävention ein
gut investierter ist und dass dies auch ein besonderes
Markenzeichen der deutschen Außenpolitik ist. Sie sind
bei der Antwort auf die Frage der Kollegin Brantner etwas wolkig geblieben. Deshalb möchte ich ganz konkret
nachfragen.
Ich habe mich sehr gefreut, dass Sie das Kofi Annan
International Peacekeeping Training Centre angesprochen haben, wo sich auch Deutschland finanziell engagiert hat, gerade bei der Ausbildung afrikanischer Polizistinnen und Polizisten, die, wie wir wissen, sehr
dringend zum Beispiel für die UN-Friedensmissionen
gebraucht werden; über zwei dieser Friedensmissionen
im Sudan bzw. Südsudan - UNAMID und UNMISS werden wir morgen diskutieren.
Vor dem Hintergrund möchte ich Sie gerne fragen,
wie es dazu kommt, dass in Ihrer Amtszeit die finanziellen
Mittel gerade für dieses tolle Projekt um mehr als die
Hälfte gekürzt werden. 2012 waren es 518 000 Euro, danach nur noch 500 000 Euro, und jetzt sind es 245 000 Euro.
Können Sie erklären - Sie haben das Projekt in Ihren
Ausführungen gerade hervorgehoben -, warum es zu
diesen Kürzungen gekommen ist? Können Sie auch sagen, ob Sie das nicht vielleicht überdenken wollen?
Danke, Frau Kollegin. - Herr Steinmeier.
Vielleicht ist es Ihren Beobachtungen nicht ganz entgangen, dass ich weder im Jahre 2012 noch im Jahre
2013 - in 2013 allenfalls einen knappen halben Monat Außenminister war. Die Kürzungen, die da zu verzeichnen sind, lasten Sie bitte nicht mir an.
({0})
- Ja, ich weiß, aber es hat ja von 2012, wie Sie eben berichtet haben, auf 2013 Kürzungen gegeben.
({1})
- In einem Haushalt, den eine andere Regierung noch
beschlossen hat. Einverstanden?
Was zu tun ist beim Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre, werde ich mir beim nächsten
Besuch in Ghana noch einmal ansehen. Ich glaube, die
Freunde und Kollegen in Ghana wissen, dass wir uns
und dass ich mich persönlich von Anfang an für dieses
Training Centre nicht nur interessiert haben, sondern es
auch unterstützt haben. Deshalb wird es nicht in Vergessenheit geraten. Aber wir müssen mit den Mitteln, die
wir gegenwärtig zur Verfügung haben, umgehen. Ich
hoffe, wir setzen sie einigermaßen zielgerichtet ein.
Vielen Dank. - Nächster Fragesteller: Jan van Aken
für die Linke.
Herr Steinmeier, Sie haben gerade eine sehr breite
Definition von ziviler Krisenprävention vorgelegt und
die Finanzmittel dazu dargelegt. Mich würde einmal interessieren: Wie sehen die Finanzmittel für die enge Definition, Ihren dritten Punkt, also für die Friedensmediation, aus? Können Sie sagen, wie viel genau Sie dafür
eingeplant haben und wie sich das in den letzten Jahren
entwickelt hat?
Ich muss sagen: Die Definition, die Sie vorlegen, ist
sehr breit. Man kann über alles reden, über die Polizeiausbildung usw., aber der Kernbereich der Friedensmediation sollte nicht kleingeredet werden. Wenn ich dann
feststelle, dass im Haushaltsausschuss gesagt worden ist,
dass es zum Beispiel in Nordkorea ein Projekt gibt, bei
dem Fußballmoderatoren als Beitrag zur zivilen Krisenprävention ausgebildet werden, finde ich das extrem
weit gefasst. Das muss ich ehrlich sagen. Wie können
Sie das rechtfertigen? Ich finde, es wäre vielleicht tatsächlich ein Beitrag zur Krisenprävention hier in
Deutschland, wenn Sie einige von denen dorthinschicken, aber ganz ernsthaft: Es trägt doch nicht unbedingt
zur Krisenprävention in der Welt bei, einen Fußballkommentator auszubilden. Oder?
Schade, dass ich jetzt nicht antworten kann. Ich habe
nämlich eine Meinung dazu.
({0})
Herr Minister, bitte.
Herr van Aken, da sind wir möglicherweise auseinander. Denn ich teile Ihre Auffassung nicht, dass es einen
engen und einen weiten Begriff von Krisenprävention
gibt. Wenn Sie das gern so machen möchten und den
Aufbau von Sicherheit in diesen Staaten aus der Krisenprävention ausgrenzen wollen, dann ist das Ihre Sache
und Ihre politische Überzeugung, die ich gar nicht kritisieren will. Nur: Wer das Geschäft ernsthaft betreibt,
muss akzeptieren, dass der Aufbau von Sicherheit ein
Teil von Krisenprävention ist. Deshalb werde ich mich
Ihrem Vorschlag, einen engen und einen weiten Bereich
zu unterscheiden, jedenfalls nicht anschließen.
Vielen Dank, Frank-Walter Steinmeier. - Nächster
Fragesteller: Johannes Selle für die CDU/CSU.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister, wir
haben in diesem Jahr den 20. Jahrestag des Genozids
in Ruanda begangen. Dieser Konflikt wurde wesentlich über die Medien vorbereitet. Wir werden morgen
UNMISS beschließen; dabei geht es um den Konflikt im
Südsudan. Ich glaube, dass man über aufklärende, mäßigende und objektive Medien die Bevölkerung dort hinter
sich bringen kann, um diesen Konflikt zu beenden. Welche Bedeutung hat für Sie die Medienarbeit in der Konfliktlösung und in der Krisenprävention?
Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Minister.
Ehrlich gesagt stehen wir, was die Rolle der Medien
angeht, nach meiner Beurteilung nicht am Ende, sondern
am Anfang einer Entwicklung. Wenn Sie gegenwärtig
die sozialen Medien betrachten, sehen Sie nicht nur im
Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt, sondern
auch angesichts des Aufkommens etwa aus dem Mittleren Osten, dass wir eher am Anfang einer neuen Nutzung, Instrumentalisierung von Medien stehen, die wir
so in diesem Umfang aus der Vergangenheit nicht kennen. Umso mehr kommt es darauf an, unabhängige Medien zu stützen, um wenigstens eine Chance für die
Wahrheit in solchen Auseinandersetzungen zu geben.
Das werden wir mit den Möglichkeiten, die wir haben,
auch weiterhin tun. Aber ehrlich gesagt glaube ich, dass
allein die Möglichkeiten des Medientrainings und der
Journalistenausbildung langfristig nicht ausreichen, um
dieser Verformung und Instrumentalisierung der Medien
wirksam etwas entgegenzusetzen. Da, glaube ich, stehen
wir noch am Anfang unserer Überlegungen, wie darauf
zu reagieren ist.
Vielen Dank. - Nächster Fragesteller: Dr. Rolf
Mützenich für die SPD.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Genauso wie die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen freuen auch wir uns,
dass sich die Bundesregierung entschlossen hat, heute
diesen Bericht vorzustellen. Ich hätte nur gedacht, Sie
würden sich noch mehr darüber freuen, weil uns ja nach
wie vor verbindet, dass dies damals eine gemeinsame
Idee unserer beiden Fraktionen war. Ich kann auch verstehen, dass vonseiten der Linken ein bisschen Ärger
aufgekommen ist. Denn das, was die Bundesregierung
unter konkreter Verantwortung versteht, stellt sich
schließlich etwas anders dar. Ich glaube, das macht die
deutsche Außenpolitik auch aus.
Herr Bundesaußenminister, ich würde gerne auf die
Rolle der NGOs hinweisen, die wahrscheinlich auch in
diesem Bericht eine Rolle spielen. Insbesondere möchte
ich von Ihnen gerne erfahren, welche regionalen
Schwerpunkte in diesem Bericht im Hinblick auf die Arbeit im Bereich der zivilen Krisenprävention erwähnt
werden, vor allem im Zusammenhang mit der Frage, wie
die Vereinten Nationen in diesem Feld vonseiten
Deutschlands gestärkt werden können.
Vielen Dank. - Herr Minister.
Der zahlenmäßig größere Einsatz findet im Augenblick in Afrika statt. Aber ich habe in meinen Beispielen
darauf hingewiesen: Wir haben auch Bezüge zu Ostasien
und Lateinamerika. Hier werden sich aber nicht dieselben Schwerpunkte ausbilden wie bei den Einsätzen im
Bereich der zivilen Krisenprävention, die im Augenblick
in Afrika durchgeführt werden.
In Deutschland gibt es nach meiner Beurteilung - die
ersten Treffen in meiner neuen Amtszeit fanden gerade
statt - eine recht gute Vernetzung mit den hier tätigen
NGOs. Wir können auf umfangreiche, auch politikwissenschaftliche Expertise an Instituten zurückgreifen. Wir
gehören auf der internationalen Ebene - auch bei den
Vereinten Nationen, denke ich - zu den wenigen, die die
Vernetzung zwischen den Institutionen der VN und den
NGOs vorantreiben. Wir haben das gerade erst beim gemeinsamen Kampf der Vereinten Nationen gegen Ebola
unterstrichen, als wir dafür geworben haben, die NGOs
von vornherein und frühzeitig mit einzubeziehen.
Vielen Dank, Frank-Walter Steinmeier. - Ich möchte
Ihr Einverständnis voraussetzen, dass wir diese Regierungsbefragung verlängern. Wir können das tun; wir haben auch die Zeit dafür. Es gibt nämlich einige Kollegen,
die noch Fragen stellen möchten. - Gut, dann machen
wir das.
Nächste Fragestellerin: Dr. Franziska Brantner.
Herr Außenminister, erlauben Sie mir, Ihre Beobachtungsgabe, die Sie gerade mit Blick auf meine Kollegin
erwähnt haben, doch etwas zu relativieren, und zwar mit
dem Hinweis darauf, dass der Haushalt 2014 am 27. Juni
2014 verabschiedet wurde. Da hatten Sie also doch einige Zeit.
Davon unbenommen: Der Haushaltsansatz für den
Bereich der Polizei ist für das Jahr 2015 halbiert worden.
Habe ich Sie richtig verstanden, dass wir davon ausgehen können, dass dieser Haushaltsansatz mit Blick auf
2016 aufgestockt wird und die Mittel verdoppelt werden?
Danke, Frau Kollegin. - Herr Minister.
({0})
Wenn ich als Bundesaußenminister für meinen eigenen Haushalt alleine Verantwortung tragen und entsprechende Zuteilungen beschließen könnte, dann könnte ich
Ihnen das versprechen. Ich bleibe allerdings abhängig
von der Entscheidung der Abgeordneten des Deutschen
Bundestages und befinde mich in der Hand des Haushaltsausschusses. Aber Sie können versichert sein, dass
ich aus eigenem Interesse das mir Mögliche tue, um
Überzeugungsarbeit zu leisten, damit auch die Haushaltsansätze für diesen Bereich steigen werden.
({0})
Danke, Frank-Walter Steinmeier. - Nächster Fragesteller: Wolfgang Gehrcke für die Linke.
Da ein insgesamt sehr freundliches Klima hier
herrscht, möchte ich das noch ein bisschen verstärken.
({0})
Ich will Sie nicht enttäuschen. Schließlich muss man ja
nicht immer irgendwelchen Vorurteilen entsprechen.
Wir alle möchten Außenpolitik natürlich nicht von
der Außenlinie betrachten, sondern wir möchten Außenpolitik debattieren und gestalten. Deswegen, Herr Außenminister, erlaube ich mir den Vorschlag, dass es nicht
bei dieser Befragung bleibt, sondern dass der Aktionsplan, den die Bundesregierung vorgelegt hat und den wir
alle noch nicht kennen, zum Gegenstand einer regulären
Debatte hier im Parlament gemacht wird, in der über außenpolitische Grundlinien diskutiert wird. Wenn die
SPD einverstanden ist - sie hat ja ihre Liebe zu den Grünen wiederentdeckt -, dann ergibt sich eine Gelegenheit,
einmal über Außenpolitik konstruktiv zu streiten.
Ich fand zum Beispiel Ihr Stichwort von den funktionierenden Staaten außerordentlich wichtig und gut, weil
das Gegenkonzept von Condoleezza Rice, nämlich das
kreative Chaos, dazu geführt hat, dass im Nahen und
Mittleren Osten mittlerweile ein solches Chaos ausgebrochen ist. Über solche Fragen möchte ich hier gerne
streiten.
Wenn Sie einverstanden sind, kommt dieses Thema
auf die Tagesordnung. Meine Parlamentarische Geschäftsführerin hat in Form eines Nickens signalisiert,
dass ich das hier sagen darf, sie kritisiert mich aber,
wenn wir alleine sind. Ich möchte wissen, wie Sie darüber denken.
In der Regel bestimmt der Bundestag die Tagesordnung des Bundestages. Selbstverständlich ist FrankWalter Steinmeier, wenn die Kolleginnen und Kollegen
beschließen sollten, dass es dazu einen Tagesordnungspunkt geben sollte, eingeladen, an dieser Debatte teilzunehmen.
({0})
Ist das in Ihrem Sinne, Herr Minister? - Ja.
({1})
Ich will nur die Feststellung anschließen, dass der
Bundestag bisher auch ohne mein Einverständnis die Tagesordnung selbst bestimmt hat.
({0})
So bleibt das auch. - Nächste Fragestellerin ist
Sibylle Pfeiffer für die CDU/CSU.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Außenminister,
ich gehe einmal davon aus, dass Sie in einer solchen Debatte dann reden dürften. Ich will gerne hinterherschicken, dass wir das unterstützen werden.
Glauben Sie nicht auch, dass es sich geradezu anbietet, sehr geehrter Herr Außenminister, dass sich die Entwicklungspolitik und die Außenpolitik gerade in diesem
Bereich noch enger vernetzen und noch enger verzahnen, zumal wir in dem Bereich nicht nur Sonderinitiativen haben, wenn es etwa wie bei der Flüchtlingspolitik
um humanitäre Hilfe geht, und es, vorbehaltlich der Zustimmung des Haushaltsausschusses in der morgigen
Sitzung, im Bereich des zivilen Friedensdienstes zu einer entsprechenden Mittelerhöhung kommen wird? Das
sage ich auch zum Erkenntnisgewinn für unsere Kollegen von den Grünen.
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Herr Minister.
Vielen Dank für die Frage. - Ich glaube, wir machen
hier gute Fortschritte. Die Syrien-Konferenz war dafür
ein gutes Beispiel: Der Kollege Müller und ich haben
diese Konferenz gemeinsam vorbereitet und durchgeführt. Auch heute Morgen, als wir den Bericht vorgelegt
haben, hat Herr Müller im Kabinett dazu Stellung genommen und aus seinem Bereich dargestellt, was das
BMZ zur internationalen Krisenprävention beiträgt. Ich
glaube, wir sind auf einem guten Wege, die enge Zusammenarbeit nicht nur in Berichten festzuhalten, sondern
sie auch durch tätigen Beweis mit Leben zu erfüllen. Danke.
Vielen Dank. - Nächste Fragestellerin ist Dr. Ute
Finckh-Krämer für die SPD.
({0})
- Wir haben auch Sie gesehen, keine Angst. Hier geht es
ganz korrekt zu. Aber jetzt ist erst einmal Frau Dr. Ute
Finckh-Krämer an der Reihe.
Ich hätte notfalls auch Kathrin Vogler den Vorrang gelassen. - Vielen Dank auch von meiner Seite für die
- man kann es fast so sagen - präventive Behandlung
des Berichts hier im Bundestag, der uns allen noch nicht
vorliegt.
Im Titel stehen nicht nur die zivile Krisenprävention,
sondern auch die Konfliktlösung und die Friedenskonsolidierung. In gar nicht so weiter Entfernung von uns gibt
es mehrere eingefrorene Konflikte. Wir haben in der
Ukraine-Krise gemerkt, welche entscheidende Rolle in
einem solchen Konflikt, der sich auf OSZE-Gebiet abspielt, die OSZE spielen kann.
Deswegen meine Frage: Wird eine mögliche Rolle
der OSZE, auch eine mögliche Stärkung der OSZE im
Umsetzungsbericht behandelt? Gibt es Überlegungen
dazu, wie man mit den eingefrorenen Konflikten in der
ehemaligen Sowjetunion umgehen kann?
Vielen Dank. - Frank-Walter Steinmeier.
Ich glaube, das ist nicht so sehr eine Frage der Erwähnung im Bericht, sondern ich bin zutiefst der Überzeugung, dass der Ukraine-Konflikt uns vor Augen geführt
hat, dass sich Teile der europäischen Friedensarchitektur,
die viele für überflüssig gehalten haben, doch als sehr
notwendig erweisen, und die OSZE gehört dazu.
Das haben wir nicht sozusagen als bloßes Bekenntnis
in den Bericht hineingeschrieben. Prägender und deutlicher ist vielmehr, dass wir die Bereitschaft erklärt haben,
im Jahr 2016 - in schwierigen Zeiten - den Vorsitz der
OSZE zu übernehmen. Dies geschieht durchaus mit der
Absicht, unseren Teil dazu beizutragen, dass die OSZE
künftig wieder stärker aktionsfähig sein wird, als sie es
in der Vergangenheit war. Letzteres hatte nicht nur institutionelle Gründe, sondern sie war sicherlich auch in den
vergangenen Jahren, in denen es zwischen Europa, den
USA auf der einen Seite und Russland auf der anderen
Seite einigermaßen lief, schlicht und einfach nicht nachgefragt. Aber es gibt auch institutionelle Begrenzungen
innerhalb der OSZE, die das Geschäft sehr schwerfällig
machen.
Wir müssen uns, und zwar nicht nur wir allein, sondern gemeinsam mit den Ländern, die die nächsten drei
Vorsitze übernehmen - das wird nach Lage der Dinge
zunächst Serbien sein, dann wir und danach möglicherweise Österreich; das wird demnächst entschieden werden -, auch darüber Gedanken machen, wie man die
OSZE für die Zukunft reformieren kann.
Es gibt noch vier Kolleginnen und Kollegen, die sich
zu diesem Themenbereich zu Wort gemeldet haben.
Diese Wortmeldungen lasse ich zu. Ansonsten wird zu
diesem Themenbereich keine Wortmeldung mehr zugelassen. - Der Nächste ist Peter Meiwald für die Grünen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister, wir
erleben aktuell eine massive Ausweitung der Diskussion
über militärische bzw. wehrtechnische Krisenintervention bis hin zur Forderung nach Erhöhung des Verteidigungsetats. Dabei sind aus meiner Sicht die Ergebnisse
der Militäreinsätze gerade im Bereich der Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung in der Rückschau betrachtet eher ernüchternd. Wir engagieren uns von
Afghanistan über Mali bis nach Centrafrique, werden
aber Jahr für Jahr immer nur mit der Feststellung konfrontiert: Eigentlich hat das nicht wirklich etwas bewirkt.
Gleichzeitig werden - das ist schon angesprochen
worden - die Mittel für zivile Konfliktprävention im Etat
leicht gekürzt. Müssten wir nicht eigentlich das politische Signal aussenden, dass wir daraus die Konsequenz
ziehen müssen, viel stärker umzusteuern, und zwar weg
von der militärischen Intervention hin zu zivilen Maßnahmen? Ich hatte gerade im Sommer die Möglichkeit,
in Kolumbien die hochinteressanten Projekte in diesem
Bereich kennen- und sehr schätzen zu lernen.
Deswegen ist meine konkrete Frage: Wo und in welchen Bereichen wollen Sie in der Zukunft die Schwerpunkte setzen? Der Kollege van Aken hat es angesprochen. Sollen sie eher im Bereich ZFD, in der Mediation
oder in der Stärkung der Polizeikräfte liegen? Diese Fragen hätte ich gerne beantwortet. Wo wollen Sie die Prioritäten setzen, und wie wollen Sie das zukünftig finanziell stärken? - Vielen Dank.
Herr Minister.
Ich glaube nicht, dass es eine Zunahme der Debatten
über militärische Auseinandersetzungen und bewaffnete
Konflikte gibt; es ist vielmehr Realität, dass wir eine Zunahme von bewaffneten Konflikten haben. Dagegen
lässt sich nicht einfach Krisenprävention beschließen,
sondern wir müssen an der richtigen Stelle beim Aufbau
von Strukturen helfen, die fragile Staaten möglichst gar
nicht erst in einen Zustand kommen lassen, aus dem bewaffnete Konflikte entstehen.
Zivile Krisenprävention kommt dann zu spät - darüber sind wir uns hoffentlich einig -, wenn der Konflikt
oder gar der Krieg schon ausgebrochen ist. Deshalb kann
ich nur dafür plädieren, Überzeugungsarbeit zu leisten,
dass man, auch wenn das vielleicht der unangenehmere
Teil der zivilen Krisenprävention ist, den Aufbau von Sicherheit nicht in irgendeiner Weise diskreditiert. Das gehört dazu, das muss sein, und es ist nicht weniger wichtig als der Aufbau von stabilen und rechtsstaatlichen
Verwaltungsstrukturen.
Ich kann nicht einfach selbst entscheiden, dass wir zukünftig einen neuen Schwerpunkt auf Aussöhnungsarbeit setzen. Das richtet sich ein bisschen nach der Nachfrage. Wir können heute ungefähr absehen, wo solche
Beratungshilfen für die Zukunft möglicherweise verlangt werden. Gegenwärtig ist das in Kolumbien der
Fall. In Korea habe ich in einem Erfahrungsaustausch
über die Wiedervereinigung gesprochen. Ich hoffe nur,
dass wir irgendwann auch so weit sind, dass aus der
Ukraine eine entsprechende Nachfrage kommt, weil wir
dann zu der Aufarbeitung eines Konfliktes kommen, der
dann hoffentlich vorüber ist. Ob und wann wir da hinkommen, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt leider nicht in
Aussicht stellen.
Danke, Frank-Walter Steinmeier. - Kathrin Vogler.
Vielen Dank, auch an Sie, Frau Präsidentin, dass Sie
es schaffen, dass wir über dieses ernsthafte Thema mit
einem Schuss Humor beraten können.
Herr Steinmeier, mir ist aufgefallen, dass Sie - auch
beim Bericht - auf die staatlichen Handlungsmöglichkeiten stark fixiert sind. Ich möchte an das anschließen,
wonach der Kollege Meiwald gefragt hat. Wir haben
eine Vorstellung von dem, was in dem Bericht stehen
könnte; denn meine Fraktion hat eine Kleine Anfrage zur
zivilen Krisenprävention und Konfliktlösung gestellt.
Dabei ist uns in der Antwort der Bundesregierung aufgefallen, dass die zivilgesellschaftlichen Maßnahmen, also
das, was in Zusammenarbeit mit den NGOs entsteht, in
Ihrem Haus offensichtlich nicht ganz so hoch bewertet
werden wie andere Aspekte. So fehlt uns zum Beispiel
- das finde ich sehr schade - die entsprechende Wertschätzung der Arbeit, die das IfA und das CIVIC-Institut
leisten, durch die Bundesregierung. Ich halte die Projekte, die in Zusammenarbeit mit NGOs durchgeführt
werden, auf jeden Fall für sehr wichtig.
Über den zivilen Friedensdienst haben wir fast noch
gar nicht gesprochen. Das mag damit zu tun haben, dass
das nicht in Ihre Zuständigkeit fällt. Aber schon das lässt
Fragen zur Ressortzusammenarbeit aufkommen. Zudem
muss ich Ihnen an einer anderen Stelle widersprechen.
Tatsächlich kann man auch ohne Militär intervenieren,
zum Beispiel im Rahmen des zivilen, unbewaffneten
Peacekeeping. Dazu teilt uns die Bundesregierung mit,
dass sie das eigentlich gar nicht unterstützen möchte.
Das finde ich sehr bedauerlich. Ich wünsche mir, dass
sich hier etwas verändert.
Herr Minister.
Mir ist schleierhaft, wie Sie meinen Ausführungen
entnehmen können, dass ich die Arbeit der NGOs hier
oder im Ausland in irgendeiner Weise unterschätze. Die
NGOs gehören zu unserer täglichen Arbeit. Wir arbeiten
mit Hunderten NGOs in Krisengebieten und solchen Gebieten, die in nächster Zeit hoffentlich nicht zu Krisengebieten werden, auf das Engste zusammen. Trotzdem
muss ich als zuständiger Minister letztendlich eine Entscheidung fällen. Wenn meine Grundentscheidung ist,
dass wir auf die Ausprägung von Sicherheitsstrukturen
gerade in fragilen Gemeinwesen nicht völlig verzichten
können, dann sind sicherlich bestimmte Mittel gebunden, die wir nicht ohne Weiteres an NGOs weitergeben
können. Hier gibt es einen Zusammenhang; das ist richtig. Dass es einen solchen Zusammenhang gibt, bedeutet
aber nicht, dass die Schwerpunkte, die nach unserer Entscheidung gesetzt werden sollen, völlig falsch sind.
Ich hoffe, dass Sie die Entscheidungen, die wir getroffen haben, nicht missverstehen, insbesondere nicht als
eine Minderbeachtung der Tätigkeit ziviler Organisationen. Das wäre jedenfalls ein völlig falscher Schluss.
Wenn Sie mit den entsprechenden Personen und Persönlichkeiten Kontakt haben, dann wissen Sie, dass ich erst
vor wenigen Tagen das IfA besucht und dort vorgetragen
habe.
Vielen Dank. - Die vorletzte Fragestellerin ist
Dr. Bärbel Kofler für die SPD.
Herzlichen Dank. - Ich möchte bei einem Punkt nachfragen. Herr Minister, während Ihrer Afrikareise haben
Sie auch Addis Abeba besucht und gesehen, was die
Afrikanische Union selbst tut, um zivile Kräfte auszubilden. Das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze in
Berlin ist diesbezüglich sehr aktiv. Wenn ich die Aktivitäten dieses Zentrums richtig verstanden habe, dann wird
versucht, afrikanische Staaten zu ermuntern, selbst Friedenspersonal auszubilden. Können Sie in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Rolle des Auswärtigen
Amts eingehen? Wie kann man das Potenzial, das in
Afrika aufgrund der dortigen Aktivitäten entsteht, besser
nutzen und den damit verbundenen Prozess besser voranbringen?
Danke, Frau Kofler. - Herr Minister.
Ohne die Zusammenarbeit zwischen Auswärtigem
Amt und dem Deutschen Bundestag gäbe es das gar
nicht, was Sie eben beschrieben haben. Wir gehören zu
denjenigen, die überhaupt eine Einrichtung geschaffen
haben, in der Screening von entsprechenden Experten
betrieben und ein Pool von Personen aufgebaut wird, die
international beratend zur Verfügung stehen können und
die im Zweifel bei Regionalorganisationen - zum Teil
nur zeitweise - unterstützend tätig werden können, zum
Beispiel bei der Afrikanischen Union oder bei Unterorganisationen der Afrikanischen Union. Das ist das Versprechen, das ich gegenüber der Präsidentin der AU letztens abgegeben habe. Ich glaube, dazu können wir auch
stehen.
Die letzte Fragestellerin zu diesem Themenbereich ist
Agnieszka Brugger.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Außenminister,
ich bin explizit sehr dankbar für den Hinweis des Kollegen Mützenich. Das war ein gemeinsames rot-grünes
Projekt, das eine frühere Bundesregierung auf den Weg
gebracht hat; das war eine gemeinsame sehr gute Idee.
Deshalb haben wir auch immer aus der Opposition heraus den Anspruch, das weiterzuverfolgen und zu stärken.
Jetzt ist in der Nachbetrachtung der letzten Jahre immer wieder das Thema Kohärenz aufgekommen. Die
Umsetzung des Aktionsplans erfolgt sehr stark über den
Ressortkreis „Zivile Krisenprävention“, wo die verschiedenen Ministerien unter Ihrer Federführung an einem
Tisch sitzen. Wir finden, man sollte diese gute gemeinsame Idee politisch aufwerten. Deshalb wollte ich Sie
fragen, wie Sie zu der Idee stehen, das auf Staatssekretärsebene, also eine Ebene höher, anzusiedeln und eine
bessere Zusammenarbeit auf den Weg zu bringen.
Ich will an dem Punkt darauf hinweisen: Ich teile
zwar nicht die Ergebnisse, aber auch bei anderen Themen hat die Bundesregierung genau solche Maßnahmen
ergriffen, um solche Themen voranzubringen. Bei der
Freizügigkeit teile ich, wie gesagt, nicht die Ergebnisse
dieses Ausschusses, aber da hat die Bundesregierung
selber gesagt: Dieser Ausschuss an sich war ein Erfolgsmodell.
Herr Minister.
Ich kenne den Vorschlag. Er ist auch bei uns im Hause
diskutiert worden.
Erlauben Sie mir, dass ich ein bisschen Skepsis
streue. Wenn man jahrelang mit Großorganisationen gearbeitet hat, dann weiß man, dass das Hochzoomen von
Aufgaben nicht unbedingt der intensiven Bearbeitung
dient; will sagen: Natürlich läuft bei den Staatssekretären im Augenblick ganz vieles zusammen, auch vieles
von dem, was im Augenblick aktuelles Krisenmanagement ist. Ich weiß nicht, ob es der präventiven Krisenarbeit und der Krisenvorsorge tatsächlich hilft, wenn wir
auch noch dieses Thema in die oberste Spitze der Organisation verlagern, wo es dann mit den ganzen tagespolitischen Aufgaben konkurriert.
Ich habe gar nichts dagegen, auch darüber noch einmal nachzudenken. Nur, ich glaube, wenn man das zu
Ende denkt, wird es der intensiveren Bearbeitung und
Vorbereitung dessen, was zur zivilen Krisenvorsorge zu
tun ist, nicht unbedingt dienlich sein. Das Hochzoomen
wird gerade bei solchen Fragen nicht unbedingt bessere
Ergebnisse produzieren.
Vielen Dank, Frank-Walter Steinmeier. - Wir sind
jetzt am Ende des Themenbereichs angekommen. Vielen
Dank auch an Sie, werter Herr Minister, dass wir länger
die Möglichkeit zu einem Dialog hatten.
Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Ich sehe die Wortmeldung der Kollegin
Steffi Lemke.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister, ich
würde Sie gerne fragen, ob Sie es als sinnvoll erachten
würden, wenn dem Parlament in Zukunft die Tagesordnung der Kabinettssitzung zugehen würde, damit wir
diesen Teil der Fragestunde sinnvoll gestalten können.
Wir Parlamentarier verfügen gegenwärtig nicht über die
Tagesordnung der Kabinettssitzung. Es würde vielleicht
Sinn machen, wenn wir sie kennen würden. Vielleicht ist
es generell im 21. Jahrhundert dem Transparenzgedanken nicht abträglich, wenn auch die Öffentlichkeit das
erfahren könnte.
Ich bin mir nicht sicher, Frau Kollegin, ob diese Frage
Thema der heutigen Kabinettssitzung war; denn danach
habe ich gefragt. Falls nicht, würde ich gleich zu den
sonstigen Fragen an die Bundesregierung überleiten. Frank-Walter Steinmeier, bitte.
Es würde mich wundern, wenn Sie tatsächlich nicht
im Besitz von Kenntnissen über die heutigen Beratungen
im Kabinett sind. Aber ich nehme die Frage gerne mit.
({0})
Gibt es darüber hinaus weitere sonstige Fragen an die
Bundesregierung? - Die sehe ich nicht. Dann noch einmal herzlichen Dank für die, wie ich finde, sehr intensive Regierungsbefragung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
Drucksache 18/3103
Die Fragen werden in der üblichen Reihenfolge aufgerufen.
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung steht
der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe
zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Brugger auf:
Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung aktive oder
ehemalige Bundeswehrangehörige bzw. Reservistinnen und
Reservisten, die ein taktisches Training oder eine Produkteinweisung der CenturioGroup absolviert haben, und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über ehemalige und aktive Bundeswehrangehörige, die als Ausbilder an einem
taktischen Training oder einer Produkteinweisung der CenturioGroup teilgenommen haben oder teilnehmen?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin
Brugger, ich antworte Ihnen wie folgt: Dem Bundesministerium der Verteidigung liegen derzeit keine Erkenntnisse über die Teilnahme von aktiven Bundeswehrangehörigen bzw. Reservistinnen und Reservisten als
Trainingsteilnehmer oder Ausbilder an einem taktischen
Training oder einer Produkteinweisung der CenturioGroup vor.
Wie ich sehe, haben Sie, Frau Brugger, keine Nachfragen.
Frage 2 der Abgeordneten Katrin Kunert - Herkunft
der an Auslandseinsätzen der Bundeswehr teilnehmenden Soldaten - wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Zur
Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische
Staatssekretärin Katherina Reiche zur Verfügung.
Ich rufe Frage 3 des Abgeordneten Matthias Gastel
auf:
Aus welchen Gründen hält die Bundesregierung ihre dem
Entwurf für die neue Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mit der Deutschen Bahn AG ({0}) zugrunde liegenden Dividendenzahlungen durch die DB AG für
realistisch, obwohl die tatsächliche Dividendenzahlung für
das Jahr 2013 deutlich geringer als erwartet ausfiel ({1}), und sinken die in der
LuFV II vorgesehenen Beträge des Bundes für die Ersatzinvestitionen an die DB AG, wenn die Dividendenerwartung
nicht erfüllt wird?
Frau Präsidentin! Herr Kollege, ich beantworte Ihre
Frage wie folgt: Bei den eingeplanten Dividendenzahlungen handelt es sich um die Dividende auf Basis der
aktuellen Ergebnisplanung der Deutschen Bahn AG.
Diese Dividende soll künftig vollständig in die
Schieneninfrastruktur reinvestiert werden. Die neue
Dividendenregelung der LuFV II bedeutet, dass die
Nachsteuerergebnisse der bundeseigenen Eisenbahninfrastrukturunternehmungen an den Bund ausgeschüttet
werden und von dort vollständig wieder in die Schiene
investiert werden.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. - Herr Gastel, Sie
haben das Wort zu Ihrer ersten Nachfrage.
Vielen Dank für den Versuch einer Antwort. Das war
aber keine Antwort auf meine Frage; denn meine Frage
war ja: Hält die Bundesregierung die Annahmen über die
konkrete Höhe der Dividendenzahlungen für angemessen und für realistisch aufgrund der Erfahrung aus dem
letzten Jahr, wo die Dividende deutlich niedriger ausfiel,
als sie von Finanzminister Schäuble im Haushalt eingeplant war?
Ja, wir halten diese Dividende für realistisch.
Herr Gastel, Sie haben das Wort zu einer zweiten
Nachfrage.
Meine Nachfrage zu Ihrer Antwort: Ist es nicht zu befürchten, dass die DB, um diese Dividende zu erwirtschaften, zusätzlichen Druck auf die Höhe der Trassengebühren ausübt und dass die Trassengebühren, die ja
schon in den vergangenen Jahren oberhalb der Inflation
gestiegen sind, dann erst recht noch weiter steigen, wodurch die Länderetats entsprechend belastet werden?
Auch das befürchten wir nicht, weil unsere Annahmen auf den Ergebnissen intensiver Verhandlungen mit
der Deutschen Bahn beruhen und weil wir uns die Planungszahlen genau angesehen haben. Im Übrigen weise
ich an dieser Stelle noch einmal auf den Qualitätssprung
hin, dass es erstmals möglich ist, die kompletten Bahndividenden in die Infrastruktur zu reinvestieren. Zum Beispiel fällt ab 2016 der Tatbestand weg, dass 53 Millionen
Euro in den allgemeinen Haushalt fließen, also dem
BMF zugutekommen, sodass wir den Bereich Schiene
tatsächlich als echten Finanzierungskreislauf darstellen
können.
Eine Nachfrage des Kollegen Behrens.
Frau Staatssekretärin, ich möchte an das anknüpfen,
was der Kollege Gastel herauszufinden versucht hat: Inwieweit ist eine Varianz vorgesehen? Von einer Summe,
die eine Dividendenausschüttung mit sich bringt, auszugehen und danach die Berechnung vorzunehmen, ist das
eine; sich gleichwohl auf Abweichungen nach unten,
vielleicht aber auch nach oben vorzubereiten und vor
diesem Hintergrund zu bewerten, welche Ersatzinvestitionen - die Summen waren für etwas anderes vorgesehen - sinnvoll sind, ist das andere. Ist da sowohl nach
oben als auch nach unten noch Luft vorhanden?
Sollte die Bahn die notwendigen Ergebnisse nicht erzielen, machen wir keine Abstriche bei der Qualität.
Dass wir solche Abstriche machen, ist, glaube ich, die
Hauptsorge. Sollte die Bahn mehr erwirtschaften, bekommt sie hierfür etwas zurück in Form von mehr Möglichkeiten, in ihre Infrastruktur zu investieren.
Wir kommen zu Frage 4 des Abgeordneten Matthias
Gastel:
Weshalb sieht der Entwurf für die LuFV II vor, dass wesentliche Aspekte bei den Bahnhöfen nicht jährlich in Form
von Qualitätskennziffern bewertet werden sollen, sondern nur
alle zwei Jahre - Fahrtreppen -, alle drei Jahre - Hallen, Dächer, Bahnsteige und Unterführungen - oder alle vier Jahre
- Beleuchtungsmasten -, obwohl die Zahlungen des Bundes
an die DB AG jährlich erfolgen sollen und bei einer Laufzeit
der neuen LuFV II von fünf Jahren manche Qualitätsmerkmale dann nur ein- oder zweimal erhoben werden?
Frau Reiche, bitte.
Herr Kollege Gastel, auf Anregung des Bundesrechnungshofes wurden die Regelzyklen für einzelne Objektklassen, zum Beispiel für Bahnsteige, seitens des
Verkehrsministeriums in Abstimmung mit der DB Station & Service AG im LuFV-II-Entwurf gegenüber der
LuFV I bereits verkürzt, sodass mindestens einmal während des LuFV-II-Zeitraums eine Zustandsbewertung erfolgen muss.
Einer solchen Bewertung liegen zum Beispiel im Fall
der Hallen, Dächer und Unterführungen teilweise sehr
aufwendige Untersuchungen von Ingenieurbauwerken
zugrunde. Aus der Bewertung aller in einer Verkehrsstation vorhandenen Instandhaltungsobjekte wird über
einen sehr komplizierten Algorithmus dann die Gesamtnote einer Station gebildet. Grundsätzlich baut das Bewertungssystem LuFV dabei auf dem Bewertungs- und
Überwachungssystem für die Instandhaltung der DB
Station & Service AG auf, das auf technischen Erfordernissen beruht.
Angesichts von über 50 000 zu bewertenden Instandhaltungsobjekten soll und muss auch hier die Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Ergebnis gewahrt
bleiben. Zudem ist nicht davon auszugehen, dass sich jedes einzelne Bewertungsergebnis innerhalb eines Jahres
verändert.
Vielen Dank, Frau Kollegin Reiche. - Matthias
Gastel.
Da muss ich natürlich nachfragen. Weil Sie sagten,
Sie hätten mit diesem Zyklus bereits auf eine Kritik des
Bundesrechnungshofes reagiert, frage ich mich schon,
weshalb der Bundesrechnungshof den Zyklus, wie Sie
ihn jetzt vorschlagen, so heftig kritisiert. Bei Fahrtreppen zum Beispiel braucht man keinen großen Aufwand
zu treiben, um festzustellen, ob sie funktionieren oder
nicht, und sie funktionieren eben sehr häufig nicht. Weshalb also nicht die jährliche Bewertung beispielsweise
der Fahrtreppen? Es gibt jährlich Geld dafür, dass sie
funktionieren, und dann sollte auch jährlich nachgewiesen werden, dass sie funktionieren.
Wir bewerten die Fahrtreppen jetzt alle zwei Jahre;
darauf haben Sie in Ihrer Frage schon hingewiesen. Sie
stellen aber darauf ab, dass wir alle 50 000 einzelnen
Objekte einmal jährlich bewerten. Hier stehen Aufwand
und Nutzen in keinem Verhältnis. Das Ziel muss sein,
die Qualitätsstandards weiter zu erhöhen und auf Mängel
zu reagieren. Wir sind der Auffassung, dass die jetzt gefundenen Zyklen definitiv eine Verbesserung sind, ohne
dass das Gesamtsystem überfordert wird.
Herr Gastel, Sie sind - ({0})
Nicht zufrieden.
Aber Sie fragen jetzt nicht weiter nach, Herr Gastel? Gut.
Um die geschätzten Einnahmen aus der geplanten Infrastrukturabgabe geht es in den Fragen 5 und 6 der Kollegin Dr. Valerie Wilms. Sie werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 7 des Kollegen Herbert
Behrens:
Inwiefern ist es rechtlich abgesichert, dass in dem vom
Bundeskabinett am 5. November 2014 beschlossenen Gesetzentwurf für ein Drittes Gesetz zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes ein einheitlicher Mautteilsatz für die verursachten Luftverschmutzungskosten gleichermaßen für alle
Lkw-mautpflichtigen Fahrzeuge gilt, somit zukünftig also ein
7,5-Tonnen-Lkw den gleichen Aufschlag zu zahlen hat wie
ein 40-Tonnen-Lkw - bitte begründen -, und inwieweit teilt
die Bundesregierung die in seiner schriftlichen Stellungnahme
zum Gesetz geäußerten Bedenken des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung, BGL, e. V., dass
durch die geplante neue Differenzierung des Mautteilsatzes
für die Infrastrukturkosten zwischen vier- und fünfachsigen
Fahrzeugen ein fataler, weil sich selbst finanzierender Anreiz
zur Umrüstung des Fuhrparks von fünf- zu vierachsigen Fahrzeugen entsteht, was angesichts der im Vergleich zu den beschlossenen, ab dem 1. Januar 2015 geltenden Mautsätzen
- 0,131 Euro pro Kilometer - mit dem geplanten neuen Mautteilsatz für vierachsige Lkw - 0,117 Euro pro Kilometer - erhebliche Mindereinnahmen zur Folge haben könnte?
Frau Staatssekretärin.
Gerne, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Behrens, der
Mautteilsatz für die verursachten Luftverschmutzungskosten bleibt beim Dritten Gesetz zur Änderung des
Bundesfernstraßenmautgesetzes gegenüber dem Zweiten
Gesetz zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes unverändert. Die Eurovignetten-Richtlinie gibt die
Höchstbeträge für die Anlastung der Kosten der Luftverschmutzung für alle Euroklassen vor. Die externen
Kosten der Luftverschmutzung wurden im Wegekostengutachten berechnet. Sie liegen oberhalb dieser
Höchstbeträge, sodass die Maximalwerte gemäß EURichtlinie berücksichtigt sind.
Die Bundesregierung teilt nicht die vom BGL, vom
Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung, genannte Befürchtung, dass fünfachsige Lkw in
großer Zahl durch vierachsige Lkw ersetzt werden, um
Maut zu sparen. Insgesamt ist die Lkw-Maut für die
Transportunternehmen nur ein Kostenfaktor neben anderen wie zum Beispiel den Dieselpreisen oder den Personalkosten. Die Unternehmen werden insoweit unter Berücksichtigung aller kostenrelevanten Faktoren ihren
Fuhrpark und die Beladung optimieren. Allein die MautParl. Staatssekretärin Katherina Reiche
sätze dürften hier nicht zu nennenswerten Umstellungen
führen.
Herr Kollege, haben Sie eine Rückfrage? - Das sieht
so aus, ja.
Das sieht der Bundesverband Güterkraftverkehr offenbar anders.
Auch an anderer Stelle hat der BGL darauf hingewiesen, dass es Unstimmigkeiten bezüglich der Basismautsätze für die 3,5-Tonner und die 7,5-Tonner gibt, weil
das Wegekostengutachten nicht zwischen 3,5- und
7,5-Tonnern differenziert. Im Gesetzentwurf ist die Rede
davon, dass sich die Gutachter dieses Problems noch
einmal annehmen wollen. Ist das bereits erfolgt? Oder
wann ist das zu erwarten? Was hat diese Aussage für
mich zu bedeuten?
Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass wir die
Mautklassen deutlich ausweiten. Wir haben in Zukunft
vier statt bisher zwei Achsklassen und sechs Schadstoffklassen; das heißt insgesamt 24 unterschiedliche Mautsätze. Das ist eine deutlich genauere, aber damit auch
kompliziertere Spreizung als bisher. Wir wollen damit
darauf reagieren, dass ja auch im Logistikverkehr individuelle Angebote üblich sind.
Allerdings kann ich Ihnen insofern recht geben, als es
bei pauschalen Regelungen immer Einzelfälle geben
kann, wo die Regelung in dem einen oder anderen Fall
ungerecht erscheint. Wir glauben aber, dass eine weitere
Differenzierung zu einer unnötigen Verkomplizierung
führen würde. Am Ende liefe es ja sozusagen darauf hinaus, gewichtsbezogen jedes einzelne Fahrzeug zu bewerten. Ob das zu bewerkstelligen ist, wage ich zu bezweifeln. Insofern machen wir jetzt mit unserem Schritt
- vier verschiedene Achsklassen und sechs Schadstoffklassen - einen deutlichen Schritt nach vorne.
Dann kommen wir zur Frage 8 des Abgeordneten
Herbert Behrens:
Haften die Gesellschafter der Toll Collect GmbH für Schadensersatzansprüche aus dem Schiedsverfahren I - bis zu
7 Milliarden Euro; bitte begründen -, und, sollte ein derartiger
Haftungsdurchgriff in den Betreibervertrag nicht implementiert sein, welchen Einfluss hätte dies auf eine Neuausschreibung der Anteile der Toll Collect GmbH zum Beispiel nach
dem Ziehen der Calloption, wenn Toll Collect GmbH dann in
Milliardenhöhe belastet wäre?
Frau Staatssekretärin.
Frau Präsidentin! Herr Kollege Behrens, die mit der
Mauterhebung beauftragte Projektgesellschaft Toll Collect GmbH ist nicht Beklagte des vom Bund wegen des
verspäteten Starts der Erhebung streckenbezogener
Lkw-Maut und wegen anderer Verletzungen des MautBetreibervertrages geführten Schiedsverfahrens. Die
Toll Collect GmbH wird daher auch durch einen für den
Bund günstigen Ausgang dieses Schiedsverfahrens nicht
belastet. Vielmehr richtet der Bund in diesem Schiedsverfahren seine Ansprüche gegen die Toll Collect GbR
als Auftragnehmerin des Mautbetreibervertrags und deren Gesellschafter Deutsche Telekom AG und Daimler
Financial Services AG. Die beklagte Toll Collect GbR
als Beklagte des Schiedsverfahrens ist nicht Betreiberin
des Mautsystems und wäre daher auch nicht Gegenstand
der Calloption oder einer möglichen Neuausschreibung.
Herr Kollege, Rückfrage.
Die Frage, welches Unternehmen zukünftig für die
Mauterhebung zuständig sein wird, wurde hier ja schon
mehrfach gestellt, bzw. es wurde nachgefragt, wie der
Stand der Dinge ist. Darum frage ich noch einmal nach
Toll Collect: Ist es zutreffend, dass es bereits zum jetzigen Zeitpunkt eine Vertragsverlängerung für Toll Collect
gibt?
Das Ministerium prüft nach wie vor alle möglichen
Optionen. Eine endgültige Entscheidung ist nach wie vor
nicht gefällt.
Ich will vielleicht den Gästen auf den Tribünen noch
sagen: Sie haben es natürlich schwer; denn Sie bekommen nur die Antworten mit. Es wäre ja auch für Sie interessant, zu wissen, wie die Frage lautete. Aber ich kann
Ihnen nicht die ganzen Fragen vorlesen; das würde den
Zeitrahmen sprengen. Aber so ungefähr werden Sie
wahrscheinlich aus den Antworten ermessen können,
worum es geht.
Der nächste Geschäftsbereich ist der Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit. Hierzu ist der Kollege
Pronold da.
Frage 9 der Abgeordneten Annalena Baerbock muss
er nicht beantworten; sie wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 10 des Kollegen Christian
Kühn:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den
Ergebnissen der Brandtests an Dämmstoffen, die die Bauministerkonferenz in Auftrag gegeben hat und die Spiegel
Online und der NDR am 5. November dieses Jahres veröffentlicht haben ({0})?
Herr Pronold.
Um es für die Zuschauer und die anderen Kolleginnen
und Kollegen, Frau Präsidentin, ein wenig zu erläutern:
Es geht um ein aktuelles Gutachten zum Thema Brandschutz in Bezug auf Wärmeverbundsysteme. Das ist ein
Bericht, der auf Veranlassung der Bauminister der Länder und der Bundesregierung kürzlich erstellt worden ist
und der am Freitag auch auf der Bauministerkonferenz
in Chemnitz Beratungsgegenstand sein wird.
Es war nun die Frage, welche Rückschlüsse die Bundesregierung aus diesem Bericht zieht und was sie zu tun
gedenkt. Es verhält sich so, dass Fragen des Brandschutzes allein in der Gesetzgebungs- und Vollzugskompetenz
der Länder liegen. Wir haben dazu beigetragen, dass es
diesen Bericht gibt. Der Bericht beinhaltet im Kern, dass
es beim Brandschutz durchaus Schwierigkeiten mit Wärmeverbundsystemen gibt. Es sind auch Verbesserungen
getestet worden. Nach meinem Kenntnisstand wird die
Bauministerkonferenz, deren Beschlüsse ich natürlich
nicht vorwegnehmen kann, höhere Anforderungen für
Neubauten beschließen, um den Brandschutz im Fassadenbereich zu verbessern.
Danke, Herr Pronold. - Christian Kühn.
Danke, Herr Pronold, für die ausführliche Beantwortung und die Einordnung der Frage. Ist Ihnen bekannt,
welche Änderungen die Länder im Bereich des Brandschutzes denn im Augenblick prüfen und inwieweit die
Bundesregierung weitere Änderungen zum Beispiel in
die Bauordnung aufnehmen möchte?
Wenn ich darauf antworten darf: Soweit mir bekannt
ist, gibt es zwei unterschiedliche Arten von Bränden, die
die Fassade und damit die Wärmeverbundsysteme, die
sich an der Fassade befinden, betreffen können. Zum einen ist es der Zimmerbrand, der nach außen schlägt.
Zum anderen gibt es den Fall - das war das Neue an diesem Versuch -, dass eine Fassade von außen, zum Beispiel durch brennende Mülltonnen, in Brand gesteckt
wird.
Der Bericht kam zu dem Ergebnis, dass bei den Außenbrandphänomenen die Sicherheitsbestimmungen bei
bestimmten Wärmedämmverbundsystemen nicht immer
ausreichend sind. Daher sollten auch am Sockel und in
circa 3 Meter Höhe zusätzliche Brandriegel angebracht
werden. Es soll außerdem noch andere Arten der Anbringungsweise dieser Verbundsysteme mit Schutzbrandriegeln dazwischen geben, damit der Brandschutz gewährleistet ist. Mein Kenntnisstand ist, dass für die
zukünftige Errichtung von Neubauten genau diese Vorgabe vonseiten der Länder kommen soll.
Herr Kühn.
Danke.
Danke schön. - Dann kommen wir zur Frage 11 der
Kollegin Sylvia Kotting-Uhl:
Welche konkreten Erkenntnisse hat die Bundesregierung
über den jeweiligen Planungsstand der Bundesländer bezüglich der Ausweitung der Planungszonen für den nuklearen Katastrophenschutz ({0}), und wie ist zwischen Bund und Ländern inhaltlich der aktuelle Stand ihrer „Gespräche über die in der
Empfehlung der Strahlenschutzkommission vorgesehene Vorbereitung der Jodblockade für Schwangere und Kinder“ ({1})?
Herr Pronold, bitte.
Frau Präsidentin! Frau Kotting-Uhl, Sie haben eine
Nachfrage auf Basis Ihrer Frage in der letzten Sitzungswoche zum Thema „Jodblockade für Schwangere und
Kinder im Falle von atomaren Störfällen“ gestellt. Es
geht also um die Frage, wie wir im Falle nuklearer Katastrophen sehr schnell die Empfehlungen der Strahlenschutzkommission umsetzen.
Hierzu hat es ein erstes Bund-Länder-Gespräch am
8. Juli 2014 gegeben. Dabei ist unser Bestreben als
Bund, dass wir die Jodtabletten nicht mehr in zentralen
Einrichtungen lagern, sondern dass wir sie dezentral unterbringen, sodass eine schnelle Verteilung an möglicherweise betroffene Personen gegeben ist und wir die
schnellstmögliche Versorgung der Bevölkerung im Notfall sicherstellen können.
Nach unserer Auffassung ist hier eine Länderverantwortung gegeben, weil die Vorsorge beim Katastrophenschutz im Bereich der Länder liegt. Insgesamt ist aus den
ersten Gesprächen zurückzumelden - es wird noch weitere geben -, dass die Länder zunächst keine grundsätzlichen Einwände vorbrachten, dass es aber bei der Frage,
wer in Zukunft für die Übernahme der Kosten für die
Jodtabletten zuständig ist, bei den Ländern naturgemäß
die Auffassung gibt, dass dies weiterhin Sache des Bundes sei.
Vielen Dank, Herr Pronold. - Frau Kotting-Uhl.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär
Pronold, vielen Dank für diese Auskunft. Ich würde
gerne anfügen: Die dezentralste und damit beste Verteilung der Jodtabletten wäre, analog Frankreich, eine VerSylvia Kotting-Uhl
teilung direkt an die Haushalte. Meine Frage ist: Wird
auch das überlegt?
Ich hatte nicht nur nach der Jodblockade gefragt, sondern auch nach den Planungen bezüglich der Evakuierungsausweitungen. Die SSK hat vorgeschlagen, die jeweiligen Zonen auszuweiten: die erste auf 5 Kilometer,
die nächste dann auf 20 Kilometer und eine sogenannte
Außenzone auf 100 Kilometer, die natürlich von der
Ausbreitungsrichtung abhängig wäre. Gibt es darüber
Gespräche mit den Ländern, und natürlich frage ich
auch nach Ergebnissen?
Das, was wir auf den ersten Teil Ihrer doppelten Frage
antworten können, ist: Wir haben bisher besprochen,
dass versucht wird, die dezentrale Unterbringung der
Jodtabletten so zu organisieren, dass beispielsweise für
Kinder die Austeilung der Tabletten in Krankenhäusern,
Schulen, Kindergärten usw. möglich ist. Wir haben aber
auch Bedarfsmeldungen bei den Ländern abgefragt. Wir
werden auf Basis der eingehenden Bedarfsmeldungen einen Länder-Soll-Ist-Vergleich vornehmen, um festzustellen, ob der Bedarf gedeckt ist. Wir werden Anfang
2015 die Gespräche mit den Ländern fortsetzen, um uns
mit den Bundesländern auf das konkrete Verteilungskonzept zu einigen.
Mir ist nicht bekannt, dass in der vorliegenden Frage
auf die Abstände eingegangen wird; ich hoffe, ich habe
es nicht überlesen. Ich weiß aber, dass wir auch diesbezüglich in Gesprächen sind. Es geht um die Veränderung
der Zonen; auch das wird mit den Ländern besprochen.
Da geht es darum, dass die Zonen, für die bestimmte
Schutzmaßnahmen vorgesehen sind, auf 5, 20 und 100 Kilometer - wenn ich es richtig im Kopf habe - ausgeweitet werden sollen; sie waren bisher enger festgesetzt.
Weil ich es nicht vorliegen habe, würde ich Ihnen anbieten - vielleicht ist da etwas schiefgelaufen -, es schriftlich nachzureichen.
Einverstanden. - Frau Kollegin, noch eine Nachfrage?
Ja.
Bitte schön.
Es ist natürlich immer ein gutes Angebot, die Antwort
schriftlich zu bekommen. Aber diese Frage war in der
Tat sogar im ersten Teil meiner Frage enthalten. Die beiden Fragenteile - Sie haben es „doppelte Frage“ genannt haben ihre gemeinsame Wurzel in den Empfehlungen
der SSK. Deshalb abschließend die Frage: Ist ein Zeitpunkt vorgesehen, zu dem die Empfehlungen der SSK
tatsächlich umgesetzt sein sollen?
Herr Pronold.
Sie haben recht: Ich habe es überlesen; es ist in der
Frage enthalten. Ich bitte, das zu entschuldigen. - Wir
haben eine gemeinsame Taskforce auf europäischer
Ebene; das wissen Sie. Die Leiter der europäischen
Strahlenschutz- und Reaktorsicherheitsbehörden haben
am 22. Oktober 2014 eine gemeinsame Sitzung in Stockholm bestritten und erstmals ein europäisches Konzept
für die Bewältigung schwerer kerntechnischer Unfälle
beschlossen. Es geht darum, wie wir das umsetzen. 21 Experten für Reaktorsicherheit, Notfallschutz und Strahlenschutz aus 14 Ländern haben gesammelte Erfahrungen
dort zusammengetragen und bewertet. Das Bewertungsschema ist bewusst auf die wesentlichen Maßnahmen
der Evakuierung, des Aufenthalts in Gebäuden und der
Jodblockade reduziert. Dort ist vorgesehen, dass eine
Evakuierung im Bereich mit einem Abstand vom Kernkraftwerk von bis zu 5 Kilometern vorbereitet sein soll.
Für eine eventuelle Ausweitung auf bis zu 20 Kilometer
soll eine geeignete Strategie vorliegen. Die Sicherstellung des Aufenthalts in Gebäuden und die Jodblockade
sind bis zu einer Entfernung von 20 Kilometern vorzubereiten. Für eine eventuelle Ausweitung auf bis zu 100 Kilometer soll darüber hinaus eine geeignete Strategie erarbeitet werden.
Was die Frage des Zeitplanes und die Bedeutung für
die nationale Ebene angeht, würde ich Sie bitten, Ihnen
das schriftlich nachzureichen zu dürfen; denn dazu steht
nichts in meinen Unterlagen.
Vielen Dank, Herr Kollege Pronold.
Die Frage 12 des Abgeordneten Oliver Krischer - Verschiebung des angestrebten Klimaziels einer CO2-Reduktion um 40 Prozent vom Jahr 2020 auf das Jahr 2025 wird schriftlich beantwortet. Das entspricht den Richtlinien, weil diese Frage das Thema einer Aktuellen Stunde
ist, die eine Ihnen bekannte Fraktion, Herr Krischer, beantragt hat.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Ich begrüße
Staatssekretärin Iris Gleicke, die für die Beantwortung
der Fragen bereitsteht.
Wir kommen zur Frage 13 des Abgeordneten Oliver
Krischer:
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus
dem am 4. November 2014 vorgestellten zweiten Entwurf des
Netzentwicklungsplans, NEP, der Übertragungsnetzbetreiber
- hier insbesondere Korridor C + D -, und in welchem Maße
wird es nach Auffassung der Bundesregierung noch zu Änderungen am Ende des Energiedialogs „Plattform Energie Bayern“
kommen, in dem es unter anderem heißt: „Die bayerische
Stellungnahme wird von der Bundesregierung berücksichtigt
werden“ ({0})?
Schönen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege
Krischer, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung begrüßt, dass die Übertragungsnetzbetreiber in ihrem zweiten Entwurf des Netzentwicklungsplans 2014, der das Zieljahr 2024 enthält, wie gesetzlich
vorgesehen die Ergebnisse aus der Konsultation zum
ersten Entwurf des Netzentwicklungsplans sowie Änderungen der Rahmenbedingungen, die sich aus der EEGReform 2014 ergeben, berücksichtigt haben.
Der daraus resultierende weiterhin hohe Transportbedarf in Nord-Süd-Richtung zeigt sehr deutlich, dass der
Netzausbau dringend erforderlich bleibt. Die vorgeschlagenen, sich aus netztechnischen Rechnungen ergebenden
Verlagerungen von Endpunkten einzelner Leitungen
wird die Bundesnetzagentur im Folgenden prüfen. Im
Rahmen der noch folgenden öffentlichen Konsultationen
der Bundesnetzagentur können weitere Stellungnahmen,
zum Beispiel aus Bayern, eingebracht werden. Die Bundesnetzagentur wird diese Stellungnahmen bei der finalen Bestätigung des Netzentwicklungsplans 2014 berücksichtigen.
Herr Kollege, Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, herzlichen Dank für die Ausführungen und die Darstellung des formalen Verfahrens. Sie haben gesagt - danach hatte ich gefragt -, dass die
Stellungnahme Bayerns berücksichtigt wird. Das Problem ist nur, dass Bayern - und es gibt keinen Grund,
anzunehmen, dass sich das fundamental ändert - sowohl
die Südost-Leitung als auch die Süd-Link-Leitung ablehnt und damit die Begründung für den Netzausbau, die
Sie gerade dargestellt haben und die ich im Wesentlichen
teile, infrage stellt. Daher meine Frage: Wie wird die
Bundesregierung damit umgehen, wenn Bayern bei seiner Position bleibt und zwei fundamentale Netzausbauprojekte ablehnt? Wird sie diese trotzdem durchführen,
oder wird sie nach einer anderen Lösung suchen?
Herr Kollege Krischer, an dem jetzigen normalen
Verfahren ist die Bundesregierung nicht beteiligt. Die
Übertragungsnetzbetreiber haben einen ersten Entwurf
vorgelegt. Er ist öffentlich kommuniziert worden, und
jeder konnte seine Einwendungen machen. Nach dieser
Konsultation folgte ein zweiter Entwurf, der wiederum
öffentlich ausliegt. Auch hierzu können Stellungnahmen
abgegeben werden. Im Lichte der verschiedenen eingegangenen Stellungnahmen wird die Bundesnetzagentur
eine Entscheidung treffen. Diese werden wir als Bundesregierung zur Kenntnis nehmen und dann unsere Entscheidungen treffen.
Nachfrage, Herr Krischer.
Dann muss ich andersherum fragen: Wie bewertet die
Bundesregierung die Positionen der Bayerischen Staatsregierung? Mir wurde gestern ein Strategiepapier aus Ihrem Haus vorgelegt. Darin steht, dass in Süddeutschland
eine Leistung von 10 000 Megawatt neu errichtet werden müsste, wenn die beiden eben genannten Leitungen
nicht gebaut werden.
Es ist völlig richtig, dass die Netzbaumaßnahmen, die
erforderlich sind und die sich im Netzentwicklungsplan
der Übertragungsnetzbetreiber niederschlagen, rein rechnerisch auch damit zusammenhängen, dass es große Zubaumaßnahmen im Bereich erneuerbare Energien in
Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg usw. gibt.
Wir machen immer wieder darauf aufmerksam. Diese
Übertragungsnetze dienen natürlich auch der Versorgungssicherheit in Süddeutschland. Es ist die Position
der Bundesregierung, dass es wichtig ist, darauf immer
wieder aufmerksam zu machen.
Eine weitere Nachfrage von Christian Kühn.
Ich habe eine Frage zur Versorgungssicherheit in Süddeutschland, explizit in Baden-Württemberg und Bayern: Halten Sie, falls die Trassen nicht gebaut werden
sollten, die Versorgungssicherheit in Süddeutschland für
gewährleistet?
Ich habe darauf aufmerksam gemacht, dass sich der
Bedarf an einem Ausbau der Netze rechnerisch am Zubau in Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg, aber
auch in Niedersachsen orientiert. Es gibt ja auch den
zweiten Korridor, den C-Korridor, den Herr Krischer in
seiner Frage erwähnt hat. Insofern müssen wir weiter darüber reden - das steht auch so in der 10-Punkte-Energie-Agenda des Ministers -, welche Maßnahmen für den
Netzausbau in den Bundesbedarfsplan einzuarbeiten
sind. Das wird 2016 stattfinden. Im Moment gibt es kein
Problem bei der Versorgungssicherheit.
Vielen Dank. - Dann kommen wir zur Frage 14 der
Kollegin Sylvia Kotting-Uhl:
Wie ist der aktuelle Zeitplan der Bundesregierung zur Erarbeitung der Erweiterung des 6. Energieforschungsprogramms, und welche konkreten Schritte sind diesbezüglich
bereits unternommen worden?
Frau Gleicke, bitte.
Schönen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Frau Kollegin Kotting-Uhl, das 6. Energieforschungsprogramm
wird derzeit umgesetzt und im Zuge dieser Umsetzung
ständig an die Erfordernisse der Energiewende angepasst
und weiterentwickelt. Einen konkreten Zeitplan gibt es
insofern nicht.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat in seiner Eigenschaft als Programmkoordinator für die Energieforschung
im Februar 2014 Leitlinien zur Weiterentwicklung des
Energieforschungsprogramms mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft abgestimmt.
Danach werden künftig verstärkt systemübergreifende
Forschungsansätze aufgenommen. Außerdem sollen die
europäische Vernetzung und die Zusammenarbeit mit
den Bundesländern intensiviert werden.
Zur Erweiterung der Maßnahmen des Energieforschungsprogramms hat das BMWi in einem ersten
Schritt eine Förderbekanntmachung zu den anwendungsbezogenen Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen
vorbereitet, die noch in 2014 veröffentlicht wird und die
die beim BMWi zusammengeführten Themen neu gruppiert und in einen Gesamtzusammenhang stellt.
Im Rahmen der Weiterentwicklung des Energieforschungsprogramms führt das BMWi zurzeit Konsultationsgespräche mit Wirtschafts- und Wissenschaftsvertretern zu verschiedenen Förderschwerpunkten, die im
Jahr 2015 fortgesetzt werden. Sie dienen unter anderem
dazu, neue Förderinitiativen vorzubereiten und etablierte
Maßnahmen programmatisch auszuweiten. Das BMBF
hat bereits mit dem Start des Forschungsforums Energiewende am 8. Mai 2013 einen Agendaprozess zur Sammlung von strategischen, langfristig angelegten Forschungsthemen gestartet. Dieser Prozess ist fortlaufend
und bindet alle relevanten Stakeholder aus Wissenschaft,
Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Bund, Ländern und Kommunen ein. Das Forschungsforum Energiewende wird
eine „Strategische Forschungsagenda Energiewende“
vorlegen, die in die Diskussion über die Weiterentwicklung des 6. Energieforschungsprogramms einfließen
wird.
Zur Sammlung von Schlüsselthemen für die Energieforschung nutzt das BMBF darüber hinaus weitere Initiativen, zum Beispiel das 11. BMBF-Forum für Nachhaltigkeit - das hat im September stattgefunden - oder
die Green-Economy-Konferenz, die jetzt im November
stattfinden wird.
Frau Kollegin.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin Gleicke, für diese
sehr ausführliche Antwort. Ich hoffe, ich bekomme sie
auch schriftlich, weil alles das, was Sie gerade gesagt haben, nicht hängen bleibt.
Ich habe natürlich den Bericht des Wirtschaftsministeriums zur Weiterführung der Energieforschung zur
Kenntnis genommen. Ich frage aus diesem Grund: Wir
stecken ja sozusagen immer noch in einem Energieforschungsetat, der sich auf das 6. Energieforschungsprogramm bezieht, das ursprünglich für den Zeitraum 2011
bis 2014 ausgelegt war und eine ganz bestimmte Ausrichtung hat. Diese Ausrichtung wurde noch vor der damals beabsichtigten Laufzeitverlängerung festgelegt,
also noch im Sinne dieses Vorhabens. Es gibt eine starke
Ausrichtung auf die Kernfusion; das ist einer der Hintergründe meiner Frage.
In den neuen Haushaltsentwürfen gibt es sowohl im
Etat für Energieeinsparung, also Energieeffizienz, als
auch im Etat für den Bereich der erneuerbaren Energien
einen deutlichen Aufwuchs - das ist sehr erfreulich -,
aber auch der Etat für den Bereich der Kernfusion
wächst, wenn auch im Verhältnis nur ein bisschen; aber
auch dieser Etat wächst kontinuierlich an. Meine konkrete Frage ist, ob es Gespräche darüber gibt, den Etat
für den Bereich der Kernfusion zurückzufahren; denn
die Kernfusion passt nicht zur Energiewende.
Frau Gleicke.
Die Antwort finden Sie natürlich im Protokoll. Ich
kann Ihnen die Antwort aber auch gerne gleich schriftlich in die Hand drücken; das ist gar kein Problem.
Frau Kotting-Uhl, ich habe ja gesagt, dass dieses
6. Energieforschungsprogramm - Sie haben es selbst erwähnt - von 2011 stammt und auf fünf Jahre angelegt
war; das ist immer der Rahmen. Wir müssen dieses Programm natürlich an die neuen Erfordernisse der Energiewende anpassen. Deshalb gibt es Gespräche zwischen
den drei beteiligten Ressorts; auch das ist gar keine
Frage. Derzeit werden ungefähr 800 Millionen Euro ausgegeben. Das BMWi, also unser Haus, gibt circa 60 Prozent dieser Mittel aus, das BMEL gibt für den Bereich
der Bioenergie circa 40 Millionen Euro aus, und der
Rest läuft über das BMBF. Natürlich müssen sich die
Ressorts untereinander abstimmen, um die geplanten
Forschungsthemen, die uns im Bereich der Energiewende jetzt interessieren, voranzutreiben.
Vielen Dank. - Ich komme zur Frage 15 der Kollegin
Höhn. Dabei geht es um Gespräche der Bundesregierung
mit der Energiewirtschaft und den Gewerkschaften über
das perspektivische Ende der Kohleverstromung. Weil
dies das Thema der Aktuellen Stunde tangiert, wird
diese Frage schriftlich beantwortet.
Genau das gleiche Verfahren wird bei Frage 16 der
Kollegin Höhn - sie betrifft die vorzeitige Abschaltung
der ältesten Kohlekraftwerke - angewendet. Die Frage
wird schriftlich beantwortet.
Die Frage 17 - hierbei geht es um den Zeitpunkt der
Arbeitsaufnahme der Clearingstelle für Dual-Use-Güter der Kollegin Brugger wird ebenfalls schriftlich beantwortet.
Vizepräsidentin Claudia Roth
Auch Frage 18 der Kollegin Dağdelen zur Ausfuhr
von Maschinenpistolen des Typs „Solid 2“ nach SaudiArabien wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes.
Die Frage 19 der Kollegin Dağdelen nach der geplanten Befestigungsanlage an der ukrainisch-russischen
Grenze wird schriftlich beantwortet.
Die Frage 20 des Abgeordneten Volker Beck ({0})
nach der Gesetzgebung der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk bezüglich Homosexualität
wird schriftlich beantwortet.
Die Frage 21 des Kollegen Hunko zur Ratifizierung
der Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine,
Moldawien und Georgien wird schriftlich beantwortet.
Auch die Frage 22 der Kollegin Jelpke zur politischen
Orientierung der ukrainischen Sicherheitskräfte wird
schriftlich beantwortet.
Die Frage 23 der Kollegin Hänsel zu den Aufgaben
Kolumbiens beim Aufbau eines zivilen Sicherheitssektors in dem Einsatzplan für die GSVP-Mission EUAM
Ukraine wird schriftlich beantwortet.
Die Frage 24 der Kollegin Hänsel bezüglich der Ernennung des Vizekommandeurs des Freiwilligenbataillons Asow zum Chef der Miliz des Gebietes Kiew wird
schriftlich beantwortet.
Die Frage 25 des Kollegen Movassat zur Rolle von
US-Militärstandorten in Deutschland bei US-Drohnenangriffen wird schriftlich beantwortet.
Die Frage 26 des Kollegen Dr. André Hahn - sie betrifft die Schaffung eines geordneten Staateninsolvenzverfahrens gegen die „Hedgefonds-Resolution“ - sowie
die Frage 27 desselben Kollegen bezüglich US-Hedgefonds werden schriftlich beantwortet.
Die Frage 28 des Kollegen Tom Koenigs nach einer
zugesagten Erhöhung der Mittel für humanitäre Hilfe im
Ausland im Jahr 2014 wird schriftlich beantwortet.
Die Frage 29 des Kollegen Koenigs bezüglich der
Kürzung des Titels „Humanitäre Hilfe im Ausland“ im
Bundeshaushalt 2015 wird schriftlich beantwortet.
Die Frage 30 des Kollegen Dr. Alexander Neu nach
Erkenntnissen der Bundesregierung bezüglich der Bedrohung von Fluchthelfern durch libysche Milizen sowie
um deren Ausbildungshintergrund wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern.
Die Frage 31 des Abgeordneten Dr. Alexander Neu
nach drohenden Landeverboten deutscher Fluggesellschaften in Großbritannien und Mexiko, Herr
Dr. Krings, wird schriftlich beantwortet.
Aber jetzt sind wir wieder live. Ich begrüße den
Staatssekretär Dr. Günter Krings, der die Frage 32 des
Kollegen Hans-Christian Ströbele beantworten wird, die
ich hiermit aufrufe:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem
Umstand, dass die Software GnuPG, auf die nahezu alle freien
und für Bürger und Unternehmen frei zugänglichen, vom
Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, BSI, auf
seiner Website als besonders sicher empfohlenen, asymmetrischen Verschlüsselungsverfahren für E-Mails aufbauen, von
einer Einzelperson in Düsseldorf allein auf Spendenbasis betreut und gewartet wird ({1}), und ist die
Bundesregierung angesichts der auch von ihr selbst anerkannten, allgemeinen Bedrohung der Datensicherheit der Gesamtbevölkerung und der deutschen Wirtschaft durch massenhaften Datendiebstahl, begangen von Unternehmen oder
Geheimdiensten fremder Mächte, bereit, eine nachhaltige Finanzierung und bessere personelle Ausstattung der Betreuung
und Wartung dieser Software zu unterstützen, etwa durch Förderung über das BSI?
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Lieber Herr Kollege Ströbele! Zum krönenden
Abschluss dieser Fragestunde darf das Innenressorts
noch einmal auftreten. Ich bedanke mich, dass Sie - dies
ist die einzige mündlich zu beantwortende Frage - bei
der Stange geblieben sind.
Ich kann mit einer guten Nachricht aufwarten, lieber
Herr Ströbele; denn die von Ihnen in Ihrer Frage zitierte
Annahme des Linux-Magazins vom August 2014, dass
die - ich sage das einmal etwas salopp - Verschlüsselungssoftware GnuPG ausschließlich von einer Einzelperson in Düsseldorf auf Spendenbasis - so hieß es da betreut wird, ist glücklicherweise unzutreffend.
GnuPG ist die zentrale Komponente der umfassenderen Lösung Gpg4win, also einer Windows-Anwendung,
die wiederum vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, BSI, beauftragt wurde. Auftragnehmer dieses Entwicklungsvorhabens waren die deutschen
Unternehmen Intevation GmbH und g10 Code GmbH
sowie die schwedische KDAB. Darüber hinaus erfolgt
eine Weiterentwicklung und Pflege von Gpg4win und
GnuPG im Rahmen eines etablierten, funktionierenden
und verteilten Entwicklungsmodells für eine unter freier
Lizenz stehende quelloffene Software durch eine größere Gemeinschaft, also das, was wir als Open-SourceCommunity bezeichnen, Herr Ströbele.
Transparent dargestellt werden übrigens die kommerzielle Beauftragung, die Rolle des BSI sowie der mitwirkenden Unternehmen auf den Internetseiten des Projekts. Ich erspare mir jetzt, dies vorzulesen. Ich kann
Ihnen dies gerne gleich in die Hand geben, damit Sie
wissen, was Sie in Ihren Browser eingeben müssen, um
das im Einzelnen zu lesen.
Bei der vom Linux-Magazin genannten Einzelperson
handelt es sich um den Geschäftsführer der g10 Code
GmbH in Düsseldorf, die ebenfalls, wie gesagt, an den
oben genannten Beauftragungen beteiligt war.
Herr Ströbele, haben Sie eine Rückfrage? - Ja.
Danke. - Herr Staatssekretär, wenn ich das richtig
weiß, dann ist dieser Verschlüsselungsspezialist, -experte, sage ich einmal, ja in der Vergangenheit bereits
durch die Bundesregierung gefördert worden. Diese Förderung ist dann aber eingestellt worden. Ich erinnere
mich an die Erklärung des früheren Innenministers
Friedrich - ich glaube, sogar im Bundestag, aber jedenfalls in der Öffentlichkeit - vom Juli 2013, dass die Bundesbürger aufgefordert wurden, jeder einzelne, selber etwas gegen die Datenspionage, die Datenausspähung zu
tun und das nicht allein dem Staat zu überlassen.
({0})
Deshalb meine Frage:
({1})
Gibt es eine ganz konkrete Finanzierung der Weiterentwicklung dieser Verschlüsselungssoftware, die nach
meiner Kenntnis von ein oder zwei Leuten in Düsseldorf
betrieben wird? Denn wir gehen doch alle davon aus,
dass das eine ungeheuer wichtige Arbeit ist.
Herr Dr. Krings.
Vielen Dank. - Herr Ströbele, ich habe ja bereits ausgeführt, dass es sich nicht um eine Einzelperson handelt,
sondern dass mehrere Unternehmen beteiligt sind. Der
Bund hat auch hier Fördermittel gegeben. Wir haben in
dem Zeitraum von 2004 bis 2014 insgesamt knapp
630 000 Euro inklusive Mehrwertsteuer in dieses Projekt
investiert. Es gibt noch eine Reihe anderer Projekte. Wir
haben im Gesamtetat, glaube ich, etwa 15 Millionen
Euro als Verpflichtungsermächtigungen für diesen Bereich der Entwicklungsvorhaben des BSI. Es gehört also
zu den Kernaufgaben des BSI, solche Förderungen vorzunehmen. Auch dieses Projekt hat in nennenswertem
Umfang Fördergelder bekommen.
Noch einmal: Der Open-Source-Gedanke ist, dass
auch von anderer Seite gefördert wird. In Ihrer Fraktion
gibt es wahrscheinlich noch größere Enthusiasten für die
Open-Source-Bewegung, als ich es bin. Insofern ist es
ganz normal, dass der Staat die Finanzierung nicht komplett übernimmt, dass er diese Person nicht in einem Beamtenverhältnis beschäftigt, sondern den Open-SourceGedanken mit Beauftragung, mit Geldern fördert. Das ist
in der eben genannten Größenordnung erfolgt.
Unter anderem dieser Beitrag des Bundes zu dem
Projekt hat zu erheblichen Download-Zahlen dieses Programms von etwa 30 000 Downloads pro Woche geführt. Die Zahl der Downloads ist übrigens seit der
Snowden-Affäre gestiegen.
Ja. Ich habe noch eine weitere Frage, Frau Präsidentin, wenn Sie gestatten.
Ich gestatte.
Können Sie denn Zahlen nennen, wie viel von den einigen Hundertausend Euro, die Sie genannt haben, im
Rahmen dieser Förderung an GnuPG gegangen sind,
konkret an diese Person bzw. seinen Helfer, und wie viel
an die anderen Firmen oder die anderen Abteilungen?
Ich stimme ja mit Ihnen völlig überein, dass es das Falscheste wäre, daraus eine Beamtenbeauftragung zu machen. Das soll möglichst unabhängig sein, weil nur dann
für den Bürger etwas Vernünftiges dabei herauskommen
kann. Dies denke ich, nicht weil ich grundsätzlich Bedenken gegen Beamtenarbeit habe, sondern weil es in
diesem Falle das Falscheste wäre, was man machen
könnte.
Herr Dr. Krings.
Ich lasse das einmal unkommentiert. Ich glaube, dass
es für alles sinnvolle Lösungen gibt. Das BSI macht eine
hervorragende Arbeit, übrigens mit Beamten, die wichtig und bei unserer Informationssicherheit nicht mehr
wegzudenken ist. Aber es gibt bei der Entwicklung von
Software, gerade mit offenem Quellcode, bestimmte
Punkte, bei denen in der Tat - da stimme ich Ihnen vollkommen zu; ich habe es eben gesagt - dieses Entwickeln
aus der Open-Source-Community einige Vorteile bietet.
Deshalb will ich es noch einmal etwas deutlicher machen - ich neige auch dazu, etwas zu schnell zu sprechen -:
GnuPG, also die Software, die Sie genannt haben, ist Teil
einer umfassenderen Lösung, die sich Gpg4win nennt.
Im Hinblick auf diese umfassendere Lösung, von der
GnuPG ein Teil ist, haben wir seitens des Bundes bzw.
durch das BSI im Zeitraum von 2004 bis 2014 zur Entwicklung und Weiterentwicklung der Software insgesamt 630 000 Euro inklusive Mehrwertsteuer ausgegeben.
Vielen herzlichen Dank. - Ich lese Ihnen jetzt die
Themen der Fragen, die wir schriftlich beantwortet bekommen, vor. Das müsste ich zwar nicht tun. Aber dann
haben Sie ungefähr eine Vorstellung davon, womit sich
die Kolleginnen und Kollegen des Bundestages beschäftigen:
Die Frage 33 des Kollegen Hunko nach gemeinsamen
Maßnahmen im Zusammenhang mit sogenannten Foreign Fighters und gegen die Radikalisierung durch das
Internet wird schriftlich beantwortet.
Vizepräsidentin Claudia Roth
Die Frage 34 der Kollegin Renner nach dem Verhandlungsstand zum Entwurf eines Polizeiabkommens mit
Ägypten wird schriftlich beantwortet.
Die Frage 35 von Jan Korte nach der Speicherung und
Verarbeitung ermittlungsunterstützender Hinweise und
nach der Abgrenzung zu personengebundenen Hinweisen wird schriftlich beantwortet.
Die Frage 36 des Kollegen Korte nach der Zusammenarbeit deutscher Sicherheitsbehörden mit der türkischen Regierung bei der Neuinstallation von Systemen
zur Grenzsicherung wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen.
Die Frage 37 des Kollegen Thomas Gambke nach Informationen des internationalen Konsortiums investigativer Journalisten über Steuervergünstigungen der Luxemburger Steuerbehörden wird schriftlich beantwortet,
weil dies gleich auch Thema der Aktuellen Stunde sein
wird.
Die Frage 38 des Kollegen Axel Troost nach der multilateralen Vereinbarung zur Einführung des neuen Standards für den automatischen Austausch von Steuerinformationen wird schriftlich beantwortet.
Die Frage 39 des Kollegen Troost nach der steuerlichen Behandlung von Kosten für die Erstausbildung
wird schriftlich beantwortet.
Die Frage 40 des Kollegen Kai Gehring nach dem
Ausschluss von Kosten der Erstausbildung von den Werbungskosten wird schriftlich beantwortet.
Die Frage 41 der Kollegin Susanna Karawanskij nach
der Berücksichtigung von Kindergeld bzw. Kinderfreibeträgen bei der Integration des Solidaritätszuschlags in
den Einkommensteuertarif wird schriftlich beantwortet.
Die Frage 42 der Kollegin Karawanskij nach der Anhebung des Kinderfreibetrags und der Einführung eines
gestaffelten Freibetrags für Alleinerziehende wird
schriftlich beantwortet.
Die Frage 43 des Kollegen Richard Pitterle, Die
Linke, nach der Besteuerung von Arbeitgebergutscheinen wird schriftlich beantwortet.
Auch die Frage 44 des Abgeordneten Richard Pitterle
nach den Auswirkungen der Regelung des § 50 i des
Einkommensteuergesetzes auf Familienunternehmen
wird schriftlich beantwortet.
Wir sind jetzt am Ende der Fragestunde angekommen.
Die Aktuelle Stunde ist für 15.35 Uhr angesetzt. Da
ich sie jetzt noch nicht aufrufen kann, gebe ich Ihnen
eine gute Dreiviertelstunde frei.
Ich muss jetzt fürs Protokoll sagen: Damit ist die Sitzung unterbrochen.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie jetzt
bitten, wieder Platz zu nehmen. Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE
Haltung der Bundesregierung zu den umstrittenen Steuermodellen in Luxemburg und der
Rolle Jean-Claude Junckers
Erster Redner in der Debatte ist der Kollege Klaus
Ernst, Fraktion Die Linke. - Bitte schön.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich glaube, wir sollten uns erst einmal alle bei
dem Internationalen Konsortium Investigativer Journalisten bedanken. Diese investigativen Journalisten haben
uns dankenswerterweise darauf hingewiesen, was in
Luxemburg los ist. Unsere Behörden wussten das in dieser Deutlichkeit offensichtlich nicht.
({0})
Deswegen verdienen sie, wie ich glaube, den Dank aller
Abgeordneten, meine sehr verehrten Damen und Herren.
({1})
- Dass die Union nicht mitklatscht, habe ich erwartet.
Das zeigt auch, dass es dort beim Thema Steuerproblematik offensichtlich noch einigen Nachholbedarf gibt.
Die Dokumente, die wir jetzt vorliegen haben, beweisen, dass Luxemburg von 2002 bis 2010 offensichtlich
als Steueroase fungierte. PricewaterhouseCoopers entwickelte für internationale Konzerne geradezu Modelle
und bot sie den Unternehmen an. Im Ergebnis ist es den
Unternehmen gelungen, ihre Steuersätze, die in
Luxemburg normalerweise bei 29 Prozent liegen würden, auf bis zu 1 Prozent zu reduzieren. Jeder normale
Bürger, bei dem die Steuer vom Lohn abgezogen wird,
muss sich angesichts der Verhältnisse, die wir in Europa
haben, langsam als Volltrottel vorkommen.
({2})
Ganz besonders - das betrifft nicht nur Luxemburg;
aber das betreffende Unternehmen ist hier allenthalben
bekannt; deswegen möchte ich es nennen - Ikea ist es
gelungen, seine Steuerlast durch solche Modelle auf
0,0001 Prozent des Gewinns zu reduzieren. Das ist ein
Zustand, der unerträglich ist. Zu den weiteren Profiteuren gehören - es sind auch Unternehmen aus der Bundesrepublik Deutschland dabei -: Deutsche Bank, Eon,
Ikea, Fresenius, Volkswagen, Heinz, iTunes, Procter &
Gamble und Burberry. All diese Unternehmen haben
hier mitgemischt und davon profitiert. Es geht nach der
Einschätzung des Bundesvorsitzenden der Deutschen
Steuer-Gewerkschaft, Thomas Eigenthaler, um jährlich
10 Milliarden Euro allein in der Bundesrepublik
Deutschland. Der Verlust für Europa durch diese Steuermodelle, bei denen sich Luxemburg offensichtlich ganz
besonders hervortut, wird von Gutachtern der EU auf
insgesamt 1 000 Milliarden Euro - 1 000 Milliarden Euro! - geschätzt.
Weil das ja Zahlen sind, die man gar nicht so recht begreifen kann: Das ist mehr als dreimal so viel wie der
Staatshaushalt der Bundesrepublik Deutschland und
mehr als das Doppelte der 480 Milliarden Euro, die wir
vor einigen Jahren für die Bankenrettung ausgegeben haben. Wir hätten viele Probleme in der Bundesrepublik
Deutschland nicht: Die Mütterrente zum Beispiel wäre
mit ihren jährlichen Kosten von 6,7 Milliarden Euro locker aus Steuergeldern finanzierbar, wenn wir diese
Steuerschlupflöcher nicht hätten.
({3})
Bemerkenswerterweise war ausgerechnet der Präsident der Europäischen Kommission, Herr Juncker, in genau der Zeit, in der diese Steuermodelle entwickelt wurden, als Premier- und Finanzminister in Verantwortung.
Das wirft natürlich Fragen auf, zum Beispiel die Frage,
ob das etwas damit zu tun hat, dass das Fondsvermögen
in Luxemburg, als Juncker angetreten ist, 53 Milliarden Euro und es, als er abgetreten ist, 3 000 Milliarden Euro betrug. Offensichtlich war das ein Geschäftsmodell. Wenn ich das lese, wundere ich mich überhaupt
nicht darüber, dass es uns in der Europäischen Union seit
Jahren nicht gelingt, diese Steueroasen auszutrocknen.
Offensichtlich machen wir den Bock zum Gärtner. Das
ist doch das Problem.
({4})
Ich kann in dem Zusammenhang die Kanzlerin nicht
aus der Verantwortung nehmen. Sie war offensichtlich
diejenige, die Herrn Juncker massiv gefördert hat, damit
er Präsident der Europäischen Kommission wird. Wie
soll er eigentlich glaubhaft gegen Steuervermeidung vorgehen, wenn er selber in der Rolle, die er vorher spielte,
offenbar massiv an solchen Dingen beteiligt war?
Die Frage ist auch, warum die Bundesregierung nicht
mehr gegen Steuerbetrug und Steuervermeidung getan
hat. Erst 2012 wurde ein Doppelbesteuerungsabkommen
mit Luxemburg abgeschlossen.
({5})
- Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen. Sie haben doch regiert. Es fand sich kein einziger Satz zum
Steuervermeidungssystem in Luxemburg. Haben Sie das
alles nicht gewusst? Gut, dass wir Journalisten haben.
Was sie getan haben, ist jedenfalls besser als das, was in
dieser Frage vonseiten der Bundesregierung gemacht
wird.
Die Bundesregierung hätte im Übrigen auch durchaus
Möglichkeiten, durch nationale Regelungen den Steuertricks Luxemburgs einen Riegel vorzuschieben. Schon
eine Regelung, wonach Betriebsausgaben für Lizenzoder Patentgebühren in der Bundesrepublik Deutschland
nicht mehr abzugsfähig sind, würde dazu beitragen, dass
sich etwas ändert und die Gewinne hier versteuert werden müssten und nicht in Billigsteuerländer verschoben
werden könnten. Sie stehen in der Pflicht.
Zum Schluss meiner Rede möchte ich den Tagesspiegel zitieren:
Möglich ist das allerdings nur, weil Europas regierende Finanzpolitiker seit Jahren die Initiativen der
EU-Kommission und des EU-Parlaments zur Eindämmung der Steuervermeidung sabotieren, auch
die deutschen.
So weit die deutsche Presse. Ich würde mich freuen,
wenn Sie daran etwas ändern würden.
({6})
Vielen Dank. - Nächster Redner ist der Kollege
Dr. Hans Michelbach, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
In dieser Aktuellen Stunde sollten wir sachbezogen,
ohne jemanden persönlich anzusprechen, die Steuermodelle in Luxemburg und in anderen Ländern diskutieren.
Für die Veröffentlichung können wir einerseits durchaus dankbar sein. Andererseits sind uns die Verhältnisse
in Europa nicht unbekannt. Wir unternehmen seit längerem intensive Anstrengungen, um Steueroasen trockenzulegen, um Steuerlockvogelangebote zu bekämpfen,
um Steuertricksereien zu unterbinden und um einen fairen Steuerwettbewerb zu erreichen.
Seit über 20 Jahren darf ich persönlich diese Überzeugung im Finanzausschuss vertreten und stelle mir immer
wieder die Frage: Warum kommen wir in Europa nur
sehr langsam voran?
({0})
Für mich stellt sich der Sachstand wie folgt dar:
({1})
Erstens. Wir haben es hier - langsam! - mit internationalen Beratungsgesellschaften zu tun,
({2})
die jedes noch so kleine Schlupfloch nutzen, um ihre aggressive Steuervermeidungsstrategie an interessierte
Großkonzerne zu verkaufen.
Zweitens. Wir haben vor allem kleine Länder in Europa, die ein Geschäft mit diesen Steuerlockvogelangeboten betreiben und sich unsolidarisch gegenüber anderen europäischen Ländern verhalten. Dabei wird das
Steuersubstrat von Ländern abgesaugt, in denen ein Unternehmen die Gewinne erwirtschaftet.
Drittens. Wir haben es so mit einer fragwürdigen Unternehmensstrategie zu tun, mit der man sich durch Gewinnverlagerungen deutliche Wettbewerbsvorteile verschaffen will. Das ist für mich so etwas wie modernes
Raubrittertum und beschwert die betroffenen Staaten,
aber vor allem auch die kleinen und mittelständischen
Unternehmen.
({3})
Diese haben in vielfacher Hinsicht eine Steuerbelastung
von 40 Prozent, die Großkonzerne nur 4 Prozent oder
weniger. Das ist nicht nur eine Wettbewerbsverzerrung,
sondern auch eine Art Vernichtungsstrategie gegenüber
unserer Wirtschaftsstruktur. Diese Entwicklung müssen
wir ernst nehmen.
({4})
Dagegen wollen wir vorgehen.
({5})
Deswegen müssen wir mit Luxemburg, den Niederlanden, Irland und anderen Ländern intensiv reden, wohl
wissend, dass der Schlüssel vor allem in Brüssel, bei der
OECD und bei der G 20 liegt. Natürlich sagen alle diese
Länder: Das, was wir machen, ist legal; denn wir verstoßen nicht gegen nationale Gesetzgebungen, und bei den
Steuern in Europa gibt es keine Vergemeinschaftung.
Ich halte diese Argumentation, die in diesen Tagen als
Rechtfertigung in den Zeitungen steht, für Zynismus.
Der Luxemburger Finanzminister wird heute in der
Presse mit den Worten wiedergegeben - ich zitiere wörtlich -:
Das Zusammenspiel der nationalen Regeln mit internationalen Verträgen bringt mit sich, dass Unternehmen manchmal keine Steuern oder ganz wenig
Steuern zahlen.
Das hat natürlich mit einem fairen Steuerwettbewerb in
Europa nichts zu tun.
Der Finanzminister macht uns auch beim Thema Ruling etwas vor. Das gebe es auch in Deutschland, sagt er.
In Deutschland sieht Ruling so aus, dass der Steuerpflichtige bei seinem Finanzamt Auskunft über seine
steuerlichen Verhältnisse erbitten kann. In Luxemburg
bedeutet Ruling etwas ganz anderes: Es ist eine Absprache über Steuerrabatte für ausländisches Steuersubstrat.
({6})
Das ist Fakt. Das ist das Problem, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen. Das sind für mich illegale
Staatsbeihilfen, die nach dem EU-Wettbewerbsrecht verboten sind.
({7})
Deshalb hat die EU-Kommission nach mehreren Anmahnungen endlich ein Vertragsverletzungsverfahren
gegen drei Länder eingeleitet. Das ist nicht neu, sondern
das ist Fakt. Ich danke dem Kommissar Almunia, dass er
den Mut hatte, die drei Länder mit diesem Vertragsverletzungsverfahren zu beharken.
({8})
Das bedeutet: Es wird vom Wettbewerbskommissar
der Vorwurf der unerlaubten Beihilfe erhoben. Ich betone: Das ist im Moment ein Vorwurf. Jede steuerliche
Präferenz ausländischer Konzerne in Form einer Gutschrift ist nach dem Wettbewerbsrecht natürlich eine illegale Staatsbeihilfe.
Wir müssen deutlich machen, was wir davon halten.
Wir werden uns darüber berichten lassen. Ich vertraue
auf die Aufklärungsarbeit der EU-Kommission. Wir fordern, dass die Rulings nach der Amtshilferichtlinie in
den spontanen Informationsaustausch einbezogen werden. Dann werden wir weitersehen. Wir bleiben am Ball
und müssen hier von niemandem belehrt werden.
Herzlichen Dank.
({9})
Vielen Dank. - Nächster Redner für Bündnis 90/Die
Grünen ist der Kollege Dr. Gerhard Schick.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich fand es gut, wie der Kollege Ernst seine Rede angefangen hat, nämlich mit dem Dank an die Journalisten,
die das Ganze recherchiert und veröffentlicht haben. Das
ist extrem wichtig; denn sonst hätten wir keine Grundlage, auf der wir heute diskutieren könnten. Für das, was
jedem, der die Augen aufmacht, bekannt sein müsste,
gibt es jetzt klare Belege. Dafür danken wir den Journalisten. Aber wir müssen in unseren Dank auch die Leute
einbeziehen, die den Mut hatten, diese Informationen an
die Öffentlichkeit zu geben; denn vor den Journalisten
gibt es die Whistleblower. An sie ein ganz herzliches
Dankeschön!
({0})
- Ich finde, da könnten auch Sie von der Union klatschen; denn auch Sie beziehen sich auf die Fakten.
({1})
Wir haben hier verschiedene Themen angesprochen.
Der eine Punkt ist die Rolle des Kommissionspräsidenten. Ich finde nicht, wie der Finanzminister gesagt hat,
dass seine Rolle in Luxemburg und das, was er jetzt auf
der Ebene der EU-Kommission zu verantworten hat,
nichts miteinander zu tun hätten und dass er nicht beschädigt sei. Nein, der Ruf ist natürlich infrage gestellt.
Denn es geht um die Frage: Kann jemand an der Spitze
der Kommission stehen, der in seinem Staat ein Verhalten zu verantworten hatte, das für die Europäische Union
eindeutig schädlich ist? Die Europäische Union kann
nicht funktionieren, wenn wir alle versuchen, dem anderen in die Tasche zu greifen.
({2})
Dazu hat Herr Juncker erst einmal einige Tage geschwiegen, was uns sehr irritiert hat. Heute hat er dann
im Wesentlichen zwei Vorschläge gemacht, nämlich zum
einen den automatischen Informationsaustausch bei Tax
Rulings vorgeschlagen, der aber nur zwischen den Behörden gelten soll. Zum anderen hat er sich für eine einheitliche Bemessungsgrundlage bei der Körperschaftsteuer ausgesprochen, die schon lange auf europäischer
Ebene in einem mühsamen Verhandlungsprozess ist.
Ich sage dazu sehr deutlich, Herr Juncker: Das reicht
nicht. Wenn Sie weiter so herumeiern und halbherzig
agieren, dann müssen Sie zurücktreten.
({3})
Denn es geht um die Frage, ob der Kommissionspräsident ein Teil der Lösung oder ein Teil des Problems ist.
Wir fordern ihn auf, ein Teil der Lösung zu werden und
europafreundliche Vorschläge zu machen, die dafür sorgen, dass diese Steuervermeidungsindustrie in Europa,
wo ein Mitgliedstaat zulasten des anderen handelt und
sich große Konzerne zulasten der Kleinen armrechnen,
endlich beendet wird.
({4})
Ich finde aber, man darf nicht zu kurz springen und
den Blick nur auf Luxemburg richten. Richtig ist, dass
Luxemburg eine der beliebtesten Steueroasen ist. Aber
es ist mitnichten die einzige Steueroase in Europa. Deswegen sollten wir, finde ich, das gesamte Problem in den
Blick nehmen. Es geht nicht nur darum, wie der SPDKollege Carsten Schneider gefordert hat, in Luxemburg
aufzuklären. Es geht vielmehr darum, dass wir in Europa
endlich faire Bedingungen haben, die dazu führen, dass
diejenigen, die nach dem Gesetz Steuern zahlen müssen,
es auch tun und dass es keine Sondervereinbarungen
gibt. Und dann geht eben unser Blick dabei auch nach Irland, und er geht auch in die Niederlande, wo es noch
deutlich mehr internationale Unternehmen gibt. Die
Hälfte der 500 umsatzstärksten Unternehmen haben Finanzholdings in den Niederlanden. Das ist mehr als in
Luxemburg. Wir müssen auch den Chef der EuroGruppe, Herrn Dijsselbloem, in den Blick nehmen.
({5})
- Ich finde es gut, dass Sie klatschen, Herr Poß. Denn er
ist Ihr Parteifreund, Sozialdemokrat. Ich finde, dass auch
einmal die Frage gestellt werden muss, welche Rolle eigentlich ein sozialdemokratischer Finanzminister an der
Spitze der Euro-Gruppe spielt. Ich finde, es passiert zu
wenig, um bei diesen Skandalen aufzuräumen.
({6})
Was steht jetzt an? Es geht nicht darum, im Wesentlichen nur über Personen zu reden, sondern es steht jetzt
an, wirklich aufzuräumen. Was wir von der Bundesregierung dazu hören, ist als Initiative auf europäischer
Ebene eindeutig zu wenig. Was es jetzt braucht, ist nicht
nur, dass die Steuerbehörden untereinander Informationen austauschen. Vielmehr müssen wir sicherstellen,
dass Vereinbarungen mit den großen Unternehmen bei
diesen Rulings öffentlich werden und dass sie registriert
werden. In Zukunft sollte es nicht von Whistleblowern
abhängen, dass wir erfahren, was passiert, sondern hier
ist Transparenz erforderlich.
({7})
Wir sollten endlich das einführen, dem Sie sich insbesondere seitens der Union verweigert haben. Bei den
Banken haben wir Grünen das auf europäischer Ebene
mit vorantreiben und durchsetzen können. Es fehlt aber
noch für die anderen Branchen und wäre in diesem Fall
völlig notwendig: Wir brauchen Transparenz darüber,
wo die Gewinne stattfinden und wo sie versteuert werden, das sogenannte Country-by-Country-Reporting.
Wir brauchen länderbezogene Transparenz bei den Steuern.
Ich hoffe, dass Sie sich als Konsequenz aus diesen
Daten endlich bewegen, damit wir in Europa Steuertransparenz bekommen.
({8})
Herr Kollege Schick, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme zum Schluss. - Ich finde auch - das
wurde zu Recht angesprochen -, dass die Beihilfekontrolle ein wichtiges Instrument ist. Aber wir müssen es
auch mit Vehemenz und Unterstützung betreiben. Ich
glaube, dass wir im Deutschen Bundestag auch einen
politischen Auftrag haben, mit unseren luxemburgischen
und niederländischen Kollegen darüber zu diskutieren,
wie ein Europa der Gerechtigkeit und Fairness aussehen
kann, in dem nicht nur die Arbeitnehmer und kleinen
Unternehmen die Last tragen, sondern auch große Konzerne ihren Teil dazu beitragen. Das ist gerade jetzt in
der Krise ein ganz wichtiges Zeichen.
Danke schön.
({0})
Vielen Dank. - Nächster Redner ist Dr. Jens
Zimmermann, SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir haben uns gerade, als Herr Schick über
unseren sozialdemokratischen Kollegen gesprochen hat,
gefragt, wie viele Finanzminister der Grünen es in Europa eigentlich gibt. Aber in Luxemburg sind die Grünen
mittlerweile an der Regierung beteiligt. Vielleicht können Ihre Kollegen aus Luxemburg bei der Aufklärung
helfen.
({0})
- Es ist doch gut, wenn Sie sich einig sind.
({1})
Herr Ernst hat richtig gesagt: Dass ein vermeintlich
schwedisches Möbelhaus im Jahr 2010 über 2 Milliarden Euro Gewinn in Europa gemacht und darauf nur
48 000 Euro Steuern gezahlt hat, ist nicht in Ordnung.
Ich glaube, darüber sind wir uns alle hier im Hohen Haus
einig.
({2})
Dass Großunternehmen extrem niedrige Steuersätze von
teilweise unter 1 Prozent in Ländern wie Luxemburg, Irland und den Niederlanden zahlen, ist bekannt. Aber die
meisten Steuerpraktiken sind nach nationalem Recht leider legal; das ist ein Problem. Das ist uns Sozialdemokraten schon lange ein Dorn im Auge. Nun ist unter dem
Begriff „Luxemburg-Leaks“ öffentlich geworden, dass
eine bekannte Beratungsgesellschaft im Auftrag von Unternehmen offensichtlich gezielt auf die Steuerabteilung
in Luxemburg zugegangen ist. Das ist eine ganz neue
Qualität. Damit ist endgültig eine Grenze überschritten.
Das ist nicht hinnehmbar.
({3})
Ich finde es gut, dass es endlich eine Diskussion über
legale und illegale Steuertricks gibt. Viele von uns versuchen seit Jahren, eine solche Diskussion in Gang zu
bringen. Bislang ist sie immer wieder im Sande verlaufen. Aber es ist gut, dass die Kommission ein Beihilfeverfahren gegen Luxemburg, Irland und die Niederlande
eingeleitet hat. Es wird geprüft werden, ob es sich um
verbotene Beihilfen handelt. Genau das ist der Punkt:
Geld, das man für Steuern nicht zahlen muss, kann - ich
verweise in diesem Zusammenhang nur auf Amazon investiert werden. Das ist ein Vorteil gegenüber Wettbewerbern in anderen Ländern. Wir können die Wettbewerbskommissarin an dieser Stelle nur ermutigen, dieses
Verfahren engagiert voranzutreiben.
Wichtig ist doch für uns in Europa: Wir müssen von
diesem Unterbietungswettbewerb wegkommen. Dieser
„race to the bottom“ liegt im Interesse keines einzigen
Landes in Europa. Wir brauchen Geld für Investitionen.
Es ist ganz klar, woher das Geld dafür kommen muss.
Der Steuerzahler hat darüber eine ganz klare Vorstellung. Bei jedem Arbeitnehmer wird die Einkommensteuer einfach abgezogen. Der normale Mensch auf der
Straße denkt: Wenn ein Unternehmen ordentlich Gewinn
macht, soll es auch ordentlich seine Steuern zahlen. Da
müssen wir wieder hin.
({4})
Wenn Ikea nach dem Motto „Entdecke die Möglichkeiten“ versucht, jede Steuerlücke zu finden und auszunutzen, wenn sich europäische Staaten einen Unterbietungswettbewerb liefern und wenn Händler um die Ecke
Steuern zahlen, während Amazon so gut wie keine zahlt,
dann ist das Verhältnis von Wirtschaft und Politik aus
dem Gleichgewicht geraten.
({5})
Es ist verdammt noch mal unsere Aufgabe, das wieder
geradezurücken. Daran müssen wir dringend arbeiten.
Wir müssen den Wettbewerb um niedrige Steuern bekämpfen. Wir müssen in Europa auch Solidarität untereinander zeigen. In der Krise war unsere Solidarität gefragt. Und an dieser Stelle kann man in meinen Augen
auch Solidarität einfordern.
({6})
Steuern müssen dort gezahlt werden, wo Gewinne erwirtschaftet werden. Die entscheidende Frage lautet,
welche Schritte jetzt zu gehen sind. Am Wochenende
findet der G-20-Gipfel statt, auf dem es unter anderem
um internationale Abkommen geht. Das ist richtig und
wichtig; denn wir reden nicht nur über ein europäisches
Problem. Wo befinden sich denn viele Steueroasen? Die
meisten befinden sich nicht in Europa, sondern irgendwo
in der Karibik. Deswegen ist es wichtig, dass wir international weiter vorangehen. Die BEPS-Initiative ist doch
ein sehr gutes Beispiel. Hier sind wir auf einem guten
Weg.
({7})
Wichtig ist aber auch, dass wir vor allem dem illegalen Handeln einen Riegel vorschieben. Wir können,
finde ich, von unseren europäischen Partnern verlangen
- das müssen wir auch bei uns selbst durchsetzen -, dass
illegale Steuerpraktiken entsprechend verfolgt werden
und dass das für die betreffenden Unternehmen Konsequenzen haben muss; das ist wichtig. Das laufende BeiDr. Jens Zimmermann
hilfeverfahren betrifft die Länder, nicht aber die Unternehmen. Das ist nicht das, was wir wollen.
({8})
Um zum Schluss zu kommen: Diese ganze Debatte ist
doch keine Debatte gegen Europa. Ich glaube, Herr
Juncker ist doch derjenige, der das größte Interesse hat,
das aufzuklären und an dieser Stelle klar Schiff zu machen. Wir müssen in Europa endlich dahin kommen,
dass wir uns in der Steuerpolitik besser abstimmen. Deswegen ist doch an dieser Stelle einmal mehr richtig: Wir
brauchen mehr Europa und nicht weniger Europa.
({9})
Herr Kollege Zimmermann, ich darf Sie bitten, zum
Schluss zu kommen.
Lassen Sie mich ein Wort an die Unternehmen richten. Niemand will die Kavallerie ausrücken lassen, aber
seien Sie sich sicher: Die Pferde sind gesattelt.
Vielen Dank.
({0})
Vielen Dank. - Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass nach unserer Geschäftsordnung in der Aktuellen Stunde die Redezeit fünf Minuten beträgt, also nicht
sechs Minuten. Das sage ich für alle anderen, die noch
reden.
Jetzt hat der Kollege Dr. Mathias Middelberg, CDU/
CSU-Fraktion, das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man
muss es aussprechen, wenn es richtig ist: Ich finde es
sehr gut, dass die Linken dieses Thema heute auf die Tagesordnung gebracht haben.
({0})
Dafür mein Kompliment. Es ist ganz wichtig - das hat
auch der Kollege Zimmermann betont -, dass wir bei
diesem Thema noch mehr Tempo machen, noch mehr
Öffentlichkeit herstellen und noch mehr Dynamik in dieses Thema hineinbringen. Wir brauchen das; denn - das
stimmt genauso - wir können hier in Deutschland alleine
die Probleme gar nicht lösen.
Mir ist wichtig, festzustellen: Es ist richtig, dass wir
hier darüber diskutieren; aber der Adressat der Vorwürfe
wegen der Probleme, die wir haben, ist nicht die Bundesrepublik Deutschland oder diese Bundesregierung, sondern die Adressaten, die diese Probleme verursachen,
sind diejenigen, die eben genannt wurden, nämlich die
Beteiligten, die teilweise in Europa oder auf den Cayman Islands den Unternehmen und anderen steuerliche
Sonderkonditionen anbieten - und das auch noch in einer Weise, dass dies verdeckt bleibt. Das ist der Kern des
Problems. Damit müssen wir uns auseinandersetzen.
Zur Lösung des Problems haben Sie, Herr Ernst, hier
leider gar nichts vorgetragen.
({1})
Ich möchte an den guten Beitrag des Kollegen
Zimmermann anknüpfen. Der hat nämlich sehr schön
auseinandergesetzt, wie die Lösung aussehen kann. Gerade was die Lösung angeht, sind wir hier überhaupt
nicht die Adressaten irgendeiner Belehrung. Ganz im
Gegenteil: Der Bundesfinanzminister, der heute in Form
des Staatssekretärs hier vorhanden ist
({2})
- man muss sich denken, er sei Wolfgang Schäuble -, ist
doch wirklich federführend bei diesem Thema, und er
handelt auf den beiden entscheidenden Gleisen. Es gilt
doch, zweierlei zu bekämpfen: den Steuerbetrug und die
legale Steuervermeidung. Denn neben dem - natürlich
illegalen - Steuerbetrug haben wir die legale Steuervermeidung, die Sie zu Recht angesprochen haben. Wir
müssen uns jetzt mit der Frage beschäftigen, wie wir
diese Probleme lösen.
Das Thema Steuerbetrug sind wir schon ganz überzeugend angegangen. Um es ganz klar zu sagen: Ab
2017 kann es einen Fall Hoeneß oder Alice Schwarzer
nicht mehr geben. Der wird nicht mehr vorkommen, weil
wir dann nämlich den automatischen Informationsaustausch haben. Auch die Schweiz wird bis dahin dieses
Abkommen unterzeichnen. Wir haben jetzt schon über
50 Staaten, die in der vorvergangenen Woche dieses Abkommen über den automatischen Informationsaustausch
hier in Berlin im Bundesfinanzministerium unterzeichnet haben. In Zukunft gibt es automatisch Konteninformationen über die verschiedenen Finanzkonten, die
Beteiligte in Europa und in anderen Staaten, die das Abkommen unterschrieben haben - darunter sind mehrere
Steueroasen: Jersey, Guernsey und andere -, unterhalten.
Dann wird es Fälle wie Hoeneß oder Schwarzer nicht
mehr geben. Das ist auch das Verdienst der Initiative unseres Finanzministers. Das muss man an dieser Stelle
ganz deutlich sagen.
({3})
Hier brauchen wir überhaupt keine Belehrung und keine
Marschbefehle von irgendwem. Wir sind vielmehr genau
in der richtigen Spur.
Das andere Thema ist die legale Steuervermeidung.
Es ist gut, dass die jetzt untersucht wird und das Bundeszentralamt für Steuern überprüft, ob bei den Luxembur6094
ger Fällen deutsches Steuerrecht verletzt worden ist. Es
ist auch gut, dass die EU-Kommission der Frage nachgeht, ob unter Umständen Beihilfevorschriften verletzt
oder missbraucht worden sind. Auch das ist richtig.
Aber wenn wir an die Zukunft denken und die Frage
stellen, wie wir dieses Themas systematisch Herr werden können, dann müssen wir uns intensiv mit dem
Thema BEPS auseinandersetzen; das hat der Kollege
Zimmermann richtigerweise angesprochen. Der BEPSAktionsplan ist die entscheidende Initiative auf dem von
uns eingeschlagenen Weg. Punkt 5 dieses Aktionsplans
ist in diesem Zusammenhang ausschlaggebend; da geht
es nämlich um das Stichwort „steuerschädlicher Wettbewerb“. Es geht also nicht um einen Steuerwettbewerb,
wenn er fair, transparent und offen stattfindet. Dagegen
haben wir nichts; das ist völlig in Ordnung. Einen solchen Wettbewerb gibt es auch zwischen Kommunen in
Deutschland: Die eine Kommune hat eine höhere, die
andere eine niedrigere Gewerbesteuer. Das darf es
durchaus geben; die Regeln müssen nicht überall gleich
sein. Aber man muss offen, transparent und mit klaren
Informationen miteinander umgehen.
Die BEPS-Initiative, von Wolfgang Schäuble und
dem britischen Finanzminister gemeinsam angestoßen,
ist der entscheidende Hebel, um dieser Probleme jetzt
Herr zu werden. Richtigerweise wurde erwähnt, dass
Angela Merkel an diesem Wochenende mit den anderen
Staats- und Regierungschefs im G-20-Kontext dieses
Thema einen wesentlichen Schritt voranbringt, indem 7
von 15 Punkten für klare steuerliche Bedingungen in der
Welt vereinbart werden. Wir können nur auf der Ebene
des multilateralen Austauschs, der multilateralen Einigung vorankommen. Das ist die einzige Möglichkeit, um
hier wirklich zu Ergebnissen zu kommen. Da hilft uns
auch keine Kavallerie oder sonst etwas. National können
wir dieses Problem nicht lösen; eine Lösung gibt es nur
auf internationaler Ebene.
Nicht unrichtig war auch der Satz, den Herr Schick
gesagt hat. Auch ich erwarte jetzt, dass Herr Juncker Teil
der Lösung wird. Das müssen wir alle von ihm in der
Funktion eines Kommissionspräsidenten erwarten können.
Vielen Dank.
({4})
Vielen Dank. - Für die Fraktion Die Linke erhält jetzt
das Wort der Kollege Richard Pitterle.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit den Luxemburg-Leaks hat die
Presse den nächsten handfesten Steuerskandal aufgedeckt. Zwar sind die Bürgerinnen und Bürger schon einiges gewohnt, wenn es um Tricksereien großer Unternehmen oder reicher Privatleute geht, aber dennoch sind die
nun öffentlich gemachten Luxemburger Steuermodelle
noch einmal ein herber Schlag in das Gesicht der ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.
Meine Damen und Herren, es darf doch nicht sein,
dass sich zum Beispiel die Deutsche Bank mit den Wirtschaftsberatern von PricewaterhouseCoopers und den
Luxemburger Steuerbehörden zusammensetzt und ausklüngelt, wie man möglichst viel Geld am deutschen Fiskus vorbeischleusen kann.
({0})
Den Berichten nach haben die an den Steuermodellen
beteiligten Unternehmen teils weniger als lächerliche
1 Prozent Steuern auf ihre nach Luxemburg geleiteten
Gewinne gezahlt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich
bitte Sie: Wie soll man den Leuten im Land, den kleinen
Handwerksunternehmen oder den kleinen Zulieferern,
die fleißig Steuern zahlen, erklären, dass große Konzerne wie die, die hier genannt worden sind - Amazon,
Ikea, Eon oder eben die Deutsche Bank -, sich armrechnen und ihre Gewinne nach Luxemburg verschieben, wo
sie dann wenig bis gar keine Steuern zahlen?
Zu allem Überfluss nutzt sogar die Bundesregierung
selbst den Finanzplatz Luxemburg. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat dort zusammen mit der Deutschen Bank und der
KfW einen Fonds gegründet. Zur Begründung hieß es
unter anderem, dass man dort keine Ertragsteuer zahlen
müsse und dass das Luxemburger Recht es erlaube, dass
die finanziellen Risiken vor allem von der Bundesregierung getragen werden. Im Klartext heißt das: Bei Verlusten des Fonds zahlt nicht nur die Deutsche Bank, sondern zahlen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.
Meine Damen und Herren, es wird weiter Vertrauen in
die Politik zerstört, wenn wir nicht schnellstens handeln.
Eigentlich müssten wir uns doch alle einig sein - so
habe ich das jetzt den Reden entnommen -: Solche Steuermodelle wie die in Luxemburg darf es nicht geben.
Wir müssen dringend für mehr Transparenz bei der Unternehmensbesteuerung sorgen. Wir müssen gegen den
schädlichen Steuerwettbewerb, der zwischen den Staaten
betrieben wird, vorgehen. Wir müssen dafür sorgen, dass
Steuern grundsätzlich da gezahlt werden, wo auch die
Wertschöpfung stattfindet.
({1})
Uns allen muss bewusst sein, dass es in der Verantwortung des Gesetzgebers liegt, Rahmenbedingungen zu
schaffen, die solche dreisten Vorgehensweisen wie bei
den Luxemburger Steuermodellen ausschließen. Sie haben vorhin gefragt: Was schlägt die Linke vor? Die Fraktion Die Linke hat schon vor vielen Jahren vorgeschlagen, eine generelle Anzeige- und Registrierungspflicht
für Steuergestaltungsmodelle zu schaffen. Das haben Sie
hier abgelehnt. Wären Eon und die Deutsche Bank schon
damals gezwungen gewesen, ihr Luxemburger Modell
anzuzeigen, hätten wir als Gesetzgeber schon deutlich
früher darauf reagieren können und dem Staat wären
möglicherweise erheblich weniger Verluste entstanden.
({2})
Meine Damen und Herren von der Bundesregierung,
Sie müssen sich an dieser Stelle schon die Frage gefallen
lassen, welche einzelnen Kenntnisse Sie zu welchem
Zeitpunkt über diese Steuermodelle hatten. Sie müssen
sich außerdem dazu erklären, was Sie zur Bekämpfung
dieser konkreten Steuergestaltungen tun wollen, und Sie
müssen vor allem zur Rolle des EU-Kommissionspräsidenten endlich eindeutig Stellung beziehen.
Kommen wir daher zu Jean-Claude Juncker. Seit kurzem ist der Mann Präsident der EU-Kommission. Wir erinnern uns, dass die Bundeskanzlerin letztlich einen entscheidenden Anteil daran hatte. Zuvor war Juncker über
20 Jahre lang Finanz- und Premierminister Luxemburgs
und zeitweilig noch Vorsitzender der Euro-Gruppe - das
alles zu einer Zeit, in der auch die Luxemburger Steuermodelle etabliert wurden. Meine Damen und Herren, bei
allem Respekt: Es ist doch absurd, anzunehmen, dass
Juncker von alledem nichts gewusst hat.
({3})
Es würde schon von großer Inkompetenz zeugen, wenn
ein Finanzminister 20 Jahre lang nicht mitbekommt, was
in seinem Haus passiert, zumal Luxemburg nicht gerade
unübersichtlich ist.
({4})
Viel wahrscheinlicher ist also, dass Juncker durchaus
Kenntnis von den nun aufgedeckten Steuermodellen
hatte. Dann müssen wir uns aber fragen, ob so jemand
der Richtige für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten ist.
({5})
Wenn die EU-Kommission die Aufgabe hat, gerade gegen solche Steuervermeidungsstrategien vorzugehen, dann
hätte man tatsächlich - darauf hat mein Kollege Ernst
hingewiesen - den Bock zum Gärtner gemacht.
Eine Sache noch zuletzt: Herr Juncker wird verschiedentlich unter Hinweis auf die Unschuldsvermutung in
Schutz genommen, so zum Beispiel seitens des CSUAbgeordneten Ferber im Europaparlament. Der EU-Kommissionspräsident ist aber nicht Angeklagter in einem
Strafverfahren, für den dann selbstverständlich die Unschuldsvermutung zu gelten hätte. Hier geht es vielmehr um politische Verantwortung - ich komme zum
Schluss -, und genau diese muss Herr Juncker für die in
seiner Amtszeit etablierten Luxemburger Steuermodelle
übernehmen.
Vielen Dank.
({6})
Vielen Dank. - Für die Bundesregierung erhält jetzt
das Wort der Parlamentarische Staatssekretär Steffen
Kampeter.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren!
({0})
Ja, es ist richtig: Diese Aktuelle Stunde tut not.
({1})
Sie tut not, weil die Rede des ersten Abgeordneten von
der Linken gezeigt hat, dass er in den letzten fünf Jahren
in der internationalen Steuerpolitik offensichtlich geschlafen hat;
({2})
zumindest hat er keine der Maßnahmen mitbekommen,
die wir als Bundesregierung mit Wolfgang Schäuble angeschoben haben, um die beklagenswerten Missstände
in Teilen Europas zu verändern.
({3})
- Ich weiß nicht, Herr Kollege Ernst, ob Sie mit Ihrem
Porsche gerade zu irgendeiner internationalen Solidaritätskundgebung unterwegs waren,
({4})
als Ecofin und Euro-Gruppe diese Fragen im Detail erörtert haben, und Ihren parlamentarischen Unterrichtungsbedarf ignoriert haben. Deswegen will ich an dieser
Stelle einmal die Position der Bundesregierung erläutern.
Steuergerechtigkeit, Transparenz und Fairness haben
selbstredend auch für internationale Konzerne zu gelten;
dies wird keiner in diesem Hohen Hause infrage stellen.
Diese müssen sich wie alle anderen auch an der Finanzierung der öffentlichen Haushalte beteiligen.
({5})
Es ist ein Prinzip unserer Steuerpolitik, dass unternehmerische Gewinne dort besteuert werden, wo die entsprechenden unternehmerischen Aktivitäten und die tatsächliche Wertschöpfung stattfinden.
({6})
Daran kann überhaupt gar kein Zweifel bestehen, meine
sehr verehrten Damen und Herren. Das war die steuerpolitische Grundlinie der Politik in den letzten Jahren,
und die wird von der Großen Koalition konsequent weiterverfolgt.
({7})
Der Kollege Middelberg hat darauf hingewiesen, dass
wir zwischen illegalen und möglicherweise illegitimen
Steuerpraktiken unterscheiden müssen. Es bleibt aber
richtig, dass wir die Dinge nur durch internationale Zu6096
sammenarbeit für mehr Fairness und für mehr Transparenz im Steuerbereich in den Griff bekommen. Deswegen will ich an dieser Stelle einmal hervorheben, was
den Kollegen der Linken offensichtlich entgangen ist,
nämlich dass wir vor kurzem was den internationalen Informationsaustausch angeht hier ein Treffen von mehr
als 50 Finanzministern hatten, die eine Erklärung unterzeichnet haben, nach der wir in diesen Steuerfragen zukünftig kooperieren und Transparenz schaffen. Das ist
ein grundlegender Qualitätsfortschritt. Das ist eine epochemachende Veränderung.
Ich habe ja das Beispiel mit der Kavallerie nicht angesprochen; das war ein Kollege unseres Koalitionspartners.
({8})
Die Pferde sind in dieser Frage lange auf der Rennbahn
gewesen,
({9})
und mit der Unterzeichnung des automatischen Informationsaustausches sind sie durch die Ziellinie gelaufen.
Das ist ein Quantensprung für mehr Fairness in der Besteuerung.
({10})
- Ihre Aufregung zeigt mir eigentlich nur, dass Sie offensichtlich wirklich gepennt haben.
({11})
Netter oder auch anders kann ich es nicht beschreiben,
wenn Sie ignorieren, dass ein Tatbestand, den Sie hier zu
Recht beklagen,
({12})
schon seit vielen Jahren von der Politik adressiert wird.
({13})
Manchmal ist der Fortschritt schneller, und manchmal ist
der Fortschritt langsamer. Die Richtung stimmt, und der
automatische Informationsaustausch ist ein wichtiger
Bereich.
Der zweite Punkt: die BEPS-Initiative. Das klingt wie
ein Gummibärchen. Dabei geht es aber um nichts anderes, als das Problem zu adressieren, dass internationale
Konzerne Gewinne nicht dort versteuern, wo sie entstehen, sondern sie dorthin verschieben, wo sie präferenziell besonders privilegiert sind. Deswegen war es richtig, dass Wolfgang Schäuble nicht nur mit nationaler
Gesetzgebung etwas tut, sondern gemeinsam mit dem
britischen Finanzminister - Sie haben ja freundlicherweise darauf hingewiesen, Herr Kollege - Staaten eingeladen hat, dieses Problem in internationaler Kooperation
anzugehen. Es ist nämlich unanständig, wenn man Gewinne nicht dort versteuert, wo sie entstehen, sondern sie
verlagert
({14})
und das Gemeinwesen damit um die Erträgnisse der
Wertschöpfung bringt. Aber anstatt es zu ignorieren, wie
Sie es in der Diskussion getan haben,
({15})
sind wir jetzt nicht nur national, sondern auch auf
OECD-Ebene und G-20-Ebene auf dem Weg, Grundprinzipien fairer Konzernbesteuerung voranzutreiben.
Wenn wir damit zu einem Ende gekommen sind, wird
das ein weiterer wichtiger Quantensprung in der internationalen Steuerpolitik zu mehr Fairness und Gerechtigkeit bei der Besteuerung von Konzernen sein. Das ist gut
und richtig so.
Das findet - ich will das an dieser Stelle auch einmal
hervorheben - ja über die Grenzen der Koalition breite
Anerkennung. Das, was zum Beispiel von den Grünen
im Europaparlament zu dieser internationalen Kooperation zu hören ist, ist zumindest wesentlich freundlicher
und anerkennenswerter als das, was der Kollege Schick
hier im Hohen Hause vorgetragen hat. Die Richtung
stimmt auch in diesem Punkt. BEPS ist ein großes Projekt von Wolfgang Schäuble.
({16})
Drittens. Es gibt eine weitere Sache - nicht, dass Sie,
Herr Kollege Ernst sagen: Das habe ich noch nie gehört -,
nämlich die sogenannten Patentboxen. Hier geht es um
die Frage, wie man gewisse Dinge steuerlich präferenziell berücksichtigt. Da ist in dieser Woche zwischen
Großbritannien und Deutschland ähnlich wie bei der
BEPS-Kooperation eine wichtige Einigung erzielt worden, nämlich so etwas nur da zu privilegieren, wo auch
die tatsächliche Wertschöpfung stattfindet. Wenn wir
dieses Projekt, das wir vorantreiben, in der nächsten Zeit
zu einem Abschluss bringen, bedeutet dies einen weiteren, einen dritten wichtigen Quantensprung für mehr
Fairness bei der Besteuerung im internationalen Kontext.
({17})
Es ist vorhin schon einmal durch Zwischenruf darauf
hingewiesen worden - möglicherweise auch von Ihnen,
Frau Kollegin Paus -, dass das eine Sache ist, die nicht
von heute auf morgen geht. Ich will aber an dieser Stelle
dem Eindruck entgegentreten, wir wären erst durch die
dankenswerte Veröffentlichung weniger Journalisten
aufgeweckt worden;
({18})
vielmehr haben wir das Problem im Ecofin, in der EuroGruppe, in der OECD, auf G-5-, auf G-7- und auf G-20Ebene adressiert und sind weitere große Schritte vorangekommen. Wir werden in diesem Eintreten für eine
faire Besteuerung nicht nachlassen, meine sehr verehrten
Damen und Herren. Daran wird sich auch die Große Koalition messen lassen können.
({19})
Es geht auch um so kleine Dinge, wie zum Beispiel,
dass man sich jetzt über einen Verhaltenskodex auf europäischer Ebene unterhält, dass die Grenze zwischen Legalität und Legitimität mit Verhaltensregeln schärfer formuliert wird,
({20})
dass wir auch in vielen anderen Bereichen zu Vereinfachungen kommen müssen; denn ein transparentes System kann auch ein einfaches System sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies sind
wichtige Dinge, bei denen die Große Koalition
Wolfgang Schäuble weiter unterstützen wird. Ich kann
Ihnen nur sagen: Wir lassen uns in diesem Projekt von
keinem überholen. Wir sind Treiber der Entwicklung.
Die Große Koalition sorgt für mehr Steuergerechtigkeit
in Europa und weit darüber hinaus.
({21})
Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion hat jetzt
Andreas Schwarz das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der vergangenen Woche haben wir an dieser Stelle über die Fortschritte im internationalen Datenaustausch und die Verschärfungen bei der strafbefreienden Selbstanzeige
gesprochen. Es ist gut, dass wir uns gemeinsam darüber
Gedanken machen, wie wir Steuerbetrug und Steuervermeidung - auch legale - unterbinden wollen. Unser gemeinsames Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass den staatlichen Ebenen die ihnen zustehenden Haushaltsmittel für
Haushaltskonsolidierung und Zukunftsinvestitionen zufließen. Umso verständnisloser waren wir, als am vergangenen Donnerstag öffentlich wurde, dass Luxemburg
offenbar jahrelang eine äußerst befremdliche Steuergestaltung als Standortpolitik betrieben hat.
Wie kann es sein, dass ein Land wie Luxemburg über
Jahre hinweg unter Beauftragung einer Beratungsfirma
Steuersparmodelle entwickeln ließ, die jeden fairen
Steuerwettbewerb ad absurdum führen? Wir haben nicht
vergessen, was Jean-Claude Juncker als Spitzenkandidat
der Europäischen Volkspartei im März 2014 im Spiegel
antwortete, als ihn Martin Schulz zu mehr Transparenz
aufforderte. Ich zitiere:
Wir haben … unter meinem Vorsitz 1997 beschlossen, die Zinssteuern in Europa zu harmonisieren.
Wir haben einen Kodex gegen unfairen Steuerwettbewerb aufgestellt. Es ist eine Mär, dass es in
Luxemburg im Unternehmensteuerrecht Sonderregelungen gibt.
({0})
Der Vorwurf der französischen Sozialisten, ich
hätte aktiv Steuerflucht gefördert, ist eine unerhörte
Attacke auf mein Land und auf meine Person. Ich
werde mir das nicht bieten lassen.
Meine Kolleginnen und Kollegen, das muss jetzt lückenlos aufgeklärt werden. Ganz besonders interessiert
uns dabei natürlich die Rolle des heutigen EU-Kommissionspräsidenten bei der Ausgestaltung dieser Steuerdeals.
({1})
Wir fordern deshalb die neue Kommission auf, sich um
die Aufklärung dieser skandalösen Enthüllungen zu
kümmern und umgehend zu reagieren. Im Sinne der
Bürgerinnen und Bürger wäre es sinnvoll, wenn die
Kommission nun eine umfangreiche Gesetzesinitiative
zum Kampf gegen Steuervermeidung vorlegt. Dieser
ruinöse Steuerwettbewerb, wie er von Luxemburg betrieben wurde - übrigens nicht nur von Luxemburg -,
muss jetzt endlich aufhören.
({2})
Die Steueroasen, auch in Europa, müssen endlich trockengelegt werden; denn Hilfe beim legalen Steuerbetrug schadet uns allen.
Wir begrüßen in diesem Zusammenhang die jüngsten
Äußerungen des luxemburgischen Finanzministers, der
das Vorgehen seines Landes zwar legal, aber zugleich
ethisch und moralisch nicht vertretbar findet. Er fügte
hinzu - ich zitiere -:
Da muss etwas dagegen gemacht werden, das kann
aber nur international gemacht werden.
Unabhängig davon, dass wir da Luxemburg auch auf
nationaler Ebene in der Pflicht sehen, unterstreicht die
Aufdeckung des Falles Luxemburg die Dringlichkeit
der Bemühungen der Bundesregierung, auf nationaler,
europäischer und globaler Ebene gegen Steuerbetrug
und -vermeidung vorzugehen.
({3})
Übrigens: Die gleiche Beratungsfirma, PricewaterhouseCoopers, die offenbar im Auftrag Luxemburgs
diese überaus fragwürdigen, schädlichen und skandalösen Steuersparmodelle entwickelt hat, hat im August
dieses Jahres in einem Papier Länder und Kommunen zu
intensiveren Sparanstrengungen aufgefordert. Natürlich
müssen Länder und Kommunen sparen; aber sich das
von Leuten erklären lassen zu müssen, die mit dafür sorgen, dass genau diesen Ländern und Kommunen durch
Steuertricksereien Milliarden an Steuereinnahmen verloren gehen, geht dann doch ein bisschen zu weit.
({4})
Da ist die Grenze zur Doppelmoral weit überschritten.
Wenn alle, Privatpersonen wie Unternehmen, ihrer Steuerpflicht nachkommen und Unternehmer vor allem da
Steuern zahlen würden, wo sie am Markt tätig sind, dann
müsste die öffentliche Hand nicht ständig sparen, bis es
quietscht, und dringliche Investitionen in die ferne Zukunft verschieben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum
Schluss. Der Fall Luxemburg in seiner ganzen Dimension zeigt, wie viel Arbeit noch vor uns liegt. Wir
werden die Bundesregierung weiter tatkräftig dabei unterstützen, auf allen Ebenen gegen Steuerdumping und -betrug vorzugehen. Maßnahmen zur Bekämpfung und
Vermeidung von Steuerflucht haben für die SPD-Bundestagsfraktion absolute Priorität. Wir werden da nicht
lockerlassen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({5})
Vielen Dank. - Das Wort hat jetzt Dr. Thomas
Gambke, Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren
auf den Zuschauerrängen! Herr Kampeter, eine Sache ärgert mich - das habe ich schon letzte Woche gesagt -:
Vor zwei Jahren haben Sie und die Union dafür gekämpft, dass das Deutsch-Schweizer Steuerabkommen
zustande kommt. Wäre es zustande gekommen, hätte es
die anonyme Amnestie gegeben. Bei einem Treffen von
Mitgliedern des Finanzausschusses - auch Kollegen von
der Union waren dabei - mit Luc Frieden hat dieser klar
gesagt: Wenn ihr das Abkommen mit der Schweiz
schließt - das hätte anonyme Amnestie bedeutet, nicht
automatischen Informationsaustausch; mithilfe der Kollegen von der SPD haben wir das damals Gott sei Dank
verhindert -, dann werden wir einer Erweiterung der
Zinsbesteuerungsrichtlinie nicht zustimmen. - Es wäre
also ein bisschen mehr Bescheidenheit von Ihrer Seite
angebracht.
({0})
Herr Kampeter, Herr Zimmermann, Herr Middelberg,
Herr Michelbach, Sie alle haben von der Bedeutung von
BEPS, von fairem Steuerwettbewerb und vom unsolidarischen Verhalten kleiner Länder gesprochen. Aber Sie
müssen doch auch einmal konkret werden und Maßnahmen benennen. Der Finanzminister von Hessen hat die
Einführung einer sogenannten Lizenzschranke verlangt,
die dann greift, wenn im Empfängerland nicht eine Mindestbesteuerung von 25 Prozent erfolgt. Das ist ein konkreter Vorschlag, der allerdings aus wohl guten Gründen
zurückgewiesen worden ist. Ich fordere Sie auf: Machen
Sie einen konkreten Vorschlag, nennen Sie Zahlen! Wir
sagen: Unternehmen müssen einschließlich aller Lizenzen und Patente mit mindestens 15 Prozent besteuert
werden. Das müssen wir in den Fokus rücken.
Sie müssen bekennen: Was meinen Sie denn damit,
wenn Sie sagen, dass unfairer Steuerwettbewerb bekämpft werden soll? Man muss Zahlen nennen. Man
muss sich konkrete Ziele setzen, aber darf nicht nur nebulös sagen: Wir wollen einen fairen Steuerwettbewerb.
Den gibt es nämlich nur dann, wenn wir einen entsprechenden gesetzlichen Rahmen setzen, und das müssen
wir tun.
({1})
Die Lizenz- und Patentbox gibt es nicht nur in
Luxemburg, in den Niederlanden und auf Malta; sie wird
jetzt auch in Irland eingeführt. Irland hat zugesagt, eines
der größten Loopholes, eines der größten Steuerschlupflöcher, den Double Irish, zu stopfen. Aber was hat es gemacht? Es kündigt eine Lizenzbox an. Alle Steuerberater
und auch die Steuerexperten der großen Konzerne sagen
mir ganz klar: Solange es große Gefälle in der Besteuerung gibt - und eine Lizenzbox mit einer Besteuerung
von 5 Prozent ist ein Riesengefälle -, werdet ihr Steuergestaltung haben. - Wenn sie das jetzt zusammen mit
England und auch Deutschland einführen, dann werden
weiterhin Steuerschlupflöcher existieren. Es wird immer
noch Steuergestaltung geben, und das ist nicht tragbar.
({2})
Als Mittelstandsbeauftragter meiner Fraktion bekomme ich die Meinung des Mittelstandes mit, der diese
Möglichkeiten nicht hat. Er wird keine verminderten
Steuersätze nutzen können, weil er außer dem eigenen
Know-how keine Patenteinnahmen zu verwerten hat.
Mittelständische Unternehmen werden gegenüber den
Konzernen schlechter gestellt. Ein böser Satz des Mittelstandes lautet: Die großen Konzerne brauchen die Steuernachlässe, weil sie ineffizienter sind. Wir im Mittelstand sind effizient, aber wir müssen die Steuerlast
tragen. - Das ist nicht tragbar.
({3})
Es wurde auf die Rolle der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften - ich will nicht nur die eine nennen eingegangen. Wir müssen uns fragen, ob da wirklich auf
Augenhöhe verhandelt wird. Ich habe heute Morgen
schon im Finanzausschuss gesagt: Wir können Gruppenanfragen machen. - Warum wird das nicht gemacht? Ich
habe nachgefragt. Der Finanzminister antwortete mir:
Wir müssen das mit den Ländern abstimmen. - Schon
seit zwei Jahren könnten Sie Gruppenanfragen machen.
Das heißt, Sie könnten im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen Finanzbehörden in anderen Ländern
fragen - ganz allgemein, Sie brauchen gar keinen konkreten Fall -: Was ist denn da los? - Sie tun das aber
nicht und sagen: Wir müssen das erst mit den Länderfinanzbehörden abstimmen.
Wir haben den Vorschlag gemacht, eine Large Tax
Payer Unit als eine Art Bundesbehörde - wie auch immer sie das organisatorisch machen wollen - einzurichten, um die Schwierigkeit, die wir in Deutschland durch
die verschiedenen Landesbehörden haben - sie arbeiten
nicht immer gut zusammen, es gibt unterschiedliche
Software, möglicherweise andere kommunikative Probleme -, anzugehen.
Gehen Sie das Thema an und richten Sie endlich eine
Bundessteuerbehörde ein, die das leisten kann, was Sie
verlangen, die auf Augenhöhe mit den großen Konzernen verhandeln kann.
Vielen Dank.
({4})
Vielen Dank. - Das Wort hat jetzt Olav Gutting,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Luxemburg und andere bekannte Staaten haben in den
letzten Jahren, ja Jahrzehnten immer wieder Steuergestaltungs- und Steuervermeidungsmodelle angeboten.
Das haben wir geahnt. Wir haben es vermutet, teilweise
sogar gewusst. Also ist das Ganze hier keine Sensation.
Eine Sensation aber ist, dass es jetzt zu gelingen
scheint, dem Unwesen der internationalen Steuervermeidungsstrategien peu à peu einen Riegel vorzuschieben.
({0})
Und dieser Fortschritt hat einen Namen: Wolfgang
Schäuble.
({1})
Dass es die BEPS-Initiative der OECD gibt, ist ein ganz
wesentlicher Erfolg von Wolfgang Schäuble, zusammen
mit dem britischen Finanzminister.
Vor wenigen Tagen haben wir hier in Berlin im Rahmen der Berlin Tax Conference mit 51 Staaten Abkommen zum automatischen Informationsaustausch in Steuersachen geschlossen. Das ist die Sensation. Dass es
gelungen ist, zum Beispiel die Schweiz von der Notwendigkeit einer solchen Vereinbarung zu überzeugen, ganz
ohne Kavallerie,
({2})
und dass es gelungen ist, Irland von der Abkehr vom
Double-Irish-Prinzip zu überzeugen, das sind die wichtigen Meldungen dieser Tage. Das ist ein großer Erfolg.
({3})
Wissen Sie, es muss einen ja nicht verwundern, wenn
Unternehmen alle Möglichkeiten zum Steuersparen nutzen.
({4})
Damit verhalten sie sich im Wesentlichen nicht anders
als die meisten Privaten in diesem Land auch. In Ordnung ist das aber nicht, und das müssen wir unseren
Nachbarn sagen, den Niederlanden, Luxemburg, der
Schweiz und vielen anderen: Liebe Freunde, alles, was
legal ist, ist noch lange nicht legitim.
Jetzt gilt es, den Blick nach vorne zu richten. Luxemburg hat sich hinsichtlich der Weitergabe von Informationen bisher nicht sonderlich kooperativ verhalten. Das
wird jetzt zum Lackmustest für die Europäische Kommission. Ich erwarte, dass das eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren gegen Luxemburg jetzt konsequent
durchgezogen wird.
({5})
Ich erwarte, dass die Europäische Kommission ohne
weitere Zeitverzögerungen - jetzt im Galopp - die für
die beihilferechtlichen Prüfungen der Besteuerung von
Unternehmen notwendigen Informationen von
Luxemburg, aber auch von allen anderen betroffenen
Ländern erhält.
Der angestrebte Austausch und die gegenseitige Information über die sogenannten Rulings - wir haben das
vorhin schon gehört - ist ein ganz zentraler Bestandteil
der BEPS-Initiative. Unsere Bundesregierung ist der
Motor in Europa. Sie wird sich, Herr Kollege Gambke,
in wenigen Tagen in Brisbane beim G-20-Gipfel in Australien dafür einsetzen, dass die Arbeiten der OECD zum
BEPS-Projekt bereits 2015 abgeschlossen werden. Das
bedeutet ganz konkret, Herr Kollege, eine länderspezifische Berichterstattung. Das bedeutet Überprüfung der
Tax Rulings durch die Kommission. Das bedeutet eine
Beschleunigung der Verfahren gegen Luxemburg, die
Niederlande, Malta, Gibraltar und Irland. Das bedeutet
auch eine Pflicht zur Meldung von Steuergestaltungsmodellen. Das erste Mal seit vielen, vielen Jahren gibt es
jetzt Fortschritte nicht nur im Kampf gegen Steuerhinterziehung, sondern auch im Kampf gegen Steuervermeidungsmodelle.
Ich bin bereits seit einigen Jahren in diesem Haus mit
Finanzpolitik befasst. Ich kann mich noch gut an die vielen Debatten erinnern, in denen wir darüber geredet haben, wie wir Steuergestaltungsmodelle im internationalen Bereich verhindern können. Ich kann mich gut
erinnern, dass das politische Handeln in der Regel auf
der Strecke blieb. Mit Wolfgang Schäuble als Finanzminister hat sich dies wohltuend geändert. Es ist nicht
nur so, dass wir im nächsten Jahr zum ersten Mal seit
über 40 Jahren eine schwarze Null im Haushalt schreiben, sondern auch so, dass allein die Zahl der während
der Amtszeit von Wolfgang Schäuble abgeschlossenen
OECD-Abkommen Bände spricht: weit über 50. Das,
meine Damen und Herren, bedeutet mehr Steuergerechtigkeit - gerade auch für unsere Mittelständler bzw. Familienunternehmen, die nicht irgendwelche Rulings, Abkommen oder Tax Deals mit Luxemburg abschließen
können, sondern in Deutschland wirtschaften und hier
sauber ihre Steuern bezahlen.
({6})
Unser Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble
kämpft erfolgreich gegen diese Steuervermeidungsmodelle auf internationaler Ebene. Es gibt einen teilweise
ruinösen Steuerwettbewerb unter den Staaten. Das zu
überwinden, darum geht es jetzt. Es gibt große Widerstände. Wir sollten in unser aller Interesse Wolfgang
Schäuble, unseren Finanzminister, bei diesem gemeinsamen Kampf unterstützen.
({7})
Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der
Kollege Lothar Binding.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte erst etwas
Gutes über das BMF sagen. Es hat nämlich mit der Einrichtung einer Arbeitsgruppe sehr schnell reagiert, um
die neuen Erkenntnisse hinsichtlich der deutschen Unternehmen zu untersuchen. Das war sehr gut. Allerdings
denke ich, dass wir diese Aktivitäten von Herrn
Schäuble nicht überhöht darstellen können. Denn man
muss schon sagen: Der lange Kampf um bilaterale Abkommen hat eigentlich die Bemühungen um internationale Abkommen untergraben. Das war keine gute Entwicklung.
({0})
Im Finanzausschuss haben wir schon lange Vermutungen angestellt. Ich weiß, dass sich Joachim Poß seit
15 Jahren kritisch mit den Luxemburger Verhältnissen
auseinandersetzt. Auch haben wir viel gemacht. Wir haben die Steuerhinterziehung bekämpft und für die Abschaffung bzw. das Schließen von Steuerschlupflöchern
gekämpft. Unsere Aktivitäten münden jetzt in BEPS.
Und doch ist viel hinter unserem Rücken passiert.
Mich erschreckt, wie wenig wir wirklich gewusst vermutet haben wir etwas - haben. Das gilt auch - was
uns zu denken gibt - für den Ecofin-Rat. Ebenfalls gilt
es für die Linke, die auch nichts gewusst hat. Deshalb
sollte sie jetzt nicht simulieren und so tun, als habe sie
mehr Informationen verfügbar.
({1})
Deshalb müssen sich unsere Arbeitsabläufe ändern. Der
Ecofin-Rat muss mehr wissen. Seine Vertreter müssen
im Ausschuss mehr sagen, und die Parlamente müssen
besser informiert werden.
({2})
Deshalb bin ich dem ICIJ sehr dankbar, dass er diese
Untersuchungen aufgenommen, die Whistleblower-Informationen verwertet und von der Vermutung über den
Beweis zur Erkenntnis gekommen ist. Das gibt uns in
der Politik eine völlig andere Handhabe. Davon wollen
wir dann auch Gebrauch machen.
Wir sehen, dass es bei gut beratenen internationalen
Konzernen absurde Steuergestaltungen gab. Es gab Konstruktionen, die dazu führten, dass für Milliardengewinne unter 1 Prozent Steuern gezahlt wurden. Das ist
international zu ächten. Wir glauben, dass es ein wirklich schwerer Fehler war - es widerspricht auch den Eindrücken, die man hatte -, dass Luxemburg so etwas ganz
offiziell genehmigt hat.
Wir haben so lange Vertrauen in die Finanzverwaltungen und in Regierungschefs, in Finanzminister und in
die Expertise der Big Four, bis es enttäuscht oder zerstört
wird. Dann ist aber auch Schluss damit.
Ich hoffe sehr, dass sich Jean-Claude Juncker nun als
vertrauenswürdiger Präsident erweist. Er hat auf bestimmten Gebieten eine ganz besondere Expertise erlangt. Mit dieser Expertise kann er all das, was wir heute
kritisieren, erfolgreich bekämpfen. Ich glaube, daran
sollten wir künftig seine Arbeit messen; denn ein guter
Europäer kann sich besonders im Amt des Kommissionspräsidenten beweisen. Wo sonst könnte er es besser
als dort?
({3})
Er muss jetzt handeln, aufklären und korrigieren. Ich
glaube, es darf nicht so bleiben, wie es jetzt ist. Gespannt
bin ich, ob Jean-Claude Juncker das für sich selbst hinbekommt.
Wir haben schon viel von Tax Rulings gehört. Das bedeutet, dass die Luxemburger Steuerbehörde den Unternehmen mitteilt, welche Steuerlast auf sie zukommt. Sie
müssen sich einen internationalen Konzern mit Milliardenumsätzen und einem vermuteten Gewinn von Hunderten Millionen Euro vorstellen. Der bekommt dann
plötzlich einen Bescheid oder - so würden wir es
sagen - eine verbindliche Auskunft, obwohl das nichts
mit Tax Rulings zu tun hat. Jedenfalls bekommt er die
Zusicherung, dass man davon ausgeht, dass - ohne Berücksichtigung des Ertrags - 6 bis 7 Millionen Euro
Steuern anfallen. Das heißt, eine Steuer wird gewinnunabhängig zugebilligt. Dieser Widerspruch kann rational
gar nicht aufgelöst werden. Da muss unbedingt sehr viel
passieren.
Ich bin auch gespannt, ob die Luxemburger ihre Gesetze nun hinreichend schnell ändern. Denn das war ja in
Luxemburg rechtsförmlich. Da muss jetzt etwas passieren. Wir können es bei Appellen belassen, aber die Frage
ist: Was passiert da eigentlich rechtsförmlich in bestimmten Staaten, auch in Großherzogtümern? Schließlich wollen wir nicht ständig über Amazon, Fiat usw. reden. Es geht darum, welche Modelle - auch von der
KPMG entwickelt - in Luxemburg legal akzeptiert werden. Deshalb haben wir die Anforderung an andere Länder, diesen Steuerwettbewerb endlich zu beenden.
({4})
Das Besondere ist, dass diese Steuervereinbarungen
entlang dieser Tax Rulings auf Annahmen beruhen, die
nicht überprüft werden. Was ist das eigentlich für ein
Rechtssystem, dass eine Steuerbehörde etwas annimmt,
nicht überprüft, ob es überhaupt der Richtigkeit entLothar Binding ({5})
spricht oder gar irgendwie wirklichkeitsnah ist, und daraufhin etwas ausgibt, das wir schon beinahe Steuerbescheid nennen würden, also sozusagen einen
Steuerbescheid im Voraus? Das ist eine völlig absurde
Welt.
Ich muss ehrlich sagen, dass wir uns das so nicht haben vorstellen können. Es mag ja sein, dass andere das
alles gewusst haben. Wir haben Vermutungen angestellt,
aber das Wissen erst heute erlangt. Wir glauben, dass wir
auf der Basis dessen, was wir heute wissen, bezogen auf
die Anforderungen an die Gesetzgebung auch in anderen
Ländern sehr viel klügere Europapolitik machen können
als bisher. Insofern sind wir seit heute auf einem besseren Weg.
({6})
Vielen Dank. - Nächster Redner ist Jürgen Hardt,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es ist an der Zeit, der Fraktion Die Linke dafür zu danken, dass sie uns heute die Gelegenheit gibt, hier die
wirklichen und wahrhaftigen Fortschritte mit Blick auf
die Politik für mehr Steuergerechtigkeit darzulegen.
({0})
Diese Debatte ist auch eine Gelegenheit, deutlich zu machen, dass Europa, dass die Europäische Union einen
wesentlichen Schlüssel zur Lösung von Steuerungerechtigkeit für Unternehmen und für Privatleute auf der Welt
darstellt. Denn die Europäische Union ist genauso wie
die OECD eines der großen beiden Felder, auf denen wir
mehr Steuergerechtigkeit erreichen können. Die deutsche Bundesregierung ist dort im Driver’s Seat, wie man
so schön sagt, sie ist eine der zentralen treibenden
Kräfte. Nicht umsonst hat die BEPS-Konferenz hier in
Berlin stattgefunden. Dort ist das MCAA-Abkommen
geschlossen worden, nach dem zukünftig Daten ausgetauscht werden sollen.
Steuerhinterziehung durch international geschickte
Platzierung von Gewinnen wird schwieriger denn je. Ich
freue mich auch, dass der Bundesfinanzminister gestern
in einem Brief an den Kommissar Moscovici gefordert
hat, dass die Europäische Union mehr Transparenz bei
den Regeln, bei diesen Rulings, also bei der Ausgestaltung von entsprechenden Steuergestaltungsmöglichkeiten, in den Mitgliedstaaten verlangt. Ich freue mich, dass
der Präsident der Europäischen Kommission, JeanClaude Juncker, vor wenigen Minuten bekannt gegeben
hat, dass seine Kommission eine entsprechende Richtlinienüberarbeitung vorbereitet, nach der es zukünftig notwendig wird, dass ein Land, das unter bestimmten Voraussetzungen entsprechende Steuernachlässe gewährt,
die Regeln, nach denen das erfolgt, und die Tatsache,
dass es erfolgt, den anderen Mitgliedstaaten meldet, sodass die Finanzbehörden der betroffenen Länder entsprechend reagieren können.
Es ist ja schon ein Ärgernis; das möchte ich ganz klar
sagen. Wenn man in Luxemburg durch die Unterstadt
Grund läuft, marschiert man an einem schönen Bürogebäude vorbei. Viele von Ihnen kennen es, weil es an
einem der Wege liegt, die man entlanggeht, wenn man
sich das schöne Luxemburg anschaut. Dort befindet sich
eine Büroetage, in der auch ein paar Leute arbeiten. An
der Tür ist ein Schild, das besagt, dass sich dort die
Europazentrale eines der größten Internetversandhandelsunternehmen der Welt befindet. Dass dort nicht das
Geschäft abgewickelt wird, das das Unternehmen tatsächlich repräsentiert, ist klar.
Es gilt auch die Regel, dass zwar jeder seinen Unternehmenssitz wählen kann, wo er will, aber dass er natürlich dort Steuern zu zahlen hat, wo der Aufwand stattfindet. Die mittelständischen Unternehmen wie die großen
Unternehmen in Deutschland wissen, dass sie, wenn sie
Zinsen für vom Mutterkonzern in einem anderen Land
geliehenes Geld zahlen oder wenn sie ganz konkret für
Lizenzen zahlen müssen oder wenn sie Fabrikabgabepreise für Unternehmen im Ausland haben, die ihre Güter vertreiben, sehr gut aufpassen müssen, dass sie realistische, marktübliche Werte ansetzen und dass sie auf
diese Weise nicht Gewinne in Länder verschieben, in denen die Zinsen niedriger sind. Ich habe Vertrauen in die
deutsche Finanzverwaltung, dass das auch in hohem
Maße so stattfindet.
Mit Blick auf das, was jetzt in Luxemburg vorgefallen
ist, bin ich erstens sicher, dass die EU-Kommission, die
Kommissarin für Wettbewerb, Frau Vestager, ganz genau hinschauen wird, ob Verstöße gegen EU-Wettbewerbsrecht vorliegen, und dass, wenn hier tatsächlich
das EU-Subventionsrecht verletzt worden ist, eine ungeschönte Rechnung an Luxemburg geschrieben wird.
Ich glaube darüber hinaus, dass die Initiative der
Kommission, zukünftig für Transparenz zu sorgen, ein
wichtiger Schritt ist. Ich glaube aber auch, dass wir den
Steuerwettbewerb insgesamt nicht ausschalten dürfen,
weil er auch ein stabilisierendes, ein disziplinierendes
Instrument für überbordende Staatssteuern ist.
({1})
Aber natürlich müssen die Leitplanken so gestaltet sein,
dass es zu keinen ungerechten Verzerrungen innerhalb
des Steuersystems kommt. Das Belegenheitsprinzip
muss in der gesamten Europäischen Union stärker zur
Anwendung kommen. Das wird uns helfen, dann auch
gerecht zu besteuern.
Es ist eine große Stunde und eine große Chance für
die EU-Finanzpolitiker, auf der Basis dieser Diskussion im Hinblick auf die Rückendeckung der Öffentlichkeit ein Stück weit voranzukommen. Es ist auch
eine große Chance für einzelne Staaten wie zum Beispiel Luxemburg, was die Fähigkeit zur Einsicht angeht,
dass sich im Land etwas ändern muss. Ich glaube, dass
wir aus dieser Diskussion insgesamt viele gute Impulse
mitnehmen werden.
Herzlichen Dank.
({2})
Vielen Dank. - Nächste Rednerin ist Margaret Horb,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Worüber haben wir gerade geredet? Wir diskutierten
über legale, aber aggressive Steuervermeidungsmodelle
von Unternehmen im internationalen und nationalen Bereich. In Luxemburg sollen fast 350 Unternehmen sogenannte Tax Rulings genutzt haben, um ihre Steuerlast zu
senken. Tax Rulings sind verbindliche Zusagen einer
Finanzbehörde an ein Unternehmen zur Anwendung des
Steuerrechts, also Verwaltungsentscheidungen. Dass diese
Tax Rulings jedoch der dringenden Prüfung und Transparenz bedürfen, geht aus Dokumenten hervor, die in der
vergangenen Woche veröffentlicht wurden. So weit die
Fakten.
Doch in der aktuellen Debatte geht es um weit mehr
als um Steuergestaltung. Es geht auch um Fairness und
Gerechtigkeit. Es zeichnet eine Marktwirtschaft aus,
dass Unternehmen Gewinne erzielen wollen und miteinander im Wettbewerb stehen. Aber ein funktionierender
Wettbewerb, egal ob national oder international, braucht
Regeln und ein Spielfeld, das niemanden benachteiligt.
Ein Fußballspiel wäre höchst ungerecht, wenn der Fußballplatz an einem Hang liegen würde und eine Mannschaft immer bergauf spielen müsste.
({0})
Das Gleiche muss auch für den Steuerwettbewerb
gelten. Es kann also nicht sein, dass die Global Player
verschiedene nationale Steuerrechte gegeneinander
ausspielen und sich die Regeln aussuchen, nach denen
sie spielen wollen, während die Local Player, also unsere
Mittelständler, Handwerksmeister, Bäcker, Metzger vor
Ort diese Möglichkeit nicht haben. Die können nämlich
keine Tochtergesellschaften auf den Cayman Islands
oder in Luxemburg gründen, und - wahrlich und gottlob das wollen die auch nicht.
({1})
Beim Fußball gelten bei der Weltmeisterschaft auch
keine anderen Regeln als bei den Spielen in der Bezirksliga. Deshalb muss jeder Bürger und jede Bürgerin, jeder
Selbstständige, jeder Gewerbeleistende, jedes Unternehmen, egal ob groß oder klein, nach der steuerlichen Leistungsfähigkeit seinen fairen Beitrag zur Finanzierung
unseres Gemeinwesens leisten. Das ist eine Selbstverständlichkeit und sollte eine Selbstverständlichkeit sein.
({2})
Wenn wir dieses Prinzip nicht durchsetzen, dann
schadet das am Ende uns allen. Wir brauchen die Steuereinnahmen. Wir brauchen sie für unsere Straßen in den
Städten, Gemeinden und Ortschaften. Wir brauchen die
Steuereinnahmen für unsere Kinder, für die Kindergärten, für die Schulen, für die Universitäten, für unser Gesundheitswesen und für vieles mehr.
Es schadet im Übrigen nicht nur dem deutschen Staat,
sondern allen Staaten weltweit, wenn sie sich bei der Besteuerung von Großkonzernen gegeneinander ausspielen
lassen. Aggressive Steuergestaltung können wir in einer
globalisierten Welt nur durch internationale Abstimmung verhindern. Nationale Alleingänge gehören in das
19. Jahrhundert und somit der Vergangenheit an.
({3})
Kaum jemand treibt den Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung so voran wie wir, nicht nur
innerhalb der EU, sondern auch im Rahmen der OECD
und der G 20 weltweit. Daher geht auch mein Dank ganz
besonders an unseren Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang
Schäuble.
({4})
Die Fragen, auf die eine Antwort zu geben ist, sind
komplex und alles andere als trivial: Wie verhindern wir,
dass Betriebsausgaben in zwei Ländern doppelt abgezogen werden? Wie stellen wir sicher, dass Gewinne dort
versteuert werden, wo sie erwirtschaftet werden? Es geht
hier um Verrechnungspreise, hybride Gestaltungen und
um das Zusammenspiel ganz unterschiedlicher internationaler Steuersysteme. Etwas Komplizierteres im Steuerrecht gibt es kaum.
Trotzdem haben wir in unglaublich schneller Zeit
schon erste Ergebnisse erreicht, weitere werden und
müssen folgen. Der G-20-Gipfel am kommenden Wochenende in Brisbane wird gerade bei den Tax Rulings
für mehr Transparenz sorgen. Zum speziellen Fall dieser
Rulings in Luxemburg prüft die Bundesregierung, inwieweit deutsche Unternehmen involviert und betroffen
sind. Auch die EU-Kommission sieht sich die Unterlagen sehr genau an, und das ist gut so. Diese Prüfungen
werden wir abwarten und daraus unsere Konsequenzen
ziehen.
Wir haben in diesem Bereich der Steuerpolitik eine
ganz klare Linie: Steuerhinterziehung verhindern, Steuervermeidung bekämpfen, internationale Abstimmung
mit unseren Partnern, Steuereinnahmen sichern - das
Ganze mit Beharrlichkeit und Konsequenz. Diese Linie
werden wir weiter fahren.
Ich danke Ihnen.
({5})
Vielen Dank, Frau Kollegin Horb. - Die Aktuelle
Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer
heutigen Tagesordnung angekommen.
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 13. November
2014, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen allen
einen hoffentlich nicht zu arbeitsintensiven Restmittwoch.