Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 10/15/2014

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich zur Befragung der Bundesregierung bzw. der sich daran anschließenden Fragestunde und rufe damit auch gleich unseren Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Gesetzentwurf zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf. Das Wort für einen einleitenden fünfminütigen Bericht hat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Frau Manuela Schwesig. ({0})

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich habe zu Beginn der Legislatur die Debatte darüber angestoßen, dass es uns gelingen muss, in Deutschland Arbeitszeiten zu gestalten, die auf die Situation von Familien Rücksicht nehmen, und zwar insbesondere auf die Situation der sogenannten Sandwichgeneration. Diese muss und will einerseits für das eigene Einkommen im Beruf tätig sein. Andererseits will und muss sie für die Kinder da sein und stellt sich gleichzeitig die Frage: Wie geht es mit meinen Eltern weiter, die älter und vielleicht pflegebedürftig werden? Es ist wichtig, dass wir in Deutschland zu Arbeitszeiten kommen, die folgende Phasen im Leben der Familien berücksichtigen: die Phase mit Kindern und die Phase mit pflegebedürftigen Angehörigen. Deshalb habe ich die Debatte um die Familienarbeitszeit angestoßen. Wir haben mit dem ElterngeldPlus den ersten Schritt in diese Richtung gemacht. Ich freue mich sehr, dass Bundesarbeitsministerin Nahles und ich heute im Kabinett einen Gesetzentwurf präsentieren konnten, der die Situation von Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen berücksichtigt. Wir haben, wie gesagt, gemeinsam den Gesetzentwurf zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf vorgelegt. Es geht uns darum, dass Frauen und Männer, die im Berufsleben stehen, nicht dauerhaft aus ihrem Job aussteigen müssen, wenn sie aufgrund von zu leistender Pflege unter Druck geraten. Pflegebedürftige Angehörige können die Kinder, aber auch Eltern, Großeltern oder Geschwister sein. Wir kennen alle Varianten. Wir wissen, dass Menschen mit pflegebedürftigen Angehörigen, die gleichzeitig berufstätig sind, eine Doppelbelastung erfahren und teilweise unter Druck geraten. Oft sind es die Frauen, die diese Last schultern müssen und die dann aus dem Job aussteigen. Damit haben sie keine weiteren Einkommensperspektiven und schlechte Rentenperspektiven. Wir haben uns Gedanken über die Frage gemacht: Wie können wir diese Familien besser unterstützen? Es ist auch kein Zufall, dass dieses Gesetz parallel zur Pflegereform kommt, die hier im Deutschen Bundestag in dieser Woche beraten und sicherlich auch verabschiedet wird. Das hoffe ich, weil es für die Familien dringend erforderlich ist, dass wir die professionellen Angebote in Deutschland verbessern und dass die Menschen, die in der professionellen Pflege arbeiten, bessergestellt werden. Mehr Zeit für Pflege, gute Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen - das sind hier die Stichworte. Hier geht die Große Koalition einen wichtigen Schritt, der durch die Anhebung des Beitrags zur Pflegeversicherung möglich wird. Wir machen parallel mit unserem Gesetzentwurf, den wir jetzt im Kabinett verabschiedet haben, einen weiteren Schritt zur Verbesserung im Pflegebereich. Ich möchte Ihnen die großen Säulen dieses Gesetzentwurfes vorstellen. Erstens: die zehntägige Auszeit für den Akutfall unter Zahlung einer Lohnersatzleistung. Worum geht es? Bleiben wir bei dem Beispiel, dass der Vater einen Schlaganfall hat, ins Krankenhaus kommt und dann entlassen wird. Es stellt sich den Kindern die Frage - der Vater ist schwer angeschlagen, vielleicht pflegebedürftig -: Wie geht es weiter? Wie machen wir das? Es geht nicht darum, den Vater in diesen zehn Tagen wieder gesund zu pflegen. Das ist gar nicht möglich. Es geht darum, den Angehörigen zu ermöglichen, sich über die Vielfalt der Angebote - ambulanter Pflegedienst? Kann der Vater in den eigenen vier Wänden bleiben? Müssen wir über einen Heimplatz nachdenken? Welche finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten gibt es? Welche Möglichkeiten im Beruf habe ich für diese Zeit? - zu informieren, sich zu kümmern und dann die Pflege zu organisieren. Genauso ist es, wenn mein Kind heute krank wird. Auch hier habe ich die Möglichkeit, eine Auszeit von bis zu zehn Tage unter Inanspruchnahme einer Lohnersatzleistung, Kinderkrankengeld, zu nehmen. Das machen wir jetzt auch für Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen. Im Akutfall ist es möglich, unter Inanspruchnahme einer Lohnersatzleistung - das sind bis zu 90 Prozent des Nettolohnes - bis zu zehn Tage Auszeit zu nehmen. Neben der deutlichen finanziellen Unterstützung hat diese Regelung einen hohen symbolischen Wert. Erstmalig wird in diesem Gesetzentwurf geregelt, dass in der Familie pflegebedürftige Angehörige den gleichen Stellenwert haben wie kranke Kinder. Niemand von uns würde anzweifeln, dass man bei einem kranken Kind zehn Tage Lohnersatzleistung bekommt. Das wird künftig auch beim Vorliegen eines Pflegefalls in der Familie möglich sein. Damit senden wir neben der finanziellen Unterstützung das wichtige Signal an die Familien in unserem Land, dass wir sie mit ihren Nöten nicht alleinelassen. Die Kosten für diese zehntägige Auszeit belaufen sich auf 100 Millionen Euro. Diese werden durch die Anhebung des Pflegeversicherungsbeitrages, die Herr Gröhe mit der Pflegereform schon auf den Weg gebracht hat, finanziert. Zweitens. Wir wollen ermöglichen, dass der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, eine längere Zeit voll auszusteigen oder Teilzeit zu arbeiten. Es gibt schon jetzt die Möglichkeit, bis zu sechs Monate Pflegezeit zu nehmen, also reduziert zu arbeiten oder voll auszusteigen. Den damit verbundenen Lohnausfall federn wir zukünftig ab mit der Möglichkeit, ein Darlehen in Anspruch zu nehmen. Es ist möglich, sich im Rahmen dieser Pflegezeit - oder auch außerhalb dieser Zeit - zu entscheiden, in die sogenannte Familienpflegezeit einzusteigen - eine Zeit von bis zu 24 Monaten -, in der man die Arbeitszeit reduzieren kann. - Herr Lammert, Sie schauen mich schon an. Wo sehe ich die Zeit?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ja, ich habe gerade schon vermutet, dass Sie nicht sehen können, dass Ihre Zeit abgelaufen ist. Gemeint ist nicht Ihre Amtszeit, sondern Ihre Redezeit. ({0})

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Danke, dass Sie mir mehr als fünf Minuten Amtszeit zugestehen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Vielleicht lassen sich manche der von Ihnen jetzt noch gedachten Ergänzungen im Zuge der reichlich angemeldeten Nachfragen erledigen.

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Dann runde ich das jetzt ab. Ansonsten wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir sagen, wo ich die restliche Redezeit sehe. Nachher erscheint die Ampel?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Jawohl.

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Gut. - Es gibt die Möglichkeit, nach diesen zehn Tagen in eine längere Auszeit einzusteigen: entweder ein halbes Jahr ganz oder bis zu 24 Monate Teilzeit. In dieser Zeit soll der Lohnausfall durch ein Darlehen abgepuffert werden. Wir haben außerdem den Angehörigenbegriff erweitert und die wichtigen Themenfelder wie schwerkranke Kinder, Begleitung in der letzten Lebensphase berücksichtigt. Das alles sind Punkte, die ich Ihnen gerne in der Fragerunde vorstellen möchte. Das mache ich gemeinsam mit Anette Kramme, die das BMAS vertritt, das an diesem Gesetzentwurf ebenfalls mitgewirkt hat. - Ich freue mich auf die Fragen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Vielen Dank. - Ich habe eine ganze Reihe von Wortmeldungen, die ich, soweit wir sie hier notiert haben, der Reihe nach aufrufe. Ich erteile zunächst der Kollegin Scharfenberg das Wort.

Elisabeth Scharfenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003835, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Ministerin, für Ihre erste Erklärung zum Familienpflegezeitgesetz. Sie haben eben schon angesprochen, dass der Kreis der Berechtigten, die die Familienpflegezeit in Anspruch nehmen können, erweitert werden soll. Familiensysteme verändern sich, Kinder studieren woanders, finden ihren Lebensmittelpunkt woanders, kommen gar nicht mehr an den Wohn- und Lebensort der Eltern zurück. Wenn eine große Distanz zwischen Eltern und Kindern ist, finden sich oft andere Allianzen - Wahlfamilien. Jetzt ist meine Frage: Warum haben Sie den Kreis nicht beispielsweise auch auf nahe Freunde oder Nachbarn erweitert? Denn das entspräche der Lebensrealität, in der viele Menschen leben.

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Vielen Dank. - Wir haben den Angehörigenbegriff auf die Stiefeltern erweitert. Das ist wichtig. Denn für den Vater, der die Familie nach drei Monaten verlassen hat, war es möglich, Pflegezeit in Anspruch zu nehmen; aber für den Stiefvater, der sich die meiste Zeit um die Kinder gekümmert hat, war es nicht möglich. Diese GeBundesministerin Manuela Schwesig rechtigkeitslücke schließen wir mit der Berücksichtigung der Stiefeltern. Wir berücksichtigen außerdem lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften, also homosexuelle Paare, die zwar nicht verpartnert sind, aber zusammenleben. Außerdem werden Schwäger und Schwägerinnen berücksichtigt. Vor dem Hintergrund, dass wir den großen Kreis von Angehörigen, die schon dazugehören - beispielsweise Eltern und Großeltern -, um diejenigen erweitern, die ich eben genannt habe, und wir finanzielle Leistungen bereitstellen - allein die zehntägige Auszeit kostet 100 Millionen Euro -, müssen wir zunächst Erfahrungen mit dem Gesetz sammeln: Wie wird es angenommen? Was kostet es? Wir werden zur Begleitung des Gesetzes einen Beirat einrichten, der uns Feedback geben soll: Wie wird es angenommen? Welche Erweiterungsmöglichkeiten gibt es? Im Rahmen dieses Beirats wollen wir uns auch anschauen: Wie haben sich die Unterstützungspartnerschaften, wie Sie sie eben geschildert haben - Unterstützung durch Nachbarn, durch Freunde -, in unserem Land verändert, und inwiefern müssen wir zukünftig eine Antwort darauf geben? Wir haben es also im Blick.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Ministerin.

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Aber auch vor dem Hintergrund der finanziellen Verantwortung müssen wir Schritt für Schritt vorangehen. Jetzt habe ich die Ampel gesehen, Herr Lammert. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Sehr schön. Das berechtigt zu den schönsten Hoffnungen für die nachfolgenden Fragen und Antworten. Die nächste Frage stellt der Kollege Marcus Weinberg.

Marcus Weinberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003861, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, vielen Dank für die Einführung in die Familienpflegezeit. Ich glaube, das Gesetz ist gesellschaftspolitisch und familienpolitisch richtig; es stellt die Weichen richtig. Nun ist es aber so, dass gute Gesetze für die Familie Auswirkungen auf andere Bereiche haben. Da kommen natürlich die Themen Erwerbstätigkeit und Auswirkungen auf die Arbeitgeber zur Sprache. Da ist meine Frage - auch vor dem Hintergrund der Planbarkeit von Dingen, soweit es überhaupt möglich ist -: Inwieweit sind diese Belastungen - in Anführungszeichen; denn es sind nicht wirklich Belastungen - für die Wirtschaft, für die Arbeitgeber aus Ihrer Sicht gerechtfertigt? Werden die möglichen Auswirkungen überschaubar sein?

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Vielen Dank. Das Gute an dem Gesetz ist: Es entlastet die Familien und die Wirtschaft gleichermaßen. Warum? Erster Punkt. Mit dem Gesetz sorgen wir dafür, dass die Arbeitnehmer, die einen Pflegefall in der Familie haben, eben nicht dauerhaft aus dem Beruf aussteigen und somit als Fachkräfte erhalten bleiben. Von Unternehmen wurde mir auf der Sommerreise berichtet, dass sie große Probleme mit der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege haben. Die Leute stehen unter Druck und steigen dann oft ganz aus oder werden krank. Dadurch ergeben sich hohe Kosten, die auf die Arbeitgeber zukommen. Zweiter Punkt. In der Vergangenheit sollte der Lohnausfall durch den Arbeitgeber gepuffert werden. Das hat kaum einer gemacht: nur 134 Arbeitgeber in ganz Deutschland. Jetzt, mit dem Darlehen, das wir über das Bundesamt für Familie ausreichen, holen wir das finanzielle Risiko sozusagen zu uns, zum Staat, und entlasten den Arbeitgeber. Dritter Punkt. Wir haben außerdem bürokratische Hemmnisse, zum Beispiel beim Kinderkrankengeld - das haben wir gleich mit geregelt -, abgebaut. Der vierte Punkt, der für die Wirtschaft wichtig ist: Es gibt Ankündigungsfristen. Zum Beispiel muss man die lange Familienpflegezeit von bis zu 24 Monaten grundsätzlich 8 Wochen vorher ankündigen, sodass der Arbeitgeber Planungssicherheit hat. - Weil die Lampe jetzt rot leuchtet, habe ich jetzt nicht mehr Zeit, die weiteren Punkte zu nennen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Aber danach fragt jetzt der Kollege Wunderlich. ({0})

Jörn Wunderlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003867, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Ministerin Schwesig, Sie haben gerade unter Bezugnahme auf das Kinderkrankengeld über die zehntägige Auszeit gesprochen. Nun weiß jeder hier im Saal - jedenfalls gehe ich davon aus -, dass diese zehn Tage für kranke Kleinkinder in aller Regel nicht ausreichen. Warum wird dieser Zeitraum von zehn Tagen - in der Hoffnung auf eine Änderung beim Kinderkrankengeld nicht erweitert? Warum hat man den Anspruch nur einmal im Leben und nicht jährlich wie beim Kinderkrankengeld? Wie ist das bei mehreren Angehörigen? Es kann ja sein, dass man - wenn man Glück hat - noch Vater und Mutter hat und beide nacheinander in die Situation kommen, dass man sich um sie kümmern muss.

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Vielen Dank, Herr Wunderlich. - Genau die von Ihnen geschilderte Situation haben wir berücksichtigt. Man hat einen Anspruch für jeden Angehörigen: Ich habe den Anspruch für meinen Vater, für meine Mutter, für meine Großeltern, für jeden Angehörigen. Die Unterstützung wird deshalb nur einmalig gewährt, weil es um den akuten Pflegefall geht; ich habe das eben am Beispiel des Vaters, der einen Schlaganfall erlitten hat, skizziert. Für die längere Phase danach - Sie haben völlig recht: Nach zehn Tagen ist nicht alles im Lot - gibt es die Pflegezeit und die Familienpflegezeit, mit denen die weitere Belastung abgefedert wird. Ein ganz wichtiger Punkt: Das Gesetz setzt nicht darauf, dass die Familien alles alleine machen. Das Gesetz flankiert die Pflegereform, durch die die professionellen Angebote ausgeweitet werden sollen. Was ich sehr gut finde: Wir haben erstmalig die Situation von minderjährigen Kindern, die pflegebedürftig sind, aufgenommen. Zukünftig werden auch die Fälle berücksichtigt, dass die Kinder nicht zu Hause bleiben können, sondern beispielsweise in einer Einrichtung oder im schlimmsten Fall im Hospiz sind.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Yüksel.

Gülistan Yüksel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004448, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Manuela Schwesig, liebe Ministerin, ich wüsste gerne: Ist im Familienpflegezeitgesetz auch eine Härtefallregelung geplant?

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Vielen Dank. - Das haben wir geplant. Man kann für die Pflegezeit und/oder die Familienpflegezeit ein Darlehen in Anspruch nehmen. Falls es Probleme bei der Rückzahlung gibt, haben wir Härtefälle skizziert. Zum Beispiel den Fall, dass diejenigen, die für die Pflege eines bedürftigen Angehörigen aus dem Erwerbsleben aussteigen oder die Arbeitszeit reduzieren, selbst krank werden oder im schlimmsten Fall sogar versterben. Im Todesfall ist es natürlich nicht möglich, das Darlehen zurückzuzahlen; die Darlehensschuld erlischt. Im Krankheitsfall kann das Darlehen gestundet werden. Man zahlt das Darlehen erst zurück, wenn man die Arbeitsfähigkeit wiedererlangt hat. Dieses Risiko tragen jetzt wir und nicht mehr der Arbeitgeber. Wir haben die Wirtschaft, die Arbeitgeber an dieser Stelle ganz klar entlastet. Ich bin dem BMF sehr dankbar, dass wir diesen Weg gefunden haben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Dörner.

Katja Dörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004030, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank für Ihren Bericht. - Frau Ministerin, Sie schreiben explizit, dass mit dem Gesetzesvorhaben auch das Ziel verfolgt wird, mehr Männer, also Väter, Partner und Söhne, in die Pflege einzubinden. In dem Entwurf kann ich, ehrlich gesagt, keine konkreten Maßnahmen erkennen, wie dieses Ziel tatsächlich befördert werden soll. Ich wäre daran interessiert, zu erfahren, wie Sie das tatsächlich umsetzen wollen.

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Vielen Dank, liebe Frau Dörner. - Es ist sehr schön, dass es diese Regierungsbefragung gibt, weil ich so die Gelegenheit habe, das Vorhaben zu erklären. Die Familienpflegezeit und die Pflegezeit sind darauf angelegt, dass mehrere Angehörige die Möglichkeit erhalten, diese zu nutzen. Es ist eben nicht so, dass die Frau beispielsweise für die pflegebedürftige Mutter oder Schwiegermutter dauerhaft aus dem Beruf aussteigen muss - das lastet derzeit häufig auf den Schultern der Frauen; da bin ich völlig bei Ihnen -, sondern außer ihr kann auch ihr Bruder die Familienpflegezeit nehmen, entweder parallel oder nacheinander, so wie es der Fall eben erfordert. Alle Kinder haben die Möglichkeit, diese Zeiten in Anspruch zu nehmen. Das ist das Tolle an diesem Gesetz. Wer mehrere Kinder hat, der profitiert davon, weil sich dann auch mehrere um ihn kümmern können. Das ist der Gedanke der Partnerschaftlichkeit: Nicht einer allein muss sich um den Pflegefall in der Familie kümmern, sondern die ganze Familie kann sich kümmern. Hinzu kommt, dass wir den Angehörigenbegriff erweitert haben. Deshalb ist es zugegebenermaßen auch ein ziemlich umfangreiches Gesetz.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Lezius.

Antje Lezius (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004341, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Vielen Dank, Frau Ministerin, dass Sie uns zur Beantwortung unserer Fragen zur Verfügung stehen. Meine Frage lautet: Wer der Arbeit fern bleibt und die Freistellung in Anspruch nimmt, um zu Hause zu pflegen, erleidet finanzielle Einbußen. Wie werden die Auszeiten zum Zwecke der Pflege finanziell gefördert?

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Zum einen gibt es bei Vorliegen einer Pflegestufe, die ja Voraussetzung ist, Pflegegeld. Dieses Pflegegeld erhält derjenige, der Pflegebedarf hat. Er kann es natürlich auch den Angehörigen geben. Zum anderen ist es möglich, die Differenz zum ursprünglichen Lohn über ein Darlehen besser abzusichern, das wir über das Bundesamt für Familie ausreichen. Diese Darlehensmöglichkeit ist neu. In der Vergangenheit hat man darauf gesetzt, dass der Arbeitgeber einen Lohnvorschuss zahlt, was aber die wenigsten getan haben bzw. die wenigsten machen konnten, weil das ein gewisses Risiko bedeutet hat. Ich weise noch einmal darauf hin, dass man für die zehntägige Auszeit eine Lohnersatzleistung von bis zu 90 Prozent erhält.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Crone.

Petra Crone (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, ganz herzlichen Dank. - Ich finde diese neuen Regelungen wunderbar. Mich interessiert Folgendes: Wie wird das Ministerium die Bürgerinnen und Bürger auf diese neuen Möglichkeiten aufmerksam machen, und wie wird die Beratung erfolgen? Die Frage ist also: Wie kommt man an Informationen?

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Zum einen nutzen wir natürlich die mediale Aufmerksamkeit. Nach meiner Wahrnehmung besteht ein großes Interesse an diesem Thema - das haben wir gerade gestern gesehen -; denn dieses Thema - das wissen wir aus den Umfragen - brennt den Familien auf den Nägeln. Zum anderen werden wir natürlich Öffentlichkeitsarbeit machen. Die Öffentlichkeitsarbeit stoßen wir aber erst dann massiv an, wenn der Gesetzentwurf beschlossen ist - aus Respekt vor den weiteren parlamentarischen Beratungen. Natürlich informieren wir schon jetzt, wenn es Fragen gibt. Nachher setze ich ganz stark auf die Pflegestützpunkte, die natürlich auch über diese Angebote beraten. Wir haben das große Unternehmensnetzwerk „Erfolgsfaktor Familie“, über das die Unternehmen beraten werden. Auch darüber werden entsprechende Angebote unterbreitet. Es wird also verschiedene Informationsmöglichkeiten geben. Deshalb ist die zehntägige Auszeit so wichtig. Besser wäre es natürlich, wenn man sich vor dem Eintritt eines Pflegefalls informiert; aber das entspricht oft nicht der Lebenswirklichkeit. Spätestens während dieser zehntägigen Auszeit kann man sich zum Beispiel beim Pflegestützpunkt schlaumachen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Petzold.

Harald Petzold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004374, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, ich möchte Sie zum Begriff „Angehörige“ befragen. Im Gesetzentwurf vermisse ich die inzwischen in der Gesellschaft anzutreffende Vielfalt bei den Lebensweisen, sprich: eingetragene Lebenspartnerschaften, aber auch andere Formen des Zusammenlebens, die überhaupt noch nicht institutionalisiert sind und bis jetzt auch nicht gesetzlich geregelt worden sind. Gerade bei Transsexuellen und Intersexuellen werden Partnerschaften gelebt, die nicht institutionalisiert sind, in denen in Einzelfällen aber trotzdem Pflege stattfindet, auch im Bereich von HIV/Aids. In diesen Fällen wird die Pflege nicht im Rahmen von verehelichten oder verpartnerten Lebensgemeinschaften übernommen. Für diese Personen ist bislang überhaupt nichts geregelt. Deswegen würde mich interessieren, wie Sie diese Vielfalt an Lebensweisen, die es in der Gesellschaft inzwischen gibt, im Gesetz abbilden wollen und wie Sie den Gesetzentwurf diesbezüglich nachbessern wollen.

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Vielen Dank. - Die eingetragenen Lebenspartnerschaften sind bereits berücksichtigt. Wir schließen jetzt die Lücke, indem wir auch die lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaften berücksichtigen. Ich bin mir nicht sicher, ob alle genau darüber Bescheid wissen. Deswegen sage ich es gerne noch einmal: Es gibt unter Heterosexuellen die Ehe und, so sagen wir einmal salopp, die wilde Ehe, also die Lebenspartnerschaft von denjenigen, die nicht verheiratet sind, aber zusammenleben. Diese Personen sind berücksichtigt. Bei Homosexuellen ist bislang die eingetragene Lebenspartnerschaft berücksichtigt. Personen, die zusammenleben, sich aber nicht verpartnert haben - die wilde Ehe unter Homosexuellen -, werden mit diesem Gesetzentwurf in Zukunft berücksichtigt. Nicht berücksichtigt werden andere Bindungen - darüber wissen wir noch zu wenig; das soll Aufgabe des Beirats sein -, die nicht auf einer persönlichen Liebesbeziehung basieren, wenn ich das so sagen darf, sondern auf Nachbarschaft oder Freundschaft; das hat die Kollegin von den Grünen vorhin angesprochen. Wir müssen uns anschauen, wie sich unsere Gesellschaft diesbezüglich entwickelt, und uns fragen, welche Möglichkeiten es zukünftig gibt. Die Paare, die Sie angesprochen haben, werden jetzt aber berücksichtigt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Griese.

Kerstin Griese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, auch von mir ein herzliches Dankeschön dafür, dass dieser Gesetzentwurf jetzt vorliegt; denn dadurch wird tatsächlich das Leben vieler Menschen in schwierigen Situationen verbessert. Ich will eine Frage zur Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber stellen. Zunächst einmal wird dadurch, dass ein Rechtsanspruch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verankert wird, ein neues Instrument geschaffen. Vielleicht könnten Sie uns noch einmal die qualitative Bedeutung dieses neuen Instruments erläutern. Außerdem ist es aus Sicht der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sicherlich wichtig, dass der Mitarbeiter in einer längeren Pflegephase nicht komplett aus dem Job aussteigt, sondern mit Teilzeit kombinieren kann. Ich glaube, das ist ein arbeitsmarktpolitisch wichtiger Aspekt. Deshalb bitte ich Sie, diesen zu erläutern und auszuführen, welche arbeitsmarktpolitischen Auswirkungen er hat. - Vielen Dank.

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Das Gesetz ist für den Arbeitsmarkt sehr wichtig. Deshalb haben Andrea Nahles und ich dort Hand in Hand zusammengearbeitet. Es ist der Arbeitsministerin sehr wichtig, dass wir für Familien in diesen Situationen Lösungen finden, die verhindern sollen, dass die Fachkräfte völlig aus der Arbeitswelt aussteigen. Der völlige Ausstieg ist in den zehn Tagen für den Akutfall und in der sogenannten Pflegezeit von bis zu einem halben Jahr möglich. Aber die Familienpflegezeit von bis zu 24 Monaten, die sich daran anschließen oder isoliert davon genommen werden kann, basiert darauf, dass man nicht voll aussteigt, sondern mindestens 15 Stunden arbeitet. Mit der Mindestarbeitszeit von 15 Stunden wollen wir geringfügige Beschäftigung vermeiden. Das ist der ar5446 beitsmarktpolitische Ansatz. Für die Arbeitgeber ist er interessant ist, weil die Leute an Bord bleiben und nicht komplett aussteigen. Durch die Fristen bei der Anmeldung haben die Arbeitgeber eine bessere Planungssicherheit. Der Rechtsanspruch ist aus zwei Gründen wichtig. Erstens ist es wichtig, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch darauf hat und nicht darum betteln muss. Das hat eine ganz praktische Wirkung für jeden Einzelnen, aber es hat auch eine symbolische Wirkung. Wie wichtig ist der Politik, der Gesellschaft dieses Thema? Zweitens ziehen wir mit dem Gesetz das Thema „Pflege in der Familie“ auf eine neue Ebene und zeigen: Wir lassen die Familien nicht alleine, sondern kümmern uns als Gesellschaft.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Scharfenberg.

Elisabeth Scharfenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003835, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die Höchstdauer der kombinierten Pflege- und Familienzeit ist auf 24 Monate begrenzt. Einzeln genommen sind es aber sechs Monate und 24 Monate. Gibt es eine Möglichkeit, das so zu kombinieren, dass man auf 30 Monate kommt?

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Nein, die Möglichkeit gibt es nicht. Es ist im Gesetz so angelegt, dass die Pflegezeit und die Familienpflegezeit miteinander kombinierbar sind, dass man aber 24 Monate nicht überschreiten kann. Ich kann also in die sechs Monate Pflegezeit einsteigen und noch einmal 18 Monate Familienpflegezeit draufsatteln, oder ich gehe direkt 24 Monate in die Familienpflegezeit. Es ist wichtig, den Zeitraum für die Arbeitgeber planbar zu machen. Dieses Beispiel zeigt, dass wir zwischen den Entlastungen, die wir für die Familien brauchen, und der Situation der Arbeitgeber eine Balance gehalten haben. Ich finde, das Gesetz wird beiden Seiten gerecht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Weinberg.

Harald Weinberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004186, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, die Leistungen aus dem Gesetz sind ja an den Pflegebedürftigkeitsbegriff nach § 13 SGB XI geknüpft. Dieser umfasst aber zumindest bisher keine demenziellen Erkrankungen. Wir befinden uns ja insgesamt im Rahmen der Pflegereform in einer großen Debatte über einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff. Wie sieht die Zeitplanung aus? Wann wird denn der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff so gestaltet, dass die demenziellen Erkrankungen mit erfasst werden? ({0})

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Der Bundesgesundheitsminister und ich haben dieses Thema im Blick. Herr Gröhe hat an diesem Gesetz sehr aktiv mitgewirkt. Das war eine ausgezeichnete Zusammenarbeit. Wir sind uns einig, dass die zweite Stufe der Pflegereform, also die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, auch Auswirkungen auf dieses Gesetz haben wird. Das steht auch so in der Gesetzesbegründung. Den konkreten Zeitplan für die zweite Stufe hat Herr Gröhe besser im Kopf als ich. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Er verrät es vielleicht später. - Davor hat die Kollegin Schulz-Asche das Wort.

Kordula Schulz-Asche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004405, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin, man muss ja zehn Tage im Voraus die Pflegezeit beantragen. Da der Medizinische Dienst der Krankenversicherung oft länger als zehn Tage braucht, um die Pflegebedürftigkeit zu bescheinigen, frage ich: Ist es vorgesehen, die Bearbeitungszeiten des Medizinischen Dienstes zu verändern, um tatsächlich den Beginn der Pflegezeit nach zehn Tagen zu ermöglichen?

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Vielen Dank. - Eine zügigere Bearbeitung durch den MDK ist ja ein generelles Thema. Ob das ein Hindernis für die Frist von zehn Tagen ist, ist, finde ich, eine kluge Frage, die mir so noch nicht begegnet ist. Ich würde diese Frage gerne mitnehmen und sie nachträglich beantworten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Crone.

Petra Crone (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, es gibt ja unterschiedliche Ankündigungszeiten. Könnten Sie noch mal eine kleine Erklärung dazu abgeben, warum es drei unterschiedliche Ankündigungszeiten gibt?

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Die unterschiedlichen Ankündigungszeiten haben etwas mit der Planungssicherheit für den Arbeitgeber zu tun. Die zehntägige Auszeit kann man sofort nehmen; sie ist ja auch für die Akutsituation. Um eine Pflegezeit von bis zu einem halben Jahr anzumelden, hat man zehn Tage Ankündigungszeit. Alles, was der Arbeitnehmer eher ankündigt, ist natürlich besser - das steht auch im Gesetz -; aber er hat mindestens diese zehn Tage. Ich denke, das ist für beide Seiten in Ordnung. Auch der Arbeitnehmer braucht zehn Tage, um sich zu entscheiden: Nehme ich jetzt ein halbes Jahr Pflegezeit oder nicht? Um sich dafür zu entscheiden, in die Familienpflegezeit zu gehen - die 24 Monate, also zwei Jahre -, hat man grundsätzlich acht Wochen Zeit - es sei denn, man ist schon in der Pflegezeit, also schon in diesem halben Jahr; wenn man von da aus noch in die 24 Monate gehen will, braucht das drei Monate Vorlauf. Der Arbeitgeber hat sich ja erst auf das halbe Jahr eingestellt und muss sich dann darauf einstellen, dass noch einmal bis zu 18 Monate draufkommen. Da sagen wir: Da sind drei Monate Vorlauf gut und gerechtfertigt - und auch machbar für beide Seiten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Der Kollege Marcus Weinberg.

Marcus Weinberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003861, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich will noch mal darauf zurückkommen, dass die letzte Lebensphase sehr akut kommen kann für alle Beteiligten, mit tragischen Wirkungen, und nicht immer eine Pflegebedürftigkeit ausgesprochen wird. In diesem Fall muss die ganze Familie diese letzte Lebensphase, die sehr kurz andauern kann, bewältigen. Inwieweit haben Sie dieser Besonderheit - auch ohne dass eine Pflegebedürftigkeit ausgesprochen wird - im Gesetzentwurf Rechnung getragen?

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Vielen Dank für die Frage, Herr Weinberg; das passt auch zu der Frage nach der Pflegestufe und der Bearbeitungszeit seitens des MDK. Sie haben völlig recht: Wir haben bisher bei dem ganzen Thema Pflegezeit/Familienpflegezeit nie die nach meiner Einschätzung schwierigsten Fälle in der Familie bedacht, nämlich dass jemand die Diagnose bekommt: schwerkrank, mit schlechtem Verlauf, geringer Lebenserwartung, und dann vielleicht ins Krankenhaus muss, ins Hospiz, und man es gar nicht mehr schafft, eine Pflegestufe zu beantragen. Es gibt ja auch Verläufe, wo eine Pflegestufe gar nicht notwendig ist, aber trotzdem eine Auszeit gebraucht wird. Für diese Fälle haben wir erstmalig im Gesetz geregelt, dass es möglich ist, bis zu drei Monate auszusteigen, um jemanden in seiner letzten Lebensphase zu begleiten; das ist, finde ich, ein ganz wichtiger - auch ethisch wichtiger Aspekt in diesem Gesetz.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Wunderlich.

Jörn Wunderlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003867, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Herr Präsident. - Frau Schwesig, es ist hier schon festgestellt worden: Seit Einführung der Familienpflegezeit ist diese nur von wenigen Personen in Anspruch genommen worden. Sie haben gesagt, das Risiko des Lohnausfalls ist jetzt auf das Ministerium abgewälzt, und hoffen, dass jetzt mehr Anträge auf Familienpflegezeit gestellt werden. Da stellt sich mir die Frage: Warum wird der Kreis der Berechtigten denn dann eingeschränkt, indem dieser Rechtsanspruch - der zugegebenermaßen gestärkt worden ist - nur für Personen gelten soll, die in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten arbeiten? Das heißt doch: Die meisten Beschäftigten in kleineren und in mittleren Unternehmen haben keinen Rechtsanspruch, weil ihre Firma nicht die entsprechende Größe hat, und fallen somit als Anspruchsberechtigte aus. Wenn deren Eltern also zum Pflegefall werden, müssen sie sehen, wo sie bleiben. Warum?

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Sie haben völlig recht, Herr Wunderlich: Bisher ist von dem Angebot der Politik kaum, eigentlich gar nicht Gebrauch gemacht worden. Angesichts von nur 134 Fällen muss man sich die Frage stellen: Was läuft hier eigentlich schief? - Das haben wir auch gemacht, und wir präsentieren jetzt ein Gesetz mit einem Gesamtkonzept: Die zehntägige Auszeit gilt für alle Beschäftigten; da gibt es keine Einschränkung in Bezug auf Kleinunternehmen. Das Wichtigste - zehn Tage mit Lohnersatzleistung - bekommen alle. Die längeren Auszeiten - eine sechsmonatige Pflegezeit mit Darlehensanspruch und eine bis zu 24-monatige Familienpflegezeit mit Darlehensanspruch, auf die erstmalig auch ein Rechtsanspruch besteht - haben eine qualitative Wirkung, auch für den Arbeitgeber. Daher nehmen wir zunächst die Betriebe aus, in denen bis zu 15 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiten, weil Kleinstbetriebe natürlich ganz andere Probleme haben, wenn jemand für ein halbes Jahr reduziert, für zwei Jahre reduziert oder das auch noch kombiniert. Wir werden uns die Wirkungen dieser Regelungen anschauen. Auch diese kann der Beirat begleiten und sehen: Wie viele Arbeitnehmer sind von der einen Regelung betroffen, wie viele von der anderen? Aber es hat eben auch etwas mit der Balance zu tun, dass man die Kleinstbetriebe im Hinblick auf flexible Arbeitszeiten nicht so stark in Anspruch nehmen kann wie mittlere und größere Betriebe.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich habe jetzt noch zwei Wortmeldungen notiert: von Frau Pahlmann und von Paul Lehrieder. Danach würde ich gerne diesen Teil mit Blick auf weitere mögliche Fragen an die Bundesregierung abschließen. - Frau Pahlmann.

Ingrid Pahlmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004369, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke, Herr Präsident. - Frau Schwesig, meine erste Frage wurde schon beantwortet, nämlich die nach den Ankündigungsfristen. Aber ich habe noch eine Frage. Mit dem Gesetz wird die Möglichkeit geschaffen, dass der pflegende Angehörige ein zinsloses Darlehen aufnimmt. Dieses Darlehen soll zurückgezahlt werden, wenn der Angehörige wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkommt. Was passiert in dem Fall, dass er nach der Zeit der Inanspruchnahme über einen wirklich langen Zeitraum arbeitslos wird? Wie und wann muss er dann das Darlehen zurückzahlen? Wie sind da die Fristen? Können Sie mir dazu etwas sagen?

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Vielen Dank. - Auch das wäre ein Härtefall. Wir sagen: Wenn ein Angehöriger nach der Pflegezeit seine Arbeit ohne eigene Schuld nicht wieder aufnehmen kann - das heißt im Falle der Arbeitslosigkeit, weil in dieser Zeit der Betrieb, was wir nicht hoffen, in Konkurs geht oder wenn er krank wird, dann wird das Darlehen so lange gestundet, bis er seine Arbeit wieder aufnehmen kann. Es sei denn, er geht in Rente und kommt in finanzielle Schwierigkeiten. Wenn die Person jedoch wieder in eine Arbeitsphase kommt, in der sie das Geld zurückzahlen kann, soll es auch zurückgezahlt werden. Aber im Falle von Arbeitslosigkeit oder Krankheit kann die Rückzahlung gestundet werden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Paul Lehrieder.

Paul Lehrieder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003799, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident, da ich die gleiche Frage stellen wollte wie die Kollegin Pahlmann direkt vor mir, verzichte ich auf meine Frage.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das gibt mir die Gelegenheit, die Kollegin Timmermann-Fechter noch zu Wort kommen zu lassen, deren Wortmeldung ich vorhin offenkundig übersehen hatte. - Bitte schön.

Astrid Timmermann-Fechter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004425, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie sind jetzt mehrmals auf den unabhängigen Beirat eingegangen, der eingerichtet werden soll. Meine Frage ist: Könnten Sie die Aufgabe dieses Beirats und seine Zusammensetzung einmal konkretisieren?

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Vielen Dank. - Der Beirat wird sich aus unterschiedlichen Vertretern zusammensetzen, aus Vertretern der Pflegelandschaft, aber natürlich auch aus Vertretern von Familienverbänden, um die Wirkungen gemeinsam zu beraten. Die Aufgabe ist, dieses Gesetz zu begleiten, sodass wir nicht nur eine wissenschaftliche Evaluation haben, sondern vor allem auch mit Vertretern von Verbänden beraten - auch Vertreter der Wirtschaft und der Gewerkschaften sollen dabei sein -, wie wir dieses Thema in den nächsten Jahren weiterentwickeln und begleiten können. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wird es in diesem Bereich eine große dynamische Entwicklung geben. Ich möchte von mir nicht behaupten, dass ich so klug bin, alles bedacht zu haben. Wir wollen gucken: Was funktioniert? Wo muss man vielleicht nachsteuern? Es kommen noch weitere Stufen dazu, wie etwa der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff; wir hatten das vorhin angesprochen. Ich nutze schnell die Zeit, um etwas nachzureichen - ich habe nämlich das Glück, neben einer Vertreterin des BMG zu sitzen; Frau Widmann-Mauz kennt den Zeitplan besser als ich -: Ab 2017 ist geplant, auch die demenziell Erkrankten über den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff besser zu berücksichtigen. All das werden Entwicklungen sein, die wir uns gemeinsam anschauen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung hat die Kollegin Keul um das Wort gebeten.

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Die Bundesregierung hat sich in der heutigen Kabinettssitzung auch mit dem Bericht über die Rüstungsexporte des ersten Halbjahres 2014 befasst. Wir alle hatten uns große Hoffnungen gemacht, da Minister Gabriel ja angekündigt hatte, er wolle endlich die Grundsätze der Bundesregierung ernst nehmen, wonach nur Rüstungsexporte in NATO- und EULänder die Regel sein dürfen und Exporte in Drittstaaten nur in ganz begrenzten Ausnahmefällen erlaubt werden sollen. Jetzt stellen wir bei einem Blick in den Bericht, den Sie heute beschlossen haben, fest, dass sich der Trend, den wir schon früher kritisiert haben, fortsetzt und jetzt 63 Prozent aller Genehmigungen den Export von Kriegswaffen und Rüstungsgütern in Drittstaaten und erneut auch auf die Arabische Halbinsel betreffen. Wie erklärt sich das? Wie konnte es dazu kommen?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Ministerin.

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Das Kabinett hat heute den Zwischenbericht der Bundesregierung über die Rüstungsexporte im ersten Halbjahr 2014 beschlossen. Um die Transparenz von Genehmigungsentscheidungen zu Rüstungsexporten zu verbessern, haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, diesen Zwischenbericht vorzulegen. Im ersten Halbjahr wurden für Rüstungsgüter Einzelausfuhrgenehmigungen im Wert von insgesamt 2,23 Milliarden Euro erteilt. Ich weiß nicht, ob das Kanzleramt noch zusätzlich aus dem Rüstungsbericht berichten will, aber er wird Ihnen auch zugehen. Herr Gabriel hat deutlich gemacht, dass er sich an die Verabredungen hält, und das tut er auch. Das zeigt auch der Bericht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kekeritz.

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön. - Meine Frage geht auch in diese Richtung. Es ist eine Frage, die sehr wichtig ist, um das Politikverständnis dieser Regierung zu verstehen. Welches sicherheitspolitische Interesse haben Sie, Kriegswaffen nach Saudi-Arabien oder in die Vereinigten Arabischen Emirate zu exportieren? Das ist insbesondere in Bezug auf Syrien und die dominante Stellung des IS hochinteressant.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Ministerin.

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Für Rüstungsexporte gibt es ganz klare Regeln und Standards, nach denen bewertet wird. Dabei spielen auch die sicherheitspolitischen Aspekte eine Rolle, und diese sind, wie Sie es eben angesprochen haben, jeden Tag aktuell. Danach entscheidet die Bundesregierung, insbesondere der Wirtschaftsminister. Das wird aus dem Zwischenbericht ersichtlich.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Janecek.

Dieter Janecek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004312, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Auch meine Frage geht in diese Richtung. Wir hatten gerade im Wirtschaftsausschuss den Airbus-Vorstandsvorsitzenden Thomas Enders zu Gast, der in den Medien die Bundesregierung bzw. das Verteidigungsministerium indirekt angegriffen und die gesamte Beschaffungspraxis und auch Standorte infrage gestellt hat. Aus unserer Sicht ist insgesamt infrage zu stellen, warum zum Beispiel der Export von Kleinwaffen überhaupt noch eine notwendige Maßnahme ist. Ich bitte Sie, dazu Stellung zu nehmen.

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Die Bundesregierung legt besonders strenge Maßstäbe an die Genehmigungserteilungen für Exporte von Kleinwaffen an. Der Gesamtwert für die Genehmigungen zur Ausfuhr von Kleinwaffen im ersten Halbjahr 2014 belief sich auf 21 Millionen Euro. Dies entspricht einem Rückgang um circa 18 Millionen Euro. Die Genehmigungen für Kleinwaffenmunition sind ebenfalls zurückgegangen. Die Bundesregierung beabsichtigt zudem, Kleinwaffengrundsätze zu veröffentlichen. In der noch nicht abgeschlossenen Abstimmung zwischen den Ressorts geht es insbesondere darum, den Grundsatz „Neu für Alt“ zu präzisieren und weiterzuentwickeln. Dieser besagt, dass bei einer Lieferung von Kleinwaffen im jeweiligen Empfängerland möglichst eine gleiche Anzahl vorhandener Waffen ausgesondert und vernichtet - und nicht etwa weiterveräußert - werden soll.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Haßelmann.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Frau Ministerin, ich teile Ihre Einschätzung in keiner Weise. Aus der Presseberichterstattung wird deutlich, dass Herr Gabriel seine öffentlichen Ankündigungen und Versprechungen nicht hält, was die Frage der Beschränkung der Rüstungsexporte angeht. Mich interessiert aber, wie Sie im Kabinett darüber diskutieren. Sind Sie mit mir der Auffassung, dass es dem Parlament gegenüber sehr respektlos ist, dass vonseiten des Verteidigungsministeriums und des Wirtschaftsministeriums, wenn es um die Themen Rüstungsexporte oder Beschaffungswesen der Bundeswehr geht, zum wiederholten Male die Presse vor dem Parlament informiert wird?

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Wir haben deshalb unterschiedliche Bewertungen darüber, ob Herr Gabriel sich an seine Versprechen hält, weil ich nicht die Presseberichte zum Maßstab für meine Bewertung nehme, sondern die Berichte, die Herr Gabriel im Kabinett gibt und die er auch dem Parlament mit dem Exportbericht vorlegt. Sie und nicht etwa die Medienberichterstattung sind für mich Maßstab der Bewertung. Vielleicht haben wir deshalb unterschiedliche Eindrücke und Bewertungen. Es ist natürlich Anliegen der Bundesregierung, das Parlament zu unterrichten, und zwar vor der Presse, und das wird auch getan. ({0}) Der Bericht zeigt, dass wir das ernst nehmen. Denn wenn ich es richtig verstanden habe, gab es in der Vergangenheit einen jährlichen Bericht. Jetzt legen wir halbjährlich einen Bericht vor. Auch das ist ein Zeichen dafür, dass wir mehr Transparenz beabsichtigen, und das tun Herr Gabriel und die Bundesregierung. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Petzold.

Harald Petzold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004374, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich habe noch eine Nachfrage zu dem Verfahren. Ich habe heute Vormittag in der Sitzung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz einen Bericht des Bundessicherheitsrates vorgelegt bekommen. Jetzt erfahre ich durch Sie, dass das Bundeskabinett insgesamt entschieden hat. Wer entscheidet denn letzten Endes tatsächlich darüber? Wenn wir einen Bericht des Bundessicherheitsrates bekommen: Wird hier ein Gremium installiert, dessen sich die Bundesregierung sozusagen bedient, und sind dann die Bundesminister selber gar nicht mehr am Entscheidungsprozess beteiligt? Wie läuft das tatsächlich ab? Können Sie mir das bitte darlegen?

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Das kann ich Ihnen sehr gerne darlegen. Ich habe nicht gesagt, dass das Bundeskabinett über die Einzelmaßnahmen entscheidet. Vielmehr habe ich berichtet, dass der Bundeswirtschaftsminister heute den Bericht, der auch Grundlage für die Fragen der anderen Abgeordneten ist, vorgelegt hat. Wenn ein Bericht im Kabinett vorgelegt wird, dann nimmt ihn das komplette Kabinett zur Kenntnis; das ist eigentlich jedem Minister zu wünschen. Das war auch in diesem Fall so. Es bleibt beim bisherigen Verfahren, dass das die betroffenen Ressorts einzeln entscheiden. Ich kann nicht den Bericht des Bundessicherheitsrates bewerten; denn über diesen wurde in der Ausschusssitzung, an der Sie teilgenommen haben, berichtet. Es gibt eine Verschwiegenheitspflicht. Da ich nicht Mitglied des Bundessicherheitsrates bin, bin ich darüber nicht informiert worden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Dröge.

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herzlichen Dank für die Gelegenheit, auch noch Fragen zu diesem Themenkomplex stellen zu dürfen. - Ich bin Mitglied und Obfrau im Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Wir haben den Bericht in Papierform tatsächlich erst zu Beginn der Sitzung erhalten. Wir sollten dann mit Herrn Minister Gabriel darüber diskutieren, ohne den Bericht gelesen zu haben. Wir wussten aber aus der Presse bereits, dass dieser Bericht schon am Abend zuvor Journalisten zugeleitet worden war. Was versteht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang unter Transparenz, und wie sieht sie die Möglichkeiten von uns Parlamentariern, im Ausschuss über diesen Bericht valide zu beraten, wenn wir ihn vor der Ausschusssitzung gar nicht bekommen haben? ({0})

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Ich bitte die Fragesteller darum, präzise zu sagen, um welchen Bericht es geht. Ich hatte den Abgeordneten der Fraktion Die Linke so verstanden, dass es um einen Bericht des Bundessicherheitsrates geht. Nun höre ich gerade von der Regierungsbank, dass dieser Bericht im Ausschuss gar nicht gehalten wurde. Ich antworte natürlich auf die Fragen, weil ich davon ausgehe, dass das, wonach gefragt wird, den Tatsachen entspricht. Ich kenne diesen Bericht nicht und kann ihn auch nicht kennen, weil ich nicht Mitglied des Bundessicherheitsrates bin. Die Verschwiegenheitspflichten gehen so weit, dass die einzelnen Kabinettsmitglieder, die nicht Mitglieder des Bundessicherheitsrates sind, nicht unterrichtet werden. Wenn Sie nun den Bericht meinen, der heute in das Kabinett eingebracht wurde, dann kann ich nur sagen: Das Kabinett muss diesen Bericht erst einmal zur Kenntnis nehmen und beschließen. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zu diesem Thema ließe sich vieles sagen. Das tragen wir gelegentlich im Ältestenrat aus. Dass die Möglichkeiten der Bundesregierung, rechtzeitig das Parlament oder einzelne Fragesteller über nachgefragte Sachverhalte zu informieren, in einer beachtlichen Zahl von Einzelfällen optimierungsfähig sind, daran kann allerdings kein Zweifel bestehen. ({0}) Die nächste Frage stellt der Kollege Kekeritz.

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön. - Herr Präsident, Sie haben es gerade angesprochen: Es geht um die Frage der Optimierung. Ich finde es sehr unbefriedigend, dass hier nur eine Ministerin für sämtliche Ressorts antwortet. Das kann eigentlich nicht Sinn und Zweck der Fragestunde sein. ({0}) Sie beantworten aber bisher alle Fragen hervorragend. Ich frage mich, wofür wir dann so viele Minister brauchen. ({1}) Ich nehme es zurück und entschuldige mich dafür.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nein, Herr Kollege Kekeritz, man muss fairerweise sagen: Das, was heute hier stattfindet, ist ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber in Bezug auf die Fragestunde ein großer Schritt für den Deutschen Bundestag.

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das sehe ich genauso. - Minister Müller hat in den letzten fünf Jahren eine Textilinitiative vorangetrieben. Man konnte gestern und vorgestern in den Medien lesen, dass viele Verbände ausgestiegen sind. Heute war zu hören, dass es noch Nachverhandlungen zu dieser Initiative gibt. Was davon wurde im Kabinett diskutiert, und welche Unterstützung kann Minister Müller von den Ressortkollegen erwarten? Bei uns kam die Botschaft an, dass es sehr viel Reibereien bezüglich der Kompetenzen gab.

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Vielen Dank. - Das war heute nicht Thema im Kabinett. Deswegen kann ich dazu nichts sagen. Ich freue mich sehr, dass ich auch einmal etwas zu den Themen der anderen sagen kann, räume aber ein, dass das nicht bei jedem Thema geht, erst recht nicht, wenn es nicht im Kabinett war. Ich biete an: Unsere Parlamentarischen Staatssekretäre sind sehr vertraut mit dem Stoff, sodass sie das eine oder andere hier sicherlich noch gut beantworten können. Wenn Sie möchten, gebe ich die Frage weiter an das BMZ.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Da wir im Augenblick bei der Befragung zu weiteren Themen der Kabinettssitzung sind, steht das jetzt nicht zur Debatte.

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Es war nicht Thema der Kabinettssitzung.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Okay, wunderbar. - Kollegin Keul.

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Um sicherzustellen, dass es keine Missverständnisse gibt: In der Süddeutschen Zeitung von heute Morgen ging es um den Zwischenbericht, den Sie dann im Kabinett besprochen haben. Das ist der Punkt, auf den wir hier hinauswollen. Ich habe trotzdem noch eine Nachfrage zu diesem Zwischenbericht, den ich mir angeschaut habe. Ich muss immer wieder feststellen, dass dort offensichtlich nur Genehmigungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz enthalten sind, aber ganz offensichtlich nicht die Genehmigungen von Kriegswaffenexporten nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz; denn die Leopard-Kampfpanzer für Katar, die bereits letztes Jahr im Mai genehmigt worden sind, waren weder im Jahresbericht 2013 enthalten, noch sind sie jetzt im Bericht zum ersten Halbjahr 2014 enthalten. Deswegen die Frage: In welchem Bericht werden denn endlich die abschließenden Genehmigungen dieser Kampfpanzer auftauchen? Wann - ich nutze schnell die Gelegenheit - werden wir endlich über diesen Bericht 2013, also den Jahresbericht, und den Halbjahresbericht 2014 hier im Plenum debattieren können? Wann wird die Bundesregierung den auf die Tagesordnung setzen?

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Wann der Bericht 2013 debattiert wird, entscheidet das Parlament. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Wann wir welche Punkte aufsetzen, entscheiden wir selbst. Selbstverständlich. ({0}) - Sobald wir einen haben, können wir ihn aufsetzen.

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Der Bericht für 2013 ist doch jetzt da. Dann kann doch das Parlament jetzt darüber entscheiden, wann er auf die Tagesordnung kommt. Die Frage nach den Leopard-Panzern gebe ich gerne weiter. Das kann ich Ihnen nicht sagen; das war heute nicht explizit Thema im Kabinett.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Tiefensee, hat sich Ihre Nachfrage erledigt? ({0}) - Sie möchten noch? - Bitte schön.

Wolfgang Tiefensee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004176, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, halten Sie es genauso wie ich für nicht besonders gut im Sinne der parlamentarischen Gepflogenheiten, wenn meine Kollegin Dröge den Bericht für das Jahr 2014 hochhält und sagt, den habe sie gerade bekommen und über den solle heute diskutiert werden, wo doch der Bericht des Jahres 2013 als Tagesordnungspunkt angegeben war und der Bericht des Jahres 2014 nur zufällig am selben Tag ausgereicht wurde? ({0}) - Ich bin Mitglied des Wirtschaftsausschusses, gemeinsam mit Frau Dröge. Der Tagesordnungspunkt heute ging nicht über den Bericht 2014, sondern über den Bericht 2013. Man kann nicht mit dem Bericht aus dem Jahr 2014 herumwedeln, wenn er nicht der Tagesordnungspunkt war. Die zweite Frage ist: Sind Sie mit mir einer Meinung, dass es eine völlig neue Ausrichtung der Exportpolitik durch Minister Gabriel allein dadurch gegeben hat, dass wir uns entsprechend dem Koalitionsvertrag auf die sehr restriktiven Richtlinien von 2000 rückbeziehen, die unter Rot-Grün verabschiedet worden sind? Die dritte Frage: Wenn über Exporte nach Saudi-Arabien gesprochen wird, ist es richtig, dass es sich zum Teil um Erprobungsmaterial handelt, zum Beispiel den Panzer Wisent, also um Panzer ohne Bewaffnung, die nach der Erprobung wieder zurückgeführt werden?

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Ich bin Ihrer Meinung.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das ist eine erfreulich knappe Antwort, die mir die Überleitung zu dem Hinweis erleichtert, dass wir, wie Sie bemerkt haben, weit über die Zeit hinaus sind, die üblicherweise für die Regierungsbefragung vorgesehen ist. Das machte ganz offenkundig Sinn. Ich mache nur darauf aufmerksam, dass, wenn wir jetzt auch noch die dritte Fragemöglichkeit im Rahmen der Regierungsbefragung aufrufen - sonstige Fragen an die Bundesregierung, unabhängig von der Kabinettssitzung -, die Zeit, die wir dafür in Anspruch nehmen, von der Fragestunde, die sich anschließt, abgezogen wird. Zu dieser dritten Kategorie hat sich die Kollegin Künast zu Wort gemeldet.

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ein Thema, das gerade schon kurz angesprochen wurde: Es soll, so die Medien, ein von Bundesminister Müller initiiertes Aktionsbündnis für nachhaltige Textilien - früher war auch von „Textilsiegel“ die Rede - geben. Man hört und liest jetzt allerorten, dass es ständig Änderungen gibt. Ich frage also: Was gilt denn nun eigentlich materiell, und wer nimmt teil? Ich frage nach der Teilnahme, weil wir fast täglich mitbekommen, dass der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels, Industrieunternehmen und andere sagen: Nein, wir werden nicht teilnehmen, allenfalls mitdiskutieren, aber nicht unterschreiben. - Mir liegen Schreiben vor, offenbar in den letzten Tagen hektisch verfasst, die die Ziele dieser Initiative relativieren. Um einzelne Personen einzuwerben, steht darin: Es ist doch Aufgabe aller Bündnispartner, notwendige Umsetzungsschritte zur Anhebung des Lohnniveaus gemeinsam zu ermitteln und dann festzulegen. - Vorher wurde gesagt, diese Schritte sollen ab 2020 gelten. Mein letzter Punkt in diesem Zusammenhang ist: Was genau will eigentlich die Bundesregierung tun? Ich habe bisher keine Erklärung gefunden, in der steht, dass die Bundesregierung zum Beispiel eine Initiative für existenzsichernde Löhne oder eine Transparenzrichtlinie auf europäischer Ebene in Angriff nimmt. Ist das von Herrn Müller alles nur aufgeschrieben, oder passiert seitens der Bundesregierung auch tatsächlich etwas?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Schwesig, können Sie darauf antworten? ({0}) - Welche Großzügigkeit. - Wer möchte oder kann das beantworten? - Frau Schwesig, bitte.

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Da morgen dazu eine Pressekonferenz stattfindet, fände ich es sehr gut, wenn der PSt berichtete.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bitte schön, Herr Staatssekretär Silberhorn.

Thomas Silberhorn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003636

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin Künast, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat nun über fünf Monate hinweg mit allen Beteiligten an diesem Textilbündnis geschmiedet, mit Vertretern der Wirtschaft, mit Vertretern der Gewerkschaften, der Verbände, der Nichtregierungsorganisationen. Es ist bereits gesagt worden: Morgen soll dieses Textilbündnis der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Es gab in der Tat bereits öffentliche Äußerungen von zwei Verbänden, die angekündigt haben, dass sie nicht unterzeichnen werden. Es gibt andere, die unterzeichnen werden. Wer alles dabei ist, das werden wir morgen der Öffentlichkeit vorstellen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Nachfrage der Kollegin Künast.

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident, Sie haben hier ja von einem großen Schritt für den Deutschen Bundestag gesprochen. Die Antwort, die gerade gegeben worden ist, lässt sich da aber nicht subsumieren. Denn was habe ich als Parlamentarierin davon, dass mir einer erzählt, dass es morgen eine Pressekonferenz gibt? ({0}) Diese Antwort wollen Sie, Herr Silberhorn, mir hier doch wohl nicht ernsthaft anbieten. Ich möchte Sie also dazu auffordern, mir eine konkrete, materielle Antwort zu geben. Die Zeitungen sind voll von dem, wonach ich gefragt habe. Wir sitzen morgen hier und arbeiten und können nicht zu Ihrer Pressekonferenz erscheinen. Das werden Sie uns wohl nachsehen. Vor allem möchte ich fragen: Welche konkreten Pflichten für die nächsten 24 Monate übernimmt das Bundesministerium, um zum Beispiel eine europäische Initiative zur Schaffung einer Transparenzrichtlinie für die gesamte Produktionskette zu starten oder um dafür Sorge zu tragen, dass die Least Developed Countries, die ja die textilproduzierenden Länder sind, existenzsichernde Löhne zahlen müssen, um ihre Textilien in die Europäische Union importieren zu können? Es ist doch eigentlich ganz einfach, zu sagen, ob die Bundesregierung konkrete Zusagen bezüglich ihrer Handlungen macht. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Silberhorn.

Thomas Silberhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003636, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Künast, Sie sagen, einige derjenigen, die sich auf der Pressekonferenz morgen vorstellen werden, hätten bereits öffentlich angekündigt, dass sie unterzeichnen werden, andere noch nicht. Das kann sich stündlich ändern. Deswegen kann ich Ihnen die aktuelle Zahl der Unterzeichner zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht nennen. Unsere Zusammenarbeit mit der Europäischen Union in diesem Zusammenhang ist bereits mehrfach Gegenstand der Debatten in diesem Haus gewesen. Wir haben von Anfang an darauf hingewirkt, dass unsere Initiativen von der Europäischen Kommission begleitet werden. Es gibt ein großes Interesse daran. ({0}) Sie wissen allerdings auch, dass die Europäische Kommission vor einer Neubesetzung steht und dass wir in engen Verhandlungen sind, das, was wir mit dem Textilbündnis in Deutschland jetzt anstoßen, auf der europäischen Ebene zu verstärken. Das tun wir auch in unserer bilateralen Entwicklungszusammenarbeit mit Partnerländern wie Bangladesch, Pakistan und anderen. Mit unseren bilateralen Programmen wirken wir selbstverständlich auch darauf hin, dass vor Ort in unseren Partnerländern soziale und ökologische Mindeststandards eingehalten werden. Ein Beispiel dafür ist unsere Initiative, in Ausbildung, in Training zu investieren auch dort, wo es Gewerkschaften gibt, damit man sich aus eigener Kraft, mit eigenen Möglichkeiten für die Einhaltung von sozialen und ökologischen Standards einsetzen kann. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Es gibt jetzt noch drei Wortmeldungen - dann würde ich allerdings mit Blick auf unseren Zeitplan gern die Regierungsbefragung schließen -: vom Kollegen Gastel, von Frau Haßelmann und vom Kollegen Kekeritz. Herr Gastel.

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident, vielen Dank. - Ich frage die Bundesregierung, ob Meldungen zutreffen, wonach das Kraftfahrt-Bundesamt mit der Erhebung der Pkw-Maut - umgangssprachlich auch „CSU-Maut“ genannt - beauftragt werden soll, wofür 1 500 zusätzliche Stellen erforderlich sind, was einer Verdreifachung der bisherigen Stellenzahl in dieser Behörde entsprechen würde. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Wer kann das beantworten? - Bitte schön, Herr Kollege Ferlemann.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Kollege Gastel, wir befinden uns derzeit in der Phase der Erarbeitung eines Referentenentwurfs zur PkwMaut. Auch diese Fragestellungen sind Bestandteil der Überprüfung. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Haßelmann.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte auf die Frage von Frau Künast zurückkommen - denn die ist nicht beantwortet worden -, welche Unternehmen, wie viele Unternehmen morgen diese Erklärung unterzeichnen. Wenn der Staatssekretär nicht in der Lage ist, diese Frage zu beantworten: Ist vielleicht ein Mitglied der Bundesregierung in der Lage, sie zu beantworten? Ich dränge auf jeden Fall auf Beantwortung in dieser Befragung.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Silberhorn. ({0})

Thomas Silberhorn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003636

Frau Kollegin, wie ich Ihnen schon gesagt habe, die Zahl der Unternehmen kann sich stündlich ändern. ({0}) Ich biete Ihnen gern an, aktuell herauszufinden, wie viele es gerade sind. ({1}) Ich habe die Zahl zur Stunde nicht hier. ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Kekeritz.

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es ist schon interessant, dass wir die Fragen, die gestellt werden, nicht beantwortet bekommen. Frau Künast hat doch ganz klar gefragt: Was ist die Rolle der Bundesregierung bei dieser Initiative? Hat Minister Müller jetzt die Unterstützung des Kabinetts, oder hat er sie nicht? Meine Vermutung ist: Er hat sie nicht. Dann ist es auch nicht die Initiative der Bundesregierung, sondern eine Privatinitiative eines Ministeriums. Die zweite Frage, die nicht beantwortet worden ist: Was läuft denn auf europäischer Ebene? Da zeichnet sich die Bundesregierung ja als Bremserin von Offenlegungspflichten aus, während Herr Minister Müller hier in Deutschland immer wieder die verbindliche Festlegung von Standards einfordert. „Verbindliche Festlegung von Standards“ kann ja nur heißen, dass die Standards öffentlich gemacht werden und dass auch festgehalten wird, wie die Unternehmen diese berücksichtigen. Also: Warum bremst die Bundesregierung in Europa, und warum tritt Herr Müller hier in Deutschland so auf, als wenn er verbindliche Standards wollte?

Thomas Silberhorn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003636

Herr Kollege Kekeritz, wir geben Ihnen auf die Fragen, die Sie stellen, vollständig Auskunft, soweit das in unseren Möglichkeiten liegt. ({0}) Was aber nicht geht, ist, dass Sie eine völlig neue Frage einführen und diese mit der Kritik begleiten, sie sei gar nicht beantwortet worden. Wenn Sie danach fragen, wie die Bundesregierung im Rahmen des angesprochenen Textilbündnisses zusammenarbeitet, kann ich Ihnen sagen, dass die Bundesregierung sich - wie bei allen Themen, so auch hier selbstverständlich eng abstimmt und koordiniert. ({1}) Es hat eine Reihe von Abstimmungen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit dem Ministerium für Arbeit und Soziales und auch mit dem Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gegeben; wir stimmen uns da in einem engen Ressortkreis ab. Das Gleiche gilt auch für die europäische Ebene. Noch einmal: Welche Initiativen die neue Kommission dann auf der europäischen Ebene ergreifen wird, ({2}) wird erst die neue Kommission entscheiden. ({3}) Frau Künast, Sie müssen mir nicht erklären, wer welche Initiativen ergreifen kann. ({4}) Wenn Sie das Initiativmonopol der Europäischen Kommission kennen, dann wissen Sie, dass der Fahrplan der Kommission von den neuen Kommissaren bestimmt werden wird. ({5}) Wir haben ein Interesse daran - insofern wiederhole ich mich -, die Initiative, die wir hier in Deutschland ergreifen, zu verstärken, sowohl was unsere bilaterale Zusammenarbeit mit Partnerländern angeht, als auch was unser multilaterales Engagement angeht. Da ist die Europäische Union ein wichtiger Partner, aber nicht der alleinige. Wir stehen in engem Kontakt mit der Internationalen Arbeitsorganisation, weil es darum geht, deren Kernarbeitsnormen umzusetzen. Wir stehen auch in Kontakt mit der Weltbank beispielsweise, ({6}) wo ich selbst am Wochenende das Thema der sozialen und ökologischen Standards mehrfach adressiert habe. Insofern nutzen wir alle Möglichkeiten und Fähigkeiten, die wir haben, um dieser Initiative auch international Nachdruck zu verschaffen. ({7})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bleiben Sie entspannt. Wir haben uns jetzt ja gut ausgetauscht. Noch einmal zu den Regeln: Bei der Regierungsbefragung darf nach allem gefragt werden; das ist klar. ({0}) Es kann nicht alles sofort beantwortet werden. Aber es gab einige Zusagen, dass Fragen noch schriftlich beantwortet werden. Ich beende damit die Regierungsbefragung und rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde Drucksache 18/2831 Ich rufe die Fragen in der üblichen Reihenfolge auf. Wir kommen zuerst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Iris Gleicke bereit. Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Andreas Mattfeldt auf: Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, wie sich die britische Regierung zum geplanten Verkauf der RWE Dea AG an die Letter One GmbH positioniert, und wenn nein, hat die Bundesregierung sich darum bemüht bzw. wird sie sich darum bemühen, da hiervon auch deutsche Interessen betroffen sein könnten? Frau Staatssekretärin, bitte.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Schönen Dank, Herr Präsident. - Lieber Kollege Mattfeldt, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Nach Kenntnis der Bundesregierung hat sich die britische Regierung bisher weder zum Verkauf der RWE Dea als solchem positioniert noch sonst ein der deutschen Investitionsprüfung vergleichbares Verfahren durchgeführt. Die Bundesregierung steht in engem Kontakt mit der britischen Botschaft sowie dem britischen Energieministerium, dem DECC, das für die Vergabe von Öl- und Gasförderlizenzen im Vereinigten Königreich zuständig ist, da die britische Tochtergesellschaft RWE Dea UK eine Reihe lokaler Förderlizenzen hält. Die Vertragsparteien haben vereinbart, eine Zusicherung zum Fortbestand dieser Lizenzen nach dem Verkauf zu beantragen. Bislang wurde eine solche Zusicherung nicht erteilt.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Gibt es dazu noch eine Rückfrage, Kollege Mattfeldt? ({0}) Bitte schön.

Andreas Mattfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004108, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herzlichen Dank. - Frau Staatssekretärin, ich habe eine Zusatzfrage zu diesem Bereich - denn dies ging durch die Medien und hat auch mit Versorgungssicherheit zu tun -: Wie positioniert sich die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass es für Öl eine Bevorratungsverpflichtung gibt, nach der im Krisenfall die Versorgung 90 Tage lang aufrechterhalten werden muss, zu der von Frau Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung am 6. Oktober im ARD-Morgenmagazin erhobenen Forderung nach einer nationalen Gasreserve? Sie erwähnte in diesem Zusammenhang, dass in Deutschland schon über ein Viertel der Gasspeicher in russischer Hand ist.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Sie beziehen sich damit auf Ihre nächste schriftlich eingereichte Frage. Wenn ich die Antwort darauf vorziehen darf, würde ich das, mit Verlaub, machen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Dann nehmen wir die Frage 2 des Kollegen Mattfeldt mit dazu: Wie positioniert sich die Bundesregierung zu der Forderung von Professor Dr. Claudia Kemfert, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, am 6. Oktober 2014 im ARD-Morgenmagazin nach einer nationalen Gasreserve vor dem Hintergrund, dass es für Öl eine Bevorratungsverpflichtung gibt, nach der im Krisenfall die Versorgung 90 Tage aufrechterhalten werden muss und in Deutschland schon über ein Viertel der deutschen Gasspeicher in russischer Hand ist ({0})?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Mattfeldt, das BMWi vergibt derzeit eine Studie mit dem Titel „Möglichkeiten zur Verbesserung der Gasversorgungssicherheit und der Krisenvorsorge durch Regelungen der Speicher ({0}) einschließlich der Kosten sowie der wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Markt“. Nach einer zu erwartenden Beauftragung ab November ist die Bearbeitungszeit zur Erstellung der Studie mit sechs Monaten festgesetzt, sodass mit Ergebnissen im April 2015 gerechnet werden kann. Die Diskussionen über eine mögliche Speicherregelung sollten dann auch die Vorgaben und Überlegungen auf europäischer Ebene berücksichtigen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Der Fragesteller ist zufrieden. - Es gibt dann eine Zusatz- oder Nachfrage des Abgeordneten Krischer von Bündnis 90/Die Grünen. Bitte.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Frau Staatssekretärin, ich möchte jetzt gerne eine Nachfrage zur ersten Frage stellen; denn das ging gerade ineinander über. Nach meinen Informationen hat die Letter One Group bzw. Herr Fridmann eine Unbedenklichkeitserklärung für den Kauf der RWE Dea AG bei der Bundesregierung beantragt. Wurde diese Unbedenklichkeitserklärung vonseiten der Bundesregierung erteilt und, wenn ja oder nein, mit welcher Begründung?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Nach dem deutschen Außenwirtschaftsrecht kann eine Unbedenklichkeitsbescheinigung nur dann versagt werden, wenn der Verkauf an einen außereuropäischen Erwerber nachweislich Gefahren für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit mit sich bringt. Das war hier nicht der Fall. Wir haben die einzelnen Erwägungen vor kurzem dem Ausschuss für Wirtschaft und Energie dargestellt; der Bericht liegt dem Ausschuss vor. Insofern war diese Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht zu versagen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Krischer, eigentlich dürften Sie keine zweite Frage mehr stellen. Sie könnten allenfalls eine Frage zu der zweiten schriftlich eingereichten Frage stellen.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich würde es gerne zur zweiten Frage tun, da ich auch zu diesem anderen Themenkomplex eine Nachfrage habe.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Ich habe es geahnt. - Bitte.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die Bundesregierung musste einen Stresstest im Hinblick auf die Gasversorgung in Deutschland vornehmen. Das war eine Forderung der EU-Kommission. Das Ergebnis dieses Stresstests ist nach meinen Informationen auch der EU-Kommission vorgelegt worden. Meine Frage ist: Warum wird das Ergebnis dieses Stresstests nicht veröffentlicht, nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Ich kenne jetzt - da muss ich passen - die rechtlichen Rahmenbedingungen, was den Stresstest und seine Veröffentlichung angeht, nicht. Ich kann Ihnen aber gerne sagen, Herr Kollege Krischer, dass im Moment die Speicher voll sind. Die Bewirtschaftung dieser Speicher unterliegt deutschem Recht, egal in wessen Eigentümer5456 schaft die Speicher sind. Insofern ist die Versorgungssicherheit gewährleistet. Aber selbstverständlich wird es demnächst auch Diskussionen auf europäischer Ebene geben. Deshalb sagte ich in meiner Antwort auf die Frage des Kollegen Mattfeldt, dass auch die europäischen Debatten Eingang in unsere Diskussion finden. Wir haben dazu jetzt das besagte Gutachten beauftragt, erwarten die Ergebnisse, wie ich schon dargestellt habe, ({0}) und werden dann mit Sicherheit im Ausschuss für Wirtschaft und Energie die Gelegenheit haben, diese Themen weiter miteinander zu diskutieren.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Wir kommen damit zur Frage 3 der Abgeordneten Höhn. Diese wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 4 der Abgeordneten Katharina Dröge, Bündnis 90/Die Grünen, auf: Inwiefern unterstützt die Bundesregierung den vom italienischen Vizeminister für Außenhandel, Carlo Calenda, in der FAZ vom 6. Oktober 2014 öffentlich geäußerten Vorschlag, ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA in einem verringerten Umfang, etwa ohne ein Kapitel zum Investitionsschutz oder zu Liberalisierungen im Bereich der Finanzdienstleistungen oder Lebensmittelsicherheit, abzuschließen? Frau Staatssekretärin, bitte.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Liebe Kollegin Dröge, ich antworte wie folgt: Die Bundesregierung kommentiert neue Vorschläge eines einzelnen Regierungsmitglieds nicht. Ziel der Bundesregierung bleibt, ein umfassendes Abkommen zu schließen, so wie es das von den Mitgliedstaaten und der EUKommission erteilte Verhandlungsmandat vorsieht.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Ich vermute, dass Sie eine Zusatzfrage haben, Kollegin Dröge? - Bitte schön.

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herzlichen Dank, Frau Gleicke, für diese Antwort, die mich, wie ich sagen muss, etwas betrübt stimmt; denn Sie hätten ja durchaus die Möglichkeit gehabt, den italienischen Kollegen in dieser Frage gemäß den Leitlinien zu unterstützen, die Herr Gabriel letzte Sitzungswoche hier im Bundestag skizziert hat. Da hat er ja eine ganze Reihe an roten Linien auch für Handelsabkommen skizziert und gesagt, das sei die Maxime seines Regierungshandelns. Jetzt hat der italienische Kollege einen Vorschlag gemacht, der genau in diese Richtung geht. Da hätte ich nach den Ankündigungen von Herrn Gabriel schon erwartet, dass er das jetzt auch massiv und deutlich unterstützt. Deswegen noch einmal die Frage: Wieso hat Herr Gabriel dies unterlassen?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Noch einmal: Für die Bundesregierung erkläre ich, dass wir Vorschläge einzelner Regierungsmitglieder nicht kommentieren. Insofern bleibt es selbstverständlich bei dem, was Herr Gabriel im Ausschuss auch mit Ihnen diskutiert hat, Frau Kollegin Dröge. Das ist sozusagen die Handlungsanweisung für die Bundesregierung, wenn es auf europäischer Ebene um die Diskussion geht, wie das Freihandelsabkommen weiter verhandelt wird.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zweite Zusatzfrage, bitte, Frau Kollegin Dröge.

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Okay, dann versuche ich es andersherum. Wenn Sie die Vorschläge einzelner Mitglieder anderer Regierungen nicht kommentieren, dann beantworten Sie aber vielleicht meine Nachfrage. Meine Nachfrage wäre, ob sich die Bundesregierung in Form von Herrn Minister Gabriel vorstellen könnte, relevante Teile wie ein Investitionsschutzkapitel im Konkreten oder etwa die Bereiche Finanzdienstleistungen oder Lebensmittelsicherheit aus dem Freihandelsabkommen TTIP auszuklammern, und ob sie bereit ist, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass das Mandat entsprechend geändert wird.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Es gibt ein Verhandlungsmandat. Für die Verhandlungen ist die EU-Kommission zuständig. Bisher liegen keine abschließenden Verhandlungsergebnisse vor, für die man den Abschluss vorziehen könnte. Darauf bezieht sich der Vorschlag von Herrn Calenda. Insofern ist dazu im Weiteren nichts zu sagen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Dann kommen wir zur Frage 5, ebenfalls von der Abgeordneten Katharina Dröge, Bündnis 90/Die Grünen: Wie will die Bundesregierung Nachverhandlungen beim Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, CETA, durchsetzen, wenn sowohl die kanadische Regierung in Person des Handelsministers Ed Fast - „Die Verhandlungen zu CETA sind beendet, und Kanada und die EU haben sich auf eine fertige Fassung geeinigt“, FinanzNachrichten vom 5. Oktober 2014 - als auch die designierte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström - „Das wäre keine gute Idee“, Der Tagesspiegel vom 29. September 2014 - Nachverhandlungen beim CETA ablehnen? Frau Staatssekretärin.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Die alleinige Kompetenz, die Verhandlungen mit Kanada zu führen, liegt nach den europäischen Verträgen bei der Europäischen Kommission. Die Bundesregierung hält weitere Verbesserungen im Abkommen für notwendig und bringt ihre Anliegen wie üblich über die Brüsseler Ratsgremien ein, insbesondere über den Handelspolitischen Ausschuss, aber auch in Gesprächen auf politischer Ebene. Soweit möglich, tut sie dies gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten. Es ist denkbar, dass Verbesserungen im gegenseitigen Einvernehmen vorgenommen werden können.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Dröge?

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dazu habe ich eine Zusatzfrage. Diese Debatte haben wir bereits letzte Sitzungswoche im Parlament geführt, und da hat sich Herr Gabriel erfreulich kritisch, wie ich fand, zum Thema „Investitionsschutzklauseln in CETA“ geäußert und gesagt, mit ihm werde es ein solches CETA nicht geben. Deswegen wüsste ich jetzt im Anschluss gern konkret: Welche Termine haben er oder Vertreter seines Ministeriums im Anschluss an diese Ankündigung gegenüber dem Parlament wahrgenommen, um diese Forderung in Brüssel zu transportieren und ihr zum Erfolg zu verhelfen? Bitte sagen Sie uns einfach, wann er wohin gefahren ist und mit wem er telefoniert hat. Dann wissen wir, ob es nur eine Willensbekundung war oder ob wir mit etwas Konkretem rechnen können. Aus der Berichterstattung wissen wir zwar, dass man bislang über Schuldenschnitte und andere Dinge gesprochen hat. Von der kompletten Herausnahme des ISDS-Mechanismus habe ich bisher aber nirgendwo etwas lesen können. Deshalb frage ich so konkret nach.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Frau Kollegin Dröge, Sie haben sicherlich Verständnis dafür, dass ich Ihnen die Einträge im Terminkalender oder die Gesprächstermine, die Herr Minister in den letzten Tagen und Wochen wahrgenommen hat, nicht im Einzelnen herbeten kann. Da bitte ich herzlich um Verständnis und würde gerne schriftlich antworten.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Noch eine Zusatzfrage? - Bitte.

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herzlichen Dank, darüber freue ich mich sehr. - Die zweite Frage wäre: Wenn Herr Gabriel, was wir uns alle nicht wünschen, in den Verhandlungen nicht erfolgreich damit sein sollte, ISDS aus CETA auszuschließen, können wir dann damit rechnen, dass die Bundesregierung dem Abkommen nicht zustimmen wird? So haben wir es jedenfalls in der letzten Sitzungswoche wahrgenommen.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Im Moment wird die rechtliche Prüfung des Verhandlungsergebnisses, das jetzt vorliegt, vorgenommen. Danach wird das Abkommen übersetzt. Dann erst gibt es die Möglichkeit für die Bundesregierung, dazu Entscheidungen zu treffen und dann im Rat ihr Abstimmungsverhalten deutlich zu machen, sodass wir erst anschließend daran im Parlament entscheiden können.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Danke schön. - Dann kommen wir zur Frage 6 der Abgeordneten Corinna Rüffer: Welche konkreten Aspekte des Investitionsschutzkapitels im Freihandelsabkommen CETA hält die Bundesregierung für nicht zustimmungsfähig?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Liebe Kollegin Rüffer, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Grundsätzlich ist festzuhalten: Die Bundesregierung sieht viel Sinn und sehr großen Nutzen in einem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada. Ob die Bundesregierung dem Beschluss zur Unterzeichnung des Abkommens im Rat zustimmen kann, lässt sich erst sagen, wenn der endgültige Vertragstext feststeht und von der Bundesregierung abschließend geprüft wurde. Die Bundesregierung sieht, unabhängig von der Feststellung, dass sie Investitionsschutzregeln in Abkommen mit entwickelten Rechtsstaaten für nicht erforderlich hält, insbesondere in den Punkten Regelung von etwaigen Umschuldungen sowie Bankrestrukturierungen und -abwicklungen Klärungsbedarf. Die Bundesregierung strebt die Klärung dieser Punkte mit der EU-Kommission an.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zusatzfrage?

Corinna Rüffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004390, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wir gehen, ehrlich gesagt, davon aus, dass Sie sich nur deshalb an Verhandlungen beteiligen, weil Sie sie für sinnvoll und unterstützenswert halten. Insofern danke für den Hinweis; aber davon sind wir ausgegangen. Sie haben ein paar Punkte genannt, die kritisch sein könnten und von Ihnen, glaube ich, auch so wahrgenommen werden. Deswegen stelle ich die Frage noch einmal konkreter: Wenn diese Aspekte im Abkommen enthalten sein sollten - Sie haben einige Punkte genannt -, würde das dazu führen, dass die Bundesregierung es ablehnen würde? Können wir damit rechnen?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Wie ich eben der Kollegin Dröge schon gesagt habe, befinden wir uns im Moment in der Phase der Rechtsförmlichkeitsprüfung. Dann werden die Texte sozusagen konsolidiert und übersetzt. Danach wird die Bundesregierung eine Entscheidung darüber treffen, wie sie sich im Rat verhält. Erst dann werden wir hier im Parlament die Möglichkeit haben, zu entscheiden.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Noch eine Zusatzfrage? - Bitte.

Corinna Rüffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004390, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das bedeutet, dass Sie für sich keine roten Linien markiert haben, über die Sie nicht gehen würden? Verstehe ich das richtig?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Liebe Frau Kollegin Rüffer, der Minister hat sehr deutlich klargemacht, wo er Verbesserungsbedarf sieht. Ich habe vorhin der Kollegin Dröge geantwortet, dass er seine Möglichkeiten nutzt, in den Ratsgremien diesen Verbesserungsbedarf darzustellen, auch in den politischen Gesprächen mit den Vertretern der Mitgliedstaaten. Insofern sind wir sehr optimistisch, dass es noch Verbesserungen geben wird. Wir bleiben einfach im Gespräch. Das Verfahren ist trotzdem so, wie ich es Ihnen eben geschildert habe.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Dann kommen wir zur Frage 7 der Abgeordneten Corinna Rüffer: Wäre es denkbar, dass auf Grundlage des Investitionsschutzkapitels im CETA bei Umschuldungen von Staatsanleihen Klagen vor internationalen Schiedsgerichten vorgebracht werden könnten? Frau Staatssekretärin, bitte.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Schönen Dank. - Liebe Frau Kollegin Rüffer, das ist quasi das Beispiel dafür, weshalb ich gesagt habe, dass wir Möglichkeiten sehen, Verbesserungen hinzubekommen. Die Bundesregierung hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass ein ursprünglich von Kanada unterbreiteter Vorschlag zur Regelung von Umschuldungen nachträglich in den Abkommenstext aufgenommen wurde, siehe Annex X: Public Debt, Seite 184 des CETA-Textes vom 26. September 2014. Diese Textpassage war im CETA-Text, der am 5. August 2014 an die EU-Mitgliedstaaten übermittelt wurde, noch nicht enthalten. Damit hat sich die Gefahr von erfolgreichen Klagen gegen etwaige Umschuldungsmaßnahmen verringert. Die Bundesregierung wird sich ungeachtet dessen für weitere Verbesserungen einsetzen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Dazu eine Zusatzfrage?

Corinna Rüffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004390, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Bitte.

Corinna Rüffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004390, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich formuliere es einmal so: Wird die Bundesregierung CETA zustimmen, auch wenn die Regelungen im Kapitel über Investitionsschutz nicht dahin gehend verändert werden, dass Klagen bei Umschuldungen von Staatsanleihen ausgeschlossen wären? Noch einmal eine ähnliche Frage.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Liebe Frau Kollegin, gerade wird die Rechtsförmlichkeit der Texte geprüft. Anschließend werden sie übersetzt. Diese Texte werden, wie ich eben beispielhaft erklärt habe, im Laufe der Prüfverfahren noch geändert. Die Bundesregierung wird dann anhand der Abschlusstexte ihre Entscheidung treffen und entsprechend im Rat agieren. Danach werden wir hier im Parlament darüber zu entscheiden haben.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Sie dürfen noch einmal nachfragen, wenn Sie mögen? Okay, nicht mehr. Danke. Frau Dröge hat noch eine Nachfrage. Bitte.

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe noch eine Nachfrage. Ich finde es etwas schade, dass Sie sich hier offensichtlich nicht festlegen möchten, weil ich Herrn Gabriel letzte Sitzungswoche im Plenum anders verstanden habe. Ich habe noch einmal eine konkrete Nachfrage: Hätten die Gläubiger bzw. Besitzer griechischer Staatsanleihen auf der Grundlage von Bestimmungen, wie sie in CETA vorhanden sind, vor internationalen Schiedsgerichten gegen die Umschuldung griechischer Staatsanleihen, die seit März 2012 bestehen, klagen können? Ich finde, dass das für uns eine relevante Frage ist, um bewerten zu können, was wir gerade verhandeln.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Frau Kollegin Dröge, wie Sie wissen, bin ich von Beruf Bauingenieurin und keine Juristin. Ich würde Ihnen diese Frage gern schriftlich beantworten und würde die Juristen des Hauses damit beschäftigen, damit Sie eine konkrete Antwort bekommen. - Danke schön.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Danke schön. - Dann kommen wir zur Frage 8 des Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt, Bündnis 90/Die Grünen: Sind die Äußerungen des Bundesministers für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, aus den vergangenen Wochen zu den Investitionsschutzregeln im CETA so zu verstehen, dass, wenn die Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren weiterhin Bestandteil im CETA bleiben sollten, die Bundesregierung im Rat der Europäischen Union gegen ein solches Abkommen stimmen würde? Bitte, Frau Staatssekretärin.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Danke schön, Herr Präsident. - Lieber Herr Kollege Schmidt, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung sieht viel Sinn und sehr großen Nutzen in einem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada. Die Bundesregierung begrüßt daher, dass die EU-Kommission und Kanada ein vorläufiges Verhandlungsergebnis erreicht haben. CETA erfüllt nach Ansicht der Bundesregierung grundsätzlich die Erwartungen an ein modernes und ehrgeiziges Freihandelsabkommen zwischen Industriestaaten. Der Abschluss von CETA wird auch ein wichtiges Signal senden, dass die EU zum Freihandel steht und in der gemeinsamen Handelspolitik handlungsfähig ist. Ob die Bundesregierung dem Beschluss zur Unterzeichnung des Abkommens im Rat zustimmen kann, lässt sich erst sagen, wenn der endgültige Vertragstext feststeht und von der Bundesregierung abschließend geprüft wurde. Hinsichtlich des Kapitels zum Investitionsschutz sieht die Bundesregierung noch Klärungsbedarf. Die Bundesregierung steht hier mit der EU-Kommission in Kontakt. Allgemein macht die Bundesregierung weiter deutlich, Investitionsschutzbestimmungen und Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren zwischen Staaten mit entwickelten Rechtsschutzsystemen nicht für erforderlich zu halten.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Eine Nachfrage dazu? - Bitte, Herr Dr. Schmidt.

Dr. Frithjof Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004145, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe eine Nachfrage zum Status der Verhandlungen. Einerseits hat es eine Zeremonie mit dem Kommissionspräsidenten Barroso und dem kanadischen Premierminister Stephen Harper dahin gehend gegeben, dass das Abkommen abgeschlossen sei. Andererseits haben wir die Information, dass die Verhandlungen im Handelsausschuss des Rates über das Abkommen noch gar nicht abgeschlossen sind. Können Sie mir erklären, welche Rechtsauffassung die Bundesregierung hat? Sind die Verhandlungen denn jetzt abgeschlossen, und, wenn ja, wie können dann die Verhandlungen im Handelsausschuss des Rates noch gar nicht abgeschlossen sein? Oder andersherum: Wenn Sie die Rechtsauffassung haben, dass dieses Abkommen de facto oder de jure noch nicht paraphiert ist, wie sind dann die Verhandlungen im Handelsausschuss des Rates angelegt, und was sind die Erwartungen der Bundesregierung hinsichtlich der Dauer? Wann, glauben Sie, wäre das Abkommen dann in einem Zustand, dass es den Mitgliedstaaten zur Ratifizierung zugeleitet werden kann?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Der Punkt ist in der Tat, dass die Verhandlungen zwar beendet worden sind - das ist ja öffentlich erklärt worden -; allerdings ist es tatsächlich so, dass der Vertragstext im Moment bearbeitet wird, weil es noch eine Reihe zu klärender Fragen gibt. Da sind die Juristen am Werk. Danach wird der Vertragstext, wie ich schon erklärt habe, übersetzt, und dann wird das Abkommen den Mitgliedstaaten sozusagen in seiner schlussendlichen Form vorliegen. Dann wird sich die Bundesregierung mit den einzelnen Passagen und dem gesamten Vertrag beschäftigen und entscheiden, wie sich ihr Abstimmungsverhalten im Rat darstellen wird. Danach werden wir auch hier im deutschen Parlament darüber diskutieren können.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Noch eine Zusatzfrage von Dr. Schmidt.

Dr. Frithjof Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004145, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte fragen, ob mein Eindruck richtig ist, dass es offensichtlich an zwei Punkten unterschiedliche Rechtsauffassungen der Bundesregierung und der Kommission gibt. Erstens. Ist mein Eindruck richtig, dass die Kommission die Rechtsauffassung vertritt, diese Verhandlungen seien abgeschlossen? Kommissar De Gucht hat deswegen ja auch gesagt, es könne daran nichts mehr geändert werden. Zweitens, die Frage der Ratifizierung. Ist mein Eindruck richtig, dass die Bundesregierung die Rechtsauffassung vertritt, dass dies ein gemischtes Abkommen ist, es also den Mitgliedstaaten zur Ratifizierung zugeleitet werden muss, die EU-Kommission aber dezidiert die Rechtsauffassung vertritt, dass dies kein gemischtes Abkommen ist, es also den Mitgliedstaaten nicht zur Ratifizierung zugeleitet werden muss? Ist die Bundesregierung, falls die EU-Kommission der Rechtsauffassung der Bundesregierung nicht folgt, bereit, den EuGH anzurufen?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Wir sind der Auffassung, dass es sich um ein gemischtes Abkommen handelt; das ist mehrfach im Ausschuss und auch hier Parlament erklärt worden. Insofern gehen wir davon aus, dass wir das hier im deutschen Parlament diskutieren. Im Endeffekt ist das jetzt auch Bestandteil der Diskussion um die einzelnen Vertragstexte, deren Verlauf ich vorhin geschildert habe. Ich habe auf die Frage der Kollegin Rüffer hin deutlich gemacht, dass es auch bei den Übertragungen der Gesetzestexte tatsächlich noch zu Veränderungen kommt. Wir werden also diese Möglichkeiten nutzen. Dies alles wird bis Sommer nächsten Jahres dauern. Wir haben Bewegung wahrgenommen und haben den Eindruck, dass sich auch die EU-Kommission der Auffassung annähert, dass es sich um ein gemischtes Abkommen handelt.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die nächste Zusatzfrage hat die Abgeordnete Lemke, Bündnis 90/Die Grünen.

Steffi Lemke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002720, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, Sie haben hier die Auffassung der Bundesregierung vorgetragen. Weil dieses Thema öffentlich sehr intensiv diskutiert wird, was wir als Parlamentarier alle sehr begrüßen, möchte ich mich über ein Detail bezüglich der Haltung der Bundesregierung vergewissern: Ist es explizit die Auffassung der gesamten Bundesregierung und auch der Bundeskanzlerin, dass Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren bei Abkommen mit einem Staat wie Kanada überflüssig sind und Nachverhandlungen mit dem Ziel geführt werden sollen, die entsprechende Regelung herauszunehmen?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass Investitionsschutzklauseln zwischen entwickelten Rechtssystemen tatsächlich entbehrlich sind. ({0}) - Das ist die Auffassung der Bundesregierung.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die nächste Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Präsident. - Frau Staatssekretärin, der Vorgang ist mir nicht ganz klar, auch nach Ihrer Antwort nicht. Im normalen Leben bin ich Rechtsanwalt, und ich bin es daher gewohnt, für Mandanten Verträge auszuhandeln. Manchmal dauert das länger, manchmal geht es ganz schnell. Irgendwann ist man fertig und verabschiedet sich in der Gewissheit, dass das Verhandlungsergebnis erreicht ist; es wird dann schriftlich niedergelegt, vielleicht muss es noch notariell beurkundet werden. Aber beide Seiten sind sich einig: Das ist das Ergebnis, es gibt also nichts mehr zu verhandeln. Wie ist das denn nun bei CETA? Gibt es ein Papier, auf dem steht: „Das ist das Ende dieser Verhandlung und dieser Text ist jetzt maßgeblich“? Das ist eine einfache Frage - wenn ein Mandant zu mir käme, dann müsste ich das auch beantworten -: War es das jetzt oder kommen noch 35 Zusätze dazu?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Ströbele, wie ich schon auf die Fragen der Kolleginnen und Kollegen vorher geantwortet habe: Es gibt einen Text, in dem noch einige Passagen der Klärung in Bezug auf die Formulierung bedürfen. Das wird jetzt im weiteren Verlauf passieren. Danach wird der Text übersetzt, und die Bundesregierung wird an dem dann feststehenden Text ihre Entscheidung ausrichten. ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die nächste Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Dröge, Bündnis 90/Die Grünen.

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herzlichen Dank. - Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, in Ihrer Antwort auf die Frage von Frau Lemke haben Sie zu meiner Freude noch einmal zum Ausdruck gebracht, dass die gesamte Bundesregierung Herrn Gabriel dabei unterstützt, dass ISDS aus CETA gestrichen wird. Sie haben eben freundlicherweise zugesagt, mir eine Übersicht zu schicken, aus der sich ergibt, wann sich Herr Gabriel in Brüssel eingesetzt hat. Es würde mich sehr freuen, wenn mir die Bundesregierung eine solche Übersicht über Frau Merkels Termine schicken könnte. Es begeistert mich, wenn sich die gesamte Bundesregierung in Brüssel einsetzt. Wenn Herr Gabriel die Unterstützung von Frau Merkel hat, ist das etwas sehr Positives. Allerdings hat sie bislang damit nicht so viel Werbung gemacht.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Wir beantworten selbstverständlich auch diese Frage schriftlich. Ich möchte, damit kein Widerspruch entsteht, die Formulierung noch einmal vorlesen: Die Bundesregierung sieht, unabhängig von der Feststellung, dass sie Investitionsschutzregelungen in Abkommen mit entwickelten Rechtsstaaten für nicht erforderlich hält, insbesondere in den folgenden Punkten Regelungsbedarf usw. - Das ist die abgestimmte Meinung der Bundesregierung.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die nächste Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Wolfgang Tiefensee, SPD-Fraktion.

Wolfgang Tiefensee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004176, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Staatssekretärin, stimmen Sie mit mir darin überein, dass es ein Unterschied ist, ob man im juristischen Sinne und als Anwalt einen Vertrag aushandelt, bei dem die Parteien am Tisch sitzen und die Prokura haben, endzuverhandeln, oder ob, wie in den Verhandlungen zwischen der EU und Kanada, mindestens Räte, wenn nicht sogar Parlamente beteiligt werden müssen? Zum Zweiten. Sind Sie mit mir einer Meinung, dass bereits die Tatsache, dass die jeweilige Bundesregierung bei der Erteilung des Verhandlungsmandats für CETA und TTIP deutlich gemacht hat, dass sie kein ISDS will, ein Fingerzeig dafür ist, dass sie nach wie vor auf dieser Meinung besteht? Zum Dritten. Wir haben den kanadischen Verhandlungsführer Herrn Steve Verheul im Ausschuss gehört. Sind Sie mit mir einer Meinung, dass seine Äußerungen so zu verstehen waren, dass er sich wünschte, dass der Text eins zu eins verabschiedet wird, aber dass er durchaus sieht, dass zum Beispiel in Bezug auf die Banken und Markenschutzrechte und dergleichen noch Nachverhandlungsbedarf bzw. Korrekturbedarf besteht? Schließlich frage ich: Sind Sie mit mir der Meinung, dass es auch andere europäische Staaten gibt, die Bedarf haben, bezüglich dieser oder jener Passage nachzuverhandeln?

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Ich wurde von langjährigen Parlamentariern darauf hingewiesen, dass das vier Fragen waren. Normalerweise ist nur eine zulässig. Aber wir wollen es der Bundesregierung überlassen, wie sie darauf antwortet. Prinzipiell aber bitte nur eine Frage pro Nachfrager.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Ich glaube, die vier Fragen des Kollegen Tiefensee illustrieren das nicht ungewöhnliche Vorgehen bei internationalen Verhandlungen: Man hat einen Text, bei dem insbesondere juristischer Klärungsbedarf besteht. Ich habe vorhin auf die Frage der Kollegin Rüffer deutlich gemacht, dass es im Verlauf der Textkonsolidierung zu Veränderungen kommen kann. Das hat Herr Verheul angekündigt. Dass es Veränderungswünsche gibt, haben auch andere Mitgliedstaaten angekündigt. Insofern ist das ein ganz normales Verfahren. Ich bin aber dem erfahrenen Kollegen Ströbele dankbar, wenn er uns, den Ingenieuren sozusagen, eine Handhabe gibt, wie das in einfachen juristischen Verfahren geht. In internationalen Verfahren - da haben Sie recht ist das durchaus so üblich.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Ich rufe die Frage 9 auf: Wie möchte die Bundesregierung nach dem Abschluss der Verhandlungen zwischen der Europäischen Kommission und Kanada einzelne Teile im CETA, beispielsweise im Bereich des Investitionsschutzes, neu verhandeln, und welchen Zeitrahmen hat sie dafür ins Auge gefasst?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Schmidt, die alleinige Kompetenz, die Verhandlungen mit Kanada zu führen, liegt nach den europäischen Verträgen bei der Europäischen Kommission. Die Bundesregierung hält weitere Verbesserungen im Abkommen für notwendig. Sie bringt ihre Anliegen über die Brüsseler Ratsgremien ein, insbesondere über den Handelspolitischen Ausschuss, aber auch in Gesprächen auf politischer Ebene und, soweit möglich, zusammen mit anderen EU-Mitgliedstaaten. Es ist denkbar, dass Verbesserungen im gegenseitigen Einvernehmen vorgenommen werden können, wie ich schon die ganze Zeit erläutert habe.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zusatzfrage, Herr Dr. Schmidt?

Dr. Frithjof Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004145, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. - Ich habe eine Zusatzfrage, die durchaus auch an die vorhergehende Frage anschließt. Es gibt in einzelnen zentralen Punkten ganz offenkundig unterschiedliche Rechtsauffassungen zwischen der Bundesregierung und der Kommission; das haben Sie bestätigt. Ist das ein gemischtes Abkommen, also eines, das den Mitgliedstaaten zur Ratifizierung zugeleitet werden muss, oder ist dies kein gemischtes Abkommen, wie die EU-Kommission das sieht? Dass die EU-Kommission die Verhandlungskompetenz hat, entscheidet nicht darüber, ob sie über den Charakter des Abkommens im Ratifizierungsprozess entscheiden kann. Die EU-Kommission nimmt das aber für sich in Anspruch. Sie sagt: Wir sind der Meinung, dass das kein gemischtes Abkommen ist. Was ist, wenn die EU-Kommission daran festhält und auf Basis eines Rechtsgutachtens ihres Wissenschaftlichen Dienstes sagt: „Wir leiten euch das nicht zur Ratifizierung zu“? Das ist ja möglich. Sie haben gesagt: Wir haben Anzeichen dafür, dass die EU-Kommission sich unserer Rechtsauffassung annähert. - Sie hoffen, dass alles gut wird. Für den Fall, dass nicht alles gut wird - das kommt im Leben ja gelegentlich vor -, ist die Bundesregierung dann bereit, für ihre Rechtsauffassung vor dem EuGH, vor dem Europäischen Gerichtshof, zu streiten, oder würde sie dann die Entscheidung der Kommission hinnehmen?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Schmidt, wir sind der Auffassung, dass es sich um ein gemischtes Abkommen handelt, und wir werden alles dafür tun, dass sich die Europäische Kommission dieser Auffassung anschließt. Sollte sie das nicht tun, wird dann zu entscheiden sein. Ich finde, wir sollten unter zivilisierten Europäern versuchen, miteinander eine klare Absprache zu finden.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Danke schön. - Ich rufe die Frage 10 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Bündnis 90/Die Grünen, auf: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zum Abstimmungsverhalten der jeweiligen EU-Kommissare bei der Entscheidung über die staatliche Beihilfe für den Bau des britischen Atomkraftwerks Hinkley Point C - insbesondere des EU-Kommissars für Energie, Günther Oettinger -, und welche Aktivitäten und Gespräche sind vonseiten der Bundesregierung im Vorfeld der Entscheidung durchgeführt worden bitte mit genauer Angabe; bei den Gesprächen bitte möglichst mit Angabe der Gesprächspartner? Frau Staatssekretärin.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Liebe Frau Kollegin Kotting-Uhl, über die pressebekannten Informationen hinaus liegen der Bundesregierung keine weiteren Erkenntnisse über die Abstimmung im Kommissionskollegium vor. Im Vorfeld der Entscheidung wurden keine Aktivitäten und Gespräche seitens der Bundesregierung durchgeführt.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Kotting-Uhl?

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, gerne, Herr Präsident. Vielen Dank. - Frau Staatssekretärin, das nimmt mich wunder. Man muss ja immer wieder darauf hinweisen, dass Deutschland den Atomausstieg beschlossen hat. Nun geht es um den Neubau eines Atomkraftwerks, das in relativ großer Nähe zu uns liegt, und um die Frage, ob man den Neubau mit staatlicher Beihilfe subventioniert. Und es geht um die Frage, ob das, wie manche begründet sagen, in Widerspruch zu den Wettbewerbsregeln der Europäischen Union steht. Der Kommissar für Energie ist zu diesem Zeitpunkt noch Günther Oettinger aus Deutschland. Die Bundesregierung hat in der Tat nicht ein Gespräch mit dem Ener5462 giekommissar aus Deutschland in der EU-Kommission geführt? Man muss dazu sagen: Es war eine Stimme Unterschied. Die Stimme des deutschen Kommissars war also sehr relevant. Trotzdem gab es kein Gespräch? ({0})

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Frau Kollegin Kotting-Uhl, diese Beihilfeverfahren sind bilaterale Verfahren, vergleichbar zum Beispiel mit unseren Verhandlungen mit der Europäischen Union um die Besondere Ausgleichsregelung im EEG. In dem Falle mischen sich andere Staaten nicht in die Verhandlungen ein.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Weitere Zusatzfrage?

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, danke, Herr Präsident. Ich habe eine zweite Frage. Es ist ja ein gewisser Unterschied, ob man wie bei den erneuerbaren Energien eine neue Technologie mit Anschubfinanzierung in den Markt bringt oder ob eine Technologie, die nach 60 Jahren offensichtlich immer noch nicht in der Lage ist, sich finanziell selber zu erhalten, subventioniert werden muss. Dazu hat die Bundesregierung keine Haltung?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Die Bundesregierung hat sich in die bilateralen Gespräche, die anderthalb Jahre angehalten haben, nicht eingemischt. ({0})

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das ist mir Antwort genug. Danke.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nachfrage des Abgeordneten Krischer, Bündnis 90/ Die Grünen.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Kollegin Gleicke, die Antwort überrascht mich in der Deutlichkeit, dass Sie weder eine Haltung noch Interesse noch sonst irgendetwas an dieser doch überraschenden Entscheidung haben. Wir haben in der vergangenen Woche hier in der Fragestunde, als die Entscheidung gerade gefallen war, Frau Bundesumweltministerin Hendricks gehört, die gesagt hat, dass sie die Entscheidung für falsch hält und eine Klage der Bundesrepublik befürwortet. Deshalb meine Frage an Sie als Vertreterin der Bundesregierung: Prüft die Bundesregierung zurzeit, eine Klage gegen die Entscheidung zu Hinkley Point einzureichen oder sich der Klage eines anderen Landes anzuschließen? Wir haben vernommen, dass man in Österreich nicht solch eine gleichgültige Haltung hat, wie Sie sie haben. Die dortige Bundesregierung hat angekündigt, eine Klage einzureichen. Prüft die Bundesregierung, einen solchen Schritt zu gehen, oder hat sie möglicherweise schon die Entscheidung zu einem solchen Schritt getroffen?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Krischer, aus meinen Antworten zuvor zu schließen, dass die Bundesregierung kein Interesse und keine Haltung hätte, ist falsch. Ich will das noch einmal ganz deutlich sagen. Wir haben uns in der Tat in die bilateralen Verhandlungen zu einem Beihilfeverfahren nicht einzumischen. Umgekehrt erwarten wir dies auch von den anderen Staaten, wenn wir Beihilfeverhandlungen führen. Die Besondere Ausgleichsregelung hat ja nichts mit der Förderung der erneuerbaren Energien zu tun, sondern damit, dass wir die EEG-Umlage für einige Bereiche der Industrie begrenzen. ({0}) - Genau, dazu kommen wir gleich bei der nächsten Frage. Die Bundesregierung hat klargestellt - ich beziehe mich auf Unterrichtungen, die schon vorgelegen haben; es gibt, glaube ich, schon einen Bericht an die Bundestagsfraktion der SPD, aber zum Beispiel auch einen Schriftverkehr des Ministers -, dass sie die Entscheidung der Europäischen Kommission nach Veröffentlichung sehr genau faktisch und rechtlich analysieren wird. Allerdings wird die Veröffentlichung - auch das steht schon fest - erst Anfang 2015 erwartet. Dann werden wir prüfen, wie wir mit dieser beihilferechtlichen Entscheidung umgehen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die nächste Zusatzfrage hat der Abgeordnete Kekeritz, danach die Abgeordnete Lemke, beide Bündnis 90/Die Grünen. - Herr Abgeordneter Kekeritz, bitte.

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die Frage hat sich jetzt eigentlich erübrigt, weil Kollege Krischer sie schon gestellt hat. Nichtsdestotrotz muss ich die Regierung fragen, ob sie sich darüber im Klaren ist, dass ein Nichtverhalten zu einem so zentralen Thema natürlich ein ganz klares Signal an uns Abgeordnete, aber auch nach außen ist. Das Signal, das Sie senden, ist eindeutig: Atomkraft ist in Ordnung. Wir akzeptieren das. - Wenn das nicht ihre Grundhaltung ist, dann verlange ich von der Bundesregierung, dass sie im Interesse der globalen Entwicklung und auch der Zukunft der Energiewende massiv dagegen vorgeht.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Das war bis jetzt noch keine Frage; aber ich nehme an, Sie wollten fragen, ob sie die Einschätzung teilt.

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Genau! ({0})

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Wie die Bundesregierung bereits klargestellt hat, wird sie die Entscheidung der Europäischen Kommission nach Veröffentlichung rechtlich und faktisch sehr genau analysieren. Eine Veröffentlichung wird erst für Anfang 2015 erwartet; daher ist zu diesem Zeitpunkt keinerlei Aussage möglich. Ich will Ihnen aber sehr deutlich sagen, Herr Kollege, dass wir - unabhängig davon, dass wir den Atomausstieg hier in Deutschland gestalten - das Problem natürlich sehen. Wenn es um Hermesbürgschaften für AKWNeubauten im Ausland geht, so ist es die Linie der verantwortlichen Bundesressorts, grundsätzlich nicht zu bürgen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die Abgeordnete Lemke, Bündnis 90/Die Grünen, hat dazu noch eine Zusatzfrage.

Steffi Lemke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002720, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, wir wissen aus der Katastrophe von Tschernobyl, dass wir von Entscheidungen von Staaten - nicht nur in Europa, sondern auch darüber hinaus - über den AKW-Neubau sehr persönlich betroffen sind, falls es dort zu Havarien kommen sollte. Von daher kann ich Ihre Auffassung, dass wir uns in ein solches Beihilfeverfahren nicht einzumischen haben, nicht nachvollziehen. Evidente Sicherheitsinteressen unserer Bevölkerung sind von dieser Entscheidung betroffen. Ich würde, da Frau Bundesumweltministerin Hendricks in der vergangenen Woche zu einer potenziellen Klage eine dezidiert andere Auffassung hier vor dem Parlament vertreten hat als Sie, gerne nach dem jetzt offenbar gewordenen Dissens innerhalb der Bundesregierung wissen, ob im Kabinett, ob in der Bundesregierung darüber debattiert worden ist, ob eine Klage eingereicht werden sollte - oder einer anderen beigetreten werden sollte und ob es dazu eine explizite Entscheidung innerhalb der Bundesregierung gegeben hat.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Frau Kollegin Lemke, ich stelle fest: Sie haben nach dem Beihilfeverfahren gefragt. Ich habe Ihnen dargestellt, dass es sich in diesen Beihilfediskussionen um bilaterale Verhandlungen handelt. Das Zweite ist, dass wir natürlich mit unserer hervorragenden Politik, was den Atomausstieg angeht, und der guten Implementierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien und den Fortschritten, die wir in Deutschland dabei vorzuweisen haben, selbstverständlich auch international als gutes Beispiel dienen wollen. Was das Thema der Klagen angeht, habe ich gerade dargestellt, dass die Bundesregierung die Entscheidung der Europäischen Kommission nach deren Veröffentlichung ganz genau überprüfen und faktisch wie rechtlich analysieren wird. Die Veröffentlichung wird allerdings erst für Anfang 2015 erwartet; zu diesem Zeitpunkt werden wir als Bundesregierung eine Entscheidung fällen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Danke schön. - Wir kommen damit zur Frage 11 des Abgeordneten Oliver Krischer: Wie viele Anträge - aufgeschlüsselt jeweils nach den zehn größten Branchen und Bundesländern - sind beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in diesem Jahr bis zum Fristende 30. September 2014 ({0}) eingegangen - falls die abschließende Zahl noch nicht vorliegt, bitte Zwischenstand angeben -, und mit welchem finanziellen Volumen rechnet die Bundesregierung nach ersten Schätzungen? Frau Staatssekretärin.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Lieber Herr Kollege Krischer, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Nach der vorläufigen Datenlage des BAFA sind in diesem Jahr bis Fristende Anträge von 2 452 Unternehmen bzw. selbstständigen Unternehmensteilen - im Vorjahr waren es 2 367 - für 3 391 Abnahmestellen - im Vorjahr waren es 3 458 - mit einer Gesamtstrommenge von circa 117,8 Terawattstunden im Vorjahr waren es 119,3 Terawattstunden - eingegangen. Bislang wurden bei den eingegangenen Anträgen und den Strommengen nur grobe Plausibilitätsprüfungen durchgeführt. Vor diesem Hintergrund liegen derzeit nur vorläufige Daten vor. Es werden sich noch Änderungen ergeben. Im Vorjahr - ich will das noch einmal illustrieren - lag die beantragte Strommenge fehlerbereinigt um ungefähr 2,6 Terawattstunden niedriger als der ursprünglich angemeldete Wert. Eine Übersicht zur Verteilung der provisorischen Antragszahlen nach Bundesländern und Branchen kann den Tabellen entnommen werden, die ich Ihnen gerne schriftlich geben würde, weil ich glaube, es überfordert die Kolleginnen und Kollegen, wenn ich das jetzt hier vortrage. Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Eine Einschätzung des mit diesen Zahlen verbundenen finanziellen Entlastungsvolumens ist nur im Zusammenhang mit der heute von den Übertragungsnetzbetreibern vorgestellten EEG-Umlage möglich. Daraus errechnet sich ein Entlastungsvolumen von 5,1 Milliarden Euro, das dem Wert des Vorjahres entspricht.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Haben Sie eine Zusatzfrage, Kollege Krischer? Bitte schön.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die ausführliche Beantwortung der Frage und die Nennung der Zahlen. Ich nehme sehr gern Ihre Bereitschaft in Anspruch, mir die Tabelle zuzusenden. Kann ich Ihre Äußerung so interpretieren, dass es infolge der EEG-Novelle zu keiner relevanten Senkung der privilegierten Strommenge gekommen ist? Minister Gabriel hatte ja in Aussicht gestellt, dass eine relevante Verminderung der privilegierten Strommenge und eine Konzentration in der Branche zu erwarten sind. Kann ich Ihre Äußerung dahin gehend interpretieren - nach den vorliegenden Zahlen ist die Größenordnung in etwa die des letzten Jahres -, dass wir hier ein gleiches Entlastungsvolumen haben?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Krischer, Ihre erste Frage beantworte ich mit Nein. Sie können aus meinen Äußerungen nicht schließen, dass alles beim Alten bleibt. Man muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass in den vergangenen Jahren die privilegierten Strommengen immer weiter gestiegen sind und auch die Anzahl der Antragsteller gestiegen ist. Das ist eine Veränderung. Demgegenüber ist die Größenordnung nun in etwa konstant geblieben. Das hat etwas mit den Veränderungen der EEG-Novelle zu tun. Sie wissen, dass wir die Stromkostenintensitätsschwelle von 14 auf 16 Prozent erhöht haben. Wir haben auf der anderen Seite aus Gründen des Wettbewerbs kleinere Unternehmen, die Schienenbahnen betreiben, in die Regelung aufgenommen, was eine höhere Anzahl an Anträgen verursacht hat. Wir haben aber dort wiederum eine prozentual andere Verteilung der Finanzierung festgelegt. Insofern hat die EEG-Novelle durchaus eine Wirkung entfaltet. Allerdings - auch das muss man ehrlicherweise sagen - sind diese Regelungen erst seit August dieses Jahres in Kraft und können natürlich bis heute nur in einem geringen Umfang wirken.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Danke schön. - Die Fragen 12 und 13 der Abgeordneten Dr. Julia Verlinden werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Zur Beantwortung steht Staatsministerin Professor Dr. Maria Böhmer bereit. Die Frage 14 des Abgeordneten Niema Movassat sowie die Fragen 15 und 16 der Abgeordneten Sevim Dağdelen werden schriftlich beantwortet. Die Frage 17 des Abgeordneten Uwe Kekeritz wird nicht beantwortet, da Herr Kekeritz nicht anwesend ist. Wie ich sehe, kommt er gerade in den Saal. Da wollen wir einmal Milde walten lassen. Herr Kekeritz, es wäre nett, wenn Sie bei Ihren eigenen Fragen im Saale wären. Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Uwe Kekeritz auf: Aus welchem Grund hat Deutschland in der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 9. September 2014 als eines von nur elf Ländern mit Nein gegen die Resolution ({0}) gestimmt ({1}), die die Schaffung eines geordneten Staateninsolvenzverfahrens fordert, und auf welche Weise wird Deutschland sich nun im Rahmen des von der Generalversammlung getragenen Prozesses konstruktiv einbringen? Frau Staatsministerin, bitte.

Not found (Gast)

Herr Kollege Kekeritz, die Bundesregierung hat bei der Abstimmung mit Nein gestimmt, weil es ihrer Ansicht nach kontraproduktiv ist, diese Frage parallel zu den bereits involvierten Fachgremien auch in den Vereinten Nationen zu behandeln. Für die Behandlung der komplexen Fachfragen mit Blick auf überschuldete Staaten, zum Beispiel Fragen der Umschuldungsmodalitäten, gibt es zuständige und erfahrene Gremien - Sie wissen das -, den Internationalen Währungsfonds und den Pariser Club, die die vielfältigen und komplexen Teilaspekte in einem partizipativen Prozess beleuchten und diskutieren. Auch in der Sache ist die argentinische Initiative in den Vereinten Nationen nach Einschätzung der Bundesregierung verfehlt. Wir treten für klare Regelungen in den Anleihebedingungen ein, so wie diese auch für Staatsanleihen in der Euro-Zone gelten. Auch der IWF arbeitet derzeit intensiv an diesem Ansatz. Zu der Frage des weiteren Vorgehens: Bislang haben wir noch keine Hinweise, ob und wie Argentinien sein Anliegen weiter vorantreiben wird. Eine Positionierung dazu ist insofern noch nicht möglich.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zusatzfrage? - Bitte schön.

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön. - Ich bin ob Ihrer Antwort etwas irritiert, weil Sie das ganze Problem auf eine Frage Argentiniens reduzieren. Ihnen ist sicherlich bekannt, dass diese Initiative nicht von Argentinien ausging, sondern von der G 77. Das ist ein ganz anderer Machtkomplex. G 77 hat vielfältige Interessen daran, die wir im Prinzip unterstützen sollten. Sie wissen genau, dass der Pariser Club, der IWF und andere Organisationen, die Sie genannt haben, in der Lösung der Probleme sehr viele Schwächen aufweisen. Allein in den letzten sieben Jahren seit der Finanzkrise hat sich der Verschuldungsgrad dieser Länder enorm erhöht; er hat sich verdoppelt und zum Teil verdreifacht. Von daher sind Pariser Club und IWF nicht mehr in der Lage, irgendwelche vernünftigen Maßnahmen zu ergreifen, um eine Entschuldung voranzubringen. Wie sehen Sie das?

Not found (Gast)

Herr Kollege Kekeritz, mir liegen andere Informationen vor. Nach den Informationen der Bundesregierung war es ganz klar eine Initiative der argentinischen Regierung - sie fand in der Sommerpause statt; mir wurde auch berichtet, dass es vielleicht nicht in Bezug auf den Hintergrund, aber hinsichtlich der Art und Weise ein sehr überraschendes Vorgehen war - und die G 77 hat sich Argentinien angeschlossen. Insofern ist die Ausgangssituation eine andere, als Sie sie geschildert haben.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Noch eine Zusatzfrage.

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Zu sagen, dass die G 77 Argentinien unterstützt, funktioniert, glaube ich, nicht. Denn die G 77 repräsentiert 77 Länder, die als Einheit auftreten. Sehen Sie das nicht auch so?

Not found (Gast)

Herr Kollege, mir ist schon bewusst, was sich hinter G 77 verbirgt. Trotzdem war der Ablauf so, wie ich ihn geschildert habe. Es war eine Initiative von Argentinien.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Wir kommen zu Frage 18: Wann genau ist mit dem nach den mir vorliegenden Informationen noch im laufenden Jahr geplanten endgültigen Abschluss der Verhandlungen mit Mexiko über ein bilaterales Sicherheitsabkommen zu rechnen, und wann wird infolgedessen das Abkommen dem Deutschen Bundestag zur Abstimmung vorgelegt? Frau Staatsministerin.

Not found (Gast)

Herr Kollege Kekeritz, zu Ihrer Frage: Die Vertragsverhandlungen befinden sich in einem weit fortgeschrittenen Stadium. Sie sind bislang aber nicht abgeschlossen. Ein Termin für die Vertragsunterzeichnung steht daher noch nicht fest. Der Vertrag wird nach Vertragsabschluss dem Deutschen Bundestag unverzüglich zur Ratifikation vorgelegt.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zusatzfrage, bitte.

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie haben sicher mitbekommen, was in den letzten Tagen in Mexiko passiert ist: 43 junge Menschen - Studenten - sind ermordet worden. Hat das irgendwelche Auswirkungen auf Ihre Verhandlungen? Ich denke, dass die Sicherheitsbedingungen in Mexiko auch Einfluss auf die Vertragsgestaltung haben sollten. ({0})

Not found (Gast)

Frau Präsidentin, wenn ich eine Anregung machen dürfte: Die anschließende Frage des Kollegen Ströbele geht in die gleiche Richtung. Wären Sie damit einverstanden, wenn ich beide Fragen zusammen beantworte?

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Schönen guten Tag von mir aus, liebe Gäste auf den Besuchertribünen und liebe Kolleginnen und Kollegen. Haben Sie noch eine Zusatzfrage, Herr Kekeritz?

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein. Ich stelle sie eventuell nach Herrn Ströbele.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Dann verfahren wir so und kommen zu Frage 19 des Kollegen Ströbele: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung, nachdem am 26. September 2014 in der südmexikanischen Stadt Iguala im Bundesstaat Guerrero auf Anordnung des städtischen Sicherheitsbeauftragten 57 Pädagogikstudenten in Polizeiautos verschleppt und mindestens 28 von ihnen durch - bis zu 22 danach festgenommene - Polizisten im Auftrag des Chefs der kriminellen Guerreros Unidos gefoltert und ermordet worden waren ({0}), hinsichtlich der Tatumstände, -hintergründe, Täter, benutzten Waffen, Hintermänner usw., und will die Bundesregierung trotz solcher Berichte über Verstrickungen mexikanischer Behörden bzw. Bediensteter in Entführungen, Folter und Morde an ihrem geplanten Sicherheitsabkommen mit Mexiko festhalten, welches offenbar Ende 2014 unterzeichnet werden soll, aber - wie bei allen mir bekannten Sicherheitsabkommen, die Deutschland mit anderen Staaten geschlossen hat - die Einhaltung menschenrechtlicher Standards nicht zur Bedingung macht?

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Ich darf zunächst Ihre Frage beantworten, Herr Kollege Ströbele. Ich sage für meine Person vorneweg: Die Nachricht über diese schrecklichen Morde hat mich sehr erschüttert, auch vor dem Hintergrund, dass ich mich gerade auf eine Reise nach Mexiko vorbereite. Sie können sicher sein, dass ich diese Morde dort sehr dezidiert ansprechen werde. Ich will jetzt Ihre Frage beantworten. Die Bundesregierung wurde durch die deutsche Botschaft in Mexiko über die erschütternden Vorfälle in Iguala unterrichtet. Laut dieser Berichte wurden im Anschluss an eine Demonstration in Iguala im Bundesstaat Guerrero am 26. September 2014 43 Lehramtsstudenten verschleppt. Zuvor sollen die Studenten nach einer Demonstration drei öffentliche Busse in ihre Gewalt gebracht haben. Sie wurden daraufhin von der örtlichen Polizei angegriffen. Mindestens drei Studenten wurden dabei erschossen und zahlreiche Personen verletzt. Weitere 43 Studenten wurden von der lokalen Polizei abtransportiert und dabei letztmalig lebend gesehen. In der Nähe von Iguala ist seitdem ein Massengrab mit 28 verstümmelten und verbrannten Leichen entdeckt worden. Ich hätte Ihnen vor wenigen Stunden noch geantwortet, dass wir davon ausgehen, dass es sich dabei um die vermissten Studenten handelt. In aktuellen Presseberichten, die Sie wahrscheinlich ebenfalls kennen, wird mitgeteilt, dass es sich nach Erkenntnis der Behörden, das heißt der Generalstaatsanwaltschaft, nicht um die Leichen der vermissten Studenten handelt. Es gibt weitere vier Gräber. Die Toten sind aber noch nicht identifiziert. Nun komme ich auf Iguala zurück. Es ist zu vermuten, dass die lokale Polizei zusammen mit Mitgliedern der lokalen Bande Guerreros Unidos die 43 Studenten ermordet hat. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Er5466 mittlungen an sich gezogen und inzwischen 26 Angehörige der lokalen Sicherheitskräfte verhaftet. Seit dem 6. Oktober 2014 hat die mexikanische Bundesregierung durch die neu gegründet Gendarmerie, die Policía Federal, zusammen mit dem Militär sämtliche Sicherheitsaufgaben in Iguala übernommen. Diese bemühen sich, das Schicksal der noch vermissten Studenten aufzuklären. Ich komme jetzt zu dem anderen Punkt Ihrer Frage. Die Bundesregierung hält an der Absicht fest, das in Verhandlungen befindliche Sicherheitsabkommen mit Mexiko zum Abschluss zu bringen. Ziel des Abkommens sind die Verbesserung der Zusammenarbeit mit der mexikanischen Bundesregierung - ich betone: Bund - und deren Unterstützung bei der Bekämpfung schwerer und organisierter Kriminalität. Das jüngste schreckliche Verbrechen im Bundesstaat Guerrero unterstreicht die Richtigkeit der Zielrichtung dieses Abkommens. Nach aktuellem Verhandlungsstand soll auf mexikanischer Seite die Generalstaatsanwaltschaft, die mit der Strafverfolgung der Täter beauftragt wurde, Kooperationspartner werden.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Professor Böhmer, Sie haben deutlich länger geantwortet. Aber angesichts der aktuellen Informationen, die Sie uns zu diesem Verbrechen genannt haben, war das durchaus legitim. Kollege Ströbele hat eine Zusatzfrage.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatsministerin, ich danke dafür, dass Sie ankündigen, bei Ihrem Besuch in Mexiko diesen Vorfall und zahlreiche ähnliche Vorfälle anzusprechen. Ich hoffe, dass Sie der mexikanischen Regierung im Namen der Bundesregierung klarmachen, dass eine Sicherheitszusammenarbeit unter solchen Umständen höchst problematisch, wenn nicht ausgeschlossen ist. Wir sind uns hoffentlich darüber einig, dass das Grauenhafte an dieser Geschichte ist - die Leichen sind nach den letzten Berichten noch nicht geborgen -, dass der dringende Verdacht besteht - Sie haben das angesprochen -, dass das nicht nur durch die organisierte Kriminalität in Mexiko, sondern auch mit Billigung und Unterstützung der örtlichen Polizeikräfte und der örtlichen Administration geschehen ist. Daran schließt sich meine Frage an: Was gedenkt die Bundesregierung in der Sicherheitszusammenarbeit, zu der offenbar auch Waffenlieferungen gehören - so soll Heckler & Koch genehmigt werden, Waffen an die mexikanische Regierung zu liefern -, zu tun, um für die Zukunft definitiv auszuschließen, dass staatlicher Terror auf diese Art und Weise gegen die Menschen dort ausgeübt wird sowie dass das Sicherheitsabkommen und die gelieferten Waffen missbraucht werden, um gegen die Bevölkerung vorzugehen? Wir alle wissen von bis zu 50 000 Toten in Mexiko, die Opfer schrecklicher Straftaten wurden.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke, Kollege Ströbele. - Frau Professor Böhmer, bitte.

Not found (Gast)

Ich möchte zuerst der Frau Präsidentin danken, dass sie Geduld hatte, dass meine Antwort etwas länger ausfiel. Aber ich glaube, dass alle Verständnis dafür haben, dass eine solche Situation ein Überziehen meiner Antwortzeit rechtfertigt. Herr Kollege Ströbele, das Schlimme in Mexiko, aber auch in anderen Ländern Lateinamerikas ist in der Tat, dass dort, wo der Drogenkrieg stattfindet, Korruption herrscht und dass die Polizei, aber auch andere staatliche Kräfte, wie wir wissen, teilweise auf der Seite derjenigen stehen, die in Drogenkrieg und Bandenwesen verwickelt sind. Das hat mich angesichts der jüngsten Vorfälle sowie der Exekutionen und Ermordungen, mit denen wir konfrontiert sind, tief erschüttert. Daraus werde ich keinen Hehl machen, wenn ich in Mexiko bin. Ich werde das ansprechen, genauso wie wir das vonseiten des Auswärtigen Amts mit Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International und der Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko ganz klar angesprochen haben. Wir drängen auch bei der europäischen Delegation in Mexiko darauf, dass sie das entsprechend vorträgt. Auf der einen Seite ist es der mexikanischen Seite klar, auf der anderen Seite dürfen wir nicht lockerlassen. Wenn es um das Sicherheitsabkommen geht, ist es uns deshalb wichtig, dass die Ebene, mit der wir kooperieren, die bundesstaatliche Ebene ist, die Generalstaatsanwaltschaft; denn die bundesstaatliche Ebene will alles daransetzen, um diesen Zustand - diesem Zustand wird man nicht so schnell ein Ende setzen können - deutlich zu bekämpfen. Es ist wichtig, dass wir hier Unterstützung leisten.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Zusatzfrage von Christian Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatsministerin, zu dem zweiten Teil der Frage haben Sie jetzt schon Stellung genommen. Wird denn in dem Sicherheitsabkommen eine eindeutige Formulierung stehen, dass sich die Bundesregierung von Mexiko, der Präsident, verpflichtet, Menschenrechtsstandards, wie sie in Deutschland üblich sind, einzuhalten, und - das sage ich aus der Erfahrung früherer Abkommen über Waffenlieferungen an Mexiko - wird die Bundesregierung die Einhaltung solcher Zusagen auch konkret kontrollieren, das heißt mit der mexikanischen Regierung Mechanismen vereinbaren, wie das die USA zum Beispiel tun, um zu gewährleisten, dass solche Versprechungen, die Menschenrechte einzuhalten, nicht nur abgegeben, sondern auch eingehalten werden?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Not found (Gast)

Danke. - Herr Kollege Ströbele, Sie können sicher sein - Sie merken das auch an dem dezidierten Eintreten der Bundesregierung -, dass wir alles dafür tun wollen, auch über das Sicherheitsabkommen, dass die Menschenrechtsbelange sichergestellt werden, und dass vor allen Dingen alles getan wird, um Mexiko auf Bundesebene zu stärken, gegen Drogenkrieg und Korruption vorzugehen.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Ich hätte fast Herrn Kekeritz übersehen. Das wäre aber nicht gut. Also, der Kollege Kekeritz hat eine Zusatzfrage.

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich stimme Ihnen voll zu.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Wem sonst?

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatsministerin, die Schlüsselworte sind gefallen: Waffenlieferungen, Drogenkrieg, Korruption. Sie wissen: Die Korruption reicht oftmals bis in die Regierungsspitze. Es ist nicht immer ausgeschlossen, dass die Korruption auch ganz oben verankert ist. Meine Frage an Sie ist: Inwieweit sind denn solche Abkommen überhaupt auf bilateraler Ebene sinnvoll? Inwieweit ist so ein Abkommen in einen größeren internationalen Kontext eingebunden? Sind Sie in der Lage, mir zwei, drei weitere Beispiele von Ländern zu nennen, mit denen wir einen solchen Vertrag abgeschlossen haben? Bei welchen Ländern haben sich dadurch welche positiven Erkenntnisse ergeben?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Staatsministerin, bitte.

Not found (Gast)

Ich habe mich jetzt auf Mexiko konzentriert. Das ist vielleicht auch nachvollziehbar angesichts der jüngsten grausamen Morde und der Entwicklung und auch mit Blick auf die Vorbereitung meiner Reise nach Mexiko. Die Antwort auf Ihre Frage werde ich Ihnen gerne schriftlich übermitteln. Da sowohl der Kollege Ströbele als auch Sie mehrfach nach dem Punkt „Waffen“ gefragt haben, will ich die letzte Antwort dazu nutzen, Ihnen ganz klar zu sagen: Es ist die Firma Heckler & Koch erwähnt worden. Sie wissen um das Verfahren in Stuttgart. Dass die entsprechenden Genehmigungsverfahren ausgesetzt worden sind, wissen Sie auch. Wir wollen keine Lieferung von entsprechenden Gütern an Militär oder Polizei, denen Menschenrechtsverletzungen oder Korruption vorgeworfen werden.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Viel Erfolg bei Ihrer Reise und Ihren Gesprächen in Mexiko. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Frage 20 der Abgeordneten Veronika Bellmann wird schriftlich beantwortet. Dasselbe gilt für die Fragen 21 und 22 des Abgeordneten Richard Pitterle, die Fragen 23 und 24 der Abgeordneten Susanna Karawanskij, die Fragen 25 und 26 des Abgeordneten Dr. Axel Troost, die Frage 27 der Abgeordneten Lisa Paus und die Frage 28 des Abgeordneten Christian Kühn ({0}). Ich bedanke mich beim Bundesministerium der Finanzen für die intensive Beantwortung der Fragen, die es jetzt vor sich hat. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Zur Beantwortung der nächsten Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Enak Ferlemann bereit. Die Frage 29 des Abgeordneten Christian Kühn ({1}), die Fragen 30 und 31 des Abgeordneten Harald Ebner sowie die Fragen 32 und 33 des Abgeordneten Cem Özdemir werden schriftlich beantwortet. Aber jetzt geht es los: Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Oliver Krischer auf, die direkt beantwortet wird: Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den aktuellen Entwicklungen bei Stuttgart 21 im Planfeststellungsbereich 1.3 auf den Fildern - unter anderem laut Gutachten der TU Dresden „Konflikte mit dem Nahverkehr und neue Einschätzungen zum Zeitplan“?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Auf die Frage des Kollegen Krischer gebe ich folgende Antwort: Weder das Planfeststellungsverfahren noch das zugehörige Anhörungsverfahren sind abgeschlossen. Es liegt somit noch keine Stellungnahme der Anhörungsbehörde vor. Eine Bewertung durch das Eisenbahn-Bundesamt ist erst möglich, wenn das Anhörungsverfahren abgeschlossen ist. Der Abschluss des Planfeststellungsverfahrens bleibt abzuwarten. Die Bundesregierung nimmt auf das Planfeststellungsverfahren keinen Einfluss.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Eine Zusatzfrage vom Kollegen Krischer.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär, für die Auskünfte. - Dass die Bundesregierung darauf keinen Einfluss nimmt, hätte ich auch nicht anders erwartet. Das entspricht ja dem Sinn von Planfeststellungsverfahren. Aber natürlich bekommt man bei solchen Verfahren mit, dass es zu Problemen kommt, dass da Probleme auftauchen. Meine Frage wäre: Hat die Bundesregierung Informationen darüber, dass es zu Kostenerhöhungen durch Lärmschutz kommt? Wenn ja, ist gegebenenfalls aufgrund der Probleme, die hier aufgetreten sind, ein neues Planfeststellungsverfahren sogar erforderlich? Jenseits des offiziellen Verfahrensstandes, zu dem Sie einfach nur gesagt haben: „Das Verfahren läuft noch“, verfügt Ihr Haus selbstverständlich - nichts anderes würde ich erwarten - über weitergehende Informationen über dieses konkrete Projekt. Die Frage ist also: Kommt es zu Kostensteigerungen, muss das Planfeststellungsverfahren gegebenenfalls neu aufgerollt werden, oder müssen zumindest Teile dieses Verfahrens, zum Beispiel die Erörterungen, erneut durchgeführt werden?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke, Herr Kollege Krischer. - Herr Staatssekretär, bitte.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Herr Kollege, Sie haben die Frage eigentlich schon selbst beantwortet: Wenn wir in ein Planfeststellungsverfahren nicht eingreifen, können wir auch keine Schlüsse ziehen, bevor das Planfeststellungsverfahren beendet ist. ({0}) - Wir greifen in ein solches Verfahren nicht ein.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke, Herr Kollege Krischer. - Eine Zusatzfrage von Herrn Kollegen Gastel.

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Aber es zeichnet sich natürlich ab, dass noch zusätzliche Gutachten erstellt werden müssen. Damit ist die Frage, ob und zu welchen Zeitverzögerungen es kommen wird, zumindest in etwa beantwortbar. Deswegen möchte ich diese Frage Ihnen noch einmal stellen. Ich möchte von Ihnen aber auch wissen, wie Sie es einschätzen, dass die Deutsche Bahn dem Gutachter der Stadt Leinfelden-Echterdingen, der Universität in Dresden, falsche Fahrplandaten gegeben hat, was zu weiteren Verzögerungen führen wird, weil ein neues Gutachten mit den richtigen Fahrplandaten erstellt werden muss.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke, Herr Kollege Gastel. - Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Da wir uns in dieser Phase zu dem Planfeststellungsverfahren nicht äußern, kann ich mich auch nicht dazu äußern, ob weitere Gutachten beantragt werden. Das ist sicherlich eine Sache der Planfeststellungsbehörde.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zu Frage 35 des Abgeordneten Matthias Gastel: Welche Auswirkungen haben nach Kenntnis der Bundesregierung die geplanten Mischverkehre aus S-Bahnen und Fernverkehrszügen zwischen der geplanten Rohrer Kurve und dem Stuttgarter Flughafen auf den Bahnverkehr in diesem Abschnitt, und welche Szenarien waren nach Kenntnis der Bundesregierung Grundlage der Entscheidung? Herr Staatssekretär, bitte.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ich bitte darum, die Fragen 35 und 36 aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantworten zu dürfen.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Wie ich sehe, sind Sie, Herr Gastel, damit einverstanden. Dann rufe ich auch Frage 36 des Abgeordneten Matthias Gastel auf: Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus, dass die Deutsche Bahn AG Alternativen zur geplanten Flughafenanbindung - wie den Haltepunkt unter der Flughafenstraße oder die vom sogenannten Filderdialog empfohlene Gäubahnvariante - nicht detailliert untersucht hat ({0}) und dass durch die zusätzliche Belastung der Bahnstrecke zwischen Rohrer Kurve und dem Stuttgarter Flughafen durch Züge des Fernverkehrs eine Taktverdichtung der S-Bahnen sowie eine Erweiterung der Strecke nach Neuhausen in Zukunft kaum möglich sein wird ({1})? Herr Ferlemann, bitte.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Grundlage für die Ausbau- und Neubauplanung sind in der Regel Betriebsprogramme, die auf aktuellen Verkehrsprognosen basieren. Die Bundesregierung geht davon aus, dass der Vorhabenträger im Zuge der Planung verkehrliche Belange und Alternativen zu der beantragten Trassenführung in ausreichender Tiefe untersucht hat. Dies wird im Planfeststellungsverfahren geprüft. Weder das Planfeststellungsverfahren noch das zugehörige Anhörungsverfahren durch die zuständige Anhörungsbehörde des Landes Baden-Württemberg sind derzeit abgeschlossen. Mit dem Planfeststellungsbeschluss wird eine Bewertung auch vor dem Hintergrund der im Anhörungsverfahren eingebrachten Einwendungen vorliegen.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Gastel.

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dass mich das nicht ganz zufriedenstellt, das wird Sie vielleicht nicht vollständig überraschen. Ich möchte auf die Studie der Universität Dresden zurückkommen, die nicht zwingend nur etwas mit dem Anhörungsverfahren zu tun hat; vielmehr wäre sie auch erstellt worden, weil über die Frage diskutiert wird, inwieweit sich der geplante Mischverkehr auf der StreMatthias Gastel cke, die eigentlich ausschließlich für den S-Bahn-Verkehr gebaut wurde und auch geeignet ist, auswirkt. Deswegen möchte ich von Ihnen gern hören, wie die Bundesregierung die Ergebnisse dieser Studie, wonach der S-Bahn-Verkehr erheblich beeinträchtigt würde - sprich: Fernverkehr und S-Bahn-Verkehr kämen sich in die Quere -, bewertet. Ich habe noch eine zweite Nachfrage. Kann ich die direkt stellen?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Da zwei Fragen zusammen beantwortet worden sind, ({0}) können Sie viermal rückfragen. Dann soll der Staatssekretär doch erst einmal antworten, und dann kommen Sie wieder dran. ({1}) - Genau. ({2}) - Nein, jetzt lassen wir den Staatssekretär erst einmal antworten. Dann können Sie noch zwei- oder dreimal - nicht so oft, wie Sie wollen, aber das ginge vielleicht auch noch - rückfragen. - Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Danke, Frau Präsidentin. - Es ist so, dass wir zu diesem Gutachten im Einzelnen nicht Stellung nehmen. Stuttgart 21 ist kein Bedarfsplanprojekt, wie Sie wissen, Herr Kollege, sondern es ist ein eigenwirtschaftliches Projekt der DB AG mit den beteiligten Projektpartnern. Wir als Bundesregierung fördern dieses Projekt mit einem Festzuschuss in Höhe der Kosten, die bei einer Sanierung des Bahnhofs eh auf uns zugekommen wären. Der Rest ist im Wesentlichen ein städtebauliches Projekt, das die Projektträger realisieren. Von daher ist zu den einzelnen Bestimmungen und den einzelnen Vorgaben sowie zu den weiteren Dingen, die damit zusammenhängen, der Projektträger gefragt; der muss dazu Stellung nehmen.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Kollege Gastel, haben Sie noch eine Frage? - Ja.

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Jawohl. - Noch kurz die Ergänzung: Es sind auch GVFG-Mittel drin für eine Streckenverbindung, auf der nachher Fernverkehrszüge fahren sollen, was wiederum den Nahverkehr gefährdet. Das ist ja das Brisante an der Geschichte, was die Mittel des Bundes angeht. Meine Frage ist: Wie bewertet es denn die Bundesregierung, dass die Deutsche Bahn AG noch nicht einmal darlegen kann, wie viele Personen, die aus Richtung Zürich, Rottweil, also aus dem Süden, kommend zum Flughafen bzw. von dort zurück wollen, die Gäubahn nutzen würden? Es geht tatsächlich um die Frage: Wie viele Fahrgäste haben ein Interesse, über die Züge der Gäubahn an den Flughafen zu kommen? Der Hintergrund ist klar: Wer eine S-Bahn ausbaut, was im Vergleich dazu nur einen Bruchteil kostet, muss Fahrgastprognosen erstellen; die Deutsche Bahn verwendet öffentliche Mittel, ohne zu wissen, wie viele Leute diese Relation tatsächlich nutzen wollen.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Staatssekretär, bitte.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Zur Verwendung der öffentlichen Mittel ist immer eine Kosten-Nutzen-Verhältnis-Berechnung erforderlich. Insofern werden wir bei Abruf der Mittel diese Zahlen und Daten haben. Im Übrigen gehe ich davon aus, dass die DB AG wie immer sehr sorgfältig und vorausschauend geplant hat.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Eine Rückfrage? - Herr Gastel.

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Eine Rückfrage. - Nutzen-Kosten-Verhältnis, das ist wunderbar. Aber woher kennt man den Nutzen dieser Investition, wenn man nicht weiß, wie viele Fahrgäste nachher dort tatsächlich fahren wollen, was ja der Nutzen oder der Sinn einer Investition in die Schiene ist?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Zu dem Zeitpunkt der Förderung werden wir auf beide Fragen Antworten haben, auf der einen Seite die Kosten und auf der anderen Seite den Nutzen kennen; sonst können wir ja auch keine Kosten-Nutzen-Verhältnis-Berechnung durchführen lassen.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Gastel hat keine Frage mehr, aber der Kollege Krischer hat noch eine Frage.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär Ferlemann, ich bin ja schon froh, dass Sie hier sagen, dass Sie wissen, dass in Stuttgart irgendetwas gebaut wird, dass da Baumaßnahmen laufen. Ich hatte fast damit gerechnet, dass Sie sagen: Das wissen wir eigentlich gar nicht. Damit haben wir nichts zu tun. Meine Frage lautet: Lässt sich die Bundesregierung regelmäßig - wenn ja, in welchen Zeitintervallen - über die einzelnen Teile des Projekts Stuttgart 21 und alles das, wonach der Kollege Gastel gefragt hat, was damit im Zusammenhang steht, berichten, und, wenn ja, zieht sie daraus irgendwelche Schlüsse?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Ferlemann.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Es ist natürlich so, dass wir aufmerksam auch die Presseberichterstattung und alles, was damit zusammenhängt, verfolgen; das ist überhaupt keine Frage. Letztlich ist es ein Projekt, das die DB mit den Partnern gemeinsam eigenwirtschaftlich durchführt. Natürlich wird im Aufsichtsrat auch dieses Projekt engmaschig, wie Sie wissen, begleitet. Dort gibt es die entsprechenden Informationen, die unsere Kollegen, die im Aufsichtsrat sind, auch erhalten. Wir selber sind sehr engagiert bei dem Projekt Neubaustrecke Wendlingen-Ulm, wie Sie wissen. Das ist ein Projekt aus unserem Bedarfsplan, das auch dementsprechend finanziert wird. Dieses Projekt hängt natürlich mit dem Projekt Stuttgart 21 zusammen. Insofern achten wir darauf, dass pünktlich fertiggestellt wird, sodass die Anschlüsse auch so sind, dass man durchgängig fahren kann. Das hinterfragen wir, und wir haben bisher den Eindruck, dass es noch funktionieren kann.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Fragen 37 und 38 des Kollegen Dr. André Hahn werden schriftlich beantwortet. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Ich rufe die Frage 39 der Abgeordneten Kotting-Uhl auf: Welche Unterschiede sieht die Bundesregierung zwischen dem Jülicher AVR- und dem THTR-Reaktor vor allem in Bezug auf einen möglichen Export der Brennelemente in die USA, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus? Zur Beantwortung begrüße ich den Parlamentarischen Staatssekretär Florian Pronold. Herr Staatssekretär, bitte.

Florian Pronold (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003612

Der auffälligste Unterschied zwischen einem Atomversuchsreaktor - kurz: AVR - und einem ThoriumHochtemperaturreaktor - THTR - besteht in der unterschiedlichen elektrischen Leistung. Sie beträgt beim AVR Jülich 16 Megawatt und beim THTR rund 300 Megawatt. Allerdings lässt sich aus dieser Unterscheidung nicht ableiten, welchem Zweck die Reaktoren dienen. Hierbei ist nun entscheidend, ob sie zu Zwecken der Forschung und Untersuchung, zu Demonstrationszwecken oder mit dem Ziel der gewerblichen Erzeugung von elektrischer Energie betrieben werden. Die mögliche Option einer Verbringung der Brennelemente in die USA wird zurzeit - aufgrund einer atomaufsichtlichen Anordnung zur Räumung des Lagers seitens der zuständigen atomrechtlichen Aufsichtsbehörde in Nordrhein-Westfalen - durch das Forschungszentrum Jülich geprüft. Die anderen Optionen wären zum Beispiel die Verbringung der Transportbehälter nach Ahaus oder der Neubau eines Lagers am Standort Jülich. Nach § 9 Absatz 1 Satz 2 Atomgesetz ist die Abgabe von aus dem Betrieb von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Energie stammenden Kernbrennstäben nicht zulässig. Ein solches Verbot steht aber der Verbringung von Brennelementen aus dem AVR Jülich und dem THTR zurzeit nicht entgegen, weil beide Anlagen der Forschung dienen. Die zweite zu beachtende Vorschrift ist Artikel 4 Absatz 4 der Richtlinie des Rates 2011/70/EURATOM, bei der es ebenfalls darauf ankommt, ob es sich um radioaktive Abfälle handelt, die aus Forschungsreaktoren kommen. Ist das der Fall, greift die Richtlinie nicht. Der Bundesregierung liegen hinsichtlich der rechtlichen Zulässigkeit einer Verbringung von THTR-Brennelementen zurzeit mehrere rechtliche Stellungnahmen vor. Allerdings liegt kein entsprechender Antrag vor, weswegen wir hier noch zu keiner Entscheidung gekommen sind.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke, Herr Kollege Pronold. - Frau Kollegin Kotting-Uhl, Sie haben eine Rückfrage.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, Sie haben zum Schluss Ihrer Ausführungen die EURATOMRichtlinie genannt und gesagt, dass diese Richtlinie bei Forschungsmüll nicht greift. Am Anfang haben Sie den Unterschied zwischen den beiden Reaktoren AVR und THTR dargelegt. Der eine sei ein Versuchsreaktor, der andere habe zu gewerblichen Zwecken produziert. Erstens. Stimmen Sie mir zu, dass ein Versuchsreaktor etwas anderes ist als ein Forschungsreaktor? Forschungsreaktoren haben üblicherweise klar definierte Aufgaben. Ein Versuchsreaktor hat eine völlig andere Aufgabe. Zweitens. Der Unterschied zwischen 16 Megawatt und 300 Megawatt produzierten Stroms ist angesichts dessen, was Reaktoren üblicherweise gewerblich produzieren, marginal. Würden Sie mir insofern zustimmen, dass der AVR und der THTR in dieser Hinsicht eher deutlich näher beieinander liegen, als unterschiedlich sind?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke, Frau Kotting-Uhl. - Herr Pronold, bitte.

Florian Pronold (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003612

Ich habe eingangs versucht, darzustellen, dass allein aufgrund der Leistung, die die beiden Reaktortypen erbringen können und auch erbringen, rechtlich noch nicht geklärt ist, was daraus für die Verbringung von BrennParl. Staatssekretär Florian Pronold elementen folgt. Beim AVR haben wir eine unzweifelhafte Lage, während uns in Bezug auf den THTR mehrere Gutachten vorliegen. Aber es liegt uns noch kein Genehmigungsantrag vor, sodass wir diese Frage bis heute nicht entscheiden mussten.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Kollegin, weitere Frage?

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Kollegin.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, Sie haben ja vorhin eben selbst zwischen diesen beiden Reaktoren unterschieden und haben den THTR eindeutig als einen Reaktor, der gewerblich Strom produziert hat, klassifiziert.

Florian Pronold (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003612

Nein.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Von daher stellt sich für mich die Sachlage anders dar als für Sie. Ich würde sagen: Beim THTR ist es nach all unseren Gesetzen eindeutig, dass dessen Müll nicht exportiert werden darf, und beim anderen kann man sich vielleicht noch ein bisschen streiten. Das tut ja vor allen Dingen das Forschungsministerium ganz gern, wenn es auf Basis irgendwelcher Windungen und Wendungen behauptet, der Reaktor sei doch irgendwie als Forschungsreaktor zu klassifizieren. Ist Ihnen bekannt, dass ein großes Interesse von der Anlage, wohin man jetzt in Jülich beabsichtigt den AVRMüll zu exportieren, nämlich Savannah River Site, besteht, auch den Müll des THTR zu haben, weil sich sonst die Anlage, die dort eigens für die Behandlung des deutschen Atommülls gebaut werden muss, nicht wirklich rechnet? Ist Ihnen das bekannt - das Bundesumweltministerium muss ja auch einem Export des AVR-Mülls in die USA durchaus zustimmen, weil es mit seiner Unterschrift bestätigen muss, dass es von einer schadlosen Verwertung ausgeht -, und würden Sie in Kauf nehmen, dass auch der Müll des THTR von den USA begehrt wird und dass da eventuell ein Link hergestellt wird?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Pronold, bitte.

Florian Pronold (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003612

Das war mehr als eine Frage.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Aber das können Sie doch beantworten.

Florian Pronold (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003612

Genau, ich weiß schon, machen wir. Ich werde versuchen, die Fragen trotzdem zu beantworten. Zunächst einmal will ich hier noch einmal ganz präzise sagen, damit hier kein Missverständnis aufkommt: Ich habe auf die unterschiedliche Leistung der beiden Reaktoren hingewiesen und dann auf den Zweck verwiesen. Ich möchte hinzufügen: Allerdings ist der Unterschied in der Leistung alleine keine Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob es sich um Reaktoren zu Zwecken von Forschung und Untersuchung, um Demonstrationsreaktoren oder um eine Anlage mit dem Ziel der gewerblichen Erzeugung von elektrischer Energie handelt. Zu Ihren weiteren Fragen. In den Jahren 1996 bis 2010 erfolgten, wie Sie wissen, insgesamt zehn Transporte aus nahezu allen Forschungsreaktoren Deutschlands in andere Länder. Damit haben wir ein Stück weit dem Prinzip Rechnung getragen, eine Nichtverbreitungspolitik zu betreiben und entsprechende Kernbrennstoffe im Herkunftsland aufzubereiten. Das ist für den Bereich des AVR hier, wie ich glaube, unstrittig. Ich kann Ihnen das zum Bereich des THTR nicht beantworten, weil uns dazu kein Genehmigungsantrag vorliegt. Sobald das passiert, werden wir das rechtlich bewerten und entscheiden. Dann kann ich Ihnen dazu Auskunft geben.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke, Herr Kollege Pronold. - Jetzt der Kollege Krischer.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär Pronold, Ihnen ist schon bekannt, dass es sich bei den Versuchsreaktoren, auf die Sie eben im Zusammenhang mit Atommülltransporten ins Ausland verwiesen haben, nicht um Reaktoren handelte, die dem Zwecke der Stromgewinnung dienten, sondern dass das Neutronenquellen waren - die sind ja überwiegend stillgelegt bzw. werden stillgelegt -, hier also insofern eine Vergleichbarkeit gar nicht gegeben ist und diese Aussage damit Ihrer ganzen Argumentation widerspricht? - Dieses möchte ich hier nur klargestellt haben. Meine Frage lautet: Sie haben eben von mehreren Gutachten gesprochen, die der Bundesregierung zur Frage der Möglichkeit und der rechtlichen Zulässigkeit des Exports des Atommülls aus dem AVR Jülich vorliegen. Ging es dabei auch um den THTR? Ich habe vorhin nicht ganz verstanden, ob es auch um ihn ging. Ferner: Könnten Sie mir diese Gutachten, die Ihnen vorliegen, benennen? Es sind ja offensichtlich mehrere. Und wenn das von Ihnen selbst beauftragte Gutachten sind, würden Sie diese dem Deutschen Bundestag zur Verfügung stellen?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke, Kollege Krischer. - Herr Pronold.

Florian Pronold (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003612

Uns liegen drei Gutachten zu dieser Thematik vor. Das erste ist von den Rechtsanwälten Heinemann & Partner vom 12. November 2013 die Stellungnahme zu der Frage, ob eine Verbringung bestrahlter Brennelemente aus dem THTR in die USA zum Zwecke der Wiederaufarbeitung mit § 9 Absatz 1 usw. des Atomgesetzes im Einklang steht. Das zweite ist ein Rechtsgutachten zur Zulässigkeit der Verbringung der THTR-Brennelemente in die USA von Herrn Professor Dr. jur. Georg Hermes vom 4. Februar 2014, das im Auftrag des Umweltministeriums Nordrhein-Westfalen erstellt worden ist. Das dritte ist von Herrn Rechtsanwalt Dr. Wollenteit und anderen ein Rechtsgutachtern zur Zulässigkeit der Verbringung von abgebrannten Brennelementen aus dem stillgelegten Kernkraftwerk AVR Jülich in die Wiederaufbereitungsanlage Savannah River Site, USA, vom 3. September 2014, das von Greenpeace beauftragt worden ist. Diese drei Gutachten liegen uns vor. Ich vermute, dass nichts dagegensteht, sie Ihnen auszuhändigen. Ich kann Ihnen das ohne Rücksprache zwar nicht zusagen, bin mir aber ziemlich sicher, dass Sie sie bekommen.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Gut. Wir werden Sie beim Wort nehmen. Vielen Dank, Herr Pronold. Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramts und damit zur letzten Frage. Ich rufe Frage 40 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele auf: Inwieweit trifft es zu ({0}), dass der Bundesnachrichtendienst zwischen 2004 und 2008 Telekommunikations- und Internetverkehr am Frankfurter Netzknoten DE-CIX anzapfte aufgrund von Abreden mit der NSA und dieser so gewonnene Daten auch über deutsche Staatsbürger übermittelte, ohne dass BND-Filtersysteme Letzteres verhindern konnten, und wieso hat die Bundesregierung diesen Berichten zufolge über diese Vorgänge von besonderer Bedeutung die Gremien und Ausschüsse des Deutschen Bundestages bisher nicht pflichtgemäß unterrichtet, sondern auf meine vielfachen parlamentarischen Fragen seit dem Sommer 2013 den Sachverhalt geleugnet oder nicht ausreichend beantwortet ({1}), ebenso in ihrer Antwort auf die mündliche Frage 55 der Abgeordneten Britta Haßelmann am 8. Oktober 2014 ({2})? Herr Fritsche, bitte.

Not found (Staatssekretär:in)

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Ströbele! Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Der in Ihrer ersten Teilfrage dargestellte Sachverhalt ist nicht zutreffend. Ihre Frage unterstellt zudem, die Bundesregierung hätte auf Ihre und andere parlamentarische Fragen hin einen Sachverhalt geleugnet oder nicht ausreichend beantwortet. Auch diesbezüglich betone ich, dass die Bundesregierung die gestellten Fragen zutreffend beantwortet hat. Weitere Ausführungen zu Ihrer Frage können hier nicht in Form einer öffentlichen Stellungnahme erfolgen. Es handelt sich um Vorgänge, die als Verschlusssachen eingestuft sind und entsprechend den dortigen Beweisbeschlüssen dem 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode übermittelt wurden. Zu dem Aspekt der Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums lassen Sie mich auf Folgendes hinweisen: Die Sitzungen des PKGr sind, wie Sie wissen, grundsätzlich geheim. Diese Geheimhaltung betrifft alle Inhalte und damit selbstverständlich auch die jeweilige Tagesordnung. Ich bitte daher um Verständnis, dass ich zu einer Unterrichtung des PKGr hier öffentlich weder zum Ob noch zum Wie Stellung nehmen kann. Herr Abgeordneter, selbstverständlich ist dem parlamentarischen Fragerecht in einer Abwägung der Rechtsgüter Rechnung zu tragen. Daher habe ich zu den beiden letztgenannten Teilfragen einen „Geheim“ eingestuften Antwortteil in der Geheimschutzstelle hinterlegen lassen.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Staatssekretär Fritsche. - Christian Ströbele, bitte.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Bedanken will ich mich für die Antwort nicht, Herr Staatssekretär. ({0}) Ich werde nicht nachlassen, diese Frage auch öffentlich beantwortet zu bekommen. Da können Sie sicher sein. Das wird heute nicht das letzte Mal sein. Denn ich stelle Fragen an die Bundesregierung grundsätzlich mit dem Ziel, Antworten, wahrheitsgemäße Antworten zu bekommen. Ich stelle sie auch öffentlich, weil ich großen Wert darauf lege, dass auch die Öffentlichkeit davon erfährt, wie die Antworten auf die Fragen sind. Deshalb versuche ich es jetzt noch einmal, Sie dazu zu bewegen, eine wahrheitsgemäße Antwort zu geben: Hat der Bundesnachrichtendienst in den Jahren 2002 bis 2008 zu irgendeinem Zeitpunkt am Glasfaserknotenpunkt Frankfurt Daten abgeschöpft und an den US-amerikanischen Geheimdienst NSA weitergeleitet?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Kollege Ströbele, für die Frage. Der Herr Staatssekretär Fritsche hat das Wort.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter Ströbele, ich habe natürlich Verständnis für die Frage. Aber die Frage betrifft den gleichen Sachverhalt, zu dem ich eben vorgetragen habe. Wir haben dem Fragerecht seitens der Bundesregierung ausdrücklich insoweit stattgegeben, als wir die diesbezüglichen Unterlagen, die bis „Streng Geheim“ eingestuft sind, dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt haben. Ich denke, der Untersuchungsausschuss ist der richtige Ort, um diese Fragen aufzuklären.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Ströbele zu einer zweiten Zusatzfrage.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir wenigstens insofern zu, dass die Antworten, die Sie auf meine Fragen schon vom 11. Juli dieses Jahres als auch von heute als auch auf die Fragen der Kollegin Haßelmann gegeben haben, mit dem, was die Süddeutsche Zeitung über einen angeblichen Inhalt der streng geheimen Akten veröffentlicht hat, nicht in Einklang zu bringen sind?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich bewerte an dieser Stelle sicher keine Presseverlautbarungen der Süddeutschen Zeitung, sondern ich kann nur wiederholen, dass ich gesagt habe, die Bundesregierung hat Ihre Fragen, einschließlich der vom Juli, richtig und zutreffend beantwortet.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ich sehe keine weiteren Fragesteller, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dann sind wir am Schluss unserer heutigen Tagesordnung angekommen. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 16. Oktober 2014, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Noch einen schönen Nachmittag und allen Gästen auf der Tribüne schöne Eindrücke von Berlin.