Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle
herzlich zur Befragung der Bundesregierung bzw. der
sich daran anschließenden Fragestunde und rufe damit
auch gleich unseren Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Gesetzentwurf zur besseren
Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf.
Das Wort für einen einleitenden fünfminütigen Bericht hat die Bundesministerin für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend, Frau Manuela Schwesig.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren Abgeordnete! Ich habe zu Beginn der Legislatur die Debatte darüber angestoßen, dass es uns gelingen muss, in Deutschland Arbeitszeiten zu gestalten, die
auf die Situation von Familien Rücksicht nehmen, und
zwar insbesondere auf die Situation der sogenannten
Sandwichgeneration. Diese muss und will einerseits für
das eigene Einkommen im Beruf tätig sein. Andererseits
will und muss sie für die Kinder da sein und stellt sich
gleichzeitig die Frage: Wie geht es mit meinen Eltern
weiter, die älter und vielleicht pflegebedürftig werden?
Es ist wichtig, dass wir in Deutschland zu Arbeitszeiten kommen, die folgende Phasen im Leben der Familien berücksichtigen: die Phase mit Kindern und die
Phase mit pflegebedürftigen Angehörigen. Deshalb habe
ich die Debatte um die Familienarbeitszeit angestoßen.
Wir haben mit dem ElterngeldPlus den ersten Schritt in
diese Richtung gemacht. Ich freue mich sehr, dass Bundesarbeitsministerin Nahles und ich heute im Kabinett
einen Gesetzentwurf präsentieren konnten, der die Situation von Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen
berücksichtigt.
Wir haben, wie gesagt, gemeinsam den Gesetzentwurf zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und
Beruf vorgelegt. Es geht uns darum, dass Frauen und
Männer, die im Berufsleben stehen, nicht dauerhaft aus
ihrem Job aussteigen müssen, wenn sie aufgrund von zu
leistender Pflege unter Druck geraten. Pflegebedürftige
Angehörige können die Kinder, aber auch Eltern, Großeltern oder Geschwister sein. Wir kennen alle Varianten.
Wir wissen, dass Menschen mit pflegebedürftigen Angehörigen, die gleichzeitig berufstätig sind, eine Doppelbelastung erfahren und teilweise unter Druck geraten. Oft
sind es die Frauen, die diese Last schultern müssen und
die dann aus dem Job aussteigen. Damit haben sie keine
weiteren Einkommensperspektiven und schlechte Rentenperspektiven.
Wir haben uns Gedanken über die Frage gemacht:
Wie können wir diese Familien besser unterstützen? Es
ist auch kein Zufall, dass dieses Gesetz parallel zur Pflegereform kommt, die hier im Deutschen Bundestag in
dieser Woche beraten und sicherlich auch verabschiedet
wird. Das hoffe ich, weil es für die Familien dringend erforderlich ist, dass wir die professionellen Angebote in
Deutschland verbessern und dass die Menschen, die in
der professionellen Pflege arbeiten, bessergestellt werden. Mehr Zeit für Pflege, gute Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen - das sind hier die Stichworte. Hier
geht die Große Koalition einen wichtigen Schritt, der
durch die Anhebung des Beitrags zur Pflegeversicherung
möglich wird. Wir machen parallel mit unserem Gesetzentwurf, den wir jetzt im Kabinett verabschiedet haben,
einen weiteren Schritt zur Verbesserung im Pflegebereich.
Ich möchte Ihnen die großen Säulen dieses Gesetzentwurfes vorstellen.
Erstens: die zehntägige Auszeit für den Akutfall unter
Zahlung einer Lohnersatzleistung. Worum geht es? Bleiben wir bei dem Beispiel, dass der Vater einen Schlaganfall hat, ins Krankenhaus kommt und dann entlassen
wird. Es stellt sich den Kindern die Frage - der Vater ist
schwer angeschlagen, vielleicht pflegebedürftig -: Wie
geht es weiter? Wie machen wir das?
Es geht nicht darum, den Vater in diesen zehn Tagen
wieder gesund zu pflegen. Das ist gar nicht möglich. Es
geht darum, den Angehörigen zu ermöglichen, sich über
die Vielfalt der Angebote - ambulanter Pflegedienst?
Kann der Vater in den eigenen vier Wänden bleiben?
Müssen wir über einen Heimplatz nachdenken? Welche
finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten gibt es? Welche Möglichkeiten im Beruf habe ich für diese Zeit? - zu
informieren, sich zu kümmern und dann die Pflege zu
organisieren. Genauso ist es, wenn mein Kind heute
krank wird. Auch hier habe ich die Möglichkeit, eine
Auszeit von bis zu zehn Tage unter Inanspruchnahme einer Lohnersatzleistung, Kinderkrankengeld, zu nehmen.
Das machen wir jetzt auch für Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen. Im Akutfall ist es möglich, unter
Inanspruchnahme einer Lohnersatzleistung - das sind
bis zu 90 Prozent des Nettolohnes - bis zu zehn Tage
Auszeit zu nehmen.
Neben der deutlichen finanziellen Unterstützung hat
diese Regelung einen hohen symbolischen Wert. Erstmalig wird in diesem Gesetzentwurf geregelt, dass in der
Familie pflegebedürftige Angehörige den gleichen Stellenwert haben wie kranke Kinder. Niemand von uns
würde anzweifeln, dass man bei einem kranken Kind
zehn Tage Lohnersatzleistung bekommt. Das wird künftig auch beim Vorliegen eines Pflegefalls in der Familie
möglich sein. Damit senden wir neben der finanziellen
Unterstützung das wichtige Signal an die Familien in unserem Land, dass wir sie mit ihren Nöten nicht alleinelassen.
Die Kosten für diese zehntägige Auszeit belaufen sich
auf 100 Millionen Euro. Diese werden durch die Anhebung des Pflegeversicherungsbeitrages, die Herr Gröhe
mit der Pflegereform schon auf den Weg gebracht hat,
finanziert.
Zweitens. Wir wollen ermöglichen, dass der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, eine längere Zeit voll auszusteigen oder Teilzeit zu arbeiten. Es gibt schon jetzt
die Möglichkeit, bis zu sechs Monate Pflegezeit zu nehmen, also reduziert zu arbeiten oder voll auszusteigen.
Den damit verbundenen Lohnausfall federn wir zukünftig ab mit der Möglichkeit, ein Darlehen in Anspruch zu
nehmen. Es ist möglich, sich im Rahmen dieser Pflegezeit - oder auch außerhalb dieser Zeit - zu entscheiden,
in die sogenannte Familienpflegezeit einzusteigen - eine
Zeit von bis zu 24 Monaten -, in der man die Arbeitszeit
reduzieren kann. - Herr Lammert, Sie schauen mich
schon an. Wo sehe ich die Zeit?
Ja, ich habe gerade schon vermutet, dass Sie nicht sehen können, dass Ihre Zeit abgelaufen ist. Gemeint ist
nicht Ihre Amtszeit, sondern Ihre Redezeit.
({0})
Danke, dass Sie mir mehr als fünf Minuten Amtszeit
zugestehen.
Vielleicht lassen sich manche der von Ihnen jetzt
noch gedachten Ergänzungen im Zuge der reichlich angemeldeten Nachfragen erledigen.
Dann runde ich das jetzt ab. Ansonsten wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir sagen, wo ich die restliche
Redezeit sehe. Nachher erscheint die Ampel?
Jawohl.
Gut. - Es gibt die Möglichkeit, nach diesen zehn Tagen in eine längere Auszeit einzusteigen: entweder ein
halbes Jahr ganz oder bis zu 24 Monate Teilzeit. In dieser Zeit soll der Lohnausfall durch ein Darlehen abgepuffert werden.
Wir haben außerdem den Angehörigenbegriff erweitert und die wichtigen Themenfelder wie schwerkranke
Kinder, Begleitung in der letzten Lebensphase berücksichtigt. Das alles sind Punkte, die ich Ihnen gerne in der
Fragerunde vorstellen möchte. Das mache ich gemeinsam mit Anette Kramme, die das BMAS vertritt, das an
diesem Gesetzentwurf ebenfalls mitgewirkt hat. - Ich
freue mich auf die Fragen.
Vielen Dank. - Ich habe eine ganze Reihe von Wortmeldungen, die ich, soweit wir sie hier notiert haben, der
Reihe nach aufrufe. Ich erteile zunächst der Kollegin
Scharfenberg das Wort.
Vielen Dank, Frau Ministerin, für Ihre erste Erklärung
zum Familienpflegezeitgesetz. Sie haben eben schon angesprochen, dass der Kreis der Berechtigten, die die Familienpflegezeit in Anspruch nehmen können, erweitert
werden soll. Familiensysteme verändern sich, Kinder
studieren woanders, finden ihren Lebensmittelpunkt woanders, kommen gar nicht mehr an den Wohn- und Lebensort der Eltern zurück. Wenn eine große Distanz zwischen Eltern und Kindern ist, finden sich oft andere
Allianzen - Wahlfamilien. Jetzt ist meine Frage: Warum
haben Sie den Kreis nicht beispielsweise auch auf nahe
Freunde oder Nachbarn erweitert? Denn das entspräche
der Lebensrealität, in der viele Menschen leben.
Vielen Dank. - Wir haben den Angehörigenbegriff
auf die Stiefeltern erweitert. Das ist wichtig. Denn für
den Vater, der die Familie nach drei Monaten verlassen
hat, war es möglich, Pflegezeit in Anspruch zu nehmen;
aber für den Stiefvater, der sich die meiste Zeit um die
Kinder gekümmert hat, war es nicht möglich. Diese GeBundesministerin Manuela Schwesig
rechtigkeitslücke schließen wir mit der Berücksichtigung der Stiefeltern. Wir berücksichtigen außerdem
lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften, also homosexuelle Paare, die zwar nicht verpartnert sind, aber
zusammenleben. Außerdem werden Schwäger und
Schwägerinnen berücksichtigt.
Vor dem Hintergrund, dass wir den großen Kreis von
Angehörigen, die schon dazugehören - beispielsweise
Eltern und Großeltern -, um diejenigen erweitern, die
ich eben genannt habe, und wir finanzielle Leistungen
bereitstellen - allein die zehntägige Auszeit kostet
100 Millionen Euro -, müssen wir zunächst Erfahrungen
mit dem Gesetz sammeln: Wie wird es angenommen?
Was kostet es?
Wir werden zur Begleitung des Gesetzes einen Beirat
einrichten, der uns Feedback geben soll: Wie wird es angenommen? Welche Erweiterungsmöglichkeiten gibt es?
Im Rahmen dieses Beirats wollen wir uns auch anschauen: Wie haben sich die Unterstützungspartnerschaften, wie Sie sie eben geschildert haben - Unterstützung durch Nachbarn, durch Freunde -, in unserem Land
verändert, und inwiefern müssen wir zukünftig eine Antwort darauf geben? Wir haben es also im Blick.
Frau Ministerin.
Aber auch vor dem Hintergrund der finanziellen Verantwortung müssen wir Schritt für Schritt vorangehen. Jetzt habe ich die Ampel gesehen, Herr Lammert.
({0})
Sehr schön. Das berechtigt zu den schönsten Hoffnungen für die nachfolgenden Fragen und Antworten. Die nächste Frage stellt der Kollege Marcus Weinberg.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, vielen Dank für die Einführung in die Familienpflegezeit.
Ich glaube, das Gesetz ist gesellschaftspolitisch und
familienpolitisch richtig; es stellt die Weichen richtig.
Nun ist es aber so, dass gute Gesetze für die Familie
Auswirkungen auf andere Bereiche haben. Da kommen
natürlich die Themen Erwerbstätigkeit und Auswirkungen auf die Arbeitgeber zur Sprache. Da ist meine Frage
- auch vor dem Hintergrund der Planbarkeit von Dingen,
soweit es überhaupt möglich ist -: Inwieweit sind diese
Belastungen - in Anführungszeichen; denn es sind nicht
wirklich Belastungen - für die Wirtschaft, für die Arbeitgeber aus Ihrer Sicht gerechtfertigt? Werden die möglichen Auswirkungen überschaubar sein?
Vielen Dank. Das Gute an dem Gesetz ist: Es entlastet
die Familien und die Wirtschaft gleichermaßen. Warum?
Erster Punkt. Mit dem Gesetz sorgen wir dafür, dass
die Arbeitnehmer, die einen Pflegefall in der Familie haben, eben nicht dauerhaft aus dem Beruf aussteigen und
somit als Fachkräfte erhalten bleiben. Von Unternehmen
wurde mir auf der Sommerreise berichtet, dass sie große
Probleme mit der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege
haben. Die Leute stehen unter Druck und steigen dann
oft ganz aus oder werden krank. Dadurch ergeben sich
hohe Kosten, die auf die Arbeitgeber zukommen.
Zweiter Punkt. In der Vergangenheit sollte der Lohnausfall durch den Arbeitgeber gepuffert werden. Das hat
kaum einer gemacht: nur 134 Arbeitgeber in ganz
Deutschland. Jetzt, mit dem Darlehen, das wir über das
Bundesamt für Familie ausreichen, holen wir das finanzielle Risiko sozusagen zu uns, zum Staat, und entlasten
den Arbeitgeber.
Dritter Punkt. Wir haben außerdem bürokratische
Hemmnisse, zum Beispiel beim Kinderkrankengeld
- das haben wir gleich mit geregelt -, abgebaut.
Der vierte Punkt, der für die Wirtschaft wichtig ist: Es
gibt Ankündigungsfristen. Zum Beispiel muss man die
lange Familienpflegezeit von bis zu 24 Monaten grundsätzlich 8 Wochen vorher ankündigen, sodass der Arbeitgeber Planungssicherheit hat. - Weil die Lampe jetzt rot
leuchtet, habe ich jetzt nicht mehr Zeit, die weiteren
Punkte zu nennen.
Aber danach fragt jetzt der Kollege Wunderlich.
({0})
Frau Ministerin Schwesig, Sie haben gerade unter Bezugnahme auf das Kinderkrankengeld über die zehntägige Auszeit gesprochen. Nun weiß jeder hier im Saal
- jedenfalls gehe ich davon aus -, dass diese zehn Tage
für kranke Kleinkinder in aller Regel nicht ausreichen.
Warum wird dieser Zeitraum von zehn Tagen - in der
Hoffnung auf eine Änderung beim Kinderkrankengeld nicht erweitert? Warum hat man den Anspruch nur einmal im Leben und nicht jährlich wie beim Kinderkrankengeld? Wie ist das bei mehreren Angehörigen? Es
kann ja sein, dass man - wenn man Glück hat - noch Vater und Mutter hat und beide nacheinander in die Situation kommen, dass man sich um sie kümmern muss.
Vielen Dank, Herr Wunderlich. - Genau die von Ihnen geschilderte Situation haben wir berücksichtigt.
Man hat einen Anspruch für jeden Angehörigen: Ich
habe den Anspruch für meinen Vater, für meine Mutter,
für meine Großeltern, für jeden Angehörigen. Die Unterstützung wird deshalb nur einmalig gewährt, weil es um
den akuten Pflegefall geht; ich habe das eben am Beispiel des Vaters, der einen Schlaganfall erlitten hat, skizziert. Für die längere Phase danach - Sie haben völlig
recht: Nach zehn Tagen ist nicht alles im Lot - gibt es
die Pflegezeit und die Familienpflegezeit, mit denen die
weitere Belastung abgefedert wird.
Ein ganz wichtiger Punkt: Das Gesetz setzt nicht darauf, dass die Familien alles alleine machen. Das Gesetz
flankiert die Pflegereform, durch die die professionellen
Angebote ausgeweitet werden sollen.
Was ich sehr gut finde: Wir haben erstmalig die Situation von minderjährigen Kindern, die pflegebedürftig
sind, aufgenommen. Zukünftig werden auch die Fälle
berücksichtigt, dass die Kinder nicht zu Hause bleiben
können, sondern beispielsweise in einer Einrichtung
oder im schlimmsten Fall im Hospiz sind.
Frau Yüksel.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Manuela
Schwesig, liebe Ministerin, ich wüsste gerne: Ist im Familienpflegezeitgesetz auch eine Härtefallregelung geplant?
Vielen Dank. - Das haben wir geplant. Man kann für
die Pflegezeit und/oder die Familienpflegezeit ein Darlehen in Anspruch nehmen. Falls es Probleme bei der
Rückzahlung gibt, haben wir Härtefälle skizziert. Zum
Beispiel den Fall, dass diejenigen, die für die Pflege eines bedürftigen Angehörigen aus dem Erwerbsleben
aussteigen oder die Arbeitszeit reduzieren, selbst krank
werden oder im schlimmsten Fall sogar versterben. Im
Todesfall ist es natürlich nicht möglich, das Darlehen zurückzuzahlen; die Darlehensschuld erlischt. Im Krankheitsfall kann das Darlehen gestundet werden. Man zahlt
das Darlehen erst zurück, wenn man die Arbeitsfähigkeit
wiedererlangt hat. Dieses Risiko tragen jetzt wir und
nicht mehr der Arbeitgeber. Wir haben die Wirtschaft,
die Arbeitgeber an dieser Stelle ganz klar entlastet. Ich
bin dem BMF sehr dankbar, dass wir diesen Weg gefunden haben.
Frau Dörner.
Vielen Dank für Ihren Bericht. - Frau Ministerin, Sie
schreiben explizit, dass mit dem Gesetzesvorhaben auch
das Ziel verfolgt wird, mehr Männer, also Väter, Partner
und Söhne, in die Pflege einzubinden. In dem Entwurf
kann ich, ehrlich gesagt, keine konkreten Maßnahmen
erkennen, wie dieses Ziel tatsächlich befördert werden
soll. Ich wäre daran interessiert, zu erfahren, wie Sie das
tatsächlich umsetzen wollen.
Vielen Dank, liebe Frau Dörner. - Es ist sehr schön,
dass es diese Regierungsbefragung gibt, weil ich so die
Gelegenheit habe, das Vorhaben zu erklären.
Die Familienpflegezeit und die Pflegezeit sind darauf
angelegt, dass mehrere Angehörige die Möglichkeit erhalten, diese zu nutzen. Es ist eben nicht so, dass die
Frau beispielsweise für die pflegebedürftige Mutter oder
Schwiegermutter dauerhaft aus dem Beruf aussteigen
muss - das lastet derzeit häufig auf den Schultern der
Frauen; da bin ich völlig bei Ihnen -, sondern außer ihr
kann auch ihr Bruder die Familienpflegezeit nehmen,
entweder parallel oder nacheinander, so wie es der Fall
eben erfordert.
Alle Kinder haben die Möglichkeit, diese Zeiten in
Anspruch zu nehmen. Das ist das Tolle an diesem Gesetz. Wer mehrere Kinder hat, der profitiert davon, weil
sich dann auch mehrere um ihn kümmern können. Das
ist der Gedanke der Partnerschaftlichkeit: Nicht einer allein muss sich um den Pflegefall in der Familie kümmern, sondern die ganze Familie kann sich kümmern.
Hinzu kommt, dass wir den Angehörigenbegriff erweitert haben. Deshalb ist es zugegebenermaßen auch ein
ziemlich umfangreiches Gesetz.
Frau Lezius.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Vielen Dank, Frau
Ministerin, dass Sie uns zur Beantwortung unserer Fragen zur Verfügung stehen. Meine Frage lautet: Wer der
Arbeit fern bleibt und die Freistellung in Anspruch
nimmt, um zu Hause zu pflegen, erleidet finanzielle Einbußen. Wie werden die Auszeiten zum Zwecke der
Pflege finanziell gefördert?
Zum einen gibt es bei Vorliegen einer Pflegestufe, die
ja Voraussetzung ist, Pflegegeld. Dieses Pflegegeld erhält derjenige, der Pflegebedarf hat. Er kann es natürlich
auch den Angehörigen geben. Zum anderen ist es möglich, die Differenz zum ursprünglichen Lohn über ein
Darlehen besser abzusichern, das wir über das Bundesamt für Familie ausreichen. Diese Darlehensmöglichkeit
ist neu. In der Vergangenheit hat man darauf gesetzt,
dass der Arbeitgeber einen Lohnvorschuss zahlt, was
aber die wenigsten getan haben bzw. die wenigsten machen konnten, weil das ein gewisses Risiko bedeutet hat.
Ich weise noch einmal darauf hin, dass man für die zehntägige Auszeit eine Lohnersatzleistung von bis zu
90 Prozent erhält.
Frau Crone.
Frau Ministerin, ganz herzlichen Dank. - Ich finde
diese neuen Regelungen wunderbar. Mich interessiert
Folgendes: Wie wird das Ministerium die Bürgerinnen
und Bürger auf diese neuen Möglichkeiten aufmerksam
machen, und wie wird die Beratung erfolgen? Die Frage
ist also: Wie kommt man an Informationen?
Zum einen nutzen wir natürlich die mediale Aufmerksamkeit. Nach meiner Wahrnehmung besteht ein großes
Interesse an diesem Thema - das haben wir gerade gestern gesehen -; denn dieses Thema - das wissen wir aus
den Umfragen - brennt den Familien auf den Nägeln.
Zum anderen werden wir natürlich Öffentlichkeitsarbeit
machen. Die Öffentlichkeitsarbeit stoßen wir aber erst
dann massiv an, wenn der Gesetzentwurf beschlossen
ist - aus Respekt vor den weiteren parlamentarischen
Beratungen.
Natürlich informieren wir schon jetzt, wenn es Fragen
gibt. Nachher setze ich ganz stark auf die Pflegestützpunkte, die natürlich auch über diese Angebote beraten.
Wir haben das große Unternehmensnetzwerk „Erfolgsfaktor Familie“, über das die Unternehmen beraten werden. Auch darüber werden entsprechende Angebote
unterbreitet. Es wird also verschiedene Informationsmöglichkeiten geben. Deshalb ist die zehntägige Auszeit
so wichtig.
Besser wäre es natürlich, wenn man sich vor dem Eintritt eines Pflegefalls informiert; aber das entspricht oft
nicht der Lebenswirklichkeit. Spätestens während dieser
zehntägigen Auszeit kann man sich zum Beispiel beim
Pflegestützpunkt schlaumachen.
Kollege Petzold.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, ich
möchte Sie zum Begriff „Angehörige“ befragen. Im Gesetzentwurf vermisse ich die inzwischen in der Gesellschaft anzutreffende Vielfalt bei den Lebensweisen,
sprich: eingetragene Lebenspartnerschaften, aber auch
andere Formen des Zusammenlebens, die überhaupt
noch nicht institutionalisiert sind und bis jetzt auch nicht
gesetzlich geregelt worden sind.
Gerade bei Transsexuellen und Intersexuellen werden
Partnerschaften gelebt, die nicht institutionalisiert sind,
in denen in Einzelfällen aber trotzdem Pflege stattfindet,
auch im Bereich von HIV/Aids. In diesen Fällen wird
die Pflege nicht im Rahmen von verehelichten oder verpartnerten Lebensgemeinschaften übernommen. Für
diese Personen ist bislang überhaupt nichts geregelt.
Deswegen würde mich interessieren, wie Sie diese Vielfalt an Lebensweisen, die es in der Gesellschaft inzwischen gibt, im Gesetz abbilden wollen und wie Sie den
Gesetzentwurf diesbezüglich nachbessern wollen.
Vielen Dank. - Die eingetragenen Lebenspartnerschaften sind bereits berücksichtigt. Wir schließen jetzt
die Lücke, indem wir auch die lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaften berücksichtigen. Ich bin mir
nicht sicher, ob alle genau darüber Bescheid wissen.
Deswegen sage ich es gerne noch einmal: Es gibt unter
Heterosexuellen die Ehe und, so sagen wir einmal salopp, die wilde Ehe, also die Lebenspartnerschaft von
denjenigen, die nicht verheiratet sind, aber zusammenleben. Diese Personen sind berücksichtigt. Bei Homosexuellen ist bislang die eingetragene Lebenspartnerschaft
berücksichtigt. Personen, die zusammenleben, sich aber
nicht verpartnert haben - die wilde Ehe unter Homosexuellen -, werden mit diesem Gesetzentwurf in Zukunft berücksichtigt.
Nicht berücksichtigt werden andere Bindungen - darüber wissen wir noch zu wenig; das soll Aufgabe des
Beirats sein -, die nicht auf einer persönlichen Liebesbeziehung basieren, wenn ich das so sagen darf, sondern
auf Nachbarschaft oder Freundschaft; das hat die Kollegin von den Grünen vorhin angesprochen. Wir müssen
uns anschauen, wie sich unsere Gesellschaft diesbezüglich entwickelt, und uns fragen, welche Möglichkeiten es
zukünftig gibt. Die Paare, die Sie angesprochen haben,
werden jetzt aber berücksichtigt.
Frau Griese.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, auch
von mir ein herzliches Dankeschön dafür, dass dieser
Gesetzentwurf jetzt vorliegt; denn dadurch wird tatsächlich das Leben vieler Menschen in schwierigen Situationen verbessert. Ich will eine Frage zur Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch der
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber stellen. Zunächst einmal wird dadurch, dass ein Rechtsanspruch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verankert wird, ein
neues Instrument geschaffen. Vielleicht könnten Sie uns
noch einmal die qualitative Bedeutung dieses neuen Instruments erläutern.
Außerdem ist es aus Sicht der Arbeitgeberinnen und
Arbeitgeber sicherlich wichtig, dass der Mitarbeiter in
einer längeren Pflegephase nicht komplett aus dem Job
aussteigt, sondern mit Teilzeit kombinieren kann. Ich
glaube, das ist ein arbeitsmarktpolitisch wichtiger
Aspekt. Deshalb bitte ich Sie, diesen zu erläutern und
auszuführen, welche arbeitsmarktpolitischen Auswirkungen er hat. - Vielen Dank.
Das Gesetz ist für den Arbeitsmarkt sehr wichtig.
Deshalb haben Andrea Nahles und ich dort Hand in
Hand zusammengearbeitet. Es ist der Arbeitsministerin
sehr wichtig, dass wir für Familien in diesen Situationen
Lösungen finden, die verhindern sollen, dass die Fachkräfte völlig aus der Arbeitswelt aussteigen. Der völlige
Ausstieg ist in den zehn Tagen für den Akutfall und in
der sogenannten Pflegezeit von bis zu einem halben Jahr
möglich. Aber die Familienpflegezeit von bis zu 24 Monaten, die sich daran anschließen oder isoliert davon genommen werden kann, basiert darauf, dass man nicht
voll aussteigt, sondern mindestens 15 Stunden arbeitet.
Mit der Mindestarbeitszeit von 15 Stunden wollen wir
geringfügige Beschäftigung vermeiden. Das ist der ar5446
beitsmarktpolitische Ansatz. Für die Arbeitgeber ist er
interessant ist, weil die Leute an Bord bleiben und nicht
komplett aussteigen. Durch die Fristen bei der Anmeldung haben die Arbeitgeber eine bessere Planungssicherheit.
Der Rechtsanspruch ist aus zwei Gründen wichtig.
Erstens ist es wichtig, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch darauf hat und nicht darum betteln muss. Das hat
eine ganz praktische Wirkung für jeden Einzelnen, aber
es hat auch eine symbolische Wirkung. Wie wichtig ist
der Politik, der Gesellschaft dieses Thema? Zweitens
ziehen wir mit dem Gesetz das Thema „Pflege in der Familie“ auf eine neue Ebene und zeigen: Wir lassen die
Familien nicht alleine, sondern kümmern uns als Gesellschaft.
Frau Scharfenberg.
Die Höchstdauer der kombinierten Pflege- und Familienzeit ist auf 24 Monate begrenzt. Einzeln genommen
sind es aber sechs Monate und 24 Monate. Gibt es eine
Möglichkeit, das so zu kombinieren, dass man auf
30 Monate kommt?
Nein, die Möglichkeit gibt es nicht. Es ist im Gesetz
so angelegt, dass die Pflegezeit und die Familienpflegezeit miteinander kombinierbar sind, dass man aber
24 Monate nicht überschreiten kann. Ich kann also in die
sechs Monate Pflegezeit einsteigen und noch einmal
18 Monate Familienpflegezeit draufsatteln, oder ich
gehe direkt 24 Monate in die Familienpflegezeit. Es ist
wichtig, den Zeitraum für die Arbeitgeber planbar zu
machen. Dieses Beispiel zeigt, dass wir zwischen den
Entlastungen, die wir für die Familien brauchen, und der
Situation der Arbeitgeber eine Balance gehalten haben.
Ich finde, das Gesetz wird beiden Seiten gerecht.
Kollege Weinberg.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, die
Leistungen aus dem Gesetz sind ja an den Pflegebedürftigkeitsbegriff nach § 13 SGB XI geknüpft. Dieser umfasst aber zumindest bisher keine demenziellen Erkrankungen. Wir befinden uns ja insgesamt im Rahmen der
Pflegereform in einer großen Debatte über einen neuen
Pflegebedürftigkeitsbegriff. Wie sieht die Zeitplanung
aus? Wann wird denn der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff so gestaltet, dass die demenziellen Erkrankungen
mit erfasst werden?
({0})
Der Bundesgesundheitsminister und ich haben dieses
Thema im Blick. Herr Gröhe hat an diesem Gesetz sehr
aktiv mitgewirkt. Das war eine ausgezeichnete Zusammenarbeit. Wir sind uns einig, dass die zweite Stufe der
Pflegereform, also die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, auch Auswirkungen auf dieses Gesetz haben wird. Das steht auch so in der Gesetzesbegründung. Den konkreten Zeitplan für die zweite Stufe
hat Herr Gröhe besser im Kopf als ich.
({0})
Er verrät es vielleicht später. - Davor hat die Kollegin
Schulz-Asche das Wort.
Frau Ministerin, man muss ja zehn Tage im Voraus
die Pflegezeit beantragen. Da der Medizinische Dienst
der Krankenversicherung oft länger als zehn Tage
braucht, um die Pflegebedürftigkeit zu bescheinigen,
frage ich: Ist es vorgesehen, die Bearbeitungszeiten des
Medizinischen Dienstes zu verändern, um tatsächlich
den Beginn der Pflegezeit nach zehn Tagen zu ermöglichen?
Vielen Dank. - Eine zügigere Bearbeitung durch den
MDK ist ja ein generelles Thema. Ob das ein Hindernis
für die Frist von zehn Tagen ist, ist, finde ich, eine kluge
Frage, die mir so noch nicht begegnet ist. Ich würde
diese Frage gerne mitnehmen und sie nachträglich beantworten.
Frau Crone.
Frau Ministerin, es gibt ja unterschiedliche Ankündigungszeiten. Könnten Sie noch mal eine kleine Erklärung dazu abgeben, warum es drei unterschiedliche Ankündigungszeiten gibt?
Die unterschiedlichen Ankündigungszeiten haben etwas mit der Planungssicherheit für den Arbeitgeber zu
tun. Die zehntägige Auszeit kann man sofort nehmen;
sie ist ja auch für die Akutsituation.
Um eine Pflegezeit von bis zu einem halben Jahr anzumelden, hat man zehn Tage Ankündigungszeit. Alles,
was der Arbeitnehmer eher ankündigt, ist natürlich besser - das steht auch im Gesetz -; aber er hat mindestens
diese zehn Tage. Ich denke, das ist für beide Seiten in
Ordnung. Auch der Arbeitnehmer braucht zehn Tage,
um sich zu entscheiden: Nehme ich jetzt ein halbes Jahr
Pflegezeit oder nicht?
Um sich dafür zu entscheiden, in die Familienpflegezeit zu gehen - die 24 Monate, also zwei Jahre -, hat
man grundsätzlich acht Wochen Zeit - es sei denn, man
ist schon in der Pflegezeit, also schon in diesem halben
Jahr; wenn man von da aus noch in die 24 Monate gehen
will, braucht das drei Monate Vorlauf. Der Arbeitgeber
hat sich ja erst auf das halbe Jahr eingestellt und muss
sich dann darauf einstellen, dass noch einmal bis zu
18 Monate draufkommen. Da sagen wir: Da sind drei
Monate Vorlauf gut und gerechtfertigt - und auch machbar für beide Seiten.
Der Kollege Marcus Weinberg.
Ich will noch mal darauf zurückkommen, dass die
letzte Lebensphase sehr akut kommen kann für alle Beteiligten, mit tragischen Wirkungen, und nicht immer
eine Pflegebedürftigkeit ausgesprochen wird. In diesem
Fall muss die ganze Familie diese letzte Lebensphase,
die sehr kurz andauern kann, bewältigen. Inwieweit haben Sie dieser Besonderheit - auch ohne dass eine Pflegebedürftigkeit ausgesprochen wird - im Gesetzentwurf
Rechnung getragen?
Vielen Dank für die Frage, Herr Weinberg; das passt
auch zu der Frage nach der Pflegestufe und der Bearbeitungszeit seitens des MDK. Sie haben völlig recht: Wir
haben bisher bei dem ganzen Thema Pflegezeit/Familienpflegezeit nie die nach meiner Einschätzung schwierigsten Fälle in der Familie bedacht, nämlich dass jemand
die Diagnose bekommt: schwerkrank, mit schlechtem
Verlauf, geringer Lebenserwartung, und dann vielleicht
ins Krankenhaus muss, ins Hospiz, und man es gar nicht
mehr schafft, eine Pflegestufe zu beantragen. Es gibt ja
auch Verläufe, wo eine Pflegestufe gar nicht notwendig
ist, aber trotzdem eine Auszeit gebraucht wird. Für diese
Fälle haben wir erstmalig im Gesetz geregelt, dass es
möglich ist, bis zu drei Monate auszusteigen, um jemanden in seiner letzten Lebensphase zu begleiten; das ist,
finde ich, ein ganz wichtiger - auch ethisch wichtiger Aspekt in diesem Gesetz.
Kollege Wunderlich.
Danke schön, Herr Präsident. - Frau Schwesig, es ist
hier schon festgestellt worden: Seit Einführung der Familienpflegezeit ist diese nur von wenigen Personen in
Anspruch genommen worden. Sie haben gesagt, das Risiko des Lohnausfalls ist jetzt auf das Ministerium abgewälzt, und hoffen, dass jetzt mehr Anträge auf Familienpflegezeit gestellt werden. Da stellt sich mir die Frage:
Warum wird der Kreis der Berechtigten denn dann eingeschränkt, indem dieser Rechtsanspruch - der zugegebenermaßen gestärkt worden ist - nur für Personen gelten soll, die in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten
arbeiten? Das heißt doch: Die meisten Beschäftigten in
kleineren und in mittleren Unternehmen haben keinen
Rechtsanspruch, weil ihre Firma nicht die entsprechende
Größe hat, und fallen somit als Anspruchsberechtigte
aus. Wenn deren Eltern also zum Pflegefall werden,
müssen sie sehen, wo sie bleiben. Warum?
Sie haben völlig recht, Herr Wunderlich: Bisher ist
von dem Angebot der Politik kaum, eigentlich gar nicht
Gebrauch gemacht worden. Angesichts von nur 134 Fällen muss man sich die Frage stellen: Was läuft hier eigentlich schief? - Das haben wir auch gemacht, und wir
präsentieren jetzt ein Gesetz mit einem Gesamtkonzept:
Die zehntägige Auszeit gilt für alle Beschäftigten; da
gibt es keine Einschränkung in Bezug auf Kleinunternehmen. Das Wichtigste - zehn Tage mit Lohnersatzleistung - bekommen alle.
Die längeren Auszeiten - eine sechsmonatige Pflegezeit mit Darlehensanspruch und eine bis zu 24-monatige
Familienpflegezeit mit Darlehensanspruch, auf die erstmalig auch ein Rechtsanspruch besteht - haben eine qualitative Wirkung, auch für den Arbeitgeber. Daher nehmen wir zunächst die Betriebe aus, in denen bis zu
15 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiten, weil
Kleinstbetriebe natürlich ganz andere Probleme haben,
wenn jemand für ein halbes Jahr reduziert, für zwei
Jahre reduziert oder das auch noch kombiniert.
Wir werden uns die Wirkungen dieser Regelungen anschauen. Auch diese kann der Beirat begleiten und sehen: Wie viele Arbeitnehmer sind von der einen Regelung betroffen, wie viele von der anderen? Aber es hat
eben auch etwas mit der Balance zu tun, dass man die
Kleinstbetriebe im Hinblick auf flexible Arbeitszeiten
nicht so stark in Anspruch nehmen kann wie mittlere und
größere Betriebe.
Ich habe jetzt noch zwei Wortmeldungen notiert: von
Frau Pahlmann und von Paul Lehrieder. Danach würde
ich gerne diesen Teil mit Blick auf weitere mögliche Fragen an die Bundesregierung abschließen. - Frau
Pahlmann.
Danke, Herr Präsident. - Frau Schwesig, meine erste
Frage wurde schon beantwortet, nämlich die nach den
Ankündigungsfristen. Aber ich habe noch eine Frage.
Mit dem Gesetz wird die Möglichkeit geschaffen, dass
der pflegende Angehörige ein zinsloses Darlehen aufnimmt. Dieses Darlehen soll zurückgezahlt werden,
wenn der Angehörige wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkommt. Was passiert in dem Fall, dass er nach der
Zeit der Inanspruchnahme über einen wirklich langen
Zeitraum arbeitslos wird? Wie und wann muss er dann
das Darlehen zurückzahlen? Wie sind da die Fristen?
Können Sie mir dazu etwas sagen?
Vielen Dank. - Auch das wäre ein Härtefall. Wir sagen: Wenn ein Angehöriger nach der Pflegezeit seine
Arbeit ohne eigene Schuld nicht wieder aufnehmen kann
- das heißt im Falle der Arbeitslosigkeit, weil in dieser
Zeit der Betrieb, was wir nicht hoffen, in Konkurs geht oder wenn er krank wird, dann wird das Darlehen so
lange gestundet, bis er seine Arbeit wieder aufnehmen
kann. Es sei denn, er geht in Rente und kommt in finanzielle Schwierigkeiten. Wenn die Person jedoch wieder
in eine Arbeitsphase kommt, in der sie das Geld zurückzahlen kann, soll es auch zurückgezahlt werden. Aber im
Falle von Arbeitslosigkeit oder Krankheit kann die
Rückzahlung gestundet werden.
Paul Lehrieder.
Sehr geehrter Herr Präsident, da ich die gleiche Frage
stellen wollte wie die Kollegin Pahlmann direkt vor mir,
verzichte ich auf meine Frage.
Das gibt mir die Gelegenheit, die Kollegin
Timmermann-Fechter noch zu Wort kommen zu lassen,
deren Wortmeldung ich vorhin offenkundig übersehen
hatte. - Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Frau
Ministerin, Sie sind jetzt mehrmals auf den unabhängigen Beirat eingegangen, der eingerichtet werden soll.
Meine Frage ist: Könnten Sie die Aufgabe dieses Beirats
und seine Zusammensetzung einmal konkretisieren?
Vielen Dank. - Der Beirat wird sich aus unterschiedlichen Vertretern zusammensetzen, aus Vertretern der
Pflegelandschaft, aber natürlich auch aus Vertretern von
Familienverbänden, um die Wirkungen gemeinsam zu
beraten. Die Aufgabe ist, dieses Gesetz zu begleiten, sodass wir nicht nur eine wissenschaftliche Evaluation haben, sondern vor allem auch mit Vertretern von Verbänden beraten - auch Vertreter der Wirtschaft und der
Gewerkschaften sollen dabei sein -, wie wir dieses
Thema in den nächsten Jahren weiterentwickeln und begleiten können.
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels
wird es in diesem Bereich eine große dynamische Entwicklung geben. Ich möchte von mir nicht behaupten,
dass ich so klug bin, alles bedacht zu haben. Wir wollen
gucken: Was funktioniert? Wo muss man vielleicht nachsteuern?
Es kommen noch weitere Stufen dazu, wie etwa der
neue Pflegebedürftigkeitsbegriff; wir hatten das vorhin
angesprochen. Ich nutze schnell die Zeit, um etwas nachzureichen - ich habe nämlich das Glück, neben einer
Vertreterin des BMG zu sitzen; Frau Widmann-Mauz
kennt den Zeitplan besser als ich -: Ab 2017 ist geplant,
auch die demenziell Erkrankten über den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff besser zu berücksichtigen. All das
werden Entwicklungen sein, die wir uns gemeinsam anschauen.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Zu anderen Themen
der heutigen Kabinettssitzung hat die Kollegin Keul um
das Wort gebeten.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Die Bundesregierung
hat sich in der heutigen Kabinettssitzung auch mit dem
Bericht über die Rüstungsexporte des ersten Halbjahres
2014 befasst. Wir alle hatten uns große Hoffnungen gemacht, da Minister Gabriel ja angekündigt hatte, er wolle
endlich die Grundsätze der Bundesregierung ernst nehmen, wonach nur Rüstungsexporte in NATO- und EULänder die Regel sein dürfen und Exporte in Drittstaaten
nur in ganz begrenzten Ausnahmefällen erlaubt werden
sollen.
Jetzt stellen wir bei einem Blick in den Bericht, den
Sie heute beschlossen haben, fest, dass sich der Trend,
den wir schon früher kritisiert haben, fortsetzt und jetzt
63 Prozent aller Genehmigungen den Export von
Kriegswaffen und Rüstungsgütern in Drittstaaten und erneut auch auf die Arabische Halbinsel betreffen. Wie erklärt sich das? Wie konnte es dazu kommen?
Frau Ministerin.
Das Kabinett hat heute den Zwischenbericht der Bundesregierung über die Rüstungsexporte im ersten Halbjahr 2014 beschlossen. Um die Transparenz von Genehmigungsentscheidungen zu Rüstungsexporten zu verbessern,
haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, diesen Zwischenbericht vorzulegen. Im ersten Halbjahr wurden für
Rüstungsgüter Einzelausfuhrgenehmigungen im Wert
von insgesamt 2,23 Milliarden Euro erteilt. Ich weiß
nicht, ob das Kanzleramt noch zusätzlich aus dem Rüstungsbericht berichten will, aber er wird Ihnen auch zugehen.
Herr Gabriel hat deutlich gemacht, dass er sich an die
Verabredungen hält, und das tut er auch. Das zeigt auch
der Bericht.
Herr Kekeritz.
Danke schön. - Meine Frage geht auch in diese Richtung. Es ist eine Frage, die sehr wichtig ist, um das Politikverständnis dieser Regierung zu verstehen. Welches
sicherheitspolitische Interesse haben Sie, Kriegswaffen
nach Saudi-Arabien oder in die Vereinigten Arabischen
Emirate zu exportieren? Das ist insbesondere in Bezug
auf Syrien und die dominante Stellung des IS hochinteressant.
Frau Ministerin.
Für Rüstungsexporte gibt es ganz klare Regeln und
Standards, nach denen bewertet wird. Dabei spielen auch
die sicherheitspolitischen Aspekte eine Rolle, und diese
sind, wie Sie es eben angesprochen haben, jeden Tag aktuell. Danach entscheidet die Bundesregierung, insbesondere der Wirtschaftsminister. Das wird aus dem Zwischenbericht ersichtlich.
Kollege Janecek.
Auch meine Frage geht in diese Richtung. Wir hatten
gerade im Wirtschaftsausschuss den Airbus-Vorstandsvorsitzenden Thomas Enders zu Gast, der in den Medien
die Bundesregierung bzw. das Verteidigungsministerium
indirekt angegriffen und die gesamte Beschaffungspraxis und auch Standorte infrage gestellt hat. Aus unserer
Sicht ist insgesamt infrage zu stellen, warum zum Beispiel der Export von Kleinwaffen überhaupt noch eine
notwendige Maßnahme ist. Ich bitte Sie, dazu Stellung
zu nehmen.
Die Bundesregierung legt besonders strenge Maßstäbe an die Genehmigungserteilungen für Exporte von
Kleinwaffen an. Der Gesamtwert für die Genehmigungen zur Ausfuhr von Kleinwaffen im ersten Halbjahr
2014 belief sich auf 21 Millionen Euro. Dies entspricht
einem Rückgang um circa 18 Millionen Euro. Die Genehmigungen für Kleinwaffenmunition sind ebenfalls
zurückgegangen. Die Bundesregierung beabsichtigt zudem, Kleinwaffengrundsätze zu veröffentlichen.
In der noch nicht abgeschlossenen Abstimmung zwischen den Ressorts geht es insbesondere darum, den
Grundsatz „Neu für Alt“ zu präzisieren und weiterzuentwickeln. Dieser besagt, dass bei einer Lieferung von
Kleinwaffen im jeweiligen Empfängerland möglichst
eine gleiche Anzahl vorhandener Waffen ausgesondert
und vernichtet - und nicht etwa weiterveräußert - werden soll.
Frau Haßelmann.
Vielen Dank. - Frau Ministerin, ich teile Ihre Einschätzung in keiner Weise. Aus der Presseberichterstattung wird deutlich, dass Herr Gabriel seine öffentlichen
Ankündigungen und Versprechungen nicht hält, was die
Frage der Beschränkung der Rüstungsexporte angeht.
Mich interessiert aber, wie Sie im Kabinett darüber diskutieren. Sind Sie mit mir der Auffassung, dass es dem
Parlament gegenüber sehr respektlos ist, dass vonseiten
des Verteidigungsministeriums und des Wirtschaftsministeriums, wenn es um die Themen Rüstungsexporte
oder Beschaffungswesen der Bundeswehr geht, zum
wiederholten Male die Presse vor dem Parlament informiert wird?
Wir haben deshalb unterschiedliche Bewertungen darüber, ob Herr Gabriel sich an seine Versprechen hält,
weil ich nicht die Presseberichte zum Maßstab für meine
Bewertung nehme, sondern die Berichte, die Herr
Gabriel im Kabinett gibt und die er auch dem Parlament
mit dem Exportbericht vorlegt. Sie und nicht etwa die
Medienberichterstattung sind für mich Maßstab der Bewertung. Vielleicht haben wir deshalb unterschiedliche
Eindrücke und Bewertungen.
Es ist natürlich Anliegen der Bundesregierung, das
Parlament zu unterrichten, und zwar vor der Presse, und
das wird auch getan.
({0})
Der Bericht zeigt, dass wir das ernst nehmen. Denn
wenn ich es richtig verstanden habe, gab es in der Vergangenheit einen jährlichen Bericht. Jetzt legen wir
halbjährlich einen Bericht vor. Auch das ist ein Zeichen
dafür, dass wir mehr Transparenz beabsichtigen, und das
tun Herr Gabriel und die Bundesregierung.
({1})
Kollege Petzold.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich habe noch eine
Nachfrage zu dem Verfahren. Ich habe heute Vormittag
in der Sitzung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz einen Bericht des Bundessicherheitsrates vorgelegt bekommen. Jetzt erfahre ich durch Sie, dass das
Bundeskabinett insgesamt entschieden hat. Wer entscheidet denn letzten Endes tatsächlich darüber? Wenn
wir einen Bericht des Bundessicherheitsrates bekommen: Wird hier ein Gremium installiert, dessen sich die
Bundesregierung sozusagen bedient, und sind dann die
Bundesminister selber gar nicht mehr am Entscheidungsprozess beteiligt? Wie läuft das tatsächlich ab?
Können Sie mir das bitte darlegen?
Das kann ich Ihnen sehr gerne darlegen. Ich habe
nicht gesagt, dass das Bundeskabinett über die Einzelmaßnahmen entscheidet. Vielmehr habe ich berichtet,
dass der Bundeswirtschaftsminister heute den Bericht,
der auch Grundlage für die Fragen der anderen Abgeordneten ist, vorgelegt hat. Wenn ein Bericht im Kabinett
vorgelegt wird, dann nimmt ihn das komplette Kabinett
zur Kenntnis; das ist eigentlich jedem Minister zu wünschen. Das war auch in diesem Fall so.
Es bleibt beim bisherigen Verfahren, dass das die betroffenen Ressorts einzeln entscheiden. Ich kann nicht
den Bericht des Bundessicherheitsrates bewerten; denn
über diesen wurde in der Ausschusssitzung, an der Sie
teilgenommen haben, berichtet. Es gibt eine Verschwiegenheitspflicht. Da ich nicht Mitglied des Bundessicherheitsrates bin, bin ich darüber nicht informiert worden.
Frau Dröge.
Herzlichen Dank für die Gelegenheit, auch noch Fragen zu diesem Themenkomplex stellen zu dürfen. - Ich
bin Mitglied und Obfrau im Ausschuss für Wirtschaft
und Energie. Wir haben den Bericht in Papierform tatsächlich erst zu Beginn der Sitzung erhalten. Wir sollten
dann mit Herrn Minister Gabriel darüber diskutieren,
ohne den Bericht gelesen zu haben. Wir wussten aber
aus der Presse bereits, dass dieser Bericht schon am
Abend zuvor Journalisten zugeleitet worden war. Was
versteht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang
unter Transparenz, und wie sieht sie die Möglichkeiten
von uns Parlamentariern, im Ausschuss über diesen Bericht valide zu beraten, wenn wir ihn vor der Ausschusssitzung gar nicht bekommen haben?
({0})
Ich bitte die Fragesteller darum, präzise zu sagen, um
welchen Bericht es geht. Ich hatte den Abgeordneten der
Fraktion Die Linke so verstanden, dass es um einen Bericht des Bundessicherheitsrates geht. Nun höre ich gerade von der Regierungsbank, dass dieser Bericht im
Ausschuss gar nicht gehalten wurde. Ich antworte natürlich auf die Fragen, weil ich davon ausgehe, dass das,
wonach gefragt wird, den Tatsachen entspricht. Ich
kenne diesen Bericht nicht und kann ihn auch nicht kennen, weil ich nicht Mitglied des Bundessicherheitsrates
bin. Die Verschwiegenheitspflichten gehen so weit, dass
die einzelnen Kabinettsmitglieder, die nicht Mitglieder
des Bundessicherheitsrates sind, nicht unterrichtet werden. Wenn Sie nun den Bericht meinen, der heute in das
Kabinett eingebracht wurde, dann kann ich nur sagen:
Das Kabinett muss diesen Bericht erst einmal zur Kenntnis nehmen und beschließen.
({0})
Zu diesem Thema ließe sich vieles sagen. Das tragen
wir gelegentlich im Ältestenrat aus. Dass die Möglichkeiten der Bundesregierung, rechtzeitig das Parlament
oder einzelne Fragesteller über nachgefragte Sachverhalte zu informieren, in einer beachtlichen Zahl von Einzelfällen optimierungsfähig sind, daran kann allerdings
kein Zweifel bestehen.
({0})
Die nächste Frage stellt der Kollege Kekeritz.
Danke schön. - Herr Präsident, Sie haben es gerade
angesprochen: Es geht um die Frage der Optimierung.
Ich finde es sehr unbefriedigend, dass hier nur eine
Ministerin für sämtliche Ressorts antwortet. Das kann
eigentlich nicht Sinn und Zweck der Fragestunde sein.
({0})
Sie beantworten aber bisher alle Fragen hervorragend.
Ich frage mich, wofür wir dann so viele Minister brauchen.
({1})
Ich nehme es zurück und entschuldige mich dafür.
Nein, Herr Kollege Kekeritz, man muss fairerweise
sagen: Das, was heute hier stattfindet, ist ein kleiner
Schritt für die Menschheit, aber in Bezug auf die Fragestunde ein großer Schritt für den Deutschen Bundestag.
Das sehe ich genauso. - Minister Müller hat in den
letzten fünf Jahren eine Textilinitiative vorangetrieben.
Man konnte gestern und vorgestern in den Medien lesen,
dass viele Verbände ausgestiegen sind. Heute war zu hören, dass es noch Nachverhandlungen zu dieser Initiative
gibt. Was davon wurde im Kabinett diskutiert, und welche Unterstützung kann Minister Müller von den Ressortkollegen erwarten? Bei uns kam die Botschaft an,
dass es sehr viel Reibereien bezüglich der Kompetenzen
gab.
Vielen Dank. - Das war heute nicht Thema im Kabinett. Deswegen kann ich dazu nichts sagen. Ich freue
mich sehr, dass ich auch einmal etwas zu den Themen
der anderen sagen kann, räume aber ein, dass das nicht
bei jedem Thema geht, erst recht nicht, wenn es nicht im
Kabinett war.
Ich biete an: Unsere Parlamentarischen Staatssekretäre sind sehr vertraut mit dem Stoff, sodass sie das eine
oder andere hier sicherlich noch gut beantworten können. Wenn Sie möchten, gebe ich die Frage weiter an das
BMZ.
Da wir im Augenblick bei der Befragung zu weiteren
Themen der Kabinettssitzung sind, steht das jetzt nicht
zur Debatte.
Es war nicht Thema der Kabinettssitzung.
Okay, wunderbar. - Kollegin Keul.
Um sicherzustellen, dass es keine Missverständnisse
gibt: In der Süddeutschen Zeitung von heute Morgen
ging es um den Zwischenbericht, den Sie dann im Kabinett besprochen haben. Das ist der Punkt, auf den wir
hier hinauswollen.
Ich habe trotzdem noch eine Nachfrage zu diesem
Zwischenbericht, den ich mir angeschaut habe. Ich muss
immer wieder feststellen, dass dort offensichtlich nur
Genehmigungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz enthalten sind, aber ganz offensichtlich nicht die Genehmigungen von Kriegswaffenexporten nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz; denn die Leopard-Kampfpanzer für
Katar, die bereits letztes Jahr im Mai genehmigt worden
sind, waren weder im Jahresbericht 2013 enthalten, noch
sind sie jetzt im Bericht zum ersten Halbjahr 2014 enthalten. Deswegen die Frage: In welchem Bericht werden
denn endlich die abschließenden Genehmigungen dieser
Kampfpanzer auftauchen?
Wann - ich nutze schnell die Gelegenheit - werden
wir endlich über diesen Bericht 2013, also den Jahresbericht, und den Halbjahresbericht 2014 hier im Plenum
debattieren können? Wann wird die Bundesregierung
den auf die Tagesordnung setzen?
Wann der Bericht 2013 debattiert wird, entscheidet
das Parlament.
({0})
Wann wir welche Punkte aufsetzen, entscheiden wir
selbst. Selbstverständlich.
({0})
- Sobald wir einen haben, können wir ihn aufsetzen.
Der Bericht für 2013 ist doch jetzt da. Dann kann
doch das Parlament jetzt darüber entscheiden, wann er
auf die Tagesordnung kommt.
Die Frage nach den Leopard-Panzern gebe ich gerne
weiter. Das kann ich Ihnen nicht sagen; das war heute
nicht explizit Thema im Kabinett.
Kollege Tiefensee, hat sich Ihre Nachfrage erledigt?
({0})
- Sie möchten noch? - Bitte schön.
Frau Ministerin, halten Sie es genauso wie ich für
nicht besonders gut im Sinne der parlamentarischen Gepflogenheiten, wenn meine Kollegin Dröge den Bericht
für das Jahr 2014 hochhält und sagt, den habe sie gerade
bekommen und über den solle heute diskutiert werden,
wo doch der Bericht des Jahres 2013 als Tagesordnungspunkt angegeben war und der Bericht des Jahres 2014
nur zufällig am selben Tag ausgereicht wurde?
({0})
- Ich bin Mitglied des Wirtschaftsausschusses, gemeinsam mit Frau Dröge. Der Tagesordnungspunkt heute
ging nicht über den Bericht 2014, sondern über den Bericht 2013. Man kann nicht mit dem Bericht aus dem
Jahr 2014 herumwedeln, wenn er nicht der Tagesordnungspunkt war.
Die zweite Frage ist: Sind Sie mit mir einer Meinung,
dass es eine völlig neue Ausrichtung der Exportpolitik
durch Minister Gabriel allein dadurch gegeben hat, dass
wir uns entsprechend dem Koalitionsvertrag auf die sehr
restriktiven Richtlinien von 2000 rückbeziehen, die unter Rot-Grün verabschiedet worden sind?
Die dritte Frage: Wenn über Exporte nach Saudi-Arabien gesprochen wird, ist es richtig, dass es sich zum Teil
um Erprobungsmaterial handelt, zum Beispiel den Panzer Wisent, also um Panzer ohne Bewaffnung, die nach
der Erprobung wieder zurückgeführt werden?
Ich bin Ihrer Meinung.
Das ist eine erfreulich knappe Antwort, die mir die
Überleitung zu dem Hinweis erleichtert, dass wir, wie
Sie bemerkt haben, weit über die Zeit hinaus sind, die
üblicherweise für die Regierungsbefragung vorgesehen
ist. Das machte ganz offenkundig Sinn.
Ich mache nur darauf aufmerksam, dass, wenn wir
jetzt auch noch die dritte Fragemöglichkeit im Rahmen
der Regierungsbefragung aufrufen - sonstige Fragen an
die Bundesregierung, unabhängig von der Kabinettssitzung -, die Zeit, die wir dafür in Anspruch nehmen, von
der Fragestunde, die sich anschließt, abgezogen wird.
Zu dieser dritten Kategorie hat sich die Kollegin
Künast zu Wort gemeldet.
Ein Thema, das gerade schon kurz angesprochen
wurde: Es soll, so die Medien, ein von Bundesminister
Müller initiiertes Aktionsbündnis für nachhaltige Textilien - früher war auch von „Textilsiegel“ die Rede - geben. Man hört und liest jetzt allerorten, dass es ständig
Änderungen gibt. Ich frage also: Was gilt denn nun eigentlich materiell, und wer nimmt teil? Ich frage nach
der Teilnahme, weil wir fast täglich mitbekommen, dass
der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels, Industrieunternehmen und andere sagen: Nein, wir werden
nicht teilnehmen, allenfalls mitdiskutieren, aber nicht
unterschreiben. - Mir liegen Schreiben vor, offenbar in
den letzten Tagen hektisch verfasst, die die Ziele dieser
Initiative relativieren. Um einzelne Personen einzuwerben, steht darin: Es ist doch Aufgabe aller Bündnispartner, notwendige Umsetzungsschritte zur Anhebung des
Lohnniveaus gemeinsam zu ermitteln und dann festzulegen. - Vorher wurde gesagt, diese Schritte sollen ab
2020 gelten.
Mein letzter Punkt in diesem Zusammenhang ist: Was
genau will eigentlich die Bundesregierung tun? Ich habe
bisher keine Erklärung gefunden, in der steht, dass die
Bundesregierung zum Beispiel eine Initiative für existenzsichernde Löhne oder eine Transparenzrichtlinie auf
europäischer Ebene in Angriff nimmt. Ist das von Herrn
Müller alles nur aufgeschrieben, oder passiert seitens der
Bundesregierung auch tatsächlich etwas?
Frau Schwesig, können Sie darauf antworten?
({0})
- Welche Großzügigkeit. - Wer möchte oder kann das
beantworten? - Frau Schwesig, bitte.
Da morgen dazu eine Pressekonferenz stattfindet,
fände ich es sehr gut, wenn der PSt berichtete.
Bitte schön, Herr Staatssekretär Silberhorn.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin Künast,
das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat nun über fünf Monate hinweg mit allen Beteiligten an diesem Textilbündnis geschmiedet, mit Vertretern der Wirtschaft, mit Vertretern
der Gewerkschaften, der Verbände, der Nichtregierungsorganisationen. Es ist bereits gesagt worden: Morgen
soll dieses Textilbündnis der Öffentlichkeit vorgestellt
werden. Es gab in der Tat bereits öffentliche Äußerungen
von zwei Verbänden, die angekündigt haben, dass sie
nicht unterzeichnen werden. Es gibt andere, die unterzeichnen werden. Wer alles dabei ist, das werden wir
morgen der Öffentlichkeit vorstellen.
Eine Nachfrage der Kollegin Künast.
Herr Präsident, Sie haben hier ja von einem großen
Schritt für den Deutschen Bundestag gesprochen. Die
Antwort, die gerade gegeben worden ist, lässt sich da
aber nicht subsumieren. Denn was habe ich als Parlamentarierin davon, dass mir einer erzählt, dass es morgen eine Pressekonferenz gibt?
({0})
Diese Antwort wollen Sie, Herr Silberhorn, mir hier
doch wohl nicht ernsthaft anbieten.
Ich möchte Sie also dazu auffordern, mir eine konkrete, materielle Antwort zu geben. Die Zeitungen sind
voll von dem, wonach ich gefragt habe. Wir sitzen morgen hier und arbeiten und können nicht zu Ihrer Pressekonferenz erscheinen. Das werden Sie uns wohl nachsehen.
Vor allem möchte ich fragen: Welche konkreten
Pflichten für die nächsten 24 Monate übernimmt das
Bundesministerium, um zum Beispiel eine europäische
Initiative zur Schaffung einer Transparenzrichtlinie für
die gesamte Produktionskette zu starten oder um dafür
Sorge zu tragen, dass die Least Developed Countries, die
ja die textilproduzierenden Länder sind, existenzsichernde Löhne zahlen müssen, um ihre Textilien in die
Europäische Union importieren zu können? Es ist doch
eigentlich ganz einfach, zu sagen, ob die Bundesregierung konkrete Zusagen bezüglich ihrer Handlungen
macht.
({1})
Herr Kollege Silberhorn.
Frau Kollegin Künast, Sie sagen, einige derjenigen,
die sich auf der Pressekonferenz morgen vorstellen werden, hätten bereits öffentlich angekündigt, dass sie unterzeichnen werden, andere noch nicht. Das kann sich
stündlich ändern. Deswegen kann ich Ihnen die aktuelle
Zahl der Unterzeichner zum gegenwärtigen Zeitpunkt
nicht nennen.
Unsere Zusammenarbeit mit der Europäischen Union
in diesem Zusammenhang ist bereits mehrfach Gegenstand der Debatten in diesem Haus gewesen. Wir haben
von Anfang an darauf hingewirkt, dass unsere Initiativen
von der Europäischen Kommission begleitet werden. Es
gibt ein großes Interesse daran.
({0})
Sie wissen allerdings auch, dass die Europäische Kommission vor einer Neubesetzung steht und dass wir in
engen Verhandlungen sind, das, was wir mit dem Textilbündnis in Deutschland jetzt anstoßen, auf der europäischen Ebene zu verstärken. Das tun wir auch in unserer
bilateralen Entwicklungszusammenarbeit mit Partnerländern wie Bangladesch, Pakistan und anderen. Mit
unseren bilateralen Programmen wirken wir selbstverständlich auch darauf hin, dass vor Ort in unseren Partnerländern soziale und ökologische Mindeststandards
eingehalten werden. Ein Beispiel dafür ist unsere Initiative, in Ausbildung, in Training zu investieren auch dort,
wo es Gewerkschaften gibt, damit man sich aus eigener
Kraft, mit eigenen Möglichkeiten für die Einhaltung von
sozialen und ökologischen Standards einsetzen kann.
({1})
Es gibt jetzt noch drei Wortmeldungen - dann würde
ich allerdings mit Blick auf unseren Zeitplan gern die
Regierungsbefragung schließen -: vom Kollegen Gastel,
von Frau Haßelmann und vom Kollegen Kekeritz. Herr Gastel.
Herr Präsident, vielen Dank. - Ich frage die Bundesregierung, ob Meldungen zutreffen, wonach das Kraftfahrt-Bundesamt mit der Erhebung der Pkw-Maut - umgangssprachlich auch „CSU-Maut“ genannt - beauftragt
werden soll, wofür 1 500 zusätzliche Stellen erforderlich
sind, was einer Verdreifachung der bisherigen Stellenzahl in dieser Behörde entsprechen würde.
({0})
Wer kann das beantworten? - Bitte schön, Herr Kollege Ferlemann.
Kollege Gastel, wir befinden uns derzeit in der Phase
der Erarbeitung eines Referentenentwurfs zur PkwMaut. Auch diese Fragestellungen sind Bestandteil der
Überprüfung.
({0})
Frau Haßelmann.
Ich möchte auf die Frage von Frau Künast zurückkommen - denn die ist nicht beantwortet worden -, welche Unternehmen, wie viele Unternehmen morgen diese
Erklärung unterzeichnen. Wenn der Staatssekretär nicht
in der Lage ist, diese Frage zu beantworten: Ist vielleicht
ein Mitglied der Bundesregierung in der Lage, sie zu beantworten? Ich dränge auf jeden Fall auf Beantwortung
in dieser Befragung.
Herr Silberhorn.
({0})
Frau Kollegin, wie ich Ihnen schon gesagt habe, die
Zahl der Unternehmen kann sich stündlich ändern.
({0})
Ich biete Ihnen gern an, aktuell herauszufinden, wie
viele es gerade sind.
({1})
Ich habe die Zahl zur Stunde nicht hier.
({2})
Kollege Kekeritz.
Es ist schon interessant, dass wir die Fragen, die gestellt werden, nicht beantwortet bekommen. Frau Künast
hat doch ganz klar gefragt: Was ist die Rolle der Bundesregierung bei dieser Initiative? Hat Minister Müller jetzt
die Unterstützung des Kabinetts, oder hat er sie nicht?
Meine Vermutung ist: Er hat sie nicht. Dann ist es auch
nicht die Initiative der Bundesregierung, sondern eine
Privatinitiative eines Ministeriums.
Die zweite Frage, die nicht beantwortet worden ist:
Was läuft denn auf europäischer Ebene? Da zeichnet
sich die Bundesregierung ja als Bremserin von Offenlegungspflichten aus, während Herr Minister Müller hier
in Deutschland immer wieder die verbindliche Festlegung von Standards einfordert. „Verbindliche Festlegung
von Standards“ kann ja nur heißen, dass die Standards
öffentlich gemacht werden und dass auch festgehalten
wird, wie die Unternehmen diese berücksichtigen. Also:
Warum bremst die Bundesregierung in Europa, und warum tritt Herr Müller hier in Deutschland so auf, als
wenn er verbindliche Standards wollte?
Herr Kollege Kekeritz, wir geben Ihnen auf die Fragen, die Sie stellen, vollständig Auskunft, soweit das in
unseren Möglichkeiten liegt.
({0})
Was aber nicht geht, ist, dass Sie eine völlig neue Frage
einführen und diese mit der Kritik begleiten, sie sei gar
nicht beantwortet worden.
Wenn Sie danach fragen, wie die Bundesregierung im
Rahmen des angesprochenen Textilbündnisses zusammenarbeitet, kann ich Ihnen sagen, dass die Bundesregierung sich - wie bei allen Themen, so auch hier selbstverständlich eng abstimmt und koordiniert.
({1})
Es hat eine Reihe von Abstimmungen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit dem Ministerium für Arbeit und Soziales
und auch mit dem Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gegeben; wir stimmen uns da in einem
engen Ressortkreis ab. Das Gleiche gilt auch für die
europäische Ebene.
Noch einmal: Welche Initiativen die neue Kommission dann auf der europäischen Ebene ergreifen wird,
({2})
wird erst die neue Kommission entscheiden.
({3})
Frau Künast, Sie müssen mir nicht erklären, wer welche
Initiativen ergreifen kann.
({4})
Wenn Sie das Initiativmonopol der Europäischen Kommission kennen, dann wissen Sie, dass der Fahrplan der
Kommission von den neuen Kommissaren bestimmt
werden wird.
({5})
Wir haben ein Interesse daran - insofern wiederhole
ich mich -, die Initiative, die wir hier in Deutschland ergreifen, zu verstärken, sowohl was unsere bilaterale Zusammenarbeit mit Partnerländern angeht, als auch was
unser multilaterales Engagement angeht. Da ist die
Europäische Union ein wichtiger Partner, aber nicht der
alleinige. Wir stehen in engem Kontakt mit der Internationalen Arbeitsorganisation, weil es darum geht, deren
Kernarbeitsnormen umzusetzen. Wir stehen auch in
Kontakt mit der Weltbank beispielsweise,
({6})
wo ich selbst am Wochenende das Thema der sozialen
und ökologischen Standards mehrfach adressiert habe.
Insofern nutzen wir alle Möglichkeiten und Fähigkeiten,
die wir haben, um dieser Initiative auch international
Nachdruck zu verschaffen.
({7})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bleiben Sie entspannt. Wir haben uns jetzt ja gut ausgetauscht.
Noch einmal zu den Regeln: Bei der Regierungsbefragung darf nach allem gefragt werden; das ist klar.
({0})
Es kann nicht alles sofort beantwortet werden. Aber es
gab einige Zusagen, dass Fragen noch schriftlich beantwortet werden.
Ich beende damit die Regierungsbefragung und rufe
den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
Drucksache 18/2831
Ich rufe die Fragen in der üblichen Reihenfolge auf.
Wir kommen zuerst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin
Iris Gleicke bereit.
Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Andreas
Mattfeldt auf:
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor,
wie sich die britische Regierung zum geplanten Verkauf der
RWE Dea AG an die Letter One GmbH positioniert, und
wenn nein, hat die Bundesregierung sich darum bemüht bzw.
wird sie sich darum bemühen, da hiervon auch deutsche Interessen betroffen sein könnten?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Schönen Dank, Herr Präsident. - Lieber Kollege
Mattfeldt, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Nach
Kenntnis der Bundesregierung hat sich die britische Regierung bisher weder zum Verkauf der RWE Dea als solchem positioniert noch sonst ein der deutschen Investitionsprüfung vergleichbares Verfahren durchgeführt. Die
Bundesregierung steht in engem Kontakt mit der britischen Botschaft sowie dem britischen Energieministerium, dem DECC, das für die Vergabe von Öl- und Gasförderlizenzen im Vereinigten Königreich zuständig ist,
da die britische Tochtergesellschaft RWE Dea UK eine
Reihe lokaler Förderlizenzen hält. Die Vertragsparteien
haben vereinbart, eine Zusicherung zum Fortbestand
dieser Lizenzen nach dem Verkauf zu beantragen. Bislang wurde eine solche Zusicherung nicht erteilt.
Gibt es dazu noch eine Rückfrage, Kollege Mattfeldt?
({0})
Bitte schön.
Herzlichen Dank. - Frau Staatssekretärin, ich habe
eine Zusatzfrage zu diesem Bereich - denn dies ging
durch die Medien und hat auch mit Versorgungssicherheit zu tun -: Wie positioniert sich die Bundesregierung
vor dem Hintergrund, dass es für Öl eine Bevorratungsverpflichtung gibt, nach der im Krisenfall die Versorgung 90 Tage lang aufrechterhalten werden muss, zu der
von Frau Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung am 6. Oktober im ARD-Morgenmagazin erhobenen Forderung nach einer nationalen Gasreserve? Sie erwähnte in diesem Zusammenhang, dass in
Deutschland schon über ein Viertel der Gasspeicher in
russischer Hand ist.
Sie beziehen sich damit auf Ihre nächste schriftlich
eingereichte Frage. Wenn ich die Antwort darauf vorziehen darf, würde ich das, mit Verlaub, machen.
Dann nehmen wir die Frage 2 des Kollegen Mattfeldt
mit dazu:
Wie positioniert sich die Bundesregierung zu der Forderung von Professor Dr. Claudia Kemfert, Deutsches Institut
für Wirtschaftsforschung, am 6. Oktober 2014 im ARD-Morgenmagazin nach einer nationalen Gasreserve vor dem Hintergrund, dass es für Öl eine Bevorratungsverpflichtung gibt,
nach der im Krisenfall die Versorgung 90 Tage aufrechterhalten werden muss und in Deutschland schon über ein Viertel
der deutschen Gasspeicher in russischer Hand ist ({0})?
Herr Kollege Mattfeldt, das BMWi vergibt derzeit
eine Studie mit dem Titel „Möglichkeiten zur Verbesserung der Gasversorgungssicherheit und der Krisenvorsorge durch Regelungen der Speicher ({0}) einschließlich der Kosten
sowie der wirtschaftlichen Auswirkungen auf den
Markt“. Nach einer zu erwartenden Beauftragung ab November ist die Bearbeitungszeit zur Erstellung der Studie
mit sechs Monaten festgesetzt, sodass mit Ergebnissen
im April 2015 gerechnet werden kann. Die Diskussionen
über eine mögliche Speicherregelung sollten dann auch
die Vorgaben und Überlegungen auf europäischer Ebene
berücksichtigen.
Der Fragesteller ist zufrieden. - Es gibt dann eine Zusatz- oder Nachfrage des Abgeordneten Krischer von
Bündnis 90/Die Grünen. Bitte.
Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Frau Staatssekretärin, ich möchte jetzt gerne eine Nachfrage zur ersten
Frage stellen; denn das ging gerade ineinander über.
Nach meinen Informationen hat die Letter One Group
bzw. Herr Fridmann eine Unbedenklichkeitserklärung
für den Kauf der RWE Dea AG bei der Bundesregierung
beantragt. Wurde diese Unbedenklichkeitserklärung
vonseiten der Bundesregierung erteilt und, wenn ja oder
nein, mit welcher Begründung?
Nach dem deutschen Außenwirtschaftsrecht kann
eine Unbedenklichkeitsbescheinigung nur dann versagt
werden, wenn der Verkauf an einen außereuropäischen
Erwerber nachweislich Gefahren für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit mit sich bringt. Das war hier nicht
der Fall. Wir haben die einzelnen Erwägungen vor kurzem dem Ausschuss für Wirtschaft und Energie dargestellt; der Bericht liegt dem Ausschuss vor. Insofern war
diese Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht zu versagen.
Herr Krischer, eigentlich dürften Sie keine zweite
Frage mehr stellen. Sie könnten allenfalls eine Frage zu
der zweiten schriftlich eingereichten Frage stellen.
Ich würde es gerne zur zweiten Frage tun, da ich auch
zu diesem anderen Themenkomplex eine Nachfrage
habe.
Ich habe es geahnt. - Bitte.
Die Bundesregierung musste einen Stresstest im Hinblick auf die Gasversorgung in Deutschland vornehmen.
Das war eine Forderung der EU-Kommission. Das Ergebnis dieses Stresstests ist nach meinen Informationen
auch der EU-Kommission vorgelegt worden. Meine
Frage ist: Warum wird das Ergebnis dieses Stresstests
nicht veröffentlicht, nicht der Öffentlichkeit zugänglich
gemacht?
Ich kenne jetzt - da muss ich passen - die rechtlichen
Rahmenbedingungen, was den Stresstest und seine Veröffentlichung angeht, nicht. Ich kann Ihnen aber gerne
sagen, Herr Kollege Krischer, dass im Moment die Speicher voll sind. Die Bewirtschaftung dieser Speicher
unterliegt deutschem Recht, egal in wessen Eigentümer5456
schaft die Speicher sind. Insofern ist die Versorgungssicherheit gewährleistet.
Aber selbstverständlich wird es demnächst auch Diskussionen auf europäischer Ebene geben. Deshalb sagte
ich in meiner Antwort auf die Frage des Kollegen
Mattfeldt, dass auch die europäischen Debatten Eingang
in unsere Diskussion finden. Wir haben dazu jetzt das
besagte Gutachten beauftragt, erwarten die Ergebnisse,
wie ich schon dargestellt habe,
({0})
und werden dann mit Sicherheit im Ausschuss für Wirtschaft und Energie die Gelegenheit haben, diese Themen
weiter miteinander zu diskutieren.
Wir kommen damit zur Frage 3 der Abgeordneten
Höhn. Diese wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 4 der Abgeordneten Katharina
Dröge, Bündnis 90/Die Grünen, auf:
Inwiefern unterstützt die Bundesregierung den vom italienischen Vizeminister für Außenhandel, Carlo Calenda, in der
FAZ vom 6. Oktober 2014 öffentlich geäußerten Vorschlag,
ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA in
einem verringerten Umfang, etwa ohne ein Kapitel zum Investitionsschutz oder zu Liberalisierungen im Bereich der
Finanzdienstleistungen oder Lebensmittelsicherheit, abzuschließen?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Liebe Kollegin Dröge, ich antworte wie folgt: Die
Bundesregierung kommentiert neue Vorschläge eines
einzelnen Regierungsmitglieds nicht. Ziel der Bundesregierung bleibt, ein umfassendes Abkommen zu schließen, so wie es das von den Mitgliedstaaten und der EUKommission erteilte Verhandlungsmandat vorsieht.
Ich vermute, dass Sie eine Zusatzfrage haben, Kollegin Dröge? - Bitte schön.
Herzlichen Dank, Frau Gleicke, für diese Antwort,
die mich, wie ich sagen muss, etwas betrübt stimmt;
denn Sie hätten ja durchaus die Möglichkeit gehabt, den
italienischen Kollegen in dieser Frage gemäß den Leitlinien zu unterstützen, die Herr Gabriel letzte Sitzungswoche hier im Bundestag skizziert hat. Da hat er ja eine
ganze Reihe an roten Linien auch für Handelsabkommen
skizziert und gesagt, das sei die Maxime seines Regierungshandelns. Jetzt hat der italienische Kollege einen
Vorschlag gemacht, der genau in diese Richtung geht.
Da hätte ich nach den Ankündigungen von Herrn
Gabriel schon erwartet, dass er das jetzt auch massiv und
deutlich unterstützt. Deswegen noch einmal die Frage:
Wieso hat Herr Gabriel dies unterlassen?
Noch einmal: Für die Bundesregierung erkläre ich,
dass wir Vorschläge einzelner Regierungsmitglieder
nicht kommentieren. Insofern bleibt es selbstverständlich
bei dem, was Herr Gabriel im Ausschuss auch mit Ihnen
diskutiert hat, Frau Kollegin Dröge. Das ist sozusagen die
Handlungsanweisung für die Bundesregierung, wenn es
auf europäischer Ebene um die Diskussion geht, wie das
Freihandelsabkommen weiter verhandelt wird.
Zweite Zusatzfrage, bitte, Frau Kollegin Dröge.
Okay, dann versuche ich es andersherum. Wenn Sie
die Vorschläge einzelner Mitglieder anderer Regierungen nicht kommentieren, dann beantworten Sie aber
vielleicht meine Nachfrage. Meine Nachfrage wäre, ob
sich die Bundesregierung in Form von Herrn Minister
Gabriel vorstellen könnte, relevante Teile wie ein Investitionsschutzkapitel im Konkreten oder etwa die Bereiche Finanzdienstleistungen oder Lebensmittelsicherheit
aus dem Freihandelsabkommen TTIP auszuklammern,
und ob sie bereit ist, sich auf europäischer Ebene dafür
einzusetzen, dass das Mandat entsprechend geändert
wird.
Es gibt ein Verhandlungsmandat. Für die Verhandlungen ist die EU-Kommission zuständig. Bisher liegen
keine abschließenden Verhandlungsergebnisse vor, für
die man den Abschluss vorziehen könnte. Darauf bezieht
sich der Vorschlag von Herrn Calenda. Insofern ist dazu
im Weiteren nichts zu sagen.
Dann kommen wir zur Frage 5, ebenfalls von der Abgeordneten Katharina Dröge, Bündnis 90/Die Grünen:
Wie will die Bundesregierung Nachverhandlungen beim
Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, CETA,
durchsetzen, wenn sowohl die kanadische Regierung in Person des Handelsministers Ed Fast - „Die Verhandlungen zu
CETA sind beendet, und Kanada und die EU haben sich auf
eine fertige Fassung geeinigt“, FinanzNachrichten vom
5. Oktober 2014 - als auch die designierte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström - „Das wäre keine gute Idee“,
Der Tagesspiegel vom 29. September 2014 - Nachverhandlungen beim CETA ablehnen?
Frau Staatssekretärin.
Die alleinige Kompetenz, die Verhandlungen mit Kanada zu führen, liegt nach den europäischen Verträgen
bei der Europäischen Kommission. Die Bundesregierung hält weitere Verbesserungen im Abkommen für
notwendig und bringt ihre Anliegen wie üblich über die
Brüsseler Ratsgremien ein, insbesondere über den Handelspolitischen Ausschuss, aber auch in Gesprächen auf
politischer Ebene. Soweit möglich, tut sie dies gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten. Es ist denkbar, dass
Verbesserungen im gegenseitigen Einvernehmen vorgenommen werden können.
Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Dröge?
Dazu habe ich eine Zusatzfrage. Diese Debatte haben
wir bereits letzte Sitzungswoche im Parlament geführt,
und da hat sich Herr Gabriel erfreulich kritisch, wie ich
fand, zum Thema „Investitionsschutzklauseln in CETA“
geäußert und gesagt, mit ihm werde es ein solches CETA
nicht geben. Deswegen wüsste ich jetzt im Anschluss
gern konkret: Welche Termine haben er oder Vertreter
seines Ministeriums im Anschluss an diese Ankündigung gegenüber dem Parlament wahrgenommen, um
diese Forderung in Brüssel zu transportieren und ihr zum
Erfolg zu verhelfen? Bitte sagen Sie uns einfach, wann
er wohin gefahren ist und mit wem er telefoniert hat.
Dann wissen wir, ob es nur eine Willensbekundung war
oder ob wir mit etwas Konkretem rechnen können. Aus
der Berichterstattung wissen wir zwar, dass man bislang
über Schuldenschnitte und andere Dinge gesprochen hat.
Von der kompletten Herausnahme des ISDS-Mechanismus habe ich bisher aber nirgendwo etwas lesen können.
Deshalb frage ich so konkret nach.
Frau Kollegin Dröge, Sie haben sicherlich Verständnis dafür, dass ich Ihnen die Einträge im Terminkalender
oder die Gesprächstermine, die Herr Minister in den
letzten Tagen und Wochen wahrgenommen hat, nicht im
Einzelnen herbeten kann. Da bitte ich herzlich um Verständnis und würde gerne schriftlich antworten.
Noch eine Zusatzfrage? - Bitte.
Herzlichen Dank, darüber freue ich mich sehr. - Die
zweite Frage wäre: Wenn Herr Gabriel, was wir uns alle
nicht wünschen, in den Verhandlungen nicht erfolgreich
damit sein sollte, ISDS aus CETA auszuschließen, können wir dann damit rechnen, dass die Bundesregierung
dem Abkommen nicht zustimmen wird? So haben wir es
jedenfalls in der letzten Sitzungswoche wahrgenommen.
Im Moment wird die rechtliche Prüfung des Verhandlungsergebnisses, das jetzt vorliegt, vorgenommen. Danach wird das Abkommen übersetzt. Dann erst gibt es
die Möglichkeit für die Bundesregierung, dazu Entscheidungen zu treffen und dann im Rat ihr Abstimmungsverhalten deutlich zu machen, sodass wir erst anschließend
daran im Parlament entscheiden können.
Danke schön. - Dann kommen wir zur Frage 6 der
Abgeordneten Corinna Rüffer:
Welche konkreten Aspekte des Investitionsschutzkapitels
im Freihandelsabkommen CETA hält die Bundesregierung für
nicht zustimmungsfähig?
Liebe Kollegin Rüffer, Ihre Frage beantworte ich wie
folgt: Grundsätzlich ist festzuhalten: Die Bundesregierung sieht viel Sinn und sehr großen Nutzen in einem
Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada.
Ob die Bundesregierung dem Beschluss zur Unterzeichnung des Abkommens im Rat zustimmen kann, lässt sich
erst sagen, wenn der endgültige Vertragstext feststeht
und von der Bundesregierung abschließend geprüft
wurde.
Die Bundesregierung sieht, unabhängig von der Feststellung, dass sie Investitionsschutzregeln in Abkommen
mit entwickelten Rechtsstaaten für nicht erforderlich
hält, insbesondere in den Punkten Regelung von etwaigen Umschuldungen sowie Bankrestrukturierungen und
-abwicklungen Klärungsbedarf. Die Bundesregierung
strebt die Klärung dieser Punkte mit der EU-Kommission an.
Zusatzfrage?
Wir gehen, ehrlich gesagt, davon aus, dass Sie sich
nur deshalb an Verhandlungen beteiligen, weil Sie sie für
sinnvoll und unterstützenswert halten. Insofern danke
für den Hinweis; aber davon sind wir ausgegangen.
Sie haben ein paar Punkte genannt, die kritisch sein
könnten und von Ihnen, glaube ich, auch so wahrgenommen werden. Deswegen stelle ich die Frage noch einmal
konkreter: Wenn diese Aspekte im Abkommen enthalten
sein sollten - Sie haben einige Punkte genannt -, würde
das dazu führen, dass die Bundesregierung es ablehnen
würde? Können wir damit rechnen?
Wie ich eben der Kollegin Dröge schon gesagt habe,
befinden wir uns im Moment in der Phase der Rechtsförmlichkeitsprüfung. Dann werden die Texte sozusagen
konsolidiert und übersetzt. Danach wird die Bundesregierung eine Entscheidung darüber treffen, wie sie sich
im Rat verhält. Erst dann werden wir hier im Parlament
die Möglichkeit haben, zu entscheiden.
Noch eine Zusatzfrage? - Bitte.
Das bedeutet, dass Sie für sich keine roten Linien
markiert haben, über die Sie nicht gehen würden? Verstehe ich das richtig?
Liebe Frau Kollegin Rüffer, der Minister hat sehr
deutlich klargemacht, wo er Verbesserungsbedarf sieht.
Ich habe vorhin der Kollegin Dröge geantwortet, dass er
seine Möglichkeiten nutzt, in den Ratsgremien diesen
Verbesserungsbedarf darzustellen, auch in den politischen Gesprächen mit den Vertretern der Mitgliedstaaten. Insofern sind wir sehr optimistisch, dass es noch
Verbesserungen geben wird. Wir bleiben einfach im Gespräch. Das Verfahren ist trotzdem so, wie ich es Ihnen
eben geschildert habe.
Dann kommen wir zur Frage 7 der Abgeordneten
Corinna Rüffer:
Wäre es denkbar, dass auf Grundlage des Investitionsschutzkapitels im CETA bei Umschuldungen von Staatsanleihen Klagen vor internationalen Schiedsgerichten vorgebracht
werden könnten?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Schönen Dank. - Liebe Frau Kollegin Rüffer, das ist
quasi das Beispiel dafür, weshalb ich gesagt habe, dass
wir Möglichkeiten sehen, Verbesserungen hinzubekommen. Die Bundesregierung hat sich erfolgreich dafür
eingesetzt, dass ein ursprünglich von Kanada unterbreiteter Vorschlag zur Regelung von Umschuldungen nachträglich in den Abkommenstext aufgenommen wurde,
siehe Annex X: Public Debt, Seite 184 des CETA-Textes
vom 26. September 2014. Diese Textpassage war im
CETA-Text, der am 5. August 2014 an die EU-Mitgliedstaaten übermittelt wurde, noch nicht enthalten. Damit
hat sich die Gefahr von erfolgreichen Klagen gegen etwaige Umschuldungsmaßnahmen verringert. Die Bundesregierung wird sich ungeachtet dessen für weitere
Verbesserungen einsetzen.
Dazu eine Zusatzfrage?
Ja.
Bitte.
Ich formuliere es einmal so: Wird die Bundesregierung CETA zustimmen, auch wenn die Regelungen im
Kapitel über Investitionsschutz nicht dahin gehend verändert werden, dass Klagen bei Umschuldungen von
Staatsanleihen ausgeschlossen wären? Noch einmal eine
ähnliche Frage.
Liebe Frau Kollegin, gerade wird die Rechtsförmlichkeit der Texte geprüft. Anschließend werden sie übersetzt. Diese Texte werden, wie ich eben beispielhaft erklärt habe, im Laufe der Prüfverfahren noch geändert.
Die Bundesregierung wird dann anhand der Abschlusstexte ihre Entscheidung treffen und entsprechend im Rat
agieren. Danach werden wir hier im Parlament darüber
zu entscheiden haben.
Sie dürfen noch einmal nachfragen, wenn Sie mögen? Okay, nicht mehr. Danke.
Frau Dröge hat noch eine Nachfrage. Bitte.
Ich habe noch eine Nachfrage. Ich finde es etwas
schade, dass Sie sich hier offensichtlich nicht festlegen
möchten, weil ich Herrn Gabriel letzte Sitzungswoche
im Plenum anders verstanden habe. Ich habe noch einmal eine konkrete Nachfrage: Hätten die Gläubiger bzw.
Besitzer griechischer Staatsanleihen auf der Grundlage
von Bestimmungen, wie sie in CETA vorhanden sind, vor
internationalen Schiedsgerichten gegen die Umschuldung
griechischer Staatsanleihen, die seit März 2012 bestehen,
klagen können? Ich finde, dass das für uns eine relevante
Frage ist, um bewerten zu können, was wir gerade verhandeln.
Frau Kollegin Dröge, wie Sie wissen, bin ich von Beruf Bauingenieurin und keine Juristin. Ich würde Ihnen
diese Frage gern schriftlich beantworten und würde die
Juristen des Hauses damit beschäftigen, damit Sie eine
konkrete Antwort bekommen. - Danke schön.
Danke schön. - Dann kommen wir zur Frage 8 des
Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt, Bündnis 90/Die
Grünen:
Sind die Äußerungen des Bundesministers für Wirtschaft
und Energie, Sigmar Gabriel, aus den vergangenen Wochen
zu den Investitionsschutzregeln im CETA so zu verstehen,
dass, wenn die Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren weiterhin Bestandteil im CETA bleiben sollten, die Bundesregierung im Rat der Europäischen Union gegen ein solches Abkommen stimmen würde?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Danke schön, Herr Präsident. - Lieber Herr Kollege
Schmidt, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung sieht viel Sinn und sehr großen Nutzen in
einem Freihandelsabkommen zwischen der EU und
Kanada. Die Bundesregierung begrüßt daher, dass die
EU-Kommission und Kanada ein vorläufiges Verhandlungsergebnis erreicht haben. CETA erfüllt nach Ansicht
der Bundesregierung grundsätzlich die Erwartungen an
ein modernes und ehrgeiziges Freihandelsabkommen
zwischen Industriestaaten. Der Abschluss von CETA
wird auch ein wichtiges Signal senden, dass die EU zum
Freihandel steht und in der gemeinsamen Handelspolitik
handlungsfähig ist.
Ob die Bundesregierung dem Beschluss zur Unterzeichnung des Abkommens im Rat zustimmen kann,
lässt sich erst sagen, wenn der endgültige Vertragstext
feststeht und von der Bundesregierung abschließend geprüft wurde. Hinsichtlich des Kapitels zum Investitionsschutz sieht die Bundesregierung noch Klärungsbedarf.
Die Bundesregierung steht hier mit der EU-Kommission
in Kontakt. Allgemein macht die Bundesregierung weiter deutlich, Investitionsschutzbestimmungen und Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren zwischen Staaten mit
entwickelten Rechtsschutzsystemen nicht für erforderlich zu halten.
Eine Nachfrage dazu? - Bitte, Herr Dr. Schmidt.
Ich habe eine Nachfrage zum Status der Verhandlungen. Einerseits hat es eine Zeremonie mit dem Kommissionspräsidenten Barroso und dem kanadischen Premierminister Stephen Harper dahin gehend gegeben, dass das
Abkommen abgeschlossen sei. Andererseits haben wir
die Information, dass die Verhandlungen im Handelsausschuss des Rates über das Abkommen noch gar nicht abgeschlossen sind. Können Sie mir erklären, welche
Rechtsauffassung die Bundesregierung hat? Sind die
Verhandlungen denn jetzt abgeschlossen, und, wenn ja,
wie können dann die Verhandlungen im Handelsausschuss des Rates noch gar nicht abgeschlossen sein?
Oder andersherum: Wenn Sie die Rechtsauffassung haben, dass dieses Abkommen de facto oder de jure noch
nicht paraphiert ist, wie sind dann die Verhandlungen im
Handelsausschuss des Rates angelegt, und was sind die
Erwartungen der Bundesregierung hinsichtlich der
Dauer? Wann, glauben Sie, wäre das Abkommen dann in
einem Zustand, dass es den Mitgliedstaaten zur Ratifizierung zugeleitet werden kann?
Der Punkt ist in der Tat, dass die Verhandlungen zwar
beendet worden sind - das ist ja öffentlich erklärt worden -; allerdings ist es tatsächlich so, dass der Vertragstext im Moment bearbeitet wird, weil es noch eine Reihe
zu klärender Fragen gibt. Da sind die Juristen am Werk.
Danach wird der Vertragstext, wie ich schon erklärt
habe, übersetzt, und dann wird das Abkommen den Mitgliedstaaten sozusagen in seiner schlussendlichen Form
vorliegen. Dann wird sich die Bundesregierung mit den
einzelnen Passagen und dem gesamten Vertrag beschäftigen und entscheiden, wie sich ihr Abstimmungsverhalten im Rat darstellen wird. Danach werden wir auch hier
im deutschen Parlament darüber diskutieren können.
Noch eine Zusatzfrage von Dr. Schmidt.
Ich möchte fragen, ob mein Eindruck richtig ist, dass
es offensichtlich an zwei Punkten unterschiedliche
Rechtsauffassungen der Bundesregierung und der Kommission gibt.
Erstens. Ist mein Eindruck richtig, dass die Kommission die Rechtsauffassung vertritt, diese Verhandlungen
seien abgeschlossen? Kommissar De Gucht hat deswegen ja auch gesagt, es könne daran nichts mehr geändert
werden.
Zweitens, die Frage der Ratifizierung. Ist mein Eindruck richtig, dass die Bundesregierung die Rechtsauffassung vertritt, dass dies ein gemischtes Abkommen ist,
es also den Mitgliedstaaten zur Ratifizierung zugeleitet
werden muss, die EU-Kommission aber dezidiert die
Rechtsauffassung vertritt, dass dies kein gemischtes Abkommen ist, es also den Mitgliedstaaten nicht zur Ratifizierung zugeleitet werden muss? Ist die Bundesregierung, falls die EU-Kommission der Rechtsauffassung
der Bundesregierung nicht folgt, bereit, den EuGH anzurufen?
Wir sind der Auffassung, dass es sich um ein gemischtes Abkommen handelt; das ist mehrfach im Ausschuss und auch hier Parlament erklärt worden. Insofern
gehen wir davon aus, dass wir das hier im deutschen Parlament diskutieren. Im Endeffekt ist das jetzt auch Bestandteil der Diskussion um die einzelnen Vertragstexte,
deren Verlauf ich vorhin geschildert habe.
Ich habe auf die Frage der Kollegin Rüffer hin deutlich gemacht, dass es auch bei den Übertragungen der
Gesetzestexte tatsächlich noch zu Veränderungen
kommt. Wir werden also diese Möglichkeiten nutzen.
Dies alles wird bis Sommer nächsten Jahres dauern. Wir
haben Bewegung wahrgenommen und haben den Eindruck, dass sich auch die EU-Kommission der Auffassung annähert, dass es sich um ein gemischtes Abkommen handelt.
Die nächste Zusatzfrage hat die Abgeordnete Lemke,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Staatssekretärin, Sie haben hier die Auffassung
der Bundesregierung vorgetragen. Weil dieses Thema
öffentlich sehr intensiv diskutiert wird, was wir als Parlamentarier alle sehr begrüßen, möchte ich mich über ein
Detail bezüglich der Haltung der Bundesregierung vergewissern: Ist es explizit die Auffassung der gesamten
Bundesregierung und auch der Bundeskanzlerin, dass
Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren bei Abkommen
mit einem Staat wie Kanada überflüssig sind und Nachverhandlungen mit dem Ziel geführt werden sollen, die
entsprechende Regelung herauszunehmen?
Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass Investitionsschutzklauseln zwischen entwickelten Rechtssystemen tatsächlich entbehrlich sind.
({0})
- Das ist die Auffassung der Bundesregierung.
Die nächste Zusatzfrage stellt der Abgeordnete
Ströbele.
Danke, Herr Präsident. - Frau Staatssekretärin, der
Vorgang ist mir nicht ganz klar, auch nach Ihrer Antwort
nicht.
Im normalen Leben bin ich Rechtsanwalt, und ich bin
es daher gewohnt, für Mandanten Verträge auszuhandeln. Manchmal dauert das länger, manchmal geht es
ganz schnell. Irgendwann ist man fertig und verabschiedet sich in der Gewissheit, dass das Verhandlungsergebnis erreicht ist; es wird dann schriftlich niedergelegt,
vielleicht muss es noch notariell beurkundet werden.
Aber beide Seiten sind sich einig: Das ist das Ergebnis,
es gibt also nichts mehr zu verhandeln.
Wie ist das denn nun bei CETA? Gibt es ein Papier,
auf dem steht: „Das ist das Ende dieser Verhandlung und
dieser Text ist jetzt maßgeblich“? Das ist eine einfache
Frage - wenn ein Mandant zu mir käme, dann müsste ich
das auch beantworten -: War es das jetzt oder kommen
noch 35 Zusätze dazu?
Herr Kollege Ströbele, wie ich schon auf die Fragen
der Kolleginnen und Kollegen vorher geantwortet habe:
Es gibt einen Text, in dem noch einige Passagen der Klärung in Bezug auf die Formulierung bedürfen. Das wird
jetzt im weiteren Verlauf passieren. Danach wird der
Text übersetzt, und die Bundesregierung wird an dem
dann feststehenden Text ihre Entscheidung ausrichten.
({0})
Die nächste Zusatzfrage stellt die Abgeordnete
Dröge, Bündnis 90/Die Grünen.
Herzlichen Dank. - Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, in Ihrer Antwort auf die Frage von Frau Lemke haben Sie zu meiner Freude noch einmal zum Ausdruck
gebracht, dass die gesamte Bundesregierung Herrn
Gabriel dabei unterstützt, dass ISDS aus CETA gestrichen wird.
Sie haben eben freundlicherweise zugesagt, mir eine
Übersicht zu schicken, aus der sich ergibt, wann sich
Herr Gabriel in Brüssel eingesetzt hat. Es würde mich
sehr freuen, wenn mir die Bundesregierung eine solche
Übersicht über Frau Merkels Termine schicken könnte.
Es begeistert mich, wenn sich die gesamte Bundesregierung in Brüssel einsetzt. Wenn Herr Gabriel die Unterstützung von Frau Merkel hat, ist das etwas sehr Positives. Allerdings hat sie bislang damit nicht so viel
Werbung gemacht.
Wir beantworten selbstverständlich auch diese Frage
schriftlich. Ich möchte, damit kein Widerspruch entsteht,
die Formulierung noch einmal vorlesen: Die Bundesregierung sieht, unabhängig von der Feststellung, dass
sie Investitionsschutzregelungen in Abkommen mit entwickelten Rechtsstaaten für nicht erforderlich hält, insbesondere in den folgenden Punkten Regelungsbedarf
usw. - Das ist die abgestimmte Meinung der Bundesregierung.
Die nächste Zusatzfrage stellt der Abgeordnete
Wolfgang Tiefensee, SPD-Fraktion.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Staatssekretärin,
stimmen Sie mit mir darin überein, dass es ein Unterschied ist, ob man im juristischen Sinne und als Anwalt
einen Vertrag aushandelt, bei dem die Parteien am Tisch
sitzen und die Prokura haben, endzuverhandeln, oder ob,
wie in den Verhandlungen zwischen der EU und Kanada,
mindestens Räte, wenn nicht sogar Parlamente beteiligt
werden müssen?
Zum Zweiten. Sind Sie mit mir einer Meinung, dass
bereits die Tatsache, dass die jeweilige Bundesregierung
bei der Erteilung des Verhandlungsmandats für CETA
und TTIP deutlich gemacht hat, dass sie kein ISDS will,
ein Fingerzeig dafür ist, dass sie nach wie vor auf dieser
Meinung besteht?
Zum Dritten. Wir haben den kanadischen Verhandlungsführer Herrn Steve Verheul im Ausschuss gehört.
Sind Sie mit mir einer Meinung, dass seine Äußerungen
so zu verstehen waren, dass er sich wünschte, dass der
Text eins zu eins verabschiedet wird, aber dass er durchaus sieht, dass zum Beispiel in Bezug auf die Banken
und Markenschutzrechte und dergleichen noch Nachverhandlungsbedarf bzw. Korrekturbedarf besteht?
Schließlich frage ich: Sind Sie mit mir der Meinung,
dass es auch andere europäische Staaten gibt, die Bedarf
haben, bezüglich dieser oder jener Passage nachzuverhandeln?
Ich wurde von langjährigen Parlamentariern darauf
hingewiesen, dass das vier Fragen waren. Normalerweise ist nur eine zulässig. Aber wir wollen es der Bundesregierung überlassen, wie sie darauf antwortet. Prinzipiell aber bitte nur eine Frage pro Nachfrager.
Ich glaube, die vier Fragen des Kollegen Tiefensee illustrieren das nicht ungewöhnliche Vorgehen bei internationalen Verhandlungen: Man hat einen Text, bei dem
insbesondere juristischer Klärungsbedarf besteht. Ich
habe vorhin auf die Frage der Kollegin Rüffer deutlich
gemacht, dass es im Verlauf der Textkonsolidierung zu
Veränderungen kommen kann. Das hat Herr Verheul angekündigt. Dass es Veränderungswünsche gibt, haben
auch andere Mitgliedstaaten angekündigt. Insofern ist
das ein ganz normales Verfahren.
Ich bin aber dem erfahrenen Kollegen Ströbele dankbar, wenn er uns, den Ingenieuren sozusagen, eine Handhabe gibt, wie das in einfachen juristischen Verfahren
geht. In internationalen Verfahren - da haben Sie recht ist das durchaus so üblich.
Ich rufe die Frage 9 auf:
Wie möchte die Bundesregierung nach dem Abschluss der
Verhandlungen zwischen der Europäischen Kommission und
Kanada einzelne Teile im CETA, beispielsweise im Bereich
des Investitionsschutzes, neu verhandeln, und welchen
Zeitrahmen hat sie dafür ins Auge gefasst?
Herr Kollege Schmidt, die alleinige Kompetenz, die
Verhandlungen mit Kanada zu führen, liegt nach den europäischen Verträgen bei der Europäischen Kommission.
Die Bundesregierung hält weitere Verbesserungen im
Abkommen für notwendig. Sie bringt ihre Anliegen über
die Brüsseler Ratsgremien ein, insbesondere über den
Handelspolitischen Ausschuss, aber auch in Gesprächen
auf politischer Ebene und, soweit möglich, zusammen
mit anderen EU-Mitgliedstaaten. Es ist denkbar, dass
Verbesserungen im gegenseitigen Einvernehmen vorgenommen werden können, wie ich schon die ganze Zeit
erläutert habe.
Zusatzfrage, Herr Dr. Schmidt?
Ja. - Ich habe eine Zusatzfrage, die durchaus auch an
die vorhergehende Frage anschließt. Es gibt in einzelnen
zentralen Punkten ganz offenkundig unterschiedliche
Rechtsauffassungen zwischen der Bundesregierung und
der Kommission; das haben Sie bestätigt. Ist das ein gemischtes Abkommen, also eines, das den Mitgliedstaaten zur Ratifizierung zugeleitet werden muss, oder ist
dies kein gemischtes Abkommen, wie die EU-Kommission das sieht? Dass die EU-Kommission die Verhandlungskompetenz hat, entscheidet nicht darüber, ob sie
über den Charakter des Abkommens im Ratifizierungsprozess entscheiden kann. Die EU-Kommission nimmt
das aber für sich in Anspruch. Sie sagt: Wir sind der
Meinung, dass das kein gemischtes Abkommen ist. Was ist, wenn die EU-Kommission daran festhält und
auf Basis eines Rechtsgutachtens ihres Wissenschaftlichen Dienstes sagt: „Wir leiten euch das nicht zur Ratifizierung zu“? Das ist ja möglich. Sie haben gesagt: Wir
haben Anzeichen dafür, dass die EU-Kommission sich
unserer Rechtsauffassung annähert. - Sie hoffen, dass alles gut wird. Für den Fall, dass nicht alles gut wird - das
kommt im Leben ja gelegentlich vor -, ist die Bundesregierung dann bereit, für ihre Rechtsauffassung vor
dem EuGH, vor dem Europäischen Gerichtshof, zu streiten, oder würde sie dann die Entscheidung der Kommission hinnehmen?
Herr Kollege Schmidt, wir sind der Auffassung, dass
es sich um ein gemischtes Abkommen handelt, und wir
werden alles dafür tun, dass sich die Europäische Kommission dieser Auffassung anschließt. Sollte sie das
nicht tun, wird dann zu entscheiden sein. Ich finde, wir
sollten unter zivilisierten Europäern versuchen, miteinander eine klare Absprache zu finden.
Danke schön. - Ich rufe die Frage 10 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Bündnis 90/Die Grünen, auf:
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zum Abstimmungsverhalten der jeweiligen EU-Kommissare bei der
Entscheidung über die staatliche Beihilfe für den Bau des britischen Atomkraftwerks Hinkley Point C - insbesondere des
EU-Kommissars für Energie, Günther Oettinger -, und welche Aktivitäten und Gespräche sind vonseiten der Bundesregierung im Vorfeld der Entscheidung durchgeführt worden bitte mit genauer Angabe; bei den Gesprächen bitte möglichst
mit Angabe der Gesprächspartner?
Frau Staatssekretärin.
Liebe Frau Kollegin Kotting-Uhl, über die pressebekannten Informationen hinaus liegen der Bundesregierung keine weiteren Erkenntnisse über die Abstimmung
im Kommissionskollegium vor. Im Vorfeld der Entscheidung wurden keine Aktivitäten und Gespräche seitens
der Bundesregierung durchgeführt.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Kotting-Uhl?
Ja, gerne, Herr Präsident. Vielen Dank. - Frau Staatssekretärin, das nimmt mich wunder. Man muss ja immer
wieder darauf hinweisen, dass Deutschland den Atomausstieg beschlossen hat. Nun geht es um den Neubau eines Atomkraftwerks, das in relativ großer Nähe zu uns
liegt, und um die Frage, ob man den Neubau mit staatlicher Beihilfe subventioniert. Und es geht um die Frage,
ob das, wie manche begründet sagen, in Widerspruch zu
den Wettbewerbsregeln der Europäischen Union steht.
Der Kommissar für Energie ist zu diesem Zeitpunkt
noch Günther Oettinger aus Deutschland. Die Bundesregierung hat in der Tat nicht ein Gespräch mit dem Ener5462
giekommissar aus Deutschland in der EU-Kommission
geführt? Man muss dazu sagen: Es war eine Stimme Unterschied. Die Stimme des deutschen Kommissars war
also sehr relevant. Trotzdem gab es kein Gespräch?
({0})
Frau Kollegin Kotting-Uhl, diese Beihilfeverfahren
sind bilaterale Verfahren, vergleichbar zum Beispiel mit
unseren Verhandlungen mit der Europäischen Union um
die Besondere Ausgleichsregelung im EEG. In dem Falle
mischen sich andere Staaten nicht in die Verhandlungen
ein.
Weitere Zusatzfrage?
Ja, danke, Herr Präsident. Ich habe eine zweite Frage. Es ist ja ein gewisser Unterschied, ob man wie bei den
erneuerbaren Energien eine neue Technologie mit Anschubfinanzierung in den Markt bringt oder ob eine
Technologie, die nach 60 Jahren offensichtlich immer
noch nicht in der Lage ist, sich finanziell selber zu erhalten, subventioniert werden muss. Dazu hat die Bundesregierung keine Haltung?
Die Bundesregierung hat sich in die bilateralen Gespräche, die anderthalb Jahre angehalten haben, nicht
eingemischt.
({0})
Das ist mir Antwort genug. Danke.
Nachfrage des Abgeordneten Krischer, Bündnis 90/
Die Grünen.
Frau Kollegin Gleicke, die Antwort überrascht mich
in der Deutlichkeit, dass Sie weder eine Haltung noch
Interesse noch sonst irgendetwas an dieser doch überraschenden Entscheidung haben. Wir haben in der vergangenen Woche hier in der Fragestunde, als die Entscheidung gerade gefallen war, Frau Bundesumweltministerin
Hendricks gehört, die gesagt hat, dass sie die Entscheidung für falsch hält und eine Klage der Bundesrepublik
befürwortet.
Deshalb meine Frage an Sie als Vertreterin der Bundesregierung: Prüft die Bundesregierung zurzeit, eine
Klage gegen die Entscheidung zu Hinkley Point einzureichen oder sich der Klage eines anderen Landes anzuschließen? Wir haben vernommen, dass man in Österreich nicht solch eine gleichgültige Haltung hat, wie Sie
sie haben. Die dortige Bundesregierung hat angekündigt,
eine Klage einzureichen. Prüft die Bundesregierung, einen solchen Schritt zu gehen, oder hat sie möglicherweise schon die Entscheidung zu einem solchen Schritt
getroffen?
Herr Kollege Krischer, aus meinen Antworten zuvor
zu schließen, dass die Bundesregierung kein Interesse
und keine Haltung hätte, ist falsch. Ich will das noch einmal ganz deutlich sagen. Wir haben uns in der Tat in die
bilateralen Verhandlungen zu einem Beihilfeverfahren
nicht einzumischen. Umgekehrt erwarten wir dies auch
von den anderen Staaten, wenn wir Beihilfeverhandlungen führen. Die Besondere Ausgleichsregelung hat ja
nichts mit der Förderung der erneuerbaren Energien zu
tun, sondern damit, dass wir die EEG-Umlage für einige
Bereiche der Industrie begrenzen.
({0})
- Genau, dazu kommen wir gleich bei der nächsten
Frage.
Die Bundesregierung hat klargestellt - ich beziehe
mich auf Unterrichtungen, die schon vorgelegen haben;
es gibt, glaube ich, schon einen Bericht an die Bundestagsfraktion der SPD, aber zum Beispiel auch einen
Schriftverkehr des Ministers -, dass sie die Entscheidung der Europäischen Kommission nach Veröffentlichung sehr genau faktisch und rechtlich analysieren
wird. Allerdings wird die Veröffentlichung - auch das
steht schon fest - erst Anfang 2015 erwartet. Dann werden wir prüfen, wie wir mit dieser beihilferechtlichen
Entscheidung umgehen.
Die nächste Zusatzfrage hat der Abgeordnete
Kekeritz, danach die Abgeordnete Lemke, beide Bündnis 90/Die Grünen. - Herr Abgeordneter Kekeritz, bitte.
Die Frage hat sich jetzt eigentlich erübrigt, weil Kollege Krischer sie schon gestellt hat. Nichtsdestotrotz
muss ich die Regierung fragen, ob sie sich darüber im
Klaren ist, dass ein Nichtverhalten zu einem so zentralen
Thema natürlich ein ganz klares Signal an uns Abgeordnete, aber auch nach außen ist. Das Signal, das Sie senden, ist eindeutig: Atomkraft ist in Ordnung. Wir akzeptieren das. - Wenn das nicht ihre Grundhaltung ist, dann
verlange ich von der Bundesregierung, dass sie im Interesse der globalen Entwicklung und auch der Zukunft
der Energiewende massiv dagegen vorgeht.
Das war bis jetzt noch keine Frage; aber ich nehme
an, Sie wollten fragen, ob sie die Einschätzung teilt.
Genau!
({0})
Wie die Bundesregierung bereits klargestellt hat, wird
sie die Entscheidung der Europäischen Kommission
nach Veröffentlichung rechtlich und faktisch sehr genau
analysieren. Eine Veröffentlichung wird erst für Anfang
2015 erwartet; daher ist zu diesem Zeitpunkt keinerlei
Aussage möglich.
Ich will Ihnen aber sehr deutlich sagen, Herr Kollege,
dass wir - unabhängig davon, dass wir den Atomausstieg hier in Deutschland gestalten - das Problem natürlich sehen. Wenn es um Hermesbürgschaften für AKWNeubauten im Ausland geht, so ist es die Linie der verantwortlichen Bundesressorts, grundsätzlich nicht zu
bürgen.
Die Abgeordnete Lemke, Bündnis 90/Die Grünen, hat
dazu noch eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, wir wissen aus der Katastrophe
von Tschernobyl, dass wir von Entscheidungen von
Staaten - nicht nur in Europa, sondern auch darüber hinaus - über den AKW-Neubau sehr persönlich betroffen
sind, falls es dort zu Havarien kommen sollte. Von daher
kann ich Ihre Auffassung, dass wir uns in ein solches
Beihilfeverfahren nicht einzumischen haben, nicht nachvollziehen. Evidente Sicherheitsinteressen unserer Bevölkerung sind von dieser Entscheidung betroffen. Ich
würde, da Frau Bundesumweltministerin Hendricks in
der vergangenen Woche zu einer potenziellen Klage eine
dezidiert andere Auffassung hier vor dem Parlament vertreten hat als Sie, gerne nach dem jetzt offenbar gewordenen Dissens innerhalb der Bundesregierung wissen,
ob im Kabinett, ob in der Bundesregierung darüber debattiert worden ist, ob eine Klage eingereicht werden
sollte - oder einer anderen beigetreten werden sollte und ob es dazu eine explizite Entscheidung innerhalb der
Bundesregierung gegeben hat.
Frau Kollegin Lemke, ich stelle fest: Sie haben nach
dem Beihilfeverfahren gefragt. Ich habe Ihnen dargestellt, dass es sich in diesen Beihilfediskussionen um bilaterale Verhandlungen handelt.
Das Zweite ist, dass wir natürlich mit unserer hervorragenden Politik, was den Atomausstieg angeht, und der
guten Implementierung des Ausbaus der erneuerbaren
Energien und den Fortschritten, die wir in Deutschland
dabei vorzuweisen haben, selbstverständlich auch international als gutes Beispiel dienen wollen.
Was das Thema der Klagen angeht, habe ich gerade
dargestellt, dass die Bundesregierung die Entscheidung
der Europäischen Kommission nach deren Veröffentlichung ganz genau überprüfen und faktisch wie rechtlich
analysieren wird. Die Veröffentlichung wird allerdings
erst für Anfang 2015 erwartet; zu diesem Zeitpunkt werden wir als Bundesregierung eine Entscheidung fällen.
Danke schön. - Wir kommen damit zur Frage 11 des
Abgeordneten Oliver Krischer:
Wie viele Anträge - aufgeschlüsselt jeweils nach den zehn
größten Branchen und Bundesländern - sind beim Bundesamt
für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in diesem Jahr bis zum
Fristende 30. September 2014 ({0}) eingegangen - falls die abschließende Zahl noch
nicht vorliegt, bitte Zwischenstand angeben -, und mit welchem finanziellen Volumen rechnet die Bundesregierung nach
ersten Schätzungen?
Frau Staatssekretärin.
Lieber Herr Kollege Krischer, ich beantworte Ihre
Frage wie folgt: Nach der vorläufigen Datenlage des
BAFA sind in diesem Jahr bis Fristende Anträge von
2 452 Unternehmen bzw. selbstständigen Unternehmensteilen - im Vorjahr waren es 2 367 - für 3 391 Abnahmestellen - im Vorjahr waren es 3 458 - mit einer
Gesamtstrommenge von circa 117,8 Terawattstunden im Vorjahr waren es 119,3 Terawattstunden - eingegangen. Bislang wurden bei den eingegangenen Anträgen
und den Strommengen nur grobe Plausibilitätsprüfungen
durchgeführt. Vor diesem Hintergrund liegen derzeit nur
vorläufige Daten vor. Es werden sich noch Änderungen
ergeben. Im Vorjahr - ich will das noch einmal illustrieren - lag die beantragte Strommenge fehlerbereinigt um
ungefähr 2,6 Terawattstunden niedriger als der ursprünglich angemeldete Wert.
Eine Übersicht zur Verteilung der provisorischen Antragszahlen nach Bundesländern und Branchen kann den
Tabellen entnommen werden, die ich Ihnen gerne
schriftlich geben würde, weil ich glaube, es überfordert
die Kolleginnen und Kollegen, wenn ich das jetzt hier
vortrage.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Eine Einschätzung des
mit diesen Zahlen verbundenen finanziellen Entlastungsvolumens ist nur im Zusammenhang mit der heute von
den Übertragungsnetzbetreibern vorgestellten EEG-Umlage möglich. Daraus errechnet sich ein Entlastungsvolumen von 5,1 Milliarden Euro, das dem Wert des Vorjahres entspricht.
Haben Sie eine Zusatzfrage, Kollege Krischer? Bitte schön.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die ausführliche Beantwortung der Frage und die Nennung der Zahlen. Ich nehme sehr gern Ihre Bereitschaft in Anspruch,
mir die Tabelle zuzusenden.
Kann ich Ihre Äußerung so interpretieren, dass es infolge der EEG-Novelle zu keiner relevanten Senkung
der privilegierten Strommenge gekommen ist? Minister
Gabriel hatte ja in Aussicht gestellt, dass eine relevante
Verminderung der privilegierten Strommenge und eine
Konzentration in der Branche zu erwarten sind. Kann ich
Ihre Äußerung dahin gehend interpretieren - nach den
vorliegenden Zahlen ist die Größenordnung in etwa die
des letzten Jahres -, dass wir hier ein gleiches Entlastungsvolumen haben?
Herr Kollege Krischer, Ihre erste Frage beantworte
ich mit Nein. Sie können aus meinen Äußerungen nicht
schließen, dass alles beim Alten bleibt. Man muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass in den vergangenen Jahren die privilegierten Strommengen immer weiter gestiegen sind und auch die Anzahl der Antragsteller gestiegen
ist. Das ist eine Veränderung. Demgegenüber ist die Größenordnung nun in etwa konstant geblieben. Das hat etwas mit den Veränderungen der EEG-Novelle zu tun.
Sie wissen, dass wir die Stromkostenintensitätsschwelle von 14 auf 16 Prozent erhöht haben. Wir haben
auf der anderen Seite aus Gründen des Wettbewerbs
kleinere Unternehmen, die Schienenbahnen betreiben, in
die Regelung aufgenommen, was eine höhere Anzahl an
Anträgen verursacht hat. Wir haben aber dort wiederum
eine prozentual andere Verteilung der Finanzierung festgelegt. Insofern hat die EEG-Novelle durchaus eine Wirkung entfaltet. Allerdings - auch das muss man ehrlicherweise sagen - sind diese Regelungen erst seit
August dieses Jahres in Kraft und können natürlich bis
heute nur in einem geringen Umfang wirken.
Danke schön. - Die Fragen 12 und 13 der Abgeordneten Dr. Julia Verlinden werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amts. Zur Beantwortung steht Staatsministerin Professor Dr. Maria Böhmer bereit. Die Frage 14 des Abgeordneten Niema Movassat sowie die Fragen 15 und 16 der
Abgeordneten Sevim Dağdelen werden schriftlich beantwortet.
Die Frage 17 des Abgeordneten Uwe Kekeritz wird
nicht beantwortet, da Herr Kekeritz nicht anwesend ist. Wie ich sehe, kommt er gerade in den Saal. Da wollen
wir einmal Milde walten lassen. Herr Kekeritz, es wäre
nett, wenn Sie bei Ihren eigenen Fragen im Saale wären.
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Uwe Kekeritz
auf:
Aus welchem Grund hat Deutschland in der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 9. September 2014 als
eines von nur elf Ländern mit Nein gegen die Resolution
({0}) gestimmt ({1}), die die Schaffung eines geordneten Staateninsolvenzverfahrens fordert, und auf welche Weise wird
Deutschland sich nun im Rahmen des von der Generalversammlung getragenen Prozesses konstruktiv einbringen?
Frau Staatsministerin, bitte.
Herr Kollege Kekeritz, die Bundesregierung hat bei
der Abstimmung mit Nein gestimmt, weil es ihrer Ansicht nach kontraproduktiv ist, diese Frage parallel zu
den bereits involvierten Fachgremien auch in den Vereinten Nationen zu behandeln. Für die Behandlung der
komplexen Fachfragen mit Blick auf überschuldete Staaten, zum Beispiel Fragen der Umschuldungsmodalitäten,
gibt es zuständige und erfahrene Gremien - Sie wissen
das -, den Internationalen Währungsfonds und den Pariser Club, die die vielfältigen und komplexen Teilaspekte
in einem partizipativen Prozess beleuchten und diskutieren.
Auch in der Sache ist die argentinische Initiative in
den Vereinten Nationen nach Einschätzung der Bundesregierung verfehlt. Wir treten für klare Regelungen in
den Anleihebedingungen ein, so wie diese auch für
Staatsanleihen in der Euro-Zone gelten. Auch der IWF
arbeitet derzeit intensiv an diesem Ansatz.
Zu der Frage des weiteren Vorgehens: Bislang haben
wir noch keine Hinweise, ob und wie Argentinien sein
Anliegen weiter vorantreiben wird. Eine Positionierung
dazu ist insofern noch nicht möglich.
Zusatzfrage? - Bitte schön.
Danke schön. - Ich bin ob Ihrer Antwort etwas irritiert, weil Sie das ganze Problem auf eine Frage Argentiniens reduzieren. Ihnen ist sicherlich bekannt, dass diese
Initiative nicht von Argentinien ausging, sondern von
der G 77. Das ist ein ganz anderer Machtkomplex. G 77
hat vielfältige Interessen daran, die wir im Prinzip unterstützen sollten. Sie wissen genau, dass der Pariser Club,
der IWF und andere Organisationen, die Sie genannt haben, in der Lösung der Probleme sehr viele Schwächen
aufweisen. Allein in den letzten sieben Jahren seit der
Finanzkrise hat sich der Verschuldungsgrad dieser Länder enorm erhöht; er hat sich verdoppelt und zum Teil
verdreifacht. Von daher sind Pariser Club und IWF nicht
mehr in der Lage, irgendwelche vernünftigen Maßnahmen zu ergreifen, um eine Entschuldung voranzubringen. Wie sehen Sie das?
Herr Kollege Kekeritz, mir liegen andere Informationen vor. Nach den Informationen der Bundesregierung
war es ganz klar eine Initiative der argentinischen Regierung - sie fand in der Sommerpause statt; mir wurde
auch berichtet, dass es vielleicht nicht in Bezug auf den
Hintergrund, aber hinsichtlich der Art und Weise ein
sehr überraschendes Vorgehen war - und die G 77 hat
sich Argentinien angeschlossen. Insofern ist die Ausgangssituation eine andere, als Sie sie geschildert haben.
Noch eine Zusatzfrage.
Zu sagen, dass die G 77 Argentinien unterstützt, funktioniert, glaube ich, nicht. Denn die G 77 repräsentiert
77 Länder, die als Einheit auftreten. Sehen Sie das nicht
auch so?
Herr Kollege, mir ist schon bewusst, was sich hinter
G 77 verbirgt. Trotzdem war der Ablauf so, wie ich ihn
geschildert habe. Es war eine Initiative von Argentinien.
Wir kommen zu Frage 18:
Wann genau ist mit dem nach den mir vorliegenden Informationen noch im laufenden Jahr geplanten endgültigen Abschluss der Verhandlungen mit Mexiko über ein bilaterales Sicherheitsabkommen zu rechnen, und wann wird infolgedessen
das Abkommen dem Deutschen Bundestag zur Abstimmung
vorgelegt?
Frau Staatsministerin.
Herr Kollege Kekeritz, zu Ihrer Frage: Die Vertragsverhandlungen befinden sich in einem weit fortgeschrittenen Stadium. Sie sind bislang aber nicht abgeschlossen. Ein Termin für die Vertragsunterzeichnung steht
daher noch nicht fest. Der Vertrag wird nach Vertragsabschluss dem Deutschen Bundestag unverzüglich zur Ratifikation vorgelegt.
Zusatzfrage, bitte.
Sie haben sicher mitbekommen, was in den letzten
Tagen in Mexiko passiert ist: 43 junge Menschen - Studenten - sind ermordet worden. Hat das irgendwelche
Auswirkungen auf Ihre Verhandlungen? Ich denke, dass
die Sicherheitsbedingungen in Mexiko auch Einfluss auf
die Vertragsgestaltung haben sollten.
({0})
Frau Präsidentin, wenn ich eine Anregung machen
dürfte: Die anschließende Frage des Kollegen Ströbele
geht in die gleiche Richtung. Wären Sie damit einverstanden, wenn ich beide Fragen zusammen beantworte?
Ja.
Schönen guten Tag von mir aus, liebe Gäste auf den
Besuchertribünen und liebe Kolleginnen und Kollegen. Haben Sie noch eine Zusatzfrage, Herr Kekeritz?
Nein. Ich stelle sie eventuell nach Herrn Ströbele.
Dann verfahren wir so und kommen zu Frage 19 des
Kollegen Ströbele:
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung, nachdem
am 26. September 2014 in der südmexikanischen Stadt Iguala
im Bundesstaat Guerrero auf Anordnung des städtischen Sicherheitsbeauftragten 57 Pädagogikstudenten in Polizeiautos
verschleppt und mindestens 28 von ihnen durch - bis zu
22 danach festgenommene - Polizisten im Auftrag des Chefs
der kriminellen Guerreros Unidos gefoltert und ermordet worden waren ({0}), hinsichtlich der Tatumstände, -hintergründe, Täter, benutzten Waffen, Hintermänner usw., und
will die Bundesregierung trotz solcher Berichte über Verstrickungen mexikanischer Behörden bzw. Bediensteter in Entführungen, Folter und Morde an ihrem geplanten Sicherheitsabkommen mit Mexiko festhalten, welches offenbar Ende
2014 unterzeichnet werden soll, aber - wie bei allen mir bekannten Sicherheitsabkommen, die Deutschland mit anderen
Staaten geschlossen hat - die Einhaltung menschenrechtlicher
Standards nicht zur Bedingung macht?
Ich darf zunächst Ihre Frage beantworten, Herr Kollege Ströbele. Ich sage für meine Person vorneweg: Die
Nachricht über diese schrecklichen Morde hat mich sehr
erschüttert, auch vor dem Hintergrund, dass ich mich gerade auf eine Reise nach Mexiko vorbereite. Sie können
sicher sein, dass ich diese Morde dort sehr dezidiert ansprechen werde.
Ich will jetzt Ihre Frage beantworten. Die Bundesregierung wurde durch die deutsche Botschaft in Mexiko
über die erschütternden Vorfälle in Iguala unterrichtet.
Laut dieser Berichte wurden im Anschluss an eine Demonstration in Iguala im Bundesstaat Guerrero am
26. September 2014 43 Lehramtsstudenten verschleppt.
Zuvor sollen die Studenten nach einer Demonstration
drei öffentliche Busse in ihre Gewalt gebracht haben. Sie
wurden daraufhin von der örtlichen Polizei angegriffen.
Mindestens drei Studenten wurden dabei erschossen und
zahlreiche Personen verletzt. Weitere 43 Studenten wurden von der lokalen Polizei abtransportiert und dabei
letztmalig lebend gesehen.
In der Nähe von Iguala ist seitdem ein Massengrab
mit 28 verstümmelten und verbrannten Leichen entdeckt
worden. Ich hätte Ihnen vor wenigen Stunden noch geantwortet, dass wir davon ausgehen, dass es sich dabei
um die vermissten Studenten handelt. In aktuellen Presseberichten, die Sie wahrscheinlich ebenfalls kennen,
wird mitgeteilt, dass es sich nach Erkenntnis der Behörden, das heißt der Generalstaatsanwaltschaft, nicht um
die Leichen der vermissten Studenten handelt. Es gibt
weitere vier Gräber. Die Toten sind aber noch nicht identifiziert.
Nun komme ich auf Iguala zurück. Es ist zu vermuten, dass die lokale Polizei zusammen mit Mitgliedern
der lokalen Bande Guerreros Unidos die 43 Studenten
ermordet hat. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Er5466
mittlungen an sich gezogen und inzwischen 26 Angehörige der lokalen Sicherheitskräfte verhaftet. Seit dem
6. Oktober 2014 hat die mexikanische Bundesregierung
durch die neu gegründet Gendarmerie, die Policía Federal, zusammen mit dem Militär sämtliche Sicherheitsaufgaben in Iguala übernommen. Diese bemühen sich, das
Schicksal der noch vermissten Studenten aufzuklären.
Ich komme jetzt zu dem anderen Punkt Ihrer Frage.
Die Bundesregierung hält an der Absicht fest, das in Verhandlungen befindliche Sicherheitsabkommen mit Mexiko zum Abschluss zu bringen. Ziel des Abkommens
sind die Verbesserung der Zusammenarbeit mit der mexikanischen Bundesregierung - ich betone: Bund - und
deren Unterstützung bei der Bekämpfung schwerer und
organisierter Kriminalität. Das jüngste schreckliche Verbrechen im Bundesstaat Guerrero unterstreicht die Richtigkeit der Zielrichtung dieses Abkommens. Nach aktuellem Verhandlungsstand soll auf mexikanischer Seite
die Generalstaatsanwaltschaft, die mit der Strafverfolgung der Täter beauftragt wurde, Kooperationspartner
werden.
Frau Professor Böhmer, Sie haben deutlich länger geantwortet. Aber angesichts der aktuellen Informationen,
die Sie uns zu diesem Verbrechen genannt haben, war
das durchaus legitim.
Kollege Ströbele hat eine Zusatzfrage.
Frau Staatsministerin, ich danke dafür, dass Sie ankündigen, bei Ihrem Besuch in Mexiko diesen Vorfall
und zahlreiche ähnliche Vorfälle anzusprechen. Ich
hoffe, dass Sie der mexikanischen Regierung im Namen
der Bundesregierung klarmachen, dass eine Sicherheitszusammenarbeit unter solchen Umständen höchst problematisch, wenn nicht ausgeschlossen ist.
Wir sind uns hoffentlich darüber einig, dass das Grauenhafte an dieser Geschichte ist - die Leichen sind nach
den letzten Berichten noch nicht geborgen -, dass der
dringende Verdacht besteht - Sie haben das angesprochen -, dass das nicht nur durch die organisierte Kriminalität in Mexiko, sondern auch mit Billigung und Unterstützung der örtlichen Polizeikräfte und der örtlichen
Administration geschehen ist. Daran schließt sich meine
Frage an: Was gedenkt die Bundesregierung in der Sicherheitszusammenarbeit, zu der offenbar auch Waffenlieferungen gehören - so soll Heckler & Koch genehmigt werden, Waffen an die mexikanische Regierung zu
liefern -, zu tun, um für die Zukunft definitiv auszuschließen, dass staatlicher Terror auf diese Art und
Weise gegen die Menschen dort ausgeübt wird sowie
dass das Sicherheitsabkommen und die gelieferten Waffen missbraucht werden, um gegen die Bevölkerung vorzugehen? Wir alle wissen von bis zu 50 000 Toten in
Mexiko, die Opfer schrecklicher Straftaten wurden.
Danke, Kollege Ströbele. - Frau Professor Böhmer,
bitte.
Ich möchte zuerst der Frau Präsidentin danken, dass
sie Geduld hatte, dass meine Antwort etwas länger ausfiel. Aber ich glaube, dass alle Verständnis dafür haben,
dass eine solche Situation ein Überziehen meiner Antwortzeit rechtfertigt.
Herr Kollege Ströbele, das Schlimme in Mexiko, aber
auch in anderen Ländern Lateinamerikas ist in der Tat,
dass dort, wo der Drogenkrieg stattfindet, Korruption
herrscht und dass die Polizei, aber auch andere staatliche
Kräfte, wie wir wissen, teilweise auf der Seite derjenigen
stehen, die in Drogenkrieg und Bandenwesen verwickelt
sind. Das hat mich angesichts der jüngsten Vorfälle sowie
der Exekutionen und Ermordungen, mit denen wir konfrontiert sind, tief erschüttert. Daraus werde ich keinen
Hehl machen, wenn ich in Mexiko bin. Ich werde das ansprechen, genauso wie wir das vonseiten des Auswärtigen
Amts mit Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International und der Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko ganz klar angesprochen haben.
Wir drängen auch bei der europäischen Delegation in
Mexiko darauf, dass sie das entsprechend vorträgt. Auf
der einen Seite ist es der mexikanischen Seite klar, auf
der anderen Seite dürfen wir nicht lockerlassen. Wenn es
um das Sicherheitsabkommen geht, ist es uns deshalb
wichtig, dass die Ebene, mit der wir kooperieren, die
bundesstaatliche Ebene ist, die Generalstaatsanwaltschaft; denn die bundesstaatliche Ebene will alles daransetzen, um diesen Zustand - diesem Zustand wird man
nicht so schnell ein Ende setzen können - deutlich zu bekämpfen. Es ist wichtig, dass wir hier Unterstützung
leisten.
Zusatzfrage von Christian Ströbele.
Frau Staatsministerin, zu dem zweiten Teil der Frage
haben Sie jetzt schon Stellung genommen. Wird denn in
dem Sicherheitsabkommen eine eindeutige Formulierung stehen, dass sich die Bundesregierung von Mexiko,
der Präsident, verpflichtet, Menschenrechtsstandards,
wie sie in Deutschland üblich sind, einzuhalten, und
- das sage ich aus der Erfahrung früherer Abkommen
über Waffenlieferungen an Mexiko - wird die Bundesregierung die Einhaltung solcher Zusagen auch konkret
kontrollieren, das heißt mit der mexikanischen Regierung Mechanismen vereinbaren, wie das die USA zum
Beispiel tun, um zu gewährleisten, dass solche Versprechungen, die Menschenrechte einzuhalten, nicht nur abgegeben, sondern auch eingehalten werden?
Danke. - Herr Kollege Ströbele, Sie können sicher
sein - Sie merken das auch an dem dezidierten Eintreten
der Bundesregierung -, dass wir alles dafür tun wollen,
auch über das Sicherheitsabkommen, dass die Menschenrechtsbelange sichergestellt werden, und dass vor allen
Dingen alles getan wird, um Mexiko auf Bundesebene
zu stärken, gegen Drogenkrieg und Korruption vorzugehen.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin.
Ich hätte fast Herrn Kekeritz übersehen. Das wäre
aber nicht gut. Also, der Kollege Kekeritz hat eine Zusatzfrage.
Ich stimme Ihnen voll zu.
Wem sonst?
Frau Staatsministerin, die Schlüsselworte sind gefallen: Waffenlieferungen, Drogenkrieg, Korruption. Sie
wissen: Die Korruption reicht oftmals bis in die Regierungsspitze. Es ist nicht immer ausgeschlossen, dass die
Korruption auch ganz oben verankert ist.
Meine Frage an Sie ist: Inwieweit sind denn solche
Abkommen überhaupt auf bilateraler Ebene sinnvoll?
Inwieweit ist so ein Abkommen in einen größeren internationalen Kontext eingebunden? Sind Sie in der Lage,
mir zwei, drei weitere Beispiele von Ländern zu nennen,
mit denen wir einen solchen Vertrag abgeschlossen haben? Bei welchen Ländern haben sich dadurch welche
positiven Erkenntnisse ergeben?
Frau Staatsministerin, bitte.
Ich habe mich jetzt auf Mexiko konzentriert. Das ist
vielleicht auch nachvollziehbar angesichts der jüngsten
grausamen Morde und der Entwicklung und auch mit
Blick auf die Vorbereitung meiner Reise nach Mexiko.
Die Antwort auf Ihre Frage werde ich Ihnen gerne
schriftlich übermitteln.
Da sowohl der Kollege Ströbele als auch Sie mehrfach nach dem Punkt „Waffen“ gefragt haben, will ich
die letzte Antwort dazu nutzen, Ihnen ganz klar zu sagen: Es ist die Firma Heckler & Koch erwähnt worden.
Sie wissen um das Verfahren in Stuttgart. Dass die entsprechenden Genehmigungsverfahren ausgesetzt worden
sind, wissen Sie auch. Wir wollen keine Lieferung von
entsprechenden Gütern an Militär oder Polizei, denen
Menschenrechtsverletzungen oder Korruption vorgeworfen werden.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Viel Erfolg bei
Ihrer Reise und Ihren Gesprächen in Mexiko.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Frage 20 der Abgeordneten Veronika Bellmann wird schriftlich beantwortet.
Dasselbe gilt für die Fragen 21 und 22 des Abgeordneten
Richard Pitterle, die Fragen 23 und 24 der Abgeordneten
Susanna Karawanskij, die Fragen 25 und 26 des Abgeordneten Dr. Axel Troost, die Frage 27 der Abgeordneten Lisa Paus und die Frage 28 des Abgeordneten
Christian Kühn ({0}).
Ich bedanke mich beim Bundesministerium der
Finanzen für die intensive Beantwortung der Fragen, die
es jetzt vor sich hat.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Zur
Beantwortung der nächsten Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Enak Ferlemann bereit.
Die Frage 29 des Abgeordneten Christian Kühn ({1}), die Fragen 30 und 31 des Abgeordneten Harald
Ebner sowie die Fragen 32 und 33 des Abgeordneten
Cem Özdemir werden schriftlich beantwortet.
Aber jetzt geht es los: Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Oliver Krischer auf, die direkt beantwortet
wird:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den
aktuellen Entwicklungen bei Stuttgart 21 im Planfeststellungsbereich 1.3 auf den Fildern - unter anderem laut Gutachten der TU Dresden „Konflikte mit dem Nahverkehr und neue
Einschätzungen zum Zeitplan“?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Auf die Frage des Kollegen
Krischer gebe ich folgende Antwort: Weder das Planfeststellungsverfahren noch das zugehörige Anhörungsverfahren sind abgeschlossen. Es liegt somit noch keine
Stellungnahme der Anhörungsbehörde vor. Eine Bewertung durch das Eisenbahn-Bundesamt ist erst möglich,
wenn das Anhörungsverfahren abgeschlossen ist.
Der Abschluss des Planfeststellungsverfahrens bleibt
abzuwarten. Die Bundesregierung nimmt auf das Planfeststellungsverfahren keinen Einfluss.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Eine Zusatzfrage
vom Kollegen Krischer.
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär, für die Auskünfte. - Dass die Bundesregierung darauf keinen Einfluss nimmt, hätte ich auch nicht anders erwartet. Das
entspricht ja dem Sinn von Planfeststellungsverfahren.
Aber natürlich bekommt man bei solchen Verfahren
mit, dass es zu Problemen kommt, dass da Probleme auftauchen. Meine Frage wäre: Hat die Bundesregierung Informationen darüber, dass es zu Kostenerhöhungen
durch Lärmschutz kommt? Wenn ja, ist gegebenenfalls
aufgrund der Probleme, die hier aufgetreten sind, ein
neues Planfeststellungsverfahren sogar erforderlich?
Jenseits des offiziellen Verfahrensstandes, zu dem Sie
einfach nur gesagt haben: „Das Verfahren läuft noch“,
verfügt Ihr Haus selbstverständlich - nichts anderes
würde ich erwarten - über weitergehende Informationen
über dieses konkrete Projekt. Die Frage ist also: Kommt
es zu Kostensteigerungen, muss das Planfeststellungsverfahren gegebenenfalls neu aufgerollt werden, oder
müssen zumindest Teile dieses Verfahrens, zum Beispiel
die Erörterungen, erneut durchgeführt werden?
Danke, Herr Kollege Krischer. - Herr Staatssekretär,
bitte.
Herr Kollege, Sie haben die Frage eigentlich schon
selbst beantwortet: Wenn wir in ein Planfeststellungsverfahren nicht eingreifen, können wir auch keine Schlüsse
ziehen, bevor das Planfeststellungsverfahren beendet ist.
({0})
- Wir greifen in ein solches Verfahren nicht ein.
Danke, Herr Kollege Krischer. - Eine Zusatzfrage
von Herrn Kollegen Gastel.
Aber es zeichnet sich natürlich ab, dass noch zusätzliche Gutachten erstellt werden müssen. Damit ist die
Frage, ob und zu welchen Zeitverzögerungen es kommen wird, zumindest in etwa beantwortbar. Deswegen
möchte ich diese Frage Ihnen noch einmal stellen.
Ich möchte von Ihnen aber auch wissen, wie Sie es
einschätzen, dass die Deutsche Bahn dem Gutachter der
Stadt Leinfelden-Echterdingen, der Universität in Dresden, falsche Fahrplandaten gegeben hat, was zu weiteren
Verzögerungen führen wird, weil ein neues Gutachten
mit den richtigen Fahrplandaten erstellt werden muss.
Danke, Herr Kollege Gastel. - Herr Staatssekretär.
Da wir uns in dieser Phase zu dem Planfeststellungsverfahren nicht äußern, kann ich mich auch nicht dazu
äußern, ob weitere Gutachten beantragt werden. Das ist
sicherlich eine Sache der Planfeststellungsbehörde.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu Frage 35 des Abgeordneten Matthias
Gastel:
Welche Auswirkungen haben nach Kenntnis der Bundesregierung die geplanten Mischverkehre aus S-Bahnen und
Fernverkehrszügen zwischen der geplanten Rohrer Kurve und
dem Stuttgarter Flughafen auf den Bahnverkehr in diesem
Abschnitt, und welche Szenarien waren nach Kenntnis der
Bundesregierung Grundlage der Entscheidung?
Herr Staatssekretär, bitte.
Ich bitte darum, die Fragen 35 und 36 aufgrund des
Sachzusammenhanges gemeinsam beantworten zu dürfen.
Wie ich sehe, sind Sie, Herr Gastel, damit einverstanden. Dann rufe ich auch Frage 36 des Abgeordneten
Matthias Gastel auf:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus,
dass die Deutsche Bahn AG Alternativen zur geplanten Flughafenanbindung - wie den Haltepunkt unter der Flughafenstraße oder die vom sogenannten Filderdialog empfohlene
Gäubahnvariante - nicht detailliert untersucht hat ({0}) und dass
durch die zusätzliche Belastung der Bahnstrecke zwischen
Rohrer Kurve und dem Stuttgarter Flughafen durch Züge des
Fernverkehrs eine Taktverdichtung der S-Bahnen sowie eine
Erweiterung der Strecke nach Neuhausen in Zukunft kaum
möglich sein wird ({1})?
Herr Ferlemann, bitte.
Grundlage für die Ausbau- und Neubauplanung sind
in der Regel Betriebsprogramme, die auf aktuellen Verkehrsprognosen basieren. Die Bundesregierung geht davon aus, dass der Vorhabenträger im Zuge der Planung
verkehrliche Belange und Alternativen zu der beantragten Trassenführung in ausreichender Tiefe untersucht
hat. Dies wird im Planfeststellungsverfahren geprüft.
Weder das Planfeststellungsverfahren noch das zugehörige Anhörungsverfahren durch die zuständige Anhörungsbehörde des Landes Baden-Württemberg sind derzeit abgeschlossen. Mit dem Planfeststellungsbeschluss
wird eine Bewertung auch vor dem Hintergrund der im
Anhörungsverfahren eingebrachten Einwendungen vorliegen.
Herr Gastel.
Dass mich das nicht ganz zufriedenstellt, das wird Sie
vielleicht nicht vollständig überraschen.
Ich möchte auf die Studie der Universität Dresden zurückkommen, die nicht zwingend nur etwas mit dem Anhörungsverfahren zu tun hat; vielmehr wäre sie auch erstellt worden, weil über die Frage diskutiert wird,
inwieweit sich der geplante Mischverkehr auf der StreMatthias Gastel
cke, die eigentlich ausschließlich für den S-Bahn-Verkehr gebaut wurde und auch geeignet ist, auswirkt. Deswegen möchte ich von Ihnen gern hören, wie die
Bundesregierung die Ergebnisse dieser Studie, wonach
der S-Bahn-Verkehr erheblich beeinträchtigt würde
- sprich: Fernverkehr und S-Bahn-Verkehr kämen sich
in die Quere -, bewertet.
Ich habe noch eine zweite Nachfrage. Kann ich die direkt stellen?
Da zwei Fragen zusammen beantwortet worden sind,
({0})
können Sie viermal rückfragen. Dann soll der Staatssekretär doch erst einmal antworten, und dann kommen
Sie wieder dran.
({1})
- Genau.
({2})
- Nein, jetzt lassen wir den Staatssekretär erst einmal
antworten. Dann können Sie noch zwei- oder dreimal
- nicht so oft, wie Sie wollen, aber das ginge vielleicht
auch noch - rückfragen. - Bitte, Herr Staatssekretär.
Danke, Frau Präsidentin. - Es ist so, dass wir zu diesem Gutachten im Einzelnen nicht Stellung nehmen.
Stuttgart 21 ist kein Bedarfsplanprojekt, wie Sie wissen,
Herr Kollege, sondern es ist ein eigenwirtschaftliches
Projekt der DB AG mit den beteiligten Projektpartnern.
Wir als Bundesregierung fördern dieses Projekt mit einem Festzuschuss in Höhe der Kosten, die bei einer Sanierung des Bahnhofs eh auf uns zugekommen wären.
Der Rest ist im Wesentlichen ein städtebauliches Projekt,
das die Projektträger realisieren. Von daher ist zu den
einzelnen Bestimmungen und den einzelnen Vorgaben
sowie zu den weiteren Dingen, die damit zusammenhängen, der Projektträger gefragt; der muss dazu Stellung
nehmen.
Herr Kollege Gastel, haben Sie noch eine Frage? - Ja.
Jawohl. - Noch kurz die Ergänzung: Es sind auch
GVFG-Mittel drin für eine Streckenverbindung, auf der
nachher Fernverkehrszüge fahren sollen, was wiederum
den Nahverkehr gefährdet. Das ist ja das Brisante an der
Geschichte, was die Mittel des Bundes angeht.
Meine Frage ist: Wie bewertet es denn die Bundesregierung, dass die Deutsche Bahn AG noch nicht einmal
darlegen kann, wie viele Personen, die aus Richtung Zürich, Rottweil, also aus dem Süden, kommend zum Flughafen bzw. von dort zurück wollen, die Gäubahn nutzen
würden? Es geht tatsächlich um die Frage: Wie viele
Fahrgäste haben ein Interesse, über die Züge der Gäubahn an den Flughafen zu kommen?
Der Hintergrund ist klar: Wer eine S-Bahn ausbaut,
was im Vergleich dazu nur einen Bruchteil kostet, muss
Fahrgastprognosen erstellen; die Deutsche Bahn verwendet öffentliche Mittel, ohne zu wissen, wie viele
Leute diese Relation tatsächlich nutzen wollen.
Herr Staatssekretär, bitte.
Zur Verwendung der öffentlichen Mittel ist immer
eine Kosten-Nutzen-Verhältnis-Berechnung erforderlich. Insofern werden wir bei Abruf der Mittel diese Zahlen und Daten haben. Im Übrigen gehe ich davon aus,
dass die DB AG wie immer sehr sorgfältig und vorausschauend geplant hat.
Eine Rückfrage? - Herr Gastel.
Eine Rückfrage. - Nutzen-Kosten-Verhältnis, das ist
wunderbar. Aber woher kennt man den Nutzen dieser Investition, wenn man nicht weiß, wie viele Fahrgäste
nachher dort tatsächlich fahren wollen, was ja der Nutzen oder der Sinn einer Investition in die Schiene ist?
Herr Staatssekretär.
Zu dem Zeitpunkt der Förderung werden wir auf
beide Fragen Antworten haben, auf der einen Seite die
Kosten und auf der anderen Seite den Nutzen kennen;
sonst können wir ja auch keine Kosten-Nutzen-Verhältnis-Berechnung durchführen lassen.
Herr Gastel hat keine Frage mehr, aber der Kollege
Krischer hat noch eine Frage.
Herr Staatssekretär Ferlemann, ich bin ja schon froh,
dass Sie hier sagen, dass Sie wissen, dass in Stuttgart irgendetwas gebaut wird, dass da Baumaßnahmen laufen.
Ich hatte fast damit gerechnet, dass Sie sagen: Das wissen wir eigentlich gar nicht. Damit haben wir nichts zu
tun.
Meine Frage lautet: Lässt sich die Bundesregierung
regelmäßig - wenn ja, in welchen Zeitintervallen - über
die einzelnen Teile des Projekts Stuttgart 21 und alles
das, wonach der Kollege Gastel gefragt hat, was damit
im Zusammenhang steht, berichten, und, wenn ja, zieht
sie daraus irgendwelche Schlüsse?
Herr Ferlemann.
Es ist natürlich so, dass wir aufmerksam auch die
Presseberichterstattung und alles, was damit zusammenhängt, verfolgen; das ist überhaupt keine Frage. Letztlich
ist es ein Projekt, das die DB mit den Partnern gemeinsam eigenwirtschaftlich durchführt. Natürlich wird im
Aufsichtsrat auch dieses Projekt engmaschig, wie Sie
wissen, begleitet. Dort gibt es die entsprechenden Informationen, die unsere Kollegen, die im Aufsichtsrat sind,
auch erhalten.
Wir selber sind sehr engagiert bei dem Projekt Neubaustrecke Wendlingen-Ulm, wie Sie wissen. Das ist ein
Projekt aus unserem Bedarfsplan, das auch dementsprechend finanziert wird. Dieses Projekt hängt natürlich mit
dem Projekt Stuttgart 21 zusammen. Insofern achten wir
darauf, dass pünktlich fertiggestellt wird, sodass die Anschlüsse auch so sind, dass man durchgängig fahren
kann. Das hinterfragen wir, und wir haben bisher den
Eindruck, dass es noch funktionieren kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Fragen 37 und
38 des Kollegen Dr. André Hahn werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.
Ich rufe die Frage 39 der Abgeordneten Kotting-Uhl
auf:
Welche Unterschiede sieht die Bundesregierung zwischen
dem Jülicher AVR- und dem THTR-Reaktor vor allem in Bezug auf einen möglichen Export der Brennelemente in die
USA, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?
Zur Beantwortung begrüße ich den Parlamentarischen
Staatssekretär Florian Pronold. Herr Staatssekretär, bitte.
Der auffälligste Unterschied zwischen einem Atomversuchsreaktor - kurz: AVR - und einem ThoriumHochtemperaturreaktor - THTR - besteht in der unterschiedlichen elektrischen Leistung. Sie beträgt beim
AVR Jülich 16 Megawatt und beim THTR rund 300 Megawatt. Allerdings lässt sich aus dieser Unterscheidung
nicht ableiten, welchem Zweck die Reaktoren dienen.
Hierbei ist nun entscheidend, ob sie zu Zwecken der Forschung und Untersuchung, zu Demonstrationszwecken
oder mit dem Ziel der gewerblichen Erzeugung von
elektrischer Energie betrieben werden. Die mögliche
Option einer Verbringung der Brennelemente in die USA
wird zurzeit - aufgrund einer atomaufsichtlichen Anordnung zur Räumung des Lagers seitens der zuständigen
atomrechtlichen Aufsichtsbehörde in Nordrhein-Westfalen - durch das Forschungszentrum Jülich geprüft. Die
anderen Optionen wären zum Beispiel die Verbringung
der Transportbehälter nach Ahaus oder der Neubau eines
Lagers am Standort Jülich.
Nach § 9 Absatz 1 Satz 2 Atomgesetz ist die Abgabe
von aus dem Betrieb von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Energie
stammenden Kernbrennstäben nicht zulässig. Ein solches
Verbot steht aber der Verbringung von Brennelementen
aus dem AVR Jülich und dem THTR zurzeit nicht entgegen, weil beide Anlagen der Forschung dienen.
Die zweite zu beachtende Vorschrift ist Artikel 4 Absatz 4 der Richtlinie des Rates 2011/70/EURATOM, bei
der es ebenfalls darauf ankommt, ob es sich um radioaktive Abfälle handelt, die aus Forschungsreaktoren kommen. Ist das der Fall, greift die Richtlinie nicht.
Der Bundesregierung liegen hinsichtlich der rechtlichen Zulässigkeit einer Verbringung von THTR-Brennelementen zurzeit mehrere rechtliche Stellungnahmen
vor. Allerdings liegt kein entsprechender Antrag vor,
weswegen wir hier noch zu keiner Entscheidung gekommen sind.
Danke, Herr Kollege Pronold. - Frau Kollegin
Kotting-Uhl, Sie haben eine Rückfrage.
Danke, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, Sie
haben zum Schluss Ihrer Ausführungen die EURATOMRichtlinie genannt und gesagt, dass diese Richtlinie bei
Forschungsmüll nicht greift. Am Anfang haben Sie den
Unterschied zwischen den beiden Reaktoren AVR und
THTR dargelegt. Der eine sei ein Versuchsreaktor, der
andere habe zu gewerblichen Zwecken produziert.
Erstens. Stimmen Sie mir zu, dass ein Versuchsreaktor etwas anderes ist als ein Forschungsreaktor? Forschungsreaktoren haben üblicherweise klar definierte
Aufgaben. Ein Versuchsreaktor hat eine völlig andere
Aufgabe.
Zweitens. Der Unterschied zwischen 16 Megawatt
und 300 Megawatt produzierten Stroms ist angesichts
dessen, was Reaktoren üblicherweise gewerblich produzieren, marginal. Würden Sie mir insofern zustimmen,
dass der AVR und der THTR in dieser Hinsicht eher
deutlich näher beieinander liegen, als unterschiedlich
sind?
Danke, Frau Kotting-Uhl. - Herr Pronold, bitte.
Ich habe eingangs versucht, darzustellen, dass allein
aufgrund der Leistung, die die beiden Reaktortypen erbringen können und auch erbringen, rechtlich noch nicht
geklärt ist, was daraus für die Verbringung von BrennParl. Staatssekretär Florian Pronold
elementen folgt. Beim AVR haben wir eine unzweifelhafte Lage, während uns in Bezug auf den THTR mehrere Gutachten vorliegen. Aber es liegt uns noch kein
Genehmigungsantrag vor, sodass wir diese Frage bis
heute nicht entscheiden mussten.
Frau Kollegin, weitere Frage?
Ja.
Frau Kollegin.
Danke, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, Sie
haben ja vorhin eben selbst zwischen diesen beiden Reaktoren unterschieden und haben den THTR eindeutig
als einen Reaktor, der gewerblich Strom produziert hat,
klassifiziert.
Nein.
Von daher stellt sich für mich die Sachlage anders dar
als für Sie. Ich würde sagen: Beim THTR ist es nach all
unseren Gesetzen eindeutig, dass dessen Müll nicht exportiert werden darf, und beim anderen kann man sich
vielleicht noch ein bisschen streiten. Das tut ja vor allen
Dingen das Forschungsministerium ganz gern, wenn es
auf Basis irgendwelcher Windungen und Wendungen behauptet, der Reaktor sei doch irgendwie als Forschungsreaktor zu klassifizieren.
Ist Ihnen bekannt, dass ein großes Interesse von der
Anlage, wohin man jetzt in Jülich beabsichtigt den AVRMüll zu exportieren, nämlich Savannah River Site, besteht, auch den Müll des THTR zu haben, weil sich sonst
die Anlage, die dort eigens für die Behandlung des deutschen Atommülls gebaut werden muss, nicht wirklich
rechnet? Ist Ihnen das bekannt - das Bundesumweltministerium muss ja auch einem Export des AVR-Mülls
in die USA durchaus zustimmen, weil es mit seiner Unterschrift bestätigen muss, dass es von einer schadlosen
Verwertung ausgeht -, und würden Sie in Kauf nehmen,
dass auch der Müll des THTR von den USA begehrt
wird und dass da eventuell ein Link hergestellt wird?
Herr Pronold, bitte.
Das war mehr als eine Frage.
Aber das können Sie doch beantworten.
Genau, ich weiß schon, machen wir. Ich werde versuchen, die Fragen trotzdem zu beantworten.
Zunächst einmal will ich hier noch einmal ganz präzise sagen, damit hier kein Missverständnis aufkommt:
Ich habe auf die unterschiedliche Leistung der beiden
Reaktoren hingewiesen und dann auf den Zweck verwiesen. Ich möchte hinzufügen: Allerdings ist der Unterschied in der Leistung alleine keine Grundlage für die
Beurteilung der Frage, ob es sich um Reaktoren zu Zwecken von Forschung und Untersuchung, um Demonstrationsreaktoren oder um eine Anlage mit dem Ziel der gewerblichen Erzeugung von elektrischer Energie handelt.
Zu Ihren weiteren Fragen. In den Jahren 1996 bis
2010 erfolgten, wie Sie wissen, insgesamt zehn Transporte aus nahezu allen Forschungsreaktoren Deutschlands in andere Länder. Damit haben wir ein Stück weit
dem Prinzip Rechnung getragen, eine Nichtverbreitungspolitik zu betreiben und entsprechende Kernbrennstoffe im Herkunftsland aufzubereiten. Das ist für den
Bereich des AVR hier, wie ich glaube, unstrittig. Ich
kann Ihnen das zum Bereich des THTR nicht beantworten, weil uns dazu kein Genehmigungsantrag vorliegt.
Sobald das passiert, werden wir das rechtlich bewerten
und entscheiden. Dann kann ich Ihnen dazu Auskunft
geben.
Danke, Herr Kollege Pronold. - Jetzt der Kollege
Krischer.
Herr Staatssekretär Pronold, Ihnen ist schon bekannt,
dass es sich bei den Versuchsreaktoren, auf die Sie eben
im Zusammenhang mit Atommülltransporten ins Ausland verwiesen haben, nicht um Reaktoren handelte, die
dem Zwecke der Stromgewinnung dienten, sondern dass
das Neutronenquellen waren - die sind ja überwiegend
stillgelegt bzw. werden stillgelegt -, hier also insofern
eine Vergleichbarkeit gar nicht gegeben ist und diese
Aussage damit Ihrer ganzen Argumentation widerspricht? - Dieses möchte ich hier nur klargestellt haben.
Meine Frage lautet: Sie haben eben von mehreren
Gutachten gesprochen, die der Bundesregierung zur
Frage der Möglichkeit und der rechtlichen Zulässigkeit
des Exports des Atommülls aus dem AVR Jülich vorliegen. Ging es dabei auch um den THTR? Ich habe vorhin
nicht ganz verstanden, ob es auch um ihn ging. Ferner:
Könnten Sie mir diese Gutachten, die Ihnen vorliegen,
benennen? Es sind ja offensichtlich mehrere. Und wenn
das von Ihnen selbst beauftragte Gutachten sind, würden
Sie diese dem Deutschen Bundestag zur Verfügung stellen?
Danke, Kollege Krischer. - Herr Pronold.
Uns liegen drei Gutachten zu dieser Thematik vor.
Das erste ist von den Rechtsanwälten Heinemann &
Partner vom 12. November 2013 die Stellungnahme zu
der Frage, ob eine Verbringung bestrahlter Brennelemente aus dem THTR in die USA zum Zwecke der Wiederaufarbeitung mit § 9 Absatz 1 usw. des Atomgesetzes
im Einklang steht. Das zweite ist ein Rechtsgutachten
zur Zulässigkeit der Verbringung der THTR-Brennelemente in die USA von Herrn Professor Dr. jur. Georg
Hermes vom 4. Februar 2014, das im Auftrag des Umweltministeriums Nordrhein-Westfalen erstellt worden
ist. Das dritte ist von Herrn Rechtsanwalt Dr. Wollenteit
und anderen ein Rechtsgutachtern zur Zulässigkeit der
Verbringung von abgebrannten Brennelementen aus dem
stillgelegten Kernkraftwerk AVR Jülich in die Wiederaufbereitungsanlage Savannah River Site, USA, vom
3. September 2014, das von Greenpeace beauftragt worden ist. Diese drei Gutachten liegen uns vor. Ich vermute, dass nichts dagegensteht, sie Ihnen auszuhändigen. Ich kann Ihnen das ohne Rücksprache zwar nicht
zusagen, bin mir aber ziemlich sicher, dass Sie sie bekommen.
Gut. Wir werden Sie beim Wort nehmen. Vielen
Dank, Herr Pronold.
Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramts und damit zur letzten
Frage.
Ich rufe Frage 40 des Abgeordneten Hans-Christian
Ströbele auf:
Inwieweit trifft es zu ({0}), dass der Bundesnachrichtendienst zwischen
2004 und 2008 Telekommunikations- und Internetverkehr am
Frankfurter Netzknoten DE-CIX anzapfte aufgrund von Abreden mit der NSA und dieser so gewonnene Daten auch über
deutsche Staatsbürger übermittelte, ohne dass BND-Filtersysteme Letzteres verhindern konnten, und wieso hat die Bundesregierung diesen Berichten zufolge über diese Vorgänge
von besonderer Bedeutung die Gremien und Ausschüsse des
Deutschen Bundestages bisher nicht pflichtgemäß unterrichtet, sondern auf meine vielfachen parlamentarischen Fragen
seit dem Sommer 2013 den Sachverhalt geleugnet oder nicht
ausreichend beantwortet ({1}), ebenso in ihrer Antwort auf die mündliche
Frage 55 der Abgeordneten Britta Haßelmann am 8. Oktober
2014 ({2})?
Herr Fritsche, bitte.
Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter
Ströbele! Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Der in Ihrer ersten Teilfrage dargestellte Sachverhalt ist nicht zutreffend. Ihre Frage unterstellt zudem, die Bundesregierung hätte auf Ihre und andere parlamentarische Fragen
hin einen Sachverhalt geleugnet oder nicht ausreichend
beantwortet. Auch diesbezüglich betone ich, dass die
Bundesregierung die gestellten Fragen zutreffend beantwortet hat.
Weitere Ausführungen zu Ihrer Frage können hier
nicht in Form einer öffentlichen Stellungnahme erfolgen.
Es handelt sich um Vorgänge, die als Verschlusssachen
eingestuft sind und entsprechend den dortigen Beweisbeschlüssen dem 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode übermittelt wurden.
Zu dem Aspekt der Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums lassen Sie mich auf Folgendes
hinweisen: Die Sitzungen des PKGr sind, wie Sie wissen, grundsätzlich geheim. Diese Geheimhaltung betrifft
alle Inhalte und damit selbstverständlich auch die jeweilige Tagesordnung. Ich bitte daher um Verständnis, dass
ich zu einer Unterrichtung des PKGr hier öffentlich weder zum Ob noch zum Wie Stellung nehmen kann.
Herr Abgeordneter, selbstverständlich ist dem parlamentarischen Fragerecht in einer Abwägung der Rechtsgüter Rechnung zu tragen. Daher habe ich zu den beiden
letztgenannten Teilfragen einen „Geheim“ eingestuften
Antwortteil in der Geheimschutzstelle hinterlegen lassen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär Fritsche. - Christian
Ströbele, bitte.
Bedanken will ich mich für die Antwort nicht, Herr
Staatssekretär.
({0})
Ich werde nicht nachlassen, diese Frage auch öffentlich
beantwortet zu bekommen. Da können Sie sicher sein.
Das wird heute nicht das letzte Mal sein. Denn ich stelle
Fragen an die Bundesregierung grundsätzlich mit dem
Ziel, Antworten, wahrheitsgemäße Antworten zu bekommen. Ich stelle sie auch öffentlich, weil ich großen
Wert darauf lege, dass auch die Öffentlichkeit davon erfährt, wie die Antworten auf die Fragen sind.
Deshalb versuche ich es jetzt noch einmal, Sie dazu
zu bewegen, eine wahrheitsgemäße Antwort zu geben:
Hat der Bundesnachrichtendienst in den Jahren 2002 bis
2008 zu irgendeinem Zeitpunkt am Glasfaserknotenpunkt Frankfurt Daten abgeschöpft und an den US-amerikanischen Geheimdienst NSA weitergeleitet?
Vielen Dank, Herr Kollege Ströbele, für die Frage. Der Herr Staatssekretär Fritsche hat das Wort.
Herr Abgeordneter Ströbele, ich habe natürlich Verständnis für die Frage. Aber die Frage betrifft den gleichen Sachverhalt, zu dem ich eben vorgetragen habe.
Wir haben dem Fragerecht seitens der Bundesregierung
ausdrücklich insoweit stattgegeben, als wir die diesbezüglichen Unterlagen, die bis „Streng Geheim“ eingestuft sind, dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung
gestellt haben. Ich denke, der Untersuchungsausschuss
ist der richtige Ort, um diese Fragen aufzuklären.
Herr Ströbele zu einer zweiten Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir wenigstens insofern zu, dass die Antworten, die Sie auf meine Fragen
schon vom 11. Juli dieses Jahres als auch von heute als
auch auf die Fragen der Kollegin Haßelmann gegeben
haben, mit dem, was die Süddeutsche Zeitung über einen
angeblichen Inhalt der streng geheimen Akten veröffentlicht hat, nicht in Einklang zu bringen sind?
Ich bewerte an dieser Stelle sicher keine Presseverlautbarungen der Süddeutschen Zeitung, sondern ich
kann nur wiederholen, dass ich gesagt habe, die Bundesregierung hat Ihre Fragen, einschließlich der vom Juli,
richtig und zutreffend beantwortet.
Ich sehe keine weiteren Fragesteller, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dann sind wir am Schluss unserer
heutigen Tagesordnung angekommen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 16. Oktober 2014,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Noch einen schönen
Nachmittag und allen Gästen auf der Tribüne schöne
Eindrücke von Berlin.