Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 10/8/2014

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Ich begrüße Sie alle herzlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, zu unserer 56. Sitzung und darf Ihnen zunächst eine amtliche Mitteilung vortragen. Interfraktionell ist vereinbart worden, die Unterrichtung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates und zur Gegenäußerung der Bundesregierung auf Drucksache 18/2709 zu dem bereits überwiesenen Entwurf eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes an den federführenden Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit sowie zur Mitberatung an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, den Haushaltsausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und Energie sowie den Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur zu überweisen. Ebenso soll die Stellungnahme des Bundesrates auf Drucksache 18/2657 zu dem bereits überwiesenen Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes an den federführenden Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur und zur Mitberatung an den Haushaltsausschuss sowie den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit überwiesen werden. Darf ich Ihr Einvernehmen zu diesen Überweisungsvorschlägen feststellen? - Das sieht doch sehr danach aus. Dann haben wir das somit beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen - Stellungnahme der Bundesregierung zum Gesetzentwurf des Bundesrates. Das Wort für einen einleitenden fünfminütigen Bericht hat die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Frau Dr. Barbara Hendricks. Ich wäre ganz dankbar, soweit es bereits Wortmeldungen für Nachfragen gibt, wenn mir die Geschäftsführer einen Hinweis geben könnten. Dann kann man diese schon sortieren. - Frau Ministerin.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Flüchtlinge, die zu uns kommen, werden aus ethnischen, religiösen oder politischen Gründen verfolgt und häufig mit dem Tod bedroht. Es ist unser aller Aufgabe, dort zu helfen, wo wir helfen können, und zwar jede und jeder an der Stelle, wo wir es vermögen. Ich kann und will dabei mithelfen, dass die Flüchtlinge schnell ein Dach über den Kopf bekommen. Ich möchte, dass wir sie so aufnehmen, dass sie in Würde bei uns leben können. Unser Bauplanungsrecht hält zwar schon auch jetzt eine Vielzahl von Instrumenten bereit, die den Bau von Flüchtlingsunterkünften auch kurzfristig ermöglichen. In der jetzigen Situation können und wollen wir die Länder und Kommunen dabei unterstützen, noch schneller Hilfe leisten zu können. Ich habe heute dem Kabinett vorgeschlagen, der Bundesratsinitiative vom 19. September 2014 zu folgen. Einige Änderungen im Gesetzentwurf des Bundesrates sollen allerdings aus meiner Sicht helfen, dem Anliegen in rechtlicher Hinsicht noch besser gerecht zu werden. Wir schlagen Ihnen also in der Stellungnahme zum Gesetzentwurf des Bundesrates einige Änderungen vor; der Bundestag wird sich selbstverständlich damit befassen. Dazu gehört, dass wir als Bundesregierung anstreben, dass die vorgesehenen Regelungen bundesweit gelten. Der Bundesrat war von landesgesetzlichen Anordnungen ausgegangen. Mir liegt daran, dass das Baugesetzbuch vom Bund einheitlich weitergeführt wird. Wir wollen mit den Änderungen des Baugesetzbuches für Klarstellungen und auch für befristete Erleichterungen sorgen. Die Erleichterungen sollen, wie gesagt, befristet sein; die Klarstellungen sollen natürlich auf Dauer helfen. Insgesamt sollen Kommunen von bestimmten Festsetzungen des Bebauungsplanes abweichen können, um die Flüchtlingsunterbringung unkomplizierter zu ermöglichen. Wir wollen es zum Beispiel ermöglichen, Flüchtlingsunterkünfte im Innenbereich auch dann zuzulassen, wenn sie sich - anders als sonst im Bauplanungsrecht verlangt - nicht in die nähere Umgebung einfügen. Das betrifft beispielsweise Büro- oder Geschäftsgebäude, die dann als Unterkünfte dienen können. Außerdem wollen wir gestatten, dass Flüchtlinge auf Flächen untergebracht werden, die unmittelbar an einen bebauten Ortsteil anschließen. Und wir wollen den Kommunen die Möglichkeit geben, Flüchtlingsunterkünfte eingeschränkt und befristet in Gewerbegebieten einzurichten. Natürlich soll bei alldem darauf geachtet werden, dass die Unterkünfte menschenwürdig sind. Bei weitem nicht jedes Gewerbegebiet eignet sich dazu, Menschen dort wohnen zu lassen. Die Prüfung muss in den Kommunen sachgerecht vorgenommen werden. Es ist ausdrücklich vorgesehen, dass die Flüchtlingsunterbringung bei der Aufstellung von Bebauungsplänen zu berücksichtigen ist, und es wird klargestellt, dass die Unterbringung von Flüchtlingen zu den Belangen des Allgemeinwohls gehört. Das macht die Unterbringung vor Ort tatsächlich leichter und sorgt dafür, dass die Klagemöglichkeiten, die die Anwohner sonst hätten, eingeschränkt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Gesetzgebungsverfahren kann noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Damit wäre nicht nur den Ländern und Kommunen geholfen, sondern auch den Flüchtlingen. Es muss unser Hauptaugenmerk darauf liegen, dass wir jedenfalls vor dem Winter feste Unterkünfte für die Flüchtlinge haben und nicht hier oder da mit Zelten arbeiten müssen. Ich bin mir absolut der Tatsache bewusst, dass es die Länder und Kommunen vor große Herausforderungen stellt, quasi über Nacht Flüchtlingsunterkünfte zur Verfügung stellen zu müssen und die menschenwürdige und angemessene Versorgung der Flüchtlinge sicherzustellen. Ich will bei dieser Gelegenheit allen Verantwortlichen in den Ländern und den Kommunen meinen herzlichen Dank dafür aussprechen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Wir rufen jetzt zunächst Nachfragen zu diesem Bericht auf. Als Erster erteile ich der Kollegin Kerstin Kassner das Wort.

Kerstin Kassner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004324, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Ministerin, wir wissen: In der Bundesrepublik stehen circa 2 Millionen Wohnungen leer. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, dass es angesichts dieser Möglichkeiten viel besser wäre, Flüchtlingsfamilien und traumatisierte Flüchtlinge dezentral unterzubringen, anstatt sie in Gewerbegebieten oder sogar auf dem freien Feld unterzubringen, wo vieles, was an Infrastruktur dringend notwendig wäre, nur schwer zu organisieren ist?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin, ich teile Ihre Auffassung durchaus. Wir haben aber in der Bundesrepublik Deutschland einen sehr unterschiedlich aufgestellten Wohnungsmarkt. Ich bin in der Tat dafür, dass in den Kommunen, in denen es leerstehende Wohnungen gibt, alle Möglichkeiten genutzt werden, um insbesondere Flüchtlingsfamilien dezentral, also in Wohnungen unterzubringen. Bei einzelnen Flüchtlingen ist es wiederum anders; bei ihnen bieten sich Gemeinschaftsunterkünfte möglicherweise sogar als erste Wahl an. Das muss aber vor Ort entschieden werden. Wir haben Ballungsräume und Ballungsrandzonen, in denen es keinen Leerstand gibt. Den entsprechenden Kommunen werden aber gleichzeitig auch Flüchtlinge zur Aufnahme zugewiesen, sodass es nicht überall gelingen kann, Flüchtlinge in Wohnungen unterzubringen. Das ist in manchen Gegenden verhältnismäßig leicht möglich, in manchen Gegenden hingegen praktisch unmöglich. Im Übrigen ist es aber nicht vorgesehen, Flüchtlinge - wie Sie es gesagt haben - „auf dem freien Feld unterzubringen“, sondern allenfalls am Rande einer Bebauung. Sie müssen sich das so vorstellen: An einem Ortsrand gibt es auf der einen Straßenseite Bebauung, auf der anderen Straßenseite beginnt der Geltungsbereich des § 35 Baugesetzbuch; dort ist zwar eigentlich freies Feld, aber die Infrastruktur ist vorhanden. Unterkünfte können nur in unmittelbarer Nähe einer Bebauung errichtet werden; denn man muss für jede Unterkunft eine Infrastruktur im Sinne von Versorgung mit Strom und Wasser und Entsorgung von Abwasser usw. haben. Niemand käme auf die Idee, Unterkünfte auf einem freien Feld zu errichten, weil die entsprechende Infrastruktur nicht vorhanden ist. Die Nutzung von Gewerbegebieten ist natürlich nur dann möglich, wenn diese zum Beispiel nicht mit besonderen Emissionen belastet sind. Das muss vor Ort geprüft werden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich bitte noch einmal, gelegentlich auf die Uhr zu gucken. - Nächste Fragestellerin ist die Kollegin Luise Amtsberg.

Luise Amtsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004243, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Frau Ministerin, Sie haben eben auf die regionalen Unterschiede hingewiesen. Es ist augenscheinlich, dass es einen Unterschied macht, ob man die Menschen auf dem Land oder in der Stadt unterbringt. Letzte Woche hat sich der grüne Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg an die Kanzlerin mit dem Vorschlag gewandt, einen nationalen Asylgipfel einzurichten und dort Fragen, die eng mit diesem Thema verknüpft sind - beispielsweise die Aufstockung des Personals beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die aufgrund der regionalen Unterschiede notwendige Koordinierung, aber auch die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes -, zu diskutieren. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie, ob die Bundesregierung gesprächsbereit und bereit ist, auf diese einzelnen Punkte zur besseren Koordinierung einzugehen?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Was die einzelnen Punkte anbelangt, so ist die Bundesregierung nicht untätig geblieben, zum Beispiel wird das Personal des Bundesamts aufgestockt. Die Mittel dafür sind bereits im Haushaltsentwurf enthalten. Ob es tatsächlich sinnvoll ist, einen sogenannten Asylgipfel einzurichten - das sehe ich mit gewisser Skepsis. Nach meiner Kenntnis hat gerade die grüne Fraktion früher die „Gipfelitis“ immer kritisiert.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Fragesteller: Christian Kühn.

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Präsident. - Meine Nachfrage bezieht sich auf die Fragestellung, wie man es gewährleisten kann, Menschen ein Dach über dem Kopf zu geben, und zwar nicht nur in Gewerbegebieten, sondern auch in den Städten und Kommunen, also dort, wo es Wohnungen gibt. Die BImA zum Beispiel verfügt über eine ganze Reihe von Liegenschaften. Inwieweit plant die Bundesregierung weitere Liegenschaften - nicht nur Konversionsliegenschaften, wie die Kaserne in Heidelberg - bereitzustellen, um Flüchtlinge jetzt in dieser konkreten Notsituation unterzubringen?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, die BImA bietet seit längerem für die Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen den betroffenen Kommunen und Landratsämtern grundsätzlich sämtliche freie Gebäude und Grundstücke an. Grundlage hierfür ist eine seit 2012 fortlaufende Untersuchung ihres Immobilienbestandes darauf, ob und inwieweit Liegenschaften den kommunalen oder Landesbehörden für die Notunterbringung des in Rede stehenden Personenkreises zur Verfügung gestellt werden können. Standen dabei zunächst vor allem die ehemals von der Bundeswehr genutzten Liegenschaften und die von den Gaststreitkräften freigegebenen Areale im Fokus der Prüfung, hat die BImA im Hinblick auf die veränderte Situation in den vergangenen Wochen und Monaten ihr Angebotsportfolio - in Anführungszeichen - „offensiv“ erweitert und bietet nunmehr grundsätzlich alle verfügbaren Immobilien, auch Freiflächen, als Asyl- und Flüchtlingsunterkünfte an. Freiflächen können selbstverständlich nur für die Aufstellung von Wohncontainern genutzt werden und nicht für Zelte.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Haßelmann.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, Sie haben eingangs die dramatische Situation der Flüchtlinge in Deutschland geschildert, insbesondere die Situation der Kommunen vor Ort, die Sie zu Ihrer Maßnahme veranlasst. Meine Frage ist: Warum weigert sich die Bundesregierung bis heute, über den Vorschlag unserer Fraktion und Fraktionsvorsitzenden und auch des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg nachzudenken, eine nationale Flüchtlingskonferenz unter Beteiligung von Bund, Ländern und Gemeinden durchzuführen, um endlich die Hilfe zu koordinieren?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Ich komme zurück auf meine Beantwortung der Frage Ihrer Kollegin. Auch die grüne Fraktion hat bis vor kurzer Zeit immer die sogenannte Gipfelitis kritisiert. Wir sind in ständigen Gesprächen, sowohl mit den Ländern als auch mit den kommunalen Spitzenverbänden. Die Arbeiten gehen zügig voran.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Wunderlich.

Jörn Wunderlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003867, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Ministerin Hendricks, vielen Dank. Sie haben sich gerade dafür ausgesprochen, dass man nach allen Möglichkeiten suchen soll, gerade Familien, die traumatisiert nach Deutschland kommen - wir wissen alle, was die Flüchtlingsfamilien und insbesondere die Kinder erlebt haben -, dezentral unterzubringen. Ich habe am Montag die ausdrückliche Erklärung der Verwaltung meiner Heimatstadt erhalten - sie soll möglicherweise auch Flüchtlinge zugewiesen bekommen -, dass sie sich für eine dezentrale Unterbringung im kommunalen Wohnraum starkmacht. Jetzt ist meine Frage: Ist denn geklärt bzw. gibt es dahin gehende Überlegungen, wie bei einer dezentralen Unterbringung mit den Kosten für den erhöhten Personalbedarf - dabei geht es sowohl um die psychosoziale Betreuung als auch um den Sicherheitsdienst, um die Flüchtlinge vor den, so sage ich es einmal, national Verwirrten zu schützen - umgegangen werden soll? Soll für das Ganze seitens des Landes irgendein Ausgleich erfolgen, oder gar seitens des Bundes?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, die Unterbringung von Flüchtlingen liegt nach unserer Rechtsordnung in der Verantwortung der Länder. Die Länder können das selbstverständlich nur in Zusammenarbeit mit den Kommunen, und so geschieht dies auch.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollegin Amtsberg.

Luise Amtsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004243, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin, mich hat die Antwort nicht zufriedengestellt. Wir haben natürlich als grüne Fraktion Gipfel kritisiert, die keinen Sinn machen. ({0}) Mit unserer Forderung stehen wir aber nicht alleine, sondern es gibt prominente Unterstützer, zum Beispiel den Deutschen Städtetag. Die Unterstützer sagen allesamt: Es stimmt, dass die Kommunen momentan große Schwierigkeiten haben, und sie brauchen eine Koordinierung. Wir müssen flexible Lösungen finden. Deshalb noch einmal die Frage: Gibt es wenigstens, was die finanzielle Entlastung angeht, irgendwelche Planungen seitens der Bundesregierung, sich an der Finanzierung der Unterbringung der Flüchtlinge zu beteiligen? Das ist das, was die Kommunen tatsächlich fordern.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Ich weiß, dass die Kommunen das fordern. Überlegungen dazu sind in der Bundesregierung nicht abgeschlossen. Im Übrigen wird sich die Innenministerkonferenz zeitnah, nämlich nächste Woche, am 17. Oktober 2014, mit der Thematik befassen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Kühn.

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Auch ich kann Sie noch nicht rauslassen. Noch eine Frage zur BImA: Plant die Bundesregierung, Wohnungen, Grundstücke, Liegenschaften zu dem Zweck, den Asylsuchenden, den Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf zu geben, verbilligt an die Kommunen abzugeben? Gilt weiterhin das Höchstpreisgebot auch vor dem Hintergrund dieser Notsituation, in der die Kommunen händeringend nach Liegenschaften suchen? Gibt es eine verbilligte Abgabe, zum Beispiel für Kommunen, die sich in einer Haushaltsnotsituation befinden? Ist vielleicht geplant, die Grundstücke zu einer verbilligten Pacht abzugeben?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, in dieser Notsituation geht es nicht darum, dass die BImA Immobilien veräußert, sondern die BImA stellt den Kommunen Mietobjekte zur Verfügung. Wir müssen davon ausgehen, dass Kommunen auf Dauer zum Beispiel mit Kasernen nicht wirklich etwas anfangen können. In manchen Ballungsgebieten kann man sie sicherlich gut in Wohnraum umwandeln; dies ist aber längst nicht überall dort der Fall, wo Kasernen von der Bundeswehr oder von Gaststreitkräften freigemacht wurden. Deshalb geht es hier nicht um Veräußerungen, sondern allenfalls um Vermietung. Die BImA prüft das regelmäßig mit gutem Ergebnis.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Gibt es weitere Wortmeldungen zu diesem Themenkomplex? - Bitte schön.

Harald Petzold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004374, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident, ich würde gerne eine Nachfrage zu der letzten Antwort stellen. Mich würde interessieren, wie die Instandsetzungsarbeiten, die die Kommunen vornehmen, vergütet, abgegolten oder gegengerechnet werden. Das wäre ja sonst sozusagen ein Geschäft zugunsten des Bundes, wenn er die Liegenschaften lediglich vermietet.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, ich glaube, dass es am besten ist, wenn die Kommunen und die BImA sich im Einzelfall verständigen, auf welche Art und Weise die Kommunen eine BImA-Liegenschaft übernehmen wollen. Der Regelfall wird die Anmietung sein. Weiter gehende Fragestellungen zur Ausgestaltung der Verträge wird der Kollege Meister sicherlich schriftlich beantworten. Herzlichen Dank. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Begeisterung ist wechselseitig. - Ich darf fragen, ob es zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung Fragen gibt. - Frau Haßelmann.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nicht zur Kabinettssitzung, Entschuldigung, sondern zu einem anderen Thema.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nein, das machen wir der Reihe nach. - Also, gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Herr Kekeritz, bitte schön.

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön. - Ich hoffe, dass die Frage jetzt richtig ist.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Sonst sage ich Ihnen das schon.

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. - Wir kennen ja die Situation in der Ostukraine. Minister Müller hat angekündigt, einen Konvoi in die Ostukraine zu schicken. Ich möchte wissen, ob das heute im Kabinett Thema war. Ich möchte wissen, ob dies zwischen den einzelnen Ministerien, insbesondere zwischen AA und BMZ, abgesprochen war. Ich möchte gerne auch wissen, ob klar ist, wer das logistisch managt. Wenn man 100 Lkw in die Ostukraine schickt, dann müssen ja sehr viele finanzielle Mittel dort hineinfließen. Ist das abgesprochen worden, und woher kommt das Geld?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Ministerin.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Ich? ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ja, klar. Wir befinden uns immer noch in der Befragung der Bundesregierung. Befragung der Bundesregierung ist Befragung der Bundesregierung. Ich sehe im Augenblick nur ein Mitglied der Bundesregierung auf der Regierungsbank. ({0})

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Kekeritz, ich bitte um Entschuldigung. Ich war abgelenkt, weil ich nicht damit gerechnet habe, diese Antwort geben zu müssen. Können Sie Ihre Frage bitte wiederholen?

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ihr Kollege Müller plant einen Konvoi in die Ostukraine. Ich wollte wissen: Ist das abgesprochen unter den verschiedenen Ministerien, AA, BMZ und Finanzministerium? Wer stellt die Logistik zur Verfügung? Wer stellt das Geld zur Beladung dieser Lkw mit Gütern zur Verfügung? Da scheint es doch um erhebliche Beträge zu gehen. War das Thema im Kabinett?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Kekeritz, das ist nicht Gegenstand der heutigen Kabinettsberatung gewesen. Ich gehe aber davon aus, dass entsprechend der Geschäftsordnung der Bundesregierung dieses ordnungsgemäß zwischen den beteiligten Ministerien abgesprochen worden ist und dass Haushaltsmittel dafür zur Verfügung stehen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Fragen zur Kabinettssitzung sind mir hier jetzt jedenfalls nicht angezeigt. Daher frage ich, ob es sonstige Fragen an die Bundesregierung gibt. - Frau Kollegin Haßelmann.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Noch einmal vielen Dank, Herr Präsident. Ich war vorhin zu schnell. - Ich habe eine Frage an die Bundesregierung, und zwar an das Bundeskanzleramt: In welchem Umfang und in welchem Zeitraum hat der Bundesnachrichtendienst Kommunikationsdaten deutscher Staatsbürger an die NSA weitergegeben?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Ich denke, Frau Kollegin, Sie sind mit mir einverstanden, dass wir Ihnen diese Frage schriftlich beantworten.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein, bin ich nicht. Denn diese Frage wurde Herrn Ströbele in einer Fragestunde vor der Sommerpause schon einmal beantwortet.

Not found (Gast)

Gut, dann kann ich Ihnen die Antwort auf diese Frage gerne übermitteln. Aber ich bin jetzt nicht in der Lage, da wir die Frage vorher nicht kannten, Ihnen hier umfangreiche Informationen auch unter Berücksichtigung aller Geheimschutzaspekte aus dem Kopf zu beantworten.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dann beantrage ich hiermit, dass jemand aus der Bundesregierung, der diese Frage beantworten kann, hierher kommt. - Vielen Dank. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Letzteres ist, wenn ich das richtig sehe, ein Antrag zur Geschäftsordnung. Über diesen lasse ich jetzt abstimmen. Wer diesem Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen - ich nehme an, dass Sie dies im Namen der Fraktion beantragen - zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist gegen diesen Antrag? - Das war eine knappe Mehrheit, jedenfalls deutlich knapper, als es den Mehrheitsverhältnissen im Deutschen Bundestag entspricht. Damit setzen wir die Befragung der Bundesregierung fort. Als nächste Wortmeldung habe ich die des Kollegen Frithjof Schmidt notiert.

Dr. Frithjof Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004145, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt. Staatsminister Roth ist ja anwesend. Es geht darum, dass die italienische Regierung angekündigt hat, dass die humanitäre Operation zur Aufnahme von Flüchtlingen im Mittelmeer, „Mare Nostrum“, noch in diesem Monat beendet wird. Auf europäischer Ebene gibt es keine angemessene Ersatzoperation. Es werden zwei Frontex-Missionen, die aber nicht das gleiche Operationsgebiet haben und nicht auf die humanitäre Aufnahme von Flüchtlingen, die in Seenot sind, ausgerichtet sind, fort5154 gesetzt und zu einer Operation „Triton“ zusammengeführt. Durch die Mission „Mare Nostrum“ sind im ersten Halbjahr im Mittelmeer 108 000 Menschen gerettet worden. Bis jetzt sind es etwa 140 000 Menschen. Wenn diese Mission de facto ersatzlos eingestellt wird und auch nur 10 Prozent der Menschen, die bislang aus Seenot gerettet worden sind, ohne eine solche Operation ertrinken, dann können wir uns ausrechnen, dass in den nächsten Monaten im Mittelmeer mehr als 10 000 Menschen ertrinken werden. Die Bundesregierung weiß das. Meine Frage lautet: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um das zu verhindern? Um noch eine Zahl zu nennen: Der Finanzierungsbedarf -

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege, die Minute ist längst überschritten.

Dr. Frithjof Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004145, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Pardon.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Staatsminister.

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Vielen Dank, Herr Kollege, für die Frage. Sie wissen - darüber haben wir uns schon mehrfach ausgetauscht -, dass die Bundesregierung das Engagement der italienischen Regierung im Rahmen von „Mare Nostrum“ sehr zu schätzen weiß. Das ist als ein wesentlicher Beitrag zur humanitären Lösung einer Tragödie zu sehen. Ich persönlich habe mich in der vergangenen Woche mit meinem italienischen Kollegen darüber ausgetauscht. Die Bundesregierung ist sehr daran interessiert, dass die bislang rein national geführte und organisierte Mission „Mare Nostrum“ im Rahmen eines EU-weiten Mandats fortgesetzt wird. Die Möglichkeiten dafür sind jedoch rechtlich gesehen begrenzt. Sie haben Frontex angesprochen. Nichtsdestotrotz leisten wir zum Schutz von Flüchtlingen auch weiterhin im Rahmen unserer Möglichkeiten die humanitäre Hilfe, die nötig ist, auch durch Kampf gegen Schlepperbanden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Petzold.

Harald Petzold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004374, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich habe ebenfalls eine Frage an das Auswärtige Amt. Gestern gab es ja den Hilferuf des UN-Generalsekretärs im Zusammenhang mit den Ereignissen in Syrien und Nordirak. Wie gedenkt die Bundesregierung auf diesen Hilferuf zu reagieren?

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Herr Kollege, da mir für die anschließende Fragestunde eine entsprechende Frage gestellt wurde, biete ich Ihnen ausdrücklich an, die Frage nachher ausführlich zu beantworten. Sowohl die Kollegin Hänsel als auch eine Kollegin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben eine ähnliche Frage gestellt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kann man denn nicht zumindest den Kern der Frage jetzt beantworten unter ausdrücklichem Hinweis auf eine später noch detaillierter erfolgende Antwort? Mir leuchtet zwar der Verfahrensvorschlag ein; denn der Staatsminister möchte sicherstellen, dass nicht schon jetzt die Antwort auf eine Frage, die andere Kollegen gestellt haben, erfolgt. ({0}) - Auch Frau Hänsel wäre damit einverstanden, wenn jetzt schon mal auf den Kern der Frage Bezug genommen würde.

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Selbstverständlich leisten wir im Rahmen der humanitären Hilfe alles, was in unseren Möglichkeiten steht. Wir haben ja die Hilfen massiv aufgestockt. Derzeit sind wir sehr stark engagiert, die Hilfsmaßnahmen auf die von Ihnen genannte Region Kobane zu konzentrieren. Die Bundesregierung - das wissen Sie - ist bisher nicht angefragt worden, sich an Luftschlägen gegen den IS auf syrischem Gebiet zu beteiligen. Bislang tun das sechs Staaten unter Führung der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Frage nach einem Einsatz von Bodentruppen stellt sich für uns auch nicht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Krischer.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herzlichen Dank für die Möglichkeit, die Bundesregierung hier zu einem Thema zu befragen, das in der Öffentlichkeit breiten Raum einnimmt. - Der bayerische Ministerpräsident und Parteivorsitzende der CSU hat sich ja nicht nur zum Verlauf einer einzelnen geplanten Stromleitung kritisch geäußert, sondern stellt den Netzausbau insgesamt infrage. Meine Frage an die Bundesregierung wäre: Wie wird die Position des bayerischen Ministerpräsidenten und Parteivorsitzenden eines Koalitionspartners hierzu bewertet? Und weiter: Ich habe der Presse entnommen, dass auf dem gestrigen Koalitionsgipfel hierzu keine Ergebnisse erzielt worden sind, sondern dass es am Donnerstag ein Privatissimegespräch zwischen Frau Aigner und Herrn Gabriel geben wird. Meine Frage wäre: Was werden Inhalt und Ziel dieses Gespräches vonseiten der Bundesregierung sein?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

In der Tat hat dieses Thema gestern im Koalitionsausschuss eine Rolle gespielt. Ergebnis des gestrigen Gesprächs ist die Verabredung zu einem Gespräch mit dem Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Gabriel, aber nicht ausschließlich mit Frau Aigner, sondern auch mit Herrn Ministerpräsidenten Seehofer. Dieses Gespräch wird morgen stattfinden. Vor Gesprächen wird die Bundesregierung ihre Zielrichtung in den Gesprächen jedoch nicht öffentlich machen können. ({0})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Die nächste Frage stellt die Kollegin Haßelmann.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatsminister Roth, ich kann Ihre Betroffenheit sehr gut verstehen, ich teile sie auch. Herr Schmidt hatte gefragt: Was konkret tun wir? - Ich würde gerne wissen: Was konkret schlägt die Bundesregierung zur Unterstützung der Rettungs- aktion „Mare Nostrum“ vonseiten der europäischen Län- der vor? Also a), ist Deutschland bereit, sich finanziell an der Rettungsaktion „Mare Nostrum“ zu beteiligen? Und b), wann, wo und wie wird Deutschland sich in Brüssel für dieses Thema einsetzen? Dass Sie das allgemein gern tun, wissen wir; dennoch haben wir die Rückmeldung aus Brüssel, dass auch Deutschland sich dort nicht intensiv dafür einsetzt, dass Mare Nostrum fortgeführt wird. Deshalb ganz konkret: Wir würden gerne die Fakten kennen.

Not found (Gast)

Die EU kann die Mission „Mare Nostrum“ nicht fortsetzen, weil es sich bislang um eine rein nationale Mission handelt. Ich hatte schon deutlich gemacht, dass es im großen Interesse der Bundesregierung ist, dass die Europäische Union eine ähnlich gelagerte Hilfs- und Schutzmaßnahme durchführt - im Interesse der Flüchtlinge, aber auch im Kampf gegen Schlepperbanden. ({0}) Sie werden sicherlich nicht erwarten, dass die Bundesrepublik Deutschland im Mittelmeer eine solche Mission aufnimmt. Unser Bemühen kann also nur sein, dass wir im Rahmen unserer Zuständigkeiten auf die EU einwirken und in der EU Überzeugungsarbeit leisten. Das tun wir; es muss aber noch eine Reihe von Fragen geklärt werden. Dabei geht es in erster Linie gar nicht nur um finanzielle Fragen, es geht auch um rechtliche Fragen. Es geht beispielsweise um die Frage, inwieweit Frontex eine weiter gehende Aufgabe übernehmen könnte. Diese Frage stellt sich aber derzeit nicht, weil Frontex ein sehr begrenztes Mandat hat. Diese Diskussionen laufen. Sie können sich darauf verlassen, dass die Bundesregierung und auch ich persönlich es nicht bei Beklagen und Bedauern belassen, sondern wir wollen, dass den Flüchtlingen dort geholfen wird. Wir brauchen dafür ein größeres, ein stärkeres und auch ein erfolgversprechendes EU-Engagement. Dazu ist Deutschland als ein Mitgliedsland von 28 im Rahmen seiner Möglichkeiten bereit. Es geht hier nicht um nationale Aktivitäten, es geht um eine EU-Mission, und da sind wir in Gesprächen.

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Der Kollege Dr. Feist hat das Wort.

Dr. Thomas Feist (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004032, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt. Herr Staatsminister, wir hatten vorhin die Flüchtlinge aus Syrien thematisiert - das eigentliche Flüchtlingsdrama spielt sich aber in den Nachbarländern Syriens ab. Nun hatten wir im Unterausschuss Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik genau dazu ein Gespräch auch mit dem Bundesaußenminister, in dem die für Kultur Zuständigen signalisiert haben, dass sie in den Flüchtlingslagern in den Nachbarländern Syriens etwas für diejenigen tun könnten, die am meisten unter dem Krieg leiden: Das sind die Kinder. Meine Frage an Sie ist: Gibt es Überlegungen im Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts, sich auch in den laufenden Haushaltsverhandlungen dafür einzusetzen, die entsprechenden Etats anzuheben?

Not found (Gast)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Sie wissen, dass die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik als dritte Säule der Außenpolitik ganz besonders auch unserem Außenminister am Herzen liegt und wir uns immer darum bemühen, die notwendigen Mittel aufzustocken. Diese Idee stößt bei uns auf große Sympathie; aber Sympathie alleine reicht nicht, sondern wir brauchen auch eine entsprechende finanzielle Ausstattung. Ich sehe derzeit nicht, dass wir das aus den vorhandenen Haushaltsmitteln werden schultern können; aber ich hoffe auf die Bereitschaft des Deutschen Bundestages, uns auch hier angemessen zu unterstützen. Dazu ein paar Zahlen: Seit 2012 hat die Bundesregierung eine finanzielle Unterstützung für die Flüchtlinge - insbesondere aus Syrien - im Umfang von 622 Millionen Euro geleistet. Sie haben völlig recht: Das ist eine große Tragödie. Während wir in Deutschland zwei Kontingente im Umfang von 20 000 Flüchtlingen plus die Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die aus Syrien kommen - hier müsste mir der Kollege helfen; es sind ungefähr 37 000 -, aufgenommen haben, haben wir es mit 6 Millionen Flüchtlingen innerhalb und außerhalb Syriens zu tun. Bei aller gelegentlich auch nachvollziehbaren Kritik an der Türkei: Die Türkei hat bislang schon 820 000 offiziell registrierte Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen, und in den vergangenen Wochen ist diese Zahl durch kurdische Flüchtlinge noch einmal signifikant gestiegen. Die nicht registrierte Zahl liegt bei weit über 1 Million. Die Unterbringung der Flüchtlinge dort ist gut, während sie in Jordanien und im Libanon schlechter ist. Wir setzen uns sehr dafür ein, dass dort mehr getan werden kann. Wir sind dankbar für diesen Vorschlag. Wenn die Finanzierung steht, dann werden wir das sicherlich auch umsetzen können. Derzeit sind die Haushaltsmittel aber komplett ausgeschöpft.

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Herr Kollege Kekeritz, Sie haben eine Frage.

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Meine Kollegin ist mir zuvorgekommen und hat die Frage im Wesentlichen gestellt.

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Das erleichtert die Beantwortung; sie ist nämlich schon erfolgt. - Kollegin Kotting-Uhl.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Präsident. - Ich habe eine Frage an die Bundesregierung zu der heute gefallenen Entscheidung in der EU-Kommission, die staatlichen Beihilfen in Großbritannien für den geplanten Neubau des Atomkraftwerks Hinkley Point C zu genehmigen. Ich will meiner Frage vorausschicken, dass das eine sehr eigenartige Entscheidung ist, nachdem die Kommission das noch im März nicht genehmigen wollte. Sie hatte gute Gründe dafür; denn die Beihilfe für Atomkraftwerke ist in den Beilhilferichtlinien gestrichen worden. Meine Frage an die Bundesregierung ist, ob sie diese Entscheidung durch Akzeptanz sozusagen gutheißen möchte oder ob sie eine Nichtigkeitsklage dagegen anstreben will, wie das Österreich bereits in Aussicht gestellt hat.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Ich will Ihnen ausdrücklich sagen, dass ich als Umweltministerin antworte, weil das, was ich jetzt sage, nicht mit der Bundesregierung bzw. in der Bundesregierung abgestimmt ist. Dazu hatte die Bundesregierung noch keine Gelegenheit, und unter Verweis auf die Geschäftsordnung kann ich demnach nicht für die Bundesregierung antworten, sondern ich antworte als Umweltministerin. Ich halte diese Entscheidung der EU-Kommission für grundfalsch und kann sehr gut verstehen, dass Österreich schon eine Nichtigkeitsklage ins Auge gefasst hat. Ich bin der gleichen Auffassung wie Sie, dass die EU-Kommission in diesem Punkt in der Tat eine Kehrtwende vollzogen hat. Insbesondere Kommissar Almunia hat eine ganz andere Entscheidung als sonst getroffen; er ist ganz anders vorgegangen, als er dies zum Beispiel in Bezug auf unser Erneuerbare-Energien-Gesetz getan hat. Nach meinem Kenntnisstand sollen dem Atomkraftwerk Hinkley Point C für mehr als 30 Jahre Preise garantiert werden, die weitaus höher liegen als unsere garantierte Einspeisevergütung, welche sukzessive abgebaut wird. Die Preise dort werden für mehr als 30 Jahre fix zugesagt. Auf diese Weise wird sehr deutlich, dass die Atomenergie im Vergleich zu den erneuerbaren Energien nicht konkurrenzfähig ist; denn sonst müssten die Preise nicht für 30 Jahre fix zugesagt werden. Aus all diesen Gründen und auch, weil wir als Bundesregierung insgesamt - hier kann ich wieder für die Bundesregierung sprechen - aus der Atomenergie aussteigen wollen, halte ich diese Entscheidung für falsch. ({0})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Herr Kollege Krischer.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Bundesministerin Hendricks, Sie haben gerade Ihre persönliche Auffassung bzw. Ihre Auffassung als Bundesministerin zu der Subventionsentscheidung der EU-Kommission betreffend Hinkley Point C dargelegt und darauf hingewiesen, dass Sie nicht im Namen der Bundesregierung dazu Stellung nehmen können. Deshalb frage ich Sie als Bundesumweltministerin: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Bundesregierung eine Nichtigkeitsklage einreicht und sich damit der Position Österreichs anschließt?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Ja, als Bundesumweltministerin werde ich mich dafür einsetzen. Allerdings kann ich der Entscheidung der Bundesregierung nicht vorgreifen und möchte deswegen sagen: Sollte sich die Bundesregierung anders entscheiden, sollten Sie das bitte nicht als meine persönliche Niederlage werten. ({0})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Mir liegen noch zwei Fragewünsche vor. Danach beenden wir diesen Tagesordnungspunkt und kommen dann zu Tagesordnungspunkt 2, zur Fragestunde. Ich erteile der Kollegin Amtsberg das Wort.

Luise Amtsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004243, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister Roth, auch auf die Gefahr hin, dass ich mit meinen Fragen zu „Mare Nostrum“ nerve: Sie haben gerade gesagt, dass über zwei Sachverhalte diskutiert wird. Das eine ist die ureigene Aufgabe von Mare Nostrum, die Seenotrettung; andere Aktivitäten waren ursprünglich nicht vorgesehen. Das andere ist die Ausweitung des Frontex-Mandats, bei der nicht nur die Seenotrettung, sondern auch die Bekämpfung der Schleuserkriminalität eine Rolle spielen würde. Meine Frage lautet nun: Die vorgeschlagene Bekämpfung der Schleuserkriminalität in Form von Identitätsermittlungen auf den Booten und schnellen Rückführungen von den Booten aus würde tatsächlich eine Ausweitung des Frontex-Mandats darstellen. Die SeeLuise Amtsberg notrettung ist aber die ureigene Aufgabe, die Frontex seit letztem Jahr erfüllen soll. Sollte man nicht zuerst über diese Aufgabe von Frontex nachdenken und die Bekämpfung der Schleuserkriminalität und die damit verbundene Ausweitung des Aufgabenbereichs von Frontex beiseitelassen?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber Sie nerven überhaupt nicht. Vielmehr nutzen Sie Ihr Recht als Parlamentarierin. Ich bin Ihr Diener. ({0}) Sie können mich so lange fragen, wie Sie wollen. Das gilt im Übrigen auch für alle anderen Kolleginnen und Kollegen. Aber das muss letztendlich der Präsident entscheiden. Tun Sie Frontex bitte kein Unrecht. Frontex leistet bereits humanitäre Hilfe und kümmert sich um Flüchtlinge, die in Not sind; diese werden auch aufgenommen. Es geht aber um ein neues Mandat und die Fortsetzung des Einsatzes. Dabei müssen noch verschiedene Fragen geklärt werden. Was bisher geleistet wird, reicht nicht aus. Das war der Grund, warum die italienische Regierung in eigener Verantwortung und mit eigenen Mitteln „Mare Nostrum“ ins Leben gerufen hat. Diese Mission hat viel Gutes bewirkt. Ich sehe die Notwendigkeit - und das ist eine Aufgabe der Europäischen Union -, in zwei Bereichen zu handeln: Der eine ist die Bekämpfung der Schleuserkriminalität. Der andere ist die Rettung von Menschen in Not, die ansonsten vom Tode bedroht wären.

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Abschließende Fragestellerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist die Kollegin Haßelmann.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, ich danke Ihnen für Ihre persönlichen Antworten als Umweltministerin auf die Fragen meiner Kollegen KottingUhl und Krischer betreffend die Unterstützung der EUKommission für den Bau neuer Atomkraftwerke. Diese Entscheidung war seit Tagen absehbar. Von daher bin ich irritiert, dass die Bundesregierung dazu heute in der Befragung der Bundesregierung keine Auffassung vertreten kann; denn man wusste seit Tagen, dass es zu dieser Entscheidung kommen würde. Anscheinend haben Sie sich mit dieser Frage nicht befasst. Ich bitte dennoch darum, dass die Bundesregierung den Abgeordneten der Grünen-Fraktion in den nächsten Tagen mitteilt, ob Deutschland, wie dies andere europäische Länder tun, eine Nichtigkeitsklage einreichen wird. Oder beabsichtigen Sie als Bundesregierung das nicht? Frau Hendricks, Ihre persönliche Auffassung haben Sie uns ja dargelegt.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Haßelmann, das will ich Ihnen für das Bundeskanzleramt, welches ja im Moment nicht antworten darf, gerne zusagen. ({0}) Dafür ist es aber notwendig, dass zunächst in der Bundesregierung ein Abstimmungsprozess stattfindet. Nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung gibt es dafür geübte Verfahren, die nicht übers Wochenende aufgrund von Zeitungsmeldungen durchgeführt werden. ({1})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Vielen Dank, Frau Bundesministerin. Ich beende damit die Befragung der Bundesregierung. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde Drucksache 18/2702 Wir gehen nach der üblichen Reihenfolge vor. Das heißt, wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Für die Beantwortung steht Staatsminister Michael Roth zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 der Abgeordneten Katja Keul auf: Welche Konsequenzen wird die Bundesregierung ziehen, falls sich die Türkei ohne Mandat des VN-Sicherheitsrates mit Bodentruppen militärisch in Syrien engagieren sollte, und welche Auswirkungen wird das auf die deutsche Beteiligung an der NATO-Operation „Active Fence“ haben?

Not found (Gast)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich schlage vor, dass ich die Frage der Kollegin Keul gemeinsam mit der Frage der Kollegin Hänsel beantworte. Ich möchte die Antworten nicht zweimal vortragen. Selbstverständlich steht Ihnen die Möglichkeit offen, mir noch entsprechende Nachfragen zu stellen.

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Dann rufe ich jetzt die Frage 2 der Abgeordneten Heike Hänsel auf: Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Entscheidung des türkischen Parlaments für Militäreinsätze in Syrien und Irak, und welche rechtlichen und politischen Konsequenzen hat diese Entscheidung für die in der Türkei stationierten Bundeswehrsoldaten?

Not found (Gast)

Sie wissen, dass es seitens des türkischen Parlaments zwei Mandate gab: einmal zum grenzüberschreitenden Einsatz von Militär im Nordirak. Dieses Mandat gilt seit 2007. Es gab dann noch einmal ein ähnlich gelagertes Mandat seit 2012 für Syrien. Die türkische Nationalversammlung hat am 2. Oktober den Beschluss gefasst, diese beiden Mandate zusammenzufassen. Insofern hat sich an der Rechtslage nichts geändert. Es kommt aber ein entscheidender Punkt hinzu: Dieses neue Mandat lässt jetzt auch die Bekämpfung von ISIS zu. Als weitere Elemente wurden die mögliche Stationierung ausländischer Truppen und die Einräumung von Nutzungsrechten an Flugplätzen bzw. Militärbasen in der Türkei aufgenommen. Die türkische Regierung befürwortet die Einrichtung von Sicherheits- und Flugverbotszonen. Das aber ist nicht Gegenstand des Beschlusses. Mit diesem Parlamentsbeschluss geht kein Automatismus einher. Die Bundesregierung geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass sich die Türkei in Syrien derzeit nicht militärisch engagieren wird. Da sich durch die türkische Mandatsverlängerung auch die Sach- und Rechtslage nicht geändert hat, sehen wir keine Konsequenzen für die in der Türkei stationierten Bundeswehrsoldaten. Ich will das noch einmal kurz erläutern: Es handelt sich dabei um die NATO-Mission „Active Fence“. Sie hat ein rein defensives Mandat. Wir haben derzeit 271 Soldatinnen und Soldaten sowie Patriot-Flugabwehrraketen stationiert. Ort der Stationierung - ich war selber dort - ist Kahramanmaras. Er befindet sich 100 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Diese Patriot-Flugabwehrraketen können nicht in den syrischen Luftraum eindringen. Insofern gibt es da keinen Zusammenhang.

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Frau Kollegin Keul, möchten Sie dazu noch eine Zusatzfrage stellen?

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich bitte darum.

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Dann haben Sie jetzt dazu die Möglichkeit - und im Anschluss daran auch die Kollegin Hänsel.

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Staatsminister, für die Antwort. Sie haben gesagt, dass die Türkei jetzt - im Moment, derzeit - nicht intervenieren wird. Zweifelsohne wird die Bundesregierung aber sicherlich strategische Überlegungen für den Fall des Falles anstellen; denn ich glaube nicht, dass ein NATO-Partner über einen langen Zeitraum hinweg friedlich Seite an Seite mit ISIS leben wird. Ich frage Sie: Für den Fall, dass es zu bewaffneten Auseinandersetzungen auf syrischem Territorium kommt: Beschäftigt sich die Bundesregierung mit der Frage, welche völkerrechtlichen Voraussetzungen für eine etwaige Unterstützung von NATO-Einsätzen erforderlich wären? Ich will Ihnen einen konkreten Punkt nennen: Macht sich die Bundesregierung Gedanken darüber, bei welchem Szenario gegebenenfalls auch Gespräche mit Assad geführt werden müssen?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Keul, Sie können sich darauf verlassen, dass sich die Bundesregierung fortwährend Gedanken macht; denn wir sehen das ganze Drama nicht nur mit großer Sorge, sondern wir bemühen uns auch um eine Lösung. Wir leisten in erheblichem Maße humanitäre Hilfe. Wir haben auch eine klare Erwartungshaltung gegenüber der türkischen Regierung. Selbstverständlich erwarten wir, dass die Türkei, sollte sie denn im Rahmen des Mandats einen Militäreinsatz planen, auch ihre Bündnispartner in ihre Überlegungen einbezieht. Es gibt aber derzeit keinen Anlass, weil es keinerlei konkrete Signale der türkischen Regierung gibt. Es gibt dieses Mandat, und es gibt derzeit Forderungen nach Flugverbotszonen und Sicherheitszonen. Es gibt eine klare Erwartungshaltung, dass sich die internationale Gemeinschaft daran beteiligt. Solange diese Diskussionen noch laufen, sehe ich keinen entscheidenden Anhaltspunkt für eine Absicht der türkischen Regierung, einen Militäreinsatz konkret umzusetzen, obwohl es seit dem 2. Oktober ein entsprechendes Mandat bzw. eine entsprechende Mandatsverlängerung gibt.

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Sind damit alle Ihre Fragen beantwortet?

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein.

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Dann haben Sie noch eine Zusatzfrage.

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es ist bedauerlich, dass ich nur noch eine habe, weil die Frage nach den Überlegungen, ob man Gespräche mit Assad führt, noch nicht beantwortet ist. Ich will dennoch die zweite Nachfrage stellen. Ich wüsste gerne von der Bundesregierung, welche Erkenntnisse sie darüber hat, dass die Türkei nach wie vor Waffenlieferungen an den ISIS über die Grenze zulässt und dass in türkischen Krankenhäusern ISISKämpfer behandelt werden. Was tut die Bundesregierung gegenüber der Türkei, um diesem doppelten Spiel ein Ende zu machen und Druck auszuüben?

Not found (Gast)

Es gibt klare Beschlüsse auch der türkischen Regierung bereits im September 2013, wonach der IS als Terrororganisation eingestuft wird. Bei dem Besuch des türkischen Außenministers in Berlin ist auch deutlich gemacht worden, dass ISIS-Kämpfer ausgewiesen worden sind bzw. nicht in das Land einreisen dürfen. Es ist ein klares Statement abgegeben worden, dass man den IS ausdrücklich verurteilt und dass es keinerlei Unterstützung gibt. Weitere Erkenntnisse dazu liegen der Bundesregierung nicht vor.

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Da auch die Frage der Kollegin Hänsel schon aufgerufen und beantwortet worden ist, haben Sie, Frau Kollegin Hänsel, jetzt die Möglichkeit, eine erste Zusatzfrage zu stellen.

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön. - Ich möchte mich auf das Mandat beziehen bzw. den Beschluss des türkischen Parlaments, einen türkischen Einmarsch in Syrien oder militärische Operationen im Irak zu ermöglichen. Sie sagen, Sie gingen nicht davon aus. Aber Sie haben es überhaupt nicht in der Hand, wann die türkische Regierung eventuell - sie steht immerhin mit Panzern direkt an der Grenze zu Syrien, keine 20 Meter entfernt - auf syrisches Gebiet vordringt. Die Ausrichtung der Bundeswehr ist eindeutig defensiv. Es geht um die mögliche Verteidigung gegen Angriffe. Deshalb finde ich, dass Sie hier Kamikaze spielen, wenn Sie sagen: Es gibt diesen Beschluss; aber wir gehen davon aus, dass er nicht umgesetzt wird, und deshalb besteht kein Handlungsbedarf. - Nach unserer Meinung muss die Bundeswehr sofort abgezogen werden. Sie können nicht ausschließen, dass Sie in eine militärische Auseinandersetzung mit Syrien verwickelt werden, zumal sich auch die syrische Regierung gegen diesen Beschluss - er ist ohne völkerrechtliche Grundlage getroffen worden -, möglicherweise nach Syrien vorzudringen, verwahrt hat.

Not found (Gast)

Liebe Frau Kollegin Hänsel, es gibt derzeit ein Mandat, beschlossen von der türkischen Nationalversammlung. Aus diesem Mandat heraus ergibt sich kein Automatismus. ({0}) Die türkische Regierung hat mehrfach bekundet, dass ein militärisches Eingreifen in Syrien nicht auf der Tagesordnung steht. Ich habe erläutert, dass unser Einsatz im Rahmen von Active Fence, das heißt der Einsatz von Patriot-Raketen, rein defensiv angelegt ist. Unsere Soldatinnen und Soldaten - in Kahramanmaras stationiert, 271 an der Zahl - sind ungefähr 100 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Dieses Mandat kann auch in keiner Weise umgewidmet werden. Das heißt, es bleibt ein defensives Mandat, und es ist auch nichts anderes vorgesehen, zumal es technisch auch gar nicht möglich wäre. Die Reichweite der Raketen ist auch gar nicht ausreichend, um das syrische Gebiet zu treffen. Insofern würde ich nicht zwei Mandate miteinander vermengen, die nichts miteinander zu tun haben. Sie können gewiss sein, dass die Bundesregierung stets Sorge für ihre Soldatinnen und Soldaten trägt, dass sie sämtliche Entwicklungen aufmerksam verfolgt und sie darüber hinaus die notwendigen Gespräche führt auch zum Schutze unserer Soldatinnen und Soldaten, nicht nur in der Türkei, sondern darüber hinaus.

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Frau Kollegin Hänsel, sind damit alle Ihre Fragen beantwortet?

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich habe noch eine Nachfrage.

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Bitte sehr.

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sie haben schon erwähnt: Es gibt Forderungen der türkischen Regierung nach Schaffung einer Schutzzone auf syrischer Seite in der Grenzregion. Eine solche Schutzzone würde vor allem das autonome Kurdengebiet Rojawa betreffen. Da gibt es große Widerstände und auch Befürchtungen vonseiten der Kurden und Kurdinnen. Meine Frage: Wie steht die Bundesregierung konkret zu solch einer Forderung der türkischen Regierung? Was macht sie konkret, um die Sorgen der Kurden und Kurdinnen auszuräumen, dass es nicht zu einer militärischen Besetzung dieser Region durch das türkische Militär kommt?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung konzentriert sich darauf, das unendliche Leid der Menschen in dieser Region zu lindern. Ich habe schon dargestellt, wie die humanitären Hilfsleistungen derzeit, insbesondere für diese Region, aussehen. Wir sind nicht gefragt worden, ob wir uns über die humanitären Hilfsleistungen hinaus an einem Militäreinsatz beteiligen wollen. Wir haben bislang elf Staaten, die unter Führung der Vereinigten Staaten von Amerika für die Luftschläge verantwortlich zeichnen, um gegen den IS zu kämpfen. Das, was die türkische Regierung als Voraussetzung einstuft, nämlich sogenannte Schutzzonen, setzt auch Bodentruppen voraus. Ich sehe derzeit bei niemandem die Bereitschaft, solche Truppen einzusetzen. Das Ganze ist also eine sehr theoretische Konstruktion.

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Für eine weitere Zusatzfrage in diesem Zusammenhang erteile ich das Wort jetzt dem Kollegen Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, ich habe eine Nachfrage: Welche konkreten Planungen oder mindestens Überlegungen hat die Bundesregierung für den ja nicht unwahrscheinlichen Fall, dass die türkische Regierung von dem Mandat, das sie vom Parlament bekommen hat, Gebrauch macht und mit Militär in Syrien einrückt? Könnte das nach Auffassung der Bundesregierung dann der NATOVerteidigungsfall sein? Wie verhalten sich die PatriotEinheiten der Bundeswehr in dem Falle - auf dieses Problem ist schon hingewiesen worden -, dass von Syrien aus die Assad-Truppen oder welche Truppen auch immer die Türkei angreifen oder von dort zurückschlagen, je nachdem, wie man das nennen will? Werden dann die deutschen Patriot-Raketen eingesetzt, um beispielsweise Flugzeuge oder Raketen, die von Syrien aus auf die Türkei fliegen, abzuwehren?

Not found (Gast)

Herr Ströbele, Sie haben jetzt so viel spekuliert, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Ich glaube auch, dass die Lage viel zu ernst ist, um sich in Spekulationen zu ergehen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich Ihnen noch einmal die klare Rechtslage erklären soll, weil ich mir ziemlich sicher bin, dass Sie sie kennen. Sie haben noch einmal die besondere Verantwortung der Türkei als NATO-Mitgliedsland erwähnt. Sollte es zu einem Angriff auf die Türkei kommen, stellt sich die Bündnisfrage. Aber es gibt überhaupt keinen Automatismus, der sich aus Artikel 5 des NATO-Vertrags ergibt. Sie wissen auch, dass der Bündnisfall bislang nur ein einziges Mal eingetreten ist, nämlich im Rahmen von 9/11. Sollte die Türkei einen Antrag auf Bündnissolidarität stellen - das ist die Grundvoraussetzung -, dann muss zwischen den 28 Mitgliedstaaten der NATO ein Konsens erzielt werden. Das ist die rein rechtliche Situation. Wenn wir uns einmal die Wirklichkeit anschauen, stellen wir fest: Dieser Fall ist in der Geschichte der NATO bislang ein einziges Mal eingetreten. Ansonsten können Sie sich darauf verlassen, dass wir viele Gespräche führen. Ich habe Ihnen auch deutlich gemacht, wie das bisherige Mandat für die Operation „Active Fence“ aussieht und welchen Beitrag unsere Soldatinnen und Soldaten dazu leisten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir kommen damit zur Frage 3 der Kollegin Heike Hänsel: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über das Verhältnis zwischen der türkischen Regierung und dem sogenannten Islamischen Staat - IS -, und in welcher Weise hilft die Bundesregierung der in der nordsyrischen Region Rojawa, insbesondere der Stadt Kobane, von dem IS angegriffenen Bevölkerung?

Not found (Gast)

Vielen Dank. - Frau Kollegin Hänsel, seit dem 30. September 2013 - ich habe das eben schon einmal erwähnt; deswegen wiederhole ich mich jetzt ein bisschen - stuft auch die türkische Regierung ISIS bzw. ISIL als Terrororganisation ein. Im Übrigen hat kürzlich der neue türkische Außenminister Berlin besucht und Gespräche mit unserem Außenminister geführt. Dabei hat die Türkei noch einmal deutlich darauf hingewiesen, dass bereits jetzt 6 000 mutmaßliche Foreign Terrorist Fighters auf eine Einreisesperrliste gesetzt worden sind und dass schon 1 000 solcher Kämpfer aus der Türkei ausgewiesen worden sind. Über den Parlamentsbeschluss vom 2. Oktober, der ein entschiedenes Vorgehen gegen den IS ermöglicht, habe ich Sie ebenfalls schon informiert. Die Bundesregierung ist vor allem im Kampf gegen ISIS um ein internationales Bündnis gegen den dschihadistischen Extremismus und gegen den Terror vom IS bemüht. Dazu leisten wir im Rahmen unserer Möglichkeiten den Beitrag, den man zu Recht von uns verlangen kann. Die letzte Sitzung der Vereinten Nationen war gerade auch von diesem Gesprächsthema geprägt. Unser Außenminister hat sich in diesem Bereich sehr engagiert. Vor dem Hintergrund der sich verschärfenden humanitären Notlage der Menschen in Syrien und im Irak hat die Bundesregierung am 1. Oktober die Mittel für humanitäre Hilfsleistungen abermals um 10 Millionen Euro aufgestockt. Hiermit sollen insbesondere Hilfsprogramme des UNHCR, Nahrungsmittelhilfen des Welternährungsprogramms und auch Hilfsmaßnahmen humanitärer Nichtregierungsorganisationen in der Türkei aufgrund der aktuellen Flüchtlingssituation finanziert werden. Ich möchte schon jetzt darauf hinweisen, dass am 28. Oktober auf Einladung von Außenminister Steinmeier und unseres Hauses eine internationale Flüchtlingskonferenz stattfinden wird. 40 Außenministerinnen und Außenminister sowie eine Reihe von Flüchtlingsorganisationen haben ihren Teilnahmewillen bekundet. Es geht hier nicht allein um ein klares Zeichen der Solidarität, sondern wir wollen gemeinsam auch überlegen: Was können wir noch mehr tun, um die Lage der Flüchtlinge zu verbessern? Noch einmal die Zahl: Seit 2012 hat die Bundesregierung 622 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Wir bemühen uns derzeit - auch das wissen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen - um eine Mittelaufstockung, aber wir sind hier auf das Wohlwollen und auf die konkrete Unterstützungsbereitschaft des Deutschen Bundestages zwingend angewiesen, weil unsere Haushaltsmittel komplett aufgebraucht sind.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bevor ich das Wort zur ersten Nachfrage erteile, mache ich nur auf Folgendes aufmerksam: Wir haben uns Regeln gegeben, was die Zeit für die Fragestellung und auch für die Beantwortung der Fragen betrifft. Damit man nicht im Eifer, möglichst viele Fakten rüberzubringen, über diese Zeit hinwegredet, haben wir hier ein optisches Signal. Spätestens dann, wenn die Farbe Rot aufleuchtet, ist die Antwortzeit oder auch die Fragezeit ausgeschöpft. Ich bitte, das im Interesse aller Kolleginnen und Kollegen zu beachten. Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage, Frau Hänsel.

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön. - Ich möchte noch einmal auf die Rolle der Türkei bezüglich der Unterstützung des sogenannten Islamischen Staates zu sprechen kommen. Im Gegensatz zu Äußerungen, was Russland anbetrifft - da gab es ja die Aufforderung, dass Russland keine Kämpfer über die Grenze zur Ostukraine durchlassen soll; da gibt es sogar einen Beschluss der G 7, in dem das thematisiert wird und Russland dazu aufgefordert wird -, habe ich von Ihnen bzw. von der Bundesregierung offiziell in keiner Weise eine ähnliche Aufforderung an die türkische Regierung gehört, dass sie hier eine ganz klare Rolle einnehmen und nachweisen müsse, dass sie den IS nicht unHeike Hänsel terstützt. Es gibt viele entsprechende Berichte von Augenzeugen aus der Region an der türkisch-syrischen Grenze. Sie finden auch Berichte in der New York Times, in denen aus Obamas Administration schwere Vorwürfe erhoben werden. Was gedenkt die Bundesregierung aktiv gegenüber der türkischen Regierung zu tun, damit Unterstützungsleistungen, die Bereitstellung von Rückzugsräumen usw. beendet werden? Das ist doch jetzt eine ganz dringende Aufgabe.

Not found (Gast)

Bevor ich Ihre Frage beantworte, Frau Kollegin Hänsel, gestatten Sie mir, Frau Präsidentin, noch ein Wort in eigener Sache. Ich finde Ihren Hinweis bezüglich der Geschäftsordnung zwar richtig, aber es kann doch nicht angehen, dass auf der einen Seite die Kolleginnen und Kollegen des Parlamentes die Regierung dafür kritisieren, dass wir sehr kurze und vielleicht auch nicht zureichende Antworten geben, und dann, wenn man sich einmal darum bemüht, zureichend zu antworten und vielleicht auch den einen oder anderen Aspekt zu benennen, ist es auch wieder nicht recht. Wenn Sie also kurze Antworten von mir erwarten, dann werde ich das zukünftig genau so tun. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das gilt für beide Seiten, und ich denke, der Ort, um das zu besprechen, ist der Ältestenrat. Wir haben uns aus aktuellem Anlass in den vergangenen zwei Ältestenratssitzungen genau damit befasst, und ich muss keine Prophetin sein, um vorherzusagen, dass wir das auch morgen wieder besprechen werden. Ich nehme an, dass Ihr Kollege Helge Braun oder andere, die die Bundesregierung dort vertreten, Ihr Anliegen mitbringen wird und wir dort sicherlich auch einen entsprechenden Kompromiss finden. Ich bin gehalten, das hier völlig ohne Ansehen der Rednerinnen und Redner und ihrer Herkunft durchzusetzen.

Not found (Gast)

Danke für Ihr Verständnis, Frau Präsidentin. - Jetzt beantworte ich die Frage der Kollegin Hänsel möglichst kurz und ganz prägnant. Ich hatte eingangs schon darauf hingewiesen, dass sich die Bundesregierung sehr engagiert darum bemüht, ein internationales Bündnis gegen IS zu schmieden. Selbstverständlich spielt dabei die Türkei als unmittelbares Nachbarland von Syrien eine zentrale Rolle. Ich weiß nicht, wie Sie auf die Idee kommen, dass es nicht entsprechende klare Aussagen der Bundesregierung auf den unterschiedlichsten Ebenen gegeben habe. Ich hatte Ihnen deutlich gemacht, wie die Antworten der türkischen Regierung, auch gegenüber dem Auswärtigen Amt, auch gegenüber unserem Außenminister, ausgesehen haben. Weiter spekulieren möchte ich nicht.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön. - Sie hatten ja sehr allgemein erwähnt, dass Sie umfassende humanitäre Hilfe leisten. Wir erinnern uns alle: Im Sommer, als es um die dramatische Situation der Jesiden ging, war die Bundesregierung sehr aktiv und hat sich in vielfacher Weise in der Hinsicht geäußert, die Jesiden müssten geschützt werden usw. Jetzt einmal unabhängig davon, dass wir Waffenlieferungen nicht unterstützen: Gibt es überhaupt Äußerungen der Bundesregierung zur dramatischen Situation in Kobane bzw. in Rojawa? Ich höre so gut wie nichts von der Bundesregierung. Etliche von uns waren mittlerweile an der türkisch-syrischen Grenze. Die Grenze wurde vom Militär dichtgemacht. Dort stehen Panzer. Die türkische Regierung verhindert zum Beispiel auch, dass Kurden bzw. Kurdinnen wieder auf die syrische Seite kommen, um dort Kobane zu verteidigen. Es gibt eine Blockadepolitik der türkischen Regierung. So ist die Grenze vermint. Was machen Sie denn eigentlich, um diese Blockadepolitik der Türkei gegenüber Kobane zu brechen? Außerdem gab es allein gestern über 14 Tote bei Auseinandersetzungen im Rahmen von Demonstrationen in der Türkei. 14 Tote unter den Kurden und Kurdinnen! Was haben Sie daraufhin gemacht? Werden Sie den türkischen Botschafter einbestellen? Dass es bei diesen Demonstrationen 14 Tote gab, ist ja unglaublich!

Not found (Gast)

Ich habe das Engagement der Bundesregierung im Rahmen der humanitären Hilfe geschildert. Ich kann Ihnen auch noch einmal - weil Sie bemängelt haben, es sei nicht ausführlich genug gewesen - Zahlen nennen: Bislang sind 347,07 Millionen Euro an humanitärer Hilfe geflossen, 199,65 Millionen Euro an strukturbildender Übergangshilfe/bilateraler Unterstützung und dann noch einmal 75,4 Millionen Euro für Krisenbewältigung. Das sind die drei wesentlichen Bereiche. Darüber hinaus kann ich Ihnen noch einmal versichern, dass wir selbstverständlich mit der Türkei, aber auch mit allen anderen Verantwortlichen im regelmäßigen Austausch darüber in Kontakt stehen, um ein internationales Bündnis gegen IS zu schmieden. Derzeit gibt es keinerlei Anfragen an die Bundesregierung, weder zur Beteiligung an Bodentruppen noch zur Beteiligung an Luftschlägen. Ich glaube auch nicht, dass es sinnvoll wäre, wenn alle dasselbe täten. Wir konzentrieren uns vor allem auf die humanitären Leistungen. Ich hatte auch dies mit einer Bitte an den Bundestag verbunden, nämlich uns dabei zu helfen, dass wir mehr tun können. Wir konzentrieren derzeit die humanitären Hilfsleistungen auf die von Ihnen genannte Region, ({0}) die besonders schlimmen Angriffen von IS ausgesetzt ist.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer Zusatzfrage hat der Kollege Volker Beck das Wort.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, vielleicht kommen Sie mit Ihrer Zeit auch deshalb nicht zurecht, weil Sie zu der Frage nichts sagen. Es geht hier nicht um Millionen für humanitäre Hilfe, sondern es geht um die aktuelle humanitäre Katastrophe von Kobane. Es geht zum Beispiel um die Frage, ob man die Grenze zur Türkei öffnet, damit die Menschen, wenn der IS die Stadt vollends überrennt, rechtzeitig fliehen und sich in Sicherheit bringen können. Das ist gegenwärtig nicht gewährleistet. Stattdessen ist es offensichtlich so, dass IS-Kämpfer über die Grenze kommen, um sich in die Türkei zurückzuziehen, und dann auch wieder in Syrien eindringen können; das nimmt die Türkei hin. Dabei geht es doch nicht um die Frage, wie viel Geld wir ausgeben. Vielmehr geht es darum, inwieweit Sie, da die Türkei NATO-Partner und auf der Ebene der Europäischen Union Beitrittskandidat ist, Ihre diplomatischen Möglichkeiten nutzen. Deshalb finde ich die Frage von Kollegin Hänsel ausdrücklich richtig. Warum bestellen Sie den Botschafter der Türkei nicht ein, um diese Frage in einem deutlichen Gespräch zu erörtern und klarzumachen, dass man im Sinne von Responsibility to Protect alles tun muss, um die Menschen von Kobane zu retten? Wenn Sie nur zuschauen und bis nächstes Jahr an einem Bündnis schmieden, hilft das Kobane und den Menschen dort nicht mehr. Was also tun Sie direkt? Oder können Sie es nicht sagen? Dann müssen Sie hier die zuständigen Regierungsmitglieder präsentieren, die diesbezüglich auskunftsfähig sind. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Staatsminister.

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Sie können mich, Herr Kollege, gerne kritisieren. Aber Sie sollten bei Ihrer massiven Kritik an der Türkei vielleicht eines nicht außer Acht lassen: Die Türkei hat bislang 820 000 Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Zudem sagen Experten, es dürften realiter vermutlich weit über 1 Million Flüchtlinge sein, die sich derzeit auf türkischem Staatsgebiet aufhalten. Deshalb empfinde ich es als etwas merkwürdig, wenn Sie der Türkei unterstellen, sie würde keinen Beitrag leisten, um menschliche Not zu lindern. ({0}) - Ich habe Ihre Frage so beantwortet, wie ich sie beantworten möchte. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer weiteren Nachfrage hat die Kollegin Katja Keul das Wort.

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, um das Ganze wieder etwas herunterzukochen: Wir wären die Letzten, die humanitäre Hilfe nicht für äußerst wichtig hielten, und wenn Sie diese aufstocken wollen, haben Sie natürlich unsere volle Unterstützung. Aber das ändert doch nichts daran, dass sich bezüglich der genannten Grenzsituation berechtigte Fragen stellen. Sie haben noch einmal dargelegt, wie ein Bündnisfall rechtlich eintreten kann. Aber ich verstehe überhaupt nicht, dass Sie dann sagen, die Frage des Kollegen Ströbele sei völlig spekulativ und fiktiv. Wir alle, Sie, ich und wir alle, stehen fassungslos vor dem, was in Kobane passiert. Es ist doch klar, dass das Szenario, das Sie geschildert haben, nichts Fiktives, auf dem Papier Stehendes ist, sondern etwas, was jeden Tag eintreten kann. Dann interessiert sich auch niemand mehr dafür, wann, wie und auf welchem Wege die Anfrage an die Bundesregierung kommt, sondern dann haben wir den Schlamassel und den Bündnisfall. Die Frage ist: Wie bereitet sich die Bundesregierung darauf vor? Was macht sie mit den in der Türkei stationierten Soldaten? Wie gedenkt sie sich in einer solchen Situation mit den völkerrechtlichen Gegebenheiten auseinanderzusetzen? Das sind doch berechtigte Fragen. ({0})

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Ich kann die Antworten aber nur aufgrund der Sachlage geben. Die Sachlage schildert sich folgendermaßen - ich kann es gerne noch einmal wiederholen -: Es gibt ein Mandat der türkischen Nationalversammlung. Die türkische Regierung hat bislang erklärt, dass sie derzeit nicht beabsichtigt, in Syrien militärisch einzugreifen. Sie hat zwei Bedingungen genannt: Schutzzonen am Boden, aber auch entsprechende Flugzonen. Diese beiden Bedingungen setzen ein internationales Engagement der Koalition voraus. Bislang sind sechs Staaten unter Führung der Vereinigten Staaten von Amerika an Luftschlägen beteiligt. Bislang liegt keine Anfrage an die deutsche Regierung vor, sich an diesen Luftschlägen zu beteiligen. Es gibt auch keine Nachfrage und keine Bitte, sich an Bodentruppen zu beteiligen. Es gibt aber unser großes Bemühen, die humanitäre Situation zu verbessern. Hier leisten wir das, was im Rahmen unsere Möglichkeiten ist. Das sind die Fakten, Frau Kollegin.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die letzte Nachfrage zur Frage 3 der Kollegin Hänsel stellt der Kollege Wolfgang Gehrcke.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, die Situation ist dramatisch. Aber wir fragen nach etwas anderem. Die Stiftung Wissenschaft und Politik sagt: Der Schlüssel liegt derzeitig in der Türkei. Ihr Kollege, Herr Ederer, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, sagt das Gleiche. Jetzt stellen wir die einfache Frage, ob die Bundesregierung bereit ist, der Türkei zu sagen - wenn sie es noch nicht gemacht hat -: Wir erwarten, dass die Grenze konsequent für ISISKämpfer geschlossen und für Flüchtlinge aufgemacht wird. - Das ist doch eine einfache Frage, die Sie mit Ja oder Nein beantworten können bzw. auf die Sie antworten können, wann Sie es gemacht haben oder machen werden.

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Ich habe schon mehrfach darauf hingewiesen, dass das Hauptziel der Bundesregierung ist, ein internationales Bündnis gegen IS zu schmieden. Dort spielt die Türkei eine entscheidende Rolle. Selbstverständlich führen wir auch Gespräche mit der Türkei, welchen Beitrag sie zu leisten vermag, um gegen IS vorzugehen. Ansonsten habe ich Ihnen auch geschildert, dass ich mich im Gegensatz zu anderen schwertue, der Türkei zu unterstellen, sie würde nicht genügend für Flüchtlinge tun. Sie tut viel für Flüchtlinge. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zurzeit hat der Herr Staatsminister das Wort, es sei denn, er ist am Ende seiner Antwort.

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Zumindest bin ich am Ende dieser Antwort. Ja.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Da die Fragen 4 und 5 der Kollegin Dağdelen schriftlich beantwortet werden, danke ich dem Herrn Staatsminister. - Wir sind am Ende des Geschäftsbereichs des Auswärtigen Amts. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ole Schröder zur Verfügung. Die Frage 6 der Kollegin Martina Renner und die Frage 7 des Kollegen Andrej Hunko sollen schriftlich beantwortet werden. Ich rufe die Frage 8 des Kollegen Volker Beck auf: Wie viele gewaltbereite Islamisten ({0}) konnten mit Billigung bzw. Zutun von Behörden des Bundes bzw. nach Kenntnis der Bundesregierung von Behörden der Länder seit 2009 ({1}) aus Deutschland ausreisen ({2}), und inwiefern ({3}) hat die Bundesregierung den Deutschen Bundestag über eine entsprechende Beschlusslage der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder, die die Billigung solcher Ausreisen vorsah, informiert? Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich beantworte die Frage wie folgt: Ausreisen von gewaltbereiten Islamisten, bei denen Tatsachen den Verdacht terroristischer Aktivitäten stützen, fanden mit Billigung bzw. Zutun von Behörden des Bundes nicht statt. Maßnahmen der Gefahrenabwehr fallen in die originären Zuständigkeiten der Länder und Kommunen. Bei Bund und den für die Vollziehung von Gefahrenabwehrmaßnahmen originär zuständigen Ländern und Kommunen besteht seit langem Einvernehmen darüber, dass Ausreisen von Personen verhindert werden, soweit Hinweise auf eine Ausreiseabsicht im Zusammenhang mit der Absicht und Planung konkreter Gewalttaten im Ausland bestehen, und damit die rechtlichen Voraussetzungen für eine Ausreiseverhinderung vorliegen. Soweit eine konkrete Absicht und Planung nicht in hinreichendem Maße aufgeklärt werden kann, ergreifen die Länder und Kommunen andere gefahrenabwehrende Maßnahmen, die auch die Überprüfung des Aufenthaltsstatus beinhalten. Dabei unterliegt jeder Einzelfall einer sorgfältigen Prüfung hinsichtlich der Anwendung der geeigneten und rechtlich zulässigen Maßnahmen. Eine hiervon abweichende Abstimmung oder Beschlusslage der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder ist nicht bekannt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte Sie ganz konkret zu dem Fall von Erhan A. befragen, der sich gegenwärtig in Bayern in Abschiebehaft befindet. Er hat in der Presse öffentlich geäußert, dass er David G. aus Kempten beneidet habe, der im ISIS-Kampf gestorben ist. Die bayerischen Stellen haben erklärt, dass eine Abschiebung von Erhan A. dennoch beabsichtigt ist. Die CSU ist sich sogar nicht zu schade, heute ein Pic zu verbreiten, auf dem steht: „Jemand, der in aller Öffentlichkeit die Gräueltaten der Terrormiliz Islamischer Staat gutheißt, das Köpfen von Journalisten rechtfertigt und nicht davor zurückschreckt, seine eigene Familie zu töten, wenn sie sich nicht an die islamischen Gesetze hält, hat bei uns nichts zu suchen.“ Damit wird die harte Linie der CSU, so jemanden des Landes zu verweisen, ausdrücklich beworben. Das verstößt meines Erachtens gegen den Wortlaut und den Sinn der UN-Resolution zu Foreign Fighters. Danach sind wir Volker Beck ({0}) gehalten, solche Personen in unserem Land festzuhalten und sie gegebenenfalls mit Mitteln der Strafverfolgung festzusetzen oder polizeilich zu überwachen. - Mir fehlt jedes Verständnis für die Diskussionslage in der CSU. Völkerrechtlich ist die Bundesregierung gegenüber den Vereinten Nationen verantwortlich. Soweit ich weiß, wurde diese Resolution von Deutschland ausdrücklich unterstützt. Wie beurteilen Sie vor dem Hintergrund dieser UN-Resolution die bevorstehende Abschiebung von Herrn Erhan A. in die Türkei, wodurch eine Weiterreise ins Kampfgebiet ermöglicht wird?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Generell ist zu sagen, dass wir solche Personen, bei denen eine konkrete Reiseabsicht, aber auch eine konkrete Terrorabsicht besteht, nicht ausreisen lassen, weil wir nicht wollen, dass von deutschem Boden Terror und Krieg ausgehen. Davon zu unterscheiden sind aber solche Personen, die keine Terrorabsicht haben, aber entsprechend agitieren, insbesondere Hassprediger, die gerade junge Menschen dazu bringen könnten, nach Syrien zu ziehen. Diese Personen wollen wir nicht im Land haben, weil wir insbesondere die dafür anfälligen Jugendlichen schützen wollen. Wir wollen nicht, dass solche Hassprediger zum Beispiel in Moscheen in Deutschland andere zu Terror anstiften; sie gehören selbstverständlich ausgewiesen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich sehe das mit den Hasspredigern anders. Ich finde: Wenn sie über YouTube ihre Botschaften aus dem Kampfgebiet senden, hat das eine wesentlich verheerendere Wirkung. Wenn sie wirklich Hass predigen, ist das Strafrecht wegen Volksverhetzung in Anspruch zu nehmen. Ich komme konkret zum Fall des Erhan A. Er sagt eindeutig, er beneide seinen Kumpel, der schon unten war. Er unterstützt ausdrücklich alle Gewalttaten, die der IS gegenwärtig begeht. Er hat lediglich noch nicht den Satz gesagt: Ich will da jetzt auch hin. - Aber wer eins und eins zusammenzählen kann, weiß, dass dieser Typ das denkt. Würden Sie mir zustimmen, dass es angesichts der UN-Resolution zu Foreign Fighters unzulässig wäre, Erhan A. gegenwärtig in die Türkei auszuweisen? Was haben Ihre diesbezüglichen Gespräche mit der Bayerischen Staatsregierung bislang ergeben? - Der Beschluss der IMK vom 5. Juni 2009 sieht ein hohes Maß an Kommunikation der Sicherheitsbehörden bei solchen Maßnahmen vor. Ich hoffe, das ist nicht nur Papier, sondern es gibt dieses Maß der Kommunikation.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Wir müssen im konkreten Einzelfall unterscheiden: ({0}) Ist das ein ausländischer Kämpfer? Will er im Ausland Terrortaten begehen? ({1}) Dann verhindern wir die Ausreise. Wenn es eine Person ist, die andere dazu bringen möchte, ins Ausland zu gehen, die agitiert, die hier in Deutschland in Moscheen tätig ist und insbesondere Jugendliche dazu bringen will, nach Syrien zu gehen, um sich dort ISIS anzuschließen, dann greifen ausländerrechtliche Instrumentarien, dann ist es angezeigt, diese Person auszuweisen. - Das müssen wir unterscheiden; das bringen Sie gerade durcheinander. ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer Nachfrage hat die Kollegin Heike Hänsel das Wort.

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke, Frau Präsidentin. - Ich habe eine Frage zu den aktuellen Auseinandersetzungen in Hamburg und Celle. Salafistische Gruppen hatten über Facebook und Twitter dazu aufgerufen, kurdische Kulturvereine zu überfallen. Danach kam es zu schweren Ausschreitungen. Wie gedenkt die Bundesregierung, darauf zu reagieren?

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Das ist eine sehr dynamische Lage. Auch in anderen Städten gab es solche Vorfälle. Jetzt kommt es darauf an, konkret mit den Sicherheitsbehörden vor Ort und auch mit den unterschiedlichen Akteuren zu sprechen, damit mögliche Demonstrationen gewaltfrei ablaufen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Kollegin Haßelmann stellt die nächste Frage.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär Schröder, ich möchte Sie auffordern, auf die konkrete Frage meines Kollegen Beck zu antworten. Er hat keine allgemeine Frage zu der grundsätzlichen Politik des Innenministeriums gestellt. Es ging ihm konkret um den Widerspruch zwischen den Aussagen des bayerischen Innenministeriums und der Ausreiseverfügung bezüglich einer ganz konkreten Person und der Rechtslage und der Anwendung der Rechtsvorschriften entsprechend den öffentlichen Einlassungen, insbesondere zur Linie des Innenministeriums von de Maizière. Herr Beck hat Sie ganz präzise und konkret gefragt. Sie haben aber, trotz zweimaliger Nachfrage, nicht darauf geantwortet. Ich fordere Sie deshalb auf, konkret etwas zu dem Fall Erhan A. aus Bayern zu sagen.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Ich habe ganz konkret geantwortet und erläutert, welche Absprachen mit den Ländern in Bezug auf die Vorgehensweise getroffen wurden. Ich gehe davon aus, dass auch dieser konkrete Fall gemäß den IMK-Beschlüssen abgewickelt wurde. Aber natürlich kenne ich nicht die konkrete Akte. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir sind immer noch im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Ich rufe die Frage 9 der Kollegin Luise Amtsberg auf: Was soll nach Kenntnis der Bundesregierung der Aufgabenbereich ({0}) der geplanten Frontex-Operation „Triton“ sein, und mit welcher Begründung setzt sich die Bundesregierung beim anstehenden EUInnenministerrat am 9. Oktober 2014 nicht für eine europäische Unterstützung der italienischen Marineoperation „Mare Nostrum“ auch außerhalb italienischen Hoheitsgewässers ein, die im vergangenen Jahr auf hoher See 100 000 Menschen gerettet hat ({1})? Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Der Einsatzplan der gegenwärtig geplanten Frontex-koordinierten Operation „Triton“ ist der Bundesregierung noch nicht bekannt. Nach bisherigem Kenntnisstand soll der Einsatz zur Implementierung koordinierter operativer Aktivitäten der EU-Mitgliedstaaten an den Seeaußengrenzen im zentralen Mittelmeer beitragen. Im Ergebnis sollen die grenzpolizeilichen Maßnahmen der zuständigen italienischen Behörden durch Personal und technische Ausrüstungsgegenstände anderer EU-Mitgliedstaaten unterstützt werden. Ziel ist die grenzpolizeiliche Kontrolle von Migrationsströmen in Richtung Europa und die Bekämpfung von grenzüberschreitender Kriminalität. Darüber hinaus sollen Seenotrettungsmaßnahmen der zuständigen italienischen Behörden im Einsatzgebiet unterstützt werden. Diese Einsatzziele sollen insbesondere durch Mittel der Grenzüberwachung und gezielten Informationsgewinnung im Rahmen von Befragungen erreicht werden. Die Höhe der dadurch entstehenden Einsatzkosten ist der Bundesregierung nicht bekannt. Da es sich bei der Operation „Triton“ um eine außerplanmäßige Maßnahme handelt, war sie nicht Gegenstand der Jahresplanung 2014. Der zulässige Kostenrahmen ergibt sich jedoch in erster Linie aus dem Frontex-Haushalt, also den verfügbaren Mitteln, und dem Jahresarbeitsprogramm der Agentur, also den durch den Verwaltungsrat entschiedenen Aktivitäten der Agentur. Zum zweiten Teil Ihrer Frage. Die Kooperation der EU-Mitgliedstaaten erfolgt entsprechend den Mechanismen im Rahmen der gemeinsamen polizeilichen Grenzüberwachung. Hierzu verfügen die zuständigen Mitgliedstaaten über gemeinsame Ausbildungs- und Einsatzstandards, Rechtsgrundlagen, Einsatzkonzepte und Einsatzmittel. Diese Kooperation hat sich auch im Mittelmeer in den Frontex-koordinierten Operationen „Hermes“ und „Aeneas“ bewährt. Die Operation „Mare Nostrum“ ist eine militärische Operation. Frontex hat hier weder das Mandat noch die Mittel, Einsatzmaßnahmen nach dem Vorbild „Mare Nostrum“ zu koordinieren. Um die vorhandenen Einsatzkapazitäten und notwendigen Ressourcen der Mitgliedstaaten kurzfristig nutzen zu können, sind Frontexkoordinierte Grenzüberwachungseinsätze unabdingbar. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass hierdurch Tausende Menschen gerettet und gleichzeitig kriminelle Schleusungsorganisationen bekämpft werden. Diese notwendige Verknüpfung des Rettungseinsatzes mit der polizeilichen Bekämpfung von Schleusungskriminalität kann in einer militärisch geführten Operation nicht gewährleistet werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Luise Amtsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004243, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Wir wissen noch nicht viel über die Bedarfsanforderungen seitens Frontex für diese Mission. Das leuchtet mir ein. Da warten wir natürlich noch auf weitere Informationen. Aber wir wissen schon, wie man sich das ungefähr vorstellen kann. So sagt die italienische EU-Ratspräsidentschaft beispielsweise, dass das Abnehmen von Fingerabdrücken auf hoher See, im Zweifel auch mit Gewalt, legitimiert werden soll und eine engere Zusammenarbeit - das wurde von unserem Bundesinnenminister unterstützt - mit den Transit- und Herkunftsländern stattfinden soll, unter anderem auch mit Ländern am Horn von Afrika. Mich würde interessieren, weil das Fragen sind, die die Menschenrechte berühren, ob die Bundesregierung eine engere Kooperation mit den Transit- und Herkunftsstaaten tatsächlich unterstützt und wie diese aussehen soll. Wenn die Bundesregierung diese Forderung nicht teilt, möchte ich wissen, wie sie gedenkt, diese Ausrichtung zu verhindern.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Morgen wird auf dem Innenministerrat über das Papier der italienischen EU-Ratspräsidentschaft gesprochen. Dieses Papier, das Sie eben angesprochen haben, sieht eine Stabilisierung der Herkunftsstaaten vor, insbesondere von Libyen und seinen Nachbarstaaten. Es geht darum, mit den Transitländern enger zusammenzuarbeiten, um den Schleusern das Handwerk zu legen, aber auch, um humanitäre Aufnahmekapazitäten zu schaffen. Dann geht es natürlich um den Schutz der Außengrenzen. Triton kann keine Fortsetzung von „Mare Nostrum“ sein, weil „Mare Nostrum“ eine militärische Operation ist und die EU keine militärischen Operationen zum Grenzschutz durchführt. Bei Triton geht es um einen durch Frontex gestützten Einsatz. Dieser soll natürlich auch dafür sorgen, dass Schiffbrüchige, also Menschen in Seenot, gerettet werden. Außerdem geht es der italienischen Ratspräsidentschaft vor allen Dingen darum, dass das gemeinsame europäische Asylsystem durchgesetzt wird, das heißt, dass unsere humanitären Standards eingehalten werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.

Luise Amtsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004243, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielleicht muss man das einfach einmal grundlegend klären. Die Frage tauchte ja auch vorhin schon in der Regierungsbefragung auf. Sind die Maßnahmen, die zur Bekämpfung von Schleuserkriminalität ergriffen werden, ausschließlich überwachungstechnischer Natur? Wenn man es den Schleusern durch eine härtere Abgrenzung also sozusagen unmöglich machen will, Menschen nach Europa zu bringen, ist man dann auch bereit, darüber nachzudenken, ob es andere Möglichkeiten gibt, um den Schutzsuchenden, um die es ja geht, Wege nach Europa zu eröffnen? Denkt die Bundesregierung darüber nach?

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Das machen wir aktiv. Denken Sie an unser Programm zur Aufnahme von 20 000 besonders Schutzbedürftigen. Diese Menschen haben wir aktiv nach Deutschland geholt. Wir haben die Kommission aufgefordert, ein entsprechendes Pledging-Verfahren durchzuführen, also die anderen Mitgliedstaaten aufzufordern, ebenfalls weitere Kapazitäten zu schaffen. Aber natürlich ist es auch notwendig, Schleuserkriminalität zu bekämpfen. Das erfolgt nicht durch Abschottung. Das geht nach der Genfer Flüchtlingskonvention überhaupt gar nicht. Wir sind gehalten - das entspricht auch unseren humanitären Standards -, jeden Flüchtling, der, egal auf welchem Weg, ob auf dem Landweg oder auf dem Seeweg, kommt, aufzunehmen, ihn nicht nur an Bord zu nehmen, sondern ihn auch nach Europa zu holen. Aber natürlich ist es auch notwendig, die Flüchtlinge zu befragen, wie sie denn nach Europa gekommen sind, was sie dafür bezahlt haben, welche Route sie gewählt haben. Die dadurch entstehenden Lagebilder sind wichtig, um Schleuserkriminalität zu bekämpfen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir kommen damit zur Frage 10 der Kollegin Luise Amtsberg: Welche sind nach Kenntnis der Bundesregierung die unterschiedlichen Maßnahmen, die von der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten im Vorfeld des EU-Innenministertreffens am 9. Oktober 2014 vorgeschlagen wurden, um künftig ein faires und solidarisches System zur Aufnahme von Schutzsuchenden in die EU zu gewährleisten, und wie beurteilt die Bundesregierung die von der EU-Ratspräsidentschaft als Ausgleichsmaßnahme vorgeschlagene Intensivierung der Familienzusammenführung und des Selbsteintrittsrechts im Rahmen der Dublin-III-Verordnung?

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Nach Kenntnis der Bundesregierung stellt die italienische EU-Ratspräsidentschaft zurzeit Maßnahmen zusammen, um die andauernden Flüchtlingsströme über das Mittelmeer nach Europa besser bewältigen zu können. Die hierzu erforderlichen Maßnahmen gehen über die Fragestellung eines fairen und solidarischen Systems zur Aufnahme von Schutzsuchenden in der Europäischen Union hinaus. Die Maßnahmen enthalten die sieben Punkte, die Bundesminister Thomas de Maizière in seiner Haushaltsrede vor dem Deutschen Bundestag genannt hat: verstärkte Zusammenarbeit der Europäischen Union mit Transit- und Herkunftsstaaten, verstärkte Bekämpfung von Schleuserbanden, bessere Überwachung der Außengrenzen und Migrationsströme der Europäischen Union, konsequente Anwendung der Dublin- und Eurodac-Verordnungen, Einrichtung eines beschleunigten Prüfverfahrens für Asylanträge in den Fällen, in denen das Bestehen eines Rechts auf Asyl wahrscheinlich ist, temporäre Verteilung anerkannter Flüchtlinge in andere Mitgliedstaaten zur Unterstützung besonders belasteter Mitgliedstaaten auf freiwilliger Basis und in Anrechnung der Lasten, die die Mitgliedstaaten bereits schultern, und zuletzt Umsetzung einer koordinierten gemeinsamen Rückführungspolitik. Die 2013 neugefasste Dublin-III-Verordnung sieht erweiterte Regelungen der Familienzusammenführung sowie des Selbsteintrittsrechts gerade auch aus humanitären Gründen vor. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wendet diese Regelungen bereits an.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur Nachfrage.

Luise Amtsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004243, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank für die Beantwortung meiner Frage. Den Medien konnte man ja entnehmen, dass sich Bundesminister de Maizière eigentlich kritisch zu der DublinVerordnung und zum Dublin-Mechanismus geäußert hat. Jetzt sagen Sie, dass an der Dublin-III-Verordnung festgehalten werden soll, also an dem Mechanismus. Meine Frage: Ist es da zu einer neuen Ausrichtung innerhalb des Bundesinnenministeriums gekommen, oder denkt man tatsächlich über eine Neuausrichtung oder einen anderen Verteilmechanismus innerhalb der Europäischen Union bei der Flüchtlingsaufnahme nach?

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Wir haben den Vorschlag gemacht, über eine zusätzliche freiwillige Verteilung nachzudenken. Die Herausforderung besteht darin, dass Sie immer festlegen müssen, wer für das konkrete Asylverfahren zuständig ist. Das müssen Sie nach der neuen Dublin-III-Verordnung umParl. Staatssekretär Dr. Ole Schröder setzen. Wenn Sie jetzt einen Verteilungsmechanismus einführen, der, wie Sie es vorschlagen, verpflichtend ist, dann haben Sie die gleiche Problematik der Durchsetzung. Das heißt, Sie lösen damit am Ende kein Problem. Deshalb sagen wir, dass wir für die Mitgliedstaaten, die momentan nicht die humanitären Standards erfüllen und an die wir zurzeit nicht nach dem Dublin-Verfahren überführen, zum Beispiel Griechenland, Anreize schaffen wollen. Wenn diese Länder die Standards erfüllen, die wir im Bereich des Flüchtlingsschutzes erwarten, dann sind wir im Gegenzug auch bereit, freiwillig zu helfen. Da fordern wir natürlich vor allem die Mitgliedstaaten auf, die bisher noch nicht solche großen Herausforderungen im Bereich des Flüchtlingsschutzes zu schultern haben.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben die Möglichkeit zu einer zweiten Nachfrage. Bitte.

Luise Amtsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004243, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Erst einmal: Ich habe noch gar keinen Vorschlag für einen Verteilungsmechanismus gemacht, sondern nur gesagt, dass es Alternativen gibt. Über diese kann man ja vielleicht einmal diskutieren; denn der Bundesminister hat sehr starke Kritik an Italien geäußert, weil es die Dublin-Verordnung sozusagen nicht in Gänze erfüllt. Darüber hinaus ist es sozusagen eine Neuausrichtung, wenn man - ich beziehe mich erneut auf eine Aussage des Bundesinnenministers - über gewisse Obergrenzen und ein Anreizsystem, von dem Sie gerade gesprochen haben, nachdenkt. Deshalb lautete meine Frage vorhin - ich frage jetzt explizit noch einmal nach -: Gibt es Überlegungen, ein neues Modell einzuführen? Anreizsysteme für Staaten, zum Beispiel Griechenland, zu schaffen, die Standards wieder anzuheben, begrüßen wir ausdrücklich. Das würden wir immer unterstützen, weil nur das der Weg zu einem gemeinsamen Asylsystem ist. Aber meine Frage bezog sich tatsächlich auf die von Bundesminister de Maizière getroffenen Aussagen dazu.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Zunächst einmal: Der Bundesinnenminister hat nie von einer Obergrenze gesprochen. Das ist schlichtweg falsch. Es bringt auch nichts, ihn immer wieder falsch zu zitieren. Wir werden unserer humanitären Verpflichtung im Rahmen des gemeinsamen europäischen Asylsystems gerecht. Das Problem ist, dass sich einige Mitgliedstaaten zurzeit an dieses gemeinsame europäische Asylsystem nicht halten. Die Einhaltung muss aber durchgesetzt werden. Dabei geht es auch um humanitäre Standards. Das ist Aufgabe der Kommission. Nun überlegen wir, wie wir zusätzliche Anreize schaffen, damit Mitgliedstaaten wie beispielsweise Griechenland ebenfalls die Dublin-Standards erfüllen. Sie erwarten dann, dass sie zusätzlich zu den finanziellen Hilfen durch Frontex von allen Mitgliedstaaten freiwillig unterstützt werden. Das ist im Übrigen keine neue Position. Das ist schon in gemeinsamen Papieren der EVP-Minister und EVP-Abgeordneten, die sich mit Innenpolitik beschäftigen, so ausgeführt worden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Kollegin Haßelmann hat zu einer weiteren Nachfrage das Wort.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär Schröder, wir haben im Zusammenhang mit dem DublinIII-Abkommen auch über das Stichwort „Familienzusammenführung“ gesprochen. Bleibt es dabei, dass sich die Bundesregierung weigert, gerade im Hinblick auf die Notsituation Nordirak/Syrien über eine erleichterte Familienzusammenführung insbesondere von Menschen, die fliehen oder in Flüchtlingslagern sind und Verwandte in Deutschland haben, nachzudenken? Denken Sie mit Blick auf diese Menschen über erleichterte Aufnahmebedingungen - ich denke da an die Verpflichtungserklärung und viele andere Punkte, die zu Erschwernissen führen - im Rahmen der Familienzusammenführung nach?

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Erstens bitte ich Sie, uns nicht etwas vorzuwerfen, was wir nicht machen. Die Verpflichtungserklärungen, von denen Sie sprechen, sind nicht eine Auflage in den Bundesprogrammen, sondern eine Auflage in den Landesprogrammen, insbesondere von Nordrhein-Westfalen. Also achten Sie bitte darauf, an wen Sie bestimmte Vorwürfe richten. Zweitens: Wir bemühen uns auch aktiv um eine Familienzusammenführung. Deshalb haben wir die Programme zur aktiven Aufnahme auf den Weg gebracht. Wir sprechen hier über insgesamt 20 000 Personen. Da haben wir ganz speziell darauf geachtet, dass es auch um Familienzusammenführung geht. Sie ist uns ganz besonders wichtig. Die Länder haben im Rahmen ihrer Länderaufnahmeprogramme zusätzliche Familienzusammenführungen ermöglicht. ({0}) Es wurden bestimmte Personen aktiv aus dem Krisengebiet geholt. Dabei ging es nicht um Asyl; die Menschen kommen ohnehin. Die Länder haben es zur Auflage gemacht - das war nicht der Bund, sondern die dafür zuständigen Länder, und zwar im Rahmen der Länderprogramme -, dass Verpflichtungserklärungen abgegeben werden müssen. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Staatssekretär Schröder ist insofern nicht mehr gefragt, als es keine weiteren Nachfragen gibt. Herzlichen Dank. Wir sind damit am Ende der Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Vizepräsidentin Petra Pau Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Fragen 11 und 12 des Abgeordneten Dr. Axel Troost von den Linken, die Fragen 13 und 14 des Abgeordneten Richard Pitterle von den Linken, die Frage 15 der Abgeordneten Lisa Paus von den Grünen sowie die Fragen 16 und 17 der Abgeordneten Susanna Karawanskij von den Linken sollen schriftlich beantwortet werden. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Fragen 18 und 19 der Abgeordneten Sabine Zimmermann ({0}) von den Linken sollen schriftlich beantwortet werden. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Peter Bleser zur Verfügung. Die Fragen 20 und 21 der Abgeordneten Bärbel Höhn von den Grünen sowie die Fragen 22 und 23 des Abgeordneten Harald Ebner von den Grünen sollen schriftlich beantwortet werden. Ich rufe die Frage 24 des Kollegen Friedrich Ostendorff von den Grünen auf: Wie hoch würden die zusätzlichen finanziellen Belastungen im Einzelplan 10 des Bundeshaushalts für die Zuschüsse zur Alterssicherung der Landwirte ausfallen, wenn die Hofabgabeklausel abgeschafft würde und die den Landwirten zustehenden Rentenansprüche realisiert würden? Bitte, Herr Staatssekretär.

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Die Antwort auf die Frage lautet wie folgt: Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages sieht vor, die Hofabgabeklausel neu zu gestalten. Deren Abschaffung wird folglich nicht erwogen. Deshalb erübrigen sich auch Berechnungen über die finanziellen Auswirkungen einer Abschaffung der Hofabgabeklausel.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Friedrich Ostendorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003604, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, das Ministerium hat allerdings verlautbart, dass hier um die 20 Millionen Euro an zusätzlichen Lasten auf den Bundeshaushalt zukämen; deshalb überrascht die Antwort doch etwas. Worauf begründen Sie diese Zahl? Zusätzliche Rentenansprüche werden hier ja nicht erwirkt, sondern der Bundeshaushalt profitiert heute davon, dass etliche Betriebe ihre Rentenanwartschaften nicht geltend gemacht haben; damit haben sie den Bundeshaushalt letztlich entlastet. Von daher kann man nicht von Mehrbelastungen reden, sondern müsste - würden Sie sich dem anschließen? - haushalterisch korrekt sagen, dass man denjenigen, die hier Ansprüche hätten, danken sollte, und wir müssten, wenn wir ehrlich wären, diese Ansprüche im Bundeshaushalt berücksichtigen.

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Herr Kollege Ostendorff, diese Zahl beruht auf einer Schätzung, die unter bestimmten Voraussetzungen vorgenommen worden ist. Da ich aber schon bei der Beantwortung Ihrer Frage gesagt habe, dass eine Abschaffung der Hofabgabeklausel nicht zur Diskussion steht, steht diese Zahl auch nicht im Raum.

Friedrich Ostendorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003604, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gut. Zur zweiten Frage: Ihr Minister, Herr Schmidt, hat jetzt einen Vorschlag in die Debatte eingebracht, und zwar, auf zwei Jahre terminiert die Rente um 50 Prozent zu kürzen, wenn ein Hof von bis zu 16 Hektar weiter bewirtschaftet wird. Dieser Vorschlag überrascht. Die Frage für uns als Grüne wäre, warum man dem sehr ausgearbeiteten Gutachten der Bundesforschung - die ja dem Minister untersteht - nicht folgt, die ausgerechnet hat, dass es begründbar wäre, die Hofabgabeklausel fallen zu lassen und einen zehnprozentigen Rentenabschlag vorzusehen. So ist es ja auch im übrigen Rentensystem: Wer weiter arbeitet, hat mit Rentenabschlägen zu rechnen. Die Bundesforschung galt bisher in diesem Punkt als diejenige, die ohne Fehl und Tadel und ohne Kritik erklären kann, wie das Rentensicherungssystem der Landwirtschaft funktioniert - das können ja nicht ganz viele in diesem Land. Warum folgt Ihr Minister dieser Empfehlung seiner eigenen Forschung nicht?

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Ich habe ja schon berichtet, dass eine Abschaffung der Hofabgabeklausel nicht zur Diskussion steht. Den Vorschlag des Thünen-Institutes, eine Kürzung von 10 Prozent vorzunehmen, sehen wir rechtlich als problematisch an, weil das Äquivalenzprinzip hier erheblich beeinträchtigt wäre, und wir sehen rechtliche Konsequenzen, was die Gleichbehandlung angeht, damit verbunden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Damit kommen wir zur Frage 25 des Kollegen Friedrich Ostendorff: Welche Maßnahmen zur Stabilisierung des Milchpreises und zum Schutz bäuerlicher Milcherzeuger beabsichtigt die Bundesregierung angesichts des schlecht laufenden Absatzes in China und der rasant anwachsenden weltweiten Erzeugung zu treffen ({0})? Bitte, Herr Staatssekretär.

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Die Bundesregierung unterstützt den Kurs einer Marktausrichtung der Milchwirtschaft; hierbei bilden sich die Preise für Milcherzeugnisse und, zeitversetzt, für Rohmilch am Markt dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage entsprechend. Dies schließt zyklische und kurzfristige Preisschwankungen entlang des von den Marktexperten grundsätzlich positiv eingeschätzten Trends allerdings nicht aus. Insofern unterscheidet sich der Milchmarkt nicht von anderen Märkten für landwirtschaftliche Produkte. Die Bundesregierung hält das mit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik gestärkte Sicherheitsnetz für tragfähig. Für den Fall außergewöhnlicher Marktrisiken kann die Europäische Kommission erforderliche Maßnahmen ergreifen. Die von der Europäischen Kommission wegen des russischen Importstopps getroffenen Maßnahmen werden von der Bundesregierung unterstützt. Neue staatliche und halbstaatliche Mengenregelungen werden abgelehnt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Friedrich Ostendorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003604, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es ist zugegebenermaßen so, dass sich der Milchpreis in den letzten zwei Jahren etwas stabilisiert hat und viele Milcherzeuger und -erzeugerinnen wieder etwas Licht am Ende des Tunnels sehen. Die Lage bleibt aber durchaus kritisch zu sehen: So sind die Möglichkeiten des Exports völlig überschätzt worden. Die Käsemenge, die Russland jetzt nicht mehr abnimmt, hat dazu geführt, dass der Milchpreis sehr unter Druck gekommen ist. Statt der 37 Cent, die die Milchbauern und -bäuerinnen im letzten Jahr pro Liter bekommen haben, tendiert die Börse jetzt zu 27 Cent. Wenn Sie davon reden, dass die Situation nicht so dramatisch sei, Herr Staatssekretär, muss ich Ihnen sagen: Wir sind da anderer Meinung. Wir sehen hier schon einen düsteren Horizont und befürchten, dass bei Auslaufen der Quote im nächsten Jahr bei der jetzigen Entwicklung viele Milchviehbetriebe unter einen massiven Existenzdruck geraten werden. China nimmt nicht in dem Maße ab, wie es von Ihnen immer prognostiziert wurde, und Neuseeland ist stärker am Markt, als von allen prognostiziert worden ist. Ich hätte deshalb gerne noch einmal nachgefragt, worauf Sie den Optimismus real stützen, den Sie hier verbreiten. Oder sind das nur Sonntagsreden?

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Herr Kollege Ostendorff, auch in den vergangenen Jahren hat es trotz der Milchquotenregelung starke Marktveränderungen sowohl nach oben als auch nach unten gegeben. Sie kennen sie sicher genauso gut wie ich. Das hat mit der Milchquotenregelung speziell also überhaupt nichts zu tun. Die Märkte sind mittlerweile natürlich global, und wir haben keine geschlossenen Außengrenzen, wodurch es möglich wäre, den Binnenmarkt zu schützen. Insofern setzen wir auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Milchproduktion und damit auch auf die Möglichkeit, internationale Märkte zu bedienen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.

Friedrich Ostendorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003604, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, teilen Sie die Auffassung von uns Grünen, dass wir bei zukünftigen Stützungen und Förderungen der landwirtschaftlichen Betriebe - hier: der Milchviehbetriebe -, die sie gerade in den benachteiligten Regionen dringend brauchen, darauf achten müssen, dass eben nicht, wie bisher - das sind Zahlen aus Ihrem Haus -, 0,56 Prozent der Betriebe 16,8 Prozent der Förderung und Unterstützung erhalten, sondern dass gerade denjenigen im Bereich der Milchwirtschaft eine ganz konzentrierte Förderung zukommen muss, die im Bereich Grünland und in benachteiligten Regionen wirtschaften? Teilen Sie diese Einschätzung, und werden Sie sich dafür einsetzen?

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Das haben wir auch bisher schon getan, Herr Kollege Ostendorff. Insbesondere durch die europäische Agrarpolitik und die Umsetzung in Deutschland haben wir in den letzten Jahren die Förderung von Grünland der Förderung von Ackerland gleichgestellt. Das dient insbesondere den benachteiligten Gebieten. Daneben haben wir die Umschichtung von 4,5 Prozent der Ausgleichszahlungen auf die Länder, um in der zweiten Säule auch Agrarumweltmaßnahmen zu finanzieren, auch deswegen vorgenommen, um gerade in diesen Regionen zusätzliche Möglichkeiten zu schaffen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Es gibt eine weitere Nachfrage.

Nicole Maisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003884, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, ich habe noch eine Nachfrage zur Zahl der Milchbetriebe, die wir in den letzten zehn Jahren verloren haben. Sie haben das in einer Antwort an den Kollegen Ostendorff ja dargelegt: In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Milchbetriebe von 121 000 auf 78 000 gesunken. Sie sagen, diesen Prozess anzuhalten, sei weder möglich noch sinnvoll, stellen sich also hinter diesen Strukturwandel. Angesichts der Tatsache, dass Sie und der Agrarminister immer von der bäuerlichen Landwirtschaft sprechen, würde ich Sie gerne fragen, was die von Ihnen angestrebte Zahl an Milchbetrieben ist. Wie viele Betriebe sollen in diesem Strukturwandel also noch verloren gehen?

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Sie werden von mir keine Zielzahl in Bezug auf die verbleibenden Milchbetriebe hören, aber ich kann Ihnen sagen, dass der Strukturwandel trotz der Marktregulierung, die wir in den letzten Jahren hatten, nicht beeinträchtigt worden ist, sondern ganz im Gegenteil! Sie haben die Zahlen genannt. Ich habe Zahlen der letzten drei Jahre vorliegen: In den letzten drei Jahren reduzierte sich die Anzahl der Milchbetriebe jeweils um durchschnittlich etwas über 9 Prozent. Die Anzahl der in den Betrie5170 ben gehaltenen Tiere ist in den letzten drei Jahren dagegen um 9 Prozent gestiegen. Sie sehen also: Die Veränderung der Betriebsgrößen hat etwas mit Effizienzsteigerungen in der Produktion - es geht um technische Möglichkeiten, Managementfähigkeiten, aber auch Möglichkeiten der Leistungssteigerung - zu tun. Insofern lässt sich so etwas weder aufhalten noch beschleunigen. Wir setzen aber darauf, dass wir die Milchwirtschaft mit den Maßnahmen, die Herr Ostendorff angesprochen hat, insbesondere in den benachteiligten Gebieten halten können.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Wir sind damit am Ende Ihres Geschäftsbereichs. - Natürlich auch herzlichen Dank für die Nachfrage, Kollegin Maisch. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe zur Verfügung, wobei die Fragen 26 und 27 des Kollegen Dr. Tobias Lindner, die Fragen 28 und 29 des Kollegen Dr. Frithjof Schmidt, die Fragen 30 und 31 der Kollegin Agnieszka Brugger, die Frage 32 der Kollegin Britta Haßelmann, die Fragen 33 und 34 des Kollegen Omid Nouripour und die Fragen 35 und 36 des Kollegen Uwe Kekeritz aufgrund unserer Richtlinien schriftlich beantwortet werden. Für diejenigen, die uns hier zuhören und zuschauen: In diesen Fragen werden Sachverhalte berührt, die an anderer Stelle auf der Tagesordnung unserer Sitzungswoche stehen und deshalb nicht in der Fragestunde behandelt werden. Die Frage 37 des Kollegen Andrej Hunko soll ebenfalls schriftlich beantwortet werden. Ich rufe die Frage 38 der Kollegin Katja Keul auf: Was sind die Gründe für die absehbaren Mehrkosten in Höhe von 255 Millionen Euro für den Abschluss der Entwicklung des ISIS-Systems ({0}), und stehen diesen Mehrkosten etwaige Schadensersatzansprüche gegen die mit dem Projekt betrauten Unternehmen entgegen, die das BMVg auch geltend machen wird? Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin, ich antworte Ihnen wie folgt: Die im Jahre 2010 geschätzten Entwicklungskosten umfassten eine reine Komponentenentwicklung des ISIS-Missionssystems. Für die Entwicklung eines serienreifen ISIS-Systems, das auf dem derzeitigen technischen Stand aufbaut, einschließlich der Beschaffung eines ersten Seriensystems werden weitere Kosten in Höhe von circa 255 Millionen Euro abgeschätzt. Diese Abschätzung wurde im Rahmen der Erstellung der Lösungsvorschläge für alternative Trägerplattformen aktualisiert.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Diese Zahl ist schon sehr erstaunlich, da uns am Ende des Euro-HawkUntersuchungsausschusses gesagt wurde, dass die bis dahin investierten 270 Millionen Euro gar nicht verloren seien; denn dafür habe man quasi ein fertiges, technologisch funktionierendes System bekommen. Nun hören wir aber, dass zur Vervollständigung dieses Systems noch einmal 255 Millionen Euro erforderlich sind. Das finde ich sehr erklärungsbedürftig. Als ich der Ministerin heute im Verteidigungsausschuss diese Frage stellte, kannte sie diese Zahl von 255 Millionen Euro gar nicht. Wie kann das sein? Wer hat denn entschieden, dass hier noch einmal 255 Millionen Euro investiert werden sollen?

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Frau Kollegin, eine solche Entscheidung ist noch gar nicht getroffen worden. Ich will Ihnen aber gerne den Zusammenhang erläutern. Die von Ihnen angesprochene Summe bezog sich - vereinfacht ausgedrückt - auf die Entwicklung eines Prototyps nach dem damaligen Preisstand. Sie dürfen aber die Preisentwicklung und die bereits von mir angesprochenen technischen Entwicklungen, die es seitdem gegeben hat, nicht vergessen. Ich habe Ihnen bereits in meiner ersten Antwort gesagt, dass die von Ihnen genannte und in Rede stehende Summe auch die Kosten der Beschaffung eines ersten Seriensystems einschließt. Die Überlegung ist, den Prototypen ISIS zu Ende zu entwickeln und gleichzeitig ein erstes Serienmodell mit abzunehmen. Auf diese Überlegung bezieht sich die genannte Summe. Wir befinden uns in entsprechenden Gesprächen mit der Industrie. Es gibt noch keinen abgeschlossenen Vertrag. Es erscheint uns aber aus heutiger Sicht wirtschaftlich günstig, die Entwicklung des Prototyps mit der Abnahme des ersten ISIS-Seriensystems zu kombinieren. Sollte sich das im Zuge der Verhandlungen als weniger günstig herausstellen, kann es auch andere Lösungen geben. Wie gesagt, es gibt noch keinen unterschriftsreifen Vertrag. Wenn wir so weit sind, werden wir uns selbstverständlich mit einer 255-Millionen-Euro-Vorlage an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages wenden und dann detailliert darlegen, was uns geboten wird, was wir haben wollen und welcher Preis von uns verlangt wird. Dann ist es Sache des Haushaltsausschusses, darüber zu entscheiden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage, bitte.

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich stelle mir gerade vor, was geschehen würde, wenn so etwas im privaten Bereich passierte. Sie haben an die EuroHawk GmbH eine Viertelmilliarde Euro für ein Flugzeug gezahlt, das nicht fliegt, und eine Viertelmilliarde für eine Aufklärungstechnologie, die ebenfalls noch nicht funktioniert und die Investition des doppelten Betrags benötigt, bis sie auch nur ansatzweise fertig entwickelt ist. Sie haben des Weiteren keine Schadensersatzansprüche gegen EADS geltend gemacht, weil der Vertrag offensichtlich so schlecht ist, dass Sie Angst haben, dass er möglicherweise vor Gericht nicht besteht. Jedenfalls heißt es, die Prozessrisiken seien zu hoch. Jetzt will man also diesem Auftragnehmer mit diesem Vertrag noch einmal eine Laufzeitverlängerung mit Kosten von 250 Millionen Euro geben. Ich frage Sie: Wird man diesen Vertrag dann endlich um eine effektive Gewährleistungsklausel ergänzen? Oder will man hier EADS weiter das Geld hinterherschießen?

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Frau Kollegin, den Vorwurf, dass wir jemandem Geld hinterherschießen, weise ich namens der Bundesregierung entschieden zurück. Es macht, glaube ich, Sinn, sich etwas tiefer mit der Materie zu beschäftigen ({0}) - vielleicht macht es auch Sinn, den Staatssekretär einmal ausreden zu lassen - und die verschiedenen Komponenten zu betrachten. ({1}) Sie sprachen von Prozessrisiken, die ja auch in einem Gutachten beleuchtet worden sind. Dabei geht es um das Projekt Euro Hawk insgesamt. Die damit zusammenhängenden Probleme sind bekannt. Gleichwohl wird auch da vor den Prozessrisiken gewarnt. Dieser Einschätzung hat sich die Bundesregierung angeschlossen. Aber dabei geht es im Wesentlichen um das Trägersystem Euro Hawk. Ihre Fragen beziehen sich auf ISIS. Das ist eine ganz andere Komponente. Es gibt bei der Entwicklung des Prototypen im Wesentlichen Preissteigerungen, wie es sie auch in anderen Bereichen gibt. Inflation ist kein Grund, ein Unternehmen zu verklagen. Ich weise noch einmal darauf hin: Die Entwicklung des Prototyps ist noch nicht abgeschlossen. Wir hatten ursprünglich im Jahre 2010 geschätzte Entwicklungskosten - die habe ich erwähnt - von circa 330 Millionen Euro. Die betrafen zum Teil die Entwicklung des Prototyps, zum Teil die dort vorgesehenen Zielbefähigungen. Es waren also nicht nur 230 Millionen. Wir reden jetzt über zwei Systeme: Das betrifft einmal die Zu-Ende-Entwicklung des Prototyps. Gleichzeitig geht es um das erste ISIS-Seriensystem. Das ist also nicht mit den früheren Kalkulationen, die Sie zitiert haben, zu vergleichen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Kollegin Haßelmann stellt die nächste Nachfrage.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Brauksiepe, man braucht schon - nachdem der von Ihrem Ministerium veranlasste KPMG-Bericht zuerst an die Presse und erst dann an das Parlament weitergegeben wurde - ein bisschen Chuzpe, hier zu fordern, wir sollten uns erst einmal in der Frage fachkundig machen. Vielen Dank für solche Hinweise. Die können wir an der Stelle nicht gebrauchen. Sie sollten mit dem Parlament anders umgehen. Ich würde Sie bitten, diese Zahlen, die jetzt bei Ihnen auch ein bisschen durcheinandergeraten sind, noch einmal genau - notfalls auch schriftlich - darzulegen. Es gibt Mehrkosten von 255 Millionen Euro. Sie müssten uns angesichts des Rüstungsdesasters, das wir im Rahmen dieser Auftragsvergabe bei ISIS haben - eine Viertelmilliarde Euro für ein Flugzeug, das nicht fliegt, und eine Viertelmilliarde für das Aufklärungsgerät -, diese Zahlen noch einmal im Detail darlegen.

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Frau Kollegin, ich denke, Sie haben, was das Gutachten und die Presse angeht, bewusst die passivische Formulierung „wurde an die Presse gegeben“ gewählt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie dem Bundesministerium der Verteidigung hier ernsthaft einen Vorwurf machen wollen. Von daher unterstreiche ich: Das war sicherlich bewusst so gewählt. ({0}) Jetzt sage ich Ihnen noch einmal: Für die Entwick- lung des Prototypen ISIS sind bis September 2013 insge- samt circa 270 Millionen Euro ausgegeben worden. Sie wissen, dass die Entwicklung dann gestoppt worden ist, und Sie wissen, dass es das von Ihnen angesprochene Gut- achten gibt, aus dem wir Konsequenzen ziehen wollen. In ihm steht, genau das zu tun, was ich hier schon erläutert habe, nämlich für einen heute - Stand 8. Oktober - ge- schätzten Preis von 255 Millionen Euro a) diesen Prototy- pen zu Ende zu entwickeln und b) das erste ISIS-Seriensystem zu beschaffen. Eine solche Kalkulation, die diese Beschaffung mit einschließt, ist in den von Ihnen genannten Zahlen nicht enthalten. Von daher kann man nicht von Mehrkosten in dem Sinne sprechen, dass hier etwas aus dem Ruder gelaufen wäre, sondern wir haben in der Tat - das ist sehr richtig - für die bereits verausgabten 270 Millionen Euro eine Gegenleistung bekommen. Auch für die geschätzten 255 Millionen Euro ist eine konkrete Gegenleistung im Gespräch, nämlich die Zu-Ende-Entwicklung des Prototypen und das erste Seriensystem. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Zwischenrufe aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen werden sicherlich, wenn verständlich, im Protokoll auftauchen. Gleichwohl hat der Herr Staatssekretär auf die gestellten Fragen geantwortet, wenn auch offensichtlich nicht zur Zufriedenheit aller Fragesteller, aber das wird dann an anderer Stelle weiter ausgetragen. Herzlichen Dank. Wir sind am Ende dieses Geschäftsbereichs. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche zur Verfügung. Ich rufe die Frage 39 des Kollegen Herbert Behrens auf: Mit welcher Begründung soll im Rahmen der Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland nur die Nutzung von Bundesautobahnen und Bundesstraßen entgeltpflichtig werden ({0}), und welche Verlagerungseffekte auf das nachgeordnete Straßennetz sind nach Kenntnis der Bundesregierung aufgrund dieser Tatsache zu erwarten, bitte gegebenenfalls in Auftrag gegebene oder bekannte Studien benennen? Bitte, Frau Staatssekretärin.

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Anfang Juli hat der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur sein Konzept zur Einführung einer Infrastrukturabgabe vorgestellt. Dieses Konzept sieht eine Mautpflicht auf dem gesamten Straßennetz vor. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur prüft derzeit, ob diesbezüglich Änderungen vorgenommen werden sollten, um hierzu in den Grenzregionen geäußerten Bedenken Rechnung zu tragen. Eine abschließende Entscheidung ist noch nicht getroffen worden. Nennenswerte Verkehrsverlagerungen werden insbesondere auch aufgrund der moderaten Vignettenpreise nicht erwartet. Studien zu möglichen Verkehrsverlagerungen, nach denen Sie gefragt haben, wurden deshalb nicht in Auftrag gegeben.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Staatssekretärin, wenn Sie sich gerade in der Phase der Prüfung befinden, werden Sie sich sicherlich unterschiedliche Szenarien angesehen haben, was die Wirkung in den Grenzregionen anbetrifft. Sie sagen: Das Ergebnis dieser Prüfung ist, dass es keine Verlagerungseffekte geben wird. - Habe ich das richtig verstanden?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Ich habe gesagt, dass wir keine Studien in Auftrag gegeben haben und dass der Preis der geplanten Vignette sehr moderat ist. Aber den wichtigsten Punkt, Herr Kollege, möchte ich noch einmal betonen: Da es keine abschließende Entscheidung über das am Ende dann tatsächlich mautpflichtige Straßennetz gibt, sind auch Spekulationen über Verlagerungen und dergleichen nicht angebracht.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Dann will ich ganz gerne einen Aspekt betrachten, der den Prüfungsprozess und die Wirkung der Pkw-Maut auf die Grenzregionen betrifft. Mit welchen Institutionen haben Sie sich abgestimmt, um Klarheit über die Wirkung dieser Maut auf die Grenzregionen zu erhalten? Sind dabei auch die Fachkolleginnen und Fachkollegen der angrenzenden EU-Staaten in die Beratungen einbezogen worden?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Wir gehen bei diesem Gesetzesvorhaben so vor wie bei anderen Gesetzesvorhaben. Zunächst erfolgt eine Erarbeitung im Haus, dann eine Diskussion mit beteiligten Ressorts, und dann geht es den Verfahrensgang, den auch Sie kennen. Es ist aber auch bekannt, dass unser Verkehrsminister, Herr Dobrindt, in verschiedenen Ländern gewesen ist, um Gespräche zu führen und um Zustimmung dafür zu werben, dass wir das tun, was die EU von uns verlangt, nämlich eine Ausweitung der Nutzerfinanzierung unserer Straßen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Krischer das Wort.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin Reiche, ich verstehe Ihre Äußerungen so, dass Sie sagen: Das Konzept ist zwar noch nicht ganz klar, wir arbeiten noch daran, aber es wird keine Verlagerungseffekte geben, weil die Maut so gering ist, dass sie in den Grenzregionen keine Rolle spielt. Ich fasse das einmal so zusammen. Sie wissen noch nicht, was Sie genau machen, aber es ist schon klar, dass das keine Effekte hat. Ich bekomme sehr viel Post von Industrie- und Handelskammern - die sind nun wahrlich nicht als grüne Vereinigungen bekannt -, die uns sehr wohl Berechnungen und Gutachten vorlegen, in denen von immensen Effekten der Pkw-Maut in den Grenzregionen gesprochen wird. Meine Frage: Berücksichtigen Sie das in irgendeiner Weise? Interessiert Sie das, oder spielt das alles bei Ihren Überlegungen gar keine Rolle?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Herr Kollege Krischer, Sie können sicher sein, dass die Lebensgewohnheiten, die Arbeitsgewohnheiten und auch die Wirtschaftsgewohnheiten in den Grenzregionen sehr wohl berücksichtigt werden und wir dies bei der Ausgestaltung einer Infrastrukturabgabe sehr wohl in Betracht ziehen. ({0}) - Doch. Sie haben gefragt, ob wir das berücksichtigen. Natürlich! ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir kommen damit zur Frage 40 des Kollegen Herbert Behrens: Soll die Einhaltung der Mautpflicht angesichts der geplanten unentgeltlichen Nutzung des nachgeordneten Straßenverkehrsnetzes nur auf Bundesautobahnen sowie Bundesstraßen kontrolliert werden, und sieht die Bundesregierung nunmehr vor, dass Kfz-Halterinnen und -Halter, welche ihren Pkw in Deutschland zugelassen haben und nur selten - oder gar nicht in der Baulast des Bundes befindliche Straßen nutzen, auch Kurzzeitvignetten erwerben können, wie es Halterinnen und Haltern von im Ausland zugelassenen Pkw ermöglicht wird bitte jeweils begründen? Bitte, Frau Staatssekretärin.

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Herr Kollege, wie schon gesagt, befindet sich das Konzept derzeit in der Erarbeitung. Es sieht keine Kurzzeitvignetten für in Deutschland zugelassene Fahrzeuge vor. Die Einhaltung einer Vignettenpflicht kann sinnvollerweise nur auf dem mautpflichtigen Streckennetz kontrolliert werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer Nachfrage.

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Staatssekretärin, ich glaube, an dieser Stelle wird der Konflikt deutlich bezüglich dessen, was die EU vorgibt: dass es zu keiner Diskriminierung aufgrund der Staatszugehörigkeit kommen darf. Wenn den Haltern von nicht in Deutschland zugelassenen Autos Kurzzeitvignetten für die entsprechenden Straßen angeboten werden sollen, so gilt das offenbar nicht für in Deutschland zugelassene Fahrzeuge, weil deren Halter nämlich nicht in der Lage sind, eine Kurzzeitvignette zu kaufen. Haben Sie den Umstand geprüft, ob es sich bei dieser Tatsache nicht auch um eine Diskriminierung der Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen handelt?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Die von Ihnen vermutete Diskriminierung können wir in diesem Punkt sicherlich ausschließen, weil Halter von in Deutschland Kfz-steuerpflichtigen Pkw eine Infrastrukturabgabe entrichten müssen, und im Gegenzug erhalten sie den Infrastrukturabgabenbescheid und die Papiervignette. Über alle anderen Fragen, die die Halter von Autos betreffen, die nicht hier zugelassen sind, sind wir in intensivem Kontakt mit der EU.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben die Möglichkeit zu einer zweiten Nachfrage.

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Dann haben Sie also beim Prüfen und Vorbereiten des Gesetzentwurfes festgestellt, dass diese Variante zulässig ist, dass es eben die Jahresvignette für in Deutschland zugelassene Fahrzeuge und gleichzeitig eine Entlastung bei der Kfz-Steuer geben wird? Sie haben also den Konflikt ausgeräumt, dass es sich dabei um eine unzulässige Koppelung von Belastung auf der einen und Entlastung auf der anderen Seite handelt, was ja nach Aussage der EU-Kommission auf jeden Fall nicht EUrechtskonform wäre?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Herr Kollege, zur Erläuterung lassen Sie mich zitieren, was uns die EU-Kommission dazu sagt. Die EUKommission sagt ganz ausdrücklich, dass zwischen den verschiedenen Säulen der Infrastrukturfinanzierung, nämlich der Steuerfinanzierung über Kfz-Steuer oder Mineralölsteuer einerseits und der Nutzerfinanzierung durch Einführung einer Vignette andererseits, Verschiebungen für die Mitgliedstaaten möglich sind. Wir bewegen uns in diesem Fall also sehr wohl in dem von der EU-Kommission vorgegebenen Rahmen. Aber Sie können sicher sein, dass ein endgültiger Gesetzentwurf die Anforderungen erfüllen wird, die im Koalitionsvertrag vorgegeben sind.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Kollege Krischer hat das Wort zu einer Nachfrage.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, Sie haben uns erläutert, dass Sie das Ganze noch überprüfen, daran noch arbeiten und verschiedene Varianten testen. Eine davon ist ja - das war jedenfalls der Inhalt auch öffentlicher Äußerungen -, dass Landes- und Kreisstraßen nicht berücksichtigt werden. Sie sollen zwar bemautet werden, aber die Maut soll nicht erhoben werden; so habe ich es verstanden. Offiziell soll also schon eine Maut erhoben werden, inoffiziell aber dann doch nicht. Abgesehen davon, wie das laufen soll: So jedenfalls war die Kommunikation nach draußen. Mich würde interessieren - ich selber lebe in einer Grenzregion -, wie Sie Menschen aus dem europäischen Ausland, die die Grenze nach Deutschland überschreiten, vermitteln wollen, auf welcher Straße sie sich gerade bewegen, ob auf einer Bundes-, Landes- oder Kreisstraße. Ich glaube, dass es vielen Menschen, die zum Beispiel in die Innenstadt von Aachen fahren, gar nicht klar ist, ob sie sich auf einer Bundes-, Landes- oder Kreisstraße bewegen.Wenn es da zu einer Unterscheidung kommt - bei Autobahnen ist das offensichtlich; aber die Unterscheidung zwischen Bundesstraßen auf der einen Seite und Kreis- und Landesstraßen auf der anderen Seite wird hochproblematisch -, brauchen wir dann an unseren Landesgrenzen eine Landeskunde dazu, welche Straßen in Deutschland wie aussehen, oder wie wollen Sie dieses Problem lösen?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Landeskunde, Herr Kollege, schadet nie. Aber zum Kern Ihrer Frage, um sie im Ernst zu beantworten: Ihre gesamten Ausführungen in 1 Minute und 14 Sekunden beruhen auf Spekulationen in der Presse. Sie werden es mir nachsehen, dass wir nicht zu jeder Spekulation in der Presse Stellung nehmen. Wir sind gehalten, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Anforderungen des Koalitionsvertrags entspricht. Ich habe auch schon gesagt, dass wir die Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsgewohnheiten in den Regionen berücksichtigen und einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer weiteren Nachfrage hat die Kollegin Haßelmann das Wort.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Reiche, dies ist nicht der Ort, um über Landeskunde zu diskutieren. ({0})

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Das habe ich auch nicht gemacht; das war der Kollege Krischer.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Meine Frage: Können Sie uns bestätigen, dass die Kommunalstraßen ausgenommen sind? Sie tun so, als wären das alles nur Presseberichte. Ich möchte wissen: Arbeitet das Ministerium daran, die Kommunalstraßen, die bisher im Entwurf enthalten waren, herauszunehmen?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Wir arbeiten daran, dass wir einen Entwurf haben, Frau Kollegin, der den Vorgaben des Koalitionsvertrags entspricht. ({0}) - Doch, Frau Kollegin. - Das ist die Aufgabe. Sie beziehen sich erneut auf Pressespekulationen. ({1}) Ich möchte auch zurückweisen, dass ich mich mit Landeskunde beschäftige. Diese etwas provokante Frage wurde vom Herrn Kollegen Krischer gestellt. ({2}) Aber da wir uns lange kennen, kann ich die ganz gut einordnen. ({3}) - Die habe ich auch konkret beantwortet. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Gut. Wir sind in der Situation, dass es offensichtlich wechselseitig Unzufriedenheiten gibt. Das ändert nichts daran, dass die Kollegin Kotting-Uhl noch eine Nachfrage hat. Das ist dann auch die letzte Nachfrage zur Frage 40.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich will vorausschicken, Frau Staatssekretärin, dass ich Ihre Begründung dafür, dass Sie Fragen nicht beantworten - weil die bereits in der Presse zu Spekulationen geführt haben -, schon sehr eigenartig finde. Zum einen beantworten Sie hier Fragen der Abgeordneten nicht, und zum anderen verweisen Sie darauf: Na ja, darüber hat sich die Presse schon ausgelassen. - Das ist also noch ein extra Grund, das hier nicht zu beantworten! Das ist doch ein seltsames Verständnis von den Gepflogenheiten in unserer Drei-Gewalten-Demokratie, in der die Presse bekanntermaßen die vierte Gewalt ist. Ich will jetzt noch einmal ganz konkret fragen. Sie haben eben gesagt, Sie hätten die konkrete Frage der Kollegin Haßelmann konkret beantwortet. Ich habe es dann überhört. Also wiederhole ich die konkrete Frage: Sind die kommunalen Straßen ausgenommen?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Ich beantworte die Frage wie folgt: Eine abschließende Entscheidung zum mautpflichtigen Streckennetz ist noch nicht gefasst worden. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Fragen 41 und 42 der Kollegin Tabea Rößner werden gemäß unserer Richtlinien schriftlich beantwortet. Vizepräsidentin Petra Pau Ich rufe die Frage 43 der Kollegin Sabine Leidig auf: Welche erweiterten Kontrollrechte wird der Bundesrechnungshof gemäß dem Entwurf der neuen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen der Bundesregierung und der Deutschen Bahn AG erhalten, und inwiefern sind verstärkte Kontrollen durch das Eisenbahn-Bundesamt vorgesehen? Bitte, Frau Staatssekretärin.

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Frau Kollegin Leidig, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Verhandlungen zur Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung - kurz: LuFV - befinden sich in der Schlussabstimmung. Insofern können Aussagen zu einzelnen Aspekten der LuFV II derzeit noch nicht getroffen werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich möchte feststellen, dass diese Aussage aus meiner Sicht nicht akzeptiert werden kann. Wenn die Verhandlungen weitgehend abgeschlossen sind, dann gibt es auch schon konkrete Vereinbarungen, Punkte, über die man sich geeinigt hat. Wenn Sie nicht darüber sprechen wollen, über welche Punkte eine konkrete Einigung stattgefunden hat, dann frage ich jetzt umgekehrt: Worüber gibt es noch Dissens, was die erweiterten Kontrollmöglichkeiten des Bundesrechnungshofes gegenüber der Deutschen Bahn AG betrifft, und gibt es schon konkrete Vereinbarungen über die Kontrollaufträge, die das Eisenbahn-Bundesamt übernehmen soll?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Frau Kollegin, es ist sicherlich nicht üblich, aus laufenden Verhandlungen zwischen der Regierung und der Deutschen Bahn AG zu berichten. Insofern bleiben wir hier bei den Gepflogenheiten, wie sie auch schon bei der LuFV I eingeübt wurden, nämlich dass dann, wenn verhandelt wurde und ein Abschluss vorliegt, die Fachausschüsse informiert werden. Ich möchte aber den zweiten Teil Ihrer Frage insofern aufnehmen, als Sie wissen sollen, dass die Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses, unsere Kollegin Frau Hagedorn, und der Berichterstatter Herr Brackmann sowie der Bundesrechnungshof prüfen, ob die bisher eingeschränkte Vergabeprüfung des EBA durch eine umfassende Prüfung durch den Jahresabschlussprüfer der DB AG ersetzt werden kann. Aber auch hierzu gibt es noch keinen Abschluss.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

In meiner zweiten Nachfrage möchte ich fragen, mit welcher Verhandlungsposition die Bundesregierung in diesen Diskurs mit der Bahn eintritt. Was sind ihre Vorstellungen davon, wie sichergestellt werden kann, dass die Vereinbarungen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung in Zukunft besser eingehalten werden, als es in der Vergangenheit geschehen ist? Konkret: Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung davon, mit welchen zusätzlichen Kontrollrechten Bundesrechnungshof und Eisenbahn-Bundesamt ausgestattet werden sollen?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Frau Kollegin Leidig, wie Sie wissen, hat der Bundesrechnungshof ein gesetzliches und auch sehr umfängliches Kontrollrecht. In der LuFV II sollen diese Kontrollrechte konkretisiert und hinsichtlich des Umfanges und des Ausübens der Kontrollrechte im Einvernehmen zwischen Bundesrechnungshof und DB AG konkreter beschrieben werden. Die konkreten Punkte - da wiederhole ich mich - legen wir Ihnen vor, wenn die gesamte LuFV II am Ende vorliegt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Es gibt noch eine Nachfrage des Kollegen Behrens.

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Staatssekretärin, in der Diskussion des Prüfungsberichtes des Bundesrechnungshofes bezüglich dieser Frage haben wir uns sehr intensiv damit auseinandergesetzt, wo weitergehende Prüfrechte erforderlich sind. Ich habe die Frage meiner Kollegin so verstanden: Hat sich möglicherweise die Bundesregierung einzelne Kritikpunkte zu eigen gemacht, und ist sie mit diesen in die Verhandlungen über die neue Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung hineingegangen?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Herr Kollege, Sie wissen, dass es in der Vergangenheit immer wieder unterschiedliche Auffassungen zwischen dem Bundesrechnungshof und auch uns hinsichtlich des Prüfumfanges gab, was auch viel mit Personal und personellem Aufwand zu tun hat. Ich glaube, Ziel muss es sein, größtmögliche Transparenz zu bekommen, ohne das Eisenbahn-Bundesamt sowie Prüferinnen und Prüfer zu überfordern. Auf diesem schmalen Grat zwischen dem, was vom Parlament gewünscht wird, und dem, was zugleich auch in den Behörden widergespiegelt werden muss, versuchen wir eine gute Lösung zu finden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir kommen damit zur Frage 44 der Kollegin Sabine Leidig: In welcher Höhe soll die für das Jahr 2015 erwartete Dividendenzahlung der Deutschen Bahn AG in Höhe von 700 Millionen Euro, die erstmals im Einzelplan 12 veranschlagt ist, für die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung verwendet werden, und wofür sollen gegebenenfalls die darüber hinausgehenden Einnahmen konkret verwendet werden? Bitte, Frau Staatssekretärin.

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Danke, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin, im Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2015 ist im Haushaltsvermerk zum Titel „Gewinne aus Beteiligungen“ vorgesehen, dass über die Veranschlagung von 700 Millionen Euro hinausgehende zusätzliche Dividendeneinnahmen zur Leistung von Mehrausgaben bei der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung Schiene zu dienen haben. Nach der Systematik der LuFV, der Outputorientierung, können die einzelnen Finanzierungsmittel nicht mit konkreten Verwendungszwecken verbunden und diesen zugeordnet werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, dann haben Sie gesagt, dass von den 700 Millionen Euro erwartete Bahndividende - die ja noch gar nicht sicher sind, weil immer erst im Frühjahr des nächsten Jahres darüber entschieden wird, wie viel tatsächlich von der Bahn überwiesen wird - kein Euro für die Infrastrukturfinanzierung, also die LuFV, verwendet werden soll.

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Es ist nicht geplant, Dividenden, deren Höhe wir tatsächlich erst kennen, wenn es einen Jahresabschluss gibt, im Haushalt 2015 in die Finanzierung der LuFV fließen zu lassen. Sollten sich aber Mehreinnahmen ergeben, was sich im Jahresverlauf herausstellen wird, ist daran gedacht, darüber hinausgehende Mittel zurückfließen zu lassen, um dem System Finanzierungskreislauf Schiene gerecht zu werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Nachfrage.

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich würde gerne eine kleine Frage nachschieben. Die Mittel für die LuFV, wie sie bisher existiert, wurden vertraglich für 2014 und 2015 um jeweils 250 Millionen Euro aus nicht benötigten Bedarfsplanmitteln erhöht. Das jedenfalls war die Aussage. Der neue Haushaltsansatz überschreitet mit 3,05 Milliarden Euro den betreffenden Betrag um 550 Millionen Euro. Meine Frage ist jetzt: Woher kommen diese zusätzlichen 550 Millionen Euro? Aus welchem Titel haben Sie sie genommen? Unsere Vermutung war, dass in diesen Betrag Dividenden einfließen. Sie sagen, das ist nicht der Fall. Deshalb meine Frage: Woher kommen die Mittel?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Das ist in der Tat nicht der Fall. Wir haben, wie Sie wissen, ein zusätzliches Finanzvolumen über die gesamte Legislaturperiode von 5 Milliarden Euro. Dieses umfasst Investitionsmittel nicht nur für die Straße, sondern auch für die Schiene. Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass dies ein Entwurf ist, der im Haushaltsausschuss bestätigt oder verändert oder sogar aufgebessert werden kann. Insofern warten wir jetzt ab, ob der Entwurf in dieser Form durch den Haushaltsausschuss bestätigt wird.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Frau Staatssekretärin. Wir sind damit am Ende Ihres Geschäftsbereichs. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Die Fragen 45 der Kollegin Lemke, 46 und 47 der Kollegin Baerbock, 48 und 49 des Kollegen Meiwald, 50 der Kollegin Dr. Verlinden und 51 der Kollegin Kotting-Uhl werden schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Stefan Müller zur Verfügung. Wir beginnen mit der Frage 52 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl: Kann die Bundesregierung ausschließen - für den Fall eines geplanten US-Exports der hochradioaktiven Brennelemente aus dem Reaktor AVR Jülich -, dass eine Verwertung des Kernbrennstoffs ({0}) für zivile Zwecke in den USA stattfindet, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Kernbrennstoff wiederaufbereitet wird? Bitte, Herr Staatssekretär.

Stefan Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003597

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin Kotting-Uhl, ich darf Ihre Frage folgendermaßen beantworten: Vorrangiges Ziel einer möglichen Rückführung des uranhaltigen Kernbrennstoffs in die USA ist die Abreicherung von hochangereichertem Uran im Rahmen der Nonproliferation. Daran kann sich eine mögliche schadlose Verwertung anschließen. Ob und inwieweit die USA abgereichertes Uran im Rahmen der schadlosen Verwertung einer anschließenden zivilen Nutzung zur Energieerzeugung zuführen, unterliegt der dortigen Entscheidungskompetenz. Ich darf Ihnen versichern: Die Bundesregierung strebt an, die Verbringung vertraglich an die auf zivile Zwecke beschränkte weitere Verwertung des Kernbrennstoffs zu koppeln.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön, Frau Präsidentin. - Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär, für die Antwort. Es ist ja ein bisschen, ich sage mal, Begriffsverschieberei, wenn man sagt: Nach der Abreicherung geht das in die schadlose Verwertung über. - Somit umgeht man den Begriff der Wiederaufarbeitung. Ich würde schon gerne wissen, ob Sie sich dafür interessieren, ob die Gesetze, die wir uns hier gegeben haben, in diesem Fall das Verbot der WieSylvia Kotting-Uhl deraufarbeitung auch im Ausland, eingehalten werden. Das ist Teil unserer Verantwortung. Ich finde nicht, dass man diese Verantwortung auf die USA schieben kann, die ein solches Gesetz nicht haben. Es ist unsere Verantwortung, darauf zu achten, dass unsere Gesetze eingehalten werden. Deshalb möchte ich schon nachfragen, ob Sie denn ausschließen können, dass in dieser schadlosen Verwertung eine Wiederaufarbeitung eingeschlossen ist.

Stefan Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003597

Sie wissen ja, dass es derzeit drei mögliche Optionen gibt, was mit den Kernbrennstoffen aus Jülich passieren soll; wir haben schon in der Fragestunde vor zwei Wochen darüber gesprochen. Die erste Option ist, dass sie in Jülich verbleiben. Die zweite Option ist eine Zwischenlagerung in Ahaus. Die dritte Option ist die Verbringung in die USA. Nachdem wir uns derzeit allenthalben in Gesprächen befinden, aber weder über eine dieser drei Optionen abschließend gesprochen oder entschieden worden ist und demzufolge die Option der Verbringung in die USA derzeit noch nicht beschlussreif ist, muss insofern weder etwas ausgeschlossen noch bestätigt werden.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Haben Sie noch eine Zusatzfrage, Frau Kollegin?

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Bitte schön.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Präsident. - Der Weg scheint mir so, wie den Schuh vor der Socke anzuziehen. Sie können nicht erst etwas beschlussreif haben und dann schauen, wie die Gegebenheiten sind. Bevor man den Beschluss fasst, in die USA zu exportieren, muss man nach meinem Verständnis unserer Gesetze und Verbote wissen, was dort geplant ist. Wenn es eine Wiederaufarbeitung ist, dann kann es eben nicht beschlussreif werden, dass man exportiert. Deswegen muss das vorher geklärt werden. Ich möchte Sie noch einmal fragen: Haben Sie vor, das vorher zu klären und im Falle einer doch nicht auszuschließenden Wiederaufarbeitung von diesem Export abzusehen?

Stefan Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003597

Ich sage noch einmal: Das wird sicherlich auch Gegenstand der Gespräche sein, die nur dann zum Tragen kommen, wenn tatsächlich diese Option abschließend zum Tragen kommt. Ich möchte aber für den Fall, dass weitere Nachfragen in Zukunft gestellt werden ({0}) - auch ich denke, dass wir uns hier noch öfter darüber unterhalten werden -, vorsorglich darauf hinweisen, dass sich die Frage einer Wiederaufarbeitung im rechtlichen Sinne aus deutscher Sicht nicht stellt, weil das Wiederaufbereitungsverbot aus § 9 des Atomgesetzes hiervon jedenfalls nicht betroffen wäre. Das hat die Bundesregierung am 22. August 2014 auch schon in ihrer Antwort auf die schriftliche Frage Ihres Kollegen Trittin entsprechend mitgeteilt. Nach meinem Informationsstand gibt es keinen Anlass, von diesem Prüfungsergebnis abzurücken.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die nächste Zusatzfrage hat der Abgeordnete Hubertus Zdebel von der Linken.

Hubertus Zdebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004449, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, Sie haben gerade von den drei Optionen bezüglich des Jülicher Mülls gesprochen. Können Sie uns eventuell schon etwas zur Zeitschiene der Entscheidungsfindung sagen? Auch mir ist das bisher sehr vage gewesen. Sie können sich sicher sein, dass es weitere Nachfragen zu dem Ganzen geben wird. Ich habe zum Beispiel wieder eine Kleine Anfrage aufgrund der Antwort der Bundesregierung in Vorbereitung, die Ihnen in den nächsten Tagen zugehen wird. Dann können wir das noch einmal vertiefen, auch bezüglich der Ausführungen von Sylvia Kotting-Uhl gerade eben. Mich interessiert, ob Sie schon etwas Konkretes zur Zeitschiene mitteilen können.

Stefan Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003597

Wir haben, wie gesagt, die drei Optionen, die alle weiter im Gespräch bleiben. Ausgangslage ist ja, dass es eine Anordnung der Landesregierung von NordrheinWestfalen gibt, dass die Kugeln, also die Brennstoffe, aus Jülich entfernt werden müssen. Daraufhin war das Forschungszentrum Jülich beauftragt, ein Konzept vorzulegen, wie das geschehen kann. Meines Wissens liegt dieses Konzept vor und wird auch noch in den Gremien des Forschungszentrums Jülich besprochen, bevor dazu entschieden werden kann. Einer solchen Entscheidung kann ich zum jetzigen Zeitpunkt natürlich nicht vorgreifen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächste Nachfrage vom Kollegen Oliver Krischer, Bündnis 90/Die Grünen.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich verstehe Ihre Ausführungen so, dass Sie sagen, weil das Ihrer Auffassung nach Forschungsmüll ist - wir teilen Ihre Auffassung nicht -, ist die weitere Verwendung des Kernbrennstoffes in den USA, selbst wenn er in Leistungsreaktoren eingesetzt wird, keine Wiederaufarbeitung. Technisch ist es, glaube ich, völlig dasselbe. Wenn man zum Ergebnis kommt, dass es gar kein Forschungsmüll ist, stellt sich die Frage: Ist es dann nach Ihrer Meinung eine klassische Wieder5178 aufarbeitung in den USA, die in der entsprechenden Anlage in Savannah Rivers stattfindet?

Stefan Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003597

Ich fürchte, dass auch diese Fragestunde nicht dazu beitragen wird, dass wir uns über die Frage verständigen, ob es sich beim AVR in Jülich um einen Reaktor gehandelt hat, der Forschungszwecken diente oder einer gewerblichen Nutzung unterzogen war. Wir bleiben bei unserer Rechtsauffassung: Es war ein Forschungsreaktor. Der Gesichtspunkt der Forschung war prägend für den AVR. ({0}) Damit ist auch eine mögliche Verbringung in die Vereinigten Staaten grundsätzlich möglich. ({1})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Trotzdem hat die Regierung das Recht, so zu antworten, wie sie die Frage versteht und beantworten möchte. - Weitere Zusatzfragen dazu gibt es nicht. Dann kommen wir zur Frage 53 des Abgeordneten Kai Gehring, Bündnis 90/Die Grünen: Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Befunden der Prognos-Studie „Wissenschaftliche Untersuchung und Analyse der Auswirkungen der Einführung von Projektpauschalen in die BMBF-Forschungsförderung auf die Hochschulen in Deutschland“, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, in Auftrag gegeben hat und die seit Mitte August 2014 vorliegt, wonach die Forderung der Bundesregierung ungerechtfertigt sei, dass die Länder in die direkte Mitfinanzierung der Programmpauschale einsteigen, da die Länder schon jetzt den weit überwiegenden Teil der Projektkosten bezahlen ({0})? Herr Staatssekretär.

Stefan Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003597

Herr Kollege Gehring, ich darf Ihnen wie folgt antworten: Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in Auftrag gegebene Studie zu den BMBFProjektpauschalen enthält - entgegen Ihrer Fragestellung - keine Befunde, inwieweit Verhandlungspositionen des Bundes in Bund-Länder-Verhandlungen gerechtfertigt sind. Ich will daran erinnern: Grundlage der DFG-Programmpauschale ist die Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern über den Hochschulpakt 2020, der zufolge „über die weitere Ausgestaltung mit dem Ziel der Verstetigung der Förderung und der Beteiligung der Länder an der Finanzierung“ zu entscheiden ist. Diese Vereinbarung läuft am 31. Dezember aus. Wir befinden uns dazu derzeit in Gesprächen mit den Ländern. Der Bund setzt sich jedenfalls mit Nachdruck dafür ein, dass Bund und Länder die Programmpauschale gemeinsam weiterführen. DFG-Projekte werden von Bund und Ländern ebenso gemeinsam finanziert. Daher halten jedenfalls wir es nur für konsequent, dass im Sinne einer gemeinsamen Kooperationskultur auch die indirekten Kosten gemeinsam zu tragen sind. Dies wird im Übrigen auch vom Bundesrechnungshof und vom Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages entsprechend gefordert.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege? - Bitte schön.

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Nach unserer Bewertung widerlegt das Prognos-Gutachten die zentralen Kritikpunkte des Bundesrechnungshofs. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass die Hochschulen in unserem Land sehr beunruhigt und in großer Sorge darüber sind, dass Sie als BMBF die Weiterfinanzierung der Programmpauschale zur Förderung der universitären Forschung weiterhin infrage stellen. Können Sie Medienberichte bestätigen oder dementieren, wonach das BMBF die Vereinbarung zur dritten Phase des Bund-Länder-Hochschulpakts nur dann abschließt, also den Hochschulpakt nur dann fortsetzt, wenn sich die Länder an der Finanzierung der Programmpauschale beteiligen?

Stefan Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003597

Herr Kollege Gehring, ich will mich bei Ihnen ausdrücklich dafür bedanken, dass Sie es mir ermöglichen, den Deutschen Bundestag als Forum zu nutzen, um eindeutig klarzumachen: Der Bund, das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Bundesregierung, steht zur Programmpauschale, und es ist nicht beabsichtigt, die Programmpauschale in irgendeiner Art und Weise einzustellen. Wir sind - das habe ich gesagt - derzeit mit den Bundesländern im Gespräch über eine Fortsetzung, eine dritte Phase des Hochschulpaktes. Der Hochschulpakt hat zwei Säulen: Die eine Säule betrifft die finanzielle Unterstützung der Länder bei der Schaffung von Studienplätzen. Die zweite Säule betrifft die Programmpauschale. Wir haben vor - das ist beabsichtigt -, bei der GWK am 30. Oktober dazu entsprechende Beschlüsse zu fassen. Es gibt - insofern sind Medienberichte korrekt - bei diesen Verhandlungen des Bundes mit den Ländern in der Tat derzeit noch Gesprächsbedarf, was die Frage einer gemeinsamen Finanzierung der Programmpauschale anbelangt. Diese Gespräche laufen noch. Aber ich sage noch einmal ausdrücklich: Der Bund wird seiner Verantwortung hier weiter gerecht werden.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege? - Bitte schön.

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, mir ist durchaus bewusst, dass der Hochschulpakt auf zwei Säulen fußt. Was ich den Medien entnehme, ist, dass der Bund offensichtlich ein neues Junktim setzt, nach dem Motto: Wir finanzieren Studienplätze künftig nur noch mit, wenn die Länder künftig bei der Programmpauschale einen deutlichen Beitrag leisten. - Das würde wiederum zulasten der Grundfinanzierung der Hochschulen in den Ländern gehen. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass es im Zusammenhang mit dem 6-plus-3-Milliarden-EuroPaket für Bildung und Forschung eine Verabredung gibt, die lautet: Zusätzliche Programme mit einem Kofinanzierungsbedarf können von den Ländern nur umgesetzt werden, wenn andere Ausgaben gekürzt werden. Deshalb möchte ich Sie einfach bitten, mir zu sagen, ob die Bundesregierung die von ihr geschlossene Vereinbarung kennt und weiter zu ihr steht oder ob sie den Ländern konkrete Vorschläge gemacht hat, wo sie bei der Finanzierung ihrer Wissenschaftshäuser und der Grundfinanzierung der Hochschulen kürzen sollen.

Stefan Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003597

Zunächst einmal, Herr Kollege Gehring, finde ich es sehr interessant, dass Sie Verabredungen innerhalb der Koalition interpretieren. Ich darf Sie aber auch darauf hinweisen, dass mit der Bezeichnung „Programme“ in dieser Vereinbarung jedenfalls nicht die Programmpauschale gemeint war, sondern es beispielsweise um zusätzliche Förderprogramme geht. Nun sind Sie wie ich schon einige Jahre hier im Deutschen Bundestag, und Sie wissen auch, wie politische Verhandlungen aussehen. Eine Gesamtvereinbarung kann es erst dann geben, wenn alle einzelnen Fragen in der Sache vereinbart sind. Ich habe Ihnen schon gesagt, dass wir bei der ersten Säule die Verhandlungen weitgehend abgeschlossen, jedenfalls für die GWK am 30. Oktober vorbereitet haben, dass es aber bei der zweiten Säule noch einige Fragen gibt, die geklärt werden müssen, und es dazu noch keine Vereinbarungen gibt. Ich sage es noch einmal: Eine Gesamtvereinbarung kann es erst dann geben, wenn alles miteinander vereinbart ist. Das ist derzeit noch nicht der Fall.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Frage 54 des Abgeordneten Niema Movassat wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwortung steht Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche bereit. Ich rufe die Frage 55 der Abgeordneten Britta Haßelmann auf: In welchem Umfang und in welchem Zeitraum hat der Bundesnachrichtendienst Kommunikationsdaten deutscher Staatsbürger an die National Security Agency, NSA, weitergegeben?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Abgeordnete, ich verstehe die Frage so, dass Sie mit Kommunikationsdaten deutscher Staatsangehöriger solche Daten meinen, die durch eine G-10-Beschränkungsmaßnahme erhoben wurden. Es kann sich dabei sowohl um Inhalts- als auch um Verkehrsdaten handeln. Während unter Inhaltsdaten insbesondere Gesprächsinhalte zu verstehen sind, bezeichnen die Verkehrsdaten, auch als Metadaten bezeichnet, sämtliche Umstände einer Kommunikation, also zum Beispiel auch eine Telefonnummer. Wenn Daten aus einer G-10-Beschränkungsmaßnahme an andere Nachrichtendienste, etwa der USA, übermittelt werden, dann richtet sich diese Übermittlung unter anderem nach den strengen Vorschriften des § 7 a G 10. Ich zitiere: Der Bundesnachrichtendienst darf durch Beschränkungen nach § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2, 3 und 7 erhobene personenbezogene Daten an die mit nachrichtendienstlichen Aufgaben betrauten ausländischen öffentlichen Stellen übermitteln, soweit 1. die Übermittlung zur Wahrung außen- und sicherheitspolitischer Belange der Bundesrepublik Deutschland oder erheblicher Sicherheitsinteressen des ausländischen Staates erforderlich ist, 2. überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen nicht entgegenstehen, insbesondere in dem ausländischen Staat ein angemessenes Datenschutzniveau gewährleistet ist sowie davon auszugehen ist, dass die Verwendung der Daten durch den Empfänger im Einklang mit grundlegenden rechtsstaatlichen Prinzipien erfolgt, und 3. das Prinzip der Gegenseitigkeit gewahrt ist. Die Übermittlung bedarf der Zustimmung des Bundeskanzleramts. Nach § 7 a des Artikel-10-Gesetzes hat der BND im Jahr 2012 zwei Übermittlungen an die USA durchgeführt. Diese betrafen den Fall eines im Ausland entführten deutschen und US-amerikanischen Staatsbürgers. Die beiden Übermittlungen betrafen Erkenntnisse zu konkreten Umständen der Situation des Entführungsopfers. Ihre Weitergabe an die USA diente dazu, die Situation weiter aufzuklären und auf diese Weise Leib und Leben des Entführungsopfers zu schützen. Die Übermittlungen waren notwendig, um die Umstände der Entführung weiter aufzuhellen. Ziel der Übermittlungen war, die Geisel möglichst unversehrt zu retten.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Frau Haßelmann, haben Sie eine Zusatzfrage?

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Auch Ihnen, Herr Fritsche, vielen Dank für die Beantwortung. Sie haben am Anfang der Beantwortung meiner Frage eine Grundannahme getroffen. Da sich meine Frage auf sämtliche abgezapften Rohdaten bezieht, möchte ich nachfragen: Muss Ihre Antwort dann nicht noch ergänzt werden? Lassen Sie mich einen zweiten Aspekt ansprechen. Sie hatten meinem Kollegen Hans-Christian Ströbele mit Datum vom 11. Juli auf eine entsprechende Frage geantwortet - ich zitiere -: Der Bundesnachrichtendienst hat im angefragten Zeitraum weder selbst noch mit Hilfe des Betreibers DE-CIX … Rohdaten aus im Raum Frankfurt erfassten Telekommunikationsverkehren automatisiert an die NSA weitergeleitet. Der in der zweiten Teilfrage suggerierte Zusammenhang besteht nicht. Das Letzte bezog sich auf einen anderen Sachverhalt. Nach den Presseberichten der Süddeutschen Zeitung, des SWR und des NDR ist jetzt bekannt geworden, dass unter dem Stichwort „Eikonal“ ein Austausch von Daten regelmäßig und über Jahre stattgefunden hat. Wie decken sich Ihre Aussage in der Beantwortung meiner Frage und die Aussage in der Beantwortung der Frage von Hans-Christian Ströbele vom 11. Juli 2014 mit den Vorwürfen und Behauptungen, die in der Presseberichterstattung über die Operation „Eikonal“ bekannt gegeben wurden?

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Zunächst einmal, Frau Abgeordnete, bedauere ich es ausdrücklich, dass Unterlagen, die bis zu Streng Geheim eingestuft waren und dem Untersuchungsausschuss vonseiten der Bundesregierung zur Verfügung gestellt worden sind, in kürzester Zeit in die Presse gekommen sind und sie offensichtlich Hintergrund der Berichterstattung in der Süddeutschen Zeitung waren. Um auf die grundsätzliche Frage zurückzukommen, die Sie einleitend gestellt haben: Es gibt nur zwei Möglichkeiten für den BND, Kommunikationsdaten von Deutschen oder über Deutsche weiterzugeben. Das ist die von mir eingangs geschilderte G-10-Möglichkeit, also die Möglichkeit nach den Regularien des Artikel10-Gesetzes. Die zweite Möglichkeit ist, dass Daten von anderen Diensten, also auch Telekommunikationsdaten von anderen Diensten bzw. von menschlichen Quellen, die der BND führt, übermittelt werden. Diese Daten werden ebenfalls auf einer rechtlichen Grundlage - dem Bundesnachrichtendienstgesetz in Verbindung mit dem Bundesverfassungsschutzgesetz - auch an öffentliche ausländische Stellen, also auch an andere Dienste übermittelt. Nur diese beiden Möglichkeiten gibt es für eine Datenübermittlung von Kommunikationsdaten Deutscher.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Noch eine Zusatzfrage, Frau Haßelmann? - Bitte.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Herr Fritsche, kann ich Ihren Aussagen entnehmen, dass Sie definitiv davon ausgehen, dass Kommunikationsdaten ausschließlich in den zwei Fällen, die Sie hier skizziert haben, zwischen BND und NSA weitergegeben worden sind und dass sämtliche Sachverhalte, die, durch welche Indiskretion auch immer, Gegenstand öffentlicher Berichterstattung waren, somit nicht zutreffend sind? Schließen Sie aus, dass es eine Weitergabe von Daten gegeben hat, dass es Vereinbarungen gegeben hat zwischen dem BND und der NSA über die Frage des Austausches und der Weitergabe von Telekommunikationsdaten?

Not found (Staatssekretär:in)

Frau Abgeordnete, ich beantworte die Frage wie folgt: Ich schließe aus, dass es solche Abkommen zwischen der NSA und dem BND gegeben hat, die sich über die beiden Möglichkeiten, die ich eingangs geschildert habe, hinweg zu einem Datenaustausch einlassen. Es gibt die sogenannte Routineaufklärung - die keine G-10Aufklärung ist - des Bundesnachrichtendienstes. Sie betrifft Ausländer im Ausland. Hier hat der Bundesnachrichtendienst entsprechende Schutzmaßnahmen, nämlich Filtersysteme, eingebaut. Nach diesen Filtersystemen werden, sollte ein deutscher Staatsangehöriger in diese Ausland-Ausland-Aufklärung geraten, Daten herausgefiltert. Damit können auch Daten, die hier weitergegeben werden, keine Daten von deutschen Staatsangehörigen enthalten.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Danke schön. Ich schließe damit die Fragestunde. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Reaktion der Bundesregierung auf den Rüstungsbericht und die schwierige Situation des Beschaffungswesens der Bundeswehr Bevor wir in die Rednerfolge eintreten, gratuliere ich im Namen des Präsidiums und hoffentlich des ganzen Hauses unserer Bundesverteidigungsministerin zu ihrem heutigen Geburtstag. - Frau von der Leyen, herzlichen Glückwunsch! ({0}) Es ist ein Zeichen hohen Verantwortungsbewusstseins, dass sie diesen Geburtstag mit uns verbringt, und ein Zeichen der Freude an der Politik, dass sie auch an ihrem Geburtstag an dieser wichtigen Debatte als Rednerin für die Bundesregierung teilnimmt. Ich eröffne die Aussprache und rufe als ersten Redner den Kollegen Wolfgang Gehrcke, Fraktion Die Linke, auf. - Bitte schön. ({1})

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Schönen Dank, Herr Präsident. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich befürchte, dass ich mich mit meinem Beitrag nicht in die Schar der Gratulanten zum Geburtstag einreihen kann, sondern es etwas kantiger wird. ({0}) - Genau so. Ich möchte zu Anfang ein Problem ansprechen, das nur mittelbar mit der Frage zu tun hat, über die wir hier debattieren. Vielleicht gibt es da eine Möglichkeit zur Verständigung; in Fragen der Rüstung und der Aufrüstung gibt es von mir keine Brücke. Ich habe die neuesten Informationen aus Kobane: IS ist auf dem Rückzug. Wenn das stimmen sollte, sollte das uns alle glücklich machen. Ich möchte gern, dass wir zumindest gemeinsam Druck auf die Türkei entwickeln und der Türkei klipp und klar sagen: Die Grenzen müssen für Flüchtlinge auf- und für den IS zugemacht werden. ({1}) Auf dieses Minimum werden wir uns doch hier im Haus verständigen können. Jetzt möchte ich zu dem Bericht argumentieren. Ich habe ihn voller Spannung gelesen. Es ist eigentlich ein Krimi, der hier aufgeführt worden ist. Ich würde titeln: Kriminaltango, initiiert von der Ministerin von der Leyen. - Vom Stern wurde sie als „Kriegsministerin“ bezeichnet. Das hat der Stern gemacht, nicht ich; ich wiederhole das hier nur. ({2}) Ich möchte gern, dass man über zwei verschiedene Grundrichtungen nachdenkt. Die Grundrichtung der Linken ist: Wir wollen Sicherheit durch Abrüstung. Die Grundrichtung der Verteidigungsministerin und der Regierung ist: Sicherheit durch Aufrüstung. - Das wird scheitern, und das geht nicht zusammen. Sicherheit ist durch Abrüstung zu erreichen. ({3}) Es geht nicht nur um Sicherheit. Ich möchte auch über andere Fragen reden, die immer verdrängt werden. Wenn man den Bericht liest - es geht um neun große Rüstungsprojekte -, weiß man sofort: Es geht um Geld, um viel Geld. Wir reden über Sicherheit, und andere reden über Profite. Mit Rüstung werden ungeheure Profite gemacht. Darüber muss man sprechen. Ich möchte einmal im Sinne von Transparenz aufgelistet haben, welche Rüstungsunternehmen an welchem Projekt wie viel verdient haben. Während hier über Sicherheit gesprochen wird, geht es um Geld und Profit. Das Streben nach Profit sollte aber nicht unsere Politik aussteuern. Das gehört zu dem Krimi. ({4}) Wir müssen auch über mafiöse Strukturen in diesem ganzen Bereich reden. In meinem Jargon würde ich diese Kooperation von Rüstung, von Rüstungsinteressen und Ministerium eher als militärisch-industriellen Komplex bezeichnen. Wer schreibt eigentlich die Vorschläge, was beschafft werden soll und von wem es geliefert werden soll? Jetzt hört und liest man, dass Verträge sogar von denen geschrieben werden, die auf der anderen Seite das Geld dadurch bekommen, und dass das Ministerium selbst so oberflächlich auf die Dinge eingeht, dass die Bezeichnung Filz zwischen Politik und Militär durchaus angebracht ist. Ich möchte über diesen Filz reden. ({5}) Ich möchte ein weiteres Problem ansprechen - Frau Ministerin, hier spreche ich Sie auch ganz direkt an -: Wäre es nicht möglich, etwas mehr Respekt vor dem Parlament - nicht vor einzelnen Abgeordneten - an den Tag zu legen? Müssen Sie mit jeder Planung, so absurd sie auch im Einzelnen ist, sofort versuchen, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben? ({6}) An der russischen Westgrenze Drohnen aus Deutschland und Soldaten aus Deutschland stationieren zu wollen, ist so absurd und so gefährlich wie nur irgendwas. ({7}) Die OSZE will das gar nicht; das wissen Sie. Die OSZE hat nicht angefragt. Sie drängen sich hier auf. ({8}) Kann man das klären und hier sagen, dass wir als Deutscher Bundestag das nicht wollen, es sollen keine Soldaten dort stationiert werden, wo deutsche Soldaten einmal waren? Das war die Politik und auch die Formulierung von Herrn Kohl: keine deutschen Soldaten, wo deutsche Soldaten einmal waren. Muss der Bundestag aus den Medien erfahren, dass Sie Ausbildungszentren im Nordirak einrichten wollen? Ich finde, diese Art des Umgangs mit dem Parlament macht viel kaputt und die deutsche Politik noch unseriöser, als sie sowieso schon ist. ({9}) Ich möchte nicht, dass mit dem Parlament in dieser Art und Weise umgegangen wird. Ich fordere Respekt für das Parlament. Ich finde, dass das Parlament die Entscheidung hat. Das sollte man auch in allen Fragen deutlich machen und nicht vorab die Presse so hochschaukeln, dass es sich bereits wie Fakten liest. Keine deutschen Soldaten an die Westgrenze Russlands, das ist das Mindeste, was Sie aus der Geschichte lernen sollten. Danke sehr. ({10})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Für die Bundesregierung erteile ich das Wort Frau Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen. ({0})

Dr. Ursula Leyen (Minister:in)

Politiker ID: 11004092

Vielen Dank für die Glückwünsche zum Geburtstag, Herr Gehrcke. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 1 500 Seiten Gutachten zum Thema Rüstungsbeschaffung liegen jetzt vor. Es ist eine schonungslose Analyse - wir haben in den vergangenen Tagen viel darüber geredet -, aber sie war nötig. Das Gutachten kommt mitten in einer - nicht nur durch die äußeren Umstände - schwierigen Zeit. Die Krisen dieser Welt sind hochkomplex, sie nehmen zu, und wir stehen gemeinsam mit unseren Partnern und Verbündeten vor gewaltigen Herausforderungen. Deutschland ist gefordert, und Deutschland übernimmt auf diesen und vielen anderen Feldern seine Verantwortung. Zugleich haben wir ohne Zweifel mit Problemen im Inneren zu kämpfen. Wir sehen einen Stau in der Rüstungsbeschaffung. Das, was bestellt worden ist, kommt Jahre zu spät und weit überteuert. Deshalb haben wir die Verpflichtung, mit dem Material, das wir haben, das bewährt, aber betagt ist, viel länger zu arbeiten. Das hat zur Folge, dass es bei Wartung, Instandhaltung und Ersatzteilbeschaffung knirscht. Auch haben wir in den letzten zwei Wochen eine Serie von Pannen bei den Luftfahrzeugen erlebt, die uns das Leben schwer machen. All das ist nicht neu, aber es ist im Augenblick hart, weil die Probleme geballt auf dem Tisch liegen, transparent und ungeschminkt, aber das war auch der Sinn des Gutachtens. Vieles, was wir jetzt sehen, gefällt uns gar nicht, aber es kann und darf uns nicht dazu verführen, jetzt beiseitezuschauen, sondern wir müssen nach vorne schauen und die Probleme anpacken. Ist deswegen in der Bundeswehr alles schlecht? Überhaupt nicht! Die Bundeswehr ist auf einem Niveau der Leistung, um das uns die allermeisten Länder dieser Welt beneiden. ({0}) Dass das so ist, beweisen über 3 000 Soldatinnen und Soldaten jeden Tag weltweit im Auslandseinsatz, und es beweisen über 270 000 Soldatinnen und Soldaten und Zivilbeschäftigte jeden Tag hier in Deutschland. Ihnen gebührt unser Dank. ({1}) Auch wenn die Probleme jetzt deutlich und transparent auf dem Tisch liegen, sollten wir uns nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass es beim Materialerhalt und bei der Rüstungsbeschaffung knirscht. Sollten wir deshalb unsere Aktivitäten zurückfahren und einstellen? Auch da ist meine Antwort: keineswegs. Ein Krankenhaus, das mit seinen Röntgengeräten Probleme hat, wird deswegen nicht die Intensivstation oder die Chirurgie schließen, sondern es wird die Röntgengeräte reparieren oder ersetzen. Genau diese Palette an Aufgaben stellt sich nun auch uns. Erstens. Ja, wir haben akute Probleme bei Hubschraubern und Flugzeugen, aber die sind auch erklärbar. Deshalb haben wir kurzfristig zwei Task Forces geschaffen, eine für die Hubschrauber, eine für die Flugzeuge, in denen wir ganz konkret fragen, was bei den einzelnen Luftfahrzeugen falsch läuft, worin das Problem liegt und wo wir helfen können. Die Inspekteure, die zuständig sind, sind dem Lenkungsausschuss zugeordnet, in dem die beiden beamteten Staatssekretäre und der Generalinspekteur vertreten sind, um diesen Problemen kurzfristig konkret an den Leib zu gehen. Wo es sinnvoll und notwendig ist, werden wir für Ersatzflugzeuge sorgen. Zweitens. Ich habe eben angesprochen, dass wir das bewährte, aber betagte Material weiterhin fliegen und fahren, aber auch zur See haben. Das bedeutet für uns, dass der Materialerhalt intensiviert werden muss. An dieser Stelle will ich sagen, dass wir in den vergangenen Jahren zu Recht einen ganz starken Fokus auf den Einsatz gelegt haben. Das war richtig so. Es ist uns gelungen, dass die Bundeswehr bei ihren Einsätzen mit hochmodernem Material und Schutz alles das leisten kann, was wir als Parlament ihr auftragen. Die Konzentration auf die Einsätze hat aber auch dazu geführt, dass im Grundbetrieb nicht genügend hingeschaut worden ist. Das wird jetzt umso deutlicher sichtbar, wo Landes- und Bündnisverteidigung wieder eine wesentlich stärkere Bedeutung erlangen. Also müssen wir sagen: Bei Instandhaltung und Wartung müssen wir die Prozesse intensivieren und mehr Geld in die Hand nehmen, um dort voranzukommen. Drittens. Wir brauchen ein engeres, ein transparenteres, ein viel effizienteres Management der Rüstungsprojekte. Wir haben in den vergangenen Tagen ausführlich, stundenlang darüber diskutiert. Das beginnt beim Vertragsmanagement, geht über die Risikobewertung bis hin zum Projektmanagement. Ein Beispiel: Projektleiter wissen ungeheuer viel, sehen viel, bemerken als erste, wenn etwas nicht rund läuft, aber sie dürfen nicht an der unendlich langen Meldekette verzweifeln, sondern sie müssen sofort einen Zugang zu der Leitung haben, um die Probleme dort frühzeitig zu melden, damit die Probleme erkannt und frühzeitig abgestellt werden. Das spart Zeit und Geld. Diesen Weg werden wir jetzt einschlagen. Es geht uns insgesamt darum, stärker eine Kultur zu entwickeln, die viel mehr an den Lösungsvorschlägen als an der Problembeschreibung interessiert ist. Die Problembeschreibung ist am Anfang notwendig, aber dann müssen die Lösungsvorschläge aus derselben Hand, aus derselben Richtung kommen. Das heißt, wir müssen auch eine neue Fehlerkultur entwickeln, eine Fehlerkultur, in der es in Ordnung ist, zu sagen: „Da ist ein Risiko“, „Wir haben hier einen Fehler gemacht“, frühzeitig, um dann auch gegensteuern zu können. Das ist bisher keine Selbstverständlichkeit. Das ist eine Neuerung, nicht nur für unser Haus und in der Leitung unseres Hauses, sondern auch für uns als Parlament. Die Frage wird sein: Wie gehen wir in Zukunft mit Fehlern und Problemen, die auftauchen werden - ganz ohne Zweifel -, um? Sanktionieren wir sofort? Machen wir sofort Aktionismus? Dann werden wir zurückfallen in eine Haltung, dass Fehler möglichst vertuscht werden, dass Risiken möglichst nicht frühzeitig angezeigt werBundesministerin Dr. Ursula von der Leyen den - in der Hoffnung, dass sie von selber vergehen. Ich bin der Meinung, dass wir gemeinsam in der Verantwortung für unsere Parlamentsarmee viel stärker in diese neue Form der Fehlerkultur hineingehen sollten, weil sie transparenter ist und zum Schluss zu besseren Ergebnissen führt. ({2}) Meine Damen und Herren, das Gutachten zeigt auch, dass viel politisch beeinflusst worden ist. Das ist per se weder falsch noch richtig - das will ich gleich sagen: Wir machen hier Politik, also ist politischer Einfluss normal -; doch das muss Grenzen haben, wenn die Ziele willkürlich gesetzt werden. Deshalb möchte ich noch einmal zitieren, was unser Koalitionsvertrag sagt: Die Bundeswehr beschafft, was sie braucht, und nicht, was ihr angeboten wird. Damit sind wir beim Thema „Priorisierung und Schlüsseltechnologien“. Wir haben uns diese Frage im Verteidigungsministerium aus Sicht des Bedarfes der Truppe gestellt, vorweg. Die Frage ist: In welchen Bereichen wollen, ja müssen wir national beschaffen, um unseren militärischen Bedarf souverän zu sichern? Dahinter steht der Gedanke der Unabhängigkeit. Zweitens. Wir brauchen Akzeptanz dafür, dass die Ressourcen begrenzt sind. Das heißt, wir müssen priorisieren. Wenn wir alles zur Schlüsseltechnologie erklären, können wir nicht mehr priorisieren; dann sinkt das Niveau überall. Drittens. Wir brauchen - das betone ich ausdrücklich - einen ressortübergreifenden Konsens. Wir haben jetzt begonnen, aus dem Verteidigungsministerium heraus diese Diskussion zu führen, in den Domänen und Dimensionen, die wir haben. Wirklich nationale Schlüsseltechnologien können nur einige wenige sein. Eindeutig ist das für uns zum Beispiel bei Führung und Aufklärung; hier kommt es buchstäblich auf den Schlüssel an, mit dem wir unsere Souveränität dann auch verteidigen können: Wenn andere unsere Verschlüsselung knacken können, sind wir nicht mehr unabhängig; wir sollten Verschlüsselung also national beherrschen. Und es geht um die Technologien in Führung und in Aufklärung, die im 21. Jahrhundert einen ganz großen Bedeutungszuwachs erfahren werden. Im Bereich der Wirkung sind die Dinge nicht so eineindeutig. Panzer, U-Boote, Handfeuerwaffen: hier muss die Bundesregierung eine gemeinsame Antwort finden. Das sind die sogenannten grauen Bereiche. Wohlgemerkt: Grau kann auch grün werden; aber wir brauchen die Diskussion darüber. Hier geht es eben nicht nur um die militärische Souveränität, sondern es geht auch um Sicherheitspolitik. Das heißt, die zentrale Frage, aus der Sicht der Bundesregierung, ist: Wollen wir unsere starke Position - die deutschen Produkte sind in einigen dieser Technologien bereits Weltspitze - nutzen für unseren sicherheitspolitischen Einfluss in der Welt? Wenn das mit Ja beantwortet wird, dann ist klar: Der Bedarf der Bundeswehr reicht nicht aus für eine gesunde Industrie, sondern hier ist auch die Frage nach dem Export zu stellen. ({3}) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({4})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, dem Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Ministerin, erst einmal auch von meiner Seite alles, alles Gute zum Geburtstag! Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Anspruch und Wirklichkeit hart aufeinanderprallen, dann ist das schmerzhaft. Das, sehr geehrte Frau Ministerin, erfahren Sie gerade am eigenen Leib. Sie haben laut nach mehr internationaler Verantwortung für Deutschland gerufen. In New York schwärmten Sie davon - ich zitiere -, Deutschland habe Schlüsselkapazitäten und Fähigkeiten, die andere Nationen so nicht haben. ({0}) Deutschland hat vor allem Flugzeuge und Hubschrauber, die nicht fliegen, und Panzer, die nicht fahren. Ja, das ist schon ziemlich einzigartig. ({1}) Dem militärischen Begriff „Stillgestanden“ geben Sie damit eine ganz neue, ganz eigenartige und ganz einzigartige Bedeutung. ({2}) Nun fliegen Ihnen Ihre Ankündigungen um die Ohren, und Sie versuchen jetzt, das mit Aktionismus zu überspielen. Sie verkünden Einsätze im Irak und in der Ostukraine - und das, bevor selbst das Außenministerium informiert ist, geschweige denn die ganze Bundesregierung. ({3}) Statt eine Ankündigungspolitik zu betreiben, sollten Sie endlich Ihre Arbeit tun und sich um eine bessere oder wenigstens eine funktionierende Ausrüstung kümmern, um eine Ausrüstung, die die bestmögliche Sicherheit für unsere Soldatinnen und Soldaten gewährleistet. Wie auch immer man zu einzelnen Mandaten stehen kann: Ich danke allen Soldatinnen und Soldaten für ihren Einsatz. Über eines sollten wir uns hier doch alle einig sein, nämlich dass wir unseren Soldatinnen und Soldaten im Einsatz eine funktionierende Ausrüstung schuldig sind. Darin sollten wir uns auch mit der CDU einig sein. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, man mag nun einwenden: Na ja, Frau von der Leyen, Sie sind ja erst seit einem Jahr im Amt. - Das stimmt, aber seit fast zehn Jahren tragen nun CDU und CSU, die selbsternannten Parteien der Bundeswehr, die Verantwortung für das Verteidigungsministerium. ({5}) Jung, Guttenberg, de Maizière und nun Frau von der Leyen: Was ist das Ergebnis? Das Ergebnis sind kaputte Transall-Maschinen, die zum Beispiel auf den Kanaren oder in Bulgarien festsitzen, und Schiffe, die ohne die entsprechenden Hubschrauber in den Einsatz geschickt werden müssen. Das Ergebnis ist eine Mängelliste, die dicker ist als jedes Telefonbuch. ({6}) Tiefgreifende Reformen sind deshalb unumgänglich. Das erfordert von Ihnen, Frau von der Leyen, ganz klar politische Kärrnerarbeit. Anstatt den Blick schön hinter Transalls herschweifen zu lassen, müssen Sie nun Ihr Augenmerk auf die Niederungen der Beschaffungspolitik richten. Jetzt ist Schreibtisch statt PR-Fotos angesagt. ({7}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer trägt eigentlich die Gesamtverantwortung für die Politik in Deutschland in den letzten zehn Jahren? Ist das nicht die Bundeskanzlerin? Ist das nicht Frau Merkel? Ihre Bilanz als Regierungschefin ist eine Bundeswehr, die nur noch bedingt einsatzfähig ist. Die Minister kamen und gingen, die Kanzlerin blieb. Das macht sie zur politischen Hauptverantwortlichen für das Ausrüstungsdesaster bei der Bundeswehr. ({8}) Seit der Machtübernahme von Frau Merkel hat das Verteidigungsministerium circa 40 Milliarden Euro für Beschaffung ausgegeben. Da fragt man sich: Was haben Sie eigentlich mit dem ganzen Geld gemacht? ({9}) Sie haben es für Projekte verschwendet, die meist verspätet kamen, zu teuer waren und von schlechter Qualität sind. ({10}) Mein Verdacht ist: Diese Verschwendung ist nicht allein auf Inkompetenz zurückzuführen. Das allein wäre schon schlimm genug. Nein, es mangelt auch an professioneller Distanz zwischen Bundeswehr und Ministerium auf der einen Seite und Rüstungsindustrie auf der anderen Seite, ({11}) mit dem Ergebnis, dass Sie Milliarden verplempert haben und die Rüstungsindustrie dem Ministerium auf der Nase herumtanzt. So geht es schlichtweg nicht weiter. ({12}) Vor diesem Hintergrund verbietet sich in meinen Augen auch jede Forderung nach mehr Geld. Im letzten Jahr mussten Sie 1,3 Milliarden Euro an den Haushalt zurückgeben. Und jetzt wollen Sie das Problem mit mehr Geld lösen? Das ist doch nur noch bizarr. ({13}) Deshalb: Misten Sie endlich den Saustall im Beschaffungswesen aus! Setzen Sie Prioritäten! Die Bundeswehr muss nicht alles können, aber das, was sie plant, muss sie dann auch können. „Breite vor Tiefe“ als Motto ist schlichtweg falsch. ({14}) Beenden Sie die teure und gefährliche Nähe zwischen dem Ministerium und der Rüstungsindustrie, ({15}) und sorgen Sie für eine Bundeswehr, die Deutschlands Verantwortung gegenüber den Partnern und insbesondere gegenüber den Vereinten Nationen endlich gerecht werden kann. Vielen Dank. ({16})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Rainer Arnold, SPD-Fraktion. ({0})

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich finde es interessant, dass wir über Rüstungsprodukte, Beschaffung und Instandsetzung auf Antrag der Linken diskutieren. Wir sollten vielmehr über Sicherheitspolitik diskutieren, darüber, welche Interessen unser Land in der Welt hat und welche Verantwortung wir in der Welt haben, abgeleitet von unseren Werten, unserer Größe und unserer ökonomischen Bedeutung. Danach sollten wir darüber diskutieren, wie die Bundeswehr gestaltet werden soll, damit sie das Instrument ist, das wir in der Politik brauchen, und welches Gerät wir dafür brauchen. Dies wäre eigentlich die richtige Reihenfolge. Aber gut, wir diskutieren auch gern über Rüstungsprojekte. ({0}) Frau Ministerin, Sie haben die Probleme nicht verursacht; dies muss man immer wieder sagen, wenn man fair miteinander umgeht. Wir Parlamentarier haben die Probleme ebenfalls nicht verursacht. ({1}) Viele von uns weisen seit Jahren auf Fehlentwicklungen hin. Aber ihnen wurde nicht zugehört. Deshalb finden wir es gut, dass nun eine Gesamtschau der Probleme vorliegt und dass Sie zugehört haben. Obwohl die Probleme im Einzelnen zumeist bekannt waren, eröffnet diese Gesamtschau die Chance - es ist durchaus Ihr Verdienst, dass Sie den entsprechenden Prozess eingeleitet haben -, dass jeder begreift: Augen zu, Schönreden und „Weiter so“, das kann es nicht mehr geben. Sie erfahren eine große Unterstützung, wenn Sie nun die Prozesse verändern. Dafür braucht man sicherlich Kraft. Das wurde schon oft versucht. Aber bislang sind alle Versuche im Sand verlaufen. Wir werden Sie in den nächsten Jahren dabei unterstützen. ({2}) Natürlich muss man sich die Gründe genau anschauen, nicht um zurückzublicken, sondern um die Fehlentwicklungen zu korrigieren. Es gibt drei Gründe: Erstens. Es gibt das Problem, dass die Wirtschaft nicht wirklich verlässlich gearbeitet und geliefert hat; das ist klar zu benennen. Wir müssen mittels Vertragsrecht und gegebenenfalls mittels Anwälten, die unsere Interessen durchsetzen, klarmachen, dass es so nicht weitergehen kann. Zweitens. Das Ministerium weist eine Struktur auf, die modernen Prozessen und der Komplexität der Rüstungsvorhaben nicht mehr gewachsen war und nicht mehr gewachsen ist. Diese Struktur muss verändert werden. Frau Ministerin, Sie und Ihre Staatssekretärin haben zu Recht mit uns darüber diskutiert, dass sich auch die Kultur verändern muss; es muss eine Fehlerkultur geben. Wir haben erlebt, dass zum Beispiel Leute, die schon vor Jahren klar formuliert haben, was beim Euro Hawk schiefläuft, von ihren Schreibtischen vergrault wurden und dass der entsprechende Bericht zurückgewiesen wurde. Die Kompetenz dieser Leute fehlt nun. In den letzten Jahren hatten wir die Kultur, dass all diejenigen, die Bedenken geäußert und Rat gegeben haben, als Störenfriede verstanden wurden. Dies entspricht nicht den Grundsätzen des modernen Managements. Es ist notwendig und gut, dass Sie das nun ändern. ({3}) Der dritte Grund ist - damit sich etwas verändert, muss man auch ihn nennen -: Die Strukturreform Ihres Vorgängers hat die Probleme nicht gelöst, sondern verschärft, insbesondere im Bereich der Instandsetzung. Es ist doch klar: Wer von vornherein eine Struktur wählt, die zum Ziel hat, sowohl die Zahl des Personals als auch das Gerät zu reduzieren, und nach der Rasenmähermethode verfährt, anstatt zu prüfen, wo qualifiziertes Personal an den richtigen Stellen benötigt wird, und dann noch anordnet, dass 70 statt 100 Prozent des Geräts ausreichend sind, darf sich nicht wundern, dass immer mehr technische Geräte ausfallen, weil sie zu viele Betriebsstunden aufweisen, und dass eine kritische Größe bei bestimmten Fähigkeiten erreicht wird. In dieser Situation befinden wir uns nun. Um nicht falsch verstanden zu werden: Es ist wahr, dass die Bundeswehr leistungsfähig ist. Aber auch hier muss man genau hinschauen. In der Bundeswehr gibt es hervorragende Bereiche, in denen sie im internationalen Maßstab führend ist. Das liegt auch an den Menschen, die dort arbeiten. Dann gibt es Bereiche, in denen die Bundeswehr einsatzfähig, aber nicht mehr durchhaltefähig ist. Die derzeit geplante Struktur sieht die Nichtdurchhaltefähigkeit konzeptionell vor; das ist so eingeplant. Es geht auf die Knochen der Soldatinnen und Soldaten, insbesondere der Spezialisten, wenn sie allzu lange im Einsatz sind und nicht mehr wie gewünscht als Staatsbürger in ihrem sozialen Umfeld leben können. Deshalb muss man an diese Fragen mit herangehen. Sie haben den Informationen aus dem Haus im Frühjahr zu Recht nicht vertraut und einen externen Blick darauf geworfen. Der war notwendig. Das wird nicht das Ordnungsprinzip der Zukunft sein; aber dieser Blick war hilfreich. Bei der Untersuchung der neuen Projekte - davon möchte ich zwei ansprechen - geht es um Folgendes: Der Euro Hawk ist in hohem Grade politisch belastet, und es ist nicht einfach, das zu kommunizieren. Wir sind aber erstens der Auffassung, es ist klug, dieses teure Projekt mit seiner herausragenden Fähigkeit nach Möglichkeit zum Erfolg zu führen und nicht für gleich viel oder mehr Geld etwas deutlich Schlechteres zu beschaffen. Deshalb ist dies der richtige Weg. Zweitens sind wir der Meinung, wir haben im Bereich der bodengebundenen Luftverteidigung in Deutschland herausragende Fähigkeiten. Die sollten wir national schützen, und wir sollten das auch in Auftrag geben. Damit komme ich zum Bereich der Schlüssel- oder Kernfähigkeiten, Frau Ministerin.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Sie denken aber an die Zeit.

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme zum Ende. - Frau Ministerin, wir müssen diese definieren. Das kann man selbstverständlich nicht der Wirtschaft überlassen. Wir haben aber eine Bitte: Wir sollten die Debatte nicht so führen, dass die Unternehmen, die jetzt bezüglich ihrer Fähigkeiten infrage gestellt werden - dabei geht es um die Frage, ob diese Fähigkeiten zu den Kernfähigkeiten gehören -, sich kritischen Fragen ihrer Banker oder der Kapitalmärkte stellen müssen. Wir haben da eine gemeinsame Verantwortung. Unser Anliegen ist eindeutig. Ich glaube, dass auch die Sichtweise dazu in dieser Koalition mehrheitlich eindeutig ist. Kernfähigkeiten waren für uns in der Vergangenheit - sie sollen es auch in Zukunft sein - Fähigkeiten, die dem nationalen Interesse entsprachen. Sie haben diese Fähigkeiten genannt: Verschlüsselungstechnik, Sensorik und Aufklärung. Kernfähigkeiten beruhen aber auch auf herausragenden technischen Fähigkeiten, welche die deutsche Rüstungswirtschaft erbringen kann. Da sind wir im Weltmaßstab spitze. Wir wollen sie nicht nur wegen der Arbeitsplätze bewahren, sondern das hat zum Beispiel auch bei MEADS, also der Luftverteidigung, etwas mit nationaler Souveränität zu tun, die wir schützen wollen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Kollege.

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Deshalb muss Klarheit geschaffen werden. Bei Landsystemen, U-Booten und Kleinwaffen hat die deutsche Wirtschaft wirklich herausragende Fähigkeiten. Sie gehören mit zu diesen Kernfähigkeiten. Die Koalition, Frau Ministerin, steht - ich komme zum Ende - an Ihrer Seite.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Kollege.

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Zuhören und handeln müssen Sie. Alles Gute dabei! ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Lieber Herr Kollege Arnold, ich habe den Geburtstagsgruß schon von der Zeit abgezogen, damit Sie etwas mehr Luft hatten. ({0}) - Die Technik, mehrfach zu versprechen, zum Ende zu kommen, um dann fröhlich weiterzureden, ist verständlich, wenn man von einem Thema viel versteht; aber es wäre doch nett, wenn wir uns in der Aktuellen Stunde an die Regeln halten würden. - Als Nächstem erteile ich das Wort dem Kollegen Henning Otte, CDU/CSU-Fraktion. ({1})

Henning Otte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003821, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben den Auftrag, die Bundeswehr so auszurichten, dass sie auf jede sicherheitspolitische Herausforderung eine Antwort geben kann. Die sicherheitspolitische Lage ist angespannt. Wir haben eine hohe Beteiligung an Auslandsmandaten, und wir haben große sicherheitspolitische Herausforderungen, die wir tagtäglich diskutieren. Deutschland muss einen Beitrag leisten. Deutschland übernimmt Verantwortung. Deswegen brauchen wir auch ein ausgedehntes Fähigkeitsprofil, wir müssen auf jede Lage eine entsprechende Antwort geben können. Wir müssen Fähigkeiten anbieten können, von denen wir überzeugt sind, dass wir sie auch gut abbilden können. Zur Erfüllung dieses Auftrages brauchen wir das notwendige Material. Wir haben gesehen: Wenn sich eine Krise auftut, ist es immer zuerst die Bundeswehr, die gerufen wird ({0}) egal ob es sich um Auslandsmandate handelt, ob es um die Ebolaseuche oder um Hochwasser geht. Das ist auch ein Ausdruck von Vertrauen und eine Zuversicht in die Fähigkeiten der Bundeswehr. Weiter ist es auch die Anerkennung der Leistungen unserer Soldatinnen und Soldaten. Das sollten Sie, bitte, auch einmal zur Kenntnis nehmen. ({1}) Dass wir diese Diskussion hier führen, ist auch ein Ausdruck dafür, dass wir unsere Fürsorge und auch unser sicherheitspolitisches Interesse wahrnehmen. Es gibt Herausforderungen und Probleme bei der Beschaffung, weil oftmals zu spät und nicht in der vereinbarten Qualität geliefert wird. Wir haben eine hohe Beanspruchung auch älteren Materials. Ich nenne in diesem Zusammenhang beispielsweise die Transall. Deswegen greifen wir auch noch einmal vermehrt in die Substanz ein. Hierbei wird offenkundig, dass es auch Probleme gibt. Lieber Herr Hofreiter, wenn Sie sich darüber echauffieren, dass in letzter Zeit so viel investiert worden ist, dann sage ich ganz deutlich: Wir machen Ihrem damaligen grünen Außenminister keinen Vorwurf, dass er die Soldatinnen und Soldaten in den Einsatz nach Afghanistan geschickt hat. Aber wenn wir dann feststellen, dass wir nachrüsten müssen und mehr Schutzkomponenten brauchen, dass wir also mehr investieren müssen, ({2}) dann sollten wir das als gemeinsame Aufgabe ansehen und das auch anerkennen. ({3}) Zu viel ist dadurch kompensiert worden, dass man in den Grundbetrieb eingegriffen hat. Das geht einmal, aber das geht nicht auf Dauer. Die Neuausrichtung der Bundeswehr, die vom damaligen Verteidigungsminister Herrn de Maizière angestoßen wurde, hatte zwei Zielrichtungen: die Bundeswehr auf die Einsatzlage auszuHenning Otte richten und die Beschaffungsprozesse zu beschleunigen und zu verbessern. Genau das hat unsere jetzige Verteidigungsministerin, Frau von der Leyen, aufgenommen und konsequent fortgeführt, indem sie sich alle Großprojekte hat vorstellen und sich den Istzustand hat berichten lassen und indem sie ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, um genau herauszufinden, wie wir die Prozesse noch besser gestalten, noch mehr beschleunigen und verlässlicher machen können. Deswegen sind wir Ihnen, liebe Frau Ministerin, für diese Arbeit sehr dankbar. Auch wenn noch viel Arbeit vor uns liegt, so ist das der richtige und notwendige Schritt, den wir gemeinsam in der Großen Koalition tun. ({4}) Dieses Gutachten muss aber auch aus sicherheitspolitischer Sicht ausgewertet werden. Welches Fähigkeitsprofil brauchen wir? Viele Produkte und Fähigkeiten, die die deutsche Industrie herstellt, verfügen über eine Spitzenqualität. Das ist sowohl Ausdruck als auch Grundlage von Souveränität und Sicherheit. Wenn aber solch eine Industrie erst einmal ins Ausland verlagert wird, dann ist es umso schwerer, diese Industrie zurückzuholen. Oder, wie der Rheinländer sagt: Was fott is, is fott. Wer glaubt, dass wir von ausländischen Industrien besser versorgt werden, der irrt. Ich stelle das in Zweifel. Wir haben eine Industrie, die ausgewiesene Fähigkeiten bei der Herstellung von Produkten für die Luft-, Landund Seestreitkräfte hat und Spitzenprodukte liefert. Aber es muss noch eine bessere Abstimmung untereinander erfolgen. Dort, wo wir spitze sind, müssen wir spitze bleiben, und dort, wo wir noch nicht spitze sind, müssen wir spitze werden. ({5}) Am Ende eines oftmals langen Entwicklungs- und Beschaffungsprozesses, bei dem es natürlich Anpassungen aufgrund der Erfahrungen aus den Einsätzen oder aufgrund von Innovations- und Techniksprüngen gibt, steht meist das beste und modernste Produkt, das es gibt. Aber das dauert zu lange. Die Produkte kommen nicht so verlässlich, wie es unsere Soldatinnen und Soldaten im Einsatz brauchen. 2013 sind 7 700 Verträge im Verteidigungsministerium geschlossen worden, wir haben 1 200 Beschaffungsprojekte, wir haben 100 sogenannte Über-25-Millionen-Vorlagen und 15 Großvorhaben. Das zeigt, dass wir auch in der Vertragsgestaltung und in der Vertragsauslegung sattelfest werden müssen; denn es geht auch darum, dass wir am Anfang des Vertrages deutlich machen, was wir wollen, damit wir am Ende auch das Produkt geliefert bekommen, das wir wollen. Ich habe Vertrauen in die Wirtschaft, aber wir müssen deutlich machen, dass wir Verlässlichkeit und Pünktlichkeit wollen. Wir wollen vor allem unseren Soldatinnen und Soldaten das Gerät zur Verfügung stellen, das sie für ihren Einsatz brauchen, und das muss schneller, pünktlicher und verlässlicher geschehen. Das muss uns die Sicherheit unseres Landes wert sein. Herzlichen Dank. ({6})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als nächster Rednerin erteile ich der Abgeordneten Christine Buchholz, Fraktion Die Linke, das Wort. ({0})

Christine Buchholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004022, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute über den Rüstungsprüfbericht und den Umgang von Frau von der Leyen mit demselben. Meine These ist: Die Antworten, die Frau von der Leyen und die Vertreter der Regierung geben, gehen an den eigentlichen Problemen vorbei. Frau von der Leyen, Sie räumen nicht auf, sondern Sie bedienen weiter die Profitinteressen der Rüstungsindustrie. Das hängt natürlich, Herr Arnold, damit zusammen, dass Sie gemeinsam die Bundeswehr auf Biegen und Brechen in globale Einsätze schicken wollen. Schauen wir uns das Ganze genau an. Wir reden über die Verträge, die das Bundesverteidigungsministerium mit der Rüstungsindustrie schließt. Es wird hier immer so technisch über die Verträge und die Vertragsstrafen geredet. Ich will es einmal konkret machen: Der Eurofighter kostet den Steuerzahler am Ende 60 Milliarden Euro. Und an so vielen anderen Ecken und Enden fehlt das Geld! Nachdem der Preis pro Stück weiter explodierte, reduzierte das BMVg das Auftragsvolumen. Der Wert der Bestellung blieb gleich; doch der Triebwerkhersteller MTU erhielt im Dezember 2013 55 Millionen Euro Kompensationszahlungen für Triebwerke, die niemals gebaut worden sind. Airbus Defence fordert 900 Millionen Euro als Ausgleich für die Reduzierung der georderten Stückzahl. Aber umgekehrt gilt das Ganze nicht. Wenn sich infolge von Schwachstellen an den ersten 33 ausgelieferten Flugzeugen die Lebensdauer verkürzt, dann werden die Ansprüche an den Hersteller wegen der Vertragslage womöglich nicht geltend gemacht werden. Meine Damen und Herren, es kann nicht sein, dass mit Steuergeld so umgegangen wird. ({0}) Es ist nicht so, dass es in allererster Linie handwerkliche Probleme gibt; nein, das Problem hat System: Erstens. In allen Projektgruppen, die diesen Beschaffungsprozess prägen, saßen von Anfang an Vertreter der Rüstungsindustrie. Sie werden mit daran beteiligt, die sogenannten Fähigkeitslücken zu definieren. So war beispielsweise EADS Hauptauftragnehmer für die Erstellung der Systemkonzeptstudie zum Euro Hawk. Zweitens. Ministerium und Rüstungsindustrie teilen das Interesse, die Bundeswehr global in Einsatz zu bringen, und dies bei größtmöglicher Eigenständigkeit gegenüber amerikanischen Partnern und russischen Rivalen. Drittens. Über Personen kann man das Ganze auch plastisch machen. Ich verweise auf den ehemaligen Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent5188 wicklung Dirk Niebel, der nun Rüstungslobbyist bei Rheinmetall wird, oder auf Tom Enders, den jetzigen Vorstandsvorsitzenden der Airbus Group, der in der Vergangenheit als Beamter im Verteidigungsministerium gewirkt hat und bis 2011 Mitglied der CSU war. Es wundert nicht, dass die Regelung der Regierung zu Karenzzeiten ein zahnloser Tiger ist. ({1}) Wie geht die Rüstungsindustrie mit dem Bericht um? Sie jammert ja immer viel; dabei ist die Realität, dass deren Jahresumsatz 2013 knapp 30 Milliarden Euro betrug. Seit 2005 wächst die Rüstungsindustrie jährlich im Schnitt um 4,3 Prozent. Sie ist gierig. Sie verlangt mehr. Adamowitsch, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, fordert jetzt, dass die Deckelung von Gewinnmargen aufgebrochen wird. Meine Damen und Herren, das kann doch nicht wahr sein! ({2}) Frau von der Leyen produziert weiter Kosten für den Steuerzahler. Denn anstatt die ausufernden Kosten einzudämmen, kündigt das BMVg jetzt im Begleitschreiben zum KPMG-Bericht an, dass noch in diesem Jahr mehrere wichtige Rüstungsbeschaffungsentscheidungen auf den Weg gebracht werden sollen. In diesem Zusammenhang kurz ein Wort zum Euro Hawk: Ich halte es für eine absolute Schnapsidee, den Euro Hawk, der bereits eine halbe Milliarde Euro verschlungen hat, aus der Mottenkiste zu holen. ({3}) Die Kostenexplosion ist vorprogrammiert. Von daher: Ersparen Sie dem Steuerzahler dieses weitere Milliardengrab. ({4}) Die Regierung, Frau von der Leyen, die CDU nutzen die jetzige Debatte, ({5}) um eine weitere Diskussion voranzutreiben, nämlich die über die perspektivische Erhöhung des Rüstungsetats. Sie fordern mehr Geld für Rüstung in der Zukunft. Wir sagen Nein. Nutzen Sie jetzt nicht die Diskussion über die aufgetretenen Mängel, um an dieser Stelle Druck zu machen. Eine Erhöhung des Rüstungsetats werden wir, die Linke, nie mitmachen. ({6}) Internationale Verantwortung bedeutet die Abkehr von immer mehr militärischen Einsätzen. Internationale Verantwortung heißt Abrüstung. Sie setzt auf zivile Krisenlösungen. Internationale Verantwortung heißt auch, endlich den Filz zwischen Rüstungsindustrie und Politik aufzulösen. ({7})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Thomas Hitschler, SPD-Fraktion. ({0})

Thomas Hitschler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004303, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dem Verteidigungsministerium ausgesprochen dankbar für diesen Bericht, auch wenn ich mich gefreut hätte, ihn vor der Presse zu Gesicht zu bekommen; aber da bin ich vielleicht etwas zu altmodisch. Dass es beim Material der Bundeswehr Probleme gibt, ist nicht neu, das Ausmaß der Herausforderung allerdings schon. Das haben die alarmierenden Nachrichten der letzten Wochen unterstrichen. Eine kritische und gleichzeitig schonungslose Analyse ist absolut notwendig, um diese Herausforderung zu meistern. Eine solche Analyse liegt jetzt vor und offenbart in manchen Bereichen, dass in den letzten Jahren Fehlentscheidungen getroffen wurden. Ich will diese Aktuelle Stunde nutzen, um auf einen Punkt hinzuweisen, der in diesem Papier zu wenig Beachtung findet. Baustellen gibt es nämlich nicht nur bei den Großprojekten; auch ein Blick auf die persönliche Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten lohnt sich. Ich habe diesen Sommer genutzt, um viele Bundeswehrstandorte in unserer Republik zu besuchen. Besonders erschreckt haben mich Berichte, die ich in der letzten Woche erhalten habe. Bei einem Einsatzverband im Südwesten wurde mir ein Problem deutlich vor Augen geführt. Mir wurde berichtet, dass die materielle Einsatzbereitschaft der Grundausstattung bei Teilen der Truppe bei nur 20 Prozent liegt. Handfeuerwaffen und Nachtsichtgeräte sind nur zum Teil verfügbar. Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus dem Bericht, den die Soldaten mir vorgelegt haben, wurde deutlich, dass auch für die Ausbildung eine entsprechende Ausrüstung dringend nötig ist. Nur wenn die Soldatinnen und Soldaten bestens ausgebildet sind, auch bei Tag und Nacht mit der Ausrüstung üben können, können sie den hohen Grad an Einsatzbereitschaft zeigen, den wir alle von ihnen fordern. Das ist nämlich unser Auftrag, Kolleginnen und Kollegen, den wir den Soldatinnen und Soldaten geben. Gerade bei den Fallschirmjägern haben sich große Probleme gezeigt, also bei denen, die als Erste in den Einsatz geschickt werden und als Erste im Gefecht stehen. Die Situation ist, so meine ich, schlicht unzumutbar und auf dem schnellsten Wege zu ändern. Nur so können wir die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten gewährleisten und auch unserer Verantwortung als Auftraggeber nachkommen. Ich hoffe, hier handelt es sich nur um ein Verteilungsproblem und nicht um ein grundsätzliches Beschaffungsproblem. Die Kosten sind im Vergleich relativ gering. Deshalb bitte ich das Verteidigungsministerium, sich dieses Punktes unverzüglich anzunehmen. Um ähnliche Probleme auch bei anderen Standorten auszumachen, brauchen wir zusätzliche Sachstandsberichte, Sachstandsberichte über die einzelnen Verbände. Der Ausrüstungsstand sollte überall bei 100 Prozent liegen. Das muss das ausgemachte Ziel sein, Kolleginnen und Kollegen. ({0}) Kritik zu äußern ist relativ einfach und bequem - das haben wir heute schon mindestens zweimal gesehen -; Kritik anzunehmen, Lösungen zu erarbeiten und umzusetzen ist eine andere Frage. ({1}) Die wichtigste Leistung dieses Berichts ist es, die schlimmsten Mängel schonungslos offenzulegen. Damit muss aber auch die Geheimhaltungs- und Verschleierungskultur der letzten Jahre ein Ende haben. Ein solcher Kulturwechsel wäre wirklich der größte Erfolg dieses Berichts und für das Parlament unabdingbar. Neben der Analyse finden sich auch konkrete und, wie ich finde, meist vernünftige Handlungsempfehlungen in diesem Papier, die für uns auch die Ursachen aufzeigen, und das heißt nicht automatisch: mehr Geld! Wer reflexartig ausschließlich mehr Geld als Lösung fordert, der hat den Bericht entweder nicht gelesen oder nicht verstanden. Die massive Geldverschwendung bei den Rüstungsprojekten ist doch gerade Teil des Problems, und damit muss jetzt Schluss sein, Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Dafür brauchen wir vor allem eines - das wurde in der Debatte wirklich deutlich -: Wir brauchen ein besseres Management. „Besseres Management“ heißt für mich: mehr Fachpersonal. Das Kaputtsparen bei den zivilen und militärischen Beschäftigten rechnet sich nicht; auch das zeigt der Bericht deutlich. Nur so können wir wieder auf Augenhöhe mit der Industrie verhandeln. Eigene Fachexpertise ist da dringend notwendig. Die Bundeswehr braucht, so meine ich, ein besseres Personalmanagement mit nachhaltigen Personalentwicklungsplänen und gezielten Förderprogrammen für den gesamten Personalkörper; denn der Arbeitgeber Bundeswehr wird nur dann attraktiv, wenn wir den nachfolgenden Generationen eine Perspektive aufzeigen. Wenn wir das jetzt nicht anpacken, fällt uns der Fachkräftemangel in den nächsten Jahren deutlich und noch stärker auf die Füße, und die Probleme werden noch größer. Auf den Prüfstand gehört ebenso das Konzept „Breite vor Tiefe“. Es hat sich weder bewährt, noch ist es zeitgemäß. Der Debattenanstoß um Schlüsselqualifikationen der Rüstungsindustrie ist daher wichtig. Dafür bin ich Ihnen auch sehr dankbar. Wir werden also schauen müssen: Was können wir besonders gut, auch und gerade mit Blick auf unsere Verbündeten? Die Entwicklung wird daher zwangsläufig in Richtung einer europäischen Armee gehen müssen. Es ist schlicht ineffektiv und veraltet, im nationalen KleinKlein jede Fähigkeit ein bisschen beherrschen zu wollen; noch schlimmer wäre es, eine Fähigkeit gar nicht zu beherrschen. Wir müssen stattdessen Kernprofile schärfen, in denen die Bundeswehr Topleistungen bringt, und diese dann auch mit den Topleistungen unserer Freunde und Partner kombinieren. So geht eine moderne, schlagkräftige und effektive Verteidigungspolitik für Europa, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dieser Bericht ist ein mutiger und wichtiger erster Schritt. Den Ankündigungen müssen jetzt aber auch Taten folgen. Die Handlungsempfehlungen müssen analysiert werden, sie müssen in konkrete Vorhaben gegossen werden, und sie müssen umgesetzt werden. Wir werden diesen Prozess mit allen Kräften unterstützen. Und wir laden auch die Opposition ein: Auch Vorschläge von ihr sind hier gefragt, nicht nur unsachliche Kritik. Vielen Dank. ({3})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Bündnis 90/Die Grünen.

Agnes Malczak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004106, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Ministerin von der Leyen, nicht nur weil Sie heute Geburtstag haben, zu dem ich Ihnen natürlich auch ganz herzlich gratulieren möchte, ({0}) möchte ich einen Schritt zurücktreten von der üblichen Oppositions-Regierungs-Logik; denn normalerweise sind ja Rüstungsdesaster, plump gesprochen, ein gefundenes Fressen für die Opposition. Nein, ich wünsche mir wirklich, dass es Ihnen gelingt, das umzusetzen, woran all Ihre männlichen Vorgänger gescheitert sind, nämlich beim Thema Rüstungsprojekte bei der Bundeswehr einmal ganz grundsätzlich aufzuräumen. ({1}) Es gibt gravierende Mängel, es gibt große Probleme, einerseits beim alten Material, andererseits aber auch bei den Projekten, die neu zulaufen. Sie müssen für die Lösung all dieser Probleme ein schlüssiges Gesamtkonzept bringen. Sie müssen kurzfristige, aber auch langfristige und strukturelle Lösungen jetzt endlich auf den Tisch legen. Viele Empfehlungen, wie das gehen könnte, wie man durch Drehen an der einen oder anderen Schraube etwas verbessern könnte, stehen in dem Gutachten, das heute schon erwähnt wurde und über das wir schon viel diskutiert haben. Es hat 1,4 Millionen Euro gekostet, ist über 1 000 Seiten dick und stellt dem Rüstungswesen bei der Bundeswehr, aber auch den Reformen, die Ihr Vorgänger de Maizière an dieser Stelle durchgeführt hat, ein verheerendes Zeugnis aus. Es ist deutlich: Es gibt viele Probleme, es gibt Chaos bei der Projektsteuerung, schlechte Verträge, unübersichtliche Zuständigkeiten und widerstreitende Interessen. Frau von der Leyen, in Ihrem Haus weiß offensichtlich die eine Hand nicht, was die andere tut. Beenden Sie dieses Missmanagement und diese ineffizienten Strukturen! Sorgen Sie für mehr Transparenz und für eine offene und ehrliche Kommunikation in dieser Frage! ({2}) Denn es muss Schluss sein mit einer Kultur, bei der Probleme immer wieder übersehen, vertuscht oder kleingeredet werden. Sie haben aber jetzt schon - und das macht mich sehr skeptisch, dass Sie Ihre Ankündigungen wirklich umsetzen - so gut wie ausgeschlossen, dass Sie sich ganz grundsätzlich an die Organisationsstruktur wagen. Da muss ich sagen: So ernst nehmen Sie also Ihr eigenes teures Gutachten! Ich würde sagen, Sie sollten es annehmen und umsetzen, was Ihnen da ins Hausaufgabenheft geschrieben worden ist. ({3}) Es gibt schon jetzt einige Zweifel daran, dass Sie wirklich das anpacken wollen, was Sie uns hier an dieser Stelle vollmundig versprochen haben. Ich möchte ein anderes Beispiel nennen: Das Dokument sagt zu der Frage, wie es mit der Aufklärungsdrohne Euro Hawk, dem riesigen Flopprojekt aus dem letzten Sommer, weitergehen soll, sehr klar: Dieser Punkt ist noch nicht entscheidungsreif. - Da habe ich persönlich schon sehr gestaunt, als ich Sie am Sonntag, also einen Tag bevor das Gutachten übergeben wurde, im Fernsehen gesehen habe und Sie wörtlich gesagt haben - ich zitiere -: … für die Serienreife, also wenn wir dann in den Normalbetrieb gehen, werden wir ein anderes Flugzeug nehmen, eine andere Drohne, die heißt Triton, die ist aus den USA. Und das, obwohl es die gleichen Probleme wie beim Euro Hawk geben wird! Wenn das die neue Beschaffungspolitik à la Frau von der Leyen sein soll, dann sage ich nicht nur „Gute Nacht!“, sondern sage Ihnen auch voraus: Da stolpern Sie sehenden Auges genau in die Falle, in die Ihr Vorgänger de Maizière getappt ist. ({4}) Frau von der Leyen, Sie haben hier vorhin gesagt, es solle nicht nur um Problembeschreibungen gehen, jetzt gehe es um Lösungsvorschläge. Aber dazu muss ich ehrlich sagen: Ich habe bisher nicht viel gehört. Es wird zwei Task Forces geben, einen Lenkungsausschuss; es soll eine neue Kultur geben. Ich glaube, da müssen Sie noch einmal viel grundsätzlicher ran und auch sagen, was Sie aus dem Gutachten an der Stelle umsetzen wollen. Sie haben jetzt auch das Thema Rüstungsindustrie angesprochen. Sie haben die Schlüsselfähigkeiten, die die wehrtechnische Industrie in Deutschland haben sollte, benannt. Es ist sicherlich eine Grundursache für die Probleme, die wir im Beschaffungsbereich haben - die sind ja auch schon genannt worden -, dass viel zu oft industriepolitische Interessen Vorrang hatten vor außen- und sicherheitspolitischen Begründungen, Vorrang hatten vor den Notwendigkeiten für die Bundeswehr und auch den finanziellen Rahmenbedingungen. Aber nach dem, was der Kollege Otte und der Kollege Arnold gerade hier gesagt haben, habe ich auch an der Stelle große Skepsis, dass Sie Ihren Vorschlag so werden umsetzen können. ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Verteidigungsausschuss, nach fünf Jahren in diesem Ausschuss muss ich sagen: Mir reicht es an dieser Stelle. ({6}) Ich finde, das Vertrauen ist an vielen Stellen grundsätzlich beschädigt worden. Ich habe es, ehrlich gesagt, satt - ich habe auch viele Kollegen und Kolleginnen, egal ob aus der Opposition oder aus der Regierung, so verstanden -, dass wir als Abgeordnete von Skandalen oder bestimmten Missständen nur erfahren, wenn wir mühsam und gezielt nachfragen, wenn die Presse es aufgedeckt hat, wenn wir einen Hinweis aus der Truppe bekommen oder wenn der Bundesrechnungshof von explodierenden Kosten bei bestimmten Waffensystemen schreibt. Ich finde, wir als Ausschuss - da haben Sie völlig recht, Herr Arnold - sind nicht verantwortlich für diese Probleme. Wir können sicherlich auch nicht die Arbeit des Ministeriums machen. Wir haben gesagt - das ist richtig -, wir wollen kontinuierlich über Materiallager und Beschaffung unterrichtet werden, und wir wollen Transparenz herstellen. Aber ich finde, wir sollten die Kontrolle an dieser Stelle noch verschärfen. Wir sollten Transparenz noch härter einfordern. Deshalb bitte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen - da appelliere ich auch an Ihr Selbstverständnis als Parlamentarierinnen und Parlamentarier -: Lassen Sie uns einen gemeinsamen Unterausschuss zur Frage der Rüstungsprojekte auf den Weg bringen. ({7}) Auf diese Weise können wir als Parlament mehr Verantwortung übernehmen. Die Probleme löst man nicht durch ein hektisches Ankündigungsstakkato oder dadurch, dass man halb gare Vorschläge präsentiert, die sich nur auf den ersten Blick im Scheinwerferlicht gut verkaufen lassen. Es hilft nichts, an einer glamourösen Fassade zu werkeln, wenn gleichzeitig die Risse im Fundament immer größer werden. Stattdessen braucht es jetzt eine kluge und durchdachte Sicherheitspolitik. Das ist eine Kärrnerarbeit. Dafür müssen die Empfehlungen aus dem Gutachten ernst genommen und umgesetzt werden; denn anders werden wir der Probleme nicht Herr und Herrin werden. Vielen Dank. ({8})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Ingo Gädechens, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Ingo Gädechens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004036, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesministerin der Verteidigung hat eine externe Unternehmensberatung beauftragt, im Rahmen einer Studie eine umfassende Bestandsaufnahme der großen Rüstungsprojekte vorzunehmen. Nun liegen die Ergebnisse vor, die im Grunde genommen das bestätigen, was wir alle bereits seit längerem geahnt und sicherlich auch gespürt haben, nämlich dass das Rüstungsmanagement deutlich verbessert werden muss. Wichtige Schritte wurden bereits eingeleitet; weitere Schritte müssen folgen. Nun hat uns die Studie zu einem Zeitpunkt erreicht, an dem wir ohnehin intensiv über die materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr diskutieren. Dadurch wird der Auftrag an uns, Fehler beim Materialerhalt und in der Beschaffung möglichst umgehend zu beheben, noch deutlicher. Die Bundeswehr - wir hörten es mehrfach ist mittlerweile eine Einsatzarmee. Von der Verteidigungsarmee über die Armee der Einheit ist die Bundeswehr zu einer Armee geworden, die im Einsatz steht und mehr denn je auf modernstes Material angewiesen ist. Wir können es uns nicht länger leisten, dass Rüstungsprojekte aus dem vereinbarten Kostenrahmen entgleiten, also immer teurer werden, vereinbarte Qualitätsmerkmale nicht eingehalten werden und sich das Lieferdatum immer weiter nach hinten verschiebt. Durch das Gutachten haben wir auch ein gewaltiges Aufgabenpensum mit auf den Weg bekommen. Nicht alle Empfehlungen - das ist meine erste Einschätzung sollten wir eins zu eins umsetzen. Wohl aber muss der Beschaffungsvorgang noch effektiver ausgestaltet werden. Meine Damen und Herren, die Kernaussage der Studie bringt das eigentliche Problem auf den Punkt: Ein funktionierendes Risikomanagement war nicht ausreichend vorhanden. Erkannte Risiken wurden teils ignoriert, verwässert oder versickerten in der Meldekette bis zur Leitungsebene. Aus diesem Grund - die Ministerin hat das sehr genau erkannt - benötigen wir klare Zuständigkeiten und Verantwortungsbereiche sowie ein ehrliches und effektives Berichtswesen. Schon bei der Vertragsgestaltung muss noch sauberer gearbeitet werden, damit zum Beispiel berechtigte Regressforderungen auch durchgesetzt werden können. Mein Rat lautet deshalb: Die Industrie tut gut daran, ehrliche Verträge mit realistischen Wegmarken und erreichbaren Zielvorgaben mit dem Bedarfsträger Bundeswehr auszuhandeln, um dann die zugesagten Leistungen im vereinbarten Kostenrahmen und zum zugesicherten Liefertermin zu erbringen. Die Bundeswehr tut gut daran, ihre Anforderungen an das technische Material noch klarer zu definieren, um damit Ziele und Fristen mit mehr Nachdruck verfolgen zu können. Und auch wir, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, sind gefordert, die sicherheitspolitischen Anforderungen an die Bundeswehr noch deutlicher zu definieren, um sie dann mit ausreichenden Mitteln auszustatten, die dann hoffentlich zeitgerecht und im entsprechenden Haushaltsjahr abgerufen werden. Vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen in der Welt ist es wichtig, rasch zu handeln. Es ist heute nicht mehr egal, ob eine Fregatte zwei oder zwölf Wochen zur Reparatur in einer Werft liegt. Es ist auch nicht egal, ob sich der Zulauf eines hochwertigen Ersatzteils um drei oder dreißig Monate verzögert. Wir müssen die Beschaffung von neuem Gerät beschleunigen und dabei auch die Materialerhaltung stärker in den Fokus rücken. ({0}) Parallel müssen wir uns Gedanken machen, welche Schlüsselbereiche wir in unserer wehrtechnischen Industrie erhalten wollen. Darüber wird es einen Diskussionsprozess geben müssen. Es ist nicht nur die Frage, welche wir erhalten wollen, sondern auch die Frage, welche wir zur nationalen Sicherheitsvorsorge sogar erhalten müssen. Für viele meiner Kollegen und für mich ist klar, dass dazu selbstverständlich der Bau von Überwasserschiffen wie auch U-Booten gehört. ({1}) Alles andere sollte man mir dann angesichts dieses wettbewerbsverzerrten Marktes erst einmal plausibel begründen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe auch die Wortbeiträge der Opposition sehr aufmerksam verfolgt. Wir als CDU/CSU-Fraktion lassen uns nicht auf ihre ideologischen Spielwiesen führen. Wir nehmen den Auftrag an. Die Ministerin und die Koalitionäre werden die Probleme anpacken, und wir werden sie lösen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({2})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten Lars Klingbeil, SPD-Fraktion, das Wort. ({0})

Lars Klingbeil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003715, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, auch von mir alles Gute zum Geburtstag. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will zu Beginn noch einmal festhalten: Wir haben eine Parlamentsarmee. Wir im Parlament entscheiden über die Einsätze unserer Soldatinnen und Soldaten. Das erfordert von uns nicht nur im Verteidigungsausschuss, sondern im gesamten Parlament, dass wir wachsam sind, wenn es um die Fragen der Bundeswehr geht, und dass wir sehr sorgsam sind, wenn es um die Frage der Einsätze, der Einsatzvorbereitung, der Ausbildung, aber auch um die Sicherheit und den Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten geht. Das ist eine hohe Verantwortung, die wir, egal ob Opposition oder Regierung, hier im Haus haben. Ich bin der Meinung, der Bericht, den die Ministerin am Montag vorgelegt hat, sollte uns wachrütteln und sollte uns dazu bringen, dass wir uns intensiv Gedanken machen, wie wir die Situation verbessern. Ich will zu Beginn auch sagen, dass ich der Ministerin ausdrücklich dankbar dafür bin, dass es diesen Bericht gibt und wir mit der Arbeit jetzt beginnen können. Das sollten wir in der Aktuellen Stunde nicht vergessen: Es war die Ministerin, die sich vor ein paar Wochen nicht hat zufriedenstellen lassen mit den Zahlen, die geliefert wurden. Sie hat gesagt: Ich möchte extern prüfen lassen und möchte gründlich erstellte Zahlen haben, auf deren Grundlage eine Bewertung stattfinden kann. - Dafür herzlichen Dank, Frau Ministerin. ({0}) Ich frage mich die ganze Zeit, was die Linke mit der von ihr beantragten Aktuellen Stunde eigentlich erreichen will. Was ist Ihre Zielsetzung? Wenn Sie ehrlich sind, haben Sie zum aktuellen Thema gar nichts gesagt. ({1}) Es ging um ein paar Verschwörungstheorien und um das Verhältnis von Politik und Rüstungsindustrie, es ging um generelle Kritik an der Bundeswehr und um das Thema Auslandseinsätze. Aber die Linke hat hier heute gar nichts Konstruktives zum Thema der Aktuellen Stunde beigetragen. ({2}) Darüber sollten Sie sich schon Gedanken machen. Ich kann Ihnen versprechen: Das, was Sie nicht wollen, nämlich eine Stärkung der Bundeswehr, wird das Ergebnis des Prozesses sein, den wir am Montag mit der Vorlage der Studie eingeleitet haben. Die politischen Konsequenzen, die wir aus dieser Studie ziehen, werden am Ende dazu führen, dass wir in Deutschland eine Bundeswehr haben, die stärker ist, die besser ausgerüstet ist, in der die Soldaten gut vorbereitet werden und mit der sie sicher in die Einsätze gehen. Dafür werden wir sorgen. Das wird Ihnen nicht gefallen. Ich freue mich aber auf die kritischen Diskussionen, die wir an vielen Stellen dazu führen werden. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, was folgt jetzt eigentlich aus der Studie, aus der Analyse, die vorgestellt wurde? Ich sage, dass die Antwort „Mehr Geld“ viel zu kurz greift; wir müssen uns auch über viele andere Dinge unterhalten. Der erste Punkt, den ich für sehr wichtig halte - er wurde schon von Frau Brugger und anderen angesprochen -: Wir müssen dafür sorgen, dass es in der Bundeswehr endlich eine andere Fehlerkultur gibt. Es kann uns Parlamentarier, die wir alle Verantwortung tragen, doch überhaupt nicht zufriedenstellen, dass es aus Teilen der militärischen Führung - wir erleben es immer wieder Meldungen an uns im Ausschuss gibt, die sich nachher nicht als Wahrheit entpuppen. Wenn ich Verantwortung trage, dann möchte ich gerne, dass man Probleme offen benennt. Wir alle kennen die Situation, dass wir die Truppe besuchen und uns an den Standorten Probleme vorgetragen werden; aber nachher heißt es aus der militärischen Führung: Das ist alles nicht so. - Das, was wir an vielen Orten gehört haben, hat sich jetzt mit der Studie bestätigt. Insofern haben Sie, Frau Ministerin, unsere volle Unterstützung, wenn es darum geht, endlich die Fehlerkultur in der Bundeswehr zu verändern. Wir müssen wissen, was die Wahrheit ist. Damit können wir dann arbeiten. ({4}) Der zweite Punkt - auch das ist angesprochen worden -: Wir müssen die Prozesse anders definieren. Wir müssen schauen, wie Controlling, Vertragsabschlüsse und technische Überprüfungen durchgeführt werden. Dazu gehört auch der dritte Punkt: die Personalfrage. Ich halte es für falsch, dass wir bei der Bundeswehr so viel Know-how im zivilen Bereich abgebaut haben und noch abbauen wollen. Ich bitte dringend darum, das noch einmal zu überprüfen. Wir können es uns nicht leisten, dass so viel Know-how aus der Truppe abgezogen wird; wir brauchen dort eigene Kapazitäten. Der vierte Punkt, den ich ansprechen möchte: die Debatte über Schlüsseltechnologien; ich begrüße sie ausdrücklich. Ich glaube in der Tat: Wir müssen diese Diskussion führen, und zwar aus einer sicherheitspolitischen Perspektive, wenngleich es auch eine wirtschaftspolitische Perspektive gibt. Wir müssen als Parlament gemeinsam verhindern, dass uns die Wirtschaft sagt, was die Schlüsseltechnologien sind. Wir müssen aber auch verhindern, dass die Wahlkreisabgeordneten uns sagen, was die Schlüsseltechnologien sind. Das ist etwas, was wir rein sicherheitspolitisch definieren müssen. Da freue ich mich auf die Diskussionen in den kommenden Wochen und Monaten. Der letzte Punkt, den ich ansprechen will: Wir dürfen auf gar keinen Fall den Eindruck erwecken, unsere Bundeswehr wäre nicht mehr einsatzbereit und leistungsfähig. Wir sehen, dass die Bundeswehr den Einsatz in Afghanistan hervorragend leistet. Ich will aber auch sagen: Wir müssen sehr vorsichtig sein, wenn wir über weitere Auslandseinsätze diskutieren. Wenn an einem Tag die Meldung kommt: „Die Materialausstattung ist schlecht“, am nächsten Tag die MelLars Klingbeil dung kommt: „Die Rüstungsvorhaben gelingen nicht oder nicht rechtzeitig“, und am dritten Tag in der Öffentlichkeit über weitere Auslandseinsätze der Bundeswehr diskutiert wird, dann geht davon ein falsches Signal an die Truppe aus. Hier mahne ich zu mehr Sensibilität. Ich glaube, das tut uns allen gut. ({5}) Frau Ministerin, lassen Sie mich am Ende sagen: Wir haben einen schwierigen, einen steinigen Weg vor uns; Sie haben unsere Unterstützung. Ich hoffe, dass wir in drei Jahren sagen können: Es hat etwas gebracht; die Bundeswehr steht besser da. Herzlichen Dank. ({6})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Florian Hahn, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Florian Hahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004048, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die sicherheitspolitischen Herausforderungen Deutschlands haben sich in den letzten 20 Jahren dramatisch verändert, und die Geschwindigkeit der Zunahme derselben gerade in den letzten Monaten ist überaus besorgniserregend. Dieser Veränderung müssen wir gerecht werden und die Frage beantworten, welche Instrumente wir als Staat in Europa haben, um diese Herausforderungen zu bewältigen, und wie diese Instrumente strukturiert sein müssen. Ein wichtiges Instrument ist dabei unsere Bundeswehr, eine Riesenorganisation mit fast 250 000 Menschen, die tagtäglich meist Überdurchschnittliches leisten, und dies oftmals - das sollten wir an dieser Stelle einmal sagen - unter schwierigen Rahmenbedingungen. Diese Menschen brauchen wir, wenn das Instrument Bundeswehr an die Realität angepasst wird. Die Notwendigkeit dieser Anpassung haben wir nicht erst jetzt erkannt, sondern sie war ausschlaggebend für die Reform, die Karl Theodor zu Guttenberg begonnen hat, die Thomas de Maizière maßgeblich vorangebracht hat und die nun Frau von der Leyen fortführen wird. Der vorgelegte Rüstungsbericht bietet eine fundierte Grundlage, um Entscheidungen im Bereich des Beschaffungswesens zu treffen. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich möchte aber auch ausdrücklich sagen, dass die Handlungsempfehlungen lediglich Empfehlungen und keine Entscheidungen sind. Wir selbst müssen sie prüfen und dann politisch entscheiden. In der Diskussion über die Ausrüstung und Einsatzbereitschaft unserer Bundeswehr ist deutlich geworden, dass es zwei Aspekte gibt, die nicht zusammenpassen. Auf der einen Seite mussten wir erkennen, dass die Bundeswehr nicht auf jedem Gebiet materiell in einem optimalen Zustand ist: Es fehlen neue Systeme, alte Systeme müssen kostenintensiv sozusagen am Leben erhalten werden, es fehlt an Ersatzteilen, und oftmals gibt es nicht genug Stunden für Ausbildung und Training. Auf der anderen Seite gelingt es uns nicht, das Geld, das wir für Investitionen eingeplant haben, auch für Investitionen auszugeben. In den letzten sechs Jahren haben wir fast 4 Milliarden Euro, die für Investitionen in die Systeme unserer Bundeswehr vorgesehen waren, nicht ausgegeben. Das ist ungefähr so: Sie haben ein Auto, das Sie nie zur Inspektion geben, und stellen nach ein paar Jahren fest, dass eine teure Reparatur notwendig ist. Da hilft es auch nicht, wenn Sie in Fußmatten oder in einen Neuanstrich der Garage investieren. Deswegen gilt es, in Zukunft dafür zu sorgen, dass jeder Cent, der für Investitionen in unsere Systeme geplant ist, auch dafür ausgegeben wird. Mittelfristig werden wir um eine Erhöhung des Wehretats nicht herumkommen; denn wir haben nicht nur steigende Fixkosten im Bereich Personal oder im Bereich Mieten usw., sondern mit der Übernahme von mehr Engagement und mehr Verantwortung und durch mehr Einsätze steigen auch die variablen Kosten. Lassen Sie mich als Beispiel den letzten NATO-Gipfel nennen, auf dem beschlossen wurde: Wir müssen mehr üben und neue Strukturen aufbauen. - Diese Vorhaben sind im Haushalt noch gar nicht abgebildet. Ich fasse zusammen: Steigende Fixkosten und steigende variable Kosten bedeuten die Notwendigkeit, mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Für mich ist selbstverständlich: Um unsere Landesund Bündnisverteidigung aufrechtzuerhalten und zu gewährleisten und um Einsätze bewältigen zu können, brauchen unsere Soldatinnen und Soldaten die beste Ausrüstung. Auch vor diesem Hintergrund kann ich nur davor warnen, vorschnell und unüberlegt die technologischen Fähigkeiten der wehrtechnischen Industrie in Deutschland aufzugeben. In vielen Bereichen, zum Beispiel in der bodengebundenen Luftverteidigung oder im Bereich militärisches Fliegen, sind wir Weltmarktführer. Das gilt ebenso für den maritimen Bereich und die Landsysteme. Die genannten Technologien ermöglichen es uns, unabhängig von anderen zu sein. Diese Unabhängigkeit war übrigens unser Ziel, als wir in den 50er-Jahren entschieden haben: Wir wollen diese Industrie in Deutschland aufbauen. - Diese Technologien geben uns außerdem die Möglichkeit, Einfluss auf die globale Sicherheitslage zu nehmen. Darüber hinaus sollte uns die Tatsache, dass fast 300 000 Arbeitsplätze von dieser Branche abhängen, nicht ganz unberührt lassen. Vielen Dank. ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als nächstem Redner in der Debatte erteile ich das Wort dem Abgeordneten Jürgen Hardt, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Jürgen Hardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004050, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir verdanken es der Entscheidung der Ministerin, dass die neuen großen und in der Luft hängenden Rüstungsprojekte der Bundeswehr durch eine externe Begutachtung einer schonungslosen Analyse unterzogen wurden. Eine Liste der Mängel liegt öffentlich vor. Frau Brugger, Sie haben gesagt, Sie hätten es satt, dass wir es immer erst aus der Zeitung erfahren, wenn irgendwo etwas schiefgeht. Hier war es anders: Die Ministerin selbst hat dieses Gutachten, in dem die Mängel der neuen großen Projekte angesprochen wurden, vorgelegt. ({0}) Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie man es auch machen kann. Das, was Sie in diesem Zusammenhang gesagt haben, war nicht passend. Was mich in der Diskussion der letzten Tage und Wochen schon ein bisschen beschwert - das geht uns vielleicht allen so -: Wir müssen aufpassen, dass die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die einen hervorragenden Dienst leisten und die mit überwiegend hervorragenden Waffen ausgerüstet sind, nicht den Eindruck bekommen, sie würden in einer Armee dienen, die den anstehenden Herausforderungen nicht gewachsen ist. Wir waren vor wenigen Tagen mit dem Verteidigungsausschuss in der Infanterieschule in Hammelburg. Dort haben wir zum Beispiel den Boxer und die Infanterietruppe gesehen, Teile des Systems „Infanterist der Zukunft“. Das ist, was die Infanterie angeht, das Beste, was die NATO zu bieten hat. Hier verfügt die Bundeswehr über komplett neues Gerät, das in den letzten Jahren zugelaufen ist. Wir haben im Mai in Afghanistan den Tiger und den NH90 im Einsatz gesehen. Der NH90 hat sich bewährt und wird von allen anderen NATO-Nationen als fortschrittliches Waffensystem, als das Höchste, was man zum gegenwärtigen Zeitpunkt bieten kann, bezeichnet. Die Vorstellung, dass die Bundeswehr in den letzten Jahren an Schlagkraft verloren hat, ist meines Erachtens falsch. Es gibt allerdings die angesprochenen Mängel. Diese Mängel sind nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Dinge seitens der Rüstungsindustrie länger dauern, als wir uns das wünschen. Die Transportflugzeuge - Transall - wären ja kein Thema, wenn wir mit dem A400M fliegen könnten. Ich erinnere daran, dass wir vor fünf Jahren über den mangelnden Zulauf der Korvetten diskutiert haben. Es gab Probleme mit dem Getriebe, also Probleme aufseiten des Herstellers der Getriebe. Dafür konnte im Verteidigungsministerium niemand etwas. Man muss von daher berücksichtigen, dass verschiedene Dinge zusammenspielen. Das Gutachten ist ein wirtschaftliches Gutachten. Es muss jetzt durch uns, durch das Ministerium und das Parlament, um die militärfachliche und die politische Dimension ergänzt werden, die zusammen mit der wirtschaftlichen Betrachtung das Gesamtbild abgeben, damit wir wissen, was wir ändern müssen, damit es besser wird. Dazu muss man ganz deutlich sagen: Dieses wirtschaftliche Gutachten lässt die eine oder andere Frage offen, die nur wir beantworten können, die ein externer Gutachter nicht beantworten kann. Ich finde zum Beispiel, dass das Gutachten hinsichtlich der industriellen Kernkompetenzen - was muss Deutschland bzw. Deutschlands Rüstungsindustrie für die Bundeswehr und die NATO-Partner herstellen können? - etwas über das Ziel hinausgeschossen ist. Ich kann in der Vergabe eines Auftrags für ein Rüstungsprojekt an ein ausländisches Unternehmen kein Element der Beschleunigung erkennen. Wir haben bei den multinationalen Projekten die gleichen Probleme wie bei Projekten, die rein deutsch abgewickelt werden. Wir müssen diese Fragen einfach beantworten. Meines Erachtens muss eine große Industrienation wie Deutschland in der Lage sein, eigene Kriegsschiffe, eigene U-Boote und eigene Panzer zu bauen. Das gehört für mich dazu. Ob man das in jedem Einzelfall alleine machen muss, ist natürlich wieder eine andere Frage; aber die Kompetenz muss da sein. ({1}) Ich finde, dass es hinsichtlich der Struktur des Verteidigungsministeriums und unseres Haushalts ein paar grundsätzliche Fragen gibt. Laut Gutachten gibt es allgemein bei der Vertragsgestaltung erhebliche Mängel. Bei uns gilt folgender Grundsatz: Wenn man im öffentlichen Dienst Beamter werden will, dann muss man ein Prädikatsexamen in Jura haben. Ich stelle mir die Frage, ob es nicht besser wäre, wenn wir auch dort mehr Betriebswirte, mehr erfahrene Manager hätten. Wir haben ja jetzt eine Managerin als Staatssekretärin; das ist ein schönes Beispiel. Vielleicht müssen wir an dieser Schraube drehen. Vielleicht müssen wir auch überlegen, ob es sinnvoll ist, die Stehzeiten für die soldatischen leitenden Beamten, die als Generäle oder Obristen Dienst tun, zu verlängern. Sie wechseln den Dienstposten relativ häufig. Wir müssen überlegen, ob das für solche Projekte ein Nachteil ist, ob der eine oder andere nicht länger dabei sein sollte, damit sein Wissen über den Gesamtprozess erhalten bleibt. Ich glaube, wir werden diesbezüglich noch eine ganze Menge Aufarbeitung betreiben müssen. Wenn wir uns Bundeswehrprojekte vornehmen, von denen wir wissen, dass sie über viele Jahre laufen, dann sind wir durch das Haushaltsrecht, nach dem am 31. Dezember eines jeden Jahres die Mittel weg sind, extrem eingeschränkt. Normalerweise, in der freien Wirtschaft, würde man, wenn im nächsten Jahr noch eine Rechnung zu bezahlen ist, eine Rückstellung bilden, und man hätte eine Gesamtübersicht über die Projektkosten. Ich glaube, wir müssen uns auch der Frage widmen, wie wir das Haushaltsrecht mit Blick auf Rüstungsprojekte, vielleicht auch mit Blick auf große Verkehrsprojekte etwas modernisieren können, sodass die strenge Jährlichkeit uns nicht behindert. Ich wünsche mir, dass wir das Ganze jetzt als Aufbruch verstehen, um die Dinge zu ändern und zu verbesJürgen Hardt sern. Ich glaube, die Regierungskoalition ist gerne bereit, die Ministerin dabei zu unterstützen. Danke schön. ({2})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als letztem Redner in der Aktuellen Stunde erteile ich das Wort dem Abgeordneten Wilfried Lorenz, CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Wilfried Lorenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004343, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Mängel der Materialausstattung der Bundeswehr liegen spätestens seit der Abfrage der Einsatzfähigkeit der Hauptwaffensysteme der Streitkräfte auf dem Tisch. Mit der Veröffentlichung der KPMG-Studie durch die Bundesministerin der Verteidigung gilt dies auch für die Defizite im Rüstungs- und im Beschaffungswesen. Ich sage dazu: Zum Glück herrscht jetzt Klarheit, zum Glück für unsere Soldatinnen und Soldaten, die trotz angespannter Materiallage im Inland und im Ausland hervorragende Arbeit geleistet haben und immer noch leisten. Das wird auch international anerkannt. ({0}) Ich sage auch: zum Glück zur richtigen Zeit. Denn die veränderte sicherheitspolitische Lage erfordert zügiges Handeln. Die Materiallage entspannen wir nur mit Ehrlichkeit, auf der Basis von Fakten und mit langfristigen Maßnahmen. Wir haben jetzt den Klarstand, auf dessen Grundlage wir kurzfristig die Ausgaben des Bundes für Materialerhaltung neu gewichten und dorthin umschichten können, wo sie am nötigsten gebraucht werden. Zum Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten und um internationale Verpflichtungen erfüllen zu können, werden wir diesen Ansatz mittelfristig und auf lange Sicht weiterverfolgen und den Verteidigungsetat erhöhen. Ja, Sie haben richtig gehört: erhöhen. Dies gilt vor allem für die Mittel für die Materialerhaltung. Denn neben der Beschaffung ist die Materialerhaltung eine der tragenden Säulen der Einsatzfähigkeit unserer Streitkräfte. Wenn Sie fragen, warum wir die Mittel erhöhen, dann möchte ich wie folgt antworten: Erstens. Durch den verzögerten Zulauf neuer Systeme sind ältere Geräte länger im Einsatz. Das führt zu höherem Verschleiß und Überalterung der Ausrüstung. Dadurch erhöhen sich natürlich automatisch die Kosten für Wartung, Instandhaltung und Ersatzteile. Zweitens. Wir erhöhen den Etat, weil es derzeit Engpässe bei der Ersatzteilbeschaffung gibt. Die Ursachen dafür sind auch bekannt: Einsparungen in der Vergangenheit am falschen Objekt und Abschlüsse von Verträgen, die die Versorgung mit Ersatzteilen nicht langfristig sichergestellt haben. Diese Verträge sind zum Großteil älter als zehn Jahre; ich darf nur an das Jahr 2004 erinnern. Wir reden hier allerdings nicht - ich formuliere es einmal so - über Kamele, die durch ein Nadelöhr zu zwingen sind, sondern wir reden über lösbare Probleme. Diese Probleme sind nicht zuletzt deshalb lösbar, weil die Projektleitung für Beschaffung künftig der Staatssekretärin, zuständig für Rüstung, direkt zuarbeiten wird. Das heißt im Ergebnis: kürzere Entscheidungswege. Drittens. Wir steigern die Ausgaben, weil moderne, hochkomplexe Themen nicht zu Einsparungen bei der Materialerhaltung führen. Im Gegenteil: Wartung und Instandhaltung kann die Bundeswehr zum Teil schon heute nicht mehr und in Zukunft schon gar nicht mehr alleine leisten. Kooperationen mit der Wirtschaft, mit der Industrie sind notwendig. Das kann mehr Geld kosten, eröffnet aber auch die Möglichkeit, in partnerschaftlichen Projekten gemeinsam Risiken und Chancen zu teilen. Nochmals: Wir brauchen eine deutliche und dauerhafte Aufstockung der Verteidigungsausgaben, nicht als Selbstzweck, sondern weil wir um unsere Geschichte wissen und in der Lage sein müssen, Frieden, Freiheit und unsere Menschenrechte weltweit zu schützen. ({1}) Dies haben andere Länder lange für Deutschland getan. Nun ist es natürlich auch an uns, bei der Bekämpfung von Kriegen, von Terror und von Seuchen internationale Verantwortung zu übernehmen. Herr Gehrcke, an diesem Punkt ein Hinweis an Sie: Wir alle teilen die Freude darüber, dass sich die mordende Verbrecherbande vom sogenannten IS zurückzieht. Das haben aber nicht Friedenstauben erreicht, sondern das haben militärische Einsätze erreicht. Das haben Menschen erreicht, die mit Todesmut dafür eintreten, diesen verbrecherischen Banden endlich das Handwerk zu legen. ({2}) Rüstungsgüter beschaffen wir, um unsere verfassungsrechtlichen und politischen Aufträge zu erfüllen. Nicht zuletzt schaffen wir durch die Verstetigung der Mittel auch Verlässlichkeit, die die deutsche Sicherheitsund Verteidigungswirtschaft für Investitionen braucht. Frau Ministerin, Sie haben mit beiden Abfragen die entscheidenden Schritte getan, um den Fehlentwicklungen entgegenzutreten. Ihnen sind diese Entwicklungen auch nicht anzulasten. In der öffentlichen Debatte sind in letzter Zeit seitenweise Häme und Spott ausgeschüttet worden. Aber ich frage mich: Wo waren diejenigen, die das getan haben, als es die ersten Anzeichen für Probleme bei der Bundeswehr gab? Das sind die, die jetzt die Schuld anderen zuweisen, um von eigenen Fehlern abzulenken, die nicht bereit sind, persönliche Verantwortung für Tun oder Unterlassen zu übernehmen. Und es wurde schöngeredet, um die eigene Karriere nicht zu gefährden. ({3}) Frau Ministerin, Sie haben die Studie vorgestellt. Es ist - das ist bereits gesagt worden - eine betriebswirtschaftliche, juristische und technische Analyse, die Anregungen für das künftige Management von Rüstungsprojekten liefert. Jetzt muss allerdings das Bundesministerium der Verteidigung eine Gesamtbewertung unter Berücksichtigung sicherheitspolitischer und militärischer Gesichtspunkte vornehmen und diese auch umsetzen. Dabei sind aus unserer Sicht international akzeptierte Kompetenzen bei Rüstungsprojekten besonders zu berücksichtigen. Schon angesprochen wurden U-Boote, gepanzerte Fahrzeuge und Handwaffen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss Folgendes sagen: Mehr denn je brauchen wir jetzt eine Kultur der Ehrlichkeit in der Bundeswehr, bei den politisch Verantwortlichen und auch in der öffentlichen Debatte. Einfache, schnelle Lösungen wird es wegen der Komplexität der Vorhaben und der einzelnen Projekte nicht geben. Statt Tarnen, Täuschen, Wegducken heißt es jetzt: Ansprechen, Analysieren, Abarbeiten. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({4})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Wir sind am Schluss der Aktuellen Stunde. Wir wünschen der Bundesministerin Frau von der Leyen noch einen schönen Geburtstagsabend. Die Aktuelle Stunde ist beendet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf: Beratung des Antrags des Bundesministeriums der Finanzen Irland: Vorzeitige teilweise Rückzahlung von IWF-Finanzhilfe; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 2 Nummer 2 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes ({0}) Drucksache 18/2683 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Bundesregierung hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, Steffen Kampeter. ({1})

Steffen Kampeter (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001062

Herr Präsident Hintze! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor vier Jahren, im Herbst 2010, erlebten wir den Höhepunkt der Krise in der Euro-Zone. Auch Irland war damals in eine schwierige Staatsschuldenkrise geraten. Der Bankensektor hat die Volkswirtschaft vor große Herausforderungen gestellt. Die Finanzstabilität der Euro-Zone war insgesamt gefährdet. Es drohten erhebliche zusätzliche Belastungen für die Weltwirtschaft. Irland hat damals 67,5 Milliarden Euro an externen Finanzhilfen erhalten. Im Gegenzug hat es sich dafür einem strengen Anpassungsprogramm unterzogen. An diesem Anpassungsprogramm hat sich auch der Internationale Währungsfonds beteiligt, unter anderem mit finanziellen Mitteln in Höhe von 22,5 Milliarden Euro. Heute, vier Jahre später, hat sich die Lage wesentlich verändert. Wer hätte das damals geglaubt? Heute beraten wir über den Antrag Irlands auf vorzeitige teilweise Rückzahlung erheblicher Finanzhilfen, nämlich des Anteils des Internationalen Währungsfonds in Höhe von 18,3 Milliarden Euro. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe gerade im Haushaltsausschuss den Antrag der Bundesregierung im Rahmen der Selbstbefassung vorgestellt. Es freut mich, dass keine der dort anwesenden Fraktionen dagegen gestimmt hat. Eine Fraktion hat sich mit aus ihrer Sicht guten Gründen enthalten, aber die anderen sind diesem Antrag gefolgt. Das ist ein großer Erfolg nicht nur für Irland, sondern für Europa insgesamt. Das Land ist auf einem guten Weg. Es hat das Programm, das wir ihm auferlegt haben, Ende 2013 erfolgreich beendet und dabei alle Auflagen erfüllt. Stichwort „Haushaltsdefizit“: Startpunkt 30 Prozent, jetzt voraussichtlich unter 5 Prozent. Konsequent umgesetzte Strukturreformen haben Irlands Wettbewerbsfähigkeit entscheidend erhöht und seit 2009 zu einer erheblichen Verbesserung der Lohnstückkosten - eine der stärksten Verbesserungen innerhalb der Euro-ZonenLänder - geführt. Die Leistungsbilanz hat sich gedreht. Seit 2010 gibt es wieder Überschüsse, die sich auf etwa 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verstetigt haben. Und auch die Arbeitslosenquote ist in den letzten drei Jahren um 3 Prozent gesunken. Der irische Finanzmarkt hat sich stabilisiert. Der irische Bankensektor ist erheblich restrukturiert. Auch bei der Bedienung notleidender Kredite gibt es Fortschritte. Der völlig überdimensionierte irische Bankensektor hat sich von 2008 bis 2013 fast halbiert. Sowohl zum Abschluss des Hilfsprogramms für Irland Ende des letzten Jahres als auch bei der ersten Programmüberprüfung im Frühjahr dieses Jahres hat die Troika keinen akuten Kapitalbedarf bei den drei wichtigsten Banken in Irland festgestellt. Zugleich wurden die Kompetenzen der irischen Finanzaufsicht erweitert. Irland ist an den Kapitalmarkt zurückgekehrt, in dem gesamten Laufzeitspektrum. Es finanziert sich seit 2014 durch regelmäßige Emissionen von Staatsanleihen und Schatzbriefen vollständig selbst. Die Rendite von zehnjährigen irischen Staatsanleihen liegt derzeit bei unter 2 Prozent. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Irland hat eindrucksvoll gezeigt, dass der Kurs von Haushaltssanierung und Strukturreformen erfolgreich ist, und Irland bekennt sich dazu, diesen Kurs konsequent fortzuführen. Dies ist ein Erfolg für Irland, und dies ist ein Erfolg für die europäische Stabilisierungspolitik. ({0}) Damit gibt Irland auch ein wichtiges Signal an die Länder, bei denen das Programm noch aktiv ist - Griechenland und Zypern -, und zwar das Signal: Reformen lohnen sich, sie zahlen sich aus. Natürlich sind sie zunächst eine Belastung für Bevölkerung und Volkswirtschaft, aber am langen Ende ein positiver Beitrag für das Wachstum. Alle diejenigen, die nicht an den Erfolg dieser Programme geglaubt haben, sollten sich angesichts so erfolgreicher Daten und einer so positiven Entwicklung einmal selbstkritisch fragen, ob sie mit ihren Untergangsszenarien, ihrer Behauptung, dass dieser Kurs falsch sei, richtig gelegen haben. Sie sollten sich vielleicht bei dem einen oder anderen, der für diesen Kurs gestanden hat und den sie persönlich angegangen sind, bei Gelegenheit auch einmal entschuldigen. ({1}) Heute reden wir über ein bestimmtes Detail, nämlich die Proportionalität der entsprechenden finanziellen Engagements. Der Grundsatz der Proportionalität ist im Grunde richtig; deswegen haben wir sie in den Rückzahlungsregelungen der entsprechenden Verträge verankert. Im Falle Irlands - ich bitte Sie heute hier um Ihre Zustimmung - ist ein Abweichen von diesem Grundsatz, also eine Nichtanwendung der Parallelitätsklausel, jedoch gut begründet. Nicht nur wir haben uns das gründlich überlegt, das findet auch breite Unterstützung bei unseren EU-Partnern und bei denjenigen, die sich neben uns - der EFSM -, aber auch bilateral - Großbritannien, Schweden und Dänemark - hier engagiert haben. Die Aufhebung der Parallelität ist nicht nur im Interesse Irlands, sie ist im Interesse Europas und aller europäischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler; denn mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Irlands wird sich auch die Fähigkeit Irlands, diese Kredite zurückzuzahlen - was wir technisch die Schuldentragfähigkeit nennen -, erhöhen. Auch die Möglichkeiten, dass die europäischen Steuerzahler, bei denen wir im Wort stehen, von diesem irischen Engagement profitieren, werden durch die Teilrückzahlung der irischen IWF-Kredite erhöht. Das ist in unserem Interesse, gleichzeitig aber auch im Interesse der Iren, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({2}) Ich will darauf hinweisen, dass der Internationale Währungsfonds trotz der Rückzahlung Irlands bei der sogenannten Nachprogrammüberprüfung selbstverständlich im Boot bleibt; wir begrüßen das ausdrücklich. Gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank und gemeinsam mit der Europäischen Kommission werden wir auch in Zukunft weiterhin überprüfen, ob und wie nachhaltig Irland die Reformanstrengungen, die Europa mit seiner Solidarität ermöglicht hat, fortführt. Europa hat sich in einer für Irland sehr schwierigen Zeit solidarisch gezeigt und wird dies auch weiterhin sein. Das gilt auch für Deutschland. Wir haben bilateral mit Irland Verbesserungen in bestimmten Bereichen erreicht, beispielsweise Verbesserungen bei den Finanzierungsbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau hat sich hier außerordentlich engagiert. Aber ich füge hinzu: Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wir erwarten auch von Irland in den nächsten Jahren Solidarität mit seinen europäischen Partnern, beispielsweise in internationalen Steuerfragen. Deutschland setzt sich dafür ein - nicht zuletzt im Rahmen des BEPSProjekts von OECD und G 20 -, dass die Möglichkeiten multinational tätiger Unternehmen in der kreativen Steuergestaltung - die von vielen als unanständig empfunden wird -, durch Gewinnverlagerung und künstliche Gewinnkürzung ihre Steuerlast auf ein Minimalmaß zu reduzieren, abgestellt werden. ({3}) Das derzeitige irische Steuerrecht mit seinen Ansässigkeitsregelungen führt im Zusammenspiel mit dem amerikanischen und dem EU-Steuerrecht dazu, dass große internationale Unternehmen - zum wesentlichen Teil amerikanische - einen enormen Wettbewerbsvorteil gegenüber europäischen Unternehmen haben. Deswegen prüft nun auch die Europäische Kommission mit positiver deutscher Begleitung unter Beihilfegesichtspunkten die Steuerpraktiken der irischen Steuerbehörden zugunsten internationaler Großkonzerne. Ich begrüße in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass die irische Regierung damit begonnen hat, Verschärfungen ihrer steuerlichen Ansässigkeitsregelungen zu diskutieren. Unser Ziel sollte nicht die Abschaffung jeglichen Steuerwettbewerbs sein, sondern ein fairer Steuerwettbewerb für alle in Europa. Das ist das Leitbild der internationalen Steuerpolitik hier in Europa, ({4}) und das bedeutet, dass auch in Irland die effektive Steuerlast der in Irland ansässigen Unternehmen im Trend höher sein wird. Auf lange Sicht tut sich Irland mit seiner bisherigen Steuerpolitik keinen Gefallen. Selbst die irischen Wirtschaftsverbände warnen bereits, dass dies ein Reputationsschaden ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Irland ist noch nicht am Ziel. Der Weg ist noch lang, bis wir uns im Deutschen Bundestag keine Sorgen mehr über unsere europäischen Partner machen müssen. Trotzdem zahlt sich dieses Stück konsequente Reformpolitik aus. Indem wir heute dem Antrag Irlands zustimmen, nutzen wir die Möglichkeit, unsere irischen Partner weiter auf einem guten Weg zu unterstützen. Damit helfen wir nicht nur Irland, sondern damit helfen wir auch Deutsch5198 land und Europa. In diesem Sinne werbe ich um Zustimmung. ({5})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Richard Pitterle, Fraktion Die Linke. ({0})

Richard Pitterle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004129, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Irland hat zur Bewältigung der Finanzkrise knapp 70 Milliarden Euro unter anderem vom IWF, vom Euro-Rettungsfonds und von einzelnen Geberländern erhalten. Einen Teil davon will Irland nun vorzeitig zurückzahlen. Das klingt gut, auch wenn vorerst nur an den IWF zurückgezahlt werden soll. Warum beschäftigt sich der Bundestag damit, wenn uns das nicht betrifft? Der Grund dafür ist, dass Irland eigentlich verpflichtet ist, an alle Gläubiger gleichmäßig zu tilgen, also auch an den Euro-Rettungsfonds, für den die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Deutschland und in Europa haften. Von dieser Verpflichtung will Irland befreit werden und erst einmal nur den IWF-Kredit abzahlen, um Zinsen zu sparen. Im Klartext: Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Deutschland haften über den Euro-Rettungsfonds auch weiterhin für Irland. Herr Kampeter hat gerade erklärt, das sei kein Risiko, wenn die Entwicklung so verlaufe, wie sie vorgesehen sei. Das klingt alles schön und gut. Es setzt aber voraus, dass man ein Vertrauen zu den irischen Banken hat, das mir aufgrund der Vergangenheit schlicht fehlt. Wer sagt uns, dass diese das Land nicht wieder durch Zockerei an den Abgrund bringen? Eine irische Volksweisheit lautet: Man kann das Heute nicht erkennen, wenn man das Gestern nicht sehen will. Lassen Sie mich daher einen Blick zurückwerfen: Bis 2007 hatte Irland nicht nur einen ausgeglichenen Haushalt, sondern sogar einen Haushaltsüberschuss. Dann musste eine Bank nach der anderen verstaatlicht werden, weil sie durch Zockerei auf den Finanzmärkten pleitegegangen sind. Irlands Staatsverschuldung ist dadurch ins Unermessliche gestiegen. Die Refinanzierungskosten waren nicht mehr zu tragen. Spekulanten haben auf Irlands Staatspleite gewettet. In dieser Situation hatte die irische Regierung Finanzhilfen beantragt. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Deutschland und Europa mussten für die Zockerei der Banken einspringen. Das lag im Übrigen auch im Interesse der deutschen Großbanken, die, wie die FAZ berichtete, gegenüber irischen Schuldnerinnen und Schuldnern Forderungen in Höhe von rund 138 Milliarden US-Dollar hatten. Also war die Rettung Irlands nicht allein eine solidarische Geste, sondern sie lag auch im Interesse der deutschen Großbanken. Es ist gut, dass sich die Lage in Irland nun zu stabilisieren scheint, aber wir müssen auch fragen: Stabilisieren sich auch die Lebensverhältnisse der Menschen oder nur die der Banken und der Vermögenden? Die Realität sieht jedenfalls düster aus. Spiegel Online berichtete zum Beispiel über einen jungen Bauarbeiter, der seit vier Jahren arbeitslos ist und keine Besserung erkennen kann. Der Familienvater lebt jetzt von Gelegenheitsjobs und einem wöchentlichen Arbeitslosengeld von 98 Euro. Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Was haben diese Menschen für eine Perspektive? Den Berichten in den Medien nach machen die Eckwerte der irischen Wirtschaft hier auch keinen großen Mut. Durch die geplatzte Immobilienblase ist allein in der Baubranche die Zahl der Beschäftigten von 270 000 auf 105 000 gesunken. Die Arbeitslosenrate liegt deutlich über 10 Prozent. Wenn sie sinkt, dann vor allem deshalb, weil Zehntausende junge Iren auf der Jobsuche das Land verlassen. Das nächste Riesenproblem ist die mangelnde Binnennachfrage. Die Leute haben schlichtweg kein Geld. Zum Beispiel sind allein 100 000 irische Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer mit der Ratenzahlung bei ihren Immobilienkrediten mehr als drei Monate im Rückstand. Die private Verschuldung ist dementsprechend enorm hoch. Hinzu kommen die von der Troika verordneten Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst, weniger Sozialausgaben und eine höhere Mehrwertsteuer. So sieht die Realität der Irinnen und Iren aus. Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, die bisherige Euro-Rettungspolitik ist nach wie vor falsch. ({0}) Sie ist undemokratisch, fördert Sozialabbau und spaltet Europa. Für die Vergabe von Hilfskrediten müssen einfach andere Bedingungen gestellt werden. Auch bei Irland wäre zu erwarten, dass man fordert, dass über eine Vermögensteuer diejenigen, die von der Zockerei profitiert haben, zur Kasse gebeten werden. Man hätte Irland zudem auferlegen müssen, die aggressive Niedrigsteuerpolitik bei der Körperschaftsteuer zu beenden. Doch wer hat die Sparmaßnahmen in Irland letztlich auszubaden? Wie immer die Bürgerinnen und Bürger, und das, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, ist leider auch Ihnen zuzuschreiben. Die Linke wird sich jedenfalls weiterhin für eine gerechte Verteilung der Lasten der Euro-Krise und für eine wirksame Regulierung der Finanzmärkte einsetzen. Vielen Dank. ({1})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als nächstem Redner in der Debatte erteile ich das Wort dem Abgeordneten Johannes Kahrs, SPD-Fraktion. ({0})

Johannes Kahrs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003157, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Steffen Kampeter hat eine Rede gehalten, die, glaube ich, einige, die nach mir reden werden, auch so hätten halten können. ({0}) Von der Sache her ist dem nicht mehr viel hinzuzufügen. Wir alle haben festgestellt, dass die Haushaltslage in Irland ausgesprochen schlecht war. Die Banken hatten sich verzockt; das alles haben wir gehört. Europa hat geholfen, auch Deutschland. Das war solidarisch und gut. So stellt man sich Europa vor. ({1}) Gut ist auch, dass die Hilfe so genutzt wurde, dass es Irland nun etwas besser geht. Irland ist wieder kreditfähig und kann sich auf dem Finanzmarkt refinanzieren. Dadurch ist die Schuldentragfähigkeit gegeben. Wenn Irland den IWF-Kredit zum Teil ablöst, kann es aufgrund der daraus resultierenden Zinsgewinne eine noch günstigere Schuldentragfähigkeit erreichen. Das alles begrüßen wir. Das ist ein Erfolg, zu dem auch wir in Deutschland beigetragen haben, und zwar solidarisch und nicht, wie die Linke behauptet, auf Kosten der deutschen Steuerzahler. Wir haben Kredite gegeben. ({2}) - Wenn Sie eben nicht hätten reden können, hätte ich auf Ihren Zuruf reagiert. Da Sie aber eben geredet haben, macht das keinen Sinn. - Im Ergebnis haben wir uns hier in Deutschland solidarisch verhalten. Ich halte das für richtig. ({3}) Der Kollege Pitterle hat in seiner Rede im Kern auch nicht viel anderes gesagt. Er hat aber nicht gesagt, wie sich die Linke heute verhalten will. Will sie zustimmen? Will sie ablehnen? Es dürfte interessant sein, das zu erfahren. ({4}) - Alles gleichzeitig ist in diesem Fall ziemlich schwierig. - Herr Pitterle, wenn Sie sich beklagen, sollten Sie auch sagen, was Sie wollen. ({5}) Im Kern sind wir uns alle hier im Hause in der Analyse weitgehend einig. Wir alle haben es für richtig gehalten, Irland zu helfen. Jetzt kommt aber - Kollege Kampeter hat es angesprochen, ich möchte es noch einmal anführen - das große Aber: Die irische Regierung sollte das Geld, das sie jetzt spart, dafür ausgeben, um ihre Schuldenlast zu reduzieren. Wenn in Irland darüber nachgedacht wird, ob zum Beispiel eine Steuersenkung bei der Einkommensteuer vorgenommen werden soll, muss man sich als Deutscher allerdings fragen, warum das in Irland - und nicht vielleicht anderswo - stattfindet. Deswegen ist das, glaube ich, einer der Punkte, über den wir mit den Iren reden müssen. Gleichzeitig müssen wir uns auch das Thema „Unternehmensteuer/Steuervermeidung internationaler Konzerne in Irland“ anschauen; denn es kann auch nicht sein, dass die irische Politik zu einem Steuerwettbewerb in Europa führt, der am Ende uns in Deutschland schadet. ({6}) Ich glaube, dass die Bundesregierung hier tätig werden sollte. Es freut mich, dass der Kollege Steffen Kampeter das angesprochen hat. Irland kann nicht auf der einen Seite Solidarität einfordern, die darin besteht, dass Europa in schweren Stunden hilft - das wollen wir; das haben wir auch getan -, um dann, wenn diese Hilfe zum Erfolg geführt hat, das Geld, welches durch Umschuldung und dadurch, dass weniger an Zinsen gezahlt wird, zu nutzen, um sich selber wieder in eine steuerrechtlich vorteilhaftere Position zu bringen, die den anderen Ländern in Europa schadet. Das ist falsch verstandene Solidarität. ({7}) Um es kurz zusammenzufassen: Wir wollen solidarisch sein, und wir waren solidarisch. Von den Iren erwarten wir, dass sie mit dem Geld, welches sie einsparen, weil wir zustimmen - ohne unsere Zustimmung geht das nicht -, ihre Schuldenlast reduzieren, ihre Zukunftsfähigkeit und - im Ergebnis - ihre Bonität stärken, während sie gleichzeitig aber nicht dafür sorgen, dass wir, die wir geholfen haben, Nachteile haben. Das wiederum wäre unsolidarisch. Wir können das nicht gut finden. Deswegen verstehe ich auch die Rede des Kollegen von den Linken nicht. Das waren die üblichen Plattitüden. Sie hatte null Inhalt, und es gab nicht einmal eine Ansage, ob Sie zustimmen oder ablehnen wollen. Leider ist die Linke immer so: Außer hohlen Worten nichts gewesen! Vielen Dank. ({8})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Sven-Christian Kindler, Bündnis 90/Die Grünen.

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute über die Staatsschulden in Irland reden, dürfen wir nicht vergessen, was die Ursachen dafür sind. Jahrelang galt Irland bei den Konservativen und Neoliberalen, auch hier bei Union und FDP im Bundestag, als das Musterland Europas. Irland hatte eine sehr geringe Staatsverschuldung. Die Unternehmensteuern waren viel zu niedrig. In der Krise aber mussten wir lernen, dass es nicht nur um die Staatsverschuldung geht, sondern dass man sich auch die Gesamtverschuldung des Staates ansehen muss. Irland hatte ein großes Leistungsbilanzdefizit. Es gab hohe Schulden im privaten Sektor und viel zu hohe Schulden in einem überdimensionierten Bankensektor. Diese Überschuldung führte in der Krise zu einer starken Belastung des Staatshaushaltes und zu extremen Problemen bei der Refinanzierung. Es musste dann ein Hilfspaket mit einem Umfang von 85 Milliarden Euro geschnürt werden. Die Bankschulden wurden nachher Staatsschulden. Wir Grünen sagen für die Zukunft klar: Mit einer Bankenrettung über die Staatshaushalte bzw. die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler muss endlich Schluss sein in Europa! ({0}) Deswegen haben wir von Anfang an einen europäischen Abwicklungsmechanismus bzw. einen europäischen Restrukturierungsmechanismus für Banken gefordert und unterstützt. Die Bundesregierung hat das lange blockiert und ausgebremst. Lange hat sie auf die nationale Karte gesetzt. Wir haben von Anfang an die Bankenunion mit einer harten Gläubigerbeteiligung unterstützt. Es war sehr gut, dass sich das Europäische Parlament am Ende nach harten Verhandlungen - auch gegen den Europäischen Rat und Herrn Schäuble durchgesetzt hat und dass es eine Bankenunion mit einer harten Gläubigerbeteiligung und der bekannten Abwicklung gab. Das war sehr gut und sehr notwendig. ({1}) Diese Gläubigerbeteiligung wäre aus unserer Sicht aber auch schon 2010 möglich und notwendig gewesen. Irland hatte auch vorgeschlagen, dass es eine umfassende Gläubigerbeteiligung geben sollte. Die Troika, die Bundesregierung und andere nationale Regierungen in Europa haben das nicht gewollt. Sie haben die Gläubiger geschont. Genau das war ein zentrales Problem, weil das Hilfsprogramm dadurch erst in diesem konkreten Ausmaß notwendig wurde. Mittlerweile ist ein Viertel der irischen Staatsschulden auf die Rettungsmaßnahmen im Bankensektor zurückzuführen. Darunter leidet Irland noch heute. Es muss auch noch einmal festgestellt werden, dass die Bundesregierung dafür nicht die alleinige Verantwortung, aber eine Mitverantwortung trägt. Das war damals, 2010, ein schwerer Fehler auch der Bundesregierung. Wir werden daher heute nicht wegen der Politik der Bundesregierung, sondern trotz der Politik der Bundesregierung und trotz ihres Agierens der Rückzahlung der IWF-Kredite und der Umschuldung für Irland zustimmen; denn wir sagen: Das macht haushalterisch Sinn, das macht ökonomisch Sinn, und das ist im Interesse aller Beteiligten, auch im Interesse der europäischen Gläubiger. Ich teile die Meinung des Kollegen Kahrs: Es kann nicht sein, dass weiterhin in Europa Steuerdumping betrieben wird und Unternehmensteuern in Irland gesenkt werden. Wir glauben, dass es sinnvoll wäre, jetzt auch in Irland wichtige Investitionen anzustoßen, um die wirtschaftliche Erholung voranzutreiben. Ich denke an Investitionen in Bildung, Klimaschutz und in den sozialökologischen Umbau. Klar ist auch: Wir brauchen in Europa insgesamt mehr Zukunftsinvestitionen. Wir brauchen jetzt eine sozial-ökologische Investitionsstrategie für Europa. Die ist dringend notwendig. ({2}) Ich finde, man muss das Bild von Irland differenziert betrachten. Man darf es nicht schwarzmalen, man darf es aber auch nicht rosarotmalen, wie es der Herr Kollege Staatssekretär gemacht hat. Es gab in den letzten Jahren Verbesserungen. Irland ist wieder am Kapitalmarkt, die Staatsverschuldung soll 2014 leicht auf 120 Prozent des BIP sinken, die Arbeitslosigkeit liegt nicht mehr bei 14 Prozent, sondern bei 11 Prozent, und die Exporte haben zugenommen. Das ist richtig, und wir Grüne erkennen die Verbesserungen an. Wir sehen ganz klar, dass es große Anstrengungen in Irland gab. Aber man muss sich schon die Frage stellen, was in Irland wirklich los ist. Man muss sich ehrlich machen, und man darf sich keinen Illusionen hingeben. Die Jugendarbeitslosigkeit zum Beispiel liegt immer noch bei 25 Prozent. Jeder zweite junge Mensch zwischen 18 und 24 Jahren denkt darüber nach, auszuwandern, also das Land zu verlassen. Das sind wichtige Arbeitskräfte, die in Irland nicht bleiben, weil sie keine Perspektive sehen. Heute verhandeln die Staats- und Regierungschefs und die Arbeitsministerinnen und Arbeitsminister in Mailand über den Arbeitsmarkt. Ich meine: Dabei darf es nicht nur um wichtige und notwendige Strukturreformen gehen und darum, dass die Gelder der Jugendgarantie ausgegeben werden, sondern es muss perspektivisch auch darum gehen, dass die EU und die Mitgliedsländer in ihren Haushalten mehr Geld für den Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit bereitstellen. Wir müssen alles tun, damit wir keine verlorene Generation in Europa haben. ({3}) Die Staatsverschuldung Irlands liegt immer noch bei 120 Prozent des BIP. Wie gesagt, man muss sich die Gesamtschuldenlast anschauen, also auch die Schulden der privaten Haushalte und des Bankensektors. Die Gesamtverschuldung lag schon 2007 bei 270 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Mittlerweile liegt sie bei 490 Prozent. Das ist trauriger Rekord weltweit. Das ist fünfmal so viel, wie die Wirtschaftsleistung beträgt. Das ist keine nachhaltige Schuldentragfähigkeit, das kann man nicht rosarotmalen. Das heißt, wir werden uns in Europa und im Bundestag weiter mit dem Problem der Überschuldung im privaten Sektor, bei Unternehmen und den öffentlichen Haushalten beschäftigen. Wir müssen jetzt klar die schwierige Lage sehen und zu weiteren Verbesserungen in Irland und Europa kommen. Vielen Dank. ({4})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten Norbert Barthle, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. ({0})

Norbert Barthle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Daten, die Fakten und die Hintergründe des irischen Wunsches, den IWF-Kredit vorzeitig ablösen zu dürfen, hat unser Staatssekretär Steffen Kampeter hinreichend erklärt. Ich muss das nicht wiederholen. Ich will aber einen Aspekt hervorheben. Die Tatsache, dass wir hier heute im Deutschen Bundestag nicht nur darüber diskutieren, sondern darüber abstimmen, ob die deutsche Bundesregierung diesem Ansinnen Irlands zustimmen darf oder nicht, haben wir der Krise zu verdanken und unserem Wunsch, die demokratischen Beteiligungsrechte in diesem Zusammenhang zu stärken. Ich spreche vom sogenannten StabMechG. Für Deutschland bedeutet das ein Mehr an Demokratie und für Europa - wir entscheiden über europäische Fragen hier im Deutschen Bundestag - ebenfalls ein Mehr an Demokratie. Das will ich zunächst einmal positiv hervorheben. ({0}) Unsere Fraktion unterstützt diesen Antrag, weil wir davon ausgehen, dass er einem europäischen Partnerland, nämlich Irland, nützt und uns nicht schlechter stellt. Damit sehe ich keinen Hinderungsgrund, diesem Antrag zuzustimmen. Im Übrigen bin ich der Auffassung, dass das Ansinnen Irlands, jetzt schon, ein Jahr nach dem Ausstieg aus dem Hilfsprogramm, fast ein Drittel der Summe des gesamten Hilfsprogramms zurückzuzahlen, ein deutlicher Hinweis darauf ist, dass dieses Hilfsprogramm ein Erfolg war und ist. Irland muss am Markt Zinsen zahlen, die deutlich niedriger sind als die für seine Hilfskredite. Das zeigt, dass die Anpassungsmaßnahmen wirken. Das Land erntet heute sozusagen die Früchte seiner Anstrengungen der vergangenen drei Jahre. ({1}) Diese Anstrengungen waren nicht unerheblich - das muss man mit allem Respekt eingestehen -; denn Irland hat die notwendigen Strukturreformen vorangetrieben. Die Lohnstückkosten sind wesentlich gesunken. Das hat zum großen Teil zu den wirtschaftlichen Erfolgen beigetragen, die das Land in Form eines Leistungsüberschusses jetzt Jahr für Jahr erzielt. Irland hat die notwendigen Reformen auf dem Arbeitsmarkt vorangetrieben. Im Zuge des Anpassungsprogramms wurden unter anderem Maßnahmen zur Aktivierung von Arbeitslosen umgesetzt. Der Kündigungsschutz wurde gelockert, und die Lohnfindung wird vermehrt auf die Ebene der Betriebe verlagert. Das Renteneintrittsalter wurde, natürlich in Stufen, auf 68 Jahre erhöht. Das sind alles Maßnahmen, die nicht leicht umzusetzen sind; aber sie wirken. Kleine und mittelständische Unternehmen können sich leichter und besser finanzieren; sie werden auch beratend unterstützt. Da leistet unsere KfW ebenfalls gute Arbeit. Was schließen wir daraus? Irland ist ein Beispiel dafür, dass bei konsequenter Haushaltskonsolidierung und konsequenten Strukturreformen ein Land auch unter schwierigen Rahmenbedingungen - die globale Situation ist ja keine einfache - vorankommen und eine nachhaltige wirtschaftliche Perspektive erhalten kann. Das sage ich ganz bewusst auch im Hinblick auf die derzeitige europäische Debatte. Einige von uns waren in der vergangenen Woche auf der Fiskalvertragskonferenz in Rom. Der Kollege Michelbach kann es bestätigen: Nahezu unisono wurde dort einer Politik das Wort geredet, die in Nachfragepolitik endet; einseitige, nachfrageorientierte Politik mit neuen Schulden, also mit frischem Geld, soll wirtschaftliches Wachstum erzeugen. Das ist der falsche Weg. Irland ist ein Beleg dafür, dass ein richtiger Mix aus nachfrageorientierter Politik und angebotsorientierter Politik den Weg darstellt, der aus der Krise führt. Beides gehört zusammen: Konsolidierung einerseits, Strukturreformen andererseits. Wichtig sind außerdem wachstumsfördernde Impulse. All das führt zum Erfolg; damit kommt man aus der Malaise heraus, und zwar nicht erst, wie viele auf europäischer Ebene behaupten, in langen Zeiträumen; vielmehr wirkt ein solches Vorgehen relativ schnell und vor allem nachhaltig. ({2}) Meine Vorredner haben bereits darauf hingewiesen, dass wir selbstverständlich die Erwartung haben, dass Irland die neuen Bewegungsspielräume finanzieller Natur nutzt, um sich weiter voranzubringen und nicht um Steuern zu senken oder ähnliche Dinge zu tun. Umschuldung heißt ja nicht Entschuldung. Die Entschuldung muss fortgeführt werden. Deshalb erwarten wir auch, dass der unfaire Steuerwettbewerb, den es in Irland nach wie vor noch gibt, Zug um Zug beendet wird. Unser Finanzminister drängt darauf nicht erst seit gestern, sondern schon seit längerer Zeit, und er wird auch weiterhin darauf drängen, dass Irland auf diesem Weg voranschreitet. Ich darf abschließend feststellen: Wenn ich die Debatte richtig verfolgt habe, dann sind bis auf die Linken alle dafür, Irland diesen Weg zu eröffnen. Die Linken haben sich zu dieser Frage heute im Haushaltsausschuss enthalten. Wenn die Linken den Iren diesen kleinen finanziellen Vorteil nicht gönnen wollen, dann sagt das aus meiner Sicht alles; da braucht man nichts mehr hinzuzufügen. Danke. ({3})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Lothar Binding, SPD-Fraktion. ({0})

Lothar Binding (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst feststellen, dass ich mich freue, dass Birgit Kömpel hier ist. Sie ist die Vorsitzende der Deutsch-Irischen Parlamentariergruppe. Einerseits sind wir stolz auf die Erfolge der Iren, und andererseits haben wir noch ein paar Anliegen an die Iren. Wenn das transportiert wird, ist das sicher eine sehr gute Sache. Ich habe ohnehin immer eine positive Grundstimmung, wenn ich an Irland denke; denn es gibt kein Land in Europa, das die Gesetze zum Passivraucherschutz am Arbeitsplatz und in den Gaststätten so konsequent, so gut und so schnell umgesetzt hat wie Irland. ({0}) Ich muss sagen, dass wir da, bezogen auf die Arbeitsstättenverordnung in Deutschland, noch meilenweit hinterherhinken. Ich hoffe darauf, dass unser Ministerium die Beseitigung dieser Lücke jetzt endlich klug regelt. Wie jeder weiß, komme ich aus Heidelberg, wo das Deutsche Krebsforschungszentrum seinen Sitz hat. Deshalb befasse ich mich mit diesem Thema. Ebenso entschlossen und zielgerichtet wie die Maßnahmen zum Thema Rauchen - jetzt kommen wir schon zum Stolz - haben die Iren auch die Reformanstrengungen zur Sanierung angepackt. Die Bankenlandschaft, der Arbeitsmarkt, die Leistungsbilanz wurden verbessert. Makroökonomische Anpassungsprozesse wurden sehr gut auf den Weg gebracht, und die Schuldentragfähigkeit wurde erhöht. Insgesamt sind das sehr positive Zeichen. Irland hatte zuvor einen schweren Fehler gemacht. Irland hatte bei seinem überdimensionierten Finanzsektor - der war durch gezielte Politik der Iren entstanden - infolge der Bankenkrise schwerwiegende Folgen zu kompensieren. Insofern merkt man, dass diese Art der Politik zu großen Problemen führt. Dazu gehörte auch - das ist schon ein paarmal gesagt worden -, dass die Iren die Unternehmensteuer so festgesetzt haben, dass man, vornehm formuliert, von „Steuerdumping“ sprechen muss, und das ist in Europa keine vornehme Angelegenheit. Einen Körperschaftsteuersatz von 12,5 Prozent oder steuerliche Ausnahmen, die weltweit genutzt werden, um durch die Verlagerung von Unternehmenssitzen in großer Dimension Steuern zu sparen - das geschieht unter dem Stichwort „Double Irish“ oder „Dutch Sandwich“ -, dürfen wir nicht hinnehmen. Jim Stewart, ein irischer Ökonom, hat sogar gesagt: 40 Milliarden Euro, also ein Viertel der gesamten Wirtschaftsleistung Irlands, sind auf diesem Weg in Steueroasen in der Karibik transferiert worden. - Das ist auf dem Rücken der Freunde in Europa geschehen und keine vornehme Angelegenheit. Ich denke, das muss man unter Freunden auch sagen. ({1}) Dass die Iren in der schwersten Not die Hilfe der anderen Staaten angenommen haben, zu Recht, das ist in Ordnung, und daran können wir erinnern; denn da haben wir gemeinsam etwas erreicht. Der gemeinsame Erfolg erlaubt jetzt die Rückkehr der Iren an den Kapitalmarkt. Der Erfolg hat viele Väter. Ein Vater ist die Hilfe der Nachbarstaaten in Europa, der EU-Mitgliedstaaten. Der Erfolg geht aber auch - das muss man sagen - auf Anstrengungen der irischen Regierung und - das hat Herr Pitterle erwähnt - auf Entbehrungen der Iren zurück. Allerdings ist es so, dass ein Niedergang der Wirtschaft den armen Iren auch nicht helfen würde. Insoweit ist es schon gut, wenn wir uns um ökonomische Stabilität und um eine gute Leistungsbilanz auch der Iren kümmern; wenn das vorhanden ist, dann besteht auch eine realistische Chance, dass es dem Arbeitslosen besser geht, dass er Arbeit findet, dass die Jugendarbeitslosigkeit überwunden wird. Dass gleichwohl mehr passieren muss, konzediere ich gern; Konjunkturprogramme zum Beispiel, Beschäftigungsprogramme. Wir könnten auch über ein Kurzarbeitermodell nachdenken; das wäre ein schöner Exportschlager. Die soziale Sicherung muss gestärkt werden. Allein, es bleibt die Frage: Wer finanziert das? Insofern ist das, was wir heute beschließen wollen, sehr gut; denn damit sparen die Iren 2,1 Milliarden Euro Zinsen, und das ist zunächst einmal eine Basis, um in dieser Richtung einen kleinen Impuls geben zu können. Damit sind wir noch nicht am Ziel, aber auf einem sehr guten Weg. Insofern merken wir, dass die europäische Solidarität Geben und Nehmen ist. Auf der einen Seite Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist in Ordnung; aber auf der anderen Seite erwarten wir, dass die Iren sich als faire Partner erweisen. Ich glaube, das ist ein ganz ordentliches Angebot von Europa an Irland und hoffentlich auch ein Angebot von Irland an Europa; das macht die Zukunft aus. Insofern wollen wir hoffen, dass der Verstoß gegen das Fairnessprinzip überwunden wird. Wir sind auch froh, dass manche Dinge schon werden. Das Programm der OECD gegen BEPS hat bereits dazu geführt, dass selbst die irischen Unternehmer sagen: Wir müssen aufpassen, dass der Steuerwettbewerb dem Investitionsstandort Irland nicht schadet. - Es ist also nicht so, dass das nur unsere Erkenntnis wäre; ich kann mich da sogar auf Unternehmerverbände in Irland berufen. Ich glaube, diese Erkenntnis gilt es europaweit salonfähig zu machen. ({2}) Wenn uns das gelungen ist, dann sind wir in Europa als Ganzes einen ganz großen Schritt weiter. Eine abschließende Bemerkung - sie hat auch eine etwas selbstkritische Komponente -: Wenn wir den Iren und den Holländern vorwerfen, dass sie solche SonderLothar Binding ({3}) tatbestände schaffen, dann sollten wir nicht der Versuchung erliegen, für Deutschland selbst so etwas wie vielleicht eine „Patentbox“ zu überlegen; ({4}) denn das wäre der klassische Fall des berühmten „race to the bottom“. Die Frage ist, wie das ausgeht. Zum Schluss kommen alle „bottom“ an, und das wollen wir vermeiden. ({5}) Das zeigt der Weg, den wir gehen wollen. Deshalb stimmen wir dem Antrag des Finanzministeriums insgesamt zu. ({6})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich das Wort dem Abgeordneten Alois Karl, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Alois Karl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003784, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir uns heute und mit mir abschließend unter diesem Tagesordnungspunkt mit der vorzeitigen teilweisen Rückzahlung von IWF-Finanzhilfen durch Irland befassen, dann hat das in der Tat fast etwas Einmaliges an sich. Zum einen müssen wir uns als Deutscher Bundestag nach dem Stabilisierungsmechanismusgesetz - du hast es angesprochen, lieber Norbert Barthle - damit befassen, um dem Bundesfinanzminister ausdrücklich eine positive Weisung mitzugeben. Eine Enthaltung würde ja bedeuten, er müsste mit Nein stimmen; aber wir werden heute große und breite Zustimmung geben. Herr Pitterle, vielleicht können auch Sie sich noch einen Ruck geben, und dann steht von Ihrer Seite heute Abend dem Genuss eines Guinness in einem Irish Pub nichts mehr entgegen; das wäre doch durchaus auch angebracht. ({0}) - Auf Kosten von Kampeter, ja, du hast recht! - Zum anderen erleben wir es erstmals, dass ein Staat, der unter dem Euro-Rettungsschirm steht, etwas zurückzahlt, und nicht wenig, immerhin 18,3 Milliarden Euro. Das ist einmal etwas ganz anderes. Wir haben uns ja in den letzten vier, fünf Jahren hier häufig mit Euro-Rettungsschirmen befasst. Für Portugal, Spanien, Zypern, Griechenland, auch Irland mussten Rettungsschirme aufgespannt werden, und diese Länder haben in der Tat unendlich hohe Summen an Geld bekommen, für die wir zum Teil gebürgt haben. Aber heute ist es etwas anderes. Irland kommt aus der Krise, und zwar mit Vehemenz. Das ist angesprochen worden. „Ireland on track“, heißt es in Irland. Ich selber war im letzten Bundestag im Europaausschuss Länderberichterstatter für Irland. Wenn man nach Irland kommt, merkt man in der Tat auch einen gewissen Optimismus. Es verhält sich anders, als Sie es gesagt haben, Herr Kindler. Die Leute da gehen nicht in Sack und Asche; ({1}) sie sind stolz darauf, dass sie es erreicht haben, aus dieser schwierigen Krise herauszukommen. ({2}) - Dazu, dass manche auswandern, muss man sagen: Das ist in Irland schon immer so gewesen. Es ist ja ein weltoffenes Land. Iren sind überall auf der Welt anzutreffen. Das ist nichts, was mit der Krise zu tun hätte. Meine Damen und Herren, dieses ehemals blühende Land Irland - es ist ja mit dem deutschen Wirtschaftswunder der 50er- und 60er-Jahre verglichen worden - ist in diese Krise hineingekommen wegen der Weltwirtschaftskrise, auch wegen eines unglaublichen Baubooms, der dort geherrscht hat. In Irland sind 90 000 Wohnungen im Jahr hergestellt worden, für die es keine Abnehmer gab. Deutschland ist 16-mal größer als Irland. Auf uns übertragen, also um in Deutschland die gleiche Marge zu erreichen, würde das bedeuten, wir müssten 1,4 Millionen Wohnungen im Jahr bauen. Das ist bei uns aber überhaupt nicht so. Wir haben gerade 300 000 Wohnungen gebaut. Diese 90 000 Wohnungen pro Jahr, die in Irland ohne realen Hintergrund gebaut wurden, sind von den Banken finanziert worden. Damit hatte der Crash natürlich ganz tiefgreifende Folgen. Für Irland musste ein Rettungsschirm aufgespannt werden, der etwa 85 Milliarden Euro umfasste. Schon bemerkenswert ist, Herr Pitterle, dass Irland 20 Prozent der Gesamtsumme des Rettungsschirmkapitals selber getragen hat, nämlich 17,5 Milliarden Euro. Ich meine, wir haben damit, dass wir ebenfalls einen Beitrag geleistet haben, auch uns selbst genützt, weil wir damit unsere Währung, den Euro, stabilisiert haben. Jetzt geht es darum, einen Teil der 22,5 Milliarden Euro, die der IWF zur Verfügung gestellt hat, zurückzuzahlen. Das ist deshalb vernünftig, weil Irland so einen großen Zinsvorteil erlangt, weil Irland damit im Jahr etwa 400 Millionen Euro und über die ganze Laufzeit 2,1 Milliarden Euro ersparen kann. Das bedeutet im Umkehrschluss wieder, dass die Schuldentragfähigkeit Irlands besser wird, dass das Ausfallrisiko zu unseren Lasten geringer wird. Damit ist es ein Gebot der Vernunft, dass wir heute zustimmen. Ich denke, es ist auch deshalb ein Gebot der Vernunft, weil wir keinerlei Schaden, weil wir keinerlei Nachteil aus dieser Besserstellung Irlands zu unseren Lasten erwarten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie also ausdürcklich darum, dass wir den vom Finanzminister eingebrachten Antrag der Bundesregierung unterstützen. Es wäre natürlich besser gewesen, wenn die Parallelitätsklausel zur Anwendung gekommen wäre, also Irland, wenn es an den einen Schuldner zurückzahlt, auch an die anderen zahlt. Aber wenn wir darauf bestehen würden, würde Irland gar nichts zurückzahlen. Für uns würde das keinerlei Gewinn bedeuten; für unseren politischen Freund Irland allerdings wäre es ein gewaltiger Schaden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, wir machen es wie all die anderen Staaten, die schon gefragt worden sind: Wir stimmen dem zu. Wir bestehen nicht auf der Parallelitätsklausel, und wir freuen uns, wenn unsere Freunde in Irland wieder auf einen guten, soliden und sicheren Wachstumspfad kommen. Ich danke Ihnen sehr herzlich. ({3})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Ich schließe die Aussprache. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist ein besonderer Moment in der Geschichte des Bundestages, weil wir jetzt zum ersten Mal nach dieser Vorschrift des Stabilisierungsmechanismusgesetzes abstimmen. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Bundesministers der Finanzen auf Drucksache 18/2683 mit dem Titel „Irland: Vorzeitige teilweise Rückzahlung von IWF-Finanzhilfe; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 2 Nummer 2 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes ({0})“. Wer stimmt für diesen Antrag? Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist der Antrag mit den Stimmen der CDU/CSU, der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen bei einer Gegenstimme aus den Reihen der Union und Enthaltung der Fraktion Die Linke so angenommen worden. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 9. Oktober 2014, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.