Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Schönen guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Guten Tag, liebe Gäste! Guten Tag, liebe Regierung! Die
Sitzung ist eröffnet.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich
eine amtliche Mitteilung machen. Interfraktionell ist vereinbart worden, die Unterrichtung der Bundesregierung
zur Gegenäußerung der Bundesregierung auf Drucksache 18/1966 zu dem bereits überwiesenen Entwurf eines
Achten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes an den
federführenden Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft zu überweisen.
Des Weiteren soll der Entwurf eines Gesetzes zur
Stärkung der Tarifautonomie auf Drucksache 18/1558
dem Ausschuss für Wirtschaft und Energie sowie der
Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bekämpfung
von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr auf den
Drucksachen 18/1309 und 18/1576 dem Ausschuss für
Ernährung und Landwirtschaft sowie dem Ausschuss für
Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zur
Mitberatung überwiesen werden.
Sind Sie mit diesen Vorschlägen einverstanden? - Ich
höre und sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zu
dem Vertrag vom 14. April 2014 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Weltgemeinschaft
Reformierter Kirchen.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Dr. Günter Krings. - Herr Krings,
Sie haben das Wort.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass das Bundeskabinett heute den vom Bundesminister des Innern
vorgelegten Gesetzentwurf zu dem Vertrag vom 14. April
2014 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen beschlossen
hat. Mit dem Vertrag wird der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, einer internationalen Dachorganisation
von derzeit 229 nationalen Kirchen in 108 Staaten mit
rund 80 Millionen Gläubigen weltweit, die Umsiedlung
von ihrem bisherigen Sitz in Genf in der Schweiz nach
Hannover und ihre künftige Arbeit in Deutschland erleichtert.
Allein in Deutschland zählen zu den Mitgliedern dieser Weltgemeinschaft die Evangelisch-reformierte Kirche mit Sitz in Leer, Ostfriesland, die Lippische Landeskirche mit Sitz in Detmold, die Evangelischaltreformierte Kirche in Niedersachsen mit Sitz in der
Grafschaft Bentheim sowie der Reformierte Bund mit
Sitz in Hannover. Der Reformierte Bund wiederum vertritt eine Vielzahl von einzelnen unierten und reformierten Gemeinden, vor allem die unierten Landeskirchen
der EKD in Deutschland.
Zu den Aufgaben des internationalen Dachverbandes
gehört unter anderem die Pflege des ökumenischen und
interreligiösen Dialogs, die Erörterung theologischer
Fragen sowie Missionsarbeit weltweit, bei der die wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung im Mittelpunkt stehen. Ich möchte
noch anmerken, dass eine Vielzahl bzw. wohl die große
Mehrheit der Mitgliedskirchen und der vertretenen Gläubigen eher auf der Südhalbkugel und weniger in Europa
zu finden sind.
Das Exekutivkomitee der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen hat bereits im November 2012 entschieden, seinen Sitz, den es lange in Genf hatte, nach Hannover zu verlegen. Die Evangelisch-reformierte Kirche und
der Reformierte Bund in Deutschland haben sich um diesen Sitz beworben. Die niedersächsische Hauptstadt
liegt in unmittelbarer Nähe zur Evangelisch-reformierten
Kirche und zur Lippischen Landeskirche, beides Mitgliedskirchen der Weltgemeinschaft. Außerdem haben
der Reformierte Bund, die Union Evangelischer Kirchen
und die Evangelische Kirche in Deutschland, EKD, be4036
reits seit längerem ihren Sitz in Hannover, sodass bereits
heute von einem Zentrum des Protestantismus in
Deutschland gesprochen werden kann. Bei dieser konkreten Umsiedlungsfrage zeigte die niedersächsische
Landesregierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten David McAllister großen Einsatz.
Die Bundesregierung begrüßt daher ausdrücklich die
Ansiedlung der Weltgemeinschaft in Hannover. Die Entscheidung unterstreicht das positive Verhältnis von Staat
und Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, das
auch international Anerkennung findet. Die Bundesregierung würde es begrüßen, wenn auch andere kirchliche
internationale Organisationen in nächster Zeit ihren Sitz
nach Deutschland verlagerten. Wir würden sie genauso
willkommen heißen, wenn sie diesem Beispiel folgen
wollen.
({0})
- Es müssen nicht gleich alle kommen, Herr Beck. Es
können manche auch in anderen Städten bleiben. Aber
wir freuen uns über alle, die kommen.
Da es bisher noch keine allgemeine gesetzliche Regelung über die Ansiedlung von Nichtregierungsorganisationen in Deutschland gibt - ein Gaststaatgesetz ist noch
nicht in Kraft -, war es erforderlich, mit der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen einen Vertrag zu
schließen, der der Organisation, ihren ausländischen
Amtsträgern, Beschäftigten und Gästen bestimmte Sonderrechte einräumt.
Die niedersächsische Landesregierung hat im Vorfeld
der Vertragsverhandlungen der Weltgemeinschaft als
Religionsgemeinschaft auf ihren Antrag hin den Status
einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß Artikel 140 unseres Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 5 Satz 2 der Weimarer Reichsverfassung
verliehen. Besondere Privilegien, die normalerweise mit
diesem Status verbunden sind, zum Beispiel Steuern von
ihren Mitgliedern zu erheben, können von der Weltgemeinschaft als internationaler Dachorganisation praktisch nicht genutzt werden.
Daher waren bestimmte Erleichterungen für die Niederlassung der Weltgemeinschaft und ihre ausländischen
Beschäftigten und eingeladenen Gäste zwingend im Vertrag mit der Bundesrepublik zu regeln. Dazu gehören die
kostenlose und zügige Erteilung von Visa für die ausländischen Beschäftigten und Gäste der Weltgemeinschaft,
die Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels
für die ausländischen Beschäftigten und ihre unmittelbaren Angehörigen, der Zugang der unmittelbaren Angehörigen zum deutschen Arbeitsmarkt, die von Zöllen
und Steuern freie Einfuhr von Möbeln und persönlicher
Habe der Beschäftigten, die Erteilung von Sonderausweisen durch das Auswärtige Amt und der Zugang zur
gesetzlichen Krankenversicherung.
Der Vertrag, der sich damit auf Gegenstände bezieht,
deren Regelung dem Gesetzgeber vorbehalten ist, zum
Beispiel beim Aufenthaltsgesetz und beim Fünften Buch
Sozialgesetzbuch, bedarf für sein Inkrafttreten noch der
Zustimmung des Deutschen Bundestages in Form eines
Gesetzes, eines Vertragsgesetzes. Ich hoffe, dass alle
Fraktionen des Bundestages diesen Vertrag nun wohlwollend prüfen und er zügig ratifiziert werden kann.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Dr. Krings. - Ich bitte, zunächst
Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben berichtet wurde. - Volker Beck hat das Wort für
Bündnis 90/Die Grünen.
Man sieht an der regen Beteiligung des Plenums, dass
es sich um kein strittiges Projekt der Bundesregierung
handelt. Man muss sich manchmal fragen, ob die Befragung der Bundesregierung nicht eher für die kontroversen Themen in diesem Hause genutzt werden sollte, in
dem Sinne, dass die Bundesregierung uns von ihrer Politik überzeugt, wenn wir das noch nicht sein sollten.
Ich habe trotzdem zwei Fragen zu dem Vertragsgesetz. Im Vorfeld dieser Entscheidung hat der Staatsminister von Klaeden - er ist uns abhandengekommen und
ist jetzt in der Wirtschaft tätig - Unterstützung der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen für den Umzug von
Genf nach Hannover zugesichert. Ich möchte wissen,
welche Unterstützungsmaßnahmen, die jetzt nicht im
Vertrag kodifiziert sind, die Bundesregierung mit der
Weltgemeinschaft erörtert hat und was daraus geworden
ist.
Ein Satz in der Begründung des Vertragstextes hat
mich etwas irritiert. Es wird davon gesprochen, dass der
Vertrag keine Präzedenzwirkung für andere Nichtregierungsorganisationen entfaltet. Es gibt, wie Sie wissen,
eine Diskussion über die Ansiedlung von internationalen
Nichtregierungsorganisationen in der Bundesstadt Bonn.
Das ist Ziel der Bundesregierung und des Bundestages.
Ich verstehe nicht, warum man in einem möglichen Gesetz ausschließt, für internationale Organisationen ähnliche Regelungen anzubieten, damit die Bundesstadt Bonn
neben Standort für internationale Organisationen der
Vereinten Nationen auch Standort für Organisationen der
Zivilgesellschaft sein kann.
Herr Dr. Krings.
Ich beantworte die beiden Fragen gerne. - Wir alle
würden uns freuen, wenn sich aufgrund der Tatsache,
dass dort schon Einrichtungen vorhanden sind, in Bonn
- nicht nur dort, aber gerade auch dort - weitere Nichtregierungsorganisationen ansiedeln würden - egal, ob
kirchlich oder nicht kirchlich; beides ist willkommen.
Unter dem Stichwort „Präzedenzwirkung“ haben wir
deutlich darauf hingewiesen, dass die Schließung eines
Vertrages in einer solchen Form zwischen der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen einerseits und der BunParl. Staatssekretär Dr. Günter Krings
desrepublik andererseits an die Voraussetzung geknüpft
war, dass die Weltgemeinschaft vorher durch das Land
Niedersachsen den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen bekommen hat. Nur so konnte
man einen Vertrag abschließen, der zwar kein völkerrechtlicher Vertrag ist, aber ein Vertrag sui generis, der
Teilelemente enthält, die sonst in völkerrechtlichen Verträgen zu finden sind.
Beispielsweise habe ich mich dafür eingesetzt - wir
haben es auch so gemacht -, den Vertrag, anders als in
solchen Fällen sonst üblich, als Geste gegenüber der
Weltgemeinschaft in zwei Sprachen, Deutsch und Englisch, verbindlich vorzulegen; denn die Verhandlungspartner sprechen vorwiegend Englisch und sollen den
Vertrag in dieser Sprache erhalten. Auch dafür gab es
keinen Präzedenzfall. Insofern ist es ein besonderes
Konstrukt, das aber an den Status einer Körperschaft des
öffentlichen Rechts anknüpft. Dieser Körperschaftsstatus basiert auf der übergeleiteten Vorschrift aus der Weimarer Reichsverfassung; ihn bekommen eben nur Religionsgemeinschaften. Insoweit sprechen wir von einer
fehlenden Präzedenzwirkung.
Ich habe eben das Stichwort „Gaststaatgesetz“ genannt. Es ist natürlich denkbar, ein allgemeines Gesetz
für Organisationen zu schaffen, also nicht die Form eines
Vertragsgesetzes zu wählen. Da ist der Entscheidungsprozess noch nicht abgeschlossen; es wäre - ohne da
jetzt mehr sagen zu wollen - jedenfalls denkbar.
Bei der anderen Frage ging es um Vergünstigungen
und Privilegien. Die gewährten Vergünstigungen und
Privilegien finden sich im Vertrag: die Möglichkeit einer
einfachen Einreise und des Beitritts zu den gesetzlichen
Krankenversicherungen. Das sind die wesentlichen
Dinge, um die es ging.
Es gab weiterhin die Frage, ob man den Bediensteten
nicht auch eine umfassende Einkommensteuerfreiheit
gewähren sollte. Das ist nicht üblich, und wir haben sie
auch nicht eingeräumt. Insofern gibt es außerhalb der im
Vertrag aufgeführten Vergünstigungen keine weiteren
Bevorzugungen und Privilegien.
In der Praxis gab es natürlich schon vorher Hilfen; bestimmte Dinge wie eine vereinfachte Einreise konnten
bereits vor Inkrafttreten des Vertrages in Teilbereichen
geregelt werden. Natürlich wird auf der Arbeitsebene
versucht, alles, was unterhalb der Schwelle einer gesetzlichen Änderung möglich ist, auch möglich zu machen.
Vielen Dank, Herr Dr. Krings. Sie haben jetzt ein
bisschen länger antworten können, weil Volker Beck
länger gefragt hat. Das ist doch eine ganz pazifistische
Waffengleichheit.
Gibt es weitere Fragen zum Themenbereich, über den
Dr. Krings berichtet hat? - Da sehe ich keine weiteren
Fragen. Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen
Kabinettssitzung? - Gut, wiederum Volker Beck.
Ich habe keine Frage zur heutigen Kabinettssitzung,
sondern zum Kabinett und zur Politik der Bundesregierung im Allgemeinen; auch das ist in der Geschäftsordnung vorgesehen. Dazu frage ich das Bundeskanzleramt.
Ich möchte gerne wissen, an welchen Entscheidungen
über Rüstungsexporte der ehemalige Bundesminister
Niebel bezogen auf die Firma Rheinmetall beteiligt war.
Falls Sie das heute nicht beantworten können, wäre ich
- es unterliegt nicht mehr der Geheimhaltungsbedürftigkeit, weil es zwangsläufig die letzte Legislaturperiode
betrifft - für eine schriftliche Nachunterrichtung dankbar.
Das Wort hat das Bundeskanzleramt.
Sehr geehrter Herr Kollege, das Bundeskanzleramt
war in Niebels Entscheidung nicht eingebunden. Sofern
sich Bundesminister an die Bundesregierung in einer
solchen Angelegenheit wenden, ist unsere Grundsatzhaltung immer klar: Wir erwarten sinnvollerweise, dass es
nach der Wahrnehmung eines Bundesministeramtes zu
einer Karenzzeit von mindestens einem Jahr kommt.
Wenn sie eingehalten wird, dann ist es nicht die Aufgabe
der Bundesregierung, solche Dinge entweder rechtlich
oder moralisch zu bewerten.
Ihre Rückfrage, Herr Beck.
Nach der Karenzzeit habe ich gar nicht gefragt. Ich
fände es gut, wenn die Bundesregierung endlich eine
entsprechende Regelung im Bundesministergesetz einfügen würde, damit wir ein Verfahren analog zu dem der
Europäischen Union hätten.
Aber das war gar nicht Gegenstand meiner Frage.
Deshalb wiederhole ich meine Frage: An welchen und
wie vielen Entscheidungen bezüglich Rheinmetall war
der ehemalige Bundesminister Niebel, Mitglied des
Bundessicherheitsrates, beteiligt? Diese Informationen
unterliegen nicht mehr der Geheimhaltung, weil die Vorgänge der Vergangenheit angehören und erledigt sind.
Darf ich Sie darüber informieren, dass das Bundeskanzleramt selbstverständlich durch die Bundeskanzlerin im
Bundessicherheitsrat vertreten ist? Früher war es durch
den Bundeskanzler im Bundessicherheitsrat vertreten.
Das Bundeskanzleramt, bitte.
Das ist korrekt. - Die Frage in Bezug auf die Entscheidungen werde ich schriftlich beantworten. Aber wir
müssen natürlich sehr genau prüfen, was wir öffentlich
beantworten können.
({0})
Danke schön. - Nächste Fragestellerin ist Katja Keul,
Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank. - Einen Teil meiner Frage hat der Kollege Beck schon vorweggenommen. Mir wäre neu gewesen, wenn das Bundeskanzleramt nicht mehr im Bundessicherheitsrat sitzen würde. Ich habe Sie jetzt aber so
verstanden, dass das Bundeskanzleramt nach wie vor im
Bundessicherheitsrat vertreten ist; vielleicht können Sie
das noch einmal bestätigen.
Meine andere Frage ist: Wann ist mit der Vorlage des
schon sehr lange angekündigten Gesetzentwurfs über die
Karenzzeit zu rechnen?
Wieder das Bundeskanzleramt.
Das Protokoll wird es ausweisen: Ich habe hier nicht
das Gerücht in die Welt gesetzt, das Kanzleramt sei nicht
mehr im Bundessicherheitsrat vertreten. Eine weiter gehende Antwort erübrigt sich also.
Zum Thema Karenzzeit kann ich Ihnen so viel sagen:
Die Bundesregierung hat keinerlei Zeitplan oder Ähnliches beschlossen.
Gibt es weitere Fragen an die Bundesregierung oder
sonstige Fragen, liebe Kolleginnen und Kollegen? Dem ist nicht so.
Ich unterbreche die Sitzung bis zum Beginn der Fragestunde um 13.35 Uhr.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die Sitzung wieder.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
Drucksache 18/1920
Die Frage 65 des Kollegen Oliver Krischer wurde
durch die Bundesregierung nachträglich dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zugeordnet und wird
nach Frage 45 aufgerufen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amts. Zur Beantwortung ist Frau Professor Dr. Maria
Böhmer anwesend, die ich herzlich begrüße.
Frage 1 der Abgeordneten Katrin Kunert wird schriftlich beantwortet. Frage 2 des Kollegen Omid Nouripour
wird ebenfalls schriftlich beantwortet.
Jetzt kommen wir zur Frage 3 des Abgeordneten
Andrej Hunko:
Welche einzelnen „Fragen zu einer möglichen Beteiligung
deutscher Standorte der US-Streitkräfte bei Einsätzen von unbemannten Flugzeugen“ hat die Bundesregierung an die USRegierung gerichtet ({0}), und aus
welchem Grund geht die Bundesregierung trotz der 13-monatigen Nichtbeantwortung ähnlicher Fragenkataloge des Bundesministeriums des Innern und des Bundesministeriums der
Justiz und für Verbraucherschutz davon aus, dass tatsächlich
Antworten eingehen, bzw. auf welche Weise wird sie entsprechenden, auch politischen Druck ausüben?
Frau Dr. Böhmer.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter
Herr Kollege Hunko, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Das Auswärtige Amt hat der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika in Berlin im April 2014 Fragen zu einer möglichen Beteiligung des US Africa Command und dessen Luftstreitkräftekommando in Ramstein
an Einsätzen unbemannter Luftfahrzeuge übermittelt.
Am 11. Juni 2014 erinnerte das Auswärtige Amt Vertreter von AFRICOM an die Beantwortung der Fragen.
AFRICOM stellte die Beantwortung innerhalb weniger
Wochen in Aussicht.
Danke, Frau Böhmer. - Herr Hunko hat die Möglichkeit, nachzufragen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Vielen Dank, Frau
Professor Böhmer.
Ich will noch einmal erläutern, worum es geht. Es gibt
die Debatte um die Beteiligung deutscher Standorte der
US-Streitkräfte, zum Beispiel Ramstein, am US-Drohnenkrieg. Wir haben schon über einen längeren Zeitraum
immer wieder Fragen dazu gestellt. Die Antworten, die
wir bekommen haben, sind immer den Fragen ausgewichen. So wurde gesagt, von Ramstein aus würden keine
Drohnen fliegen. Das hatte aber niemand gefragt, sondern die Frage ist: Inwiefern sind die Standorte Teil des
US-Drohnenkrieges? Jetzt haben Sie geantwortet, Sie
hätten die US-Seite konkret befragt. Offenbar gibt es
noch keine Antwort; die soll in den nächsten Wochen
kommen. Wir werden dann auch nachfragen. Aber vielleicht noch mal die Frage: Rechnen Sie mit einer konkreten Antwort innerhalb der nächsten Wochen?
Ja.
Das ist ja schon einmal eine erfreulich klare Antwort.
Danke. - Dann haben Sie jetzt die zweite Möglichkeit, nachzufragen, wenn Sie mögen.
Das reicht mir erst mal. Wir werden dann, wenn die
Antwort da ist, noch einmal entsprechend nachfragen. Vielen Dank.
Vielen herzlichen Dank, Frau Böhmer.
Die Fragen 4 und 5 der Kollegin Inge Höger und die
Frage 6 der Kollegin Sevim Dağdelen werden schriftlich
beantwortet.
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern.
Die Frage 7 der Kollegin Sevim Dağdelen, die Frage 8
des Kollegen Volker Beck und die Frage 9 des Kollegen
Dr. Konstantin von Notz werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen dann zur Frage 10 der Abgeordneten
Ulla Jelpke. - Sie ist nicht da. Es wird verfahren, wie in
der Geschäftsordnung vorgesehen.
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz.
Ich begrüße Christian Lange für die Bundesregierung.
Wir kommen zur Frage 11 der Kollegin Renate
Künast:
Welche konkreten Auswirkungen wird das geplante
Dienstleistungsabkommen TiSA auf den Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz haben?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich beantworte die
Frage gerne wie folgt: Die Verhandlungen haben erst begonnen. Die Auswirkungen des sogenannten TiSA-Abkommens werden nach dem vorläufigen Stand der Verhandlungen im Bereich des Bundesministeriums der
Justiz und für Verbraucherschutz voraussichtlich nicht
über die bestehenden Verpflichtungen aus dem General
Agreement on Trade in Services, GATS, hinausgehen.
Frau Künast.
Das hört sich ja gut an, Herr Staatssekretär; gleichwohl muss man sich dann fragen, wozu eigentlich verhandelt wird, wenn dabei am Ende keine Veränderung
herauskommt.
Es geht bei TiSA bekanntlich um Negativlisten. Die
Frage, die ich stellen möchte, ist jetzt: Welche Kriterien
muss zum Beispiel jemand im Dienstleistungsbereich erfüllen, um seine Aufnahme in einer Negativliste tatsächlich zu erreichen? Da muss ja irgendeine Regelung herbeigeführt werden.
Zunächst einmal kann ich nicht bestätigen, dass nichts
herauskommt. Ich kann hier aber nur Ausführungen zu
dem machen, was unser Haus betrifft, und ich sagte Ihnen bereits, dass unser Haus nach dem derzeitigen Stand
davon nicht betroffen ist.
Zu den Zielen gehört in der Tat auch, mehr Dienstleistungsfreiheit für professionelle Beratungsdienstleistungen, zum Beispiel für Anwälte, herzustellen. Für
Deutschland hat aber schon das GATS - ich nannte es
bereits: das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen - im Verhältnis zu den Partnerstaaten zu Freiheit im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr - etwa die Beratung auf dem Gebiet des
jeweiligen nationalen Rechts - im Rahmen der bestehenden Zulassungsprüfungen geführt. TiSA wird nach heutigem Stand nicht darüber hinausgehen.
Frau Künast, wenn Sie mögen, haben Sie eine weitere
Möglichkeit zu einer Nachfrage.
Ja, ich habe noch eine Nachfrage, die sich auf die
Wahrung von Grundrechten und die Daseinsvorsorge bezieht. Beschäftigt sich das Justizministerium auch aktiv
mit der Frage, ob TiSA Auswirkungen auf Kosten, zum
Beispiel der Bedarfssicherung, der Wasserversorgung
usw., haben kann? Das alles sind ja Dienstleistungsbereiche.
Ich gehe einmal davon aus, dass auch das Justiz- und
Verbraucherministerium ein Interesse daran hat, dass es
hier international nicht zu einem Mehr an Dienstleistungsfreiheit kommt und dabei für den Endverbraucher
eine enorme Kostensteigerung entsteht. Wir haben in
Deutschland erlebt, welche Auswirkungen das haben
kann. Denken Sie nur einmal an die deutsche Einheit
und an die Verträge, die in den neuen Bundesländern abgeschlossen wurden, an die Art der Liberalisierung und
der Umsetzung; die Menschen haben sich später diesbezüglich die Haare gerauft. Das hatte durchaus auch soziale Auswirkungen. Ich gehe davon aus, dass sich das
BMJV auch mit dieser Frage beschäftigt. Hier würde
mich interessieren, was Sie aktiv in diese Verhandlungen
einbringen.
Wir beteiligen uns in der Tat aktiv. Zunächst will ich
dazu aber sagen, dass sowohl der öffentliche Dienst als
auch die Justiz selbst nicht betroffen sind.
Spezielle Vorschriften des Datenschutzes und des
Verbraucherschutzes - Letzteres hatten Sie ja angesprochen - sind nicht im TiSA-Verhandlungspaket enthalten.
Die Bundesregierung wird sich aber trotzdem gegen jegliche negativen Auswirkungen auf die Schutzbereiche
der Bürgerinnen und Bürger aussprechen, und sie tut das
bereits.
Zusatzfrage von Frau Dröge, Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank für die Möglichkeit, eine Nachfrage zu
stellen. - Ich habe Ihre Antwort auf die Frage von Frau
Künast zu den Negativlisten nicht richtig verstanden.
Deswegen würde ich hier gerne noch einmal nachfragen.
Sowohl bei TTIP als auch bei CETA als auch bei
TiSA debattieren wir jetzt darüber, ob bei der Liberalisierung von Dienstleistungen mit einer Negativliste
- dann würde quasi alles, was nicht in dieser Negativliste enthalten ist, liberalisiert - oder, umgekehrt, mit einer Positivliste gearbeitet wird. In dieser würden alle Bereiche beschrieben, die liberalisiert werden sollen; für
alle anderen Bereiche würden im Rahmen des Abkommens dann erst einmal keine Regelungen getroffen.
Sie verstehen wahrscheinlich, was die unterschiedlichen Auswirkungen sind. Wenn zum Beispiel im Falle
einer Negativliste bestimmte Bereiche nicht erfasst werden, fallen sie automatisch unter den Geltungsbereich
von TiSA.
Meine Frage ist: Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung hier? Sollte es im Rahmen von TiSA eine
Negativliste geben, oder schließen Sie sich eher der Auffassung von Bündnis 90/Die Grünen an, dass man, wenn
man über so etwas redet, eine Positivliste erstellen
sollte? Warum vertritt die Bundesregierung hier welche
Auffassung?
Christian Lange, bitte.
Frau Kollegin, haben Sie bitte Verständnis dafür, dass
ich hier nur über die Dinge Auskunft geben kann, die in
den Ressortbereich des Bundesministeriums der Justiz
und für Verbraucherschutz fallen. Die Antwort auf diese
Frage obliegt nicht unserem Hause, und ich bitte Sie deshalb, sie an das zuständige Haus zu richten.
Vielen Dank, Herr Kollege Lange.
Die Fragen 12 und 13 der Kollegin Tabea Rößner
werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen.
Die Fragen 14 und 15 der Kollegin Susanna
Karawanskij, die Fragen 16 und 17 des Kollegen
Dr. Axel Troost, die Fragen 18 und 19 der Kollegin
Veronika Bellmann, die Fragen 20 und 21 des Kollegen
Richard Pitterle und die Frage 22 der Kollegin Britta
Haßelmann werden schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
Die Fragen 23 und 24 des Kollegen Johannes Selle
werden nicht beantwortet, weil der Fragesteller nicht
hier ist. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung
vorgesehen.
Die Fragen 25 und 26 der Kollegin Brigitte Pothmer,
die Fragen 27 und 28 des Kollegen Markus Kurth und
die Fragen 29 und 30 der Kollegin Sabine Zimmermann
werden schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.
Die Frage 31 der Kollegin Bärbel Höhn wird schriftlich beantwortet.
Nun sind wir beim Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung.
Die Fragen 32 und 33 der Kollegin Agnieszka
Brugger werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Frau Ferner steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Die Abgeordnete Dr. Franziska Brantner, die die Frage 34
gestellt hat, ist aber nicht anwesend. Das heißt, es wird
keine Antwort von Frau Ferner geben. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Die Fragen 35 und 36 der Kollegin Maria KleinSchmeink werden schriftlich beantwortet. Die Fragen 37
und 38 des Kollegen Dr. Harald Terpe werden schriftlich
beantwortet.
Wir kommen zur Frage 39 der Kollegin Kordula
Schulz-Asche. Auch diese Kollegin ist nicht da. Das
heißt, auch diese Frage wird nicht beantwortet. Es wird
verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Das finde ich, ehrlich gesagt, ein bisschen komisch;
denn die Regierung bereitet sich auf die Beantwortung
der Fragen vor. Ich finde, dass die Fragesteller und Fragestellerinnen anwesend sein sollten oder rechtzeitig Bescheid sagen sollten, dass ihre Frage schriftlich zu beantworten ist.
Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur.
Frau Dorothee Bär freut sich schon auf die Beantwortung der Fragen. Sie wird aber nicht antworten können,
weil auch die Kollegin Steffi Lemke, die Frage 40 gestellt hat, nicht da ist und auch nicht um eine schriftliche
Beantwortung gebeten hat. Es wird verfahren, wie in der
Geschäftsordnung vorgesehen.
Genauso ist es mit der Frage 41 des Kollegen
Matthias Gastel: Auch er ist nicht anwesend. Es wird
verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Frau Bär, Sie müssen also keine Fragen beantworten.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Florian Pronold steht zur Beantwortung
zur Verfügung. Herzlich willkommen!
Vizepräsidentin Claudia Roth
Die Fragen 42 und 43 der Kollegin Sylvia KottingUhl sind schriftlich zu beantworten.
Bei der Frage 44 der Abgeordneten Dr. Julia
Verlinden gilt das Gleiche wie vorhin: Sie ist nicht da. Es
wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. - Das tut mir wirklich leid. Dafür möchte ich mich
bei Ihnen, Herr Pronold, entschuldigen. Sie brauchen die
Frage also nicht zu beantworten.
Wir kommen zur Frage 45 des Abgeordneten Oliver
Krischer. Genau das Gleiche: Er ist nicht da. Es wird
verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Das geht wirklich nicht.
({0})
- Dann kann man das aber rechtzeitig mitteilen.
Wir kommen zur Frage 65 des Abgeordneten Oliver
Krischer. Genau das Gleiche: Er ist nicht da, warum
auch immer. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. - Herr Pronold, Sie brauchen keine
Antwort zu geben.
Die Frage 46 der Kollegin Britta Haßelmann sowie
die Fragen 47 und 48 des Kollegen Dr. André Hahn werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
Die Frage 49 des Kollegen Kai Gehring wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung.
Die Frage 50 des Kollegen Uwe Kekeritz wird
schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes.
Klaus-Dieter Fritsche steht zur Beantwortung zur
Verfügung. Aber Hans-Christian Ströbele, der die Fragen 51 und 52 gestellt hat, ist nicht anwesend. Es wird
verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Die Frage 53 des Kollegen Andrej Hunko wird
schriftlich beantwortet. Auch bei der Frage 54 der Kollegin Ulle Schauws ist schriftliche Beantwortung beantragt worden.
Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Kollegin
Gleicke steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Die Frage 55 der Kollegin Bärbel Höhn wird schriftlich beantwortet. Auch die Fragen 56 und 57 des Kollegen Klaus Ernst werden schriftlich beantwortet.
Frau Gleicke darf tatsächlich noch antworten; denn
die nächste Fragestellerin ist anwesend.
({1})
Ich rufe die Frage 58 der Kollegin Katharina Dröge
auf:
Hält die Bundesregierung eine öffentliche Debatte über
das geplante Dienstleistungsabkommen TiSA für notwendig,
und wenn ja, was hat die Bundesregierung bisher unternommen, um die Bundesbürgerinnen und -bürger über die Chancen, Risiken und Auswirkungen dieses Abkommens zu informieren?
Bitte, Iris Gleicke.
Liebe Frau Kollegin Dröge, die Antwort auf Ihre
Frage lautet wie folgt: Über das geplante plurilaterale
Dienstleistungsabkommen TiSA wird eine öffentliche
Debatte geführt, die von der Bundesregierung begrüßt
wird. Die Bundesregierung hat über Ziele und Inhalte
der Verhandlungen den Bundestag, den Bundesrat, die
Länder und Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen sowie Wirtschaftsverbände in mehreren Informationsveranstaltungen informiert und wird dies auch weiterhin tun.
Darüber hinaus veranstaltet das Bundesministerium
für Wirtschaft und Energie Workshops mit Vertretern aus
Wissenschaft und Gesellschaft, um die drängendsten
Fragen zu TiSA zu diskutieren. Zuletzt gab es dazu im
April 2013 eine Veranstaltung. Zudem stellt die Bundesregierung ausführliche Informationen auf der Homepage
des BMWi bereit.
Auch die EU-Kommission bemüht sich um Transparenz und die Berücksichtigung der Interessen der Öffentlichkeit. So fand im September 2013 eine groß angelegte
öffentliche Konsultation statt. Auch das ist im Internet
nachzulesen. Die Adressen gebe ich Ihnen gerne weiter.
Eine Diskussion im Rahmen der Erstellung eines Trade
Sustainability Impact Assessment hat im Mai 2014 stattgefunden. Ausführliche Informationen stellt die EUKommission auch auf ihrer Homepage bereit.
Vielen Dank. - Eine Zusatzfrage.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die ausführliche Antwort. Ich habe aber noch Nachfragen. Zum einen
ist die Frage: Wenn das alles so transparent ist, warum
können wir dann nicht zum Beispiel das Mandat für die
TiSA-Verhandlungen der Kommission öffentlich miteinander diskutieren? Es wäre, glaube ich, für die Bevölkerung sehr wichtig, das zu wissen. Das Gleiche haben
wir bei TTIP und CETA auch schon diskutiert.
Das Zweite ist: Wenn man die Medienberichterstattung der letzten Woche verfolgt, dann sieht man, dass
zumindest die amerikanische Seite die Position vertritt,
dass nach Abschluss der TiSA-Verhandlungen die Verhandlungsdokumente bis zu fünf Jahre Verschlusssache
und damit geheim bleiben sollen. Wie ist das zum einen
mit unseren demokratischen Rechten im Parlament vereinbar, aber zum anderen auch mit dem berechtigten Interesse der Öffentlichkeit an den Inhalten dieser Verhandlungen? Wie sieht die Bundesregierung das?
Das Dritte ist: Sie haben zum Beispiel zu TTIP beim
BMWi einen Beirat eingerichtet, um die Bevölkerung im
Detail einzubinden. Haben Sie so etwas auch zu TiSA
vor?
Bitte, Frau Gleicke.
Ich will noch einmal darstellen, dass wir eine andere
Situation haben als bei TTIP, weil die konsolidierten
Texte an uns übersandt werden. Das ist bei TTIP anders.
Das ist, wie Sie wissen, ein großes Ärgernis. Wir drängen darauf, auch dazu die konsolidierten Verhandlungstexte zu bekommen.
Zu TiSA haben wir diese Texte, und sie sind auch bei
EuDoX im Deutschen Bundestag eingestellt. Insofern
kommen Sie an diese Dokumente heran.
Es gibt tatsächlich einen Unterschied, was die Transparenz angeht. Wir führen - ich habe es schon dargestellt in regelmäßigen Abständen einiges an Workshops und
Veranstaltungen durch, damit wir uns auch mit den
NGOs, den Ländern, den Gewerkschaften und anderen
über TiSA und die damit verbundenen Probleme auseinandersetzen können.
Vielen herzlichen Dank. - Zusatzfrage von Katharina
Dröge.
Noch einmal zur Klarheit: Die Dokumente sollen
nach Vertragsabschluss fünf Jahre unter Verschluss bleiben. In den Medien wurde vor zwei Wochen berichtet,
dass die amerikanische Seite möchte: Nachdem TiSA
abgeschlossen ist, sollen die Dokumente fünf Jahre unter
Verschluss bleiben. Würde die Bundesregierung einem
solchen Verfahren zustimmen, ja oder nein?
Ich sage es noch einmal: Die konsolidierten Texte liegen uns vor, und wir haben sie auch an den Bundestag
übersandt. Ich weiß nicht, was dabei unter Verschluss ist.
({0})
- Da muss ich jetzt passen. Wenn Sie an die Bereitstellung der Texte für die Öffentlichkeit denken, muss ich
nachfragen. Ich bitte um Verständnis.
Vielen herzlichen Dank. - Dann kommen wir zur
Frage 59 der Kollegin Katharina Dröge:
Hielte die Bundesregierung es für hinnehmbar, wenn das
Dienstleistungsabkommen TiSA eine sogenannte RatchetKlausel enthalten würde, die die Rekommunalisierung einmal
privatisierter Dienste rechtlich ausschließen könnte, und wie
wäre eine solche Klausel aus Sicht der Bundesregierung zu
bewerten?
Ratchet-Klauseln sollen nach Auffassung der Bundesregierung im TiSA-Abkommen nicht vorgesehen werden, wenn dadurch künftige Rekommunalisierungen von
Dienstleistungen erschwert oder verhindert würden.
Frau Dröge, bitte.
Würde die Bundesregierung denn grundsätzlich der
Aufnahme einer Ratchet-Klausel in TiSA zustimmen
und, wenn ja, warum?
TiSA ist das Folgeabkommen des GATS-Abkommens
von 1995, und es betrifft eigentlich die Doha-Runde mit
160 Staaten. Nun haben sich 22 Mitglieder, darunter die
EU und Deutschland, zusammengefunden, diese Verhandlungen zu führen. Insofern findet das auf einer etwas niedrigeren Ebene statt.
Bei der Ratchet-Klausel geht es darum, dass man bestimmte Sachverhalte, die erreicht worden sind, nicht
mehr rückgängig machen kann. Das heißt, wenn man bestimmte Bereiche, auf die sich das Abkommen bezieht,
zusätzlich aufnimmt, dann kann man dies nicht mehr
rückgängig machen. Das scheint mir durchaus sinnvoll
zu sein.
Wir werden aber ganz genau darauf achten, welche
Zugeständnisse wir gerade im Bereich der öffentlichen
Daseinsvorsorge machen, der eigentlich bei TiSA für
Deutschland und die EU schon im Mandat ausgeschlossen ist. Deshalb muss man genau prüfen, auf welche der
einzelnen Bereiche bei TiSA sich eine solche Klausel
beziehen würde.
Frau Dröge, eine Zusatzfrage?
Eine Zusatzfrage hätte ich noch. - Frau Gleicke, Sie
haben gerade gesagt, dass TiSA entstanden ist, weil es
im Rahmen der Doha-Verhandlungen keine Fortschritte
gibt. Nun ist TiSA ein Klub der Happy Few. Mit einem
Anteil von 75 Prozent gilt das zwar nicht für den Bereich
des Welthandels. Aber sehr viele Länder auf der Welt,
insbesondere die armen Länder in Afrika, sind bei den
TiSA-Verhandlungen nicht dabei. Wenn man sich anKatharina Dröge
schaut, wie im Rahmen von GATS verhandelt wurde,
dann stellt man fest, dass es immer ein Geben und Nehmen gab. Die Entwicklungsländer sollten im Bereich der
Liberalisierung von Dienstleistungen Zugeständnisse
machen. Dafür sollte es Zugeständnisse zugunsten der
Entwicklungsländer im Bereich des Agrarsektors geben.
Nun stellt sich die Frage: Warum will man nun ein
plurilaterales Abkommen wie TiSA schließen, bei dem
die Entwicklungsländer gar nicht dabei sind? So lassen
sich keine Fortschritte bei den Zugeständnissen erzielen.
Die Länder, die zusammen einen Anteil von 75 Prozent
am Welthandel haben, verhandeln gemeinsam über ein
wirkungsmächtiges Abkommen, das den anderen Staaten nur die Möglichkeit lässt, beizutreten oder nicht beizutreten. Ist das nicht das Gegenteil von dem, was im
Zusammenhang mit GATS gedacht war, und schließt das
nicht gerade die Entwicklungsländer aus, für die wir als
Industrienation insbesondere im Welthandel verantwortlich sind?
Wir wollen niemanden ausschließen. Während der
Verhandlungen gibt es im Übrigen nach wie vor Gespräche und auch Signale - ich bitte um Verständnis, dass ich
darüber nicht genauer berichten darf -, dass weitere Länder den Verhandlungen beitreten. Wir befinden uns in einem relativ frühen Stadium. Insofern wird natürlich darauf geachtet, dass weitere Länder hinzukommen, gerade
Schwellenländer und arme Länder, die durchaus Vorteile
durch solche Abkommen haben. Ich will darauf hinweisen, dass wir auch andere Abkommen mit den betreffenden Ländern schließen, um auf bilateraler Ebene
Handelshemmnisse abzubauen und Möglichkeiten zu eröffnen.
Vielen Dank, Katharina Dröge. - Eine Zusatzfrage
von Renate Künast.
Da angesprochen wurde, wer an den Verhandlungen
teilnimmt und wer nicht, kann ich zu Ihren letzten Sätzen nur sagen: ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Was halten Sie von der Einschätzung, dass Verhandlungen wie die über TiSA nur das Ziel haben, die DohaRunde, die zwar Ende 2001 einen Verhandlungsrahmen
abgesteckt hat, aber bisher zu keinem Erfolg geführt und
nichts Wesentliches beschlossen hat, durch die Vielzahl
exklusiver Verhandlungen, an denen bestimmte Entwicklungsländer gar nicht beteiligt sind, zu umgehen?
Warum komme ich darauf? Weil in der WTO-Runde die
nördlichen Länder bzw. die großen Industriestaaten ein
sehr großes Interesse daran hatten, ihre eigenen Agrarbereiche nicht zu sehr durch Importe aus Schwellen- und
Entwicklungsländern zu belasten und einem schärferen
Wettbewerb auszusetzen. Umgekehrt wollten die Industrieländer die große Freiheit zum Export von Dienstleistungen rund um den Globus für sich erreichen. Daher haben sich diese Länder zusammengetan und das Ganze
gesperrt. Was halten Sie von der These, dass man das
durch all diese Verhandlungen umgeht und Fakten zum
Beispiel im Dienstleistungsbereich schafft und dass es
dann, wenn andere Staaten mitmachen wollen, heißt:
„Vogel, friss oder stirb; tretet dem bei!“? Damit hätte
man diese Staaten ausgetrickst, wenn es um die Schaffung eines gerechten Welthandels geht.
Frau Gleicke, bitte.
Ich will sehr deutlich sagen, dass es nicht Ziel und Inhalt der TiSA-Verhandlungen ist, die öffentliche Daseinsvorsorge sozusagen zu privatisieren. Mir geht es
einfach darum, deutlich zu machen, dass es keinen Ausschluss gibt. Alle Staaten können sich an den Verhandlungen beteiligen. Es gibt weitere Fragen zu diesem
Thema. Wir sind sehr daran interessiert, dass gerade
Schwellenländer und arme Länder diesen Verhandlungen beitreten, weil sie zum Beispiel von Marktöffnungen
profitieren würden. Dass es sich dabei immer um ein Geben und Nehmen handeln muss, ist richtig. Gleichwohl
verfahren wir hier genauso wie bei den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, die wir beispielsweise mit den
AKP-Staaten schließen. Insofern trifft uns Ihr Vorwurf
nicht. Wir sehen das Risiko. Gleichwohl versuchen wir,
andere Staaten an den Verhandlungen zu beteiligen.
Es ist nur eine Zusatzfrage möglich, Frau Künast. Deshalb kommen wir nun zu den nächsten Fragen.
Die Frage 60 des Abgeordneten Uwe Kekeritz, die
Frage 61 des Abgeordneten Dieter Janecek und die
Frage 62 des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz
werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen jetzt zur Frage 63. Ich frage die Fragestellerin, die leibhaftig hier ist, aber angemeldet hat, sie
wolle die Frage schriftlich beantwortet haben: Möchten
Sie die Frage schriftlich oder mündlich beantwortet haben?
Mündlich.
Mündlich.
Ich rufe die Frage 63 der Abgeordneten Steffi Lemke
auf:
Mit welchem Ziel haben der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, oder der Bundesminister
der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, in ihrer Rolle als
- stellvertretende - Vorsitzende des KfW-Verwaltungsrates
die Finanzierung des Kohlehafens Wiggins Islands in Australien durch die KfW-Tochter IPEX im Rahmen ihrer Verwaltungsratstätigkeit thematisiert, bzw. ist beabsichtigt, dies in einer der nächsten Sitzungen zu tun - bitte begründen?
Iris Gleicke, bitte.
Liebe Kollegin Lemke, auf Ihre Frage antworte ich
wie folgt: Bei der Finanzierung des Kohlehafens Wiggins Islands in Australien handelt es sich um ein Marktgeschäft der KfW-Tochter IPEX aus dem Jahr 2011.
Diese Marktgeschäfte führt die IPEX in eigenem Namen
und für eigene Rechnung durch. Die Gremien der KfWMutter sind daher für den Vorgang nicht zuständig.
Vor diesem Hintergrund bestand zu keiner Zeit Anlass
seitens der KfW, den Verwaltungsrat über dieses Geschäft zu informieren. Eine Thematisierung im Verwaltungsrat hat daher nicht stattgefunden. Die Bundesregierung sieht keinen Grund dafür, den Verwaltungsrat mit
einem Vorgang, der ohnehin nicht in seine Zuständigkeit
fällt, drei Jahre nach Abschluss der Finanzierungsverträge zu beschäftigen. Sollte der Vorgang etwa im Rahmen der heute Nachmittag stattfindenden Verwaltungsratssitzung angesprochen werden, so wird die KfW
selbstverständlich zu dem Vorgang Auskunft geben.
Vielen Dank, Iris Gleicke. - Frau Lemke.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. - Nun ist die öffentliche Diskussion über den Bau und die Finanzierung
von Kohlehäfen rund um das Great Barrier Reef in den
letzten Monaten eine andere geworden, zum einen durch
die Einschätzung der UNESCO, zum anderen durch den
Rückzug verschiedener Banken aus solchen Finanzierungsgeschäften.
Ich habe Ihre Antwort und den Hinweis auf die formalen Zuständigkeiten sehr wohl verstanden. Aber es
gibt auch eine politische und eine gesellschaftspolitische
Verantwortung der Bundesregierung. Sehen Sie denn anderweitige Möglichkeiten, auf dieses Projekt und auf potenziell weitere Projekte - sprich: Finanzierung generell
von Kohlehäfen in umweltsensiblen Gebieten - Einfluss
zu nehmen?
Sie wissen, dass es darum geht, dazu eine Position
auch der Bundesregierung zu finden und auch Einfluss
zu nehmen. Wir haben zugesagt, dass wir dem Parlament
im Herbst dazu den Bericht geben.
Frau Lemke, eine zweite Frage?
Nein, das ist mir für den Moment genug. Danke.
Danke schön. - Ich rufe die Frage 64 der Abgeordneten Dr. Julia Verlinden auf:
Wann wird die Bundesregierung Vorschläge zur Änderung
der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung
bergbaulicher Vorhaben - UVP-V Bergbau - vorlegen, und
sind weitere Änderungen am Bergrecht geplant?
Frau Gleicke, bitte.
Schönen Dank. - Liebe Frau Kollegin Verlinden, ich
antworte wie folgt: Konkrete Regelungen für Änderungen der UVP-V Bergbau werden derzeit zwischen dem
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und dem
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit beraten und sollen zeitnah finalisiert
werden. Daran schließt sich die Beteiligung der Länder
und Verbände an. Nach der Sommerpause wird die Bundesregierung voraussichtlich den entsprechenden Verordnungsentwurf beschließen.
Als weitere bergrechtliche Änderung ist geplant, das
Bergschadensrecht einschließlich der Bergschadensvermutung auf Tiefbohrungen und Untergrundspeicher zu
erstrecken sowie strengere bergrechtliche Anforderungen an die Fracking-Technologie festzulegen und den
Umgang mit Flowback und Lagerstättenwasser nach
dem Stand der Technik festzulegen.
Frau Verlinden.
Vielen herzlichen Dank, Frau Gleicke. - Ich würde
gerne nachhaken. Sie sagen, es sollten in Zukunft strengere bergrechtliche Anforderungen an die FrackingTechnologie selbst eingeführt werden. Können Sie dazu
etwas konkreter werden? Es gibt Diskussionen darüber,
ob man zum Beispiel das Fracking bei Schiefergas ausschließen oder verbieten soll. Wie lauten dazu Ihre konkreten Vorschläge, und vor allen Dingen für welche speziellen Lagerstätten würde das gelten?
Wir sind jetzt noch nicht so weit, dass wir die Auswirkungen lagerstättenscharf darstellen können. Wir sind im
Moment in der Ressortabstimmung. Ich verstehe Ihren
Fragewunsch, aber verstehen Sie bitte, dass wir während
laufender Verhandlungen zwischen den Ressorts keine
Einzelheiten veröffentlichen.
Haben Sie einen weiteren Fragewunsch? Sie haben
noch eine Frage frei.
Anfang Mai - das liegt schon eine Weile zurück - gab
es einen Beschluss der Umweltministerkonferenz. Ich
weiß, dass das nicht Ihr Haus betrifft, aber vielleicht gibt
es eine Positionierung von Herrn Gabriel zu diesem Beschluss, der damals einvernehmlich mit allen 16 Landesumweltministern und Frau Hendricks getroffen wurde,
bei dem es genau darum ging, im Schiefergas Fracking
auszuschließen.
Dürfte ich vielleicht noch eine zweite Frage damit
verknüpfen, weil es die Zeit noch erlaubt?
Mit Zustimmung der Frau Staatssekretärin, bitte.
Wenn es bei dieser Technologie darum geht, einzelne
Chemikalien auszuschließen: Wie konkret haben Sie
sich das vorgestellt? In welchen Gebieten würden von
Ihnen vielleicht unterschiedliche Anforderungen vorgesehen?
Frau Verlinden, das kann ich aus besagten Gründen
im Detail so jetzt nicht beantworten. Ich lasse Ihnen
gerne vom Ministerium schriftliche Informationen zur
Verfügung stellen.
Ob es eine Positionierung, so sage ich jetzt einmal,
des Bundesministers selbst gegeben hat, das weiß ich
jetzt nicht; es entzieht sich meiner Kenntnis.
Vielen Dank, Dr. Verlinden. - Jetzt hat Katharina
Dröge das Wort.
Erst einmal vielen Dank, dass auch ich eine Zusatzfrage stellen darf. - Ich habe noch eine Frage zum Zeitplan. Ich habe einer Meldung von Focus Online vom
29. Juni 2014 entnommen, dass Herr Gabriel angekündigt hat, er werde Eckpunkte zum Thema Fracking noch
vor der Sommerpause ins Kabinett einbringen. Bald ist
ja Sommerpause; deswegen meine Frage an Sie: Wann
genau können wir mit diesen Eckpunkten rechnen?
Ich habe gerade gesagt: Wir sind derzeit dabei, diese
Eckpunkte mit den betroffenen Ressorts abzustimmen.
Daran schließt sich im Prinzip die Beteiligung der Länder und der Verbände an. Wir gehen daher davon aus,
dass wir den entsprechenden Beschluss nach der Sommerpause im Kabinett fassen können.
Vielen herzlichen Dank. - Frage 65 des Abgeordneten
Oliver Krischer rufe ich nicht auf, da der Fragesteller
nicht im Saal ist. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Wir kommen jetzt zum Ende der Fragestunde, deutlich früher als eingeplant.
Ich möchte die Parlamentarischen Geschäftsführer
und Geschäftsführerinnen herzlich bitten, in ihren Fraktionen deutlich zu machen: Wenn Regierungsvertreter
und -vertreterinnen in die Fragestunde kommen, um Fragen, die gestellt wurden, zu beantworten, dann ist es kein
angemessener Umgang, wenn die Fragesteller nicht anwesend sind, sofern nicht um eine schriftliche Antwort
gebeten wurde. Außerdem verkommt damit ein Stück
weit das wunderbare parlamentarische Mittel der Fragestunde. Ich bitte Sie daher herzlich, in Ihren Fraktionen
noch einmal deutlich darauf hinzuweisen, dass derjenige, der eine Frage stellt, in der Fragestunde auch im
Saal sein sollte, und zwar just in time. Herzlichen Dank!
Ich hoffe, Sie sind einverstanden, dass wir die Sitzung
jetzt bis 15.35 Uhr unterbrechen; es bleibt uns gar nichts
anderes übrig. Nach der Unterbrechung wird Zusatzpunkt 1 der heutigen Tagesordnung aufgerufen: Vereinbarte Debatte zur „Bedrohung der regionalen Stabilität
durch das Vorgehen der ISIS-Truppen“.
Vielen Dank, liebe Kollegen und Kolleginnen, und
vielen Dank, liebe Vertreter und Vertreterinnen der Regierung.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({0})
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Vereinbarte Debatte
Bedrohung der regionalen Stabilität durch
das Vorgehen der ISIS-Truppen
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. - Ich höre dazu
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat als erster
Redner Volker Kauder.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Seit Wochen erreichen uns dramatische Berichte
aus dem Irak. Zunächst einmal haben wir alle gedacht, es
handele sich um eine vorübergehende, vielleicht auch regionale oder lokale Entwicklung. Aber sehr schnell
wurde deutlich, dass es hier um mehr geht.
Zunächst haben wir auch gedacht, es beschränke sich
darauf, dass unzufriedene Stammesfürsten und Stämme
im Irak die Regierung unter Druck setzen oder sie gar
nötigen wollen, die politische Zusammenarbeit zu verändern. Dann wurde jedoch immer deutlicher, dass es um
wesentlich mehr geht, dass eine Gruppe von Leuten, die
wir in ihrer Stärke gar nicht genau ausmachen können,
zu einer bedrohlichen Destabilisierung im Irak und zu einer bedrohlichen Destabilisierung in der ganzen Region
bewusst beiträgt.
Nachdem zunächst einmal Ausgangspunkt war, dass
die Regierung in Bagdad starke Stämme, die der sunnitischen Richtung des Islam angehören, bei der Ausübung
von Regierungsgewalt nicht berücksichtigt und dass sie
sich über diejenigen hinweggesetzt hat, die in Regionen
im Irak Bedeutung haben, hat sich schnell herausgestellt,
dass es darum geht, ganz neue Machtstrukturen zu schaffen, übrigens nicht nur Machtstrukturen zu schaffen,
sondern mit diesen Machtstrukturen auch religiösen Ein4046
fluss auszuüben. Dies führt zu einer erheblichen Unruhe
in der Region Irak/Syrien/Türkei.
Wenn da auf einmal ein Kalifat ausgerufen wird, wie
wir hören, trägt dies zu einer erheblichen Unruhe in der
gesamten islamischen Welt bei. Es gab gleich Widerspruch von denjenigen im Islam, die sich von irgendeinem Kalifen in einer Region des Irak überhaupt nicht
bevormunden lassen wollen. Daran sieht man, welch
dramatische Entwicklung sich dort abspielt.
Die Frage wird sein: Können wir mit politischen
Möglichkeiten eingreifen? Kann es zu einem politischen
Dialog kommen? Wenn man sieht, mit welcher Brutalität
diese Gruppe vorgeht, hat man erhebliche Zweifel und
muss sich fragen, ob nicht noch andere Möglichkeiten,
Stoppschilder aufzustellen, erforderlich sind.
Wenn man hört, was sich in den betroffenen Regionen
im Irak abspielt, hat man zunächst die Hoffnung, es
könnte vielleicht doch anders gewesen sein. Aber die
Bilder, die uns jetzt erreichen, zeigen, dass dort Menschen abgeschlachtet werden, dass Kinder hingerichtet
werden und dass in den Regionen, in denen diese islamistische Gruppe Macht und Einfluss gewonnen hat, die
Menschen gezwungen werden, nach den Regeln der
Scharia zu leben. Christinnen werden unter Drohungen
aufgefordert, sich ebenfalls zu verschleiern und die Einrichtungen, die von den neuen Machthabern geschaffen
werden, aufzusuchen. Kinder werden gezwungen, in die
Koranschulen zu gehen. Es ist also eine Situation, die
uns mit großer Sorge erfüllt.
Ich glaube, dass wir uns jetzt in der UNO sehr rasch
darüber einig werden müssen, wie wir reagieren. Denn
sonst führt diese Situation nicht nur zu einer Destabilisierung in dieser Region, sondern kann sich zu einem
mittleren Flächenbrand im Nahen Osten entwickeln. Wir
hören, dass sich jetzt der Iran einschalten will; wir hören,
dass zum Beispiel Saudi-Arabien Geld fließen lassen
will; vor allem hören wir, dass jetzt auch unter den sunnitischen Gruppen Streit beginnt. Es wäre eine fatale
Botschaft, wenn wir da nicht reagieren würden. Denn
dort werden nicht nur Christen bedroht, sondern die
Existenz von Tausenden von Menschen ist betroffen.
Natürlich wird es die Türkei nicht unberührt lassen,
wenn von einem selbstständigen Kurdistan gesprochen
wird.
Ich selber habe im Augenblick noch keine Vorstellung
davon, was politisch getan werden kann, und warne davor, vorschnell militärische Lösungen zu suchen. Ich
muss aber auch sagen: Diejenigen, die jeden Tag bedroht
sind und unter der Situation leiden, sehen die Dinge ein
bisschen anders. Der Verzicht, auch mit Gewalt Einhalt
zu gebieten, betrifft ja nicht in erster Linie diejenigen,
die das fordern, sondern der Verzicht geht auf Kosten der
Menschen, die dort tagtäglich um ihr Leben fürchten
müssen. Wir müssen an dieser Situation im Irak deutlich
machen, dass wir es nicht hinnehmen können, dass Terrorgruppen machen, was sie wollen.
({0})
Denn dies stiftet an und steckt an. Wenn in einer Region
eine Terrorgruppe erfolgreich aktiv sein kann, dann wird
es bald in anderen Regionen andere Gruppen geben, die
das ebenfalls tun.
Deswegen sind wir alle aufgefordert, uns ernsthaft
und rasch darüber klar zu werden, wie wir zu einer Stabilisierung kommen können. Ich glaube, dass das nur
geht, indem wir der Ausbreitung dieser gewaltbereiten,
menschenverachtenden Truppe rasch ein Ende setzen.
Herzlichen Dank.
({1})
Wolfgang Gehrcke erhält als nächster Redner das
Wort.
({0})
Schönen Dank, Frau Präsidentin. - Ich glaube, dass
wir uns alle die Frage stellen müssen: Was ist eigentlich
in den letzten Monaten im Irak und in Syrien passiert,
dass sich ein solches Schreckensregime ausbreiten und
militärisch solche Erfolge erreichen konnte? Das Gebiet,
das von ISIS erobert worden ist, reicht von Aleppo bis
weit in den Irak; mittlerweile ist ein Drittel des Iraks besetzt worden. Ich habe mir die Bilder von der Militärparade zur Ausrufung des Kalifats angeschaut. Natürlich
haben solche Bilder immer einen Propagandaeffekt.
Aber bei der Parade wurden schwere Waffen vorgeführt,
Panzer, Raketen, Haubitzen. Ich habe mir natürlich die
Frage gestellt: Wie kommt diese Truppe in den Besitz
von schweren Waffen?
Ich weiß, dass der Irak unmittelbar davon bedroht ist,
auseinanderzufallen, zu zerfallen. Über die Folgen - gerade wenn man die Geschichte kennt und weiß, dass die
Grenzen alle künstlich sind - müssen wir reden. Wird es
ein eigenständiges Kurdistan sein? Was wird die Türkei
machen, wenn sich so etwas formiert? Ich weiß, dass
sich ISIS besonders gegen die Kurden richtet. Welche
Auswirkungen wird das auf Syrien haben?
Mir scheint, Kolleginnen und Kollegen, dass man
sich den Zauberlehrling von Goethe noch einmal vor
Augen führen muss, auch im Westen: Ich rief die Geister
und werd sie nicht mehr los. - Wer hat diese Geister oder
Ungeister ISIS gerufen? Müssen wir uns nicht die Frage
stellen, ob es stimmt oder nicht stimmt - ich behaupte,
dass es stimmt -, dass die Türkei ISIS Unterschlupf gewährt hat, wir hingegen in der Türkei Patriot-Raketen
stationiert haben? Müssen wir uns nicht der Frage stellen, ob Geld zur Waffenbeschaffung oder Waffen direkt
aus Saudi-Arabien und Katar geliefert worden sind? Es
sind enge Verbündete, auch unseres Landes, gewesen,
die wir gefördert haben, denen wir Panzer verkauft haben oder verkaufen wollen. Wenn wir diesen Fragen ausweichen, weichen wir möglichen Gegenmaßnahmen erst
recht aus. Muss nicht eine Schlussfolgerung sein:
Deutschland verkauft in Konfliktregionen absolut keine
Waffen mehr?
({0})
Man muss den Waffenzustrom austrocknen.
Ich habe mir noch einmal die Rede von Condoleezza
Rice - seinerzeit Sicherheitsberaterin von Bush - angesehen, die sie nach dem Irakkrieg hielt. Herr Kauder, ich
lese hin und wieder auch Ihre Erklärungen.
({1})
- Sie geben regelmäßig welche ab. Ich verspreche, dass
ich sie regelmäßig lesen werde, wenn ich sie bekomme. - Ich will nur eines sagen: Ich finde, die USA sind
absolut ungeeignet, diese Situation militärisch zu klären.
Andere Staaten mit anderen Einflussmöglichkeiten wären geeigneter, um über die Politik Veränderungen herbeizuführen. Ich habe die Rede von Condoleezza Rice
gelesen. Deutschland wäre zum Beispiel geeigneter,
nicht militärisch, sondern politisch zur Lösung der Situation beizutragen, weil Deutschland in Syrien und im Irak
angesehener ist. Das will ich in aller Deutlichkeit sagen.
Das ist einfach so. Hier muss man doch nicht ausweichen. Condoleezza Rice sagte, sie habe im Irak die Geburtswehen eines neuen Nahen Ostens gesehen. Wenn
das der neue Nahe Osten ist, dann kann man ahnen, was
uns blüht. Für mich ist das nicht der neue Nahe Osten.
Ich möchte, dass mehr auf Verständigung gesetzt
wird. Natürlich muss man Maliki anhalten, mit dem sunnitischen Bevölkerungsteil besser zusammenzuarbeiten.
Aber Maliki war auch der Verbündete Deutschlands. Er
war der Verbündete der EU, er war der Verbündete der
USA. Das ist alles unter ihren Augen und teilweise mit
Billigung geschehen. Ich möchte, dass umgesteuert
wird. Zum Umsteuern gehört für mich ein Bündnis der
säkularen Kräfte in der Region, ein Bündnis, das Assad
nicht ausschließt. Herr Kauder, die Konrad-AdenauerStiftung schreibt plötzlich vernünftigerweise darüber.
Warum debattieren wir nicht darüber? Ohne eine Lösung
des Syrien-Konfliktes werden Sie die Probleme im Irak
nicht lösen können. Sie sind miteinander verbunden.
({2})
Ich möchte, dass über Verhandlungen gesprochen
wird. Ich möchte, dass Deutschland eine andere SyrienPolitik betreibt. Ich möchte, dass wir den Flüchtlingen
wirklich helfen. Es ist unverantwortlich, dass wir nicht
in der Lage sind, rasch Flüchtlinge aus der Region aufzunehmen. All das geht nicht. Mit Politik kann man Probleme lösen. Ein neuer Irakkrieg wird die Probleme
nicht lösen, sondern dann werden wir die Islamisten in
der Region nur noch stärker machen. Das möchte ich
nicht. Auch aus diesem Grunde bin ich gegen einen
neuen Irakkrieg und gegen ein militärisches Eingreifen
der USA.
({3})
- Dass ich das bei einer Rede, die ich halte, von Herrn
Kauder hören darf: „Völlig richtig!“
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.
Das musste ich am Schluss wiederholen.
Danke sehr.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als nächster Redner
hat Niels Annen das Wort.
({0})
Liebe Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen
und Herren! Lieber Kollege Gehrcke, Ihre Sehnsucht
nach einer einfachen Lösung ist Ihnen geradezu anzuhören gewesen; aber die gibt es nicht. Ich glaube, wir sind
uns einig: Wir haben keine einfache Antwort auf die Situation, mit Sicherheit keine militärische Antwort.
({0})
Ich will einen Punkt aufgreifen. Sie haben gesagt: Wir
brauchen jetzt ein Bündnis, das die säkularen Kräfte
- Sie haben Herrn Assad explizit erwähnt - mit einbezieht. Ich glaube, wir müssen alle Kräfte, die dort eine
Rolle spielen, mit einbeziehen; dazu gehören Herr
Assad, der Iran, die Nachbarländer, die Türkei, SaudiArabien und Katar. Das ist auch meine Meinung. Nur:
Sie erwecken hier den Eindruck, als ob der Vormarsch,
mit dem wir alle konfrontiert sind, und seine Wucht, die
uns schockiert hat, nichts mit Assad zu tun hätte. Aber
die Wahrheit ist auch: Präsident Assad trägt einen großen Teil der Verantwortung für diese Krise.
({1})
Die ISIS-Führer sind zum Teil von ihm aus dem Gefängnis entlassen worden. Wenn man die Situation beobachtet und Berichte liest, fällt auf, dass es so gut wie keine
Kämpfe zwischen Assads Truppen und ISIS gibt. Das
heißt, es ist ein zynisches Kalkül der Regierung in Damaskus, sich selber als die einzige säkulare Alternative
in der Region darzustellen, auch auf Kosten der Menschen. Insofern gibt es auch hier keine einfache Antwort,
Herr Kollege Gehrcke.
ISIS ist in der Tat hochmotiviert, extrem gut organisiert und auch extrem gut finanziert. Trotzdem sollten
wir uns von der augenblicklichen Stärke von ISIS nicht
in die Irre führen lassen. Denn ein Teil der Wahrheit ist
natürlich auch: Die gegenwärtige Stärke kann sich nur
entsprechend auswirken, weil die irakische Armee dramatisch versagt hat, und ISIS kann die große Fläche im
Moment nur deshalb überhaupt kontrollieren, weil es ein
im Grunde genommen geradezu widernatürliches Bündnis unterschiedlicher Akteure gibt: Es sind die islamistischen Kräfte und die alten Kader der Baath-Partei von
Saddam Hussein, die ideologisch gesehen eigentlich
überhaupt nichts miteinander zu tun haben, unterstützt
von örtlichen Stammesführern.
An dieser Stelle muss man ganz klar sagen: Die Verantwortung dafür, dass das augenblickliche Bündnis zustande kommen konnte, trägt Herr al-Maliki mit seiner
völlig verfehlten Politik. Deswegen muss sich im Irak etwas ändern; das können wir hier gar nicht stellvertretend
für den Irak übernehmen. Der Ausschluss eines großen,
relevanten Teils der Bevölkerung von der politischen
Macht in Bagdad, aber auch von den Ressourcen des
Landes - man muss sich nur die Entwicklung der Arbeitslosigkeit und die Unterentwicklung in den sunnitischen Gebieten vor Augen führen - muss, so gut das
auch mit der Historie der langjährigen Unterdrückung
der schiitischen Mehrheit im Irak zu erklären ist, ein
Ende finden.
({2})
Deswegen bin ich der Meinung: An dieser Stelle ist das
Signal, das die Bundesregierung ausgesandt hat, eindeutig und richtig und sollte von diesem Hause unterstützt
werden: Wir sind natürlich bereit, diesen Prozess zu unterstützen, aber der erste Schritt muss im Irak selbst erfolgen.
Ich möchte einen weiteren Aspekt ansprechen. Natürlich finden in der Region zurzeit mehrere Stellvertreterkonflikte statt. Einer der großen Stellvertreterkonflikte
ist der regionale Konflikt zwischen Saudi-Arabien und
dem Iran. Beide instrumentalisieren die Religion für ihre
politischen Interessen. Meine sehr verehrten Damen und
Herren, ich glaube, wir müssen sehr vorsichtig sein,
wenn wir über diesen Konflikt und seine Nuancen sprechen. Denn es ist natürlich nicht so, dass dort nur Sunniten gegen Schiiten kämpfen. Was wir dort erleben, ist im
Grunde genommen eine Weiterentwicklung einer terroristischen Strategie quasi unter Laborbedingungen. Die
Kämpfe zwischen der Al-Nusra-Front in Syrien und inzwischen auch im Irak auf der einen Seite und ISIS auf
der anderen Seite haben dazu geführt, dass die Strategien
im Grunde genommen noch erfolgreicher und effektiver
geworden sind. Sie haben ihre Strategie quasi auf dem
Schlachtfeld weiterentwickelt. Das ist aber ein innersunnitischer Konflikt gewesen. Ebenso hat Herr al-Maliki
seinen schiitischen Rivalen, nämlich Herrn al-Sadr, vor
nicht allzu langer Zeit zum Teil auch mit militärischen
Mitteln bekämpft. Den Konflikt auf eine rein schiitischsunnitische Konfrontation zu reduzieren, geht nicht nur
an den Tatsachen vorbei, sondern würde auch die Kräfte
ausschließen, die wir für einen Versöhnungs- und Kooperationsprozess brauchen. Insofern wäre das eine falsche Sicht auf die Dinge.
Unterm Strich muss man sagen: Die internationale
Gemeinschaft hat es, nachdem sich der syrische Bürgerkrieg zugespitzt hat und die Genf-II-Verhandlungen gescheitert sind - das war ein dramatisches Scheitern; mit
einem Eingeständnis des UN-Vermittlers Brahimi, dem
wir für seine Arbeit noch einmal danken müssen -, versäumt, alle Akteure an einen Tisch zu bekommen. Deswegen kann es im Moment auch gar keine militärische
Lösung geben. In dem Augenblick, in dem die Amerikaner eingreifen würden, würden sie von den Saudis und
dem sunnitischen Teil der Bevölkerung, die sich ohnehin
ausgegrenzt fühlen, sozusagen als die Luftwaffe von alMaliki wahrgenommen.
Es gibt keinen anderen Weg: Wir müssen die regionalen Akteure an einen Tisch bekommen. Wir sollten die
Vereinten Nationen bei ihrer wichtigen Arbeit unterstützen, den politischen Prozess wieder voranzutreiben, aber
auch dafür sorgen, dass wir die Nachbarländer, die unter
der Last der Flüchtlingsströme und der Instabilität zusammenzubrechen drohen, dabei unterstützen, diesen
politischen Prozess zu überstehen, damit wir nicht eine
neue Ordnung bekommen, die darin besteht, dass ein
Kalifat ausgerufen wird und wir am Ende einen alQaida-Staat in unserer unmittelbaren Nachbarschaft haben.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
({3})
Als nächster Redner hat der Kollege Omid Nouripour
das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Vormarsch von ISIS Richtung Mosul war an sich keine
große Überraschung. Die große Überraschung bestand
darin, dass die irakischen Streitkräfte keinerlei Widerstand geleistet, ihre Waffen und Uniformen teilweise
einfach zurückgelassen und die Flucht ergriffen haben.
Ich war in der Woche vor dem Vormarsch in Bagdad.
Es war bedrückend zu sehen, dass die Straßen leer waren, obwohl 7 Millionen Menschen in dieser Stadt leben.
Es gab keinen Stau, und die Basare waren leer. Die
Hauptverantwortung dafür, dass eine solche Stimmung
herrscht - 2010, 2011 gab es noch so etwas wie Nachtleben - und dass in diesem Land, in dem es so viel Reichtum und Wohlstand gibt und gleichzeitig das Geld nicht
bei der Bevölkerung ankommt und sich somit keine entsprechende gesellschaftliche Dynamik entfaltet kann,
trägt Premierminister al-Maliki, der alles dafür getan hat,
die Sunniten im Land, teilweise auch die Kurden, von
der Macht auszugrenzen.
Die Situation in der Westprovinz Anbar ist seit fast einem Jahr hochdramatisch, sie grenzt an eine humanitäre
Katastrophe. Wir haben aber nicht ausreichend hingeschaut. ISIS hat in dieser Zeit bereits mit der Unterstützung der sunnitischen Clans das Sagen in Anbar gehabt
und darauf aufbauend den Marsch nach Norden beginnen können. Kinder werden erschossen, es finden Massenexekutionen statt, Kulturgüter werden geplündert und
zerstört - das erinnert sehr stark an die Situation in
Afghanistan in den 90er-Jahren.
Da nun ein Kalifat ausgerufen wurde - das ist wie
eine offizielle Kriegserklärung an Saudi-Arabien -, ist es
doch offenkundig, dass Saudi-Arabien und Iran keine
andere Alternative haben, als sich endlich zusammen an
einen Tisch zu setzen und über eine Kooperation zu
sprechen, um diesem Spuk ein Ende zu bereiten. Das
Problem ist nur, dass diese Einsicht derzeit auf keiner
der beiden Seiten vorhanden ist.
Es gibt ein weiteres Problem. Wir haben Anfang dieses Jahres über eine neue deutsche Außenpolitik gesprochen. Wir haben darüber gesprochen, dass wir mehr tun
wollen, dass wir mehr Verantwortung übernehmen wollen. Wir haben uns über den militärischen Aspekt unterhalten, waren uns aber alle einig, dass es um mehr geht.
Gerade weil Deutschland 2003 nicht bei der Invasion des
Irak dabei war, gerade weil wir viele der fatalen Fehler
der Amerikaner nicht gemacht haben, besitzen wir eine
höhere Glaubwürdigkeit. Wir könnten Gehör finden.
Stattdessen haben wir in den letzten Wochen und Monaten schlicht geschwiegen.
Der Außenminister hat gesagt, dass wir nicht an der
Seitenlinie stehen dürfen; wir haben es aber getan. Da
hilft es auch nicht, wenn der Außenminister sagt, dass
der Wandel von innen kommen muss. Herr Kollege
Annen, Sie haben davon gesprochen, dass sich die Situation im Irak selbst verändern muss. Das ist natürlich
richtig; daran gibt es keinerlei Zweifel. Wir sagen ja
nicht, dass man von außen etwas aufoktroyieren kann
oder soll; aber nur zuzugucken, wie die deutsche Bundesregierung es getan hat, und nicht einmal das Wort zu
ergreifen und nicht Druck auf al-Maliki auszuüben, damit er endlich eine inklusive Regierung einsetzt, war ein
Riesenfehler. Das hat mit all den Ansprüchen, die Anfang des Jahres formuliert wurden, und mit all den damals geführten Diskussionen überhaupt nichts zu tun.
({0})
Ganz konkret: Deutschland hat im Jahr 2013 aufgehört, für die Binnenflüchtlinge im Irak Mittel an den
UNHCR, an das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, zu zahlen mit der Begründung: Wir helfen jetzt in
Syrien und in den Nachbarstaaten von Syrien. - 350 000
Flüchtlinge gab es damals; das waren alles Syrer. Das
war vollkommen absurd. Ich kann nur hoffen und appellieren, dass das beendet wird und endlich wieder Mittel
an den UNHCR fließen, damit das Flüchtlingshilfswerk
im Irak wenigstens die Leute registrieren kann und eine
Mindestfürsorge gewährleisten kann. Wir reden mittlerweile über mehr als 1 Million Menschen, die ihre Heimat verloren haben und im Irak unterwegs sind.
Nächstes Beispiel. Wir wissen, dass ISIS sich unter
anderem dadurch finanziert, dass sie Öl aus der Provinz
Rakka in Syrien verkaufen. Seitens der EU gibt es bei
den Sanktionen gegen Syrien Ausnahmen für Ölfelder,
die sich damals in der Hand der Nationalen Koalition befunden haben sollen. Der Sinn und Zweck war, dass die
nichtbewaffnete Opposition Gelder generieren kann.
Diese Ölfelder sind aber seit über einem Jahr in der
Hand von ISIS. Aufgrund dieser Ausnahmen der EU
wird Öl auch in die Türkei verkauft. Wenn man bei der
Bundesregierung nachfragt, warum diese Ausnahme
nicht endgültig beendet wird, lautet die Antwort: Wir
wissen von nichts. - Die Augen werden einfach geschlossen, statt endlich mehr Verantwortung zu übernehmen, statt endlich mehr zu tun.
Auch bei der Frage der Unabhängigkeit der Kurden
gibt es bisher nur eine Fehlanzeige. Das ist eine hochkomplizierte Angelegenheit; das gestehe ich selbstverständlich zu. Bei allem Verständnis, das man für die Situation der Kurden haben muss - sie waren eine Oase
der Stabilität in einem Land, von dem man nur noch hoffen kann, dass es dieses Land weiterhin geben wird -,
muss man darauf achten, dass die Tür für einen Verbleib
Kurdistans als autonome Region im Irak nicht zugemacht wird. Wir müssen aber auch alles daransetzen,
dass die Situation nicht eskaliert. Es muss Druck ausgeübt werden auf die Türkei und auf den Iran, damit die Situation in dieser letzten Oase der Stabilität im Irak nicht
weiter eskaliert.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({1})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich unterbreche die
vereinbarte Debatte zur Bedrohung der regionalen Stabilität durch das Vorgehen der ISIS-Truppen.
Die heutige Tagesordnung soll um die Beratung einer
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung,
Immunität und Geschäftsordnung zur Genehmigung des
Vollzugs eines gerichtlichen Durchsuchungsbeschlusses
erweitert werden. Erhebt sich dagegen Widerspruch? Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe nun den Zusatzpunkt 8 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({0})
Antrag auf Genehmigung zum Vollzug eines
gerichtlichen Durchsuchungsbeschlusses
Drucksache 18/1990
Der Ausschuss empfiehlt mit den Stimmen aller Fraktionen, die entsprechende Genehmigung zu erteilen. Wir
kommen sofort zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das sind alle Fraktionen. Wer stimmt dagegen? Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Auch niemand. Damit ist diese Beschlussempfehlung einstimmig
angenommen.
Wir fahren in der Debatte fort. Der Kollege Rüdiger
Veit erhält das Wort.
({1})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich bin gebeten worden, diese Debatte aus innenpolitischer Sicht eventuell ein bisschen zu befördern. Ich will
das in Bezug auf zwei Stichworte gerne tun, einmal zur
Sicherheitsfrage und zum Zweiten zur Flüchtlingsaufnahme außerhalb des hier in Rede stehenden Gebietes.
Zur Sicherheitsfrage kann ich relativ Aktuelles von
einem Besuch des Präsidenten des Bundesamtes für Ver4050
fassungsschutz heute im Innenausschuss berichten; da es
eine öffentliche Sitzung war, kann ich das hier wiedergeben. Er hat uns unter anderem Folgendes mitgeteilt: Aus
Deutschland sind nach Syrien zwecks Beteiligung an
dem Krieg an der Seite der Terroristen, Dschihadisten,
Salafisten - wie immer wir sie nennen wollen - bisher
320 Personen - die überwiegende Zahl ist im Besitz der
deutschen Staatsbürgerschaft - gereist.
Diese Konstellation unterscheidet sich von der vergleichbaren im Falle Afghanistan/Pakistan in vielerlei
Hinsicht. Zunächst einmal waren es damals nur insgesamt 80 Personen. Jetzt sind es, wie gesagt, 320 Personen. Zum Zweiten sind außerordentlich viele junge
Leute dabei, zum Teil 15-, 16-jährige Mädchen. Zum
Dritten sind es Leute, die dem Bundesamt oder anderen
Sicherheitsbehörden bisher kaum als wie auch immer
verdächtig aufgefallen sind. Vor allen Dingen müssen
wir natürlich auch damit rechnen, dass sie nach einer
eventuellen Teilnahme an kriegerischen Auseinandersetzungen dort mit einer, sagen wir einmal, nicht nur extremistischen, sondern vielleicht sogar verrohten Gesinnung nach Europa zurückkehren.
Das macht den Sicherheitsbehörden große Sorge. Die
Fachleute sprechen nicht von einer konkreten Gefahr,
sondern von einem stärkeren, von einem lauteren Hintergrundrauschen, das eben diese Aktivitäten widerspiegelt.
Sie sind gehalten, zu beobachten, welche dieser Personen zurückkommen. Bisher waren es wohl etwa 20 an
der Zahl. Von diesen weiß man relativ sicher, dass sie
dort auch an kämpferischen Handlungen teilgenommen
haben. Auch ist zu beobachten - ich verweise hier auf
den Fall desjenigen, der über Frankfurt eingereist war,
um dann in Brüssel dieses scheußliche Attentat zu verüben -, dass sie nicht unbedingt wieder beispielsweise
nach Frankfurt zurückfliegen, wenn sie von dort aus
nach Syrien oder in den Irak - dort kommt dies jetzt
auch vor - gereist sind. Vielmehr muss man damit rechnen, dass sie bei ihrer Rückreise auch andere europäische Flughäfen nutzen. Das macht die Sicherheitslage
nicht einfacher.
Der Datenaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden ist in dem Zusammenhang notwendig und rege. Von
jetzt auf der Hand liegenden Querbemerkungen zur Tätigkeit von Diensten auf diesem Gebiet im Allgemeinen
oder im Besonderen auch mit Blick über den großen
Teich nehme ich jetzt Abstand; sonst habe ich keine Zeit
mehr, zum zweiten Punkt zu kommen.
Die Flüchtlingsfrage: Wir wissen, dass sich über
3 Millionen Menschen außerhalb Syriens und annähernd
9 bis 10 Millionen innerhalb Syriens bereits auf der
Flucht befinden. Das ist ein furchtbares Elend. Wenn wir
bedenken, dass die Bevölkerungszahlen in den Anrainerstaaten durch diese Flüchtlingswelle dramatisch gestiegen sind - im Libanon beispielsweise mit einer Bevölkerung von etwas über 4 Millionen gibt es jetzt fast
1 Million Flüchtlinge -, dann können wir uns angesichts
der dortigen Strukturen die Situation und das Elend aller
Beteiligten, inklusive der aufnehmenden Staaten und ihrer Infrastruktur, vorstellen. Die stehen kurz vor dem
Kollaps.
Deswegen ist es im Wege internationaler Solidarität
nicht nur geboten, dort vor Ort zu helfen, was wir in beispielhafter Weise tun - dies ist richtig; ich hoffe, dies ist
auch im Sinne aller hier im Parlament vertretenen Parteien -, sondern es ist auch notwendig, sich dieses
Flüchtlingselends mit Empathie und Mitgefühl anzunehmen und dafür zu sorgen, dass zumindest Europa mit
seiner Wertegemeinschaft hier einen entsprechenden
Beitrag leistet.
({0})
Hierzu ist aktuell Folgendes zu vermelden - mit den
Zahlen will ich Sie nicht allzu sehr im Detail langweilen,
aber ich nenne einige, damit die Größenordnungen klar
werden -: Auf - in Anführungszeichen - normalem
Wege als Asylsuchende sind seit Ausbruch des Krieges
mehr als 30 000 Menschen aus der Region in Deutschland angekommen. Wir hatten im Dezember 2013 das
erste und dann darauf folgend das zweite Bundesprogramm zur Aufnahme von syrischen Flüchtlingen mit jeweils 5 000 Personen. Darüber hinaus haben 15 Bundesländer - es wäre schön, das 16. käme auch noch dazu; es
liegt südlich - Länderaufnahmeprogramme gemacht, die
in nennenswerter Zahl auch bereits in Anspruch genommen werden konnten.
Eines der wichtigen Details dabei ist die Frage der
Lebensunterhaltssicherung und insbesondere der Übernahme von Krankenbehandlungskosten. Da sind wir seit
der letzten Innenministerkonferenz ein kleines Stück
weiter. Denn klar ist: Die Länder übernehmen auch die
Krankenbehandlungskosten, wenn die hier anwesenden
Verwandten die sonstigen Unterhaltskosten übernehmen.
Ferner haben wir seit dieser Innenministerkonferenz
am 12. Juni 2014 ein weiteres Kontingent von 10 000.
Deutschland ist in dieser Frage führend in Europa und
auch darüber hinaus. Wir handeln hier auch nicht nach
dem Motto, dass wir erst einmal abwarten, was andere
tun, bevor wir etwas tun. Wir machen es umgekehrt; das
ist in besonderer Weise hoch anzurechnen und zu loben.
Wir haben gesagt, dass wir den Anfang machen und hoffen, dass andere nachkommen. Da unterstützen wir sehr
nachhaltig unseren Außenminister, und da unterstützen
wir sehr nachhaltig unseren Innenminister, mit Blick auf
Europa, aber auch verbunden mit dem klaren Wort, dass
die bisherige Haltung der übrigen europäischen Staaten
gegenüber diesem Elend eigentlich - entschuldigen Sie
das Wort - schändlich ist.
Zum Schluss noch eine Bemerkung, damit deutlich
wird, wie schwierig das Ganze ist. Am 27. Juni dieses
Jahres
Kollege, Sie müssen wirklich zum Schluss kommen.
- ja, danke - fand ein High-Level-Meeting in Genf
statt. Dort waren 42 Staaten vertreten, um sich über die
Frage der Entlastung der Region in Bezug auf das
Flüchtlingselend Gedanken zu machen. Wissen Sie, was
dabei herausgekommen ist? Wegen der Kürze der Zeit
warte ich nicht auf Antworten, sondern nenne Ihnen die
Zahl: 565 Personen. Da war der Reise- und Verköstigungsaufwand höher als das, was als Ergebnis für die
vom Elend bedrohten Flüchtlinge herausgekommen ist.
Ich sage erneut: Das ist schändlich. Wir sind alle gefordert, nicht nur wir, aber auch wir. Und wir können auch
ein bisschen mehr tun.
Danke sehr.
({0})
Als nächster Redner hat der Kollege Philipp
Mißfelder das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Zunächst möchte ich zu der Rede des
Herrn Kollegen Annen, dessen Ausführungen ich weitestgehend teile, eine Ergänzung vornehmen. Ich glaube
schon, dass wir es bei ISIS mit einem besonderen Phänomen zu tun haben, das sich von anderen militärischen
Kräften unterscheidet. Es ist schon so, dass der fundamentalistische Islam die Hauptantriebsfeder ist. Es geht
den Menschen, die sich ISIS anschließen - leider sind es
auch viele junge Leute, die sich dieser Gruppierung anschließen -, nicht um die Verteilung von Rohstoffen und
die Bedienung von Interessen, sondern darum, einen
Gottesstaat zu errichten und eine der schlimmsten Ausprägungen von Religiosität mit Gewalt zu verbinden.
Auch das zu erwähnen, gehört zu dieser Debatte. Das
macht die Sache für uns im Übrigen schwieriger und
nicht einfacher.
Die ISIS-Kämpfer stehen nämlich einer 800 000 Soldaten umfassenden und damit viel größeren Gruppe von
Sicherheitskräften aufseiten al-Malikis gegenüber, die
das häufig allerdings nicht aus Überzeugung tun, sondern deshalb, weil sie arbeitslos gewesen sind, weil sie
- schlecht bezahlt - in den Diensten der irakischen Zentralregierung stehen, aber keineswegs Überzeugungstäter sind und nicht mit der gleichen Inbrunst für die aus
unserer Sicht richtige Sache kämpfen, wie die ISIS-Täter
das tun. Insofern ist die Situation schwieriger, als man
auf den ersten Blick sieht.
Ich habe einen wichtigen Punkt anzumerken, der unsere Fraktion schon seit längerer Zeit beschäftigt. Wir
hatten den Premierminister der Autonomen Region Kurdistan vor über einem Jahr auf einem unserer Fraktionskongresse zu Gast. Als wir damals über den Irak diskutiert haben, haben wir immer ein Fragezeichen gesetzt,
ob es richtig ist, an der Ein-Irak-Politik - wenn sie mehr
als nur eine leere Worthülse sein soll - festzuhalten. Das
darf man nicht missverstehen und darin automatisch die
Befürwortung der Ausrufung eines unabhängigen und
freien Kurdistans sehen. Eine solche Ausrufung wäre ja
nur möglich, wenn man in Übereinstimmung mit den
Partnern in der Region und mit der Türkei vorgehen
würde. Ich sehe nicht, dass der Zeitpunkt dafür gegeben
ist.
Aber eines ist klar: Wenn wir die Aussage, dass die
Ein-Irak-Politik - ein Irak unter al-Maliki - für die Zukunft dieses Landes entscheidend ist, wie eine Monstranz vor uns hertragen würden, dann würden wir sehen, dass dieses Konzept schon in wenigen Wochen
gescheitert wäre. Es ist, was den Irak angeht, an der Zeit,
neue Konzeptionen zu entwickeln und sich gerade den
Regionen zuzuwenden - Herr Nouripour hat das ja dankenswerterweise angesprochen -, in denen tatsächlich
Frieden, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratisierung herrschen, nämlich dem Nordirak, Kurdistan.
Das eigentlich Schlimme an der Entwicklung, die wir
auch in Syrien beobachten - von meinem Vorredner ist
ja über die Flüchtlingsproblematik gesprochen worden -, ist: Es gibt nicht nur die Flüchtlinge aus Syrien,
die nach Jordanien gelangt sind und vorher versucht haben, im Irak Zuflucht zu finden, sondern es gibt auch innerhalb des Iraks ein massives Problem der Binnenflüchtlinge. Dabei handelt es sich vor allem um Christen,
die aus dem Süden in den Norden getrieben werden. Gerade deshalb ist es uns ein Anliegen, den humanitären
Beitrag zu stärken.
Wir haben heute im Ausschuss darüber gesprochen,
dass wir mehr tun wollen. Ich glaube, jetzt ist der richtige Zeitpunkt, dass sich tatsächlich ganz Europa mehr
engagiert, um zu verhindern, dass es in Kurdistan, im
Norden Iraks, zu einer humanitären Katastrophe kommt,
wie sie in Jordanien aus meiner Sicht schon unmittelbar
bevorsteht, meine Damen und Herren.
({0})
Was die Verantwortung insgesamt angeht, würde ich
nicht sagen, dass Deutschland nur am Spielfeldrand gestanden hat. Vielmehr spielt Deutschland eine sehr aktive Rolle. Ich erinnere mich noch daran, wie schwierig
es war, für kurdische Vertreter überhaupt Termine in
Deutschland zu bekommen. Die Bundeskanzlerin hat regelmäßig den Kontakt gehalten; aber auch unser jetziger
Bundesaußenminister hat, auch als die SPD in der Opposition war, hohe Vertreter der Kurden empfangen. Das ist
nicht überall in Europa so.
Ich meine, das ist eine Streitfrage mit Herrn al-Maliki
gewesen: Lädt man ihn ein, kann es sein, dass er nicht
kommt; empfängt man andere Politiker aus dem Irak,
beschwert er sich sofort. Wir haben es also wirklich mit
einem ganz schwierigen System zu tun in Bagdad. Vor
diesem Hintergrund sage ich, dass wir mit Herrn alMaliki weiterhin zusammenarbeiten wollen.
Es ist auch der falsche Zeitpunkt, jetzt - wie in der
Presse diese Woche zu lesen war - andere Namen ins
Spiel zu bringen. Es wäre übrigens ganz falsch, wenn der
Westen sie ins Spiel bringen würde, so wie es gestern in
einer englischsprachigen Zeitung stand - weil diese Person niemals akzeptiert würde. Das muss im Irak selbst
geklärt werden.
Aber ich richte ganz klare Forderungen an Herrn
al-Maliki. Eine zentrale Forderung von uns ist, dass er
- das hat er bisher nicht getan - alle Religionsgruppen,
alle Stämme des Iraks, inklusive der Sunniten und der
Kurden, an der Regierung beteiligt. Das ist die zentrale
Voraussetzung für Frieden und Freiheit im Irak.
Dabei kommt noch eines hinzu: Herr al-Maliki weigert sich auch, die Verfassung einzuhalten. Er teilt die
Ölgewinne nicht so auf, wie es in der Verfassung steht.
Das wäre aber dringend notwendig, um überhaupt Institutionen am Funktionieren zu halten, um überhaupt das
Wenige, was an Staatlichkeit im Irak besteht, tatsächlich
umsetzen zu können. Insofern ist es eine zusätzliche Forderung - neben der Bildung einer Regierung, bei der alle
Bevölkerungsteile des Landes eingebunden werden -,
dass die Bestimmungen der Verfassung des Irak eingehalten werden. Dieser Appell muss an Herrn al-Maliki
deutlich gerichtet werden.
Herzlichen Dank.
({1})
Als nächster Redner hat der Kollege Alexander
Radwan das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir haben alle den Arabischen Frühling sehr
positiv gesehen, als er begonnen hat. Inzwischen finden
in diesem Haus regelmäßig Debatten und Diskussionen
statt, weil die Region von Monat zu Monat, von Woche
zu Woche instabiler wird.
Ich muss sagen - auch nachdem ich der Debatte zugehört habe -: Ich bin immer dann skeptisch, wenn ich den
Eindruck habe - meine Wahrnehmung mag falsch sein -,
dass auf ein sehr komplexes Thema relativ einfache Antworten gegeben werden.
Heute beschäftigen wir uns mit der aktuellen Thematik ISIS. Aktuell ist sicherlich die intensivere Berichterstattung in den Medien zu diesem Thema. Dass ISIS eine
Entwicklung vom Irak nach Syrien und zurück genommen hat, konnte man aber schon lange verfolgen; ISIS
ist eine sunnitische Rebellengruppe und eine Abspaltung
von al-Qaida.
Wir hatten in diesem Bereich in den letzten Jahren
eine historische Konstante: dass unsere Annahmen gekoppelt sind mit Fehleinschätzungen. Der Kollege
Nouripour hat in einer der letzten Debatten einmal einen
Satz geprägt, der mir sehr gut gefallen hat, nämlich dass
die Fehleinschätzung ist: „Der Feind meines Feindes ist
mein Freund.“ Das zieht sich wie ein roter Faden durch,
und das betrifft insbesondere die Regionalmächte, die
heute erkennen müssen, dass das, was sie sich erhofft
hatten, nicht eingetreten ist, und das, was eingetreten ist,
zu ihrem Problem wird. Die Ausrufung des Kalifats im
Irak führt genau dazu, dass diese Regime jetzt entsprechend bedroht werden. Das führt nicht nur im Irak zu
Problemen, sondern wir sehen uns damit konfrontiert,
dass ein Flächenbrand bevorsteht.
Diese Woche konnte ich mit dem Botschafter des Libanon reden. Er hat mir beschrieben - nicht nur ausgehend von der Flüchtlingsproblematik, die diese Länder
zurzeit zu stemmen haben -, was momentan von ISIS in
diese Länder hineingetragen wird. Das Gleiche betrifft
Jordanien, das Gleiche betrifft die Türkei. Darum muss
eine unserer Aufgaben sein - ich will nicht priorisieren -, dass wir diesen Ländern helfen, Stabilität zu halten, dass wir nicht nur an der Lösung der Probleme arbeiten, sondern auch diese Länder entsprechend stützen.
Ein roter Faden ist hier - das haben ja mehrere Redner gesagt -, dass wir darauf hinwirken müssen, dass es
im Irak zu einem Dialog kommt. Es gibt dort einen Konflikt zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden - wobei
wir oft in einer Art und Weise argumentieren, die relativ
holzschnittartig ist: Sunniten, Schiiten, Kurden - als
wenn die Sunniten ein homogener Block wären.
({0})
Wir müssen darauf achten und darauf hinwirken, dass
den Gemäßigten, den vielen Menschen, die mit dem
Konflikt nichts zu tun haben, denjenigen, die durch diese
Katastrophe, die diese Entwicklung für sie persönlich
darstellt, möglicherweise radikalisiert werden, geholfen
wird, ihnen eine Perspektive gegeben wird. Darum bin
ich auch hier bei unserem Fraktionsvorsitzenden Kauder,
der die humanitäre Hilfe und das Elend der Menschen
wohl am stärksten angesprochen hat. Wenn wir als
Deutschland und als Europa hier nicht hineingehen und
entsprechend unterstützen, wird diese Region keine Stabilität finden.
Der Dialog beginnt natürlich bei al-Maliki. Wenn er
es nicht schafft, dann muss das jemand anderes tun; ich
bin hier völlig bei Philipp Mißfelder, dass wir als Westen
keine Personalvorschläge zu machen haben. Wir sollten
aber schon klarmachen, was wir von dieser Region und
von den Machthabern in diesen Ländern, aber eben auch
im Iran, in Saudi-Arabien und in anderen Einflussmächten erwarten, um hier zum Frieden zu kommen. Sie müssen endlich verstehen, dass sie durch entsprechendes
Handeln ihre eigene Legitimität und Existenz gefährden.
({1})
Ich komme zu einem Punkt, der nicht die oberste
Priorität hat. Wir alle sind uns einig, dass militärische
Lösungen und Interventionen jetzt keine Option sind.
Wir als Europa und als Deutschland - gerade im arabischen Raum genießen wir sehr viel Vertrauen und Anerkennung - müssen uns mit den Machthabern und den
Verantwortlichen vor Ort auch Gedanken darüber machen, wie es mit der Region weitergeht, wie es für die
Menschen eine Perspektive geben kann, wenn die Konflikte hoffentlich bald ein Stück weit abgebaut sein werden. Ein Waffenstillstand bedeutet nämlich noch lange
nicht, dass sich der Dialog normalisiert, dass die Angehörigen unterschiedlicher Religionen friedlich nebeneiAlexander Radwan
nander leben und dass die Menschen vor allen Dingen
- darum geht es - eine wirtschaftliche und soziale Existenz und Perspektive bekommen.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die
Aussprache.
Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 2 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE
Beschaffungsprogramm von Drohnen für die
Bundeswehr
Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat die
Kollegin Christine Buchholz das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Monatelang hat Frau von der Leyen beharrlich zur Frage der
Kampfdrohnen geschwiegen. Erst sollte eine breite ethische Debatte her, vorgestern fand nun eine erste öffentliche Expertenanhörung im Verteidigungsausschuss dazu
statt. Aber: Die erste Fragerunde war noch nicht vorbei,
als die Ministerin bereits vor die Medien trat, weil ihre
Position augenscheinlich schon feststand. Dies, Frau von
der Leyen, war keine ernsthafte Debatte.
({0})
Sie wollen die Abgeordneten und die Öffentlichkeit
überrumpeln, weil der Widerstand gegen die Aufrüstung
der Bundeswehr mit Kampfdrohnen zu groß ist. Die
Mehrheit der Bevölkerung will diese Waffensysteme
nicht. Begreifen Sie das endlich!
({1})
Kampfdrohnen sind nicht entwickelt worden, um die
eigenen Soldaten zu schützen, wie Sie behaupten. Die
US-Armee hat vor rund zehn Jahren in Afghanistan das
erste Mal Kampfdrohnen eingesetzt, um gegnerische
Kräfte in abgelegenen Regionen zu töten - dort, wo nur
wenige oder gar keine eigenen Truppen am Boden operieren.
Seitdem spielen diese Waffensysteme eine immer
wichtigere Rolle in den Kriegen, die die US-Armee und
ihre Verbündeten in Afghanistan, in Pakistan, im Jemen
oder in Somalia führen. Es geht um eine Waffe in sogenannten asymmetrischen Kriegen, in denen Armeen
nicht Armeen gegenüberstehen, sondern in denen sie
Aufständische bekämpfen. Dies ist der Sinn hinter dieser
Technologie.
Wenn die Bundesregierung die Bundeswehr mit
Kampfdrohnen ausstattet, dann zieht sie Deutschland
immer tiefer in solche asymmetrischen Kriege hinein.
Das ist skandalös!
({2})
Kampfdrohnen sind auch das Mittel der Wahl, um per
Fernbedienung Menschen umzubringen, die die Geheimdienste der Drohnennationen auf Todeslisten gesetzt haben. Im sogenannten Krieg gegen den Terror dienen sie dazu, Raketenangriffe in Ländern durchzuführen,
in denen die US-Armee selbst gar nicht präsent ist.
Die Bundesregierung sagt zwar: „Damit haben wir
nichts zu tun“, doch ein von der Bild-Zeitung öffentlich
gemachter Sachstandsbericht aus dem Verteidigungsministerium spricht eine andere Sprache. Darin werden
Operationen außerhalb der Einsatzgebiete der Bundeswehr ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Wenn das
stimmt, machen Sie irgendwann nichts anderes als die
US-Armee heute.
({3})
- Sie brauchen sich gar nicht aufzuregen, Herr Arnold.
({4})
Wer verhindern will, dass die Bundeswehr einen Drohnenkrieg wie die US-Armee führt, der braucht nur eines
zu tun: dem Einstieg in die Kampfdrohnentechnologie
nicht zuzustimmen.
({5})
Kommen wir zu dem Mythos, dass Kampfdrohnen
präzise Waffen seien. Kampfdrohnen können ihre Ziele
gar nicht mit letzter Sicherheit identifizieren. Und zwischen Abschussbefehl und Einschlag liegt eine Zeitspanne von einigen Sekunden. Um bewegliche Ziele
trotzdem zu vernichten, werden Raketen mit enormer
Sprengkraft eingesetzt. Das führt zu einer hohen Zahl ziviler Toter. Wer Kampfdrohnen einsetzt, der nimmt den
Tod Unschuldiger mit in Kauf. Und das ist menschenverachtend.
({6})
Wohin führt der Einstieg in diese Technologie? Wer
in der Anhörung des Verteidigungsausschusses dem
Sachverständigen und Physiker Marcel Dickow zugehört
hat, der muss tief besorgt sein. Er erklärte uns, dass die
Beschaffung von Kampfdrohnen zwangsläufig dazu
führt, dass sich letztendlich Waffensysteme durchsetzen,
in denen am Schluss nicht der Mensch, sondern Computer über Leben und Tod entscheiden;
({7})
denn im Rüstungswettlauf um immer wirksamere Drohnen läuft alles auf die ständige Verkürzung von Entscheidungs- und Übertragungszeiten hinaus.
Eine vollautomatische Kampfdrohne, die selbst entscheidet, ist schneller als ein Kampfdrohnenpilot am
Joystick, dessen Signale über eine Entfernung von Tau4054
senden Kilometern kommen. Deutschland darf nicht in
diese Logik einsteigen. Wir dürfen nicht einen Prozess
anheizen, an dessen Ende Kampfroboter über Leben und
Tod entscheiden.
({8})
Frau von der Leyen hat nun in der Süddeutschen Zeitung erklärt, sie plane im ersten Schritt, Kampfdrohnen
zu leasen, gekoppelt an konkrete Einsatzmandate. Es stehen aber, so Frau von der Leyen, gar keine konkreten
Einsätze an. Offenbar geht es darum, einen Blankoscheck für die Zukunft einzuholen, um in der Zwischenzeit deutsche Offiziere als Kampfdrohnenpiloten an den
geleasten Systemen in Israel oder den USA ausbilden zu
lassen. Wenn es die SPD mit ihrer Ablehnung von
Kampfdrohnen ernst meint, dann kann sie diesem Vorhaben nicht zustimmen.
Frau von der Leyen, ziehen Sie jetzt die Reißleine!
({9})
Wir wollen keine gekauften, aber auch keine geleasten
Kampfdrohnen. Wir wollen gar keine Kampfdrohnen.
({10})
Als nächste Rednerin hat die Bundesministerin
Ursula von der Leyen das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Natürlich spüren wir das Unbehagen vieler Menschen, wenn
es um Drohnen geht, auch hier im Bundestag. Deshalb
wird zu Recht erwartet, dass wir berechtigte Bedenken
aufnehmen, sie in unsere Entscheidung einbeziehen und
eine breite Debatte führen. Ich habe deshalb die Anhörung des Verteidigungsausschusses am Montag als einen
ausgesprochen wertvollen Beitrag gesehen. Das war eine
sehr ausgewogene, besonnene Debatte, die wir gehabt
haben.
Frau Buchholz, schon seit einem Jahr wird diese Debatte breit geführt.
({0})
Ich glaube aber auch, dass diese Debatte heute mit Sicherheit nicht zu Ende ist, sondern sie wird weitergeführt werden. Viele andere Länder - es sind über 80 haben Drohnen. Über ein Viertel dieser Länder hat bewaffnungsfähige Drohnen. Ich möchte heute meine Position zu diesem Thema darlegen.
Ich möchte zunächst einmal ganz pragmatisch skizzieren, worum es uns geht. Am 17. Oktober 2013 hat in
Kunduz der letzte Konvoi das Camp der Bundeswehr
verlassen. Das waren 441 Soldatinnen und Soldaten in
119 Fahrzeugen - eine kilometerlange Kolonne, die über
zwei Tage durch unübersehbares Gelände gefahren ist:
eine der größten Operationen der Bundeswehr.
Diese Kolonne ist von allen Seiten geschützt gewesen. Sie ist vor allem von oben insofern geschützt gewesen, als eine Aufklärungsdrohne, die wir geleast haben,
das Gelände aus der Vogelperspektive überschaut hat.
Wäre diese Kolonne angegriffen worden, so wäre dieser
Angriff frühzeitig gesehen worden, aber die Unterstützung der angegriffenen Bodentruppe aus der Luft hätte
gedauert. Denn es hätten entweder Hubschrauber oder
Flugzeuge angefordert werden müssen, um dann die Soldatinnen und Soldaten am Boden zu unterstützen. Das
sind wertvolle Minuten, die Soldatenleben kosten können, und diese Schutzlücke wollen wir schließen, meine
Damen und Herren.
({1})
Ich möchte gerne in dieser Debatte vorweg auf zwei
Punkte eingehen, die ich wichtig finde. Da ist zunächst
immer, wenn es um das Unbehagen der Bevölkerung
geht, die Vorstellung von einem unbemannten Flugzeug,
dass da kein Mensch sei, dass es ein autonomes System
sei. Das ist falsch. Nach wie vor ist es immer ein
Mensch, der entscheidet, ob eine Waffe ausgelöst wird
oder nicht. Das ist beim Torpedo im U-Boot so. Das ist
bei der Panzerhaubitze so. Das ist bei der Interkontinentalrakete und bei der Cruise-Missile so, und das ist bei
der Drohne nicht anders. Niemals fällt ein Soldat oder
eine Soldatin beim Einsatz einer Drohne eine einsame
Entscheidung. Es ist erst die Anforderung der Truppe am
Boden, die Hilfe braucht, die diesen Einsatz der Drohne
auslöst. Dann erst entscheiden Soldatinnen und Soldaten
innerhalb ganz klar definierter und rechtlich geprüfter
Einsatzregeln. Um diesen Rahmen geht es uns. Den wollen wir setzen.
({2})
Weil uns dieser Rahmen, den wir haben, so wichtig ist,
und weil wir ihn auch international vorantreiben möchten, haben wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben,
dass sich Deutschland für eine völkerrechtliche Ächtung
vollautomatisierter - das heißt: autonomer - Waffensysteme einsetzt. Das muss geächtet werden. Ich sage sehr
deutlich: Der Außenminister hat unsere volle Unterstützung auf diesem schwierigen internationalen Weg.
({3})
Der zweite Punkt, der mir wichtig ist: Unsere Ablehnung speist sich auch aus den bekannten Fällen, in denen
Drohnen aus großer Distanz gesteuert zur gezielten Tötung einzelner Menschen eingesetzt werden, auch unter
Inkaufnahme, dass Unbeteiligte zu Schaden kommen.
Hierzu möchte ich ganz klar sagen: Die Bundesregierung lehnt extralegale völkerrechtswidrige Tötungen kategorisch ab. Das gilt für jedes Waffensystem, meine Damen und Herren.
({4})
Ich sage genauso klar: Mit dem Bedarf der Bundeswehr, den wir jetzt diskutieren, hat ein solches Vorgehen
jetzt und in Zukunft nichts zu tun.
({5})
Ich sage das mit so großer Gewissheit, weil die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist. Es sind wir hier im Haus,
die festlegen, wie ein Mandat zum Einsatz aussieht. Es
gibt keinen Einsatz der Bundeswehr ohne eindeutige
Regularien zum Einsatz von Waffen. Damit ist auch der
Einsatz von Drohnen durch die Bundeswehr nur möglich, wenn alle völkerrechtlichen und nationalen Regeln
beachtet werden, und zwar nach Billigung durch den
Deutschen Bundestag. Deshalb meine ich: Wer das als
Parlamentarierin oder Parlamentarier infrage stellt, der
entmündigt sich doch selber. Wir sind es, die die Regeln
festlegen. Es ist die Parlamentsarmee, die wir verteidigen.
({6})
Meine Damen und Herren, die Bundeswehr ist weltweit im Einsatz, um Sicherheit, Stabilität und Frieden zu
verteidigen. Wir alle profitieren davon, dass an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden am Tag Soldatinnen und Soldaten ihren Dienst tun: in der Heimat, an den Grenzen des
Bündnisses und weltweit bei Einsätzen. Sie nehmen dafür Gefahren auf sich, und zwar Gefahren für Leib und
Leben. Wir alle wissen, so bitter es auch sein mag: Nicht
jeder schwere Konflikt und nicht jeder drohende Völkermord ist allein mit den Mitteln der Diplomatie und der
wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu verhindern. Manchmal ist auch militärisches Engagement im Rahmen unserer
Bündnisse gefragt. Dann verleiht erst der persönliche
Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten dem Engagement
unseres Landes für Frieden und Sicherheit das, was wir
dringend brauchen, nämlich die Glaubwürdigkeit. Deshalb geben unsere Soldatinnen und Soldaten uns viel.
Das Wichtigste, was wir ihnen geben können, sind Unterstützung und eine bestmögliche Ausrüstung, um
selbst gegen Gefahren geschützt zu sein. Ein Teil dieser
Ausrüstung sind auch ferngesteuerte Luftfahrzeuge, die
sogenannten Drohnen. Die sollten wir ihnen nicht verwehren.
({7})
Nun endet der ISAF-Einsatz. Welche Szenarien die
Zukunft bringt, wissen wir nicht. Es zeichnet sich zurzeit
kein Einsatz ab, der eine Befassung mit den Szenarien,
die ich eben geschildert habe, notwendig macht. Die
Aufklärungsdrohne Heron hat gute Dienste geleistet; sie
war jeden Tag im Einsatz. Es spricht viel dafür, dass wir
eine ähnliche Form für die Übergangszeit wählen. Bei
einer Neuentwicklung, die mindestens zehn Jahre in Anspruch nehmen wird, plädiere ich für eine europäische
Entwicklung. Dafür haben wir uns bereits im Koalitionsvertrag und in den Schlussfolgerungen des Europäischen
Rats vom Dezember 2013 positioniert. Es sollte ein bewaffnungsfähiges Modell sein, über dessen tatsächlichen
bewaffneten oder unbewaffneten Einsatz in jedem Einzelfall ein Mandat des Deutschen Bundestages entscheidet. Das bedeutet, dass wir alle immer gefordert sind, die
Balance zu finden zwischen dem, was technisch möglich
ist, und dem, was ethisch vertretbar ist, hier im Bundestag, in der EU, in der NATO und auch in den Vereinten
Nationen.
Vielen Dank.
({8})
Als nächste Rednerin hat die Kollegin Agnieszka
Brugger das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau
Ministerin von der Leyen, zuerst sind Sie vor Bildern
mit reinen Aufklärungsdrohnen geflüchtet. Jetzt fordern
Sie aber Hals über Kopf, dass Deutschland in Zukunft
auch Kampfdrohnen einsetzen soll.
({0})
Sie behaupten, es gehe nicht um die Beschaffung von
Killerdrohnen, sondern nur um den Schutz der Soldatinnen und Soldaten. Das ist ein unredlicher Griff in die
rhetorische Trickkiste.
({1})
Denn Sie unterstellen damit denen, die zu Recht einen
kritischen Blick auf Kampfdrohnen haben, dass ihnen
der Schutz der Soldatinnen und Soldaten egal sei.
({2})
Wir Grüne haben uns in den letzten Jahren nicht nur für
den Einsatz von Aufklärungsdrohnen ausgesprochen,
sondern haben immer wieder, vor allem als der Bedarf
groß war, die schnellere Beschaffung von geschützten
Fahrzeugen gefordert. Deshalb möchte ich für die grüne
Bundestagsfraktion die Unterstellung, dass uns der
Schutz der Soldatinnen und Soldaten egal sei, massiv zurückweisen.
({3})
Unbenommen ist das Argument des Schutzes - das
gestehe ich zu - gewichtig. Es reicht aber allein bei weitem nicht aus, um die Beschaffung von Kampfdrohnen
zu rechtfertigen; denn auf den ersten Blick bietet per se
jedes neue Waffensystem mehr Schutz. Wer Kampfdrohnen will, muss klare und präzise Antworten auf die
Frage geben, für welche konkreten Einsatzszenarien aktuell diese Technologie, die auch mit vielen Gefahren
und Risiken verbunden ist, benötigt wird.
({4})
Frau Ministerin, Ihre Antworten - auch die heutigen hier
im Plenum - sind mehr als dünn. Es reicht nicht aus, sich
hinter Allgemeinplätzen wie „Das Gefühl von Sicherheit
ist eine Momentaufnahme“ zu verstecken. Sie räumen
auch ein, dass es derzeit keine Einsätze gibt, bei denen
aus Ihrer Sicht die Bundeswehr Kampfdrohnen braucht.
Der Afghanistan-Einsatz, den Sie genannt haben, läuft in
seiner bisherigen Form in diesem Jahr aus.
Die Kollegen von der SPD haben gestern und vorgestern noch behauptet, sie sähen keine Notwendigkeit für
Kampfdrohnen, und es gebe mit Blick auf die Hubschrauber und Kampfflugzeuge derzeit keine Fähigkeitslücke bei der Bundeswehr. Heute macht sich dann aber
der Kollege Arnold schon davon und schwenkt auf den
Kurs der Ministerin und auch in die Drohneneuphorie
der Union ein. Nach dem Abzug der Atomwaffen und
den Rüstungsexporten wäre das ein weiteres Mal, dass
Sie eines Ihrer friedenspolitischen Versprechen aus dem
Wahlkampf über Bord werfen. Liebe Kolleginnen und
Kollegen von der SPD, kehren Sie um! Stehen Sie zu Ihrer Überzeugung, und stoppen Sie die Beschaffung von
Kampfdrohnen!
({5})
Frau Ministerin, wenn Sie die Frage nach konkreten
Einsatzszenarien nicht beantworten können, dann werden Sie Ihrer Verantwortung als Verteidigungsministerin
nicht gerecht. Wir Grüne werden Ihnen ganz sicher keinen Blankoscheck für diese hochriskanten Waffensysteme ausstellen.
Sie öffnen auf diese Weise aber auch einer Technologie Tür und Tor, die die Kriegsführung in den nächsten
Jahren massiv, rasant und unwiederbringlich zu verändern droht. Sie marschieren in Richtung Kampfdrohnen,
aber aufgrund der rasanten technologischen Entwicklung
stehen schon hinter der nächsten Ecke autonome Systeme. Viele Experten und Techniker, die sich wirklich
gut mit der Materie auskennen, wahrscheinlich besser
als wir alle hier im Parlament, warnen uns jetzt schon
eindringlich davor, unbemannte Plattformen mit Waffen
auszustatten; denn schneller, als wir das vielleicht heute
glauben mögen, finden wir uns in einem grässlichen
Science-Fiction-Szenario wieder, in dem nicht mehr
Menschen, sondern Maschinen über Leben und Tod entscheiden. Vor diesem Risiko darf man nicht die Augen
verschließen.
({6})
Aber wir brauchen nicht nur ein paar Jahre in die Zukunft zu schauen. Auch der Blick zurück offenbart die
mit Kampfdrohnen verbundenen Risiken; denn sie können die Hemmschwelle zum Einsatz militärischer Gewalt auch auf politischer Ebene senken. Da lohnt der
Blick auf die Debatte in den USA. Die US-Administration hat Israel im Jahr 2000 massiv dafür kritisiert, dass
Israel bewaffnete Drohnen für extralegale Tötungen jenseits von bewaffneten Konflikten einsetzt. Ein paar Jahre
später war es das Mittel der Wahl des Friedensnobelpreisträgers Obama, und es wurde hundertfach Völkerrecht gebrochen. Das zeigt doch auch - das ist ein Punkt,
mit dem wir uns kritisch auseinandersetzen müssen -,
dass die Verfügbarkeit von bestimmten militärischen Fähigkeiten auch Auswirkungen auf politische Debatten,
moralische Wertvorstellungen und rechtliche Überzeugungen haben kann. Auch diese Gefahr darf man nicht
einfach ignorieren, Frau Ministerin.
({7})
Frau von der Leyen, Sie haben Angst, dass wir hier
eine technologische Entwicklung verschlafen. Wir
Grüne haben die Befürchtung, dass Sie die Büchse der
Pandora öffnen und eine Aufrüstungsspirale in Gang setzen, die Sie nicht mehr aufhalten können. Die verführerische Verheißung, dass ein neues Waffensystem den
Krieg präziser, billiger und sauberer macht, hat sich in
der Geschichte schon mehr als einmal als sehr böse und
sehr trügerische Illusion entpuppt. Ich garantiere Ihnen
schon heute, dass wir in ein paar Jahren an diese vielen
Debatten, die wir führen, zurückdenken werden und dass
Sie sich dann vorwerfen lassen müssen, dass Sie leichtfertig wichtige Argumente gegen Kampfdrohnen in naiver und blinder Technikgläubigkeit einfach vom Tisch
gewischt haben.
Vielen Dank.
({8})
Als nächster Redner hat der Kollege Rainer Arnold
das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Neue Waffentechnik verändert das Kriegsgeschehen.
Deshalb ist Sorgfalt und Zeit angesagt und, wenn es sein
muss, Skepsis. Das ist besser als blinder Aktionismus.
Das Thema Drohnen ist doppelt belastet in der deutschen Debatte. Zum einen ist es natürlich durch den Einsatz der amerikanischen Partner zum gezielten Töten außerhalb von Kriegsgebieten belastet. Außerhalb von
Kriegsgebieten ist das nach unserer Meinung völkerrechtswidrig, und wir halten es für wichtig, dies auch zu
benennen.
({0})
Wir halten es deshalb für wichtig, damit sich nicht im
Sinne von Gewohnheitsrecht eines Tages alle möglichen
anderen Staaten auf dieses vermeintliche Gewohnheitsrecht berufen können. Deshalb ist klar: Kein deutscher
Politiker, kein deutscher General dürfte solch einen Befehl erteilen. Jeder Soldat hätte nicht nur das Recht, liebe
Kollegen von den Linken, sondern sogar die Verpflichtung, einen solchen Befehl im Zweifelsfall abzulehnen.
Dies muss man deutlich sagen.
({1})
Zum anderen ist dieses Thema natürlich auch durch
die unreflektierte Herangehensweise des Verteidigungsministers der alten Regierung belastet. Er wollte nun
einmal hopplahopp von den Amerikanern eine KampfRainer Arnold
drohne kaufen. Er ist damit gescheitert. Klar ist: Drohnen und Waffen sind per se ethisch nie neutral. Deshalb
müssen wir über ethische Fragen diskutieren. Eine
wurde von der Ministerin zu Recht schon angesprochen
- es ist nur eine, aber es ist eine wichtige -: Wie können
wir verhindern, dass weltweit der Weg in vollautomatische Kampfsysteme - das ist nicht nur eine Frage von
Drohnen - gegangen wird? Dazu gehört nicht, dass Systeme ihren Weg selbst suchen, dazu gehört nicht, dass
Filter elektronisch eingeschaltet werden, um Informationen vorzufiltern, sondern dazu gehört im Kern: Ein System ist dann automatisch, wenn eine Waffe nicht aufgrund der Entscheidung eines Menschen, sondern
aufgrund eines Algorithmus abgefeuert wird.
({2})
Dies wollen wir nicht, und wir sind dankbar, dass der
Außenminister und die Bundesregierung in New York
aktiv sind und wir dies im Sinne von Rüstungskontrolle
einhegen.
({3})
Wir wollten eine breite Debatte. Wir haben im Koalitionsvertrag bestimmte Absprachen getroffen. Die Debatte ist mit dem heutigen Tage bei weitem nicht abgeschlossen. Aber Entscheidungen müssen sein, und zwar
deshalb, weil der derzeitige Leasingvertrag für das israelische Drohnenprodukt Heron ausläuft. Die Bundeswehr
braucht selbstverständlich eine Aufklärungsdrohne, und
sie muss selbstverständlich über die Fähigkeit verfügen,
ihr Wissen über die Bedienung von Aufklärungsdrohnen
weiterzuentwickeln. Deshalb plädieren wir dafür, die
Kooperation mit Israel zu verlängern. Zur Ehrlichkeit
gehört nun einmal - liebe Kollegen, ich kann es Ihnen
nicht anders sagen -: Wenn wir nicht bei den Chinesen
einkaufen wollen, müssen wir bewaffnungsfähige Drohnen kaufen; denn es gibt auf dem Weltmarkt keine anderen.
Nun dazu, dass die Kollegin Brugger behauptet hat,
ich hätte meine Meinung geändert. Frau Kollegin, ich
bin hier für Präzision. Ich sagte immer: Die Bundeswehr
hat aktuell keine Fähigkeitslücke. Sollte das derzeitige
Afghanistan-Mandat in ein Ausbildungsmandat umgewandelt werden, werden wir überhaupt keine Mandatslegitimation erteilt haben, nach der die Bundeswehr
schwere Waffensysteme - Kampfflieger, Drohnen und
vieles andere - einsetzen dürfte. Wir wissen nicht, was
die Zukunft bringt; aber aktuell haben wir keine Fähigkeitslücke. Deshalb wollen wir das israelische Produkt
nur als Aufklärungsdrohne.
Wir wissen aber: Das Leben geht weiter, und die Welt
wird sich verändern. Europa braucht natürlich die Fähigkeit, unbemannte Flugzeuge zu produzieren; denn das ist
auch im zivilen Bereich eine Schlüsseltechnologie. Wir
brauchen diese Schlüsseltechnologie auch, weil wir
nicht von amerikanischen Technologien abhängig sein
wollen. Deshalb ist es im Sinne von Kooperation in Europa und unserer Vision europäischer Streitkräfte richtig,
jetzt damit zu beginnen, Partner für eine gemeinsame
Entwicklung zu suchen. Zur Ehrlichkeit gehört, festzustellen: Es wird keine Partner geben, die eine reine Aufklärungsdrohne entwickeln wollen;
({4})
sie muss zumindest bewaffnungsfähig sein. Wir Deutschen werden auf der Strecke, die zu beschreiten möglicherweise zehn Jahre dauert, noch viel Zeit haben, über
das Ob und das Wie sorgfältig zu beraten; das gilt auch
für die Mitglieder dieses Hauses. Das ist unsere Aufgabe, und wir werden dies leisten.
Der Schutz der Soldaten ist seit vielen Jahren - da bin
ich ganz bei den Grünen - ein gemeinsames Anliegen im
Verteidigungsausschuss. Da lassen wir uns von niemandem auseinanderdividieren. Dass das so bleibt, wird uns
wichtig sein. Wenn sich die Welt so ändern sollte, dass
wir einmal ein Mandat erteilen müssen, das die Bundeswehr legitimiert, Bomben abzuwerfen und Raketen abzuschießen - niemand will das -, dann können bewaffnete Drohnen - das ist doch ganz klar - ein Segment
zum Schutz der Soldaten sein. Ihr Einsatz ist nicht der
Königsweg; er ist auch nicht das einzig Sinnvolle. Wir
dürfen den Einsatz von Drohnen nicht überhöhen. Bevor
wir ein entsprechendes Mandat erteilen, werden wir über
den Einsatz von Drohnen intensiv reden müssen. Ich
glaube, wir sollten der Bundeswehr die Dinge, die sie
braucht, auch ermöglichen.
Außerdem sollten wir reflektieren und uns selbst immer wieder fragen: Verändern neue Waffensysteme die
Einsatzschwelle, oder - um es klar zu sagen - fiele es
uns leichter, Drohnen in einen Einsatz zu schicken, statt
Menschen in einen Bodeneinsatz? Ich glaube, die
Grundvoraussetzung dafür, dass man darauf die richtige
Antwort gibt, ist, dass man diese Frage offen auf den
Tisch legt und reflektiert. Wenn wir aber genau das tun
und uns darüber klar werden, was nicht sein kann und
nicht sein darf, dann muss und darf dieses Parlament
meiner Auffassung nach sich selbst vertrauen. Militärische Einsätze hängen nicht von dem ab, was wir haben,
sondern davon, was wir politisch wollen und politisch
beschließen. Vertrauen Sie sich doch bitte selbst! Wir
können auch den Soldaten der Bundeswehr vertrauen,
dass sie Waffensysteme immer nur rechtskonform und
mandatskonform einsetzen.
Recht herzlichen Dank.
({5})
Als nächster Redner hat der Kollege Henning Otte
das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Heute wird deutlich, wer von den Fraktionen im Deutschen Bundestag
seiner Verantwortung als Parlamentarier gerecht wird
({0})
und die Interessen unseres Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger und damit auch der Soldatinnen und Soldaten zu schützen bereit ist. Wir als CDU/CSU-Fraktion
sind auf jeden Fall dazu bereit.
({1})
Es wird auch deutlich, wer aus rein ideologischen
Gründen nicht dazu bereit ist.
({2})
Bei der heutigen Debatte um ferngesteuerte Luftfahrzeuge mit Aufklärungsoptiken und der Möglichkeit optionaler Bewaffnung geht es um eines: Will der Deutsche
Bundestag unseren Soldaten im Einsatz die Möglichkeit
geben, sich zu schützen und sich gegebenenfalls wehren
zu dürfen,
({3})
oder will der Deutsche Bundestag ihnen diese Möglichkeit verwehren? Ihre Aussage war eben ganz klar. Wenn
es in der Abwägung darum geht, den Schutz unserer Soldaten zu gewährleisten oder den Schutz von Terroristen,
dann weiß ich, wofür Sie sind; da weiß ich das ganz genau.
({4})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere Soldaten im Einsatz - auf der Tribüne sitzen auch Soldaten sind bereit, Leben und Gesundheit für die Sicherheit unseres Landes einzusetzen, und wir haben die Verpflichtung, das zu machen, was möglich ist. Es geht darum,
eine Schutzlücke zu schließen, um nichts mehr. Vor allem der Afghanistan-Einsatz hat deutlich gezeigt, wie
wichtig Drohnen zum Schutz und zur Aufklärung sind.
Wenn man in Echtzeit den Feind, der anzugreifen versucht, beim Bau einer Sprengfalle beobachtet, dann ist
das ein strategischer Vorteil, der im Endeffekt über Leben und Tod entscheiden kann. Durch den Einsatz von
Drohnen haben wir in Afghanistan die Sicherheit unserer
Soldaten um ein Vielfaches erhöhen können. 87 Länder
auf dieser Erde haben solche Aufklärungsmöglichkeiten;
seit 2010 sind 1 700 Einsätze geflogen worden. Heute
geht es darum, ob unbemannte ferngesteuerte Luftfahrzeuge mit der Fähigkeit der Aufklärung auch über ein
Wirkmittel verfügen können, als Ultima Ratio, sozusagen ergänzend. Diese Frage müssen wir beantworten.
Ich bin unserer Verteidigungsministerin dafür dankbar, dass wir nach der Anhörung am Montag heute zu einer Entscheidung kommen. Wir haben mit Experten alle
völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen, alle sicherheitspolitischen und ethischen Fragen sorgfältig diskutiert. Wir haben ein umfassendes und abschließendes
Bild bekommen, das uns jetzt zu einer Entscheidung befähigt.
Es geht darum, ob Drohnen die Gefährdung unserer
Soldaten mindern können. Wenn Soldaten angegriffen
werden, wenn sie beschossen werden, müssen sie nach
dem jetzigen Stand Hilfe über Fluggeräte herbeirufen.
Um diese Schutzlücke, um dieses Abwarten geht es. Wer
schon einmal in einer lebensbedrohlichen Situation war,
der weiß, wie lang Minuten werden können, wenn man
auf die Hilfe anderer warten muss. Dieser Zeitunterschied, der zwischen Leben und Tod entscheidet, soll mit
einem solchen Mittel reduziert werden.
({5})
Das Argument des Schutzes unserer Soldaten und
Soldatinnen muss im Bundestag Bestand haben,
({6})
und es muss Priorität haben. In Teilen besteht schlichtweg ein falsches Bild von solchen ferngesteuerten Luftfahrzeugen, die zusätzlich eine Bewaffnung wie in einem herkömmlichen Flugzeug bekommen sollen. Dieses
falsche Bild ist durch rechtswidrige vollautomatisierte
Einsätze geprägt. Unsere Verteidigungsministerin hat
eben in ihrer Rede ganz deutlich gemacht, dass es so etwas in Deutschland mit dem Deutschen Bundestag nicht
geben wird, dass wir - im Gegenteil - unseren Soldatinnen und Soldaten einen klaren Handlungsrahmen geben,
aber auch Grenzen setzen. Es gibt überhaupt keinen Anlass, an der Zuverlässigkeit und an den moralischen
Grundsätzen der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr zu zweifeln.
({7})
Wer das tut, der will sie bewusst diskreditieren.
({8})
Am Ende der Entscheidung stehen immer mehrere Menschen, die eine militärische Ausbildung haben, die charakterlich und moralisch gefestigt und geprägt sind. Die
Welt ist nun einmal nicht friedlich, und solange sie nicht
friedlich ist, müssen wir Vorsorge betreiben. Das ist auch
Ausdruck von Verantwortung.
Woher kommen denn solche Debatten über die
Ukraine, über Russland, über den Nahen und Mittleren
Osten, über ISIS? Das macht doch deutlich, dass es eine
Gefährdungslage gibt. Darauf müssen wir uns womöglich vorbereiten. Es geht aber immer darum, solche Krisen und Konflikte mit Diplomatie zu entschärfen und einen Militäreinsatz nur als Ultima Ratio durchzuführen.
Wer das Feuerwehrfahrzeug erst dann beschafft, wenn
die Scheune brennt, der handelt zu spät. Verantwortung
sieht anders aus.
({9})
Wir lehnen gesetzes- und völkerrechtswidrige Einsätze
mit bewaffneten Drohnen ab; aber wir wollen unseren
Soldaten die Möglichkeit geben, die Schutzlücke zu
schließen. Daher sind wir für eine zeitnahe Anschaffung - zum Schutz unserer Soldaten, für die Sicherheit
unseres Landes und unserer Bürgerinnen und Bürger.
Herzlichen Dank.
({10})
Kollege Otte, ich möchte auch Sie bitten, sich an die
parlamentarischen Gepflogenheiten zu halten, sowohl in
der Wortwahl als auch in der Wahl von Vergleichen.
({0})
Jetzt hat als nächster Redner der Kollege Andrej
Hunko das Wort.
({1})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir
sprechen heute über den Einstieg in bewaffnungsfähige
Drohnen, also über Kampfdrohnen. Die Linke sagt ganz
klar Nein zu dieser neuen Entwicklung von Offensivwaffen.
({0})
Die angekündigte breit angelegte Debatte in Politik
und Gesellschaft hat nicht stattgefunden. Wir haben am
Montag im Verteidigungsausschuss - kurz vor der Sommerpause, am Rande der Fußball-WM - eine interessante Anhörung gehabt. Aber das ist noch nicht die
Debatte, die wir brauchen. Wir brauchen eine ernsthafte
gesellschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema.
({1})
Es wird viel über die Fürsorge von Soldaten gesprochen. Das ist natürlich ein berechtigtes Anliegen. Aber
ich habe manchmal, auch bei den gegenwärtigen Konzepten, den Eindruck, dass es hier auch um die Fürsorge
der europäischen Drohnenindustrie geht.
({2})
Dreistellige Millionenbeträge sind schon an deutsche
Rüstungskonzerne geflossen. Ich erinnere daran, dass
Deutschland ab 2023 auch bis zu vier Drohnen des Typs
Global Hawk kaufen will. Die milliardenschweren Riesendrohnen gehören dann zwar zur NATO, werden aber
von Deutschland finanziert und betrieben. Wie die bewaffnete Drohnenflotte wären sie dann in SchleswigHolstein stationiert, wo auch schon die Voraussetzungen
geschaffen werden.
({3})
Das Verteidigungsministerium behauptet, man habe
sich noch nicht entschieden, ob für die Übergangszeit,
für die nächsten zehn Jahre, Drohnen auf dem Markt gekauft oder geleast werden sollen. Wahrscheinlich, hört
man aus dem Verteidigungsministerium, sollen ReaperDrohnen aus den USA geleast werden - Reaper heißt
Sensenmann; das spricht schon für sich -; aber ab 2023
sollen europäische Rüstungskonzerne in der Lage sein,
eigenständig europäische Kampfdrohnen zu produzieren. Das lehnen wir klar ab.
({4})
Diese Übergangszeit ist genau die Zeit, die zum Beispiel das deutsch-französische Luftfahrtunternehmen
Airbus Defence braucht, um eine solche Drohne zu entwickeln. Airbus sitzt hierbei mit dem französischen Unternehmen Dassault und dem italienischen Unternehmen
Alenia in einem Boot. Fraglich ist nur - das ist gerade in
der Diskussion -, ob auch Großbritannien am Bau dieser
zukünftigen EU-Langstreckendrohne beteiligt wird und
ob auch Länder wie die Türkei mitmachen. Die europäische Drohne, die MALE, könnte in rund zehn Jahren in
Serienproduktion gehen und mit Überwachungs- und
Aufklärungssensorik, aber auch mit Raketen bestückt
werden. Gleichzeitig werden bei der Europäischen
Union alle Weichen gestellt, damit auch andere Regierungen zügig über diese bewaffneten Flugroboter verfügen können. Frau Verteidigungsministerin, wieso sorgen
Sie nicht dafür, dass auch in der EU und in der NATO
eine breite Debatte über die völkerrechtlichen, verfassungsrechtlichen, sicherheitspolitischen und ethischen
Fragen stattfindet?
({5})
Mehr als 300 Millionen Euro hat die EU bereits in der
Drohnenforschung versenkt. Bis 2028 will die EU-Luftfahrtagentur große Drohnen vollumfänglich in die zivile
Luftfahrt integrieren. Dabei geht es nicht nur um Zulassung und Zertifizierung großer unbemannter Flugzeuge;
geforscht wird auch an der Eignung der bislang nur militärisch genutzten Langstreckendrohnen für polizeiliche
und grenzpolizeiliche Zwecke. Auch das ist Teil der Debatte. Es geht nicht nur um Kampfdrohnen, sondern auch
darum, dass Drohnen zum Beispiel zur Grenzsicherung
eingesetzt werden sollen.
Kampfdrohnen sind als Offensivwaffen konzipiert.
Sie senken die politische Hemmschwelle - ich rede jetzt
nicht vom Soldaten am Joystick - bei der Entscheidung
über Militäreinsätze. Sie führen zur Entgrenzung des
Krieges, zeitlich und räumlich. Ich finde, die Bundesregierung sollte sich in internationalen Organisationen
dafür einsetzen, dass es eine internationale Konvention
zum Einsatz von Drohnen gibt, nicht nur zur Frage der
vollautomatisierten Waffen, wie Sie angekündigt haben
- was ich begrüße -, sondern auch zur Frage der gezielten Tötungen und des Einsatzes von Kampfdrohnen.
({6})
Sie haben gesagt, über 80 Länder haben doch Drohnen;
über ein Viertel bewaffnungsfähige Drohnen. Auch das
ist ein Grund für eine internationale Debatte, um zu einer
Konvention zu kommen. Auch in den USA gibt es gegenwärtig eine sehr kritische Debatte. Daran könnte man
anknüpfen. Die Gelegenheit ist günstig, einen solchen
Vorstoß zu machen.
Ich sage zum Schluss: Ich wünsche mir, dass Wissenschaftler und Ingenieure ihre Kreativität und ihre Intelligenz für sinnvolle Projekte einsetzen - für den Umstieg
auf erneuerbare Energien, gegen den Klimawandel, gegen den Hunger in der Welt -, aber nicht zur Entwicklung automatisierter Tötungsmaschinen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({7})
Als nächster Redner hat der Kollege Wolfgang
Hellmich das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meinem Vorredner würde ich eine Lektüreempfehlung
geben, nämlich den im Jahr 2011 erschienenen Bericht
zur Technikfolgenabschätzung unbemannter Systeme.
Viele Fragen, die wir hier diskutieren, werden in diesem
Bericht angesprochen, und es werden Handlungsempfehlungen gegeben. Diese Debatte ist schon älter, sie ist
nicht aktuell, frisch und ganz neu. Ich glaube, dass wir
uns darum kümmern müssen, dass diese Debatte versachlicht und nicht emotionalisiert wird. Die Befürchtungen, die es in der Gesellschaft gibt - die auch berechtigt sind und um die man sich kümmern muss -, dürfen
nicht in einer Art und Weise aufgebläht werden, dass wir
am Ende politisch nicht mehr in der Lage sind, damit
sachgerecht und ordentlich umzugehen.
Worum geht es? Es geht darum, dass ein System beschafft werden muss, um eine Fähigkeitslücke für eine
absehbare Zeit zu schließen. Es geht um das Thema
Überwachung mithilfe von MALE-Drohnen. Es geht um
eine Entscheidung, die auf europäischer Ebene bereits
gefallen ist, nämlich darum, eine Drohne zu entwickeln,
die genau diese Fähigkeiten beinhaltet. Wir sollten uns
hier nichts vormachen. Eine europäische Entwicklung
mit allen unseren Nachbarn, die daran beteiligt sind,
wird immer nur im Zusammenhang mit einer Bewaffnungsfähigkeit möglich sein. In der NATO-Parlamentarierversammlung vor nicht allzu vielen Wochen ist diese
Frage diskutiert worden, mit dem Ergebnis, dass die europäischen Nachbarn und Partner gesagt haben: Ja, es
wird eine solche Entwicklung geben, aber die Entscheidung über die Frage, ob bewaffnet wird oder nicht und
womit, fällt jedes Land für sich alleine, es ist die eigene
Kompetenz. Wir haben sehr deutlich gemacht, dass es
einen Parlamentsvorbehalt gibt, dass das Parlament entscheidet, was wir im Falle des Falles tun.
({0})
Bitte keine Verengung in der Form, dass wir mit unserer Entscheidung oder Nichtentscheidung - ganz egal international dafür sorgen könnten, dass diese Systeme
nicht beschafft, nicht bewaffnet würden und nicht unterwegs wären. Wir alle wissen, dass es anders ist. Die
größten Abnehmer - nach den Zahlen, die im Moment
international bekannt sind - sind Indien und Pakistan,
Regionen, die gerade dabei sind, sich mit allen Waffensystemen, die es gibt, aufzurüsten.
({1})
Die Frage, wie wir mit der Proliferation umgehen, ist
für mich ein ganz entscheidender Punkt, um auf internationaler Ebene bei der präventiven Rüstungskontrolle ein
Problem einzuhegen, das wir in der Tat haben. Wir wären nicht glaubwürdig und könnten international nicht
auftreten, wenn wir nicht deutlich machen könnten, dass
wir mit unseren Einsatzregeln zu jedem Zeitpunkt die
Regeln des humanitären Völkerrechtes, des humanitären
Kriegsrechts einhalten.
({2})
Jede andere Unterstellung führt in die Irre. Ich sage an
dieser Stelle: Die Unterstellung, dass wir alle nicht in der
Lage wären, solche Situationen politisch einzuschätzen,
kann ich nicht akzeptieren und sie ist auch falsch.
({3})
Ich freue mich auch, dass die Ministerin deutlich gemacht hat, dass die Frage der Bewaffnungsfähigkeit,
dass die Frage, wie wir international damit umgehen und
wie andere damit umgehen, nach unseren politischen
Maßstäben eindeutig abzulehnen ist. Das, was die USA
und andere Länder machen,
({4})
entspricht nicht den Regeln, die wir einhalten wollen.
({5})
Ich plädiere eher dafür, dass wir uns in der präventiven
Rüstungskontrollpolitik intensiv mit dem Thema der
Drohnen und damit, was sie darstellen, was sie tatsächlich sind, auseinandersetzen.
Wir brauchen eine Regelung im Rahmen des KSEVertrages, um eine Begrenzung der Zahl der eingesetzten Drohnen europaweit durchzusetzen
({6})
und ein Kontrollregime zu haben, welches prüft, was
denn eigentlich in Europa mit diesen Systemen passiert.
Wir brauchen eine Pflicht zur Anmeldung im Rahmen
der Vereinbarungen des Wiener Dokumentes, weil wir so
in der Lage sind, zu sehen, was unsere Bündnispartner
europaweit eigentlich mit den Drohnen machen. Wir
brauchen eine Verifikationsfähigkeit. Wir brauchen eine
Anmeldung der Drohnen im UN-Waffenregister. Ihr
Hinweis, dass sich der Außenminister vor wenigen Wochen dafür eingesetzt hat, im Hinblick auf autonome
Systeme international vorzugehen, war richtig; aber es
geht hier nicht um autonome Systeme, sondern um die
Systeme, die in Europa entwickelt werden. Dies zu verWolfgang Hellmich
mischen, ist politisch unredlich und, wie ich glaube,
nicht zulässig.
({7})
Wir haben internationale Verträge, von denen Drohnen und das, was sie leisten, bereits erfasst werden, ob es
die Verträge zur Begrenzung der Chemiewaffen und der
biologischen Waffen sind, in denen auf unbemannte Systeme Bezug genommen wird, die in diesem Kontext verboten sind, ob es um Verträge zu ballistischen Raketen
und landgestützten Marschflugkörpern geht. Auch in
diese sind UAVs aufzunehmen, denn sie gehören in das
Regime dieser Verträge und können darin erfasst werden.
Es ist ein Auftrag an die internationale Politik und an
unsere Abrüstungspolitik, dafür zu sorgen, dass die
Systeme, die da auf dem Wege sind, eingehegt und eingegrenzt werden und die geltenden Regeln letztendlich
international durchgesetzt werden, nämlich die des humanitären Völkerrechtes. Bei uns gelten diese Regeln.
Unsere Rules of Engagement, unsere Einsatzregeln, machen sehr deutlich, dass bei jeder menschlichen Entscheidung die Gebote der Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel, der Zurechenbarkeit der Mittel und der
Beschränkung der Mittel zur Anwendung kommen und
zur Praxis gehören. Ich glaube, mit diesen Regeln sind
wir in der Lage, alle Waffensysteme in einer Art und
Weise einzusetzen, die mit dem Völkerrecht vereinbar
ist. In diesen Regeln wird unterschieden, wie Flugzeuge,
Hubschrauber und andere militärische Systeme zum Einsatz kommen können.
Auch mich haben die technologischen Möglichkeiten
und Entwicklungen erschreckt. Ich glaube, wir alle sind
uns darüber einig, dass alle militärischen Systeme, ganz
egal, welche es sind, dann nicht mit unseren Grundsätzen vereinbar sind, wenn sie letzten Endes nicht der Entscheidung des Menschen unterliegen. Sobald eine solche
Situation eintritt, ist die Entwicklung solcher Waffensysteme abzulehnen.
({8})
Vielen Dank.
({9})
Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen Omid
Nouripour, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die unbemannten Systeme verändern die Kriegsführung massiv.
Damit geht - das haben Sie, Frau Ministerin, gerade
richtig beschrieben - ein großes Unbehagen in der Bevölkerung einher. Es lohnt sich, einmal genauer darauf
zu schauen, warum dieses Unbehagen existiert und woher es eigentlich kommt, und das im 13. Jahr des War on
Terror. Man muss nach Pakistan, nach Jemen, nach Somalia und auf die gezielten Tötungen schauen, die es
dort gibt, die alle extralegal sind. Die USA sagen, dass
diese Tötungen nicht extralegal seien, weil sie ein Recht
auf Selbstverteidigung hätten. Nur führt diese Auslegung des Rechts auf Selbstverteidigung in der Praxis zu
einer Entgrenzung des Krieges.
Pakistan. Seit zehn Jahren gab es dort Angriffe; man
schätzt die Zahl konservativ auf 350. Es gab mindestens
2 500 Tote, darunter 950 Zivilisten und 200 Kinder. Allem voran wurden Gebiete in Nordwasiristan getroffen.
Die Operationen werden von der CIA geführt; sie werden gar nicht vom Militär geführt. Die Praxis ist, dass
alle erwachsenen Männer in der Umgebung eines vermeintlichen Terroristen auch Terroristen sein müssten;
dementsprechend wird dort gehandelt. Das hat nicht nur
mit dem Völkerrecht nichts zu tun, sondern hat auch eine
fatale Folge, nämlich dass viele Menschen den Radikalen zulaufen, gerade weil sie - das zeigen viele Studien
aus den Gebieten - diese Praxis ablehnen und die Symbolik des Einsatzes von Drohnen, nämlich David gegen
Goliath, sie dazu antreibt, zu Extremisten zu werden.
Das ist eine fatale Entwicklung.
({0})
Schauen wir nach Jemen. Auch dort gibt es regelmäßig Angriffe; es gab bis zu 500 Tote. Die Mär, dass
Drohnen ja so unglaublich präzise seien, ist auch dort
das eine oder andere Mal auf tragische Art und Weise
entkräftet worden, beispielsweise im Dezember 2013:
Ein Autokonvoi wurde angegriffen. Es wurden Al-QaidaKämpfer darin vermutet, aber es war eine Hochzeitsgesellschaft. Es gab 12 Tote und 15 Schwerverletzte.
Sie haben von Unbehagen gesprochen. Es stellt sich
die Frage, ob diese Art und Weise der Auslegung des
Völkerrechts eine rein amerikanische Geschichte ist, ja
oder nein. Frau Ministerin, Sie haben gesagt: Extralegale
Tötungen lehnen wir ab. - Das ist ein Satz, den wir alle
sofort unterschreiben würden. Die Frage ist nur: Wie,
wer und vor allem wann wird das einmal gegenüber den
Amerikanern formuliert? Wann wird endlich den amerikanischen Freunden gesagt, dass diese Praxis komplett
indiskutabel ist?
({1})
Eine vorläufige Antwort darauf gab es am 28. März
dieses Jahres. Pakistan und Jemen haben eine Resolution
in den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eingebracht, mit der sie nichts anderes wollten, als Transparenz in Bezug auf Drohnenangriffe herzustellen. Diese
Resolution ist zwar angenommen worden, aber die USA
haben dagegen gestimmt, und Deutschland hat sich enthalten.
({2})
Das ist nicht unbedingt eine Maßnahme, die Vertrauen
schafft. So können wir nur schwer glauben, dass der
Satz: „Wir lehnen extralegale Tötungen ab“, auch tatsächlich umgesetzt wird.
({3})
Es ist immer wieder berichtet worden, dass AFRICOM
in Stuttgart der Auswahl und Identifikation von Zielen in
Afrika dient. Da reden wir eindeutig von extralegalen
Tötungen und Völkerrechtsbruch. Die territoriale Souveränität von Staaten wird verletzt; das wird aber gegenüber den USA nicht angesprochen. AFRICOM geht von
deutschem Boden aus. Das heißt, es ist nicht nur völkerrechtswidrig, sondern es verstößt auch gegen deutsches
Recht. Wir müssen leider feststellen, dass die Bundesregierung vor dieser Tatsache ganz fest die Augen verschließt.
({4})
Der Drohnenpilot Brandon Bryant, der sehr exponiert
über seine Erfahrungen spricht, sagt, dass Ramstein für
den US-Drohnenkrieg in Pakistan und im Jemen so etwas wie die Relaisstation sei und dass die dortige Radaranlage für die Angriffe von zentraler Bedeutung sei.
Auch das ist mit deutschem Recht nicht vereinbar.
Als Präsident Obama in Deutschland war, wurde er,
wenn ich das richtig sehe, lediglich von Journalisten darauf angesprochen. Seine Antwort war nicht, dass das
passiert, er sagte nur, dass die Planungen nicht von deutschem Boden ausgehen; das hat aber vorher auch niemand behauptet. Es ist tragisch, dass niemand nachgefragt hat und dass die deutsche Bundesregierung einfach
weghört, nur weil das Thema nicht angenehm zu sein
scheint.
Das ist der Grund für das genannte Unbehagen. Das
ist der zentrale Grund dafür, dass wir nicht daran glauben - auch wenn es immer wieder gesagt und auch in
Koalitionsverträge hineingeschrieben wird -, dass extralegale Tötungen tatsächlich abgelehnt werden. Die Umgehungsmöglichkeiten sind einfach immens. Von der
Bundesregierung gehen auch keinerlei Aktivitäten aus,
die glaubhaft machen würden, dass es keine Umgehung
geben wird.
({5})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Ingo Gädechens, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ferngesteuerte Luftfahrzeuge, wie der Heron, den wir in Afghanistan einsetzen,
({0})
sind bereits heute ein unverzichtbares Mittel zur Aufklärung und zum effektiven Schutz unserer Soldatinnen und
Soldaten im Einsatz.
Vorgestern haben wir in einer öffentlichen Anhörung
des Verteidigungsausschusses erörtert, ob es Sinn macht,
unsere Streitkräfte auch mit einer bewaffnungsfähigen
Drohne auszurüsten. Ich möchte hierzu Folgendes anmerken.
Der Wehrbeauftragte und die Vertreter der Bundeswehr haben ein eindeutiges Plädoyer für die Beschaffung bewaffneter Drohnen abgegeben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten auf unsere Soldaten hören;
denn sie sind es, die von diesem Parlament in Einsätze
geschickt wurden und ganz sicher auch zukünftig in Einsätze geschickt werden.
({1})
Unsere Soldatinnen und Soldaten sind diejenigen, die
schwierigste Situationen meistern müssen und im
schlimmsten Fall unter Beschuss stehen. Wir hier im
Deutschen Bundestag tragen gerade deshalb ein hohes
Maß an Verantwortung für diese Männer und Frauen, deren Leib und Leben bedroht sein könnten.
({2})
Für mich wäre es nicht nachvollziehbar, wenn die
Truppe im Einsatz Fähigkeitslücken hinnehmen müsste,
die ihre Sicherheit unnötig gefährden würden. Das darf
erst recht nicht geschehen, wenn sich in Konfliktregionen weder terroristische Kräfte noch Kombattanten an
Regeln des humanitären Völkerrechts bzw. des Kriegsvölkerrechts halten. Wenn ich das sage, habe ich ebenso
wie viele Kolleginnen und Kollegen Bilder aus Afghanistan vor Augen: Angriffe mit hinterhältigsten Sprengfallen und Feuerüberfälle aus dem Hinterhalt.
Es ist nicht richtig, wenn behauptet wird, dass derzeit
keine Szenarien für den Einsatz von Drohnen erkennbar
sind. Der Frieden in vielen Teilen der Welt ist fragil oder
bedroht. Die Aufträge, die dieses Parlament an die Bundeswehr vergeben hat oder noch vergeben wird, sind
vielfältig. Einsatzszenarien - das lehrt uns die jüngste
Geschichte - können sich sehr schnell ändern.
Bewaffnete Drohnen liefern gerade in diesen möglichen asymmetrischen Konflikten präzise Aufklärungsergebnisse in Echtzeit und, falls erforderlich, eine schnelle
Bekämpfung identifizierter Angreifer. Das ist durch herkömmliche Luftnahunterstützung nicht oder nur sehr bedingt zu gewährleisten. Eine bewaffnete Drohne wäre
nach den bekannten Einsatzregeln schon heute ein rein
defensives Waffensystem, und zwar ausschließlich.
({3})
- Das glaube ich sehr wohl; denn diese Bundeswehr
agiert mit defensiven Waffensystemen und reagiert nur,
wenn unsere Kameradinnen und Kameraden angegriffen
werden.
({4})
Darüber hinaus bin ich der festen Überzeugung, dass
sich im Zweifelsfall durch präzise Aufklärungsergebnisse unerwünschte Kollateralschäden am ehesten vermeiden lassen.
Ich sehe nicht die Gefahr einer Ausweitung oder Entgrenzung von Waffengewalt. Hinter jeder Drohne - auch
das führte die Ministerin aus - steht ein Team aus erfahrenen Piloten und Aufklärern, das jede Entscheidung
nach klar definierten Einsatzregeln sorgsam abwägen
muss.
({5})
Wer die Innere Führung und den Geist der Bundeswehr
kennt, weiß, dass sie in der Vergangenheit stets überaus
restriktiv und verantwortungsvoll, wenn nötig auch entschlossen mit ihren Mitteln umgegangen ist. Deshalb haben unsere Soldaten das von der Opposition teilweise artikulierte Misstrauen wirklich nicht verdient.
({6})
Die bisherigen Einsatzerfahrungen und rechtlichen Rahmenbedingungen, an die alle deutschen Soldaten im Einsatz gebunden sind, rechtfertigen Zweifel jedenfalls
nicht.
Eine durchaus berechtigte Frage, gerade hier im Parlament, ist, wie bewaffnete Drohnen in Konflikten eingesetzt werden sollen. Es ist gar keine Frage - auch das
ist mehrfach betont worden -: Völkerrechtswidrige Einsätze sind kategorisch abzulehnen. Wir sprechen uns für
eine Ächtung von automatisierten Systemen aus. Gerade
deshalb rate ich den Damen und Herren der Opposition:
Streichen Sie das Bild der Killerdrohne aus Ihrem Kopf.
({7})
Das ist nicht das, worüber wir hier heute reden, und das
ist auch nicht das, was wir wollen. Wer unsere Bundeswehr in Auslandseinsätze schickt und diesen notwendigen Schutz verweigert, versündigt sich an Soldatinnen
und Soldaten.
({8})
Das sagte nicht nur der Wehrbeauftragte in der Anhörung vorgestern, das sage auch ich.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({9})
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Gabi Weber, SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen
und Kolleginnen! Ich hatte eigentlich vor, meine Rede
damit zu beginnen, das, was den Kolleginnen und Kollegen von der Bundeswehr hier unterstellt wird - die Bundeswehr würde handeln wie die USA; das kommt in vielen Debattenbeiträgen rüber -, zurückzuweisen. Nach
Ihrer Argumentation, Herr Gädechens, ist das für mich
allerdings ein bisschen schwierig.
({0})
Deshalb konzentriere ich mich jetzt erst einmal auf das,
was ich ansonsten vorbereitet habe. Der Ablauf dieser
Debatte zeigt mir, dass es notwendig ist, diese Debatte
zu versachlichen; denn mit emotionalen Vorwürfen kommen wir in dieser Frage einfach nicht weiter.
({1})
Deshalb geht es mir wirklich darum, das an einigen Stellen klarzustellen, damit wir nachher weniger aufgeregt
und stärker an der Sache orientiert über die politische
Frage diskutieren können, ob, und, falls ja, welche, Luftfahrzeuge die Bundesregierung beschaffen oder mieten
soll.
Worum geht es denn eigentlich? In Afghanistan setzt
die Bundeswehr seit 2010 drei israelische Aufklärungsdrohnen ein. Diese unbemannten Flugzeuge - ich sage
bewusst: Flugzeuge ({2})
werden von mehreren Piloten aus einem Kommandostand am Boden gelenkt. Ihre Aufgabe ist es, über einen
längeren Zeitraum, bis zu 24 Stunden, einen Ort oder
eine Region zu überwachen. Sie beschaffen Informationen, was dort vorgeht und wie die Lage ist. Das ist notwendig, um beispielsweise Bundeswehrpatrouillen nicht
in einen feindlichen Hinterhalt geraten zu lassen oder um
Straßen zu überwachen und gegebenenfalls Sprengladungen, die dort vergraben wurden, ausfindig und unschädlich zu machen.
Die drei unbemannten Luftfahrzeuge wurden zunächst für drei Jahre gemietet, der Vertrag wurde dann
mehrmals verlängert. Ab Mai 2015 benötigt die Bundeswehr eine Nachfolgelösung, damit die militärische Fähigkeit, eigene Bilder und Erkenntnisse zu bekommen,
erhalten bleibt. Logischerweise ist diese Nachfolgelösung auf einem technisch höheren Niveau als bisher, damit verbunden auch bewaffnungsfähig.
({3})
Aber nur, weil sie bewaffnungsfähig ist, heißt das doch
nicht, dass man sie auch bewaffnen muss. Diese Automatismen muss man einfach zurückweisen. Da haben
Sie eine Schere im Kopf, die sollten Sie entfernen.
({4})
Unserer Meinung nach müssen die nicht bewaffnet sein.
Vielmehr sollen sie wie bisher, allerdings mit einer besseren Qualität, im Rahmen von Bundeswehreinsätzen in
Konfliktgebieten Aufklärung zum Nutzen der eigenen
Soldaten und der Zivilbevölkerung leisten.
Darüber hinaus benötigt diese Debatte einige weitere
Klarstellungen. Konkret: Worum geht es denn nicht?
Wenn es um die Bewaffnung geht, wird argumentiert,
die eigenen Soldaten müssten aus der Luft unterstützt
werden. Verstehen Sie mich an dieser Stelle nicht falsch.
Wir tragen natürlich die Verantwortung, unsere eigenen
Soldaten und Soldatinnen in den Einsätzen zu schützen,
in die wir sie per Bundestagsbeschluss entsenden.
({5})
Wir besitzen aber doch bereits entsprechende Flugzeuge
und Hubschrauber, die für viel Geld beschafft wurden.
Diese sind nicht zum Anschauen da, sondern um sie gegebenenfalls einzusetzen, um genau diesen Schutz zu
gewährleisten. Das sollten wir in der Diskussion nicht
ausblenden, wenn wir jetzt so tun, als ob es darum geht,
eine riesige Fähigkeitslücke zu schließen, damit die Soldaten und Soldatinnen dort gesichert sind. Sie sind es.
Wir sollten deshalb erst noch einmal genau überprüfen,
was wir haben und ob damit nicht die gewünschte Aufgabe viel besser schon jetzt erfüllt werden kann.
Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen, über
den wir in absehbarer Zeit nicht entscheiden werden, den
wir aber in jedem Fall zügig angehen müssen. Auch der
Nachfolger der aktuell genutzten Heron-Drohne wird pilotengesteuert fliegen, höchstens teilautonom bei längeren Strecken. Bezogen auf reine Flugmanöver ist gegen
Autonomie nichts zu sagen. Seit Jahren steuern Autopiloten Verkehrsflugzeuge automatisch und sicher zum
nächsten Flughafen. Aber bei dem Gedanken, dass ein
Computer darüber entscheiden soll, ob eine Waffe abgefeuert wird, und dies auch tatsächlich durchführt, stellen
sich mir allerdings die Nackenhaare auf.
({6})
Dies halten wir für absolut nicht sinnvoll. Dies lehnen
wir ausdrücklich ab und wollen wir international geächtet sehen.
({7})
Nicht nur die Frage der Verantwortung bliebe dann unbeantwortet, sondern es wäre auch höchst unethisch,
wenn eine Maschine selbsttätig über Gewalt gegen Menschen entscheiden würde. Die letztendliche Entscheidung muss immer bei einem Menschen liegen. Daher
muss sich die Bundesregierung jetzt international engagieren, um eine Ächtung von autonom agierenden Waffensystemen zu erreichen. Die bisher vorbereitenden
Ansätze, im Rahmen des Übereinkommens über konventionelle Waffen, CCW, ein Verbot zu erreichen, stimmen mich an dieser Stelle positiv.
Ich denke, wir sollten in dieser Debatte die Emotionen ein Stück weit herausnehmen und die Kirche im
Dorf lassen. Wenn es um die Bewaffnung von Drohnen
geht, bin ich aus den vorgenannten Gründen sehr skeptisch.
({8})
Aber im Herbst steht eine Entscheidung über moderne
unbemannte Überwachungsflugzeuge bevor, wie gesagt, nicht weniger, aber auch nicht mehr.
({9})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Florian Hahn, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir hatten ja am Montag die Anhörung. Im
Vorfeld wurde öfters die Frage gestellt, ob denn diese
Anhörung überhaupt zweckmäßig ist, weil doch sowieso
die meisten Abgeordneten schon eine feste Meinung haben, was die Beschaffung von bewaffnungsfähigen
Drohnen angeht.
({0})
Ich muss ganz ehrlich sagen, dass es in der Tat auch bei
mir so ist, dass ich schon vorher eine feste Meinung
hatte
({1})
und dass diese Anhörung daran auch nichts geändert hat.
Aber ich glaube, dass diese Anhörung trotzdem sehr
wichtig war, nicht nur, weil sie interessant war, sondern
auch, weil sie die Erkenntnisse vertieft und weil sie vor
allem - das ist der eigentliche Wert - zu einer Entdämonisierung dieses Themas und zur Versachlichung beigetragen hat; das kann man in der Berichterstattung der
Medien gut nachlesen. Deswegen war diese Anhörung
sehr wichtig.
Sie hat auch Klarheit und Schärfe gebracht, wenn es
darum geht, welche Begriffe wir eigentlich benutzen. Ich
möchte Ihnen ein Beispiel nennen. Wir reden oft von
„unbemannten Systemen“. Dieser Begriff ist falsch. Warum ist dieser Begriff falsch? Weil er suggeriert, dass der
Mensch aus diesem System herausgenommen wird. Genau das ist bei einer Drohne, so wie wir über sie gesprochen haben, eben nicht der Fall. Der Mensch ist weiter
im System drin. Es ist deswegen auch nicht in Ordnung,
wenn man über Vollautomatisierung oder autonome Systeme spricht, so zu tun, als handele es sich um Computerspiele oder als stünde ein Roboterkrieg kurz bevor.
Das ist der Teufel, der an die Wand gemalt wird. Das ist
unverantwortlich. Das sollten wir unterlassen.
Diese Anhörung hat außerdem eines deutlich gemacht: Neubewertungen nach ethisch-moralischen Standards sind in diesem Fall nicht nötig. Es gibt keinen substanziellen Unterschied zwischen den altbekannten
Lenkwaffen, die beispielsweise von Schiffen oder Hubschraubern aus eingesetzt werden, und Drohnen, so wie
wir über sie gesprochen haben. Denn in beiden Fällen
entscheidet ein Mensch bzw. entscheiden Menschen
über einen Einsatz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Beschaffung
von Drohnen ist auch eine Frage der Verantwortung nach
innen und nach außen: nach außen, weil es auch darum
geht, unseren Bündnispartnern Schutz und Unterstützung zu gewähren - gerade hier sind wir als große Wirtschaftsnation in einer besonderen Verantwortung -, und
nach innen, weil wir eine Fürsorgepflicht für unsere Soldaten haben. Das heißt, wir sind dafür verantwortlich
und verpflichtet, unseren Soldatinnen und Soldaten die
beste Ausrüstung, die möglich ist, zu geben. Wir sind
auch verpflichtet, das Risiko für unsere Soldatinnen und
Soldaten so gering wie irgend möglich zu halten, wenn
wir sie in einen Einsatz schicken.
({2})
Ein wichtiger Aspekt von verantwortlicher, verantwortungsbewusster Sicherheitspolitik ist Unabhängigkeit. Deshalb ist es richtig, nicht nur über die Beschaffung eines solchen Systems zu diskutieren, sondern auch
zu überlegen, ob es nicht sinnvoll ist, diese Entwicklungen selbst durchzuführen, um die Technologie zu verstehen und beherrschen zu können. Verantwortliche Politik
heißt auch, die Beschaffung nicht nur nach aktueller
Lage zu planen, sondern auch an das Unwahrscheinliche
zu denken, meine Damen und Herren, weil wir sonst immer zu spät dran sind.
Afghanistan ist ein gutes Beispiel dafür. Niemand hat
vor dem 11. September 2001 an einen Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan gedacht oder sich dieses Szenario vorstellen können. Deswegen war die Bundeswehr
nicht gut ausgerüstet, als sie in diesen Einsatz gegangen
ist. Es hat - wir mussten das leidvoll erfahren - viele
Jahre gebraucht, bis wir ausreichend nachgerüstet haben.
Übrigens, die Zurverfügungstellung von Kampfhubschraubern und die Zurverfügungstellung der Panzerhaubitzen haben mehr Sicherheit gebracht und natürlich
auch die Wirkungsmöglichkeiten erhöht. Aber das hat
nicht dazu geführt, dass unsere Soldatinnen und Soldaten unverantwortlich oder gar enthemmter gehandelt hätten.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, nicht ein
Waffensystem begeht den Bruch von Völkerrecht, sondern diejenigen, die das System rechtswidrig einsetzen.
In Anbetracht des Parlamentsvorbehalts und mit Blick
auf Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, habe ich überhaupt keine Sorge, dass wir Gefahr laufen, solche Systeme völkerrechtswidrig einzusetzen, mit Blick auf unsere Bundeswehr erst recht nicht. Unsere Soldatinnen
und Soldaten handeln seit Jahren und Jahrzehnten verantwortungsbewusst und nicht leichtfertig oder gar enthemmt. Darauf können die Soldatinnen und Soldaten
stolz sein, und wir können auf unsere Soldatinnen und
Soldaten stolz sein.
({3})
Abschließend möchte ich sagen: Es ist richtig, in die
Entwicklung von ferngelenkten, bewaffnungsfähigen
Drohnen zu gehen. Bewaffnungsfähig heißt: Die Drohne
kann, aber muss nicht bewaffnet sein. Drohnen können
unsere Soldatinnen und Soldaten schützen. Die Entwicklung derartiger Drohnen macht Europa, macht Deutschland von anderen unabhängig.
Herzlichen Dank.
({4})
Als letzter Rednerin in dieser Aktuellen Stunde erteile
ich das Wort der Abgeordneten Gisela Manderla, CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kollegen und
Kolleginnen! Nach der Anhörung am Montag und nach
der heutigen Debatte, nach der ganzen Bandbreite von
Pro- und Kontraargumenten bezüglich der Beschaffung
ferngesteuerter, bewaffnungsfähiger Luftfahrzeuge, möchte
ich meinen Beitrag mit einer persönlichen Schilderung
beginnen.
Bei meinem ersten Besuch unseres Kontingents in
Afghanistan mussten wir in Termes einen Zwischenstopp einlegen. In der Dämmerung fiel mir auf, dass über
dem dortigen Stützpunkt weiße Zeppeline schwebten.
Ich habe mich dann nach ihrer Funktion erkundigt und
erfuhr, dass diese Ballons mit Kameras ausgerüstet sind,
um die weitere Umgebung des Lagers zu kontrollieren
und mögliche Bedrohungen, etwa die Platzierung von
Sprengfallen an den Zufahrtsstraßen, frühzeitig zu erkennen. Mein zentraler Gedanke in diesem Moment war:
Gut, dass es diese Vorrichtung gibt, um unsere Soldatinnen und Soldaten entsprechend vorzuwarnen und sie dadurch effektiv zu schützen.
Jetzt könnten sich Teile dieses Hauses aufregen und
sagen: Ein Zeppelin ist doch keine Drohne! - Das
stimmt; aber was ich damit sagen will: Im Grundsatz stehen wir bei der Ausstattung unserer Einsatzkontingente
immer vor der gleichen Frage: Welche Maßstäbe, welche
Leitprinzipien legen wir bei der Entsendung unserer Soldatinnen und Soldaten an? An dieser Stelle sage ich ganz
deutlich: Die Sicherheit, der Schutz unserer Frauen und
Männer im Einsatz, hat oberste Priorität. Das dürfen wir
nie aus den Augen verlieren, liebe Kollegen und Kolleginnen.
({0})
Flankiert wird dieses Leitmotiv, dieser Grundgedanke, von zwei weiteren Eckpfeilern: Das ist einerseits
die Auftragserfüllung und andererseits die Einhaltung
der Einsatzregularien, der sogenannten Rules of Engagement. Wenn man die Debatte um die Anschaffung von
ferngesteuerten, bewaffnungsfähigen Luftfahrzeugen
nun einmal auf dieses Spannungsdreieck, auf diese drei
Grundprinzipien projiziert, kommt man nach meiner
Einschätzung zu einem eindeutigen Ergebnis.
Erstens kann in Zeiten asymmetrischer Kriege und
immer komplexer werdender Gemengelagen in Konfliktregionen jeder Schritt zum Risiko, jedes Objekt zur
Gefahr werden. Denn eines ist klar: Unsere Gegner halten sich an keine Regeln, kein Grundgesetz und auch
kein Völkerrecht; das ist traurige Realität, meine Damen
und Herren.
({1})
Wenn man sich mit einsatzerfahrenen Soldaten und
Soldatinnen unterhält und diese aus Gefechtssituationen
berichten, wird einem schnell klar, dass unmittelbare
Präsenz von Luftunterstützung von enormer Bedeutung
ist; denn die direkte Projektion militärischer Mittel in einem Einsatzraum hat auf gegnerische Kräfte immer eine
abschreckende Wirkung.
Zweitens schließt sich hier unmittelbar an, dass unsere Soldatinnen und Soldaten ihre Aufträge schneller
und sicherer und damit besser erfüllen können, wenn sie
ein breites Fähigkeitsspektrum zur Verfügung haben und
flexibel auf Bedrohungslagen reagieren können.
Drittens nun zu dem Punkt, den die Opposition emotional besonders aufgeladen hat: Von extralegalen Tötungen war hier die Rede oder gar von der Anschaffung
von Killerrobotern.
({2})
Liebe Kollegen und Kolleginnen, die Bundeswehr hat
- das ist ja wohl unstrittig - mit die strengsten Einsatzgrundsätze weltweit. Dies gilt insbesondere für den Einsatz von Waffengewalt. Es glaubt doch wohl niemand
ernsthaft, dass die Bundeswehr ausgerechnet mit diesem
Waffensystem anders umgeht als mit allen anderen zuvor.
({3})
Sowohl in der Anhörung am Montag als auch heute,
im Rahmen dieser Debatte, ist mehrfach betont worden,
dass es sich bei den Systemen eben nicht um autonom
handelnde Roboter handelt, sondern um reguläre, von
Soldaten gesteuerte Waffensysteme.
({4})
Vor diesem Hintergrund gelten für ihren Einsatz natürlich die gleichen Regeln, die gleichen Grundsätze und
die gleichen Befehlsketten. Insofern kann ich im Einsatz
dieser militärischen Mittel keine neue Dimension oder
Qualität erkennen und erst recht kein Ausscheren aus unseren rechtlichen Einsatzgrundlagen.
({5})
Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich komme zum
Schluss. Es geht bei der Anschaffung dieser Waffensysteme darum, unseren Streitkräften einen zusätzlichen,
wirkungsvollen, sehr mobilen und schnell einsetzbaren
Baustein zur Erweiterung ihres Fähigkeitsspektrums an
die Hand zu geben. Wir als mandatierendes Parlament
haben eine besondere Verantwortung und Fürsorgepflicht gegenüber unseren Soldaten und Soldatinnen
({6})
und dürfen uns dieser Verantwortung daher überhaupt
nicht entziehen.
Gestatten Sie mir abschließend eine grundsätzliche
Bemerkung:
({7})
Wer sich die Debatten heute und auch am Montag genau
angesehen hat, der stellt fest, dass die fast reflexartige
und in Teilen hysterische Panikmache der Opposition
({8})
nichts anderes als ein durchsichtiger Versuch ist, einen
weiteren Keil zwischen unsere Streitkräfte und unsere
Zivilgesellschaft zu treiben. Das ist mit uns als CDU/
CSU-Fraktion nicht zu machen.
Vielen Dank.
({9})
Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({0}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic,
Dr. Konstantin von Notz, Luise Amtsberg,
Volker Beck ({1}), Frank Tempel und weiterer
Abgeordneter
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
Drucksachen 18/1475, 18/1948
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Als erster Rednerin erteile ich der Abgeordneten
Irene Mihalic, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Ja, nach mehreren Sondersitzungen des
Innenausschusses und parlamentarischen Anfragen zu
diesem Thema, die - das muss man ja leider sagen - immer neue Fragen und Zweifel aufgeworfen haben, Zweifel am BKA hinsichtlich der langwierigen Bearbeitung
des kinderpornografischen Materials aus Kanada und
Zweifel hinsichtlich der Weitergabe von Informationen
durch das BKA an die Bundesregierung und auch an die
Spitze der SPD, kann die Arbeit nun endlich beginnen.
Darauf aufbauend stellt sich die Frage, ob, wann und
durch wen der ehemalige Bundestagsabgeordnete
Sebastian Edathy möglicherweise frühzeitig von diesen
Ermittlungen gegen ihn erfahren hat.
Es gilt nun, all das so gut es geht aufzuklären. Das ist
unser parlamentarischer Auftrag, und ich bin sehr froh,
dass auch die Union und die SPD diesen Auftrag in den
letzten Wochen für sich erkannt zu haben scheinen.
({0})
Das ist auch gut; denn das ist unsere Aufgabe als Parlamentarier, und es ist nicht unsere Aufgabe, eine Mauer
um die Vorgänge in der Bundesregierung und in den
Bundesbehörden aufzubauen. Unser Mandat ist hier eindeutig die parlamentarische Kontrolle von Regierungsund Behördenhandeln, wenn es eine Bundeszuständigkeit gibt, und dem kommen wir jetzt nach.
Gestatten Sie mir die Bemerkung: Wenn alle Fraktionen diesem aufklärerischen Leitbild in den Sitzungen
des Innenausschusses schon von Anfang an gefolgt wären, dann müssten wir diesen Untersuchungsausschuss
heute womöglich nicht einsetzen.
Wir möchten jetzt aber auch nach vorne schauen, und
dafür war die fachlich fundierte Debatte über die genaue
Abfassung des Untersuchungsauftrages wirklich eine
sehr gute Grundlage. Wir haben dabei Missverständnisse
ausgeräumt, Formulierungen konkretisiert und Konfliktpunkte weitestgehend beseitigt.
Übrig geblieben sind die drei Grundsäulen des ursprünglichen Antragstextes: Wir befassen uns jetzt mit
den Vorgängen beim BKA von dem Zeitpunkt an, als das
kinderpornografische Material aus Kanada im November 2011 an das BKA übergeben worden ist. Wir werden
genau schauen, wer wann Einblick genommen hat und
nehmen konnte und wie sich die Bearbeitung genau vollzogen hat. Wir befassen uns mit der Frage, ob, wann und
durch wen der ehemalige Bundestagsabgeordnete Edathy
von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Polizeibehörden erfahren hat oder über einzelne Ermittlungsschritte informiert war.
Das wird natürlich nicht einfach zu klären sein; das ist
uns auch klar. Wir wollen aber den mutmaßlichen Personenkreis so gut es geht einengen, damit wir dadurch den
konkreten politischen Handlungsbedarf ermitteln können. Also, die Frage ist: Was kann, was muss hier in Zukunft besser und anders laufen?
Außerdem werden wir uns auch mit dem BKA-Beamten befassen, dessen Name auf der kanadischen Kundenliste stand. Dabei geht es uns ganz ausdrücklich nicht um
die Person dieses einzelnen Beamten; Sie haben den Persönlichkeitsrechtsschutz angesprochen. Wir wollen aber
wissen: Wie und vor allem wie begründet sind BKA und
Bundesregierung disziplinarrechtlich mit ihm umgegangen? Auch interessiert uns natürlich die Frage, ob dieser
Beamte in der Bearbeitungsstruktur des BKA vielleicht
Möglichkeiten hatte, vorab an für ihn wichtige Informationen zu kommen.
All diese Stränge werden wir nun sehr sorgfältig aufarbeiten. Es ist gut, dass wir noch vor der Sommerpause
loslegen und das Aktenmaterial anfordern können. Dann
können wir im Herbst mit der Befragung der Zeugen beginnen. Vielleicht gelingt es uns ja, der neuen BKA-Präsidentin oder dem neuen BKA-Präsidenten schon zu Beginn der Amtszeit eine Empfehlung mit auf den Weg zu
geben.
Eine Empfehlung kann man schon jetzt abgeben: Wer
auch immer das Amt übernehmen sollte, der sollte, anders als der amtierende BKA-Präsident, das Interesse
des Parlaments und der Öffentlichkeit an der Arbeit des
BKA und an den Sicherheitsbehörden nicht als lästige
Pflichtübung abtun.
({1})
Transparenz und der Wille zur Kooperation sollten
selbstverständlicher Teil des Amtsverständnisses sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte hier allen Beteiligten für die konstruktive Mitarbeit am Untersuchungsauftrag noch einmal sehr herzlich danken. Ich
wünsche uns allen eine gute, kooperative und umfassende Aufklärungsarbeit.
In diesem Zusammenhang ganz herzlichen Dank.
({2})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Stephan Harbarth, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir befassen uns heute mit der Einsetzung des zweiten Untersuchungsausschusses der laufenden Legislaturperiode.
Das ist gewissermaßen der erste richtige Anwendungsfall der neu in die Geschäftsordnung aufgenommenen
Bestimmung.
Die formalen Voraussetzungen für die Einrichtung
dieses Untersuchungsausschusses liegen nach unserer
Überzeugung vor. Die erforderliche Zahl von Abgeordneten - erforderlich sind 120 Abgeordnete - hat das
entsprechende Petitum unterzeichnet. Wir haben im
Geschäftsordnungsausschuss über den Text des Untersuchungsgegenstandes intensiv beraten.
Der zunächst vorliegende Entwurf war nach unserer
Überzeugung aus einer Vielzahl von Gesichtspunkten
heraus problematisch. Das galt etwa für die Frage, ob der
Untersuchungsgegenstand eigentlich hinreichend bestimmt ist. Das galt für die Frage, ob die Grundrechte
der Betroffenen gewahrt sind. Das galt aber auch für die
Frage, ob die Zahl der Mitglieder dieses Untersuchungsausschusses die Mehrheitsverhältnisse dieses Parlamentes widerspiegelt.
Wir haben uns über all diese Fragen in den vergangenen Tagen und Wochen ausgetauscht. Wir haben aus
meiner Sicht einen Untersuchungsgegenstand definiert,
der den Vorgaben der Verfassung Rechnung trägt. Das
ändert nichts daran, dass wir als CDU/CSU-Fraktion im
Augenblick nicht erkennen können, warum es dieses
Untersuchungsausschusses wirklich bedarf. Wir sind da
aber sehr offen. Wir werden deshalb heute nicht dagegen
stimmen, sondern wir werden uns enthalten.
Wir müssen aber schon zur Kenntnis nehmen, dass im
Innenausschuss die in Rede stehenden Vorgänge intensiv
debattiert wurden, eine Vielzahl von Fragen gestellt
wurde und der BKA-Präsident immer wieder befragt
wurde. Deshalb ist aus unserer Sicht im Augenblick
nicht erkennbar, was der Untersuchungsausschuss an
neuen Erkenntnissen tatsächlich zutage fördern kann.
Das ändert aber nichts daran, dass er nun seiner Aufgabe
nachgehen kann.
Nachdem sich dieses Thema einige Monate hingezogen hat, ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass es nicht zu
einer Klamaukveranstaltung wird, sondern dass es zu einer sachlichen Aufklärung kommt. Das wünsche ich allen Beteiligten. Ich glaube, unter dem Vorsitz der Kollegin Dr. Högl ist der Untersuchungsausschuss in besten
Händen.
({0})
Wir sehen für diesen Untersuchungsausschuss immerhin die Perspektive und die Chance, dass er die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Thema richten möge, das
eigentlich dahintersteht. Wir haben im Zusammenhang
mit der Edathy-Affäre erlebt, was es in diesem Land an
Missständen im Bereich der Kinderpornografie gibt. Das
ist intensiv diskutiert worden. Wir sind allerdings in der
Politik in den letzten Jahren bei diesem Thema nicht
wirklich weitergekommen.
Ich glaube, wir sollten uns bei aller Notwendigkeit zu
Aufklärung und Diskussionen in dem Untersuchungsausschuss immer wieder das unermessliche Leid der betroffenen Kinder vergegenwärtigen, um das es in den
Fällen der Kinderpornografie geht. Es geht nicht darum,
dass man etwas konsumiert, sich etwas anhört oder anschaut wie eine Videokassette oder eine CD. Es geht
vielmehr darum, dass von Teilen der Gesellschaft etwas
konsumiert wird, was davor unter schwersten Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen an unschuldigen
Kindern produziert wurde.
({1})
Es ist kein Ruhmesblatt für die Politik in Deutschland, dass wir in diesem Bereich in den letzten Jahren
nicht vorangekommen sind. Für uns als CDU/CSUFraktion ist es wichtig, dass wir vor allen Dingen in zwei
Feldern Fortschritte machen. Zum einen müssen wir die
entsprechenden strafrechtlichen Vorgaben novellieren,
damit Verhalten, das in schwerster Form in die Rechte
der verletzten Kinder eingreift, auch bestraft werden
kann.
Zum Zweiten muss die Polizei mit den Instrumenten
ausgestattet werden, die sie benötigt, um diese Verbrechen aufzuklären. Leider ist die Polizei derzeit in vielen
Fällen nicht in der Lage, weil sie keine entsprechende
Handhabe hat, gerade diese schlimmen Straftaten, die im
Internet begangen werden, aufzuklären. Lassen Sie uns
das nicht vergessen. Das ist nach meiner festen Überzeugung im Interesse der betroffenen Kinder noch hundertmal wichtiger als dieser Untersuchungsausschuss.
Ich danke noch einmal allen, die konstruktiv an der
Vorbereitung mitgewirkt haben. Das gilt auch für die
Fraktionsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die sehr engagiert zu Werke gegangen sind.
Vielen Dank.
({2})
Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten
Frank Tempel für die Fraktion Die Linke das Wort.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren! Die Diskussionen rund um den Fall
Sebastian Edathy bewerten wir sicherlich alle sehr unterschiedlich. Aber in der Öffentlichkeit ist erneut der Eindruck entstanden, dass für herausgehobene Politiker bei
Strafverfahren Sonderregelungen gelten.
Bis heute steht die Frage im Raum, ob Sebastian
Edathy eine Vorwarnung erhielt. Die Presse fragt nach
wie vor immer wieder danach. Es steht auch die Frage
im Raum, ob die Ermittlungen mit Blick auf die Bundestagswahl und die darauf folgende Regierungsbildung zurückgehalten wurden, um den Skandal abzuwarten.
Über diese Diskussionen sind dann noch weitere Fragen aufgetaucht, zum Beispiel, warum es im Bundeskriminalamt bei einem Großverfahren zu kinderpornografischem Material grundsätzlich so lange dauert, bis
Ermittlungen in Gang kommen. Ist es Nachlässigkeit,
oder fehlt es vielleicht an Ausstattung oder Personal?
Muss man hier nachjustieren? Wie breit ist der Kreis derer, die Zugang zu sensiblen Daten haben? Sind die Datenschutzmechanismen gerade in solchen Verfahren ausreichend?
Ich bin mir sicher, dass irgendwann auch der Letzte
begreift, dass durch solche Fragen das BKA nicht etwa
an den Pranger gestellt wird, sondern dass Mechanismen
überprüft und gegebenenfalls nachgebessert werden sollen. Das ist übrigens unsere verfassungsmäßige Aufgabe, nicht wahr, Herr Schuster? Ich habe von Ihrem
Pressegespräch heute gelesen.
({0})
Als Parlament haben wir eine Kontroll- und Aufsichtspflicht gegenüber der Exekutive. Das ist unsere
Aufgabe, der wir im Innenausschuss, aber auch im Untersuchungsausschuss nachkommen dürfen.
Ich möchte aber noch einmal betonen, auch um Missverständnisse zu vermeiden, dass wir nicht die Aufgabe
der Justiz übernehmen wollen. Das heißt, im Untersuchungsausschuss werden keine Beschuldigten, sondern
Zeugen gehört. Das ist auch der Opposition sehr bewusst. Ich bitte, dass uns nicht immer anderes unterstellt
wird.
Im Idealfall klären wir nämlich nicht nur Vorgänge
auf, sondern kommen über den Untersuchungsausschuss
gemeinsam zu Handlungsempfehlungen. Das ist auch
immer zukunftsweisend.
Wer bestimmt denn bisher, wie geregelt ist, was ein
Innenminister wann durch das BKA zu erfahren hat und
wie mit diesen Informationen umgegangen werden
kann? Wie geht ein Minister also in Zukunft mit solchen
Informationen um? Welche Eigendynamik entwickelt
eine solche Information, wenn sie das Innenministerium
verlässt? Dazu brauchen wir auch die aktive Mitarbeit
der SPD. Denn hier haben schließlich Einzelpersonen
diese Informationen erhalten. Wenn wir die Frage klären
wollen, wie wir in Zukunft damit umgehen, dann müssen
wir die Eigendynamik und die Informationen betrachten
und entsprechend werten. Das sollte uns dann Warnung
sein. Das funktioniert natürlich nur, wenn Mitwirkende
als Zeugen gehört werden und nicht das Gefühl haben,
im Untersuchungsausschuss am Pranger zu stehen.
Vier Innenausschusssitzungen haben die angesprochenen Fragen nicht beantworten können. Ich bin überzeugt, dass über die Regelung zum Geheimnisverrat, die
hier zur Debatte steht, anders diskutiert werden muss als
bisher in der Öffentlichkeit. Wir haben schließlich vor
Augen, was passieren kann, wenn sich ein Innenminister, der in herausgehobener Position ist, nicht daran hält,
obwohl das für alle Amtsträger - auch ein Innenminister
ist ein solcher - klar in einem gesetzlichen Paragrafen
geregelt ist. Wir müssen das alles immer mit dem Blick
darauf tun, wie wir in Zukunft damit umgehen.
Viele Fragen sind noch offen bzw. nicht ausreichend
beantwortet - auch nicht im Innenausschuss -, weil sich
viele dort wie Beschuldigte und nicht wie Mitwirkende
an einem Aufklärungsprozess vorkamen. Ich bin froh,
dass wir nun in dem einzusetzenden Untersuchungsausschuss diese Fragen beantworten und dann entsprechend
nachjustieren können. Dafür bedanke ich mich. Es geht
um die Frage, wie damit politisch umgegangen wird. Es
besteht jederzeit die Gefahr, dass ein Schwarzer-PeterSpiel gespielt wird, dass also die Verantwortung immer
genau dorthin geschoben wird, wo Behörden oder andere Fraktionen politische Verantwortung tragen und in
der Bredouille sind. Dieses Spiel dürfen wir hier nicht
spielen. Sonst kommt es zu einem schlimmen Kreislauf,
und der Untersuchungsausschuss wird sehr unschön. Ich
habe Vertrauen in die Führung des Untersuchungsausschusses und glaube, dass wir das Spiel, welches Ministerium mehr Schuld hatte, erst gar nicht beginnen, sondern dass wir Antworten für die Zukunft finden.
Ich bin froh, dass es beim Untersuchungsauftrag einen Kompromiss gegeben hat, mit dem wir den Untersuchungsausschuss starten; denn wirkliche Handlungsempfehlungen können wir nur fraktionsübergreifend
erarbeiten. Dafür bedanke ich mich, genauso wie bei den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die an diesem Auftrag mitgearbeitet haben.
({1})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Uli Grötsch, SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind
startklar. Nachdem der Einsetzungsantrag der Opposition für den 2. Untersuchungsausschuss im Geschäftsordnungsausschuss ausführlich beraten wurde, liegt uns
der Untersuchungsauftrag nun in etwas veränderter und
verfassungsgemäß einwandfreier Form vor. Mein Dank
gilt ausdrücklich auch den Kolleginnen und Kollegen
von der Opposition für ihre konstruktive Mitarbeit, um
die notwendigen Änderungen des Antrags vorzunehmen.
Dadurch konnten unsere Bedenken, jedenfalls was die
verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Untersuchungsauftrags betrifft, ausgeräumt werden. Ich meine, das ist
ein guter und konstruktiver Auftakt für die Zusammenarbeit im Untersuchungsausschuss.
({0})
Wir stellen uns daher - das haben wir immer betont dem Wunsch der Opposition nach Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Zusammenhang mit der
Operation Selm des Bundeskriminalamts nicht in den
Weg und werden uns natürlich auch aktiv und konstruktiv an der Arbeit des Ausschusses beteiligen. Das hat für
mich auch mit Respekt vor den Anliegen der Opposition
zu tun. Erlauben Sie mir, trotzdem ein letztes Mal zu sagen, dass wir es für effektiver gehalten hätten, die offenen Fragen in weiteren Befragungen des Innenausschusses zu klären. Aber sei’s drum! Ich meine, dass wir das
Instrument des Untersuchungsausschusses jetzt auch
bestmöglich nutzen sollten.
Der Ausschuss wird sich in seiner Arbeit nur mit solchen Fragen befassen, die ein parlamentarisches Gremium auch untersuchen kann und untersuchen darf. Wir
werden uns mit dem Gang der Operation Selm im Bundeskriminalamt beschäftigen und noch einmal die
Gründe für die lange Dauer der Bearbeitung beleuchten.
Wir werden uns mit dem Zusammenwirken mit den Ländern, insbesondere mit dem Land Niedersachsen und mit
der Zentralstelle zur Bekämpfung von Internetkriminalität bei der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am
Main, befassen. Es ist sicherlich eine Frage der Wahrnehmung, aber ich meine, dass die Auskünfte, die uns
der Präsident sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
des Bundeskriminalamts im Innenausschuss gegeben haben, für uns, die SPD, klar waren. Mich persönlich lassen diese Auskünfte vermuten, dass wir keine großartig
neuen Erkenntnisse über die Art und Weise der Bearbeitung im Bundeskriminalamt gewinnen werden.
Ich sage auch ganz ausdrücklich, dass ich meine, dass
im Untersuchungsausschuss Fingerspitzengefühl gefordert sein wird. Das Bundeskriminalamt ist ganz ohne
Zweifel eine absolute Säule in der Sicherheitsarchitektur
unseres Landes.
({1})
Die Männer und Frauen beim BKA leisten jeden Tag
großartige Arbeit und haben enormen Anteil daran, dass
unser Land sicher ist und auch sicher bleibt.
Ich meine, dass es am Ende unserer Untersuchung
auch ein deutliches Ergebnis geben muss. Möglicherweise wird man in diesem Zusammenhang auch über
eine Verbesserung der personellen Ausstattung des BKA
nachdenken müssen. Wir reden in diesem Zusammenhang über Deliktbereiche in einem Ausmaß und in einem
fachlichen Umfang, der vor ein paar Jahren noch völlig
undenkbar war.
Wir werden uns natürlich auch noch einmal mit der
Frage der Informationsweitergabe zum Fall des ehemaligen Abgeordneten Sebastian Edathy befassen. Dabei
schauen wir nicht nur auf die Weitergabe der Informationen durch den damaligen Innenminister, sondern auch
auf mögliche Probleme im Bereich des Landes Niedersachsen, die eventuell dazu beigetragen haben.
Im Fall des ehemaligen BKA-Beamten X werden wir
überprüfen, wer im BKA wann darüber informiert war,
dass sich der Name eines BKA-Beamten in den Daten
der Operation Selm befand, ob und wann er selbst davon
erfuhr und ob es unzulässige Einflussnahmen auf das
dienst-, disziplinar- oder strafrechtliche Verfahren gab,
mehr aber auch nicht.
Ich möchte - das habe ich in meiner ersten Rede zu
diesem Thema schon gesagt - noch einmal unterstreichen, dass ein Untersuchungsausschuss kein Oberkontrolleur über einzelne disziplinar- oder strafrechtliche
Entscheidungen ist. Es ist nicht unsere Aufgabe als Abgeordnete des Deutschen Bundestages, private Verfehlungen eines einzelnen Beamten öffentlich zu beleuchten
und zu bewerten.
Das bringt mich zu einem letzten Punkt, den ich uns
allen für die Arbeit im Untersuchungsausschuss mitgeben will. Das Thema Kinder- und Jugendpornografie berührt viele von uns ganz besonders, egal ob wir Eltern
sind oder nicht. Hier sind auch noch Gesetzeslücken zu
beklagen. Herr Kollege Harbarth, Sie haben gerade darauf hingewiesen, dass in den letzten Jahren in diesem
Bereich nicht viel getan wurde. Deshalb freut es mich,
dass Bundesjustizminister Heiko Maas noch vor der Osterpause, sozusagen sofort, einen Gesetzentwurf zur Verschärfung der Vorschriften über Kinderpornografie und
sexuellen Missbrauch vorgelegt hat, und dafür danke ich
ihm.
Vertrauen in die staatlichen Institutionen, Vertrauen in
die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder und
Vertrauen in den Rechtsstaat in seiner Gesamtheit - das
sind für uns alle absolute Grundpfeiler der freiheitlichdemokratischen Grundordnung. Durch die Klarstellungen im Untersuchungsauftrag sind die von uns bemängelten Zulässigkeitsprobleme behoben worden. Da aus
unserer Sicht ein Untersuchungsausschuss nach wie vor
nicht das richtige Mittel zur Klärung des vorliegenden
Sachverhalts ist, wird sich meine Fraktion bei der Abstimmung ebenfalls der Stimme enthalten.
Aber - das sage ich zum Schluss noch einmal -:
Selbstverständlich werden wir aktiv an der Arbeit im
Untersuchungsausschuss, der sich im Anschluss gleich
konstituieren wird, mitwirken. Vor der Sommerpause
wollen wir auch noch eine Beratungssitzung abhalten, in
der wir erste Beweisbeschlüsse fassen werden, um unsere Arbeit zügig aufnehmen zu können. Um unsere aktive Rolle von Anfang an zu unterstreichen, haben wir
als Koalitionsfraktionen bereits zwölf Vorschläge zur
Beiziehung von Akten an die Opposition übermittelt.
Auch ich freue mich auf eine konstruktive und sachliche
Zusammenarbeit.
Vielen Dank.
({2})
Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich dem
Abgeordneten Michael Frieser, CDU/CSU-Fraktion, das
Wort.
({0})
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde heute eine neue Erfahrung machen. Ich
habe mich in diesem Haus als Abgeordneter noch nie bei
einer Abstimmung enthalten. Dass ich das tue, wird
heute der Fall sein. Das ist also etwas Neues.
Warum ist die Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses etwas Besonderes? Weil ein Untersuchungsausschuss eine ganz besondere Einrichtung ist: Diesem parlamentarischen Gremium wachsen Ermittlungsrechte zu,
die es normalerweise nicht hat. Schwierig ist die Situation hinsichtlich der Trennung der Gewalten: das Parlament als Legislative auf der einen Seite und die anderen
Gewalten in diesem Staate auf der anderen Seite. Untersuchungsausschüsse sind das schärfste Schwert, das die
Opposition im Parlamentsbetrieb hat. Wir bitten sehr darum, dass dieses Instrument nicht stumpfgeschlagen
wird. Wir sind dabei, wenn es darum geht, mit diesem
Ausschuss größtmögliche Effektivität, größtmögliche
Aufklärung und größtmögliche Transparenz zu erzielen.
Wir haben mit dem Untersuchungsgegenstand bereits
viel Zeit im Innenausschuss verbracht. Wir haben bereits
sehr viele Erkenntnisse zutage gefördert. Ich hoffe, dass
all diese Vorarbeiten im Innenausschuss nicht Makulatur
werden, dass wir sie nicht noch einmal leisten müssen.
Wir wollen die entsprechenden Unterlagen selbstverständlich beiziehen.
Ich bin mir ganz sicher, dass wir, die Mitglieder dieses parlamentarischen Untersuchungsausschusses, in
dem Willen geeint sind, wirklich gemeinsam zu handeln
und uns vorbehaltlos an die Arbeit zu machen. Wenn allerdings jedes Ausschussmitglied mit einer vorgefassten
Meinung in die Arbeit hineingeht, dann wird es schwer
sein, dafür zu sorgen, dass dieses Instrument seinen eigentlichen, im Grundgesetz verankerten Sinn erfüllt.
Erkenntnisse zu gewinnen, ist der eine Teil der Arbeit
eines solchen Untersuchungsausschusses. Der - wichtige - andere Teil ist, den sich aus der Arbeit des Untersuchungsausschusses entwickelnden Änderungsbedarf
festzustellen; ich bin allen Kollegen dankbar, die hierzu
beitragen. Nachfragen sind gut und sinnvoll; aber sie haben immer nur dann einen Zweck, wenn man mit der Erkenntnis, die man aus diesen Fragen gewinnt, als politisch denkender und handelnder Mensch auch etwas
anfangen kann.
Da stellt sich schon die Frage: Wie konnte es sein,
dass die zu betrachtenden zeitlichen Abläufe - sie reichen bis hinunter nach Niedersachsen - so lange gedauert haben? Vielleicht können sogar entscheidendere
Fragen wie die nach Zuständigkeiten, nach Verfahrensabläufen bis hin zu solchen nach materiellem Recht
behandelt werden. Die Kollegen haben es angeführt: Es
kann nicht sein, dass in diesem Land Bilder nackter Kinder eine Handelsware sind. Wenn wir aufgrund der derzeitigen Situation gemeinschaftlich zu einer Änderung
im materiellen Strafrecht kommen, dann hat dieser Ausschuss seinen Sinn.
({0})
Gerade was die Bekämpfung der Kinderpornografie
angeht, wird sich mit und nach diesem Ausschuss zeigen, ob dieser Staat im Bereich des damit verbundenen
strafrechtlichen Verhaltens schlagkräftig ist und am
Ende auch wirklich wehrhaft sein kann. Wenn wir dazu
beitragen können, dann wird unsere Mitwirkung als
sinnvoll erachtet werden können. Herzlichen Dank denjenigen, die das Ganze vorbereitet haben! Ich freue mich
schon auf die Zusammenarbeit.
Eines will ich noch sagen: Mit uns wird es kein „Grillen“ von Mitarbeitern einer Behörde geben. Es geht um
Menschen, die Übermenschliches leisten müssen, um
Menschen, die ihr ganzes Arbeitsleben mit einer solchen
Materie verbringen und die sich oftmals mit einer sehr
großen Masse an Informationen, die sie mittlerweile insbesondere aus dem Ausland erreichen, beschäftigen
müssen. Insofern bitte ich um Zurückhaltung, was die
Behandlung der Mitarbeiter von Behörden betrifft. Das
soll den Aufklärungsbedarf aber sicherlich nicht schmälern.
Es muss nur klar sein - diese Bitte formuliere ich am
Ende meiner Rede -, dass man die gewonnenen Erkenntnisse auch wirklich in sein Handeln einfließen lässt und
dass man nicht an diesen Erkenntnissen vorbei an Verschwörungstheorien festhält, getreu der Devise: Wo viel
Rauch ist, muss irgendwo auch ein Feuer sein, auch
wenn der Rauch aus dem etwas heißen Dampf entsteht,
den man selber vorher produziert hat. - Ich glaube, dieser Ausschuss kann das wirklich leisten.
Auch wenn dort kein schönes Thema, dessen Ausgangspunkt ein ehemaliger Kollege ist, behandelt wird,
freue ich mich auf die Zusammenarbeit. Ich habe Frau
Kollegin Högl gesagt, dass ich hoffe, dass sie ihre gelassene, sachlich fundierte Art über die wohl längere Phase,
in der dieser Ausschuss arbeiten wird, nicht verliert. Ich
hoffe, dass wir ihre Art für eine gedeihliche Zusammenarbeit nutzen können und dass wir am Ende sagen können: Dieses Parlament hat diese besondere und nicht alltägliche Herausforderung angenommen, und wir haben
unseren Auftrag wirklich erfüllt.
({1})
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic,
Dr. Konstantin von Notz, Luise Amtsberg und weiterer
Abgeordneter auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/1948, den Antrag auf Drucksache 18/1475 in der Ausschussfassung anzunehmen. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt
dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Fraktion Die Linke
und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung
der Fraktion der CDU/CSU und der SPD-Fraktion angenommen. Damit ist der 2. Untersuchungsausschuss der
18. Wahlperiode eingesetzt. Er wird sich um 18.30 Uhr
konstituieren.
Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Morgen um 9 Uhr findet hier im Plenarsaal eine Gedenkstunde aus Anlass des 100. Jahrestages des Beginns
des Ersten Weltkrieges statt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 3. Juli 2014,
10.30 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.