Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Bitte nehmen Sie Platz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, haben wir einige bedeutsame Geburtstage zu würdigen, die in den letzten Tagen stattgefunden haben. Vizepräsidentin Ulla Schmidt hat ihren
65. Geburtstag gefeiert,
({0})
der Kollege Hans-Christian Ströbele seinen 75. Geburtstag
({1})
und der Kollege Christoph Strässer ebenfalls seinen
65. Geburtstag. Ihnen allen die geballten guten Wünsche
des ganzen Hauses für die nächsten Jahre.
({2})
Vor Eintritt in die Tagesordnung müssen wir auch
noch eine Wahl durchführen. Die Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen schlägt vor, für das Kuratorium der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ den
Kollegen Sven-Christian Kindler als stellvertretendes
Mitglied für den ausgeschieden Kollegen Jerzy Montag
zu wählen. Sind Sie mit diesem Vorschlag einverstanden? - Das ist offensichtlich der Fall. Damit ist der Kollege Kindler als stellvertretendes Mitglied des Kuratoriums gewählt.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene
Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern:
ZP 1 Weitere Überweisung im vereinfachten Verfahren
Ergänzung zu TOP VIII
Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes
Rechnung des Bundesrechnungshofes für das
Haushaltsjahr 2013
- Einzelplan 20 Drucksache 18/1560
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
ZP 2 Weitere abschließende Beratung ohne Aussprache
Ergänzung zu TOP IX
Beratung der Zweiten Beschlussempfehlung des
Wahlprüfungsausschusses
zu Einsprüchen gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am
22. September 2013
Drucksache 18/1710
Dabei soll von der Frist für den Beginn der Beratungen - soweit erforderlich - abgewichen werden.
Darüber hinaus mache ich auf eine nachträgliche
Ausschussüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste
aufmerksam:
Der am 5. Juni 2014 ({3}) überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Sportausschuss ({4}) zur Mitberatung überwiesen
werden:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie ({5})
Drucksache 18/1558
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({6})
Innenausschuss
Sportausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 der GO
Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? -
Das ist offensichtlich der Fall. Dann können wir so ver-
fahren.
Präsident Dr. Norbert Lammert
Wir setzen nun die Haushaltsberatungen - Tagesord-
nungspunkt II - fort:
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für
das Haushaltsjahr 2014 ({7})
Drucksachen 18/700, 18/702
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses ({8}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2013 bis 2017
Drucksachen 17/14301, 18/1026
Dazu rufe ich Tagesordnungspunkt II.14 auf:
Einzelplan 09
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
Drucksachen 18/1009, 18/1023
Berichterstatter sind die Abgeordneten Thomas Jurk,
Andreas Mattfeldt, Roland Claus und Anja Hajduk.
Zu diesem Einzelplan liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die
Aussprache 125 Minuten dauern. - Auch dazu sehe ich
keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Roland Claus.
({9})
Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst die
Bundeskanzlerin als Kronzeugin bemühen. Sie hat in der
gestrigen Aussprache gesagt: Haushaltspolitik ist nur
dann gute Haushaltspolitik, wenn sie auch vorausschauende Haushaltspolitik ist. - Sie hat das ein bisschen bürokratischer gesagt; aber im Kern trifft das zu. Das führt
mich zu einer ausdrücklichen Aufforderung an Bundesminister Gabriel, in diesem Fall als Bundesenergieminister, und an die Koalitionsfraktionen. Diese lautet:
Stoppen Sie die antiparlamentarische Attacke beim Erneuerbare-Energien-Gesetz!
({0})
Dieses Gesetz soll morgen abschließend beraten werden.
Am Dienstag haben Sie durch die Vorlage eines 200-seitigen Änderungsantrages gewissermaßen die Geschäftsgrundlage, die wir bisher hatten, verlassen. So kann man
mit dem Parlament nicht umgehen. Lassen Sie sich das
gesagt sein.
({1})
Herr Bundesminister Gabriel, wir sind uns bei einer
ganzen Reihe von parlamentarischen Treffen begegnet,
bei denen Sie vor Vertretern der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens über das Erneuerbare-Energien-Gesetz gesprochen haben. Dabei haben Sie immer und immer wieder betont, das alles sei mit der EU-Kommission
abgestimmt. Sie waren über alle Zweifel erhaben und
haben das, wie ich fand, auch ziemlich glaubwürdig vorgetragen.
({2})
Und nun 200 Seiten Änderungsantrag. Ich sage Ihnen eines, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen
Koalition:
({3})
Sie können die Opposition natürlich überstimmen. Wenn
Sie das hier betreiben, ist das die Entmündigung Ihrer
selbst. Sie entmündigen sich selbst am meisten durch
diesen Vorgang. Das müssen Sie sich sagen lassen.
({4})
Herr Bundesminister, Sie müssen ja erwidern. Ich
bitte Sie ausdrücklich: Kommen Sie uns nicht mit der
Ausrede, das Gesetz sei ja jetzt in der Hand des Bundestages und Sie hätten damit quasi nichts mehr zu tun. Es
ist ja nun völlig unbestritten, dass diese 200 Seiten eben
nicht aus der Mitte des Parlaments, sondern aus Ihrem
Hause kommen. Deshalb müssen Sie sie auch verantworten. Wir sagen Ihnen: Leiten Sie ein ordnungsgemäßes, geregeltes parlamentarisches Verfahren ein und
nicht so einen Überfall, wie Sie ihn hier vorhaben.
({5})
Sie haben ja selbst die Bedenken, die von Ihrem eigenen Haus und von der Bundesnetzagentur vorgetragen
wurden, ignoriert. Darüber kann man nicht so einfach
hinweggehen. Ich sage das deshalb, weil dieses Gesetz
natürlich auch enorme Auswirkungen auf die ostdeutsche Wirtschaft hat, die ja einen besonders hohen Anteil
an erneuerbaren Energien vorzuweisen und mit diesen
Auswirkungen umzugehen hat.
Ich komme nun zum zentralen Problem des Bundeshaushaltes für das Jahr 2014. Das zentrale Problem des
Wirtschaftsetats heißt: Es ist ein Viermonatshaushalt.
Wir haben nur eine Frist von August bis November, um
die in diesen Haushalt eingestellten investiven Vorhaben
tatsächlich zu realisieren und zu finanzieren. Das ist für
alle Etats ein Problem, aber für den Wirtschaftsetat natürlich ein besonderes. Nun pflegen Sie ja mit Ihrem
Haushalt insbesondere staatsnahe Monopolisten, also
Großunternehmen, die durch gute Verbindungen zu den
Ministerien sehr wohl in der Lage sein werden, diese
Mittel rechtzeitig abzurufen. Um die Luft- und Raumfahrtindustrie muss ich mir da keine Sorgen machen,
aber gerade der Mittelstand in Gestalt vieler Kleinunternehmen wird große Probleme haben, in diesen vier MoRoland Claus
naten an die bereitgestellten Mittel zu kommen. Deshalb
frage ich Sie an dieser Stelle auch: Welche Vorsorge haben Sie getroffen, damit die im Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand eingestellten Mittel dann auch
wirklich abgerufen werden können?
({6})
Ich will das noch einmal an einem Beispiel verdeutlichen. Für die Subventionierung von Luft- und Raumfahrt haben Sie etwa 1,5 Milliarden Euro in den Etat eingestellt, für die Mittelstandsunterstützung nur etwa ein
Drittel davon, also 500 Millionen Euro. Das ist natürlich
viel zu wenig. Deshalb ist es wichtig, dass das, was eingestellt ist, auch tatsächlich abgerufen und ausgegeben
wird.
({7})
Bundesminister Gabriel hat am 10. April 2014 bei der
Einbringung seines Etats hier gesagt: „Wir sind ein
Land, das nicht über Reindustrialisierung reden muss.“
Im Vergleich zu Großbritannien hat er damit ja nicht unrecht.
({8})
Aber nun wurde vor zwei Tagen im Bundeswirtschaftsministerium der sogenannte Atlas der Industrialisierung
der Neuen Bundesländer vorgestellt. Wenn man diesen
Atlas auf eine Deutschlandkarte überträgt, dann bildet
sich bei allen wesentlichen wirtschaftlichen Fakten nach
wie vor die DDR-Karte ab. Es gibt keine einzige Konzernzentrale im Osten. Wir haben einen hohen Anteil
von Beschäftigten im Niedriglohnsektor. Wenn Sie sich
insbesondere die kunststoffverarbeitende Industrie in
Sachsen und Thüringen anschauen, dann werden Sie
feststellen, dass wir einen hohen Anteil von Zeit- und
Leiharbeit haben, der doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt ist. Wir haben unzureichendes Potenzial in
Forschung und Entwicklung.
({9})
- Na ja, wenn die Probleme die gleichen bleiben, muss
die Kritik die gleiche bleiben, Herr Kollege. So ist das
nun mal. Was denken Sie denn?
({10})
Wir werden doch deshalb nicht verstummen.
({11})
Das hat die Staatssekretärin Iris Gleicke zu der
Schlussfolgerung geführt: „Wir brauchen eine auf Ostdeutschland ausgerichtete Industriepolitik.“ Das ist ja
durchaus richtig. Aber genau das findet sich in diesem
Haushalt nicht wieder. Darauf bezieht sich unsere Kritik.
({12})
Ich habe in der ersten Lesung die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“
angesprochen. Ich habe gesagt: Das ist ein richtiges Instrument. Hierfür müssen wir mehr tun. - Da hat mir der
Kollege Hubertus Heil mit einem Zwischenruf Hoffnung
gemacht. Er hat nämlich gerufen: Diese Aufgabe verstärken wir. - Das habe ich mir gemerkt. Ich habe mir
das Ganze noch einmal angeschaut und herausgefunden,
wie diese Verstärkung konkret aussah: Statt 593 Millionen Euro wurden 596 Millionen Euro bereit gestellt. Das
ist eine Steigerung um 0,5 Prozent, mein Kollege
Hubertus Heil. Eine tolle Verstärkung, kann man dazu
nur sagen. Das ist doch keine vernünftige Wirtschaftspolitik.
({13})
Meine Damen und Herren, auch dieser Etat beweist:
Wir haben es zu tun mit einem Haushalt der sozialen
Spaltung, mit einem Haushalt der Zukunftsunfähigkeit
und mit einem Haushalt, durch den der Osten weiter abgehängt wird. Deshalb können Sie mit der Zustimmung
der Linken zu diesem Etat nicht rechnen.
({14})
Machen Sie sich auf den Weg! Bessern Sie sich, und
bringen Sie endlich Ihre Hausaufgaben zu Ende!
({15})
Das Wort erhält nun der Kollege Thomas Jurk für die
SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Ich wollte eingangs eigentlich nochmal zum Mittelvolumen des Einzelplans 09 sprechen,
aber Kollege Claus, Sie haben etwas gesagt, was ich
unbedingt widerlegen muss. Sie sind auf die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes eingegangen,
da muss ich Sie schon mal fragen: Welchen Popanz
bauen Sie hier eigentlich auf? Wenn wir über 204 Seiten
sprechen, dann sprechen wir über eine Synopse zum
EEG.
({0})
Und Änderungen machen einen Bruchteil dieses Gesetzes aus, und sie sind in diesen Vorlagen deutlich hervorgehoben.
({1})
Wollen Sie sich eingestehen, dass Sie mit diesen Änderungen nicht umgehen können? Es ist doch so wichtig,
dass die Menschen in diesem Land, Unternehmen und
Privatpersonen, Klarheit über die Änderungen bekommen. Dringend notwendig ist auch, dass beispielsweise
die Besondere Ausgleichsregelung durchgesetzt werden
kann und dass die entsprechenden Bescheide verschickt
werden können.
({2})
Diejenigen, die sich heute hier beschweren, sollten
vielleicht einmal mit ihren Abgeordneten im Europäischen Parlament reden und sie fragen, was sich die EUKommission dort geleistet hat.
({3})
Ich will mich auf diese Debatte gar nicht tiefer einlassen.
Für mich ist jedoch unerklärlich, dass binnen kurzer Zeit
ständig neue Verhandlungspositionen aufgemacht werden, die uns und insbesondere der Bundesregierung das
Agieren erschweren.
({4})
- Sie können gern eine Zwischenfrage stellen.
Zum Einzelplan 09. Ich stelle zunächst einmal fest:
Dieser Einzelplan wächst auf, und zwar um rund
1,3 Milliarden Euro auf nunmehr 7,4 Milliarden Euro.
Das resultiert insbesondere aus Zuständigkeitsverlagerungen und neuen Aufgaben, verbunden mit mehr Geld
für Personal.
Trotz allem, was mein Vorredner gerade gesagt hat,
sehe ich in diesem Haushalt drei Schwerpunkte realisiert,
Stichpunkte: Innovation, Investition und Mittelstand. Dabei setzen wir durchaus Bewährtes fort. Kollege Claus, es
ist doch so, dass insbesondere die Gemeinschaftsaufgabe
GRW und das Förderprogramm ZIM durch Verpflichtungsermächtigungen, die wir im Haushaltsausschuss
gemeinsam beschlossen haben, fortgeführt werden können. Ich glaube, das ist gut und wichtig, um das Förderverfahren zügig fortführen zu können.
({5})
Nachdem ich als Neuling in diesem Haus die Debatte
der letzten Tage verfolgt habe, will ich eines einmal feststellen: Politik und insbesondere Wirtschaftsförderung
erschöpfen sich nicht im Geldausgeben.
({6})
Es kommt immer darauf an, wie sinnvoll man Geld einsetzt. Insbesondere bei der Wirtschaftsförderung ist es
mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir mit öffentlichem Kapital private Investitionen anstoßen wollen.
Hier geht es mir insbesondere um die Hebelwirkung.
Wir alle müssen uns doch um die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land Gedanken machen; denn wir
wissen, dass sie die Basis für künftige Steuereinnahmen
ist und dafür, dass wir ab dem Jahr 2015 einen Haushalt
mit einer schwarzen Null abschließen können.
({7})
Deshalb ist es so wichtig, dass wir in diesem Land die
richtigen Rahmenbedingungen setzten, auf die sich Industrie, Gewerbe und Handwerk verlassen können.
Für mich ist auch wichtig, dass eine gerechte Wettbewerbsordnung herrscht. Da haben wir im nachgeordneten Bereich des Bundeswirtschaftsministeriums eine Behörde - das Bundeskartellamt -, und diese sorgt aktuell
beispielsweise für Mehreinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe. Diese Behörde ist erfolgreich Kartellabsprachen nachgegangen. Rechtskräftig ist bereits ein Bescheid gegen die Zuckerindustrie über 280 Millionen
Euro. Auch die Bierbrauer sind zur Kasse gebeten worden - das ist noch nicht rechtskräftig - mit einem Bescheid über 231 Millionen Euro. Ich finde es gut, dass es
in unserem Land Behörden gibt, die für eine gerechte
und faire Wettbewerbsordnung eintreten. Ich glaube, das
sind wir den Menschen in unserem Land schuldig.
Während der Haushaltsberatungen kam immer wieder
der Ruf nach mehr Personal. Dazu will ich ausdrücklich
sagen, dass insbesondere die Novellierung des Gesetzes
gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Kronzeugenregelung dazu beigetragen hat, dass das Bundeskartellamt ein schärferes Schwert in die Hand bekommen
hat.
Nachdem ich während der ersten Lesung hier Kritik
an der Mittelausstattung der Beauftragten für die neuen
Bundesländer geäußert habe, haben wir es gemeinsam
- da schließe ich die Opposition gern ein - im Haushaltsausschuss geschafft, dass wir mehr Geld bereitstellen können. Insbesondere haben wir 5 Millionen Euro
für die „Germany Trade & Invest“ - Aktivitäten Ost - sicherstellen können, und 1 Million Euro werden wir für
Projekte der Investorenwerbung über die Wirtschaftsfördergesellschaften der Länder bereitstellen können.
Bei allen positiven Entwicklungen - Kollege Claus,
da sind wir nicht so weit auseinander - stellen wir nach
der Vorlage des Industrieatlas durch Frau Gleicke fest,
dass der Industriebesatz im Osten noch ein ganzes Stück
geringer ist als im Westen - trotz aller positiven Entwicklungen. Wir haben momentan einen Industrieanteil
von 16 Prozent. Der gesamtdeutsche Durchschnitt beträgt 23 Prozent. Die EU stellt sich übrigens eine Größenordnung von 20 Prozent vor. Das heißt, hier haben
wir nach wie vor Handlungsbedarf. Deshalb ist es wichtig, dass es gezielte Investitionsförderung für den Osten
gibt.
({8})
Für die Umsetzung der Novelle des ErneuerbareEnergien-Gesetzes treffen wir die nötige Vorsorge. Es
gibt mehr Stellen beim Bundeswirtschaftsministerium,
bei der BAFA und bei der Bundesnetzagentur. Das ist
notwendig.
({9})
- Herr Kollege, auch Sie können eine Zwischenfrage
stellen, wenn Sie etwas sagen wollen.
Das Stellenplus ist notwendig, um die Aufgabenerfüllung insbesondere bei der Besonderen Ausgleichsregelung sicherzustellen.
({10})
- Sie müssen sich wirklich einmal darüber klar werden,
was Sie wollen.
({11})
Bundesminister Gabriel hat bereits die Überprüfung
aller Förderprogramme in seinem Haus angekündigt.
Das haben wir ausdrücklich begrüßt.
Ich will deutlich sagen, dass es für die Arbeit des
Haushaltsausschusses, aber natürlich auch für die des
gesamten Parlaments wichtig wäre, dass wir auch schon
zu den Haushaltsberatungen 2015, also im kommenden
Herbst, erste valide Ergebnisse dieser Überprüfung, insbesondere für den Energiebereich, vorgelegt bekommen.
Hier möchte ich das Stichwort „Energieeffizienz“ noch
einmal in den Raum stellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, uns liegt
sehr daran, dass der Kraftakt Energiewende gelingt.
Dazu müssen wir in verschiedenen Bereichen durch gezielte Förderung partiell Unterstützung leisten.
Wir haben noch zwei Baustellen, die deutlich machen, dass wir noch viel Arbeit vor uns haben. Ich nenne
da den EKF, den Energie- und Klimafonds, und seine
Zukunft, und ich nenne die globale Minderausgabe, die
das Ministerium durchaus in erheblicher Weise bedrückt.
Wir haben jetzt noch ein halbes Jahr Zeit zum Geldausgeben. Ich glaube, es sind gute Ausgaben, die wir
heute beschließen können. Dann können wir uns ab dem
Herbst dem Haushalt 2015 widmen. Ich sehe sehr gute
Gründe dafür, heute diesem Haushaltsplan entschlossen
zuzustimmen, und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
({12})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Anja Hajduk für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Liebe Kollegen! Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist im Moment durch eine positive Reallohnentwicklung gekennzeichnet. Es gibt einen insgesamt
durchaus positiven Trend beim Geschäftsklimaindex.
Wir haben gute Steuereinnahmen. Wir haben ein sehr
hohes Beschäftigungsniveau. Angesichts dessen darf
man sich schon die Frage stellen: Was machen wir eigentlich bei dieser ausgesprochen guten Basis, bei diesem Potenzial, um uns auf die Herausforderungen, die
vor uns liegen, die insbesondere vor Deutschland liegen,
vorzubereiten?
Auf die Frage „Was machen Sie?“ muss ich eingangs
feststellen: Auf die unmittelbar vor uns liegende demografische Veränderung, die sich leider schon im Fachkräftemangel ausdrückt, reagieren Sie mit einer kontraproduktiven Rente ab 63. Es gibt noch eine durchaus
große Herausforderung. In den letzten 40 Jahren haben
wir nicht nur eine Menge Schulden gemacht, die wir eingrenzen müssen, sondern wir haben auch unsere Infrastruktur auf Verschleiß gefahren. Darauf antworten Sie
mit einer sinkenden Investitionsquote. Das sind zwei
ganz grobe Gründe dafür, dass man sagen kann: Auf die
wirtschaftlichen, aber auch auf die gesellschaftlichen
Herausforderungen reagiert diese Große Koalition nur
mit langweiligen Kompromissen, aber sie nutzt nicht die
Möglichkeiten, die die Potenziale dieser Gesellschaft
bieten.
({0})
Herr Gabriel, das hätte Sie eigentlich antreiben müssen,
diese Tendenzen anders zu beeinflussen.
Aber schauen wir einmal genauer auf den Wirtschaftsetat im engeren Sinne. Das Wirtschaftsministerium - Kollege Jurk hat darauf hingewiesen - ist ein
Ministerium, das fördert. Es soll durch Förderinstrumente Innovationen unterstützen. Aber wenn wir schon
Steuermittel in die Hand nehmen, dann muss das auch
zielgenau sein, dann müssen wir sicher sein, dass Mitnahmeeffekte verhindert werden. Deswegen sind wir davon überzeugt, Herr Gabriel, dass es wichtig ist - das
fordern wir auch -, dass Sie in Ihrem Ministerium endlich eine einheitliche Mittelstandsdefinition umsetzen.
Es geht bei Ihnen nämlich lustig durcheinander. Wir
wollen, dass Sie die Definition der EU-Kommission nutzen - 249 Beschäftigte und 50 Millionen Euro Jahresumsatz - und sie nicht beliebig ausweiten. Ich erwähne
das, weil Herr Jurk von der Hebelwirkung von Wirtschaftsförderinstrumenten gesprochen hat.
Schauen wir uns einmal an, was wir fördern. Wir fördern kleine und mittlere Unternehmen im Bereich zivile
Luft- und Raumfahrt mit gerade einmal 4 Prozent. Wir
fördern kleine und mittlere Unternehmen im Bereich
neue Verkehrstechnologien mit gerade einmal 12 Prozent. Herr Minister, wo ist eigentlich Ihr Einfluss? Was
haben Sie in den letzten Monaten getan, um zu erreichen, dass wir eine zielgenauere und bessere Wirtschaftsförderung durchführen,
({1})
die Innovationen freisetzt und verhindert, dass große
Unternehmen Mitnahmeeffekte einstecken? Subventionierung von Tiefseebergbau und anderen Dingen können
wir uns auch schenken. Wir Grünen sehen das nicht einseitig. Wir beantragen, die Fördermittel für das Programm ZIM zu erhöhen. Aber Sie lehnen sich zurück
und ruhen sich aus auf einer schlechten und ungenauen
Wirtschaftsförderung Ihres Vorgängers.
({2})
Kommen wir zum Bereich Energie. Ich sagte es schon
in der ersten Lesung: Der schlafende Riese Energieeffizienz bleibt in Ihrem Haushalt ein Zwerg, Herr Minister,
und - das muss ich auch den Fraktionen sagen - leider
auch nach den Haushaltsberatungen. Dabei sind wir uns
doch einig: Eine Steigerung der Energieeffizienz verringert die Abhängigkeit von fossilen und nuklearen Energieträgern. Sie senkt auch Energiekosten, über die wir
hier so viel reden. Der Minister scheint diese Einschätzung auch zu teilen. So schreibt er zusammen mit Frau
Hendricks an die EU, dass Deutschland sich verpflichtet
fühlt, die Einhaltung des Einsparziels von minus 20 Prozent bei der Energieeffizienz durchsetzen zu wollen.
Aber diese Erkenntnis findet sich in keiner Weise in Ihrem Haushalt wieder. Im Gegenteil: Sie kürzen die entsprechenden Programme. Sie schreiben Briefe. Aber Ihren geschriebenen Worten folgen keine Taten.
({3})
Deutschland riskiert sogar ein Vertragsverletzungsverfahren bei der Energieeffizienz. Das ist eine Blamage für
Sie, Herr Minister.
Unsere grüne Antwort darauf ist ein 3 Milliarden starker Energieeinsparfonds. Es ist wichtig, dass wir Energiestandards für Geräte und Gebäude haben. Das ist alles
nicht neu. Es muss finanzielle Anreize, marktwirtschaftliche Instrumente geben. Auch für qualifizierte Beratung
und Information von Unternehmen und Verbrauchern
muss gesorgt sein. Wir schlagen einen solchen Fonds
vor, selbstverständlich gegenfinanziert. Der wäre auch
ökonomisch für unsere Wirtschaft mit einer nachhaltigen
Perspektive die richtige und sinnvolle Antwort.
({4})
Herr Minister, ich möchte nicht vorwegnehmen, was
wir morgen zum Thema erneuerbare Energien und den
entsprechenden neuen Regelungen diskutieren. Es war
sicherlich keine Glanzleistung, in welche Wirren Sie dieses Parlament angesichts des Verfahrens gestürzt haben.
Aber ich möchte noch einmal auf zwei Punkte eingehen.
Erster Punkt: Industrieausnahmen. Seien Sie gewiss
und nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir Grünen das
Thema differenziert angehen. Wir wissen um den Wert
der Arbeitsplätze in Deutschland. Wir kennen auch die
Problematik, dass die Energiewende ein negatives Image
bekommt, wenn Arbeitsplätze nicht ausreichend geschützt werden.
({5})
In den Haushaltsberatungen habe ich Sie eingehend gefragt. Wir haben leider keine Antwort darauf bekommen,
ob es durch die Ausnahmeregelungen eine Doppelförderung geben wird. Diese würde dadurch zustande kommen, dass wir nicht nur umfangreiche EEG-Ausnahmen
haben, sondern Sie zusätzlich einen neuen Strompreiskompensationsfonds von 350 Millionen Euro - das sind
22 Prozent des Energie- und Klimafonds - vorsehen. Ihr
Staatssekretär konnte nicht plausibel machen, wie ausgeschlossen werden soll, dass Unternehmen doppelt entlastet werden.
({6})
Ein zweiter Punkt: Herr Minister, ich muss noch einmal darauf kommen. Sie haben sich hier vor einiger Zeit
sehr über meinen Kollegen Oliver Krischer empört, als
er Sie damit konfrontiert hat, dass Waffenhersteller in
der Liste der stromkosten- oder handelsintensiven Branchen stehen, die unter die Besondere Ausgleichsregelung fallen. Sie haben sich empört, hier werde die Unwahrheit gesagt, weil Sie ja schließlich sagen könnten:
Wenn eine Branche erwähnt sei, heiße das nicht, dass die
Unternehmen von dieser Ausnahme Gebrauch machen
können. - Die Antwort Ihres eigenen Staatssekretärs auf
meine Frage im Haushaltsausschuss war: Die Handelsintensität - ein Kriterium - ist schon per se abgeprüft,
wenn die Branche in der Liste steht, und wenn ein Unternehmen das Kriterium der Stromkostenintensität erfüllt,
hat man keine Chance, etwa einen Waffenhersteller von
dieser Ausnahmeregelung auszunehmen. - Angesichts
des Vorwurfs, den Sie meinem Kollegen Krischer gemacht haben, müssten Sie hier eine Garantieerklärung
abgeben, dass Sie die Waffenhersteller doch von der Regelung ausnehmen können.
({7})
Rechtlich können Sie es nicht. Insofern gilt: Die Ausnahmen - so schwer sie auch zu verhandeln sind - sind
im Hinblick auf Zielgenauigkeit und damit auch Angemessenheit leider nicht überzeugend.
({8})
Andreas Mattfeldt ist der nächste Redner für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr
Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr
Claus, wir wollen heute den vorausschauenden Etat des
Bundeswirtschaftsministeriums mit einem Gesamtvolumen von 7,4 Milliarden Euro beschließen. Dabei blicken
wir - auch wenn eben ein anderer Eindruck erweckt
worden ist - auf recht ruhige parlamentarische Beratungen zurück. Sie waren nicht nur von einer verlässlichen
Zusammenarbeit mit dem Ministerium geprägt; auch der
Minister selbst und sein Staatssekretär, Herr Dr. Sontowski,
haben dazu beigetragen. Ganz besonders möchte ich
mich an dieser Stelle bei den Mitarbeitern des Haushaltsreferates bedanken, die mit enormem Arbeitseinsatz zum
Erfolg der Haushaltsberatungen beigetragen haben. Erwähnen möchte ich auch die gute sachliche und vor allem menschlich angenehme Zusammenarbeit mit den
Kollegen aller Fraktionen.
Meine Damen und Herren, wir von der Koalition haben uns erlaubt, ein paar Verbesserungen am Entwurf
des Haushalts von Herrn Minister Gabriel vorzunehmen.
So haben wir beispielsweise den Finanzierungsbeitrag
für Projekte des Forschungsverbunds „Maritime Sicherheit“ dauerhaft fixiert. Damit sorgen wir dafür, dass zumindest das Bundeswirtschaftsministerium weiterhin die
seinerzeit zugesagten 3 Millionen Euro dafür zur Verfügung stellt. Diese Projekte sind für die Sicherheit in
Nord- und Ostsee, ganz besonders aber in ausgewählten
internationalen Gewässern von enormer Bedeutung.
({0})
Ich habe eingangs von einer guten Zusammenarbeit
mit dem Ministerium und mit Ihnen, Herr Gabriel, gesprochen. Zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass Sie,
Herr Gabriel, und ich gerade in unserer niedersächsischen Zeit nicht immer auf der gleichen Seite des Tisches gesessen haben. Heute hingegen sind wir uns dankenswerterweise, nicht nur was den Etat angeht, einig;
ich freue mich - sehr viele wissen, dass ich für dieses
Thema besonders sensibilisiert bin -, dass wir uns hinsichtlich einer sicheren Erdgasförderung und Geothermie, die zu einem großen Teil in Ihr Ressort fallen, zumindest erheblich angenähert haben.
Herr Minister, es ist kein Geheimnis, dass ich Ihr Entgegenkommen beim Bergschadensrecht sehr begrüße.
Mittlerweile ist wohl bewiesen, dass Erdgasförderung
Erdbeben auslöst. Ihre Ankündigung, meine Forderungen nach einer Beweislastumkehr zugunsten der Erdbebengeschädigten umzusetzen und die Bergschadensvermutung explizit auch auf die Erdgasförderung und
Geothermie zu beziehen,
({1})
hat mich - ich darf das sagen - sehr positiv überrascht.
Ich hoffe, dass wir uns auch bei der Aufbereitung des
giftigen Lagerstättenwassers einig werden.
({2})
- Herr Krischer, Sie können eine Frage stellen. Wir erklären das nachher. Hören Sie vielleicht einmal zu.
Änderungen zugunsten einer sicheren Erdgasförderung und Geothermie müssen selbstverständlich mit Änderungen im Wasserhaushaltsgesetz einhergehen, für das
die Kollegin Hendricks zuständig ist. Es darf eben nicht
nur, wie im Koalitionsvertrag festgehalten, das sogenannte Fracking im Schiefergas betreffen - nur darüber
diskutieren Sie von den Grünen. Nein, ich sage hier
deutlich: Auch die konventionelle Erdgasförderung ist
hier mit einzubeziehen.
({3})
Sie findet bereits seit mehreren Jahrzehnten auch unter
Einsatz der Frackingtechnologie statt. Auch hier brauchen wir Regelungen zum Schutz von Mensch und Umwelt.
({4})
Ich weiß, Herr Minister, dass Ihr Parteifreund in Niedersachsen, Wirtschaftsminister Lies, und vor allen Dingen - das geht an die Adresse der Grünen - der grüne
Umweltminister Wenzel das natürlich ganz anders sehen.
({5})
Als Betroffener sage ich Ihnen, dass es auch im Bereich
der konventionellen Erdgasförderung - Herr Krischer,
das möchten Sie nicht hören - in Niedersachsen in der
jüngeren Vergangenheit zu großen Verschmutzungen gekommen ist.
({6})
Erst kürzlich wieder, in der vergangenen Woche, gab es
eine erhebliche Quecksilberverseuchung des Erdbodens
mit einer zigfachen Grenzwertüberschreitung. Die Landwirte dort sind sensibilisiert.
({7})
Ich sage auch in aller Deutlichkeit, dass diese mittlerweile immer wieder auftretenden Fälle nicht mehr passieren dürfen. Deshalb fordere ich, viel konkreter, als Sie
das in Ihrer grünen Partei machen, mit sehr vielen Unionskollegen ein Verbot des Verpressens des giftigen Lagerstättenwassers. Wir fordern ungiftige Frackfluide, wir
fordern eine verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung, inklusive Vetorecht für die zuständigen Wasserbehörden, und wir fordern eine Beweislastumkehr im
Bergschadensrecht.
({8})
All diese Fragen gilt es durch das Ressort des Wirtschaftsministeriums und durch die heute zur Verfügung
gestellten Haushaltsmittel in klugen Gesetzes- bzw. Verordnungsentwürfen zur Regelung für eine sichere Erdgasförderung abzuarbeiten, damit die Menschen wieder
Vertrauen in die heimische Erdgasförderung, die ja bekanntlich eine große wirtschaftliche Bedeutung für unser
Land hat, bekommen. Mich jedenfalls, Herr Minister
Gabriel, als Ihren Haushälter finden Sie an Ihrer Seite.
Sehr begrüßt habe ich auch die Tatsache, dass Ihr
Haus nun, entgegen den ersten Antworten aus Ihrem
Ministerium, die ich hier im Plenum in einer der vergangenen Fragestunden erhalten habe, doch noch eine außenwirtschaftliche Prüfung des Verkaufes der RWE/Dea
an einen russischen Oligarchen eingeleitet hat.
({9})
Ich halte den Verkauf vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um die Versorgungssicherheit für nicht
vereinbar mit deutschen Interessen. Ich sage deutlich:
Wir können nicht auf der einen Seite darüber diskutieren, wie wir russisches Gas ersetzen können, und auf der
anderen Seite tatenlos zusehen, dass in diesen mit Russland schwierigen Zeiten die Geschicke eines deutschen
Unternehmens, das bei uns in Deutschland Erdgas fördert, sich weltweit Vorkommen gesichert hat und da3838
rüber hinaus zahlreiche Gasspeicher betreibt, in russische Hände gelegt werden.
({10})
Meine Damen und Herren, auch wenn viele im Zuge
der Ukraine-Krise schon ein Einbrechen unserer Wirtschaft befürchteten, so ist es zurzeit so, dass sich die
deutsche Wirtschaft weiter im Aufschwung befindet.
Verglichen mit dem Wachstum der Weltwirtschaft - insofern, Frau Hajduk, haben wir nicht alles falsch gemacht ({11})
ist die Entwicklung der deutschen Wirtschaft erheblich
positiver. Auch die Erholung im Euro-Raum ist weiter
fragil. Sie kommt zwar voran, aber von einer Entwarnung oder von einem Ende der Verschuldungskrise und
deren Ursachen im Euro-Raum möchte zumindest ich
noch nicht sprechen.
Als Halbfranzose bin ich natürlich oft in Frankreich
und verfolge die Lage dort selbstverständlich sehr aufmerksam. Dort ist die Wirtschaftskrise noch sehr deutlich für die Menschen, auch in meiner Familie, und vor
allem in den Unternehmen spürbar. Erst im April dieses
Jahres ist die Arbeitslosigkeit in Frankreich auf ein Rekordhoch gestiegen. Das zeigt mir ganz persönlich, dass
rein sozialistische Ideen zur Bewältigung einer Wirtschaftskrise für die Menschen nur Nachteile bringen.
Deshalb ist und war der deutsche Weg, der die Handschrift unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel trägt,
der richtige, um derartige Krisen dauerhaft zu bewältigen. Ich warne eindringlich vor einem Aufweichen der
Stabilitätskriterien.
({12})
Unser deutscher wirtschaftlicher Erfolg basiert nicht
zuletzt auf einem sehr gut aufgestellten Mittelstand, das
ist richtig. Der Mittelstand ist stark und wird in den
nächsten Jahren hoffentlich noch weiter gestärkt. Hierfür
gilt es auch mit diesem Haushalt die Rahmenbedingungen zu schaffen.
Eben ist das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, kurz ZIM, genannt worden. Dieses Programm hat
einen kontinuierlichen Mittelanstieg zu verzeichnen, so
auch in diesem Jahr: Rund 513 Millionen Euro sind es
2014, und das sind 3 Millionen Euro mehr als im vergangenen Jahr. Dieses Programm unterstützt mit einem sehr
unbürokratischen Angebot - das sage ich auch als Mittelständler - die forschenden Mittelstandsunternehmen.
Gerade der Mittelstand spielt in unserer heutigen Forschungslandschaft eine enorm wichtige Rolle. In unserem rohstoffarmen Land ist die Forschung ein wichtiges
Standbein unserer Wirtschaft. Nicht zuletzt deshalb hat
diese Große Koalition in den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag zusätzlich 3 Milliarden Euro für Forschung
vorgesehen. Nach meinem Dafürhalten ist es sehr wichtig, dass von diesen Geldern auch der Etat des Bundeswirtschaftsministeriums profitiert. Hier denke ich an die
Forschung im Luft- und Raumfahrtbereich, auch wenn
Sie das kritisieren. Ganz besonders denke ich aber an
Forschungsvorhaben der mittelständischen Industrie in
den verschiedensten Bereichen.
({13})
Dabei ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass das Geld, mit
dem wir vom Bund Projekte fördern, zu einem Zuwachs
bzw. zu einer Sicherung von Arbeitsplätzen in den unterstützten Unternehmen führt. Deshalb begrüße ich es
sehr, dass das Wirtschaftsministerium über eine fortlaufende Kontrolle die Erfolge dieses Programms misst.
Wir stehen kurz vor dem Beginn der Beratungen für
den kommenden Bundeshaushalt. Frau Hajduk, ich sage
Ihnen zu, dass wir Koalitionshaushälter im Zuge dieser
Beratungen sorgfältig prüfen werden - das habe ich im
Ausschuss schon gesagt -, ob der Mittelansatz für das
ZIM angepasst werden muss. Dieses Programm muss
möglicherweise mit mehr Geldern als bisher ausgestattet
werden.
Wenn Unternehmen forschen, dann dient das uns allen. Wir müssen aber darauf achten, dass die Produkte
bis zur Marktreife entwickelt und dann auch vertrieben
werden können. Das heißt, wir müssen den Unternehmen auch dann zur Seite stehen, wenn es zum Beispiel
um Patentanmeldungen geht. Deshalb freue ich mich,
dass der Bundeswirtschaftsminister 17,1 Millionen Euro
für die Patentinitiative SIGNO bereitgestellt hat.
Deutschland muss offen bleiben für Investitionen und
neue Technologien. Es muss auch offen bleiben für
Großprojekte und große Unternehmen; denn auch diese
Unternehmen sind - auch das mögen Sie nicht gerne hören - Standbeine der Versorgung und Grund dafür, dass
Deutschland besser dasteht als manch andere europäische Nationen.
In diesem Zusammenhang denke ich auch an die
Luft- und Raumfahrtindustrie. Natürlich erhält sie mit
insgesamt 1,4 Milliarden Euro eine erhebliche Summe.
Ich sage hier: Die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie spielt aufgrund ihrer internationalen Technologieführerschaft eine führende Rolle; sie hat weltweit Erfolg.
Somit ist sie ein erheblicher Wachstumsmotor für die
deutsche Wirtschaft. 105 000 Menschen waren 2013 in
diesem Bereich beschäftigt. Das entspricht im Vergleich
zu 2005 einem Anstieg um 24 000 Arbeitsplätze. Ich
verrate doch kein Geheimnis, wenn ich sage, dass uns,
der Unionsfraktion, die Luft- und Raumfahrtindustrie
sehr am Herzen liegt. Sie liegt uns nicht zu Unrecht am
Herzen. Das wird deutlich, wenn man auf die Beschäftigungszuwachszahlen und die Erfolge blickt. Gerade deshalb ist es von strategischer Bedeutung, Herr Gabriel,
wie sich Deutschland auf der anberaumten Ministerratskonferenz Ende dieses Jahres hierzu aufstellt. Ganz konkret müssen wir uns die Frage stellen: Will Europa weiterhin einen Zugang zum All, oder bedienen wir uns
Trägerraketen Dritter? Für mich ist die Antwort klar: Ich
bekenne mich ganz klar zum europäischen Raumfahrtprogramm.
({14})
Noch ein Wort zum Stellenplan - ich muss das sagen -: Wir haben im Haushaltsausschuss der Schaffung
von zahlreichen neuen Stellen im Wirtschaftsministerium zugestimmt. Knapp 100 neue Stellen werden dort
entstehen, um die Umsetzung des reformierten EEG
durchzuführen. Ich gehe davon aus, dass in Verbindung
mit der von uns morgen zu beschließenden EEG-Novelle
die Energiewende zu einem Erfolg geführt wird. Herr
Minister, ich sage aber auch: Angesichts dieser Großzügigkeit beim Stellenaufwuchs ist der Erfolgsdruck natürlich enorm.
({15})
Wir wissen alle, dass wir mit einem enormen Kraftakt
die Umsetzung der Energiewende stemmen müssen.
Neue Stromleitungen müssen gebaut und bei der Förderung des Bereichs der erneuerbaren Energien müssen
neue Wege gegangen werden. Wir als Koalitionshaushälter von CDU/CSU und SPD stellen uns dieser Herausforderung. Wir werden die Energiewende in den
kommenden Jahren erfolgreich umsetzen. Dies wird ein
zentrales, wahrscheinlich das zentrale Projekt dieser Legislaturperiode sein. Lassen Sie uns das gemeinsam anpacken. Ich werbe dafür, dass wir alle mit breiter Mehrheit diesem Haushalt zustimmen.
Herzlichen Dank.
({16})
Das Wort hat nun der Bundesminister für Wirtschaft
und Energie, Sigmar Gabriel.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lassen Sie mich zuerst ein paar Bemerkungen zu den
Fragen bzw. zu der Kritik des Kollegen von der Linken
und der Kollegin von den Grünen sagen.
({0})
- Doch, so viel Fairness muss sein. - Sie haben zuerst
kritisiert, dass wir ein umfangreiches Änderungspaket
zum EEG eingebracht hätten. Ich finde, ehrlich gesagt,
das Lesen von fünf Seiten, auf denen präzise steht, worum es bei den Änderungen geht, ist keine intellektuelle
Überforderung.
({1})
- Ist doch gut! Ihr habt doch morgen noch eine Gelegenheit, zu schimpfen.
({2})
Aber das Ergebnis ist: Es geht um fünf Seiten, die erklären, was gesetzestechnisch in einer Synopse umgesetzt
wurde, wo ganz häufig „Der Text bleibt unverändert“
steht. Daraus machen Sie einen Riesenpopanz.
Viel wichtiger wäre, dass Sie sich beide mit der Frage
auseinandersetzen, ob wir eigentlich diese Querintervention der Europäischen Union nicht im Gesetz hätten beantworten sollen. Sie setzen sich gar nicht mit dem Inhalt auseinander.
({3})
Ich kenne die Position der Linkspartei dazu nicht, aber
eigentlich müssten die Grünen der Bundesregierung sagen: Es ist richtig, dass Sie sich weigern, Stromimporte
nach Deutschland von der EEG-Umlage zu befreien. Sie
wissen doch, dass Teile der Kommission seit Jahren das
Ziel haben, nationale Fördersysteme wie das EEG zu
zerstören.
({4})
Dies ist - das wissen Sie doch - ein weiterer Angriff in
dieser Richtung. Das hat die Kommission am 17. Juni
und am 22. Juni gemacht, nachdem wir sechs Monate
von der Kommission - ({5})
- Herr Krischer, ich weiß ja, dass es mit dem Zuhören
bei Ihnen schwierig ist.
({6})
Trotzdem bin ich aber wirklich ganz ruhig. Ich will nur
versuchen, zu erklären, dass ich glaube, dass Sie darüber
froh sein müssen,
({7})
dass wir diesen Angriff zur Zerstörung des EEG nicht
mitmachen, Herr Krischer.
({8})
Herr Minister, der Kollege Schlecht würde Ihnen
dazu gerne eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie die
zu?
Selbstverständlich, gerne.
Herr Minister, in der Stuttgarter Zeitung steht heute
die Meldung, dass EU-Kommissar Günther Oettinger
verlautbart hat, dass der Streit zwischen Brüssel und
Berlin in dieser Woche nicht mehr beigelegt werden
kann. Wenn das so stimmt, wie wollen Sie dann guten
Gewissens morgen eine entsprechende Gesetzesvereinbarung hier durch das Parlament bringen? Das ist doch
abenteuerlich - ganz abgesehen von dem Schweinsgalopp, der hier kritisiert worden ist. Aber rein sachlich:
Sie wollen morgen etwas beschließen, obwohl im
Grunde die Inhalte noch gar nicht ausverhandelt sind.
Das ist doch wirklich abenteuerlich.
Herr Kollege, es gibt bei der Frage, ob der Deutsche
Bundestag oder die Koalitionsfraktionen einen Angriff
der EU zur Zerstörung des EEG zulassen sollen, keine
Verhandlungsmöglichkeit.
({0})
Wir sagen hier im Deutschen Bundestag und gegenüber der Kommission, dass wir die Position der Kommission für rechtswidrig halten und dass wir deshalb bei
der Position bleiben, die wir jetzt im Gesetzentwurf sozusagen noch einmal hervorgehoben haben. Das ist im
Wesentlichen die Änderung. Es gibt bezüglich der Frage
der Möglichkeit der Förderung erneuerbarer Energien in
Deutschland nichts zu verhandeln.
({1})
Herr Kollege, ich verstehe es deswegen nicht, dass
Sie angeblich Zeit zur Beratung dieser Frage brauchen.
Wenn Sie dafür Zeit brauchen, halten Sie die Zerstörung
des EEG für denkbar und möglicherweise sinnvoll. Das
unterscheidet uns ganz erheblich.
({2})
Bezüglich des zweiten Punktes gehe ich eigentlich
davon aus, dass uns die Grünen - auch da kenne ich die
Position der Linkspartei nicht - unterstützen und dem
Änderungsantrag zustimmen. Frau Hajduk, die Kommission hat am 17. und 22. Juni erstmals mitgeteilt, dass sie
Bestandsanlagen mit 100 Prozent Eigenstrom belegen
will. Insofern müssen Sie sich entscheiden, ob Sie diese
Position richtig oder falsch finden. Ich habe Sie so verstanden, dass Sie die Industriestrukturen in Deutschland
nicht infrage stellen wollen. Dann können Sie das kurzfristige Einbringen eines Änderungsantrages, mit dem
wir abwehren können, was da kommt, doch nicht als
Schweinsgalopp und Überforderung des Parlaments verurteilen.
({3})
Frau Hajduk, damit stellen Sie Ihr Licht derart unter den
Scheffel, dass jeder weiß, dass es dabei nur um Klamauk
geht und nicht um Beurteilung der Sache selbst.
({4})
Darf der Herr Krischer jetzt noch einmal eine Zwischenfrage stellen?
({0})
Aber dann würde ich es auch wirklich gerne dabei belassen; denn wir müssen uns entweder darauf verständigen, dass wir die Redezeiten, die wir beschlossen haben,
einhalten oder dass wir - was natürlich auch eine denkbare Alternative ist - den jeweiligen Minister zu einer
Fragestunde nötigen; dann muss aber eine Reihe der
Wortmeldungen zurückgenommen werden, die in dem
Rahmen, den wir beschlossen haben, zeitlich nicht zu
bewerkstelligen wären - das wäre die Konsequenz.
Darf ich nur anmerken, Herr Präsident: Ich würde
mich gar nicht genötigt fühlen.
Das leuchtet mir sofort ein. - Also, darf der Kollege
Krischer jetzt die Zwischenfrage stellen?
Ja, sicher.
Bitte schön, Herr Krischer.
({0})
- Sie wissen, dass Sie mich da sofort an Ihrer Seite haben, aber das gilt im Rahmen der Beschlüsse, die dieses
Parlament selber trifft, und wir haben gerade einen getroffen.
({1})
Herr Kauder, Sie sollten still sein!
Herr Gabriel, ich habe das so wahrgenommen, dass
diese Koalition sich mindestens seit drei Wochen um das
Thema EEG-Umlage auf Eigenstrom - man kann auch
sagen: Sonnensteuer - streitet,
({0})
dass Sie keine einheitliche Linie gefunden haben, dass
wir wöchentlich, täglich andere Positionen gehört haben.
Jetzt schieben Sie diesen Streit auf die EU-Kommission, bauen darum einen Popanz auf und erzählen uns
urplötzlich, die EU-Kommission mache das Thema
EEG-Umlage auf Eigenstrom zum Problem, deshalb
müsse eine Änderung vorgelegt werden - eine Änderung, die Sie beantragt haben und die so aussieht, dass
zwar jeder 40 Prozent EEG-Umlage auf Eigenstrom zahlen soll, aber über das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz
der Satz für die Industrie - und nur für die Industrie! wieder auf 15 Prozent reduziert werden soll. Also, wenn
das die Politik der EU-Kommission sein sollte, dann verkaufen Sie die EU-Kommission für dumm. Ich glaube
eher, dass das ein billiger großkoalitionärer Kompromiss
ist, um den Streit um die EEG-Umlage auf Eigenstrom,
die Sonnensteuer, zu lösen; darum geht es.
({1})
Herr Krischer, Sie erhalten nachher einen Ausdruck
meiner Antwort auf den Kollegen und meiner Ansprache
an Frau Hajduk; lesen Sie das im Protokoll noch einmal
nach. Ich habe nämlich gesagt, dass vor wenigen Tagen
der Angriff der Kommission auf die Bestandsanlagen erfolgt ist, dass wir sie mit 100 Prozent EEG-Umlage belegen sollen.
Worüber Sie eben geredet haben, betrifft die Neuanlagen. Darüber habe ich gar nicht im Zusammenhang mit
der Kommission gesprochen.
({0})
- Herr Krischer, ich antworte jetzt auf Ihre Frage. Ich
weiß, dass das ganz doll wehtut.
({1})
Aber wenn Sie mich fragen, kann ich nichts anderes tun,
als Ihnen den Sachverhalt zu erläutern. Ich habe hier gegenüber Frau Hajduk - nachzulesen im Wortprotokoll
meiner Rede von vor drei, vier Minuten - erklärt: Die
Kommission hat am 17. und am 22. Juni zum ersten Mal
die Forderung aufgestellt, Bestandsanlagen mit 100 Prozent EEG-Umlage zu belegen. - Das kann eigentlich,
wenn ich Frau Hajduk ernst nehme in ihrem Bemühen,
Industriestrukturen in Deutschland zu erhalten, nicht akzeptiert werden.
Sie haben eine Frage zu einem ganz anderen Sachverhalt gestellt. Da geht es um die Frage: Wie gehen wir mit
dem Eigenstrom um, der durch Neuanlagen erzeugt
wird? - Niemand bestreitet, dass darüber eine Debatte in
der Koalition geführt wurde. Niemand bestreitet, dass
die Koalition - nicht völlig unabhängig von den Hinweisen der Brüsseler, dass man, das wissen wir übrigens
schon länger, nicht akzeptieren könne, dass zwei unterschiedliche Fördersätze gewählt werden - sich erst,
wenn ich mich daran richtig erinnere, Montagabend verständigt hat. Das hat niemand bestritten. Das ist übrigens
auch kein ungewöhnlicher Vorgang. Warten Sie einmal
ab, wenn Sie morgen hier einen Geschäftsordnungsantrag oder Ähnliches stellen zur Frage der Einmaligkeit
dieses Vorgangs, was es da alles für Vorgängerverhalten
gibt!
({2})
- Nein, das nicht; aber es macht ein bisschen das Theater
deutlich, das hier aufgeführt wird.
({3})
Herr Krischer, ich bitte Sie nur um eines: Machen Sie
das, was ich mit Ihnen mache: Ich höre immer genau zu,
was Sie sagen. Das wäre auch umgekehrt ein ganz gutes
Verfahren und ersparte uns die Beantwortung solcher
Zwischenfragen.
({4})
Frau Hajduk, ich werde Ihnen morgen auch nochmals
erläutern - notfalls auch schriftlich -, warum wir natürlich nicht die Absicht haben, Waffenexporte von der
EEG-Umlage zu befreien.
({5})
- Auch das werden wir Ihnen mitteilen.
({6})
Nun zu den Fragen, die vorhin zu den kleinen und
mittelständischen Unternehmen und zur Luft- und
Raumfahrt gestellt worden sind. Denjenigen, die sich
über die Luft- und Raumfahrtförderung beschweren,
möchte ich sagen: Herr Mattfeldt hat, wie ich finde, mit
Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes und
Europas bei diesen Technologien die richtige Antwort
gegeben. Was glauben Sie eigentlich, wie viele mittelständische Zulieferer davon abhängig sind, dass Airbus
ein erfolgreiches Unternehmen ist und im Bereich der
Luft- und Raumfahrt vorankommt? Dieses Unternehmen
hat doch nicht nur ein großes Werk in Toulouse und ein
paar kleine Werke im übrigen Europa, sondern es geht
auch um Tausende von Zulieferern, die von dem, was
wir in der Luft- und Raumfahrtforschung tun, profitieren.
Sie haben natürlich recht, dass der Industriebesatz in
Ostdeutschland absolut nicht zufriedenstellend ist. Das
ist eine Entwicklung, der wir entgegenzusteuern versuchen - das sollten Sie sagen -, indem wir die Mittel für
die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen
Wirtschaftsstruktur“ anheben. Wir haben mit den Koalitionsfraktionen übrigens verabredet, dass sie weiter steigen werden. Bis zu 80 Prozent dieser Mittel - ich habe
Frau Gleicke danach gefragt - fließen in den Osten. Ich
finde, Sie sollten sagen, dass dies eine der Maßnahmen
ist, die wir ergreifen.
({7})
Ich glaube, auch mindestens 40 Prozent der Mittel des
ZIM fließen nach Ostdeutschland.
({8})
- Oder sogar 60 Prozent. - Wir stellen also einen erheblichen Anteil der Mittel für Ostdeutschland zur Verfügung.
Frau Hajduk, was ich überhaupt nicht nachvollziehen
kann, ist Ihre Definition von Mittelstand. Sie sagen, wir
sollen die europäische Definition heranziehen: bis zu
249 Beschäftigte. Was unsere Volkswirtschaft so stark
macht, ist aber, dass es in diesem Land im Unterschied
zu Resteuropa einen außerordentlich starken und international aufgestellten Mittelstand gibt.
({9})
Wollen Sie ernsthaft, dass man ein Unternehmen mit
300, 400 oder 500 Beschäftigten nicht mehr fördern darf,
weil die Schwelle bei 249 Beschäftigten liegt? Das ist
doch nicht sinnvoll. Wir müssen uns fragen: Was zeichnet unsere Volkswirtschaft in besonderem Maße aus?
Anders als der Mittelstand in Frankreich ist unser Mittelstand eben nicht klein und nicht national, sondern relativ
stark, relativ groß und international aufgestellt. Dabei
muss es auch bleiben.
({10})
Insofern: Es gibt hinreichend viele Themen, über die wir
noch miteinander zu reden haben; keine Frage.
Lassen Sie mich wenigstens ein paar Minuten auf die
Herausforderungen eingehen, die trotz der sehr guten
wirtschaftlichen Entwicklung, die Frau Hajduk beschrieben hat, aus meiner Sicht auf uns zukommen. Ich glaube,
der Grund für die gute Entwicklung liegt vor allen Dingen darin, dass wir unfassbar innovative und flexible
Unternehmen und hochqualifizierte Beschäftigte haben,
die den Aufschwung erarbeiten. Es ist ja nicht die Politik, die das tut, sondern es sind die Menschen, die Unternehmen, die Kreativen, die Forscher und die Entwickler,
die den Aufschwung in diesem Land ermöglicht haben.
Aber man darf sich, glaube ich, nicht täuschen: Es
gibt natürlich auch eine ganze Reihe von Herausforderungen, und es stellt sich die Frage, ob wir diesen derzeit
guten Zustand erhalten können. Dazu zählen innenpolitische Herausforderungen - da hat Frau Hajduk völlig
recht - wie die Investitionen; ich glaube, Sie haben dieses Thema auch angesprochen. Die Nettoinvestitionen
unserer Wirtschaft in unserem Land sind zu niedrig, sowohl die Investitionen in die öffentliche Infrastruktur als
auch die privaten Ausrüstungsinvestitionen. Aber, Frau
Hajduk, wenn Sie fragen: „Wie gehen wir mit der guten
Situation um?“, dann dürfen Sie nicht verschweigen:
9 Milliarden Euro investiert diese Koalition in Bildung,
Forschung und Entwicklung
({11})
und 5 Milliarden Euro zusätzlich in die Infrastruktur.
Was tun wir angesichts der guten Entwicklung noch?
Wir sorgen für ausgeglichene Haushalte. Was kann man
für dieses Land eigentlich Besseres tun, als dafür zu sorgen, dass wir solide Finanzen haben, sodass auch bei
steigenden Zinsen nicht immer mehr Steuergelder für
Schulden ausgegeben werden müssen? Das ist Zukunftsvorsorge. Da kann man doch nicht sagen, das sei nichts.
({12})
Eine weitere Herausforderung ist die Gewinnung von
Fachkräftenachwuchs. Immer noch schließen mehr als
50 Prozent der Jugendlichen mit Migrationshintergrund
keine duale Berufsausbildung und kein Hochschulstudium ab. Hier haben wir ein Riesenpotenzial, das wir heben müssen. Wir dürfen nicht nur über die Frage diskutieren: Wen holen wir aus dem Ausland? Wir müssen
auch dafür sorgen, dass wir die jungen Leute im eigenen
Land vernünftig qualifizieren.
({13})
Deswegen ist es richtig, dass der Bund die Länder entlastet. Aber wir wollen, dass die Länder diese Entlastung
nutzen, um in Bildung zu investieren; das ist dabei das
Entscheidende.
({14})
Eine weitere Herausforderung ist die Infrastruktur.
Zwei Drittel der öffentlichen Infrastrukturinvestitionen
tätigen die Kommunen.
({15})
- Na klar, gucken Sie mal nach: Zwei Drittel der öffentlichen Investitionen sind kommunale Investitionen und
keine Investitionen der Länder oder des Bundes.
({16})
Was haben wir beim letzten Mal, noch in der alten
Koalition, gemacht? Durch die Übernahme der Grundsicherung im Alter haben wir im Vermittlungsausschuss
für eine Entlastung von 4,5 Milliarden Euro gesorgt. Die
jetzige Koalition hat verabredet, im Sommer mit dem
Bundesteilhabegesetz noch einmal eine Entlastung von
5 Milliarden Euro pro Jahr zu schaffen, und im Vorgriff
darauf entlasten wir die Kommunen in den Haushalten
2015 und 2016 nochmals jeweils um 1 Milliarde Euro.
Das ist die reale Förderung von öffentlicher Infrastruktur
und Investitionen
({17})
und nicht nur eine Förderung in Reden.
Ich glaube, dass das nicht reicht; das ist keine Frage.
Die Debatte wird aber weniger darüber geführt werden,
welche öffentlichen Investitionen wir noch tätigen, sondern darüber, wie wir privates Kapital für Investitionen
und die öffentliche Infrastruktur mobilisieren können. Es
gibt Geld genug, aber es fließt nicht in die Realwirtschaft und auch nicht in die Infrastruktur. Darüber haben
wir zu reden.
Daneben haben wir natürlich auch über das Thema
Energie zu sprechen, und zwar nicht nur in Bezug auf
das EEG, aber das werden wir morgen ja noch ausführlich tun.
Meine Damen und Herren, die größte Sorge ist nach
wie vor die weitere europäische Entwicklung. Ich
glaube, dass wir uns alle miteinander einig sind, dass Europa neben vielen anderen Ländern der Welt für
Deutschland natürlich von großer Bedeutung ist; denn
wir werden es nur schaffen, unsere ökonomische Stärke
aufrechtzuerhalten, wenn es anderen in Europa auch gut
geht. Es ist ja nicht so, dass Deutschland der Lastesel der
Europäischen Union ist, sondern wir sind die großen
Profiteure der Europäischen Union; denn man wird nicht
Exporteuropameister und Exportweltmeister, ohne dass
andere Menschen die Produkte kaufen. Deswegen geht
es auch darum, dafür zu sorgen, dass es diesen Menschen so gut geht, dass sie sich unsere Produkte leisten
können.
Wir haben gesehen, dass die Europawahl fatale Ergebnisse gebracht hat. Es kann uns nicht gleichgültig
sein, was in Ländern wie Frankreich passiert. Es kann
uns nicht gleichgültig sein, dass in Frankreich eine populistische Partei wie die Front National immer stärker
wird und eine Antieuropäerin, Frau Le Pen, die Chance
hat, nächste französische Präsidentin zu werden.
Wir müssen uns hier darüber im Klaren sein: Damit
diese Länder aus der Strukturkrise herauskommen, sind
Strukturreformen notwendig. Wer sich diesen dauerhaft
verweigert, der wird am Ende keinen Erfolg haben. Ich
glaube, dass Deutschland das beste Beispiel dafür ist.
Was immer man von der Agenda 2010 halten mag, eines
ist, glaube ich, unbestritten: Sie hat in weiten Teilen einen großen Einfluss auf die gute wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes gehabt.
({18})
Wahr ist aber auch, dass Deutschland zum gleichen
Zeitpunkt, 2003, die Defizitkriterien der Europäischen
Union gebrochen hat, was vielfach kritisiert wurde.
Hätte Deutschland damals aber neben den harten Reformen aufgrund der Agenda 2010 auch noch 20 Milliarden
Euro einsparen müssen, dann wäre das Ergebnis doch
nicht gewesen, dass sich die Agenda durchgesetzt hätte,
sondern ich bin mir sicher, dass sie dann überhaupt nicht
zustande gekommen wäre. Eines geht nämlich nicht:
Wenn man Reformen macht, kann man nicht zeitgleich
auf Investitionen verzichten. Das funktioniert nicht. Reformen und Investitionen gehören zusammen. Deswegen
heißt der Pakt übrigens nicht Stabilitätspakt, sondern
Stabilitäts- und Wachstumspakt.
Ich glaube, dass man an diesem Beispiel schön sehen
kann, wo der Unterschied zwischen Deutschland und
Frankreich ist. Frankreich hat die Defizitkriterien zum
gleichen Zeitpunkt auch gebrochen, aber es hat sich kein
Reformprogramm auferlegt, sondern einfach so weitergemacht wie bisher. Das ist der große Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich.
Im Umkehrschluss bedeutet das - das hat die Bundeskanzlerin in der Generaldebatte gestern zu Recht noch
einmal gesagt -: Niemand, auch nicht in der SPD, will
den Stabilitäts- und Wachstumspakt angreifen. Wir wollen ihn auch nicht kreativ umdefinieren oder die Defizitkriterien aufweichen. Darum geht es nicht. Der Pakt
steht, und ich bin froh, dass das in Europa inzwischen
alle - jedenfalls in meiner Parteifamilie - akzeptiert haben.
Innerhalb des Stabilitäts- und Wachstumspaktes gibt
es aber eben eine Vielzahl von Möglichkeiten, dafür zu
sorgen, dass Reformen mit Investitionen Hand in Hand
gehen können. Wenn der italienische Staat 15 Milliarden
Euro aus Fonds der EU nicht abrufen kann, weil er nicht
kofinanzieren kann, da er sonst die Defizitkriterien nicht
erfüllen würde, dann frage ich: Warum ist es nicht möglich, die 15 Milliarden Euro aus den Fonds auszuzahlen
und auf die Kofinanzierung durch den italienischen Staat
zu verzichten? Warum schaffen wir nicht solche Flexibilitäten?
Das erwarte ich von der nächsten Kommission. Wer
Reformen macht, muss Luft zum Atmen für Investitionen und Wachstum haben. Ich erwarte aber nicht eine
irgendwie ideologisch geprägte Debatte um den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Ohne nachhaltige Strukturreformen gibt es kein Wachstum, aber ohne Wachstumsimpulse wirken nachhaltige Strukturreformen eben auch
nicht. Das ist die Diskussion, die wir in Europa führen
müssen.
({19})
Ich bin sicher, dass man das deutsche Beispiel von 2003
offensiv verkaufen kann. Aber die eigentlich schwierige
Debatte ist: Was eigentlich sind die notwendigen Strukturreformen? Das ist die entscheidende Debatte. Da darf
niemand der Härte der Diskussion ausweichen; das müssen alle wissen.
Deswegen bin ich der Überzeugung, dass wir noch
eine Menge Arbeit vor uns haben. Aber auch Deutschland wird seine gute wirtschaftliche Entwicklung nicht
beibehalten, wenn es uns nicht gelingt, Europa zu stabilisieren: ökonomisch, aber auch politisch und kulturell. Es
ist - da hat die Kanzlerin recht - das größte Projekt, das
wir geerbt haben. Es gibt eine Menge zu tun, damit wir
in den nächsten Jahren dieses Erbe in Europa nicht verspielen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({20})
Das Wort hat nun der Kollege Michael Schlecht für
die Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Herr Minister, da Sie eine Erfolgsbilanz der deutschen
Wirtschaftspolitik aufgemacht haben, ist das Erste, worauf man Sie in dieser Debatte hinweisen müsste, dass
wir bei den Löhnen nach wie vor eine vollkommen desaströse Entwicklung haben,
({0})
dass heute die Löhne trotz einer leichten Verbesserung in
den letzten Jahren nach wie vor um 3,6 Prozent niedriger
sind als im Jahr 2000. Das heißt, ein Durchschnittsverdiener verdient heute preisbereinigt deutlich weniger als
im Jahr 2000;
({1})
denn mit der gesamten Politik der Agenda 2010 sind die
Handlungsmöglichkeiten der Gewerkschaften massiv
unterminiert worden.
Es ist erfreulich, dass Sie nächste Woche den Entwurf
eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie vorlegen werden. Wir werden dann allerdings sehen, ob die
darin enthaltenen Regelungen nicht nur in extrem homöopathischer Weise wirken werden.
Ich möchte gerne noch auf einen anderen Punkt - ich
habe ja nicht so viel Redezeit - eingehen.
({2})
Die Situation heute ist Folgende: Die Infrastruktur in
Deutschland verrottet. Die Hälfte der Brücken in
Deutschland ist marode. Die Zahl der Schlaglöcher auf
den Straßen steigt. Bereits heute sprechen Gerichte Autofahrern Schadensersatz zu, wenn durch das Holpern
durch die Schlaglöcher Schäden entstanden sind. An den
Hochschulen fällt der Putz von der Decke usw. usw. Sie
lassen die Infrastruktur Deutschlands faktisch vergammeln. Dafür sind die Regierungen der letzten zehn bis
zwölf Jahre verantwortlich. Was hier geschehen ist, ist
wirklich skandalös.
({3})
Es wurde in den letzten zehn Jahren auf Teufel komm
raus gekürzt, um so gleichzeitig Reichen und Vermögenden 500 Milliarden Euro zu schenken. Hätten wir noch
heute die Steuergesetzgebung von Helmut Kohl, dann
hätte es eine ganz andere Entwicklung gegeben. Seit
2003 sind die öffentlichen Investitionen viel zu niedrig,
um den Verschleiß der Infrastruktur auszugleichen. Das
gibt es in keinem anderen europäischen Land, nur in
Deutschland, vollkommen desaströs. Das Land wird faktisch abgebaut und nicht aufgebaut.
({4})
Neben dem Thema Infrastruktur gibt es einen weiteren Skandal, und zwar im Dienstleistungsbereich: Der
Ausbau von Krippen und Kindertagesstätten reicht bei
weitem nicht aus. In der Bildung wird verstärkt gekürzt,
statt mehr Geld einzusetzen. Es gibt einen guten Grund,
warum in diesen Tagen wieder zu Bildungsstreiks aufgerufen wird und die jungen Leute sich wehren. Dafür
kann man ihnen nur viel Mut und Erfolg wünschen.
({5})
In den Krankenhäusern gibt es zu wenig Pflegepersonal. Die Länder alleine können den Unterhalt überhaupt
nicht stemmen. Ältere Menschen in Heimen werden zu
oft schlecht betreut. Es reicht häufig nur noch für die
Satt-und-sauber-Pflege. Auch das ist in so einem reichen
Land wie diesem schlichtweg menschenunwürdig und
ein Skandal.
({6})
Die jetzige Regierung ändert an dieser Politik nichts.
Haushaltskonsolidierung über alles - das ist zurzeit
große Mode und die Devise in Deutschland. Das ist
falsch. Dabei ginge es auch anders, auch ohne neue
Schulden zu machen: Man müsste sich nur einmal dazu
entschließen, Reiche und Superreiche wieder stärker zu
besteuern, zumindest die Steuern auf das Niveau der Regierungszeit Helmut Kohls anzuheben. Insoweit bin ich
fast ein Fan des Altbundeskanzlers.
({7})
Aber wir sind der Auffassung: Man müsste mehr machen.
Die Linke hat ein steuerpolitisches Konzept, mit dem
die staatlichen Einnahmen um 180 Milliarden Euro pro
Jahr erhöht werden könnten. Der wichtigste Baustein ist
die Wiedereinführung einer Vermögensteuer, mit der
wirklich Reiche mit ihrem Vermögen deutlich zur Besteuerung herangezogen werden. Wir wollen die Millionärssteuer. Das heißt, alle Menschen, die weniger als
1 Million Euro besitzen, werden davon nicht betroffen
sein. Man könnte einmal eine Umfrage machen, wer in
diesem Hohen Hause davon betroffen wäre.
Die Linke will das Vermögen besteuern. Die Millionärssteuer würde vor allen Dingen für die Länder eine
deutliche Verbesserung bedeuten. Denn die Vermögensteuer ist eine Steuer, die vor allem den Ländern zufließt.
Die Länder hätten die Möglichkeit, in dem Bereich Bildung und dem Bereich Soziales vieles voranzubringen.
Sie hätten vor allen Dingen auch die Möglichkeit, die
Zuweisungen an die Kommunen wieder deutlich auszuweiten. Denn die Kommunen sind in der Tat das große
Problem.
Herr Gabriel, ich will auf einen Punkt hinweisen: Die
Kommunen tragen als öffentliche Auftraggeber nicht
mehr zwei Drittel der Investitionen, sondern nur noch
50 Prozent,
({8})
gerade deshalb, weil in den letzten zehn Jahren die Situation durch Kürzungen bei den Kommunen und verschiedene andere Ursachen, die ich jetzt nicht ausführen
kann, so desaströs geworden ist. Die Kommunen, in denen lebensnah entschieden werden kann, was für die
Bürgerinnen und Bürger sinnvoll ist, müssen durch Zuweisungen insbesondere aus den Ländern und andere
Maßnahmen wieder deutlich mehr Geld bekommen, damit dort wieder die Investitionsquoten steigen und 60 bis
70 Prozent der Investitionen in den Kommunen entschieden werden können.
({9})
Um all diese Missstände bei der Infrastruktur, aber
auch gerade im sozialen Bereich auf Bund-, Länder- und
Gemeindeebene anzugehen, plädieren wir dafür, ein umfassendes nationales Zukunftsprogramm aufzulegen.
Wir wollen ein Zukunftsprogramm in einer Größenordnung von 100 Milliarden Euro jährlich für Bund, Länder
und Kommunen. Das muss man abstimmen.
Wir sind für dieses sozial-ökologische Zukunftsprogramm, um die öffentlichen Investitionen in Bildung,
Bauten, Verkehr und vor allem auch in die Energiewende zu erhöhen. Es müssen mehr staatliche Gelder in
die Energiewende fließen. Alleine dafür sollte ungefähr
die Hälfte der Mittel, also 50 Milliarden Euro, aufgewendet werden. Die übrigen 50 Milliarden Euro müssten
in Bildung, Erziehung und die Pflege älterer Menschen
fließen.
Wenn man das machen würde, dann hätte man die
Chance - Sie halten sich ja immer die Erfolge am Arbeitsmarkt zugute; diese „Erfolge“ bestehen im Regelfall
nur in der Ausweitung der Prekarisierung -, mit einem
solchen Zukunftsprogramm 2 Millionen Arbeitsplätze
zu schaffen, und zwar anständige Arbeitsplätze: tariflich
abgesicherte Vollzeitarbeitsplätze, von denen man leben
kann, statt Arbeitsplätze in Hunger- und Niedriglohnbereichen, die in den letzten Jahren so schrecklich grassieren.
Wenn man von staatlicher Seite den Hungerkurs der
letzten zehn Jahre zurücknimmt - auf das daneben bestehende Lohnproblem kann ich jetzt nicht weiter eingehen - und ein Zukunftsprogramm auflegt, dann wäre das
ein wichtiger Schritt, um den verhängnisvollen Außenhandelsüberschuss Deutschlands abzubauen. Wir würden die Binnennachfrage stärken und die Möglichkeit
schaffen, dass andere Länder, die heute unter der Übermacht Deutschlands leiden, verstärkt nach Deutschland
exportieren. Wir hätten auch die Möglichkeit, dass Arbeitsleistung, die heute dem Exportsektor zugutekommt,
für die Binnenwirtschaft eingesetzt wird.
Insoweit wäre das auch ein Beitrag, um die EuroKrise an den Wurzeln zu packen, indem der Außenhandelsüberschuss verringert und am besten auf null gebracht wird.
Herr Kollege.
Ich bin fertig.
Danke schön.
({0})
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege
Michael Fuchs das Wort.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will als Allererstes betonen, dass es uns richtig gut geht. Nach dem,
was Herr Kollege Schlecht eben von sich gegeben hat,
kann es einem ja schlecht werden. So schlecht geht es
diesem Land Gott sei Dank nicht.
({0})
Es geht Deutschland so gut wie nie. Wir haben - nebenbei - die allerhöchsten Steuereinnahmen, die dieses
Land jemals gehabt hat. Die Länder haben die höchsten
Einnahmen, die sie jemals gehabt haben. Das sollten wir
nicht einfach wegdiskutieren. Das ist schließlich ein Erfolg.
({1})
42 Millionen Menschen in Deutschland haben Beschäftigung. Eine solch hohe Beschäftigtenzahl hat es
noch nie gegeben. Es gibt fast 30 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Auch das hatten wir
noch nie. Die Zahl der arbeitslosen Menschen nähert
sich 2,5 Millionen. So niedrig war die Arbeitslosigkeit
nach der Wiedervereinigung Deutschlands noch nie. Wir
haben die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit zu verzeichnen. In vielen Regionen Deutschlands gibt es kaum noch
Jugendliche, die in Ausbildungsverhältnisse gebracht
werden können.
({2})
Auch das hat es noch nicht gegeben. Vergleichen Sie das
einmal mit der Jugendarbeitslosigkeit in allen anderen
europäischen Ländern! Vergleichen Sie bitte einmal das
Lohnniveau Deutschlands mit dem in allen anderen
europäischen Ländern! Dann sehen Sie, wie gut es
Deutschland geht. Nur, Sie können und wollen das nicht
zur Kenntnis nehmen, weil es nicht in Ihre kommunistische Ideologie hineinpasst.
({3})
Wir stehen vor großen, heftigen Aufgaben. Diese gehen wir gemeinsam an. Wir wollen den Bundeshaushalt
zum ersten Mal nach langer Zeit wieder ausgleichen.
Seit 46 Jahren war der Bundeshaushalt nie ausgeglichen.
Der Letzte, der das geschafft hat, war Franz Josef Strauß
1969.
({4})
Ältere Menschen wie ich können sich noch daran erinnern.
({5})
Aber die meisten, die hier sitzen, können das nicht mehr.
Unser Ziel muss wieder sein, ausgeglichene Haushalte
aufzustellen. Wir müssen endlich wieder in der Lage
sein, Zukunft zu gestalten, und dürfen die Last der Zinsen und Zinseszinsen, die unsere Kinder und Kindeskinder zu zahlen haben, nicht weiter erhöhen. Das ist Aufgabe dieser Regierung. Das haben wir uns gemeinsam
vorgenommen. Wir wollen das alles ohne Steuererhö3846
hungen erreichen. Das kann man einfach machen, wie
Sie es wollen, und die Steuern erhöhen. Aber das bringt
gar nichts. Sie sehen es ja: Dort, wo die Steuern zu hoch
sind, sind die Unternehmen weg. Das können Sie in vielen Ländern beobachten.
Wir wollen des Weiteren unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit stärken; das ist unsere Aufgabe. Das
ist nicht einfach. Die gesamte Europäische Union muss
wettbewerbsfähiger werden. Dabei müssen wir aufpassen, dass wir nicht zu viel ausgeben und dass zusätzliche
Sozialleistungen zuallererst gegenfinanziert sein müssen. In dieser Hinsicht sind wir in dieser Legislaturperiode noch ein klein bisschen auf dem falschen Weg.
Aber ich gehe davon aus, dass sich das jetzt ändert.
({6})
Wir haben es geschafft, Europa zu stabilisieren. Herr
Minister, ich bin Ihnen dankbar für das, was Sie eben gesagt haben, nämlich dass es kein Rütteln an diesem Stabilitätspakt geben darf.
({7})
Der Euro ist stabil. Er liegt im Verhältnis zum Dollar
momentan bei 1,36. Mittlerweile hören wir von unseren
exportstarken Firmen, die in den Dollarbereich exportieren, hin und wieder die Bemerkung, der Euro-Kurs
könnte ein bisschen niedriger sein, weil es dann einfacher ist. Nein, der Euro ist stabil, weil wir einen Stabilitätspakt und eine Europäische Zentralbank haben, die
dafür sorgt, dass die Stabilitätskriterien eingehalten werden. Man kann über den berühmten Satz von Herrn
Draghi „Whatever it takes“ nachdenken und sich fragen,
ob das der richtige Weg ist, nämlich bei der Übernahme
von Schulden quasi alles möglich zu machen. Das muss
vielleicht noch ein Stück weit korrigiert werden. Aber
wir sind jetzt auf einem stabilen Weg in Europa, und
auch die meisten Länder haben es kapiert.
Die Programmlösungen, die wir für die einzelnen
Länder gefunden haben, nämlich Leistungen nur dann zu
gewähren, wenn die Länder entsprechende Vorleistungen erbracht haben, sind richtig. Das sieht man schon daran, dass die meisten Länder mittlerweile aus den Hilfsprogrammen heraus sind; Irland ist heraus, Spanien ist
heraus. Ob eine Steuersenkung zu diesem Zeitpunkt
richtig ist, wird sich zeigen. Auf jeden Fall darf eine
Steuersenkung nicht zu einer höheren Neuverschuldung
führen; das muss jeder beachten. Auch Griechenland ist
schon ein gutes Stück weitergekommen. Aber es hat
noch einen langen Weg zu gehen; denn eine schwarze
Null, die sich ohne Berücksichtigung des Zinsbereichs
ergibt, reicht sicherlich à la longue nicht aus. Eines steht
fest: Könnte man mit Staatsausgaben auf Pump Wachstum kaufen, wäre Griechenland sicherlich die wachstumsstärkste Nation Europas. Ginge die Gleichung
„Mehr Schulden gleich mehr Wachstum“ auf, dann wäre
Italien die Lokomotive und nicht das Schlusslicht der
Währungsunion. Dann wären wir das Schlusslicht. Wir
sind es aber nicht. Wir sind tatsächlich die Nation in
Europa, die das größte Wachstum zu verzeichnen hat.
Unser Wachstum wird am Ende des Jahres wahrscheinlich bei 2,5 Prozent liegen. Für eine reife Volkswirtschaft eine Erfolgsstory!
({8})
Deswegen dürfen wir auch nicht in alte Denkmuster
verfallen und glauben, dass wir das in irgendeiner Weise
verändern könnten. Nein, wir müssen dafür sorgen, dass
dieses Wachstum stabil bleibt und dass die Haushalte in
allen europäischen Staaten ausgeglichen werden. Ich bin
der Bundeskanzlerin ausgesprochen dankbar dafür, dass
sie diese Politik so weiterführt.
Eines muss uns in Deutschland besonders bewusst
sein: Deutschland ist das Land, das am stärksten vom
Euro profitiert. Kein anderes Land hat so viele Vorteile
durch den Euro gehabt wie wir, und zwar deswegen,
weil wir über viele Jahre eine stabile Währung mit einer
extrem niedrigen Inflationsrate haben.
({9})
Das heißt für uns, dass auch das Geld unserer Bürgerinnen und Bürger sicher ist. Das sollte eigentlich jeder
wissen.
Stellen Sie sich bitte einfach einmal vor, wir hätten
besonders zu den Zeiten, als die Finanzkrise 2008 und
2009 tobte, den Euro nicht gehabt, sondern wir hätten
die D-Mark gehabt. Wir hätten es mit Aufwertungstendenzen zu tun bekommen, wie sie die Schweiz schmerzvoll gespürt hat. Dann wäre es mit Deutschland als Exportweltmeister ganz schnell zu Ende. Deswegen sind
wir froh, dass wir den Euro haben. Wenn irgendwelche
kruden Parteien propagieren, den Euro wieder abzuschaffen, dann haben die anscheinend nicht verstanden,
wovon Deutschland profitiert hat.
({10})
Wir müssen das Wachstum in Europa stärken, aber
wir müssen auch das Wachstum in der Welt stärken. Ich
bin froh, dass die Wirtschaft hierzulande so wächst, wie
sie es tut, aber wir müssen uns darum kümmern, dass das
auch so bleibt. Deswegen, Herr Minister, sehe ich schon
die Notwendigkeit, dass wir uns sehr stark dafür engagieren, dass die Doha-Runde weitergeführt wird und
dass die Welthandelsrunden weitergeführt werden. Am
liebsten sind mir natürlich multilaterale Vereinbarungen,
nicht bilaterale; denn multilaterale Vereinbarungen sind
gerade für unsere mittelständische Wirtschaft, die Sie
eben angesprochen haben, wesentlich besser, weil die
mittelständische Wirtschaft sich nicht riesige Anwaltsstäbe leisten kann, die sich mit den Regeln und Normen
in jedem einzelnen Land beschäftigen. Ich würde Sie bitten, dass wir uns in den nächsten Wochen und Monaten
- wir haben, wenn das EEG morgen verabschiedet ist,
wieder ein bisschen mehr Zeit, auch einmal etwas anderes zu tun - etwas mehr mit den multilateralen HandelsDr. Michael Fuchs
systemen beschäftigen. Bali war ein guter Ansatz. Der
muss weitergeführt werden. Ich könnte mir vorstellen,
dass wir unsere Hausaufgaben gut erledigen.
Wir müssen uns aber auch dafür einsetzen, dass das
TTIP, das transatlantische Partnership-Agreement, umgesetzt wird, dass es vorankommt. Wenn wir es schaffen,
hier ein Abkommen auszuhandeln, dann werden die
Normen, die zwischen den USA und Europa gelten,
Weltgeltung haben. Wir alle wissen, dass die Amerikaner zurzeit auch über ein transpazifisches Abkommen
verhandeln. Wer als Erster fertig ist, der setzt die Normen. Wenn die Amerikaner zuerst mit den pazifischen
Ländern die Normen gesetzt haben, werden sie sie mit
uns nicht noch einmal ändern, sondern sagen: Dann
nehmt doch bitte die Normen, die wir mit den pazifischen Ländern vereinbart haben. - Das darf nicht der
Fall sein. Ich bin dafür, dass wir schnell machen und dafür sorgen, möglichst zügig dieses transatlantische Partnership-Agreement umzusetzen. Daran müssen wir alle
arbeiten.
Es darf nicht sein, dass mit einem wenig verständlichen Antiamerikanismus gearbeitet wird. Das stört mich
ganz gewaltig; denn das ist nicht richtig und nicht in
Ordnung. Jeder von uns kann sich darüber ärgern, dass
es die NSA gibt. Aber glaubt denn irgendjemand von
uns, dass die Russen nicht mindestens das Gleiche tun?
Oder glaubt denn irgendjemand von uns, dass die Chinesen nicht mindestens das Gleiche tun? Und kein Mensch
redet darüber.
({11})
- Dass Sie, Herr Hofreiter, das nicht verstehen, kann ich
verstehen,
({12})
weil das Ihrem Weltbild nicht entspricht.
({13})
Ich sage Ihnen eines: Dieser Antiamerikanismus muss
zurückgewiesen werden. Das TTIP ist eine Chance für
uns alle, engere Wirtschaftsbeziehungen mit Amerika zu
bekommen und dadurch größere Chancen zu erhalten.
Darf der Kollege Ernst eine Zwischenfrage stellen?
Die muss ich nicht ernst nehmen, aber mache ich.
Na ja. - Es empfiehlt sich eigentlich, nur dann eine
Zwischenfrage zuzulassen, wenn man auch beabsichtigt,
sie ernst zu nehmen, Herr Kollege.
({0})
Wir schauen einmal.
Herr Präsident, ich danke Ihnen für diesen Hinweis. Sie haben sich gerade dahin gehend geäußert, dass es
sich bei denjenigen, die Kritik am transatlantischen Handelsabkommen üben, um Antiamerikanismus handeln
würde. Wie stellen Sie sich denn zu der Aussage unseres
Wirtschaftsministers, der insbesondere den Investorenschutz, der die Rechtsordnung der Bundesrepublik
Deutschland und übrigens auch Rechtsordnungen anderer Staaten in Europa mehr oder weniger außer Kraft setzen würde, durchaus kritisch sieht?
({0})
Er hat auf einer Veranstaltung, bei der ich selber war, gesagt, dass zwischen Partnern, Deutschland, Europa und
Amerika, bei denen es funktionierende Rechtssysteme
gibt, kein besonderer Investorenschutz mit einer besonderen Gerichtsbarkeit notwendig ist. Sehen Sie das ähnlich? Wenn Sie das ähnlich sehen würden, würde das ja
eher eine Kritik an diesem Handelsabkommen und nicht
einen Antiamerikanismus bedeuten. Oder wollen Sie unserem Wirtschaftsminister Antiamerikanismus unterstellen?
Erstens. Das werde ich nicht tun.
Zweitens. Dieses Abkommen ist, wie Sie wissen,
noch nicht endverhandelt. Dass man beim Thema Investorenschutz durchaus anderer Meinung sein kann, halte
ich für völlig in Ordnung. Wir werden ja noch weiter
verhandeln. Ich habe nur gesagt, dass wir dieses Abkommen möglichst zügig zu Ende verhandeln sollten. Daran
werden wir alle arbeiten und in der nächsten Zeit hoffentlich weiterkommen.
Es kann nicht sein, dass wir uns ausschließlich über
Chlorhühnchen oder Ähnliches unterhalten. Dazu hat es
vor kurzem diverse Untersuchungen gegeben, die besagen, dass das sowieso eine Fehlinformation gewesen ist.
({0})
Ich will nur herausgreifen, dass wir darüber diskutieren,
ob Blinklichter rot oder gelb sind. Allein solche Handelshemmnisse führen dazu, dass die Automobilindustrie in großem Stil zusätzliches Geld investieren muss,
wenn sie Autos nach Amerika exportieren will. Das
muss geändert werden. Dafür ist ein solches Abkommen
da. Wir müssen gemeinsam mit den Amerikanern die
richtigen Normen setzen. Ich glaube, wir sind auf einem
guten Weg.
Meine Damen und Herren, über die Energiepolitik
werden wir morgen diskutieren. Deswegen werde ich
nicht näher darauf eingehen. Eines steht für mich fest:
Ich habe Verständnis dafür, das die Opposition Schwierigkeiten damit hat, dass diverse Punkte nun schnell erledigt werden müssen. Der Minister hat aber eben völlig
zu Recht erklärt, dass es keine Alternative dazu gab. Wir
alle müssen wissen: Steht das Gesetz nicht am 1. August
im Gesetzblatt, dann hat die deutsche Wirtschaft ein riesengroßes Problem, weil das BAFA keine Bescheinigungen mehr ausstellen darf.
({1})
Das darf nicht passieren. Ich möchte die deutsche Wirtschaft schonen. Es muss die deutsche Wirtschaft auch im
nächsten Jahr Anträge zur EEG-Befreiung stellen können. Dafür ist es dringend notwendig, dass das Gesetz
morgen durch den Deutschen Bundestag kommt. Wir
werden das hinbekommen. Ich bin allen, die daran beteiligt waren, sehr dankbar.
Wir wissen, dass es ein erster Schritt ist, es ist ein erstes EEG-Reformgesetz. Aber nach der Reform ist vor
der Reform. Wir müssen das Strommarktdesign angehen,
({2})
wir müssen die Ausschreibung bei erneuerbaren Energien organisieren, wir brauchen einen EnergieeffizienzAktionsplan. Ich bin mir mit Frau Hajduk darin einig,
dass wir noch einiges zu tun haben.
({3})
Das ist eine große Aufgabe, die vor uns liegt. Ich gehe
davon aus, dass wir sie gemeinsam angehen werden, und
freue mich auf die weitere Zusammenarbeit.
({4})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der
Kollege Dieter Janecek das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Dr. Fuchs, ich
freue mich, dass es Ihnen so gut geht. Der Energiewende
geht es nicht so gut. Das hat auch damit zu tun, Minister
Gabriel, was Sie in den letzten Wochen und Monaten gemacht haben. Man kann es natürlich auch mit Humor
nehmen, dass Sie sich hier als Fels in der Brandung hinstellen, während wir im Bundestag in der parlamentarischen Beratung das größte Chaos erleben, das wir in den
letzten Jahren erlebt haben.
({0})
- Da kann noch mehr kommen, sagen Sie? Da bin ich
aber gespannt.
Als Wirtschaftsminister ist man auch dafür da, Investitionen anzuregen. Die Wahrheit ist aber doch: Was Sie
in den letzten Monaten gemacht haben, ist, Investitionen
in Milliardenhöhe auf Halde zu legen. Allein in meiner
Heimatregion Niederbayern sind in diesem Jahr in
Windkraft 100 Millionen Euro nicht investiert worden.
Das ist doch die Wahrheit, was die Energiewende angeht: Das ist Abbruchstimmung, nicht Aufbruchstimmung.
({1})
Mit Verlässlichkeit hat das gar nichts zu tun.
Wir reden hier auch über Gründungsdynamik. Sie selber haben jetzt einen Gründungsmonitor für die Erneuerbaren herausgegeben. Die Zahl der Gründungen hat sich
verdreifacht. Ob das bei dieser Politik so weitergeht, darauf bin ich ja sehr gespannt. Wenn man dann den Haushalt anschaut, stellt man fest, dass 20 Prozent Ihres Etats
für die Steinkohleförderung vorgesehen sind. Sie streichen bei der Effizienz. Sie tun nichts beim Breitbandausbau. Da wäre 1 Milliarde Euro nicht schlecht gewesen,
liebe SPD.
({2})
Sie tun nichts bei der steuerlichen Forschungsförderung.
Da fehlt es doch. Da fehlt es doch wirklich, was das
Thema Innovation angeht.
Jetzt kommen wir einmal zu der Frage nach Zukunftstrends im Haushalt. Wir müssen ja über den Tellerrand
hinausschauen. Schauen wir einmal, was die Welt so
macht: Google baut das selbstfahrende Auto, Tesla
macht das elektrische Fahren attraktiv, und wir in
Deutschland kriegen die Nationale Plattform Elektromobilität nicht auf die Reihe. Es kann doch nicht sein, dass
wir bei so einem zentralen Zukunftsthema nicht vorankommen.
({3})
In Bezug auf das Thema Digitalwirtschaft, Minister
Gabriel, habe ich registriert, dass Sie nach vorne gehen
wollen und dass Sie erkannt haben, dass die Venture-Capital-Bedingungen verbessert werden müssen. Wir waren ja mit einigen Mitgliedern des Ausschusses Digitale
Agenda und des Wirtschaftsausschusses im Silicon Valley. Dort hat jedes Unternehmen 32-mal so viel Kapital
zur Verfügung wie in Deutschland. Das müssen wir jetzt
nicht ausgleichen, aber es wäre nicht schlecht, ein bisschen näher an diesen Wert heranzukommen.
Wir müssen eines verstehen: Die Wertschöpfungsketten verschieben sich: von der Hardware zur Software.
Industrie 4.0 wird ein großes Leitthema. Das ist nicht nur
ein Thema für Fachpolitiker, sondern das muss auch ein
Thema für den Wirtschaftsausschuss werden. Deswegen
noch einmal: Breitband ist ja ein wichtiges Thema - die
Milliarde wäre ganz gut; die könnten wir gebrauchen -,
aber es geht eben nicht nur um technologische Innovation, sondern es geht auch um soziale Innovation. Die
Crowdfunding-Szene hier in Berlin ist sehr stark geworden. Damit müssen wir uns auseinandersetzen. Auch die
Sharing-Plattformen - ich war jetzt in San Francisco und
Seoul, den beiden führenden Städten der Welt, die die
Ökonomie des Teilens vorantreiben - sind ein Thema,
bei dem nichts getan wird und bei dem wir wirklich einmal in die Offensive gehen müssten, um auch die digitalen Potenziale auszuschöpfen.
({4})
In diesem Sinne glaube ich wirklich: Es geht darum,
dass wir nicht die Vergangenheit verteidigen. Ich habe
übrigens Ihren Beitrag in der FAZ, den Sie zur digitalen
Ökonomie geschrieben haben, sehr stark so gelesen, dass
Sie die Deutschland AG gegen die Internetfirmen aus
den USA verteidigen wollen. Aber so wird der Weg
nicht gehen.
({5})
- Ich habe den so gelesen, und viele andere haben den so
gelesen. - So wird das nicht gehen. Am Ende müssen
Sie gestalten. Wir arbeiten ja zusammen. Ich meine, das
Industriewerk in Michigan machen Siemens und Google
ja zusammen, Ford 4.0 sozusagen. Es geht wirklich auch
um Kooperation und darum, nach vorne zu denken. Das
Ganze funktioniert doch nur, wenn Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Ressourcenschonung im Vordergrund
stehen. Das tun sie nicht. Dazu fehlen die Ansätze im
Haushalt. Da müssen wir hinkommen. Ich bitte Sie herzlich, dass wir in diesem Bereich an die Spitze kommen;
denn da liegt unsere Marktführerschaft auf der Welt. Da
müssen wir etwas tun.
Danke schön.
({6})
Wolfgang Tiefensee ist der nächste Redner für die
SPD-Fraktion.
({0})
Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Will man die Wirtschaftskraft eines Landes
messen, will man sich über Wirtschaft streiten und über
das, was die Politik beizutragen hat, um die Wirtschaft
voranzubringen, dann kann man die Zahlen der Wirtschaftsinstitute zurate ziehen oder zu den Unternehmerinnen und Unternehmern, den Arbeitnehmern, den Gewerkschaften gehen und fragen: Wie sieht es aus?
Wir haben jetzt von der Opposition gehört, namentlich von Ihnen, Herr Claus, dass alles ziemlich düster
aussieht. Herr Schlecht hat die wirtschaftliche Lage und
die Situation auf dem Arbeitsmarkt als negativ und
schlecht dargestellt.
({0})
Ich möchte am Anfang ganz gerne einmal ein paar
Zahlen ins Gedächtnis rufen, die das widerlegen.
Schauen wir auf die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts. Wir verzeichnen in diesem Jahr wahrscheinlich
ein BIP-Wachstum von 2 Prozent, für das nächste Jahr
sind 2,2 Prozent prognostiziert. Herr Claus, wenn wir
immer wieder nur Ost und West vergleichen und damit
letztlich die positive Entwicklung der letzten Jahre und
Jahrzehnte schlechtmachen, dann nehmen wir gerade
den Menschen aus Ostdeutschland Motivation und
Schub.
({1})
Es geht darum, dass wir nicht nur Ost und West miteinander vergleichen, sondern uns mit Blick auf das Bruttoinlandsprodukt einmal die einzelnen Bundesländer ansehen. Herr Claus, da wird Ihnen auffallen, dass
zwischen den westdeutschen und den ostdeutschen Bundesländern eben nicht mehr die Lücke von vor zehn Jahren besteht, sondern dass Sachsen und Thüringen mittlerweile zu Schleswig-Holstein aufgeschlossen haben.
Schauen wir uns einmal die Arbeitslosenquote an.
Wie oft haben wir früher davon gesprochen, dass sie im
Osten deutlich höher ist als in Westdeutschland, nämlich
doppelt so hoch? Was können wir jetzt für Mai 2014
feststellen? In ganz Deutschland beträgt die Arbeitslosenquote 6,6 Prozent, in Westdeutschland etwa 5,8 Prozent, in Ostdeutschland 9,7 Prozent. Herr Claus, in den
letzen zehn Jahren hat sich die Arbeitslosigkeit - nicht
nur in meiner Heimatstadt - halbiert. Man muss einmal
deutlich sagen: Das ist nicht zuletzt das Ergebnis des
Aufbaus Ost - Ärmelaufkrempeln im Osten, Solidarität
durch den Westen - und eben auch einer beherzten Politik, nicht zuletzt hier im Bundestag. Wer das verschweigt, der sagt eben nur die Hälfte der Wahrheit.
({2})
Die vorliegenden Zahlen sagen auch etwas über die
Schwierigkeiten und Defizite, die wir noch zu beseitigen
haben. Dabei ist einmal die Frage der Investitionsquote
zu betrachten. Sie ist in den letzten 15 Jahren - 1999 lag
sie bei etwa 20 Prozent - leider auf 17 Prozent gefallen.
Aber es zeichnet sich ab, dass die Politik der letzten
Jahre greift. Das Rheinisch-Westfälische Institut für
Wirtschaftsforschung, RWI, prognostiziert für das laufende Jahr ungefähr 4,9 Prozent mehr Anlageinvestitionen und für das nächste Jahr ungefähr 4,5 Prozent mehr
Anlageinvestitionen. Noch viel wichtiger ist: Die Ausrüstungsinvestitionen, also die Investitionen in Maschinen, werden in diesem Jahr um etwa 6 Prozent und im
nächsten Jahr um etwa 8 Prozent steigen. Das heißt, in
dem Bereich, in dem es für uns dringend nötig ist, findet
ein Aufwuchs statt, nämlich bei den Investitionen in Anlagen und Ausrüstung. Das ist ein Ergebnis kluger Politik der Unternehmen, aber eben auch der politischen
Rahmenbedingungen.
({3})
Das eine ist, die Statistiken zu bemühen; das andere
ist, zu den Unternehmerinnen und Unternehmern zu gehen. Traut man einer Umfrage, die der Bundesverband
mittelständische Wirtschaft gerade durchgeführt hat, so
gibt es einige schwerwiegende Probleme in den Unternehmen, die wir im Blick behalten müssen. Der Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt ist bereits mehrfach
angesprochen worden. Was Frau Ministerin Nahles
macht, was der Wirtschaftsminister tut, was die Familienministerin in Angriff genommen hat, das alles sind
Bausteine zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir möchten, dass Schulabbrechern eine
zweite Chance gegeben wird, dass Arbeitslose wieder
berufstätig werden, dass mehr Ältere in den Arbeitsmarkt integriert sind. Schließlich müssen wir darüber
nachdenken, wie wir ausländische Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer, die in Europa, aber auch anderswo
leben, nach Deutschland holen. Das ist eine unserer wesentlichen Herausforderungen. Diese Bundesregierung
und namentlich der Wirtschaftsminister verschreiben
sich ihrer Bewältigung.
({4})
Außerdem geht es darum, in die Infrastruktur zu investieren. Wenn die Mittel für die Kommunen einen
Aufwuchs von 6 Milliarden Euro erfahren, wenn wir
9 Milliarden Euro in Bildung investieren, wenn wir mehr
Mittel für die Wirtschaftsförderprogramme zur Verfügung stellen - für ZIM 513 Millionen Euro, ein deutlicher Posten im Etat, und für GRW reichliche 580 Millionen Euro; also ebenfalls ein namhafter Posten im Etat -,
dann leisten wir einen Beitrag dazu, dass in Deutschland
insgesamt mehr investiert wird, dass geforscht wird und
dass Innovationen stattfinden. Darauf ist der Mittelstand
- und nicht nur er - in den nächsten Jahren angewiesen.
Die Bundesregierung stellt die Weichen richtig.
({5})
Neben der Verbesserung der Infrastruktur und der
Förderung von Innovationen ist das Thema Energie ein
drittes wichtiges Thema. Wir werden morgen ausführlich darüber debattieren. Das, was hier seitens der Opposition gemacht wird, nämlich die Energiewende
schlechtzureden, führt gerade nicht dazu, dass in den
kommenden Jahren mehr Investitionen getätigt werden.
({6})
Ein Investitionsprogramm ist auch, Herr Hofreiter, dass
Deutschland als führende Nation auf diesem Gebiet neue
Produkte, neue Technologien im Bereich der erneuerbaren Energien nicht nur ausprobiert, sondern auch marktfähig macht. Das ist ein Investitionsprogramm par excellence. Wir werden morgen die Weichen dafür stellen,
dass das Ganze auch gelingt.
({7})
Etwas anderes, was im Bereich der Energiewende
wichtig ist, sind natürlich die Energiekosten, die nicht
zuletzt den Mittelstand belasten. Mit dem „ErneuerbareEnergien-Gesetz 2.0“ stellen wir morgen die Weichen
dafür, dass der Anstieg der EEG-Umlage gedämpft wird,
dass Planungssicherheit besteht, dass sich die Unternehmen auch in der Zukunft auf unsere Entscheidungen verlassen können. Das ist eine richtige Weichenstellung.
Aus diesem Grund sage ich an die Opposition gerichtet: Mäßigen Sie sich in Ihrer Kritik! Schauen Sie auf die
Fakten! Hören Sie auf das, was Unternehmerinnen und
Unternehmer sagen! Sie werden feststellen, auch im europäischen Kontext: Deutschland geht es gut. Dazu trägt
die Politik nicht unbeträchtlich bei.
Vielen Dank.
({8})
Das Wort erhält nun die Kollegin Eva BullingSchröter für die Fraktion Die Linke.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! „Deutschlands Zukunft gestalten“, das ist der
Titel des Koalitionsvertrags der Regierungsparteien.
Dann nehmen wir die Bundesregierung einmal beim
Wort!
In den Bereichen erneuerbare Energien, Energieforschung und Steigerung der Energieeffizienz soll der Umstieg auf eine saubere und bezahlbare Energieversorgung
in die Wege geleitet werden. Nun hat sich Rot-Schwarz
gerade beim Thema Energieeffizienz einiges vorgenommen. Die Versprechungen der Großen Koalition lesen
sich gar nicht so schlecht. Da steht auf Seite 37 der Koalitionsvereinbarung:
Die Senkung des Energieverbrauchs durch mehr
Energieeffizienz muss als zentraler Bestandteil der
Energiewende mehr Gewicht erhalten.
Da sagen wir: Bravo! Richtig! Das wollen wir auch. Sogar von der Effizienz als zweite Säule der Energiewende ist die Rede. Unter einer Säule versteht man meines Erachtens etwas wirklich Großes. Wenn ich dann
aber sehe, was die Bundesregierung im Einzelplan 09,
Kapitel „Energie und Nachhaltigkeit“, vorhat - es gibt
so gut wie keine neuen Mittel und weiter das alte Programm -, dann erkenne ich da keine tragende Säule, sondern eher lahme Gäule.
({0})
Ich sage Ihnen: Kommen Sie endlich einmal auf Trab!
Wenn nur darauf gewartet wird, dass Häuslebauer und
Wirtschaft von ganz alleine in eine ressourcensparende
Zukunft investieren, dann können wir die Energiewende
vergessen; das ist einfach so.
Jetzt kann man natürlich argumentieren wie Sie: Die
Haushaltsmittel reichen aus. - Das Beispiel „energetische Gebäudesanierung“ zeigt aber perfekt, wie die
Energiewende nicht angegangen werden darf. Wie bei
der Ökostrom-Novelle, die Sie durchs Parlament peitschen - ich muss sagen: das ist ein wirklich unwürdiges
Schauspiel - und mit der Sie das EEG in der alten Form
beerdigen, so setzen Sie auch bei der Energieeffizienz
blindlings auf den Markt. Bis 2050 80 Prozent des Primärenergieeinsatzes im Gebäudebereich einzusparen, ist
mit einem Weiter-so leider nicht machbar.
Wir haben es bei der Gebäudeeffizienz ganz klar mit
einem Versagen des Marktes zu tun. Das ist kein offenes
Geheimnis; das ist Erkenntnis, und zwar nicht nur bei
der Opposition, meine Damen und Herren. Sogar die eigenen Leute treten der Bundeskanzlerin und ihren Ministern auf die Füße, wie zum Beispiel Stephan Kohler,
Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur, die immerhin zur Hälfte staatlich finanziert ist. Er hat einen
Brandbrief an Frau Merkel geschrieben, und ich unterstütze das. Das Handelsblatt zitiert, für ihn sei es „kaum
verständlich“, dass die Quote bei der energetischen Modernisierung seit Jahren bei mickrigen 1 Prozent stagniert und dass die Regierung die Hände weiter in den
Schoß legt.
Auch wir fragen uns natürlich: Warum passiert da
überhaupt nichts? Ich kann nur sagen: Meiner Meinung
nach fehlt hier der politische Wille zur Gestaltung. Der
Markt richtet es eben nicht; das wissen wir.
({1})
Wenn Sie so weitermachen, dann verschenken Sie die
Zukunft auf Kosten von Klima und Infrastruktur.
({2})
Ich sage Ihnen: Gerade im Bereich Klima halte ich das
für absolut unverantwortlich.
({3})
Dabei ist Energieeffizienz der ungehobene Schatz der
Energiewende. Für ein Gelingen der Energiewende ist
der Gebäudebereich der zentrale Faktor; das erzählen Sie
uns auch immer wieder. Über ein Drittel des Energiebedarfs in Deutschland wird für Heizen und Warmwasser
verwendet. Da wäre ein Rieseneinsparpotenzial. 2 bis
4 Prozent aller Häuser und Wohnungen in Deutschland
müssten im Jahr modernisiert werden. Wir brauchen also
eine Verdoppelung der dafür vorgesehenen Mittel. Das
Marktpotenzial für Wohngebäude und Nichtwohngebäude wird auf jährlich 66 Milliarden Euro geschätzt;
das ist ein riesiger Jobmotor. Mit den 1,8 Milliarden
Euro im Haushalt schafft man das selbstgesteckte Ziel
von 2 Prozent jedenfalls nicht; das sagen alle Experten.
Die Energiewende im Gebäudebereich haben Sie
fahrlässig verpennt, meine Damen und Herren. Wir fordern Sie auf, jetzt etwas zu tun.
({4})
Wir fordern die Auflösung des Energie- und Klimafonds. Das empfiehlt auch der Bundesrechnungshof,
nachdem der Emissionshandel als marktbasiertes Element zur CO2-Reduzierung grandios gescheitert ist. Die
vorhandenen 1,1 Milliarden Euro für Gebäudesanierung
wollen wir aus diesem Fonds in den Haushalt überführen
und die Mittel auf insgesamt 5 Milliarden Euro aufstocken. Nur so kann es gehen. Das wäre ein klares Signal.
So fördert man Investitionen, und so schafft man auch
Akzeptanz für die Energiewende. Die Menschen müssen
sehen, wofür die Mittel verwendet werden.
An diesem Anspruch - so habe ich das Gefühl scheint die Bundesregierung zunehmend zu scheitern,
auch beim EEG. Wir haben dazu schon viel gesagt. Wir
werden morgen weiter darüber diskutieren. Ich glaube in
Bezug auf die Verhandlungen mit der EU-Kommission,
Herr Gabriel: Sie wollen hier katholischer sein als der
Papst.
({5})
Sie wollen die Marktliberalisierung auf Teufel komm
raus. - Das ist mein Gefühl.
({6})
„Deutschlands Zukunft verwalten“ - und das auch
noch schlecht - wäre eindeutig der bessere Titel für Ihre
Koalitionsvereinbarung.
({7})
Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Joachim
Pfeiffer für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
beraten in dieser Woche den neunten Bundeshaushalt,
der von einer unionsgeführten Bundesregierung seit
2005 aufgestellt wird. Man kann in der Tat sagen, dass
das eine Erfolgsgeschichte ist.
({0})
- Sie können ruhig lachen. Seit Sie nicht mehr dabei
sind, ist es eine Erfolgsgeschichte. - Die Aussichten sind
sonnig. Deutschland wird in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von - es wurde gerade nach oben korrigiert; ein halbes Jahr ist ja bereits um - wahrscheinlich
über 2 Prozent erreichen; 2015 wird es voraussichtlich
bei 2,2 Prozent liegen. Der Arbeitsmarkt - auch das ist
heute bereits angeklungen - bleibt dynamisch. Bei den
Beschäftigtenzahlen jagen wir von einem Allzeithoch
zum nächsten: Wir haben fast 43 Millionen Erwerbstätige, und zwar entgegen anderslautenden Unkenrufen
von den Linken - es war ja klar; die kommen immer 3852
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Das sind
mehr als 3 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mehr als 2005, als die Union die Regierung
übernommen hat.
Dass dies so ist, hat vor allem damit zu tun, dass wir
solide gewirtschaftet haben, dass der Bundeshaushalt
heute so solide aufgestellt ist wie schon lange nicht
mehr. Die Wirtschaft gedeiht eben am besten, wenn sie
verlässliche Rahmenbedingungen und genug Freiheit zur
kreativen Entfaltung hat. Deshalb möchte ich zu Beginn
meiner Ausführungen das Thema Staatsquote, das früher
häufig diskutiert wurde, ansprechen. Sie ist nämlich ein
Maß dafür, wie es um diese Freiheit steht. Bei der Staatsquote gilt, anders als bei Wachstum und Beschäftigung:
weniger ist mehr. Je niedriger die Ausgaben der öffentlichen Haushalte sind, umso positiver ist es; denn umso
weniger mischt sich der Staat in die Wirtschaftsprozesse
ein. Weniger staatliche Steuerung bedeutet mehr Freiraum für Wachstum, Innovation und Beschäftigung.
({1})
Die Staatsquote sinkt; Wachstum, Beschäftigung und
Wettbewerbsfähigkeit steigen. Wir haben heute in
Deutschland eine Staatsquote von unter 45 Prozent, mit
weiter sinkender Tendenz. Ende der 90er-Jahre lag sie
bei über 50 Prozent. In der Krise ist sie temporär wieder
etwas nach oben gegangen und auf über 48 Prozent angestiegen, und zwar durch die Konjunkturpakete und
den Einbruch im privaten Bereich, den wir 2008, 2009
und Anfang 2010 erlebt haben. Aber jetzt stimmt die
Richtung wieder.
Ein Vergleich mit anderen Ländern zeigt signifikant,
dass die Lage in den Ländern, in denen die Staatsquote
hoch ist, nämlich in Frankreich mit 57 Prozent, in Italien
mit über 51 Prozent und in Griechenland mit immer
noch über 50 Prozent - dort waren es ja einmal fast
60 Prozent -, weitaus schlechter ist als bei uns. Das
heißt, der Weg, den wir in Deutschland eingeschlagen
haben, ist auch der richtige Weg - das ist keine Besserwisserei oder Arroganz; das ist unsere eigene Erfahrung - für
Europa. Das ist verschiedentlich angeklungen; auch der
Wirtschaftsminister hat das vorhin angesprochen. An
Konsolidieren und Wachsen werden wir auch in Europa
nicht vorbeikommen. Insofern ist schon die Diskussion
über die Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes gefährlich; denn das sendet falsche Signale aus.
({2})
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist flexibel genug. Frankreich und Italien haben jetzt mehr Zeit für die
Umsetzung bekommen. Diese Flexibilität gilt es zu nutzen. Aber es muss natürlich schon mit Strukturreformen
begonnen werden. Frankreich ist leider immer noch sehr
zögerlich.
({3})
Wenn man weniger schnell in die falsche Richtung geht,
dann geht man immer noch in die falsche Richtung. Man
muss in die richtige Richtung gehen. Es sind entsprechende Strukturreformen an den Märkten vorzunehmen,
am Arbeitsmarkt und auch an den Gütermärkten, damit
es in die richtige Richtung geht und mittelständische Unternehmen eine Chance bekommen und Innovationen
gefördert werden. Wir dürfen insofern nicht den Zeigefinger erheben, sondern müssen mit Überzeugungsarbeit
in Europa dafür werben und demonstrieren, dass der bei
uns eingeschlagene Weg auch für den Rest Europas der
richtige ist.
({4})
Aber auch wir sollten uns keinesfalls auf unseren Lorbeeren ausruhen; denn es gilt ganz klar: Wer nicht immer
besser wird, hört auf, gut zu sein. - Deshalb müssen
auch wir weitere Schritte unternehmen.
Da wir über den Haushalt sprechen, will ich hier festhalten: Den eingeschlagenen Weg - Konsolidieren und
Wachsen - gilt es auch bei uns weiterzugehen, insbesondere was die Maastricht-Kriterien angeht. Wir haben es
in den vergangenen vier, fünf Jahren geschafft, den
Haushalt mehr oder weniger stabil zu halten; das Volumen ist dieses Jahr sogar geringer als im letzten Jahr.
Das heißt, wir müssen keine schmerzhaften Einschnitte
vornehmen, können es uns aber - bei anhaltendem
Wachstum im privaten Sektor und einem starken Binnenkonsum, der mittlerweile eine mindestens genauso
wichtige Säule des Wachstums ist wie der Export gleichzeitig erlauben, das Staatsdefizit zu drücken. Die
Verschuldung liegt bei uns bereits deutlich unter 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, und wir werden in dieser Legislaturperiode eine Verschuldung unter 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen. Ziel ist, in der
nächsten Legislatur eine Verschuldung von 60 Prozent
des Bruttoinlandsprodukts zu erreichen. Das ist der richtige Weg für Deutschland; das ist auch der richtige Weg
für Europa.
({5})
Wir investieren in Bildung und Forschung. 2014 stehen 14 Milliarden Euro für Bildung und Forschung zur
Verfügung. Das ist fast doppelt so viel wie 2005, als wir
die Regierung übernommen haben; damals waren es
7,5 Milliarden Euro. Von den im Koalitionsvertrag vereinbarten zusätzlichen 9 Milliarden Euro für Bildung
und Forschung - der Wirtschaftsminister hat es vorhin
angesprochen - fließen 5 Milliarden Euro in Schulen
und Hochschulen, 1 Milliarde Euro in den Kitaausbau
und 3 Milliarden Euro in den Bereich „Forschung und
Entwicklung“. Das Ziel, 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung aufzuwenden,
wird damit dauerhaft gesichert.
Mit neuen Impulsen wird das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, das hervorragend läuft und das
wir auch mit diesem Haushalt weiter stabilisiert haben,
damit möglichst alle sinnvollen Projekte gefördert werden können, auf höchstem Niveau mit 500 Millionen
Euro fortgeführt. Ich will wiederholen, was der Kollege
Mattfeldt vorhin gesagt hat -: Aus Sicht der Union ist
das ZIM das zentrale Förderinstrument für den Mittelstand, für Innovationen, für Anwendungsorientierung.
Sollte sich erweisen, dass wir die Mittel noch erhöhen
müssen, dann werden wir dies im Haushalt 2015 und darüber hinaus berücksichtigen; denn die Mittel sind dort
gut angelegt.
({6})
Wir investieren auch in den Ausbau der Infrastruktur,
nicht nur im Bereich der Verkehrswege - dafür stellt der
Bundeshaushalt 5 Milliarden Euro mehr zur Verfügung -,
sondern auch im Bereich der Breitbandinfrastruktur, und
zwar intelligent, nämlich nicht nur durch Steuer- und
Haushaltsmittel, sondern auch durch die Digitale Dividende II. Hier müssen auch die Länder mitmachen. Ich
denke, wir sind da auf einem guten Weg. Wir nutzen
nicht mehr benötigte Frequenzen für den Breitbandausbau, damit über Funk neben Kabel und anderen Breitbandinfrastrukturen neue Wege ermöglicht werden. Mit
dem eingenommenen Geld beschleunigen wir den Breitbandausbau, der dringend notwendig ist.
({7})
Fakt ist - auch das ist vorhin angeklungen -: Wir haben einen Investitionsstau, den wir nicht nur mit öffentlichen Mitteln, weder auf Bundes- noch auf Länder- oder
kommunaler Ebene, beheben können. Vielmehr müssen
wir uns ganz genau anschauen, warum nicht nur bei den
energieintensiven Unternehmen die Abschreibungen höher sind als die Investitionen, warum also - auf gut
Deutsch - eine Deindustrialisierung stattfindet, warum
wir von der Substanz leben, auch im Verkehrsinfrastrukturbereich. Die ganze Welt will im Moment in Deutschland investieren, aus Sicherheitsgründen und auch weil
die Rahmenbedingungen attraktiv und verlässlich sind.
Wir müssen deshalb das Modell der Public-private-Partnership so organisieren, dass das Geld, das nach
Deutschland will, auch nach Deutschland fließen kann.
Herr Kollege!
Wir müssen uns im steuerlichen Bereich - Stichwort
„kalte Progression“ oder in Bezug auf die Abschreibungsbedingungen - entsprechend ausrichten.
Herr Präsident, es gäbe in der Tat noch viele Punkte
zu nennen.
Das habe ich mir gedacht, jawohl.
Diese werden wir in der morgigen Debatte über den
Energiebereich diskutieren bzw. bleiben anderen Wirtschaftsdebatten, zum Beispiel über Fachkräfte, Wachstum, Gründungsfinanzierung oder Freihandel, vorbehalten.
Ich komme zum Schluss. Mit dem vorliegenden
Haushalt, den wir heute diskutieren und morgen verabschieden, schaffen wir mehr Wirtschaftswachstum, fördern Innovationen und erfolgreiches Unternehmertum
und stärken die Fachkräftegewinnung. Damit werden
wir unserer Verantwortung für Deutschland und für
Europa gerecht.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
({0})
Das Wort erhält nun die Kollegin Julia Verlinden für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren!
Besonders wichtig ist mir, dass wir unsere Finanzen
der nächsten Generation geordnet übergeben, dass
wir die Energiewende zum Erfolg führen …
Das sagte Frau Bundeskanzlerin Merkel in ihrer diesjährigen Neujahrsansprache.
({0})
Das ist, wie ich finde, ein frommer Wunsch; denn Ihre
Regierungsrealität sieht ganz anders aus.
({1})
Sie fahren die Energiewende an die Wand, Frau Merkel,
und Ihre Haushaltspolitik ist unsolide und zukunftsvergessen.
({2})
Schauen wir doch einmal ganz genau hin. Fließt das
Geld eigentlich für oder gegen die Energiewende? Wohin fließt das Geld, und wo fehlt Geld für die Energiewende?
Herr Gabriel behauptet ja, die Energieeffizienz sei die
zweite Säule der Energiewende. Ich sage Ihnen, wie
diese Säule bei Ihnen aussieht: Sie ist schmal, brüchig
und innen hohl. Bei der Energieeffizienz kündigen Sie
an, versprechen etwas und halten Sonntagsreden. Aber
wenn wir einmal etwas Konkretes über Ihre Pläne erfahren, dann stellen wir fest: Sie schreiben ein paar alte Programme neu zusammen und rechnen sich die Ergebnisse
schön. Die andere Säule der Energiewende, die erneuerbaren Energien, sägen Sie mit der EEG-Novelle gerade
ab. Ich sage es einmal so: Ein Haus, auch ein Ministerium, kann nicht auf zwei kaputten Säulen stehen.
({3})
Sie reden von Energiewende. Herr Tiefensee hat behauptet, wir redeten sie schlecht. Im Gegenteil: Wir wollen die Energiewende, aber wir wollen sie auch wirklich.
({4})
Ich erlebe bei der Regierung keinen politischen Mut für
zukunftsfähige Entscheidungen für Energieeffizienz und
erneuerbare Energien. Geld wollen Sie auch nicht dafür
ausgeben. Sie haben stattdessen umso mehr Geld für die
Kohle. Für die Steinkohleförderung und -stilllegung
wollen Sie dieses Jahr immer noch 1,3 Milliarden Euro
ausgeben.
({5})
Sie fördern fleißig die Energie von gestern. So ist es.
Hinzu kommen die indirekten staatlichen Förderungen in Form von Steuererleichterungen und Ausnahmeregelungen im Energiesektor. Das Umweltbundesamt hat
ausgerechnet, dass im Jahr 2010 allein im Bereich der
Energiebereitstellung und -nutzung mehr als 21 Milliarden Euro umweltschädliche Subventionen flossen. Die
besondere Ausgleichsregelung für die Industrie beim
EEG macht nur einen Teil aus. Hinzu kommen Begünstigungen für die Braunkohlewirtschaft, Energiesteuervergünstigungen für Kohle, kostenfreie Zuteilung von CO2Zertifikaten und, und, und. Das ist ein unhaltbarer Zustand.
({6})
Das sind 21 Milliarden Euro für ökologisch schädliche Subventionen allein im Energiesektor. Hinzu kommen noch hohe Subventionen im Verkehrssektor wie
zum Beispiel die Privilegierung von schweren Dienstwagen oder die milliardenschwere Bevorzugung des Flugverkehrs gegenüber der Bahn. Mit diesen Anreizen gelingt die Energiewende im Verkehrsbereich wohl kaum.
Das Umweltbundesamt berechnet für das Jahr 2010
insgesamt 51,5 Milliarden Euro ökologisch schädlicher
Subventionen - allein im Bundeshaushalt; das muss man
hinzufügen. Diese Ausgaben sind für die Energiewende
und den Klimaschutz kontraproduktiv und müssen konsequent reduziert werden;
({7})
denn ökologisch schädliches Verhalten darf nicht noch
finanziell belohnt werden. Stattdessen sollten wir in die
Zukunft investieren. Aber die 3 Milliarden Euro, die wir
für unseren grünen Energiesparfonds vorschlagen, wollen Sie nicht zur Verfügung stellen, Herr Gabriel. Daran
sieht man, wo Ihre Prioritäten liegen: Kohle für die
Kohle.
({8})
Durch unser Konzept eines Energiesparfonds - Frau
Hajduk hat schon darauf hingewiesen - würden wir unabhängiger von fossilen Brennstoffen werden. In unserer
Volkswirtschaft würde Geld, das bisher noch in Energieimporte fließt und das Klima anheizt, in Zukunft wieder
für andere Dinge zur Verfügung stehen. Aber offensichtlich sind Ihnen die Energieträger von gestern viel mehr
wert als die Energieeinsparung, die technologische Innovation und der Klimaschutz von morgen. Das lässt doch
tief blicken.
({9})
Wenn Sie die Energiewende wirklich wollen, dann
stimmen Sie unseren Änderungsanträgen zu. Unterstützen Sie damit zum Beispiel die Aufstockung des so wichtigen KfW-Gebäudesanierungsprogramms auf 2 Milliarden Euro, und stimmen Sie für unseren Antrag zum
grünen Klimaschutzhaushalt!
Vielen Dank.
({10})
Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Marcus
Held das Wort.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unserer
Wirtschaft in Deutschland geht es gut. Das kann man sagen, wenn man sich die Situation im Jahr 2014 ansieht.
Dafür sind viele verantwortlich: verantwortungsbewusste Unternehmerinnen und Unternehmer, motivierte
und engagierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
aber auch mutige Entscheiderinnen und Entscheider auf
der politischen Ebene, die für zukunftsorientierte Weichenstellungen in der Wirtschaftspolitik gesorgt haben
und auch in der Gegenwart sorgen.
Vergleicht man die Situation in vielen Ländern Europas mit der in Deutschland, so kann man heute sagen:
Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.
({0})
Die SPD stand bereits in der Zeit von 1998 bis 2005
mit der Agenda 2010 für eine Politik mit Weitblick. Von
diesem Weitblick profitieren wir noch heute, in der Gegenwart. Die Verantwortlichen in europäischen Ländern
wie beispielsweise Frankreich werden dort gegenwärtig
für Massenarbeitslosigkeit und fehlendes Wirtschaftswachstum verantwortlich gemacht, obwohl ihre Vorgänger in den zurückliegenden 20 Jahren hätten handeln
müssen, dies aber nicht getan haben. Auch und gerade
im Interesse der deutschen Wirtschaft als Exportmeister
und der Arbeitsplätze hier müssen wir die Länder unterstützen, die jetzt bereit sind, zukunftsorientierte Reformen auf den Weg zu bringen.
({1})
Die von den europäischen Sozialdemokraten am letzten Wochenende in Paris angestoßene Diskussion und
die damit verbundenen Vorschläge unseres Ministers
Sigmar Gabriel sind sinnvoll. Sie stellen einen Weg dar,
wie wir den radikalen politischen Auswüchsen in leider
viel zu vielen europäischen Nachbarländern endlich begegnen können. Wir müssen ihnen begegnen, meine Damen und Herren, weil diese politischen Auswüchse
durch wirtschaftlichen Niedergang, Massenarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit bei den Jugendlichen verursacht worden sind. Wir müssen dem entgegentreten,
wenn wir es mit Frieden, Freiheit und Wohlstand in ganz
Europa ernst meinen.
({2})
Wir als SPD-Bundestagsfraktion stehen zu Deutschland als Industrienation. Wir wollen die Bundesregierung und unseren Minister Sigmar Gabriel dabei unterstützen, wenn er neue wirtschaftliche Akzente setzt,
nachdem das Wirtschaftsministerium in der zurückliegenden Legislaturperiode bekanntlich eher ein Schattendasein führte. Wir tun dies mit der Reform des EEG, indem wir die im internationalen Wettbewerb stehenden
Industriebetriebe auch in Zukunft vor zusätzlichen Umlagen schützen und damit viele Hunderttausende wichtige Arbeitsplätze hier in Deutschland sicherstellen und
für die Zukunft erhalten.
({3})
Wir tun dies aber auch als Bundesregierung, wenn es
um die Stärkung des Handwerks und des Mittelstandes
geht. Wir wollen dem Fachkräftemangel begegnen und
gerade jüngere Menschen für eine Ausbildung im Handwerk begeistern. Hier müssen wir auch das Bewusstsein
in der Gesellschaft verändern und den Wert des Handwerks sowie die Bedeutung der Handwerksberufe in der
Gesellschaft herausstellen.
({4})
Auch müssen wir die wachsende Bürokratie bekämpfen
und endlich dafür sorgen, dass sich junge Handwerksmeister um ihre Kunden kümmern können und nicht den
ganzen Tag Formulare ausfüllen müssen, meine Damen
und Herren.
({5})
Wir wollen neue Wirtschaftszweige erschließen, die
in Deutschland bisher leider viel zu wenig Beachtung
gefunden haben, so zum Beispiel den Bereich des Tourismus. Meine Damen und Herren, ich komme aus der
wunderschönen Region Rheinhessen in Rheinland-Pfalz,
wo mit Worms als eine der ältesten Städte in Deutschland Historie greifbar wird und mit den NibelungenFestspielen ein bundesweit einzigartiges kulturelles
Highlight existiert,
({6})
wo mit Oppenheim und der weltbekannten Weinlage
„Krötenbrunnen“, Herr Kauder, ein Aushängeschild besteht, das seit Jahrzehnten für exzellente Rebsäfte steht,
und wo mit der typischen rheinhessischen Hügellandschaft rund um Alzey eine einzigartige Landschaft zum
Verweilen und Entspannen einlädt. Solche wunderschöne Regionen gibt es in ganz Deutschland.
({7})
Diese Regionen müssen wir touristisch fördern und gemeinsam im In- und Ausland - europaweit und international - dafür werben, um zusätzliche innovative, moderne Arbeitsplätze zu schaffen. Dafür wollen wir uns
einsetzen.
({8})
In der derzeitigen Niedrigzinsphase muss es möglich
sein, dafür zu sorgen, für solche neuen wirtschaftlichen
Ansätze günstige Kredite zur Verfügung zu stellen.
Die Niedrigzinsphase stellt uns aber auch vor Probleme, so beispielsweise bei der Altersvorsorge. Die Altersvorsorge für zwei Generationen ist in Gefahr. Hier
müssen wir gemeinsame Kraftanstrengungen unternehmen und nach neuen Rezepten suchen, damit es in
Deutschland wieder wie früher heißen kann: Unser Ziel
ist Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand. Deshalb
fordere ich Banken, Versicherungen und natürlich auch
die Wirtschaft und die Politik auf, gemeinsam nach
neuen Produkten zu suchen, diese in den kommenden
Jahren zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen.
Möglich wird dies mit einer starken deutschen Wirtschaft im Rücken sein, die zusammen mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern entsprechende Finanzmittel erwirtschaften kann und auch in Zukunft
Innovation und soziale Gerechtigkeit verbindet.
Für Innovation und soziale Gerechtigkeit stehen wir,
meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir müssen
auch in den kommenden Jahren dafür sorgen, dass Entscheidungen in Deutschland im Konsens getroffen werden, im Konsens zwischen Arbeiternehmern, Arbeitgebern und Politik. Dann bin ich mir auch sehr sicher, dass
wir weiterhin positiv gestimmt sein können, wenn es um
die Zukunft der Wirtschaft in Deutschland geht.
Deshalb sollten wir dem heute vorgelegten Haushaltsentwurf zustimmen.
Herzlichen Dank.
({9})
Das war die erste Rede des Kollegen Marcus Held.
Herr Kollege, ich gratuliere Ihnen ganz herzlich zu dieser ersten Rede.
({0})
Als nächster Redner hat der Kollege Peter Ramsauer
das Wort.
({1})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Deutschland ist die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt. Alles, was damit zusammenhängt, was
uns dazu gemacht hat, ist schon vielfach gepriesen worden: Rekordbeschäftigung, Rekordtiefstand bei der
Arbeitslosigkeit, großartige Wachstumserwartungen,
Nullverschuldung, Rekordsteuereinnahmen, dass wir
Wachstumslokomotive und Stabilitätsanker in Europa
sind, all das ist wahr. Aber so eindrucksvoll diese Bilanz
auch ist, so wenig dürfen wir uns damit zufriedengeben
und so wenig dürfen wir uns darauf ausruhen.
({0})
Ja, wir sind die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt.
Wahr ist aber auch, dass unser Anteil an der Weltwirtschaft im Jahr 2005 noch bei 4,6 Prozent lag, während er
derzeit bei 3,7 Prozent liegt. Allein diese Zahlen verdeutlichen, dass sich gewisse Relationen verschieben.
Deswegen müssen wir alles dafür tun, dass wir den Vorsprung, den wir gerade in Europa haben, sichern. Eine
Selbstermahnung darf hier auch sein: Wir dürfen uns
auch nicht in einer großkoalitionären Selbstzufriedenheit
ergehen. Nein, wir müssen alles tun, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, und alles unterlassen, was
diesem Ziel entgegensteht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({1})
Mir ist dies sehr deutlich geworden, als ich vor einigen Monaten meinen Antrittsbesuch als Vorsitzender des
Ausschusses für Wirtschaft und Energie des Deutschen
Bundestags bei meinem Pendant in der französischen
Assemblée nationale, beim Vorsitzenden des dortigen
Wirtschaftsausschusses, gemacht habe. Er hat zu mir
Folgendes gesagt: Unsere französische Bitte an euch
Deutsche ist, dass ihr weitermacht - er hat immer gesagt:
Continuez! ({2})
bei der Erhöhung der Energiekosten, macht bitte weiter
bei der Erhöhung eurer Arbeitskosten, und macht bitte
weiter bei der Erhöhung eurer Sozialkosten! - Ich habe
mich gefragt: Was will er mir damit sagen? - Dann kam
die Begründung, er hat gesagt: Dadurch schmälert ihr
Deutschen eure Wettbewerbsfähigkeit, und wir Franzosen brauchen uns nicht mehr so anzustrengen, um mit
euch mithalten zu können.
({3})
- Das war kein kluger Mann, sagen Sie. Also, das war
ein Sozialist.
({4})
Aber er hat gesagt, er sei von der Rocard-Sorte, also
- wer das noch weiß - ein anständiger Sozialdemokrat,
würden wir auf Deutsch sagen.
({5})
Das gibt einem natürlich zu denken. Wir werden in
der nächsten Woche die Mindestlohngesetzgebung abschließen. Wir haben das Rentenpaket abgeschlossen.
Ich muss sagen: Aus wirtschaftlicher Sicht gehen wir
hier an die alleräußerste Grenze dessen, was die Wirtschaft verkraften kann, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir können es uns nicht leisten - so viel sei schon jetzt
gesagt -, mit der Mindestlohngesetzgebung einen Lohnkostenschub auszulösen.
({6})
Das wird die deutsche Wirtschaft nicht ohne Weiteres
und nicht ohne Folgen verkraften. Es ist völlig klar, dass
durch eine solche Mindestlohngesetzgebung ein Druck
von unten auf das gesamte Lohngefüge ausgeübt wird;
das ist vollkommen klar.
({7})
Wir dürfen auch keinen Einheitsbrei bei der Lohnfindung erzeugen. Wichtig ist für uns das Primat der Tarifpartnerschaft. Die Tarifautonomie darf nicht angetastet
werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein anderer Punkt,
den auch Kollege Wolfgang Tiefensee schon angesprochen hat - wir müssen uns viel intensiver damit auseinandersetzen, und mir bereitet das Sorge -, ist die
Frage der Investitionen sowohl im öffentlichen Bereich
als auch im Bereich der Privatwirtschaft. Wir alle wissen: Investitionen sind der Treibstoff für Wachstum, für
Wertschöpfung, für Arbeitsplätze und für Wohlstand.
Wir haben, was die deutsche Investitionsquote im weltweiten Vergleich anbelangt - Kollege Wolfgang
Tiefensee hat es gesagt -, in der Tat ganz erheblichen
Nachholbedarf. Wenn man sich die Zahlen ansieht, stellt
man fest: 1998 lag die Investitionsquote im damaligen
Bundeshaushalt noch bei 12,8 Prozent. Im Haushalt dieses Jahres liegt sie, wenn man den ESM herausrechnet,
was man natürlich fairerweise tun muss, bei 8,6 Prozent,
und bis 2018 fällt sie auf 8,3 Prozent.
({8})
Wenn man sich das ansieht, kommt man natürlich zu
dem Ergebnis: Relativ investieren wir viel zu viel in den
unproduktiven Teil unserer Volkswirtschaft und immer
noch viel zu wenig in den produktiven Teil unserer
Volkswirtschaft.
({9})
Wir können auf Dauer nicht von der Substanz leben.
Aber es geht nicht nur um den öffentlichen Bereich.
Was mindestens genauso viel zu denken gibt, ist die Tatsache, dass im privatwirtschaftlichen Bereich leider immer weniger investiert worden ist. Wenn man sich beispielsweise die energieintensiven Branchen ansieht
- über sie haben wir in den letzten Wochen und Tagen
im Zusammenhang mit der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes sehr viel gesprochen -, stellt
man fest: Die energieintensiven Branchen können ihren
Kapitalstock nicht mehr halten, weil ihre Investitionen
geringer sind als ihre Abschreibungen. Wenn man es einmal kaufmännisch betrachtet: Die energieintensiven
Branchen investieren nur noch 85 Prozent ihrer Abschreibungen neu. Eigentlich müssten es deutlich über
100 Prozent sein, weil die Reinvestition wegen der Investitionskosten nach Wiederbeschaffungskosten immer
über der finanzbuchhalterischen Abschreibung liegen
muss; so ist das nun einmal. Es gibt also ein ganz großes
Loch zwischen dem, was abgeschrieben wird, und dem,
was reinvestiert wird. Es muss für uns ein lautes Alarmsignal sein, dass dies so ist. Dahinter verbirgt sich ein
schleichender Prozess der Abwanderung aus Deutschland in andere Länder.
Ein Wort, liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Außenhandelspolitik; sie kam in dieser Debatte bisher etwas zu kurz. Wir wissen, dass es aus manchen Ländern,
auch in der EU, in der Euro-Zone, vonseiten mancher InDr. Peter Ramsauer
stitutionen, aber auch vonseiten der Linken in diesem
Hause die Forderung gibt, Deutschland müsse seinen
Außenhandelsüberschuss abbauen.
({10})
Eine solche Forderung ist kompletter ökonomischer Unfug.
({11})
Selbst wenn wir dies täten, würde dies nie die strukturellen Probleme in den jeweils betroffenen schwachen Ländern in der Euro-Zone lösen. Es kann und darf nicht
unser Ansinnen sein, dass Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit um den Preis ausgeglichener Leistungsbilanzen innerhalb des Euro-Raumes aufgibt. Das dürfen
wir niemals tun.
({12})
Deshalb lautet mein Credo: Nicht der Bessere - nicht
wir - hat sich an den Schlechteren und Schwächeren zu
orientieren, sondern bitte gefälligst umgekehrt!
({13})
Herr Kollege Ramsauer, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Ernst zu?
Gerne.
({0})
Herzlichen Dank. - Meine Frage ist sehr einfach. Sie
haben gerade gesagt, der Abbau des Außenhandelsüberschusses wäre falsch und geradezu katastrophal. Jetzt
haben wir nach wie vor ein gültiges Gesetz, das sich Stabilitätsgesetz nennt. In diesem Stabilitätsgesetz ist als
Ziel staatlicher Wirtschaftspolitik von ausgeglichenen
Handelsbilanzen, also ausgeglichenen Verhältnissen zum
Ausland die Rede. Wollen Sie mit Ihrer Aussage den
Deutschen Bundestag und die eigene Regierung auffordern, sich künftig nicht mehr an dieses Gesetz zu halten,
das ja ausgeglichene Handelsbilanzen vorschreibt?
Lieber Kollege Ernst, wir mögen uns persönlich ja
sehr gerne.
({0})
Man kann aus dieser Frage ableiten, dass Sie im Rahmen
Ihrer gewerkschaftlichen Ausbildung auch Wirtschaftskunde belegt hatten und dort etwas über das magische
Viereck gelernt haben, welches bekanntermaßen im Stabilitätsgesetz verankert ist.
Wir haben hier aber auch gelernt, dass die vier Ziele
des magischen Vierecks - es gibt neben dem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht ja noch drei weitere Ziele höchstens wirtschaftstheoretisch gleichzeitig erreicht
werden können und dass es dazwischen immer gewisse
Schwankungen gibt. Ohne diesen Außenhandelsüberschuss - ich halte meine Antwort kurz, obwohl ich jetzt
gerne eine kleine Vorlesung über Volkswirtschaft und
Stabilitätstheorie halten würde - würden wir die anderen
drei Ecken dieses magischen Vierecks in höchstem
Maße gefährden. Deswegen bedaure ich diesen Zustand
nicht, sondern ich freue mich darüber, dass es so ist.
Überall, wo man in der Welt hinkommt - wir waren
kürzlich miteinander irgendwo - ({1})
- Vielen Dank, lieber Herr Gabriel. China ist auch irgendwo.
({2})
Spaß beiseite. Wir waren zusammen in China. Das,
was wir dort gehört haben, bestätigt sich an allen Ecken
und Enden. Neulich in Korea, Bernd Westphal, haben
wir es wieder gehört: Das, was von uns aus Deutschland
dorthin exportiert wird, erfreut sich dort allergrößer Beliebtheit, nach dem Motto: Was aus Deutschland kommt,
ist nicht nur „Made in Germany“ - das ist ein Markenbegriff in der ganzen Welt -, sondern überzeugt auch durch
Qualität und Zuverlässigkeit. Wenn wir dadurch einen
Außenhandels- und einen Leistungsbilanzüberschuss haben, dann soll uns das recht sein.
({3})
Zu den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten - auch das ist schon kurz angesprochen
worden -: Ja, wir wissen, es gibt hierüber starke Debatten in allen Lagern der Gesellschaft. In diesen Debatten
kommt mir aber viel zu kurz, dass auch einmal die Chancen herausgestellt werden, die dieses Transatlantische
Freihandelsabkommen in sich birgt. Wir wollen von unseren Standards im Umweltbereich, im Sozialbereich, im
Gesundheitsbereich usw. ja nicht weg. Aber glaubt denn
jemand von uns, dass aufstrebende Volkswirtschaften
wie Indien, Brasilien und China mit ihren riesigen Wirtschaftsräumen darauf warten, bis wir Europäer uns einmal bequemen, unsere Standards global zu setzen? Nein,
das tun sie nicht. Deswegen müssen wir zusammen mit
den Vereinigten Staaten - einen besseren Partner als die
Vereinigten Staaten kann ich mir hier nicht vorstellen die Kraft und die Fähigkeit aufbringen, in diesem Freihandelsabkommen global die Standards zu setzen, die
wir haben wollen. Genau darin liegen die großartigen
Chancen, und die dürfen wir nicht vertun.
({4})
Ein Allerletztes zum Export: Der Interministerielle
Ausschuss für Exportkreditgarantien hat beschlossen,
dass zukünftig keine Garantien des Bundes für den Export von Anlagen zur nuklearen Stromerzeugung übernommen werden sollen, und zwar mit der Begründung,
dass diese fehlende Deckung Folge des Atomausstiegs
ist. Was ich nicht will, ist, dass wir uns, wenn wir 2022
alle Atomanlagen abgeschaltet haben werden und diese
Anlagen dann auseinanderbauen, die einzelnen Teile
verwerten und lagern müssen, das Know-how für kerntechnische Fragen aus Frankreich, Japan oder China zurückholen müssen. Deswegen halte ich diesen Teil der
Exportpolitik im Hinblick auf Garantien für einen Fehler. Wir müssen alles daransetzen, dass wir dieses Wissen im Lande behalten. Dazu gehört auch, dass wir uns
vornehmen, alles für unsere Wettbewerbsfähigkeit zu tun
und - noch einmal - alles zu unterlassen, was ihr entgegensteht.
Herzlichen Dank.
({5})
Das Wort hat Andreas Lämmel.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Als Vorwort ist festzustellen: Der Haushaltsplan
des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ist
auch 2014 solide finanziert. Er setzt auf Investitionen
und Innovationen. Insofern steht er in der Kontinuität
der letzten Jahre. Wir alle können diesem Haushalt mit
gutem Gewissen zustimmen.
Nun wurde in der Diskussion um diesen Haushalt immer wieder das Thema Luft- und Raumfahrt erwähnt,
das einen großen Teil der Ausgaben für Forschung und
Technologie subsumiert. Natürlich muss man sagen: Das
Bundeswirtschaftsministerium ist kein Luft- und Raumfahrtministerium. Deswegen muss man sehen, dass die
Ausgewogenheit bei der Technologieförderung gewahrt
bleibt; denn es gibt weitere Technologiefelder, die genauso innovativ und genauso wichtig für die Zukunft unseres Landes sind.
Es hat auf der europäischen Ebene im letzten Jahr
Empfehlungen der „High-Level Group“ zur Weiterentwicklung der Schlüsseltechnologien gegeben, also der
Mikroelektronik, der Nanotechnologien und zweier weiterer Technologien. Man kann anhand der Mikroelektronik sehen, dass in Europa 200 000 Arbeitsplätze direkt
an dieser Branche hängen und knapp 1 Million Arbeitsplätze indirekt mit ihr verbunden sind.
Die IT-Industrie und die Forschung und Entwicklung
in diesem Bereich gewinnen immer mehr an Bedeutung.
Das hängt ganz einfach mit der nächsten industriellen
Revolution zusammen, wenn ich es einmal so sagen
darf, die vor der Türe steht. Das ist die sogenannte Industrie 4.0, wie sie heute modern wie beim Internet bezeichnet wird.
Wenn man einen Blick zurück wirft, erkennt man,
dass die Industrie 3.0 ein technologischer Schritt gewesen ist, bei dem es um die Digitalisierung der Industrie
und um den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien ging. Diese Entwicklung hat Europa
im Wesentlichen verschlafen. Die Folgen davon sind
jetzt, dass die Amerikaner und die Asiaten mit ihren
übermächtigen Konzernen die Märkte dominieren. Beim
Eintritt in die Industrie 4.0 haben wir jetzt die große
Chance, dass Europa und damit Deutschland an der
Spitze mitmarschieren. Diese Chance müssen wir ergreifen. Letztendlich geht es darum, den Kampf um die industrielle Produktion im 21. Jahrhundert zu gewinnen.
Das wurde auch von der Bundesregierung frühzeitig
erkannt. Man muss dafür nur einen Blick in die Hightech-Strategie werfen, die schon vor Jahren entworfen
wurde. Darin kann man sehen, dass Deutschland zum
Leitmarkt für internetbasierte Technologien für die industrielle Produktion - das ist praktisch der Schritt in die
Industrie 4.0 - werden soll. Diese Industrie 4.0 ist eben
nicht mehr nur Sache des Wirtschaftsministeriums, sondern das ist mittlerweile zur Querschnittsaufgabe der
ganzen Bundesregierung geworden. Es geht letztlich um
die Vernetzung der Industrie. Dafür braucht man den
Breitbandausbau. Man braucht schnelle und leistungsfähige Netze, um den Schritt zur Industrie 4.0 zu ermöglichen, einen entsprechenden Rechtsrahmen und einen hohen Standard in den Informationstechnologien. Dies
alles können wir in Deutschland und in Europa gut.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat schon auf
diese technologische Entwicklung reagiert. Vielleicht ist
das den Grünen entgangen, sonst wären sie sicherlich
darauf eingegangen. Es gibt ein neues Förderprogramm,
das sich „Autonomik für Industrie 4.0“ nennt. Normale
Bürger verstehen die Begriffe aus der Industrie 4.0 wahrscheinlich nicht; man muss deshalb eine Übersetzung
mitliefern. Bei dem Programm Autonomik 4.0 geht es
genau darum, den Weg in die Industrie 4.0 zu beschreiten. Es sind schon 14 Verbundprojekte aus diesem neuen
Förderprogramm genehmigt worden. Seitens des Bundeswirtschaftsministeriums werden 40 Millionen Euro
bereitgestellt, um diese Projekte voranzubringen. Weitere 40 Millionen müssen übrigens die Industriepartner
selbst dafür aufbringen.
Meine Damen und Herren, was ist die nächste industrielle Revolution, an der wir gemeinsam arbeiten? Das
ist im Prinzip ein Verbund aus intelligenten Komponenten. Früher hat die Maschine gedacht. In der Industrie
4.0 denkt nicht nur die Maschine, sondern es denkt sozusagen auch das Werkstück mit: Es gibt Befehle, wie es
bearbeitet werden möchte und was daraus entstehen soll.
Wenn wir als Politiker angehalten sind, mittel- und
langfristig zu denken, heißt das für uns: Industrie 4.0
muss in den nächsten Jahren im Mittelpunkt unserer
Überlegungen stehen. Deswegen finde ich es zum Beispiel gut, dass das Bundesforschungsministerium nächste
Woche eine erste Mikroelektronikstrategie für Deutschland in Brüssel präsentieren wird. Das ist aus meiner
Sicht ein erster Schritt in diese Richtung. Ich denke, Herr
Minister, wir werden in den nächsten Monaten darüber
diskutieren müssen, wie wir in Deutschland und natürlich auch in Europa - das wird Deutschland nicht alleine
leisten können - in diesen Schlüsseltechnologien zu einer Gesamtstrategie kommen können, um den Märkten
in Asien und Nordamerika Paroli zu bieten.
Die Energiepolitik ist ein ganz wichtiger Bereich für
die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Industrie. Aber der Blick in die Zukunft, das heißt das
Umsetzen von Konzepten für die Industrie 4.0, ist mindestens genauso wichtig. Denn wenn dieser Zug an uns
vorbeifährt, dann müssen wir nicht mehr solche Debatten führen, weil dann die Wertschöpfung abwandern
wird und die Sicherung des Wohlstands in Deutschland
infrage gestellt wird.
Ich hoffe, dass wir nach der Verabschiedung des
Haushaltes 2014 über die Eckpunkte 2015 und auch über
die mittelfristige Entwicklung des Haushaltes des Bundeswirtschaftsministeriums diskutieren. Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam eine Strategie entwickeln, um
uns den Herausforderungen stellen zu können.
Vielen Dank.
({0})
Zum Schluss dieser Debatte hat jetzt die Kollegin
Daniela Ludwig das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben sehr viel über unterschiedlichste Wirtschaftsbranchen gehört, die für die Bundesrepublik
überlebensnotwendig sind und deren Funktionieren für
die Bundesrepublik lebensnotwendig ist. Ein Bereich
wurde dankenswerterweise von dem Kollegen Held
- leider nur von ihm - erwähnt. Es ist jetzt meine Aufgabe, eine der wichtigsten Branchen mit einer Wertschöpfung von 100 Milliarden Euro im Jahr und fast
3 Millionen Beschäftigten in Deutschland ein bisschen
in den Fokus zu rücken. Das ist der Tourismus in unserem Land, der sehr, sehr wichtig ist.
({0})
Die 3 Millionen Beschäftigten in diesem Bereich sind
überwiegend in kleinen und mittleren Unternehmen tätig. Das ist deshalb von Bedeutung, weil diese kleinen
und mittleren Unternehmen nicht einfach auswandern
können, wenn wir Rahmenbedingungen schaffen, die
nicht gut sind. Sie sind uns sozusagen ausgeliefert.
Umso wichtiger ist, dass wir von bundespolitischer Seite
die Rahmenbedingungen für unsere deutsche Tourismusbranche so gut wie möglich halten.
Die Bundesregierung wird noch in dieser Legislaturperiode - ich denke, in Kürze, Herr Minister; so sind wir
jedenfalls im Ausschuss verblieben - ein Konzept für
den Kulturtourismus auflegen. Sie werden sich denken:
Warum ist das so wichtig? Wir sind doch im Städtetourismus führend in Europa. - Ja, das sind wir. Wenn wir
aber schon einmal die Touristen in unseren Städten haben - kein anderes Land in Europa hat so viele kulturell
wertvolle Stätten wie Deutschland -, sollten wir die
Chance nutzen und sie aus unseren Städten in die ländlichen Regionen locken; denn auch dort verbirgt sich noch
sehr viel Wertschöpfung. Da können wir noch etwas tun.
Gerade Regionen, die wirtschaftlich nicht so stark aufgestellt sind, wohl aber über wertvolle Landschaften verfügen, müssen wir die Chance eröffnen, noch mehr Tourismus zu ermöglichen. Ich bin sehr dankbar, dass wir dies
in Zusammenarbeit mit dem dafür zuständigen Bundeswirtschaftsministerium tun werden.
({1})
Es gibt allerdings Bausteine, die für das Funktionieren des Tourismus unerlässlich sind. Ganz oben steht
eine nachhaltige Entwicklung des Tourismus. Umweltverträglichkeit wird auch in Zukunft ein großes Stichwort sein. Natürlich kommen die Menschen auch zu uns,
um Natur zu genießen. Wenn wir die Natur schädigen,
der Flächenverbrauch zu hoch ist und das Wasser in unseren Seen nicht mehr die wünschenswerte Qualität hat,
dann wird der Tourismus sehr bald sterben.
Ein weiteres Thema ist - darüber debattieren wir sehr
oft - die Erreichbarkeit unserer touristischen Regionen.
Wie gesagt, die Städte sind relativ gut erreichbar. Will
man aber darüber hinaus irgendwohin, wird es schwierig, egal welchen Verkehrsträger man nimmt. Das heißt,
wir werden beim Erstellen des neuen Bundesverkehrswegeplans darauf achten müssen, dass touristisch wertvolle Regionen nach wie vor mit unterschiedlichen Verkehrsträgern erreicht werden können. Das ist eine ganz
große Herausforderung, der wir uns zu stellen haben.
({2})
Natürlich spielt es eine Rolle, ob WLAN in der jeweiligen Tourismusregion nutzbar ist. Weiterhin spielt es
eine große Rolle, ob die Verkehrsträger, die Hotels und
die touristischen Angebote barrierefrei sind. Wir wollen
Familien und älteren Menschen Reisen ermöglichen.
Wir wollen im Tourismus aber auch Inklusion fördern;
denn behinderte Menschen haben das gleiche Recht wie
wir nicht so stark Gehandicapten, dorthin zu reisen, wohin sie wollen. Auch hier gibt es große Herausforderungen, deren Bewältigung wir von Bundesseite mit der
Setzung entsprechender Rahmenbedingungen erfolgreich begleiten können.
({3})
Ein weiterer Punkt ist der Fachkräftebedarf. Wir alle
haben den Anspruch, in unserem Urlaub oder zum Beispiel heute Abend, wenn wir frei haben und Fußball
schauen,
({4})
von motiviertem, gut ausgebildetem Personal unterstützt
zu werden. Da spielt die Entlohnung natürlich eine
Rolle. Des Weiteren muss wahrscheinlich das Berufsbild
in der Gastronomie deutlich überarbeitet werden. Für
mich spielt allerdings die Frage nach der Anerkennung
die größte Rolle: Wie gehen wir mit den Menschen um,
die im Dienstleistungsbereich arbeiten? Schätzen wir es,
dass sie gut ausgebildet und freundlich sind und dass sie
unser Land bei ausländischen Touristen repräsentieren?
Ich glaube, hier haben wir noch ein Stück weit Nachholbedarf, für dessen Deckung ich hier werben möchte.
Auch das ist eine Aufgabe, der wir uns stellen müssen.
({5})
Zuletzt möchte ich der Deutschen Zentrale für Tourismus herzlich danken. Sie ist sozusagen unser Werbefachmann im Ausland und unterstützt die Bewerbung
Deutschlands überall dort, wo wir wahrgenommen werden. Wir sind davon abhängig, dass die Menschen zu uns
kommen. Die DZT plant die Errichtung eines Büros in
Brasilien erst im Jahr 2017. Im Moment haben wir einen
anderen Werbeträger in Brasilien. Das ist unsere deutsche Nationalmannschaft.
({6})
Bevor die DZT es macht, machen es hoffentlich unsere
Fußballer heute Abend.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag. Vergessen Sie
mir den Tourismus nicht!
Vielen herzlichen Dank.
({7})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die
Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 09
- Bundesministerium für Wirtschaft und Energie - in der
Ausschussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag
auf Drucksache 18/1854? - Bündnis 90/Die Grünen und
die Linke. Wer stimmt dagegen? - Die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich? - Niemand. Damit ist der Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 09 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? Bündnis 90/Die Grünen und die Linke. Wer enthält sich? Niemand. Damit ist der Einzelplan 09 mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen angenommen worden.
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt II.15 auf:
Einzelplan 30
Bundesministerium für Bildung und Forschung
Drucksachen 18/1020, 18/1023
Die Berichterstattung haben die Abgeordneten Swen
Schulz, Anette Hübinger, Roland Claus und Ekin
Deligöz.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat einen Entschließungsantrag eingebracht, über den wir am Freitag
nach der Schlussabstimmung abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. - Ich höre dazu
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat
Roland Claus das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau
Bundesministerin, ich will einmal mit der Frage beginnen: Was ist das Besondere an diesem Etat, über den wir
jetzt reden? Wenn man wie ich im Haushaltsausschuss
die Etats fast aller Bundesministerien bearbeitet hat,
kann man einen Vergleich ziehen. Ich weiß natürlich,
dass jeder Etat für sich zu Recht in Anspruch nimmt,
einzigartig zu sein;
({0})
aber das Besondere an diesem Etat ist, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung relativ wenig
verwalten muss und sehr viel zu verteilen hat.
Es ist also ein Etat der Förderprogramme und der
Finanzierung außeruniversitärer Forschung. Das erklärt
auch, warum es bei diesem Etat recht häufig ein hohes
Maß an Gemeinsamkeit im Parlament gibt und sehr viele
Entscheidungen über Maßnahmen getroffen werden, die
durchaus von der Gesamtheit des Parlaments unterstützt
werden.
({1})
Deshalb sage ich in aller Deutlichkeit: Niemand im Bundestag hat die Absicht, etwas gegen Bildung und Geld
für gute Bildung zu sagen.
({2})
Aber leider muss man zuweilen auch über schlechte Bildungspolitik und schlechten Umgang mit Geld für Forschung und Bildung reden.
({3})
Frau Ministerin, ich weiß noch nicht, was Sie heute
sagen werden, aber ich habe Sie ja schon oft gehört. Sie
machen Ihren Erfolg, den Sie hier erklären, immer und
immer wieder daran fest, wie viele Mittel Sie auf den
Weg gebracht haben. Das, finde ich, ist Ihr Problem. Dabei kommen Sie ja noch gut weg. Entscheidend ist aber
doch nicht die Frage, wie viele Mittel man in das System
gegeben hat, sondern entscheidend ist: Was ist dabei herausgekommen? Was ist erreicht worden? Welche gesellschaftlichen Veränderungen sind erzielt worden? Da
sieht die Bilanz natürlich anders aus.
({4})
- Danke für den Zwischenruf. - Wer sich mit Milliarden
für die Bildung schmückt, der darf über ein gescheitertes
Bildungssystem nicht schweigen.
({5})
So wie der Bundeshaushalt insgesamt ein Haushalt
der sozialen Spaltung ist, so setzt sich die soziale Spaltung im Bildungswesen fort. Die soziale Stellung von
Kindern und Jugendlichen entscheidet leider maßgeblich
über deren Bildungsweg. Ich sage Ihnen: Das muss endlich in einer gemeinschaftlichen Aufgabe überwunden
werden.
({6})
16 verschiedene Schulsysteme in Deutschland sind nicht
zukunftsfähig. Die gehören allenfalls ins Museum.
({7})
Jetzt stehen wir wieder vor einem neuen Schuljahr.
Wir merken wieder mit aller Deutlichkeit gerade im
Westen und im Süden der Republik, dass ein mangelhaftes Schulhortnetz das Problem mit sich bringt, dass in
der Regel junge Frauen aus der Erwerbsarbeit gedrängt
werden, mindestens aber in ihren Aufstiegschancen behindert werden. Das ist anachronistisch. Das gehört verhindert.
({8})
Da ist es angebracht, zu sagen, dass die Bundesrepublik
bei der Ausgestaltung der deutschen Einheit leider nicht
in der Lage war, fortschrittliche Erfahrungen aus dem
Bildungswesen, aber auch aus dem Gesundheitswesen
der DDR zu übernehmen. Ich sage Ihnen: Für diese Erkenntnis bekommen Sie heute auch in Bayern Zustimmung.
({9})
Gleich wird Frau Bundesministerin Wanka die vielen
begrüßenswerten Aufwüchse, die für diese Legislatur
vorgesehen sind, vorstellen. Aber trotz all dieser umfangreichen Förderprogramme ist Bundesministerin
Wanka eigentlich die Verliererin der Haushaltsberatungen.
({10})
- Das kann ich mir vorstellen.
({11})
Das will ich kurz erklären. Als wir im April über den
Etat gesprochen haben, sind Sie noch davon ausgegangen, dass die 500 Millionen Euro, die für den Einstieg in
die Unterstützung der Länder in den Bereichen Kita,
Schule und Hochschule vorgesehen waren, beim Bundesfinanzministerium gewissermaßen nur geparkt sind,
Ihnen aber zur Verfügung stehen. Bei der Konsolidierung in der letzten Nacht der Haushaltsberatungen sind
Sie hinsichtlich dieser Erwartung enttäuscht worden.
Jetzt können Sie diese Situation nicht nachträglich
schönreden; denn wir haben sehr wohl gemerkt, wie die
Kolleginnen und Kollegen aus Ihrem Ministerium um
diesen Posten gekämpft haben.
({12})
- Sie sind im Jahr 2014 an mehreren Stellen enttäuscht
worden, gehen aber wie selbstverständlich davon aus,
dass das 2015 alles wieder hereinkommt. Darüber werden wir im September reden.
({13})
Durch die Minderausgabe von 400 Millionen Euro,
ein gigantischer Betrag, den das Ministerium im Laufe
des Haushaltsjahres einzusparen hat, sind Sie mit einer
schwierigen Aufgabe belastet. Eine solche Minderausgabenfestlegung stellt immer auch eine große Verführung
dar, nämlich die vorhandenen Fördermittel nicht konsequent abzufinanzieren, sondern möglichst etwas davon
stehen zu lassen. Sie treten natürlich die Flucht nach
vorne an und erklären uns, das werde im Jahr 2015 alles
besser. Das werden wir dann sehen.
Wenn man sich anschaut, welchen Weg die Fördermittel des Bundesministeriums nehmen, dann stellt man
fest, dass es zwei große Geldströme aus Berlin gibt: Der
eine geht von Berlin nach München und der andere von
Berlin nach Köln/Bonn. Verteilungsgerechtigkeit sieht
nach unserer Auffassung anders aus.
({14})
Frau Ministerin, Sie haben in diesem Jahr beim Etat
2014 die Kabinettsdisziplin leider über Ihre Ressortverantwortung gestellt.
({15})
Das muss beim Etat 2015 deutlich anders werden.
Es geht auch nicht, dass bei einer BAföG-Reform, die
ja begrüßenswert ist, die Abgeordneten des Bundestages
vom Handeln der Exekutive erfahren; schließlich geht es
doch darum, das Parlamentsrecht gerade hinsichtlich des
Haushaltes auszuüben.
({16})
Wir können aus vielen Fehlern des Jahres 2014 lernen. Das beginnt damit, Frau Ministerin, dass Sie diese
Fehler bitte nicht auch noch zu Tugenden erklären.
Herzlichen Dank.
({17})
Anette Hübinger hat als nächste Rednerin das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle die gute Botschaft
an den Anfang meiner Rede. Sie lautet: Bildung und
Forschung haben, wie schon in den vergangenen Jahren,
auch in dieser Koalition Priorität.
({0})
In der Bereinigungssitzung hat die Koalition den Haushalt des Ministeriums für Bildung und Forschung um
weitere 85 Millionen Euro auf mehr als 14 Milliarden Euro erhöht. Damit erhöhen wir ihn zum neunten
Mal in Folge und erreichen einen Höchststand. Diesen
Weg wollen wir auch in den nächsten Jahren weitergehen.
Es ist aber auch ein ganz besonderes Signal an Eltern,
junge Auszubildende und Studierende, aber auch in die
Forschungs- und Wissenschaftslandschaft hinein, dass
Deutschland auf diesem schon vor Jahren eingeschlagenen Weg, Bildung und Forschung in das Zentrum zu
stellen, weiter vorangeht.
({1})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Gegensatz zu
den Vorstellungen des Kollegen Claus werden wir diesen
Weg weiter verfolgen; denn im Koalitionsvertrag haben
wir festgelegt, dass 9 Milliarden Euro zusätzlich - haushalterisch allerdings erst ab 2015; die 85 Millionen Euro
in diesem Jahr zählen nicht dazu - in den Bildungsbereich fließen werden.
({2})
Für den Bund war ganz besonders wichtig, dass Innovation und Forschung auf solide Füße gestellt werden.
Dafür haben wir 3 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Diesbezüglich werden wir insbesondere drei Maßnahmen ergreifen: Wir stärken die außeruniversitären
Forschungseinrichtungen. Wir werden aber auch die
Weiterentwicklung der Exzellenzinitiative und den Pakt
für Forschung und Innovation finanzieren.
Für die Länder war ganz besonders wichtig, dass im
Zusammenhang mit den immer weiter steigenden Ausgaben im Bildungsbereich eine Entlastung erfolgt. Das
haben wir dadurch bewerkstelligt, dass der Bund die
Länder auf Dauer - nicht nur bezogen auf diese Legislaturperiode - von den Belastungen beim BAföG befreit.
Das bedeutet für den Bund Mehrausgaben von ungefähr
1,2 Milliarden Euro pro Jahr. Wir haben in dieser Legislaturperiode auch 1 Milliarde Euro zur Verfügung gestellt, um weiterhin den Krippen- und Kitaausbau vorantreiben zu können. Das heißt, dass der Ausbau des
Betreuungsangebotes in Deutschland jetzt zügig vorangehen kann. Die durch die Entlastung der Länder frei
werdenden Mittel sollen auch weiterhin im Schul- und
Hochschulbereich eingesetzt werden. Das haben die
Länder fest zugesagt.
({3})
Ich muss sagen: Das ist eine sehr kluge Entscheidung der
Länder; denn es gibt keinen Bereich, in dem Investitionen eine so hohe Rendite bringen und so nachhaltig sind,
wie bei der Bildung. Deswegen kann man sie für diese
Entscheidung nur loben. Wir vom Haushaltsausschuss
werden allerdings auch ein Auge darauf haben, dass dies
so geschieht und dass es weiter in den richtigen Bereichen umgesetzt wird.
({4})
Denn aus unserer Sicht ist wichtig, dass das Geld in diesem Bereich bleibt, damit das 10-Prozent-Ziel, das wir
uns einmal selbst gesetzt haben, also 10 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Bildung zu investieren, auch erreicht werden kann.
Auch wenn die 9 Milliarden Euro in diesem Jahr noch
nicht wirksam werden, muss ich dem Vorwurf von Herrn
Claus widersprechen, dass wir hier einfach Bildungsausgaben wegstreichen; denn dass die 500 Millionen Euro
erst einmal geparkt waren, war eine reine Vorsorgemaßnahme des Bundesministeriums der Finanzen. Dafür ist
es da, und dazu ist es auch verpflichtet. Das heißt aber
nicht, dass die Politik sich nicht anders entscheiden
kann. Die Politik hat sich entschieden, mit der Bereitstellung der 9 Milliarden Euro erst ab 2015 zu starten. Dabei
wird jeder Cent - darauf werden wir auch vonseiten des
Bundes achten - in Bildung und Forschung investiert
werden, und zwar im Laufe dieser Legislaturperiode.
Herr Claus, da können Sie also ganz beruhigt sein: Wir
werden bei Bildung und Forschung nicht kürzen.
({5})
Aber eine ordnungsgemäße Haushaltsführung bedeutet auch, dass wir die Mittel so einstellen, dass sie abfließen können. Wir verabschieden jetzt den Haushalt 2014.
Wir haben ein halbes Jahr Umsetzungszeit für die Projektierung, die Ausschreibung, das Auswahlverfahren
und den Mittelabfluss. Das alles ist in einer dreifachen
Millionenhöhe eigentlich gar nicht seriös zu bewerkstelligen. Wir haben gemeinsam mit den Fachpolitikern den
Einzelplan 30 in einigen Punkten so verändert, dass er
dem Koalitionsvertrag mehr entspricht, und zwar dort,
wo wir es für relevant halten. Wir haben bei dieser Nachjustierung auch das halbe Jahr Haushaltsvollzug berücksichtigt, genauso wie unsere Eigenverpflichtung, die
Nettokreditaufnahme nicht zu steigern, sondern bei
6,5 Milliarden Euro zu belassen.
Lassen Sie mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, einige Punkte nennen. Leider ist der Hauptberichterstatter,
Herr Schulz, heute aufgrund einer Trauerfeier nicht anwesend. Ich gehe davon aus, dass Herr Heil noch mehr
Punkte als ich benennen wird.
Wir haben inhaltlich nachjustiert, zum Beispiel bei
der Berufsorientierung während der Schulzeit. Erforderlich ist nämlich eine gute Beratung von Schülerinnen
und Schülern, sei es im Hinblick auf eine duale berufliche Ausbildung oder im Hinblick auf ein Studium. Beide
Ausbildungsgänge sind für uns gleichwertig. Durch die
große Durchlässigkeit der einzelnen Ausbildungswege
eröffnen wir jungen Menschen gute Chancen.
({6})
Deshalb wurde der Titel „Maßnahmen zur Verbesserung
der Berufsorientierung“ um 10 Millionen Euro erhöht; er
umfasst jetzt 75 Millionen Euro.
Des Weiteren brauchen junge Menschen in einer globalisierten Welt die Möglichkeit, Erfahrungen im Ausland zu sammeln. Deutschland braucht die Erfahrungen
und die Kompetenz junger Leute, um in allen gesellschaftlichen Bereichen - auch in Wirtschaft und Wissenschaft - im globalen Wettbewerb in einer immer enger
zusammenwachsenden Welt vorankommen zu können.
Wir haben mit dem DAAD und der Alexander-vonHumboldt-Stiftung zwei weltweit renommierte Institutionen. Auch deren Etat haben wir um 10 Millionen Euro
erhöht. Damit haben wir eine haushalterisch gute Grundlage für ihre so wichtigen Aufgaben geschaffen.
({7})
Wir stärken den Bereich „Weiterbildung und lebenslanges Lernen“ durch zusätzliche 3 Millionen Euro. Das
soll auch der Alphabetisierungsstrategie zugutekommen.
Wir erhöhen aber auch den Ansatz für die Beratung über
die Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen, und wir stärken die Aufstiegsstipendien. Wir tun
dies, weil wir allen Menschen in Deutschland Bildungschancen und Zukunftsperspektiven eröffnen wollen.
Im Forschungsbereich Gesundheit stoßen wir eine
Wirkstoffinitiative an, die sich auf Multiresistenz und
Sepsis im Bereich der Antibiotika fokussiert. Außerdem
bringen wir ein Forschungsnetzwerk „Kinder- und Jugendgesundheit“ auf den Weg. Die Forschung über Sicherheit im IT-Bereich stärken wir durch die Aufstockung
der zur Verfügung gestellten Mittel um 2 Millionen
Euro. Wir stärken aber auch die Forschung an Fachhochschulen durch zusätzliche Mittel in Höhe von 2 Millionen Euro.
Neben diesen besonderen Akzenten reagieren wir mit
dem Haushaltsplan für Bildung und Forschung auch auf
nicht vorhersehbare Mehrausgaben beim BAföG und
beim Rückbau und der Stilllegung kerntechnischer Versuchs- und Demonstrationsanlagen. Die Mehrausgaben
beim BAföG in Höhe von 37 Millionen Euro konnten innerhalb des Haushaltes gegenfinanziert werden, während wir 85 Millionen Euro für Rückbau und Stilllegung
der kerntechnischen Forschungsanlagen als zusätzliche
Mehrausgaben in den Haushalt eingestellt haben. Das
stärkt den Forschungsbereich natürlich ganz besonders.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf zum
Schluss noch ein Wort des Dankes sagen. Mein Dank
gilt meinem Mitberichterstatter, Herrn Claus, meiner
Mitberichterstatterin, Frau Deligöz, und insbesondere
unserem Hauptberichterstatter, Herrn Schulz. In meinen
Dank schließe ich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
des Ausschusses und des Ministeriums ein. Ich danke für
die gute Zusammenarbeit. Ich glaube, Herr Schulz hat
unsere Arbeit bei dieser wichtigen Aufgabe wunderbar
koordiniert.
({8})
Ich danke für die Aufmerksamkeit und verabschiede
mich mit dem Hinweis: Bildung und Forschung haben in
Deutschland weiterhin Vorfahrt. Herzlichen Dank.
({9})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus gegebenem Anlass möchte ich Sie jetzt alle bitten, sich etwas stärker an
die Redezeit zu halten. Wir alle haben miteinander verabredet, dass wir heute pünktlich Schluss machen. Das
werden wir nicht erreichen, wenn es uns nicht besser gelingt, der Vorgabe zu folgen.
({0})
Ich spreche also eine Mahnung an alle aus, sich an ihre
Redezeiten zu halten. Ich weiß, ermahnt fühlen sich
wahrscheinlich diejenigen, die sich sowieso an die Redezeit halten werden. Ich bitte einfach um Verständnis.
Die Kollegin Deligöz hat jetzt das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen!
Hinter uns liegen in der Tat sehr intensive Haushaltsberatungen über den Bildungs- und Forschungsetat. In diesem Etat geht es ja auch richtig um etwas. Wenn wir
über Bildung, Forschung und Wissenschaft reden, geht
es um nicht weniger als um die Zukunft dieses Landes
und die Antworten auf die wichtigsten Fragen unserer
Zeit, zum Beispiel die Veränderungen unserer Demografiestruktur, die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands
und vor allem die Chancen- und Teilhabegerechtigkeit in
diesem Land.
({0})
Von daher schließe ich mich dem Dank an Swen
Schulz an, der mit seinen kritischen Fragen die Berichterstattergespräche wirklich sehr belebt hat. Leider kann
er heute aus persönlichen Gründen nicht dabei sein.
Aber diesen Dank richtet die SPD ihm sicherlich gern
aus.
({1})
Aber - jetzt kommt das große Aber -: Der Einzelplan
30 ist leider ein Einzelplan im Wartestand. 6-plus-3-Milliarden-Paket, das klingt gut; es ist aber ein einziges Rätsel, und es wirft, ehrlich gesagt, mehr Fragen auf, als es
Antworten gibt. Ein paar dieser Fragen will ich formulieren.
Was geschieht zum Beispiel mit den Wissenschaftspakten? Eine richtige Antwort darauf haben Sie nicht.
Frau Kollegin Hübinger, Sie haben das sehr gut gemacht
mit dem detaillierten Darstellen von kleineren Beträgen.
Aber wir brauchen auch den großen Wurf.
({2})
Da reichen diese kleinen Beträge leider nicht aus. Daran
müssen wir arbeiten, wenn wir die Dinge wirklich verän3864
dern und gestalten wollen und nicht nur eine Anpassung
beim Status quo vornehmen wollen.
({3})
Wie wird die Grundgesetzänderung zur Kooperation
zwischen Bund und Ländern im Wissenschaftsbereich in
Zukunft aussehen? Was passiert mit den Schulen? Das
ist eine große offene Frage. Daran müssen wir alle gemeinsam arbeiten, weil da in der Tat Bund und Länder
- da sind auch die Grünen mit beteiligt - gefragt sind.
Offene Fragen gibt es auch im Kitabereich. Sie haben
gesagt: 1 Milliarde Euro werden investiert. Ich habe
heute eine Antwort vom Ministerium zum Bereich des
Einzelplans 17 bekommen. Die bestätigt: Es ist nicht
1 Milliarde, die investiert wird. 450 Millionen Euro davon sind bereits zugesagt und bewilligt. Das sind alte
Mittel. Es kommen als frisches Geld lediglich 550 Millionen Euro dazu,
({4})
aber die sind nicht einmal verbindlich zugesagt. Sie können nicht von zusätzlich 1 Milliarde Euro reden! Hören
Sie auf, von zusätzlichen Mitteln in der Höhe zu reden!
({5})
Sie tricksen. Sie täuschen. Es sind gerade einmal
550 Millionen Euro, und die sind noch nicht einmal verbindlich.
Jetzt komme ich zu der halben Milliarde für Bildungsinvestitionen. Wo ist denn eigentlich die zugesagte
halbe Milliarde? Ich kann mich noch daran erinnern,
dass Sie, Frau Ministerin, im Berichterstattergespräch
sehr zuversichtlich waren, dass das Geld in Ihrem Haushalt noch draufkommt. Dann waren die Mittel da, dann
waren sie woanders, plötzlich waren sie weg, dann waren sie verschollen, und jetzt sind sie verschoben. Was
denn nun? Das Geld ist de facto nicht da. Wenn man
dann noch bedenkt, dass Sie eigentlich eine globale
Mehrausgabe von 410 Millionen Euro zu erbringen haben, dann erkennt man: Sie haben de facto Kürzungen in
Ihrem Haushalt.
Sie können noch sagen: Bei den kleineren Projekten
haben wir draufgeschlagen. - Aber wenn man das gegenrechnet, kommt unter dem Strich immer noch weniger heraus, und zwar so wenig, dass sogar der Bundesrechnungshof die hohe globale Mehrausgabe in diesem
Haushalt kritisiert, und das findet schon selten genug
statt. Das sollte Ihnen wirklich zu denken geben.
({6})
Was wir dringend brauchen, ist frisches Geld in diesem
Etat, und nichts anderes. Das können wir nicht schönrechnen.
Jetzt stelle ich noch eine andere Frage: Wie will die
Bundesregierung sicherstellen, dass die Länder die frei
gewordenen Mittel, die sie aus dem BAföG-Deal zur
Verfügung haben, auch tatsächlich für Bildung und Wissenschaft ausgeben?
({7})
- Jetzt weisen Sie auf die Grünen hin. Auf diesen Zwischenruf habe ich, ehrlich gesagt, gehofft. Ich gebe Ihnen ein paar schöne Beispiele: Rheinland-Pfalz will die
Mittel in Inklusion in der Bildung und in die Hochschulen stecken. In Hessen kommt ein Sonderfonds Hochschulen. In Niedersachsen wird die dritte Krippenkraft
finanziert.
({8})
Ich finde, dass auch frühkindliche Bildung Bildung ist,
selbst wenn Sie das in Zweifel ziehen.
({9})
Die grün-mitregierten Länder handeln. Sie sagen zu,
und sie tun etwas.
({10})
- Ich traue meinen grünen Politikern. Ich traue Ihren
Politikern aber überhaupt nicht.
({11})
Dazu gebe ich Ihnen auch zwei Beispiele. In Bayern und
in Brandenburg wurden von den Grünen zwei Anträge
eingebracht.
({12})
- Frau Präsidentin, das lasten Sie mir aber nicht an, dass
die mich hier übertönen wollen. Ich rede!
Da haben Sie recht. Das sollen Sie auch.
Die Konsequenz war: Die Anträge mit der Forderung,
das Geld verbindlich für Bildung und Wissenschaft auszugeben, wurden von Ihnen abgelehnt. Deshalb traue ich
Ihren Leuten nicht, meinen Leuten aber sehr wohl. - Das
ist die Antwort auf Ihren Zwischenruf.
({0})
- Herr Kollege, Sie können gern eine Frage stellen.
Frau Kollegin Deligöz, lassen Sie eine Frage des Kollegen Karamba Diaby zu?
Ja, selbstverständlich.
Liebe Frau Kollegin, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu
nehmen, dass die Aussage nicht stimmt? Sie sagen, Sie
trauen den grünen Politikerinnen und Politikern auf Landesebene, den anderen nicht. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass das Land Sachsen-Anhalt entschieden hat
({0})
- das ist eine sehr gute Frage, Steffi Lemke -, dass
30 Millionen Euro, die für Sachsen-Anhalt jetzt infrage
kommen, wie verbindlich zugesagt wurde, im Bereich
Bildung
({1})
- Frau Lemke, lassen Sie mich jetzt einmal zu Ende reden; dann können Sie weitere Zwischenrufe machen ({2})
eingesetzt werden? Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu
nehmen?
({3})
Herr Kollege, ich finde, aus Ihrer Frage spricht eine
gewisse Unsicherheit.
({0})
Sie müssen immer wieder betonnen, wohin noch ein
paar Mittel fließen, um sich sicher zu fühlen. Ich sage Ihnen eines: Die Debatte im Haushaltsausschuss hat es gezeigt - letztendlich wird es auch diese Debatte zeigen -,
dass Sie sich unter dem Strich eigentlich unsicher sind.
Sie sind sich deshalb unsicher, weil Sie nämlich mitverantwortlich sind für dieses Chaos, das Sie verursachen.
({1})
Wenn Sie sich wirklich für Bildung einsetzen wollen:
Warum haben Sie dann nicht mehr verbindliche Zusagen
zur Verwendung der Mittel verlangt? Das hätten Sie
doch tun können. Anstatt dass sich die Parteichefs der
Koalition irgendwo in einem Hinterzimmer in einer
Nacht-und-Nebel-Aktion zusammensetzen, hätten Sie
mit allen Ländern reden können. Sie hätten die Verantwortung dafür übernehmen können und die Bildungspolitik dieses Landes mitgestalten können. Stattdessen
müssen Sie jetzt bitten und betteln und auf das Prinzip
Hoffnung setzen, dass das Geld dort ankommt, wo es benötigt wird. Ich weiß nicht, ob das die beste Art ist. Aber
ich sage Ihnen: Wir können es besser. Auch Sie wissen,
dass wir es besser können.
({2})
Das Schlimmste ist vor allem, dass Sie auf die Kontrollmöglichkeiten für diese Finanzmittel verzichten. Die
Möglichkeit könnten wir haben. Der Kollege Schulz
- das ist seine Leistung ({3})
hat dafür gesorgt, dass es einen Monitoring-Bericht gibt.
Das muss man hier sagen. Sie haben ihn übrigens auch
gegen Kollegen der CDU/CSU durchgesetzt. Aber seien
Sie doch ehrlich: Er ist ein zahnloser Tiger. Der Bericht
zeigt vielleicht auf, was passiert ist und was nicht. Wir
brauchen aber schon vorher eine Steuerung und eine verbindliche Vereinbarung, sodass wir uns darauf verlassen
können.
Die nächste Frage kommt sogleich. Was passiert mit
dem BAföG? Sie verschieben die Erhöhung unter dem
Strich auf das Ende der Wahlperiode. Es werden zwei
Jahrgänge von Studierenden keinen Cent mehr bekommen. Jetzt haben wir die meisten Studierenden, und jetzt
brauchen die Studierenden das Geld und nicht nur leere
Versprechen. Das hat etwas mit fairen und gerechten
Studienbedingungen in diesem Land zu tun.
({4})
Ein ganz kleines Beispiel: Aufstiegsstipendium. Hier
wird die Bewilligung des Büchergeldes für Studierende,
die nach der Berufsausbildung an die Uni kommen, anders gehandhabt als für Studierende, die nach dem Abitur ihr Studium aufnehmen. Dies anzugleichen, würde
gerade einmal 8 Millionen Euro kosten. Sie finden es
gut; die Ministerin findet es gut; alle finden es gut. Aber
Sie machen es nicht. Hier wünschte ich mir etwas mehr
Bodenständigkeit und Anerkennung der Lebensleistung
der Menschen, die nach der Berufsausbildung eine
Hochschule besuchen. Warum tun Sie sich hier so
schwer damit, genau diese Gerechtigkeit herzustellen?
Unser Antrag dazu lag Ihnen vor.
({5})
Das, was mir am meisten Sorgen macht, sind die explodierenden Kosten für den Rückbau der nuklearen Anlagen. Das werden Mehrkosten in dreistelliger Millionenhöhe sein, die auf diesen Haushalt zukommen. Hier
schließe ich mich dem Kollegen Claus an: Verteidigen
Sie Ihren Haushalt, Frau Ministerin. Wir stehen auf Ihrer
Seite. Es kann nicht sein, dass die Entsorgung des Atomschrotts zulasten von Studierenden, Wissenschaftlern,
Forschung, Schulen und Schülern finanziert wird. Es
kann nicht sein, dass Sie die Kosten der Vergangenheit
gegenfinanzieren, indem Sie bei den Ausgaben für Investitionen in die Zukunft kürzen. Das kann nicht sein.
Das ist keine nachhaltige Politik.
({6})
Diese Verantwortung müssen Sie übernehmen. Hier
geht es darum, dass Sie tatsächlich Ihren eigenen Haushalt verteidigen und nicht nur die Politik der Vorgängerregierung.
Um zu erfahren, was die Entsorgung des Atommülls
kostet, haben wir eine Anfrage an Ihr Haus gestellt. Ich
weiß inzwischen aus internen Quellen, dass die Antwort
schon geschrieben wurde, wir sie aber nicht bekommen.
Entweder wollen Sie nicht, können nicht oder trauen
sich nicht. Egal wie die Antwort lautet, Sie müssen früher oder später offenlegen, worüber wir hier eigentlich
reden, damit wir endlich Transparenz und Klarheit haben. Trauen Sie sich, damit Sie am Ende nicht allein auf
den Kosten sitzen bleiben, was vor allem zulasten der
Schüler und Universitäten gehen würde. Frau Ministerin,
ich wünschte mir etwas mehr Engagement von Ihrer
Seite.
({7})
Ein Fazit: Dieser Etat kann nicht alles gewesen sein,
liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist eine Herausforderung, dass wir Investitionen in diesem Bereich tätigen
müssen. Das heißt übrigens auch, dass wir frisches Geld
in die Hand nehmen und nicht nur herumtricksen. Frau
Ministerin, wir unterstützen Sie dabei, aber Sie müssen
auch etwas tun.
({8})
Als nächster Redner hat der Kollege Hubertus Heil
das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Ich werte es als gutes Omen, dass in der Zeit, in
der wir diesen Haushalt beraten, die frühere Ministerin
Bulmahn hier präsidiert. Da wir hier über Traditionen
auch in der Haushaltspolitik reden, will ich die Gelegenheit nutzen, darauf hinzuweisen, dass wir es in den letzten 15 Jahren in einer Tradition wechselnder Regierungen - von Rot-Grün über die Große Koalition und
Schwarz-Gelb bis heute - hinbekommen haben, bei allen
Problemen, die wir nach wie vor haben, die Dinge zum
Besseren zu bewegen.
Ich will es an dieser Stelle einmal sagen: Edelgard
Bulmahn hat diese Entwicklung in Zeiten eingeleitet, in
denen in Deutschland im Bereich der Bildung zum Beispiel über den Pisa-Schock gesprochen wurde. Manchmal braucht man einen Schock, aber vor allen Dingen
darf man dann nicht gelähmt sein; man muss anpacken.
Insofern möchte ich mich ganz herzlich bei Edelgard
Bulmahn bedanken; denn vieles, was wir heute diskutieren und fortsetzen - der Pakt für Forschung und Innovation zum Beispiel -, stammt aus ihrer Amtszeit.
({0})
Jetzt ist Frau Wanka Ministerin,
({1})
und wir wollen zusammenarbeiten, damit wir die Dinge
weiter nach vorne bringen. Ich will sagen, dass sich die
Geschäftsgrundlage bei der zweiten und dritten Lesung
dieses Haushaltes gegenüber der ersten Lesung verändert hat, nicht nur aufgrund der Arbeit der Haushälter,
denen ich ganz herzlich danke, sondern auch, weil wir
Ihnen, Frau Deligöz, jetzt Fragen beantworten können,
deren Beantwortung in der ersten Lesung zugegebenermaßen noch offen war, weil etwa die Frage, wie mit dem
6-plus-3-Milliarden-Paket umgegangen werden soll,
noch zu besprechen war.
Ich finde es aber in Ordnung, dass man es sorgfältig
miteinander bespricht, damit man das Richtige tut. Diese
Fragen sind jetzt geklärt. Ich will deshalb versuchen,
eine Reihe der Fragen, die Sie gestellt haben, in meinem
Redebeitrag zu beantworten. Vielleicht passt Ihnen nicht
jede Antwort; aber ich finde, Sie haben das Recht auf
eine Antwort.
Die erste Frage ist: Welche Ziele verfolgen wir auf
Bundesebene im Bereich der Bildungs-, der Wissenschafts- und der Forschungspolitik? Aus sozialdemokratischer Sicht kann ich sagen - daran lassen wir uns
messen -, dass das Thema der Verbesserung der Chancengleichheit im Bereich der Bildung für uns eine
Toppriorität bleibt; es ist der Maßstab für all das, was
wir im Bereich der Bildung voranbringen.
({2})
Es ist eine Frage, die etwas mit einer Wertehaltung,
mit einer Überzeugung und mit unserem Menschenbild
zu tun hat. Unser Menschenbild ist: Wir wollen, dass das
Leben für die Menschen offen ist. Wir wollen nicht, dass
Herkunft, Hautfarbe oder Geschlecht die Menschen nach
ihrer Geburt auf ihre Verhältnisse festnagelt, sondern
dass Menschen ihren eigenen Lebensweg gehen können
und sie, wenn Sie so wollen, ein Stück weit Autor ihres
eigenen Lebensweges sein können. Dabei ist der gerechte und chancengleiche Zugang zu Bildung auf allen
Stufen der Bildungskette ein zentraler Punkt.
Das heißt in diesem Zusammenhang konkret, dass wir
uns im Bereich der Allianz für Aus- und Weiterbildung
engagieren wollen, weil wir in diesem Bereich erleben,
dass Chancengleichheit - Herr Minister Gabriel hat vorhin beim Bereich Wirtschaft darauf hingewiesen, dass
die Hälfte der Jugendlichen mit Migrationshintergrund
in Deutschland keine anständige Chance auf eine berufliche Erstausbildung hat - nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit ist, sondern in Zeiten des Fachkräftemangels
auch eine Frage der ökonomischen Vernunft.
Es ist erst vor kurzer Zeit im öffentlichen Bewusstsein angekommen - es ist Gott sei Dank auch in den Reden der meisten Kolleginnen und Kollegen, die sich mit
Bildung beschäftigen, deutlich geworden -, welchen
Wert die duale Berufsausbildung in Deutschland hat. Es
ist gut, dass wir dort in der Koalition gemeinsam mit der
Allianz für Aus- und Weiterbildung einen Schwerpunkt
setzen werden:
Hubertus Heil ({3})
({4})
bei der beruflichen Bildung und der Ausweitung von
Bildungsketten. Das haben wir uns auf die Fahnen geschrieben.
Zum Thema Chancengleichheit gehört aber auch,
dass wir uns um diejenigen kümmern, die beispielsweise
eine Chance verpasst haben, Stichwort: Alphabetisierung. Wir haben in dieser reichen Gesellschaft eine
große Zahl von Analphabeten. Ich bin den Haushältern
dankbar, dass sie sich auf den Weg gemacht haben, beim
Thema Alphabetisierungsinitiative nach vorne zu kommen. Die ernüchternde Zahl ist: Es gibt in Deutschland
nach wie vor 7,5 Millionen funktionale Analphabeten.
Lesen und schreiben zu können, meine Damen und Herren, ist nicht nur eine Kulturtechnik, sondern ist auch im
digitalen Zeitalter nach wie vor eine Voraussetzung zur
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben;
({5})
wir wollen diese Teilhabe für alle in diesem Land ermöglichen.
Frau Kollegin Deligöz, zum Thema Chancengleichheit gehört auch das Thema BAföG. Wir haben uns zwischen Bund und Ländern darauf verständigt, dass der
Bund zukünftig, ab 1. Januar 2015, die Finanzierung des
BAföG vollständig übernehmen wird. Ich will sagen:
Das halte ich aus mehrerlei Gründen für richtig. Es ist
unter anderem richtig, weil wir den deutschen Bundesländern damit jährlich einen Spielraum von ungefähr
1,2 Milliarden Euro verschaffen, um gezielt in die Schulen, aber auch in die frühkindliche Bildung und in Hochschulen investieren zu können. Wir als Bundespolitiker
müssen zu Recht alle miteinander darauf achten, ob uns
das gelingt oder ob das Geld irgendwo versickert.
Ich will eines sagen: Den Ländern darf man nicht mit
einer Misstrauenskultur begegnen.
({6})
In den Bundesländern gibt es unterschiedliche Parteienkonstellationen und auch unterschiedliche Erfahrungen,
ganz klar, aber der Druck, in dem Bereich frühkindliche
Bildung und Hochschule etwas zu machen, ist in jedem
Bundesland sehr groß. Deshalb vertraue ich darauf, dass
das, was die Ministerpräsidenten zugesagt haben, auch
umgesetzt wird und dass das Geld dort auch ankommt.
Wir müssen miteinander darauf achten.
({7})
Das Kooperationsverbot besteht noch, aber ich sage
Ihnen: Der Weg einer dauerhaften Entlastung der Länder
ist der richtige. Eine dauerhafte Entlastung ist wichtig,
damit es in den Ländern nicht für vier Jahre zu einer
Kurzatmigkeit kommt. Wir brauchen dauerhafte Spielräume, auch unter den Bedingungen der Schuldenbremse, um mehr in Bildung vor Ort investieren zu können. Ich halte das für den richtigen Weg.
Ich halte es auch aus der Sicht des Bundes für den
richtigen Weg. Ich könnte sagen: Wir müssen jetzt mehr
Geld aufwenden. Aber dadurch wird das unwürdige Gezerre zwischen Bund und Ländern um eine BAföG-Erhöhung endlich aufhören, und wir als Bundespolitiker
können endlich unseren Beitrag zur Chancengerechtigkeit im Bereich BAföG leisten.
({8})
- Ich gebe Ihnen die Gelegenheit, eine Frage zu stellen,
wenn die Präsidentin das erlaubt.
Ich erlaube das selbstverständlich. - Herr Gehring.
Vielen Dank, Herr Heil. - Halten wir fest: Die Rentenreform kommt sofort, die Entlastung beim BAföG
aber erst zum 1. Januar 2015. Der Bund übernimmt dann
100 Prozent der Kosten; das stimmt. Das heißt aber, dass
sich der Bund nicht länger hinter den Ländern verstecken kann.
Richtig!
Sie müssen dem Parlament und der Öffentlichkeit
aber erklären, wieso die BAföG-Novelle erst zum Wintersemester 2016/2017 kommen soll. Das bedeutet, dass
die Studierenden in den nächsten zweieinhalb Jahren
keine BAföG-Erhöhung bekommen. Wenn man das
durchrechnet - von der letzten BAföG-Novelle und -Erhöhung bis heute -, dann stellt man fest: Mit den
500 Millionen Euro, die Frau Wanka für die BAföG-Novelle vorsieht, wird noch nicht einmal die Inflationsrate
ausgeglichen.
({0})
Das bedeutet, Sie können die Sätze nicht anständig erhöhen, und Sie erhöhen sie erst in zweieinhalb Jahren. Warum? Wieso kommt die BAföG-Novelle nicht vorher? Ihnen liegen Berichte vor, aus denen hervorgeht,
wie dringend notwendig das wäre.
({1})
Erklären Sie dem Parlament, warum die Studierenden
zweieinhalb Jahre auf eine BAföG-Erhöhung warten
müssen. Das ist unverständlich. Der Bund kann sich nun
nicht mehr hinter den Ländern verstecken.
({2})
Lieber Herr Gehring, ich will Ihre Frage gerne beantworten, aber zuvor habe ich eine herzliche Bitte. Wir
können über vieles reden, aber in der rhetorischen Einleitung Ihrer Frage die Rentner gegen die Studierenden
auszuspielen, das ist nicht in Ordnung.
({0})
- Das hat er sehr wohl gemacht. - Sie kritisieren, dass
wir die Lebensleistung von Müttern bei der Kindererziehung besser berücksichtigen, und spielen das gegen die
Studierenden aus. Das ist doch nicht in Ordnung.
({1})
Jetzt zum sachlichen Teil Ihrer Frage. Ich gebe zu: Ich
hätte mir eine BAföG-Reform, was die Erhöhung der
Sätze betrifft, früher gewünscht, zum Wintersemester
des kommenden Jahres wäre das technisch möglich gewesen. Aber wir haben uns anders verständigt.
({2})
- Ganz ruhig.
({3})
Jetzt müssen wir uns auf das Machbare konzentrieren.
Noch einmal: Ich hätte mir das früher gewünscht, aber
das hat etwas mit Spielräumen zu tun, die natürlich erst
einmal geschaffen werden müssen. Ich sage Ihnen aber
eines: Wir alle in diesem Parlament - die Sozialdemokraten und, ich hoffe, auch unser Koalitionspartner müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die anstehende
BAföG-Reform kein Reförmchen, sondern strukturell
und in Bezug auf das Volumen eine substanzielle
BAföG-Reform wird, um die Bildungschancen zu verbessern.
({4})
Das betrifft die Sätze, das betrifft die Freibeträge, das
betrifft die strukturellen Fragen, nicht nur beim Übergang vom Bachelor zum Master. Wir werden eine ganze
Menge Arbeit vor uns haben.
Als Sozialdemokrat - wir stehen in der Tradition von
Willy Brandt, der das BAföG in den frühen 70er-Jahren
eingeführt hat - kann ich Ihnen versichern: Das BAföG
ist uns ein Herzensanliegen. Wir werden dafür sorgen,
dass die soziale Situation von Studierenden im Interesse
des Bildungserfolgs verbessert wird. Das kommt jetzt
ein paar Semester später, aber es wird substanziell sein.
Darauf können Sie sich verlassen.
({5})
Ich habe schon etwas zum Thema Chancengleichheit
gesagt. Ich will aber auch etwas zu dem zweiten Schwerpunkt des Haushaltes sagen: Wir streben eine stärkere
Neuorientierung der Wissenschaftspolitik des Bundes
an, weg von kurzatmigen Strohfeuerprogrammen hin zu
längeren Linien mit dem Ziel einer Grundfinanzierung.
Deshalb ist es richtig, Frau Ministerin, dass wir uns nach
intensiven Auseinandersetzungen darauf verständigt haben, dass wir das Kooperationsverbot, zumindest für den
Bereich der Hochschulen in Deutschland, brechen. Ich
bleibe dabei: Langfristig muss das gesamte Kooperationsverbot fallen. Ich glaube, das ist richtig.
({6})
Ich nehme zur Kenntnis, dass das in der jetzigen Situation ob der Mehrheitsverhältnisse nicht vollständig
möglich ist. Dass wir aber zumindest einen Schritt vorangehen, indem wir den in Verfassungsrecht gegossenen Irrtum der letzten Föderalismuskommission korrigieren und mit einer Änderung des Artikels 91 b des
Grundgesetzes dafür sorgen, dass Kooperationen im Bereich der Hochschulen möglich sind, ist die gute Nachricht.
Zur Beruhigung kann ich sagen - Frau Deligöz, wenn
Sie zuhören wollen; Sie haben die Frage gestellt, wann
das kommt und wie das aussehen wird -: Wir haben uns
gestern auf Bundesebene auf einen Formulierungsvorschlag für die Grundgesetzänderung verständigt. Es wird
noch eine Ressortabstimmung geben; das ist ganz klar.
Weil das eine Verfassungsänderung ist, muss man sorgfältig vorgehen. Es wird auch mit den Ländern gesprochen werden. Meine Bitte ist: Nutzen Sie die Möglichkeiten, die Sie haben, und helfen Sie mit, dass das
Kooperationsverbot im Bereich der Hochschulen fällt.
Überfrachten Sie diese Debatte nicht mit anderen Punkten; denn wir müssen schleunigst für bessere Perspektiven an den Hochschulen in Deutschland sorgen. In diesem Bereich gibt es verdammt viel zu tun.
Wir werden die Pakte fortsetzen - das ist gar keine
Frage -, aber wir müssen auch neue Instrumente schaffen, beispielsweise in Bezug auf den wissenschaftlichen
Nachwuchs. Diesbezüglich können wir auch ohne
Grundgesetzänderung einiges tun; das werden wir übrigens auch tun. Ich nenne das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das wir ändern werden, um den Missbrauch von
Befristungen in diesem Bereich zurückzudrängen und
klare Perspektiven und Karrierewege zu eröffnen.
Ich glaube, wir müssen neue Formen der Kooperation
zwischen Bund und Ländern finden. Wir können diese
Formen aber nur finden, wenn wir die Verfassung an diesem Punkt korrigieren. Im Bundestag gibt es dafür eine
entsprechende Mehrheit. Wir brauchen diese Mehrheit
aber auch im Bundesrat. Dort stehen Bündnis 90/Die
Grünen mit in der Verantwortung. Meine herzliche Bitte
an Sie lautet deshalb: Wirken Sie daran mit! Das gilt
auch für die Linkspartei in Brandenburg.
({7})
Hubertus Heil ({8})
Der dritte Schwerpunkt dieses Haushalts ist die innovative Forschungspolitik, die wir in diesem Land betreiben wollen und die gesellschaftlichen Wandel und technologischen Fortschritt positiv miteinander verbindet.
Beides, technischer Fortschritt und gesellschaftlicher
Wandel, sind wichtig, um zu gestalten. Dafür brauchen
wir eine ambitionierte Forschungspolitik in diesem
Land. Innovation und Teilhabe sind zwei Seiten derselben Medaille. Die spannende Frage ist nicht, ob wir das
Gefühl haben, dass unsere Forschungslandschaft schlechter geworden ist. Unsere Forschungslandschaft ist nicht
schlechter geworden. Wenn man im Ausland unterwegs
ist, stellt man fest, dass es viele gibt, die uns um unsere
Wissenschaftsorganisationen und unsere großen Forschungsorganisationen regelrecht beneiden.
({9})
In vielen Ländern werden sie kopiert. Im Bereich der außeruniversitären Forschung sind wir exzellent aufgestellt.
Im Bereich der Hochschulen müssen wir darauf achten, dass Forschung und Lehre gestärkt werden. Die
Hochschulen sind im Wissenschaftssystem zu stärken.
Wir müssen diesbezüglich, genau wie im Bereich der
Bildung und der Lehre, darauf achten, dass es eine Förderung sowohl in der Breite als auch in der Spitze gibt.
Wir müssen auch im Bereich der Forschung auf Spitzenförderung setzen, dürfen die Breitenförderung aber nicht
vernachlässigen. Deshalb wollen und werden wir in dieser Koalition beispielsweise darauf achten, dass die Forschung an Fachhochschulen in Deutschland gestärkt
wird. Das ist in vielen Bereichen von struktureller Bedeutung.
Deshalb müssen wir - Stichwort: Validierungsforschung - darauf achten, dass wir die richtigen Instrumenten und Ideen haben, um aus Erkenntnissen Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in diesem Land
zu entwickeln.
({10})
Deshalb wollen wir dafür sorgen, dass nicht nur in den
Bereichen der Grundlagenforschung und der anwendungsorientierten Forschung gut gearbeitet wird, sondern
auch dafür, dass es zu Ausgründungen aus Universitäten
- Stichworte: Existenzgründungen und Wachstumsfinanzierung - kommt.
({11})
Wenn wir die Chance der Digitalisierung im internationalen Wettbewerb nutzen wollen, dann brauchen wir
nicht nur eine Breitbandinfrastruktur, sondern wir brauchen als Industrienation auch die kleinen technologiegetriebenen Unternehmen, die unseren großen und mittelständischen Unternehmen helfen können, diesen Weg
erfolgreich zu beschreiten. Diesen Weg wollen wir gehen, weil Innovationen uns nach vorne bringen. Wir
haben in diesem Land relativ wenige Rohstoffe und Bodenschätze. Die Rohstoffe, die wir haben, sind in den
Köpfen, manchmal auch in den Herzen. Wir wollen
durch die Art und Weise, wie wir hier Politik machen
- das bildet der Haushalt ab -, dazu beitragen.
Frau Wanka, wir freuen uns jetzt, nachdem wir in Sachen Bildung und Wissenschaft keine leichte Zeit in dieser Koalition hinter uns haben - das galt insbesondere
für den Zeitraum, als die Frage des 6-plus-3-MilliardenEuro-Pakets noch nicht hinreichend geklärt war -, auf
die Umsetzung. Ich glaube, wir werden gemeinsam zu
guten Lösungen kommen. Manchmal wird es Auseinandersetzungen geben, auch in dieser Koalition. Das ist
ganz normal. Auseinandersetzungen gab es in Koalitionen immer.
Am Ende zählt Folgendes: Wir wollen Chancengleichheit in diesem Land befördern, wir wollen das
Wissenschaftssystem modernisieren, wir wollen die berufliche Erstausbildung stärken, und wir wollen Innovationen in Gesellschaft und Wirtschaft vorantreiben.
Wenn uns das gelingt, dann wird in dieser Legislaturperiode die Erfolgsgeschichte im Bereich Bildung und Forschung, die Edelgard Bulmahn begonnen hat, fortgeschrieben. Darauf können wir am Ende stolz sein.
Herzlichen Dank.
({12})
Jetzt hat die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Professor Dr. Wanka, das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist
schon interessant, dass in den Redebeiträgen der Opposition auf das Wesentliche - nämlich was mit den vielen
Milliarden gemacht wird - nicht eingegangen wurde.
({0})
Ich will noch einmal rekapitulieren: Im Dezember
gab es mit dem Koalitionsvertrag das gute Signal, dass
Bildung und Forschung eindeutig Priorität haben. Das
bezieht sich nicht nur auf den Inhalt bzw. darauf, was
man alles machen will. Vielmehr sind von den 23 Milliarden Euro 9 Milliarden Euro - das ist mehr als ein
Drittel und mehr, als für die Verkehrsinfrastruktur und
für vieles andere vorgesehen ist - für diesen Bereich vorgesehen.
Wir haben die mittelfristige Finanzplanung. Die Mittel, die für den Hochschulpakt II in dieser Phase notwendig sind - also über 6 Milliarden Euro -, sind darin
schon enthalten. Der Pakt für Forschung und Innovation,
so wie er ausverhandelt war, war Bestandteil des Finanzplans. Alles, was wir für die Exzellenzinitiative in dieser
Legislatur benötigen, stand ebenfalls schon im Plan. Zu
all dem kam dieser Betrag in Milliardenhöhe hinzu.
Von diesen 9 Milliarden Euro entfallen 6 Milliarden
Euro auf die Entlastung der Länder, damit sie die Aufgaben, für die sie originär zuständig sind, in diesem Be3870
reich erfüllen können. Über die Frage, wie man das
macht, musste diskutiert werden. Die Vorstellung der
Länder - egal welcher Couleur - war klar: Den Ministerpräsidenten ging es als Allererstes um Umsatzsteuerpunkte, um nichts anderes. Das war sozusagen die Ausgangsposition.
Was haben wir erreicht, und was ist in Bezug auf
diese 9 Milliarden Euro der Stand? Frau Deligöz, Sie
wissen doch genau, dass die Situation jetzt nicht mehr
unklar ist, wie es noch - Herr Heil hat darauf hingewiesen - während der ersten Haushaltsverhandlungen der
Fall war. Damals war noch nichts entschieden. Im Dezember waren von den 9 Milliarden Euro 1,5 Milliarden
Euro für Forschung vorgesehen. Jetzt sind es 3 Milliarden Euro.
({1})
Das heißt, dass wir das 3-Prozent-Ziel von der öffentlichen Seite her schaffen können.
Herr Claus, Sie erwähnten den Begriff „Bilanz“. Wir
haben eine herausragende Bilanz vorzuweisen; denn im
Bereich Forschung und Entwicklung sind wir eine Spitzennation geworden. Unser Wohlstand hat da seine Wurzeln. Unsere Stellung als Spitzennation ist jetzt auch zukünftig gesichert.
Von den 6 Milliarden Euro zur Entlastung der Länder
entfallen 5 Milliarden Euro auf den Bereich Schulen und
Hochschulen.
({2})
- Nein, mit Zweckbindung. Lesen bildet! - Mit diesen
5 Milliarden Euro wird zum einen der Hochschulpakt III
finanziert, der ab 2016 startet. Er konnte noch nicht in
der mittelfristigen Finanzplanung enthalten sein, weil
über ihn erst noch verhandelt wird. Es wurde nach dem
Stand gefragt. Frau Deligöz, ich habe im Ausschuss gesagt, dass die Verhandlungen laufen. Ich glaube, vorgestern fand wieder eine Verhandlungsrunde statt. Wir
wollen im Oktober mit dem Pakt für Forschung und
Innovation sowie mit dem Hochschulpakt III in die
GWK gehen und im Dezember mit den Ministerpräsidenten darüber reden. Es besteht also Klarheit, was die
praktische Umsetzung angeht.
({3})
Ich komme zum Hochschulpakt III. Herr Claus, Sie
sprachen von der DDR. Da haben wir eine gemeinsame
- ({4})
- Jedenfalls haben wir da einmal gewohnt - zusammen.
({5})
- In diesem Land!
({6})
Da gibt es keine gemeinsame Erinnerung; denn wir haben, glaube ich, sehr unterschiedliche Sozialisationen.
Eines ist klar: In der ehemaligen DDR war es nicht so,
dass man wie heutzutage vielen jungen Leuten die Möglichkeit des Studierens einräumte. Nein, das war ganz
stark beschränkt. 10 Prozent, 12 Prozent der jungen
Leute durften studieren. Bei uns ist es schon anders. Was
das Thema „Bildungsgerechtigkeit und Chancen für
alle“ angeht, wurde mit dem Hochschulpakt da schon einiges erreicht.
Herr Heil, über biografische Dinge - auch über die
Frage, wann was stattfand - können wir gerne reden.
Frau Bulmahn, ich war als damalige Landesministerin
2006 an den Verhandlungen beteiligt, die in Dresden und
an anderer Stelle stattfanden. Das ist aber, glaube ich,
unwichtig. Wichtig ist, dass diese Aufgabe - damals hat
keiner vermutet, dass wir es hinbekommen - gelöst
wurde.
Der Hochschulpakt III ist gesichert. Im Koalitionsvertrag stand - weil dieser Punkt ein Riesenproblem geworden war -: Wir wollen die Grundfinanzierung der
Hochschulen unterstützen bzw. in die Grundfinanzierung einsteigen. - Bildung fällt unter die Kulturhoheit
der Länder. Sie sind also für die Grundfinanzierung der
Hochschulen zuständig. Das funktionierte nicht so gut in
den letzten Jahren. Oft wurden Tarifaufwüchse nicht gezahlt, oder es gab zu geringe Steigerungen. In manchen
Ländern funktionierte es zwar sehr gut. Insgesamt aber
gab es Verwerfungen. Im außeruniversitären Bereich sah
es hingegen gut aus. Deswegen wollten wir den Einstieg
in die Grundfinanzierung der Länder.
Darauf folgt nun die Entscheidung, die jetzt in der
Diskussion ist: Ab 1. Januar 2015 trägt der Bund die
BAföG-Kosten zu 100 Prozent. Das heißt, ab 1. Januar
2015 fließen rund 1,2 Milliarden Euro an die Länder,
und das nicht nur nächstes und übernächstes Jahr und
nicht nur in dieser Legislaturperiode, in der dadurch insgesamt 3,5 Milliarden Euro zusammenkommen, sondern
auch darüber hinaus, für immer. Das heißt, allein in der
nächsten Legislaturperiode sind den Ländern schon einmal mehr als 4,7 Milliarden Euro als Entlastung sicher.
Wir haben vereinbart, dass die Länder sich dazu verpflichten, dieses Geld für Bildung auszugeben, für
Hochschulen und Schulen. Auch eine vierte Kitakraft
wäre kein Problem. Wenn eine Landesregierung das verspricht, muss sie das allerdings auch entsprechend finanzieren, und sie darf nicht den Hochschulen die Mittel
vorenthalten.
({7})
Ich kann mir schon vorstellen, dass sich die Länder
jetzt fragen: Was kann man mit diesem Geld machen?
Man kann - das war ein Problem, das uns alle beschäftigt hat - unbefristete Stellen für Nachwuchswissenschaftler einrichten. Man kann, wenn man es will, Schulsozialarbeit davon bezahlen, und zwar dauerhaft. Man
kann sich auch überlegen, wie man die Ganztagsschulen
inhaltlich und kulturell organisiert, man kann dafür Stellen schaffen. Diese Freiheit haben die Länder.
Ich bin ein überzeugter Föderalist, auch weil ich - das
habe ich nicht vergessen - einmal Landesministerin war.
Ich glaube, dass man vor Ort, in den Ländern, ganz unterschiedliche Situationen hat. Wie man die Mittel zwischen Hochschulen und Schulen aufteilt - ob man nun
sagt, wie in Sachsen-Anhalt, Hälfte/Hälfte, oder, wie in
Sachsen, zwei Drittel/ein Drittel oder anders -, das bleibt
den Ländern überlassen. Ob wir das von Berlin aus so
oberschlau alles besser wissen können, das weiß ich
nicht.
Natürlich muss man schauen: Wird das auch wirklich
realisiert? Ich habe allerdings die Illusion verloren, Frau
Bulmahn, dass man auf den Cent genau kontrollieren
kann, was mit dem Bundesgeld passiert. Das ist nicht
möglich. Da ist auch ein Stück Vertrauen nötig. Ich
glaube, Herr Scholz hat in der Diskussion darauf hingewiesen, dass alle Länder Geld für diesen Bereich brauchen. Warum sollen sie es jetzt dafür nicht zusätzlich
einsetzen?
Vor der Wahl hat sich die CDU/CSU für eine Grundgesetzänderung ausgesprochen. Im Koalitionsvertrag
von Ende November/Anfang Dezember war dann keine
Grundgesetzänderung vorgesehen. Die Wissenschaftsszene war enttäuscht, sie hatte immer gehofft, dass diese
Grundgesetzänderung nach der Wahl doch noch kommt.
Doch dann stand davon nichts im Koalitionsvertrag, weil
wir uns an der Stelle nicht verständigen konnten. Jetzt
haben wir erreicht, dass Artikel 91 b Grundgesetz für
den Wissenschaftsbereich geändert wird. Das ist großartig.
({8})
Das wird auf Dauer wirken.
Lieber Herr Heil, jetzt muss ich Sie als Koalitionspartner korrigieren - damit sich kein falscher Eindruck
festsetzt -: Mit dem, was wir jetzt machen, nehmen wir
keine Korrektur vor an dem, was wir 2006 verabschiedet
haben. Die Grundgesetzlage war vorher so, dass Kooperation nur im außeruniversitären Wissenschaftsbereich
vorgesehen war.
({9})
- Schauen Sie doch im Text nach! - 2006 ist eingefügt
worden, dass Bund und Länder auch im Bereich der
Hochschulen kooperieren können. Das war vorher gar
nicht vorgesehen. Es gibt jetzt so viel Kooperation wie
noch nie, Milliardensummen sind neu im System. Aber
- das ist entscheidend - es gibt bisher keine unbefristete
und keine institutionelle Kooperation. Das wollen wir
jetzt ändern.
({10})
Wie gesagt: Wir können überhaupt erst seit 2006 kooperieren.
Meine Damen und Herren, Frau Deligöz, Sie müssen
mich nicht auffordern, da etwas zu tun - wir haben da etwas getan, wir haben nur nicht über jeden Wasserstand
Zwischenbericht erstattet; das wäre ein bisschen kompliziert gewesen. Das Ergebnis, das wir jetzt erzielt haben,
ist viel mehr als das, was wir im Dezember hatten, vor
allen Dingen unbefristet. Darauf warten die Hochschulen und zum Teil auch die Schulen: unbefristete Stellen.
Diese wird es jetzt geben.
Da einige das kleinreden werden und weiter von maroden Schulen und anderem sprechen werden, will ich
dazu nur eine Zahl nennen: Für alle Hochschulen der
Bundesrepublik Deutschland geben die Bundesländer
Jahr für Jahr in Summe rund 20 Milliarden Euro aus. Da
legt der Bund jetzt jährlich 1,2 Milliarden Euro drauf.
({11})
Das sind 6 Prozent Steigerung ad hoc, auf Dauer. Das ist
eine großartige Leistung, die uns auch richtig etwas kostet. Das ist kein kleines Paket, das ist ein entscheidender
Aufwuchs. Ich finde es schade, dass die Opposition kein
Wort darüber verliert, sondern nur über kleinere Sachen
spricht.
({12})
Meine Damen und Herren, es geht nicht nur darum,
wie viel Geld man zur Verfügung hat. Ich spreche ja immer ein bisschen schnell; deswegen sage ich noch einmal ganz langsam: Man kann sich die Haushaltsvorlage,
die in die Diskussion eingebracht wurde, anschauen;
man kann sie in der Druckfassung nachlesen. In dieser
Haushaltsvorlage stehen die Summen für den Einzelplan, für den ich verantwortlich bin. Aus diesem Einzelplan wurde kein einziger Euro weggenommen - kein
einziger -, aber es sind 85 Millionen Euro dazugekommen. Es gibt in meinem Einzelplan keine Kürzung. Auch
wenn Ihnen das rhetorisch gefällt: Es ist nicht so. Mit
dem Geld, über das der Finanzminister verfügt, werden
wir ab Januar nächsten Jahres die Ausgaben für das
BAföG übernehmen. Das wird, wenn die entsprechende
Gesetze verabschiedet sind, definitiv geschehen.
Meine Damen und Herren, es geht nicht immer nur
um Geld, sondern es geht auch darum, was man mit dem
Geld macht. Was die Forschung angeht, ist die HightechStrategie in diesem ersten halben Jahr ein wichtiges
Thema. Wir als Bundesregierung werden die Weiterentwicklung der Hightech-Strategie in Bälde im Kabinett
kommunizieren und sie dann auch allen Beteiligten vorstellen.
Wir alle wissen, dass wir im Hochschulbereich ganz
viel getan und Milliarden Euro investiert haben. Jetzt
müssen wir gut aufpassen, um zu verhindern, dass im
Bereich der dualen Ausbildung ein Ungleichgewicht entsteht, das sich zum Teil schon andeutet. Deswegen bringen wir die Initiative „Chance Beruf“ auf den Weg. Jetzt
ist nicht die Zeit, sie inhaltlich vorzustellen. Ich lade Sie
ganz herzlich für nächsten Dienstag ein, wenn wir dieses
Programm verkünden. Dabei geht es auch darum, Angebote für alle Bundesländer zu machen. Aus den BAföGMitteln könnten die Länder, wenn sie wollten, schon
jetzt Geld für die berufliche Bildung in der Schule und
für individuelle Beratung bereitstellen.
Das, was Sie, Herr Claus, zur Bilanz gesagt haben,
empfand ich als störend. Ich meine, den Stand, den wir
heute in der Welt haben, hatten wir vor 10 oder 13 Jahren nicht. Unsere hohe Wettbewerbsfähigkeit hängt ganz
entscheidend mit diesem Etat zusammen. Dass wir in einer guten Tradition stehen - die erste Grundgesetzänderung fand 2006 statt, die nächste nehmen wir in diesem
Jahr vor -, auch was die Prioritätensetzung anbetrifft, ist
ganz entscheidend. Wir wollen international wettbewerbsfähig sein, und wir wollen in Deutschland noch
mehr Bildungsgerechtigkeit.
Danke.
({13})
Als nächste Rednerin hat die Kollegin Nicole Gohlke
das Wort.
({0})
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Kolleginnen und
Kollegen! Wir nehmen zur Kenntnis: Die Große Koalition versucht, sich für einen Aufbruch in der Bildung zu
feiern, und hat angekündigt, 6 Milliarden Euro für Bildung und 3 Milliarden Euro für Forschung zur Verfügung zu stellen.
({0})
Ob das wirklich schon ein Aufbruch ist, da kann man sicherlich geteilter Meinung sein,
({1})
wenn man sich die krassen Mängel vor Augen führt, die
im Bildungsbereich - von der Kita über die Hochschule
bis hin zur Weiterbildung - bestehen, und angesichts der
viel höheren Summen, die bei Bund, Ländern und Kommunen eigentlich nötig wären.
Aber selbst dann, wenn man sich darüber freuen
wollte:
({2})
In dem Haushalt, der heute vorliegt, findet sich nichts
davon wieder. Sie können hier lediglich - das sagen Sie
ja selber - Ankündigungen feiern, aber eben keine realen
Zahlen. Es ist schon erstaunlich, wie oft, wie lange und
bei wie vielen Haushaltstiteln Sie diese Ankündigungen
feiern. Man hat das Gefühl: Das Geld wird immer mehr.
Ihrem Finanzminister ist aber in letzter Minute eingefallen, dass er ja noch Haushaltslöcher stopfen muss. Sie
können versuchen, das anders zu bezeichnen; aber genau
das ist da geschehen.
({3})
Wo holt er sich das Geld?
({4})
Das Geld holt er sich nicht etwa über die Besteuerung
von Vermögen und großen Einkommen; das wäre ja eine
kreative Antwort. Nein, er nimmt einfach die 500 Millionen Euro aus dem Bildungsetat, mit denen Frau
Wanka in diesem Jahr zaghaft anfangen wollte, ein paar
ihrer Versprechen einzulösen, und man hört noch nicht
einmal einen Aufschrei aus dem Bildungsministerium.
({5})
Der Kollege Rossmann hat ja kürzlich in einem Interview gesagt, es sei vor allem als ein starkes symbolisches Zeichen zu verstehen, dass diese 500 Millionen
Euro für das laufende Haushaltsjahr verbucht wurden;
Frau Wanka nannte das gerade ein „Signal“. Abgesehen
davon, dass Symbolik und Signale allein eben nicht ausreichen, um die Bildungsmisere in der Republik zu beheben, frage ich mich schon: Welches Symbol ist das denn
dann, wenn Union und SPD den Mittelaufwuchs bei
nächster Gelegenheit zurücknehmen und das Geld gewissermaßen für die Haushaltssanierung verwenden?
Zwischen den großen Worten von der Bildungsrepublik
und dem Haushalt der Großen Koalition klafft auf jeden
Fall mehr als nur eine Lücke.
({6})
Reine Symbolpolitik ist leider auch die BAföG-Politik der Großen Koalition. Den Studierenden muss es
wirklich schon zu den Ohren herauskommen: schon wieder eine Verschleppung, diesmal bis zum Wintersemester 2016/2017. Erst nach sechs Jahren, also nach zwei
vollen Generationen von Bachelor-Studierenden, soll es
wieder eine BAföG-Erhöhung geben.
({7})
Dabei hatte die Bundesregierung doch immer behauptet,
die BAföG-Erhöhung würde an den Ländern scheitern.
Jetzt ist das endlich geklärt: Der Bund will die Finanzierung des BAföG voll übernehmen, um dann aber die Erhöhung auf die lange Bank zu schieben.
Viel dürfen die Studierenden dann auch nicht erwarten. Die von Ihnen geplanten Gelder werden doch niemals für eine substanzielle Erhöhung reichen. Der DGB
sagt, dass eine erst im Jahr 2016 durchgeführte BAföGErhöhung eigentlich 15 Prozent umfassen müsste, wollte
man die Preisentwicklung der letzten Jahre ausgleichen.
({8})
Das ist eine Forderung, die aus den Reihen der Koalition
als weltfremd bezeichnet wird.
Dabei kommt diese Zahl ganz einfach zustande. Dazu
muss man einfach einmal die Lebenssituation der Studierenden zur Grundlage nehmen. Ein Beispiel: Zurzeit
sind im BAföG-Satz 224 Euro für Wohnkosten vorgesehen. Die Realität ist aber, dass Studierende in Hamburg
im Schnitt monatlich 351 Euro an Miete zahlen. In München und in Köln sind es 358 bzw. 359 Euro. Sie zahlen
also im Schnitt über 130 Euro mehr, als im BAföG-Satz
dafür vorgesehen ist.
Man muss ganz klar sagen: Eine BAföG-Erhöhung
um mindestens 10 Prozent, die die Gewerkschaften, die
Studierendenvertretungen und eben auch die Linke fordern, ist nicht weltfremd. Das ist angesichts dieser Situation realistisch. Weltfremd ist, ehrlich gesagt, dass diese
Regierung nicht zur Kenntnis nimmt, was an den Hochschulen und auf dem Wohnungsmarkt los ist. Ihre Politik
besteht darin, die Wirklichkeit zu ignorieren. Hauptsache, Sie bekommen Ihren knappen Bildungshaushalt
schöngeredet und schöngerechnet!
({9})
Realitätsfern geht es bei den Berechnungen der Großen Koalition weiter. Man kann es ja schon fast als Tradition bezeichnen, dass sich die Bundesregierung bei der
Zahl der Studienanfängerinnen und Studienanfänger immer wieder verrechnet. Sie haben gerade eben die letzte
Zahl nach oben korrigieren müssen, und schon wieder
liegt Ihr Haushaltsansatz für die Jahre 2013 und 2014
mit über 70 000 Studienanfängern unter den Berechnungen der Kultusministerkonferenz.
Die 6 500 Euro, die Sie im Hochschulpakt pro Studienplatz veranschlagt haben, reichen auch nicht, um die
Situation in der Lehre zu verbessern. 2008 lagen die realen Kosten pro Studienplatz schon bei über 7 000 Euro,
und darin sind zum Beispiel die Investitionen in Gebäude noch gar nicht eingerechnet.
Dass Ihnen nicht an einer soliden Grundfinanzierung
der Hochschulen und schon gar nicht der anderen Bildungseinrichtungen gelegen ist, ist mit dem Vorschlag
zur Änderung des Kooperationsverbotes klar geworden.
Als hätte es die Diskussion der letzten zwei Jahre gar
nicht gegeben, will man sich weiterhin darauf beschränken, Forschung und Lehre nur dann zu fördern, wenn es
von überregionaler Bedeutung ist und alle Länder zustimmen, sprich: Freie Fahrt für die Eliteförderung, und
beim Rest kann sich der Bund weiterhin aus der Verantwortung stehlen.
Davon, das Kooperationsverbot für den gesamten Bildungsbereich aufzuheben, sodass auch die Kitas und die
schulische Bildung davon profitieren könnten, will Frau
Wanka offensichtlich gar nichts wissen. Man darf jetzt
wirklich auf die Nachbesserungen gespannt sein, die die
SPD angekündigt hat. Ich hoffe, wir werden sie zu Gesicht bekommen. Vielleicht sollten Sie in der Koalition
solche wichtigen Vorhaben aber erst einmal gemeinsam
besprechen, bevor die Vorschläge auf den Tisch gelegt
werden.
({10})
Kolleginnen und Kollegen, die Linke bleibt dabei:
Die Grundfinanzierung der Bildung, der Wissenschaft
und der Forschung muss durch ein Zusammenwirken
von Bund und Ländern gesichert werden. Der Wettbewerbsföderalismus gehört endlich beendet.
({11})
Die unterschiedlichen Bildungsbereiche - die frühkindliche Bildung, die schulische Bildung und die hochschulische Bildung - dürfen nicht mit dem Argument der
knappen Kassen gegeneinander ausgespielt werden. Alle
Bereiche sind gleichermaßen wichtig.
({12})
Aus dem unsäglichen Kooperationsverbot muss endlich ein Kooperationsgebot werden. Das wäre tatsächlich
mal ein echter Aufbruch in der Bildungspolitik.
Vielen Dank.
({13})
Als nächster Redner hat der Kollege René Röspel das
Wort.
({0})
Wertes Präsidium! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Zunächst, liebe Nicole Gohlke, herzlichen
Glückwunsch nachträglich zur Geburt des Kindes. Wir
wünschen der jungen Familie alles Gute.
({0})
Kritik kann ich Ihnen trotzdem nicht ersparen, auch
wenn ich jetzt nicht auf alle Punkte eingehen will. Das
Märchen von den 500 Millionen Euro, die angeblich im
Haushalt von Herrn Bundesfinanzminister Schäuble verschwunden sein und nie wieder für Bildung und Forschung zur Verfügung stehen sollen, ist einfach falsch.
Das ist wie mit einem Auto, das man erst vor einem
Haus parkt, um dann mit ihm, wenn man es nicht für
lange Fahrten braucht, eine Runde um den Block zu drehen. Es ist gerade nicht zu sehen, aber es kommt wieder.
({1})
Diese 500 Millionen Euro bleiben bestehen. Sie sind Teil
der 9 Milliarden Euro, die wir in dieser Regierung für
Bildung und Forschung zusätzlich zur Verfügung stellen,
und das ist auch gut so.
({2})
Wenn Sie in das Plenarprotokoll zur Einbringung des
letzten schwarz-gelben Haushalts, des Haushalts der
Vorgängerregierung, gucken,
({3})
dann sehen Sie, dass ich damals in meiner Haushaltsrede
angesichts der Löcher, die sich dort auftaten - mangelnde Ausfinanzierung der Zukunft, globale Minderausgaben -, gesagt habe, dass man fast versucht sei, zu
sagen: Vielleicht muss Schwarz-Gelb doch noch ein Jahr
weiterregieren, um die Suppe auszulöffeln, die es sich
eingebrockt hat. Jetzt sitzen wir mit am Kabinettstisch.
Ich habe extra einen Löffel mitgebracht. Falls noch Bedarf besteht, diese kalte Suppe auszulöffeln, stehen wir
als SPD gern zur Verfügung.
Über zusätzliche Mittel, um das zu finanzieren, was
noch nicht ausfinanziert ist - es gibt Risiken, was den
Hochschulpakt anbelangt; das ist definitiv -, werden wir
reden. Das wird nicht aus den zusätzlichen 9 Milliarden
Euro für Bildung und Forschung zu finanzieren sein.
Aber sprechen Sie uns als SPD - das gilt für alle Fraktionen - gerne an. Wir sind diejenigen, die solide finanzieren und auch Spielräume für Forschung und Bildung eröffnen und das in den letzten Jahren auch getan haben.
Ich will das anhand eines Beispiels in Erinnerung rufen, weil es dazugehört, bestimmte Dinge nicht zu vergessen. In der letzten Großen Koalition war es die SPD,
die im Jahre 2006 dazu beigetragen hat - sie konnte endlich die Union davon überzeugen -, die Eigenheimzulage abzuschaffen. Das Geld, das wir in den letzten Jahren dafür ausgegeben haben, fällt ja nicht vom Himmel.
2005 hatte Bundesfinanzminister Schäuble noch 10 Milliarden Euro jährlich für die Eigenheimzulage zahlen
müssen. Dieser Betrag ist dadurch abgeschmolzen, dass
wir die Zulage schrittweise abgeschafft haben. Im letzten Jahr mussten dafür nur noch 500 Millionen Euro,
eine halbe Milliarde Euro, ausgegeben werden.
Den Weg des Geldes, das der Finanzminister in den
letzten Jahren nicht hat auszahlen müssen, kann man
zwar nicht nachverfolgen, aber in der Bilanz, so heißt es,
hat dieses Geld Spielräume eröffnet, die Sie in der letzten Regierungskoalition richtigerweise genutzt haben,
um mehr in Bildung und Forschung zu investieren. Das
ist gut so. - Sagen Sie uns also Bescheid, wenn Sie jemanden brauchen, um die Suppe auszulöffeln: Die SPD
steht zur Verfügung. Wir haben die entsprechenden Konzepte und wollen hier auch weiterhin gestalten.
({4})
Wir sitzen jetzt mit am Tisch der Regierung. Ich bin
sehr froh, dass wir in den Koalitionsverhandlungen
6 Milliarden Euro plus 3 Milliarden Euro für den Bereich Bildung und Forschung ausverhandelt haben. Dieses Geld steht nicht nur für Maßnahmen des Bundes zur
Verfügung, sondern ein Großteil davon fließt an die Länder, weil wir die Länder bei den Aufgaben Bildung und
Forschung, etwa beim Erhalt von Kindertagesstätten,
entlasten wollen.
Das bedeutet - ich habe das einmal für unser Bundesland, für Nordrhein-Westfalen, ausrechnen lassen -, dass
dadurch, dass der Bund im nächsten Jahr den BAföGAnteil komplett übernehmen wird - Frau Ministerin
Wanka und Hubertus Heil haben das eben schon gesagt -,
den Ländern jedes Jahr 1,17 Milliarden Euro zusätzlich
zur Verfügung stehen. Für Nordrhein-Westfalen heißt
das, dass es jedes Jahr über 280 Millionen Euro mehr
verfügen kann. Das ist für dieses Land wie für alle anderen Bundesländer eine große Erleichterung, weil sie die
Hauptlast bzw. die Hauptfreude an der Bildungsfinanzierung tragen. Wenn man aber bedenkt, dass NordrheinWestfalen zum Beispiel in den nächsten fünf Jahren allein 175 Millionen Euro für Inklusion aufwenden wird,
dann sieht man, dass das Geld insgesamt schon relativ
knapp ist und es mehr werden könnte.
Wichtig ist deswegen der zweite Schritt, den wir auch
gegangen sind, nämlich eine Grundgesetzänderung vorzuschlagen, sodass eine veränderte Grundfinanzierung
der Hochschulen erlaubt wäre. Dabei ist ein wesentlicher
Punkt zu beachten: Die unterschiedlichen Verantwortungen, die unterschiedlichen Lasten, die die einzelnen Länder tragen, müssen berücksichtigt werden. Ich will das
an einem Beispiel klarmachen; denn nicht alle Länder
verhalten sich gleich.
Schauen wir uns einmal die Zahl der Studierenden
pro Einwohner in einem Bundesland an. Dabei stellt
man fest, dass pro 100 Einwohner in Nordrhein-Westfalen 3,6 Menschen studieren, während - ich habe das einmal wahllos herausgegriffen - in Bayern oder Sachsen,
Herr Kretschmer, jeweils 2,7 Menschen studieren. Ein
Blick auf die Abiturientenzahlen zeigt ein ähnliches Verhältnis.
Nun kann man nicht sagen, dass die Menschen in
Bayern oder Sachsen dümmer wären.
({5})
- Nein, das sage ich ausdrücklich nicht. - Aber festzustellen ist, dass in Bayern weniger Menschen Abitur machen und dass in Nordrhein-Westfalen mehr Menschen
studieren. Das ist erst einmal ein Fakt.
Diese besondere Anstrengung der Länder muss man
berücksichtigen und sagen: Die Länder machen nicht alles gleich; diejenigen, die sich besonders anstrengen, bekommen einen besonderen Zuschlag. - Erst dann wird
die Sache gerecht. Das müssen wir auch bei der Grundfinanzierung der Hochschulen hinbekommen.
Wir glauben, dass das nur der erste Schritt ist. Wenn
eine Große Koalition die Möglichkeit hat, Großes zu tun,
dann sollte sie das auch umsetzen. Im Bereich der Bildung müsste die Möglichkeit ausgeweitet werden, dass
der Bund Kommunen und Ländern Geld zur Verfügung
stellt.
Frau Gohlke weiß sicherlich: Sie bekommt jetzt Kindergeld. Sie könnte auch Elterngeld beantragen. Das
Kindergeld ist eine Bundesleistung. Die zweite Bundesleistung ist übrigens der Kinderfreibetrag. Je mehr ein
Mensch verdient, desto lukrativer wird der Freibetrag.
Das müssten wir eigentlich abschaffen. Das werden wir
in den nächsten Koalitionsverhandlungen auch festlegen. Es kann nicht sein, dass jemand, der viel Geld verdient, über Kinderfreibeträge für sein Kind mehr bekommt als andere.
({6})
Kommt ein Kind in den Kindergarten, muss man in
der Regel Gebühren zahlen. Diese zieht die Kommune
ein. Sie sind unterschiedlich gestaffelt. Arme Kommunen müssen von den Eltern mehr Geld einfordern.
Reiche Kommunen können es sich leisten, ganz auf Elternbeiträge zu verzichten. Das Bundesland NordrheinWestfalen hat zum Beispiel die wichtige Maßnahme umgesetzt, das dritte Kindergartenjahr gänzlich freizustelRené Röspel
len, und Rheinland-Pfalz hat Kindergartengebühren ganz
abgeschafft.
Kommt ein Kind in die Schule, wird der Lehrer vom
Land bezahlt, das Schulgebäude und der Hausmeister
von der Stadt. Wenn eine Kommune arm ist, sehen die
Schulen schlechter aus; wenn eine Kommune reich ist,
sehen die Schulen besser aus. Insgesamt bedeutet das:
Eigentlich muss der Bund mehr Verantwortung tragen
können, um im Bereich Bildung tätig zu werden.
({7})
Man kann das weiter ausdifferenzieren: Die Hochschulen werden von den Ländern getragen. Macht ein
Kind eine Berufsausbildung, ist es eine Mischung aus
Bundes- und Landeszuständigkeit. Das kann es nicht
sein. Wir wollen, dass der Bund im Bildungsbereich erweiterte Möglichkeiten der Finanzierung hat. Das ist
eine Frage der Gerechtigkeit. Wir werden das weiterverfolgen.
({8})
Was den letzten Bereich, die Forschung, angeht, bin
ich sehr zufrieden. Wir werden 3 Milliarden Euro mehr
für Forschung zur Verfügung stellen. Was uns in den
letzten Jahren vorangebracht hat, ist der Pakt für Forschung und Innovation - die Frau Präsidentin ist die Urheberin dieses Paktes -, durch den sich seit 2005 alle
wissenschaftlichen Organisationen in Deutschland darauf verlassen können, jedes Jahr mehr Geld zu bekommen. Das ist gut so. Es hat uns als Wissenschafts- und
Forschungsstandort weitergebracht. In einem nächsten
Schritt haben wir die Verantwortung, die Beschäftigten
in solchen Forschungseinrichtungen und Hochschulen
besserzustellen. Das ist uns ein wichtiges Anliegen.
Wir werden auch auf die großen Fragen der Zukunft
eine Antwort finden müssen. Angesichts der Tatsache,
wie unfriedlich diese Welt ist, ist es beispielsweise gut,
dass wir 1 Million Euro für Friedens- und Konfliktforschung zur Verfügung stellen; das könnte aber noch
mehr werden. Im Hinblick auf die Frage, wie Menschen
künftig arbeiten wollen, ist es gut, dass wir uns stärker
mit dem Bereich Arbeitsforschung auseinandersetzen.
Abschließend darf ich Ernst Ulrich von Weizsäcker
nachträglich zu seinem gestrigen 75. Geburtstag herzlich
gratulieren. Er hat gestern ein Symposium zum Thema
Nachhaltigkeit durchgeführt, an dem viele internationale
Experten teilgenommen haben. Ich freue mich, dass
auch das Theodor-Heuss-Gymnasium in Hagen mit einer
Schulklasse vertreten war.
Ein Ergebnis war: Die zentrale Frage im Zusammenhang mit der Generationengerechtigkeit ist nicht der
Schuldenberg, sondern die Frage, wie wir unseren Planeten künftigen Generationen hinterlassen und ob diese die
Möglichkeit haben, auf ihm zu leben, wenn wir ihn ausplündern und Energie verbrauchen. Deswegen müssen
und werden wir mehr für Energie- und Klimaforschung
tun. Das ist die Verantwortung dieser und künftiger Regierungen, und der werden wir auch nachkommen.
Vielen Dank.
({9})
Als nächster Redner hat Özcan Mutlu das Wort.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und
Kollegen! Als ich vor über 20 Jahren begann, mich bildungspolitisch zu engagieren, ging es mir vor allem um
eines: Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit in
der Bildung. Gute Bildung ist das Fundament der Demokratie, und sie hält unsere Gesellschaft zusammen.
Aber sehr bald zeigten uns viele Studien wie IGLU
und PISA, wie groß der Handlungsbedarf in diesem Bereich in der Bundesrepublik Deutschland war, ist und
- das kann ich nach der heutigen Debatte sagen - wahrscheinlich weiterhin bleiben wird. All diese Studien haben uns regelmäßig die erheblichen Defizite hinsichtlich
der Leistungsfähigkeit und der Gerechtigkeit unseres
Bildungssystems attestiert.
Auch PISA 2012 und der erst kürzlich veröffentlichte
nationale Bildungsbericht zeigen: Von einer umfassenden Chancen- und Teilhabegerechtigkeit für alle Kinder
und Jugendlichen in unserem Land kann keine Rede
sein, liebe SPD,
({0})
und das in einem Land, dessen Bundeskanzlerin sich
gerne mit dem Etikett „Bildungsrepublik“ schmückt, die
aber einer Regierung vorsteht, die noch immer viel zu
wenig in Bildung und Wissenschaft investiert.
Dass der Bildungsetat von großen Kürzungen verschont wurde, ist sicherlich zu begrüßen.
({1})
Aber das reicht nicht. Priorität für die Bildung sieht anders aus, liebe Kollegin Hübinger. Dass Ihnen nicht viel
an der Zukunft unserer Jugend liegt,
({2})
sieht man auch daran, dass Sie keinen Mut haben, das
leidige Kooperationsverbot vollständig abzuschaffen,
({3})
statt es immer nur zu beklagen, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der SPD. Sicherlich ist es zu begrüßen,
dass Sie unser Land wenigstens von dem unsinnigen Kooperationsverbot in der Wissenschaft erlösen.
({4})
Das ist ein längst überfälliger Schritt. Aber das kann nur
ein erster Schritt sein.
Sie haben als GroKo 2006 dieses unsinnige Kooperationsverbot eingeführt. Sie sind als Große Koalition in
der Pflicht - dazu haben Sie nun die Chance -, dieses
Kooperationsverbot, das nachweislich schädlich ist, abzuschaffen, lieber Kollege Heil.
({5})
Sie sollten nicht nur davon reden, sondern auch handeln.
Das ist das Gebot der Stunde. Sie sind schließlich in der
Regierungsverantwortung und dürfen nicht nur reden,
sondern müssen auch liefern.
({6})
Lieber Kollege Heil, bringen Sie Ihren Koalitionspartner
auf die richtige Spur, weg vom Verbot, hin zu einem Gebot der Kooperation in Wissenschaft und Bildung! Denn
das ist das Fundament für die spätere Karriere von Jugendlichen.
({7})
Wenn Sie ein Haus bauen, dann fangen Sie auch nicht
mit dem Verlegen der Dachziegeln an, sondern Sie legen
erst einmal das Fundament, wie der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau zu Recht festgestellt hat. Ihr
Haus „Bildungsrepublik“ ist deshalb eine Fehlkonstruktion. Zwar ist dieses Haus nicht vom Einsturz bedroht,
aber es hat massive Baumängel. Sie brauchen daher einen neuen Bauplan für das Haus der ganzheitlichen Bildung, einen Bauplan, der eine Qualitätsoffensive für die
Kitas vorsieht, einen Bauplan, der ein neues Ganztagsschulprogramm auflegt sowie die Inklusion und die
Schulsozialarbeit endlich absichert, einen Bauplan, der
den Jugendlichen einen wirklichen Übergang von der
Schule in die Ausbildung ermöglicht. Das Fundament
unserer Wissensgesellschaft ist nämlich eine gute Allgemeinbildung für alle Schülerinnen und Schüler, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe und sozialer Lage. Sie
sind in der Pflicht, zu liefern, und dürfen nicht nur immer wieder die Willy Brandt’sche SPD zitieren.
({8})
Wer von dieser Großen Koalition große Taten erwartet, wird angesichts Ihres Bildungshaushalts und Ihres
sturen Festhaltens am Kooperationsverbot in der Bildung eines Besseren belehrt. Der basarreife Handel um
die Verteilung der Bildungsmittel bis zur letzten Minute
hat uns deutlich gezeigt, wie wackelig Ihr Haus ist. Aus
diesem Grund werden wir, Bündnis 90/Die Grünen, Ihrem Haushaltsentwurf nicht zustimmen. Wir können nur
an Ihre Vernunft appellieren: Stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu, damit es den Kindern und Jugendlichen in dieser Republik besser geht und es nicht noch
schlimmer wird!
({9})
Als nächster Redner hat der Kollege Michael
Kretschmer das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kollegen von der SPD! Lieber René
Röspel, Sie müssen mit uns keine kalte Suppe auslöffeln
und auch keine bitteren Pillen schlucken. Wir nehmen
Sie mit und ermöglichen es Ihnen, sich an einem großen
Erfolgsmodell zu beteiligen. Daran können sich übrigens
auch alle anderen hier im Parlament und in den Ländern
beteiligen, wenn es darum geht, Bildung und Wissenschaft voranzubringen und unseren Beitrag für eine gute
Welt zu leisten.
({0})
Dafür haben wir den Haushalt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung noch einmal um
85 Millionen Euro verbessert. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Das ist ein klares Signal, dass das Parlament, der Haushaltsgesetzgeber, hier einen großen
Schwerpunkt sieht. Wie unsere Bundesforschungsministerin bereits gesagt hat, sehen die Bundesregierung und
die Koalition das genauso. In den letzten zehn Jahren
wurden die Mittel für diesen Haushalt fast verdoppelt.
Sie belaufen sich nun auf über 14 Milliarden Euro, eine
gewaltige Zahl.
({1})
In dieser Legislaturperiode werden es insgesamt 9 Milliarden Euro mehr sein, die wir in diesem Bereich investieren.
Die Zahlen sind sicherlich beeindruckend. Aber noch
beeindruckender ist, was mit dem Geld passiert. Wir
lösen damit die Zukunftsfragen dieser Zeit. Wir sorgen
dafür, dass Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit
behält; denn wir können unseren Wohlstand in Deutschland nur erhalten, wenn wir besser und schneller sind als
andere Regionen. Die großen Zukunftsfragen, vor denen
wir in Deutschland stehen, stellen sich zum großen Teil
auch weltweit und in Europa.
Es stellt sich die Frage der Energie- und Wasserversorgung. Dabei geht es zum einen darum, wie in
Deutschland die Energiewende gelingen kann, ob es
vielleicht alternative Systeme gibt, um Energie einzusparen. Das bedarf einer großen Anstrengung, und dafür
leisten wir einen substanziellen Beitrag, übrigens auch in
Zusammenarbeit mit den anderen Ressorts.
({2})
Weltweit stellt sich zum anderen die Frage der Wasserversorgung. Der fehlende Zugang zur Wasserversorgung ist eine große Bedrohung für den Frieden auf der
Welt. Wir leisten in Deutschland mit unserem Haushalt
für Bildung und Forschung unseren Beitrag zur Lösung
der globalen Probleme. Darauf können wir alle miteinander stolz sein.
({3})
Junge Wissenschaftler in der Bundesrepublik Deutschland sind begeistert, dass sie von uns die Möglichkeit bekommen, an der Lösung dieser Probleme mitzuarbeiten.
Eine weitere Herausforderung ist die Digitalisierung.
Auf der einen Seite haben wir die technische Frage: Wie
wirkt sich die Digitalisierung auf den Bereich der Gesundheit aus? Wie kann die Digitalisierung in den Bereichen der Bildung und der inneren Sicherheit helfen? Auf
der andere Seite lautet die gesellschaftliche Frage: Was
bedeutet das für unser Zusammenleben? Wie können
wir die strukturellen Nachteile, die wir in Deutschland
haben, weil wir nicht so schnell waren und die großen
Konzerne in anderen Ländern sind, korrigieren? Wie
können wir Industrie 4.0 und anderes zum Erfolg bringen? Daran arbeiten wir.
({4})
Wir arbeiten daran, Mobilität neu zu organisieren.
Hier in Deutschland arbeiten wir an intelligenten Systemen, zum Beispiel an Fahrerassistenzsystemen. Weltweit bemühen wir uns zudem, dass der CO2-Ausstoß reduziert wird. Auch damit leisten wir einen Beitrag zum
Klimaschutz.
({5})
Wir leisten mit unserem Haushalt in Höhe von
14,4 Milliarden Euro einen Beitrag dazu, dass der demografische Wandel, der sich in Deutschland vollzieht - er
vollzieht sich auch in der übrigen Welt, aber unter anderen Vorzeichen -, ebenfalls in vernünftigen und geordneten Bahnen verläuft. Wir sorgen dafür, dass die Probleme abgefedert werden und man vielleicht aus dem
demografischen Wandel auch Chancen entwickeln kann.
Wir engagieren uns in einem ganz erheblichen Maße
dafür - da sind wir sehr erfolgreich -, dass wir die großen Volkskrankheiten Demenz, Alzheimer, Krebs und
andere in den Griff bekommen. Das führt dazu, dass
diese Krankheiten nicht mehr Angst in der Bevölkerung
erzeugen und nicht mehr als Seuchen wahrgenommen
werden.
All das sind tolle Projekte, die wir mit diesem Haushalt voranbringen. Wir tun das, wie ich finde, auf sehr
innovative Art und Weise. Es gilt, an dieser Stelle einen
Dank an die Führung des Hauses, aber auch an die vielen
Mitarbeiter des Bundesministeriums für Bildung und
Forschung und der Projektträger, die jeden Tag einen tollen Job machen, auszusprechen. Herzlichen Dank dafür,
meine Damen und Herren!
({6})
Innovationsförderung zu organisieren, ist nicht etwas
Alltägliches, es ist kein normales Geschäft, sondern man
muss sich permanent neu erfinden, Innovationen und
neue Entwicklungen aufnehmen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Wir haben mit dem Agendaprozess
eine neue Form, Projekte auf den Weg zu bringen, Anwender, Wissenschaftler und Politik, auch Nichtregierungsorganisationen, einzubeziehen. Wir werden bei
Projekten wie der Zukunftsstadt oder der Forschung für
Nachhaltigkeit innovative Instrumente ausprobieren. Ich
glaube, dass sie auch bei dem Transfer von Wissen sehr
hilfreich sein können.
Das, was wir als Haushaltsgesetzgeber und was die
Deutschen erwarten, ist, dass das Wissen, das wir mit
den vielen Milliarden Euro generieren, am Ende zu
neuen Produkten und Dienstleistungen führt.
({7})
Wie schwierig es ist, das Wissen zur Anwendung zu
bringen, kann man über die letzten Jahre und Jahrzehnte
sehen. Es reicht nicht, in der Grundlagenforschung ein
Ergebnis zu erzielen oder etwas zu entdecken; der Anwender, der ein konkretes Problem hat, braucht keine abstrakte Lösung, sondern eine konkrete. Deswegen stellt
sich in diesem Bereich die Frage: Wie kommen wir zur
Anwendung? Das ist ein großer Schwerpunkt unserer
Arbeit in der nächsten Zeit. Die Hightech-Strategie, deren nächste Stufe wir auf den Weg bringen, wird da einen Schwerpunkt haben.
Durch die Grundgesetzänderung, die ansteht - sie hat
in der Tat eine völlig neue, noch nie da gewesene Qualität -,
({8})
sorgen wir dafür, dass das Wissenschaftssystem zukunftsfähig wird; das haben wir schon gehört. Aber das
geht nur dann, meine Damen und Herren, wenn sich alle
Akteure, also auch die Länder, weiter in der Verantwortung sehen und wir das gemeinsam tun. Das ist auch unsere Erwartung. Wir wollen auch weiterhin nicht einfach
Geld an die Länder geben, sondern wollen ein gemeinsames Ziel verfolgen: die Zukunftsaufgaben lösen. Deswegen engagieren wir uns in diesem Bereich.
({9})
Für all das, was wir vorhaben, brauchen wir kluge
Köpfe. Die neue Initiative „Chance Beruf“, die in der
nächsten Woche vorgestellt werden soll, ist genau der
richtige Weg, Frau Bundesministerin. Wir brauchen eine
bessere Berufsorientierung, und zwar in allen Schulformen, auch im Gymnasium.
({10})
Ich sage bewusst: Wir brauchen im Gymnasium auch
eine Berufsorientierung, nicht nur eine Studienorientierung; denn es muss darum gehen, dass die jungen Leute
herausfinden, was aus ihnen werden soll. Wenn es ein
Studium ist, dann ist das gut, aber das ist nicht der
Selbstzweck. Es geht darum, dass junge Leute einen Beruf ergreifen, der sie ausfüllt und der etwas dazu beiträgt,
dass unser Land Deutschland weiter vorankommt. Darum muss es gehen. Deswegen: Weiter so in diesem Bereich!
({11})
Wir haben mit dem Haushalt auch die Chance, den
Qualitätspakt Lehre, den wir in der vergangenen Legislaturperiode aufgesetzt haben, jetzt starten zu können.
Das ist wichtig. Gute Lehrer sind das eigentliche Erfolgsmoment im schulischen System. Gute Lehrer sorgen auch für gute Ergebnisse ihrer Schülerinnen und
Schüler. Deswegen engagieren wir uns in diesem Bereich.
({12})
Wir haben mit dem Hochschulpakt etwas Einzigartiges getan, wir haben nämlich mehreren Hunderttausend
jungen Leuten mit Bundesgeld ein Studium ermöglicht.
Das ist keine Selbstverständlichkeit. Wir haben diesen
Betrag immer wieder aufgestockt, je nachdem, wie die
Situation war. Das ist Ergebnis unserer Politik, auf das
wir stolz sein können. Ich denke, das sollte man an dieser Stelle sagen.
({13})
All das ist auf einem soliden Haushalt gebaut. Auch
darauf muss man stolz sein und das an dieser Stelle einmal sagen. Alle Länder rings um uns herum kürzen ihre
Ausgaben vor allen Dingen im Bereich Bildung und Forschung. Wir legen immer wieder etwas drauf. Das können wir nur, weil wir einen soliden Haushalt haben. Ich
finde, man muss allen in Bezug auf Forschung und Entwicklung immer wieder sagen, auch manchen in den
Bundesländern: Zukunftsausgaben auf Kredit, das ist
nicht das Richtige. Es muss beides zusammengehen: ein
solider Haushalt und Zukunftsausgaben. Genau das tun
wir in dieser Koalition.
({14})
Danke, Herr Kollege Kretschmer. - Ihnen allen von
meiner Seite einen schönen guten Tag. Der nächste Redner in dieser Debatte ist Dr. Ernst Dieter Rossmann für
die SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich komme ohne Löffel, nur mit ein paar Gedanken. Der
erste Gedanke knüpft an das an, womit Kollege
Kretschmer eben endete. Eigentlich hatte die Debatte,
die wir heute zum Einzelplan 30 führen, ihren Vorlauf in
der gestrigen großen Aussprache durch die Bundeskanzlerin und die gestrigen Redner. Der Vizekanzler und
Wirtschaftsminister hat das heute fortgesetzt. Wir wollen
erreichen, dass 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für
Forschung ausgegeben werden. Wir dürfen nicht vergessen, dass in Griechenland aktuell nur 0,6 Prozent für
Forschung eingesetzt werden können. Mit Blick auf eine
gemeinsame Initiative für Europa bedarf es Gedanken
dazu, was wir nicht nur als Vorbild vermitteln können,
sondern wie wir Ländern von Griechenland über Italien,
Spanien, Portugal und andere ermöglichen können, nicht
nur zu sparen, sondern auch nachhaltig etwas aufzubauen. Diese müssen auch in unserem Verantwortungsbereich für Forschung und Bildung in der Solidarität mit
den europäischen Ländern weiterentwickelt werden.
Mein Appell, meine Bitte ist: Wir dürfen uns nicht zu
eng machen. Wir waren schon einmal weiter. Das geht
bis hin zu Projektbonds, die von der Bundeskanzlerin in
die Diskussion gebracht worden sind und Zukunftsinvestitionen befördern sollten. Ich will das nur deshalb ansprechen, weil der Stolz, den wir hinsichtlich der Ausgaben
für Forschung in Höhe von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts haben, ein Stolz sein sollte, den auch andere
Länder entwickeln können und müssen.
Der zweite Gedanke. Ja, wir sind mit 6 Milliarden
Euro und 3 Milliarden Euro in guter Vorlage. Trotzdem
muss ich einen Fraktionsvorsitzenden aus einem Bundesland zitieren, der dazu nüchtern am 24. Juni festgestellt hat:
Wir kommen leider nicht umhin, Teile des Geldes
- aus der BAföG-Umfinanzierung für die Konsolidierung des Landeshaushalts zu verwenden.
({0})
- Das war der CDU-Fraktionsvorsitzende des Saarlandes. - Dazu sagt man nicht „Pfui“, sondern man muss
anerkennen, dass es in Bundesländern Haushaltsnotlagen gibt. Hier dürfen wir nicht zu kurz denken, sondern
müssen angesichts der Haushaltsnotlagen dafür sorgen,
dass die Bildungspolitiker mit in die Finanzkommission
kommen, die über die Finanzbeziehungen zwischen
Bund und Ländern und zwischen den Ländern untereinander mit Perspektive 2019 berät. Dann kann es in allen Bundesländern in Zukunft heißen: Ja, wir haben eine
klare Priorität für Bildung und Forschung und können
das verlässlich mitfinanzieren.
({1})
- Ich schelte doch gar nicht das Saarland, Frau
Hübinger, ich gebe nur wieder, was der Fraktionsvorsitzende des Saarlandes gesagt hat. - Hier sollten wir Solidarität gegenüber den einzelnen Bundesländern entwickeln.
Damit komme ich zum dritten Gedanken. Der Bund
kann aktuell sehr verlässlich agieren. Er muss das auch
zu seinem Markenzeichen machen in Bezug auf die großen Gestaltungsblöcke, die wir zusammen mit den Ländern finanzieren oder jetzt sogar alleine schultern: das
BAföG, die Hochschulpakte, die Exzellenzinitiative, den
Pakt für Forschung und Innovation und auch den Qualitätspakt Lehre, jetzt noch ergänzt um die Qualitätsinitiative Lehrerbildung.
Ich will in diesem Zusammenhang etwas aufnehmen,
wozu der Kollege Kretschmer bei der ersten Lesung vor
einigen Wochen schon etwas gesagt hat: Beim Pakt für
Forschung und Innovation sollen es 3 Prozent mehr sein,
verlässlich. - Wir setzen hinzu: Verlässlichkeit heißt dann
auch, sehr bald - von uns aus sofort - zu signalisieren:
über fünf Jahre.
({2})
Denn mit den fünf Jahren stellt sich die Verlässlichkeit
ein, die die Forschungsorganisationen erwarten.
Der vierte Gedanke: Ja, wir sollen dort nichts schönreden, wo wir tatsächlich in einer gewissen Phase des
Übergangs sind, obwohl nach unserer Wahrnehmung der
Haushalt 2014 schon ein guter Haushalt ist. Dennoch ist
er ein gewisser Haushalt des Übergangs. Der Haushalt
2015 wird es auch noch sein. Am Ende wird man ja sehen, ob sich in den Haushalten 2016 und 2017 das neue
Gestaltungsfeld, das eröffnet worden ist, dann tatsächlich auch in solchen zusätzlichen Schwerpunkten und
Akzentuierungen, wie Sie, Herr Kretschmer, sie eben angesprochen haben, wiederfindet: in einer erweiterten
Wissenschaftsarchitektur, in einer noch stärker auf Weltverantwortung ausgerichteten Programmstrukturierung.
Man wird sehen, ob auch ein paar der Akzente aufgenommen werden, die wir jetzt schon mit den bescheidenen Mitteln, Frau Hübinger, von 75 Millionen Euro, die
wir als selbstbewusste Parlamentarier umgeschichtet haben, und 85 Millionen Euro, die Sie als selbstbewusste
Haushälter dazu erkämpft haben, setzen.
Für uns ist es wichtig, dass wir, um es jetzt im Kontrast zu sagen, bei der Unterstützung für alle Leistungskomponenten die Grundbildung nicht vergessen und die
Balance zwischen Leistung und Grundbildung - Alphabetisierung - halten.
Für uns ist es wichtig, dass wir dort, wo wir selbstverständlich sagen, dass jeder junge Mensch eine gute berufliche Erstausbildung bekommen soll, die Balance halten und dass es eine zweite und dritte Chance geben
muss. Deshalb: nicht nur Berufsorientierung, sondern
auch Ausbildungsassistenz.
Für uns ist es wichtig, dass wir dort, wo wir sagen,
dass wir die MINT-Fächer stärken müssen, weil sie innovationsträchtig sind, nicht vergessen, dass in Sachen ITInnovation die Ingenieurleistung das eine ist und die Arbeitsplätze das andere sind. Deshalb muss die Dienstleistungsforschung zur Arbeitsforschung hinzukommen.
Herr Kollege.
Um noch einen letzten Gedanken zu nennen: Für uns
ist es auch wichtig, dass wir die kleinen Akzente zusammen weitertragen. Das mit der Friedensforschung ist ein
ganz kleiner Betrag. Es zeigt trotzdem, dass diese Koalition voneinander und miteinander lernen kann. Deshalb
freuen wir uns auf diesen Haushalt und auf eine gute Legislaturperiode. All die Kritiker werden sich in 2016 und
2017 an das erinnern, was wir jetzt gesagt haben. Dort
wird es einen signifikanten neuen Aufbruch - haushalterisch auch dokumentiert - geben.
Herr Kollege.
Er zeigt: Bildung und Forschung veranlassen immer
wieder zu neuem Aufbruch in Deutschland.
Danke.
({0})
Danke, Herr Kollege. - Nächste Rednerin in der Debatte: Katrin Albsteiger für die CDU/CSU.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Endlich Schluss mit Schuldenmacherei! Unter diesem Motto steht der eingebrachte
Haushalt im Haushaltsjahr 2014. Der Haushalt 2014 ist
strukturell ausgeglichen. Der Bund wird ab dem Jahr
2015 keine neuen Schulden mehr aufnehmen.
({0})
Genau das haben wir in den vergangenen Tagen bei
dieser Haushaltsdebatte schon des Öfteren gehört, aber
es ist eine so große Zäsur, dass ich sagen muss: Man
kann es nicht oft genug sagen, und es ist auch wirklich
schön, es immer wieder zu hören. Mit diesem Haushalt
endet nach Jahrzehnten endlich die fatale Kultur der Verschuldung, die immer, aber auch wirklich immer, zulasten der jungen Generation geht.
({1})
Damit geht der Bund - aufpassen! - jetzt den bayerischen Weg, was mich als CSU-Abgeordnete wirklich
sehr stolz macht.
({2})
Das ist ein historischer Erfolg dieser Großen Koalition
von CDU, CSU und SPD.
({3})
Wie sich die Zeiten doch ändern! Es gab schließlich
auch Jahre - vor einigen Jahren war das noch der Fall -,
in denen der Bildungs- und Forschungsetat, sagen wir,
eher etwas stiefmütterlich behandelt wurde.
({4})
Inzwischen ist es aber so, dass sich dieser Umstand
glücklicherweise geändert hat. Somit sind wir nun in der
Lage, zum neunten Mal in Folge einen historischen
Höchststand dieses Etats zu präsentieren, nämlich erstmals von 14 Milliarden Euro. Das ist schon etwas.
Seit 2005, als Annette Schavan Bildungsministerin
in unserem Land wurde - ihr folgte Frau Professor
Wanka -, haben wir wirklich einiges erreicht.
({5})
Seit 2005 konnten wir diesen Haushalt um sage und
schreibe 87 Prozent steigern. Hinter diesem Riesenplus
steht ein Riesenkraftakt.
({6})
Vergleicht man diesen Etat mit denen anderer Ressorts
- wir haben mittlerweile viele Haushaltsdebatten gehört -,
muss man schon sagen, dass der Bildungshaushalt, der inzwischen der fünftstärkste Etat des Bundeshaushalts ist,
schon ein Alleinstellungsmerkmal aufweist. Damit ist
die Priorität von Bildung und Forschung erneut dokumentiert, und das wie bereits in den Jahren zuvor.
In diesem Zusammenhang möchte ich an ein Zitat
von John F. Kennedy erinnern - einige werden es kennen; denn es steht an einer Wand des Bildungsministeriums -:
Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung.
Der Koalitionsvertrag unserer Parteien ist im Geiste
dieses Zitats verfasst worden. Der Haushalt 2014 ist als
etwas in die Zukunft Gerichtetes und natürlich als Gesamtprojekt dieser Legislaturperiode anzusehen. Der
Haushalt 2014 ist praktisch ein Startschuss für all das,
was noch kommt.
Ich gebe zu: Es gibt auch kritische Stimmen; wir haben sie auch heute schon des Öfteren gehört. Sie wurden
seitens der Opposition hier laut. Man kritisierte nach
dem Motto: Ihr hättet noch mehr Geld für Bildung und
Forschung ausgeben können. Als Bildungs- und Forschungspolitikerin glaube ich sagen zu können: Es gibt
keinen unter uns, der sagen würde: Nein danke; wir haben genug; gebt das Geld doch anderen Ressorts; es
wurde schon genug für Bildung und Forschung getan.
Natürlich wollen wir alle unseren Weg weitergehen,
und natürlich wollen wir immer mehr Geld für Bildung
und Forschung. Dies muss aber haushalterisch verantwortlich und generationengerecht geschehen. Unseren
Kritikern möchte ich an dieser Stelle etwas entgegenhalten. Wenn man beispielsweise einen Studenten fragt:
„Möchtest du, dass an deiner Universität mehr Geld investiert wird?“, dann sagt er selbstverständlich Ja. Wenn
man ihm für die Dauer seines Studiums ein zusätzliches
kostenloses Mensaessen anbietet, dann wird er wahrscheinlich ebenfalls nicht Nein sagen.
({7})
Beispielsweise größere Hörsäle, längere Bibliotheksöffnungszeiten - bis zu 24 Stunden, auch an Sonntagen -,
mehr Exemplare der besonders begehrten Bücher in den
Bibliotheken, modernere CIP-Pools und Weiteres, ja
klar, all das wollen Studenten haben. Es ist ja auch
grundsätzlich gut, das zu fordern.
Erklärt man allerdings klugen Studenten wie diesem,
wie viel das alles kostet - schließlich müssen die Verbesserungen jedem Studenten gleichermaßen zugutekommen -, wird er zu Recht ins Grübeln kommen. Unsere
Aufgabe als verantwortungsvolle Bildungspolitiker ist,
dass wir uns ernsthaft Gedanken darüber machen, wie
viel wir tatsächlich bezahlen können. Unser besonderer
Dank gilt unserer Ministerin Professor Wanka, aber auch
allen anderen Haushältern, die es tatsächlich geschafft
haben, die Bildungs- und Forschungspolitik erneut zu
stärken und dennoch einen ausgeglichenen Gesamthaushalt zu präsentieren.
({8})
Wenn das alles so einfach wäre, wenn man es so einfach hätte machen können, dann wäre es sicherlich
schon früher umgesetzt worden. Was hier geleistet worden ist, war ein Riesenkraftakt, und den muss man als
solchen zur Kenntnis nehmen.
In den nächsten Jahren kommen auf Bund und Länder
eine große Verantwortung und große Aufgaben zu.
Selbstverständlich werden wir diese Aufgaben erfüllen.
Gerade das 3-Prozent-Ziel im Forschungsbereich darf
natürlich nicht aufgegeben werden, sondern es muss
ganz klar auch in der Zukunft verfolgt werden. Deswegen werden wir in den nächsten Jahren rund 3 Milliarden
Euro mehr in Forschung und Entwicklung investieren.
Auch das ist eine Investition in die junge Generation.
Denn nichts wirkt so stark in die Zukunft wie Forschung,
Innovation und Entwicklung.
Ich möchte an dieser Stelle einen letzten Gedanken
anbringen. Wie wir schon gehört haben, hat der Bund die
Länder beim BAföG um 1,17 Milliarden Euro pro Jahr
entlastet.
({9})
Das ist insgesamt schon ein großer Batzen. Die Länder
haben sich verpflichtet, ihre frei werdenden Mittel tatsächlich in die Bildung zu investieren. Das ist gut so. Ich
hoffe und glaube, dass sie es auch tatsächlich tun werden. Diesen Vertrauensvorschuss muss ich ihnen einfach
geben; sonst könnte ich nicht mehr gut schlafen.
Selbstverständlich haben die Länder die Möglichkeit,
weiter in den BAföG-Bereich zu investieren und sich an
dessen Weiterentwicklung zu beteiligen. Wir planen eine
BAföG-Reform, die nicht nur auf eine Erhöhung der Bedarfssätze und der Freibeträge abzielt, die vielmehr auch
strukturelle und organisatorische Änderungen anstrebt.
Es wäre doch durchaus sinnvoll, wenn sich die Länder
frühzeitig für eine bessere personelle Ausstattung der
BAföG-Ämter oder für eine flächendeckende Möglichkeit der Onlineantragstellung einsetzen könnten. Das
würde die BAföG-Verfahren in unserem Land beschleunigen und den Studenten tatsächlich helfen.
({10})
Hier sind die Länder nicht aus der Verantwortung entlassen. Sie haben nach wie vor genügend Möglichkeiten,
sich in dem Bereich genauso zu engagieren, wie wir es
tun.
Meine abschließende Bewertung zum Haushalt. So
stelle ich mir das vor: keine Scheuklappen, das GesamtKatrin Albsteiger
bild im Auge behalten. Beste Bildung und verantwortungsvolle Haushaltspolitik - das ist der Bildungshaushalt 2014.
Vielen Dank.
({11})
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Nächster Redner in der
Debatte ist Martin Rabanus für die SPD.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Am Ende einer solchen Debatte will ich für mich einfach
noch einmal ein bisschen Bilanz ziehen in der Frage,
was die Punkte sind, die von besonderer Bedeutung sind.
Bildung und Forschung ist einer der wesentlichen
Schwerpunkte dieser Koalition.
({0})
Das ist schon gesagt worden, aber das ist auch am Ende
der Debatte noch einmal festzuhalten.
({1})
Wir haben mit den 6 plus 3 Milliarden Euro von den
23 Milliarden Euro, die die Koalition in den kommenden
Jahren insgesamt zusätzlich ausgeben wird, den wesentlichen finanziellen Schwerpunkt im Bildungsbereich,
und das ist gut so.
Im Bildungsbereich ist das zum größeren Teil eine
Entlastung der Länder. Es ist schon gesagt worden: Wir
müssen sehr darauf achten, sehr genau gucken, dass die
Mittel auch komplett im Bildungsbereich in den Ländern
ankommen. Ich verstehe an der Stelle, Frau Kollegin
Deligöz, nicht so ganz, warum Sie eine Lanze für Hessen
brechen. Das ist ja ganz schön mit dem Fonds für die
Hochschulfinanzierung, den man da machen will.
({2})
- Das ist allerdings der BAföG-Teil, nicht? - Zu den anderen Teilen, die Entlastungswirkung entfalten, die auch
Teil der Vereinbarung sind, hört man von der hessischen
Seite aber überhaupt nichts. Da bin ich sehr gespannt, ob
das vielleicht noch ergänzt wird.
({3})
Wichtig ist auch: Die Pakte werden fortgesetzt. Das
ist ebenfalls hinreichend deutlich gemacht worden.
Bildung und Forschung, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind - das ist in der Tat die feste Überzeugung der
SPD - der Schlüssel für die Zukunft unseres Landes, sowohl gesamtgesellschaftlich wie aber auch individuell;
({4})
da geht es um das Thema Chancengleichheit, um das
Thema Bildungsgerechtigkeit. Natürlich ist es notwendig, einen möglichst guten Abschluss, eine möglichst
gute Bildung zu haben, um sich auf dem Arbeitsmarkt so
positionieren und platzieren zu können, dass man ein
auch ökonomisch selbstbestimmtes Leben führen und
Teilhabe für sich persönlich sicherstellen kann.
Der gesamtgesellschaftliche Aspekt ist natürlich auch
und gerade in Zeiten des demografischen Wandels von
besonderer Bedeutung - ich nenne einmal das Stichwort
„Fachkräftesicherung“ -, aber auch vor dem Hintergrund
von Industrie 4.0 und all dem, was das am Ende des Tages für die Arbeitswelt bedeutet, was Veränderungen
von Arbeitsprozessen, Arbeitszeiten, Qualifikationsanforderungen angeht, und was das natürlich auch für Bildungssysteme bedeutet.
Bildung und Forschung, das ist also das zentrale Zukunftsfeld. Ich bin der festen Überzeugung, dass es notwendig sein wird, alle Begabungspotenziale zu heben,
übrigens unabhängig von der Frage, ob die sich nun im
akademischen Bereich oder im Bereich der beruflichen,
der dualen Bildung entfalten.
({5})
Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir eine echte
Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung hinbekommen. Wir brauchen, was das angeht, kein
Entweder-oder - jeder Zungenschlag in dieser Richtung
ist falsch -; wir brauchen ein Sowohl-als-auch.
Deswegen ist es auch ganz wichtig, dass die Koalition
sich darauf verständigt hat, den einen Teil, der mindestens in der öffentlichen Wahrnehmung vielleicht nicht
gar so deutlich geworden ist, über die Allianz für Ausund Weiterbildung noch einmal besonders prominent zu
stärken.
({6})
Hubertus Heil ist darauf vorhin schon eingegangen, aber
ich will das an der Stelle ausdrücklich unterstreichen:
Wir brauchen diese Allianz, nicht nur gesellschaftlich.
Es gilt, das auch thematisch breit aufzustellen: Berufsorientierung an der Schule und, ja, ausdrücklich auch am
Gymnasium.
({7})
Berufsorientierung ist nicht nur eine Aufgabe von
Haupt-, Real- und Gesamtschulen, sondern auch und vor
allen Dingen von Gymnasien. Das muss curricular breit
verankert werden und darf nicht nur laufen im Sinne
von: Wir machen mal einen Ausflug zum Berufsinformationszentrum, und das war’s dann.
({8})
Das ist mehr als nur eine Bitte. Es ist eine Herausforderung für die Länder, weil sie das in den Schulen entsprechend umsetzen müssen.
({9})
Neben der Berufsorientierung liegt mir besonders die
Frage der Aufstiegsförderung am Herzen. Sie beginnt
für mich bei der großen Zahl junger Menschen unter
30 Jahren, die über keinen formalen Berufsabschluss
verfügen, und hört nicht beim Thema Meister-BAföG,
also der Aufstiegsfortbildungsförderung, auf. Über diese
Themen müssen wir im Zusammenhang mit der beschlossenen BAföG-Reform in den kommenden Jahren
reden.
({10})
Insgesamt, glaube ich, kann man angesichts der verschiedenen Aspekte, die schon genannt worden sind, und
der parlamentarischen bzw. koalitionären Duftmarken,
die der Haushalt 2014 trägt, sagen: Es ist ein Anfang gemacht. Weitere Schritte stehen uns ab September in den
Haushaltsberatungen für 2015 bevor. Ich glaube, dass
wir die wesentlichen Linien fortsetzen werden, dass wir
andere Spielräume bekommen werden.
Lassen Sie mich abschließend noch eines sagen: Im
letzten halben Jahr haben viele neue Abgeordnete, zu denen auch ich gehöre, sich ein wenig orientiert und ihre
Rolle im parlamentarischen Geschäft gefunden.
Und die Redezeit eingehalten.
Das Gleiche gilt für die Koalition insgesamt auch. Ich
finde, wir haben uns im letzten halben Jahr ganz gut gefunden. Liebe Frau Ministerin Wanka - das ist keine
Drohung, sondern ein Versprechen -, wir werden das
auch entsprechend entfalten.
Vielen Dank.
({0})
Danke, Herr Kollege. - Als letzter Redner in der Debatte hat das Wort Trankred Schipanski für die CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Als letzter Redner darf ich
die Take-home Message für den Einzelplan 30 austeilen.
Wir haben heute gehört: keine Kürzungen, Aufwüchse
und hohe Priorität in der Bundesregierung. Wir erinnern
uns an die gestrige Generaldebatte. Unsere Bundeskanzlerin hat in ihrer Rede als Erstes den Einzelplan 30 erwähnt mit den Messages: keine Kürzungen, Aufwüchse,
BAföG-Reform, Kooperationsverbot. Das waren die
Stichworte. Ich denke, das ist die richtige Priorität.
({0})
Als letzter Redner der Debatte darf ich natürlich ein
bisschen auf meine Vorredner reagieren. Ich fange mit
dem Kollegen Claus an. Ich war ganz überrascht, Sie haben gut angefangen: Wir gestalten in diesem Haushalt.
Wir haben viele Mittel. Wir hätten ein hohes Maß an Gemeinsamkeiten in diesem Bereich. - Als ich mir dann
die Änderungsanträge ansah, die die Linken eingebracht
haben, dachte ich, ich bin in einem falschen Film. Sie
haben geschrieben: Deutschlandstipendium, Exzellenzinitiative, Qualitätspakt Lehre, Hightech-Strategie müssen abgeschafft werden. Alles muss um 40 Millionen
Euro gekürzt werden. Gleichzeitig haben Sie Ausgabenvorschläge in Höhe von 5,2 Milliarden Euro gemacht.
Davon waren 4,4 Milliarden Euro nicht gegenfinanziert.
Lieber Herr Claus, das, was die Linken hier vortragen,
ist unseriös und irreal.
({1})
Wenn Sie, Herr Kollege, von Verteilungsungerechtigkeit zwischen den Bundesländern sprechen und hier behaupten, nach München und nach Köln/Bonn flössen
durch diesen Haushalt wesentlich mehr Mittel und dies
würde noch gesteuert, dann finde ich das schon allerhand. Wenn Sie in den Haushaltsentwurf schauen - wir
haben viele Kolleginnen und Kollegen aus den neuen
Bundesländern in diesem Ausschuss -, so finden Sie den
Titel „Innovationsförderung in den neuen Ländern“, den
wir mit fantastischen 100 Millionen Euro unterlegt haben. Wir haben einen Zuwachs von 27 Millionen Euro
pro Jahr. Es ist ein wichtiges Signal, dass wir diese Mittel gesamtdeutsch verteilen. Ich finde es nicht schön, bei
diesem Haushalt Ost und West gegeneinander auszuspielen.
({2})
Frau Gohlke, schön, dass Sie wieder da sind. Ich freue
mich immer wieder über Ihre Reden. Es geht immer
recht zügig. Heute sprachen Sie von Symbolen und Signalen. - Wir werden in diesem Hause die BAföGReform diskutieren. Wir werden den Ausbau der Kooperationskultur diskutieren. Ich werde Sie mit einer Signalfanfare wecken, und dann können Sie Ihre Argumente
entsprechend vortragen.
({3})
Das ist noch nicht Thema des Haushalts 2014.
({4})
Die Kollegen von den Grünen haben Angst, dass die
BAföG-Entlastung nicht bei den Ländern bzw. bei den
Hochschulen und den Schulen ankommt. Wir haben eine
Zusage von den Ländern - wir haben viele Juristen unter
uns - und wissen: Pacta sunt servanda. Kollege Heil hat
gesagt, dass wir den Ländern gegenüber ein gesundes
Misstrauen haben. Daher setzen wir uns als Koalition
dafür ein, dass wir ein Monitoring institutionalisieren.
({5})
Der Haushaltsausschuss des Bundestages muss auch in
den nächsten Jahren die Möglichkeit haben, in die Landeshaushalte zu schauen und zu prüfen, ob das Geld
auch wirklich da ankommt. Der Rechnungsprüfungsausschuss wird, denke ich, gemeinsam mit dem BMBF prüfen, welche Controllinginstrumente da zur Verfügung
stehen.
Redner der SPD und auch der Grünen haben hier
heute das Thema Kooperationsverbot angesprochen, insbesondere Kollege Heil. Schon gestern in der Generaldebatte haben wir Kollegen Oppermann dazu gehört. Von
Herrn Rossmann konnten wir dazu etwas in der Zeitung
lesen. Ich kann nur sagen: Das ist das falsche Wording;
es geht um eine Kooperationskultur.
({6})
Angesichts der gegenwärtigen Verfassungslage
({7})
ist es schon sehr erstaunlich, wo der Bund schon heute
im Zuständigkeitsbereich der Länder investiert. Ich darf
Ihnen einmal die Zahlen in Erinnerung rufen: Wir stellen
2,7 Milliarden Euro für die Exzellenzinitiative in den
Jahren 2011 bis 2017 bereit, über 7 Milliarden Euro für
die erste Säule des Hochschulpakts in den Jahren 2011
bis 2015, noch einmal 2,7 Milliarden Euro für die zweite
Phase von 2016 bis 2018. Wir haben für die zweite Säule
des Hochschulpakts 1,6 Milliarden Euro bis 2015 eingeplant, Stichwort: DFG-Overhead. Wir stellen für den
Qualitätspakt Lehre in den Jahren 2011 bis 2020 Bundesmittel in Höhe von insgesamt rund 2 Milliarden Euro
zu Verfügung. Wir haben einen Pakt für Forschung und
Innovation; das 3-Prozent-Ziel ist schon angesprochen
worden. Hier kann ich nur von einer Kooperationskultur
sprechen.
({8})
Weil wir parteiübergreifend festgestellt haben, dass
wir die Hochschulen stärken müssen, haben wir schon
vor Jahren vorgeschlagen, Artikel 91 b Grundgesetz zu
ändern. Ich freue mich, dass es jetzt in der Großen Koalition gelingt, den breiten gesellschaftlichen Konsens aufzugreifen und jeweils die Zweidrittelmehrheit im Bundesrat und im Bundestag zu erreichen, die wir benötigen.
Der Textentwurf steht. Ich freue mich sehr, dass wir die
Kooperationskultur ausbauen und Artikel 91 b ändern.
({9})
Ich höre jetzt immer die Forderung nach einer Kooperation im Schulbereich. Ich darf an dieser Stelle klarstellen, dass die Schulen zum Kernbereich der Zuständigkeit
der Länder gehören. Wir haben schon oft Defizite angemahnt, auch in der letzten Legislatur. Wir haben gesagt:
Liebe Länder, wir übernehmen als Bund gerne die Koordinierung, weil wir da durchaus Defizite sehen. - Die
KMK hat das regelmäßig mit herben Worten abgelehnt.
Wie wollen Sie da denn bei den Kultusministern und den
Kollegen in den Landtagen eine Mehrheit für eine Kooperation erreichen, die noch ein ganzes Stück über eine
Koordinierung hinausgeht? - Das ist völlig realitätsfern.
Unser Fraktionsvorsitzender sagt immer: Politik beginnt
mit dem Betrachten der Wirklichkeit. ({10})
Wir haben da keinen breiten Konsens mit den Ländern.
Daher ist unser Vorschlag zur Änderung des Artikels 91 b genau der richtige.
({11})
Wir haben immer gesagt - dazu haben wir die KMK
mehrfach aufgefordert -: Liebe Kollegen, löst das über
einen Staatsvertrag! - Wir haben beim Rundfunkstaatsvertrag die besten Erfahrungen damit gemacht, es verbindlich, transparent und gut niederzuschreiben. Wir
warten nun, was die KMK hier vorlegt, was die Bundesländer vorlegen. Am Bund liegt es nicht.
({12})
Stichwort: Grundfinanzierung der Hochschulen; Kollege Röspel hat es angesprochen. Auch hier können wir
im Hinblick auf den Koalitionsvertrag sagen: Versprechen gehalten! Die Ministerin hat es gesagt: Wir haben
für die Entlastung der Länder beim BAföG gesorgt.
({13})
Sie können jetzt das Geld in die Grundfinanzierung der
Hochschulen stecken; das haben wir geschafft. Sehr
schön!
({14})
Meine Damen und Herren, Sie sehen: Wir halten Versprechen. Wir setzen aber auch neue Akzente. Meine
Kollegin Anette Hübinger hat die Änderungsanträge angesprochen, die wir in das parlamentarische Verfahren
eingebracht haben. Ich denke hier an DAAD, AvH - plus
10 Millionen Euro -, Aufstiegsstipendien, Berufsorientierungsprogramme - sie wurden mehrmals angesprochen und beklatscht -, Weiterbildung und lebenslanges
Lernen, IT-Sicherheitsforschung und Produktions- und
Dienstleistungsforschung; überall da gibt es Aufwüchse,
sogar beim Thema „Forschung an Fachhochschulen“.
Obgleich es hier einen Aufwuchs gibt, muss ich sagen:
Wenn wir die Forschung an Hochschulen stärken, stellt
das nicht die kooperative Promotion infrage.
Michael Kretschmer hat gezeigt, welche beeindruckenden Erfolge wir in der Gesundheitsforschung haben.
Hier liegt der Schwerpunkt darauf, die Gesundheitsforschung auszubauen und ein Forschungsnetzwerk für
Kinder- und Jugendkrankheiten zu entwickeln.
({15})
Meine Damen und Herren, wir sehen: Die Bildungsrepublik Deutschland lebt, das Haus steht. Lieber Herr
Mutlu, Sie haben vorhin erzählt, Sie hätten nur einen
Bauplan. Die Architektur steht aber schon. Ich heiße Sie
in unserem Haus, in der Bildungsrepublik Deutschland
willkommen. Mit diesem Haushalt bringen wir Qualität
in diese Republik.
Vielen Dank.
({16})
Vielen Dank für diese Fanfare, Herr Kollege. - Ich
schließe damit die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 30 - Bundesministerium für Bildung und For-
schung - in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? -
Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzel-
plan 30 ist angenommen mit den Stimmen der Union
und der SPD bei Gegenstimmen von Linken und Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte VIII a bis c sowie
Zusatzpunkt 1 auf:
VIII a) Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes
zur Änderung des Weingesetzes
Drucksache 18/1780
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Annalena
Baerbock, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Keine Bad Bank für Atom - Rückstellungen der Atomwirtschaft in öffentlichrechtlichem Fonds sicherstellen
Drucksache 18/1465
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Energie ({0})
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Finanzausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss
c) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung nach Artikel 5 des Gesetzes zur Regelung von DeMail-Diensten und zur Änderung weiterer Vorschriften
Drucksache 17/10720
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({1})
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Ausschuss für Kultur und Medien
Ausschuss Digitale Agenda
ZP 1 Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes
Rechnung des Bundesrechnungshofes für das
Haushaltsjahr 2013
- Einzelplan 20 Drucksache 18/1560
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. Die Vorlage auf Drucksache 18/1465, Tagesordnungspunkt VIII b, soll federführend beim Ausschuss für Wirtschaft und Energie beraten werden. Sind
Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind
die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte IX a bis g sowie
Zusatzpunkt 2 auf. Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.
Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses.
Liebe Gäste auf den Tribünen, es tut mir leid, ich
kann Ihnen nicht sagen, worum es da im Einzelnen geht,
das würde definitiv zu lang dauern. Aber vertrauen Sie
den Abgeordneten, sie wissen, worüber sie abstimmen.
Tagesordnungspunkt IX a:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({2})
Sammelübersicht 60 zu Petitionen
Drucksache 18/1632
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist die Sammelübersicht 60 angenommen.
Tagesordnungspunkt IX b:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({3})
Sammelübersicht 61 zu Petitionen
Drucksache 18/1633
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 61 ist angenommen mit
den Stimmen der Union und der SPD bei Gegenstimmen
der Linksfraktion und bei Enthaltung von Bündnis 90/
Die Grünen.
Tagesordnungspunkt IX c:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({4})
Sammelübersicht 62 zu Petitionen
Drucksache 18/1634
Vizepräsidentin Claudia Roth
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 62 ist mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen.
Tagesordnungspunkt IX d:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({5})
Sammelübersicht 63 zu Petitionen
Drucksache 18/1635
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 63 ist angenommen: Zustimmung von Union, SPD und Linkspartei bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen.
Tagesordnungspunkt IX e:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({6})
Sammelübersicht 64 zu Petitionen
Drucksache 18/1636
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 64 ist angenommen: Zustimmung von Union und SPD, Gegenstimmen Bündnis
90/Die Grünen, Enthaltung Linkspartei.
Tagesordnungspunkt IX f:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({7})
Sammelübersicht 65 zu Petitionen
Drucksache 18/1637
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 65 ist angenommen: Zustimmung von Union, SPD, Bündnis 90/Die Grünen,
Gegenstimmen von der Linken.
Tagesordnungspunkt IX g:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({8})
Sammelübersicht 66 zu Petitionen
Drucksache 18/1638
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer ent-
hält sich? - Sammelübersicht 66 ist angenommen mit
den Stimmen von Union, von SPD, dagegen gestimmt
haben Bündnis 90/Die Grünen und die Linke.
Zusatzpunkt 2:
Beratung der Zweiten Beschlussempfehlung des
Wahlprüfungsausschusses
zu Einsprüchen gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am
22. September 2013
Drucksache 18/1710
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Ge-
genprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung
ist mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.16 auf:
a) Einzelplan 07
Bundesministerium der Justiz und für Ver-
braucherschutz
Drucksachen 18/1007, 18/1023
Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Tobias Lindner,
Klaus-Dieter Gröhler, Dennis Rohde und Roland Claus.
b) Einzelplan 19
Bundesverfassungsgericht
Drucksache 18/1017
Berichterstattung: Abgeordnete Carsten Körber,
Dennis Rohde, Dr. Dietmar Bartsch und Manuel
Sarrazin.
Zu dem Einzelplan 07 liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion Die Linke vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. - Ich höre und
sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort an
Halina Wawzyniak für die Linke.
({9})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen
und Kollegen! Ich will die Debatte nutzen, um über ein
aktuelles, ein angekündigtes und ein unterlassenes Vorhaben aus dem Bereich des Ministeriums der Justiz und
für Verbraucherschutz zu reden.
Die Mietpreisbremse ist in aller Munde. Wir Linken
sagen: „Sie ist ein Bremschen“, weil sie auf fünf Jahre
befristet ist und die Länder zuvor Gebiete mit einem angespannten Wohnungsmarkt festlegen müssen. Die
Grenze, nach der der Mietpreis bei Wiedervermietung
10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen
darf, finden wir falsch. Wir müssen an dieser Stelle aber
einsehen, dass die SPD das bereits im Wahlprogramm
gefordert hat und dafür auch die eine oder andere
Stimme bekommen hat. Was wir nicht verstehen, ist, warum die Kriterien für den Mietspiegel nicht angepasst
werden. Es bleibt dabei, dass lediglich die Mieten der
letzten vier Jahre berücksichtigt werden. Die Ausnahmen von der Mietpreisbremse, zum Beispiel die Erstvermietung, sind auch nicht nachvollziehbar.
Was aus meiner Sicht völlig inakzeptabel ist, ist die
Streichung des § 5 Wirtschaftsstrafgesetzbuch. Dieser
Paragraf sieht sinngemäß vor, dass ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig für die Vermietung
von Wohnräumen unangemessen hohes Entgelt verlangt.
Dieser Verstoß kann nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetzbuch
mit 50 000 Euro Geldbuße bestraft werden. Das betrifft
natürlich auch Unternehmen, also Aktiengesellschaften
und GmbHs. Sie wollen mit der Mietpreisbremse den § 5
Wirtschaftsstrafgesetzbuch streichen und verweisen auf
das normale Strafgesetzbuch. Das bedeutet aber, dass die
Bremse am Ende sogar leerläuft; denn Unternehmen
sind als juristische Form kein Strafrechtssubjekt. Sie
können nicht angeklagt und sie können nicht verurteilt
werden. Insofern müssten Sie, wenn Sie ehrlich sind, sagen: Wir führen zwar eine Mietpreisbremse ein, aber Sie
können dagegen nur vorgehen, wenn Sie einen privaten
Vermieter haben. An die großen Konzerne kommen Sie
damit nicht heran. Deswegen finde ich: Passen Sie § 5
Wirtschaftsstrafgesetzbuch an die Mietpreisbremse an,
und streichen Sie ihn bitte nicht.
({0})
Ein zweiter Punkt im Zusammenhang mit dem Thema
Mieten: Die Bundesimmobilienanstalt ist im Moment in
aller Munde. Der Kollege Luczak von der CDU hat gestern gefordert, dass Wohnungen nicht zum Höchstpreis
verkauft werden. Die Forderung ist richtig; aber es
kommt nicht darauf an, zu fordern, sondern darauf, zu
handeln. Das Höchstpreisgebot wird aber - das haben
Sie im Koalitionsvertrag vereinbart - nur ausgeschlossen
für Konversionsflächen. Natürlich ist es derzeit so, dass
nach der Bundeshaushaltsordnung zum Höchstpreis verkauft werden muss. Das bedeutet aber, dass kommunale
Unternehmen und gemeinwirtschaftliche Unternehmen
ausgeschlossen sind. Sie können bundeseigenes Eigentum an Wohnungen und Grundstücken nicht kaufen, und
das, obwohl wir Artikel 14 Grundgesetz haben, der besagt, dass Eigentum zugleich auch dem Allgemeinwohl
dienen soll. Deswegen meine dringende Aufforderung:
Lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie wir Artikel 14
Grundgesetz und die Bundeshaushaltsordnung in Übereinstimmung miteinander bringen können, damit Wohnungen und Grundstücke der Bundesimmobilienanstalt
auch an kommunale und gemeinwirtschaftliche Unternehmen verkauft werden können, wenn sie verkauft werden sollen.
({1})
Ich komme zu einem angekündigten Vorhaben: Am
letzten Freitag kam der Referentenentwurf zur SED-Opferrente auf unseren Tisch. Wir finden es ausgesprochen
richtig und gut, dass Sie den Betrag um 50 Euro erhöhen
wollen, können aber nicht verstehen, warum das immer
noch als soziale Ausgleichsleistung ausgestaltet ist. Die
Betroffenen müssen Einkommensnachweise vorlegen.
Nur wenn sie ein entsprechendes Einkommen haben,
kommen sie in den Genuss der SED-Opferrente. Das ist
nicht akzeptabel. Wir wollen, dass alle Betroffenen einkommensunabhängig eine SED-Opferrente bekommen.
Wir bitten Sie darum, zu prüfen, ob Sie den Anwendungsbereich der SED-Opferrente nicht erweitern können. Was ist mit Opfern von Versetzungsmaßnahmen?
Was ist mit Jugendlichen, die 1973 bei den Weltfestspielen nach einem völlig absurden Paragrafen wegen „asozialen Verhaltens“ verurteilt wurden? Bitte prüfen Sie,
ob Sie den Kreis der Anspruchsberechtigten an dieser
Stelle nicht erweitern können.
({2})
Nun komme ich zu einem unterlassenen Vorhaben.
Ich habe mittlerweile gelesen, dass Sie, Herr Minister,
das Leistungsschutzrecht für Presseverlage verschärfen
wollen. Ich sage Ihnen: Das ist der falsche Weg. Der einfachste und günstigste Weg wäre, ein Gesetz zu machen,
in dem steht, dass dieses Gesetz aufgehoben ist. Es ist
schon ein wenig absurd, dass diejenigen, die in Suchmaschinen gelistet werden, zahlen sollen. Wenn die Suchmaschine die Aufnahme verweigert, wird die Suchmaschine verklagt, weil die Verlage nicht aufgenommen
wurden. Das Leistungsschutzrecht war falsch und bleibt
falsch. Deswegen sollten Sie es einfach aufheben.
Wenn wir schon dabei sind: Sie haben eine indirekte
Verantwortung für Verwertungsgesellschaften; denn Sie
haben die Rechtsaufsicht über das Marken- und Patentamt. Insofern ist unser Vorschlag, sich einmal an das Urheberwahrnehmungsgesetz heranzutrauen und für Verwertungsgesellschaften zum Beispiel verbindliche
demokratische Binnenstrukturen festzulegen. Es sollte
festgelegt werden, dass die Tarifverträge, bevor sie im
Gesetzesblatt veröffentlicht werden, von den Aufsichtsbehörden geprüft und genehmigt werden. Dieses Problem kennen wir nicht erst seit der Debatte um die
GEMA vor einem oder vor zwei Jahren.
Wir haben jetzt das Problem mit dem Tarifvertrag der
VG Medien, wo es auch wieder um das Leistungsschutzrecht geht. Nach meiner ersten Durchsicht habe ich festgestellt, dass dieser Tarifvertrag überhaupt nicht mit dem
Leistungsschutzrecht - so, wie Sie es beschlossen haben - in Übereinstimmung zu bringen ist. Wir finden es
im Übrigen falsch, weil zum Beispiel die Frage der Geltungsdauer überhaupt nicht geklärt ist.
Ich komme - ich will hier nicht ganz ohne Lob weggehen - zum letzten Punkt. Ich freue mich, dass Sie die
Kommission zur Neuformulierung der Tötungsdelikte
eingerichtet haben, habe aber die Bitte: Verstecken Sie
das bitte nicht auf Ihrer Website. Das ist eine gute Sache.
Sie können mit unserer Unterstützung rechnen. Machen
Sie das doch etwas prominenter.
({3})
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Nächster Redner in der
Debatte ist Dennis Rohde für die SPD.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr
Bundesminister Maas! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Frau Wawzyniak, ein beruhigendes Wort vorweg: Die Mietpreisbremse wird kommen, und sie wird
auch wirken. Dafür werden wir Sozialdemokraten in Zukunft sorgen.
({0})
Der Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und
für Verbraucherschutz steht. Das ist ein guter Haushalt
geworden. Er legt den Grundstein für eine lebendige und
aktive Rechtspolitik - eine Politik, die weitsichtig auf
Prävention statt auf eine veraltete Law-and-Order-Strategie setzt. Wir reden über einen Haushalt, der auch auf
dem Gebiet der Verbraucherpolitik für bessere Information und größeren Schutz der Verbraucher steht, statt
diese auf immer komplizierter werdenden Märkten alDennis Rohde
leinzulassen. Genau in diesem Lichte haben wir im parlamentarischen Verfahren den Haushalt verändert.
Der Finanzmarktwächter wird noch im Jahr 2014 mit
einer Anschubfinanzierung von 2,5 Millionen Euro eingeführt. Das wird ganz erhebliche positive Auswirkungen auf den Verbraucherschutz haben. Das begrüßen wir
Sozialdemokraten ganz ausdrücklich.
({1})
Mit dem Finanzmarktwächter wollen wir verhindern,
dass Kleinanleger durch riskante Angebote ihre Ersparnisse verlieren - so wie zum Beispiel im Fall Prokon, wo
nunmehr 75 000 Menschen um insgesamt 1,4 Milliarden
Euro bangen. Der Finanzmarktwächter wird dabei eine
Schnittstelle zwischen dem Verbraucher auf der einen
Seite und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, der BaFin, auf der anderen Seite.
Das Gesamtkonzept „Finanzmarktwächter“ bedeutet:
Wir werden ausgewählte Verbraucherzentralen spezialisieren und ausrüsten. Dort werden die Beobachtungen
und die Beschwerden der Verbraucher entgegengenommen. Sie werten sie aus, schaffen ein Bild des Marktes
und spüren so Gefahren auf. Die Ergebnisse gibt der Finanzmarktwächter an die BaFin weiter, die dann notfalls
tätig werden kann, indem sie riskante oder irreführende
Angebote verbietet oder einschränkt.
Wir wollen, dass unlautere Angebote schneller entdeckt und vom Markt genommen werden, und zwar am
besten noch, bevor die ersten Menschen ihre Ersparnisse
verlieren. Damit schließen wir eine Lücke im Verbraucherschutz auf dem Finanzmarkt. Denn um Kleinanleger
zu schützen, bedarf es einer großen Nähe zum Finanzmarkt. Diese Nähe kann die BaFin als Aufsichtsbehörde
gar nicht leisten. Wir wollen damit genau die Menschen
erreichen, die zu Verbraucherzentralen gehen, wenn sie
sich Sorgen machen oder sich geprellt sehen. Das sind
diejenigen, die beim Frühstück nicht die Financial Times
oder das Handelsblatt, sondern ihre lokale Tageszeitung
lesen. Das sind diejenigen, für die in den letzten Jahren
viel zu wenig Politik gemacht worden ist.
Ich sage ganz offen: Es war kein einfacher Weg bis
hierhin. Wir Sozialdemokraten haben uns schon in der
letzten Legislaturperiode gemeinsam mit den Verbraucherzentralen für den Marktwächter starkgemacht.
Schwarz-Gelb hat unseren Antrag dazu noch im Juni
2013 abgelehnt. Ich freue mich daher umso mehr, dass
wir ohne die FDP in diesem Parlament endlich eine
Mehrheit für unser Anliegen gefunden haben.
({2})
Ich finde auch, dass man sein Licht nicht unter den
Scheffel stellen muss, und sage ganz klar: Das ist ein Erfolg der SPD und zeigt, dass sich Beharrlichkeit auszahlt. Dass wir Sozialdemokraten uns hier durchgesetzt
haben, bedeutet eine deutliche Verbesserung in der Aufsicht über das für Verbraucher oft riskante und undurchsichtige Marktgeschehen. Das ist ein großer Schritt in
die richtige Richtung. Es gilt aber auch: Wir sind noch
nicht fertig. Die eingestellten 2,5 Millionen Euro sind
eben nur eine Anschubfinanzierung. Wir werden daher
sicherstellen, dass die Finanzierung in zukünftigen
Haushalten verstetigt wird.
Für mehr Transparenz und Kompetenz im Verbraucherschutz sorgen wir auch, indem wir einen Sachverständigenrat für Verbraucherfragen einrichten werden.
Künftig wird es ein Expertengremium geben, das die
Politik in Verbraucherfragen berät, aber auch im Sinne
der Verbraucher fordern und kritisieren kann. Die dafür
nötigen Planstellen haben wir im Haushalt 2014 eingestellt. Das ist ebenso wie die Einführung des Marktwächters ein klares Signal dafür, dass wir es mit dem
wirtschaftlichen Schutz der Verbraucher ernst meinen.
({3})
Darüber hinaus ist das Gros der 650 Millionen Euro
im Haushalt des BMJV langfristig gebunden. Bei einem
Personalkostenanteil von 66 Prozent und vielen flexibilisierten Mitteln sprechen wir zu großen Teilen von einem
Verwaltungshaushalt, und das ist auch gut so. Denn eine
vernünftige finanzielle Ausstattung unserer obersten Gerichte und unserer juristischen Einrichtungen ist das
Grundgerüst unserer Gewaltenteilung und damit unseres
Rechtsstaates.
Unsere Justiz muss handlungsfähig sein. Dies gilt
auch und gerade mit Blick auf den Schrecken und das
Leid, das die Mitglieder des NSU verbreitet haben. Und
ja: Der Prozess schlug sich auch in den Verhandlungen
um den Haushalt des BMJV nieder. Um Haft- und Verfahrenskosten erstatten zu können, mussten wir den
Haushaltsansatz des Generalbundesanwaltes um zusätzliche 5 Millionen Euro für die Aufklärung von rassistischen und menschenverachtenden Taten aufstocken.
({4})
Das Ziel unserer Gesellschaft muss es sein, durch
Aufklärung bzw. Prävention verbrecherische Taten gar
nicht erst entstehen zu lassen. Wir haben hier im Hause
und in der Gesellschaft in den letzten Monaten vermehrt
eine Debatte über die Strafbarkeit und den Strafrahmen
von Taten mit pädophilem Hintergrund geführt. Das ist
eine wichtige Diskussion.
Genauso wichtig ist auch, dass wir Menschen die
Chance geben, sich in eine Therapie zu begeben. Wir
wollen und müssen insbesondere Männern mit pädophilen Neigungen niedrigschwellige professionelle Hilfen
anbieten, damit sie lernen, mit ihren Trieben umzugehen,
nicht straffällig werden und keine Kinder in Gefahr bringen. Daher werden wir die Fördermittel für die Koordinierung des Projekts „Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch im Dunkelfeld“ an der Berliner Charité
aufstocken. „Prävention vor Repression“ muss gerade in
diesem Bereich das eindringliche Credo sein.
({5})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Große
Koalition verlangt uns Sozialdemokraten aber auch
Kompromisse ab.
({6})
Das ist nicht immer einfach. Viele von uns haben in
der vorletzten Sitzungswoche zur Abstimmung über die
Frage des Adoptionsrechts gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften entweder eine persönliche Erklärung abgegeben oder mit viel Unwohlsein über den Änderungsantrag der Grünen abgestimmt. Wir wissen: Dass
es noch keine volle rechtliche Gleichstellung gibt, ist
nicht mehr zeitgemäß. Wir Sozialdemokraten werden
weiterhin dafür kämpfen.
({7})
Umso wichtiger ist es aber heute, dass wir der
Bundesstiftung Magnus Hirschfeld mehr finanziellen
Spielraum geben. Wir werden das Stiftungskapital um
1,75 Millionen Euro aufstocken und damit sicherstellen,
dass die Stiftung ihre gesellschaftliche Aufklärungsarbeit fortsetzen kann. Wie bitter nötig das manchmal ist,
haben die Diskussionen in der vergangenen Zeit leider
deutlich gezeigt.
Sehr geehrte Damen und Herren, es weht ein frischer
Wind in der Rechts- und Verbraucherpolitik. Wir räumen
mit dem, was unter Schwarz-Gelb liegen geblieben ist,
auf. Wir wollen eine Rechtspolitik, die nicht zaghaft blockiert, sondern aktiv die Spielregeln unserer Gesellschaft gestaltet, eine Politik, die das Heft in die Hand
nimmt, statt sich in einer im Wandel begriffenen Verbraucherwelt treiben zu lassen. Wir reden nicht nur vom
Schutz der Verbraucher, sondern wir richten auch unser
politisches Handeln danach aus. Mit diesem Haushalt
gehen wir einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu unserem Ziel.
Vielen Dank.
({8})
Vielen Dank, Herr Kollege. - Nächster Redner in der
Debatte: Dr. Tobias Lindner für Bündnis 90/Die Grünen.
Geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Zu Beginn meiner Ausführungen
möchte ich mich als Hauptberichterstatter für diesen Etat
bei den Kollegen Rohde, Gröhler und Claus für die konstruktiven und, wie ich fand, auch kollegialen Beratungen bedanken. Uns ist es gelungen, gemeinsam Änderungen an diesem Haushaltsentwurf - mein Vorredner
hat das Stiftungskapital der Magnus-Hirschfeld-Stiftung
gerade angesprochen - zu realisieren. Bedanken möchte
ich mich auch beim Ministerium für eine Vorbereitung
und Durchführung dieser Haushaltsberatungen, die
durchaus beispielgebend für andere Ressorts hätten sein
können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden nicht nur
über einen neuen Haushalt, sondern wir reden auch über
ein neues Ministerium: über das Bundesministerium der
Justiz und für Verbraucherschutz. Natürlich muss man
sich da fragen: Passt dieser neue Haushalt zu diesem
neuen Ministerium? Passen 640 Millionen Euro und ein
hoher Personalkostenanteil zu den Aufgaben, die im Bereich des Verbraucherschutzes vor uns liegen? Da ist die
Antwort meiner Fraktion: Leider passt dieser Haushalt
nicht dazu.
Ich will das an ein paar Beispielen deutlich machen.
Sie haben über den Marktwächter gesprochen. Da will
ich den Kolleginnen und Kollegen von der SPD schon
zurufen: Uns Grüne braucht man in dieser Frage nicht
katholisch zu machen. Im Gegenteil, wir sind froh, dass
die Große Koalition eine Forderung, die wir seit Jahren
erheben, in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen hat.
Wir hätten uns durchaus vorstellen können - das haben
wir im Haushaltsausschuss auch beantragt -, dass man
nicht mit nur einem Marktwächter, sondern mit beiden
beginnt. Denn ich glaube, die Menschen in diesem Land
erwarten die Einführung dieser wichtigen Institution.
Gerade im Bereich der digitalen Welt und der digitalen
Geschäftsmodelle ist ein Marktwächter dringend notwendig, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({0})
Ähnlich geht es mir im Hinblick auf den Sachverständigenrat für Verbraucherfragen. Ich finde, ein solcher
Sachverständigenrat ist eine durchaus überlegenswerte,
gute Sache. Aber ich will nicht, dass er zu einem netten
Kaffeekränzchen oder zu einer hohlen Institution verkommt. Wenn man nur eine B-3-Stelle schafft und daraus verwaltungstechnisch eine One-Man-Show macht,
dann habe ich zumindest Zweifel, ob ein solcher Sachverständigenrat am Ende wirklich die Schlagkraft und
die Beratungskompetenz hat, die wir uns eigentlich alle
wünschen würden.
Lassen Sie mich einen letzten Punkt erwähnen, auf
den mein Vorredner nicht eingegangen ist, der sich aber
auch im Koalitionsvertrag wiederfindet: den Zuschuss
an die Verbraucherzentrale Bundesverband. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir im Rahmen der Verbraucherpolitik davon reden, dass die Verbraucherinnen und
Verbraucher in diesem Land eine schlagkräftige Lobby
brauchen, wenn wir über selbstbestimmten Konsum und
selbstbestimmtes Verbraucherverhalten reden, dann
braucht man, wenn man an Begriffe wie „Marktmacht“
denkt, auch eine angemessene Ausstattung der Verbraucherzentrale. Hier haben wir im Rahmen der Beratungen
einen Änderungsantrag eingebracht, der, wie so viele,
leider von dieser Koalition abgelehnt wurde. Das ist
schade für die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Land.
({1})
Im Hinblick auf die Anträge, die wir eingebracht haben, wird uns gern der Vorwurf gemacht: Ihr Grüne habt
das doch gar nicht gegenfinanziert. - Ich will den Menschen in diesem Land sagen: Wir machen eines grundlegend anders als diese Koalition. Wir kompensieren die
Mittel nicht in den gleichen Etatplänen, sondern wir sagen zum Beispiel: Wir geben weniger Geld für die Verteidigung aus, damit mehr Geld für Bildung und Forschung und mehr Geld für die Verbraucherpolitik zur
Verfügung steht. - Wenn Sie am Ende des morgigen Tages einen Strich unter unsere Anträge ziehen, werden Sie
erkennen: Wir bleiben bei einer Nettokreditaufnahme
von 6,5 Millionen Euro, genau wie diese Große Koalition. Aber es gelingt uns eben, andere Schwerpunkte zu
setzen.
Ein letzter Punkt, über den Sie sich Gedanken machen
sollten. Wenn Sie in Ihrem Koalitionsvertrag beschließen, ein neues Ministerium zu schaffen, und hineinschreiben: „Wir müssen Mittel aus dem eigenen Einzelplan kompensieren“, dem Herrn Bundesminister aber
nur ein Drittel der Mittel für den Verbraucherschutz zur
Verfügung stellen, dann werden Sie auch in den folgenden Jahren nicht viel in Sachen Verbraucherschutz bewegen können. Denken Sie über diesen Denkfehler noch
einmal nach, meine Damen und Herren; denn sonst sehe
ich für die kommenden Jahre schwarz.
Ich danke Ihnen.
({2})
Danke, Herr Kollege. - Nächster Redner in der Debatte: Klaus-Dieter Gröhler für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Minister
Maas! Meine sehr geehrten Gäste! Liebe Kollegen!
({0})
- Ja, man muss ja immer noch etwas draufpacken.
({1})
Die Frau Bundeskanzlerin hat gestern bei der Debatte
über ihren Einzelplan den Mitgliedern des Haushaltsausschusses für die engagierten Beratungen des Entwurfs
gedankt, mein Fraktionsvorsitzender Volker Kauder hat
sich beim kleineren Koalitionspartner für das konstruktive Zusammenwirken bedankt, und der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten bedankte sich wiederum bei
der CDU/CSU-Fraktion.
Hier will ich gerne weitermachen; der Kollege
Lindner hat den Ball diesbezüglich ja schon ein klein
wenig ins Feld gebracht. Auch ich möchte mich bei ihm
als Hauptberichterstatter für den Einzelplan 07 bedanken. Ich darf sagen: Über Fraktionsgrenzen hinweg,
ohne dass wir sie verwischt haben, hatten wir zwischen
allen Berichterstattern eine, wie ich meine, sehr angenehme Kooperation.
Ganz besonders wichtig ist es mir aber, mich bei den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu bedanken, und
zwar nicht nur bei denen, die im Bundesjustizministerium für den Haushalt zuständig sind, sondern auch bei
den Kolleginnen und Kollegen aus dem Finanzministerium und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im
Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages und in
den Fraktionen; denn seien wir einmal ganz ehrlich: Wir
als Parlamentarier könnten dieses hohe Recht - das
Budgetrecht, das wichtigste Recht des Hauses - gar
nicht tatsächlich ausüben, wenn es nicht eine große
Schar von fleißigen Mitarbeitern gäbe.
Man könnte jetzt sagen: Sie verdienen ein bisschen
mehr als den zukünftigen Mindestlohn. Das ist zwar
richtig, aber ich finde trotzdem, dass man ihre Arbeit an
dieser Stelle würdigen sollte, weil es manchmal bis tief
in die Nacht geht, und wir alle wissen ja, dass das Ansehen des öffentlichen Dienstes draußen häufig nicht sehr
gut ist. Insofern sage ich Ihnen ein herzliches Dankeschön.
({2})
Meine Damen und Herren, der Einzelplan 07, über
den ich hier sprechen möchte, ist in der Tat etwas speziell. Die Größenordnung dieses Etats entspricht ungefähr der Portokasse im Sozialetat. 648 Millionen Euro
bezogen auf fast 300 Milliarden Euro im gesamten Bundeshaushalt: Das ist schon ziemlich übersichtlich. Besonders auffällig ist dieser Etat natürlich auch durch
seinen hohen Deckungsgrad. Immerhin nimmt der Bundesjustizminister 465 Millionen Euro ein. Ganz besonders wird der Einzelplan aber dadurch, dass die Opposition im Vergleich zu anderen Etats fast gar nichts an ihm
auszusetzen hat.
Bei einem so kleinen Haushalt kommt man natürlich
schnell in die Versuchung, zu sagen, an der einen oder
anderen Stelle wolle man mehr draufpacken. Ich sage
aber: Auch wenn der Haushalt noch so klein ist: Jeden
Euro, den wir ausgeben, haben wir vorher durch Einnahmen des Staates - in erster Linie durch Steuern - erlangt,
und deshalb ist es unsere Verpflichtung, ordentlich zu
prüfen, ob es tatsächlich sinnvoll und notwendig ist, an
der einen oder anderen Stelle etwas draufzulegen. - Ich
komme gleich noch einmal zu den Anträgen der Oppositionsfraktionen, die wir dementsprechend abgelehnt haben.
Wir Haushälter haben uns am Machbaren statt am
Wünschenswerten orientiert und uns auch bei diesem
Einzelplan von dem Ziel leiten lassen, dass die Neuverschuldung gering sein muss. Gestern und heute gab es
den einen oder anderen, der das Ziel der Absenkung der
Neuverschuldung und das Ziel einer Neuverschuldung
von null wieder infrage gestellt hat. Ich kann als Mitglied des Haushaltsausschusses für die CDU/CSU-Fraktion aber nur sagen: Es ist ein richtiges politisches Ziel,
einen strukturell ausgeglichenen Bundeshaushalt zu verabschieden, wie wir das morgen tun werden. Ebenso
richtig ist es, dass wir nach der Sommerpause einen
Haushaltsentwurf beraten, der als Erster seit langer Zeit
wieder völlig ohne Neuverschuldung auskommen wird.
„Schluss mit Schulden“, hat vorhin eine meiner Kolleginnen gesagt. Ich finde, das ist ein sehr guter Slogan
für die Zukunft. Er macht das griffig und prägnant.
({3})
Ich bin mir sicher, dass das Zeichen, dass wir keine
Schulden mehr machen wollen, von den Menschen verstanden wird. Der Staat bescheidet sich. Das ist eine Zei3890
tenwende, die viele vor einigen Jahren noch gar nicht für
vorstellbar gehalten haben. Das erfordert aber natürlich
auch eine hohe Disziplin bei der Haushaltsplanaufstellung.
Der eine oder andere Redner hat ja betont, dass es für
kommende Generationen wichtig ist, keine neuen Schulden zu machen. Ich will aber auch sagen: Auch für die
heutige Generation ist das wichtig.
Ich als Berliner Abgeordneter komme aus einem
Land, das in den letzten Jahren sehr viele Schulden
- insgesamt 60 Milliarden Euro - aufgetürmt hat, bis
sich endlich auch in Berlin eine Große Koalition entschlossen hat, damit nicht weiterzumachen.
({4})
Ich habe gelernt, meine liebe Kollegin - Sie wissen das
als Berlinerin sicherlich auch -, was es bedeutet, wenn
ein Landeshaushalt nur noch aus Sozialausgaben und
dem Schuldendienst besteht, wenn man nur noch damit
beschäftigt ist, Kredite zurückzuzahlen, Zinsen zu zahlen und wieder neue Kredite aufzunehmen. Dann kann
man sich irgendwann politisch gar nicht mehr bewegen.
In diese Situation soll und will der Bund nicht kommen.
Deshalb ist es wichtig, dass wir uns mit zusätzlichen
Ausgaben zurückhalten. Dementsprechend ist es auch
wichtig, dass wir nicht immer allen Wünschen nachkommen.
Der von der Bundesregierung vorgelegte Etatentwurf
für den Einzelplan 07 war so gut, dass wir an ihm fast
nichts ändern mussten. Wir haben den Etatansatz lediglich um 1 Prozent im Zuge der Haushaltsberatungen angehoben und sind dem Struck’schen Gesetz, nach dem
kein Gesetzentwurf das Haus so verlässt, wie er hineingekommen ist, auch an dieser Stelle nachgekommen.
Die Anhebung erfolgte - darauf hat bereits mein Koalitionskollege Rohde hingewiesen -, um die im Koalitionsvertrag verabredeten Verbesserungen im Verbraucherschutz zu finanzieren. 2,5 Millionen Euro haben wir
zusätzlich eingestellt, um den Aufbau der Marktwächterfunktion für den Finanzmarkt zu ermöglichen. Diese zusätzlichen Mittel im Haushalt sind folgerichtig, um den
von den Bundesministern Wolfgang Schäuble und Heiko
Maas gemeinsam vorgestellten Aktionsplan der Bundesregierung zum Verbraucherschutz im Finanzmarkt auf
den Weg zu bringen.
Durch die zusätzlichen Mittel werden die bestehenden Verbraucherzentralen mit einer Marktwächterfunktion beauftragt. Neben dem Maßnahmenpaket für einen
besseren Schutz von Kleinanlegern und einer Stärkung
der Verbraucherrechte bei Bankdienstleistungen - Stichwort: Girokonto garantiert für jeden - ist die Beobachtung der Finanzmärkte durch die Verbraucherzentralen
eine weitere wichtige Säule dieses Aktionsplans. Die
Bürgerinnen und Bürger haben bereits jetzt ein großes
Vertrauen in die Verbraucherzentralen. 2,5 Millionen
Mal im Jahr wenden sie sich mit unterschiedlichen Anliegen an sie. Deshalb ist es richtig, den Verbraucherzentralen diese Aufgabe zu übertragen und dementsprechend die Anschubfinanzierung auf den Weg zu bringen.
Grüne und Linke haben sich nun in den Haushaltsberatungen mit Änderungsanträgen überboten. Na klar:
Mehr Geld für Verbraucherschutz kommt draußen in den
Wahlkreisen gut an. Damit kann man hausieren gehen.
({5})
Aber man sollte vielleicht auch ein Stück realistisch
sein, lieber Herr Kollege Dr. Lindner. Der Haushaltsplan
2014 tritt Anfang Juli in Kraft. Das heißt, wir haben
noch ein gutes halbes Jahr, um diese Anschubfinanzierung tatsächlich auf den Weg zu bringen. Da sind die
von Ihnen geforderten 10 Millionen Euro gar nicht seriös zu verausgaben. Deshalb sage ich den Kollegen von
der Grünen-Fraktion: Das war ein Schaufensterantrag.
So haben wir als Große Koalition ihn im Ausschuss auch
behandelt und entsprechend abgelehnt.
({6})
Lassen Sie mich zu einem anderen Aspekt des Etats
kommen, auf den ich hinweisen möchte. Aus dem Etat
des Bundesministeriums erhält die Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit, kurz IRZ, Mittel.
Wir haben gestern mit großer Freude zustimmend zur
Kenntnis genommen, dass Litauen den Euro einführen
wird. Jetzt wird mich der eine oder andere fragen: Was
hat die IRZ mit der Einführung des Euro in Litauen zu
tun? Eine ganze Menge. Die Stiftung hat Litauen, nachdem das Land seine Souveränität wiedererlangt hat, über
zehn Jahre juristisch beraten und auf dem Weg nach
Westen in Sachen Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft
und Demokratie begleitet. Dementsprechend hat die IRZ
einen ganz wesentlichen Anteil daran, dass in Litauen
die Voraussetzungen für die Einführung des Euro erreicht worden sind.
Auch so verstehe ich die größere Verantwortung
Deutschlands in der Welt, die unser Bundespräsident zu
Recht eingefordert hat: Die IRZ ist nicht nur in Litauen
aktiv gewesen. Sie ist es in Südosteuropa, und sie ist es
darüber hinaus im arabischen Raum. Wir haben für den
Haushalt 2015 zum Beispiel zu prüfen, ob wir die Gelder
für diese wichtige Einrichtung nicht noch ein Stück weit
erhöhen.
Das gilt auch für das Bundespatentamt, dessen Arbeitsabläufe sowie sachliche und personelle Ausstattung
wir kritisch werden überprüfen müssen, weil die Bearbeitungszeiten für Patentanmeldungen einfach zu lang
sind. Nun werden mir vielleicht Kollegen der Opposition
gleich sagen: Warum habt ihr dann nicht unserem Antrag
für mehr Geld und mehr Personal im Bundespatentamt
zugestimmt? Das kann ich Ihnen sagen: weil auch dieser
Antrag ein Stück unseriös war.
({7})
Sie haben einfach versucht, das Füllhorn des Bundes
auszuschütten, ohne mit dem Bundespatentamt tatsächlich zu klären: Wo liegen denn die Probleme?
Es ist nicht immer nur damit getan, einfach zusätzliches Geld irgendwo hineinzupumpen, sondern man
sollte vor Ort schauen, wie es tatsächlich eingesetzt
wird. Ebenso werden wir für den Haushalt 2015 prüfen
müssen, ob der gesteigerte Ansatz für das Netzwerk gegen Kindesmissbrauch weiter erhöht werden muss.
Dieser Haushaltsentwurf, so wie er jetzt aus dem
Haushaltsausschuss kommt, ist ein guter. Ich kann nur
empfehlen, ihm zuzustimmen, sowohl was den Einzelplan 07 als auch den Gesamtetat angeht.
Ich bedanke mich ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.
({8})
Danke schön, sehr geschätzter Herr Kollege. - Jetzt
hat Bundesminister Heiko Maas das Wort.
({0})
Sehr geehrte, geschätzte, liebe Präsidentin!
({0})
Oh, jetzt geht es aber ab.
Für nachfolgende Redner wird es jetzt schwierig. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die wichtigsten Steuermittel der Politik sind sicherlich zum einen die
Gesetze, zum anderen aber auch das Geld. Vor allen Dingen um Letzteres geht es heute. Eine kluge Politik muss,
wie ich finde, mit beidem sparsam umgehen.
Herr Gröhler hat gesagt, dass der Haushalt des Justizund Verbraucherschutzministeriums im Vergleich zu dem
anderer Ressorts einer Portokasse gleicht. Das ist sicherlich richtig, Herr Gröhler. Aber wir haben gemeinsam
dafür gesorgt, mit dem Haushalt des Justiz- und Verbraucherministeriums zu zeigen, wie viel Sinnvolles man aus
einer Portokasse finanzieren kann. Ich finde, dem werden wir gerecht.
Meine Damen und Herren, in Deutschland gelten zurzeit 1 681 Bundesgesetze und 2 711 Bundesverordnungen. Viele sagen, das sei mehr als genug. Tatsächlich
müssen wir uns immer intensiv darüber Gedanken machen, wo es sinnvoll und notwendig ist, Sachverhalte
oder Probleme mit Gesetzen zu ändern bzw. zu lösen.
Aber es gibt sicherlich auch Dinge, bei denen es ganz,
ganz notwendig ist, gesetzgeberische Vorhaben auf den
Weg zu bringen. Das war und ist so bei der Sukzessivadoption, der heiß diskutierten Mietpreisbremse, der Frauenquote für die Aufsichtsräte, den gesetzlichen Reformen im Nachgang zum NSU-Untersuchungsausschuss
und vor allen Dingen auch beim Gesetz gegen sexuellen
Missbrauch und Kinderpornografie.
Das alles sind Themen, bei denen es Handlungsbedarf
vonseiten des Gesetzgebers gab und gibt. Gerade das
Gesetz gegen sexuellen Missbrauch und Kinderpornografie zeigt das ganz besonders. Wir ändern die Verjährung beim sexuellen Missbrauch. Sie setzt erst mit dem
30. Lebensjahr ein, weil viele, die sexuell missbraucht
worden sind, erst sehr spät darüber reden können und
wir nicht wollen, dass die Täter ungeschoren davonkommen.
Wir ändern die Vorschriften zum sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen, weil es keinen Unterschied machen darf, ob jemand Lehrer oder Hilfslehrer
ist, wie es in einem Gerichtsurteil in Koblenz festgestellt
worden ist. Wir wollen auch den Handel von Nacktbildern mit strafrechtlichen Mitteln verfolgen. Denn wir
finden, unbefugt hergestellten Nacktbildern, die vertrieben und verkauft werden, liegt ein Missbrauch von Kindern zugrunde, und dies wollen wir unter Strafe stellen.
({0})
Neben dem, was wir gesetzgeberisch auf den Weg
bringen, ist es aber oftmals auch notwendig, Geld, das
zur Verfügung steht, so einzusetzen, dass mögliche Gesetzesverstöße gar nicht erst entstehen. Der sexuelle
Missbrauch von Kindern ist ein ganz besonders schreckliches Verbrechen. Wir wollen alle, dass Kinder besser
geschützt werden, und wir wollen vor allem dafür sorgen, dass es gar nicht erst zu solchen Taten kommt. Das
schaffen wir nicht mit dem Strafgesetzbuch allein. Bedauerlicherweise sind veränderte bzw. verschärfte Gesetze oder höhere Strafen nicht immer geeignet, Straftaten zu verhindern. Sie können aber ein Bestandteil der
Maßnahmen dagegen sein.
Deshalb haben wir uns ganz besonders damit auseinandergesetzt, Maßnahmen zu fördern, die dazu führen
sollen, dass Taten erst gar nicht begangen werden. Bereits seit 2008 fördert das Bundesjustizministerium das
Projekt „Kein Täter werden“ der Berliner Charité. Es
hilft Männern mit pädophilen Neigungen, dass aus ihren
sexuellen Fantasien keine Straftaten werden.
Die Nachfrage nach dieser Hilfe ist groß, und sie wird
immer größer. Es gibt inzwischen in weiteren sieben
Städten in Deutschland ähnliche Projekte. Mit dem
Haushalt, den Sie, meine Damen und Herren, heute beschließen, weiten wir die Förderung dieses Projektes
ganz maßgeblich aus. Wir erhöhen die Mittel um 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ich finde, das ist eine
sehr gute und wichtige Entscheidung. Denn mit diesem
Geld schützen wir Kinder mehr, als wir es oftmals mit
geänderten Gesetzen tun können, meine sehr verehrten
Damen und Herren.
({1})
Auch in der Verbraucherpolitik, um die sich das frühere BMJ nun ebenfalls kümmert, geht es nicht alleine
um Vorschriften oder Verbote. Laisser-faire oder staatliche Zwangsbeglückung - das sind immer die Alternati3892
ven, und es sind oftmals auch Alternativen von gestern,
weil eine moderne Verbraucherpolitik ganz anders aussieht. Die Menschen sollen die Freiheit haben, selbst die
richtige Entscheidung für sich zu treffen. Aber da reicht
es oft nicht aus, nur das Ideal des mündigen Verbrauchers zu bemühen. Der Staat muss auch dort, wo er
kann, etwas dafür tun, dass die Menschen diese Freiheit
nutzen können. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher
sind heutzutage auf den Finanzmärkten unterwegs. Aber
ohne ausreichende Kenntnisse - teilweise glaubt man,
dass ein BWL-Studium vonnöten ist - finden sich viele
dort nicht zurecht. Wenn es um die Altersvorsorge oder
um Vermögensbildung geht, dann kann man sich heutzutage kaum einen Fehltritt leisten. Eine falsche Entscheidung lässt sich selten rückgängig machen und kann für
den Einzelnen und seine Familie verheerende Folgen haben.
Die Menschen brauchen - darum geht es uns in einer
modernen Verbraucherpolitik - verlässliche Informationen und klare Orientierung. Aus diesem Grund sollen
die Verbraucherorganisationen, wie bereits mehrfach angesprochen, künftig zu Marktwächtern werden. Die Verbraucherorganisationen erfahren durch ihre Beratungsarbeit als Allererste, wo Fehlentwicklungen stattfinden.
Dann sollen sie bei den Behörden auch Alarm schlagen
können und Verbraucherinnen und Verbraucher darüber
informieren, wo es falsche Fünfziger oder schwarze
Schafe gibt. 2,5 Millionen Euro sind zusätzlich in diesen
Haushalt gekommen, damit wir den Aufbau der sogenannten Marktwächter - konkret: der Finanzmarktwächter - in Angriff nehmen können. Das ist eine wichtige
Entscheidung. Damit wird ein wichtiges Projekt endlich
anlaufen können.
Ich danke allen ganz herzlich, die das möglich gemacht haben, ganz besonders den Berichterstattern für
den Justizhaushalt, Dennis Rohde und Klaus-Dieter
Gröhler, aber auch, meine Damen und Herren, der Opposition, Herrn Dr. Tobias Lindner und Roland Claus.
Auch Ihnen ein herzliches Dankeschön dafür!
({2})
Wenn wir über Gleichberechtigung und den Kampf
gegen Diskriminierung reden, dann hat das sicherlich
auch eine rechtliche Dimension. Mit der Sukzessivadoption für Lebenspartnerschaften sind wir auch hier einen
wesentlichen Schritt weitergekommen. Eine tolerante
Gesellschaft, in der alle Menschen akzeptiert werden,
und zwar so, wie sie sind oder sein wollen, entsteht aber
letztlich nicht nur per Gesetz. Toleranz kann man eben
nicht verordnen - aber man kann sie fördern. Eine ganz
wichtige Institution, die das tut, ist die schon erwähnte
Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Diese Stiftung leidet
genauso wie viele andere unter den niedrigen Zinsen.
Um hier zu helfen, wird mit diesem Bundeshaushalt das
Stiftungskapital um 1,75 Millionen Euro erhöht. Dadurch kann die Stiftung ihre wichtige Arbeit ausweiten.
Dies zeigt erneut: Es muss nicht immer ein Gesetz
sein. Auch durch den klugen Einsatz der zur Verfügung
stehenden Mittel können wir eine gute und vernünftige
Politik machen. Auf jeden Fall werden wir im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz durch
diesen Haushalt in die Lage versetzt, genau dies zu tun.
Herzlichen Dank.
({3})
Vielen Dank, lieber Heiko Maas. - Nächster Redner
in der Debatte: Roland Claus für die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der
Kollege Gröhler hat aufgefordert, hier immer noch einen
draufzupacken. Der Justizminister war der Meinung,
dass es nach seiner Anrede für den nächsten Redner
schwierig sei, das noch zu toppen.
({0})
Herr Minister, Sie unterliegen hier einem Justizirrtum,
wenn auch einem geringfügigen; denn mir fällt es überhaupt nicht schwer, hier etwas draufzupacken. Sie alle
haben die reale Möglichkeit, den Verbraucherschutz zu
stärken und im Etat etwas draufzupacken, wenn Sie unserem Änderungsantrag zustimmen. Dann haben Sie real
etwas getan und nicht nur etwas aus dem Sprüchebeutel
draufgepackt.
({1})
Die gute Nachricht zuerst: Der Justizhaushalt ist einer
der wenigen Etats, die im Laufe der Haushaltsberatungen etwas besser wurden. Gut geworden ist er noch
nicht. Immerhin ist er so klein, dass das Bundesfinanzministerium gar nicht erst Begehrlichkeiten entwickelte,
den Etat zu kürzen.
Der Finanzmarktwächter wird eingeführt. Das haben
mehrere beantragt, auch die Linken. Ich habe den Antrag
schon erwähnt. Die Übermacht - das muss man sich
wirklich eingestehen - der Anbieter von sogenannten Finanzprodukten wird davon aber nicht berührt. Aber wenigstens wird ein Problem öffentlich gemacht. Ich habe
mir einmal die Mühe gemacht, die zwei Zahlen ins Verhältnis zu setzen, die 2,5 Millionen Euro, die wir für die
Verbraucherschützer jetzt einstellen wollen, zu dem
Geld, über das die sogenannten Schattenbanken verfügen. Das sind über 50 Billionen Euro. Es kommt also zu
einem Verhältnis der Verbraucher zu denen, zu denen sie
in Konkurrenz treten, von 1 : 20 Millionen. Die Übermacht der Finanzmärkte beträgt immer noch 20 Millionen gegenüber den Verbraucherschützern. Das nur, damit wir uns keine Illusionen machen.
Nun kursiert ein neuer Begriff, der Begriff „Geierfonds“. Sie haben richtig gehört: Geierfonds, benannt
nach dem Greifvogel oder Raubvogel. Diese Fonds betreiben nach ihrer Philosophie vorrangig den Ankauf von
Wertpapieren angeschlagener Herausgeber. Das können
Unternehmen sein, das können aber auch Staaten sein.
Gegenwärtig ist Argentinien von einem dieser GeierRoland Claus
fonds erheblich bedroht, so bedroht, dass die argentinische Regierung sich entschlossen hat, auch in Europa
große Anzeigen zu schalten.
Dazu muss man sagen: Auch noch so tapfere Verbraucherschützerinnen und Verbraucherschützer werden die
Geierfonds nicht stoppen, aber sie setzen wenigstens ein
Zeichen von Gegenwehr, und das ist gut so. Sie in der
Bundesregierung wollen die Schattenbanken und Hedgefonds irgendwie kontrollieren. Ich kann Ihnen dazu nur
sagen: Das wird nicht funktionieren. Solche Unternehmen, solche dubiosen Institutionen gehören abgeschafft.
Es reicht nicht, sich das Ziel zu setzen, sie zu kontrollieren.
Die Linke wird immer dabei sein, wenn es um mehr
Verbraucherschutz geht. Wir müssen Sie dennoch auf ein
Kuriosum aufmerksam machen. Wir haben jetzt ein
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, und wir haben ein Bundesamt für Verbraucherschutz. Das Kuriose ist - das wissen Sie -, dass das Bundesamt in einem anderen Ministerium angesiedelt ist,
und nicht in dem gleichnamigen Bundesministerium.
Positiv finden wir die Entwicklung, dass auf Beschluss der Verbraucherschutzminister der Länder es nun
endlich eine Initiative zur Deckelung der Dispozinsen
gibt, also dass man sich dagegen wehrt, dass Banken
sich quasi für 0 Prozent Zinsen Geld leihen und Dispozinsen von über 10 Prozent von den Leuten verlangen.
Daran kann man sehen, Herr Minister: Links wirkt, noch
mehr links würde noch mehr wirken.
({2})
Das besondere Interesse der Opposition an einer
auskömmlichen Finanzierung der Bundesgerichtsbarkeit hatte ich bereits erklärt.
Nun zum Patent- und Markenamt. Unser Vorschlag
dazu ist schon zitiert worden. Hier ist die Koalition noch
ein bisschen uneinsichtig. Als wir das, lieber Kollege
Gröhler, in der 16. Wahlperiode schon einmal zum Erfolg gebracht haben, sind wir selbstverständlich als Berichterstatter mit anderen Sachkundigen mehrfach in
München gewesen und haben uns genau angeschaut, an
welcher Stelle Personalmittel und an welcher Stelle Mittel für Sachkosten oder IT-Kosten zu erhöhen sind. Dann
hat das auch geklappt. Ich bin mir sicher: Das wird auch
wieder klappen. Ich kann Ihnen noch eine Brücke bauen.
Die Linke wird in der ihr bekannten Bescheidenheit Ihnen in Sachen Urheberschaft nicht im Wege stehen und
diese nicht so laut hinausposaunen. Setzen Sie die Vorschläge um. Das wäre wichtiger, als jetzt darüber zu tönen.
Sie denken an Ihre Redezeit, in aller Bescheidenheit?
In aller Bescheidenheit komme ich damit zum Ende. Wir wünschen uns natürlich ein selbstbewusstes Verfassungsministerium. Das braucht nicht nur die Koalition,
das braucht auch die Opposition.
In diesem Sinne: Gutes Zusammenwirken!
({0})
Vielen Dank, Herr Kollege. - Nächste Rednerin:
Elisabeth Winkelmeier-Becker für die Union.
({0})
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Zuhörer! Der Haushalt, über den wir in dieser Woche sprechen, ist sehr erfreulich. Seit meiner Kindheit ist das der
erste ausgeglichene Haushalt. Jeder Politikbereich leistet
seinen Beitrag dazu, darunter auch unserer. Der Haushalt
unseres Ministeriums zeichnet sich zum einen dadurch
aus, dass er der kleinste ist, zum anderen dadurch, dass
er die höchste Deckungsquote hat. Auch in dieser Hinsicht ist er ein Vorbild; andere Ressorts können ja einmal
versuchen, an unsere Quoten heranzukommen. Die Größe
unseres Haushaltes steht aber natürlich in keinem Verhältnis zur wahren Bedeutung unseres Politikbereichs; das
muss man hier einmal sagen. Das zeigt, dass es in der Tat
nicht immer nur auf das zur Verfügung stehende Geld
ankommt, wenn es darum geht, gute Politik zu machen.
Wenn ich Schülergruppen erkläre, was Politik macht,
dann nenne ich zwei Punkte: Der eine wesentliche Punkt
von Politik ist, zu entscheiden, woher wir das Geld bekommen und wofür wir es ausgeben, von wem wir Steuern einnehmen und was uns so wichtig ist, dass wir dafür
Geld ausgeben. Der andere wesentliche Punkt ist, welche Regeln wir für das Zusammenleben der Menschen
untereinander oder für das Verhältnis der Bürger zum
Staat aufstellen. Das ist nichts, was kostet, aber etwas,
das gut austariert und gerecht gestaltet werden muss.
Das ist unsere Aufgabe. Das ist die Domäne der Rechtspolitik. Wir kommen also mit wenig Geld aus, um gute
und auch weitreichende Politik zu machen.
Unser Haus und unser Haushalt müssen gewährleisten, dass die Justiz funktioniert. Das gilt auch für die
obersten Bundesgerichte. Ich nutze hier die Gelegenheit,
um der neuen Präsidentin des BGH, die in den vergangenen Tagen ihre Urkunde erhalten hat und ihre Aufgabe
ab Juli wahrnehmen wird, zu gratulieren und eine
glückliche Hand zu wünschen für ihre wichtige Aufgabe an der Spitze der ordentlichen Gerichtsbarkeit in
Deutschland. Also: Herzlichen Glückwunsch, Frau
Bettina Limperg, als neue BGH-Präsidentin und hoffentlich starke Frau in einer Führungsposition in Deutschland.
({0})
In diesem Zusammenhang ein Punkt, der haushaltsrelevant sein kann. Wir haben als Gesetzgeber vor drei
Jahren völlig zu Recht ein Rechtsmittel gegen Zurückweisungsbeschlüsse in der Berufung nach § 522 ZPO
eingeführt. Das hat zu deutlich mehr Aufwand geführt.
Es gab viele zusätzliche Nichtzulassungsbeschwerden
beim BGH. Wir müssen uns genauer anschauen, wie wir
dem begegnen können, damit die Rechtsprechung am
BGH nicht darunter leidet, dass wir mit unserer Maßnahme dazu beigetragen haben, dass die Fallzahlen sehr
gestiegen sind.
Den größten Aufwuchs in unserem Bereich hat der
Verbraucherschutz; darauf komme ich gleich zurück.
Wir werden dort neue Strukturen schaffen und werden
das finanziell unterlegen.
Vor allem gibt uns die Haushaltsdebatte die Gelegenheit, um einige Punkte generell anzusprechen und auf einige Vorhaben einzugehen; meine Vorredner haben das
ja schon getan.
Ich möchte mit einem Thema anfangen, das mir besonders am Herzen liegt, und auf Papst Franziskus verweisen. Er hat nämlich in dieser Woche in Süditalien der
Mafia für ihre kriminellen Machenschaften im organisierten Verbrechen die Exkommunikation angedroht.
Nun ist die Exkommunikation sicherlich das Monopol
des Papstes, aber auch wir können etwas tun, um mafiöse Strukturen, die bei uns existieren, trockenzulegen
und zu bekämpfen. Da sehe ich unsere dringende Aufgabe, und zwar vor allem im Bereich Menschenhandel
und Zwangsprostitution.
Es ist schwer auszuhalten, dass viel Zeit ins Land gegangen ist, seit wir dieses Problem erkannt haben und
immer wieder mit Vorschlägen kommen, um das sicherlich nicht einfache Regelwerk, dessen Ausarbeitung wir
zu leisten haben, dann doch endlich auf den Weg zu
bringen. Wir müssen rasch gegen Menschenhandel und
Zwangsprostitution vorgehen und beides konsequent bekämpfen.
({1})
Es darf nicht sein und es betrübt mich wirklich, dass
gerade in Deutschland dieses Feld für die Hintermänner
so lukrativ ist. Das müssen wir bekämpfen. Diesem Geschäftsmodell muss mit verschiedenen Maßnahmen der
Boden entzogen werden. Ich denke, wir müssen zu einer
behördlichen Erlaubnispflicht kommen. Wir müssen
bessere Kontrollbefugnisse haben. Wir müssen klarstellen, dass es kein Weisungsrecht von Zuhältern gibt und
dass diese den Prostituierten bei ihrer Berufsausübung
keine Einzelheiten vorgeben können. Das muss klargestellt werden. Das darf es nicht geben.
({2})
Auch an die Freier wollen wir heran, an die, die wissentlich und willentlich ausnutzen, dass eine Frau zu sexuellen Handlungen gezwungen und missbraucht wird.
Da muss auch das Strafrecht nachjustiert werden. Natürlich brauchen wir dazu auch klare Maßstäbe. An der
Stelle bestehen Schutzlücken, die wir schließen müssen.
Genauso müssen wir uns aber auch mit Ausstiegshilfen
und einer Verbesserung des Aufenthaltsrechts beschäftigen. Wir müssen das alles konsequent aus dem Blickwinkel der Opfer von Menschenhandel betrachten und
zügig angehen.
({3})
Ich muss sagen: Der Zeitplan, der bisher zu diesem
wichtigen Projekt vorgelegt worden ist, erscheint mir
noch nicht ambitioniert genug. Lassen Sie uns das
schneller umsetzen, und lassen Sie uns andere Dinge, die
vielleicht nicht so wichtig sind, so weit auch zurückstellen. Ich denke da auch an die Reform der Gesetzgebung
zu Mord und Totschlag. Das ist sicherlich sinnvoll, aber
vielleicht nicht so dringlich.
({4})
Ich möchte eingehen auf die schon angesprochene
Mietpreisbremse. Ich sage und verspreche: Sie kommt,
und sie wird gut.
({5})
Wir werden dafür sorgen, dass sie funktioniert. Wir wissen: Es ist für Menschen, gerade in Regionen, wo die
Mieten sehr schnell steigen, schwierig, einen Wohnungswechsel zu finanzieren. Dieses Problem müssen wir angehen, aber wir müssen es an der Wurzel packen. Wir
wissen: Die Mietpreisbremse ist ein Instrument, das die
Symptome bekämpft. Wurzel des Übels steigender Mieten ist dagegen die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt, die Tatsache, dass zu wenig Wohnraum zur
Verfügung steht. Deshalb muss jede Landesregierung,
die sagt: „Wir haben hier einen angespannten Wohnungsmarkt, deshalb brauchen wir die Mietpreisbremse“, überlegen, wie denn bei auslaufender Mietpreisbremse ein
Zustand erreicht werden kann, bei dem der Wohnungsmarkt besser und entspannter ist und bei dem es mehr
Angebot gibt. Für uns ist ganz klar: Das eine muss mit
dem anderen verbunden werden. Wer sagt, dass wir eine
Mietpreisbremse brauchen, der muss auch sagen, mit
welchen Maßnahmen er die Ursachen für steigende Mieten bekämpfen will. Schließlich müssen wir dafür sorgen, dass die Mietpreisbremse auch praktikabel ist.
Wenn Mieter und Vermieter ihre Vereinbarungen an einer Vergleichsmiete ausrichten sollen, dann muss auch
irgendwo klar und einfach definiert sein, was diese Vergleichsmiete ist, sonst treiben wir die Parteien nur vor
Gericht, in teure und ungewisse Verfahren. Damit ist am
Ende niemandem gedient, weder den Mietern noch den
Vermietern. Deshalb muss in das Gesetz eine klare Regelung dazu aufgenommen werden, was der Vergleichsmaßstab ist und wie er ermittelt und definiert werden
kann.
Meine Damen und Herren, die Union steht für eine
mittelstandsfreundliche Rechtspolitik. Wir haben im
Koalitionsvertrag etliche Punkte dazu vereinbart, insbesondere wollen wir im Insolvenzrecht Änderungen
herbeiführen. Wir brauchen mehr Planungssicherheit für
diejenigen, die einem Vertragspartner auch in einer
schwierigen Situation zum Beispiel Zahlungsaufschub
geben, die sich auf Ratenzahlungen einlassen. Das wollen wir doch, weil damit häufig auch eine Durststrecke
überwunden werden kann und sich der Vertragspartner
wieder fängt. Das darf aber nicht dazu führen, dass man
bis zu zehn Jahre später noch damit rechnen muss, dass
diese Zahlungen angefochten werden können. Hier brauchen wir mehr Sicherheit für die Geschäftspartner. Die
jetzige Regelung ist schädlich. Erwünschtes Verhalten
wird nicht praktiziert; das darf nicht riskiert werden.
Schon in der nächsten Woche finden die zweite und
dritte Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr statt. Die
Verabschiedung dieses Gesetzesentwurfs ist ein wichtiger Beitrag dazu, die Zahlungsmoral zu stärken. Dies
stärkt auch die Liquidität der mittelständischen Betriebe.
Sie müssen nämlich schnell an ihr Geld kommen, um
nicht auf Zwischenfinanzierungen angewiesen zu sein.
So können Insolvenzen in diesem Bereich vermieden
werden.
Ministerin Schwesig und Minister Maas werden demnächst einen Gesetzentwurf zur Frauenquote vorlegen.
Ich darf sagen, dass ich mich sehr darüber freue, dass wir
das jetzt auf den Weg bringen.
({6})
Wir werden dafür sorgen, dass dieses Gesetz so ausgestaltet wird, dass die Betriebe damit umgehen können.
Frau Kollegin, Sie denken an die Redezeit?
Wir dürfen die Unternehmen bei dem notwendigen
Wandel nicht überfordern. Wir regeln die Einführung der
Frauenquote so, dass sie beherrschbar ist. In ein paar
Jahren sollten sich alle fragen: Wo war dabei eigentlich
das Problem?
({0})
Ich überlasse es meiner lieben Kollegin Mechthild
Heil, Ausführungen zur Verbraucherpolitik zu machen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({1})
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Die nächste Rednerin
in dieser Debatte ist Nicole Maisch für Bündnis 90/Die
Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Minister, in Ihrer Antrittsrede beim Verbraucherzentrale Bundesverband haben Sie gesagt - ich zitiere -:
Ich bin mir sicher, dass wir … mehr für den Verbraucherschutz tun können, wenn die Zuständigkeiten nicht länger gespalten sind, sondern wenn
Name und Gesetzgebungskompetenz endlich zusammenpassen.
Wahre Worte! Leider sieht die schwarz-rote Regierungspraxis etwas anders aus: Die Verbraucherpolitik ist zerpflückter als je zuvor. Ein Großteil des Geldes und relevante Zuständigkeiten, zum Beispiel für Ernährung oder
für den gesundheitlichen Verbraucherschutz, sind in der
Hand des Bundeslandwirtschaftsministeriums geblieben.
Da hat die Union klug verhandelt. Ob das aber für die
Verbraucherpolitik sinnvoll war, sei einmal dahingestellt. Bei anderen verbraucherrelevanten Themen wie
Telekommunikation, Finanzmarktregulierung und Kartellrecht ressortieren die Zuständigkeiten weiterhin bei
Ihren Kabinettskollegen, und Sie dürfen nur Hinweise
geben. Auch hier suggeriert der Titel „Verbraucherschutzministerium“ mehr als das, was wirklich dahintersteht.
Wenn wir uns diesen Haushalt anschauen, stellen wir
fest, dass der wirtschaftliche Verbraucherschutz, also Ihr
Kernbereich - er gehört Ihnen quasi allein -, unterfinanziert ist. Daran ändern auch die genannten 2,5 Millionen
Euro für den Finanzmarktwächter, die die Koalitionsfraktionen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion auf die
Schnelle zusammengekratzt haben, nicht viel. Wir begrüßen es natürlich, dass Sie in die Finanzierung des
Marktwächters einsteigen; das ist ein sinnvolles Projekt.
Aber ein solches Projekt braucht langfristige Planungssicherheit. Warum? Wir brauchen für den Finanzmarktwächter die Köpfe, die sich auf den Finanzmärkten am
besten auskennen. Wenn langfristig überhaupt nicht gesichert ist, wie die Finanzierung dieses Projektes weitergeht, wenn es keine institutionelle Förderung gibt, wenn
vonseiten der Union immer wieder Bedenken geäußert
werden, ob dieses Projekt überhaupt sinnvoll ist, dann
fragt man sich doch, wie man so die besten Köpfe für
den Marktwächter gewinnen kann.
({0})
Dieser Marktwächter kann aber nur eine Komponente
einer verbrauchergerechten Neuordnung der Finanzmärkte sein. Herr Maas, wir erwarten von Ihnen, dass
Sie bei der Regulierung des Grauen Kapitalmarkts mehr
liefern als das dürre Eckpunktepapierchen, das Sie zusammen mit dem Finanzminister präsentiert haben. Dass
Prokon jetzt nicht mehr in den Medien ist, heißt doch
nicht, dass das Thema „Grauer Kapitalmarkt“ an Brisanz
verloren hat.
Wir hoffen, dass Sie bei der Finanzmarktregulierung
in Zukunft mehr Durchsetzungskraft beweisen als bei
dem Rettungspaketchen, das Sie für die Lebensversicherer geschnürt haben. Hier haben Sie zulasten der Anlegerinnen und Anleger, der Versicherten, die Versicherungsunternehmen sanieren wollen, und das finden wir nicht
gut. Ich sage das gerade vor dem Hintergrund, dass der
Kollege Rohde so rührend eine Lanze für die Kleinanleger gebrochen hat. Beim Thema Lebensversicherung tun
Sie das Gegenteil von dem, was Sie hier vorgetragen haben.
({1})
Meine Damen und Herren, ich möchte zur Kernfrage
für die deutsche und europäische Verbraucherpolitik in
den nächsten Monaten kommen. Das sind sicher die Verhandlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkommen. Wir haben in der Debatte zur Agrarpolitik von Ihrem Kollegen Minister Schmidt nur Beschwichtigendes
gehört. Auch von Ihnen liest man in Interviews immer,
dass das Allzweckkampagnengeflügel, das Chlorhühn3896
chen, nicht kommen soll. Das haben Sie in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung mitgeteilt. Ich finde
aber, man muss ein bisschen tiefer in die Debatte einsteigen als nur mit solchen Überschriften. Man kann es nicht
bei dem Chlorhühnchen belassen, sondern muss sagen:
Leute, es geht um viel grundsätzlichere Dinge, und zwar
um Investor-Staat-Schiedsgerichte und um eine der öffentlichen Sphäre entzogene regulatorische Zusammenarbeit.
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Gerne.
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Bei den Worten „tiefer
in die Debatte einsteigen“ habe ich mich doch veranlasst
gesehen, eine Zwischenfrage zu stellen.
Wir haben jetzt seit über einer Stunde eine, wie ich
finde, sehr wichtige und auch interessante Debatte. Der
Bundesminister ist da, der Staatssekretär ist da, der gesamte Ausschuss ist da; ich vermisse nur die Vorsitzende
des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, Frau
Künast. Das empfinde ich als unbefriedigend. Ich weiß
nicht, ob Sie diesen Eindruck teilen.
({0})
Das möchte ich Sie zumindest gern fragen.
Ich persönlich kenne den Terminkalender von Frau
Künast nicht. Ich kann mir vorstellen, dass sie heute
beim Deutschen Anwaltstag ist, der übrigens mehrere
Tage dauert. Dazu haben wir als Ausschussmitglieder
alle eine Einladung bekommen. Wir haben allerdings
Prioritäten gesetzt und gesagt: Der Haushalt, der einmal
im Jahr behandelt wird, gerade der Haushalt für Justiz
und Verbraucherschutz, ist so wichtig, dass wir heute
nicht zum Anwaltstag fahren. - Stimmen Sie mir zu,
dass die Vorsitzende des Ausschusses bei dieser so wichtigen Debatte, die Sie angesprochen haben, offensichtlich ganz andere Prioritäten setzt?
({1})
Herr Kollege, in meiner Fraktion bin ich zuständig für
die Themen Tierschutz und Verbraucherpolitik. Das
heißt, alles von der Kastration von Schweinen bis hin zur
Frage der Rechtssicherheit von Handy-Apps fällt in
meine Zuständigkeit.
({0})
Die Führung des Kalenders des Ausschusses für Verbraucherschutz, das heißt die Termine von Frau Künast,
gehört allerdings nicht in meine Zuständigkeit.
({1})
Jenseits Ihrer Frage nach dem Terminkalender war ich
dabei -
Erlauben Sie noch eine Bemerkung, Frau Kollegin?
Bitte.
Vielen Dank, Frau Kollegin Maisch. - Würden Sie
mir recht geben darin, dass es natürlich entsprechend gewürdigt werden muss, wenn der Deutsche Anwaltverein,
der den Deutschen Anwaltstag ausrichtet, die Vorsitzende des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages bittet, bei seiner Festveranstaltung einen Vortrag zu
halten und ein Grußwort zu sprechen?
({0})
Frau Keul, Ihnen stimme ich eigentlich fast immer zu.
Also: Ja.
Aber kommen wir zurück zum Thema meiner Rede,
zum Freihandelsabkommen. Bei TTIP geht es um Investor-Staat-Schiedsgerichte und um regulatorische Zusammenarbeit. Ich finde, hier ist der Verbraucherschutzminister gefragt. Bei solchen Investor-Staat-Streitigkeiten geht
es darum, dass zukünftige Verbraucherschutzgesetzgebung immer unter dem Damoklesschwert stattfindet,
dass die Bundesrepublik vor außerstaatlichen, demokratisch nicht legitimierten Gerichten auf Schadensersatz
verklagt wird. Die Chefin der europäischen Verbraucherschutzverbände hat das so formuliert:
You have the right to regulate, but you have to pay
for it!
Ich finde, genau das muss ein Verbraucherschutzminister
verhindern. Es kann doch nicht sein, dass in Zukunft nationale Anbauverbote für Genmais, die Wasserversorgung in öffentlicher Hand, das Fracking-Gesetz, das Ihre
Ministerkollegen planen, oder strengere europäische Datenschutzregeln vor demokratisch nicht legitimierten
Gerichtshöfen als Handelshemmnisse beklagt werden.
Frau Kollegin, Sie müssen jetzt zum Ende kommen.
Ich finde, als Verbraucherschutz- und Justizminister
ist Ihre vornehmste Aufgabe: Verhindern Sie so etwas!
Stellen Sie sich quer, wenn das Abkommen einen solchen Weg nimmt!
({0})
Danke, Frau Kollegin. - Ich bitte Sie wirklich, auf die
Redezeit zu achten. Das richtet sich an alle.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Eva Högl für
die SPD.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Man kann Bundesminister Maas in keiner Weise vorwerfen, er würde nicht handeln, Frau Kollegin. Bundesminister Maas ist ein überaus aktiver Justizminister.
({0})
Wenn diese Debatte und dieser Haushalt eines zeigen,
liebe Kolleginnen und Kollegen, dann das - das möchte
ich ganz deutlich sagen -: Es gibt wieder Rechtspolitik.
Wir machen engagierte Rechtspolitik. Schon im ersten
halben Jahr seiner Amtszeit als Justizminister hat er wesentliche Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht.
({1})
Wir machen eine Rechtspolitik, die sich darin versteht,
dass sie gestaltet und nicht verwaltet, blockiert und verhindert. Das war leider in der letzten Legislaturperiode
so. Deswegen sage ich am Anfang noch einmal ganz
deutlich: Es macht jetzt richtig Spaß, Rechtspolitik zu
machen.
({2})
Ich möchte auch zu den Themen Kinderpornografie
und Pädophilie - diese sind uns allen unangenehm - vorausschicken, dass der Bundesjustizminister hier sofort
gehandelt hat. Nachdem wir im Deutschen Bundestag
darüber debattiert hatten, dass wir Gesetzeslücken im
Sexualstrafrecht haben, hat Heiko Maas einen Gesetzentwurf erarbeitet und vorgelegt, der der Klarstellung
dient und deutlich macht, dass die Herstellung und Verbreitung von kinderpornografischen Bildern - unabhängig von den Kategorien I oder II - unter Strafe gestellt
wird.
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen, dass
hier das Strafrecht nicht alles ist. Aber in diesem Bereich
ist es wichtig, strafrechtlich tätig zu werden und entsprechende Vorschläge vorzulegen. Ich erwähne noch einmal, was in der Debatte heute bereits gesagt worden ist,
was man aber nicht oft genug erwähnen kann: Bei den
Themen Kinderpornografie und Pädophilie kommt es
darauf an, frühzeitig tätig zu werden. Es ist wichtig, präventiv zu agieren, damit es gar nicht erst zu Übergriffen
auf Kinder und Jugendliche kommt. Auch wenn Kinder
und Jugendliche auf Bildern sind, die nicht strafbar sind,
weil wir es so entschieden haben, so steckt dahinter immer eine Zwangslage.
({4})
Dagegen wollen wir vorgehen. Deswegen ist es gut, dass
im Haushaltsausschuss erreicht worden ist, dass die Mittel für das Präventionsprojekt Dunkelfeld um 40 Prozent, um 150 000 Euro, aufgestockt werden. Das mag
wenig klingen, aber es ist für diesen Bereich sehr viel.
({5})
Diesen Ansatz - Veränderungen im Strafrecht dort, wo
wir Graubereiche haben und Regelungslücken feststellen,
in Kombination mit Opferschutz und Prävention - werden
wir in der Rechtspolitik fortführen. Dafür gibt es ein
weiteres Beispiel, das Sie, Frau Kollegin WinkelmeierBecker, schon angesprochen haben, nämlich das Thema
„Menschenhandel und Prostitution“. Auch hierzu hat der
Bundesjustizminister einen Gesetzentwurf vorgelegt, der
die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen beinhaltet,
wie wir die Richtlinie zum Menschenhandel umsetzen
und wo wir das Strafrecht notwendigerweise verschärfen. Wir haben auch im Koalitionsvertrag niedergelegt,
dass wir die Täter wirksam bestrafen wollen. Das ist ein
ganz entscheidender Gesichtspunkt. Ich will an dieser
Stelle ganz kurz anmerken, dass wir das schuldhafte Verzögern im Zeitplan nicht zu verantworten haben; denn
die Richtlinie ist seit über einem Jahr verfristet. Das geht
auf Ihr Konto; aber wir machen das jetzt gemeinsam gut
und richtig.
Ich erwähne einen weiteren Gesichtspunkt, der mir
sehr wichtig ist, Stichwort „NSU“. Wir haben uns im
Deutschen Bundestag verpflichtet, die Empfehlungen
des NSU-Untersuchungsausschusses zügig umzusetzen.
Auch hier herzlichen Dank an das Bundesjustizministerium, das sofort einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, den
wir jetzt weiter beraten.
Ein wichtiger Punkt ist die Stärkung des Generalbundesanwalts. Wir haben im Untersuchungsausschuss herausgefunden, dass es richtig und wichtig ist, dass der
Generalbundesanwalt Ermittlungsverfahren an sich ziehen kann, wenn sie von überwiegender Bedeutung sind,
wenn es entweder Straftaten mit länderübergreifendem
Charakter sind, wie bei der Mordserie des NSU, oder
wenn es Kompetenzkonflikte zwischen den Bundesländern gibt. Wir sind nicht der Auffassung, dass auf Bundesebene alles besser gemacht werden kann; aber in solchen Fällen wollen wir den Generalbundesanwalt
unterstützen. Deswegen begrüße ich nicht nur diesen
Gesetzentwurf, sondern auch, dass der Generalbundesanwalt dafür mehr Mittel bekommt. Das hat der Haushaltsausschuss ebenfalls beschlossen. Herzlichen Dank
dafür! Ich sage aber auch in Richtung des Generalbundesanwaltes: Wir erwarten dann auch ein entsprechendes
Tätigwerden bzw. eine entsprechende Aktivität; denn
wir sind der Auffassung, dass die wichtigen Ermittlungsverfahren an dieser Stelle geführt werden müssen.
Mit der Rechtspolitik greifen wir nicht nur Missstände auf, sondern verändern auch unsere Gesellschaft.
Wir haben die Gleichstellung von Schwulen und Lesben
auf unserer Agenda. Wir haben dazu schon wichtige Beschlüsse gefasst, sowohl im Steuerrecht als auch bezüg3898
lich der Sukzessivadoption. Die Frauenqoute ist bereits
erwähnt worden. Auch sie wird unsere Gesellschaft ausdrücklich verändern; das begrüßen wir. Ich freue mich
natürlich, dass wir das in der Großen Koalition gemeinsam machen.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, wir reagieren auch auf Missstände. Wir haben
aktuell einen Missstand - das ist ein wichtiges Thema im Bereich des Mietrechts. Insofern ist es wichtig, dass
wir dieses Thema ganz oben auf unsere Agenda gesetzt
haben. In Meseberg ist beschlossen worden, dass die Reform des Mietrechts ein prioritäres Vorhaben ist. Es ist
auch vereinbart, dass das Mietrechtsänderungsgesetz
zum 1. Januar 2015 in Kraft treten soll. Ich möchte
gerne, dass wir die unterschiedlichen Auffassungen
dazu, die wir im Detail haben, nicht über die Presse austauschen, sondern uns ruhig und vernünftig zusammensetzen. Ich bin sehr optimistisch, dass wir die ausstehenden Detailfragen in der Großen Koalition noch klären
werden und dann endlich das umsetzen, was wir uns vorgenommen haben, nämlich die vielen Mieterinnen und
Mieter davor zu schützen, dass sie, wenn sie eine neue
Wohnung mieten wollen, vor exorbitant hohen Mietpreiserhöhungen stehen, die sie nicht mehr bezahlen
können; als Abgeordnete von Berlin-Mitte weiß ich, wovon ich rede. Das ist ein wichtiges Gesetzesvorhaben.
Deswegen appelliere ich an uns alle gemeinsam, das auf
den Weg zu bringen und im Interesse vieler Bürgerinnen
und Bürger auf die Missstände zu reagieren.
({6})
Frau Kollegin!
Herzlichen Dank, liebe Frau Präsidentin. - Ich
komme zum Ende und sage: So machen wir weiter.
Vielen Dank.
({0})
Danke, Frau Högl. - Nächste Rednerin in der Debatte
ist Katja Keul für Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Gäste! Sehr geehrter Herr Justizminister, die Kollegin Wawzyniak hat mit einem Lob geendet.
Ich will mit einem Lob beginnen, und zwar für die Verlängerung der Hemmung der Verjährung bei sexuellem
Kindesmissbrauch auf das 30. Lebensjahr. Das begrüße
ich ausdrücklich. Das ist echter Opferschutz; denn vor
Abschluss ihrer Therapie haben die Opfer oft keine Gelegenheit, in irgendeiner Weise Rechtsmaßnahmen zu ergreifen. Insofern haben Sie an dieser Stelle unsere volle
Unterstützung.
Aber keine Sorge: So geht es nicht weiter.
({0})
Denn ansonsten ist der Aufschlag aus Ihrem Haus zum
Thema Kinderpornografie ziemlich danebengegangen.
({1})
Sie wollten doch angeblich diejenigen bestrafen, die sich
im Internet Kindernacktbilder kaufen oder diese tauschen. Nach dem jetzt vorliegenden Referentenentwurf
wären das fast die einzigen, die sich nach wie vor nicht
strafbar machen, dafür aber fast alle anderen. Jedes bloßstellende Foto. - Ja, meine Güte! Haben Sie schon einmal gesehen, wie viele Bilder von Betrunkenen sich in
den sozialen Netzwerken befinden und wie viele peinliche Videos auf YouTube? - Damit können Sie die
Staatsanwaltschaften wirklich lahmlegen und die halbe
Republik einbuchten.
({2})
Auch die Intention spielt bei Ihrem Entwurf keine Rolle.
Was ist denn, wenn ich das Opfer einer Gewalttat fotografiere oder filme, um diesem anschließend Beweismaterial zur Verfügung zu stellen? Alles strafbar?
({3})
Bei der Jugendpornografie ist vorgesehen, die Herstellung einer Aufnahme strafbar zu machen, völlig unabhängig davon, ob eine Verbreitung beabsichtigt ist oder
eine Einwilligung vorliegt. Wir halten also 17-Jährige
für reif genug, mit Volljährigen sexuell zu verkehren,
aber wenn sie sich dabei fotografieren lassen, wollen wir
das bestrafen? - Das kann doch nicht ernsthaft so gemeint sein. Auch hier muss es doch wohl auf die unbefugte Verbreitung ankommen. Da muss also noch einiges
korrigiert werden.
Außerdem sollten die präventiven Maßnahmen zum
Kinderschutz jenseits des Strafrechts nicht aus dem
Blick geraten, wie etwa das erfolgreiche Projekt der Berliner Charité „Kein Täter werden“. Es ist gut, dass für
dieses Projekt Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt
werden; auch das begrüßen wir ausdrücklich.
Neben dem Sexualstrafrecht hat uns im Justizbereich
im letzten Halbjahr auch die Praxis der Geheimdienste
nicht unerheblich beschäftigt. Erfreulicherweise hat sich
der Generalbundesanwalt jetzt doch noch zu kleineren
Ermittlungen durchringen können. Das ist schon deswegen erfreulich, weil wir uns als Konsequenz aus dem
NSU-Verfahren einvernehmlich vorgenommen haben,
dessen Kompetenzen zu stärken. Das Geschrei der Großkoalitionäre war allerdings beeindruckend, als wir Grüne
auf das gesetzliche Weisungsrecht des Justizministers
hinwiesen. Ein „krudes Rechtsstaatsverständnis“ wurde
uns vorgeworfen, nur weil wir das Gesetz zitiert haben,
wonach dem Bundesjustizminister die Dienstaufsicht
über den Generalbundesanwalt zusteht. Können wir jetzt
also davon ausgehen, dass Sie kurzfristig mit Ihrer
Mehrheit das Weisungsrecht vollständig abschaffen werden? Da bin ich ja einmal gespannt. Soll das auch für
den Generalbundesanwalt gelten, der als politischer Beamter jederzeit in den Ruhestand versetzt werden kann?
Meinen Sie ernsthaft, dass dieser politische Beamte, der
ja auch Zeitung liest, nicht beeinflusst davon ist, wie
sich die Regierung gegenüber den Vereinigten Staaten
einlässt? Angeblich hätten wir Grüne ihn in unzulässiger
Weise beeinflusst, indem wir ihn nach den Gründen seiner Entscheidung gefragt haben. Ehrlich gesagt: Das ist
in meinen Augen ein eher merkwürdiges Rechtsstaatsverständnis.
({4})
Die völlige Einbindung der Staatsanwaltschaft in die
dritte Gewalt und ihre völlige Gleichsetzung mit den
Richterinnen und Richtern halte ich jedenfalls für nicht
angebracht. Die Staatsanwaltschaft handelt im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren klassisch gewaltausübend und ist damit auch Teil der Exekutive. Ich rate daher zu sorgfältiger Prüfung, damit wir nicht über das Ziel
hinausschießen. Ihren Vorschlägen sehe ich mit Interesse
entgegen.
Zuletzt noch ein paar Worte zu Ihrem neuesten Entwurf, zur Einführung der Frauenquote. Wenn 40 Prozent
schon ein Kompromiss sind, dann sind 30 Prozent einfach zu kurz gesprungen.
({5})
Außerdem ist der Anwendungsbereich mit gerade einmal 100 Unternehmen viel zu eng. Die Einbeziehung des
Bundesgremiengesetzes ist wiederum richtig; es fehlt
aber eine Vorgabe zur geschlechtergerechten Besetzung
von Führungspositionen.
Frau Kollegin, die Redezeit!
Sie haben aber Glück; denn wir Grüne haben wieder
einmal an alles gedacht. - Das Einzige, was wir nicht genug haben, ist Redezeit. - Wir werden Ihnen in der
nächsten Woche unseren Gesetzentwurf zur Frauenquote
vorstellen, von dem Sie dann ja noch einiges übernehmen können.
Vielen Dank.
({0})
Vielen Dank, Frau Kollegin Keul. - Nächster Redner
in der Debatte ist Dr. Stephan Harbarth für die CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Keul, das
von Ihnen angesprochene Problem hat eine tiefere Ursache: Sie haben als Grüne genug Redezeit; Sie haben nur
nicht genug Stimmen. Deshalb haben Sie hier nicht länger sprechen können.
({0})
Wir freuen uns, dass wir heute über einen ganz hervorragenden Bundeshaushalt diskutieren können. Viele
finanzielle Aspekte sind bereits angesprochen worden.
Zu einer Haushaltsdebatte gehört aber auch, dass die
Rechts- und Verbraucherschutzpolitik in einem breiteren
Sinne aufgegriffen wird. Wir haben in der Großen Koalition schon viele Projekte in guter Zusammenarbeit mit
den sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen auf
den Weg gebracht. Einige Projekte sind schon umgesetzt. Das, was noch aussteht, werden wir in dieser Legislaturperiode gut abarbeiten.
Das gilt etwa - Frau Kollegin Högl, ich komme auf
das zurück, was Frau Winkelmeier-Becker bereits ausgeführt hatte - für das Thema Mietpreisbremse. Es wird
eine Mietpreisbremse geben. Für uns ist allerdings wichtig, dass sie in die richtige Richtung wirkt. Kollege
Claus hat heute gesagt: Links wirkt. ({1})
Das will ich gar nicht in Abrede stellen; aber meistens ist
die Wirkung so, dass die Kennziffern, die hoch sein sollten, niedrig sind, und die, die niedrig sein sollten, hoch
sind. So stellen wir uns das nicht vor. Wir wollen eine
Mietpreisbremse, über die man nicht sagt: Was ist da
bloß angerichtet worden?
In einem sind wir uns einig: Im Kern geht es nicht um
die Einführung einer Mietpreisbremse, sondern darum,
dass Wohnraum in Deutschland bezahlbar bleibt. Damit
Wohnraum in Deutschland bezahlbar bleibt, werden wir
regulatorische Eingriffe vornehmen. Damit Wohnraum
in Deutschland bezahlbar bleibt, müssen aber auch die
richtigen Weichenstellungen vorgenommen werden, und
die besten Weichenstellungen sind immer die, die Neubauaktivitäten und die Sanierung von alten Gebäuden
begünstigen und ermöglichen.
({2})
Dazu gehört auch eine intelligente Stadt-Land-Politik.
Es ist kein Zustand, dass in einzelnen Städten die Mietpreise explodieren und gleichzeitig 30 oder 40 Kilometer weiter die vorhandene Wohnsubstanz verrottet und
zugrunde geht. Wenn dann beispielsweise der stellvertretende baden-württembergische Ministerpräsident Herr
Schmid von der SPD erklärt, es sei nicht schlimm, wenn
im Schwarzwald einzelne Täler zuwachsen,
({3})
dann hat das natürlich unmittelbare Auswirkungen auf
dieses Thema. Freiburg im Breisgau etwa ist eine der
Städte in Deutschland mit den höchsten Mieten. Es ist
kein Zukunftskonzept, zu sagen: Wir lassen die
Schwarzwaldtäler zuwachsen. Die Menschen sollen raus
aus den ländlichen Räumen, und dann müssen wir
schauen, wie wir die Entwicklung in den großen Städten
hinbekommen. - Ich bin der Meinung, wir brauchen eine
Politik, die die ländlichen Räume so stärkt, dass die dort
vorhandene Bausubstanz aus ökologischen Gründen,
aber auch aus volkswirtschaftlichen Gründen auch zukünftig genutzt werden kann.
({4})
Wir haben viele Themen, über die man heute ausgiebig diskutieren könnte. Viele Themen sind schon angesprochen worden. Ich will ein Thema kurz anreißen, das
in der Debatte bisher keine Beachtung gefunden hat. Das
ist das Thema der Europäischen Privatgesellschaft. Damit sind wir in der letzten Legislaturperiode leider nicht
so vorangekommen, wie ich mir das gewünscht habe.
Ich hoffe, dass wir das in dieser Legislaturperiode besser
machen. Ich glaube, wir sind in diesem Haus größtenteils der Auffassung, dass wir eine Europa-GmbH für
unsere mittelständischen Betriebe brauchen. Dem Konzept, das die Kommission jetzt zur sogenannten Einpersonengesellschaft vorgelegt hat, können wir uns nicht
anschließen. Umso wichtiger ist es aber, dass wir endlich
bei der Europäischen Privatgesellschaft vorankommen,
damit wir nicht eines Tages seitens der Europäischen
Union mit Konsequenzen konfrontiert werden, die wir
nicht haben möchten.
Zum Thema „Zwangsprostitution und Menschenhandel“ möchte ich nur eine persönliche Bitte an den Minister richten: Machen Sie dieses Thema zu Ihrem Thema
Nummer eins hinsichtlich der Geschwindigkeit, in der
Änderungen herbeigeführt werden. Wenn wir uns vor
Augen führen, dass es in Europa 900 000 Zwangsprostituierte gibt - so lautet die geschätzte Zahl -, dann können wir uns, glaube ich, ein bisschen ausmalen, wie viel
Leid das für Menschen jeden einzelnen Tag bedeutet,
auch in Deutschland. Das ist aus meiner Sicht wirklich
ein Projekt, bei dem es darauf ankommt, früh zu handeln, weil an jedem einzelnen Tag im Grunde eine moderne Form der Sklaverei in diesem Land praktiziert
wird. Da müssen wir dringend Abhilfe schaffen. Lassen
Sie uns nicht nur eine gute Lösung finden, sondern lassen Sie uns auch möglichst rasch eine gute Lösung finden - im Interesse der Menschenwürde der betroffenen
Personen.
({5})
Das Thema TTIP ist angesprochen worden. Auch
dazu einige Bemerkungen: Ich würde mir wünschen,
dass eine Debatte über TTIP, in der man berechtigterweise irgendwann auch über Genmais, Fracking, Chlorhühnchen und anderes sprechen kann, mit der großen
Chance beginnt, die ein solches Freihandelsabkommen
zwischen Europa und Amerika für dieses Land und diesen Kontinent darstellt. Das ist eine epochale Herausforderung, der wir uns im Interesse nachfolgender Generationen und im Interesse der Arbeitsplätze stellen müssen.
Wenn wir über Europa diskutieren, dann sagen wir immer: Wir dürfen über Europa nicht auf der Ebene von
Ölkännchen, Energiesparlampen und dergleichen diskutieren. Ich habe wirklich die große Bitte an Sie: Diskutieren Sie auch über TTIP nicht allein auf der Ebene von
Fracking, von Genmais und von Chlorhühnchen, sondern betten Sie es in einen größeren Kontext ein! Das
hat, glaube ich, dieses epochale Werk verdient.
({6})
Ich komme auf die Punkte zurück, die Sie, Frau Keul,
angesprochen haben. Ich glaube, es ist ganz gut, dass wir
heute die Rechtspolitik insgesamt beleuchten. Es ist aber
auch gut, wenn wir uns vergegenwärtigen, wie die Arbeit im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
läuft. Dazu muss ich Ihnen im Namen meiner Fraktion
Folgendes sagen: Die Art und Weise des Umgangs, den
Einzelne aus Ihrer Fraktion - das ist kein Vorwurf an die
gesamte Fraktion - mit dem Generalbundesanwalt praktiziert haben, ist skandalös und inakzeptabel. Es ist völlig legitim, einem Generalbundesanwalt Fragen zu stellen und mit einem Generalbundesanwalt eine sachliche
Diskussion zu führen. Darum ging es aber nicht, sondern
es ging schon im Vorfeld der Vorladung des Generalbundesanwalts vor den Rechtsausschuss darum, eine Hexenjagd auf ihn zu eröffnen. Herr Ströbele hat erklärt, man
müsse sich den Generalbundesanwalt zur Brust nehmen.
Das ist nicht unser Verständnis von einem unabhängigen
Ermittlungsverfahren in diesem Land.
({7})
Ich darf Ihnen vorlesen, was Ihre Kollegin Hönlinger
in der letzten Legislaturperiode hier im Bundestag erklärt hat - Zitat -:
Insbesondere das einzelfallbezogene Weisungsrecht
der Politik gegenüber der Staatsanwaltschaft sollte
abgeschafft werden.
({8})
Es darf nicht sein, dass aus politischen Gründen Ermittlungen gegen einzelne Personen blockiert oder
forciert werden können.
({9})
Dazu kann ich in der Tat nur sagen: Hört! Hört!
Es ist völlig in Ordnung, dass man Diskussionen
führt. Wenn Sie sich gegen eine Einflussnahme der Politik auf Staatsanwälte in allen Fällen wenden, ist es aber
nicht in Ordnung, dass die Grünen-Bundestagsfraktion
die einzige Instanz sein soll, die in der Lage ist, dem Generalbundesanwalt in diesem Land zu erklären, was er
gefälligst zu tun und zu lassen hat. So wird es nicht funktionieren. Ich möchte Sie wirklich bitten, diese Verhaltensweisen Einzelner in ihrer Fraktion zu stoppen und
nicht zur Blaupause für zukünftige Aktionen zu machen.
Vielen Dank.
({10})
Danke, Herr Kollege. - Nächste Rednerin in der Debatte ist Elvira Drobinski-Weiß. - Ich wünsche Ihnen
noch einen schönen Tag.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, aber auch
liebe Zuhörerinnen und Zuschauer auf den Tribünen!
Verbraucherpolitik, Verbraucherschutz ist tatsächlich im
Justizministerium angekommen. Man sieht das auch
oben auf der Anzeigetafel. Bei unserer letzten Debatte
hat das noch gefehlt.
Der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz hat hier bereits etliche Initiativen genannt. Dafür
bin ich Ihnen, Herr Minister, sehr dankbar. Das Budget
ist kleiner geworden, was natürlich auch damit zu tun
hat, dass knapp 26 Millionen Euro aus dem Bereich des
Einzelplanes 10 des Ministeriums für Ernährung und
Landwirtschaft in den Einzelplan 07 des Ministeriums
für Justiz und den Verbraucherschutz lediglich wechselten. Hier ist also - Portokasse hin oder her - die Grundlage gegeben. Ich denke, dass sich das, was hier schon
auf den Weg gebracht worden ist, sehen lassen kann.
Dennoch bräuchten wir sehr viel mehr. Wir müssen
der zunehmenden Bedeutung des wirtschaftlichen Verbraucherschutzes, der in diesen Einzelplan fällt, sehr viel
stärker gerecht werden. Ein Großteil des Geldes ist noch
für Zuschüsse an die Vertretungen der Verbraucher und
die Stiftung Warentest sowie für die Information der
Verbraucherinnen und Verbraucher gebunden. Daran
wollen wir auch nicht rütteln.
In einer zunehmend komplexeren Welt wächst die
Unsicherheit der Konsumenten in vielen Bereichen des
täglichen Lebens. Dem müssen und dem wollen wir entgegenwirken. Unsere Forderung, ausgewählte Verbraucherzentralen in den Bereichen „Finanzen“ und „digitale
Welt“ - das wurde hier unter dem Stichwort „Marktwächter“ heute schon mehrfach angesprochen - zu stärken, konnten wir im Koalitionsvertrag verankern. Sie
sollen zukünftig Verbraucherbeschwerden in diesen Bereichen systematisch erfassen, Missstände an die zuständige Aufsicht melden und dabei helfen, die Rechte der
Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn nötig, auch
rechtlich durchzusetzen.
Aber wie so oft, für Verbesserungen genügen gute
Ideen und Konzepte allein nicht. Nötig ist auch Geld.
Deshalb ist es in meinen Augen besonders erfreulich,
dass es gelungen ist, bereits im Haushaltsplan für dieses
Jahr für das Projekt der Finanzmarktwächter die benötigte Anschubfinanzierung bereitzustellen. Auch hier
sage ich Dank an den Haushälter der SPD-Fraktion,
Dennis Rohde. Er geht aber auch an die Kolleginnen und
Kollegen aus den anderen Fraktionen.
Ebenfalls auf unser Drängen hin im Koalitionsvertrag
verankert und bereits im Haushalt 2014 manifestiert ist
der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen. Sechs
Planstellen werden noch in diesem Jahr geschaffen. Herr
Dr. Lindner, lassen Sie diesen Sachverständigenrat sich
erst einmal etablieren, bevor Sie ihn kritisieren. Ich
denke, er soll erst einmal seine Arbeit aufnehmen.
({0})
Er ist die Voraussetzung dafür, dass Experten und Wissenschaftler möglichst zeitnah die Situation der Verbraucherinnen und Verbraucher begutachten und auch die
Bundesregierung bei ihrer Arbeit beraten können. Außerdem soll der Sachverständigenrat auch Vorschläge
zur Forschungsförderung erarbeiten. Das ist, wie ich
finde, ein guter Anfang. Doch wir werden darauf achten,
dass diese guten Projekte im Haushalt 2015 und in den
folgenden Jahren verstetigt und erweitert werden.
Wir brauchen 2015 weitere Mittel für einen Marktwächter, der sich um die digitale Welt kümmert. In diesem sich unübersichtlich und schnell entwickelnden
Marktbereich müssen wir, denke ich, die Nutzerinnen
und Nutzer - die auch Verbraucherinnen und Verbraucher sind - wirksam schützen. Parallel dazu und um die
Chancen der Digitalisierung zu nutzen, aber die Verbraucher nicht gleichzeitig gläsern werden zu lassen, müssen
wir mehr Gelder in die Forschung rund um den digitalen
Wandel investieren.
Beispielsweise fördert ja das Bundesministerium für
Bildung und Forschung das „Forum Privatheit - selbstbestimmtes Leben in der digitalen Welt“, in dem interdisziplinär zu diesen Fragen geforscht wird. Es wäre
doch sicherlich sinnvoll, vonseiten des BMJV einen Fokus darauf zu legen, das vielleicht miteinander zu machen.
Wichtig ist mir auch noch ein Hinweis auf die europäische Dimension des Verbraucherschutzes. Ich halte es
auch für wichtig, dass wir das Netzwerk der europäischen Verbraucherzentralen im Blick haben. Hier leistet
anerkanntermaßen das Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz in Kehl - dies liegt an der französischen
Grenze in der Nähe von Straßburg - seit Jahren hervorragende Dienste für Deutschland, aber natürlich auch für
die Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa. Seine
Funktionsfähigkeit, so finde ich, ist durch eine angemessene Finanzierung sicherzustellen.
Eine Möglichkeit, neue Gelder für den Haushalt zu
gewinnen - es stellt sich ja immer die Frage, wie wir etwas finanzieren -, besteht sicherlich darin, die Einnahmeseite zu stärken. Wie können wir das? Ein Punkt wäre
vielleicht - auch das ist heute schon einmal angesprochen worden - eine bessere Ausstattung des Deutschen
Patent- und Markenamtes, um beispielsweise Bearbeitungszeiten zu senken. Ich weiß, dass das angedacht ist.
Ich denke, das hilft nicht nur, unsere Einnahmen zu erhöhen, sondern es hilft auch unserer Wirtschaft und damit irgendwann auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern.
Haben Sie herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({1})
Vielen Dank. - Mechthild Heil ist jetzt die nächste
Rednerin für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen!
Wer einem anderen das Beste wünscht, ist ein guter
Mensch. Wer das Beste befiehlt, ist ein Tyrann.
Ich finde, das ist eine kluge Aussage des früheren Verfassungsrichters Paul Kirchhof. Sie charakterisiert nicht
nur mein, sondern, ich glaube, unser aller Bild von guter
Politik und vor allem von guter Verbraucherpolitik. Für
mich und für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion steht
der eigenverantwortliche und selbstbestimmte Verbraucher im Mittelpunkt. Denn der Verbraucher ist kein hilfloses Wesen, das vor jeder Unbill des Lebens in Schutz
genommen werden will. Was wäre das denn auch für
eine Überheblichkeit von uns Politikern! Wir Politiker
sind nicht die besseren Verbraucher, und wir wissen auch
nicht alles besser.
Unsere Aufgabe ist es sicher nicht, uns von jedem
Skandal und von jedem Medienhype in immer mehr Regulierungen drängen zu lassen. Aber wir haben die
Pflicht und den Willen, für faire Märkte zu sorgen, auf
denen sich die schwarzen Schafe nicht wohlfühlen. Wie
gelingt uns das? Wir werden einen unabhängigen und interdisziplinär besetzten Sachverständigenrat einsetzen,
der uns zu wichtigen Fragen der Verbraucherpolitik berät. Verbraucherpolitik muss sich nämlich an der Realität
und den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen orientieren.
Wir brauchen ein gutes Gespür und gute wissenschaftliche Grundlagen. Wir brauchen belastbare Zahlen,
Daten und Fakten. Wo finden wir das? Zum Beispiel bei
der Stiftung Warentest. Die Zeitschrift der Stiftung Warentest ist Ihnen sicherlich bekannt. Sie bietet den
Verbrauchern durch ihre vergleichenden Tests eine unabhängige und objektive Einschätzung. Diese Unabhängigkeit kann die Stiftung nur gewährleisten, weil sie von
uns finanziert wird. Die Stiftung erhält immerhin in diesem Haushaltsjahr 2014 5,5 Millionen Euro. Wir hatten
die Mittel für die Stiftung bereits aufgestockt, damit die
Stiftung Warentest auch Finanzdienstleistungen vermehrt prüfen und bewerten kann. Denn - die Vorrednerinnen haben es schon gesagt - insbesondere auf den
komplexen und dynamischen Finanzmärkten brauchen
die Verbraucherinnen und Verbraucher zunehmend Orientierung.
Wir werden auch die Verbraucherzentrale Bundesverband in diesem Jahr mit immerhin 9,4 Millionen Euro
weiter fördern. Darüber hinaus stellen wir weitere
2,5 Millionen Euro als Anschubfinanzierung für die
Marktwächterfunktion zur Verfügung. Jetzt sagen die
Grünen, dass das zu wenig ist, aber 25 Prozent oben
draufzusatteln, ist nicht wenig. Ich kann da nur sagen:
Diese 25 Prozent sind wirklich ein ganz großer Schluck
aus der Pulle.
({0})
Wenn man überlegt, was die Verbraucherzentralen in
dem verbleibenden halben oder Vierteljahr, das sie noch
haben, mit dem Geld machen können, stellt man fest: Sie
können die Informationen, die sie bei ihrer flächendeckenden Verbraucherberatung erhalten, erstmalig systematisch erfassen; das tun sie bislang nicht. Die Daten,
die sie auswerten und analysieren, können sie dann auch
uns, der Politik, zur Verfügung stellen. Wir bekommen
also neben der BaFin und neben der Stiftung Finanztest,
die wir ja schon haben, durch die Finanzwächter einen
weiteren hilfreichen - ich will es so sagen - Sensor am
Finanzmarkt, der uns anzeigt, wo es Missstände und
Fehlentwicklungen gibt und wo Handlungsbedarf bestehen könnte.
Damit ich hier wirklich nicht missverstanden werde:
Bewerten und einordnen muss es am Ende immer noch
die Politik. Wir müssen handeln. Das ist unsere Verantwortung. Zu dieser Verantwortung stehen wir. Wir werden diese Verantwortung auch nicht auf andere abwälzen, zum Beispiel auf die Verbraucherzentralen, und
sagen: Übernehmt ihr für uns, die Politik, diese Aufgabe. - Das ist mit uns nicht zu machen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stellen
unsere Verbraucherpolitik auf eine wissenschaftliche
und empirisch fundierte Basis. Das ist gut für die Verbraucherinnen und Verbraucher in unserem Land. Wenn
unsere Erfahrungen mit dieser neuen Sensorfunktion der
Verbraucherzentralen positiv sind, dann werden wir
diese auch auf den Bereich der digitalen Welt ausweiten.
Hier sollte eigentlich schon heute die Stiftung Datenschutz eine wichtige Rolle spielen. Leider ist es mit der
Unterstützung der Stiftung Datenschutz nicht weit her.
Ich muss ehrlich sagen: Das ist für mich sehr enttäuschend. Deshalb an dieser Stelle mein Appell an diejenigen, die ihren Sitz im Beirat bis jetzt nicht besetzt haben:
Besetzen Sie Ihren Sitz! Das gilt nicht nur für die Verbraucherzentrale. Das gilt genauso für die Datenschutzbeauftragten bei Bund und Ländern und auch für einige
Kollegen in diesem Haus. Datenschutz ist viel zu wichtig. Nehmen Sie Ihre Verantwortung an, und entsenden
Sie Ihre Vertreter in diesen Beirat! Ich hoffe, dass wir
gemeinsam für mehr Aufklärung im Umgang mit unseren eigenen sensiblen persönlichen Daten sorgen werden. Wer nämlich auf der einen Seite für Marktbeobachter und Wächter ist und sie installieren will, der kann
sich auf der anderen Seite doch wirklich nicht aus der
Bildung und der Aufklärung im Hinblick auf seine eigenen sensiblen persönlichen Daten zurückziehen.
Im Koalitionsvertrag haben wir die Weichen für eine
Weiterentwicklung der Verbraucherpolitik richtig gestellt. Aber nicht für jedes verbraucherpolitische Vorhaben brauchen wir zwangsläufig Haushaltsmittel oder
neue Gesetze; Herr Maas, Sie haben darauf hingewiesen.
Manchmal reicht es auch, die Wirtschaft an ihre Verantwortung oder die Verbraucher an ihre große Marktmacht
zu erinnern.
({1})
Das gilt aktuell zum Beispiel für die Handydiebstahlsperren, für die ich eintrete. Hier halte ich eine Regelung
wie die in den USA auch für den europäischen Markt für
absolut notwendig. In den USA haben sich die großen
Gerätehersteller verpflichtet, in alle für die USA produMechthild Heil
zierten Geräte eine Sperrfunktion einzubauen. Mit einer
einfachen, individuellen PIN können die Handybesitzer
ein gestohlenes Gerät sperren und für die Diebe unbrauchbar machen. Das ist eine wirklich gute Idee, die es
nachzuahmen gilt.
Oder - ein anderes Beispiel - nehmen wir das Bündnis für nachhaltige Textilien, das Entwicklungsminister
Müller ins Leben gerufen hat. Ohne staatlichen Zwang,
einfach nur, weil die Unternehmen die gesellschaftliche
Notwendigkeit erkannt haben, wollen sie sich auf Mindeststandards für nachhaltige Kleidung verpflichten und
diese Standards sukzessive umsetzen.
Ein weiteres Beispiel. Wer versteht eigentlich, was
auf den Verpackungen von homöopathischen Mitteln
draufsteht? Wohl die allerwenigsten Verbraucher. Was
bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln selbstverständlich ist, sollte doch auch für homöopathische Mittel
gelten. Der Verbraucher muss verstehen können, was
drin ist, besonders wenn es um seine Gesundheit geht.
Deshalb muss Schluss sein mit der Kennzeichnung auf
Latein.
Was wir den Menschen in den kommenden Jahren
also bieten, ist eine moderne, wissenschaftlich fundierte
Verbraucherpolitik, die eine Brücke zwischen staatlichem Schutz und Stärkung der Eigenverantwortung jedes Einzelnen schlägt. Wir wissen: Der Staat ist nicht der
bessere Verbraucher. Aber wir sind der verlässliche Partner für alle Verbraucherinnen und Verbraucher. Wir
wünschen ihnen nicht nur das Beste, sondern wir tun
auch unser Bestes, um sie zu stärken und zu schützen.
Wir laden Sie ein, dabei mitzumachen.
Vielen Dank.
({2})
Vielen Dank. - Letzter Redner in der Debatte ist
Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Etat des
Justizministeriums ist die in Zahlen ausgedrückte Dimension unseres Rechtsstaats. Wir haben im Bundestag
die Aufgabe, die Geltung des Rechts zu sichern und das
Recht fortzuentwickeln. Die Aufgabe, die sich uns stellt,
ist keine geringe, weil die Funktionsfähigkeit des
Rechtsstaates nichts anderes ist als die Aufrechterhaltung unserer Demokratie.
Ich glaube, dass wir für die ersten sechs Monate eine
gute Bilanz ziehen können. Diese Große Koalition hat
ermutigende und gute Signale für den Rechtsstaat gesetzt.
({0})
Lassen Sie mich drei Punkte nennen, die mir am Herzen liegen:
Der erste betrifft den Schutz unserer Daten. Vor noch
nicht allzu langer Zeit ist darüber gesprochen worden,
dass jeder Mensch eine Art digitalen Fingerabdruck hinterlässt und dass die Daten, die von ihm im Internet auftauchen, eine Art Profil des Menschen darstellen können. Wir müssen heute aber davon ausgehen, dass die
Wahrheit noch viel tiefgreifender ist. Die digitale Sphäre
eines Menschen ist mittlerweile Teil seiner Identität.
Wenn die digitalen Daten eines Menschen angegriffen
oder missbraucht werden, dann werden auch die Würde
und die Persönlichkeit dieses Menschen angegangen.
Deswegen müssen wir uns auf den Weg machen, die Integrität der Daten weiter zu schützen und den Datenschutz voranzutreiben.
Ich bin deswegen sehr zuversichtlich, dass wir mit der
Datenschutz-Grundverordnung und mit dem IT-Sicherheitsgesetz einen Meilenstein in diesem Bereich erreichen werden, sodass der elementare Schutz der Daten
weiterhin gewährleistet werden kann.
Zweiter Punkt. Wir müssen auch dort handeln, wo die
Würde des Menschen verletzt wird. Das ist im Augenblick - auch in diesen Stunden - der Fall, wenn Frauen
durch Zwangsprostitution und moderne Sklaverei ausgebeutet werden: in den großen Laufhäusern, in den Bordellen, auf den Straßenstrichen.
({1})
Es sind junge Frauen, vornehmlich aus Südosteuropa,
die nach Deutschland kamen, weil sie Hoffnung suchten,
und sie haben in diesen Etablissements Verzweiflung gefunden.
Wenn wir wissen, welche Methoden und Mittel notwendig sind, um diese unhaltbaren Zustände zu beseitigen, dann hat der Staat die Verpflichtung, schnell zu handeln. Wir müssen die Gesetze jetzt voranbringen, denn
wenn wir weiter zögern, dann müssen wir uns auch für
unser Zögern rechtfertigen.
({2})
Die Maßnahmen liegen doch auf dem Tisch: Es geht
um die Freierstrafbarkeit bei Zwangsprostituierten, es
geht um die Erlaubnispflicht bei Bordellen, es geht um
die Abschaffung des eingeschränkten Weisungsrechts, es
geht möglicherweise auch um Gesundheitsuntersuchungen, und letzten Endes geht es auch um Verbesserungen
im Aufenthaltsrecht und darum, den Opferschutz voranzubringen. Ich glaube, vor dem Hintergrund dieser
menschlichen Schicksale sind wir es allen schuldig, jetzt
zu handeln und nicht weiter zu zögern.
Einen dritten Punkt, der mir am Herzen liegt, möchte
ich ansprechen. Es geht um die Geltung des Rechts und
die Frage, wie sehr der Staat dem eigenen Rechtsanspruch auch zukünftig Geltung verschaffen möchte. Ich
meine, wir sollten auch in dieser Debatte betonen: Es
gibt keine Alternative zum staatlichen Gewaltmonopol,
und es darf auch keine geben. Das staatliche Gewaltmonopol ist eine der wesentlichen Stützen einer freiheitlichen und demokratischen Grundordnung.
({3})
Deswegen muss es uns betroffen machen, wenn wir
Dinge wie einen mutmaßlichen Lynchmord in Neuenburg vor etwa einer Woche beobachten. Deswegen muss
es uns betroffen machen, wenn es in Deutschland mittlerweile Berichte über die Existenz einer Paralleljustiz
gibt, über Bereiche in unserem Land, wo das Recht nicht
in der Ausführlichkeit gilt, wie es eigentlich gelten
müsste. Dementsprechend müssen wir in den nächsten
Jahren dieses Phänomen einer Paralleljustiz in den Griff
bekommen, weil der Rechtsstaat nur funktionieren kann,
wenn er unteilbar und universell ist.
Da wir vorhin von Lynchmord gesprochen haben, lassen Sie mich auch über eine mögliche Reform der Strafbarkeit bei Tötungsdelikten sprechen. Es ist richtig, eine
Kommission einzusetzen. Aber diese Kommission darf
eines nicht verändern: Für uns ist der Wert des menschlichen Lebens absolut und unabänderlich. Deswegen darf
jemand, der einen anderen Menschen tötet, im Grundsatz
nach wie vor nur mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft
werden. Eine Aushöhlung der lebenslangen Freiheitsstrafe durch eine Reform lehnen wir ab. Dazu ist das
menschliche Leben zu kostbar.
({4})
Wenn wir über das Funktionieren unseres Rechtsstaates sprechen, dann möchte ich diese Gelegenheit nutzen,
all denjenigen Danke zu sagen, die in ihrem alltäglichen
Einsatz für den Rechtsstaat stehen und diesen Rechtsstaat Tag und Nacht verteidigen und ihm ein Gesicht geben. Ich meine nicht nur die Richter und Staatsanwälte,
sondern vor allen Dingen auch unsere Polizisten, die diesen Rechtsstaat im Schichtdienst 24 Stunden am Tag
verkörpern und teilweise unter schwierigen Bedingungen diesen Rechtsstaat aufrechterhalten, über den man
sagen kann: In Deutschland leben die Menschen sicher. Das ist ein herzliches Dankeschön wert.
({5})
Es ist auch nicht akzeptabel, dass in diesem Zusammenhang Freiheit und Sicherheit oder Polizeiarbeit und
Funktionsfähigkeit des Staates gegeneinander ausgespielt werden. „Polizeiarbeit oder die Funktionsfähigkeit
der Strafrechtspflege sind“, wie Di Fabio schreibt,
„keine grundrechtsfeindlichen Selbstzwecke“, vielmehr
sind sie Metaphern für unseren Schutz- und Freiheitsanspruch. Deswegen werden wir auch in den kommenden
Monaten darüber sprechen müssen, wie wir Polizeibeamte, Rettungssanitäter und Feuerwehrleute, die bei ihren Einsätzen teilweise beleidigt und tätlich angegangen
werden, besser schützen, weil auch sie uns und unsere
Freiheit schützen.
({6})
Wir haben mit diesem Haushalt eine Grundlage gelegt, den Rechtsstaat weiter zu sichern. Aber es bleibt
unsere Verpflichtung, bei den aufgezeigten Punkten
wachsam zu sein und rasch zu handeln. Ich denke, unser
Rechtsstaat, so wie er sich zeigt, ist es wert, dass wir uns
für ihn einsetzen.
Vielen Dank.
({7})
Vielen Dank. - Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nun zu den Abstimmungen über den
Einzelplan 07, Bundesministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz, in der Ausschussfassung. Hierzu
liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor,
über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 18/1855? - Wer stimmt
dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, CDU/CSU
und SPD, bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt.
Wir kommen nur zur Abstimmung über den Einzelplan 07 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 07 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen,
CDU/CSU und SPD, gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke angenommen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 19, Bundesverfassungsgericht, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan ist mit den Stimmen des
gesamten Hauses angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.17 auf:
Einzelplan 06
Bundesministerium des Innern
Drucksachen 18/1006, 18/1023
Die Berichterstattung zu diesem Haushalt haben
Dr. Reinhard Brandl, Norbert Barthle, Martin Gerster,
Dr. Dietmar Bartsch und Anja Hajduk.
Zu dem Einzelplan liegen ein Änderungsantrag der
Fraktion Die Linke sowie ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Dr. Dietmar
Bartsch, Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Etat
des Bundesministeriums des Innern leidet in besonderer
Weise unter dem Heiligtum der schwarzen Null von
Wolfgang Schäuble. Der Etat ist wenig programmlastig,
aber sehr personal- und sachlastig. Deswegen fällt es in
besonderer Weise schwer, globale Minderausgaben auszuweisen. Da der Innenminister sehr loyal ist, treten hier
sehr viele Probleme auf. Die Haushaltspolitik wird hier
zu einer innenpolitischen Gefahr.
Das Gute ist, dass wir, sowohl die regierungstragenden Fraktionen als auch die Opposition, während der
Haushaltsberatungen noch viele vernünftige Dinge
durchsetzen und in diesem Etat einen Aufwuchs realisieDr. Dietmar Bartsch
ren konnten. Ich will einige positive Punkte ausdrücklich
nennen.
({0})
Wir haben zum Beispiel die Mittel für die Stiftung für
das sorbische Volk um 500 000 Euro aufstocken können.
Das ist eine sehr vernünftige Entscheidung, sie erfolgte
in Zusammenarbeit mit den Landesregierungen von
Sachsen und Brandenburg.
Wir haben beim THW in den Etatberatungen einen
deutlichen Schritt nach vorne gehen können. Das Technische Hilfswerk bekommt zusätzliche Mittel für die
Ortsverbände, für Ausbildung und für Fahrzeuge. Das ist
eine vernünftige Entscheidung.
Ich will zum Bereich der Integration positiv erwähnen
- ich komme noch darauf zurück -, dass das Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge 300 zusätzliche Stellen
bekommen hat. Auch das ist unzweifelhaft eine vernünftige Entscheidung.
({1})
Trotzdem ist der Etat an wichtigen Stellen chronisch
unterfinanziert, meine Damen und Herren. Ich will auf
einige Punkte eingehen. Nehmen wir eines der größten
Probleme, vor denen wir insgesamt in Deutschland und
Europa stehen: die weltweiten Flüchtlingsströme aus Syrien und dem Mittelmeerraum. Wir alle kennen die Probleme. Der politisch verantwortungsvolle und humanitäre Umgang mit den Sorgen und Nöten dieser
inzwischen Millionen Flüchtlinge ist eine Riesenherausforderung. Ich erinnere an die beeindruckende Rede - jedenfalls hat sie mich beeindruckt - von Navid Kermani
anlässlich des 65. Jahrestages des deutschen Grundgesetzes. Er hat uns allen ins Stammbuch geschrieben:
Deutschland … hat genügend Ressourcen, politisch
Verfolgte zu schützen, statt die Verantwortung auf
die sogenannten Drittstaaten abzuwälzen.
({2})
Und es sollte aus wohlverstandenem Eigeninteresse
anderen Menschen eine faire Chance geben, sich
um die Einwanderung legal zu bewerben, damit sie
nicht auf das Asylrecht zurückgreifen müssen.
Deshalb kritisieren wir scharf, dass Sie haushaltspolitisch für diesen Ansatz keine Grundlagen schaffen,
meine Damen und Herren. Es ist viel mehr notwendig.
Ich will nur einen Punkt nennen. In Ihrem eigenen Koalitionsvertrag versprechen Sie, „mit besonderem Vorrang … die Verkürzung der Bearbeitungsdauer bei den
Asylverfahren“ realisieren zu wollen. „Die Verfahrensdauer bis zum Erstentscheid soll drei Monate nicht übersteigen.“ Die reale Situation ist aber eine Verfahrensdauer von derzeit sieben Monaten. Es deutet überhaupt
nichts darauf hin, dass diese Zeitspanne kürzer wird. Da
muss doch viel mehr geschehen. Da müssen Sie in haushaltspolitischer Hinsicht mehr einstellen. Zur Erfüllung
dieser Aufgabe tun Sie viel zu wenig in diesem Haushalt.
({3})
Sie haben im Haushalt zudem keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen, um Ihr Versprechen einzulösen.
Stattdessen verringern Sie die Zahl der Antragsverfahren, indem Sie die Liste der sicheren Herkunftsländer
vergrößern.
({4})
Das ist nicht im Geist der Rede von Kermani.
({5})
In Jordanien und in anderen armen Ländern suchen
Hunderttausende Menschen Schutz und Geborgenheit.
Deutschland verweist auf 10 000 Flüchtlinge aus Syrien.
Die Aufnahme von 10 000 Flüchtlingen ist gut, aber
letztlich zu wenig. Wir dürfen in diesem Zusammenhang
nicht auf andere europäische Länder zeigen, wenn sie
noch schlechter sind als wir. Das ist der falsche Weg.
Der Bundesminister hat im Berichterstattergespräch darauf verwiesen, dass die Risiken, die sich zum Beispiel
aus der aktuellen Verschärfung der Lage in der Ukraine
ergeben, im Haushalt in keiner Weise abgebildet sind.
Deswegen: Hier muss mehr geschehen. Was geschehen
ist, ist nicht ausreichend. Es gibt keine Strategie. Was ist
die Strategie der Bundesregierung angesichts wachsender internationaler Flüchtlingsströme? Wann, bitte, wollen Sie mit einer verantwortungsvollen und vorausschauenden Haushaltspolitik in Ihrem Etat beginnen?
({6})
Zum Thema Integration. Auch hier will ich zugestehen, dass während der Haushaltsberatungen Positives
geschehen ist, keine Frage. Die Kollegen Berichterstatter
haben einen Beitrag geleistet. Aber hier verhält es sich
ähnlich: 2013 gab es über 117 000 Teilnehmer in den Integrationskursen. Das BMI kalkuliert 2014 und 2015 mit
jeweils 140 000 Teilnehmern. Aber die notwendigen
Mittel werden auch hier durch die Globalen Minderausgaben nicht eingestellt. Überhaupt nicht berücksichtigt
sind Mittel für die freiwillige Teilnahme an solchen Kursen. Trotzdem hat der Innenminister dem Regierungsentwurf zugestimmt. Das ist letztlich unverantwortlich, weil
die entsprechenden Etats unterfinanziert sind. Sie stellen
sich nicht auf die Herausforderungen der Asylbewerberpolitik und der Integrationspolitik ein.
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt nennen, der die
Menschen in diesem Land sehr bewegt. Das ist das
große Thema NSA. Hier ist ausspioniert und abgehört
worden. Wir kennen die ganze Geschichte: Herr
Friedrich fährt nach Amerika, und Herr Pofalla erklärt
das Ganze für beendet. Dieser Skandal spiegelt sich
überhaupt nicht wider. Es geht nicht nur um das Handy
der Kanzlerin; das ist doch albern. Vielmehr geht es um
Industriespionage, das Ausspionieren von Krankenakten und Forschungseinrichtungen; das ist doch der entscheidende Punkt. Dazu sage ich ganz klar und deutlich:
Da kann man nicht, wie die Kanzlerin sagt, auf die Kraft
der Argumente setzen. Nein, da muss Flagge gezeigt
werden. Da muss man zum Beispiel die Verhandlungen
über das TTIP aussetzen.
({7})
Da muss man vielleicht Personal aus den Botschaften
nach Hause schicken. Das wäre der richtige Ansatz. Die
NSA steht in einer unsäglichen Tradition. In dieser Woche ist bekannt geworden, dass die Westalliierten die
Post aus der DDR bis 1989 durchgängig ausspioniert haben; das ist ein Skandal sondergleichen. Das wird faktisch einfach fortgesetzt. Sie müssen dafür sorgen, dass
die Bundesrepublik souverän handelt. Die Souveränität
ist aktuell im Zusammenhang mit der NSA nicht hergestellt. Das ist ein Riesenproblem.
({8})
Lassen Sie mich einen anderen Punkt ansprechen, der
mir sehr wichtig ist. In den Medien wird hin und wieder
die Arbeit von Stiftungen als parteinah diffamiert. Angesichts der riesigen Herausforderungen, vor denen wir in
bildungspolitischer und meinungspolitischer Hinsicht
stehen, sollten wir gemeinsam die Stiftungen, von der
Hanns-Seidel-Stiftung bis hin zur Rosa-Luxemburg-Stiftung, ausdrücklich würdigen. Was diese angesichts der
großen Herausforderungen leisten, finde ich wirklich beachtenswert. Wir alle wollen informierte, kluge und politisch engagierte Bürgerinnen und Bürger. Deswegen
sollten wir alle gemeinsam sagen: Jawohl, wir stehen zu
den Mitteln für diese Stiftungen. Wir müssen keine verschämten Entscheidungen treffen. Wir wollen gemeinsam, dass die Stiftungen ihre Aufgaben sowohl im Ausland als auch im Inland weiterhin erfüllen.
({9})
Insgesamt kann ich nur feststellen: Leider wird der
Haushalt den Anforderungen, vor denen wir stehen, in
keiner Weise gerecht. Ich kann das Ziel der schwarzen
Null verstehen. Aber das darf nicht dazu führen, dass wir
in diesem Etat notwendige Aufgaben nicht mehr realisieren. Sonst gefährden wir letztlich die Menschen in unserem Land und viele, die zu uns kommen wollen.
Herzlichen Dank.
({10})
Vielen Dank. - Nächster Redner ist Dr. Reinhard
Brandl, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Einzelplan des Bundesministers des Innern sah
im Regierungsentwurf einen Ausgabenansatz in Höhe
von 5,77 Milliarden Euro vor. Wir haben uns in den parlamentarischen Beratungen intensiv damit beschäftigt
und haben in dieser Phase den Ansatz für die Ausgaben
um 128 Millionen Euro auf circa 5,9 Milliarden Euro erhöht. Das hört sich erst einmal viel an, aber das sind
keine Wohltaten, die eine Regierungskoalition einfach so
verteilt, sondern das ist die Antwort auf große Herausforderungen; die Menschen erwarten zu Recht, dass sich
der Staat diesen Herausforderungen stellt und die Probleme als Teil eines guten, verantwortlichen Regierungshandelns löst.
({0})
Ich will exemplarisch vier dieser großen innenpolitischen Herausforderungen nennen, die uns in den letzten
Monaten in den Haushaltsverhandlungen beschäftigt haben und die sich in dem Ergebnis widerspiegeln.
Das ist zum Ersten der Bürgerkrieg in Syrien. In Syrien und seinen Nachbarländern spielt sich im Moment
die schlimmste humanitäre Katastrophe der letzten Jahre
ab. Deutschland hilft in vielfältiger Weise. Das fängt an
mit der Unterstützung bei der Vernichtung der syrischen
Chemiewaffen und geht weiter über die Hilfe in den
Flüchtlingslagern vor Ort bis hin zu der Aufnahme von
syrischen Flüchtlingen in Deutschland.
Seit Beginn dieses Konflikts sind etwa 40 000 syrische Staatsangehörige nach Deutschland eingereist, darunter etwa 32 000 Asylbewerber. Jeden Monat kommen
etwa 1 700 neu hinzu. Darüber hinaus gibt es mittlerweile drei Sonderprogramme für 20 000 syrische Staatsangehörige, die besonders schutzbedürftig sind, die nicht
das Asylverfahren durchlaufen, sondern sofort und unmittelbar einen Aufenthaltstitel bekommen. Für den
Transport und die Erstbetreuung dieser Gruppe haben
wir im parlamentarischen Verfahren 9 Millionen Euro
zusätzlich bereitgestellt.
Die zweite große Herausforderung im Bereich Migration ist die wachsende Nachfrage nach Integrationskursen. Wir haben ein hohes Interesse daran - ich glaube, da
spreche ich für alle in diesem Haus -, dass diejenigen,
die das Recht haben, bei uns zu bleiben, und die auch bei
uns bleiben wollen, sich integrieren. Der Schlüssel für
Integration ist die Sprache. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bietet seit Jahren mit großem Erfolg
Integrationskurse an, in denen schwerpunktmäßig die
deutsche Sprache vermittelt wird.
Die Nachfrage nach diesen Integrationskursen ist ungebrochen. Wir hatten 2012 94 000 Teilnehmer, 2013
117 000 Teilnehmer, also eine Steigerung um 25 Prozent, und laut Prognose gibt es 2014 wiederum eine Steigerung um 20 Prozent auf 140 000 Teilnehmer. Das ist
wirklich eine erfreuliche Entwicklung, insbesondere
weil ein immer größerer Teil der Kursteilnehmer freiwillig daran teilnimmt, also nicht von einem Amt dazu verpflichtet wird. Diese Menschen erklären von sich aus die
Bereitschaft, an diesen Kursen teilzunehmen, und dokumentieren damit den Willen, sich bei uns zu integrieren
und die Sprache zu lernen.
({1})
In der Koalition war es uns wichtig, dieser wachsenden
Nachfrage ein Angebot gegenüberstellen zu können. Alleine für diesen einen Punkt haben wir zusätzlich
40 Millionen Euro im parlamentarischen Verfahren bereitgestellt.
Es gibt aber jenseits von Migration und Flüchtlingen
noch andere Herausforderungen im Innenbereich, denen
wir begegnen müssen. Ich nenne als dritte Herausforderung die IT-Sicherheit und die Spionageabwehr. Die
NSA-Affäre und auch die massenhaften Identitätsdiebstähle, die wir im letzten Jahr haben beobachten müssen,
haben uns unsere digitale Verwundbarkeit schmerzhaft
vor Augen geführt. Das hat die Wahrnehmung von Fragen der IT-Sicherheit verändert. Bürger und Unternehmen haben heute ein deutlich höheres Bewusstsein für
Datenschutz und Datensicherheit, als sie es noch vor
etwa einem Jahr hatten.
Sie werden aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern dabei zum Beispiel durch das
Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik auf
vielfältige Weise unterstützt. Ich möchte erwähnen, in
welch hervorragender Weise das BSI zum Beispiel im
letzten Jahr zweimal vor millionenfachen Identitätsdiebstählen gewarnt hat, Bürger informiert hat, ob deren
E-Mail-Adresse, ihre Identität darunter ist. Da haben
viele Menschen überhaupt erst mitbekommen, dass es
dieses Amt gibt und welch große Leistungen es in der
Fläche erbringt.
({2})
Meine Damen und Herren, auch das Bewusstsein in
der Politik, in der Bundesregierung und in der Verwaltung hat sich im letzten Jahr verändert. Es ist jetzt jedem
klar, dass die Abwehr von Spionage, und zwar insbesondere von Spionage über das Internet, kein Thema ist, bei
dem man sich nur auf ein paar geheim operierende Verfassungsschützer oder das BSI verlassen kann. Bundesverfassungsschutz und BSI machen eine gute Arbeit,
aber für eine wirkungsvolle Abwehr ist wirklich jeder in
seinem Verantwortungsbereich gefordert.
Die Erhöhung der IT-Sicherheit wird mehr Geld kosten. Das sehen wir bereits im Haushalt dieses Jahres,
werden es aber insbesondere in den nächsten Haushalten
sehen. Das Problem im Bereich Kommunikation ist, dass
man das Geld, das dort hineinfließt, nicht sieht. Der Nutzen für den Bürger erhöht sich erst einmal nicht, wenn
eine Behörde ihre Kommunikation verschlüsselt oder
eine neue Firewall einbaut. Wenn wir dieses Geld aber
nicht investieren, dann könnte der Preis, den wir später
zahlen müssen, um ein Vielfaches höher sein,
({3})
nämlich durch den Verlust an politischer und technologischer nationaler Souveränität. Die aufgedeckten hochprofessionellen Angriffe der letzten Wochen auf das
Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt und auf eine
Kollegin hier im Deutschen Bundestag haben uns diese
Bedrohung sehr greifbar gemacht und bildhaft vor Augen geführt. Der Regierungsentwurf des Haushalts 2014
hat hier bereits einen ersten Schwerpunkt; es ist aber
schon jetzt absehbar - wir haben in den kommenden
Wochen dazu Gespräche mit den Berichterstattern -,
dass es im nächsten Haushalt eine noch stärkere Rolle
spielen wird.
Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend
einen vierten Bereich nennen, der uns in den Haushaltsverhandlungen besonders wichtig war, und zwar den Katastrophenschutz. Der Katastrophenschutz liegt eigentlich in der Zuständigkeit der Länder und Kommunen.
Die Flut im letzten Jahr hat uns aber vor Augen geführt,
dass das Technische Hilfswerk von großer Bedeutung
bei der Bewältigung solcher Katastrophen ist. Das gilt
sowohl im Inland als auch im Ausland; momentan leisten die Helfer des Technischen Hilfswerks auf dem Balkan große Unterstützung.
Das THW ist die einzige Behörde, die zu 99 Prozent
von Ehrenamtlichen getragen wird.
({4})
Wenn wir die Ehrenamtlichen nicht hätten und die Leistung, die sie erbringen, bezahlen müssten, dann könnten
wir diese Unterstützung nicht leisten.
({5})
Eine so große Hilfsmannschaft für vergleichsweise seltene Einsätze vorzuhalten, wäre praktisch unbezahlbar.
Damit die Helfer im Ernstfall dann aber auch handeln
können, sind zwei Dinge wichtig: erstens Ausrüstung
und zweitens Ausbildung. In beide Bereiche investieren
wir im Haushalt für 2014 zusätzlich zum Ansatz der
Bundesregierung 10 Millionen Euro. Der Großteil davon
geht in den Bereich Fahrzeuge. Sie alle wissen aus ihren
Wahlkreisen, dass das Alter vieler Fahrzeuge des THW
jenseits von 20 Jahren liegt.
({6})
Wir investieren aber auch in Führerscheine für die Helfer, die immer seltener einen Führerschein für solche
Fahrzeuge mitbringen; wir haben die Reform zu den
Führerscheinen in den letzten Jahren politisch verfolgt.
Wir investieren in Ausbildungsmaterialien für die Ortsverbände.
Uns war in der Koalition und auch in den Haushaltsberatungen wichtig, am Anfang der Legislaturperiode
auch einmal ein Zeichen zu setzen: dass wir als Koalition, aber, ich denke, auch als ganzes Parlament hinter
dem THW stehen,
({7})
und diese besondere Wertschätzung auch durch einen
Aufwuchs zum Ausdruck zu bringen. Ich möchte aber
präventiv allen Kollegen und Freunden des THW schon
einmal sagen: Wir werden das nicht in jedem Jahr in dieser Größenordnung schultern können.
({8})
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Hilfen für
Syrien, Integrationskurse, die IT-Sicherheit und der Katastrophenschutz sind Aufgaben, bei denen die Menschen erwarten, dass wir uns um sie kümmern. Ich
möchte mich ausdrücklich bei allen Kollegen, auch bei
denen des Haushaltsausschusses, die für andere Politikbereiche Verantwortung tragen, dafür bedanken, dass wir
trotz des engen Spielraums, den wir haben, für diese Bereiche zusätzlich Geld zur Verfügung stellen konnten. Es
war für uns alle keine leichte Operation. Kollege Bartsch
hat ja schon eine für uns wichtige Zielvorgabe angesprochen, nämlich die schwarze Null. Das ist richtig. Wir
wollten in diesem Haushalt die Neuverschuldung nicht
weiter erhöhen und haben sie auch nicht weiter erhöht.
Das heißt, alle Maßnahmen und alle Mehrausgaben,
auch die, die ich jetzt gerade beschrieben habe, sind an
anderer Stelle gegenfinanziert worden.
Meine Damen und Herren, das ist eine große Solidaritätsleistung, auch der anderen Politikbereiche, für den
Bereich des BMI, für Maßnahmen, die wir im Sinne eines guten Regierungshandelns leisten müssen.
Ich bin jetzt nicht auf alle Punkte, die wir verändert
haben, eingegangen. Es folgen ja noch einige Redner,
aber ich möchte als Hauptberichterstatter schon einmal
ein positives Fazit dieser Haushaltsberatungen ziehen.
Ich bedanke mich bei meinen Mitberichterstattern in allen Fraktionen und beim Ministerium für die gute Zusammenarbeit und bitte Sie alle schon jetzt um Zustimmung zu diesem Haushalt.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({9})
Vielen Dank. - Nächste Rednerin ist Anja Hajduk,
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich möchte in meiner Rede - die Redezeit ist ja etwas
begrenzter - schwerpunktmäßig auf den wichtigen Bereich Integration eingehen. Was schon gesagt wurde, ist
richtig: Es handelt sich bei dem Etat des Innenministers
um einen ungeheuer breiten Etat mit sehr vielfältigen
Aufgaben.
Ich möchte etwas zum Thema „Integration und Zuwanderung“ sagen, weil das in den nächsten Jahren ein
Megathema für unsere Gesellschaft sein wird. Demografie, Fachkräftesituation, gesellschaftliche Vielfalt: Das
sind Herausforderungen, denen wir kompetent begegnen
wollen. Ich finde, dass es eine positive Botschaft ist,
wenn wir wissen, dass Deutschland heute ein beliebtes
Zuwanderungsland ist. Das sollte uns freuen und auch
Ansporn für uns sein. Ich sage das vor dem Hintergrund,
dass ich einen Widerspruch der Großen Koalition an
dieser Stelle wirklich für dringend auflösungsbedürftig
halte ({0})
ich könnte auch sagen: Das geht so wirklich nicht -,
nämlich den Widerspruch, dass Sie im Koalitionsvertrag
Akzente setzen, die Integration wirklich deutlich verbessern zu wollen, dann aber bei der Finanzierung diesem
Anspruch nicht gerecht werden.
Das kann man an drei Stellen bebildern - das ist auch
schon erwähnt worden vom Kollegen Bartsch -: Das
Angebot an Integrationskursen ist herabgesetzt worden,
obwohl es eine zu erwartende deutliche Steigerung bei
den Teilnehmerzahlen gibt. Sie wollen auch dort die
Qualität verbessern. Dieses Problem haben wir auch bei
der Migrationsberatung, wo selbst Ihr Haus sagt: Wir
rechnen mit einem verstärkten Zulauf wegen der dynamisch anwachsenden Zahlen. - Auch die Nachfrage
nach niedrigschwelligen Frauenkursen wurde wesentlich
geringer veranschlagt als im Jahr 2013, sodass ich nur
feststellen kann: Es ist ja ehrenwert, wenn in den Haushaltsberatungen eine gewisse Ehrlichkeit einzieht. Aber
es ist am Ende natürlich nicht ehrenwert, wenn ein
Ministerium sagen muss: Eigentlich fehlen uns 70 Millionen Euro. - Diese Zahl kommt nicht von mir, sondern
vom Minister.
Die Lösung des Problems der fehlenden 70 Millionen
Euro für die Bereiche, die ich erwähnt habe - ich denke
insbesondere an die Integrationskurse -, ist zum Teil angegangen worden. Man kann sagen: Die Koalition hat
die Finanzierung von knapp 70 Prozent dieser Summe
- 40 Millionen Euro für Integrationskurse und, wenn ich
den Bereich etwas erweitere, 9 Millionen Euro für den
Flüchtlingsbereich - in Angriff genommen. Das macht
aber auch deutlich, dass Sie Ihren selbstgesteckten Ansprüchen immer noch nicht gerecht werden, Herr Minister. Das gilt nicht nur für Sie, Herr Minister, sondern
auch für die Fraktionen.
Ich spreche die Finanzierung der Integrationskurse
an, weil wir Grünen durchaus wissen, dass es nicht
nichts ist, wenn zusätzliche Mittel in Höhe von 40 Millionen Euro bereitgestellt werden müssen. Angesichts
der Tatsache, dass man den Empfängerkreis eigentlich
noch auf Asylantragsteller ausweiten will - das entspricht dem Integrationsministerbeschluss -, reicht diese
Summe definitiv nicht aus. Da muss mehr geschehen.
Wir haben Ihnen mit einem Antrag, den wir vorgelegt
haben, gezeigt, dass man da nicht nur mehr tun sollte,
sondern auch mehr tun kann.
({1})
Unser Antrag auf Bereitstellung von mehr Integrationsmitteln und Schaffung besserer Beratungskapazitäten und insbesondere in dem von mir schon erwähnten
Bereich Frauen, die konventionelle Integrationsangebote
oft nicht annehmen, ist umsetzbar. Eine fast vollständige
Gegenfinanzierung über den Etat des Ministers ist möglich.
Herr Minister, ich gehe einmal fest davon aus, dass
Sie eine Lücke in der Finanzierung wie die, die Sie dem
Haushaltsausschuss und den Fraktionen mit diesem Etat
vorgelegt haben, beim nächsten Etat nicht wieder präsentieren wollen. Wir Grünen begrüßen es, dass es feste
Zusagen gibt, schrittweise mehr Flüchtlinge aus Syrien
aufzunehmen. Wir glauben, es müssen noch mehr
Flüchtlinge aufgenommen werden.
Das, was vor kurzem auf der Innenministerkonferenz
vereinbart wurde - zusätzlich 10 000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen -, muss in der Kabinettssitzung
nächste Woche zu einem Beschluss führen. Da muss
noch mehr Geld fließen. Die 9 Millionen Euro, um die
Sie die Flüchtlingshilfe jetzt aufgestockt haben, dienen
den Zusagen vom letzten Dezember. Mit diesem Geld ist
die bestehende Lücke geschlossen worden. Die auf der
jüngsten Innenministerkonferenz gegebene Zusage muss
mit finanziellen Mitteln bekräftigt werden.
({2})
Das sind wir insbesondere den Flüchtlingen schuldig.
Ich möchte ganz kurz etwas zum Bereich Sport sagen.
Wir Grünen möchten an dieser Stelle daran erinnern,
dass auch die Bundesländer eine Verpflichtung haben,
ihre Zusagen zur Finanzierung der Nationalen Anti-Doping Agentur zu erfüllen. Von allen Fraktionen muss ein
entsprechender Appell ausgehen. Dass Länder ihre Zusagen nicht erfüllt haben, hat den Minister dazu veranlasst, das Thema „Jugend trainiert für Olympia“ sozusagen in Geiselhaft zu nehmen. Das hat natürlich für
Empörung gesorgt.
Wir finden es gut, dass die Finanzierung von „Jugend
trainiert für Olympia“ für dieses und auch für das
nächste Jahr gesichert ist. Aber es kann nicht sein, dass
Streitereien zwischen Bund und Ländern und auch fehlende Finanzierungszusagen der Länder dazu führen,
dass wichtige Aufgaben auf einmal infrage stehen. Das
wünschen wir uns anders. Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, dass der Minister Druck aufbauen will.
Herr Minister, ich erwarte, dass Sie zusammen mit den
Ländern gute Pakete schnüren. Sie haben uns Grüne da
an Ihrer Seite.
({3})
Hinsichtlich der Spitzensportförderung sehe ich es so,
dass wir da in Vorleistung gegangen sind. Wir haben Sie
da mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet; aber das geschah nicht voraussetzungslos. Wir erwarten auch im
Spitzensport Strukturänderungen, etwa was Fokussierungen angeht. Das will ich an dieser Stelle noch einmal
betonen.
Ganz zum Schluss noch etwas zum Thema Geheimdienste. Deren Arbeit ist ja so geheim, dass man darüber
eigentlich nicht sprechen darf.
Aber bitte nur einen Satz.
Es wird nur ein Satz, Frau Präsidentin. - Ich glaube,
wir müssen die Kontrolle der Geheimdienste so ausführen, dass wir in die Gesellschaft das Signal senden: Wir
sind sicher, dass die Geheimdienste nur auf verfassungsrechtlich gültigen Grundlagen arbeiten. Ich verweise auf
die Berichterstattung von heute und der vergangenen
Wochen, Herr Minister.
Wir haben da mit Blick auf die sozialen Medien Klarheit zu schaffen, was die Geheimdienste angeht. Das ist
eine wichtige Aufgabe. Ich hoffe, dass Sie uns dabei helfen, dass wir das in den entsprechenden Gremien auch
gemeinsam hinbekommen.
Schönen Dank.
({0})
Vielen Dank. - Für die SPD spricht jetzt der Kollege
Martin Gerster.
({0})
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrter Herr Minister de Maizière! Wenn man auf
die Uhr schaut, sieht man: Es sind gerade einmal noch
125 Minuten bis zum Anpfiff des Spiels Deutschland gegen die USA bei der Fußballweltmeisterschaft.
({0})
Ich habe heute mehrmals gehört: Du hast 14 Minuten
Redezeit. Mach es doch ein bisschen kürzer oder rede
schneller!
({1})
Aber ich muss sagen, selbst bei großer Sportbegeisterung, werte Kolleginnen und Kollegen: Der BMI-Haushalt ist einfach zu bedeutsam,
({2})
als dass wir hier wichtige politische Fragen jetzt dem
Fußball opfern könnten.
Zuallererst möchte ich an eine gute Tradition anknüpfen, nämlich an dieser Stelle Danke zu sagen und ein
großes Lob auszusprechen. Dank an den Hauptberichterstatter für unseren Haushalt, den Kollegen Dr. Reinhard
Brandl!
({3})
Er hat das hervorragend gemacht. Deswegen an dieser
Stelle ein herzliches Dankeschön und ein großes Lob!
Ein Dankeschön natürlich auch an die Kollegen Norbert
Barthle, Anja Hajduk und Dietmar Bartsch!
Ich glaube, wir hatten sehr gute Beratungen insgesamt. Diese Beratungen waren eigentlich von einem großen Grundkonsens - den Eindruck hatte ich immer - geprägt. Deswegen konnte ich überhaupt nicht verstehen,
lieber Dietmar Bartsch, dass im letzten Satz der Rede
aufkam, dass dieser Haushalt in keinster Weise den Anforderungen genügt.
({4})
- Doch! „In keinster Weise“ wurde gesagt. Ich glaube,
das ist überhaupt nicht gerechtfertigt.
Sehr geehrter Herr Minister, ich möchte auch Ihnen
sowie der Spitze Ihres Hauses und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für das gute Miteinander Danke sagen.
({5})
Ich glaube, wir hatten schon von vornherein im überarbeiteten Regierungsentwurf wichtige Punkte so geregelt bekommen und wichtige Weichenstellungen so gesetzt bekommen, dass wir im Großen und Ganzen
eigentlich schon recht zufrieden sein konnten mit dem,
was vorgelegt worden ist.
Ich will für die SPD-Fraktion die Situation der Bundespolizei besonders hervorheben. Die Situation wird
deutlich verbessert. Wir haben im Personalbereich ein
großes Paket für die nächsten vier Jahre vor uns, das wir
mit diesem Haushalt beginnen. Über 1 300 Planstellen
und Stellen bei der Bundespolizei werden gehoben; das
muss man einmal deutlich sagen. Das ist richtig gut und
wird auch in der Bundespolizei wertgeschätzt. Es ist von
unserer Seite auch Ausdruck der Wertschätzung des großen Engagements in der Bundespolizei für die Sicherheit
unseres Landes.
({6})
Auch dafür an dieser Stelle ein Dankeschön! Es ist gut
und richtig, dass wir das machen und dass wir das jetzt
angehen.
Sicherheit, werte Kolleginnen und Kollegen, ist natürlich ein sehr bedeutsames Thema im Bereich des Bundesinnenministeriums, aber auch insgesamt für unsere
Gesellschaft. Die Herausforderungen wachsen an allen
Ecken und Enden. Dem wird in diesem Haushalt aber auch
Rechnung getragen. Das Bundesamt für Sicherheit in der
Informationstechnik wird gestärkt; Kollege Reinhard
Brandl hat es gesagt. In den Sicherheitsbehörden - aber
nicht nur dort - wird die IT-Infrastruktur modernisiert.
Wir gehen das jetzt an. Wir müssen noch mehr tun, aber
wir gehen es jetzt an. Es ist richtig, hier mehr Mittel hineinzugeben.
Der Geschäftsbereich, der Etat des Bundesinnenministeriums umfasst aber nicht ausschließlich das Thema Sicherheit. Es sind viele andere Themen, die wir gerade
auch als Haushälter mit im Blick hatten. Ich möchte dem
Kollegen Norbert Barthle und dem Reinhard Brandl
noch einmal ganz herzlich Dankeschön dafür sagen, dass
wir gerade in den gesellschaftlich sehr relevanten Bereichen sehr viele Änderungsanträge auf den Weg bringen
und wichtige Weichenstellungen beschließen konnten.
Ich will ein paar Punkte nennen.
Förderung der politischen Bildung in unserem Land.
Wir haben erreicht - das war ein sehr wichtiges Anliegen der SPD-Bundestagsfraktion -, dass es knapp
11 Millionen Euro mehr gibt für die Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung.
({7})
Ich will ganz deutlich sagen, dass wir nicht verstanden
haben, dass in den letzten Jahren die Mittel reduziert
worden sind. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir
die Bundeszentrale für politische Bildung brauchen. Wir
setzen auf die Bundeszentrale. Dort wird gute Arbeit gemacht.
Ich meine, es ist auch gut, dass die Bundeszentrale
jetzt einmal aus dieser Spirale herauskommt: Wo können
wir noch kürzen? Wo können wir noch etwas wegnehmen? Welches Programm muss gestoppt werden? Ideen
und Kreativität in der politischen Bildung können jetzt
wieder in die Realität umgesetzt werden. Das ist gut so.
Das ist eine große Leistung dieser Großen Koalition, die
wir in der SPD-Fraktion besonders honorieren, goutieren
und gutheißen.
({8})
Politische Bildung beschränkt sich natürlich nicht
ausschließlich auf die Bundeszentrale für politische Bildung. Wir tun noch mehr. Wir haben die „Deutsche Gesellschaft“ mit 70 000 Euro mehr ausgestattet. Der Bund
leistet einen Beitrag für einen Raum zum Gedenken an
das Olympiaattentat von 1972. Wir beteiligen uns hier
mit 350 000 Euro. Ich muss sagen, das ist längst überfällig. Es wäre schön gewesen, wenn dieser neue Gedenkraum schon zum 40. Jahr der Erinnerung an das Olympiaattentat hätte eröffnet werden können. Jetzt ist es so
weit. Ich finde es gut, dass sich der Bund daran beteiligt.
({9})
Ich will auch an das anknüpfen, was Dietmar Bartsch
gesagt hat: Wir sollten bezüglich politischer Bildungsarbeit an die politischen Stiftungen denken. Deswegen ist
es gut, dass wir in der Großen Koalition die Arbeit der
politischen Stiftungen mit deutlich mehr Geld versehen.
Denn politische Bildung ist letztendlich der Königsweg,
um Menschen für unsere Demokratie richtig zu begeistern, Extremismus, insbesondere Rechtsextremismus,
entgegenzuwirken und die bedrohliche Kluft, die sich
zwischen Politik einerseits und vielen Bürgerinnen und
Bürgern andererseits immer wieder auftut und letztendlich eine permanente Gefahr bedeutet, vielleicht zu
schließen, zumindest aber zu verkleinern. Hier kommt
den Trägern der politischen Bildung eine große Verantwortung zu. Deswegen sprechen wir an dieser Stelle den
Trägern der politischen Bildung unseren Dank aus und
honorieren ihr Engagement mit einem klaren Aufwuchs
der Mittel in diesem Bereich.
({10})
Gerade die aktuelle Entwicklung in Europa zeigt, wie
wichtig es ist, den Menschen die Chancen der europäischen Einigung nahezubringen, durch Aufklärung
Ängste und Skepsis zu überwinden und das politische
Europa transparenter zu machen. Welches Jahr würde
sich besser eignen als dieses? Das Jahr 2014 mit seinen
vielen Jubiläen erinnert uns daran, welche Bedeutung
ein friedliches und solidarisches Europa hat. Ich denke
hier an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor
100 Jahren. Die Ursache war ein krankhafter Nationalismus. Deswegen sage ich an dieser Stelle: Gut, dass wir
hier etwas tun.
Auch der 25. Jahrestag des Falls der Mauer gehört in
diesen Zusammenhang. Der Fall der Mauer ist letztendlich zustande gekommen durch eine starke Bewegung
von Bürgerinnen und Bürgern. All das zeigt, dass wir auf
einem guten Weg sind. Insgesamt aber müssen wir den
Bereich der politischen Bildung verstärken, um mehr zu
informieren und die Menschen für ein demokratisches,
friedliches und solidarisches Europa zu gewinnen.
Auch wenn wir in Deutschland immer noch gegen
Vorurteile und Intoleranz ankämpfen müssen, auch wenn
Nationalismus, Rassismus, Homophobie und Sexismus
noch lange nicht überwunden sind, werte Kolleginnen
und Kollegen, so glaube ich doch, dass wir heute im freiesten, vielfältigsten und vielleicht auch weltoffensten
Deutschland aller Zeiten leben. Dafür sind wir dankbar.
Aber wir müssen permanent daran arbeiten, dass dies so
bleibt oder noch besser wird.
Beim Stichwort „Weltoffenheit“ bin ich bei einem anderen Thema, das mir sehr am Herzen liegt - es ist von
den anderen Rednern schon angesprochen worden -:
Deutschland und die Europäische Union gleichen im
Moment einer Insel des Friedens in einer stürmischen
See regionaler Konflikte. 50 Millionen Menschen sind
gegenwärtig auf der Flucht vor Krieg und Unterdrückung.
Auch innerhalb der europäischen Staatengemeinschaft sind die wirtschaftlichen Folgen der jüngsten
Krise dramatisch und deutlich spürbar. Viele Menschen,
die in ihrer ursprünglichen Heimat keine berufliche Perspektive sehen, richten ihre Hoffnung darauf, sich in
Deutschland eine Existenz aufzubauen. Ich sehe uns im
Sinne der Menschlichkeit in der Pflicht, den verfolgten
Menschen im Rahmen unserer Möglichkeiten auch
Schutz und Zuflucht zu bieten. Deswegen war es richtig
und notwendig, im Rahmen des Haushaltsverfahrens die
9 Millionen Euro für die Syrien-Flüchtlinge bereitzustellen.
Zum Thema Integration, lieber Kollege Dietmar
Bartsch. Wir sind doch mittendrin, hier etwas zu tun.
Wir haben die Mittel für die Integrationskurse aufgestockt. Trotzdem war es ein missverständliches Signal
von der Spitze des Hauses, zunächst einmal den Haushaltsansatz um 5 Millionen Euro zurückzufahren in dem
Wissen, dass ein hohes Interesse an der Teilnahme an Integrationskursen vorhanden ist. Aber man muss natürlich schon sagen, Herr Minister de Maizière: Sie haben
völlig zu Recht erwartet, dass es zusätzliche Mittel, sogenannte Bildungsmittel, gibt. Insofern gibt es vor diesem Hintergrund eine gute Erklärung dafür, dass dieser
Haushaltsansatz zunächst so aussah. Ich denke, dass wir
jetzt insgesamt ganz gut aufgestellt sind mit diesem
deutlichen Aufwuchs, den wir im Rahmen des Haushaltsverfahrens gemeinsam in der Großen Koalition auf
den Weg bringen konnten.
300 Stellen zusätzlich für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - das ist doch was! Da kann man
doch nicht sagen, wir hätten beim Thema Verkürzung
der Bearbeitungszeiten für Asylanträge noch nichts getan.
({11})
Das ist doch ein richtig großer Aufschlag. Wir haben bei
den Beratungen und bei den Berichterstattergesprächen
gehört, dass mehr Stellen im Moment gar nichts bringen
würden, weil die große Herausforderung jetzt erst einmal darin besteht, fachkundiges Personal zu finden,
({12})
das die 300 zusätzlichen Stellen besetzen kann; das müssen gute Leute sein. Insofern sage ich: Wir sind hier auf
einem guten Weg. Wir müssen noch nachsteuern - ganz
klar -, wenn wir das Ziel erreichen wollen, dass ein
Asylantrag nicht länger als drei Monate Bearbeitungszeit
beansprucht. Aber dafür, dass wir Sozialdemokratinnen
und Sozialdemokraten erst ein paar Monate in der Regierung dabei sind, kann sich das jedenfalls als erstes Etappenziel ganz gut sehen lassen.
({13})
Ich will gerne etwas zum Thema Technisches Hilfswerk sagen. Ich glaube, es ist eine große Leistung der
Großen Koalition, dass es uns gelungen ist, für das Technische Hilfswerk 10 Millionen Euro zusätzlich zu mobilisieren.
({14})
Das drückt unsere Wertschätzung für die Arbeit der vielen, vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer aus,
die für das THW unterwegs sind: als Topbotschafter für
unser Land im Ausland, aber auch als Superbotschafter
in unserem Land für gelebte Solidarität, für das Ehrenamt und für die Hilfe am Nächsten, der sich in Not befindet.
({15})
Deswegen glaube ich, dass das eine richtig gute Sache
ist.
Der Anpfiff in Brasilien rückt näher, Herr de
Maizière. Deswegen möchte ich gerne ein paar Sätze
zum Sport sagen. Ich finde es gut, Herr de Maizière, dass
wir im Bereich des Innern einen Minister haben, der
sportbegeistert ist.
({16})
Ich habe mich gefreut, dass es beim Sport einen Aufwuchs gibt: 2,7 Millionen Euro netto mehr im Vergleich
zum vergangenen Haushaltsjahr, 8 Millionen Euro mehr
im Vergleich zum ersten Regierungsentwurf. Ich glaube,
das kann sich sehen lassen. Das ist eine gute Botschaft
für den Sport, die größte Bürgerbewegung in unserem
Land. Wie der Sport mobilisieren, faszinieren und emotionalisieren kann, erleben wir gerade in diesen Tagen.
Ich freue mich, dass es bei den zentralen Maßnahmen
auf dem Gebiet des Sports ein deutliches Plus geben
wird und dass unter anderem die Grundförderung für die
Bundessportfachverbände erhöht wird. Das ist ein richtig gutes Signal.
Herr de Maizière, ich teile Ihr, wie ich finde, mutiges
Grundanliegen: Wir müssen die Sportförderung in unserem Land neu denken, wir müssen da auch Strukturveränderungen vornehmen. Ja, auch ich sage: Natürlich
geht es bei Olympia um Spitzensport; aber Spitzensport
gibt es nicht ausschließlich bei Olympia. Wir müssen daher schon schauen, wie wir der Vielfalt im Sport Rechnung tragen können.
Ich glaube, lieber Norbert Barthle, dass wir im Haushaltsausschuss einen guten Beschluss gefasst haben: Wir
schaffen eine Prozentregelung für den nichtolympischen
Bereich. Damit unterstützen wir auch den Schachsport.
Ich glaube, dieser Beschluss ist eine gute Botschaft im
Hinblick auf die Vielfalt im deutschen Sport.
({17})
Junge Leute lernen Vielfalt insbesondere im Sport
kennen, gerade auch bei den Wettbewerben „Jugend trainiert für Olympia“ und „Jugend trainiert für Paralympics“. Deswegen haben wir, lieber Norbert Barthle, als
Baden-Württemberger - die Deutsche Schulsportstiftung
hat ihren Sitz in Baden-Württemberg - aus Überzeugung
gesagt: Auch wenn es in den Bundesländern Probleme
bei der Finanzierung der NADA gibt, können wir nicht
zulassen, dass die Kinder und Jugendlichen und diese
tollen Wettbewerbe letztendlich darunter leiden. Ich
glaube, wir haben einen guten Kompromiss gefunden,
um die Wettbewerbe zu sichern.
Wir haben eine gute Grundlage geschaffen und können sagen: Dieses Zahlenwerk der politischen Entscheidungen für 2014 ist uns insgesamt gelungen; es ist eine
gute Geschichte. Ich bin optimistisch, dass wir in den
Haushaltsberatungen für 2015, die ja schon bald wieder
beginnen - nach dem Spiel ist vor dem Spiel, nach dem
Haushalt ist vor dem Haushalt - wieder gut zusammenarbeiten werden.
Herzlichen Dank.
({18})
Vielen Dank. - Ich möchte mit Blick auf den Beginn
des heutigen Fußballspiels sagen: Wenn jetzt jeder der
Redner noch einen letzten Satz von ungefähr einer Minute einleitet, dann wird das etwas schwierig. Wir haben
vereinbarte Redezeiten. Im gegenseitigen Interesse wäre
es schön,
({0})
- Herr Dr. Bartsch, für Sie gab es auch eine großzügige
Regelung ({1})
wenn sich jetzt alle an die vereinbarte Redezeit hielten.
({2})
Für die Bundesregierung hat jetzt das Wort Bundesminister Dr. Thomas de Maizière. Bitte schön.
({3})
Frau Präsidentin Schmidt! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! In dem Appell kann ich Sie nur nachhaltig unterstützen. Ich gebe mir Mühe, mich an die Redezeit zu
halten.
Ich möchte mit einem Dank beginnen, der sich an die
Berichterstatter richtet, insbesondere an den Hauptberichterstatter. Das Klima im Haushaltsausschuss bei den
Beratungen insgesamt war vertrauensvoll, offen und
sachlich. Das ist gut. Da auch diese Debatte hier so geführt wird, will ich den Zuschauerinnen und Zuschauern
sagen: Glauben Sie nicht, dass es hier immer so zugeht.
Hier fliegen auch manchmal die Fetzen.
({0})
Ich glaube, unserer Materie tut es gut, wenn wir uns auf
die Sache konzentrieren und vernünftig miteinander umgehen.
Ob öffentliche Sicherheit, IT-Politik mit all ihren Facetten, Migration oder Integration: So unterschiedlich
diese Bereiche, die beim Innenministerium angesiedelt
sind, scheinen mögen, drei Dinge haben sie gemeinsam:
Erstens. Sie entscheiden maßgeblich darüber, ob die
Menschen gerne in unserem Land leben, ob sie sicher
und frei hier leben können und wie der gesellschaftliche
Zusammenhalt in unserem Land ist.
Zweitens. Nahezu alle innenpolitischen Themen sind
heute in großem Maße durch internationale Entwicklungen geprägt. Eine klassische Innenpolitik, die gedanklich
an der deutschen Staatsgrenze endet, gibt es längst nicht
mehr. Antiterrorkampf, sogar Einbruchsdiebstahl - ich
komme gleich darauf zu sprechen -, Internet, Datenschutz, Zuwanderung, Integration, Vorratsdatenspeicherung, Asyl, Sport, ja sogar das Dienstrecht: Alles das
geht inzwischen nur noch mit Blick auf unsere europäische und internationale Einbindung.
Drittens. Das Tempo, in dem sich heute innenpolitische Themen verändern, ist atemberauend. Ich bilde mir
ein, das beurteilen zu können; denn ich habe zum zweiten Mal das gleiche Amt inne und kann so mitbekommen, was sich alles in welchem Tempo verändert hat und
nicht gleich geblieben ist.
Wie rasant dieser Wandel ist, das zeigt sich zum Beispiel bei der Frage: Wie wollen wir mit dem Internet umgehen? Unser Aufgabenportfolio reicht hier von der ITSicherheit über den Datenschutz, den Wirtschaftsschutz,
die Bekämpfung von Cyberkriminalität und Cyberspionage, die Regelung neuer rechtlicher Fragen bis hin zum
gesellschaftlichen Diskurs, ob und wie sich unsere Gesellschaft mit und durch die Nutzung des Internets verändert.
Sicherheit, Schutz und Vertrauen sind heute im Internet Wettbewerbsfaktoren. Vertrauen ist eine Währung im
Internetzeitalter geworden. Wir arbeiten daran. Herr
Bartsch, es ist völlig falsch, dass es in Bezug auf das
Thema NSA keine Konsequenzen gegeben hätte. Wir
werden darüber die gesamten vier Jahre diskutieren. Es
gibt nur einen Unterschied: Sie fixieren sich auf das
Thema NSA, und wir fixieren uns auf das Thema Schutz
der Bürger, egal ob die NSA oder sonst jemand auf Daten zugreift.
({1})
Wir werden ein IT-Sicherheitsgesetz vorlegen, das
Rahmenbedingungen für den sicheren Betrieb von kritischen Infrastrukturen und unserer IT-Systeme beinhaltet,
auch mit Blick - Frau Hajduk hat in der ersten Lesung
darüber gesprochen - auf die IT-Netze des Bundes. Ich
sage ganz vorsichtig, weil es heute eine Agenturmeldung
dazu gibt: Auch mit Blick auf die Sicherheit des Betriebes der Netze des Bundes haben wir - in Anführungsstrichen - „nur“ eine Verpflichtungsermächtigung vorgesehen. Wir werden darüber in den nächsten Jahren reden
müssen. Auch das ist ein Beitrag zur Sicherheit, in dem
Fall zur Sicherheit unserer eigenen Kommunikation.
Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit ist natürlich
der Bereich Integration und Migration. Vieles hat sich in
den letzten Jahren getan. Wir brauchen Fachkräfte aus
dem Ausland, und sie kommen gerne. Deutschland ist
heute ein modernes Einwanderungsland.
Der Sachverständigenrat hat uns bescheinigt, dass
sich die Gesetzeslage, so unübersichtlich sie inzwischen
vielleicht sein mag, in Europa und der Welt sehen lassen
kann. Er rät von Änderungen ab. Er rät sogar von der
Einführung irgendwelcher Bluecardsysteme ab. Er sagt:
Der rechtliche Standard ist inzwischen gut. - Das ist
auch ein Ergebnis der letzten Legislaturperiode.
Wir sehen viele Integrationserfolge. Ihre Anzahl
nimmt zu, und die Erfolge werden sichtbar. Dennoch
gibt es Defizite. Wenn sich Bildungserfolge nicht oder
zu wenig auf die kommenden Generation erstrecken,
wenn der Bildungsstand von in Deutschland geborenen
Kindern mit Migrationshintergrund immer noch deutlich
unter dem Durchschnitt gleichaltriger Einheimischer
liegt, wenn einzelne Migrantengruppen signifikant
schlechter integriert sind als andere bei im Übrigen gleichen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, dann zeigt
das, dass wir noch viel zu tun haben, insbesondere im
Bereich der Bildung.
Nun ist das nicht die Hauptaufgabe des Bundes. Man
könnte sogar kritisch fragen, ob die Finanzierung der Integrationskurse eine Aufgabe des Bundes sein muss.
Aber sie ist es. Wir bekennen uns dazu. Als Sprachkurse
haben sie begonnen. Inzwischen sind sie ein wesentliches Element der Integration. Ich bin dankbar, dass der
Haushaltsausschuss das Finanzproblem gelöst hat. Wir
hatten, wie Sie, Frau Hajduk, wissen, eine andere Lösung angedacht; Herr Gerster hat das dankenswerterweise erwähnt. Das war keine bewusste Unterveranschlagung nach dem Motto: Hoffentlich hilft uns der
Haushaltsausschuss. - Das war anders geplant. Aus Zeitgründen will ich das nicht vertiefen. Die gefundene Lösung ist gut. 2014 können alle erwarteten 140 000 neuen
Kursteilnehmer beim Spracherwerb unterstützt werden.
Die Auswirkungen neuer Entwicklungen sind damit allerdings nicht zu finanzieren; auch das gehört zur Wahrheit dazu.
Nun ein Wort zu den Flüchtlingen; auch Herr Bartsch
hat das Thema angesprochen. Die Zahl der Asylbewerber ist im letzten Jahr um etwa 70 Prozent gestiegen. Wir
hatten etwa 140 000 Asylerstanträge und Asylfolgeanträge. In diesem Jahr werden insgesamt voraussichtlich
um die 200 000 Anträge gestellt, je nachdem, wie die
Entwicklungen - zum Beispiel die Entwicklungen in der
Ukraine, im Irak oder besorgniserregende Entwicklungen in anderen Ländern - weitergehen.
Ich möchte an dieser Stelle noch etwas sagen, was in
dieser Debatte bisher keine Rolle gespielt hat. Ich
möchte den Kommunen und den Ordnungsdezernenten,
die mühsam Gebäude suchen müssen und sich vor Ort
gemeinsam mit den Abgeordneten gegen irgendwelche
Rechtsextremisten, die das alles nicht haben wollen,
wehren müssen, meinen Dank aussprechen. Die Kommunen bemühen sich und kümmern sich darum, dass
diese Asylbewerber untergebracht werden können.
({2})
Wir brauchen ein zügiges und faires Verfahren. Über
den Stellenzuwachs, der hiermit zusammenhängt, und
über den Gesetzentwurf ist schon gesprochen worden.
Zu den sicheren Herkunftsländern ist schon gestern etwas gesagt worden. Diese Themen will ich nicht vertiefen. Auch sie gehören aber dazu.
Nun ein Wort zu den Flüchtlingen aus Syrien. Wir
hatten gestern eine Konferenz von Ministern der G 6
- nämlich der Innenminister der sechs größten europäischen Staaten - mit dem zuständigen Minister der Vereinigten Staaten und der zuständigen Kommissarin. Alle
haben gesagt: Das, was Deutschland diesbezüglich macht,
ist bemerkenswert. Wir haben seit Beginn des Bürgerkriegs bis jetzt 40 000 Flüchtlinge aufgenommen; Herr
Brandl hat das schon gesagt. Aufgrund des Bundesprogramms können noch 10 000 hinzukommen. Das sind
weltweit drei Viertel der außerhalb der Region vorhandenen Aufnahmeplätze. Ich finde, das verdient überhaupt gar keine Kritik, Herr Bartsch, sondern nur Lob
und Anerkennung.
({3})
Kritik würden andere Staaten verdienen. Herr
Steinmeier und ich haben deswegen die Initiative ergrif3914
fen, um andere europäische Staaten zu ermuntern, zumindest ein bisschen mehr zu tun als bisher.
({4})
Ich hoffe, das hat Erfolg.
Wir wollen die Flüchtlinge nicht nur hierherholen,
sondern wir wollen natürlich auch, dass vor Ort etwas
passiert. Deswegen haben wir für die Flüchtlingslager in
der Region - das gehört zum Etat des Kollegen Müller bisher 450 Millionen Euro veranschlagt. Ich finde, wir
stellen uns unserer humanitären Verantwortung. Das ist
gut so, und darauf sind wir stolz.
({5})
Es kommt nicht von ungefähr, dass so viele Menschen nach Deutschland kommen möchten. Ich spreche
jetzt gar nicht über das Sozialniveau. Wir reden zurzeit
viel über Fußball und Brasilien. Vor zwei Tagen wurde
der brasilianische Fußballer Zé Roberto, der einen deutschen Pass hat, gefragt, was er jetzt, in Brasilien, aus seiner Zeit in Deutschland vermisse. Er antwortete ohne zu
zögern: die Sicherheit.
Die aktuellen Statistiken belegen: Deutschland ist eines der sichersten Länder der Welt. Auch die Zahlen der
Polizeilichen Kriminalstatistik, die ich zusammen mit
dem Kollegen Jäger vorgelegt habe, beweisen das. Es
gibt - das ist eine geringfügige Senkung - weniger als
6 Millionen polizeilich registrierte Straftaten. Bei den
Straftaten im Bereich der Gewaltkriminalität und des sexuellen Missbrauchs gibt es ebenfalls eine Senkung.
Es gibt gute Entwicklungen, allerdings auch schlechte.
Wir haben darüber schon gesprochen, aber wir müssen
mehr darüber reden: Der Anstieg der Wohnungseinbruchskriminalität ist besorgniserregend. Zwar sind die
Zahlen nicht so hoch wie 1993. Da hatten wir etwa
230 000 Wohnungseinbrüche. Jetzt sind wir bei ungefähr
150 000. Seit sieben, acht Jahren steigen die Zahlen wieder. Im letzten Jahr gab es einen Anstieg um 5 300 Fälle.
Warum interessiert uns das hier? Das ist doch eigentlich eine Angelegenheit der Länderpolizeien. Einbruchdiebstahl ist sozusagen das Lokalste, was es gibt. Denkste! Wir haben inzwischen neue Tätertypen. Der
Anstieg ist auf international agierende und international
vernetzte Banden zurückführen, die ihre Straftaten - entlang den Autobahnen - geografisch vorbereitet begehen.
Es gibt eine Gruppe, die von Balkanstaaten aus gesteuert
wird. Weiterhin gibt es Gruppen, die aus der Ukraine,
aus Weißrussland, aus der Türkei und aus Georgien heraus gesteuert werden. Deutsche Banden klauen in
Frankreich, und französische Banden klauen in Deutschland und in den Niederlanden. Es gibt international vernetzt agierende Organisationen.
Wir - Bund und Länder - haben uns bei der letzten
Innenministerkonferenz versprochen, dass wir dagegen
vorgehen wollen. Wir sagen den Einbrechern in diesem
Land den Kampf an.
({6})
Das geht nur langsam. Es dauert ein bisschen; aber wir
wollen es tun.
Nun kann ich aus Zeitgründen viele weitere Themen
nicht mehr ansprechen. Auf einen Punkt will ich aber
noch eingehen, der von Herrn Bartsch eingeführt wurde.
Herr Bartsch hat gesagt, dass das Innenministerium keinen Programmhaushalt hat. Auf den ersten Blick stimmt
das. Unser Programm heißt „Freiheit und Sicherheit“.
Unser Programm besteht nicht aus Fördermitteln, sondern es besteht aus Polizisten, Sicherheitsbehörden, einer guten Verwaltung, Ehrenamt, Katastrophenvorsorge,
Sport, Schutz der Verfassung, Kampf gegen Extremisten
und IT-Sicherheit. Das spiegelt sich auch in unserem
Haushalt wider. Deswegen ist er anders zu lesen als andere Haushalte, aber von großer Bedeutung für unser
Land.
({7})
Herr Gerster, ich wollte mit Blick auf den Haushalt
auch sagen: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Zehn Sekunden meiner Redezeit habe ich nicht ausgeschöpft. Ich
wünsche den Jungs in Brasilien nachher alles Gute!
({8})
Vielen Dank. - Dr. André Hahn, Fraktion Die Linke,
ist der nächste Redner.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Minister de Maizière, es muss den Bürgerinnen und Bürgern offenbar verborgen geblieben sein, dass Sie aus
dem NSA-Skandal die richtigen Lehren gezogen und
zum Schutz der Menschen entsprechende Maßnahmen
eingeleitet haben. Wir haben davon nichts gesehen.
({0})
Ich will aber zunächst etwas zum Sport sagen. Die geringfügige Anhebung im Etat des BMI in Höhe von rund
2,7 Millionen Euro bleibt hinter den tatsächlichen Erfordernissen und auch hinter dem zurück, was der Minister
ursprünglich vollmundig versprochen hat. Der dramatische Sanierungsstau bei den Sportstätten wird weiter beharrlich ignoriert. Der DOSB beziffert diesen Sanierungsstau auf 42 Milliarden Euro. Das ist eine Summe,
welche die Länder unmöglich allein stemmen können.
Daher fordert die Linke die Neuauflage eines bundesweiten Förderprogramms für Sportstättensanierung. Wir
haben das im Ausschuss zur Abstimmung gestellt; der
Antrag wurde von der Koalition leider abgelehnt.
Während der ersten Lesung habe ich auch die geplante Kürzung der Mittel für die Programme „Jugend
trainiert für Olympia“ und „Jugend trainiert für die Paralympics“ kritisiert. Das ist hier schon mehrfach angesprochen worden. Damals habe ich deutlich gemacht,
dass man versucht, finanzielle Streitigkeiten zwischen
Bund und Ländern auf dem Rücken von Schülerinnen
und Schülern auszutragen.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen:
Auch wir erwarten von den Bundesländern, dass sie ihre
Zusagen zur Mitfinanzierung der Nationalen Anti-DoDr. André Hahn
pingagentur einhalten. Weiter erwarten wir, dass die
NADA finanziell langfristig so ausgestattet wird, dass
sie die ihr übertragenen Aufgaben auch tatsächlich erfüllen kann. Die Hauptverantwortung dafür liegt beim
Bund. Die jetzt im Haushalt 2014 eingestellten Mittel
reichen perspektivisch nicht mehr aus.
Aber deshalb darf man doch nicht die Mittel für „Jugend trainiert für Olympia“ und „Jugend trainiert für die
Paralympics“ kürzen. Linke und Grüne haben im Sportausschuss beantragt, die geplante Halbierung der Zuschüsse für 2014 und die Streichung der Zuschüsse für
2015 komplett zurückzunehmen.
({1})
Wir haben darauf gedrängt, dass der Schachsport weiter unterstützt wird. CDU/CSU und SPD haben dies im
Sportausschuss abgelehnt. Man stimmt eben in diesem
Haus selbst den vernünftigsten Anträgen der Opposition
nicht zu. Erst in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses wurde dies korrigiert. Die Mittel für „Jugend trainiert für Olympia“ wurden wieder eingestellt,
und der Schachsport wird in Zukunft gefördert. CDU/
CSU und SPD stellen dies nun als tolle Leistung dar, obwohl die eigenen Minister die Kürzungen im Haushalt
zuvor vorgesehen hatten. Beim THW lief es ähnlich ab.
Deshalb möchte ich zu diesem Verfahren etwas
Grundsätzliches sagen. Wie wäre es denn, wenn in den
Haushaltsentwürfen der Regierung endlich von vornherein die tatsächlich benötigten Mittel eingestellt werden
würden?
({2})
Ich bin es einfach leid, dass - wie in den von mir genannten Fällen - immer wieder Streichungen angedroht
und notwendige Anhebungen wider besseres Wissen
verweigert werden, in den Beratungen der Fachausschüsse die Anträge der Opposition - oft ohne Begründung - abgelehnt werden, die Koalition dann aber im
Haushaltausschuss die gleichen Anträge stellt, mit ihrer
Mehrheit beschließt und das dann als großen Erfolg verkauft. Mit solider Haushaltsberatung hat das nichts zu
tun. Dieser Kinderkram muss endlich aufhören.
({3})
Abschließend noch etwas zum Thema Geheimdienste. Hier sehen wir als Linke in der Tat erhebliche
Einsparpotenziale. Wir werden die NSA-Affäre ja noch
im Untersuchungsausschuss aufarbeiten. Schon nach
den ersten Anhörungen hochrangiger Sachverständiger
ist deutlich geworden, dass zum Beispiel die Auslandsaktivitäten des BND grundgesetzwidrig erfolgen und
keine rechtliche Grundlage haben. Konsequenzen? Bislang Fehlanzeige. Jedenfalls gibt es keine Reduzierung
der staatlichen Zuwendungen.
Erst vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass der
Neubau der BND-Zentrale in Berlin insgesamt mehr als
1 Milliarde Euro kosten wird, also doppelt so viel wie
ursprünglich geplant. Weitere 300 Millionen Euro sollen
eingesetzt werden, um den Auslandsgeheimdienst technisch aufzurüsten und noch mehr Überwachung zu ermöglichen. Ich sage auch: Wer wie das Bundesamt für
Verfassungsschutz bei der Spionageabwehr so offenkundig versagt hat, kann doch nicht ernsthaft damit rechnen,
dass die Linke hier einer Mittelerhöhung zustimmen
wird.
({4})
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Wir brauchen natürlich deutlich mehr Transparenz bei
der Geheimdienstkontrolle. Denn solche Skandale wie
die massenhafte Datenweitergabe des BND an die NSA
müssen öffentlich aufgeklärt werden und nicht nur in geheimen Sitzungen.
Wir werden im Herbst erneut Haushaltsdebatten führen. Ich sage schon jetzt: Aufstockungen der Mittel für
Soziales, für Bildung, für Kultur und auch für den Sport
werden wir natürlich unterstützen. Das ist ganz klar.
Nicht unterstützen werden wir die Bereitstellung von
Mitteln im größeren Umfang, die dazu dienen, die Ausspähung der Bürgerinnen und Bürger weiter auszubauen.
Wir wollen den Schutz der Bürger, Herr de Maizière.
Herr Kollege, kommen Sie jetzt bitte zum Schluss.
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. - Der
Minister hat dafür bisher leider nichts getan.
Herzlichen Dank.
({0})
Für die SPD spricht jetzt Michael Hartmann.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrter Herr Bundesminister de Maizière, der
Haushalt, den Sie zu verantworten haben, ist selten ein
Haushalt der Nettigkeiten und Gefälligkeiten. In diesem
Ressort geht es eher um die harten und komplizierten
Themen, die wir gemeinsam mit Ihnen im Innenausschuss zu vertreten haben. Umso besser ist es, wenn man
bei einem so breit aufgestellten Ressort nicht alleine
agiert. Sie haben ja selbst auf die vielen Implikationen
und Querschnittsaufgaben hingewiesen.
Besonders gut ist, dass wir bereits ein gutes halbes
Jahr nach Start der Großen Koalition erreicht haben,
dass Sie von Bundesjustizminister Heiko Maas und auch
von Aydan Özoğuz, der Staatsministerin im Kanzleramt,
partnerschaftlich und mit der nötigen sachlichen Kritik
Michael Hartmann ({0})
unterstützt werden. Zusammen wird daraus ein Paket,
das nicht mehr von Gegnerschaft geprägt ist, sondern
vom gemeinsamen Willen, bei der Integration sowie in
der Rechts-, Freiheits- und Sicherheitspolitik etwas zu
bewirken.
({1})
Insgesamt 19 Behörden sind Ihrem Bereich nachgeordnet. Mehr als 50 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dienen im weitesten Sinne dem Bundesinnenminister.
Das ist eine Herkulesaufgabe. Deshalb will ich von diesem Platz aus allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in
den unterschiedlichsten Behörden - ob beim Statistischen Bundesamt, beim Bundeskriminalamt, beim Verfassungsschutz, beim Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge und bei allen übrigen Behörden - deutlich
sagen: Wir wissen, was Sie für unser Land leisten, wir
sind Ihnen dankbar dafür, und wir stehen zu Ihnen, nicht
kritikfrei, aber doch mit loyaler Unterstützung für Ihre
pflichtgemäße Aufgabenerfüllung.
({2})
Besonders zu danken ist denjenigen, die für unsere Sicherheit zuständig sind. Deshalb war es gut und richtig,
dass es unsere Haushälter gemeinsam geschafft haben,
insbesondere für die Bundespolizei, bei der ja die Masse
der Polizistinnen und Polizisten im mittleren Dienst tätig
ist, ein Stellenhebungsprogramm auf den Weg zu bringen. Das war nicht einfach, auch was die Finanzierung
angeht; aber es war nötig. Denn das betrifft jene Polizistinnen und Polizisten, die bei Fußballeinsätzen, bei
Castortransporten, bei Ereignissen wie dem 1. Mai in
Berlin-Kreuzberg oder im Hamburger Schanzenviertel
den Rücken und den Kopf für unsere Sicherheit hinhalten, ohne zu klagen, und die ohne Ende Überstunden ansammeln.
({3})
Ihnen haben wir zu danken. Dieser Dank wird jetzt endlich auch in Geld ausgedrückt.
({4})
Ich sage an dieser Stelle aber gleichzeitig: Der Bund
tut hier seine Pflicht. Wir versuchen auch, den Status und
den Stand beim Personal zu halten, so gut es geht. Das
Gleiche sollten im Interesse einer Sicherheitspartnerschaft bitte auch die Länder tun,
({5})
und zwar ganz gleich, ob sie A- oder B-dominiert sind.
({6})
Es kann nicht sein, dass die Landespolizei abgebaut
wird,
({7})
man aber erwartet, dass die Bundespolizei als Hilfspolizist eingreift, meine Damen und Herren.
({8})
Das gibt es in allen Bundesländern. Ich rate uns allen, da
sehr vorsichtig zu sein und nicht nur auf die jeweils andere Partei zu blicken. Es gibt zu viele Länder, die zu
sehr bei der Polizei abgebaut haben. Deshalb müssen wir
uns als Bundesgesetzgeber vor unsere Truppe, vor die
Bundespolizei, stellen.
Die Sicherheitsbehörden werden in den nächsten Jahren nicht weniger, sondern mehr Aufgaben erhalten: ob
es um die Terrorbedrohung geht - hier gab es ja besorgniserregende Meldungen über Menschen, die aus
Deutschland in Bürgerkriegsgebiete ausreisen und vielleicht auch zurückkehren -, ob es - Herr Minister, Sie
haben dies völlig zu Recht als Schwerpunkt erwähnt um die Alltagskriminalität, etwa um Wohnungseinbrüche, geht, ob es darum geht, dass unsere Stadien von
manchen Leuten missbraucht werden, um Randale zu
machen und sich zu prügeln - richtig wäre es, dort Fußball zu genießen -, oder ob es um den großen, viel zu
lange unterschätzten Kampf gegen die organisierte Kriminalität geht.
({9})
Bei Rockern, bei der Mafia und im Bereich der Wirtschaftskriminalität gibt es Gewinnspannen, die unglaublich sind. Für das Rechtsempfinden der Bürgerinnen und
Bürger ist es wichtig, dass auch gegen jene, die in Kutten
auf Motorrädern sitzen - mittlerweile agieren sie ja häufig ohne Motorräder -, und gegen jene, die mit weißem
Kragen kriminelle Handlungen begehen, entschieden
vorgegangen wird, und zwar auch da mit null Toleranz,
meine Damen und Herren.
({10})
Damit die Sicherheitsbehörden erfolgreich arbeiten
können - Herr Hahn, da unterscheiden wir uns in der Tat
sehr -, brauchen sie Personal, Technik und internationale
Zusammenarbeit. Damit diese internationale Zusammenarbeit in geordneten Bahnen und korrekt verläuft,
müssen wir mit unserem wichtigsten Partner in Sicherheitsfragen, den USA, wenn nötig harte Gespräche führen. Denn eines ist klar: Wir verteidigen gemeinsame
Werte, die USA genauso wie wir. Aber wenn man mit
der massenhaften Ausspähung befreundeter Nationen
beginnt, dann stellt man diese Werte natürlich infrage.
Auch deshalb werden wir den kritischen Dialog fortsetzen.
({11})
Wenn wir aber zugleich wollen, Herr Hahn, dass unser Land nicht von den Brosamen, die uns andere geben,
abhängig ist, dann gibt es nur eine Antwort: Wir dürfen
bei den Sicherheitsbehörden weder Personal noch Technik abbauen, sondern sie müssen besser werden. Sie
müssen mehr Geld, mehr Technik und gutes Personal bekommen, um die Sicherheit unseres Landes zu garantieren.
({12})
Michael Hartmann ({13})
Innere Sicherheit bedeutet für diese Koalition, dass
wir jetzt und in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren auch die Aufarbeitung des Skandals um das Wirken
des sogenannten NSU im Auge haben werden. Diese
Schande ist noch nicht getilgt. Es ist nicht vergessen,
dass Sicherheitsbehörden und Justiz beim Kampf gegen
dieses Mördertrio, das durch unser Land gezogen ist,
versagt haben. Daher werden wir den ohnehin erforderlichen Umbau unserer Sicherheitsbehörden fortsetzen und
forcieren.
Wir werden uns genau überlegen, wie sogenannte VPersonen besser und kritischer geführt werden können.
In diesem Zusammenhang werden wir in dieser Koalition auch das Bundesverfassungsschutzgesetz erheblich
reformieren. Wir werden aber auch darauf achten, dass
in den Behörden mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
tätig sind, die über eine interkulturelle Kompetenz verfügen.
Wir wollen mehr Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, und wir wollen auch mehr Austausch zwischen den Sicherheitsbehörden. Nicht Eifersüchteleien
und Eitelkeiten dürfen dominieren, sondern alleine die
Antwort auf die Frage, ob unsere Sicherheit im Kampf
gegen Nazis gewährleistet wird.
({14})
Dazu ist eine andere Haltung nötig. Ich glaube, es ist
manchmal schwieriger, an der Haltung zu arbeiten, als
ein Gesetz bzw. einen Paragrafen zu verändern, wie wir
jetzt ziemlich fraktionsübergreifend, Frau Mihalic, feststellen, da wir uns leider wieder mit dem verstorbenen
V-Mann „Corelli“ befassen müssen. Die Fragen, die dort
gestellt werden müssen, sind für uns - ich glaube, fraktionsübergreifend - noch lange nicht beantwortet.
Wenn ich über Konsequenzen aus dem spreche, was
wir durch das Agieren des Mördertrios, genannt NSU,
erlebt haben, dann sage ich zugleich auch: Keiner von
uns darf es zulassen, dass Zuwanderer und Flüchtlinge
primär als ein Sicherheitsproblem angesehen werden.
Wenn wir die Menschen nur so darstellen und sie gar diffamieren, dann machen wir die Tür für jene auf, die tatsächlich Hetze betreiben.
({15})
Wenn Dinge nicht stimmen, Auswüchse vorhanden
sind und Missbrauch stattfindet, muss, darf und wird der
Staat reagieren. Zeigen wir aber bitte doch, dass dieses
Land bereits seit langem und auch in Zukunft ein Land
ist, das alle, die zu uns kommen und bereit sind, unsere
Gesetze und Spielregeln einzuhalten, willkommen heißt.
Ich finde es daher gut, dass wir mit der doppelten Staatsbürgerschaft sehr bald ein sehr deutliches gesetzliches
Signal dafür setzen werden.
({16})
Herr Minister, meine Damen und Herren, wir werden
auch sehr bald ein IT-Sicherheitsgesetz auf den Weg
bringen. Auch das ist eine Konsequenz nicht nur aus
dem NSA-Skandal, sondern auch daraus, dass wir beim
Schutz unserer Kommunikationssysteme insgesamt besser werden müssen. Das gilt für die Bürgerinnen und
Bürger, das gilt für die Einrichtungen des Bundes und
der Verwaltung auf allen Ebenen, und das gilt auch für
die gewerbliche Wirtschaft, die übrigens die größte Datenkrake in unserem Land ist; das sind keineswegs die
Sicherheitsbehörden.
({17})
Wenn wir über dieses IT-Sicherheitsgesetz reden,
dann werden wir natürlich darauf achten müssen, dass
niemand das Kind mit dem Bade ausschüttet. Das will
keiner von uns. Es ist aber klar, dass auch die Wirtschaft
in der Pflicht ist, sorgsam mit Daten umzugehen. Das bedeutet, wir brauchen bei Firewalls und Ähnlichem Standards, die hoch genug sind. Daneben brauchen wir eine
Meldepflicht für erfolgte und erfolgreiche Angriffe auf
die IT-Systeme von Wirtschaftsunternehmen.
({18})
Sie sehen, wir haben uns in der Innenpolitik viel vorgenommen. Angepfiffen ist bereits. Die erste Halbzeit ist
noch nicht vorbei. Ich bin mir sicher, dass wir in der eigenen Mannschaft, die größer und bunter geworden ist,
wie das in der Bundesliga und bei der WM auch der Fall
ist, fair spielen werden, und wir werden auch mit all jenen fair spielen, die auf der anderen Seite spielen. Die
Einladung dazu besteht; die Themen geben es her. Lassen Sie uns insgesamt an einer guten Innenpolitik für
Deutschland arbeiten.
Vielen Dank.
({19})
Vielen Dank. - Für Bündnis 90/Die Grünen spricht
jetzt Irene Mihalic.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe
Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Hartmann, Sie haben
vorhin die gute Stimmung betont, die wir im Innenausschuss hatten und auch jetzt hier in der Debatte erlebt haben. Auch auf die Gefahr hin, dass ich jetzt vielleicht für
etwas Missstimmung sorge, muss ich leider sagen: NSU,
NSA und auch die BKA-Affäre legen den Finger in die
gleiche Wunde. Sie stellen nun einmal die Prämissen der
aktuellen deutschen Sicherheitsarchitektur grundsätzlich infrage.
({0})
Unsere Sicherheitsbehörden sehen und wissen Dinge,
die sie nicht sehen und wissen sollen, Dinge, die sie
schlicht nichts angehen. Andererseits analysieren und ermitteln sie nach Mustern, die sie für die wirklichen Bedrohungen in unserem Land blind machen. Beides, also
das Ausspähen und das systematische Nichtsehen, pas3918
siert zur gleichen Zeit am jeweils falschen Ort. Das muss
sich dringend ändern.
({1})
Leider, Herr Minister de Maizière, haben Sie Ihren
Haushalt ganz an dieser Grundsatzproblematik vorbei
aufgestellt. So werden wir den Dreh, den wir in der festgefahrenen Innenpolitik brauchen, nicht hinbekommen.
Man könnte beispielsweise bei den Konsequenzen aus
dem NSU-Terror anfangen. Ich erkenne keinen einzigen
Haushaltstitel, der diesem Thema wirklich systematisch
Rechnung trägt. Selbst bei den Programmen, die bundesweit zivilgesellschaftliche Initiativen unterstützen sollen, vermeiden Sie es, einen klaren Zweck zu bestimmen. Sie können sich nicht dazu durchringen, zu sagen:
Wir fördern konkrete Projekte gegen Rechtsextremismus
oder andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. - Nicht nur, dass der vorgesehene Ansatz viel
zu niedrig ist, Sie verteilen das wenige Geld auch noch
nach dem Gießkannenprinzip ohne jeden Schwerpunkt.
Auch ansonsten verzichten Sie auf konkrete Maßnahmen, die sich aufgrund der Erfahrungen zum NSU geradezu aufdrängen. Ich will Ihnen noch ein Beispiel nennen. Die polizeilichen Ermittlungen damals haben sich
in vielen Fällen völlig zu Unrecht auf das Umfeld der
Opfer fokussiert. Die Angehörigen fühlten sich vielfach
falsch behandelt und standen den Behörden ihrer Wahrnehmung nach ohnmächtig und oft sehr hilflos gegenüber. Es gab für sie keine adäquate Möglichkeit, die Vorwürfe gegen sie zu klären.
Aber auch Polizistinnen und Polizisten, die ohne hierarchisch verordneten Tunnelblick ermitteln wollten,
wurden mehrfach durch Anordnungen von oben an einem sachgerechten Vorgehen gehindert. Ich will da das
Beispiel des Thüringer LKA-Präsidenten Werner Jakstat
nennen; Sie erinnern sich vielleicht daran. Er hatte 2003
mutmaßlich einem jungen Polizisten, der auf einer ganz
konkreten Spur bezüglich Uwe Böhnhardt gewesen war,
unmissverständlich den Hinweis gegeben: Fahren Sie ruhig raus. Ermitteln Sie. Aber bitte kriegen Sie da nichts
raus.
Diese Beispiele, die zu Unrecht beschuldigten Opferfamilien und der ausgebremste Polizist, machen es doch
überdeutlich: Wir brauchen im Bund und in den Ländern
unabhängige Polizeibeauftragte, die sich solcher Beschwerden und Hinweise annehmen,
({2})
Polizeibeauftragte, die, wo das gewünscht ist, Anonymität zusichern, die Mediation und Anrufungsmöglichkeiten für Polizisten außerhalb des Dienstweges bieten und
dem Parlament durch regelmäßige Berichte einen unverstellten Blick auf die Polizei ermöglichen. Es kann doch
nicht sein, dass die einzige Institution, die Trägerin des
staatlichen Gewaltmonopols im Innern ist, keiner direkten parlamentarischen Kontrolle unterliegt. Genauso wie
wir unbestritten einen Wehrbeauftragten brauchen, brauchen wir endlich einen Polizeibeauftragten für die Bundespolizei und das BKA.
({3})
Auch für den dringend erforderlichen Neustart des
Verfassungsschutzes wäre in Ihrem Haushalt ein positives Signal möglich gewesen, aber dazu findet sich
nichts. Doch, es findet sich etwas; ich muss mich an dieser Stelle korrigieren. Eine Sache ist enthalten: Als Belohnung für das dramatische Versagen beim Erkennen
des NSU und als Belohnung für maximale Intransparenz
sowie als Belohnung dafür, dass mit Steuergeldern über
Nazi-V-Leute rechtsextremistische Strukturen gestärkt
wurden, erhält das Bundesamt für Verfassungsschutz
einfach einmal 3 Millionen Euro mehr.
({4})
Damit lautet Ihre Botschaft: Versagen muss sich wieder
lohnen.
({5})
Seit heute ahnen wir auch, wofür es diese 3 Millionen
Euro zusätzlich gibt, nämlich mutmaßlich für das Ausspähen sozialer Netzwerke. Da darf der Verfassungsschutz natürlich dem BND in nichts nachstehen. Aber
die Schwachstelle des Verfassungsschutzes ist ja nicht,
dass er nicht gut informiert ist, sondern das, was am
Ende mit diesen Informationen passiert. In Sachen Intransparenz stehen Sie, Herr Minister, Ihrer Behörde
leider in nichts nach: Wofür die 3 Millionen Euro zusätzlich vorgesehen sind, haben wir nicht von Ihnen erfahren, sondern heute Morgen aus der Zeitung.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz braucht nicht
mehr Geld, sondern in jeder Hinsicht eine völlig neue
Struktur. Das zeigt auch der aktuelle Verfassungsschutzbericht; denn um Zeitungswissen zusammenzutragen
und die polizeiliche Kriminalstatistik auszuwerten, brauchen wir den Verfassungsschutz nicht.
({6})
Die Inlandsaufklärung muss völlig neu aufgestellt werden und sich dabei den Prinzipien eines demokratischen
Rechtsstaates unterordnen und darf nicht daran vorbei
ein selbstbezogenes Spiel betreiben.
({7})
Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch
vor der Sommerpause des ersten Jahres der 18. Wahlperiode werden wir schon zwei Untersuchungsausschüsse haben, die sich jeweils mit dem fragwürdigen
Agieren von Polizei und Nachrichtendiensten befassen
müssen. Wenn Ihnen selbst durch diesen Umstand nicht
auffällt, dass wir in der Sicherheitsarchitektur dieses
Landes große Probleme haben, dann kann ich Ihnen
auch nicht helfen.
Fakt ist aber, dass Ihr Haushalt unsere Sicherheitsbehörden weder transparenter und demokratischer noch effektiver macht. Damit werden Sie Ihrer innenpolitischen
Verantwortung nicht gerecht. Daran sollten Sie auf jeden
Fall beim nächsten Haushaltsentwurf arbeiten. Wir werden Sie daran messen.
Vielen Dank.
({8})
Vielen Dank. - Thomas Strobl ist jetzt der nächste
Redner für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt des Bundesministers des Innern umfasst eine breite Palette von Themen. Ich möchte zu drei
Punkten etwas sagen: Erstens. Wie können wir Menschen mit ausländischen Wurzeln noch besser in unserem Land integrieren? Zweitens. Was machen wir mit
Menschen, die unseren freiheitlich-demokratischen Staat
und unsere Art, zu leben, hasserfüllt bekämpfen? Zum
Dritten möchte ich ein paar Sätze zu dem Thema „digitale Revolution“ sagen.
Erstens. Der Haushalt des Bundesministers des Innern
zeigt deutlich, dass Deutschland ein Integrationsland geworden ist. Zahlreiche Menschen kommen aus anderen
Staaten der Europäischen Union nach Deutschland, weil
sie hier arbeiten, eine Ausbildung machen oder studieren
wollen. Im letzten Jahr sind 1,2 Millionen Menschen
nach Deutschland zugewandert. Nach Abzug der Fortgezogenen bleibt ein Überschuss von 430 000 Menschen.
Das ist der höchste Wert seit über zwei Jahrzehnten.
Das zeigt: Deutschland ist ein weltoffenes Land. Darüber freuen wir uns.
({0})
Wir sind ein Land, das aktiv erhebliche Mittel für die
Integration der hier lebenden Ausländer aufwendet. Weil
die Zuwanderungszahlen so stark gestiegen sind, haben
wir in diesen Haushaltsberatungen die Mittel für Integrationskurse um 40 Millionen Euro auf nunmehr 244 Millionen Euro erhöht. Damit ist sichergestellt, dass grundsätzlich jede und jeder, die oder der einen Integrationskurs
besuchen möchte, dies auch tun kann. Das ist wichtig
und richtig,
({1})
weil diese Integrationskurse die deutsche Sprache vermitteln, Herr Kollege Beck, und ein wichtiger Baustein
unserer insgesamt so erfolgreichen Integrationspolitik
sind. Diese Mittel haben wir jetzt abgesichert und stabilisiert. Das zeigt deutlich: Diese Koalition aus SPD und
CDU/CSU handelt in diesen Fragen.
({2})
Aber natürlich müssen wir einräumen: Es gibt immer
noch Felder, in denen die Integration besser werden
kann. Wir haben noch nicht den Zustand erreicht, dass
wir uns zurücklehnen könnten. Das gilt insbesondere für
den Bildungsbereich und für den Arbeitsmarkt.
Junge Menschen mit ausländischen Wurzeln sind
zwar besser ausgebildet, als ihre Eltern und Großeltern
es waren, aber leider haben viele junge Menschen mit
ausländischen Wurzeln immer noch keinen Berufsabschluss. Unter den 30- bis 34-Jährigen haben 35 Prozent
der Menschen mit Migrationshintergrund keinen Berufsabschluss. Das ist mehr als das Dreifache der deutschen
Bevölkerung, bei der es 11 Prozent sind. Das hat Konsequenzen für den Arbeitsmarkt. Deswegen ist die Arbeitslosigkeit unter Ausländern ungefähr doppelt so hoch wie
die unter den Deutschen. Das hängt unmittelbar miteinander zusammen.
Wir müssen die Leistungsbereitschaft, die es ja gibt,
fordern und fördern. Das ist ein Thema für die Schulen,
die Kommunen, die Länder und natürlich auch für den
Bund. Die beste Integration findet nicht im Arbeitsamt,
sondern in der Ausbildung und an den Schulen statt.
Deswegen müssen wir in diesen Bereich weiter investieren und die Potenziale, die es bei Menschen mit ausländischen Wurzeln und insbesondere bei den jungen Menschen unter ihnen gibt, noch besser fördern.
({3})
Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen, ein Phänomen aus dem Sicherheitsbereich, das uns seit einiger
Zeit große Sorgen bereitet. Das sind die aus Syrien zurückkehrenden Dschihadisten. Junge Menschen in unserem Land radikalisieren sich, reisen nach Syrien, ziehen
dort in den Bürgerkrieg und kehren schließlich völlig
verblendet und radikalisiert nach Deutschland zurück.
Hier besteht ein erhebliches Gefahrenpotenzial, dem wir
fest und entschlossen begegnen müssen. Gegen die Menschen, die aus Syrien radikalisiert nach Deutschland
heimkehren, müssen wir die schärfsten Mittel des
Rechtsstaats einsetzen. Wir müssen beispielsweise über
Einreiseverbote nachdenken. Denjenigen, die als ausländische Kämpfer aus freien Stücken in den Bürgerkrieg
nach Syrien ziehen und dann zurückkommen, um mit radikalen Methoden unseren Staat zu bekämpfen, müssen
wir sagen: Ihr habt das Gastrecht verwirkt. Ihr werdet in
Zukunft mit einem Einreiseverbot belegt.
({4})
Wir müssen des Weiteren über Änderungen im Strafrecht nachdenken, beispielsweise über eine Strafverschärfung im Hinblick auf die Sympathiewerbung für
terroristische Vereinigungen. Solche Werbung bereitet
den Nährboden für terroristische Gewalt. Wir können als
Staat nicht früh genug ansetzen, dies klar zu verurteilen
und im Zweifel auch unter Strafe zu stellen.
Das dritte Thema, das ich ansprechen möchte, ist der
rasante Wandel in der Informationstechnologie, der in
Wahrheit eine digitale Revolution ist. Wie wir als Gesellschaft insgesamt in Bildung und Forschung, in der
Thomas Strobl ({5})
Erziehung unserer Kinder, in der Wirtschaft und im Gesundheitswesen mit diesem Thema umgehen, ist eine
Schlüsselfrage nicht nur der nächsten Jahre, sondern des
21. Jahrhunderts. Die digitale Revolution entscheidet darüber, ob wir als Wirtschaftsnation unseren Wohlstand
im 21. Jahrhundert erhalten und ausbauen können. Der
Rohstoff des 21. Jahrhunderts ist nicht Öl, Gas oder
Kohle, sondern Daten. Wir dürfen uns nichts vormachen: Die Politik, der Gesetzgeber, kann Rahmenbedingungen schaffen, die digitale Kompetenz fördern und
Anreize für eine sichere IT setzen. Aber Innovation,
neue Ideen, Kreativität und Wertschöpfung gehen von
den Menschen, der Wirtschaft und den Tüftlern in einem
freien Land aus. Sie gehen von denjenigen aus, die sich
mit diesen Themen befassen und es immer noch ein bisschen besser machen möchten.
Unsere Aufgabe ist, Leitplanken zu setzen. Das ist die
Aufgabe des Gesetzgebers und des Parlaments. Wir
müssen den rechtlichen Rahmen mit Bedacht setzen. Wir
müssen die Vernetztheit der Welt im Auge haben. Mein
Wunsch ist: Lasst uns bei diesem Thema nicht immer
nur die Risiken und die Probleme, sondern vor allem
auch die großen Chancen sehen, die die digitale Welt gerade für uns als Wirtschaftsland in Zukunft bietet, und
die Rahmenbedingungen entsprechend gestalten!
({6})
Ein ordentliches und nicht übertriebenes Datenschutzrecht ist ein entscheidender Standortfaktor für die
gesamte Europäische Union und sorgt dafür, dass wir als
Europäer auf dem globalen Markt mithalten können. Die
Wahrheit ist: Die erste Stufe der digitalen Revolution haben wir weitgehend verschlafen. Dieser Intercity ist
schon vorbeigefahren. Aber das ist nicht das Ende. Die
zweite Stufe kommt. Wir brauchen einen offenen
Rechtsrahmen, in dem sich die Kreativität, die es in unserer Wirtschaft durchaus gibt, entwickeln kann.
Das heißt, die digitalen Fragen reichen weit über das
eigentliche Datenschutzrecht hinaus. Fragen der IT-Sicherheit, Fragen der Cyberkriminalität, des Breitbandausbaus haben natürlich ihre eigene Bedeutung. Das Bundesinnenministerium als Grundsatzministerium ist genau
das richtige Ministerium, um all diese Entwicklungen im
Blick zu halten. Deswegen unterstützen wir Sie, Herr
Bundesinnenminister de Maizière, bei der Erarbeitung
einer digitalen Agenda 4.0 in Ihrem Grundsatzministerium, in dem alle Fäden zusammenlaufen sollen. Wir
wünschen Ihnen wie auch Ihren Kollegen Gabriel und
Dobrindt bei der Bewältigung dieser großen Herausforderung alles Gute.
Das Bundesinnenministerium ist für sehr vieles zuständig, unter anderem auch für den Sport. Das ist vermutlich die schönste Zuständigkeit, Herr Bundesinnenminister. Dazu gehört auch die wichtigste Nebensache
der Welt. In 65 Minuten beginnt ein wichtiges Fußballspiel. Ich darf, glaube ich, im Namen des ganzen Hauses
sagen: Wir wünschen der deutschen Mannschaft, wir
wünschen unseren Jungs einen siegreichen Abend.
Danke fürs Zuhören.
({7})
Vielen Dank. - Für die SPD hat jetzt Michaela
Engelmeier-Heite das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe jetzt die Aufgabe, in vier Minuten einen
Parforceritt durch den deutschen Sport zu machen. Ich
hoffe, es gelingt mir.
Heute ist ein guter Tag für den Sport. Ich freue mich,
dass es uns gelungen ist, die Sportförderung im Einzelplan 06 des Bundesministeriums des Innern deutlich aufzustocken.
({0})
2014 stellen wir in diesem Haushalt insgesamt knapp
165 Millionen Euro für die Sportförderung zur Verfügung. Davon gibt es knapp 140 Millionen Euro für die
Förderung des Spitzensports. Das heißt mehr Mittel für
die Olympiavorbereitung inklusive der Förderung des
deutschen Olympiateams, das heißt mehr Geld im Hinblick auf die Olympiastützpunkte und Bundesleistungszentren für bessere Rahmenbedingungen vor Ort sowie
mehr Unterstützung für den Behindertensport in Höhe
von 1 Million Euro. Das ist ein wichtiges Zeichen für
den deutschen Sport; denn für uns ist Inklusion nicht nur
ein Wort, sondern Inklusion ist ein wichtiges Element im
Sport, das uns in der SPD-Bundestagsfraktion ganz besonders am Herzen liegt.
({1})
Darüber hinaus wird die Projektförderung für das Institut für Angewandte Trainingswissenschaft, IAT, sowie
für das Institut für Forschung und Entwicklung von
Sportgeräten, FES, um 1 Million Euro aufgestockt. Für
uns sind das wichtige Partner im Sport. Auch die nichtolympischen Verbände werden gestärkt, und die Förderung des Schachsports bleibt erhalten.
Schließlich unterstützen wir mit zusätzlich 1 Million
Euro die Nationale Anti-Doping Agentur, NADA, in ihrem dringend notwendigen Kampf gegen Doping. Das
ist ein erster Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltig
und unabhängig finanzierten NADA. Wir werden schärfere gesetzliche Maßnahmen gegen Doping und Spielmanipulationen ergreifen. Sport steht für Werte wie Fairness und Respekt. Doping zerstört diese Werte, täuscht
die Akteure im Wettkampf, täuscht die Öffentlichkeit
und gefährdet die Gesundheit der Sportlerinnen und
Sportler.
Deshalb legen wir noch in diesem Jahr einen Entwurf
für ein Antidopinggesetz vor und erfüllen damit einen
weiteren Auftrag aus dem Koalitionsvertrag. In Bezug
auf die Antidopinggesetzgebung möchte ich mich ganz
besonders bei Innenminister de Maizière, Justizminister
Maas und Gesundheitsminister Gröhe für die gute
Kooperation der drei Ministerien und bei den vielen
Engagierten in den Ländern bedanken.
({2})
Ein Zeichen für gelungene Sportpolitik ist die Fortsetzung der Förderung und damit die Zukunftssicherung
der Wettbewerbe „Jugend trainiert für Olympia“ und
„Jugend trainiert für Paralympics“. Der Bund wird die
freiwillige Förderung der Schulsportwettbewerbe ab
2015 mit 700 000 Euro fortsetzen. Herr Dr. Hahn, nur
am Rande: Wir sind nicht beratungsresistent. Wir haben
uns für den Sport entschieden und uns entschlossen, für
2015 wieder die volle Förderung von 700 000 Euro in
den Haushalt einzustellen.
({3})
Mein Dank gilt allen Haushältern - Martin Gerster
und Norbert Barthle möchte ich nennen -, die uns in der
Forderung, diese Schulsportwettbewerbe zu retten, unterstützt haben. Natürlich geht mein Dank auch an die
AG Sport beider Koalitionsfraktionen für die konstruktive Zusammenarbeit, übrigens nicht nur in dieser Frage.
Die Mittelaufstockungen im Haushalt sind daher ein
Vertrauensvorschuss an den DOSB. Wir vertrauen dem
organisierten Sport. Wir werden dem Sport weiterhin als
wichtiger Partner mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn
es um Strukturveränderungen und die Reform der Leistungssportförderung geht. Wir zeigen unsere Stärke in
nachhaltiger Sportpolitik, verstehen uns als aktive Partner des Sports und wünschen uns viele neue Talente für
künftige Paralympische und Olympische Spiele - gerne
übrigens auch hier in Deutschland. Gemeinsam sind wir
der Förderung des Sports verbunden, und gemeinsam
sind wir stark für den Sport.
Auch wenn es um die Frage der Vergabe und die Gestaltung von internationalen sportlichen Großveranstaltungen geht, gibt es viel für uns zu tun. Ich wünsche mir,
dass die Zeitungen, wie im Vorfeld von Sotschi und Rio,
nicht nur davon geprägt sind, dass es soziale Missstände
beim Stadienbau, Menschenrechtsverletzungen und ökologische Desaster in den Ausrichtungsländern gibt. Ich
wünsche mir, dass die Zeitungen auch davon berichten,
mit welcher Freude Menschen Sport betreiben, dabei zuschauen und, wie aktuell bei der WM, mitfiebern. Im
Übrigen: Die Vergaberichtlinien für Sportgroßveranstaltungen bedürfen dringend einer Veränderung. Es kann
nicht sein, dass alles nur unter dem Motto „Höher,
schneller, weiter“ geht und nur noch Geld die Sportwelt
regiert.
({4})
Zum Schluss das heute Wichtigste. Ich wünsche - das
gilt bestimmt für uns alle - unseren Jungs der Fußballnationalmannschaft für das Spiel gegen die USA den maximalen Erfolg und den Einzug ins Achtelfinale. Sie haben
es verdient. Sie haben heute den Auftrag aus dem Deutschen Bundestag, als eine der wenigen übrig gebliebenen europäischen Mannschaften das WM-Turnier jetzt
einfach einmal zu gewinnen.
Danke.
({5})
Vielen Dank. - Eine Anmerkung für die nachfolgenden Redner: Wenn die Lampe „Präsident“ aufleuchtet,
zeigt das nicht an, dass ich noch da bin, sondern zeigt,
dass die Redezeit abgelaufen ist.
({0})
Das Wort hat jetzt Dr. André Berghegger, CDU/CSUFraktion.
({1})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr
Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Als - wenn ich richtig gezählt habe elfter Redner in dieser Debatte wird es sich nicht vermeiden lassen, das eine oder andere Thema noch einmal anzusprechen. Aber das mache ich bewusst; denn ich
glaube, die Themen sind es auf alle Fälle wert.
Frei nach Goethes Faust könnte ich sagen: Zwei Herzen schlagen in meiner Brust; denn als Mitglied des Innenausschusses und des Haushaltsausschusses habe ich
in den letzten Wochen und Monaten unterschiedliche
Herangehensweisen an das eine oder andere Thema festgestellt. Aber aus voller Überzeugung werbe ich heute
um die Zustimmung zu diesem Einzelplan. Ich denke
nämlich, dass es eine sehr gute Lösung ist, die uns vorgelegt worden ist.
Durch die Haushaltsplanberatungen haben sich noch
einige Änderungen ergeben; wir haben bereits mehrfach
davon gehört. Die Mittel wurden an verschiedenen Stellen aufgestockt, ohne aber unser übergeordnetes Ziel,
nämlich einen ausgeglichenen Haushalt und nächstes
Jahr einen Haushalt ohne neue Verschuldung, aus den
Augen zu verlieren. Deswegen an dieser Stelle Dank an
Bundesminister Schäuble für die gute Vorarbeit und den
Regierungsentwurf, Dank an Sie, Herr de Maizière, für
die Unterstützung aus Ihrem Haus und Dank an die Kolleginnen und Kollegen aus dem Haushalts- und dem Innenausschuss für die vertrauensvollen und konstruktiven
Beratungen.
Der Etat des Bundesinnenministers wird insgesamt
um rund 128 Millionen Euro aufgestockt. Das ist eine
gute, eine maßvolle Anhebung, vor allen Dingen ist sie
sehr seriös gegenfinanziert.
Ich möchte mich auf zwei Bereiche beschränken, deren wiederholte Erwähnung es aus meiner Sicht wert ist.
Der erste Bereich ist - ich hatte das Stephan Mayer
schon gesagt - das THW. Hier stocken wir die Mittel um
insgesamt 10 Millionen Euro zusätzlich auf. Wir alle
wissen - ich wiederhole das gerne -: Das Geld ist sehr
sinnvoll angelegt. Gut, dass es in diesen Beratungen
möglich war, so zu handeln. Die vielen ehrenamtlichen
Helfer leisten einen unschätzbar wertvollen Beitrag für
uns und unsere Gesellschaft sowohl im In- als auch im
Ausland; Kollege Brandl hatte es eben gesagt.
({0})
Die Naturgewalten sind es, die uns immer wieder vor
große Herausforderungen stellen und natürlich auch Tragödien verursachen. Wir alle haben die Bilder der jüngeren Vergangenheit noch vor Augen - die Stichworte sind
auch schon gefallen -: die Hochwasserkatastrophe aktuell auf dem Balkan und just vor einem Jahr die Hochwasserkatastrophe an der Elbe. Das THW, andere Hilfsorganisationen, die Bundeswehr und viele andere Helfer
haben wieder einmal einen bewundernswerten Einsatz
gezeigt, Menschen geholfen, Güter gerettet. All das
könnten wir alleine nicht leisten. An dieser Stelle herzlichen Dank dafür.
({1})
In diesem Sinne ist das THW aus meiner Sicht von
unschätzbarem Wert. Aber das THW hat auch einen
Preis; dessen müssen wir uns bewusst sein. Ich glaube,
aus voller Überzeugung versuchen wir alles, das THW
leistungsfähig zu erhalten. Jeder kennt es aus seinem
Wahlkreis: Wir wollen sehr gerne motivierte Helfer und
vor allen Dingen eine gute Ausrüstung. Deswegen bin
ich froh und glücklich, dass wir den Erwerb von Fahrzeugen und Materialien unterstützen und Verbesserungen bei der Aus- und Fortbildung in verschiedenen Bereichen bei den Ortsvereinen erzielen.
({2})
Der zweite Bereich, die IT-Sicherheit. Um insgesamt
18 Millionen Euro werden wir in Zukunft die Mittel für
den Ausbau und den Betrieb der Netze des Bundes und
weiterer zentraler IT-Infrastrukturen erhöhen. Herr
Minister, Sie haben es in Ihrer Keynote Anfang der Woche bei einer Konferenz zum Datenschutz und vorhin
auch noch einmal angesprochen: Unsere Gesellschaft ist
nach und nach geprägt von einer digitalen Normalität,
von einer digitalen Selbstverständlichkeit. Internet 4.0
und Internet der Dinge sind Begriffe, die noch nicht jeder kennt. Aber Tatsache ist auch: Unsere Wirtschaft Produktion, Dienstleistung und Handel - ist fast vollständig auf IT-Strukturen aufgebaut. Auch die kritischen
Infrastrukturen, wie zum Beispiel die Energienetze, sind
durch IT-Systeme gesteuert. Das bringt natürlich beim
Betrieb und bei der Betreuung ungemein große Vorteile,
schafft jedoch gleichzeitig auch neue Risiken. Deswegen
ist die Sicherheit der Infrastruktur ein hohes Gut und hat
hohe Bedeutung. Wir müssen das Vertrauen der Menschen in diese Infrastruktur, auch in die Digitalisierung,
erhöhen; denn das bringt am Ende sogar Wettbewerbsvorteile für unser Land. Ziel muss es sein, die IT-Infrastruktur, die IT-Sicherheit zu verbessern.
Durch das Projekt „Netze des Bundes“ sollen langfristig gemeinsame Infrastrukturen für die Bundesverwaltung aufgebaut werden. Dabei spielen die Stichworte
„moderne Sicherheitsarchitektur“ und „moderne Sicherheitsstruktur“ eine wichtige Rolle, um möglichen Gefahren und Risiken zu begegnen. Auch führende Fachleute
warnen nämlich mehr und mehr vor einer ungebremsten
Digitalisierung. Sie, Herr Minister, haben es verstanden,
die Risiken im Blick zu behalten, die wir gerade beschrieben haben, ohne aber die großartigen Möglichkeiten der Digitalisierung zu vernachlässigen. Das finde ich
sehr überzeugend. Insofern ist ein erhöhter Mitteleinsatz
sehr wichtig. Durch diesen Beitrag wird die IT-Infrastruktur sicherer, wird Vertrauen geschaffen, und so werden die Chancen einer Digitalisierung in den Vordergrund gestellt. Das ist uneingeschränkt zu begrüßen. Wir
unterstützen Sie dabei.
({3})
Da sich viele meiner Vorredner schon auf das kommende Ereignis bezogen haben, werde ich das auch tun.
({4})
Ich habe viel über Digitalisierung gesprochen. Ich
möchte jetzt aber mit einer ganz einfachen analogen
Fußballweisheit schließen: Das Runde muss in das
Eckige, und das möglichst oft.
({5})
In diesem Sinne wünsche ich unserer Mannschaft gleich
viel Erfolg.
Vielen Dank für das freundliche Zuhören.
({6})
Vielen Dank. - Nächster Redner ist Oswin Veith,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Ich bin jetzt wohl der Letzte hier heute. Schön, dass
Sie noch da sind.
({0})
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich freue mich, heute als Innenpolitiker für
meine Fraktion im Zuge der Haushaltsberatungen sprechen zu können. Es ist das erste Mal, dass ich an der Verabschiedung eines Haushaltes auf Bundesebene teilnehmen darf. Die letzten fast 20 Berufsjahre habe ich am
Hessischen Rechnungshof, als Bürgermeister und als Vizelandrat und Kämmerer meines Wahlkreises verbracht
und weiß also, wie das ist: Es ist immer das Ringen zwischen Haushältern und Fachpolitikern, zwischen mehr
Geld für den eigenen Politikbereich und strenger Haushaltsdisziplin.
Diese Haushaltswoche aber markiert eine finanzpolitische Zäsur von, wie ich meine, geradezu historischer
Dimension. Wir durchbrechen mit dem jetzt vorgelegten
Haushalt den seit über 45 Jahren andauernden Schuldenkreislauf, an dem alle Bundesregierungen mehr oder weniger fröhlich beteiligt waren. Dieser Haushalt ist daher
ein starkes Signal an die Menschen in unserem Land und
vor allem an die junge Generation.
({1})
Natürlich ist der Entwurf ein Kompromiss zwischen
unserem innenpolitischen Gestaltungsspielraum und der
vom Grundgesetz abverlangten Haushaltsdisziplin. Aber
er ist, wie ich finde, ein guter Kompromiss. Ich will den
Haushältern der Großen Koalition, insbesondere den
Kollegen Dr. Brandl und Dr. Berghegger, für die im Vorfeld der heutigen Lesung geleistete Arbeit sehr herzlich
danken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Deutschland ist eines der sichersten Länder. Wir setzen heute die
Rahmenbedingungen, die nötig sind, damit es morgen
noch sicherer wird. Zwei Drittel der Ausgaben im Innenressort entfallen auf die innere Sicherheit, der Großteil
davon auf die Arbeit unserer Bundespolizei. Das ist unser klares Bekenntnis zur hervorragenden Arbeit unserer
Sicherheitsbehörden. Wir als Große Koalition stehen
hinter den Beamtinnen und Beamten. Ihr Einsatz für die
Bürger unseres Landes verdient Anerkennung und Wertschätzung. Dafür danke ich hier öffentlich sehr herzlich.
({2})
Ein Blick auf die Kriminalstatistik zeigt, dass wir auf
einem guten Weg sind. Wir haben es gehört: Die Zahl
der Straftaten nimmt kontinuierlich ab, vor allem die
Zahl der Straftaten gegen Leib und Leben und die Zahlen der Gewaltkriminalität. Dies zeigt, dass der Trend
positiv ist. Das ist auch das Ergebnis von richtigen politischen Entscheidungen und entschlossenem Handeln
unserer Sicherheitsbehörden. Ich sage hier auch: Ohne
die Bemühungen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion der
letzten Jahre und ohne die Arbeit unserer Bundesinnenminister Dr. de Maizière und Dr. Friedrich wäre dieser
Erfolg nicht möglich gewesen. Auch ihnen gilt an dieser
Stelle unser besonderer Dank.
({3})
Zur inneren Sicherheit gehört auch der Brand- und
Katastrophenschutz. Bereits in der Vergangenheit hat das
Innenministerium die Feuerwehren in den Ländern bei
dieser wichtigen Aufgabe deutlich unterstützt, und es
wird dies auch in Zukunft tun. Hinzu kommt die Unterstützung des Technischen Hilfswerks. Ich freue mich,
dass es gelungen ist - wir haben heute schon mehrfach
davon gehört -, den Etat des THW um weitere 10 Millionen Euro auf 190 Millionen Euro zu erhöhen. Das ist
ein gutes Signal an die 80 000 freiwilligen THW-Helfer
in unserem Land und zugleich, wie ich meine, ein gutes
Signal für das gesamte Ehrenamt, das die Sicherheitsarchitektur in unsere Städten und Gemeinden maßgeblich
mitträgt.
({4})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen Menschen, die sich legal in Deutschland aufhalten, hier arbeiten und ihren Beitrag zum Gemeinwesen leisten, bei
der Integration besser unterstützen. Wir wollen es allen
Interessenten ermöglichen, einen Integrationskurs zu besuchen, dort die deutsche Sprache zu erlernen, um sich
mit den Lebensverhältnissen in Deutschland vertraut
machen zu können. Dafür haben wir den Mittelansatz
um 40 Millionen Euro erhöht. Wir stellen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 300 zusätzliche Stellen zur Verfügung und wollen damit die Zeit der Bearbeitung von Asylanträgen spürbar verkürzen. Hier durch
mehr Personal zu einer beschleunigten Bearbeitung der
Anträge zu kommen, ist für alle Beteiligten notwendig
und auch sinnvoll.
Eines gebe ich jedoch gern zu: Die Aufstockung von
Personal allein kann nur ein Baustein sein, wenn es darum geht, der Antragsflut Herr zu werden. Ein anderer
wichtiger Baustein ist die Anerkennung von Serbien,
Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten. Denn rund 25 Prozent der in Deutschland
gestellten Asylanträge stammen von Bewerbern aus den
genannten Ländern. Obwohl ihre Erfolgsaussichten sehr
gering sind - sie liegen im Schnitt bei unter 1 Prozent -,
werden sie im Rahmen der bestehenden Quotenregelung
zur Unterbringung auf die Kommunen verteilt. Das verstärkt die großen Probleme unserer kommunalen Familie, geeignete Unterkünfte bereitzustellen. Das wollen
wir ändern. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt vor;
aber der Bundesrat muss mitziehen. Mein Appell geht
daher an alle Landesregierungen, sich auch zum Wohle
der Kommunen einzusetzen.
({5})
Öffentliche Dienstleistungen haben in Deutschland
eine hohe Qualität. Das ist nur möglich, weil wir einen
leistungsfähigen und verlässlichen öffentlichen Dienst in
unserem Land haben, auf den wir alle stolz sein können.
Wir wollen diesen leistungsbereiten und leistungsstarken
öffentlichen Dienst trotz des demografischen Wandels
und trotz des sich verschärfenden Wettbewerbs mit der
Wirtschaft weiter zukunftsfähig halten. Einen ersten Beitrag dazu leistet der Bund in diesem Jahr, indem er den
Tarifabschluss für die Beschäftigten des öffentlichen
Dienstes eins zu eins umsetzen wird. Der Gesetzentwurf
liegt vor, und das Gesetz wird in Kürze verabschiedet.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich komme
zum Schluss. Wir haben es uns mit diesem Haushalt
nicht leicht gemacht. Wir wollen den Pfad der Verschuldung schnellstens verlassen und haben keine Forderungen gestellt, die nicht seriös gegenfinanziert sind. Das,
meine Damen, meine Herren, unterscheidet uns als Koalition von der Opposition,
({6})
und das ist auch unsere Verantwortung den Menschen in
unserem Land gegenüber. Trotz der knappen finanziellen
Mittel ist es uns gelungen, in der Innenpolitik auch diesmal klare politische Akzente zu setzen. Das ist der richtige Weg.
Vielen Dank. - Uns allen ein spannendes Spiel!
({7})
Vielen Dank. - Der Kollege Veith hat es schon erwähnt; er war der letzte Redner in dieser Debatte.
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Ich schließe damit die Aussprache.
Ehe Sie alle jetzt zum Fußball gehen, haben wir noch
einige Abstimmungen durchzuführen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 06
- Bundesministerium des Innern - in der Ausschussfassung. Hierzu liegen ein Änderungsantrag der Fraktion
Die Linke sowie ein Änderungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor, über die wir zuerst abstimmen.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/1856? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist mit
den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/1857? - Wer
stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion
Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 06 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 06 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke angenommen.
Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 27. Juni 2014, 9 Uhr,
ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche allen viel
Spaß beim Fußballspiel nachher. - Danke schön.