Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 19 a bis 19 c auf:
a) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes über Leistungsverbesserungen in
der gesetzlichen Rentenversicherung
({0})
Drucksache 18/909
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales ({1})
Drucksache 18/1489
- Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
Drucksache 18/1490
b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Sabine Zimmermann ({3}),
Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, weiteren
Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Erwerbsminderungsschutzes
Drucksache 18/9
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales ({4})
Drucksache 18/148
c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
({5})
- zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias
W. Birkwald, Sabine Zimmermann ({6}), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE
Vollständige Gleichstellung und gerechte
Finanzierung der Kindererziehungszeiten
in der Rente umsetzen - Mütterrente verbessern
- zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias
W. Birkwald, Sabine Zimmermann ({7}), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE
Rentenniveau anheben, Leistungen verbessern und die wesentlichen Ursachen für
sinkende Renten und Altersarmut bekämpfen
Drucksachen 18/765, 18/767, 18/1489
Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegen
drei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor. Des
Weiteren liegen ein Entschließungsantrag der Fraktionen
der CDU/CSU und der SPD sowie je ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke und der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor. Über die drei Änderungsanträge sowie über den Gesetzentwurf der Bundesregierung werden wir später namentlich abstimmen. Insgesamt werden wir vier namentliche Abstimmungen
durchführen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Bundesministerin Andrea Nahles.
({8})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In
den letzten 15 Jahren haben wir in diesem Haus weitreichende Reformen beschlossen, Reformen, die Deutschland und Europa stabilisiert haben. Diese Reformen haben auch den Wohlstand in Deutschland gesichert.
Durch eine kluge Politik wurden neue Spielräume eröffnet. Zu diesen Reformen haben die Bürgerinnen und
Bürger unseres Landes einen enormen Beitrag geleistet.
Wir haben ihnen auch einiges abverlangt. Für viele war
das nicht einfach. Mit dem heute vorliegenden Renten3180
paket können wir nun die Arbeit und die Lebensleistung
unserer Bürgerinnen und Bürger würdigen. Wir können
ein deutliches Signal setzen, dass vom Wohlstand in diesem Land auch diejenigen profitieren, die ihn mit geschaffen haben.
({0})
Das ist der Kern des Rentenpaketes, das heute hier vorliegt.
Nicht nur harte Arbeit und die Reformfähigkeit unseres Landes haben dazu beigetragen, dass wir heute Vorreiter in Europa sind. Es liegt auch und nicht zuletzt am
Zusammenhalt in unserem Land, an unserer Bereitschaft, füreinander einzustehen, an einer starken Sozialpartnerschaft. Es liegt, mit anderen Worten, an gelebter
Solidarität: Solidarität zwischen Jungen und Alten, zwischen Reichen und Armen, Starken und Schwachen.
Dass unsere Sozialsysteme stabil sind, ist aber kein
Selbstläufer. Sie müssen immer wieder erneuert und angepasst werden. Genau da setzt das Rentenpaket an. Die
Menschen nehmen es im Übrigen auch so wahr. Eine
überwiegende Mehrheit in unserem Land sagt: Dieses
Rentenpaket ist gerecht und notwendig.
({1})
Dass Leistung und Solidarität in der richtigen Balance
sind, haben wir uns in den letzten Monaten zusammen
erarbeitet. Mein Dank geht deshalb zuallererst an die Regierungsfraktionen. Gemeinsam haben wir gute Lösungen zur Verhinderung missbräuchlicher Frühverrentungen gefunden und auch flexiblere Übergänge in die
Rente ermöglicht. Das hat die Sache rund gemacht. Der
konstruktive Einsatz der beiden Fraktionsvorsitzenden
hat im Schlussspurt viel zum Gelingen beigetragen. Deswegen möchte ich Ihnen, lieber Volker Kauder, und auch
dir, lieber Thomas Oppermann, meinen persönlichen
Dank für diese gute Zusammenarbeit aussprechen.
({2})
Genauso wichtig wie die genannten beiden Punkte ist
mir, dass wir uns darüber verständigen konnten, kurze
Zeiten der Arbeitslosigkeit bei der Rente ab 63 anzuerkennen. Das ist nur fair, meine lieben Kolleginnen und
Kollegen.
({3})
Menschen und Medien in unserem Land behaupten
gern, die großen Parteien seien nicht mehr unterscheidbar. Die Debatte der letzten Monate und das Ringen um
das Rentenpaket haben gezeigt, dass es Unterschiede
gibt. Aber Union und SPD haben auch gezeigt, dass wir
in der Lage sind, mit der notwendigen Ernsthaftigkeit,
mit solidem politischem Handwerk
({4})
und mit dem Blick fürs Ganze zu guten Ergebnissen zu
kommen. Unser gemeinsames Ziel ist es, dass es den
Menschen in unserem Land gut geht. Unser gemeinsames Ziel ist es, dass Leistung sich lohnt und anerkannt
wird. Unser gemeinsames Ziel ist es, gelebte Solidarität
als Grundprinzip unserer Gesellschaft zu stärken.
({5})
Deshalb ist das, was wir heute vorlegen, ein gutes Ergebnis für den Zusammenhalt und die Stabilität in Deutschland.
Mit der Stärkung des Prinzips „Reha vor Rente“ sorgen wir dafür, dass Menschen erst gar nicht in die Erwerbsminderung kommen. Mit der Verbesserung der Erwerbsminderungsrente sorgen wir für Solidarität mit
denen, die wirklich nicht mehr können. Mit der Mütterrente erkennen wir die großartige Leistung von Millionen Müttern und auch Vätern an. Das ist nicht geschenkt. Mit der abschlagsfreien Rente mit 63 geben wir
denen Anerkennung, die früh angefangen und 45 Jahre
lang ihren Beitrag geleistet haben. Das ist verdient.
({6})
Zu guter Letzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, schaffen wir die Möglichkeit, dass die, die länger arbeiten
wollen, das auch können.
({7})
Wir passen die Rente den veränderten Lebensbedingungen der Menschen in unserem Land an. Die Arbeitswelt hat sich verändert. Die Biografien haben sich verändert. Die Lebenswege sind nicht mehr so vorgezeichnet,
nicht mehr so planbar wie in der Vergangenheit. So kann
eben beides sein: Wer 45 Jahre hart gearbeitet hat, soll
früher ohne Abschläge gehen; wer noch fit ist und weitermachen möchte, soll länger arbeiten dürfen. Das ist
eben: Rente flexibler machen.
({8})
Wir passen die Rente den veränderten Lebensbiografien
an, und wir haben damit gerade erst begonnen.
Aus all diesen Gründen bitte ich Sie sehr herzlich um
Ihre Zustimmung. Ich bitte Sie auch noch aus einem anderen Grund um Zustimmung. Mit diesem Rentenpaket
lösen wir ein, was wir den Menschen versprochen haben.
Mit diesem Rentenpaket halten wir Wort. Auch das ist
ein wichtiges und gutes Signal für unsere Bürgerinnen
und Bürger.
Vielen Dank.
({9})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort Matthias W.
Birkwald, Die Linke.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bundesministerin Nahles, mit Ihrem Rentenpaket haben Sie durchaus etwas geschafft:
Erstens. Millionen Mütter, die ihre Kinder vor 1992
bekommen haben, werden sich am 1. Juli freuen, dass
die Erziehung ihrer Kinder in der Rente besser anerkannt
wird,
({0})
vor allem im Westen, etwas weniger im Osten.
Zweitens. Der im Juli 1951 geborene Industriemechaniker und die im Dezember 1952 geborene Verkäuferin,
die beide 45 Jahre Beiträge in die Rentenkasse gezahlt
haben, werden sich freuen, in diesem bzw. im kommenden Jahr an ihrem 63. Geburtstag ohne Abschläge in
Rente gehen zu können.
({1})
Drittens - Frau Nahles, Sie können übrigens zuhören;
ich lobe Sie - wird sich die Altenpflegerin mit dem völlig kaputten Rücken, die am 1. Juli in Erwerbsminderungsrente gehen muss, über durchschnittlich 36 Euro
mehr Erwerbsminderungsrente freuen.
Ja, manches wird besser.
({2})
Das ist gut, und das erkennt die Linke ausdrücklich an.
({3})
Aber vieles bleibt so schlecht, wie es ist. Das Rentenniveau sinkt für alle. Daran ändern Sie nichts.
({4})
Das heißt, der Lebensstandard der Rentnerinnen und
Rentner sinkt immer weiter.
({5})
Sie halten am Zwang zur privaten Altersvorsorge fest,
und Sie halten an der unsäglichen Rente erst ab 67 fest.
Das, Frau Nahles, ist unverantwortlich.
({6})
Meine Damen und Herren, der 28-jährige Programmierer Jens Patzke aus Köln sagt zu diesen Sündenfällen, also der Rentenkürzung und der Rente erst ab 67,
klipp und klar: Ich würde gerne zwei, drei Prozent mehr
Rentenbeitrag zahlen, damit wir alle mehr Rente bekommen und früher in Rente gehen können.
Das ist nachzulesen in der aktuellen metallzeitung.
Jens Patzke sagt zur Rente ab 63 bzw. 65: Es wäre gerechter, wenn die Rente ab 63 für alle gelten würde.
- Recht hat er. Die Altersgrenze soll nicht auf 65 ansteigen - auch für die Jungen nicht.
({7})
Er erkennt in dem Interview auch die Lebensleistung
seiner älteren Kolleginnen und Kollegen neidlos an, im
Gegensatz zu den vielen Gegnern der Rente ab 63 in der
CDU/CSU und auch im Gegensatz zu vielen Grünen.
Die Grünen lehnen nämlich das Rentenpaket ab, weil es
ihnen viel zu weit geht. Wir Linken enthalten uns bei der
Abstimmung über das Rentenpaket, weil es uns nicht
weit genug geht.
({8})
Wir Linken werden uns enthalten, weil das Rentenpaket
viel zu gut ist, um es abzulehnen, und weil es viel zu
schlecht ist, um zuzustimmen.
({9})
Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, vor vier
Tagen sind Sie bei Ihrem sogenannten Rentenkompromiss wieder einmal vor dem CDU-Wirtschaftsflügel des
Herrn von Stetten eingeknickt. Okay, Sie wollen, dass
Ältere auch nach Erreichen ihrer Regelaltersgrenze in ihrem Job weiterarbeiten können. Das ist gut und schön.
Ich freue mich über jede 65-jährige Buchhalterin, die in
einem guten Betrieb zu einem guten Gehalt arbeitet, sich
fit fühlt und sich dann mit ihrem Chef darauf einigt, weiterzumachen. Aber auf dem Bau werden Sie da wohl
niemanden finden. Gerade einmal 11,7 Prozent der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Männer dieser
Branche sind 55 Jahre oder älter. Genau diese Menschen
brauchen die Unterstützung der Politik:
({10})
ältere Beschäftigte, denen das Unternehmen über Jahre
hinweg jede Weiterbildung verweigert hat oder die krank
sind, sich aber trotzdem Tag für Tag zur Arbeit schleppen, oder die mit dem Tempo und den neuen Methoden
des Juniorchefs nicht mehr mitkommen. Vor allem für
diese Menschen muss etwas getan werden.
({11})
Dazu findet sich kein Wort in Ihrem Kompromiss.
Oder habe ich da etwas überlesen? Gründen Sie etwa
eine Kommission gegen die absolut unakzeptablen Arbeitsbedingungen von älteren Bauarbeitern und älteren
Krankenschwestern? Nein, das tun Sie natürlich nicht.
Diese Menschen bekommen keine Reha und nur eine
mickrige Erhöhung der Erwerbsminderungsrente, weil
wegen der Mütterrente, die Sie fälschlicherweise aus
Beiträgen finanzieren, kein Geld mehr in der Rentenkasse ist. Das ist die soziale Schieflage Ihres Rentenpaketes, und das ist der eigentliche Skandal.
({12})
Meine Damen und Herren von der Koalition, das
Rentenpaket hat noch mehr Gerechtigkeitslücken. Sie
rechnen Hartz-IV-Zeiten nicht auf die 45 Beitragsjahre
für die Rente ab 63 an. Wer einmal vier Jahre arbeitslos
war, hat genauso viel oder wenig in seinem Arbeitsleben
geleistet wie jemand, der viermal ein Jahr arbeitslos war.
Die eine bekommt die Rente ab 63 bzw. 65, der andere
nicht. Das ist ungerecht.
({13})
Aber es kommt noch dicker. Am Montag haben Sie
Ihren rollierenden Stichtag verabredet. Zwei Jahre vor
der Rente ab 63 darf man in Ihrer Welt nicht mehr arbeitslos werden; denn diese werden dann nicht mehr auf
die 45 Jahre Wartezeit angerechnet.
({14})
Das ist nicht nur ungerecht, sondern einfach auch eine
Sauerei!
({15})
Frau Ministerin, dazu ein Beispiel. Sie kommen ja aus
dem schönen Rheinland-Pfalz. Sie wissen: Der Nähmaschinenhersteller Pfaff stand vergangenes Jahr vor der
dritten Insolvenz. Die konnte zum Glück verhindert werden - nicht von der Politik. Nein, die Firma konnte gerettet werden, weil 40 von 220 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern freiwillig und solidarisch in eine Beschäftigungsgesellschaft gewechselt sind. Ein Pfaff-Mitarbeiter
ist an seinem 60. Geburtstag in diese Gesellschaft gewechselt, um damit die Kündigung eines Jüngeren zu
verhindern. Das hat auch geklappt.
Dank der Zeit in der Beschäftigungsgesellschaft und
anschließend zwei Jahren Arbeitslosigkeit konnte er sich
auf die Rente ab 63 ohne Abschläge freuen - bis vergangenen Montag. Da kam Ihr rollierendes Monster aus
Angst vor der Frühverrentung - für Ihren Koalitionsfrieden. Die zwei Jahre Arbeitslosigkeit vor dem 63. Geburtstag zählen plötzlich nicht mehr zu den 45 Versicherungsjahren. Das heißt, dieser Kollege wird von Ihnen
allen dafür bestraft, dass er den Arbeitsplatz eines jüngeren Kollegen gerettet hat. So schafft der CDU-Wirtschaftsflügel Generationenkonflikte. Ist das, was ich geschildert habe, etwa die Form von Frühverrentung, die
Sie unbedingt verhindern wollen? Nein, das ist solidarisch. Darum fordert die Linke: Stampfen Sie diesen rollierenden Stichtag ein!
({16})
Und schließlich: Schließen Sie von den vielen Gerechtigkeitslücken Ihres Rentenpaketes wenigstens die
folgenden drei:
Erstens. Finanzieren Sie die Mütterrente aus Steuergeldern. Das ist gerecht,
({17})
und das schafft finanzielle Spielräume für höhere Renten
für alle. Ich will es hier noch einmal deutlich sagen: Alle
Gewerkschaften, alle Arbeitgeber, alle Sozialverbände,
die Linke, die Grünen und vor allen Dingen alle sachverständigen Professoren in der Anhörung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales haben Ihnen gesagt,
dass die Mütterrente aus Steuergeldern finanziert werden
muss. Bei dieser Breite: Hören Sie doch einmal auf den
Rat der Sachverständigen! Machen Sie es einfach! Kindererziehung geht alle an.
({18})
Zweitens. Hören Sie auf den Appell der Fraueninitiative der Volkssolidarität „Gleiche Mütterrente in Ost und
West“,
({19})
und sorgen Sie dafür, dass die vielen Mütter und die wenigen Väter für ihr Kind 86 Euro auf dem Rentenkonto
gutgeschrieben bekommen - egal, ob es 1970 in Dresden
oder 1998 in Düsseldorf geboren wurde.
({20})
Drittens. Schaffen Sie die willkürlichen Kürzungen
von 10,8 Prozent bei den Erwerbsminderungsrenten endlich ab, und verlängern Sie die Zurechnungszeit um drei
Jahre! Das brächte durchschnittlich 130 Euro mehr im
Monat, und es hülfe vielen kranken Rentnerinnen und
Rentnern aus der Sozialhilfe heraus.
Meine Damen und Herren, unsere Vorschläge zu all
dem liegen auf dem Tisch. Stimmen Sie ihnen zu - im
Interesse der Menschen!
Herzlichen Dank.
({21})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort Karl
Schiewerling, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Mehr Gerechtigkeit für Millionen Mütter, Anerkennung von Lebensleistung, bessere
soziale Absicherung bei Erwerbsminderung, Hilfestellungen, die berufliche Tätigkeit nach Krankheit wieder fortsetzen zu können, neue Perspektiven beim Übergang aus
dem Arbeitsleben in die Ruhephase: Das ist Inhalt des
gemeinsam verhandelten Rentenpaketes. Es ist ein gutes
Rentenpaket. Wir helfen vielen Menschen. Deswegen
wird die CDU/CSU-Fraktion dem auch zustimmen.
({0})
Insbesondere die Verbesserung der Rente und der
Rentenansprüche für Millionen von Frauen, die vor 1992
Kinder geboren und erzogen haben, ist ein Herzensanliegen vieler Frauenverbände wie der Frauen-Union, der
Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands und
dem Deutschen LandFrauenverband. Sie haben dieses in
die Union hineingetragen, das wurde von uns aufgegriffen, und wir setzen es jetzt um. Meine Damen und Herren, das ist ein gutes Zeichen, das wir hier für diese betroffenen Frauen setzen.
({1})
Warum tun wir das? Wir tun das, weil es um Generationengerechtigkeit geht. Unserer Generation ginge es
heute nicht so gut, hätten diese Frauen nicht Kinder geboren und erzogen - und zwar zu Rahmenbedingungen,
die nicht mit den heutigen zu vergleichen sind. Sie haben
sie so erzogen, dass lebenstüchtige Menschen herausgekommen sind, die in der Lage sind, unseren Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Wer Familienpolitik
und Sozialpolitik, wer Erziehung und Rente voneinander
trennt, hat nicht begriffen, dass es wirtschaftliche, inhaltliche und gesellschaftliche Zusammenhänge gibt.
({2})
Deswegen ist das, was wir hier tun, ein wichtiges Zeichen für Gerechtigkeit.
Die Rente mit 67 bis 2029 bleibt unser Ziel. Wir werden es erreichen.
({3})
Wir werden dann auch zu den alten Regelungen wieder
zurückkehren, wozu auch die Renteneintrittsmöglichkeit
für besonders langjährig Versicherte 65-Jährige, also mit
45 Beitragsjahren und mehr, gehört. Wir ändern das jetzt
im Rahmen einer vereinbarten befristeten Regelung. Es
wird nun die Rente mit 63 geben, und das Eintrittsalter
wird in den nächsten 15 Jahren sukzessive ansteigen. Ich
sage Ihnen: Das Ziel der Union ist und bleibt, dass wir
2029 wieder zu den alten Regelungen - das heißt auch:
ohne Zeiten der Arbeitslosigkeit - zurückkehren. Aber
jetzt bleibt es so, wie wir es vereinbart haben. Wir werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln.
({4})
Meine Damen und Herren, wir bekommen mit diesem
Gesetz aber auch flexiblere Übergänge von der Erwerbsarbeit in den Ruhestand. Wir wollen eine längere Lebensarbeitszeit. Derjenige, der länger arbeiten will, soll
das auch können. Durch die Initiative unseres Kollegen
Carsten Linnemann hat die Union diesen Punkt auf die
Tagesordnung gesetzt und damit deutlich gemacht, dass
wir für flexiblere Übergänge aus dem Erwerbsleben
sind. Den Einstieg bekommen wir mit diesem Gesetz.
Wir werden es in der zweiten Jahreshälfte gemeinsam
mit dem Koalitionspartner, der dies aktiv unterstützt und
es genauso sieht, gestalten und nach vorne bringen.
({5})
Wir nehmen dabei zwei Lebenssituationen in den
Blick, nämlich die Zeit vor dem Eintrittsalter für die Regelaltersrente und die Zeit danach. Wir wollen jetzt zunächst einmal, dass diejenigen, die länger arbeiten wollen und bei denen das Renteneintrittsalter naht, die
Möglichkeit dazu erhalten, den Beendigungszeitpunkt
für ihr Arbeitsverhältnis hinauszuschieben. Das bedarf
einiger rechtlicher Regelungen. Das erfolgt mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, über den wir heute entscheiden.
Und auch denjenigen, die schon Rentner sind, denen aber
einfällt, sie könnten wieder erwerbstätig werden, wollen
wir diesen Weg ermöglichen. Schließlich wollen wir
denjenigen, die noch nicht das Renteneintrittsalter erreicht haben, aber einen fließenderen Übergang in die
Rente brauchen - aus welchen Gründen auch immer -,
dies ermöglichen.
Dazu werden wir überlegen, wie man die Anreize, die
das Rentensystem heute schon setzt, nämlich dass jemand, der die Rente erst später in Anspruch nimmt, eine
deutlich höhere Rente bekommt - das ist heute schon geregelt: 6 Prozent mehr -, verbessert, und auch entsprechende weitere Anreize setzen. So kann man überlegen,
ob man die Teilrente, die es heute schon gibt, flexibilisiert. Aber über all diese Fragen werden wir miteinander
sprechen.
Lassen Sie mich ein letztes Wort zur Frage der Finanzierung sagen: Die Finanzierung dieses Rentenpakets ist
verantwortlich gestaltet. Wir werden das Rentenniveau
nicht absenken.
({6})
Wir werden in den nächsten Jahren erleben, dass der
Rentenversicherungsbeitrag nicht steigt. Wir werden erleben, dass wir trotz dieses umfänglichen Rentenpaketes
einen ausgeglichenen Bundeshaushalt erreichen. Wir
werden die Steuern nicht erhöhen und dennoch den
Menschen soziale Leistungen zukommen lassen.
Auf Dauer gesehen wird der Staat, egal wie sich die
Regierung zusammensetzt, kein Interesse daran haben,
dass der Rentenversicherungsbeitrag durch die Decke
schießt und dass das Rentenniveau ins Bodenlose fällt.
({7})
Das, was im Gesetz steht, ist keine Pflichtaufgabe, sondern das, was kommen wird, wenn nichts passiert. Bis
wir so weit sind, wird noch einiges geschehen. Dafür
werden wir in der Union sorgen.
Ich bitte Sie herzlich um Ihre Zustimmung zu diesem
Rentenpaket.
({8})
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege
Birkwald.
Herr Kollege Schiewerling, Sie haben gerade behauptet, das Rentenniveau würde nicht absinken.
({0})
Diese Aussage ist wahrheitswidrig. Sie ist komplett
falsch.
({1})
Das Rentenniveau betrug im vorigen Jahr 48,7 Prozent, beträgt in diesem Jahr 47,8 Prozent und wird ausweislich des Gesetzes, das wir hier heute in abschließen3184
der Lesung diskutieren, im Jahr 2030 auf 43,7 Prozent
absinken. Durch dieses Gesetz wird es stärker sinken, als
es ohne dieses Gesetz gesunken wäre; dann wäre es
nämlich auf nur - in Anführungsstrichen - 44,4 Prozent
gesunken. Was sagen Sie zu dem Widerspruch zwischen
dem, was in dem Gesetz steht, das wir heute verabschieden, und dem, was Sie eben gesagt haben? Das ist meine
Frage.
Außerdem möchte ich die Gelegenheit nutzen, dem
Hohen Hause und der Öffentlichkeit noch einmal deutlich zu machen, was das Rentenniveau ist; das ist vielen
Menschen nämlich gar nicht bewusst. Der aktuelle Begriff des Rentenniveaus lautet korrekt „Sicherungsniveau vor Steuern“ und ist wie folgt definiert - jetzt bitte
gut aufpassen -:
Verfügbare Standardrente ({2}) im Verhältnis zum
durchschnittlichen Bruttolohn nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer und der
Beiträge zur geförderten freiwilligen Zusatzvorsorge, aber vor Abzug der Lohnsteuer.
Das ist das Rentenniveau, und das, Herr Schiewerling,
sinkt, egal, welche schönen Worte Sie hier machen.
Danke schön.
({3})
Kollege Schiewerling zur Antwort.
Herr Kollege Birkwald, ich finde es immer etwas befremdlich, wenn Sie Ihre Zwischenbemerkungen zu
Grundsatzvorlesungen zum Rentenrecht nutzen.
({0})
Das ist typisch. Vielleicht sollten Sie das anderweitig
machen.
({1})
Ich glaube schon, dass die Menschen wissen, was ein
Rentenniveau ist.
Das bedarf nicht der Erläuterung durch die Linke.
({2})
- Beruhigen Sie sich doch mal!
Jetzt sage ich Ihnen etwas zur Situation. Ja, Sie haben
recht: Das steht im Gesetzentwurf, ist aber mit der Jahreszahl 2030 versehen.
({3})
Die Bundesregierung war sogar verpflichtet, dies reinzuschreiben, weil sie von der jetzigen Istsituation ausgehen
muss. Das heißt nicht, dass es bis zum Jahre 2030 tatsächlich so eintritt, dass der Staat nicht eingreifen darf
und dass es nicht zu positiven Auswirkungen aufgrund
einer besseren wirtschaftlichen Entwicklung kommt.
Was ist denn, wenn das wirtschaftliche Niveau weiter
steigt, und was ist denn, wenn es sinkt und der Staat stärker eingreift? Dann kann es sein, dass das Rentenniveau
bis 2030 nicht so sinkt.
({4})
Ich sage Ihnen voraus: Ich kann mir nicht vorstellen,
dass es eine Bundesregierung geben wird, die im Jahre
2030 allen Ernstes ein Rentenniveau von 43,8 Prozent
haben will. Bis zum Jahre 2030 gehen noch viele Jahre
ins Land.
Etwas Weiteres sage ich Ihnen: Selten sind Prognosen
für die Rentenversicherung mit 20 oder 30 Jahren Vorlauf Wirklichkeit geworden. Wenn es nach den Prognosen für die heutige Situation ginge, müsste der Rentenversicherungsbeitrag nicht bei 18,9 Prozent bzw., wenn
wir ihn abgesenkt hätten, bei 18,3 Prozent liegen, sondern er hätte nach den Planungen bei 19,4 Prozent liegen
müssen; das war eine der früheren Voraussagen. Mittlerweile hat sich die Situation völlig geändert. Das, was im
Gesetz steht, ist das, was die Bundesregierung reinschreiben musste, weil sie nicht vorhersagen kann, wie
eine Bundesregierung im Jahr 2021 reagieren will und
wird. Dabei bleibe ich.
Meine Kernaussage lautet deswegen - da habe ich
nichts zurückzunehmen -: Die CDU/CSU wird alles daransetzen, dass der Rentenversicherungsbeitrag in den
nächsten 20 Jahren nicht durch die Decke schießt und
dass das Rentenniveau nicht ins Bodenlose fällt. - Das
ist meine Kernaussage; daran fühlen wir uns gebunden.
Sie werden es erleben. Denn wir haben in der Vergangenheit so gehandelt, und wir werden es auch in Zukunft
tun. Das ist meine Kernaussage.
({5})
Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen
Markus Kurth, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! An die Entscheidungen des heutigen Tages werden
in den nächsten Jahren, Jahrzehnten noch viele Bürgerinnen und Bürger denken, beginnend spätestens im Jahr
2018, wenn wegen des Rentenpakets die Rücklagen der
Rentenversicherung aufgebraucht sind und 10 Milliarden Euro jährlich finanziert sein wollen.
({0})
Die Abgeordneten der nächsten Wahlperioden werden
sich vielleicht daran erinnern, dass diejenigen, die heute
das sogenannte Rentenpaket beschließen, eben nicht an
die kommenden Jahrzehnte gedacht haben.
Wenn in den 20er-Jahren dieses Jahrhunderts die Altersarmut rapide zunimmt, werden sich die Menschen
fragen, wie es denn passieren konnte, dass die früheren
Überschüsse der Rentenkasse nicht für eine armutsfeste
Garantierente zurückgelegt wurden, wie das damals die
Grünen vorgeschlagen haben,
({1})
weil schon 2014 absehbar war, dass das Risiko der Altersarmut steigt.
Und in den 30er-Jahren dieses Jahrhunderts werden
sich die dann politisch Verantwortlichen die Haare raufen, wieso denn eigentlich in der letzten demografischen
Schönwetterphase dieses Jahrhunderts, als die Generation der Babyboomer noch erwerbstätig war, die damalige Große Koalition keine Vorsorge getroffen hat.
({2})
Die Geschichtswissenschaftler des Jahres 2034 werden dann nachvollziehen, dass damals im Jahr 2014 die
beiden größten Fraktionen im Deutschen Bundestag einen Pakt schmiedeten, um kurzfristige Interessenpolitik
für ihre Stammwähler zu betreiben.
({3})
Die Historiker werden erforschen, welche Engstirnigkeit, Selbstbezogenheit und verzerrte Wirklichkeitswahrnehmung dazu geführt haben, dass der Blick auf
das Gesamtsystem der Rente bei der letzten Kanzlerschaft Angela Merkels verloren gegangen ist.
({4})
Alle Erklärungen können dann aber nicht mehr die fatalen, falschen Weichenstellungen jenes verhängnisvollen
23. Mai 2014 zurücknehmen.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, Sie kleiden Ihr Rentenpaket in das Gewand der Gerechtigkeit. Tatsächlich schaffen Sie aber zahllose neue
Ungerechtigkeiten. Wie absurd!
({5})
Ein Beispiel: Eine 56-jährige Krankenpflegerin, die in
den nächsten Jahren wegen körperlichen Verschleißes
mit vollen rentenmindernden Abschlägen in die Erwerbsminderungsrente gehen muss, hat nichts von der
abschlagsfreien Rente mit 63, sie muss diese aber erst
mit höheren Rentenbeiträgen, ein zweites Mal mit ihren
Steuern und ein drittes Mal mit einem niedrigeren Rentenniveau bezahlen. Denn das Rentenpaket belastet nicht
nur die Beitragszahler; es wirkt sich über die komplizierte Formel zur Berechnung der Rentenhöhe natürlich
auch auf die heutigen und zukünftigen Rentnerinnen und
Rentner aus.
({6})
Deren Rente wird nach Zahlen der Deutschen Rentenversicherung um 1,6 Prozent niedriger ausfallen. Herr
Schiewerling, Ihr Geeier, Ihre Argumentation, Ihr Hoffnungslauf eben - sie drücken die Daumen, das wird
schon nicht so schlimm bis zum Jahr 2030 - können
über diese Tatsache nicht hinwegtäuschen.
({7})
Was ist daran eigentlich gerecht? Meine Kolleginnen
und Kollegen von der SPD, Sie und auch Sie, Frau
Nahles, brüsten sich damit, Sie täten jetzt etwas für diejenigen, die etwas geleistet hätten. Hat denn die Krankenpflegerin aus meinem Beispiel nichts geleistet? Haben etwa diejenigen, die 40 Beitragsjahre auf dem
Buckel haben und unverschuldet mehrere Jahre langzeitarbeitslos waren, nichts geleistet?
({8})
Wie mag sich in deren Ohren das Gerede von der belohnten Leistung anhören? Es ist nachgerade zynisch,
wie Sie mit wackeren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern umgehen, die alles gegeben haben, aber aus
nicht selbstverschuldeten Gründen die Hürde für die
Rente mit 63 nicht schaffen.
Aber diese Ungerechtigkeiten alleine sind es nicht,
die mich verstören. Sie versuchen ja auch, den Eindruck
zu erwecken, Sie würden die Rente mit 67 zurücknehmen - daran leiden Sie ja immer noch -, aber das ist
nicht so. Auch wenn die konservativen Medien sagen:
Oh, Agenda 2010, das wird zurückgedreht, Rückkehr in
die Zeit von vor 20 Jahren. ({9})
All das stimmt gar nicht! Die Rente mit 67 bleibt erhalten, und auch die Absenkungen des Rentenniveaus werden natürlich über die bereits erfolgten hinausgehen.
Was Sie machen, ist eine selektive Begünstigung von
15 Jahrgängen, die eine relativ lückenlose Erwerbsbiografie haben.
({10})
Alle anderen lassen Sie im Regen stehen und mit den
zum Teil durchaus problematischen Resultaten der letzten Rentenreformen allein. Sie setzen sich nicht grundsätzlich mit der Anhebung des Renteneintrittsalters auseinander. Wir Grüne wollen flexible Renteneintritte für
die, die es brauchen, aber keine falschen Anreize für die,
die noch arbeiten können und wollen.
({11})
Bevor ich hier nur auf die Sozialdemokraten einhaue,
verliere ich lieber auch noch ein paar Worte zur Mütterrente; denn das ist ja finanziell insgesamt der größte Posten. Dazu sage ich: Ja, Sie verringern mit der Stichtagsregelung eine vorhandene Gerechtigkeitslücke. Zwei
Fragen müssen Sie sich aber stellen. Erstens: Ist das der3186
zeit wirklich unser größtes sozialpolitisches Problem? Ist
das die richtige Prioritätensetzung? Und zweitens: Wird
das vernünftig finanziert?
Zu der ersten Frage muss ich sagen: Wenn ich mir die
Zukunft anschaue, sehe ich, dass Altersarmut in den
nächsten Jahrzehnten das größte Problem sein wird.
({12})
Ursache dafür sind gebrochene Erwerbsbiografien und
ein zum Teil niedrigeres Lohnniveau. Hier ist nach der
Prioritätensetzung zu fragen. Ich setze meine Mittel, die
nun einmal auch in der Politik begrenzt sind, doch dort
ein, wo sie am nötigsten gebraucht werden. Wenn in einem Haus mit zwei Zimmern in dem einen Zimmer tapeziert werden müsste und es in das andere Zimmer reinregnet, dann fange ich doch bei begrenzten Mitteln nicht
an zu tapezieren, sondern stopfe erst einmal die größten
Löcher.
({13})
Jetzt zur Finanzierung: Sie finanzieren die Mütterrente nicht über Steuern - Kollege Birkwald hat das
schon gesagt -, obwohl wirklich ausnahmslos alle Sachverständigen in der Anhörung das gefordert haben. Sie
stellen sich aber hier hin und sagen: Wir erhöhen die
Steuern nicht, und wir nehmen keine neuen Schulden
auf. - Zugleich lassen Sie das aber die kleinen Leute
über ihre Sozialversicherungsbeiträge bezahlen. Das,
was Sie da machen, ist im Grunde genommen Wahlbetrug.
({14})
Mir fehlt jetzt die Zeit, um auf Ihre Änderungsanträge, die im Wesentlichen nichts ändern, einzugehen. Es
gab das große Gegackere des Wirtschaftsgeflügels der
Union.
({15})
Deswegen mussten Sie noch ein bisschen nachbessern.
Die brauchten auch noch einen Skalp, den sie mit nach
Hause nehmen können. Aber weder der rollierende
Stichtag noch andere freiwillige Beitragsregelungen ändern grundsätzlich etwas an dem gesamten Paket. Insofern kann man sagen: Ihr Ablenkungsmanöver ist noch
nicht einmal aufgegangen. Der Wirtschaftsrat der CDU
sagt: Es handelt sich bei der Flexirente um ein „notdürftiges Feigenblatt“. Die Nachverhandlungen konnten also
noch nicht einmal die Funktion, die Sie ihnen zugedacht
haben, erfüllen. Sie haben nur Verschlimmbesserungen
erreicht.
({16})
Ich komme zu dem Fazit, dass heute im Grunde genommen ein schlechter Tag für Deutschland und auch
ein schlechter Tag für Europa ist. Sie tun genau das, was
Sie den südeuropäischen Staaten vorwerfen: Klientelgeschenke auf Pump. Damit gefährden Sie die langfristigen Aussichten und die Nachhaltigkeit im Rentensystem. Das ist wirklich beschämend.
Ich würde mir wünschen, Sie würden dieses Paket so
nicht beschließen.
({17})
Und ich sage noch einmal: Wir alle werden in den nächsten Jahren noch häufig an diesen Tag und diese Entscheidung zurückdenken.
Danke.
({18})
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort Kollegin
Dr. Carola Reimann, SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag für viele Menschen in unserem Land,
({0})
für Millionen von Menschen in unserem Land, die in ihrem Leben viel geleistet haben. Mit der heutigen Lesung
schließen wir die Beratungen zum Leistungsverbesserungsgesetz erfolgreich ab, und das ist gut; denn die
Menschen warten auf diese Verbesserungen. Wir können
heute sagen: Wir halten Wort. Das Rentenpaket wird Gesetz.
({1})
Kolleginnen und Kollegen, wir haben wie immer im
parlamentarischen Verfahren noch Ergänzungen vorgenommen. Uns ist es gelungen, mögliche Frühverrentungen auszuschließen und gleichzeitig dafür zu sorgen,
dass unverschuldete Arbeitslosigkeit nicht bestraft wird.
Wir haben Ergänzungen für freiwillig Versicherte vorgenommen und den Einstieg in flexible Übergänge in die
Rente erleichtert, und das ohne die Absenkung bisher
vereinbarter Arbeitsbedingungen.
({2})
Das ist mir besonders wichtig. Wir Sozialdemokraten
und Sozialdemokratinnen wollen Flexibilität für Arbeitnehmer und nicht zulasten von Arbeitnehmern.
({3})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich höre
schon die ersten Kritiker und Kommentatoren: Rente mit
63 auf der einen Seite und arbeiten nach der Regelaltersgrenze auf der anderen Seite, das sei doch widersprüchlich; die Große Koalition wisse nicht, was sie wolle. Ich
kann Sie da beruhigen: Wir wissen sehr genau, was wir
wollen. Wir wollen, dass sich unsere Rentengesetzgebung an den individuellen Bedürfnissen der Menschen
orientiert. Und diese sind bekanntlich vielfältig.
({4})
Der eine oder die eine ist froh, wenn sie mit über 70
noch arbeiten kann, weil sie ihre Arbeit liebt, weil sie
dort ihre sozialen Kontakt hat und weil sie dazu führt,
dass sie sich gebraucht fühlt. Aber es gibt eben auch den
anderen Lebensentwurf, diejenigen, die froh sind, wenn
sie nicht mehr arbeiten müssen, weil sie genug geschuftet haben, die froh sind, wenn sie einmal Zeit für Familie, Kinder, Ehrenamt und Hobby haben. Es gibt natürlich auch diejenigen, die arbeiten wollen, aber schlicht
und einfach nicht mehr arbeiten können. Deshalb müssen wir unterschiedliche individuelle Ausstiegsmöglichkeiten anbieten. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gehört die Rente mit 63 genauso dazu
wie Modelle für die sogenannten Silver Workers, die
freiwillig länger arbeiten. Das ist kein Widerspruch, sondern Politik, die sich an den individuellen Bedürfnissen
der Menschen orientiert.
({5})
Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe mich in den
letzten Wochen das eine oder andere Mal über die Aufgeregtheiten gewundert. Wir schaffen für langjährig Versicherte die Möglichkeit, abschlagsfrei in Rente zu gehen. Wir drehen hier kein Rad zurück. Uns geht es um
mehr Gerechtigkeit, mehr Anerkennung der Lebensleistung und darum, mehrere Optionen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schaffen. Niemand glaubt ja
ernsthaft, Kollege Kurth, dass Menschen, die gerne länger arbeiten möchten, wegen der Rente mit 63 nun früher in Rente gehen.
({6})
Wir als Gesetzgeber wollen den Menschen doch nichts
vorschreiben. Wir wollen die Rahmenbedingungen dafür
schaffen, dass Menschen den für sie passenden Übergang in die Rente wählen können.
Unsere Aufgabe in den kommenden Wochen und Monaten wird sein, gemeinsam mit den Gewerkschaften
und Arbeitgebern dafür zu sorgen, dass diese Übergänge
in die Rente künftig noch besser an die Lebenswirklichkeit angepasst werden. Zwei Punkte sind mir dabei sehr
wichtig. Ich will, dass alle, wenn sie denn wollen, möglichst lange gesund-aktiv im Berufsleben stehen können.
Das darf kein Privileg gut ausgebildeter Akademiker
sein. Ich will, dass auch am Ende des Arbeitslebens ordentliche Arbeitsverhältnisse herrschen. Ein Zweiklassenarbeitsrecht darf und wird es mit uns nicht geben.
({7})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Rentenpaket ist
ein wichtiger Baustein für die Weiterentwicklung unseres Rentensystems. Es schließt Gerechtigkeitslücken und
stärkt das Vertrauen in unsere gesetzliche Rentenversicherung. Mit unseren Vorschlägen zu flexiblen Übergängen in den Ruhestand und zur Solidarrente werden wir in
den kommenden Monaten weiter daran arbeiten, dieses
Vertrauen zu stärken.
Vielen Dank fürs Zuhören.
({8})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Peter Weiß, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Die Finanzierung des Rentenpakets ist hier kritisiert
worden. Ich darf erinnern: Letztes Jahr war Bundestagswahl. Bündnis 90/Die Grünen hatten ein Wahlprogramm
vorgelegt, das verschiedenste rentenpolitische Vorhaben
enthielt.
({0})
Die Gesamtkosten hätten im Jahr 2030 15 bis 20 Milliarden Euro betragen. Das ist beinahe das Doppelte dessen,
was jetzt die Große Koalition macht.
({1})
Wer solche Versprechungen macht, eignet sich nicht,
heute hier im Parlament oder in der Öffentlichkeit der
Gralshüter der Rentenfinanzen zu sein, im Gegenteil.
({2})
Wir legen ein insgesamt solide finanziertes Rentenpaket vor. Wir beschließen bereits heute, dass wir in der
nächsten Legislaturperiode 2 Milliarden Euro Steuergelder zusätzlich drauflegen, um die Rente nachhaltig zu finanzieren.
({3})
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es war im Jahr
1986 ein geradezu revolutionärer Akt, dass der Deutsche
Bundestag endlich zum ersten Mal Kindererziehungszeiten rentensteigernd im Rentenrecht anerkannt hat. Denn
unser Rentensystem ist vor allem auf eines angewiesen,
darauf, dass es Kinder und Enkelkinder gibt, die eines
Peter Weiß ({4})
Tages mit dazu beitragen, dass unser Rentensystem finanziert ist und den Älteren eine Rente ausbezahlt wird.
({5})
Deshalb ist die Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der Rente das allererste Gebot von Generationengerechtigkeit.
({6})
Wenn wir heute für die Mütter von vor 1992 geborenen Kindern die Mütterrente verdoppeln, dann ist das
keine Beschädigung des Rentensystems, wie manche behaupten. Nein, es macht das Rentensystem stärker, als es
je war. Es sichert die Zukunftsfähigkeit des Rentensystems. Die Mütterrente ist richtig für die Zukunft unserer
Rente.
({7})
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit dem Rentenpaket kehren wir auch nicht auf dem Weg um, dass die
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer künftig länger
arbeiten sollen und die Regelaltersgrenze auf 67 angehoben wird. Aber die Menschen sollen auch bitte bis 67 gesund bleiben. Deshalb ist die Erhöhung der Rehaleistungen der Rentenversicherung, die wir heute beschließen,
substanzieller Bestandteil einer klugen Politik, die das
Arbeiten bis 67 erst möglich macht.
({8})
Wir eröffnen zudem die Möglichkeit, dass auch über
die Regelaltersgrenze hinaus weitergearbeitet wird. Wir
wollen im deutschen Rentenrecht individuelle Antworten - die Kollegin Reimann hat es gesagt - und nicht ein
einseitiges Fallbeil, wann mit dem Arbeiten Schluss ist.
({9})
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, auch wenn man
vorübergehend nach 45 Beitragsjahren - das ist eine
lange Zeit - abschlagsfrei mit 63 in Rente gehen kann,
bleibt es dabei: Wir werden auch diese Grenze Schritt
für Schritt, in Zwei-Monats-Schritten, erhöhen. Übrigens: Wer länger als bis 63 arbeitet, bekommt auch mehr
Rente. Deswegen: Wer mehr Rente haben möchte, der
muss länger arbeiten. Dabei bleibt es auch in Zukunft.
({10})
Wer wirklich nicht mehr kann, dauerhaft erkrankt ist
oder einen Unfall hat, für den ist wichtig, dass er weiß:
Ich habe die Möglichkeit, Erwerbsminderungsrente zu
beantragen, und ich kann davon auch leben. - Deswegen
sind die Verbesserungen bei der Berechnung der Höhe
der Erwerbsminderungsrente, die wir heute beschließen,
eine wichtige Voraussetzung dafür, dass auch für künftige Generationen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern klar ist: Diese Rentenversicherung bietet mir
nicht nur Sicherheit im Alter, sondern sie gibt mir auch
Sicherheit, falls mir in meinem Arbeitsleben ein Unfall
passiert und ich frühzeitig ausscheiden muss. - Heute
wird die Rentenversicherung für alle Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer in Deutschland ein Stück sozialer und
zuverlässiger.
({11})
Das war an sich schon ein ganz schöner Schlussgedanke. Ihre Redezeit ist nämlich vorbei.
({0})
Jawohl, Herr Präsident. - Zum Schluss: Mancher Zeitungskommentar erweckt den Eindruck, als ob das, was
wir heute beschließen, etwas völlig Neues sei. Nein, im
letzten Jahr sind wir mit klaren Aussagen zur Rente in
unserem Wahlprogramm in den Wahlkampf gegangen.
Heute setzen wir das um und tun, was die Bürgerinnen
und Bürger von uns erwarten: Wir halten Wort.
Vielen Dank.
({0})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Michael Gerdes, SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem
heutigen Tag wird die Rente ein Stück weit gerechter.
Wir beschließen Verbesserungen für langjährig Versicherte, für Mütter und Väter und für Arbeitnehmer, die
aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr oder nur eingeschränkt arbeiten können. Das ist gut und richtig. Wir
zollen damit Arbeits- und Lebensleistungen Respekt.
Und: Wir passen das System der Arbeitswirklichkeit von
heute an. Wer im Laufe seines Lebens kurzfristig ohne
Arbeit war, wird nicht auch noch im Alter dafür bestraft.
Die Rente ab 63 nach 45 Beitragsjahren ist nun da.
Die Kritiker sagen uns, das Rentensystem müsse noch
viel gerechter werden. Ja, gerechter zwischen den Generationen, gerechter zwischen Ost und West, gerechter finanziert. Wie auch immer wir Gerechtigkeit definieren:
Es ist falsch, einzelne Gruppen gegeneinander auszuspielen.
({0})
Das Rentensystem ist keine Wundertüte, aus der sich jeder das Beste nehmen kann.
Wichtig ist, finde ich, eine gewisse Balance. Die Älteren müssen von ihrer verdienten Rente leben können.
Für die Mittelalten und Jüngeren müssen die Beiträge allerdings bezahlbar bleiben. Klar ist auch, dass uns die
Rente weiterhin beschäftigen wird; der demografische
Wandel und die Veränderung der Arbeitswelt bringen
das mit sich. Wir wollen ein Rentensystem, das zukunftsMichael Gerdes
fähig ist. Deshalb werden wir über individuelle Renteneintritte reden müssen. Wer länger arbeiten will und
kann, soll das auch ohne Einschränkung tun dürfen.
Bei der heutigen Reform hätte ich mir persönlich
noch eine Schippe mehr im Bereich der Erwerbsminderungsrenten gewünscht. Dass die Verbesserungen dringend notwendig sind, war bei vielen Sachverständigen
unstrittig. Dennoch: Die Mehrheit der Bezieher einer Erwerbsminderungsrente kommt aus Tätigkeiten mit geringem Einkommen. Damit ist klar, dass auch mit der späteren Altersrente keine großen Sprünge zu machen sind.
Schließlich wirken sich niedrige Entgeltpunkte unmittelbar auf die Absicherung im Alter aus. Hier haben wir
eine Lücke geschlossen, indem wir die Berechnung der
Zurechnungszeiten verbessert haben.
({1})
Die Erhöhung des Rehabudgets ist ein gelungener
Anfang. Wir investieren in die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir erhöhen damit ihre
Chance auf Teilhabe am Arbeitsleben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch
auf einen Änderungsantrag von Union und SPD eingehen, der auf den ersten Blick unscheinbar wirkt, den ich
aber dennoch enorm wichtig finde. Mit der heutigen Abstimmung entscheiden wir auch über ein Verfahren, das
die sogenannten Ehrenbeamten betrifft, sprich: ehrenamtliche Bürgermeister oder Ortsvorsteher. Wir verlängern die aktuelle Regelung, wonach die Aufwandsentschädigung keinen Einfluss auf den Hinzuverdienst bei
Alters- und Erwerbsminderungsrenten hat. Damit stärken wir das politische Ehrenamt in den Kommunen, damit erhalten und stärken wir den Personenkreis derer, die
sich für kommunale Belange engagieren. Ich meine, das
ist gut.
({2})
Unterm Strich bin ich davon überzeugt, dass der gefundene Kompromiss rund um das Rentenpaket ein gutes Ergebnis ist. Soziale Härten werden verringert - so
funktioniert ein Sozialstaat.
Andrea Nahles und ihr Haus haben Erstaunliches geleistet: Das Rentenpaket wurde schnell und professionell
gepackt. Schon im Juli werden die Ersten von den Beschlüssen profitieren. Solch ein Tempo beim Regieren
kann sich sehen lassen. Deshalb, meine Damen und Herren, ist heute ein guter Tag.
Herzlichen Dank und Glück auf!
({3})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Stephan Stracke, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Union und SPD haben sich mit dem Koalitionsvertrag auf eine Politik für hohe Beschäftigung
und eine gerechte Sozialpolitik verständigt. Genau dies
machen wir. Wir wissen: Nur dann, wenn die Wirtschaft
gut läuft, wir einen hohen Beschäftigungsstand haben,
haben wir auch den Spielraum für Leistungsverbesserungen. Diesen Spielraum haben wir uns in den letzten Jahren erwirtschaftet. Für uns stehen dabei zwei Prioritäten
fest:
Erstens: keine neuen Schulden. Zum ersten Mal seit
1969, seit Franz Josef Strauß Bundesfinanzminister war,
werden wir 2015 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Das ist gelebte Generationengerechtigkeit; denn wir
wollen unseren jungen Generationen Chancen vererben
und nicht Schulden.
({0})
Zweitens. Wir investieren in die Zukunft unseres Landes; denn wir müssen heute die Grundlagen für morgen
schaffen. Deshalb geben wir einen zweistelligen Milliardenbetrag aus, vor allem für Infrastruktur, Wissenschaft
und Bildung. Diese Politik ist der Grund, warum Deutschland heute so gut dasteht und warum wir heute Spielraum für unser Rentenpaket haben.
Ich darf daran erinnern: Ende November 2005
brauchte die Rentenkasse noch eine Liquiditätshilfe des
Bundes in Höhe von 900 Millionen Euro. Heute hat sie
ein Finanzpolster von über 32 Milliarden Euro. In den
vergangenen beiden Jahren konnten wir die Beitragszahler jährlich um 10 Milliarden Euro entlasten, indem wir
den Beitragssatz entsprechend abgesenkt haben. Heute
können wir auch für diese Legislaturperiode sagen: Der
Beitragssatz bleibt stabil.
({1})
All dies ist Ergebnis unserer unionsgeführten Politik.
Das ist ein wirklich gutes Ergebnis für Deutschland und
die Menschen in diesem Land.
({2})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere Politik ist getragen vom Grundgedanken einer solidarischen
Leistungsgesellschaft. Genau deshalb machen wir die
Mütterrente. Sie ist verdienter Lohn für die Lebensleistung von über 9,5 Millionen Müttern in diesem Land.
Das ist der Lohn für Erziehungsleistungen, die wir hier
entsprechend honorieren. Sie verdienen für das, was sie
ein Lebtag gemacht haben, unsere höchste Anerkennung. Die Mütterrente ist Ausdruck davon; deswegen
machen wir sie.
({3})
Ausdruck einer solidarischen Leistungsgesellschaft
ist es auch, zu sagen: Wer 45 Jahre gearbeitet hat in die3190
sem Land, darf früher in Rente gehen. Deswegen haben
wir die Rente mit 65 gemacht. Wir ziehen dies nun befristet um zwei Jahre vor - ich gebe zu: ein Gedanke, auf
den wir nicht spontan selbst gekommen wären.
({4})
Wir werden hier auch Zeiten der Arbeitslosigkeit entsprechend berücksichtigen. Dabei ist es uns gelungen,
eine Frühverrentungswelle zu verhindern, und zwar mit
einer Stichtagslösung. Ich glaube, dass diese Stichtagslösung eine gute ist.
Wir berücksichtigen in Zukunft auch freiwillige Beiträge. Damit schließen wir auch eine Gerechtigkeitslücke, die entstanden ist durch die Anerkennung von Zeiten der Arbeitslosigkeit. Ansonsten würden Zeiten der
Arbeitslosigkeit bessergestellt als freiwillige Beitragszahlungen. Deswegen haben wir uns darauf verständigt,
dass freiwillige Beiträge auf die Wartezeit von 45 Jahren
angerechnet werden. Das ist eine sehr gute Lösung für
die Menschen in diesem Land: für Selbstständige, für
Handwerker, aber natürlich auch für all die anderen, die
Pflichtbeiträge und zusätzlich freiwillige Beiträge gezahlt haben. Mit dieser guten Lösung schließen wir eine
Gerechtigkeitslücke.
({5})
Ein Letztes möchte ich hier herausstellen: Der größten Schätze, die wir in dieser Bundesrepublik Deutschland haben, sind unser Vorsprung an Wissen und Können
und unsere herausragend qualifizierten Arbeitskräfte.
Diese Arbeitskräfte gilt es zu pflegen, egal ob sie jung
oder alt sind. Deswegen sagen wir: Diejenigen, die fit
sind und arbeiten wollen - auch über das für die Rente
geltende Regeleintrittsalter hinaus -, sollen ab jetzt einfacher weiterarbeiten können. Deshalb werden wir hier
die Möglichkeit einführen, dass solche Arbeitsverhältnisse - sogar mehrfach - verlängert werden können. Damit werden wir den Menschen mehr passgenaue Möglichkeiten an die Hand geben, ihr Arbeitsleben zu
gestalten. Auch das bringt dieses Rentenpaket mit sich
und ist Ausdruck einer guten Politik.
({6})
Im Ergebnis halte ich fest: Dieses Rentenpaket trägt
klar die Handschrift der Union. Es ist ein gutes Rentenpaket, und deswegen bitte ich um Zustimmung.
Herzlichen Dank.
({7})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Martin Rosemann, SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Carola Reimann
und Michael Gerdes haben es ja bereits gesagt: Heute ist
ein guter Tag für die Rentnerinnen und Rentner und für
die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem
Land; denn zum ersten Mal seit vielen Jahren beschließen wir heute Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Diese Leistungsverbesserungen sind in das Gesamtkonzept „Gute Arbeit, Gute Rente“ der Großen Koalition eingebettet; denn wir wissen, dass auch der gesetzliche Mindestlohn und die Stärkung der Tarifparteien
einen Beitrag zur Sicherung eines guten Rentenniveaus
in Deutschland leisten und damit die Alterssicherung in
unserem Land stärken.
({0})
Es ist ein guter Tag für die SPD; denn wir setzen
heute sozialdemokratische Politik um, und wir halten,
was wir versprochen haben.
({1})
Es ist ein guter Tag für die Große Koalition; denn sie
zeigt ihre Handlungsfähigkeit: Sie verabschiedet ihr erstes großes Reformpaket und setzt vor allem um, was wir
gemeinsam im Koalitionsvertrag vereinbart haben.
({2})
Das gilt auch für die Berücksichtigung von Arbeitslosenzeiten bei der Anrechnung für die Rente mit 63 - und
zwar ohne Verfallsdatum. Das ist ein Beitrag zu mehr
Generationengerechtigkeit.
({3})
Wenn die Regierung eine so gute Politik macht, dann
ist es natürlich nicht leicht für die Opposition.
({4})
Sie haben sich redlich bemüht und hier Beispiele aufgeführt, zum Beispiel die Krankenschwester, die mit
56 Jahren nicht mehr kann. Nicht dazugesagt haben Sie,
dass genau diese Krankenschwester von den Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente profitieren wird.
({5})
Die Linken fordern immer mehr, aber immerhin enthalten sie sich, weil sie erkannt haben, dass die Richtung
stimmt.
Die Grünen haben hier die Strategie entwickelt, uns
vorzuwerfen, dass wir nicht alles, was im Koalitionsvertrag steht, bereits in den ersten 100 Tagen umgesetzt haben. Ihnen kann ich sagen, dass die Rentenpolitik der
Großen Koalition mit dem heutigen Tag nicht zu Ende
sein wird. Ich nenne nur folgende Stichworte: solidarische Lebensleistungsrente zur Verhinderung von Altersarmut,
({6})
Verbesserungen bei den Betriebsrenten, Rentenangleichung in Ost und West.
Herr Kollege, Sie haben jetzt eine Reihe von Fragewünschen ausgelöst, und zwar bei einem Kollegen von
den Grünen und einem Kollegen von der SPD. Mögen
Sie die Fragen zulassen?
Normalerweise beantworte ich gern Zwischenfragen.
Ich habe aber nur noch sechs Sekunden Redezeit.
({0})
Die Uhr würden wir dafür anhalten.
Wie viele Zwischenfragen sind es denn?
({0})
Ich habe jetzt erst einmal einen Kollegen von den
Grünen und einen Kollegen von der SPD gesehen. Sie
können entscheiden.
Jetzt haben Sie aber die Uhr in der Zeit, in der Sie mit
mir diskutiert haben, nicht angehalten.
({0})
Nein, aber das kriegen wir schon geregelt.
Also bitte.
Danke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Die Zeit
für Ihre Antwort wird nicht auf Ihre Redezeit angerechnet, sodass Sie durch meine Frage eine Verlängerung Ihrer Redezeit bekommen.
({0})
Sie verweisen auf den Koalitionsvertrag. Hoho, der
Koalitionsvertrag! Sie wollen uns erzählen, dass Sie das
alles umsetzen? Darf ich Sie daran erinnern, dass zum
Beispiel die solidarische Lebensleistungsrente ausdrücklich unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt worden
ist? In Ihrem Koalitionsvertrag findet sich eine Liste mit
Prioritäten ohne Finanzierungsvorbehalt. Schon jetzt haben Sie - ich erinnere nur an die ausgebliebene Entlastung für die Kommunen in Höhe von 5 Milliarden Euro einiges von dieser Prioritätenliste gestrichen.
Wie plausibel sollen Ihre Zusagen sein, wenn Sie am
Anfang noch nicht einmal Ihre prioritären Vorhaben finanzieren können? Wie glaubwürdig soll es denn sein,
dass Sie etwas umsetzen wollen, was unter einem Finanzierungsvorbehalt steht? Das glaubt doch kein Mensch.
({1})
Dass Sie das nicht glauben, glaube ich Ihnen gern.
({0})
Ich kann Ihnen nur sagen: Einer Regierung, die in den
ersten 100 Tagen zwei große Reformpakete auf den Weg
gebracht hat und damit Zusagen aus dem Koalitionsvertrag eins zu eins umsetzt, können Sie auch glauben, was
sie schwarz auf weiß im Koalitionsvertrag gemeinsam
verabredet hat, Herr Kurth.
({1})
Lassen Sie mich bei diesem Punkt bleiben. Die Rentenpolitik der Großen Koalition wird nach dem heutigen
Tag nicht zu Ende sein. Ich will an dieser Stelle gerne
das Stichwort „flexible Übergänge“ aufgreifen. Das
Thema „flexible Übergänge“ hat nicht die CDU/CSUMittelstandsvereinigung erfunden. Wir als Sozialdemokraten haben hierzu Anträge zu einer Zeit gestellt, als
noch Schwarz-Gelb regiert hat, als „Rentenreform“ für
Sie ein Fremdwort war, etwas, was Sie damals nicht angegangen sind.
Wir als Sozialdemokraten haben dafür gesorgt, dass
das Thema „flexible Übergänge“ überhaupt Eingang in
den Koalitionsvertrag gefunden hat. Es freut mich, dass
sich unser Koalitionspartner und auch die CDU/CSUMittelstandsvereinigung dieses Themas angenommen
haben und es mit Nachdruck mit verfolgen. Deswegen
freue ich mich auch auf die Diskussion, die wir darüber
gemeinsam mit unserem Koalitionspartner unter Beteiligung der Tarifparteien führen werden. Dazu lade ich die
Opposition herzlich ein.
({2})
Es gab noch die Bitte einer Kurzintervention aus der
SPD-Fraktion. - Bitte.
Mich interessiert die Stellungnahme und Bewertung
des Kollegen Rosemann zu folgendem Sachverhalt: Er
hat doch, wie wir alle mitbekommen haben, gesagt, dass
nach demoskopischen Umfragen eine große Mehrheit
junger und alter Menschen, unabhängig von jeder politischen Bindung - Grüne, Schwarze, Rote -, für den vorgezogenen Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren ist. Wie,
Herr Kollege Rosemann, erklären Sie sich, dass gerade
die Vertreter der Grünenfraktion und auch der Linken so
tun, als würde sie das überhaupt nicht interessieren? Haben Sie dafür eine Erklärung?
({0})
Herr Rosemann, möchten Sie antworten? - Bitte.
Vielen Dank. - Das gibt mir die Gelegenheit, noch
einmal darauf hinzuweisen, dass die Zustimmung zum
Rentenpaket in der Bevölkerung bei 80 Prozent liegt.
Diese Zustimmung lag vor der Kampagne der Initiative
Neue Soziale Marktwirtschaft bei 80 Prozent, und sie
liegt auch nach der Kampagne bei 80 Prozent.
({0})
Daraus ziehe ich die Schlussfolgerung: Die Initiative
Neue Soziale Marktwirtschaft hätte das Geld besser anderswo angelegt, vielleicht für einen guten Zweck gespendet oder sogar in die Rentenkassen gezahlt.
({1})
Als nächster Rednerin in dieser Debatte erteile ich das
Wort Sabine Weiss, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Seit Wochen,
wenn nicht sogar seit Monaten wird intensiv über das
Rentenpaket geredet, geschrieben und gestritten. Das
war richtig so. Streiten gehört zur gelebten Demokratie,
und Demokratie ist die beste aller Staatsformen, wenn
auch die schwierigste, weil immer um Überzeugungen
und Ziele gerungen werden muss.
Aber heute ist es so weit: Wir stimmen gleich über
das vorliegende Rentenpaket ab. Wir stimmen über die
Erhöhung der Erwerbsminderungsrente, die Verstärkung von Rehabilitationsleistungen, die Einführung der
Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren ab, und - versprochen und gehalten! - die Mütterrente kommt.
({0})
Gestatten Sie mir, dies heute zu meinem zentralen
Thema zu machen.
Frauen, die vor 1992 Kinder geboren haben, erhalten
einen zusätzlichen Rentenentgeltpunkt. Dies entspricht
pro Monat und pro Kind einer Rentenerhöhung von rund
28 Euro.
({1})
Dies ist - das gibt es tatsächlich noch in der Politik - ein
wahrer Grund zur Freude.
({2})
Etwa 9,5 Millionen Frauen und auch ein paar Männer
werden von der Erhöhung dieser Mütterrente profitieren,
wobei - das spüre ich, wenn ich im Wahlkreis unterwegs
bin - der finanzielle Wert nicht der wirklich ausschlaggebende ist. Viele Frauen empfinden es schlicht als gerecht, dass ihre Lebensleistung der Kindererziehung
heute ein Stück mehr Anerkennung findet.
({3})
Diese Frauen - wer würde dem nicht zustimmen, meine
Damen und Herren? - haben diese Anerkennung auch
verdient.
({4})
Daher ist heute - das möchte ich noch einmal wiederholen, Herr Kurth - für uns ein Tag der Freude.
Bei dieser Freude sollte man auch an die erinnern, die
immer wieder und nachhaltig daran erinnert haben, dass
eine echte Gerechtigkeitslücke besteht, also an die Mütter des heutigen Erfolges.
({5})
Denn es waren die Frauen, die durch Beharrlichkeit den
vorliegenden Gesetzentwurf in Bezug auf die Mütterrente durchgesetzt haben.
({6})
Auf Initiative der Frauen-Union, liebe Maria Böhmer,
hat sich die CDU bereits 2003 auf ihrem Leipziger Parteitag klar für eine stärkere Anerkennung der Kindererziehungszeiten in der Rente ausgesprochen. Begleitet
wurde diese Forderung der Frauen-Union immer von der
Gruppe der Frauen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
({7})
Aber erst 2009 wurde im Koalitionsvertrag vereinbart, im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten zu prüfen, ob Kindererziehungszeiten in der Rente verstärkt
berücksichtigt werden können. Die Frauen-Union ließ
aber nicht locker. Sie reichte beim Parteitag der CDU
2011 wiederum einen entsprechenden Antrag ein, der
eine breite Mehrheit fand. Mit einer bundesweiten Unterschriftenaktion konnte die Frauen-Union den politischen Druck verstärken.
Die Frauen in der CDU/CSU-Fraktion und die FrauenUnion erhielten starke Unterstützerinnen. Zum Beispiel
die katholischen Frauenverbände kfd und KDFB und der
Deutsche LandFrauenverband sammelten Hunderttausende von Unterschriften. Onlinepetitionen wurden eingereicht; Postkartenaktionen wurden gestartet. Diese breite
Bewegung für mehr Rentengerechtigkeit führte dazu,
dass das Projekt Mütterrente 2013 in das Regierungsprogramm der CDU/CSU aufgenommen wurde.
Sabine Weiss ({8})
An dieser Stelle möchte ich im Namen aller Frauen
ausdrücklich unserer Bundeskanzlerin und Parteivorsitzenden danken, die sich für unser Anliegen eingesetzt,
dieses unterstützt und nachdrücklich dafür geworben
hat.
({9})
Frau Kollegin Weiss, die Frau Kollegin Maisch,
Bündnis 90/Die Grünen, hat den Wunsch, eine Frage zu
stellen oder eine Bemerkung zu machen.
Sehr gerne.
Bitte, Frau Maisch.
Frau Kollegin, Sie haben gerade im Namen aller
Frauen gesprochen. Das finde ich mutig und ambitioniert. Deshalb möchte ich Sie fragen: Sprechen Sie auch
im Namen der Frauen, die so arm sind und deren Rente
so gering ist, dass die Mütterrente auf die Grundsicherung im Alter angerechnet wird? Das heißt, diese Frauen
können so viele Kinder geboren und so viele Erziehungsleistungen in ihrem Leben erbracht haben, wie sie
wollen, sie werden trotzdem keinen zusätzlichen Cent in
der Tasche haben. Deshalb frage ich Sie: Finden Sie,
dass heute auch für die armen Frauen in Deutschland ein
Tag zum Feiern ist?
({0})
Frau Kollegin, diese Fälle haben wir in den letzten
Wochen und Monaten rauf und runter diskutiert. Wir haben nie behauptet, dass wir nun außerhalb des Systems
agieren und die Mütterrente zusätzlich gewähren. Vielmehr sollten diejenigen, die bislang einen Rentenentgeltpunkt bekommen haben, noch einen zweiten erhalten.
Aber der finanzielle Ausgleich ist nicht das entscheidende Moment. Vielmehr handelt es sich hier um eine
Frage der Gerechtigkeit. Wenn wir die wenigen Ausnahmefälle, die es leider noch immer gibt,
({0})
zum Normalfall erheben, uns also ständig aus dem Mangel heraus definieren, dann kann man alles schlechtreden. Aber wir lassen heute nichts schlechtreden. Die
Mütterrente ist eine Erfolgsgeschichte, und zwar insbesondere eine der CDU. Das müssen Sie jetzt einfach einmal aushalten.
({1})
Ganz besonders stolz waren wir natürlich, als unser
Fraktionsvorsitzender Volker Kauder unser Anliegen
unterstützte. Damit war der Weg bis zur heutigen Abstimmung freigegeben. Dann haben sich unser Koalitionspartner und die Bundesarbeitsministerin bei den
Unterstützern eingereiht, sodass wir heute mit einer breiten Mehrheit rechnen können. Den vielen Frauen, die
sich in Verbänden und Vereinen und wo auch immer für
die Mütterrente starkgemacht haben, darf ich nun aus
vollem Herzen sagen: Euer Einsatz hat sich gelohnt. Die
Mütterrente kommt.
Herzlichen Dank.
({2})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort Dr. Peter
Tauber, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich
wollte ich ganz kurz und knapp die vier Eckpunkte des
Rentenpakets referieren, um vor allem den Kolleginnen
und Kollegen von den Grünen die Zustimmung etwas zu
erleichtern. Nun hat sich aber der Kollege Kurth als Orakel von Delphi versucht und sich in die Situation der
Historiker in 20 Jahren versetzt, um nachzuspüren, wie
dann dieses Rentenpaket historisch eingeordnet wird. Da
- lieber Herr Kurth, sehen Sie es mir nach - bin ich als
Historiker herausgefordert.
Ich will Ihnen sagen, was ich persönlich glaube, wie
dieses Rentenpaket eingeordnet wird. Sie sprachen von
der letzten Kanzlerschaft Angela Merkels. Ich schildere
Ihnen einmal, wie die Bewertung der dritten Kanzlerschaft Angela Merkels aussehen wird. Als die Union mit
Angela Merkel in der ersten Kanzlerschaft Regierungsverantwortung in diesem Land übernahm, waren 5 Millionen Menschen arbeitslos. Am Ende der ersten Großen
Koalition stand die Bewältigung einer Finanz- und Wirtschaftskrise, die in der Geschichte dieser Republik einmalig war.
In der zweiten Kanzlerschaft von Angela Merkel
stand Europa vor einer großen Herausforderung. Alle
klugen Institute, auch diejenigen, die Sie zitiert haben,
haben prognostiziert: Das geht schief; dieses Europa
steht am Rande des Zusammenbruchs. - Das Gegenteil
ist eingetreten dank einer klugen Politik.
({0})
Am Ende der zweiten Kanzlerschaft von Angela Merkel
ging es dem Land gut: niedrige Arbeitslosigkeit, hohes
Wirtschaftswachstum sowie eine prallgefüllte Rentenkasse im Vergleich zu der Zeit, als Sie Verantwortung
hatten.
({1})
Zu Beginn der dritten Kanzlerschaft von Angela
Merkel haben sich Sozialdemokraten und Christdemokraten darauf verständigt, dass auch diejenigen, die einen maßgeblichen Anteil an dem Erfolg haben, nämlich
die ältere Generation, an diesem Erfolg und an dieser guten Situation in unserem Land partizipieren sollen.
In dieser Großen Koalition reden wir also nicht nur
über Zahlen und Tabellen, sondern wir nehmen uns auch
der Frage an, was wir eigentlich tun können, um den Zusammenhalt in diesem Land zu stärken. Deswegen ist es
bei allem Erfolg - steigende Löhne für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und eine niedrige Jugendarbeitslosigkeit - gut und richtig, sich auch zu fragen, was wir
für die ältere Generation tun. Die Antwort liefern wir gemeinsam mit diesem Paket. Deswegen wird, glaube ich,
die Bewertung sehr viel positiver sein, als Sie sie vorgenommen haben.
({2})
Ich weiß aus vielen Briefen und Gesprächen, dass vor
allem die Mütterrente die Frauen umtreibt. Eine Frau hat
mir geschrieben: Als Mutter von vier Kindern ist mir das
Thema schon seit langer Zeit sehr wichtig. Es ist ja nicht
so, dass wir älteren Mütter in all den Jahren unserer Kinderpause die Hände in den Schoß gelegt haben. - Daran
merkt man eines: Natürlich geht es um den zusätzlichen
Rentenpunkt und um die damit verbundene Erhöhung
der Rente. Aber es geht auch noch um einen zweiten Aspekt: Es geht um die Anerkennung und Wertschätzung
mindestens in gleichem Maße. Auch deswegen ist die
Mütterrente so wichtig. Deswegen sage ich Dank an alle
in unserer Partei und Fraktion, die mit viel Herzblut dafür gekämpft haben.
({3})
Das DIW hat in seiner Bewertung der Mütterrente übrigens gesagt, dass vor allem die niedrigen und mittleren
Renten besonders davon profitieren. Auch das mag ein
kleiner Hinweis an Ihre Adresse sein. Sie haben eben in
diese Richtung gefragt.
Fakt ist: Am Ende profitieren über 9 Millionen Mütter
von der Mütterrente. Das ist eine ganz wichtige sozialpolitische Entscheidung dieser Großen Koalition. Es gibt
übrigens auch noch 200 000 Väter - die werden immer
unterschlagen; auch für die muss man einmal eine Lanze
brechen -, die ebenfalls von der sogenannten Mütterrente profitieren.
({4})
Sie werden die gleichen Zuschriften bekommen wie
wir. Diese Menschen, über 9 Millionen, freuen sich über
diese Entscheidung unserer Politik. Deswegen ist es ein
guter Tag, nicht nur für die Große Koalition und die betroffenen Mütter und Väter, sondern auch für unser ganzes Land. Unsere Entscheidung zeigt: Wir setzen uns
ernsthaft mit der Frage auseinander, was wir für den Zusammenhalt der Generationen und für die Gerechtigkeit
in diesem Land tun.
Herzlichen Dank.
({5})
Das Wort zu einer Kurzintervention hat Herr Kollege
Dr. Strengmann-Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Kollege Tauber, Sie tun so, als würde die gesamte Gesellschaft von dem Gesetz profitieren. Viele
Mütter gehen davon aus, dass sie jetzt viel mehr Geld
bekommen; es sind aber nur circa 28 Euro. Das ist weniger als 1 Euro pro Tag. Im Osten ist es sogar noch weniger.
({0})
Diejenigen, die Grundsicherung beziehen, haben
nichts davon. Ich glaube, auch viele Leute mit geringem
Einkommen werden denken, sie bekämen jetzt 28 Euro
mehr pro Kind, wenn sie Kinder erzogen haben. In der
Tat aber bekommen sie nichts. Diejenigen, die später
einmal Witwenrente beziehen, werden feststellen, dass
der Betrag angerechnet wird. Sie haben nur zum Teil etwas davon, obwohl auch sie etwas geleistet haben.
Was aber viel wichtiger ist: Diese Menschen müssen
es bezahlen, und zwar am Anfang durch höhere Beiträge
und später durch geringere Renten. Dann ist viel von den
28 Euro, die Sie jetzt ausschütten, wieder weg. Insofern
profitieren nicht alle, nicht die ältere Generation als Gesamtheit.
Man könnte darüber reden, das gesamte Rentenniveau
anzuheben, aber tatsächlich sinkt das gesamte Rentenniveau für alle, und die Beiträge steigen für alle Beitragszahlerinnen und Beitragszahler. Es müssen insbesondere
die mit den geringsten Einkommen das bezahlen, was
Sie jetzt vorlegen. Die Prognosen von meinem Kollegen
Markus Kurth - glauben Sie an meine Worte - werden
zutreffen.
({1})
Möchten Sie antworten, Herr Dr. Tauber?
Lieber Herr Kollege, grundsätzlich muss man festhalten: Die Rente basiert auf dem, was Menschen sich erarbeitet haben. Das ist der Unterschied zur Sozialhilfe.
Deswegen vergleichen Sie an der Stelle Äpfel mit Birnen.
Es gilt noch ein Zweites, das wir uns von Ihnen an
diesem Tag nicht kaputtmachen lassen. Ich gebe Ihnen
noch das Zitat eines Historikers mit auf den Weg. Ernst
Bloch hat einmal gesagt: „Man muß ins Gelingen verliebt sein, nicht ins Scheitern.“ Bei den Grünen habe ich
zu oft den Eindruck, sie sind ins Scheitern verliebt. Wir
dagegen sind ins Gelingen verliebt.
({0})
Als letztem Redner in dieser Aussprache erteile ich
das Wort Dr. Carsten Linnemann, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Unser ehemaliger Kollege Peter Struck hat einmal den Satz geprägt, dass kein Gesetz aus dem Deutschen Bundestag so
herauskommt, wie es eingebracht worden ist. Ich freue
mich, dass das Struck’sche Gesetz heute erneut bestätigt
wird.
({0})
Mit der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages fiel
bereits die Entscheidung, dass wir Änderungen bei der
Erwerbsminderungsrente und beim Rehadeckel sowie
die Mütterrente und die Rente mit 63 bekommen. Was
aber nicht klar war, war die Frage der konkreten Umsetzung. Insofern ist es gut, dass wir heute über einen Gesetzentwurf abstimmen, der sich in wesentlichen Punkten vom ersten Entwurf unterscheidet.
Allerdings können diese Änderungen - das ist meine
persönliche Meinung - die grundsätzlichen Fehler dieses
Rentenpaketes, die in der Finanzierung und vor allem
bei der Rente mit 63 liegen, nicht aufwiegen. Die Rente
mit 63 ist und bleibt ein falsches Signal in einer Gesellschaft, die immer älter wird.
({1})
Nun aber zu den meiner Meinung nach wichtigsten
Änderungen, die vorgenommen wurden:
Erstens. Wir haben einem möglichen Missbrauch bei
der Rente mit 63 einen Riegel vorgeschoben. Die Gefahr
einer Frühverrentungswelle ist gebannt. Ich begrüße es,
möchte aber einschränkend hinzufügen, dass ich nach
wie vor der Meinung bin, dass Zeiten der Arbeitslosigkeit nicht wie Zeiten der Arbeit behandelt werden dürfen.
({2})
Zweitens. Mit der Flexirente öffnen wir heute das Tor
zu einem flexiblen Renteneintritt. Das ist gerade in einer
Zeit wichtig, in der wir das Alter neu denken. Starre Regeln sind nicht mehr zeitgemäß.
({3})
Wir leben im 21. Jahrhundert, im Jahrhundert der Kreativität, der Flexibilität und nicht mehr im 20. Jahrhundert,
wo der Bevormundungsgedanke und damit der Betreuungsgedanke dominierten. Kurzum, wir brauchen in Zukunft alle: die Jüngeren und auch die Älteren. Viele von
ihnen wollen und können länger arbeiten. Wir sind auf
ihr Wissen, ihre Erfahrungen und ihre sozialen Kompetenzen angewiesen.
({4})
Daher freue ich mich, dass wir bereits in diesem Rentenpaket eine konkrete Maßnahme vereinbaren konnten:
Das Verbot der befristeten Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern im Rentenalter wird aufgehoben. Die Flexirente ist aber nur der Anfang - da haben alle Redner
recht - einer großen Debatte, und in dieser Debatte sollten wir keine gedanklichen Schranken aufbauen. Wir
sollten frei und offen mit den Experten, mit den Fachleuten in den nächsten Wochen und Monaten über die weitere Flexibilisierung reden.
Mir ist bewusst - das lassen Sie mich zum Schluss sagen -, dass mit der Flexirente ein völlig neuer Punkt im
Rentenpaket verankert werden konnte. Ich möchte mich
an dieser Stelle ausdrücklich bei allen Beteiligten der
Großen Koalition bedanken, dass dieser Punkt mit aufgenommen wurde.
({5})
Ich wünsche mir nun, dass daraus auch der Mut entsteht, dass wir weitere wichtige Weichenstellungen hin
zu mehr Flexibilisierung bekommen, dass Menschen
nicht nur länger arbeiten können, sondern dies freiwillig
auch wollen. Wir brauchen den Mentalitätswechsel. Das
könnte das Thema der nächsten Wochen, Monate und
Jahre sein. Lassen Sie es uns angehen. Insofern trage ich
am Ende des Tages diesen Kompromiss mit.
Herzlichen Dank.
({6})
Die Aussprache ist damit beendet.
Es gibt eine Reihe von Erklärungen nach § 31 der Ge-
schäftsordnung, die wir zu Protokoll nehmen.1)
Wir kommen nun zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes
über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Ren-
tenversicherung. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales
empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 18/1489, den Gesetzentwurf der Bun-
desregierung auf Drucksache 18/909 in der Ausschuss-
fassung anzunehmen. Hierzu liegen drei Änderungsan-
träge der Fraktion Die Linke vor. Die antragstellende
Fraktion wünscht jeweils namentliche Abstimmung.
Nach diesen drei namentlichen Abstimmungen unterbre-
che ich die Sitzung bis zum Vorliegen der Ergebnisse.
Anschließend erfolgen die namentliche Schlussabstim-
mung und weitere einfache Abstimmungen.
Wir kommen damit zur ersten namentlichen Abstim-
mung, und zwar über den Änderungsantrag auf Druck-
sache 18/1495. Ich bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen.
- Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der
Fall. Dann eröffne ich die namentliche Abstimmung
über den ersten Änderungsantrag.
1) Anlagen 2 bis 8
Vizepräsident Peter Hintze
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall.
Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu
beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung
wird Ihnen später bekannt gegeben.
Wir kommen damit zur zweiten namentlichen Ab-
stimmung, und zwar über den Änderungsantrag auf
Drucksache 18/1496. Sind die Plätze an den Urnen be-
setzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung
über den zweiten Änderungsantrag.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall.
Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu
beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen
später bekannt gegeben.1)
Wir kommen damit zur dritten namentlichen Abstim-
mung, und zwar über den Änderungsantrag auf Drucksa-
che 18/1497. Sind die Plätze an den Urnen besetzt? -
Das ist der Fall. Ich eröffne die namentliche Abstim-
mung über den dritten Änderungsantrag. Gibt es noch
ein Mitglied des Hauses, das seine Stimme nicht abgege-
1) Ergebnis Seite 3198 B
ben hat?2) - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich
diese Abstimmung.
Bis zum Vorliegen der Ergebnisse der namentlichen
Abstimmungen unterbreche ich die Sitzung. Ich empfehle aber, im Bereich des Plenarsaals zu bleiben.
({0})
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den ersten Änderungsantrag auf Drucksache
18/1495 der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine
Zimmermann ({0}), Roland Claus, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion Die Linke zu der zweiten Be-
ratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung mit dem
Titel „Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesse-
rungen in der gesetzlichen Rentenversicherung“ - Druck-
sachen 18/909, 18/1489 - bekannt: abgegebene Stimmen
588. Mit Ja haben gestimmt 114, mit Nein haben ge-
stimmt 474, Enthaltung keine. Der Änderungsantrag ist
damit abgelehnt.
2) Ergebnis Seite 3201 A
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 586;
davon
ja: 113
nein: 473
Ja
DIE LINKE
Jan van Aken
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Dr. André Hahn
Heike Hänsel
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Sabine Leidig
Michael Leutert
Stefan Liebich
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold ({1})
Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr. Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Kathrin Vogler
Harald Weinberg
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Volker Beck ({2})
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Stephan Kühn ({3})
Christian Kühn ({4})
Renate Künast
Monika Lazar
Dr. Tobias Lindner
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({5})
Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Dr. Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Dr. Valerie Wilms
Nein
CDU/CSU
Stephan Albani
Vizepräsident Peter Hintze
Katrin Albsteiger
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Norbert Barthle
Julia Bartz
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens ({6})
Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr. André Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Jutta Eckenbach
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr. Thomas Feist
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer ({7})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich
({8})
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Reinhard Grindel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr. Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr. Stefan Heck
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich ({9})
Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Christian Hirte
Dr. Heribert Hirte
Alexander Hoffmann
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Andreas Jung
Dr. Franz Josef Jung
Xaver Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr. Claudia Lücking-Michel
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr. Thomas de Maizière
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Stephan Mayer ({10})
Reiner Meier
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller
({11})
Stefan Müller ({12})
Dr. Philipp Murmann
Dr. Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr. Georg Nüßlein
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Sibylle Pfeiffer
Ronald Pofalla
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({13})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer ({14})
Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt ({15})
Gabriele Schmidt ({16})
Patrick Schnieder
Nadine Schön ({17})
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
Armin Schuster ({18})
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Erika Steinbach
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Thomas Strobl ({19})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Hans-Peter Uhl
Dr. Volker Ullrich
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel ({20})
Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr. Johann Wadephul
Vizepräsident Peter Hintze
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg ({21})
Dr. Anja Weisgerber
Peter Weiß ({22})
Sabine Weiss ({23})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({24})
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Oliver Wittke
Dagmar G. Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr. Matthias Zimmer
Gudrun Zollner
SPD
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Dr. Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Dirk Becker
Lothar Binding ({25})
Burkhard Blienert
Willi Brase
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Martin Burkert
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier-Heite
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr. Johannes Fechner
Dr. Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Martin Gerster
Iris Gleicke
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann
({26})
Dirk Heidenblut
Hubertus Heil ({27})
Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({28})
Thomas Hitschler
Dr. Eva Högl
Christina Jantz
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Christina Kampmann
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Birgit Kömpel
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange ({29})
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Dr. Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Michelle Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir ({30})
Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Achim Post ({31})
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Andreas Rimkus
Dennis Rohde
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({32})
Susann Rüthrich
Bernd Rützel
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim
Schabedoth
Axel Schäfer ({33})
Dr. Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr. Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt ({34})
Matthias Schmidt ({35})
Dagmar Schmidt ({36})
Carsten Schneider ({37})
Ursula Schulte
Swen Schulz ({38})
Ewald Schurer
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Dirk Wiese
Waltraud Wolff
({39})
Gülistan Yüksel
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Ich gebe nun das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen
Abstimmung über den zweiten Änderungsantrag auf
Drucksache 18/1496 der Abgeordneten Matthias W.
Birkwald, Sabine Zimmermann ({40}), Klaus Ernst,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion Die Linke zu
der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes über
Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung“ - Drucksachen 18/909, 18/1489 - bekannt:
abgegebene Stimmen 580. Mit Ja haben gestimmt 110,
mit Nein haben gestimmt 470, Enthaltung keine. Der
zweite Änderungsantrag ist ebenfalls abgelehnt.
Vizepräsident Peter Hintze
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 584;
davon
ja: 113
nein: 471
Ja
DIE LINKE
Jan van Aken
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Dr. André Hahn
Heike Hänsel
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Sabine Leidig
Michael Leutert
Stefan Liebich
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold ({41})
Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr. Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Kathrin Vogler
Harald Weinberg
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Volker Beck ({42})
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Stephan Kühn ({43})
Christian Kühn ({44})
Renate Künast
Monika Lazar
Dr. Tobias Lindner
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({45})
Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Dr. Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Dr. Valerie Wilms
Nein
CDU/CSU
Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Norbert Barthle
Julia Bartz
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens ({46})
Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr. André Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Jutta Eckenbach
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr. Thomas Feist
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer ({47})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich
({48})
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Reinhard Grindel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr. Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr. Stefan Heck
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich ({49})
Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Christian Hirte
Dr. Heribert Hirte
Alexander Hoffmann
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Andreas Jung
Dr. Franz Josef Jung
Xaver Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Vizepräsident Peter Hintze
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr. Claudia Lücking-Michel
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr. Thomas de Maizière
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Stephan Mayer ({50})
Reiner Meier
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller
({51})
Stefan Müller ({52})
Dr. Philipp Murmann
Dr. Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr. Georg Nüßlein
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Sibylle Pfeiffer
Ronald Pofalla
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({53})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer ({54})
Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt ({55})
Gabriele Schmidt ({56})
Patrick Schnieder
Nadine Schön ({57})
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
Armin Schuster ({58})
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Erika Steinbach
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Thomas Strobl ({59})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Hans-Peter Uhl
Dr. Volker Ullrich
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel ({60})
Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg ({61})
Dr. Anja Weisgerber
Peter Weiß ({62})
Sabine Weiss ({63})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({64})
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Oliver Wittke
Dagmar G. Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr. Matthias Zimmer
Gudrun Zollner
SPD
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Dr. Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Dirk Becker
Lothar Binding ({65})
Burkhard Blienert
Willi Brase
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Martin Burkert
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier-Heite
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr. Johannes Fechner
Dr. Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Martin Gerster
Iris Gleicke
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann
({66})
Dirk Heidenblut
Hubertus Heil ({67})
Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({68})
Thomas Hitschler
Dr. Eva Högl
Christina Jantz
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Christina Kampmann
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Birgit Kömpel
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange ({69})
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Dr. Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Michelle Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir ({70})
Vizepräsident Peter Hintze
Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Achim Post ({71})
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Andreas Rimkus
Dennis Rohde
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({72})
Susann Rüthrich
Bernd Rützel
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim
Schabedoth
Axel Schäfer ({73})
Dr. Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr. Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt ({74})
Matthias Schmidt ({75})
Dagmar Schmidt ({76})
Carsten Schneider ({77})
Ursula Schulte
Swen Schulz ({78})
Ewald Schurer
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Dirk Wiese
Waltraud Wolff
({79})
Gülistan Yüksel
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den dritten Änderungsantrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann ({80}),
Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Die
Linke zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der
Bundesregierung auf den genannten Drucksachen bekannt: abgegebene Stimmen 588. Mit Ja haben gestimmt
115, mit Nein haben gestimmt 473, Enthaltungen keine.
Damit ist auch der dritte Änderungsantrag abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 585;
davon
ja: 112
nein: 473
Ja
DIE LINKE
Jan van Aken
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Dr. André Hahn
Heike Hänsel
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Sabine Leidig
Michael Leutert
Stefan Liebich
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold ({81})
Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Kathrin Vogler
Harald Weinberg
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Volker Beck ({82})
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Stephan Kühn ({83})
Christian Kühn ({84})
Renate Künast
Monika Lazar
Dr. Tobias Lindner
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({85})
Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Dr. Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Dr. Valerie Wilms
Nein
CDU/CSU
Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Norbert Barthle
Julia Bartz
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens ({86})
Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr. André Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Vizepräsident Peter Hintze
Dr. Ralf Brauksiepe
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Jutta Eckenbach
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr. Thomas Feist
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer ({87})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich
({88})
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Reinhard Grindel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr. Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr. Stefan Heck
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich ({89})
Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Christian Hirte
Dr. Heribert Hirte
Alexander Hoffmann
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Andreas Jung
Dr. Franz Josef Jung
Xaver Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr. Claudia Lücking-Michel
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr. Thomas de Maizière
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Stephan Mayer ({90})
Reiner Meier
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller
({91})
Stefan Müller ({92})
Dr. Philipp Murmann
Dr. Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr. Georg Nüßlein
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Sibylle Pfeiffer
Ronald Pofalla
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({93})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer ({94})
Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt ({95})
Gabriele Schmidt ({96})
Patrick Schnieder
Nadine Schön ({97})
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
Armin Schuster ({98})
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Erika Steinbach
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Thomas Strobl ({99})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Hans-Peter Uhl
Dr. Volker Ullrich
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel ({100})
Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg ({101})
Dr. Anja Weisgerber
Peter Weiß ({102})
Sabine Weiss ({103})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({104})
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Oliver Wittke
Dagmar G. Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr. Matthias Zimmer
Gudrun Zollner
Vizepräsident Peter Hintze
SPD
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Dr. Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Dirk Becker
Lothar Binding ({105})
Burkhard Blienert
Willi Brase
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Martin Burkert
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier-Heite
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr. Johannes Fechner
Dr. Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Martin Gerster
Iris Gleicke
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann
({106})
Dirk Heidenblut
Hubertus Heil ({107})
Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({108})
Thomas Hitschler
Dr. Eva Högl
Christina Jantz
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Christina Kampmann
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Birgit Kömpel
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange ({109})
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Dr. Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Michelle Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir ({110})
Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Achim Post ({111})
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Andreas Rimkus
Dennis Rohde
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({112})
Susann Rüthrich
Bernd Rützel
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim
Schabedoth
Axel Schäfer ({113})
Dr. Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr. Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt ({114})
Matthias Schmidt ({115})
Dagmar Schmidt ({116})
Carsten Schneider ({117})
Ursula Schulte
Swen Schulz ({118})
Ewald Schurer
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Dirk Wiese
Waltraud Wolff
({119})
Gülistan Yüksel
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Wir stimmen nun über den Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung ab. Wer dem Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung zustimmen möchte, den bitte ich um sein
Handzeichen. - Wer stimmt gegen den Gesetzentwurf in
der Ausschussfassung? - Wer enthält sich? - Dann ist
der Gesetzentwurf in der Ausschussfassung in zweiter
Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD ge-
gen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Ent-
haltung der Fraktion Die Linke angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Die Fraktionen der CDU/CSU
und SPD haben namentliche Abstimmung verlangt. Sind
die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich
eröffne damit die vierte namentliche Abstimmung, die
Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf.
Ich darf darauf hinweisen: Es folgen gleich Abstim-
mungen über Entschließungsanträge. Es wäre also
schön, wenn ein Teil der Kollegen so nett wäre, hier im
Parlament zu bleiben.
Gibt es jemanden im Haus, der seine Stimme noch
nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann ist
die Abstimmung geschlossen. Ich bitte die Schriftführe-
rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später
bekannt gegeben.1)
Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen über die
Entschließungsanträge.
1) Ergebnis Seite 3205 D
Vizepräsident Peter Hintze
Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD auf Drucksache 18/1507. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist das
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und der
SPD bei Gegenstimmen der Linken so angenommen.
({120})
- Es war, offen gestanden, nicht zu erkennen, wofür Sie
gestimmt haben. Entschuldigung, dann nehmen wir das
ins Protokoll auf: Auch die Grünen haben dem Entschließungsantrag auf Drucksache 18/1507 zugestimmt.
Er ist also mit Zustimmung von CDU/CSU, SPD und
Bündnis 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der Fraktion
Die Linke angenommen.
Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/1508. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist der Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/1508
abgelehnt. Dafür stimmte die Fraktion Die Linke, dagegen stimmten alle anderen Fraktionen.
Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/1498. Wer
stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Dann ist der Antrag gegen die Stimmen der Grünen, aber mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und
Linke abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 19 b. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes der Fraktion
Die Linke zur Verbesserung des Erwerbsminderungsschutzes. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/1489, den Gesetzentwurf der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/9 abzulehnen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen,
um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dafür haben gestimmt die Fraktionen Die
Linke und Bündnis 90/Die Grünen, dagegen haben gestimmt SPD und CDU/CSU. Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung abgelehnt. Damit entfällt nach
unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Tagesordnungspunkt 19 c. Wir setzen die Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses
für Arbeit und Soziales auf Drucksache 18/1489 fort.
Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/765 mit dem Titel
„Vollständige Gleichstellung und gerechte Finanzierung
der Kindererziehungszeiten in der Rente umsetzen Mütterrente verbessern“. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Ausschusses? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung des Ausschusses ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und
Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion
Die Linke angenommen.
Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe d seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des
Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/767
mit dem Titel „Rentenniveau anheben, Leistungen verbessern und die wesentlichen Ursachen für sinkende
Renten und Altersarmut bekämpfen“. Wer stimmt für die
Beschlussempfehlung des Ausschusses? - Wer stimmt
dagegen? - Damit ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses angenommen mit den Stimmen von CDU/CSU,
SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der
Linken.
Ich begrüße Sie. Von meiner Seite aus einen schönen
guten Tag! Auch unseren Gästen einen schönen guten
Tag!
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der
CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Besonderen Ausgleichsregelung für stromkosten- und handelsintensive Unternehmen
Drucksache 18/1449
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Energie ({0})
Innenausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. - Ich höre und
sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Wolfgang Tiefensee für die SPD.
({1})
Guten Tag, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im
Jahr 2000 war die eigentliche Energiewende. Das EEG
war der Durchbruch zur Einführung der erneuerbaren
Energien.
({0})
Am 8. April dieses Jahres wurde im Kabinett ein Gesetzentwurf verabschiedet und ins Hohe Haus eingebracht, der dieses EEG reformiert. Im Jahre 2014 war es
notwendig - vor dem Hintergrund der zweiten Energiewende oder der erneuten Bestätigung des Atomausstieges -, das Erneuerbare-Energien-Gesetz von einem
Markteinführungsinstrument hin zur Marktdurchdringung zu reformieren.
Was wir in der Zukunft brauchen, ist die Entwicklung
eines neuen Strommarktdesigns auf europäischer Ebene.
Wir müssen darüber sprechen, wie wir KapazitätsmechaWolfgang Tiefensee
nismen einführen. Wir werden uns den großen Herausforderungen stellen müssen, die Energieeffizienzrichtlinie der EU umzusetzen bzw. in unserem Land zu einem
Durchbruch zu verhelfen. Eine Debatte über das KWKGesetz steht an. Wie in einem Baukasten müssen wir
jetzt die verschiedenen Teile, die die Energiewende voranbringen, zusammenfügen.
({1})
Heute beraten wir über die Reform der Besonderen
Ausgleichsregelung, die ganz eng verschränkt ist mit der
Reform des EEG. Wir müssen auf der einen Seite den
Bereich der erneuerbaren Energien fördern - dabei müssen wir sowohl die Kosten im Griff behalten als auch für
die Stabilität der Versorgung sorgen - und auf der anderen Seite unseren Wirtschaftsstandort, unseren Industriestandort erhalten. Das ist eine immense Herausforderung. Nur wenn das gelingt, wird das ErneuerbareEnergien-Gesetz eine Blaupause auch für andere sein.
({2})
Jetzt geht es darum, dass wir nicht nur für Kostenund Versorgungssicherheit sorgen, sondern auch für Planungssicherheit. Ich bin Sigmar Gabriel und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seines Hauses dankbar,
dass nicht nur das EEG in unglaublicher Geschwindigkeit und mit hoher Professionalität reformiert wird, sondern wir jetzt auch dafür sorgen, dass die strom- und
handelsintensiven Unternehmen - das meint den Mittelstand genauso wie die große Industrie - verlässlich darauf bauen können, dass sie international wettbewerbsfähig bleiben. Aus diesem Grund beraten wir heute über
die Reform der Besonderen Ausgleichsregelung.
Worum geht es? Es geht darum, dafür zu sorgen, dass
energie- und handelsintensive Unternehmen nicht wegen
der Förderung des Bereichs der erneuerbaren Energien
und den mit der EEG-Umlage verbundenen gestiegenen
Kosten im Wettbewerb so stark benachteiligt werden,
dass Arbeitsplätze gefährdet werden. Die Koalition steht
sowohl für die Förderung des Bereichs der erneuerbaren
Energien als auch für die Förderung des Wirtschafts- und
Industriestandorts Deutschland. Beides muss zusammengehen, und das schaffen wir mit diesem Gesetz.
({3})
In extrem schwierigen Verhandlungen ist es Sigmar
Gabriel, aber auch der Bundeskanzlerin gelungen, vor
dem Hintergrund der Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien dafür zu sorgen, dass für diese Unternehmen Planungssicherheit besteht. Sie werden entlastet, damit wir
in der gesamten Wertschöpfungskette, von der Grundstoffindustrie bis zum Nanoprodukt, Arbeitsplätze in
Deutschland erhalten und durch den Erhalt von Technologien wettbewerbsfähig bleiben.
Diese Unternehmen werden aber nicht generell befreit. In der Öffentlichkeit ist vielfach nicht bekannt,
dass ein namhafter Milliardenbetrag, ein Betrag von
7 Milliarden bis 8 Milliarden Euro - zählt man Dienstleistungen, Handel und Gewerbe hinzu, sind es etwa
12 Milliarden Euro -, gezahlt wird, um die Lasten des
EEG gemeinsam mit den anderen Endkunden zu tragen.
Wir haben eine Regelung eingeführt, nach der die
Quote für die Befreiung, die sich aus der Stromintensität
bzw. dem Stromverbrauch und der Bruttowertschöpfung
eines Unternehmens ergibt, erhöht wird, und zwar für
die Unternehmen und Branchen der Liste 1 von 14 auf
16 Prozent, später auf 17 Prozent, und für die Unternehmen, die auf der Liste 2 stehen, auf 20 Prozent. Wir wollen so dafür sorgen, dass die Aufwendungen, die getragen werden müssen - das sind etwa 5 Milliarden Euro -,
auch in Zukunft stabil auf diesem Niveau bleiben. Das
ist Verlässlichkeit, und das ist ein fairer Umgang mit all
denen, die dafür bezahlen müssen.
Für die erste Gigawattstunde muss zudem die volle
EEG-Umlage gezahlt werden und für die weiteren Kilowattstunden jeweils 0,1 Cent. Also, auch hier gibt es
eine Erhöhung.
Ferner haben wir dafür gesorgt, dass die Unternehmen, die früher befreit waren und in Zukunft nicht mehr
befreit sind, von einer moderaten Übergangsregelung
profitieren. Dies betrifft unter anderem Unternehmen,
deren Stromintensität zwar 14 Prozent, aber nicht 16, 17
respektive 20 Prozent der Bruttowertschöpfung beträgt.
Wenn in der Öffentlichkeit jetzt der Stromkunde gegen die Unternehmen und damit gegen die Arbeitsplätze
und den Erhalt der Technologie in Deutschland ausgespielt wird, dann ist das nicht richtig. Wir haben eine Balance geschaffen. Hätten wir diese Ausgleichsregelung
nicht, dann könnten wir die Haushalte im Monat um
durchschnittlich 3,50 Euro entlasten. So erhalten wir
aber Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze und die Wertschöpfungsketten in Deutschland.
({4})
Dieser Gesetzentwurf ist ein guter Schritt. Herzlichen
Dank dafür. Wir gehen in die Beratungen. Ich bin sicher,
dass die Energiewende so gelingen wird.
Vielen Dank.
({5})
Danke, Herr Kollege Tiefensee.
Ich darf Ihnen, bevor ich Frau Bulling-Schröter das
Wort erteile, das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt geben. Der Entwurf eines Gesetzes
über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung ist angenommen: abgegebene Stimmen
584. Mit Ja haben 460 Kolleginnen und Kollegen gestimmt, mit Nein haben 64 Kollegen und Kolleginnen
gestimmt, 60 haben sich enthalten. Damit ist der Gesetzentwurf angenommen.
Vizepräsidentin Claudia Roth
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 584;
davon
ja: 460
nein: 64
enthalten: 60
Ja
CDU/CSU
Stephan Albani
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Norbert Barthle
Julia Bartz
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens ({0})
Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr. André Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Jutta Eckenbach
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr. Thomas Feist
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer ({1})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich
({2})
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Reinhard Grindel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr. Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich ({3})
Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Christian Hirte
Alexander Hoffmann
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Andreas Jung
Dr. Franz Josef Jung
Xaver Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Wilfried Lorenz
Dr. Claudia Lücking-Michel
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr. Thomas de Maizière
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Stephan Mayer ({4})
Reiner Meier
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller
({5})
Stefan Müller ({6})
Dr. Philipp Murmann
Dr. Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr. Georg Nüßlein
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Sibylle Pfeiffer
Ronald Pofalla
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({7})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer ({8})
Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Heiko Schmelzle
Gabriele Schmidt ({9})
Patrick Schnieder
Nadine Schön ({10})
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
Armin Schuster ({11})
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Sebastian Steineke
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Thomas Strobl ({12})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Hans-Peter Uhl
Dr. Volker Ullrich
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel ({13})
Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Vizepräsidentin Claudia Roth
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg ({14})
Dr. Anja Weisgerber
Peter Weiß ({15})
Sabine Weiss ({16})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({17})
Elisabeth WinkelmeierBecker
Oliver Wittke
Dagmar G. Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr. Matthias Zimmer
Gudrun Zollner
SPD
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Dr. Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Dirk Becker
Lothar Binding ({18})
Burkhard Blienert
Willi Brase
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Martin Burkert
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier-Heite
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr. Johannes Fechner
Dr. Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Martin Gerster
Iris Gleicke
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann
({19})
Dirk Heidenblut
Hubertus Heil ({20})
Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({21})
Thomas Hitschler
Dr. Eva Högl
Christina Jantz
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Christina Kampmann
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Birgit Kömpel
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange ({22})
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Dr. Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Michelle Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir ({23})
Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Achim Post ({24})
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Andreas Rimkus
Dennis Rohde
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({25})
Susann Rüthrich
Bernd Rützel
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim
Schabedoth
Axel Schäfer ({26})
Dr. Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr. Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt ({27})
Matthias Schmidt ({28})
Dagmar Schmidt ({29})
Carsten Schneider ({30})
Ursula Schulte
Swen Schulz ({31})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Martina Stamm-Fibich
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Dirk Wiese
Waltraud Wolff
({32})
Gülistan Yüksel
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Nein
CDU/CSU
Katrin Albsteiger
Mark Hauptmann
Dr. Stefan Heck
Dr. Heribert Hirte
Carsten Körber
Johannes Steiniger
Christian Freiherr von Stetten
Marian Wendt
Klaus-Peter Willsch
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Volker Beck ({33})
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Stephan Kühn ({34})
Christian Kühn ({35})
Renate Künast
Dr. Tobias Lindner
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({36})
Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Vizepräsidentin Claudia Roth
Kordula Schulz-Asche
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Dr. Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Dr. Valerie Wilms
Enthalten
CDU/CSU
Patricia Lips
Eckhard Pols
DIE LINKE
Jan van Aken
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Dr. André Hahn
Heike Hänsel
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Sabine Leidig
Michael Leutert
Stefan Liebich
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold ({37})
Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr. Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Kathrin Vogler
Harald Weinberg
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Monika Lazar
Beate Müller-Gemmeke
Jürgen Trittin
({38})
Das Wort in der laufenden Debatte hat Eva BullingSchröter für die Linke.
({39})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Der hier zur Debatte stehende Entwurf eines
Gesetzes zur Reform der Besonderen Ausgleichsregelung für stromkosten- und handelsintensive Unternehmen betrifft nur einen winzigen Teilaspekt des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Dieser Teilaspekt wurde aber
von Minister Gabriel von Beginn an als Lokomotive benutzt, um einen enormen und völlig unnötigen Zeitdruck
auf die gesamte EEG-Reform aufzubauen.
Ich erinnere daran, wie das damals im Dezember war:
EU-Wettbewerbskommissar Almunia leitete das Verfahren ein, zu prüfen, ob die EEG-Entlastungen der Industrie wettbewerbsrechtlich zulässig seien. Einige Stimmen
forderten schon damals, die Besondere Ausgleichsregelung für die Industrie unabhängig vom EEG in einem eigenen Gesetz zu regeln, um den großen Zeitdruck von
der EEG-Reform zu nehmen. Herr Gabriel lehnte das ab.
Deshalb ist es eine Ironie der Geschichte, dass die Industrieprivilegien nun tatsächlich in einem eigenen gesetzlichen Akt geregelt werden, terminiert sogar nach dem
EEG. Hätte man dies von Anfang an so getrennt, hätte
man die EEG-Reform mit Sorgfalt, Abwägung und intensiverer demokratischer Diskussion vielleicht auf einen zukunftsträchtigeren Weg gebracht.
({0})
Aber das wollten Sie nicht. Das wollte Minister
Gabriel nicht. Er wollte dieses Tempo, basta. Damit
haben Sie in der gesamten Branche der erneuerbaren
Energien für eine fundamentale Verunsicherung, eine anstehende Klagewelle und kaum absehbare Investitionsverzögerungen gesorgt.
Was ist nun bei der Reform der Besonderen Ausgleichsregelung herausgekommen? Eine Umschichtung,
aber in der Summe keine nennenswerte Rücknahme der
Privilegien für die energieintensiven Unternehmen. Einige Unternehmen werden künftig nicht mehr als antragsberechtigt gelten, dafür rutschen andere in die Privilegierung hinein. Doch selbst für die, die herausfallen,
haben Sie ein weiches Polster: Sie gelten als sogenannte
Härtefälle, die durch Sonderregelungen eine Umlage
von durchschnittlich nur 0,5 Cent pro Kilowattstunde
zahlen. Der Skandal dabei ist, dass dies zeitlich sogar
unbefristet ist. Ich halte das für unverantwortlich.
({1})
Diese Dauersubventionen von eigentlich nicht dazu berechtigten Unternehmen kann man niemandem mehr erklären, vor allem nicht den privaten Stromverbrauchern.
Ich möchte heute auch darüber reden, welche Privilegien im Energiebereich die Industrie gegenüber den privaten Haushalten sonst noch genießt. Im vergangenen
Jahr wurde die deutsche Industrie mit insgesamt 16 Milliarden Euro bei Energie- und Emissionsabgaben beschenkt. Ich zähle einmal auf, was dies alles umfasst:
Entlastung von der Energie- und Stromsteuer in Höhe
von 5,1 Milliarden Euro, kostenlose Verteilung von Emissionszertifikaten in Höhe von 1,1 Milliarden Euro, sogenannter Eigenverbrauch der Industrie und Kraftwerkseigenverbrauch in Höhe von 1,5 Milliarden Euro - davon
profitiert vor allem der Braunkohletagebau -, Befreiung
von Netzentgelten, Ermäßigungen bei der Offshorehaftungsumlage, Ermäßigungen bei der Umlage für KraftWärme-Kopplung und reduzierte Konzessionsabgaben.
Das alles bekommt die Industrie zusätzlich. Insgesamt sind dies 16 Milliarden Euro. Der Posten im Rahmen des vorliegenden Gesetzentwurfes beträgt nur ein
Viertel davon. Ich sage: Diese verdeckten Energiesubventionen verschaffen den deutschen Unternehmen gegenüber anderen europäischen Staaten Vorteile.
({2})
So sichert sich Deutschland in Europa seine Stärke, und
so sehr pfeift Deutschland auf den Rest von Europa.
({3})
Danke, Frau Kollegin. - Nächster Redner in der Debatte: Dr. Joachim Pfeiffer für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Kollege Tiefensee hat ja schon deutlich gemacht, um
was es geht; er hat auch die Zahlen genannt. Ich will versuchen, das Gesagte zu unterstreichen und es an ein paar
Beispielen zu erläutern. Es geht heute darum, dass wir
das EEG europafest machen, dass wir die Umwelt- und
Beihilfeleitlinien der Europäischen Union in nationales
Recht umsetzen und damit dauerhafte Planungs- und Investitionssicherheit schaffen, und zwar im Hinblick auf
die industriellen Arbeitsplätze insbesondere in den energieintensiven Unternehmen in Deutschland. Über 1 Million Arbeitsplätze gibt es direkt in den energieintensiven
Unternehmen.
({0})
Diese wollen wir mit der Umsetzung dieses Gesetzentwurfes sichern.
({1})
Insbesondere wollen wir - auch das hat Kollege
Tiefensee bereits angesprochen - die industriellen Wertschöpfungsketten hier in Deutschland erhalten. Wir alle
sind stolz darauf, dass wir in Deutschland einen höheren
Industrieanteil haben als unsere Wettbewerber bzw. als
die anderen Länder in Europa. In Deutschland liegt der
Anteil der industriellen Wertschöpfung am Bruttosozialprodukt immer noch bei rund 23 Prozent. In anderen
Ländern ist er geringer: In Frankreich beträgt er knapp
12 Prozent, in Großbritannien 11 Prozent und in den
USA knapp 13 Prozent. Das ist ein entscheidender Vorteil, den Deutschland im internationalen Wettbewerb hat.
({2})
Diese Wertschöpfungsketten müssen erhalten werden;
denn sie sind die Grundvoraussetzung für viele Produkte, auf die wir stolz sind. Auch mit dem EEG und
trotz des Umbaus der Energieversorgung würde kein
Windrad in Deutschland aufgestellt, wenn es diese industriellen Wertschöpfungsketten nicht gäbe; denn in jedem Windrad ist beispielsweise Kupfer aus der Grundstoffindustrie zu finden. Ohne diese Grundstoffe, die
hier gesichert werden, würde kein Hochgeschwindigkeitszug in Deutschland fahren. Ohne die industriellen
Wertschöpfungsketten, um die es hier geht, würde in
Deutschland kein Flugzeugtriebwerk installiert, und es
würde kein Automobil in Deutschland gebaut und verkauft.
Da erschließt sich mir nicht - das muss ich schon sagen -, warum die Linken und auch die Grünen hier skandalisieren und von „unverantwortlich“, „Dauersubvention“ und anderen Dingen sprechen;
({3})
das waren Begriffe, die gerade gefallen sind und die
gleich wahrscheinlich auch beim Kollegen Krischer fallen werden. Da wird der Eindruck erweckt, als würden
die entsprechenden Unternehmen subventioniert und als
würde man ihnen etwas schenken, was sie eigentlich
nicht verdient haben.
Wie sieht denn die Realität aus? Tatsache ist, dass
diese Unternehmen teilweise einen Nachteilsausgleich
bekommen, einen Ausgleich für die Nachteile, die sie
am Standort Deutschland haben. Ob es Ihnen gefällt
oder nicht: Tatsache ist, dass die Industriestrompreise in
Deutschland zu den höchsten in Europa gehören. Sie bewegen sich in einer Größenordnung von 9,2 Cent bis
10 Cent pro Kilowattstunde. Vergleicht man sie mit den
Strompreisen in den Ländern, mit denen wir im Wettbewerb stehen - ich habe sie gerade schon genannt -, stellt
man fest: Das sind etwa 40 Prozent mehr, als die Industrie in Frankreich für Strom zahlen muss; dort sind es
nämlich 5,6 Cent pro Kilowattstunde.
({4})
In Norwegen sind 5 Cent pro Kilowattstunde zu zahlen.
In Schweden muss man nicht einmal die Hälfte dessen
zahlen, was in Deutschland zu zahlen ist.
Es ist ja nicht so - auch diese Zahlen hat der Kollege
Tiefensee genannt -, dass nichts zu zahlen ist. Insgesamt
zahlt die Industrie etwa die Hälfte der gesamten EEGUmlage. Hier wird aber der Eindruck erweckt, als würde
sie überhaupt nichts zahlen und als würde sie etwas bekommen, was sie eigentlich nicht verdient hat. Wie gesagt, das Gegenteil ist der Fall.
Auch der weltweite Vergleich zeigt: Unsere Strompreise sind mehr als doppelt so hoch wie die in den USA,
mehr als doppelt so hoch wie die in Russland, 25 Prozent höher als die in China
({5})
und über 30 Prozent höher als die Strompreise in einem
anderen BRIC-Land, nämlich in Brasilien.
Diese Zusatzbelastungen gefährden die Wertschöpfung in Deutschland. Deshalb versuchen wir, einen Spagat hinzubekommen: Auf der einen Seite wollen wir die
Förderung der Erneuerbaren weiter vorantreiben, und
zwar kostenbewusst. Mengenmäßig ist sie ja ein großer
Erfolg, aber die Kosten sind uns aus dem Ruder gelaufen. Deshalb versuchen wir, den Anstieg der Kosten
durch die EEG-Reform abzubremsen. Auf der anderen
Seite versuchen wir mit dem, was wir heute hier diskutieren und was dann in den nächsten Wochen im Aus3210
schuss und in den Anhörungen noch intensiv diskutiert
werden wird, Planungs- und Investitionssicherheit für
die Industrie zu schaffen. Auch dies machen wir nicht
willkürlich, sondern in einer sinnvollen Kaskade, und
zwar nach der Energieintensität:
Erstens. Für jedes Unternehmen, das strom- und handelsintensiv ist - die Kriterien sind jetzt EU-weit sektorenweise in den Umwelt- und Beihilfeleitlinien festgelegt worden -, gilt ein Selbstbehalt von 15 Prozent der
EEG-Umlage. Damit werden auch europaweit Wettbewerbsgleichheit und Planungssicherheit geschaffen.
Zweitens. Bei besonders stromintensiven Unternehmen wird die Belastung auf 4 Prozent der Bruttowertschöpfung begrenzt - nicht der Kosten, sondern der Bruttowertschöpfung -, die diese Unternehmen am Standort
Deutschland erbringen. Sie können doch nicht ernsthaft
etwas dagegen haben, dass diese Unternehmen in
Deutschland Wertschöpfung erbringen!
({6})
Wenn wir die Belastung für diese Unternehmen nicht begrenzten, würden sie aus Deutschland weggehen müssen.
({7})
Drittens, der sogenannte Superdeckel: Bei besonders
stromintensiven Unternehmen - Kupfer-, Aluminium-,
Stahlindustrie und andere mehr - wird die EEG-Belastung auf nur 0,5 Prozent der Bruttowertschöpfung gedeckelt.
Viertens. Wir machen zudem etwas zwingend Notwendiges; denn wegen der veränderten Systematik der
EU und jetzt auch der nationalen Umsetzung entfallen
für zahlreiche Unternehmen Entlastungen, die bisher für
sie galten. Wenn diese Entlastungen von heute auf morgen entfielen - zum Teil würde sich die Belastung für die
Unternehmen nicht nur verdoppeln, sondern im Einzelfall verzwanzigfachen -, dann wären diese Unternehmen
von heute auf morgen nicht mehr wettbewerbsfähig und
müssten hier schließen bzw. den Standort verlassen.
({8})
Das wollen wir nicht. Deshalb haben wir die Härtefallregelung geschaffen: Unternehmen, die aus der bisherigen
Regelung herausfallen, müssen zukünftig 20 Prozent der
EEG-Umlage - daran werden sie schon hart genug zu
tragen haben - zahlen; somit bleibt eine gewisse Entlastung.
Das alles versuchen wir mit dem vorliegenden Gesetz
umzusetzen.
({9})
Wir sichern damit den Standort.
Jetzt wird wieder argumentiert werden: Das ist zu viel
Entlastung, zahlen müssen das die Verbraucher. - Aber
das wäre eine Milchmädchenrechnung: Wenn alle Entlastungen für energieintensive Industrien gestrichen würden, würde die EEG-Umlage in einer Größenordnung
von 1 Cent pro Kilowattstunde sinken, von 6,3 Cent auf,
sagen wir einmal, 5 Cent pro Kilowattstunde. Das wäre
natürlich eine gewisse Entlastung. Aber insgesamt wird
deutlich: Der wahre Kostentreiber ist der Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Kosten in diesem Bereich sind
zu hoch. Deshalb will man an anderer Stelle dagegen
vorgehen. Die energieintensiven Unternehmen sind aber
der falsche Ansatzpunkt, sie sind Opfer dieser Entwicklung und nicht Täter. Genau deshalb versuchen wir,
diese Unternehmen zu entlasten.
({10})
Herr Pfeiffer, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder
-bemerkung?
Gerne.
Bitte schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, Kollege
Pfeiffer.
Sie haben gerade sehr eindrücklich beschrieben, dass
die EEG-Umlage nur um 1 Cent pro Kilowattstunde gesenkt werden könnte, wenn Sie bei den Entlastungen für
die Industrie vernünftige Einschnitte machen würden.
Wie erklären Sie sich dann, dass Ihre Regierung die Belastung der Selbstversorgung mit Strom aus erneuerbaren Quellen - die Streichung der Befreiung von Eigenstrom von der EEG-Umlage würde wahrscheinlich zu
einer Senkung von noch nicht einmal 0,1 Cent pro Kilowattstunde führen - trotzdem mit solcher Verve verfolgt? Warum sollen Menschen, die sich Strom aus erneuerbaren Quellen selber dezentral erzeugen, belastet
werden?
Wir befinden uns in einem Diskussionsprozess; die
Anhörung findet in der nächsten Sitzungswoche statt.
Wir werden uns bei diesem Thema innerhalb der Koalition, aber in der Anhörung auch mit allen Fraktionen
auseinandersetzen.
Wir wollen und werden sicherstellen - das ist gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf auch schon
deutlich verbessert -, dass der Umfang an Eigenstromverbrauch - wir reden hier über insgesamt 50 Terawattstunden - erhalten wird. Hier geht es ja insbesondere um
die Kraft-Wärme-Kopplung, also eine besonders effiziente Form der Energieerzeugung.
Wir werden auch sicherstellen, dass die Bestandsinvestitionen nicht nur gesichert sind, sondern auch erweitert werden können, nämlich um eine Größenordnung
von bis zu 30 Prozent. Auch diesbezüglich werden wir
den Eigenstromverbrauch weiter privilegieren und sicherstellen.
({0})
Daneben werden wir uns sehr genau anschauen - das
haben Sie angesprochen -, ob die jetzige Staffelung von
15, 30 und 50 Prozent - am Anfang waren es ja einmal
bis zu 90 Prozent - sinnvoll ist, ob wir zwischen den
einzelnen Verbrauchern differenzieren sollten und wo
dieser Strom herkommt. Gerade einmal 3,2 Terawattstunden der 50 Terawattstunden werden heute aus erneuerbaren Energien produziert.
Andererseits gibt es natürlich schon die Tendenz
- das werden Sie uns morgen oder übermorgen in der
Debatte wieder vorwerfen -,
({1})
dass sich manche von der Solidarität verabschieden, indem sie nur auf Eigenstromverbrauch setzen,
({2})
um ihre Belastungen durch die EEG-Umlage entsprechend zu reduzieren, was natürlich nachvollziehbar ist.
Wir sind uns dieser Problematik bewusst, und wir werden hier im parlamentarischen Verfahren auch noch zu
Änderungen gegenüber dem kommen, was bisher auf
dem Tisch liegt.
({3})
Kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Rede.
Ja. - Er hat ja eine Sekunde vor dem Ende meiner Redezeit die Zwischenfrage gestellt, sodass ich die Möglichkeit hatte, dieses zu erläutern.
Ich habe die Uhr selbstverständlich angehalten.
Vielen Dank dafür.
Ich lade Sie ein, diesen Gesetzentwurf im weiteren
Prozess dort noch besser zu machen, wo es noch Verbesserungsbedarf gibt; auch wir sehen noch den einen oder
anderen kritischen Punkt.
Ich bitte Sie aber wirklich noch einmal nachdrücklich,
die energieintensive Industrie nicht gegen die anderen
Industrien in Deutschland auszuspielen. Wir brauchen
beide für den Standort Deutschland, damit wir wettbewerbsfähig sind und bleiben, und das wollen wir mit diesem Gesetz erreichen.
Vielen Dank.
({0})
Danke schön, Herr Kollege Pfeiffer. - Nächster Redner in der Debatte ist Oliver Krischer von Bündnis 90/
Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Pfeiffer, das war ja gerade ein emotionaler Ausbruch in puncto industriepolitischem Engagement. Das,
was Sie gestern zu TTIP gesagt haben, gefiel mir besser.
Da habe ich wenigstens etwas zum deutschen Reinheitsgebot und von Heineken-Bier an der Hotelbar gehört.
Bei dem, was Sie hier jetzt vorgetragen haben, fiel es ein
bisschen schwer, nachzuvollziehen, wo Sie hinwollen.
({0})
Es gibt hier - darüber sprechen Sie nicht - zumindest
zwischen der Großen Koalition und den Grünen - die
Linken haben hier manchmal interessante Ansichten 0,0 Dissens hinsichtlich der energie-, strom- und außenhandelsintensiven Industrien.
({1})
Aluhütten, Stahlhütten, Chemieunternehmen, Metallgießereien: Selbstverständlich brauchen wir für sie Ausnahmetatbestände. Das streitet hier niemand ab, und das
ist auch nicht Gegenstand der Debatte, auch wenn Sie
selber das hier immer zum Problem machen und so tun,
als würde man das infrage stellen.
({2})
Man muss aber benennen, was Sie tun. Sie legen uns
hier ernsthaft eine Besondere Ausgleichsregelung vor, in
der 219 Branchen genannt werden. Darunter sind Panzerschmieden, Fantasieschmuckhersteller, Fruchtsaftproduzenten und Schlachtereien. Sie definieren alles als
energie-, strom- und außenhandelsintensiv und schaffen
die Möglichkeit, dass sie eine entsprechende Befreiung
erhalten. Es bleibt fast nichts mehr übrig, was in andere
Bereiche fällt.
Selbst wenn Sie etwas ausnehmen - zum Beispiel den
Braunkohletagebau -, wird entsprechend gestaltet: Vattenfall definiert seine Tagebaue, die vorher unter die Besondere Ausgleichsregelung fielen, um, setzt auf das Eigenstromprivileg und ist wieder komplett befreit. Das ist
eine Kostenverlagerung von der einen Seite auf die andere.
({3})
Minister Gabriel hat angekündigt, die privaten Verbraucher um 1 Milliarde Euro zu entlasten. Dazu hat er
letzte Sitzungswoche gesagt: Das war ein großes Missverständnis. - Man muss einfach feststellen: Es gibt
keine Entlastung der privaten Verbraucher, sondern es
gibt eine Belastung. Sie schieben die Kosten von der ei3212
nen Seite auf die andere Seite. Die privaten Verbraucher
auf der einen Seite bezahlen für das, was Sie auf der anderen Seite an Geschenken in Richtung Industrie verteilen.
({4})
Zur Wahrheit gehört auch: Die energieintensive Industrie zahlt 300 Millionen Euro an EEG-Umlage. Das
ist völlig in Ordnung, das ist richtig. Aber nach einer
konservativen Schätzung Ihrer Bundesregierung wird
davon ausgegangen, dass der strompreissenkende Effekt
der erneuerbaren Energien 1 Milliarde Euro beträgt. Das
macht nach Adam Riese, nach betriebswirtschaftlicher
Rechnung, einen Gewinn in Höhe von 700 Millionen
Euro. Das ist ein Geschenk. Davon profitiert die energieintensive Industrie.
({5})
Die Industrie profitiert von der Energiewende. Dann ist
auch eine gewisse Belastung der Industrie gerecht. Man
darf nicht nur die privaten Verbraucher zahlen lassen.
({6})
Mich ärgert es immer, wenn hier über Arbeitsplätze
geredet wird, aber offensichtlich immer nur eine partielle Sicht auf die Arbeitsplätze vorherrscht, nämlich auf
die Arbeitsplätze in der energieintensiven Industrie.
Selbstverständlich kämpfen wir um jeden Arbeitsplatz.
In diesem Zusammenhang wünsche ich mir einmal eine
Ansprache an die Manager von ThyssenKrupp, damit sie
nicht in Stahlwerke in Brasilien investieren. Dazu möchte
ich gerne etwas vom Wirtschaftsminister oder von dieser
Koalition hören. Aber dazu hört man bei Ihnen nichts.
Sie reden immer nur über Arbeitsplätze in energieintensiven Industrien. Sie reden hier nie über Arbeitsplätze in
der Branche der Erneuerbaren. Das waren in Deutschland einmal 400 000 Arbeitsplätze.
({7})
Bisher hat jede Bundesregierung im März eines Jahres immer die Zahl der Arbeitsplätze in der Branche der
Erneuerbaren veröffentlicht. Zum ersten Mal, im Jahr
2014, gibt es hierzu keine Zahlen mehr. Ich habe nachgefragt, warum. Die Antwort ist, man müsse etwas an der
Statistik ändern, das Institut, das die Zahlen erhebe, habe
Personalprobleme usw. - Ich sage Ihnen, was die Wahrheit ist: Sie wollen die Zahlen nicht veröffentlichen, weil
man daran die Bremsspuren Ihrer Politik sehen würde.
({8})
Diese Verunsicherung durch Ihre Politik hat schon Zehntausende Arbeitsplätze gekostet. Damit müssen Sie sich
einmal auseinandersetzen.
Ich höre immer, dass Sie so viel unterwegs sind, dass
Sie häufig mit den Menschen in den Betrieben sprechen.
Dann gehen Sie doch einmal zu PlanET nach Borken, zu
den verschiedenen Standorten von Enercon. Gehen Sie
zu SMA oder zu SenerTec. Sprechen Sie mit den Menschen, und hören Sie sich einmal an, wozu Ihre Politik
führt. Die Menschen stehen mit ihren Betrieben vor dem
Aus und wissen nicht, wie es weitergehen soll. Denen
bieten Sie null und nichts an. Das ist Ihr Defizit.
({9})
Man muss noch über einen weiteren Punkt sprechen.
Eigentlich hatten Sie im Koalitionsvertrag vereinbart,
dass Sie keine Steuern erhöhen und keine neuen Steuern
einführen wollen. Sie führen aber eine neue Steuer ein:
eine Sonnensteuer. Sie wollen, dass privat erzeugter
Strom, also Eigenstrom, mit einer EEG-Umlage belegt
wird. Sie konterkarieren damit das, was Sie gleichzeitig
fördern. Auf der einen Seite fördern Sie Photovoltaikanlagen über das EEG und dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung über das KWKG. Auf der anderen Seite wollen Sie
den Menschen dieses Geld über die Sonnensteuer wieder
wegnehmen. Damit machen Sie genau das kaputt, was
Sie im Koalitionsvertrag und in den entsprechenden Gesetzen als Ziel genannt haben. Das ist widersinnig. Das
ist das Gegenteil einer Energiewende.
({10})
Das Verrückte dabei ist, dass Sie das Falsche auch
noch ungerecht machen; das muss man erst einmal hinbekommen.
({11})
Sie machen folgende Einteilung: Der Bäckermeister mit
einer Eigenstromanlage soll in Zukunft 50 Prozent der
EEG-Umlage zahlen. Dessen Nachbar mit einem Metallerzeugungsbetrieb - sagen wir: eine Härterei - soll in
Zukunft nur noch 15 Prozent der EEG-Umlage zahlen.
Warum das so ist, können Sie niemandem erklären; das
ist überhaupt nicht nachvollziehbar.
Es kommt noch besser. Alle beide gucken dann auf
das schöne Braunkohlekraftwerk von Herrn Terium von
RWE. Dieser sitzt in seinem Büro und lacht sich kaputt:
Er soll nämlich für seinen im Kohlekraftwerk erzeugten
Eigenstrom gar nichts an EEG-Umlage zahlen. Das ist
absurd. Das ist ungerecht. Das widerspricht allen Zielen
der Energiewende, was Sie hier machen.
({12})
Ich sage Ihnen: In vielen Gutachten wird darauf hingewiesen, dass das nicht mit der Verfassung vereinbar ist
und dem Gleichbehandlungsgrundsatz widerspricht. Ich
fordere Sie auf, Herr Pfeiffer - ich habe Ihnen bei Ihrer
Rede sehr genau zugehört -: Ändern Sie diese Regelung
oder nehmen Sie sie zurück. Lassen Sie das mit der Sonnensteuer, sonst stehen Sie irgendwann in Karlsruhe vor
Gericht, das Ihnen dann Ihr ganzes Gesetz für null und
nichtig erklären wird.
({13})
Sie haben noch etwas anderes vor: Sie wollen Ausschreibungen einführen und in Zukunft die Vergütungshöhe per Ausschreibung ermitteln. Ich habe kein Problem damit, dass man Modellversuche durchführt und
prüft, wie man die Förderung der Erneuerbaren effizienter gestalten kann.
Aber Sie sehen vor, dass die Ermittlung der Förderhöhe über Ausschreibungen ab 1. Januar 2017 für alle
verbindlich gelten soll. Dabei haben Sie selber überhaupt keine Vorstellung, wie das Ganze funktionieren
soll.
({14})
Es gibt europaweit nur negative Erfahrungen. Es gibt
keine positiven Erfahrungen. In anderen Ländern ist entweder nichts mehr gebaut worden oder es ist teurer geworden. Es ist gescheitert.
Das macht keinen Sinn. Damit machen Sie die Bürgerenergie, die dezentrale Energiewende, kaputt. Die vielen
Menschen, die sich engagieren wollen, können mit diesem Modell nicht klarkommen. Sie können gerne einen
Versuch machen; aber Sie sollten sich nicht hinter der
EU-Kommission verstecken und darauf verweisen, dass
sie uns zu diesen Ausschreibungen verpflichte. Nutzen
Sie lieber die vorhandenen Spielräume! Das ist eine
Chance und eine Perspektive.
({15})
Dass wir überhaupt noch einen Ausbau der erneuerbaren Energien haben, nämlich in der Windenergie - denn
die PV- und die Biomasseförderung stellen Sie ganz ab,
im Fall der PV über die Eigenstromregelung -, haben
wir überwiegend den rot-grün geführten Ländern zu verdanken, die durchgesetzt haben, dass der Ausbau weitergehen kann.
Aber dann haben Sie natürlich das Nächste vor. Jetzt
kommen Sie mit der Lex Seehofer, die vorsieht, dass
2 000 Meter Abstand zur nächstgelegenen Wohnbebauung eingehalten werden.
({16})
Das wollen Sie einführen. Sie haben dazu eine Sachverständigenanhörung im Umweltausschuss des Bundestages durchgeführt, aber Sie haben keinen einzigen Sachverständigen gefunden, der Ihre Position unterstützt. Sie
mussten drei Antiwind-Bürgerinitiativen einladen, die
ganz steile Thesen vertreten. Ich appelliere an Ihren Anstand: Lassen Sie diesen Unsinn! Hören Sie damit auf!
Verzichten Sie auf die Lex Seehofer!
({17})
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme zum Schluss. - Der Entwurf der EEG-Novelle mit der Besonderen Ausgleichsregelung, die Sie
vorlegen, bremst den Ausbau der erneuerbaren Energien.
Er schadet dem Klimaschutz und sichert das Geschäftsmodell der Großkraftwerke. Er vernichtet Arbeitsplätze
in der Branche der Erneuerbaren. Er ist ungerecht gegenüber Privatverbrauchern und Handwerk. Er ist kompliziert, und er ist das Gegenteil von kosteneffizient. Und er
würgt dem Bürger Energie ab. Kurzum: Er ist ein Anschlag auf die Energiewende.
Danke schön.
({0})
Und es war jetzt überzogen, was die Zeit angeht. Das
haben Sie aber auch gemacht, Herr Pfeiffer. Ich bin ja
sehr gerecht.
Nächster Redner in der Debatte ist Johann Saathoff
für die SPD.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Lieber Kollege Krischer, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Rede zum Erneuerbare-Energien-Gesetz. Ich habe es während Ihrer Rede noch einmal nachgelesen: In dem Gesetzentwurf, über den wir heute
debattieren, ist ganz wenig von dem enthalten, was Sie
heute angesprochen haben.
({0})
Deswegen herzlichen Glückwunsch zur EEG-Rede!
Auf das Thema Enercon möchte ich ganz besonders
eingehen; denn Enercon befindet sich in meinem Wahlkreis. Sie können sicher sein, dass ich mit den Mitarbeitern intensive Gespräche führe.
({1})
Fragen Sie dort nach, welche Auswirkungen es hätte,
wenn die Stahl- oder Kupferpreise erhöht würden!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für Betriebe, die besonders viel Strom bei der Herstellung ihrer Produkte
benötigen und im internationalen Wettbewerb stehen,
stellt die Energie einen bedeutenden Kostenfaktor dar.
Diese Unternehmen stehen häufig im Wettbewerb mit
Betrieben in anderen Ländern, die zum Teil deutlich
niedrigere Stromkosten haben, weil deren Regierungen
sich noch nicht auf den Weg der erneuerbaren Energien
gemacht haben. In dem vorliegenden Gesetzentwurf
geht es um die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen unter Berücksichtigung des Wettbewerbsfaktors Stromkosten.
Darüber hinaus muss das am Ende beschlossene Gesetz auch mit den neuen Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien in Einklang stehen, die die Europäische Kommission am 9. April dieses Jahres beschlossen hat.
Deshalb prüft die Kommission auch parallel zu unserem
Gesetzgebungsverfahren den hier diskutierten Gesetzentwurf. Etwaige Änderungsanträge müssten noch in
Brüssel notifiziert werden.
Würde die Besondere Ausgleichsregelung nicht mehr
greifen, hätte dies schwerwiegende Folgen für die Menschen in Deutschland. Viele Arbeitsplätze wären durch
drohende Schließungen und Abwanderung insbesondere
der produzierenden Betriebe bedroht. Das hätte auch unmittelbar zur Folge, dass die dringend notwendige Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger bei der Energiewende durch den Verlust ihrer Existenzgrundlage nicht
mehr gegeben wäre.
({2})
Die Abwanderung der Betriebe würde in Länder erfolgen, die sich noch nicht auf den Weg der Erneuerbaren gemacht haben, die also nicht Klimaziele in ihr jeweiliges Leit- und Wertebild aufgenommen haben. Der
Anreiz zu klimafreundlichem Verhalten anderer Nationen würde also unterdrückt, wenn wir die stromintensiven Betriebe in unserem Land nicht durch die Besondere
Ausgleichsregelung international wettbewerbsfähig machen würden.
Zum Dritten stellt dieses Gesetz sicher, dass die begünstigten Unternehmen trotz der Begünstigung einen
eigenen Beitrag zur Förderung der erneuerbaren Energien leisten; Kollege Pfeiffer hat darauf gerade hingewiesen.
Weiterhin wird durch die Erhöhung der Eingangsschwelle im Gesetz sichergestellt, dass der sonst zu erwartende weitere Anstieg der Anzahl der privilegierten
Unternehmen sowie des Entlastungsvolumens begrenzt
wird.
Letztlich soll im Gesetz normiert werden, dass die
Unternehmen ein zertifiziertes Energie- und Umweltmanagementsystem betreiben. Es wird also sichergestellt,
dass diese Unternehmen die Energieeffizienz deutlich
stärker in den Fokus nehmen. Ich würde mich freuen,
wenn wir zusätzlich die Umsetzung der aus dem Umweltmanagementsystem gewonnenen Erkenntnisse sicherstellen könnten.
Es ist gut, dass nun auch auf europäischer Ebene
Klarheit darüber besteht, welche Branchen als stromkosten- und handelsintensiv einzustufen sind. Damit ist ein
großer Beitrag zur Planungssicherheit der betroffenen
Betriebe geleistet. Allerdings finde ich es in der Diskussion nicht redlich, so zu tun, als seien alle Betriebe der
68 Branchen automatisch von der EEG-Umlage befreit.
Man suggeriert damit, die privaten Verbraucher müssten
ihren Beitrag zur Energiewende leisten, während die Industrie fein raus sei. Dem ist definitiv nicht so. Mit dem
Gesetz, über dessen Entwurf wir heute erstmalig beraten,
wird die Industrie keinesfalls aus den Kosten der Energiewende entlassen. Sie soll vielmehr weiterhin angemessen an den Kosten beteiligt werden, ohne dass sie
nachhaltig im Wettbewerb geschädigt und damit in der
Existenz bedroht wird.
Die Zugehörigkeit zu den Branchen ist zunächst einmal die Voraussetzung, überhaupt einen Antrag stellen
zu dürfen, als stromintensiver Betrieb anerkannt zu werden. Weiterhin ist Voraussetzung, dass die Betriebe einen Mindestanteil von Stromkosten an ihrer Bruttowertschöpfung zu Faktorkosten als Eintrittsschwelle
aufweisen. Die Eintrittsschwelle wird schrittweise angehoben, um dem Anstieg der EEG-Umlage Rechnung zu
tragen und dafür zu sorgen, dass sich der Kreis der privilegierten Unternehmen nicht weiter vergrößert. Unser
Ziel ist es, dass wir die Eingangsschwelle in Zukunft
nicht weiter anheben müssen, dass also die EEG-Umlage
nicht weiter steigt. Es gibt allerdings Kritik: Die
Schwelle sei nicht deutlich genug erhöht worden. Ich
halte diese Kritik für unberechtigt. Diese Anpassung ist
mit Augenmaß sorgsam gewählt, um das Kind nicht mit
dem Bade auszuschütten, oder wie wir Ostfriesen sagen:
Man sall’t Pullstock neet wieder setten, as man springen
kann.
Was wollen Sie uns damit sagen?
Frau Präsidentin, ich gebe die Übersetzung zu Protokoll.
Gut. Danke.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Begriff
„Faktorkosten“, also quasi alle Kosten, die zur Produktion eines Produkts erforderlich sind, und damit auch die
Kosten für zum Beispiel Leiharbeitsverträge, die sonst
nicht eingerechnet wurden. Mit diesem Gesetz wird also
sichergestellt, dass die Betriebe nicht mehr - wie geschehen - Personal aus Arbeitsverträgen entlassen und
über Leiharbeitsverträge wieder beschäftigen, um den
Anteil der Stromkosten an der Bruttowertschöpfung über
die Eintrittsschwelle zu heben und so privilegiert zu
sein. Dieser falsche Anreiz ist durch dieses Gesetz endlich gestoppt.
({0})
Weiterhin leisten nun auch die privilegierten Unternehmen ihren Beitrag zur Energiewende, nämlich grundsätzlich 15 Prozent der EEG-Umlage. Diese Belastung
wird nur bei ganz wenigen Betrieben auf 4 Prozent bzw.
0,5 Prozent der Bruttowertschöpfung begrenzt.
({1})
Darüber hinaus ist künftig von jeder Abnahmestelle für
die erste Gigawattstunde die EEG-Umlage in voller
Höhe zu zahlen und weiterhin eine Mindestumlage in
Höhe von 0,1 Cent für jede weitere Kilowattstunde, um
den Grundbetrag der privilegierten Unternehmen für das
EEG-Konto sicherzustellen. In diesem Rahmen könnten
wir uns allerdings noch einmal Gedanken über die Härtefallregelung machen.
Der vorliegende Gesetzentwurf, den wir nun in den
Ausschüssen zu beraten haben, stellt einen Schritt in die
richtige Richtung dar und wird ein wichtiger Faktor bei
der Sicherstellung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen sowie im Sinne unserer
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sein.
Herzlichen Dank.
({2})
Vielen Dank, Herr Kollege. Sie denken an die Übersetzung.
({0})
Nächste Rednerin in der Debatte ist Caren Lay für die
Linke.
({1})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Es verwundert mich natürlich nicht, dass die
Union auch heute das Ausmaß der Industrierabatte verteidigt; das war schon in der letzten Legislaturperiode
so. Wir haben nichts anderes erwartet.
({0})
Dass die SPD in dieser Legislaturperiode mit einer solchen Vehemenz in diesen Chor einstimmt, verwundert
mich schon sehr. Denn von welcher Seite haben Sie Applaus für diesen Gesetzentwurf bekommen? Das war der
Applaus von den Chefetagen der Industrie. Dort haben
regelrecht die Sektkorken geknallt. Ich muss mich wundern. Dass Sie so viel Applaus
({1})
nur von der Wirtschaftsseite bekommen, während sich
die Bürgerinnen und Bürger, wie ich finde zu Recht, beschweren und übrigens auch das Gros der Medien in der
Berichterstattung die zusätzliche Belastung beklagt,
sollte Ihnen wirklich zu denken geben.
({2})
Es ist meiner Aufmerksamkeit nicht entgangen, dass
sowohl Herr Gabriel als auch Herr Tiefensee und die anderen Redner der Koalition versuchen, den Eindruck zu
verwischen, es gehe ihnen nur um die Industrieinteressen. Sie tun so, als ob es ihnen auch um die Interessen
der Verbraucherinnen und Verbraucher ginge. Dazu
muss ich sagen: Außer dieser Beteuerung habe ich kein
einziges Argument gehört, das mich davon überzeugt.
({3})
Schauen wir uns die Fakten doch einmal an. Erstens.
Das Entlastungsvolumen der Industrie soll bei gut 5 Milliarden Euro bleiben. Wir reden dabei nur über die
Stromrechnung. Es sind aber noch Entlastungen im Bundeshaushalt versteckt, über die wir überhaupt noch nicht
gesprochen haben. Zweitens. Die Anzahl der Branchen,
die entlastet werden sollen, steigt sogar an. Lag die Zahl
bisher faktisch bei 168 Branchen, so soll sie jetzt auf 219
festgelegt werden. Wenn man weiß, dass in Deutschland
insgesamt nur 246 Branchen gezählt werden, dann kann
man ausrechnen, dass faktisch ein Großteil der Branchen
prinzipiell Entlastungen beantragen kann.
Mit diesem Vorgang hat Sigmar Gabriel dafür gesorgt, dass er Gerhard Schröder den Ruf als Genosse der
Bosse abspenstig gemacht hat. Ich habe noch nicht gehört, dass Sie dem entgegengewirkt haben. Am Ende ist
er auch noch stolz darauf. Ich finde, auch das sollte der
SPD zu denken geben.
({4})
Frau Kollegin Lay, erlauben Sie eine Zwischenbemerkung oder eine Zwischenfrage von Herrn Tiefensee?
Ja, sehr gerne.
Herr Tiefensee.
Frau Lay, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen.
Sie haben gerade die Summe der Branchen erwähnt, die
in den Listen 1 und 2 des Gesetzes zur Reform der Besonderen Ausgleichsregelung zu finden sind. Ist es so,
dass Sie wider besseres Wissen oder weil Sie es nicht anders wissen die Liste 1 und die Liste 2 in eins fügen?
Denn Sie könnten wissen, dass wir 68 Branchen und
nicht über 200 entlasten. Die Liste 2 umfasst die Möglichkeit für einzelne Unternehmen einer dieser Branchen, eine Entlastung zu beantragen; sie umfasst nicht
die Möglichkeit für die gesamte Branche.
Wir müssen also auch für die Öffentlichkeit deutlich
zwischen der Liste 1 mit 68 Branchen und der Liste 2
unterscheiden, aufgrund welcher nicht die Branche befreit ist, sondern möglicherweise einzelne Unternehmen,
die einer solchen Branche angehören. Ist Ihnen dieser
Unterschied bekannt, und, wenn ja, warum vermengen
Sie in Ihrer Rede diese beiden Listen und suggerieren somit eine größere Anzahl von befreiten Branchen?
Mir ist dieser Unterschied durchaus bekannt. Ich bedanke mich für die Zwischenfrage, weil ich dadurch auf
diesen Umstand und die Liste 2 noch einmal eingehen
kann. In der Tat steckt darin kein Automatismus, aber
immerhin die Möglichkeit, eine Befreiung zu beantragen. Wenn ich mir die Liste 2 ansehe, wundere ich mich
an mancher Stelle, was alles, zu Ihrem Stolz oder auch
zu Ihrer Begeisterung, in die Liste hineinverhandelt
wurde. Es ist schon von dem Kollegen Krischer erwähnt
worden, welche Branchen dort aufgeführt sind.
Ich habe mir notiert: Auf Liste 2, Nummer 212, ist
eine potenzielle Entlastung für Fantasieschmuckunternehmen vorgesehen. Man kann dafür privat eine Affinität haben, aber dass eine solche Firma potenziell eine
Belastung beantragen kann, halte ich einfach nur für lächerlich. Es gibt noch andere Stellen, bei denen für mich
der Spaß aufhört. Auf der Liste 2 ist auch eine mögliche
Entlastung von Herstellern von militärischen Kampffahrzeugen vorgesehen. Wenn ich es richtig verstehe,
geht es um die Panzerproduktion. Wenn es am Ende
dazu kommt, dass die Bürger mit ihrer Stromrechnung
noch das Geschäft mit dem Krieg subventionieren, dann
kann ich dem einfach nicht zustimmen, und da bleibe ich
auch bei meiner Kritik.
({0})
Ich will auf den Vorwurf eingehen, der uns in dieser
Debatte, auch gerade vorhin wieder, gemacht wurde,
nämlich die Linke sei industriefeindlich und uns lägen
die Arbeitsplätze nicht am Herzen. Ich will Sie wirklich
darum bitten, den Antrag zu lesen, den wir vorgelegt haben. Herr Krischer, ich verstehe gar nicht, warum wir
uns gegenseitig einen mitgeben müssen. Als wir das
letzte Mal auf der Grundlage von Anträgen darüber debattiert haben, waren die ersten beiden Kriterien, die
Linke und Grüne vorgeschlagen haben, identisch.
({1})
Also, die Firmen sollten tatsächlich im internationalen
Wettbewerb stehen und tatsächlich energieintensiv sein.
Die EU hatte ursprünglich 15 Branchen festgelegt. Dazu
stehen wir, und dazu stehen auch die Umweltverbände.
Das heißt, auch nach unserer Vorstellung könnten
Stahl-, Chemie- und Grundstoffindustrie von der EEGUmlage entsprechend entlastet werden; das will ich hier
klipp und klar sagen. Das jetzt geplante Ausmaß der
Ausweitung der Befreiung von der EEG-Umlage finde
ich wirklich unerhört. Zu argumentieren, es gehe Ihnen
hier nur um den Erhalt der Arbeitsplätze in Deutschland,
und kein einziges Wort zu all den Arbeitsplätzen zu verlieren, die im Bereich der erneuerbaren Energien schon
verloren gegangen sind, finde ich ebenfalls wirklich unerhört.
({2})
Ich bin zuletzt von einem Redner der SPD gefragt
worden, ob ich bereit sei, mit ihm in seinen Wahlkreis im
Ruhrgebiet zu fahren, wo die Stahlindustrie beheimatet
ist. Ich habe geantwortet: Erstens, ja, sehr gerne, und,
zweitens, auch wir als Linke wollen die Stahlindustrie
entlasten. Umgekehrt bitte ich Sie alle, einmal in meinen
Wahlkreis in der Lausitz zu kommen. Die Situation dort
ist folgendermaßen: Alle drei Solarfirmen, die sich dort
angesiedelt und gut bezahlte Arbeitsplätze geschaffen
hatten,
({3})
sind durch die Politik in der letzten Legislaturperiode
eingegangen. Auch diese Wahrheit gehört zu dieser Debatte.
({4})
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.
Mit diesem Gesetzentwurf hat Sigmar Gabriel den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch seiner Partei keinen
großen Gefallen getan. Die Industrierabatte werden am
Ende das für die SPD, was die Hoteliersteuer für die
FDP war. Ich kann Sie nur auffordern: Ziehen Sie diesen
Gesetzentwurf zurück!
Vielen Dank.
({5})
Danke, Frau Kollegin Lay. - Nächster Redner in dieser Debatte ist Thomas Bareiß, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen!
Meine Herren! Nach den Reden der Opposition, der Linken und der Grünen, muss ich schon präzisieren, worum
es heute geht: Es geht heute darum, dass wir mit diesem
Gesetz langfristig über 1 Million Arbeitsplätze sichern
werden. Wir versuchen, mit der Besonderen Ausgleichsregelung für die Branchen, die angesprochen worden
sind, langfristig innovative und gute Arbeit zu sichern.
Die Umsetzung aller Vorschläge, die Sie, Frau Lay, eingebracht haben, sorgt dafür, dass diese Arbeitsplätze gefährdet werden; deswegen sind wir gegen Ihre Vorschläge. Wir versuchen, hier eine ordentliche, gute
Industriepolitik für unser Land zu machen.
({0})
Hier wird ständig von „Befreiung“ gesprochen. In den
Reden hier wird der Eindruck suggeriert, dass wir bestimmte Unternehmen und Branchen von der EEG-Umlage komplett befreien. Auch das ist falsch; darauf
möchte ich zu Beginn meiner Rede hinweisen. Das Gegenteil ist wahr. Durch die Verabschiedung des jetzt vorliegenden Gesetzentwurfs schaffen wir es, die begünstigten rund 2 000 Unternehmen in die Bezahlung der
Energiewende einzubinden; mit der neuen Ausgleichsregelung steigt der Beitrag der begünstigten Unternehmen
von bisher 300 Millionen Euro um etwa 4 Millionen
Euro. Auch das zeigt, dass sich hier keiner aus dem
Staub macht, sondern dass jeder seinen Beitrag leistet,
diese Energiewende zu meistern.
({1})
- Lieber Oliver Krischer, du sprichst hier immer von Privilegien, die wir verteilen. Noch einmal: Diese Industrievergünstigungen wurden damals von Rot-Grün unter
dem Umweltminister Jürgen Trittin eingeführt.
({2})
Der große Unterschied ist, dass damals nur wenige
Großkonzerne von diesen Privilegien profitiert haben.
Schwarz-Gelb hat es geschafft, den industriellen Mittelstand in den Kreis der Privilegierten aufzunehmen. Wir
haben dafür gesorgt, dass diejenigen von der EEG-Umlage profitieren, die diese Vergünstigung wirklich brauchen.
({3})
Der Kollege Saathoff hat es schon gesagt: Wir sprechen heute nicht über Fragen des Zubaus im Bereich der
erneuerbaren Energien, und das, obwohl das ein interessantes Thema wäre, liebe Frau Lay; auch Sie haben darauf Bezug genommen. Ich möchte noch einmal sagen:
Wir hatten in den letzten vier Jahren einen Zubau im Bereich der erneuerbaren Energien, den keiner, auch niemand in diesem Parlament, vorhergesehen hat. Gerade
im Bereich der Solarbranche, die vorhin beschrieben
worden ist, gab es jedes Jahr einen Zubau von über
8 000 Megawatt.
({4})
Deutschland hatte so viel Zubau wie kein anderes Land
auf dem Erdball. Dieser Zubau hat dazu geführt, dass der
Anteil der erneuerbaren Energien jetzt bei 25 Prozent
liegt; einen so großen Anteil an Erneuerbaren hat keine
andere Industrienation der Welt. Das heißt, hinter uns
liegt eine einmalige Erfolgsgeschichte. Gemeinsam sollten wir jetzt aufpassen, dass diese Erfolgsgeschichte
keine Arbeitsplätze in wichtigen Bereichen unserer
Wertschöpfung gefährdet. Deshalb brauchen wir dringend dieses Gesetz. Es ist für die nächsten Jahre eine
Grundlage zur Arbeitsplatzsicherung.
({5})
Ich möchte noch einmal in besonderer Weise die Bedeutung der Industrie unterstreichen. Sie kam mir in den
letzten Reden, gerade in denen von Abgeordneten der
Grünen und der Linken, viel zu kurz.
Deutschland war und ist die Industrienation in Europa, und das soll auch zukünftig so bleiben. Wir haben
es trotz Finanzkrise, trotz Euro-Krise geschafft, den Industrieanteil auf über 20 Prozent zu halten; wir sind jetzt
sogar bei 23 Prozent und sind damit Schrittmacher in
Europa. Im Gegensatz zu anderen Ländern, die eher auf
Dienstleistungen und auf Banken gesetzt haben, haben
wir auf unsere Industrie gesetzt und haben damit unsere
Arbeitsplätze gesichert. Die Arbeitslosigkeit in der
Euro-Zone liegt im Durchschnitt bei 12,1 Prozent.
Deutschland hat dank der deutschen Industrie nur eine
Arbeitslosenquote von 6,8 Prozent und ist damit bei der
Beschäftigung in Europa an der Spitze. Wir sind die
viertgrößte Industrienation der Welt - nach China, den
USA und Japan -, haben einen Industrieproduktionsanteil in der Welt von über 6 Prozent. Auch das ist eine Erfolgsgeschichte.
Da wir in dieser Woche auch sehr intensiv über die
Themen „Welthandel“ und „Globalisierung“ gesprochen haben: Die deutsche Industrie sorgt mit ihren Produkten dafür, dass in ganz Europa Arbeitsplätze entstehen oder gehalten werden. Über 40 Prozent der in
Deutschland produzierten Exportgüter werden mit Zulieferprodukten aus Europa hergestellt. Auch da zeigt sich,
dass Europa immer wichtiger wird und dass die Industrie
in Deutschland dafür sorgt, dass ganz Europa weiterhin
hoffentlich eine gute Beschäftigungslage hat. Auch deshalb brauchen wir unser Gesetz zur Besonderen Ausgleichsregelung, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Herr Bareiß, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder
-bemerkung der Kollegin Annalena Baerbock?
Sehr gern.
Ja. - Bitte.
Vielen Dank, Herr Bareiß. - Meine Frage bezieht sich
auf Folgendes: Niemand hier will die bestehenden Ausnahmen, die unter Rot-Grün eingeführt wurden, abschaffen, sondern es geht darum: Warum kommen jetzt neue
Branchen dazu, und warum kommen über die Liste 2 der
Anlage 4 neue Unternehmen dazu? Das ist der Casus
knaxsus der ganzen Debatte; es geht nicht um die Unternehmen, die bereits ausgenommen wurden.
Von den Branchen, die neu dazukommen, und von
den Unternehmen, die neu dazukommen, hätte es in den
letzten Monaten und Jahren wahnsinnig viele Alarmrufe
geben müssen: Achtung! Wir wandern aus Deutschland
ab. Es muss hier etwas getan werden. - Wir haben solche
Warnrufe nicht gehört. Wir haben, auch auf Initiative
von Herrn Kollegen Krischer, eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, um zu erfahren, was es denn für
Beispiele gibt, wer besonders hart betroffen ist, wer abzuwandern droht. In Brüssel wird ja gerade die CarbonLeakage-Liste verhandelt. Auch da gibt es keine konkreten Beispiele. Die Antwort der Bundesregierung war: Es
gibt keine empirischen Daten darüber, wer weiter gefährdet ist und abzuwandern droht.
Auf welcher Grundlage sagen Sie jetzt: „Aber trotzdem müssen wir weitere Branchen ausnehmen; trotzdem
müssen wir weitere Unternehmen ausnehmen“? Könnten
Sie einmal konkrete Beispiele aufführen, vielleicht auch
aus dem Panzerbereich, und sagen, wann sich die Unternehmen gemeldet haben mit der Drohung, abzuwandern?
Sie sagen, Sie hätten keine Hilferufe gehört. Ich habe
viele Hilferufe gehört, nicht nur von Arbeitgebern, sondern auch von vielen Arbeitnehmern, übrigens auch von
Gewerkschaften; die haben große Sorge, dass in ihren
Bereichen Arbeitsplätze abgebaut werden.
({0})
Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Branchen
oder Unternehmen gar nicht mehr zu den Grünen gehen,
weil sie wissen, dass sie da eh auf taube Ohren stoßen.
({1})
Ich will hier noch einmal deutlich sagen, auch zu der
vorhergegangenen Zwischenfrage: Sie kritisieren die
Anzahl von 68 Branchen. Sie gehen davon aus, dass wir
damit den Begünstigtenkreis erweitern. Tatsächlich sind
die Unternehmen dieser Branchen nur antragsberechtigt,
und es gibt neue Grundlagen dafür, wann solche Anträge
bewilligt werden und die Begünstigung dann auch wirksam wird.
({2})
Diese Grundlagen sind ganz klar definiert: Es müssen
Unternehmen sein, die stromintensiv sind und die im internationalen Wettbewerb stehen,
({3})
also eine gewisse Handelsintensität haben. Diese beiden
Kriterien sind die Grundlage dafür, dass wir wirklich begünstigen.
Es wird dafür gesorgt - wir alle werden es noch erleben -, dass der Kreis der Begünstigten massiv reduziert wird. Wir gehen davon aus, dass dieser Kreis
von 2 400 Unternehmen in den nächsten Jahren auf
2 000 Unternehmen zurückgeführt wird. Deshalb brauchen wir die Härtefallregelung. Es gibt immer noch Unternehmen, gerade in wichtigen Feldern unserer Wirtschaft, die bisher begünstigt sind und die auch zukünftig
begünstigt werden müssen, weil wir sie sonst verlieren
würden. Das wollen wir für die Zukunft ausschließen,
meine sehr verehrten Damen und Herren.
({4})
Ich will in ganz besonderer Weise noch einmal zum
Thema Mittelstandskomponente kommen. Gerade in den
energieintensiven Bereichen des Maschinen- und Anlagenbaus, des Automobilbaus, der Chemie- oder auch der
Grundstoffindustrie gibt es hochwertige Arbeitsplätze,
besonders in mittelständischen deutschen Betrieben, die
eigentümergeführt sind. Auch deshalb ist es wichtig,
dass wir die Mittelstandskomponente im Bereich der Besonderen Ausgleichsregelung beibehalten.
Wir haben dafür im Wahlkampf sehr viel Kritik einstecken müssen, weil wir vor zwei Jahren diese Mittelstandskomponente eingeführt und dadurch den Begünstigtenkreis verdreifacht haben. Das geschah aber zu
einem Preis, der überschaubar war. Die Erweiterung ist
tatsächlich nur mit 10 Prozent höheren Kosten zu Buche
geschlagen. Das war etwas, was wenig gekostet und viel
gebracht hat. Ich bin dankbar, dass wir die Mittelstandskomponente zukünftig beibehalten können. Das war
- Herr Tiefensee hat es vorhin schon gesagt - eine harte
Verhandlung in Brüssel. Deshalb auch von unserer Seite
noch einmal ein herzliches Dankeschön an unseren Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel.
({5})
Meine Damen und Herren, ich habe schon erwähnt,
was die zukünftigen Grundlagen für die Besondere Ausgleichsregelung sind. Ich möchte noch einmal drei
Punkte herausgreifen.
Erster Punkt. Wir werden weiterhin darauf setzen,
dass wir wirklich nur die Unternehmen begünstigen, die
darauf angewiesen sind. Wir wollen den starken internationalen Wettbewerb als Kriterium nehmen, und wir
wollen die besonders energieintensiven Bereiche mit
einbinden.
Wir wollen zweitens ein besonderes Augenmerk auf
diejenigen Unternehmen legen, die besonders energieintensiv sind und die eine wichtige Rolle in unserer Wertschöpfungskette, gerade in der Grundstoffindustrie, spielen. Dazu gehört die Aluminiumbranche. Aluminium wird
in vielen Bereichen gebraucht, beispielsweise im Automobilbau, wo durch die Verwendung dieses sehr leichten
Werkstoffs dafür gesorgt wird, dass Autos in Zukunft
weniger Kraftstoff verbrauchen und sparsamer werden.
Dazu gehört genauso die Kupferverarbeitung. Kupfer wird
beispielsweise beim Bau von Windkrafträdern dringend
gebraucht. In einem Offshorewindrad werden 30 Tonnen
Kupfer verbaut. Auch daran sieht man, dass die Entlastung energieintensiver Unternehmen eng mit den Themen Energiewende und Energieeffizienz verbunden ist.
Beides geht Hand in Hand. Deshalb sind das zwei Seiten
der gleichen Medaille. Beides wird in den nächsten Jahren dringend gebraucht.
Neben diesen beiden Kriterien, die ich beschrieben
habe, brauchen wir drittens eine Regelung für diejenigen, die jetzt trotz der Ausweitung der Branchenliste herausfallen würden. Wir brauchen die Härtefallregelung
für die wirklich energieintensiven Bereiche, die hier eine
Sonderrolle spielen. Wir müssen auch noch einmal im
Gesetzgebungsverfahren diskutieren, welche Bereiche
wir wirklich entsprechend begünstigen wollen. Aber
auch da glaube ich, dass wir zu einer sinnvollen Lösung
kommen.
Prinzipiell ist diese Besondere Ausgleichsregelung
eingebettet in unsere EEG-Novelle. Ich will noch einmal
besonders betonen, dass wir auch auf die Unternehmen
schauen müssen, die nicht begünstigt werden. Sie stellen
nämlich die Mehrzahl der Unternehmen in Deutschland
dar. Sie zahlen ihre EEG-Umlage in vollem Umfang und
tragen mit über 7 Milliarden Euro dazu bei, dass die
Energiewende wirklich finanziert werden kann. Dazu
gehören auch Unternehmen, die wir bisher nicht im
Blick haben, beispielsweise die Rechenzentren, die
durchaus mit Berechtigung eine Begünstigung fordern
können, die Härtereien und Schmiedereien, die derzeit
im Gegensatz zu dem, was Oliver Krischer vorhin gesagt
hat, nicht eingebunden sind, oder ein ganz normaler Bäckerbetrieb, der schon heute im Schnitt 6 000 Euro
EEG-Umlage zahlt.
Diese Unternehmen verlassen sich darauf, dass die
EEG-Novelle in den nächsten Wochen umgesetzt wird,
dass wir die EEG-Reform jetzt auch kostendämpfend angehen. Wir brauchen eine EEG-Reform, die auf der einen Seite für die nächsten Jahre Verlässlichkeit bietet,
auf der anderen Seite aber auch wirtschaftlich und bezahlbar ist - und das auch für die ganz normalen Privatverbraucher. Das ist unser Anliegen. Daran wollen wir
arbeiten. In diesem Sinne freue ich mich auf das kommende Gesetzgebungsverfahren.
Danke schön.
({6})
Danke, Herr Kollege Bareiß. - Nächster Redner für
die SPD Florian Post.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen
und Kollegen! Die Besondere Ausgleichsregelung ist ein
wichtiger Bestandteil der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Diese Reform ist notwendig, um unser
ehrgeiziges Ziel der Energiewende auch zum Erfolg zu
führen. Bei den industriellen Verbrauchern, die im internationalen Wettbewerb stehen, geht es nicht nur um die
Akzeptanz, sondern in vielen Fällen schlichtweg um das
knallharte wirtschaftliche Überleben. Es ist daher richtig, die Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen zu sichern und das viel beschworene industrielle Rückgrat
unserer Wirtschaft zu schützen. Viele Tausend Arbeitsplätze hängen davon ab, ob wir diese Aufgabe hier im
Parlament erfolgreich meistern.
Unser beispielloses Vorhaben der Energiewende ist
eine deutsche Leistung und Aufgabe, auf die wir stolz
sein können. Kein anderes Industrieland hat sich das Ziel
gesetzt, aus der Atomenergie auszusteigen und gleichzeitig ehrgeizige Klimaschutzziele zu erreichen. Das ist
nur mit einem erheblichen Anteil an Stromproduktion
aus erneuerbaren Energien zu schaffen.
Auch wenn es einige nicht begreifen bzw. nicht begreifen wollen, steht unsere nationale Energiepolitik jedoch nicht im luftleeren Raum, sondern muss vielmehr
rechtlich und politisch in einen europäischen Kontext
eingebunden werden.
Nur zur Erinnerung: Die EU-Kommission war denkbar kurz davor, die Befreiungen von der EEG-Umlage
für energieintensive Unternehmen als unzulässige Beihilfe einzustufen. Das zeigt, wie weit die rechtlichen Bewertungen, die eben auch im politischen Kontext stehen,
auseinanderliegen. Das müssen wir uns vor Augen führen, wenn wir das Verhandlungsergebnis beurteilen wollen. Sigmar Gabriel ist es gelungen, unter erheblichem
Zeitdruck eine Einigung mit der EU-Kommission zu erzielen, damit wir die Chance haben, auch noch für 2015
Bescheide über Befreiungen von der EEG-Umlage bzw.
über eine Privilegierung auszustellen.
Der jetzige Gesetzentwurf steht im Einklang mit den
Umwelt- und Beihilfeleitlinien der EU. Dass die Befreiung von energieintensiven Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, notwendig ist, ist in weiten
Teilen unumstritten. Die Frage ist aber, wie diese Befreiung umgesetzt wird. Dazu haben wir jetzt klare Vorgaben mit Definitionen von Branchen, die überhaupt
antragsberechtigt sind. Im Übrigen gehört der Braunkohletagebau nicht dazu.
({0})
- Frau Kollegin Baerbock, antragsberechtigt - man muss
hier auf die Begrifflichkeiten achten - heißt noch lange
nicht, dass der Antrag auch bewilligt wird. Das wird
nämlich in der politischen Diskussion hier auch immer
falsch dargestellt.
({1})
Außerdem sind auch Unternehmen, die vorher privilegiert waren, jetzt nicht mehr privilegiert und herausgefallen. Das gehört nämlich auch zur Wahrheit und wird
hier immer gerne verschwiegen.
({2})
- Ich tue Ihnen den Gefallen nicht, die Redezeit am Freitagnachmittag zu verlängern. Das mache ich auch mit
Rücksicht auf die Kollegen. Sie geben das hier schon
zum Besten. In allen politischen Diskussionen wurde das
in dem Zusammenhang schon zur Genüge erläutert.
({3})
Wir unterbinden bestehende Ungerechtigkeiten und
Missbrauchsmöglichkeiten. Es wird in Zukunft nicht
mehr möglich sein, Personal in Leiharbeitsfirmen auszulagern und dann dafür auch noch mit der Befreiung oder
Privilegierung bei der EEG-Umlage belohnt zu werden.
({4})
In dem Zusammenhang gebe ich gerne zu, dass mir persönlich das noch nicht weit genug geht. Man müsste im
parlamentarischen Verfahren noch darüber reden, dass
hier auch auf Werkverträge abgestellt wird.
Eine Neuerung ist auch die Verpflichtung der antragsberechtigten Unternehmen, ein umfassendes Energieund Umweltmanagementsystem einzuführen; denn die3220
ses dient als Grundlage und Anreiz für Maßnahmen der
Energieeffizienz.
Aus den Reihen der Opposition wird oft die Forderung erhoben, dass die Ausnahmen zu weit gingen und
dadurch die übrigen Verbraucher zusätzlich belastet würden. Das sollten wir doch bitte sein lassen bzw. zurücknehmen. Sie versuchen hier, die Stromkunden gegeneinander
auszuspielen, und tun so, als sei das ein Nullsummenspiel. Das Gleiche machen Sie auch bei der Arbeitsplatzdebatte, wenn Sie von den Arbeitsplätzen sprechen, die
angeblich in der Erneuerbare-Energien-Branche gefährdet sind. Es ist aber eben kein Nullsummenspiel.
Wenn wir die energieintensiven Unternehmen angreifen, schaden wir Deutschland als Land der Industrie.
„Made in Germany“ ist für industrielle Produkte eine
Marke, die in der Welt ihresgleichen sucht. „Made in
Germany“ bedeutet aber nicht nur Qualität für die Käufer, sondern das ist auch ein Versprechen an die Männer
und Frauen, die in dieser Industrie arbeiten.
Wenn die Stromrechnung knapp ein Fünftel der Kosten ausmacht, überlegt sich jeder Kaufmann zweimal, ob
er seine Fabrik nicht doch lieber nach Frankreich oder in
die USA verlagert.
Um es auf einen einfachen Satz herunterzubrechen:
Was nützt es dem privaten Verbraucher, wenn die Kosten
für die EEG-Umlage wegen einer eventuellen Rücknahme der Privilegierung für stromintensive Unternehmen ein wenig sinken - das hat Kollege Pfeiffer auch
schon vorgerechnet, und auch Kollege Tiefensee ist,
glaube ich, darauf eingegangen; das bewegt sich ungefähr in der Größenordnung von 3,50 Euro monatlich -,
aber dadurch gleichzeitig Tausende Arbeitsplätze verlorengehen?
({5})
- Sie widersprechen sich auch in dem Punkt. Wenn wir
all das machen würden, was von Ihnen immer gefordert
wird, dann würde das zu einer Steigerung der EEG-Umlage - und nicht zu einer Senkung - führen.
Das ist der Unterschied: Wir Sozialdemokraten machen nämlich Energiepolitik auch für die Leute, die sich
nicht jede Wohnung und jede Stromrechnung leisten
können und die nicht täglich im Bioladen einkaufen können.
({6})
Könnten Sie dennoch an Ihre Redezeit denken?
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. - Die
Energiewende kann nur gelingen, wenn wir gemeinsam
daran arbeiten, einen Ausgleich zwischen berechtigten
Interessen zu finden. Dafür haben wir hier einen Gesetzesentwurf vorgelegt, den wir im parlamentarischen
Verfahren beraten werden.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und wünsche von meiner Seite aus schon einmal ein schönes Wochenende. Danke.
({0})
Danke, Herr Kollege. - Letzter Redner in der Debatte
ist Dr. Andreas Lenz für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wahrlich
wurde vieles schon von meinen Kolleginnen und Kollegen vorweggenommen, aber, ich glaube, die Wahrheit
darf man ruhig wiederholen. Die Opposition hat heute
viel Neues und Gutes beigetragen, aber leider war das
Neue nicht gut und das Gute nicht neu. So ist das mit den
Beiträgen der Opposition.
Jetzt haben Sie natürlich jemanden provoziert. Erlauben Sie, das Gute vom Neuen und das Neue vom Guten
zu trennen? Herr Krischer, hat sich gemeldet und möchte
Sie etwas fragen.
Ja.
Gut. - Dann Herr Krischer.
Herr Kollege, Sie haben gerade gesagt, wir hätten
nichts Neues und nichts Gutes beigetragen.
Nein, nein.
Wir haben gerade die Meldung bekommen, dass der
Bundesrat 26 Änderungsanträge bezüglich des EEG beschlossen hat. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Die Frage
der Neuregelung der Eigenstromregelung sieht der Bundesrat unter anderem ganz anders als die Koalition und
die Bundesregierung. Freuen Sie sich darüber, dass der
Bundesrat massive Verbesserungen am gültigen EEG
vorschlägt? Unterstützen Sie das? Ist das eine gute und
neue Nachricht für Sie?
Sie haben mich falsch verstanden. Ich habe gesagt:
Sie haben viel Neues und viel Gutes gesagt; aber für uns
war das Neue nicht gut und das Gute nicht neu.
({0})
Zu Ihrem Einwand: Natürlich werden wir die 26 Änderungsanträge, wie es der parlamentarischen GepflogenDr. Andreas Lenz
heit gebührt, prüfen und beim parlamentarischen Verfahren dementsprechend berücksichtigen.
Wir beraten heute das Gesetz zur Reform der Besonderen Ausgleichsregelung für stromkosten- und handelsintensive Unternehmen. Grundlage der gesetzlichen
Neuregelung bilden die inzwischen abgeschlossenen
beihilferechtlichen Verhandlungen der Bundesregierung
mit der EU-Kommission. Um es gleich vorwegzunehmen: Auch ich bin der Meinung, dass hier ordentlich
verhandelt wurde. Der Erfolg der Energiewende muss
sich schließlich auch daran messen lassen, dass Deutschland ein wettbewerbsfähiger Wirtschafts- und Industriestandort bleibt.
({1})
Dazu sind Sonderregelungen für die stromintensive
Industrie erforderlich. Unternehmen mit sehr hohen
Stromkosten und einer hohen Handelsintensität können
auch weiterhin privilegiert werden. Unternehmen aus
68 aufgeführten Branchen zahlen in Zukunft grundsätzlich, wie erwähnt, 15 Prozent der vollen EEG-Umlage.
Ebenso ist eine Mindestumlage - für die erste Gigawattstunde die EEG-Umlage in voller Höhe und 0,1 Cent für
jede darüber hinausgehende Kilowattstunde - vorgesehen. Für die Privilegierung ist Voraussetzung, dass der
Stromkostenanteil an der Bruttowertschöpfung ab 2015
mindestens 17 Prozent beträgt. Darüber hinaus greift für
diese Unternehmen eine zweiteilige Deckelung. Kein
privilegiertes Unternehmen muss mehr als 4 Prozent seiner Bruttowertschöpfung zahlen. Besonders stromintensive Unternehmen mit einer Stromkostenintensität höher
als 20 Prozent zahlen nicht mehr als 0,5 Prozent ihrer
Bruttowertschöpfung. Allein durch diese Anpassungen
werden circa 400 Unternehmen aus der Privilegierung
herausfallen. Dies kann, wie erwähnt, im Einzelfall existenzbedrohend sein. Deshalb gibt es für diese Fälle eine
Härtefallregelung, sodass diese Unternehmen dauerhaft
20 Prozent der EEG-Umlage bezahlen. Ich glaube - im
Gegensatz zu Frau Bulling-Schröter -, dass dies keine
verantwortungslose Politik, sondern im Gegenteil verantwortungsvolle Politik ist, um die Industriearbeitsplätze langfristig in Deutschland zu sichern.
({2})
Insgesamt wird damit das Niveau der Entlastung mit
circa 5,1 Milliarden Euro pro Jahr konstant gehalten.
Jetzt wird oft gesagt - dies haben wir heute schon gehört -,
die Industrie leiste keinen Beitrag zur Energiewende.
Das ist weit gefehlt. Die deutsche Industrie zahlt circa
7,4 Milliarden Euro EEG-Umlage. Das ist nahezu so viel
wie die privaten Haushalte insgesamt bezahlen. Die Industrie trägt somit rund ein Drittel der gesamten EEGUmlage. Man muss auch betonen, dass ohne die Besondere Ausgleichsregelung für stromkostenintensive Unternehmen die EEG-Umlage - Kollege Pfeiffer hat es
angesprochen - lediglich um 1,36 Cent pro Kilowattstunde für den Normalbürger geringer ausfallen würde.
Das würde für einen privaten Haushalt im Schnitt jährlich circa 45 Euro Einsparung bedeuten. Wegen der zu
erwartenden Wohlstandsverluste würde das real verfügbare Einkommen jedoch im Schnitt um rund 500 Euro
pro Jahr sinken.
Es wird häufig bewusst die Mär verbreitet - wir haben sie auch heute wieder gehört -, dass die Industriestrompreise in Deutschland sehr gering seien. Damit
wird versucht, die privaten Stromkunden gegen die
Industriestromkunden auszuspielen. Ich halte das für unverantwortlich. Lassen Sie mich eines betonen: In
Deutschland ist der Industriestrom im Vergleich zu
Frankreich und den Niederlanden um rund 40 Prozent
teurer. Das Gerücht, die Industrie wäre vom steigenden
Strompreis nicht betroffen, da es für sie Ausnahmeregelungen gäbe, hält sich ebenso hartnäckig, wie es falsch
ist.
Auch die Stromkosten sind ein Kostenfaktor im internationalen Wettbewerb, und diese Kosten wirken sich
aus. So ist die Investitionstätigkeit in den energieintensiven Branchen in Deutschland inzwischen ausgesprochen schwach. Die Abwanderung der Industrie geschieht
nicht mit einem lauten Knall, sondern schleichend. Die
hohen Energiekosten haben bereits zu einer chronischen
Investitionsschwäche der energieintensiven Industrie geführt. Wie eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln zeigt, deckten die Investitionen der energieintensiven Branchen in den Jahren 2000 bis 2010
nicht einmal ihre Abschreibungen. Das heißt, es wurde
- und wird anhaltend - weniger investiert, als nötig
wäre, um den Verschleiß der Produktionsstätten auszugleichen. Ich bitte die Grünen, das in ihren Anträgen, in
denen die mangelnde Investitionstätigkeit in Deutschland bemängelt wird, zu berücksichtigen. Wir brauchen
langfristige Planungs- und Investitionssicherheit für unsere Unternehmen, und diese schaffen wir durch das
neue Gesetz.
Häufig wird betont, die energieintensiven Unternehmen hätten noch Effizienzpotenziale. Das trifft zum Teil
zu. Aber ich kann jedem nur empfehlen, sich einmal eine
Glashütte oder eine Stahlkocherei anzuschauen und mit
den Verantwortlichen zu sprechen. Hier sind die Effizienzgrenzen bereits erreicht. Die Frage lautet dann
nicht: effizient oder ineffizient? Die Frage lautet dann: in
Deutschland produzieren oder eben nicht? Wir wollen,
dass das produzierende Gewerbe in Deutschland eine
Zukunft hat.
({3})
Im Übrigen wird uns die Frage der steigenden
Netzentgelte auch in diesem Bereich noch vor Herausforderungen stellen, die es anzunehmen gilt. Wir sagen
häufig - und das zu Recht -, was wir mit der Energiewende erreichen wollen: den stetigen Ausbau der erneuerbaren Energien und deren Integration bei gleichzeitiger Versorgungssicherheit, eine erhebliche Steigerung
der Energieeffizienz sowie die ambitionierte Reduktion
der Treibhausgasemissionen. Aber wir müssen auch sagen, was wir mit der Energiewende nicht erreichen wollen: Wir wollen keine Deindustrialisierung unseres Landes. Die deutsche Industrie erwirtschaftet mehr als
20 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung. Darauf
können wir nicht nur, nein, darauf müssen wir stolz sein.
({4})
Wir können stolz darauf sein, dass wir nicht so stark von
einem Finanzdienstleistungssektor abhängig sind wie
beispielsweise Großbritannien. Es ist maßgeblich dem
industriellen Kern unserer Volkswirtschaft zu verdanken,
dass wir im Vergleich sehr gut durch die Finanz- und
Wirtschaftskrise gekommen sind.
Es geht bei der Besonderen Ausgleichsregelung darum, den Industriestandort Deutschland und damit Tausende von Arbeitsplätzen langfristig zu erhalten. Jeder
Arbeitsplatz im energieintensiven Bereich sichert zwei
Arbeitsplätze in anderen Industriezweigen und im
Dienstleistungssektor. Rund 80 Prozent der Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes haben enge Lieferbeziehungen zur energieintensiven Industrie; 40 Prozent
der Unternehmen befinden sich in engen Forschungsund Entwicklungskooperationen. Es gilt also einmal
mehr, einem schleichenden Deindustrialisierungsprozess
vorzubeugen. Das wollen und werden wir durch den verlässlichen Rahmen für die Industrie, den wir nun schaffen, erreichen.
({5})
Mit der europarechtskonformen Neuregelung der Besonderen Ausgleichsregelung schaffen wir langfristige
Planungs- und Investitionssicherheit für die energieintensive Industrie in Deutschland. Das ist gut für unser
Land.
Herzlichen Dank.
({6})
Vielen Dank, Herr Kollege. Ich wünsche Ihnen ein
gutes Wochenende mit vielen neuen Eindrücken. Sie waren ja sehr philosophisch; heute ist sowieso der Tag der
Philosophie.
Damit schließe ich die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/1449 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? - Ich sehe keine, ich
höre keine. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten
Halina Wawzyniak, Jan Korte, Ulla Jelpke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE
LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Grundgesetzes ({0}) und zur Einführung eines
Gesetzes über das Verfahren bei Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheid ({1}) und zur Änderung
weiterer Gesetze
Drucksache 18/825
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({2})
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Nach interfraktioneller Übereinkunft sind für die
Aussprache 38 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Halina
Wawzyniak für die Fraktion Die Linke.
({3})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen
und Kollegen! Alle Jahre wieder reden wir über die
Möglichkeit von Einwohnerinnen und Einwohnern, über
Gesetze oder Gegenstände der politischen Willensbildung selbst und direkt zu entscheiden. Alle bis auf die
Union wollen, dass Einwohnerinnen und Einwohner direkt entscheiden können. Die Linke hat nun heute hier
einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem dies praktisch
umgesetzt werden kann.
Der Gesetzentwurf - darauf hat die Frau Präsidentin
schon hingewiesen - enthält sowohl die Änderungen des
Grundgesetzes, um Volksinitiativen, Volksbegehren und
Volksentscheide zu ermöglichen, aber er enthält auch
- und das ist eine Neuerung - ein Bundesabstimmungsgesetz.
In dem Bundesabstimmungsgesetz regeln wir konkret
das Verfahren einer Volksabstimmung. Wir haben hier
einen Vorschlag von „Mehr Demokratie e. V.“ aufgenommen - das haben wir im Gesetzentwurf auch transparent verzeichnet ({0})
und diesen leicht verändert übernommen.
({1})
Wir wollen, dass 100 000 Wahlberechtigte Initiativen
in den Bundestag einbringen können. Wir wollen, dass
ein Volksbegehren zustande gekommen ist, wenn mindestens 1 Million Wahlberechtigte binnen neun Monaten
diesem zugestimmt haben. Bei einem das Grundgesetz
ändernden Volksbegehren müssen 2 Millionen Wahlberechtigte unterschreiben.
Wir wollen - und das ist uns besonders wichtig -,
dass alle seit fünf Jahren in Deutschland lebenden Menschen abstimmungsberechtigt sind.
({2})
Wir wollen, dass auch 16-Jährige abstimmen dürfen.
Ausgeschlossen sind Volksinitiativen zu den in den
Artikeln 1 und 20 Grundgesetz niedergelegten Grundsätzen und zum Haushaltsgesetz, und natürlich darf kein
Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
({3})
Wir wollen auch, dass diejenigen mit entscheiden
können, die derzeit nach § 13 Bundeswahlgesetz ausgeschlossen sind. Das betrifft zum Beispiel die Menschen,
die unter Vollbetreuung stehen.
Um vorwegzunehmen, was an Gegenargumenten
kommen könnte: Die Todesstrafe ist damit einem Volksentscheid entzogen; denn sie verstößt unzweifelhaft gegen die Menschenwürde.
Unser Gesetzentwurf ist ein Angebot. SPD und Grüne
haben sicherlich Änderungsbedarf. Ich kann Sie nur auffordern: Äußern Sie den! Wir sind bereit, mit Ihnen in
Gespräche einzutreten. Unser Gesetzentwurf ist ein Angebot. Wir wollen es gemeinsam schaffen, Volksbegehren, Volksinitiativen und Volksentscheide zur Realität
werden zu lassen. Wir kleben nicht an Semikolons, wir
kleben nicht an Kommas. Wir laden Sie ein: Diskutieren
Sie mit uns gemeinsam.
({4})
Nun führen wir diese Debatte nicht zum ersten Mal.
Ich will deshalb präventiv auf einige Argumente eingehen, die insbesondere der Kollege Helmut Brandt, der
heute gar nicht spricht, in der Vergangenheit vorgetragen
hat.
Am 8. Juli 2010 sagte er, „dass durch diese Form des
Plebiszits in der Weimarer Zeit das Volk aufgewühlt und
gespalten und das Vertrauen in das Parlament zusätzlich
erschüttert wurde.“ Ich finde es, ehrlich gesagt, etwas
bedauerlich, dass das Argument Weimar immer wieder
vorgetragen wird. Dieses Argument ist nicht tragfähig.
({5})
Jens Kersten weist in dem sehr lesenswerten Buch
Weimars lange Schatten - „Weimar“ als Argument nach
1945 nach, dass nach Memoiren und rückschauenden
Schriften politischer Akteure der damaligen Zeit das Institut der direkten Demokratie überwiegend positiv bis
wohlwollend neutral besetzt war. Kann es nicht vielleicht sein, dass die Weimarer Republik daran gescheitert ist, dass es zu wenige Demokratinnen und Demokraten gegeben hat, die bereit waren, sie zu verteidigen?
Mir kommt es immer so vor, als würde Weimar zitiert,
weil das gut ankommt. Aber das Kernproblem des
Scheiterns der Weimarer Republik wurde nicht begriffen.
({6})
Eine Demokratie muss von Demokratinnen und Demokraten demokratisch verteidigt werden.
({7})
Am 14. Juni 2013 erklärte der Kollege, dass ein
Volksentscheid „ein auf einen Punkt reduziertes Verfahren, bei dem die gestellte Frage nur mit Ja oder Nein zu
beantworten ist“, sei. Ich muss Ihnen - mit Verlaub ehrlich sagen: Das ist kein Argument gegen direkte Demokratie. Wenn wir hier im Plenum sitzen, tun wir
nichts anderes, als eine gestellte Frage regelmäßig mit
Ja, Nein oder Enthaltung zu beantworten.
({8})
Das Verfahren der direkten Demokratie ist nicht reduziert. Bis es zu einem Volksentscheid kommt, dauert es
eine Weile, und das Für und Wider kann öffentlich abgewogen werden. Wer sich die Realität der Behandlung
von Vorlagen in Ausschüssen und hier im Plenum vor
Augen führt, der könnte möglicherweise sogar zu der
Annahme kommen, dass bei einem Gesetzgebungsverfahren über Volksentscheide eine umfassendere Behandlung mit einer Sachfrage vorliegt als bei einer Abstimmung hier im Bundestag.
({9})
Am 14. Juni 2013 sagte der Kollege Brandt, es müsse
bedacht werden, „dass bei Volksentscheiden die Gefahr
besteht, dass wichtige Sachfragen nicht nach sachbezogenen Gesichtspunkten entschieden werden, sondern danach, wie schlagwortartig und populistisch Parolen unter
das Volk gebracht werden“.
Am 8. Juli 2010 ergänzte er, „dass wichtige Fragen
nicht nach sachbezogenen Gesichtspunkten entschieden
werden, sondern danach, welche Interessengruppe die
bessere Lobbyarbeit macht“.
Ehrlich gesagt: Das finde ich schon wieder lustig;
denn es suggeriert, dass wir alle hier im Parlament völlig
frei von Schlagworten und völlig frei von populistischen
Parolen Entscheidungen treffen, und es suggeriert, dass
das Parlament ein Raum frei von Lobbyarbeit von Interessengruppen ist. Wir wissen alle, dass dem so nicht ist.
Wir sollten einfach zur Kenntnis nehmen: Wir sind nicht
die besseren Menschen. Wir sollten auch nicht so tun, als
wären wir es.
({10})
Denken Sie an Ihre Redezeit?
Ich komme zum Schluss.
Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir ein ganz besonderes Maß an Transparenz herstellen; denn die Einflussnahme Dritter soll dadurch deutlich werden, dass
Geld- und Sachspenden zur Unterstützung eines Volksentscheids ab 2 000 Euro offengelegt werden sollen. Ich
bitte Sie also: Prüfen Sie unseren Gesetzentwurf - ich
meine nicht Sie von der CDU/CSU; Sie machen da eh
nicht mit -, kommen Sie mit uns ins Gespräch, und lassen Sie uns gemeinsam mehr direkte Demokratie einführen.
({0})
Danke, Frau Kollegin. - Nächster Redner: Dr. Tim
Ostermann für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundestag hat in der Vergangenheit bereits elfmal über eine
Vorlage zum Thema direkte Demokratie debattiert. Der
Kollege Michael Hartmann hat sich in der letzten Wahlperiode die Mühe gemacht, dies zurückzuverfolgen. Das
heißt, heute diskutieren wir über dieses Thema zum
zwölften Mal.
({0})
Ich glaube, dass Sie, werte Kolleginnen und Kollegen
von der Linksfraktion, sich eingestehen müssen, dass
Ihre Ideen nicht so verfangen, wie Sie sich das wünschen.
({1})
Das Ergebnis der Bundestagswahl hat gezeigt, dass das
offenbar nicht funktioniert hat.
({2})
Die Bürger dieses Landes stehen mehrheitlich hinter der
repräsentativen Demokratie, und sie stehen zu der Entscheidung der Mütter und Väter des Grundgesetzes, die
vor 65 Jahren getroffen worden ist.
({3})
Eine Umfrage von TNS Infratest vom November
2013 hat ergeben, dass insgesamt 70 Prozent der Deutschen mit der Art und Weise, wie die Demokratie in
Deutschland funktioniert, zufrieden oder sogar sehr zufrieden sind.
({4})
Daher kann es nicht verwundern, dass die Plebiszitanträge in der Vergangenheit keine große Resonanz gefunden haben, dass den Anträgen keine breite Debatte in
der Bevölkerung gefolgt ist. Heute wird es also zum
zwölften Mal versucht. Respekt für die Beharrlichkeit!
({5})
Inhaltlich haben Sie mit diesem Antrag jedoch wenig
Neues zur Debatte beizutragen. Gleichwohl möchte ich
Ihnen erneut die Argumente in Erinnerung rufen, mit denen wir Ihren Antrag auch zum zwölften Mal ablehnen
werden.
({6})
Das Argument Weimar ist übrigens nicht dabei.
({7})
- Es tut mir leid, dass ich Sie da enttäuschen muss.
({8})
Erlauben Sie mir eine Bemerkung vorab. In Ihrer Begründung zum Gesetzentwurf haben Sie gleich im ersten
Satz eine Steilvorlage geliefert. Dort heißt es: „Seit dem
Jahr 1990 hat sich das Verfassungsleben intensiviert.“
Sie stellen wahrscheinlich deshalb auf das Jahr 1990 ab,
weil Sie selbst erkannt haben, dass es im Osten unseres
Landes bis zur Wende gar kein Verfassungsleben gab
bzw. kein Verfassungsleben, das diesen Namen verdient.
({9})
Bis zur Wende - das will ich noch einmal in Erinnerung
rufen - gab es keine freien Wahlen. Die Wahlen waren
manipuliert. Man konnte nur für Einheitslisten abstimmen.
({10})
Die sogenannte Deutsche Demokratische Republik war
alles, nur nicht demokratisch.
({11})
Das Volk im östlichen Teil unseres Landes hat dem
Treiben Ihrer Vorgängerpartei, der SED, daher im Jahr
1989 ein Ende bereitet. Gott sei Dank!
({12})
Die Menschen dort haben sich stattdessen für die Demokratie entschieden, für ein System der repräsentativen
Demokratie, das in der Bundesrepublik schon jahrzehntelang erfolgreich praktiziert worden ist.
({13})
Dieses haben wir heute Morgen in einer Feierstunde gewürdigt. Für uns ist die repräsentative Demokratie ein
wesentlicher Grund für die Stabilität unseres politischen
Systems, gerade auch im Vergleich zu anderen Staaten.
Die repräsentative Demokratie ist ein Stabilitätsanker.
({14})
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder
Bemerkung von Herrn Lenkert?
Erlaube ich. Bitte.
Herr Kollege, Sie sagten, dass sich die Bürgerinnen
und Bürger in den neuen Bundesländern für die repräsentative Demokratie entschieden haben. Ich kann Ihnen
versichern: Wir haben die Thüringer Landesverfassung
mit einem Volksentscheid in Kraft gesetzt.
({0})
Über diesen Volksentscheid ist ausdrücklich auch die direkte Demokratie in der Thüringer Verfassung verankert
worden. Das war der Wille der Bürgerinnen und Bürger
in Thüringen. Die Verfassung wurde mit 75 Prozent angenommen.
({1})
Ich kann Ihnen versichern: Wir wollten die direkte Demokratie. Jetzt wollen wir sie endlich auch auf Bundesebene.
({2})
Nun ist es aber so, Herr Kollege, dass die Volkskammer den Beitritt zum Geltungsbereich des Grundgesetzes
erklärt hat. Und darum geht es heute: um die Bundesebene.
({0})
- Nein, es geht um die Bundesebene. Darüber reden wir
heute.
Meine Damen und Herren, das Gesetzgebungsverfahren, an dem dieses Hohe Haus ja nicht unmaßgeblich beteiligt ist, ist in der Lage, verschiedene Interessen zu
bündeln und aufzunehmen. Es lässt am Ende Gesetze
entstehen, die diese unterschiedlichen Interessen berücksichtigen. Das Gesetzgebungsverfahren - das haben Sie
eben etwas arg verkürzt dargestellt - ist ein sogenanntes
lernendes Verfahren.
({1})
Es bringt hierfür alle Voraussetzungen mit. Denn es gibt
eben nicht nur eine Abstimmung hier im Plenum, sondern auch drei Lesungen, Ausschussberatungen, Sachverständigenanhörungen und Berichterstattergespräche.
Aus all diesen Beratungen gehen nahezu immer Änderungen und Anpassungen am Gesetzentwurf hervor.
({2})
Es gilt das Struck’sche Gesetz - man darf es hier heute
wieder zitieren; dies wurde heute schon mindestens einmal getan -:
({3})
Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es hineingekommen ist.
Kurzum: Das Gesetzgebungsverfahren, wie wir es
kennen, bietet ein hohes Maß an thematischer Tiefe und
Flexibilität. Ein solch ausdifferenziertes und umfassendes Verfahren kann ein Plebiszit nicht bieten. Denn bei
einer Volksabstimmung - das haben Sie richtig wiedergegeben; Kollege Brandt hat es hier schon dargestellt geht es letztlich immer nur um die Frage: ja oder nein,
schwarz oder weiß?
({4})
Ein „Ja, aber“ ist nicht vorgesehen, und Farbnuancen
gibt es nicht.
Die Gesetzgebung ist oftmals aber sehr vielschichtig
und muss eine kaum überschaubare Vernetzung mit anderen Regelungsbereichen berücksichtigen. Volksentscheide erlauben eine solch detailreiche Abstimmung
nicht. Die unangemessene Verkürzung vieler Sachthemen könnte leicht zu populistisch beeinflussten Ergebnissen führen, Ergebnissen, bei denen die notwendigen
Kompromisse der parlamentarischen Diskussion auf der
Strecke bleiben. Es besteht die Gefahr, dass nicht auf
Grundlage von sachlichen Erwägungen entschieden
wird, sondern dass sich Tür und Tor für Stimmungen und
Emotionen öffnen.
({5})
Wir wären jedoch schlecht beraten, wenn wir uns in
wichtigen Sachfragen von Stimmungen und vor allem
von Stimmungsmachern leiten lassen würden.
({6})
Ich bin davon überzeugt: Dies würde insbesondere
auch - das dürfte Sie besonders interessieren - zulasten
von Minderheiten und gesellschaftlich benachteiligten
Gruppen gehen. Hinzu kommt: Bei einem Volksentscheid kann die größere Finanzkraft - das ist wieder ein
Argument von Herrn Brandt; das erwähne ich, um Sie zu
erfreuen - bestimmter Akteure den Ausschlag hinsichtlich Erfolg oder Misserfolg geben: ein größeres Werbebudget für eine bessere Präsenz in den Medien, Abmahnwellen und juristische Spielchen durch Anwälte
zur Einschüchterung des politischen Gegners, um nur einige Aspekte zu nennen. In der Welt der Volksentscheide
gilt oftmals das Recht des Stärkeren und nicht unbedingt
das des besseren Arguments.
({7})
Sie werden jetzt vermutlich einwenden, dass man mit
kommunalen Formen der Bürgerbeteiligung bisher keine
schlechten Erfahrungen gemacht hat. Das mag sein. Allerdings lassen sich Volksentscheide auf diesen Ebenen
nur schlecht mit solchen auf der Bundesebene verglei3226
chen. In einem kommunalen Kontext sind die politischen Fragen zumeist überschaubarer.
({8})
Sie können einfacher überblickt werden. Auf Bundesebene sähe das anders aus, auch deshalb, weil dort viele
Sachfragen eine europäische oder internationale Dimension haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Abgeordnete
sind von den Bürgern gewählt und dazu berufen, das
Volk zu vertreten. Dafür stellen wir uns alle vier Jahre
zur Wahl. Der Bürger befindet mit seiner Stimme darüber, ob wir seine Interessen überzeugend vertreten haben oder eben nicht. Nicht zuletzt aufgrund von namentlichen Abstimmungen können jede Wählerin und jeder
Wähler nachvollziehen, ob wir unsere Aufgabe in ihrem
bzw. seinem Sinne erledigt haben.
Ich bin der Meinung, dass in den letzten Jahren vor allem die Möglichkeiten des Internets die Teilhabe der
Bürger an politischen Prozessen verbessert haben. Es
bieten sich zahlreiche Foren und Plätze, sich in den Gesetzgebungsprozess einzubringen.
({9})
Genannt seien hier etwa die Onlinepetition, soziale
Netzwerke und Partizipationsplattformen Dritter. Für die
Bürger war es noch nie so einfach, sich politisch zu beteiligen und ihre Meinung auch auf Bundesebene kundzutun.
({10})
Schließen möchte ich mit einem Verweis auf die Festrede von Navid Kermani heute Morgen in der Feierstunde. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass mir
nicht alle Passagen dieser Rede gefallen haben.
({11})
Aber die Passage, die ich jetzt mit Ihrer Erlaubnis, Frau
Präsidentin, zitieren möchte, hat mir schon gefallen;
denn er hat gesagt - ich zitiere -:
Das Interesse der Öffentlichkeit am Grundgesetz
war aus heutiger Sicht beschämend gering, die Zustimmung innerhalb der Bevölkerung marginal. Befragt, wann für sie die beste Zeit gewesen sei, entschieden sich noch 1951 in einer repräsentativen
Umfrage 45 Prozent der Deutschen für das Kaiserreich, 7 Prozent für die Weimarer Republik
- da ist sie dann doch einmal, die Weimarer Republik -,
({12})
42 Prozent für die Zeit des Nationalsozialismus und
nur 2 Prozent für die Bundesrepublik. … Wie froh
müssen wir sein, dass am Anfang der Bundesrepublik Politiker standen, die ihr Handeln nicht nach
Umfragen, sondern nach ihren Überzeugungen ausrichteten.
Herzlichen Dank.
({13})
Ja, wo er recht hat, hat er recht. - Vielen Dank, Herr
Kollege.
Es gab mehrere Zwischenrufe in Bezug auf Bayern
vom Kollegen Konstantin von Notz, der weit weg von
Bayern, in Schleswig-Holstein, lebt. Ich glaube, Herr
von Notz, ich kann Ihnen im Namen all meiner bayerischen Kollegen versichern, dass wir eine recht lebendige
Demokratie bei uns haben, die auch ziemlich direkt ist.
({0})
Der nächste Redner in der Debatte: Özcan Mutlu,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Frau Wawzyniak, wir nehmen Ihr Gesprächsangebot
gerne an.
({0})
Bündnis 90/Die Grünen ist nämlich die Partei, die sich
seit ihrer Gründung konsequent für die Stärkung und die
Erweiterung der direkten Demokratie in Deutschland
eingesetzt hat und sich auch weiter dafür einsetzen wird.
So haben wir seit 2002 in mehreren Anläufen in diesem
Hohen Hause für eine Mehrheit geworben, damit das
Grundgesetz geändert werden kann und bundesweite
Volksentscheide möglich werden.
({1})
Unser letzter Anlauf ist an der Mehrheit von CDU/CSU
und FDP, um nicht zu sagen: an der Verweigerung dieser
Parteien, leider gescheitert. So wird es vermutlich auch
Ihrem Gesetzentwurf ergehen. Ich bin auf die Debatten
im Ausschuss gespannt.
Meine Damen und Herren, auch wenn es Teile des
Hohen Hauses wohl immer noch nicht wahrhaben wollen: Die Ergänzung unserer parlamentarischen Demokratie durch direktdemokratische Entscheidungsmöglichkeiten ist auf kommunaler wie auf Landesebene eine
Erfolgsstory, ein Erfolgsmodell. Ich bin mir ziemlich sicher: Sie wird bei richtiger Ausgestaltung auch auf Bundesebene ein Erfolgsmodell werden.
Weil wir hier verschiedene Kollegen gehört haben, sei
mir an dieser Stelle noch folgende Randbemerkung erlaubt: Gerade diejenigen, die hier am lautesten immer
wieder gegen Plebiszite argumentieren und die gegen die
Schaffung von Volksentscheiden auf Bundesebene sind,
gerade diese verstehen es am besten, auf kommunaler
Ebene und auf Landesebene Volksentscheide zu nutzen
und sie für ihre parteipolitischen Zwecke zu instrumentalisieren.
({2})
Als Berliner Abgeordneter kann ich Ihnen da gerne zwei
Beispiele nennen:
Ich erinnere an den Volksentscheid gegen die Schließung des Flughafens Tempelhof,
({3})
wo die CDU Berlin an vorderster Front marschiert ist,
obwohl sie immer gegen Volksentscheide war.
({4})
Das andere Beispiel aus Berlin ist die Einführung des
Schulfachs Ethik; auch da hat die CDU mit erhobener
Fahne an vorderster Front im Rahmen eines Volksentscheids gegen die Einführung dieses Schulfachs gekämpft.
({5})
Kollege Ostermann hat das Stichwort „Stimmungsmacher“ in den Raum gestellt. Da sage ich: Schaut nach
Bayern! Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
({6})
Meine Damen und Herren, uns ist bewusst, dass eine
Entscheidung noch Zeit braucht, und wir werden weiter
an diesem dicken Brett bohren, vielleicht auch mit den
Linken, vielleicht auch mit den Sozialdemokraten. Dennoch können wir - da muss ich die Freude leider schon
stoppen - dem Gesetzentwurf der Linken in der vorliegenden Form nicht zustimmen.
({7})
Wir lehnen die von Ihnen vorgeschlagene Regelung ab,
dass vertragliche Grundlagen der Europäischen Union,
die das Grundgesetz ändern, zukünftig per Volksabstimmung angenommen werden müssen. Diese Regelung
kann durchaus europafeindlich wirken und birgt die Gefahr, parteipolitisch instrumentalisiert zu werden.
({8})
Zugleich ist dieser Gesetzentwurf für mich - auch wenn
Sie das jetzt nicht gerne hören - irgendwie auch ein Ausdruck des Fremdelns der Linken mit der Europäischen
Union.
({9})
- In der Rede haben Sie nichts dazu gesagt; aber ich lese
das aus Ihrem Gesetzentwurf.
({10})
Dieses Gefühl teilen wir ganz und gar nicht. Wir
Grüne sind eine entschieden proeuropäische Partei.
({11})
Wir finden es richtig, dass das Grundgesetz - wir haben
heute den 65. Jahrestag seines Inkrafttretens gefeiert die Verankerung Deutschlands und die immer tiefere Integration Europas substanziell festschreibt. Die Europaoffenheit unseres Grundgesetzes, der darin festgeschriebene Auftrag der europäischen Integration, das ist
keine Schwäche, sondern eine Stärke unseres Grundgesetzes.
({12})
- Das ist sehr schön; dann werden wir ja sehen, was Sie
in den Ausschussberatungen sagen.
Deshalb können wir dem Gesetzentwurf der Linken
in dieser Form nicht zustimmen. Wir finden sehr wohl,
dass europäische Angelegenheiten auch europäisch - von
allen Bürgerinnen und Bürgern Europas - entschieden
werden müssen. Wir Grüne wollen die Bürgerinnen und
Bürger in Europa - und auch in Deutschland selbstverständlich - stärken. Wir wollen mit dem Ziel einer weiteren Demokratisierung Europas die Institutionen Europas
und die Entscheidungsrechte des Europäischen Parlaments stärken, statt sie durch nationale Vorbehalte einzuschränken.
({13})
In unseren Augen ist der Konflikt zwischen den Elementen direkter Demokratie und den Werten und Zielen
einer proeuropäischen Politik nur auflösbar, wenn und
indem wir mit aller Konsequenz daran arbeiten, die Entscheidungsprozesse auf europäischer Ebene weiter zu
demokratisieren und zu festigen.
Denken Sie an Ihre Redezeit!
Ich denke an meine Redezeit.
({0})
Ich hoffe, ich konnte ein wenig deutlich machen, Frau
Präsidentin, liebe Linke,
({1})
wie wichtig uns diese Punkte sind und was wir als
schädlich für die weitere Entwicklung Europas ansehen.
Ein letzter Satz sei mir erlaubt,
({2})
weil ich Berliner bin: Am Sonntag wählt Berlin nicht nur
das Europäische Parlament, in Berlin steht auch ein
Volksentscheid an. Das ist eine exzellente Gelegenheit,
zu zeigen, wie gut direkte Demokratie funktionieren
kann. Als Berliner Abgeordneter wünsche ich mir, dass
viele Berlinerinnen und Berliner am Sonntag zur Wahl
gehen
Das wünschen wir auch - und dass Sie jetzt zum Ende
kommen.
- und sich für die nachhaltige Zukunft des Tempelhofer Feldes einsetzen.
Danke sehr, Frau Präsidentin.
({0})
Danke, Herr Kollege. - Nächster Redner: Dr. Lars
Castellucci für die SPD.
({0})
Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Kolleginnen!
Meine Damen und Herren! Das ist ein guter Tag, um
über Demokratie zu sprechen; denn wir haben noch ein
weiteres Geburtstagskind
({0})
- neben dem Grundgesetz -, nämlich die SPD. Sie wird
heute 151 Jahre alt.
({1})
Ich gehe davon aus, dass wir jetzt nicht singen, Frau
Präsidentin.
({2})
Was müssten wir denn dann jetzt singen? - Das tun
wir jetzt aber nicht; nein, das lassen wir.
Das üben wir noch.
Brüder, zur Sonne, zur Freiheit, und die Frauen putzen die Fenster. - Nein, Entschuldigung.
Gut. - Die Geschichte der SPD ist eine Demokratisierungsgeschichte: Die Arbeiterbewegung hat einst das
allgemeine, freie und gleiche Wahlrecht erkämpft, später
kam das Frauenwahlrecht dazu.
Willy Brandt ist heute schon sehr oft zitiert worden:
„Wir wollen mehr Demokratie wagen.“ Das ist nicht nur
unsere Geschichte, sondern auch unser Auftrag. Deshalb
unterstützen wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auch, dass es mehr Mitwirkungsmöglichkeiten
für die Menschen in Deutschland geben soll. Wir sind
für die Einführung von Volksinitiativen, Volksbegehren
und Volksentscheiden auf Bundesebene.
({0})
Wir wollen auch das Wahlalter auf 16 Jahre senken,
wir wollen die Menschen direkter in die vielfältigen Formen der Bürgerbeteiligungsverfahren einbeziehen, und
wir wollen auch, dass Gruppen, die heute noch nicht
wählen können, die Möglichkeit dazu erhalten. Denken
wir zum Beispiel an die Menschen mit ausländischem
Pass. Wir glauben, dass die generelle Hinnahme der
Mehrstaatlichkeit ein geeigneter Schlüssel sein kann, um
hier Schritte nach vorne zu gehen. Im Koalitionsvertrag
haben wir uns daneben immerhin vorgenommen, dass
wir für diejenigen, die umfassend betreut werden, die
rechtlichen Hemmnisse zur Ausübung des Wahlrechts
abbauen wollen. Wir müssen miteinander besprechen,
wie das gehen kann.
Demokratie ist also ein sehr wichtiges Thema. Deswegen ist es auch grundsätzlich sehr gut, dass wir heute
diese Debatte führen.
({1})
Gleichzeitig handelt es sich ja um eine Übung, die
schon eine gewisse Wiederholung kennt, weil leider mit
der Union nichts zu machen ist.
({2})
Auch in den Koalitionsverhandlungen haben wir daran
nichts ändern können.
({3})
Heute war ja schon einmal von Carlo Schmid, einem
unserer Verfassungsväter, die Rede. Carlo Schmid berichtet in seinen Memoiren von einer Begegnung mit
Adenauer. Adenauer sagte ihm - ich zitiere -:
Was uns beide unterscheidet …
- also Schmid und Adenauer -:
Sie glauben an den Menschen, ich glaube nicht an
den Menschen und habe nie an den Menschen geglaubt.
({4})
Das ist zwar etwas entfernt von einem christlichen Menschenbild, aber man kann bei der Biografie des Altkanzlers vielleicht Respekt vor dieser Meinung haben. Man
sollte möglicherweise aber nicht bei Adenauer stehen
bleiben.
Wir haben heute wirklich viel Grund dazu, die Beteiligungsmöglichkeiten der Menschen auszuweiten, und,
anders als Herr Ostermann gesagt hat - man findet immer die Umfrage, die man gebrauchen kann -, wünschen
sich die Menschen auch die Beteiligungsmöglichkeiten.
({5})
Nach einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung sind es
80 Prozent.
Passen Sie jetzt einmal auf: Es gibt sogar Hinweise,
dass Ihre Wählerinnen und Wähler das nicht nur wollen,
sondern dass sie bei diesen direkten Verfahren sogar verstärkt zur Abstimmung gehen würden, womit Sie einen
weiteren Hebel in der Hand hätten, Ihre Politik durchzusetzen.
({6})
Das habe ich Ihnen jetzt natürlich nicht verraten, aber
vielleicht gibt Ihnen das zu denken.
Es ist sicherlich falsch, von einer Krise der Demokratie zu sprechen. Wir haben heute zu Recht darauf hingewiesen, dass sich die repräsentative Demokratie bewährt
hat. Gleichzeitig bangen wir alle und fragen uns, wie
hoch die Wahlbeteiligung am Sonntag werden wird.
({7})
Die Mitgliederzahlen der Parteien sinken. Deswegen
sind wir gut beraten, zu überlegen, wie wir die Demokratie lebendig halten und mehr Menschen für sie begeistern können.
Verehrte Kollegen von den Linken, an dieser Stelle
möchte ich einen Punkt aus Ihrem Antrag herausgreifen,
bei dem ich glaube, dass Sie damit dem Wunsch, Begeisterung auszulösen, zuwiderhandeln.
Sie schlagen vor, dass, wenn es einen Volksentscheid
gibt, jede Fraktion im Deutschen Bundestag ihren Vorschlag gleichzeitig auch zur Abstimmung stellen kann.
({8})
Damit leisten Sie der direkten Demokratie einen Bärendienst. In Wahrheit werden damit die Rechte von Parlamentsfraktionen ausgeweitet, und das ist eigentlich das
Gegenteil von mehr Beteiligung der Bürgerinnen und
Bürger.
({9})
Wie können wir für Demokratie begeistern? Wie können wir in die Demokratie mehr Leben bekommen? Das
gelingt in erster Linie dadurch, dass wir bessere Politikergebnisse erzielen. Hierfür ist es wichtig, dass wir die
unterschiedlichen Formen von Demokratie - direkte Demokratie, repräsentative Demokratie und auch Bürgerbeteiligung - nicht gegeneinander ausspielen, sondern dass
wir ihre Chancen nutzen.
Ich erinnere an den letzten SPD-Antrag für mehr direkte Demokratie. Da sehen Sie, dass dort die Möglichkeit eines Kompromisses gegeben ist: Diejenigen, die
den Volksentscheid eingebracht haben, und der Bundestag können sich auf einen gemeinsamen Vorschlag einigen. Das halte ich für ein gutes Verfahren, gemeinsam zu
besseren Lösungen zu kommen. Das könnte auch der
Demokratie guttun.
({10})
Es hilft nichts, wenn wir hier zustimmen würden. Wir
warten also auf die Union. Wir warten hier immerhin
nicht auf Godot. Bekanntermaßen kam er nie.
({11})
Man wusste nicht, ob es ihn überhaupt gibt. Sie dagegen
sind sehr real.
Ich möchte Ihnen Folgendes zu denken geben: Sie
waren einmal für Atomenergie, und jetzt sind Sie gegen
Atomenergie. Sie waren einmal für das dreigliedrige
Schulsystem, und jetzt sind Sie häufig daran beteiligt, es
abzuschaffen.
({12})
Sie haben die Wehrpflicht befürwortet, und jetzt haben Sie sie mit abgeschafft. Deswegen ist auch in dieser
Sache das letzte Wort noch nicht gesprochen.
({13})
Irgendwann kommt auch beim Thema direkte Demokratie Bewegung in Ihre Reihen. Ich wünsche uns dafür
Geduld und gute Beratungen.
({14})
Vielen Dank, Herr Kollege, und von Herzen Glückwunsch zu einem bemerkenswerten Geburtstag. - Jetzt
kommt als nächster Redner ein Vertreter Bayerns - nein,
Entschuldigung: ein Vertreter Frankens; wir müssen
schon korrekt sein, sonst bekomme ich Ärger -:
({0})
Michael Frieser für die CDU/CSU-Fraktion.
({1})
Frau Präsidentin! Keine Angst, Sie bekommen keinen
Ärger. Ich halte es kraft Persönlichkeit und Gewichts
aus, als beides zu gelten: sowohl als Franke als auch als
Bayer.
({0})
Auch ich möchte der SPD zu ihrem 151. Geburtstag
gratulieren und sage dazu: Wir haben die Flexirente
doch schon umgesetzt. Jetzt muss man doch langsam
einmal ans Aufhören denken.
({1})
Ich halte diese Diskussion heute mit Blick auf den
Geburtstag des deutschen Grundgesetzes für ideal. Es ist
ein gutes Buch - Sie sollten es einmal lesen. Es stehen
eine ganze Reihe von interessanten Sachen drin. Die einzigen Sätze, die in dem Gesetzentwurf der Linken stimmen, sind die Zitate aus dem Grundgesetz. Aber schon in
Ihren ersten Sätzen heißt es sinngemäß: Artikel 20 des
Grundgesetzes enthält den Grundsatz, dass die Souveränität vom Volke ausgeht. Da müssen wir Sie berichtigen:
Die Souveränität in diesem Land geht immer vom Volk
aus, und zwar ausschließlich. Das wird auch durch diesen Gesetzentwurf nicht geändert.
({2})
Nachdem wir über dieses Thema schon ein gutes Dutzend Mal beraten haben, sollten wir es abschließen dürfen.
({3})
Das, was Sie uns vorlegen, ist alter Wein in alten Schläuchen. Das ist dann in Ordnung, wenn man alten Wein
liebt. Wenn man genauer hinschaut, dann ist klar: Das ist
noch nicht einmal alter Wein, vielmehr wird er langsam
zu Essig. Es gibt zwar guten Essig, aber davon kann an
dieser Stelle nicht die Rede sein.
Es geht vor allem um eine fehlerhafte Staatstheorie.
Wenn man den Gedanken des Artikels 20 Absatz 2
Satz 1 Grundgesetz mit dem in Satz 2 ins Verhältnis
setzt, also die Sätze „Die Souveränität, also die Staatsgewalt, geht vom Volke aus“ und „Sie wird vom Volke in
Wahlen und in Abstimmungen ausgeübt“ betrachtet,
dann wird offensichtlich: Sie widersprechen sich, wenn
Sie das in dieser Form umsetzen.
Jetzt fehlt der Zwischenruf von Herrn von Notz von
den Grünen. Er müsste an dieser Stelle „Bayern“ rufen.
Da der Zwischenruf nicht kommt, machen wir ihn eben
selber. Darauf kommt es nicht an; das ist egal.
({4})
In Bayern gibt es wirklich eine direkte Demokratie,
und sie funktioniert sogar. Seit 1956 wurden fast 50 Volksentscheide durchgeführt, knapp 20 davon haben es bis
zur zweiten Stufe gebracht. Auf der Länderebene ist das
eine sehr interessante Geschichte. Auch das Grundgesetz
kennt den Volksentscheid: in ganz bestimmten Fällen,
beispielsweise bei der Weitergabe von Kompetenzen an
die EU. Glauben Sie mir: Als CSUler habe ich dafür
durchaus Sympathien, besonders mit Blick auf den kommenden Sonntag.
Ich glaube, der vorliegende Gesetzentwurf hat auch
etwas damit zu tun, dass am kommenden Sonntag Europawahlen sind; das könnte zumindest theoretisch sein.
Es gibt bestimmt Themen, die für eine Volksabstimmung
geeignet sein könnten. Aber man kann so etwas eben
nicht als Buffet organisieren, sondern man muss schon
konkret sagen, womit man die Menschen tatsächlich befassen will.
In dem Gesetzentwurf der Linken steht der entscheidende Satz: Wenn die in den Artikeln 1 und 20 enthaltenen Grundsätze tangiert werden, dann sind Volksentscheide oder Volksabstimmungen selbstverständlich
nicht möglich.
({5})
Herzlichen Glückwunsch! Das haben Sie nett formuliert.
Das Bundesverfassungsgericht möge bitte einmal auslegen, was es mit den Grundsätzen der Artikel 1 und 20
auf sich hat.
({6})
Das Ergebnis wird sein: Sie nehmen genau das, was Ihnen in Ihrer Vorgehensweise, nämlich der Instrumentalisierung der Minderheiten, um zur Mehrheit zu kommen,
gerade in den Kram passt. Die Folge wird ein Zeitgeistkatalog sein, der dann zur Abstimmung gestellt wird. Es
geht in keiner Weise um eine Stärkung der direkten Demokratie.
Im Ergebnis läuft es doch immer darauf hinaus, dass
man versucht, ein Thema, mit dem man in der repräsentativen Demokratie nicht weiterkommt, auf marktschreierische Art umzusetzen. Es ist doch Ihre Aufgabe als direkt bzw. über Listen gewählte Abgeordnete, darüber zu
entscheiden und daran mitzuwirken, die Menschen über
die Themen zu informieren und vor allem deren Sinn,
Geist, Zweck und Anregungen mit aufzunehmen, sie
hier zusammenzuführen und zu einem Ergebnis zu bringen. Das ist Ihre persönliche Aufgabe. Diese persönliche
Aufgabe redelegieren Sie jetzt an den eigentlichen Gesetzgeber, nämlich den Souverän.
({7})
Wenn die Linke der Auffassung ist, dass sie an der Willensbildung in diesem Land nicht mehr teilhaben will:
Herzlichen Glückwunsch und auf Wiedersehen! Wir sehen uns an anderer Stelle wieder.
({8})
Unsere Definition von Politik ist definitiv eine andere.
({9})
Unsere Definition ist, dass wir Abgeordnete nicht nur
aus praktischen Gründen, sondern auch, weil wir ausschließlich unserem Gewissen unterworfen sind, für die
jeweiligen Themen eintreten, die wir mit unseren Grundsätzen abstimmen müssen, um sie dann zu einem konsensualen Ergebnis zu bringen. Das ist Gesellschaftspolitik. Das übersetzt letzten Endes die Staatstheorie in
gelebte Politik für die Bürger und damit für die Menschen in diesem Land.
({10})
Aber wir wollen - und dazu fordern wir Sie auch auf -,
dass man an dieser Stelle mitwirkt.
Da wir immer wieder das pädagogische Prinzip der
Wiederholung anwenden müssen, halte ich fest: Eine
Volksabstimmung als solche, die Sie auf einen Grundsatz verknappen müssen, damit die Menschen mit Ja
oder Nein abstimmen können, kann bei bestimmten Themen nicht funktionieren. Eine Aushöhlung der repräsentativen Demokratie, in der Ihre persönliche Verantwortung im Vordergrund steht, wird nicht dazu führen, dass
Sie am Ende mehr Politikbeteiligung erreichen. Sie werden sie vielmehr zergliedern und wahrscheinlich sogar in
gewisser Weise ad absurdum führen, weil es Ihnen um
die Etablierung einer Dagegen-Demokratie geht.
Herr Frieser, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder
-bemerkung?
Sofort, wenn ich meinen Gedanken zu Ende gebracht
habe.
Alles klar.
Für die Dagegen-Demokratie gibt es ein schlimmes
Beispiel. Wer hat das erfunden? Die Schweizer haben es
erfunden. Kollege Schuster hat völlig zu Recht darauf
hingewiesen, dass bei den Volksabstimmungen in der
Schweiz die niedrigste Wahlbeteiligung herrscht. - In
Bayern ist es ähnlich - jetzt vermisse ich wieder einen
Zwischenruf von Herrn von Notz -: Dort gibt es dieses
wunderbare Element der direkten Demokratie. Was ist
die Folge? Eine niedrigere Wahlbeteiligung bei diesen
Abstimmungen.
Das sollte uns zu denken geben. Eine Volksabstimmung als solche kann nicht das alleinige Heilmittel sein.
Wir müssten die entsprechenden Regelungen klar und
genau formulieren, wie es das wunderbare Grundgesetz
bereits macht.
Bitte, Frau Kollegin.
Danke, Herr Frieser. - Frau Wawzyniak.
Herr Frieser, ich bin mit Ihnen einer Meinung, dass
wir uns in einzelnen Punkten durchaus verständigen und
einigen könnten. Ich frage Sie deshalb, wie Sie es sich
erklären, dass es uns bei bestimmten Themen, in denen
wir uns einig sind und wir als Linke Formulierungen
vorlegen, die wortgleich mit Ihren sind, unmöglich ist,
einen gemeinsamen Antrag zustande zu bringen, weil es
in Ihrer Fraktion offensichtlich eine Kauder-Doktrin
gibt, nach der wir nicht mit Ihnen gemeinsam Anträge
vorlegen können. Können Sie mir das erklären, wenn Sie
sagen, dass alles so gut funktioniert?
Abgesehen von der Tatsache, dass das ein bisschen
von der Diskussion ablenkt, will ich mich gerne auf die
Frage einlassen. Ich widerspreche selbstverständlich
dem Begriff „Kauder-Doktrin“. Eine solche Doktrin gibt
es in keiner Weise. In dieser Frage gibt es in der CDU/
CSU-Fraktion noch nicht einmal einen Fraktionszwang.
Sie müssen es uns schon selbst überlassen, mit wem
wir als Demokraten entweder erklärtermaßen kraft Verträgen oder aber manchmal aus Sympathie gemeinsame
Anträge einbringen. Wenn die CDU/CSU-Fraktion zu einem Ergebnis kommt und das, was sie in einen Antrag
aufnimmt, für richtig hält, bin ich der Auffassung, dass
es dafür nicht unbedingt des Briefkopfes der Linken bedarf. Es gibt in diesem Hause aber sehr wohl auch Gruppenanträge, in denen Abgeordnete unabhängig von ihrer
Fraktionszugehörigkeit übereinstimmen.
Frau Kollegin, ich muss trotzdem sagen: Damit täuschen Sie über den Grundgedanken und das Problem,
über das wir diskutieren, nicht hinweg. Im Ergebnis
bleibt es dabei. Sie können die deutsche Politik nicht
nach Buffetart organisieren, indem Sie sagen: Das passt
mir gerade in mein Konzept der marktschreierischen
Politik. - Sie tun damit nicht nur der Politik und den
Menschen keinen Gefallen, sondern Sie vergehen sich
ein Stück weit auch - ausgerechnet am heutigen Gedenktag - am Grundgesetz. Das wollen wir nicht. Deshalb bleibt es bei unserer ablehnenden Haltung gegenüber Ihrem Gesetzentwurf. Ich glaube, das ist ganz gut
so.
({0})
Danke, Herr Kollege Frieser. Ich wünsche Ihnen eine
schöne Fußballsaison. Das ist Ausdruck meines Mitleids.
({0})
- Ja, wir sind auf Platz acht.
({1})
Der letzte Redner in dieser Debatte ist Matthias
Schmidt für die SPD.
({2})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren auf den Zuschauertribünen! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Wir diskutieren heute in erster Beratung
den Gesetzentwurf der Linken, der einen sehr langen
und sperrigen Titel trägt. Die Präsidentin hat ihn am Anfang komplett vorgelesen. Damit der Titel des Gesetzentwurfs auf die Anzeigetafel passt, musste er etwas verkürzt werden. Nun ist dort nur noch zu lesen:
Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid. Das
trifft auch den Kern Ihres Gesetzentwurfs, beschreibt ihn
aber nicht umfassend; denn er enthält weitere Aspekte,
über die wir sehr intensiv reden sollten.
Etwas verkürzt und flapsig ausgedrückt, wollen die
Linken mit ihrem Gesetzentwurf etwas mehr Demokratie wagen.
({0})
Das findet natürlich - die Parallele zum Zitat von Willy
Brandt ist unverkennbar - die Sympathie der Sozialdemokratie.
({1})
Auch wir sind für Volksinitiativen, Volksbegehren und
Volksentscheide. So haben wir es auch in unserem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 festgeschrieben.
Hier im Plenum haben wir an zahlreichen Stellen und in
verschiedenen Legislaturperioden Anträge in diese Richtung gestellt. In unserem schwarz-roten Regierungsprogramm findet sich dazu allenfalls eine Andeutung. Das
liegt daran - das weiß jeder -, dass die Union dem
Thema gegenüber eher kritisch eingestellt ist. Die Kollegen von der Union haben das eben argumentativ ausgeführt. Unter demokratischen Aspekten muss ich sagen:
Man kann auch diesen Argumenten folgen und zu dieser
Erkenntnis kommen, obwohl auf der linken Seite des
Hauses in der Mehrheit eine andere Auffassung herrscht.
Frau Kollegin Wawzyniak, wenn man ein Gesetz ändern will - Sie wollen sogar das Grundgesetz ändern -,
dann muss es einen Zustand geben, dem man unbedingt
abhelfen will. Sie haben sich aber gar nicht die Mühe gemacht, einen Zustand zu beschreiben, dem Sie abhelfen
wollen. Vielmehr haben Sie in Ihrer Argumentation
gleich Bezug darauf genommen, was der Kollege Brand,
den ich im Übrigen sehr schätze, in den Jahren 2003 und
2008 gesagt hat, und haben versucht, das zu entkräften.
Anschließend haben Sie uns und den Grünen ein Diskussionsangebot unterbreitet, nicht aber der Union. Sie wissen sicherlich, dass es zur Änderung des Grundgesetzes
einer Zweidrittelmehrheit bedarf und dass die Union
über mehr als ein Drittel der Stimmen verfügt.
({2})
Das alles passt nicht richtig zusammen.
Ihr Gesetzentwurf bietet uns allerdings eine gute Gelegenheit, den Zustand unserer Demokratie zu beleuchten. Das haben wir schon heute früh in der Feierstunde
getan. Dem Grundgesetz und damit der parlamentarischen Demokratie wurde ein gutes Zeugnis ausgestellt.
Die kurzfristigen Debatten sind natürlich immer sehr
kontrovers und werden in der Regel so geführt, dass die
Opposition alles schlecht findet, was die Regierung vorträgt, während die die Regierung tragenden Fraktionen
das, was die Regierung macht, ganz gut finden und das
voranbringen. Das gehört zum Austausch in einer parlamentarischen Demokratie selbstverständlich dazu.
Um den Zustand der parlamentarischen Demokratie
einschätzen zu können, ist es allerdings hilfreich, eher
auf die langen Linien zu schauen. Da schneidet die parlamentarische Demokratie sehr gut ab. Die Politik der
Westintegration Adenauers stellt heute niemand mehr infrage. Auch Willy Brandts Ostpolitik, die damals heiß
umkämpft war, wird heute von keiner Seite mehr infrage
gestellt. Beides zusammen führte zur deutschen Einheit.
Im Rückblick kann man immer sagen: Die Kompromisse, die wir hier im Bundestag nach langen Diskussionen finden, können sich sehen lassen. Im Großen und
Ganzen wird von der Bevölkerung langfristig akzeptiert,
was wir hier machen. Es gibt eine Ausnahme. Einmal hat
der Bundestag mit seiner Entscheidung danebengelegen.
Das war aus meiner Sicht der Boykott der Olympischen
Spiele in Moskau 1980. Damals hat der Bundestag eine
falsche Entscheidung getroffen. Auch im Rückblick hat
sich diese Entscheidung nicht als richtig erwiesen.
Wenn Sie meinen Ausführungen folgen, könnten Sie
den Eindruck haben, ich stünde der Einführung direkter
demokratischer Elemente sehr kritisch gegenüber. Dem
ist aber nicht so. Ich stelle nur Fragen und versuche, mir
ein Bild zu machen. Im Ergebnis komme ich zu der Erkenntnis, dass die direkte Demokratie eine sehr gute Ergänzung unserer parlamentarischen Demokratie sein
könnte.
({3})
Sie zwingt uns Parlamentarier dazu, zu kommunizieren
und zu argumentieren. Das machen wir augenscheinlich
nicht an jeder Stelle genug. Die Initiative „Mehr Demokratie“ hat dafür gute Beispiele geliefert und gute Argumente aufgeschrieben. In Berlin gibt es - Herr Mutlu hat
vorhin schon darauf hingewiesen - aktuell einen Volksentscheid. Es geht um das Tempelhofer Feld. Es wird in
Matthias Schmidt ({4})
der Stadt momentan sehr heiß argumentiert. Ich bin sicher, dass sich am Ende die guten Argumente für eine
behutsame Randbebauung des Tempelhofer Feldes
durchsetzen werden und dafür eine Mehrheit gefunden
wird.
({5})
Kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Rede. Die Berliner
haben sicher noch die Möglichkeit, darüber in den
nächsten Stunden zu diskutieren.
Ja, das stimmt. - Ich komme zum Schluss. Ich freue
mich auf die Ausschussberatungen und möchte mit einem Zitat von Goethe enden: „Die Demokratie rennt
nicht, aber sie kommt sicherer zum Ziel“. Das werden
wir in den Ausschussberatungen beweisen.
Vielen herzlichen Dank.
({0})
Vielen Dank, Herr Kollege. - Danke für die spannende Debatte.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/825 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Ich sehe
keine anderweitigen Vorschläge. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Franziska Brantner, Katja Dörner, Kai
Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Qualität in der frühkindlichen Bildung fördern
Drucksache 18/1459
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ({0})
Innenausschuss
Interfraktionell sind für die Aussprache 38 Minuten
vereinbart. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das
so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat
Dr. Franziska Brantner für Bündnis 90/Die Grünen.
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger, die heute am Freitagnachmittag noch zuhören! Im Zwischenbericht zur
Evaluation des Kinderförderungsgesetzes, den die Bundesregierung selbst in Auftrag gegeben hat, steht geschrieben, die Betreuungssituation sei in manchen
Einrichtungen unter fachlichen Gesichtspunkten bedenklich. Auch die unter anderem vom Familienministerium
in Auftrag gegebene NUBBEK-Studie zeigte, dass die
Qualität der frühkindlichen Bildung in deutschen Betreuungseinrichtungen überwiegend mittelmäßig bis
schlecht ist. Jeder zweite Kindergarten bekam die Note
„unzureichend“. Unserer Meinung nach ist das für unsere Kinder nicht verantwortbar.
({0})
Auch viele Erzieherinnen und Erzieher sind heute an der
Grenze des Belastbaren.
Der Ausbau der Kinderbetreuung und die Einführung
des Rechtsanspruchs waren ein Meilenstein. Doch die
Qualität der Kinderbetreuung darf jetzt nicht auf der
Strecke bleiben. Wir müssen vom Kind her denken und
sicherstellen, dass seine Bedürfnisse wirklich berücksichtigt werden. Es liegt in der Verantwortung aller Kolleginnen und Kollegen hier, gemeinsam dafür zu sorgen,
dass die Kinder nicht auf der Strecke bleiben.
({1})
Was ist zu tun? Viele Faktoren spielen für die Qualität
von Kinderbetreuung eine Rolle, wie die Ausstattung der
Kitas und die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher. Nicht alle Qualitätsfaktoren können oder sollten von
der Bundesebene bestimmt werden. Aber es gibt einen
Faktor, den gar keiner infrage stellt und von dem alle sagen, dass er für eine gute Betreuung und Bildung notwendig ist: Das ist die Zeit, die Erzieherinnen und Erzieher direkt mit Kindern verbringen können. Es gibt einen
Standard, den uns Expertinnen und Experten an die
Hand geben - ohne seine Einhaltung kommt die Entwicklung zu kurz -: eine gute Fachkraft-Kind-Relation.
Worum geht es dabei? Es geht um die direkte pädagogische Arbeit mit den Kindern. Bis jetzt gibt es in den
einzelnen Bundesländern ganz unterschiedliche Definitionen. In einigen Bundesländern werden Schlüssel festgeschrieben, die kaum Ausfallzeiten, Fortbildung oder
etwa Elterngespräche berücksichtigen. Wir finden aber,
dass alle Kinder bundesweit das gleiche Recht auf eine
gute Betreuung und Bildung haben. Wir wollen nicht nur
das Recht jedes Kindes auf einen Kitaplatz, sondern
auch das Recht jedes Kindes auf einen guten Kitaplatz.
({2})
Wie wollen wir das gewährleisten? Als Standort für
eine gesetzliche Regelung kommt § 22 a im SGB VIII in
Betracht. Ich lese Ihnen einmal eine Formulierung aus
einem juristischen Gutachten vor:
Zur Qualität der Förderung gehört auch eine Personalausstattung, die die Erfüllung des Förderungsauftrags gewährleistet. Das Nähere über die Mindestanforderungen hinsichtlich der Personalausstattung
bezogen auf das Alter der Kinder und die Dauer der
täglichen Förderung wird durch Rechtsverordnung
des zuständigen Bundesministeriums mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt.
Das heißt, die Details, die genaue Fachkraft-Kind-Relation, werden in einer Rechtsverordnung bestimmt. Wir
fordern ein Verhältnis, das sich an der Maximalgröße
von 1 : 4 für unter Dreijährige und 1 : 10 für über Dreijährige orientiert. Außerdem sollte der Anteil der Arbeitszeit für Tätigkeiten ohne Kinder von 25 Prozent berücksichtigt werden. Darüber hinaus wollen wir die
Fortführung des Bundesprogramms „Offensive Frühe
Chancen: Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“.
Natürlich wird das Geld kosten. Qualität kostet Geld.
Daher müssen sich Bund, Länder und Kommunen zusammentun und gemeinsam planen, wie sie die Finanzierung der Qualität gestalten.
({3})
- Ja. - Uns geht es darum, dass man gemeinsam mit den
Ländern und den Kommunen Qualitätsziele vom Kind
her gedacht definiert und dann gemeinsam über die Finanzen redet. Erst sollten also die Ziele definiert werden,
und dann sollten die finanziellen Mittel für deren Erreichung zur Verfügung gestellt werden.
({4})
Dafür brauchen wir ein breites Bündnis für Qualität.
2007 gab es den Kitagipfel, um den Ausbau voranzubringen. Was wir jetzt brauchen, ist ein Qualitätsgipfel.
({5})
Dabei ist der Bund unserer Meinung nach klar mit in der
Verpflichtung; er muss sich an der Finanzierung beteiligen. Wir müssen aber auch sicherstellen, dass das Geld
wirklich vor Ort ankommt. Es darf nicht sein wie bei
jenen 6 Milliarden Euro, bei denen leider nicht klar, geschweige denn sicher ist, wie viel sich davon in der Qualität niederschlägt. Deswegen ist unserer Meinung nach
die rechtliche Verankerung so wichtig für eine zielgenaue Finanzierung.
Gerade tagte die Jugend- und Familienministerkonferenz in Mainz. Sie befasste sich ebenfalls mit diesem
wichtigen Thema. Man forderte vom Bund 2 Milliarden
Euro für den Kitaausbau. Wir sind uns doch im Grunde
alle einig: Wir brauchen mehr Qualität. Lassen Sie uns
zu neuen Gipfeln aufbrechen, vielleicht auch zu einem
Qualitätsgipfel! Das sind wir unseren Kindern schuldig.
Ich danke Ihnen.
({6})
Vielen Dank, Frau Kollegin Brantner. - Nächster
Redner in dieser Debatte ist Marcus Weinberg für die
CDU/CSU.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Kollegin Brantner, ich habe gesagt: Ich
werde nett zu Ihnen sein - fast immer in den nächsten
sieben Minuten. Ein- oder zweimal muss ich aber auch
etwas kritischer auf Ihren Antrag eingehen.
Wir sind dankbar, dass Sie diesen Antrag gestellt haben, weil uns das die Möglichkeit bietet, zwei Dinge anzusprechen. Zum einen tatsächlich das für uns wichtige
Thema der Qualität: Wie können wir früher, besser, zielgenauer und bedarfsorientierter fördern? Zum anderen:
Wir nehmen gern Anträge von Ihnen, von den Grünen,
entgegen, wenn Sie das, was passiert ist, in einer Nachbetrachtung so beschreiben. Das, was wir 2007, damals
in der ersten Großen Koalition der neueren Zeit, beschlossen haben, haben Sie als Meilenstein definiert. Dafür noch einmal ein herzliches Dankeschön!
({0})
Frau Dörner, ich erinnere mich an die Debatten hier
im Deutschen Bundestag. Von 2007 bis 2013 haben Sie
bei jeder Debatte immer dieselben Szenarien an die
Wand gemalt: dass der Rechtsanspruch nicht umzusetzen ist, dass es einen Riesenaufschrei geben wird in der
Gesellschaft, bei jungen Müttern und Vätern und, und,
und. Was ist passiert? Wenn man sich klar und verbindlich einigt - da stimme ich Ihnen zu -, wenn man sagt:
„Das ist unser Ziel; das sind die verbindlichen Finanzzusagen; wir setzen ein Datum, bis zu dem wir etwas erreichen wollen“, dann bekommt man das hin, und wir
haben es hinbekommen. Das ist ein Riesenerfolg für die
jungen Familien und auch ein Erfolg insofern, als der
Bund über 5 Milliarden Euro bereitgestellt hat und in
Zukunft diese 845 Millionen bereitstellt.
Wenn man über Finanzen spricht, muss man immer
eines sagen: Das ist originäre Aufgabe der Länder. Bei
all dem, was wir gemeinsam und in bestimmt heftigen
und anstrengenden Diskussionen mit den Ländern definieren wollen, werden wir darauf hinweisen, dass sich
der Bund der Frage des Qualitätsausbaus nicht verwehren wird. Im Gegenteil, wir werden Qualität einfordern.
„Einfordern“ heißt auch, dass die Länder sagen müssen,
was sie liefern, und zwar verbindlich. Ich möchte nicht,
dass Mittel des Bundes von Finanzsenatoren oder Finanzministern benutzt werden, um Haushaltslöcher zu
schließen. Wenn wir uns mit den Ländern verständigen,
dann erwarten wir, dass das auch umgesetzt wird. Deswegen kann ich das zumindest in weiten Teilen so mit
unterstützen.
Wir hatten 2007 einen Ausbaustand - dieser Meilenstein sei noch einmal genannt - von 8 Prozent in den
westlichen Ländern und 37 Prozent in den neuen Bundesländern und haben jetzt einen Ausbaustand von ungefähr 40,2 Prozent erreicht. Nun haben Sie im Antrag formuliert - das haben die Länder auf der Jugend- und
Familienministerkonferenz heute auch noch einmal
Marcus Weinberg ({1})
deutlich gemacht -: Das wird nicht das Ende der berühmten Fahnenstange sein. Wenn es denn 42,5 Prozent
und vielleicht noch ein paar Prozentpunkte darüber hinaus sind, werden wir uns darüber verständigen müssen,
wie wir das in einem möglichen dritten Investitionspaket
hinbekommen. Ich bin mir sicher, dass das klappen wird.
Im Übrigen reden wir über Qualität. Das ist tatsächlich die Aufgabe der nächsten Epoche. Nach dem Ausbau der Quantität im Kindergarten- und im Krippenbereich sowie bei der Ganztagsbetreuung gilt es jetzt,
verstärkt über Qualität zu reden. Ich will dazu nur wenige Punkte ansprechen.
Der Bund hat sich der Frage der Qualität bereits in
den letzten Jahren gestellt. Wir haben das Programm
„Offensive Frühe Chancen“ auf den Weg gebracht. Es
muss eine Fortsetzung geben - die wollen auch wir -,
weil das ein gutes Programm ist. Wer wie ich - und wie
Sie wahrscheinlich auch - einmal hospitiert hat, der wird
erlebt haben, dass das in den Wahlkreisen gut ankommt.
Wir haben im Bereich der Tagespflege mit Fortbildungs- und Qualifizierungsprogrammen die Qualifizierung auf den Weg gebracht. Tagespflege war vor 20 oder
25 Jahren Nachbarschaftsunterstützung. Wir haben erreicht, dass heute in den neuen Bundesländern über
80 Prozent und in den westlichen Bundesländern fast
70 Prozent der Männer und Frauen, die in der Tagespflege arbeiten, ein Qualifizierungsniveau erreicht haben, das sonst bei einer pädagogischen Ausbildung erreicht wird. Auch das war ein Erfolg des Bundes; das
haben wir in den letzten Jahren auf den Weg gebracht.
({2})
Es wäre an der Zeit, viele weitere Programme anzusprechen, übrigens auch aus dem Bildungsbereich. Wer
einmal bei den „kleinen Forschern“ hospitiert hat, der
weiß, wie die Implikationen aus dem Bildungsbereich
bei den Kindertagesstätten ankommen. Deshalb wird die
Qualität auch hier zu Recht in den nächsten Jahren
Thema sein.
Eine Bemerkung möchte ich noch machen. Qualität
heißt nicht: Höher, weiter, schneller! Qualität ist auch
dann gegeben, wenn ein Dreijähriger auf dem Rasen
liegt und zehn Minuten lang die vorbeiziehenden Wolken zählt. Auch das ist eine Form von Qualität.
({3})
Insoweit werden wir uns auch sehr stark Gedanken darüber machen müssen: Was heißt eigentlich „Kind sein“?
„Kind sein“ heißt für mich und, ich denke, für alle, die
das einmal erfahren haben, als Kind nicht in einem
„Hamsterrad“ zu verkommen, sondern das „Kind sein“
wirklich genießen zu können, aber bei einer gewissen
Qualität der Betreuung, Stichwort „Bildungsimplikationen“.
Nun habe ich mich aber doch geärgert. Ich habe gesagt: Ich will Sie viel loben. Aber einmal muss ich Sie
dann doch ein bisschen kritisieren, wenn Sie es mir gestatten.
({4})
Man kann darüber diskutieren, dass es Defizite und noch
Ausbaumöglichkeiten gibt. Aber was mich wirklich ärgert, ist Folgendes: Sie haben im Vorfeld mit der Süddeutschen Zeitung gesprochen; daraus darf ich Sie einmal zitieren. Da sagen Sie bezüglich der Qualität der
Kindertagesbetreuung: „Da geht es oft nur noch um satt
und sauber ...“ Ich sage Ihnen ganz deutlich: Das finde
ich nicht in Ordnung.
({5})
Es gibt viele Probleme. Viele Erzieher sind an der
Grenze des Möglichen. Viele Kindertagesstätten müssen
jetzt die neuen Anforderungen umsetzen, auch die Zertifizierungsmaßnahmen. Es gibt, gerade im Personalbereich, in einigen Kindertagesstätten große Probleme.
Aber es gibt durchaus einen Riesenschritt in der Qualität
der Kindertagesbetreuung. Ich glaube, das sollte man
entsprechend anerkennen. Es ist jetzt unsere Aufgabe,
die nächsten Schritte einzuleiten und insbesondere zu sagen, wie wir die Erzieherinnen und Erzieher unterstützen; denn die leisten tagtäglich harte Arbeit.
({6})
Nun haben Sie schon die Jugend- und Familienministerkonferenz angesprochen, die heute große Beschlüsse
gefasst hat. Es sei erwähnt: Wenn Länder sich zusammentun, gibt es zumindest in der Frage der Finanzen immer einen sehr klaren Beschluss. Dieser lautet: Der
Bund soll mehr zahlen. Die Frage nach einem Qualitätsgipfel haben wir übrigens auch schon einmal gestellt.
Wir haben bereits vor einem Jahr hier im Deutschen
Bundestag gesagt: Es geht darum, jetzt Qualitätssicherung zu betreiben. Die Aufgabe wird sein, verbindliche
Ziele zu definieren, die Finanzierungsfragen zu klären
und übrigens von Zeit zu Zeit zu überprüfen: Wo kommen wir eigentlich hin?
Jetzt gibt es mehrere Optionen. Da bin ich der Meinung: Das muss regional geprüft werden. Es gibt Bundesländer, die bereits einen guten Betreuungsschlüssel
haben. Es gibt Bundesländer, die einen sehr schlechten
Betreuungsschlüssel haben. In Ihrem Antrag fordern Sie
einen Betreuungsschlüssel von 4 : 1; die Bertelsmann
Stiftung fordert einen Betreuungsschlüssel von 3 : 1. Das
ist zu diskutieren. Es gibt Kitas, die bestens ausgestattet
sind. Es gibt Kitas, die schlecht ausgestattet sind. Es gibt
Kitas, bei denen die Erzieherinnen ein hohes Qualifikationsniveau im Bildungsbereich haben. Es gibt Kitas, bei
denen das sehr überschaubar ist. Deswegen ist unser
Vorschlag, regional zu differenzieren, einen Instrumentenkasten zu entwickeln und ganz deutlich zu sagen:
Länder und Kommunen, beteiligt euch! Wir wollen ein
neues Ziel erreichen. - Das heißt für uns, dass wir zusammen schauen, wie wir dieses Ziel erreichen können.
Das kann mal der Personalschlüssel, mal die Ausstattung
der Kita sein. Das kann auch mal ein Programm wie
Marcus Weinberg ({7})
„Offensive Frühe Chancen“ sein. Das wird jetzt mit den
Ländern zu besprechen sein.
Dabei gelten zwei Grundsätze; ich wiederhole sie
gerne noch einmal.
Ja, Herr Kollege, aber kurz.
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. - Ich sage
es sehr gerne: Das werden wir gemeinsam mit den Ländern hinbekommen. Wir haben 2007 den Gipfel hinbekommen. Er war ein Erfolg. Wir werden jetzt den nächsten Schritt tun im Hinblick auf die Qualität. Auch das
wird ein Erfolg werden. Dafür werden wir einstehen.
Das werden wir garantieren.
Schönes Wochenende und vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({0})
Danke, Herr Kollege Weinberg. - Ich würde, ehrlich
gesagt, gerne Ihre Anregung aufgreifen, hier unterbrechen und mit allen zusammen Wolken zählen gehen. Ich
bin mir nicht sicher, ob sich das so leicht mehrheitlich
durchsetzen lässt; aber es ist vielleicht eine gute Idee.
Wir sollten im Ältestenrat einmal darüber diskutieren.
Mich hat die Erinnerung an das Wolkenzählen sehr inspiriert.
Diana Golze für die Linke ist die nächste Rednerin in
der Debatte. - Frau Golze, Sie haben das Wort.
({0})
Frau Präsidentin, ich freue mich auch darauf, dass wir
mit diesem schönen Tagesordnungspunkt diese Woche
beenden und ich dann nach Hause zu meinen Kindern
darf, um mit ihnen Wolken zu zählen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ende Mai 2012,
also ziemlich genau vor zwei Jahren, stellte die damalige
Familienministerin Kristina Schröder ein Zehn-PunkteProgramm für ein bedarfsgerechtes Angebot in der Kindertagesbetreuung vor. In diesem Programm hieß es damals unter Punkt neun:
Durch ein Qualitätsgesetz soll ein „Rahmen-Bildungsplan“ mit bundesweiter Gültigkeit geschaffen werden, der den Förderauftrag mit Mindeststandards konkretisiert und den Bildungsplänen der
Länder trotzdem noch Spielraum für landesspezifische Gestaltung überlässt.
Heute, zwei Jahre später und um einen Koalitionsvertrag
reicher, sind wir in dieser Frage leider nicht einen Schritt
weiter. Herr Weinberg, es ist eben nicht nur originäre
Aufgabe der Länder, Mindeststandards festzulegen. Das
können wir auch im Bund.
({0})
Unter Schwarz-Gelb ist ein solches Gesetz nicht zustande und unter der jetzigen schwarz-roten Regierung
nicht einmal in den Koalitionsvertrag gekommen. Ich
bedaure es an dieser Stelle sehr, dass die Ministerin
Schwesig heute nicht an dieser Debatte teilnimmt; denn
gerade sie war es damals, die eine Neuauflage des Krippengipfels von Bund, Ländern und Kommunen und
mehr Initiative vom Bund gefordert hat. Sie ist nun fünf
Monate im Amt. Von einem Krippengipfel redet sie
nicht mehr. Dass er notwendig ist, dafür nur ein Beispiel.
In der sächsischen Tageszeitung Freie Presse hieß es
gestern - ich zitiere -:
Sachsens CDU will die Personalausstattung in den
Kitas verbessern, ohne den Betreuungsschlüssel zu
senken.
Klingt seltsam, oder? - Weiter heißt es in dem Artikel
mit Zitaten von Herrn Tillich:
Nicht für alle Aufgaben in den Kitas sei hoch qualifiziertes Personal nötig - und die Hälfte der Arbeitslosen in Sachsen älter als 50… Also könne
doch auch „eine kontinuierliche Zusammenarbeit“
von „älteren Menschen mit Kindererzieherinnen
und Kindern“ ein Lösungsweg sein… Auch bei der
Kinderbetreuung sei „Augenmaß“ nötig, und es
komme auf „flexiblere Elemente“ an …
Um es ganz deutlich zu sagen: Ich habe kein Problem
damit, dass Omas und Opas in Kitas kommen - aber
doch nicht als billiger Ersatz für ausgebildete, qualifizierte Fachkräfte! Das kann es ja wohl nicht sein.
({1})
Ein Ministerpräsident, der ältere Erwerbslose zur Verhandlungsmasse im Poker um die billigste Kita macht,
ist das eine; ein Ministerpräsident, der die bildungspolitische Notwendigkeit von Kitas nicht erkennen kann
oder will und der zudem den pädagogischen Fachkräften
auch noch solch eine Ohrfeige erteilt, ist das andere. Ich
hoffe sehr auf eine entsprechende Reaktion der Betroffenen vor Ort.
({2})
Das Beispiel zeigt aber: Ein Krippengipfel ist auch
nach Inkrafttreten des Rechtsanspruchs für unter Dreijährige noch dringend nötig - oder wieder dringend nötig. Es macht aber auch deutlich, dass an einem solchen
Verhandlungstisch nicht nur Bund, Länder und Kommunen sitzen sollten. In Anbetracht der nur sehr schwer
überschaubaren und regional sehr unterschiedlichen Defizite beim Kitaausbau sollten dort alle Beteiligten sitzen: zum Beispiel auch Gewerkschaften, weil es um die
Arbeitsbedingungen der Beschäftigten geht; zum Beispiel auch die Wissenschaft; zum Beispiel auch nichtkommunale Träger von Kindertageseinrichtungen. Das
ist erforderlich, um die Baustellen deutlich zu benennen,
um die man sich dann gemeinsam kümmern muss.
Wieder nur die drei großen Bauherren an den Tisch zu
holen, hieße, dass die Kindertagesbetreuung so wie bisher weiterhin nur nach Kassenlage gestaltet wird und aus
zeitlich begrenzten Projekten nicht herauskommt. So
ging der Ausbau nämlich bisher vonstatten - das Sondervermögen: befristet; begleitende Programme: befristet.
Es gibt aber so viele Baustellen und Fragen, die sich stellen und bei denen nicht befristet werden kann, etwa: Wie
müssen entsprechende Mindeststandards aussehen? Was
ist überhaupt eine Fachkraft in der Kindertagesbetreuung? Welchen Anspruch haben wir an diese Person? Wie
sichern wir die Qualität auch in der Kindertagespflege?
Reicht uns ein 160-Stunden-Curriculum, oder sollte es
vielleicht noch ein bisschen mehr sein? Welche Rolle
spielen Zeiten für Weiter- und Fortbildungen, Krankheitsvertretungen, Leiterinnenstunden bei der Berechnung des Personalschlüssels? Um all diese Fragen geht
es.
Es geht auch um die Frage - Herr Weinberg hat ja das
Programm „Frühe Chancen“ angesprochen -: Brauchen
wir Sonderprogramme für die Sprachbildung? Oder gehört das nicht eher zu der allgemeinen Aufgabe von Kindertagesbetreuung, alltagsintegriert und in jeder Einrichtung, und nicht nur in einem Bruchteil der Kitas?
Müssen diese dann nicht auch in ein schlüssiges, finanziell untersetztes Qualitätskonzept einbezogen werden?
All diese Fragen werden seit Jahren in der Fachwelt
benannt und seit einigen Monaten von den Verbänden
auch ganz konkret diskutiert. Ich bin deshalb den Grünen sehr dankbar, dass sie mit diesem Antrag die Diskussion darüber auch in dieses Hohe Haus tragen.
({3})
Der Ministerin sollte diese Debatte, wenn sie sich das
Protokoll durchliest, eines deutlich zeigen: Eine Diskussion über die Qualität der Angebote ist dringend notwendig. Wir brauchen sie, denn Notlösungen und Ausweichtaktiken wie in Sachsen machen sonst, wenn sie zur
Normalität werden, den Weg schwer.
Auch das gestern mit den Ländern beratene Paket von
6 Milliarden Euro für Kitas, Schulen und Unis wird nicht
die letztendliche Lösung sein, denn in keinem der Bereiche wird es ausreichen. Ich kann die Ministerin nur auffordern: Folgen Sie dem, was Sie von Kristina Schröder
gefordert haben: Nicht kleckern, sondern klotzen beim
Ausbau der Kitabetreuung!
Vielen Dank.
({4})
Danke Frau Kollegin. - Nächster Redner ist Sönke
Rix für die SPD.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben einen Meilenstein erreicht. Ich bin sehr dankbar für das Lob darüber, dass wir mit den sehr wichtigen
Bausteinen Elternzeit und Elterngeld, die wir in der letzten Großen Koalition auf den Weg gebracht haben,
({0})
nicht nur etwas für die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf gemacht haben, sondern dass wir auch mit dem
Ausbau der Krippenplätze dazu beigetragen haben, dass
Familie und Beruf besser unter einen Hut gebracht werden können. Das sind wirklich Meilensteine.
Wir haben aber auch von Anfang an, liebe Kolleginnen und Kollegen, die frühkindliche Bildung mit in den
Blick genommen. Ich will betonen, dass wir das nicht
erst jetzt aufgrund des Antrags der Grünen entdecken.
Aber ich gebe zu, es hätte eher, schneller und besser aus
einem Guss kommen können. Es ist gar keine Frage: Wir
haben erst Elternzeit und dann Elterngeld eingeführt.
Danach kamen die Krippenplätze. Dann fiel uns ein,
dass wir dabei die frühkindliche Bildung nicht vergessen
dürfen und nicht nur Verwahranstalten einrichten dürfen.
Wir haben es jedenfalls hinbekommen.
An dieser Stelle sollten wir ruhig einmal denen danken, die diese Mammutaufgabe vor Ort erfüllen. Das
sind nicht nur die Länder und die Kommunen, die das
Geld verteilen und die Organisation leisten, sondern es
sind vor allem die Träger, die Einrichtungen und die
Fachkräfte vor Ort. Das ist eine große Herausforderung.
Dafür vielen Dank.
({1})
Ich will an die Kritik anknüpfen, das seien, wie es in
der Süddeutschen hieß, so eine Art Verwahranstalten
oder wie man das auch immer nennen mag, da passiere
nicht viel außer Saubermachen und Füttern.
({2})
- Gut, vielleicht ist das ein falscher Zungenschlag. - Mit
solchen Äußerungen tut man jedenfalls den Kolleginnen
und Kollegen - ich darf Kolleginnen und Kollegen sagen, da ich selber staatlich anerkannter Erzieher bin vor Ort unrecht.
({3})
Der Anspruch ist ja tatsächlich größer geworden. Zu der
Zeit, als die allermeisten aus diesem Haus im Kindergarten waren, war es etwas anderes. Man war von 9 bis
12 Uhr im Kindergarten - ich sage es etwas despektierlich -, damit Mama einkaufen gehen konnte.
({4})
- Nicht bei allen. Bei Ihnen nicht. Deswegen ist aus Ihnen ja auch etwas geworden, Frau Golze.
Ich will nur sagen, dass sich die Situation sehr stark
gewandelt hat. Der Druck auf die Einrichtung ist auch
viel größer geworden. Der Anspruch ist nicht nur größer
geworden, weil die Kinder mehr Zeit verbringen in den
Kindertagesstätten, sondern der Anspruch ist auch größer geworden, weil vieles von dem aufgefangen bzw. ergänzt werden muss, was Eltern nicht schaffen oder nicht
leisten können, weil sie keine Zeit haben. Ich warne aber
auch davor, den Einrichtungen vor Ort, den Schulen und
den Kindertagesstätten, zu viel aufzubürden. Sie können
und müssen nicht all das auffangen, was eigentlich Aufgabe der Erziehung durch die Eltern ist. Aber wir müssen die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die
Einrichtungen nicht nur Verwahranstalten sind. Das tun
wir auch, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({5})
Das tun wir zum einen mit dem schon angesprochenen Programm „Frühe Chancen“. Wir haben es nicht
aufgegeben. Im Koalitionsvertrag steht - das wird auch
in der nächsten Zeit bei den Haushaltsberatungen eine
Rolle spielen -, dass wir es ausbauen und verstetigen
wollen. Wesentlich ist ja nicht nur der Personalschlüssel,
sondern auch der Punkt, wie qualifiziert die Förderung
der Kinder ist, bei denen die Einrichtungen Defizite von
zu Hause aufarbeiten müssen. Sprachförderung spielt
dabei eine ganz wesentliche Rolle. Gerade in Ballungszentren wie Berlin und Frankfurt spielt diese Frage eine
größere Rolle, weil diese Probleme dort vor Ort sehr
stark vertreten sind. Es ist gut, dass wir uns da als Bund
einmischen.
Eine andere Sache - ich greife das Stichwort „einmischen“ auf -: Ist es eigentlich unsere Aufgabe, dafür zu
sorgen, einen Personalschlüssel zu erstellen? Nehmen
wir uns hier nicht wieder einer Aufgabe an, die eigentlich gar nicht bei uns, sondern bei den Kommunen und
Ländern angesiedelt ist? Ich bin sehr dafür, dass wir bezüglich des Personalschlüssels zu einheitlichen und vergleichbaren Standards in den Ländern kommen. Ich bin
aber nicht dafür, dass wir noch eine weitere Aufgabe an
uns ziehen und anschließend feststellen, dass wir sie gar
nicht finanzieren können. Die Aufgabe, einen Personalschlüssel zu erstellen, liegt bei den Ländern. Das ist auch
richtig so.
Nichtsdestotrotz würde ich mich freuen, wenn sich
die zuständigen Fachministerinnen und Fachminister
von Bund und Ländern intensiver darüber austauschen,
in welcher Art und Weise und in welcher Qualität die
Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern stattfindet.
In 16 Bundesländern gibt es fast 16 unterschiedliche
Ausbildungswege. Das ist keine Wertschätzung der Personen, die diese Arbeit leisten. Fast jeder andere Beruf
hat eine einheitliche Ausbildung. Aber ausgerechnet diejenigen, denen wir unsere Kinder am Anfang ihrer Lebenszeit anvertrauen, haben keine einheitliche Ausbildung. Wir sollten dazu beitragen, dass der Beruf stärker
vereinheitlicht wird, und dazu sollten wir mit den Ländern intensiv ins Gespräch kommen.
({6})
Das ist übrigens nicht nur eine Aufgabe der Familienund Jugendminister, sondern auch die Bildungsminister
sind dafür zuständig.
Eine andere Frage ist die der Bezahlung. Auch das hat
etwas mit der Wertschätzung des Personals zu tun, das
wir in den Kindertagesstätten haben. Dies wiederum hat
etwas mit der Ausbildungssituation zu tun: Auf der einen
Seite mache ich vier, fünf Jahre eine Ausbildung, wofür
ich kein Geld bekomme, und verdiene am Anfang nur
wenig. Solch eine Bezahlung vorzusehen, aber auf der
anderen Seite zu erwarten, dass Sprachdefizite, Defizite
aus den Familien und gesellschaftliche Probleme aufgefangen und vor Ort aufgearbeitet werden sollen, davor
kann man nur warnen. Deshalb müssen wir auch darüber
reden, die Bezahlung von Fachkräften in den Kindertagesstätten deutlich zu verbessern.
({7})
Ein letzter Punkt, den ich beim Personal neben der
Bezahlung ansprechen möchte, ist die Frage - wir reden
derzeit darüber -: Sollen wir den Beruf des Erziehers
akademisieren? Wollen wir, dass die Erzieher gleich ein
Studium absolvieren müssen, weil ihre Tätigkeit vielleicht genauso wertvoll ist wie die der Grundschullehrer
und -lehrerinnen? Ich persönlich - das ist aber jetzt eine
sehr spezielle Frage - würde davor warnen. Ich würde
sagen: lieber eine anständige, vielleicht sogar duale Ausbildung für die Erzieherinnen und Erzieher und eine qualitative Stärkung der frühkindlichen Bildung, indem wir
Absolventen akademischer Berufe, etwa Pädagogen und
Sozialpädagogen, verstärkt in diesen Bereich einbinden.
Ich glaube, angesichts der Komplexität wäre es sinnvoll,
dass verschiedene Menschen vor Ort dafür zuständig
sind. Dabei sollten wir die Erzieher an die erste Stelle
setzen und ihre Arbeit würdigen.
Herzlichen Dank.
({8})
Vielen Dank, Herr Kollege Rix. - Nächste Rednerin
in der Debatte ist Christina Schwarzer.
({0})
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich
glaube, unsere Ministerin hat heute Besseres zu tun; sie
wird heute nämlich 40 Jahre alt. Ich glaube, in dem Alter
kann man das noch sagen. An dieser Stelle herzlichen
Glückwunsch aus dem Familienausschuss!
({0})
Ach, das hätten wir hier aber auch schön mit ihr gefeiert. So ist es nicht!
({0})
Ja, bei Torte.
({0})
- Herzlichen Glückwunsch. Wenn wir schon dabei sind:
Hat noch jemand Geburtstag?
({1})
Zurück zum Thema. Sehr geehrte Damen und Herren,
Kindertagesbetreuung muss - gerade in den ersten Lebensjahren - hohen qualitativen Ansprüchen genügen.
Ich bin mir sicher, darüber sind wir uns heute im ganzen
Haus einig.
Als ich jedoch den vorliegenden Antrag der Grünen
gelesen habe, über den wir heute debattieren, war ich
schon sehr überrascht darüber, wie schlecht es scheinbar
um die Kindertagesstätten in unserem Land steht - das
zumindest lese ich in Ihrem Antrag und aus der Berichterstattung in der Süddeutschen Zeitung. Diese Art der
Darstellung - das ist sicherlich kein Geheimnis - ist einer der Gründe, warum die CDU/CSU-Fraktion den vorliegenden Antrag ablehnen wird.
({2})
Die Qualität der Kindertagesbetreuung in unseren
Kindertagesstätten ist sehr gut. In unseren Kitas arbeiten
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich jeden Tag aufopferungsvoll um unsere Kleinsten sorgen und sich nach
bestem Wissen und Gewissen um die ihnen anvertrauten
Kinder kümmern. Oftmals bringen diese Kinder vielfältige Herausforderungen mit sich, seien es fehlendes Sozialverhalten, mangelnde Sprachkenntnisse, gesundheitliche Probleme oder, wie wir gestern gelernt haben, gar
Stress. Für unsere Erzieherinnen und Erzieher ist der
hundertprozentige Einsatz zum Wohl unserer Kinder
eine Selbstverständlichkeit. Ich denke, dies ist hier eine
gute Gelegenheit, ihnen noch einmal „Vielen Dank!“ zu
sagen.
({3})
Es gibt im vorliegenden Antrag aber auch Punkte, mit
denen ich und meine Fraktion selbstverständlich konform gehen, vor allem mit den Punkten, die wir bereits
seit Jahren umsetzen oder im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben. Die Einführung des Rechtsanspruchs
- Sie haben es selbst erkannt - war in der Tat ein Meilenstein. Ich freue mich über diese Einsicht.
Als der Rechtsanspruch in Kraft getreten ist, war ich
noch nicht Mitglied dieses Hauses, sondern in BerlinNeukölln in der Kommunalpolitik tätig. Auch wenn ich
an der Entscheidung, das Recht auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige gesetzlich festzuschreiben,
noch nicht im parlamentarischen Prozess beteiligt war,
war ich von Anfang an davon überzeugt, dass sie richtig
und wichtig war. Aber selbstverständlich gilt: Unsere
Arbeit ist an dieser Stelle noch lange nicht vorbei.
Mein Heimatbezirk Neukölln befindet sich in einem
starken Wandel. Wir erleben den Zuzug junger Familien,
die ihre berechtigten Bedürfnisse hinsichtlich staatlicher
Infrastruktur mitbringen. Daher möchte ich sagen: Der
Ausbau der Kindertagesbetreuung ist weiterhin eine der
wichtigsten familienpolitischen Aufgaben dieser Legislaturperiode, und zwar ein quantitativ ausgewogener und
qualitativ optimaler Ausbau.
({4})
Wir werden zur weiteren Realisierung des Rechtsanspruchs auf U-3-Kinderbetreuung ein drittes Investitionsprogramm auflegen. Die Mittel aus den Investitionsprogrammen I und II sind fast vollständig bewilligt
und zu großen Teilen bereits abgerufen. Das Investitionsprogramm II läuft erst in diesem Jahr aus. Ich höre
aber aus meinem Wahlkreis - Sie kennen das sicherlich
auch -, dass weiterhin großer Bedarf besteht. Wir müssen also nachlegen, und das werden wir auch tun.
Das Thema Qualität steht selbstverständlich auch in
unserem Fokus. Die Erzieherinnen und Erzieher in unseren Einrichtungen werden wir bestmöglich unterstützen
und die Kindertagespflege und ihr Berufsbild weiterhin
stärken. Und wir müssen uns darum kümmern, ihnen
weitere qualifizierte Kolleginnen und Kollegen zur Seite
zu stellen. Wir werden weiter offensiv für die Gewinnung von Fachkräften im Bereich Kinderbetreuung werben. Natürlich setzen wir uns auch mit der Frage der Personalausstattung auseinander. Die Qualifizierung von
Tagespflegepersonen und die Rahmenbedingungen für
ihre Tätigkeit müssen weiterhin verbessert werden. So
wird die Kindertagespflege in das Gesamtkonzept einer
qualitativ hochwertigen Betreuung, Erziehung und Bildung eingebunden.
Gestatten Sie mir noch eine Nebenbemerkung: Wir
sprechen hier und heute von der Qualität der Kinderbetreuung in der Kindertagesstätte oder in anderen Einrichtungen. Was wir jedoch nicht vergessen sollten, ist: Gute
und qualitative Kinderbetreuung gibt es auch in den Familien. Wenn wir von frühkindlicher Bildung sprechen,
sprechen wir nicht vom berühmten Chinesischunterricht
in der Vorschule. Wir sprechen vor allen Dingen über
das, was unsere fürsorglichen Mütter und Väter ihren
Kindern in den ersten Monaten und Jahren ihres Lebens
mitgeben.
({5})
Ich fürchte, das wird in dieser Debatte manchmal vergessen.
Mein Fazit. Der Kitaausbau hat uns vor große Herausforderungen gestellt. Wir haben viel Geld in die Hand
genommen, Personalschlüssel verbessert und Gruppen
verkleinert. Große Anstrengungen, die es wert sind - im
Sinne unserer Kleinsten und der berechtigten Forderungen nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und der
Kitaausbau wird uns weiter herausfordern. Frühkindliche Bildung braucht, gerade unter föderalen Bedingungen, verlässliche Qualitätsstandards. Quantität und Qualität des Ausbaus müssen Hand in Hand gehen. Daran
werden wir weiter arbeiten - mit einem umfassenden,
ganzheitlichen Konzept.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({6})
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Das ganze Haus gratuliert Ihnen zu Ihrer ersten Rede hier im Bundestag.
({0})
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihrer zukunftsbedeutenden Arbeit, die Sie hier machen.
Ich rufe jetzt Svenja Stadler für die SPD auf.
({1})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Kennen Sie
eine familienpolitische Maßnahme, die größere Auswirkungen hat als die Bereitstellung frühkindlicher Bildung? Und kennen Sie George Bernard Shaw? Er hat
einmal ganz treffend gesagt: „Das unterhaltsamste Spielzeug eines Kindes ist ein anderes Kind.“ Kinder brauchen andere Kinder.
({0})
Die Erfahrungen, die sie in einer Kita machen, die frühkindliche Bildung, die sie dort erfahren, gehören zu dem
Besten und Wichtigsten, was wir unseren Kindern mitgeben können.
Es war daher ein großer und vor allem ein mutiger
Schritt, als die SPD den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr durchgesetzt
hat. Seit dem 1. August 2013 haben alle Kinder ab eins
einen Anspruch auf die Förderung in einer Kita oder
Kindertagespflege. Das ist ein Meilenstein in der deutschen Familienpolitik, ein Meilenstein, auf den wir stolz
sind.
({1})
Der Ausbau der Betreuungsplätze läuft deutschlandweit auf Hochtouren, und der Bund lässt die Länder und
Kommunen bei dieser wichtigen gesamtgesellschaftlichen Aufgabe bestimmt nicht im Stich: 5,4 Milliarden
Euro werden den Ländern bis 2014 insgesamt für die
Kosten des Ausbaus der U-3-Betreuung zur Verfügung
gestellt. 5,4 Milliarden Euro! Ab dem nächsten Jahr
stellt der Bund dann jährlich 845 Millionen Euro für die
Betriebskosten der Kitas bereit, und das dauerhaft. Damit schaffen wir die Voraussetzungen für eine flächendeckende Versorgung mit guten Betreuungsangeboten.
Doch es kann - und in diesem Punkt stimme ich Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von den
Grünen, völlig zu - nicht nur um Platzzahlen gehen,
auch die Qualität muss stimmen. Gute Bildung, Betreuung und Erziehung setzen gute Rahmenbedingungen voraus.
({2})
Es geht um nichts weniger als um die Förderung und die
Zukunft unserer Kinder. Hier besteht derzeit in einigen
Bereichen noch Nachholbedarf - keine Frage. Dies zeigt
auch die Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit.
Fakt ist aber doch: In Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. In allen Bundesländern wurden Bildungspläne und Sprachförderkonzepte in der
frühkindlichen Bildung erarbeitet und umgesetzt. Zusätzliche Erzieherstellen wurden geschaffen. Das bedeutet mehr Zeit und bessere Betreuung für jedes einzelne
Kind.
Die Einführung des Rechtsanspruchs war ein Meilenstein. Aber natürlich ist der Weg damit noch lange nicht
zu Ende. Als nächsten Schritt wünsche ich mir ganz persönlich einen weiteren flächendeckenden Ausbau guter
Ganztagsschulangebote; denn wir, die SPD, wollen, dass
Eltern endlich unabhängig und selbstständig entscheiden
können, wie sie Beruf und Familie miteinander vereinbaren, ohne von äußeren Zwängen in ein bestimmtes
Modell gedrängt zu werden.
({3})
Übrigens zielt in diese Richtung auch die kürzlich
von Manuela Schwesig vorgestellte Reform des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes. Jede Familie soll den
für sie richtigen Weg finden, um Familie und Beruf zu
vereinbaren. Durch das ElterngeldPlus und den Partnerschaftsbonus flexibilisieren wir die Elternzeit. Wir ermöglichen Eltern, individueller zu sein und mehr Zeit
für und mit ihren Familien zu haben.
({4})
Diese Verbesserung der Arbeits- und Elternzeiten
muss einen weiteren Ausbau der Betreuungsangebote
nach sich ziehen - ist ja logisch. Ohne eine ausreichende
Versorgung mit qualitativ hochwertigen Betreuungsangeboten werden junge Eltern die geschaffenen Wahlmöglichkeiten nicht ausschöpfen können. Langfristig
kämpfen wir deshalb dafür, dass jede Familie überall in
Deutschland ein ganztägiges Betreuungsangebot vorfindet, ein Betreuungsangebot, das zu ihr und ihren Lebensumständen passt, damit jedes Kind in Deutschland die
Chance erhält, mit anderen Kindern zu spielen und zu
lernen - unabhängig von seiner Herkunft, unabhängig
von Handicaps, unabhängig vom sozialen Status seiner
Eltern.
Lassen Sie uns gemeinsam weiter für dieses Ziel arbeiten. Packen wir es an!
Vielen Dank.
({5})
Vielen Dank, Frau Kollegin Stadler. Auch Ihnen gratuliert das ganze Haus zu Ihrer ersten Rede.
({0})
Auch Ihnen wünschen wir viel Erfolg und Durchsetzungskraft bei Ihrer Arbeit hier im Deutschen Bundestag.
Zum Abschluss dieser Aussprache hat das Wort Paul
Lehrieder für die CDU/CSU-Fraktion.
({1})
Frau Vizepräsidentin Roth! Sehr geehrte Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es freut
mich, Frau Vizepräsidentin, dass Sie mich als krönenden
Höhepunkt dieser Plenarwoche angekündigt haben.
({0})
Ich darf zunächst die Gelegenheit nutzen, Ihnen, Herr
Kollege Schwartze, zu Ihrem heutigen Geburtstag alles
Gute zu wünschen. Wir haben seit Jahren das Vergnügen, im Petitionsausschuss und mittlerweile auch im Familienausschuss zusammenzuarbeiten. Es macht Spaß,
mit offenem Visier mit Ihnen um richtige Lösungen zu
ringen.
({1})
Wir diskutieren heute über einen Antrag der Grünen,
der in vielen Bereichen sicherlich sinnvolle Anregungen
enthält, der aber - hierauf hat Kollege Weinberg bereits
hingewiesen - vom Prozedere her einen etwas unglücklichen Weg genommen hat. Auch ich bin am Dienstagmittag von einer großen deutschen Zeitung angerufen worden. Ich sollte etwas zu dem Antrag der Grünen sagen.
Ich sagte: Ich kenne ihn leider noch nicht. Dann wollte
mir die Dame von der Zeitung den Antrag vorlesen. Ich
sagte: Ich hätte ihn gerne vor mir liegen. - Vielleicht
können wir es in Zukunft so machen, Frau Kollegin
Brantner, dass Sie die Anträge zumindest parallel den
Kollegen zur Verfügung stellen, damit wir sprechfähig
sind. Dann können wir das, was Sie uns Gutes vorschlagen, viel wohlwollender prüfen.
({2})
Es ist richtig - Frau Kollegin Brantner, Sie haben das
in Ihrer Rede völlig zu Recht angedeutet -: Der Ausbau
der Krippen war ein Meilenstein. Das ist tatsächlich eine
historische Leistung gewesen.
({3})
Mit dem seit dem 1. August 2013 geltenden Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz haben wir hinsichtlich der
Quantität viel geleistet.
Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen,
mich bei den Ländern und bei den Kommunen sehr herzlich zu bedanken. Das geht ja nur gemeinsam. Es ist ja
nicht so, dass wir als Bund sagen können: Ihr müsst das
machen. Es gilt das Konnexitätsprinzip. Wir müssen mit
den Ländern vernünftige Lösungen finden. Ich darf Sie
darauf hinweisen, Frau Kollegin Brantner
({4})
- Herr PGF, lenken Sie bitte die Kollegin von den Grünen nicht ab, wenn ich sie anspreche -, dass gestern und
heute in Mainz die Familienministerkonferenz der Landesfamilienminister mit der Bundesfamilienministerin
stattgefunden hat. Wir stehen in engem Kontakt. Natürlich haben wir das Anliegen, das Sie in diesem Antrag
ansprechen, schon längst auf dem Schirm.
Bisher haben wir in die Masse, in Zukunft wollen wir
in die Klasse der frühkindlichen Ausbildung investieren.
Ja, es ist richtig, auch ich habe natürlich nach Inkrafttreten des Kinderförderungsgesetzes am 1. August 2013
feststellen dürfen: Es war ein toller Kraftakt von Bund,
Ländern und Gemeinden, der dies ermöglicht hat.
Ich will Ihnen eines sagen: Ich habe mir zu der Materie noch einmal Ihren Antrag vom 26. Juni 2013 herausgesucht; er ist noch keine elf Monate alt. In diesem Antrag haben die Grünen ausgeführt: „Die Erfüllung des
Rechtsanspruchs ab Herbst 2013 steht auf der Kippe.“
Zum Glück stimmt nicht alles, was die Grünen schreiben. Damals hatten Sie noch einen anderen Schlüssel gefordert. Jetzt fordern Sie eine Fachkraft-Kind-Relation
von eins zu vier für unter Dreijährige und eins zu zehn
für über Dreijährige. Im heute vorliegenden Antrag haben Sie in fünf Punkten gefordert, was alles gemacht
werden muss. Unter Punkt 6 steht dann dort ganz verschämt, dass mit den Ländern und den Kommunen auch
über die Finanzierung geredet werden muss. Ich würde
schon darum bitten, dass man möglichst zeitnah mit den
Partnern, mit denen wir es zusammen erfolgreich hinbekommen wollen, über diese Vorstellungen, über den Inhalt Ihres Antrags diskutiert. Trotzdem, wie gesagt:
Keine Idee ist so schlecht, dass nicht etwas Gutes darin
sein kann.
Bis Ende dieses Jahres wird sich der Bund mit insgesamt 5,4 Milliarden Euro an den Kosten beteiligt haben.
Ab nächstem Jahr stellt der Bund für die Kosten des
Aufbaus und der Qualitätssicherung in den Kindertageseinrichtungen dauerhaft jährlich 845 Millionen Euro bereit. Darüber hinaus hat der Bund weitere 550 Millionen
Euro für ein KfW-Programm zur Verfügung gestellt,
durch das Kommunen zur Schaffung und Sicherung von
U-3-Plätzen verbilligte Kredite bekommen können. Mit
diesem Programm konnten bis heute über 27 000 weitere
Betreuungsplätze geschaffen und gesichert werden.
Ich will auch anmerken, dass der U-3-Ausbau, so rasant er in den letzten Jahren Fahrt aufgenommen hat,
möglicherweise noch nicht am Ende ist. Hier schafft Angebot Nachfrage. Wir wissen, dass die 38 Prozent, die
wir derzeit haben, sicherlich nicht das Ende der Fahnen3242
stange sein werden. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag mit unseren Koalitionspartnern von der SPD ein
weiteres U-3-Paket vereinbart. Aber ich bitte um Verständnis, dass man in fünf Monaten nicht die ganze Welt
ändern kann. Wir werden daran arbeiten, und wir werden
die Qualität verbessern. Wir werden aber auch bei der
Quantität hinschauen müssen.
Die Kollegin Stadler hat es vorhin in ihrer ersten
Rede richtig ausgeführt: Wir werden nicht nur die U-3Plätze betrachten müssen - beim Kindergarten haben wir
Vollversorgung -, sondern wir sollten auch bei den über
Sechsjährigen hinschauen, bei den Kindern, die in der
Schule sind: Wie ist die Nachmittagsbetreuung gestaltet?
Was können die Länder und was können die Kommunen
da ein Stück weit machen? Wir sollten auch die Ferienbetreuung betrachten. Diese stellt viele berufstätige
junge Mütter vor Schwierigkeiten. Nicht jeder hat zwölf
Wochen Urlaub im Jahr. Deshalb ist es angezeigt, mit
den Kommunen und Ländern auch über solche Lösungen konstruktiv zu reden.
Ich bitte Sie: Kommen Sie weiterhin mit konstruktiven Vorschlägen - in Zukunft etwas eher - auf uns zu.
Ich wünsche Ihnen noch ein schönes Wochenende, allen
viel Spaß beim Wolkenzählen und Stefan Schwartze viel
Spaß beim Biertrinken heute Nachmittag im Biergarten.
Alles Gute und ein schönes Wochenende.
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Vielen Dank, unserem Höhepunktredner Herrn
Lehrieder. - Auch von mir, lieber Herr Schwartze, alles
Gute zu Ihrem kugelrunden Geburtstag, eigentlich doppelt und dreifach abgesichert am Tag des Grundgesetzes,
am Tag Ihrer Partei. Dieser Geburtstag wird wahrscheinlich nie vergessen. Bitte genießen Sie den Tag.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/1459 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie einverstanden? - Ja. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 4. Juni 2014, 13 Uhr, ein.
Ich wünsche uns ein gutes Wochenende. Ich glaube,
den Kolleginnen und Kollegen brauche ich nicht zu sagen, dass sie zur Europawahl gehen sollen. Aber vielleicht kann ich hier bei Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, noch einmal werben. Es ist nämlich,
wie Sie jetzt gemerkt haben, überhaupt nicht egal, wer in
einem Parlament sitzt. Gehen Sie zur Europawahl! Wählen Sie die demokratischen Parteien, die für mehr Europa, die für ein besseres Europa stehen. Das ist, glaube
ich, die allerwichtigste Botschaft an diesem Tag, an dem
wir nicht nur den Geburtstag von Herrn Schwartze feiern, sondern auch den Geburtstag unseres Grundgesetzes.
Ich wünsche Ihnen ein schönes, erfolgreiches und europäisches Wochenende.
({0})
Die Sitzung ist geschlossen.