Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Zuallererst möchte ich von ganzem Herzen in unserem Hohen Haus die Oppositionsführerin des Unterhauses des Parlaments der Republik der Union Myanmar,
Frau Aung San Suu Kyi, mit ihrer Delegation begrüßen.
({0})
Nachdem Sie bereits gestern ein Treffen mit unserem
Bundestagspräsidenten Professor Lammert hatten,
freuen wir uns von Herzen, dass wir Sie heute bei uns im
Plenum begrüßen können. Seien Sie sich sicher: Wir bewundern Ihren großen Mut. Wir bewundern Ihre Geradlinigkeit und Ihre Kraft, weltweit für Freiheit und Demokratie einzutreten.
({1})
Im Namen des ganzen Hauses wünschen wir Ihnen
für Ihren Aufenthalt in Berlin und für Ihr weiteres parlamentarisches Wirken in Ihrer Heimat viel Erfolg, viel
Kraft und alles Gute. Genießen Sie jetzt eine Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag!
({2})
Wir setzen die Haushaltsberatungen fort.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 a und 1 b auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für
das Haushaltsjahr 2014 ({3})
Drucksache 18/700
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2013 bis 2017
Drucksache 17/14301
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
Am Dienstag haben wir für die heutige Aussprache
eine Redezeit von insgesamt 3 Stunden 41 Minuten beschlossen. Bitte halten Sie sich an die Redezeiten.
Wir beginnen die heutigen Haushaltsberatungen mit
dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
Verkehr und digitale Infrastruktur, Einzelplan 12.
Beginnen wird diese Debatte der Bundesminister
Alexander Dobrindt. Herr Dobrindt, Sie haben das Wort.
({4})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Die deutsche
Wirtschaft befindet sich im Aufschwung. Die deutsche
Wirtschaft wächst stabil und kräftig - das beschreibt das
gestern vorgestellte Frühjahrsgutachten -: 1,9 Prozent
Wachstum in diesem und 2 Prozent Wachstum im nächsten Jahr.
Das ist eine gewaltige Leistung, die aber auch gewaltige Herausforderungen für unsere Verkehrssysteme wie
auch für unsere Infrastruktur bedeuten wird. Wirtschaftswachstum in einer industrialisierten Gesellschaft bedeutet auch Wachstum der Verkehrsströme. Wirtschaftswachstum und wachsende Verkehrsströme auf einer
Infrastruktur, die leistungsfähig ist, sind die Grundlage
für unseren Wohlstand. Deswegen müssen wir die Leistungsfähigkeit unserer Infrastruktur weiter ausbauen und
in die Leistungsfähigkeit der Infrastruktur investieren.
Meine Damen und Herren, wer glaubt, man könnte
Wirtschaftswachstum vom Wachstum der Infrastruktur
abkoppeln, wird uns am Schluss vom Wohlstand abkoppeln. Deswegen werden wir das nicht zulassen.
({0})
Statt Entkopplungs- und Abkopplungskonzepten für
Verkehr und Wirtschaft brauchen wir eine konzertierte
Vernetzung aller Verkehrsträger - Straße, Schiene, Wasser, Luft und Datenwege. Damit stehen wir in einer Tra2584
dition, die Ludwig Erhard begründet hat. Schon Erhard
hat die Verkehrspolitik so beschrieben. Er hat gesagt:
Wenn wir erfolgreiche Verkehrspolitik betreiben wollen,
dann geht es um die Beantwortung der Frage: Wie kann
diese Arbeit Früchte tragen und Fortschritte erzielen?
Die Antwort lautet: Wenn sie an einem gesellschaftlichen Leitbild orientiert ist.
Es geht um ein gesellschaftliches Leitbild bei der Verkehrspolitik. Unser Leitbild der Verkehrspolitik kann
heißen, eine aktivierende Mobilitätspolitik in Deutschland zu gestalten. Das bedeutet, dass die Investitionen in
Infrastrukturmaßnahmen sich an der verkehrlichen Gesamtwirkung und dem volkswirtschaftlichen Nutzen
orientieren müssen und an nichts anderem.
({1})
Die Beantwortung der Frage, ob wir ein Innovationsland bleiben oder ein Stagnationsland werden, hängt
auch davon ab, wie viel wir in unsere Infrastruktur zu investieren bereit sind. Deswegen ist die Sicherung der
Leistungsfähigkeit unserer Verkehrsinfrastruktur eines
der zentralen Projekte der Koalition. Wir geben ein klares Bekenntnis ab, dass wir dauerhaft auf einem hohen
Niveau in die Infrastruktur investieren wollen.
Wir bekommen in wenigen Wochen eine neue Verkehrsprognose auf den Tisch, die für alle Verkehrsträger
sehr klar Auskunft geben wird, wie die Verkehre in Zukunft anwachsen werden. Es ist schon heute erkennbar,
dass wir deutliche Zuwächse bei allen Verkehren bzw.
allen Verkehrsträgern haben, sowohl auf der Wasserstraße als auch auf der Schiene als auch auf der Straße.
Dieser Tatsache und den sich daraus ergebenden Herausforderungen müssen wir uns natürlich stellen. Das hat
diese Koalition dadurch getan, dass sie 5 Milliarden
Euro zusätzlich in die Verkehrsinfrastruktur investieren
will.
({2})
Wir werden diese Haushaltsmittel zur Verfügung stellen.
Das entwickelt unsere Investitionslinie in den nächsten
Jahren von in diesem Jahr 10,5 Milliarden Euro auf ein
Niveau von über 12 Milliarden Euro im Jahr 2017.
An dieser Stelle darf ich auch einmal ganz herzlich
Dankeschön an den Bundesfinanzminister und an unsere
Haushälter sagen. Das ist eine große Kraftanstrengung,
auch für diesen Haushalt. Investitionen in Höhe von über
12 Milliarden Euro in die Verkehrssysteme:
({3})
Das hätten sich viele andere gewünscht. Das war lange
gefordert. Wir schaffen es jetzt. Wir wollen dieses hohe
Niveau auch in der Zukunft beibehalten.
({4})
Die 12 Milliarden Euro, die wir erreichen wollen,
sind übrigens nicht die Spitze, sondern die Basis für weitere Anstrengungen und zusätzliche Investitionen, die
wir für die Zukunft planen. Wir steigern mit verschiedenen Möglichkeiten übrigens auch die Effizienz dieser
dann 12 Milliarden Euro, die wir einsetzen wollen, unter
anderem im Hinblick auf die Mehrjährigkeit der Mittel.
Wir haben als Verkehrspolitiker jahrelang gerade hier im
Parlament dafür gekämpft, dass wir angesichts der langen Planungszeiten und der Verzögerungen, die manchmal durch Klagen - ob gerechtfertigt oder nicht - hervorgerufen werden, die Mittelverwendung näher an den
Baufortschritt der jeweiligen Maßnahme heranbringen.
Dazu dient die Mehr- und Überjährigkeit. Dass dies gelungen ist, ist ein großer Erfolg der Verkehrspolitik in
Deutschland.
({5})
Wir wollen die Nutzerfinanzierung weiterentwickeln.
Wir werden die Lkw-Maut verbreitern und vertiefen.
({6})
- Warten Sie es doch einmal ab!
({7})
Dass sich die Grünen darüber freuen, dass wir aufgrund
von Mautmindereinnahmen weniger Geld in die Straße
investieren können, glaube ich. Aber der Rest des Parlaments findet es bedauerlich und will Maßnahmen ergreifen, damit wir mehr und nicht weniger Geld investieren
können.
({8})
Wir werden die Lkw-Maut verbreitern und vertiefen.
Deswegen werden wir Mitte 2015 zusätzlich tausend Kilometer autobahnähnliche Bundesstraßen bemauten und
ab Herbst nächsten Jahres Lkws ab 7,5 Tonnen in die
Bemautung einbeziehen. Aber das alles führt noch nicht
dazu, dass das, was uns das Wegekostengutachten beschert, nämlich eine Kalkulationsgrundlage, die unterhalb der bisherigen Mauteinnahmen liegt, komplett ausgeglichen wird; ich habe darüber berichtet. Mein Ärger
darüber ist bisher nicht verflogen. Dass in dieser Legislaturperiode eine der wesentlichen Finanzierungsgrundlagen, die Einnahmen aus der Lkw-Maut, bei steigenden
Preisen und Kosten sowie den notwendigen Investitionen in die Straße um 2 Milliarden Euro einbrechen wird,
ist in der Tat kein wirklich gutes Zeichen.
({9})
Aber das liegt daran, dass die Bemessungsgrundlage dafür das Zinssystem ist.
({10})
Wenn sich fast 50 Prozent der Lkw-Maut über das Zinssystem in Europa bestimmen, dann kann man dies nur
als ausdrücklichen Fehler bezeichnen.
({11})
Es ist doch nicht die Aufgabe der Europäischen Zentralbank, über die Einnahmen aus unserer Lkw-Maut zu entscheiden. Deswegen werden wir das angreifen und ändern.
({12})
Wir haben zugesagt, dass wir alle rechtlichen Maßnahmen, die das Wegekostengutachten zulässt, zur Verbreiterung und Vertiefung ergreifen werden.
({13})
Dadurch wird übrigens ein Teil der Mindereinnahmen
ausgeglichen. Es bleibt aber in dieser Legislaturperiode
immer noch eine theoretische Lücke. Diese theoretische
Lücke müssen wir schließen. Deswegen war ich in Verhandlungen mit dem Bundesfinanzminister. Ich darf an
dieser Stelle sagen: Es ist eine großartige Leistung - ich
bin dem Finanzminister ausgesprochen dankbar -, dass
er dies als notwendig anerkannt hat. Wir werden an den
geplanten 5 Milliarden Euro Mehrausgaben für die Infrastruktur festhalten. Diese werden durch Mindereinnahmen aus der Lkw-Maut nicht geschmälert werden. Wenn
es eine Lücke gibt, wie ich sie beschrieben habe, dann
wird sie über allgemeine Haushaltsmittel ausgeglichen.
Das ist die Vereinbarung, die wir mit dem Bundesfinanzministerium getroffen haben.
({14})
Es ist eine großartige Leistung, dass der Finanzminister
dem zugestimmt hat.
({15})
Das ist Verkehrspolitik:
({16})
sich den Problemen zu stellen und, wenn die Finanzen
knapp sind, dafür zu sorgen, dass darunter trotzdem
nicht die Investitionen in die Infrastruktur leiden.
({17})
Wir haben neben der Diskussion über die Nutzerfinanzierung bei der Lkw-Maut auch eine Diskussion über
die Einführung der Pkw-Maut. Ich freue mich immer
wieder, wenn ich sehe, wie eifrig diese Diskussion
({18})
auch außerhalb des Parlaments geführt wird. Ich habe
heute festgestellt, dass auch wohlmeinende Ratschläge
aus den europäischen Nachbarländern kommen, mit denen ich übrigens in ausgesprochen guten Gesprächen
bin. Wenn die Verkehrsministerin der Niederlande darauf hinweist, dass es nicht ihr größter Wunsch ist, dass
in Deutschland eine Pkw-Maut eingeführt wird, dann
kann man dies verstehen. Aber beim besten Willen: Ich
mache die Verkehrspolitik nicht für die Niederlande, ich
mache die Verkehrspolitik für Deutschland,
({19})
und für Deutschland ist es gut, wenn wir mehr Geld einnehmen. Deswegen werden wir das umsetzen.
({20})
Wir haben einen klaren Fahrplan,
({21})
was die Nutzerfinanzierung betrifft. Wir werden ab
1. Juli 2015 die Lkw-Maut auf vierspurigen Bundesstraßen erheben, wir werden am 1. Oktober 2015 die LkwMaut für Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen einführen,
({22})
wir werden zum 1. Januar 2016 die Pkw-Maut einführen, und wir werden Mitte 2018 die Ausweitung der
Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen umsetzen, wie es der
Koalitionsvertrag vorsieht.
Wir haben eine hohe Investitionslinie für die zukünftigen Haushalte. Wir erreichen sie durch die Nutzerfinanzierung, durch die Finanzierung aus dem allgemeinen Haushalt, durch Steuerfinanzierung, und wir
erreichen dieses hohe Niveau auch, wenn wir öffentlichprivate Partnerschaften als alternative Finanzierung zulassen.
({23})
Wir haben vereinbart, dass wir dieses Instrument dann,
wenn die Maßnahmen rascher und effizienter durch ein
ÖPP-Projekt durchgeführt werden können, auch nutzen.
Ich sage Ihnen: Ja, Kontrolle ist wichtig an dieser Stelle,
ja, Beobachtung muss sein, ob das effizienter ist,
({24})
und ja, wir müssen genau schauen, ob diese Projekte dadurch wirtschaftlich realisiert werden können; aber es
muss auch fair geprüft werden. Wenn es möglich ist,
werden wir die Investitionen über diesen Weg tätigen.
({25})
Wir müssen unsere Finanzmittel möglichst effektiv
einsetzen; das ist wahr. Deswegen geht es auch um eine
klare Prioritätensetzung. Die aktivierende Mobilitäts2586
politik hat unser Land übrigens zum Logistikweltmeister
gemacht. Wir profitieren von ständig wachsenden nationalen und internationalen Warenströmen. Die Weltbank
hat es uns in diesen Tagen sehr deutlich gesagt: Deutschland ist der wichtigste Logistikmarkt der Welt. Warum
ist dies so? Wegen der großen Leistungsfähigkeit der
deutschen Infrastruktur, wegen der Zuverlässigkeit und
Pünktlichkeit der deutschen Logistiker. Das ist ein Kriterium, für das Deutschland die höchste Wertung im Ranking erhalten hat. Es ist die Qualität der Transportinfrastruktur, die dazu führt, dass wir der Logistikmarkt
Nummer eins auf der Welt sind. Wir wollen dies auch
bleiben, und deswegen unterstützen wir die Logistiker
mit unseren Investitionen in die Infrastruktur.
({26})
Durch die wachsenden Verkehre entstehen hohe Beanspruchungen, sowohl auf der Schiene als auch auf der
Straße als auch auf der Wasserstraße. Wir haben die Verantwortung, dass diese Verkehrswege in Schuss bleiben,
damit der Warenstrom darauf stattfinden kann.
({27})
Wir bleiben bei der Priorisierung, die wir schon vor Jahren gewählt haben: Erhalt geht vor Neubau.
({28})
Das ist auch die Maßgabe für diese Legislaturperiode.
Wir haben eine ganze Reihe von Problemen bei Brücken
in diesem Land.
({29})
„Brückenschmerzen“ heißt die Schlagzeile eines Magazins. Deswegen sage ich: In wenigen Wochen bekommen wir den Brückenzustandsbericht mit Nachberechnungen unserer Brückenstatik. Ich sage schon heute
voraus: Da wird vieles ernüchternd sein,
({30})
und deswegen ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen,
dass wir ein Brückensanierungsprogramm für die
Schiene und für die Straße in Deutschland bekommen,
ein Sonderprogramm für Investitionen in Brücken zur
Ertüchtigung von Brücken.
({31})
Auch wenn wir uns sehr klar für den Erhalt vor Neubau aussprechen, lieber Kollege Kindler, müssen wir natürlich auch in den Neubau investieren.
({32})
Wir haben eine ganze Reihe von Straßen- und Schienenprojekten, die entsprechend umgesetzt werden wollen.
Aber wir sagen auch deutlich: Priorität ist, dass alle Projekte, die nicht bis 2015 im Bau sind, im Rahmen des
Bundesverkehrswegeplans neu überprüft werden.
Ich habe dies übrigens auch den Kollegen der Länder
auf der Verkehrsministerkonferenz so mitgeteilt. Da
schaute ich erst einmal in eine Reihe von relativ ratlosen
Gesichtern und wurde darauf hingewiesen, das könnte
dazu führen, dass es bestimmte Projekte vielleicht nicht
mehr gibt. ({33})
Ja, genau dazu könnte das führen. Aber das ist auch Sinn
und Zweck der Übung. Wir brauchen keine politischen
Straßen, keine politischen Schienen und keine politischen Wasserwege.
({34})
Das passt nicht in die Zeit. Wir brauchen eine Verkehrspolitik, die sich am volkswirtschaftlichen Nutzen ausrichtet, und das setzen wir um.
({35})
Wir werden den Schienenverkehr deutlich stärken.
Wir führen mit der Deutschen Bahn Verhandlungen über
die LuFV, die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung. Wir werden auch da mehr Geld in den Bestand investieren. Ich sage deutlich: Wir haben auch Anforderungen an die Bahn. Wir haben der Bahn den Auftrag
gegeben, eine Digitalisierungsoffensive zu starten.
Bahnverkehre müssen auch über Digitalisierungen in die
Neuzeit hineingetragen werden. Die Bahn und unser
Haus werden in wenigen Wochen gemeinsam das Digitalisierungskonzept der Bahn vorstellen. Die Bahn hat
den Auftrag sehr ernst genommen, sich an der Lebensrealität der Menschen auszurichten, das Verkehrskonzept
der Zukunft darzulegen
({36})
und mit uns gemeinsam diese Digitalisierung voranzutreiben.
Ich sage Ihnen hier klar: Diese Bundesregierung steht
zu den Bahnen. Sie haben das in den letzten Wochen
deutlich verfolgen können. Wir hatten an dieser Stelle im
Zuge der EEG-Reform, der Reform des ErneuerbareEnergien-Gesetzes, eine intensive Diskussion. Wir haBundesminister Alexander Dobrindt
ben es auf dem Verhandlungswege geschafft, dafür zu
sorgen, dass die Bahnen weiterhin einen Rabatt bei der
Ökostromumlage erhalten.
({37})
Das ist ein wichtiger Beitrag dazu, dass das Bahnfahren
nicht teurer wird, damit das Bahnfahren attraktiv bleibt
und der Transport auf der Schiene erhalten bleibt. Ich
will an dieser Stelle ganz herzlich dem Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel dafür danken, dass diese
gute Einigung möglich war.
({38})
Lassen Sie uns gemeinsam die Herausforderungen
der Zukunft, die insbesondere im Bereich der alternativen Antriebe, der Elektromobilität und der besseren Nutzung der Verkehrswege liegen, bewältigen. Wir brauchen auch die Digitalisierung unserer Verkehrswege. Ich
weiß, dass Sie, liebe Kollegin Wilms, sich beim letzten
Mal noch darüber ausgelassen haben, dass wir uns zwar
um die Infrastruktur im digitalen Bereich kümmern, dass
aber die nötigen Mittel dazu im Haushalt fehlen.
({39})
Ich weise Sie darauf hin, dass es gelungen ist, eine Vereinbarung darüber zu treffen, wie wir in die digitale Infrastruktur investieren können. Das Geld, das durch die
Digitale Dividende,
({40})
also im Zuge der Versteigerung von Frequenzen, in den
Bundeshaushalt fließt, soll zu einem Großteil wieder in
die digitale Infrastruktur gesteckt werden.
({41})
Das werden wir 2016 haushaltswirksam erreichen. Folglich werden wir unser Ziel einer flächendeckenden
Grundversorgung mit mindestens 50 Megabit pro Sekunde bis zum Jahr 2018 erreichen.
({42})
Das ist etwas, womit Sie nicht gerechnet haben. Diese
Bundesregierung macht ernst. Wir investieren in die digitale Infrastruktur.
({43})
Ich darf an dieser Stelle noch einmal auf etwas hinweisen, was ich bereits beim letzten Mal erwähnt habe:
Es gibt so etwas wie ein Grundrecht auf Mobilität. Mir
ist entgegengehalten worden: Es gibt kein Grundrecht
auf Mobilität. Aber, meine Damen und Herren, es gibt
mit Sicherheit ein Grundbedürfnis nach Mobilität. Wer
in unserem Grundgesetz nachliest, wird feststellen, dass
nach Art. 11 alle Deutschen Freizügigkeit im ganzen
Bundesgebiet genießen. Ich glaube, wer sich darauf besinnt
({44})
- lesen Sie das im Grundgesetz nach -, unser Leitbild
mit der im Grundgesetz verankerten Freizügigkeit zu
verknüpfen, der wird vielleicht darauf kommen, dass es
ein Grundrecht auf Mobilität gibt. Wir wollen es auf jeden Fall mit Leben erfüllen.
Herzlichen Dank.
({45})
Danke, Herr Minister Dobrindt. - Die Kolleginnen
und Kollegen der CDU/CSU werden verstehen, dass für
sie ein bisschen weniger Redezeit drin ist. Der Minister
hat die Redezeit nämlich
({0})
umfänglich überzogen.
({1})
Roland Claus ist der nächste Redner für die LinksPartei.
({2})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Bundesminister Dobrindt, der Etat für Verkehr und Infrastruktur ist in der Tat der Investitionsetat des Bundes.
Das weiß natürlich auch die Opposition zu schätzen. Es
geht hier um sehr viel Geld.
Das Problem ist, Herr Minister: In Ihrem Ministerium
ist das viele Geld leider nicht in guten Händen.
({0})
Nur wenige Belege: Mit dem Hauptstadt-Flughafen haben wir uns inzwischen weltweit blamiert.
({1})
Der Ausbau des meistbefahrenen Kanals der Welt, des
Nord-Ostsee-Kanals, verzögert sich aufgrund geringer
Investitionen und ist überteuert. Bei der Lkw-Maut kommen Sie im Schiedsverfahren mit Toll Collect seit fast
einem Jahrzehnt zu keinem Ende. Beim Neubau des
Schlosses in Berlin steht meiner Vermutung nach das
nächste Desaster ins Haus. Der Ausbau von Breitbandnetzen, um endlich die digitale Spaltung der Gesellschaft
zu überwinden, lässt auf sich warten.
({2})
Autobahnen, die im Rahmen der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit neu ausgebaut wurden, müssen nach drei
oder vier Jahren schon wieder grundsaniert werden. Soll
ich weitermachen? ({3})
Ich glaube, das könnten Sie auch. Mein Fazit ist: Sie in
dieser Regierung können nicht mit Geld umgehen und
schon gar nicht mit viel Geld.
({4})
Ein kleiner Rückblick. Wenn in der DDR Pfusch am
Bau zum Vorschein kam, dann wurde immer gesagt: So
etwas wird es im Westen nicht geben. Die haben Marktwirtschaft. Da geht so etwas nicht. - Welch gigantischer
Irrtum!
({5})
Leider haben Sie mit der Abgabe des Ressorts Wohnen und Städtebau die Idee eines großen, zukunftsfähigen Infrastrukturministeriums aufgegeben. Ich hätte mir
eher gewünscht, dieses Ministerium um die kleinen
Nachbarressorts Wirtschaft und Landwirtschaft zu bereichern und so ein wirkliches Infrastrukturministerium zu
schaffen. Sie haben da einen anderen Weg gewählt.
Stichwort Maut. Hier haben wir eine halbe Milliarde
Euro weniger an Einnahmen zu erwarten. Sie, Herr
Minister, nennen das eine „theoretische Lücke“, die man
aus den allgemeinen Haushaltsmitteln schließen könne.
Es ist keine theoretische Lücke, wenn eine halbe Milliarde Euro fehlt. Auch allgemeine Haushaltsmittel müssen erst durch Steuern gedeckt werden. Reden Sie uns
hier also nicht die Dinge schön. Das Problem muss gelöst werden, und zwar zügig.
({6})
Sie müssen sich auch über den auslaufenden Vertrag
hinsichtlich der Mauterhebung entscheiden. Sie haben
mitgeteilt, Herr Dobrindt, Sie wollten das im Laufe des
Jahres entscheiden. Verdammt noch mal, bis Weihnachten kann das Parlament nicht warten! Wir werden Sie
drängen, da zu einer Entscheidung zu kommen.
({7})
Was nun überhaupt nicht geht, Herr Minister, ist, dass
Sie öffentlich über eine Pkw-Maut für Ausländer schwadronieren, dem Parlament dazu aber kein Wort sagen.
({8})
Ich habe in einer Zeitung ein Interview mit Ihnen gelesen, in dem Sie ziemlich konkret werden. Sie benutzen
die Formulierung: „Am 1. Januar 2016 wird die PkwMaut scharf gestellt“,
({9})
und sagen, Sie wollten das Konzept vor der parlamentarischen Sommerpause ins Parlament einbringen. Aber,
verdammt noch mal, dann lesen wir hier zum zweiten
Mal den Haushalt! Es kann doch wohl nicht wahr sein,
dass ein öffentlich so vieldiskutiertes Thema von Ihnen
in den Medien bedient wird, Sie aber dem Parlament
kein Wort dazu sagen. Das können wir nicht hinnehmen.
({10})
Ich finde auch Ihre Wortwahl „scharf stellen“ äußerst
unangemessen.
({11})
Wer solche Begriffe benutzt, der denkt in der Kategorie
von Feindbildern. Ich hoffe mal nicht, dass ausländische
Autofahrer Ihr Feindbild sind, Herr Minister.
({12})
Ich will auch ein Wort zur Eisenbahn sagen. Über
eine Sache reden Sie alle in der Großen Koalition überhaupt nicht mehr. Aber in den langfristig angelegten Beteiligungsberichten und -beschlüssen - auch zu Privatisierungsvorhaben - der Bundesregierung steht noch
immer etwas von einem geplanten Börsengang der Bahn
AG. Warum reden Sie nicht mehr darüber? Weil Ihnen
das natürlich peinlich ist!
({13})
Nun haben mir sowohl Bundesminister Dobrindt als
auch Bahnchef Grube gesagt: Herr Claus, niemand hat
die Absicht, einen Börsengang der Bahn zu vollziehen.
({14})
Das glaube ich inzwischen auch. Aber wozu ich Sie auffordere, ist, der Öffentlichkeit einmal zu sagen: Wir haben uns in dieser Sache vertan. - Haben Sie doch den
Mut, zu sagen: „Wir haben da einen Fehler gemacht; die
Privatisierung und der geplante Börsengang sind vom
Tisch“! Das wäre endlich einmal eine ordentliche Position.
({15})
Herr Minister, Sie wissen von uns: Bei vielen wichtigen Infrastrukturentscheidungen ist die Opposition dabei. Das heißt aber auch: Transparenz gegenüber dem
Parlament ist gefordert. Der Haushaltsausschuss lässt
sich nicht austricksen. Wenn das so weit klar ist, dann
sollte das künftig auch niemand versuchen, auch niemand aus dem Bundesverkehrsministerium.
({16})
Vielen Dank, Herr Kollege. - Nächster Redner ist
Sören Bartol für die SPD.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in
erster Lesung den Entwurf des Bundeshaushalts, mit
dem wir die ersten Vorhaben unseres wirklich gut verhandelten Koalitionsvertrags erfolgreich umsetzen wollen.
({0})
Insbesondere in den Bereichen Verkehr und digitale Infrastruktur werden alle in unserem Land spüren, dass
diese Koalition wirklich handelt. Ich sage Ihnen: Wir packen endlich die Probleme dieses Landes an. Wir kümmern uns nämlich um die maroden Straßen, Schienen
und Wasserstraßen. Unser Motto lautet: Wir reparieren
Deutschland.
({1})
Daher werden wir in diesem Jahr 2,6 Milliarden Euro
in den Erhalt unserer Verkehrswege investieren.
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist die höchste
Summe, die jemals für die Sanierung unserer Straßen
und Schienen ausgegeben wurde.
({3})
- Sie können immer weiter schreien; ich rede einfach
weiter.
({4})
Unser Ziel ist die Erhöhung der Mittel für die Reparatur
der Schlaglöcher, der kaputten Brücken auf Schienenwegen und Straßen bis 2017 auf 3 Milliarden Euro. Ich
denke, das wird ein Erfolg dieser Koalition werden.
({5})
Wir wissen jedoch auch, dass wir bei unseren Verkehrswegen natürlich noch den einen oder anderen
Lückenschluss brauchen, damit wir alle sicher und zuverlässig von A nach B kommen. Dafür wird diese
Koalition bis 2017 zusätzlich 5 Milliarden Euro investieren. Am Ende der Legislaturperiode werden wir das Niveau von 12 Milliarden Euro erreichen, was übrigens
seit Jahren von allen Experten und Vertretern der Verkehrswirtschaft als Mindestmaß gefordert wird und bisher - außer unter dem SPD-Minister Wolfgang Tiefensee
mithilfe der Konjunkturprogramme - noch von keiner
Bundesregierung erreicht worden ist.
Sehr geehrte Damen und Herren, mehr Geld allein
macht noch keine bessere Verkehrspolitik.
({6})
Wir finanzieren unsere Investitionen in die Verkehrswege aus den Steuergeldern aller sowie aus den Einnahmen aus der Erhebung der Lkw-Maut. Daher müssen wir
verantwortungsvoll mit den Investitionsmitteln umgehen. In der letzten Woche ist die Grundkonzeption des
neuen Bundesverkehrswegeplans 2015 vorgestellt worden. Damit geht diese Große Koalition einen mutigen
Schritt nach vorn. In Zukunft werden wir ganz klare
Prioritäten setzen.
({7})
Es wird der neue Grundsatz gelten: Der Bund investiert
vorrangig dort, wo es von überregionaler, nationaler Bedeutung ist. In diese Projekte werden wir 80 Prozent unserer Mittel für den Neu- und Ausbau investieren.
({8})
Trotz der guten Botschaften verschließen wir natürlich nicht die Augen vor den Problemen, die wir noch
vor uns haben. Wir alle wissen: Wir können am Ende nur
so viel ausgeben, wie wir auch einnehmen. Seit Ende
März wissen wir, dass die Mautsätze gesenkt werden
müssen, da der Bund für die Finanzierung des Erhalts
und des Neubaus der Straßen weniger Zinsen zahlt.
({9})
Nach Berechnungen des Bundesverkehrsministers drohen uns bis zum Jahr 2017 ungefähr 2 Milliarden Euro
weniger an Einnahmen. Es ist klar: Das müssen wir ausgleichen.
SPD, CDU und CSU haben sich in ihrem Koalitionsvertrag klar dazu bekannt, das Prinzip der Nutzerfinanzierung „Verkehr finanziert Verkehr“ fortzuentwickeln.
Daher finde ich es gut, dass Bundesverkehrsminister
Alexander Dobrindt die Ausdehnung der Lkw-Maut auf
Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen und auf weitere 1 000 Kilometer vierspurige Bundesfernstraßen vorgeschlagen hat.
Das kann ein erster Schritt sein. Darüber hinaus sollen
bei der Berechnung der Lkw-Maut zum ersten Mal auch
Dinge wie zum Beispiel Luftverschmutzung und Lärm2590
belastung berücksichtigt werden. Das wird die sinkenden Einnahmen aus der Erhebung der Lkw-Maut nicht
vollständig ausgleichen.
({10})
- Ich komme gleich dazu.
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, brauchen
wir einen zweiten Schritt, den wir auch im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Wir haben gesagt, dass wir die
Lkw-Maut auf alle Bundesfernstraßen ausdehnen wollen.
({11})
Deswegen ist auch klar - der Verkehrsminister hat es gerade in seiner Rede betont -, dass dieses Projekt bis
Mitte Juli 2018 kommen wird. Entscheidend ist jetzt die
Frage der Umsetzung. Gemeinsam müssen wir jetzt zügig entscheiden, mit welchen konkreten Maßnahmen wir
die erfolgreiche Umsetzung erreichen wollen. Ich hoffe,
dass wir am Ende einen Weg finden, der vielleicht von
einer breiten Mehrheit im Bundestag von Koalition bis
Opposition mitgegangen wird.
({12})
Mein Ziel ist, nicht nur irgendwelche Löcher im Bundeshaushalt zu stopfen, sondern am Ende zusätzliche
Einnahmen für das Schließen von Schlaglöchern, die
Reparatur von Brücken und den Ausbau unserer Schienenwege und Bundesfernstraßen zu generieren. Deswegen müssen alle zusätzlichen Einnahmen aus der Erhebung der Lkw-Maut - das ist mein Appell an alle ungekürzt und zusätzlich in die Verkehrsinvestitionen
fließen. Das sind wir dem Mautzahler in Deutschland
schuldig.
({13})
Der Ausbau der Verkehrswege lebt von der Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger. Daher werden wir in
diesem Jahr mindestens 120 Millionen Euro in den
Lärmschutz im Schienenverkehr und 50 Millionen Euro
in den Lärmschutz an Bundesfernstraßen investieren. Ich
glaube - und ich hoffe, das stößt auf Ihre Zustimmung -,
wir sollten an dieser Stelle noch ambitionierter vorangehen.
({14})
Ich baue auf die Unterstützung der Mitglieder des Haushaltsausschusses und der Mitglieder der Facharbeitsgruppen. Spätestens bis zum Ende dieser Legislaturperiode sollten wir eine Verdopplung der Mittel für den
Lärmschutz erreicht haben.
({15})
Eine gute Verkehrspolitik beschränkt sich nicht nur
auf Investitionen in unsere Verkehrswege. Wir arbeiten
an einer modernen Mobilität des 21. Jahrhunderts. Unsere Vision ist, dass Deutschland zum Leitmarkt und
Leitanbieter für Elektromobilität wird. Daher fördern
wir in diesem Jahr die Entwicklung alternativer Antriebe
mit ungefähr 54 Millionen Euro. Gleichzeitig wollen
wir, dass die digitale Welt auch im Bereich der Mobilität
endlich Einzug hält. Darum setzen wir weiter auf das europäische Satelliten-Navigationssystem Galileo. Aber
auch kleinere Projekte wie die Online-An- und -Abmeldung von Fahrzeugen im Internet wird mit Unterstützung des Bundesverkehrsministeriums endlich vorangetrieben.
({16})
Die Digitalisierung unserer Mobilität wird jedoch nur
gelingen, wenn wir am Ende schaffen, ein schnelles Internet für alle bereitzustellen.
({17})
Wir dürfen nicht zulassen, dass es zu einer digitalen
Spaltung zwischen Stadt und Land oder zwischen Jung
und Alt kommt.
({18})
Der Schlüssel zum Erfolg, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist unter anderem der flächendeckende Breitbandausbau.
({19})
Diese Koalition hat sich zum Ziel gesetzt - Sie können
es beklagen und beschimpfen -, bis 2018 eine flächendeckende Versorgung mit Anschlüssen mit einer Übertragungsrate von mindestens 50 Megabit pro Sekunde zu
erreichen. Das ist ein ambitioniertes Ziel, aber wir
packen es wenigstens an.
({20})
Es gibt den Vorschlag, die Einnahmen aus der Versteigerung von neuen Mobilfunkfrequenzen in den Ausbau
des Breitbandnetzes fließen zu lassen. Das könnte wenigstens zum Teil helfen, die bestehende Wirtschaftlichkeitslücke beim Breitbandausbau zu schließen. Wichtig
ist an dieser Stelle, dass die Bundesregierung schnell mit
den Bundesländern ins Gespräch kommt, wie die Versteigerung am Ende auszusehen hat. Mit dem Breitbandbüro des Bundes haben wir ein kompetentes Beraterteam, das unsere Städte und Kommunen in ganz
Deutschland beim Ausbau des Netzes sehr gut berät. Das
sollten wir weiter fördern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich auf
die weiteren Beratungen des vorliegenden Entwurfes für
einen Haushalt 2014 in den dafür zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages. Ich sage ganz klar: Ich
baue auf die Unterstützung aller Fraktionen für mehr Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und in die Zukunft unserer Mobilität.
Vielen Dank.
({21})
Vielen Dank, Herr Kollege. - Nächster Redner ist
Sven-Christian Kindler für Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Dobrindt, ich
habe Ihre Rede wohl gehört, aber da war null Substanz,
da waren nur markige Sprüche. Ich sage Ihnen, Herr
Dobrindt: Das hier ist der Deutsche Bundestag, das ist
kein CSU-Parteitag.
({0})
Sie sind jetzt über 100 Tage im Amt, Herr Dobrindt.
Das schafft nicht jeder CSU-Minister.
({1})
Ich habe noch das Bild Ihres Amtsantritts vor Augen. Es
gibt ein schönes Foto von Ihnen und Herrn Ramsauer:
Im Hintergrund sieht man links die europäische Fahne,
rechts die deutsche Fahne und in der Mitte die blauweiße bayerische Fahne.
({2})
Das steht sinnbildlich für Ihre Verkehrspolitik: CSUKlientelpolitik.
({3})
Ich sage Ihnen, Herr Dobrindt: Sie sind immer noch der
CSU-Generalsekretär; im Amt des Verkehrsministers
sind Sie noch lange nicht angekommen.
({4})
Typisch für einen CSU-Generalsekretär kamen Sie
wieder mit der alten Leier aus dem Wahlkampf: der
Rohrkrepierer Pkw-Maut für Ausländer.
({5})
Aber außer markigen Sprüchen gab es da nichts Substanzielles, nichts zur Berechnungsgrundlage, zu den Bürokratiekosten, zu den Erhebungskosten, zu den großen europarechtlichen Problemen. Mein gut gemeinter Rat,
Herr Dobrindt, lautet: Lassen Sie den Rohrkrepierer
Pkw-Maut einfach in der Schublade, und ersparen Sie
sich doch die Peinlichkeit des Scheiterns!
({6})
Und jetzt weg von dem Quatsch der Pkw-Maut, hin
zu zentralen Problemen im Verkehrsbereich. Wir haben
ein riesiges Defizit beim Erhalt und bei den Sanierungen
von Verkehrswegen. Die Infrastruktur wird auf Verschleiß gefahren. Nur bei Ihnen, Herr Dobrindt, ist das
noch lange nicht angekommen; denn wie der Haushalt
zeigt, gehen Sie das Problem überhaupt nicht an. Was
machen Sie nämlich mit den zusätzlichen 5 Milliarden
Euro pro Jahr, die Sie jetzt über vier Jahre einstellen
wollen? Es gibt ein großes Loch bei den Einnahmen aus
der Lkw-Maut; es ist fraglich, ob die 5 Milliarden Euro
überhaupt fließen. Über 70 Prozent, 3,6 Milliarden Euro,
packen Sie in den Straßenbereich, und davon fließen
100 Prozent in den Neu- und Ausbau von Straßen und
0 Prozent in den Erhalt - kein Cent.
({7})
Das finde ich wirklich einfach wahnsinnig. Wenn man
weiß, dass die Rader Hochbrücke gesperrt wurde, dass
die Rheinbrücke bei Leverkusen gesperrt wurde,
({8})
dann empfindet man diese Ignoranz, diese Politik nach
dem Motto „Neubau vor Erhalt“, als verantwortungslos,
Herr Dobrindt. Damit sorgen Sie dafür, dass weitere
Brücken, Autobahnen und Bundesstraßen gesperrt werden müssen. Diese ignorante Politik ist wirklich der Gipfel der Verantwortungslosigkeit.
({9})
Das ist ungefähr so, als würden Sie in ein neues Haus
einziehen und merken, dass es durch das Dach regnet,
aber anstatt das Dach zu reparieren, fangen Sie an, eine
zweite Garage und einen neuen Wintergarten zu bauen.
Die Frage ist ja: Warum machen das CSU-Verkehrsminister? Dazu muss man einfach wissen, dass Bayern
jetzt für den neuen Bundesverkehrswegeplan 400 neue
Straßenbauprojekte angemeldet hat, Gesamtkosten rund
17 Milliarden Euro.
({10})
Das umzusetzen, würde bei der derzeitigen Mittelausstattung circa 160 Jahre dauern. Dann wären wir im
Jahre 2174. Aber man kann ja als CSU-Verkehrsminister
versuchen, in bester CSU-Selbstbedienungsmanier Geld
für den Erhalt nach Bayern umzuleiten, für den Bau
neuer Straßen. Aber ich sage Ihnen, Herr Dobrindt - nur
damit das klar ist -: Es heißt „Bundesverkehrswegeplan“
und nicht „bayerischer Verkehrswegeplan“.
({11})
Herr Dobrindt, Sie packen jetzt im Haushalt bei den
öffentlich-privaten Partnerschaften ordentlich etwas
drauf, obwohl Sie wissen, dass Sie damit Lasten in die
Zukunft verschieben. Das ist eine Umgehung der Schuldenbremse. Das sagen nicht nur wir; das kritisiert der
Bundesrechnungshof zu Recht immer wieder. Wenn Sie
schon nicht auf uns hören, dann hören Sie doch bitte wenigstens auf den Bundesrechnungshof. Mit dieser Umgehung der Schuldenbremse muss endlich Schluss sein.
({12})
Ich will kurz auf den Breitbandausbau eingehen. Wir
finden dazu im Haushalt einfach nichts. Wo ist das Konzept? Es gibt viele schöne Ankündigungen, aber kein
Konzept, keine Finanzierung. Auch das verschieben Sie
auf später. Aber ich sage Ihnen: Nur aufgrund vollmundiger Ankündigungen - dadurch, dass Sie sagen, Sie nutzen irgendwann später die Digitale Dividende für den
Breitbandausbau - wird doch kein einziges Glasfaserkabel gelegt. Da hilft auch kein Deutscher Computerspielpreis. Bisher ist das noch alles virtuelle Realität, Herr
Dobrindt.
({13})
Ich will zum Thema Großprojekte kommen. Wir haben uns heute Morgen im Haushaltsausschuss zu Recht
einvernehmlich dafür ausgesprochen - alle Fraktionen -,
dass die fünfte Schleuse in Brunsbüttel gebaut wird, dass
die Gelder dafür freigegeben werden. Das ist ein wichtiges Verkehrsinfrastrukturprojekt. Aber was gar nicht
geht, ist der Umgang des Verkehrsministeriums mit dem
Fall. Der Bundesrechnungshof hat dem Haus schon
Ende Februar gesagt, dass er massive Bedenken hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit hat, dass er glaubt, dass
es unwirtschaftlich sei. Diese Bedenken konnten wir
jetzt ausräumen, aber nicht, weil das Verkehrsministerium so klasse gehandelt hat. Herr Dobrindt, Sie und Ihr
Staatssekretär haben uns kein Wort gesagt. Sie wollten
das einfach so im Haushaltsausschuss durchdrücken. Ich
sage Ihnen: So kann man nicht mit den Haushältern, so
kann man nicht mit dem Haushaltsausschuss umgehen.
({14})
Herr Dobrindt, das Schärfste ist: Sie wussten davon
gar nichts. Ihr eigenes Haus hat Sie nicht darüber informiert, dass das Projekt durch die Bedenken des Bundesrechnungshofes massiv gefährdet ist. Ihre Abteilungsleiterin wusste es, Ihre Staatssekretäre wussten es, wir
wussten es - seit der Sitzung des Haushaltsschusses am
2. April -,
({15})
aber Sie haben es erst am Abend, also noch nach den
Haushältern, erfahren. Daran sieht man doch: Ihnen tanzen die Leute in Ihrem Haus auf der Nase herum. Sie
sind noch lange nicht als Verkehrsminister angekommen.
({16})
Bei der Schleuse Brunsbüttel, bei Autobahnprojekten,
bei Stuttgart 21 und vielen anderen Großprojekten ist es
inzwischen die Regel, dass es zu Terminverschiebungen
kommt und dass die Kosten explodieren. Ein besonders
peinliches Beispiel dafür ist die Großbaustelle des Flughafens BER. Viermal wurde die Eröffnung verschoben.
2009 wurden die Kosten auf 2,4 Milliarden Euro geschätzt, in der Presse kursieren mittlerweile Zahlen von
5 bis 10 Milliarden Euro, das brandenburgische Wirtschaftsministerium rechnet mit 8 Milliarden Euro. Absurdistan, kann ich da nur sagen.
Wir haben immer noch keine Transparenz hinsichtlich
der tatsächlichen Kosten. Deswegen fordere ich Sie im
Namen des Haushaltsausschusses auf: Legen Sie endlich
sowohl den Kostenplan als auch den Zeitplan offen. Als
Bund muss man politisch an die Sache herangehen, Herr
Dobrindt. Sie können sich nicht immer wegducken.
Übernehmen Sie endlich Verantwortung beim BER, statt
immer nur mit dem Finger auf andere zu zeigen.
({17})
Meine Damen und Herren, klar ist: Wir brauchen eine
sachliche, finanziell realistische und transparente Verkehrsplanung. Wir müssen vor allen Dingen in den Erhalt und in sinnvolle Zukunftsprojekte, die wichtig für
den Klimaschutz sind, investieren. Immer neue Straßen,
immer neue schillernde Großprojekte, die viel kosten
und wenig bringen, können wir uns nicht mehr leisten.
Wir brauchen eine echte Wende in der Verkehrspolitik
und keine CSU-Klientelpolitik.
Vielen Dank.
({18})
Danke, Herr Kollege. Sie haben eben von Fahnen gesprochen. Aus Bayern kommend muss ich Herrn
Straubinger recht geben: Unsere Fahne ist weiß-blau. Sie
haben blau-weiß gesagt, aber das ist Schalke, und das
traue ich Herrn Dobrindt nicht zu.
Vizepräsidentin Claudia Roth
({0})
Dass Herr Dobrindt keine Schalker Fahne aufzieht, das
ist, glaube ich, unstrittig. - Nix gegen Schalke!
({1})
Aber das ist ein ganz anderes Thema. Jetzt kommen wir
wieder zum Thema Verkehr.
Nächster Redner in der Debatte ist Reinhold Sendker
für die CDU/CSU-Fraktion.
({2})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! „Erhalt vor Neubau“ hat für uns ganz klar
Priorität, das will ich noch einmal betonen.
({0})
Um weitere Verschlechterungen des Zustands unserer
Verkehrsanlagen zu vermeiden, bedarf es zusätzlicher
Finanzmittel. Vor diesem Hintergrund sind die 5 Milliarden Euro, die mehr in den Bereich Verkehr investiert
werden, eine sehr positive Botschaft der Großen Koalition an unser Land.
({1})
Die abzusenkende Lkw-Maut, von der gesprochen
wurde, vor allem begründet durch das derzeit geringe
Zinsniveau, führt zu einer Finanzierungslücke, die durch
Maßnahmen wie beispielsweise einer weiteren Bemautung nur zum Teil kompensiert werden kann. Dass es im
Ergebnis bei den zusätzlichen 5 Milliarden Euro bleibt,
ist der Verständigung zwischen Finanzminister und Verkehrsminister zu verdanken. Der Verkehrsminister hat
eben dem Finanzminister gedankt. Lieber Alexander
Dobrindt, ich möchte ergänzen: Auch Sie haben sehr
schnell und erfolgreich agiert. Herzlichen Dank dafür.
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Einbeziehung
der externen Kosten für die durch den Lkw-Verkehr verursachten Lärm- und Luftverschmutzungsfolgekosten ist
ein Beitrag zur Kostenwahrheit im Bereich Verkehr und
somit ein Schritt in die absolut richtige Richtung. Der
Etatentwurf für 2014 sieht rund 10,5 Milliarden Euro
vor. Ein weiterer Aufwuchs auf 11 Milliarden Euro,
dann auf 11,6 Milliarden Euro und schließlich auf
12,1 Milliarden Euro ist geplant.
Lassen Sie mich darauf hinweisen, dass in den Jahren
vor der Finanz- und Wirtschaftskrise Investitionsmittel
in Höhe von rund 9 Milliarden Euro vorgesehen waren.
Der Aufwuchs der Investitionslinie ist nun unter der
Conditio der Haushaltskonsolidierung der letzten Jahre
ausdrücklicher Beweis dafür, dass uns durch stete und
beharrliche Bemühungen eine Verbesserung der Investitionslinie gelungen ist. Das ist ein Erfolg unserer Politik.
({3})
Wahr ist aber auch, dass die Investitionsmittel nicht
ausreichen. Das gilt für alle Verkehrsträger. Ein Beispiel
sind die zahlreichen notwendigen Brückenbausanierungen. Die Verkehrsprognosen weisen auf stark steigende
Schwerlastverkehre und damit auf die Notwendigkeit, zu
handeln, hin. Lieber Herr Minister, wir begrüßen die in
dieser Woche im Sinne der Anlagenverantwortung im
Bundesverkehrswegeplan vorgenommene Prioritätensetzung: 70 zu 30, Erhalt vor Neubau.
In dieser Diskussion sind für uns fünf Punkte von besonderer Bedeutung:
Erstens. Ja, wir brauchen einen weiteren Aufwuchs
im Bereich der Verkehrsinvestitionen. Dafür werben wir.
Dass im Bundesverkehrswegeplan 2015 die Klassifizierung „Vordringlicher Bedarf Plus“ für hochbelastete
Knotenpunkte, für Netzlücken und für die Einbindung
transeuropäischer Verkehrsachsen vorgesehen ist, unterstreicht diese Forderung ausdrücklich.
Zweitens. Der Bund hat seine Investitionslinie erhöht.
Er leistet aber auch in anderen Bereichen, wie bei den
Entflechtungsmitteln im Bereich der Gemeindeverkehrsfinanzierung, deutlich mehr, als ursprünglich gesetzlich bestimmt wurde. Die Verkehrskommission von Dr. Daehre
und Professor Bodewig hat den zusätzlichen Investitionsbedarf bezogen auf alle staatlichen Ebenen mit über
7 Milliarden Euro beziffert. Dazu ist zunächst zu sagen:
Das ist völlig richtig dargestellt. Es muss an dieser Stelle
aber auch klar gesagt werden, dass der Bund die Investitionsanforderungen an alle staatlichen Ebenen im Bereich Verkehr beim besten Willen nicht alleine schultern
kann.
Drittens. Mit der Erstellung des Finanzkreislaufs
Straße seit dem Jahr 2011 wird mehr Transparenz erreicht. Diesen Weg gilt es fortzusetzen. Dabei kann uns
die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft, unsere VIFG, bestens unterstützen. Durch sie können wir
schon heute titel- und maßnahmenbezogen tagesaktuelle
Daten beziehen. Das ist im Sinne einer optimalen Transparenz und unterstützt uns ganz besonders in unserem
Anliegen, regelmäßige Infrastrukturberichte zu erstellen,
wie es im Koalitionsvertrag vorgesehen ist. Das stärkt
vor allen Dingen auch die Kontrollfunktion des Parlaments. Genau das, mehr Transparenz und mehr Akzeptanz, ist das beste Fundament für unsere Investitionspolitik in der Zukunft.
({4})
Viertens. Die Unionsfraktion unterstützt ausdrücklich
die Forderung nach mehr Transparenz bei der ÖPP-Beschaffungsvariante, also bei öffentlich-privater Partnerschaft. Wir plädieren noch einmal dafür, sie nachhaltig
zu nutzen, wenn sie im Einzelfall vorteilhafter ist. Die
gleiche Forderung stellt im Übrigen auch das Deutsche
Verkehrsforum. Wer in dieser Wahlperiode angesichts
des engen Finanzrahmens, über den wir hier sprechen,
zusätzliche Verkehrsinvestitionen will, der kann vorteilhafte ÖPP-Projekte beim besten Willen nicht zurückweisen.
({5})
Fünftens. Schließlich ist die Koalition mit der Herstellung der Überjährigkeit auf einem richtigen Weg, vor
allem im Sinne der Herstellung von mehr Flexibilität bei
der Mittelverwendung.
Die Anpassung des Mittelbedarfs beim Bau der fünften Schleusenkammer am Nord-Ostsee-Kanal, beim Erhalt des westdeutschen Kanalnetzes, bei Maßnahmen an
Main, Mosel und Neckar sowie weitere 125 Millionen
Euro Bedarfsmittel für die Schiene in 2016 sind weitere
Botschaften des Einzelplans 12.
Ich spreche die Lärmsanierungsaufgaben an Straße
und Schiene und die Ansätze für die kombinierten Verkehre und die NE-Bahnen, nicht bundeseigene Eisenbahnen, an. Das ist angesichts einer umweltgerechten
Bewältigung anwachsender Güterverkehre eine besondere Aufgabe. Was die Investitionen im Bereich Schiene
insgesamt anbelangt, möchte ich sagen, dass Bahnchef
Dr. Grube am vergangenen Mittwoch vor Ausschussmitgliedern Kritik geübt hat. Er hat aber auch unseren Koalitionsvertrag gelobt. Er hat - das sei ausdrücklich festgestellt - gesagt, es habe noch nie einen für die Schiene
so positiven gegeben. Das haben wir sehr gerne gehört.
Wir werden diese Punkte entsprechend umsetzen.
Ich nenne nicht zuletzt das Thema Verkehrssicherheit.
Die Zahl der täglich zu beklagenden Verkehrstoten im
Straßenverkehr ist über die Jahre erfreulicherweise rückläufig gewesen. 1970 waren es noch 58, im letzten Jahr
9 Tote täglich. Auch hier sind wir erkennbar auf einem
guten Weg, sodass diese Zahl weiter sinken wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind gute Botschaften aus dem Einzelplan 12. Die positiven Optionen
aus dem Koalitionsvertrag werden umgesetzt. Unser
Minister ist erfolgreich unterwegs. Wir werden in unserer Koalition weiter daran arbeiten, unsere Verkehrsanlagen im Interesse der Sicherheit der Menschen und der
Prosperität der Volkswirtschaft, also im Sinne von
Wachstum, Fortschritt und Wohlstand für die Menschen
in unserem Lande, weiter zu ertüchtigen.
Herzlichen Dank.
({6})
Vielen Dank, Herr Kollege Sendker. - Das Wort hat
Bettina Hagedorn für die SPD.
({0})
Guten Morgen, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Der Einzelplan 12 ist hier schon vielfach gewürdigt worden als der Etat, der in den nächsten
vier Jahren 5 Milliarden Euro mehr für Investitionsmaßnahmen haben wird. Darüber sind wir alle sehr froh. Als
Haushälter wären wir - ich glaube, das kann ich für alle
Haushälter sagen - bei der Besetzung der Jubelchöre
aber eine glatte Fehlbesetzung. Haushälter gelten in diesem Parlament nun einmal eher als Spaßbremsen.
({0})
Ich sage das aus folgendem Grund: Wo Licht ist, Herr
Minister, ist auch Schatten. Wir alle in diesem Haus wollen gemeinsam viel Geld für den Erhalt unserer Infrastruktur mobilisieren, insbesondere für den Erhalt von
Schienen, Straßen und Wasserwegen; denn die marode
Infrastruktur ist uns bekannt. Wir haben aber auch Verantwortung für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes,
und wer dieses Geld zur Verfügung stellen will, darf bei
den 5 Milliarden Euro, die im Koalitionsvertrag vereinbart sind, nicht stehen bleiben.
Ich will hier deutlich sagen: Ja, Herr Minister, Sie haben mit der Bekanntgabe des Wegekostengutachtens und
dem Minus von 2 Milliarden Euro bei den Einnahmen
aus der Lkw-Maut natürlich bedauernd eingestehen müssen, dass wir an dieser Stelle Mindereinnahmen haben
werden, die sich logischerweise auch negativ auf die Investitionen auswirken werden, wenn wir nicht gemeinsam gegensteuern. Darum möchte ich den Blick darauf
lenken, dass wir das wirklich mit ganzer Kraft tun müssen.
Dieses Jahr spielt dabei eine wichtige Rolle. Es ist
schon darauf hingewiesen worden, dass wir selbstverständlich die Ausweitung auf alle die Bundesstraßen, die
Inhalt des Koalitionsvertrages sind, vornehmen werden.
Diese haben eine Länge von insgesamt 40 000 Kilometern. Aktuell wird nur auf 14 000 Kilometern Straße tatsächlich Maut erhoben. Das macht deutlich, dass wir nur
mit einem noch mutigeren Schritt als dem, den Sie hier
gerade beschrieben haben, erfolgreich sein werden.
({1})
Herr Minister, dafür jetzt in diesem Jahr gemeinsam
die Weichen zu stellen, und zwar, wie mein Kollege
Sören Bartol es beschrieben hat, am besten mit einer
breiten Mehrheit hier in diesem Hause, muss unser gemeinsames Ziel sein. Selbstverständlich muss es auch
unser gemeinsames Ziel sein, das Schiedsverfahren mit
Toll Collect in dieser Legislaturperiode zu einem Ende
zu bringen. Das eine gehört auf jeden Fall mit dem anderen zusammen.
Unser Ziel ist es natürlich nicht, dass wir, die wir
2009 gemeinsam die Schuldenbremse eingeführt haben,
jetzt mit Maßnahmen, die im Verkehrsbereich - nicht
von uns, aber von anderen - teilweise gefordert werden,
sozusagen Schattenhaushalte aufbauen, die letzten Endes zwar dazu dienen würden, Geld zu mobilisieren, was
aber auf Kosten unserer Kinder und Enkel geschehen
würde. Das wollen wir ausdrücklich nicht.
Ich möchte daher noch ein Thema ansprechen, das
auch schon von Ihnen angesprochen wurde. Das ist das
Thema PPP. Herr Minister, Sie haben gesagt, PPP sei
eine Finanzierungsvariante. Das ist es ausdrücklich
nicht. Es ist eine Beschaffungsvariante. Das steht auch
so in unserem gemeinsamen Koalitionsvertrag. Dort haben wir geschrieben:
Wir wollen die Möglichkeiten der Zusammenarbeit
von öffentlichen und privaten Geldgebern oder Infrastrukturgesellschaften als zusätzliche Beschaffungsvariante nutzen, wenn dadurch Kosten gespart
und Projekte wirtschaftlicher umgesetzt werden
können.
({2})
Dies muss ebenso wie bei Betriebsvergaben in jedem Einzelfall transparent und unabhängig nachgewiesen werden.
({3})
Dieses Zitat aus unserem Koalitionsvertrag habe ich
hier deshalb noch einmal vorgetragen, Herr Minister,
weil Sie beim Thema PPP vorhin gesagt haben, wir
wollten die Effizienz von Verkehrsvorhaben beobachten.
Das ist in der Tat ein bisschen zu wenig. Wir wollen
diese PPP-Projekte auch nicht, wie Sie es ausgedrückt
haben, „fair“ prüfen. Für das Wort „fair“ gibt es eine
ganz klare Definition. Diese liefert uns der Bundesrechnungshof. Ich möchte den Kollegen sagen, dass wir uns
im letzten Sommer im Rechnungsprüfungsausschuss mit
der Prüfbemerkung des Bundesrechnungshofes zu einem
PPP-Verfahren in Niedersachsen beschäftigen mussten.
Dabei wurde ganz klar nachgewiesen, dass dieses Verfahren teurer war, als wenn es von der öffentlichen Hand
in Auftrag gegeben worden wäre.
({4})
Es wurde vonseiten der Politik durchgesetzt und von Ihnen angewiesen. Fakt ist aber, dass ein solches Projekt
aufgrund der Vereinbarungen in unserem Koalitionsvertrag in der Zukunft nicht mehr auf diese Weise in Auftrag gegeben werden darf.
({5})
Vor diesem Hintergrund will ich ganz deutlich sagen:
Ja, es liegt in unserem gemeinsamen Interesse, dass wir
Mittel zur Verfügung stellen; die Lkw-Maut habe ich bereits erwähnt. Es geht aber auch darum, dass wir uns bewusst sind, welche Probleme wir in den nächsten Jahren
noch gemeinsam zu bewältigen haben werden.
Herr Minister, Sie haben zu Recht das Thema LuFV
- für die Zuschauer: das ist die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mit der Deutschen Bahn - angesprochen. Diese sollte eigentlich schon 2012 bzw. 2013 von
der Vorgängerregierung verhandelt worden sein. Das hat
aber nicht funktioniert. Jetzt gibt es eine zweijährige
Verlängerung. Diese kostet uns 250 Millionen Euro pro
Jahr. Im Klartext heißt das: Bisher hat die Bahn 2,5 Milliarden Euro pro Jahr im Rahmen dieser Leistungs- und
Finanzierungsvereinbarung erhalten. Jetzt sind es
2,75 Milliarden Euro. Wir werden uns noch in diesem
Jahr an den Folgevertrag setzen müssen. Wir haben mit
Ihnen weitere Kriterien zu diesem Thema fest verabredet
- diese sind im Koalitionsvertrag zu finden -, die wir
miteinander weiterentwickeln wollen.
Wir wollen auch - das sage ich als Haushälter im Namen aller Kollegen im Haushaltsausschuss -, dass die
Prüffähigkeit durch den Bundesrechnungshof in Zukunft
gegeben ist; das ist gegenwärtig nicht der Fall. Das wird
uns helfen, mehr Transparenz zu schaffen.
Eines ist aber klar - das wissen wir alle -: Wir werden, wenn wir all diese Punkte geklärt haben, für die
Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mehr Geld in
die Hand nehmen müssen. Es wird sich dabei um einen
mehr als dreistelligen Betrag handeln. Das liegt deutlich
über dem, was bisher im Haushalt und im Finanzplan
vorgesehen ist. Umso wichtiger ist es, dass wir auch die
dafür notwendigen Einnahmen generieren, und zwar
auch - aber nicht nur - zulasten des Steuerzahlers. Wir
in der Großen Koalition sind gemeinsam von dem Gedanken getragen, dass wir die Nutzer im notwendigen
Umfang für die Finanzierung heranziehen wollen; das
gilt insbesondere im Hinblick auf die Lkw-Maut.
({6})
Ich freue mich auf die gemeinsame Zusammenarbeit
mit Ihnen in der Koalition. Ich denke, wir werden schon
im Jahr 2014 deutlich vorankommen.
Vielen Dank.
({7})
Vielen Dank, Frau Kollegin Hagedorn. - Nächste
Rednerin in der Debatte ist Sabine Leidig für die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Der Verkehrsetat ist mit Investitionsmitteln in Höhe von
über 12 Milliarden Euro der größte Batzen, mit dem der
Bund die Zukunft des Landes festlegt bzw. betoniert.
Deshalb ist es ganz besonders wichtig, dass man sich anschaut, welche Weichenstellungen vorgenommen werden; denn sie betreffen nicht nur unsere Generation, sondern auch die nächsten Generationen.
Wir haben uns einmal angeschaut, was eigentlich seit
der Klimaschutzkonferenz in Rio vor 22 Jahren geschehen ist. Damals hat die Weltgemeinschaft festgestellt,
dass der Ausstoß von CO2 ein wesentliches Problem für
die Zukunft ist. Ich erwähne diesen Zeitraum, weil der
Verkehrssektor ein wesentlicher Treiber des Klimawandels ist.
Wenn wir die letzten 20 Jahre betrachten, dann zeigt
sich, dass alle acht Verkehrsminister dafür gesorgt haben, dass es hierzulande mehr Autobahnen und weniger
Eisenbahnen gibt - ob sie Wissmann, Müntefering,
Klimmt, Bodewig, Stolpe, Tiefensee oder Ramsauer heißen.
Konkret bedeutet das, dass seit 1993 2 000 Kilometer
zusätzliche Autobahnstrecken in diesem Land gebaut
worden sind. Das ist eine gigantische Größe, wenn man
bedenkt, dass das Land auch 1993 schon voll industrialisiert, voll funktionsfähig war.
({0})
Hinzu kommt, dass in derselben Zeit das Schienennetz
hierzulande um 7 000 Kilometer abgebaut worden ist.
({1})
Das ist eindeutig eine falsche und zerstörerische Richtung. Denn wer es ernst meint mit Klimaschutz und
Nachhaltigkeit, mit der Stärkung der Schiene, der muss
diesen Trend endlich umkehren;
({2})
mit jedem neuen Verkehrshaushalt können Sie darüber
entscheiden. Unter diesem Aspekt muss man den vorgelegten Verkehrshaushalt ablehnen. Denn auch in diesem
Jahr sollen wieder rund 5 Milliarden Euro in die Straße,
aber nur 4 Milliarden Euro in die Schiene investiert werden. Das ist die falsche Gewichtung.
({3})
Es ist gar nicht so schwer, dieses Verhältnis umzukehren. Es gibt dafür ausgezeichnete Vorarbeiten. Ich
möchte Ihnen eine dicke Broschüre empfehlen. Sie ist
im Dezember letzten Jahres von dem Bundesnetzwerk
„Verkehr mit Sinn“ vorgelegt worden. In diesem Rahmen haben sich 140 Bürgerinitiativen zusammengeschlossen und mit Unterstützung des BUND, des NABU
und des VCD eine Alternativen- und Streichliste im Hinblick auf den Bundesverkehrswegeplan vorgelegt.
({4})
Das ist eine wirklich fundierte Arbeit geworden. Ich
wünsche mir, dass wir solche Vorlagen auch einmal aus
dem zuständigen Ministerium bekommen.
({5})
In dieser Liste werden - gut begründet - 61 Vorhaben
zum Neu- und Ausbau von Bundesstraßen und Bundesautobahnen in der ganzen Republik zur Streichung vorgeschlagen. Zu jedem einzelnen Projekt können Sie
nachlesen, warum es verzichtbar ist, ebenso im Einzelnen die Kritikpunkte und die möglichen Alternativen,
vor allem aber, wie hoch die sinnvollen Einsparungen
sind, die darin stecken. Das Ergebnis: Mehr als 20 Milliarden Euro können in den nächsten vier Jahren gespart
werden - ohne Weiteres -, wenn diese unnötigen und
überdimensionierten neuen Straßenbauprojekte nicht
verwirklicht werden. Sie könnten diese 5 Milliarden Euro
stattdessen komplett einsetzen, um die maroden Gleisanlagen, Schleusen und Straßenbrücken zu renovieren.
Das wäre nachhaltige Verkehrspolitik, die wir unterstützen.
({6})
Damit aber nicht genug: Es geht uns überall darum,
dass das Steuergeld so eingesetzt wird, dass der Nutzen
für die Allgemeinheit möglichst groß ist. Das gilt auch
für die Bahn. Wir wollen nicht, dass Unsummen für
fragwürdige Großprojekte ausgegeben werden, während
viele nützliche kleine Projekte auf der Strecke bleiben.
Nach wie vor stehen viele Lückenschlüsse aus. Es gibt
ein Paradebeispiel für diese Art von Fehlinvestitionen,
wie sie auch bei der Bahn vorkommt: Stuttgart 21.
({7})
Ursprünglich sollte Stuttgart 21 der große Wurf der
Bahn des 21. Jahrhunderts werden. Angeblich ging es
um eine große europäische Magistrale. Irgendwann hing
sogar die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland daran. Aber der Lack ist längst ab. Es sind zwei Studien vorgelegt worden, die von der Bahn bezahlt wurden; sie sind sozusagen Auftragsarbeiten, die 20 Jahre
Bahnreform resümieren und die ganze Geschäftspolitik
und alles andere in schillernden Farben loben. Aber
- das ist bemerkenswert -: Stuttgart 21, das auch 20. Geburtstag feiert, kommt nirgendwo vor.
({8})
Mit keinem Wort wird es erwähnt, und das aus gutem
Grund. Es soll offenbar einfach vergessen werden. Es
hat keinen wirtschaftlichen Nutzen, und es hat schon gar
keinen gesellschaftlichen Nutzen. Keiner der Projektpartner will inzwischen noch den Kopf dafür hinhalten.
Aber: Es ist noch möglich, mit einem Bruchteil der
Summe, die da verbuddelt werden soll, eine vernünftige
Alternative zu bauen.
({9})
Ich fordere Sie auf, Herr Minister Dobrindt: Sperren Sie
die Haushaltsmittel für Stuttgart 21, und machen Sie den
Weg frei für eine bessere und weitaus billigere Lösung!
({10})
Wir wollen, dass die Bahn endlich flächendeckend
ausgebaut wird und alle Bahnhöfe barrierefrei werden
- dafür bräuchten Sie nur einen Bruchteil dieser
Summe -, wir wollen bessere und mehr Fahrradwege,
wir wollen Stadtumbauprogramme, und wir wollen, dass
diejenigen unterstützt werden, die umweltfreundlich unterwegs sind.
({11})
Dafür will die Linke nicht einfach mehr Geld ausgeben.
Wir haben nicht nur ein gerechtigkeitsliebendes SteuerSabine Leidig
konzept für mehr Einnahmen, sondern wir haben auch
sehr gute Sparvorschläge - für den Verkehrshaushalt allemal.
Danke.
({12})
Danke, Frau Kollegin. - Das Wort hat Steffen Bilger
für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nachdem ich dem geschätzten Verkehrsminister einen
Teil meiner Redezeit abgeben durfte, kann ich jetzt leider gar nicht viel entgegnen auf die Attacken gegen
Stuttgart 21.
({0})
Ich will nur auf einen Punkt hinweisen. Wenn wir schon
von Gutachten hören: Es gab kürzlich ein Gutachten des
Verkehrsministeriums in Stuttgart, das zu dem Ergebnis
gekommen ist, dass Stuttgart 21 leistungsfähig ist, dass
dieses Projekt Sinn macht. Deswegen lassen Sie uns
doch alle gemeinsam daran arbeiten, dass dieses Projekt
jetzt vernünftig vorankommt!
({1})
Meine Damen und Herren, es ist in der Tat zu begrüßen, dass Investitionen in die Infrastruktur einen
Schwerpunkt der Politik dieser Bundesregierung darstellen. Wie sind wir dazu gekommen, dass jetzt mehr Mittel
für den Verkehrshaushalt zur Verfügung stehen? Es handelt sich um eine gemeinsame Leistung der Verkehrspolitiker aus Bund und Ländern, wofür auch wir im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages gekämpft
haben.
Während der Rede des Ministers und auch in der
Rede des Kollegen Kindler kam immer wieder der Vorwurf, dass so viele Mittel nach Bayern fließen würden.
({2})
Man darf aber nicht außer Acht lassen, wie es dazu
kommt. Wir hatten vor wenigen Wochen die Diskussion
darüber, dass Restmittel, dass Swingmittel nach Bayern
und in andere Bundesländer - auch in das rot-grün
regierte Niedersachsen - geflossen sind. Wer hat Geld
zurückgegeben? Baden-Württemberg beispielsweise hat
erstmals Geld zurückgegeben, das dann in andere Länder geflossen ist.
({3})
Nordrhein-Westfalen ist genau der gleiche Fall. Deswegen bitte erst einmal vor der eigenen Haustür kehren, bevor immer solche Anschuldigungen kommen.
({4})
Jetzt will ich aber Baden-Württemberg nicht nur kritisieren, liebe Kollegen aus der Grünenfraktion. Kollege
Kindler hat angesprochen, dass Bayern für den Bundesverkehrswegeplan Projekte angemeldet hat, deren Realisierung, wenn es bei der gleichen Mittelausstattung
bleibt, 160 Jahre brauchen wird. Ganz so straßenbaufeindlich scheint aber auch Baden-Württemberg nicht zu
sein: Baden-Württemberg hat immerhin Projekte für
112 Jahre angemeldet.
({5})
Wenden Sie sich auch da bitte einmal an die eigenen
Kollegen!
Doch nun, meine Damen und Herren, will ich zu den
eigentlichen Zukunftsthemen kommen, und dabei ist
doch klar: Große Spielräume sind im vorliegenden
Haushalt nicht vorhanden. Umso mehr begrüße ich es,
dass sich dieser Verkehrshaushalt im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten zu den Zukunftstechnologien im
Mobilitätsbereich bekennt. Wir fordern und fördern alternative Antriebe.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage von
Harald Ebner?
Nachdem ich ja Redezeit abgeben durfte und ich noch
nie eine Zwischenfrage gestellt bekommen habe, freue
ich mich sehr darauf.
({0})
So sind se, de Schwoabe, die könnet rechna.
Kollege Bilger, vielen herzlichen Dank! Da kriegen
Sie doch gerne noch ein bisschen Redezeit dazu.
Ich wollte Sie gerne fragen, ob Sie denn Kritik daran
äußern, dass Baden-Württemberg diese Verkehrsprojekte
angemeldet hat, und ob ich Ihre Äußerung dahin gehend
richtig verstanden habe, dass Sie gerne wünschen, dass
Baden-Württemberg in der Zukunft weniger Verkehrsprojekte - Neu- und Ausbaumaßnahmen - anmeldet.
Oder warum haben Sie diesen Satz so geäußert?
({0})
Vielen Dank, Herr Kollege Ebner. Ich begrüße es
sehr, dass Baden-Württemberg diese Projekte angemeldet hat. Das ist in der Tat eine Vielzahl von Projekten;
aber wenn man sich die einzelnen Projekte anschaut,
dann sieht man, dass diese Projekte allesamt auch sinnvoll sind. Jetzt geht es darum, zu kämpfen, dass wir
mehr Geld für die Infrastruktur bekommen. Dazu gehört
zum Beispiel, dass wir die Nutzerfinanzierung ausweiten. Wir können hier alle auch einen Beitrag dazu leisten. Dann werden wir in Baden-Württemberg auch nicht
112 Jahre brauchen, um diese Projekte zu realisieren.
({0})
Wir wollen hier aber nicht nur Landespolitik BadenWürttemberg machen; darum nur noch das als Hinweis:
Wenn die Landesregierung es nicht einmal schafft, die
Mittel für den Erhalt zu verbauen - von den Neubaumitteln gar nicht zu reden -, dann finde ich das wirklich bedauerlich. Also kämpfen wir doch gemeinsam dafür,
dass diese sinnvollen Projekte realisiert werden!
({1})
Doch zurück zur Mobilität der Zukunft: zur Elektromobilität. Wir stehen zu dem Ziel, 1 Million Elektrofahrzeuge bis 2020 erreichen zu wollen. Zugegeben: Je näher wir an das genannte Jahr 2020 kommen, desto mehr
wird offensichtlich, wie ehrgeizig dieses Ziel ist. Aber
ein gewisser Ehrgeiz hilft bekanntlich beim Erreichen
von Zielen. Bundesminister Alexander Dobrindt hat bereits angekündigt, dass es demnächst ein Elektromobilitätsgesetz geben wird. Das zeigt: Wir stehen weiter zur
Elektromobilität.
In diesem Elektromobilitätsgesetz wird es zunächst
vorrangig um verschiedene Einzelmaßnahmen gehen,
die den Steuerzahler nichts oder wenig kosten. Mit klaren Regelungen zur Kennzeichnung von Elektrofahrzeugen oder zu privilegierten Innenstadtparkplätzen können
wir hier schon einen wichtigen Beitrag leisten.
Klare Regelungen sind das eine, Fördermittel für
sinnvolle Projekte sind das andere. Deswegen begrüße
ich sehr, dass im Haushalt 280 Millionen Euro für Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Elektromobilität und
zusätzliche Mittel für das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie
vorgesehen sind. Das ist ein klares Zeichen dafür, dass
wir zu den Zukunftsinvestitionen in die Mobilität stehen.
Meine Damen und Herren, es ist keine Frage: Es gibt
auf dem Weg zu einer nachhaltigen Mobilität der Zukunft noch viel zu tun. Mit diesem Haushalt und unseren
weiteren Maßnahmen in dieser Legislaturperiode schaffen wir aber die Voraussetzungen dafür. Packen wir es
gemeinsam an!
({2})
Vielen Dank, Herr Kollege Bilger. - Das Wort hat
Dr. Valerie Wilms für Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Wenn ich das, was wir jetzt schon über eine Stunde lang
gehört haben, Revue passieren lasse, dann kann ich nur
feststellen: Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von
der Großen Koalition, Politik ist nicht nur das Aufzählen
von Problemen und Träumereien - das gilt insbesondere
für das, was Herr Dobrindt uns gezeigt hat -, sondern
hier muss es auch um Lösungen gehen.
({0})
Ich finde es beschämend, wie Sie als Große Koalition,
die Sie wirklich eine riesige Mehrheit in diesem Hause
haben - leider -, nur den Status quo verwalten. Sie haben schon jetzt, zu Beginn der Wahlperiode, Ihre Arbeit
praktisch eingestellt. Sie reden um die wahren Probleme
herum und tun so, als ob alles so weitergehen kann wie
bisher. Dabei wissen Sie es ja wirklich besser.
Auch die Bürgerinnen und Bürger merken zunehmend, dass etwas gewaltig schiefläuft. 95 Prozent der
Einwohnerinnen und Einwohner kleinerer Städte beklagen laut einer infas-Umfrage aus dieser Woche inzwischen den Verfall der Verkehrswege. Alle sehen, dass
wir so, wie bisher, nicht weitermachen können. Nur Sie
in der Großen Koalition sind da offensichtlich blind.
({1})
Sie tun so, als ob mit den zusätzlichen 5 Milliarden
Euro, von denen Sie hier gesprochen haben, alle Probleme gelöst werden.
({2})
Das stimmt aber nicht. Herr Dobrindt, sagen Sie doch offen, dass Sie den größten Brocken Ihrer zusätzlichen
5 Milliarden Euro in den Beginn neuer Straßenbaumaßnahmen stecken. Wohl gemerkt: Sie versenken das Geld
für den Beginn von neuen Projekten und verpflichten
uns für die nächsten Jahre - und auch unsere nachfolgenden Generationen - zu weiteren Milliardenausgaben, um
das alles fertigzustellen, damit keine Investruinen herumstehen. Das ist ein unverantwortlicher Umgang mit
Steuermitteln;
({3})
denn wir haben vor allem Probleme mit dem Erhalt unserer Verkehrswege. Hierfür brauchen wir mehr Mittel,
Herr Verkehrsminister, und nicht für den Neubau.
Wir müssen es hier ganz deutlich sagen: Bringt diese
Koalition die fehlenden Mittel für den Erhalt nicht auf,
können Straßen, Schienenstrecken und Wasserstraßen
nicht im heutigen Umfang erhalten bleiben. Das ist doch
ganz logisch! Das kann man mit dem kleinen Einmaleins
berechnen; dafür braucht man keine Exponentialgleichungen oder Ähnliches zu lösen.
({4})
Wenn die Mittel für den Erhalt der Substanz nicht da
sind, dann müssen Sie von der Großen Koalition ehrlich
sagen, was dem Verfall überlassen werden soll. Welche
Straße, welche Brücke oder welche Schienenstrecke
wollen Sie zurückbauen? Sagen Sie das den Menschen
ehrlich! Ich bin sehr gespannt, was dann in den Wahlkreisen los ist, was die Damen und Herren mit Direktmandaten erleben werden.
Ich kann nur sagen: Wir Grüne wollen die geschaffenen Werte erhalten und nicht herumtricksen. Hören Sie
von der Großen Koalition endlich auf, den Menschen
weiter etwas vorzugaukeln!
Sie legen aber noch eine weitere Schüppe drauf, Herr
Dobrindt. Es ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten, dass
Sie den Fertigbau begonnener Straßen als Bestandsinvestitionen bezeichnen.
({5})
So wird das verkehrspolitische Mantra von Erhalt vor
Neubau und Ausbau, das Sie ja auch wieder groß im
Mund geführt haben, zur echten Farce. Schade!
({6})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben heute
viel über fehlende Mittel gehört. Das aber ist nur die eine
Seite der Medaille. Die andere Seite der Medaille - das
viel tiefer liegende Problem - ist die gesamte Finanzierungsstruktur. Damit müssten Sie sich als Koalition befassen. Mit Ihren Mehrheiten könnten Sie das regeln. Sie
haben aber die Probleme offensichtlich noch immer
nicht begriffen.
Unser jetziges Haushaltssystem ist rein am Ausgeben
von Geld orientiert. Geld ausgeben ist ja auch die Lieblingsbeschäftigung dieser Großen Koalition. Das Kernproblem ist aber: Wir haben keine Ahnung vom Zustand
unserer Verkehrswege, weil simple kaufmännische Prinzipien im Bundeshaushalt missachtet werden. Das ist unverantwortlich. Das ist die Verantwortung dieser Großen
Koalition und ihres bayerischen Verkehrsministers.
Es ist nicht zu rechtfertigen, wie hier mit den uns anvertrauten Steuermitteln umgegangen wird. Es ist jetzt
wirklich die Aufgabe dieser Großen Koalition, da endlich etwas zu ändern; denn ich kann mich entsinnen: Gerade die Union legt doch immer großen Wert auf ihre
Wirtschaftskompetenz. Dann handeln Sie selbst endlich
wie ehrbare Kaufleute. Das sehe ich bislang nicht.
({7})
Auch die SPD behauptet jetzt, Wirtschaftskompetenz
zu besitzen, aber auch da sehe ich nichts. Würden nämlich Unternehmen ihre Bilanz so machen, wie wir den
Bundeshaushalt führen, dann wären sie längst pleite.
Meine dringende Aufforderung ist daher: Lassen Sie uns
ein System erarbeiten, mit dem wir endlich auch den
völlig normalen Wertverlust von Straßen, Schienen oder
Brücken im Haushalt berücksichtigen.
Meine Fraktion setzt sich daher für eine Vermögensbilanz im Verkehrsetat ein. Wir wollen kaufmännische
Prinzipien einführen. Damit könnten wir auf den ersten
Blick erkennen, wie groß die Werteverluste durch Abnutzung der geschaffenen Anlagen sind, die wir mit
Steuergeldern geschaffen haben. Wir würden dann sehen, wie viel wir reinvestieren müssen - auch Sie, meine
Damen und Herren Zuschauer,
Ihre Redezeit, Frau Kollegin.
- könnten das dann sehr deutlich sehen -, um das Verkehrsnetz wenigstens auf dem gleichen Stand zu erhalten. Von unseren Kommunen verlangen wir das schon
längst.
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. Es reicht
nicht, vor allem für eine Koalition mit diesen Mehrheiten, einfach so wie immer weiterzumachen. Sie haben
eine langfristige Verantwortung. Handeln Sie verantwortungsbewusst! Erhalten Sie die geschaffenen Werte!
Lassen Sie uns das gemeinsam machen.
Vielen Dank.
({0})
Danke, Frau Kollegin. - Das Wort hat Kirsten
Lühmann für die SPD.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Europa reiste einst auf einem Stier. Wenn wir der
Sage glauben, geschah das nicht ganz freiwillig. Aber sie
kam sicher ans Ziel. - In dem vorliegenden Bundeshaushalt geht es um etwas modernere Verkehrsmittel. Glücklicherweise haben wir heutzutage auch die Wahl, wie wir
unsere Güter oder auch Personen von einem Ort zum anderen bewegen. Die Bundesregierung hat die Weichen
dafür gestellt, dass diese sogenannte Multimodalität reibungslos funktioniert, in ganz Europa sogar grenzenlos.
Es ist natürlich schwierig, Deutschland in dieser Mittellage so auszubauen, dass das alles so funktioniert, wie
wir uns das vorstellen. Aber diese Mittellage ist für
Deutschland auch ein Pfund, mit dem wir wuchern können. Durch diese Mittellage profitieren nämlich nicht
nur unsere Logistikunternehmen, sondern auch die Menschen in unserem Lande mit ihrer individuellen Mobilität.
Die EU hat nun mit den Leitlinien für die TEN, die
transeuropäischen Netze, Korridore im Bereich von
Straße, Schiene und Wasserstraße festgelegt, die vorrangig auszubauen sind. Insbesondere hat die Europäische
Union dem Aspekt der Vernetzung, also der Möglichkeit, von einem Verkehrsträger auf den anderen zu wechseln, besondere Bedeutung zugemessen. Das findet sich
auch in unserem Haushalt wieder. Auch dort haben wir
Titel, mit deren Mitteln wir den Anlagenbau dadurch
fördern, dass wir zum Beispiel Güter von der Schiene
auf die Straße und umgekehrt transportieren können. Wir
müssen nur darauf aufpassen, dass das Geld, das wir zur
Verfügung stellen, seine Wirkung voll entfalten kann.
Neben der Vernetzung der Verkehrsmittel ist es auch
bedeutend, dass wir die Rahmenbedingungen bei der
Mobilität europaweit harmonisieren. Neben den einheitlichen Sicherheitsstandards auf hohem Niveau sind insbesondere einheitliche Zulassungsverfahren im Eisenbahnbereich oder zum Beispiel Veränderungen beim
Umbau von Lkw im Sinne einer CO2-Reduzierung wichtig, genauso aber wie die konsequente Umsetzung von
EU-Urteilen zum Verbraucherschutz.
Dabei dürfen wir aber nicht aus den Augen verlieren,
dass in einem so dicht besiedelten Land wie unserem die
Belastung der Bevölkerung zum Beispiel durch Lärm
eine besondere Bedeutung hat. Daher haben wir in diesem Haushalt die Mittel für den Lärmschutz an den
Schienenwegen deutlich erhöht, und wir werden auch
die Anstrengungen im Straßenbereich ausweiten.
Weil wir den Straßenverkehr sicherer machen wollen,
werden wir auch hier verstärkt auf Vernetzung setzen
müssen, und zwar auf Vernetzung der Akteure auf der
Straße von Telematik über Onlineparkplatzreservierungen an Autobahnen bis hin zu automatischen Abstandswarnungen. Hierbei wirkt es sich vorteilhaft aus, dass
unser Ministerium jetzt auch für den Ausbau leistungsfähiger, mobiler und stationärer Zugänge zum Internet zuständig ist. Das ist eine Voraussetzung für alle diese
Innovationen. Die Aktivitäten hierzu werden wir ab den
folgenden Haushalten realistisch abbilden.
Aber zurück zu den TEN-Korridoren: Sie stellen die
nationalen Regierungen, auch die unsere, vor große Herausforderungen, zumal Deutschland in besonderem
Maße betroffen ist: Sechs von neun dieser Korridore verlaufen durch Deutschland. Mit der Aufstockung der Mittel für die Verkehrsinfrastruktur - mein Kollege Sören
Bartol hat das schon ausgeführt - ist ein wichtiger
Schritt hin zu einer besseren Finanzierung getan worden.
Bei den Beratungen wird es jetzt darauf ankommen, dass
bei der Verteilung dieser Mittel alle Verkehrsträger angemessen Berücksichtigung finden werden.
({0})
Bei der Realisierung unserer Projektideen werden wir
aber mit der bisherigen Praxis der Verkehrswegeplanung
die neuen Herausforderungen nicht meistern können.
Der Bundesverkehrswegeplan war und ist in seiner jetzigen Form eher ein Wünsch-dir-was-Konzert. Realistische Priorisierungen, die sich an einem bundesweiten
oder gar europäischen Netzgedanken orientieren, sind
bis auf wenige Ausnahmen Fehlanzeige.
Allein die höchste Kategorie „Vordringlicher Bedarf“
im aktuellen Bundesverkehrswegeplan enthält knapp
3 000 Kilometer Ortsumfahrungen, insgesamt etwa
800 Fernstraßenprojekte, 47 Schienenprojekte und 26 Wasserstraßenprojekte. Sie alle bei annähernd gleichbleibenden Mitteln zu bauen, würde uns 25 Jahre kosten. Allerdings läuft dieser Bundesverkehrswegeplan im nächsten
Jahr aus.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat in der vergangenen
Wahlperiode umfangreiche Konzepte zu einer zukunftsweisenden Verkehrspolitik vorgelegt und dabei einen
Entwurf für eine moderne Verkehrsnetzplanung erarbeitet. In der Grundkonzeption für einen neuen Bundesverkehrswegeplan, den Verkehrsminister Dobrindt gerade
vorgelegt hat, finden wir unsere Vorstellung weitgehend
und in entscheidenden Punkten wieder.
Der neue Bundesverkehrswegeplan wird eine Netzplanung sein. Diese Netzplanung wird die Grundlage für
ein nationales Prioritätenkonzept bilden. Damit werden
wir Projekte identifizieren, die besonders dringend umgesetzt werden müssen, weil damit bedeutsame Netzlücken geschlossen oder hochbelastete Knoten entlastet
werden. Verkehrsachsen, zu denen wir binationale Verträge haben, oder auch die von mir angesprochenen
TEN-Korridore gehören ebenfalls in diese Kategorie.
Wir werden dafür bis zu 80 Prozent der Mittel zur Verfügung stellen.
Die EU unterstützt unsere nationalen Anstrengungen
beim Ausbau dieser Korridore und bei der Lärmreduzierung an der Schiene mit deutlich aufgestockten Mitteln.
Wir müssen zusehen, dass wir diese auch ausreichend
nutzen können. Voraussetzung dafür sind aber ausreichende und zügige Planungen bei allen drei Verkehrsträgern. Bei Schiene und Wasserstraßen, den Verkehrsträgern, die in unserer Zuständigkeit liegen, werden wir
Optimierungen vornehmen, damit wir schneller vorankommen können.
({1})
Ich weiß nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, ob
das Reisen auf Stieren heute noch möglich wäre. Ich
denke, verkehrsrechtlich gäbe es dabei weniger Probleme, aber die Tierschützer würden das zu Recht untersagen. Ich weiß aber sicher, dass wir mit den Vereinbarungen, die diese Regierung im Verkehrsbereich
getroffen hat, die Voraussetzung dafür geschaffen haben,
dass der Transport von Gütern und das Reisen in
Deutschland zukunftssicher aufgestellt werden können.
Ich freue mich, mit Ihnen gemeinsam an diesem Ziel arbeiten zu dürfen.
Herzlichen Dank.
({2})
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Nächster Redner:
Eckhardt Rehberg, CDU/CSU.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Wenn man die Pällmann-, die Daehre- und die
Bodewig-Kommission und deren Gutachten sowie deren
Kriterien als Maß für die Höhe der Ausbaumittel bei der
Verkehrsinfrastruktur nimmt, dann kann man sagen: Wir
sind deren Forderungen mit dem vereinbarten Koalitionsvertrag ein großes Stück entgegengekommen.
5 Milliarden Euro insgesamt für die Verkehrsinfrastruktur: Ich glaube, das sollte man nicht schlecht- oder kleinreden.
Herr Kollege Kindler, ich habe den Eindruck, Sie haben den Bundeshaushalt 2014 nicht gelesen.
({0})
Wie können Sie hier behaupten, dass keine Mittel in die
Erhaltung fließen und nur 3,6 Milliarden Euro in den
Neubau?
({1})
Beim Ist 2013 sind von den steuerfinanzierten Straßenbaumitteln 2,5 Milliarden Euro in die Erhaltung geflossen und nur 900 Millionen Euro in den Neubau. Sie erzählen hier einen Unfug sondergleichen. Es ist unwahr,
was Sie gesagt haben, Kollege Kindler.
({2})
Frau Kollegin Leidig, ich persönlich bin sehr froh,
dass in meinem Heimatland die A 20 gebaut wurde und
die A 14 im Bau ist.
({3})
Ich bin für die Kolleginnen und Kollegen aus Sachsen
sehr froh, dass wir die A 17 nach Prag haben und die A 4
von Bautzen nach Görlitz. Wenn wir, wie Frau Lühmann
zu Recht gesagt hat, in Deutschland den Anforderungen
an uns als Land in der Mitte Europas gerecht werden
wollen, dann brauchen wir gerade in den neuen Bundesländern Ost-West- und Nord-Süd-Verbindungen. Wenn
Sie hier sagen, dass Sie gegen den Neubau der Autobahnen der letzten 20 Jahre waren, dann mache ich Ihnen
den Vorschlag, Ihnen persönlich und allen, die geklatscht
haben: Für Sie Autobahnverbot auf diesen Autobahnen!
({4})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was sind
die Herausforderungen? Wir werden als Koalition das
umsetzen, was im Kabinettsbeschluss zur Überjährigkeit
vereinbart worden ist. Es ist ein großer Fortschritt, wenn
wir in einem Haushaltsvermerk festlegen, dass Ausgabereste, die im Einzelplan 12 in den Hauptgruppen 7 und 8
bei den Kap. 12 03, 12 10 und 12 22 entstehen, für das
Folgejahr und weitere Folgejahre, wenn es sie dann immer noch gibt, nicht aus dem Einzelplan 12 ausfinanziert
werden müssen, sondern aus dem Gesamthaushalt. Dies
trägt zur Verstetigung der Verkehrsinfrastrukturmittel
bei. Wir haben nicht mehr das Dezemberfieber; vielmehr
kann man Geld gleichmäßig ausgeben. Viele Projekte
werden billiger werden. Ich halte das für einen Riesenfortschritt, wenn wir dieses umsetzen. Die Koalition ist
fest entschlossen, dieses auch zu tun.
({5})
Ich bin heute zitiert worden mit dem Satz: Wir müssen uns ehrlich machen in der Verkehrspolitik. - Meine
Damen und Herren, manche beklagen die Kostendynamik, aber sie schauen nicht, wo die Ursachen liegen.
Hier wurde kritisiert, dass die Länder so viele Verkehrsprojekte angemeldet haben. Die machen es sich einfach.
Sie nehmen eine Kostenschätzung vor, das NKV wird
ausgerechnet, sie packen dem Bund Dutzende, vielleicht
mehrere Hundert Projekte vor die Tür und sagen: Bund,
priorisiere du jetzt mal. - Dann stellt sich im weiteren
Verfahren heraus - frühestens beim Gesehen-Vermerk
befasst man sich wieder mit den Kosten; dazwischen liegen Linienführung, Raumordnung usw., usf. -: Oh Gott,
die Kosten sind aber mächtig gestiegen. Wenn der Gesehen-Vermerk erteilt wurde, geht es in die Planfeststellung, dann kommt die Bürgerbeteiligung, dann kommt
die Umweltverträglichkeitsprüfung, dann kommen Klageverfahren, dann kommen möglicherweise Deals mit
Umweltverbänden, damit das Recht auf Verbandsklage
nicht in Anspruch genommen wird.
Ich will Ihnen nur zwei Beispiele aus MecklenburgVorpommern nennen, bei denen massive Kostenexplosionen aus den genannten Gründen stattgefunden haben;
ich könnte Ihnen Dutzende andere anführen. Für die
B 96 auf Rügen waren ursprünglich 80 Millionen Euro
geplant. Heute sind es 125 Millionen Euro, davon
27 Millionen Euro für die Erfüllung von Umweltstandards. Oder: Für die Ortsumgehung in Wolgast waren
60 Millionen Euro geplant. Heute sind es 95 Millionen
Euro. Ich könnte die Liste der Beispiele beliebig fortsetzen.
Frau Kollegin Lühmann, der letzte Bundesverkehrswegeplan wurde unter Rot-Grün 2003 aufgestellt.
({6})
- Das war ein guter? Lieber Kollege, schauen Sie sich
die darin enthaltenen Kostenschätzungen an!
Wir müssen, wenn die Länder ihre Projekte anmelden, zumindest zu mehr Kostenwahrheit und Kostenklarheit kommen. Der Schwarze Peter darf an dieser
Stelle nicht beim Bund liegen.
({7})
Schauen wir uns die Ausschreibungsphase einmal an.
Wir haben das gerade beim Nord-Ostsee-Kanal erlebt.
({8})
- Langsam, Herr Kollege Kindler! - Die Ingenieure der
Wasser- und Schifffahrtsverwaltung haben uns gesagt:
375 Millionen Euro. - Dies haben wir als Haushälter vor
gut einem Jahr akzeptiert. In der Ausschreibung ist nun
von 485 Millionen Euro die Rede. Wir müssen bei allen
Verkehrsinfrastrukturprojekten eine Kostenindexierung
vornehmen. Alles andere hilft uns nicht weiter.
Ich glaube, dass wir als Große Koalition die Chance
haben, im Verkehrsbereich eine Menge umzusetzen, aber
auch eine Menge zu reformieren, sodass wir zu mehr
Kostenwahrheit und Kostenklarheit kommen.
({9})
Hier sich selber Sand in die Augen zu streuen, hilft nicht
weiter.
Herzlichen Dank.
({10})
Danke, Herr Kollege Rehberg. - Nächster Redner für
die SPD: Arno Klare.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Es ist der erste Bundeshaushalt, den ich begleiten, analysieren und lesen darf. Bei
der Durchsicht des Einzelplans 12, Herr Minister, ist mir
aufgefallen, dass bei dem Haushaltstitel, für den ich in
meiner Fraktion berichterstattend zuständig bin - Innovative Mobilitätskonzepte -, eine Null steht. Da war ich
schon ein wenig berührt. Ich werde darauf zurückkommen.
Dann sind Sie schnell fertig.
Es stimmt, dann könnte ich schnell fertig sein. Aber
ich will gar nicht schnell fertig werden; das ist ja der
Punkt.
Mobilität ist mehr als - darüber sind wir uns sicherlich einig - eine Verbindung von A nach B. Mobilität ist
Basis ökonomischer Prosperität. Ohne dass mehr Menschen auf den öffentlichen Verkehr umsteigen, werden
wir die Energiewende und die Klimawende nicht hinbekommen.
({0})
Mobilität ist darüber hinaus unabdingbar - das ist mir als
Sozialdemokrat besonders wichtig - für die Sicherung
sozialer und kultureller Teilhabe; denn wer kein Auto
hat, muss abends, wenn er ein Theater besucht, sehen,
wie er hin- und wieder zurückkommt. Das muss gesichert sein.
Wir sind uns auch darüber einig - alle Wissenschaftler sagen uns das -: Die Mobilität der Zukunft wird
keine rein automobile, sondern eine multimodale und intermodale sein. Ein Wissenschaftler des InnoZ aus Berlin hat vor kurzem in einer Fernsehsendung sehr provokant formuliert: Ein Auto zu besitzen, wird zukünftig so
sein wie schwarz-weiß fernsehen. - Das ist also etwas
von gestern. Ob dies nun die Zukunftsmusik ist, die wir
alle hören wollen, ist die große Frage. Aber zumindest
sagen uns das die Wissenschaftler.
Fakt ist, dass junge Leute heutzutage immer weniger
autoaffin sind, dafür aber hochmobil sein wollen. Die
Mobilität der Zukunft muss für diese Menschen realisieren, was bisher nur der Pkw kann, nämlich eine Tür-zuTür-Verbindung. Davon ist die Mobilität heutzutage
noch weit entfernt. 76 Prozent aller Personenbeförderungsleistungen sind automobil. Davon sind übrigens
32 Prozent Freizeitverkehre. Nur 8 Prozent dieser Leistungen erbringt der öffentliche Verkehr. Das sind relativ
frische Zahlen des Statistischen Bundesamts. Die Masse
der Wege, die zurückgelegt werden, liegt übrigens unter
20 Kilometer. Da könnte man etwas salopp und - zugegeben - böse formulieren: Die meisten Menschen in diesem Land interessieren sich nicht dafür, ob der neue
ICE 3 230 oder 260 Kilometer pro Stunde fährt. Sie wollen vielmehr eine saubere und pünktliche S-Bahn um
- sagen wir - 7.15 Uhr an ihrem Bahnsteig stehen haben,
in die man einsteigen kann, in der die Klimaanlage funktioniert, damit man im Sommer nicht gratis eine Sauna
hat, und die nicht jeden Morgen das Erlebnis bietet, zur
Sardine zwangsmutiert zu werden.
({1})
Jetzt habe ich hier gelernt, dass dies nicht unsere
Sache sei, weil das Aufgabe der Länder und der Kommunen sei. Allerdings sind wir über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und Regionalisierungsmittel
da durchaus im Spiel. Nichts, aber auch gar nichts spräche dagegen, wenn man schon heute wieder so etwas
wie einen Ideenpool einrichten würde, gleichsam so
etwas wie eine Best-Practice-Sammelstelle schaffen
würde, die alle bisher erdachten Konzepte alternativer
Mobilität und visionär Skizziertes unter einem Projektdach zusammenführte. Wo, wenn nicht bei uns, unter
diesem marketingpsychologisch so gekonnt alliterierenden Dachclaim „Modernität und Mobilität“, sollte das
beheimatet sein? Den letzten Satz habe ich völlig ohne
Ironie gesprochen.
({2})
Es geht um ein Leitplankenkonzept und eine mobilitätspolitische Zukunftslandkarte. Die müssen wir schaffen. So etwas gibt es im Ansatz bereits. Ich habe eine
Broschüre entdeckt und auch mit großem Interesse gelesen. Sie ist 2012 erschienen und hat den Titel „Mobilitätssicherung in Zeiten des demografischen Wandels“.
Die war sehr summarisch und kasuistisch, aber immerhin geht sie in die richtige Richtung.
Übrigens ist dort - das ist ganz interessant - auf
Seite 9 ein Bild - eben war schon von Stieren die Rede einer intermodalen Mobilitätskette. Da steht erkennbar
auf dem platten Land - ich bitte all diejenigen um Verzeihung, die von dort kommen; so spricht man hier halt ein Haltestellenschild, und an dieses Haltestellenschild
ist ein gesatteltes Reitpferd angebunden. Es wird der
Eindruck erweckt, als sei einer dahin geritten und mit
dem Bus weitergefahren. Das ist alles im Umweltverbund, wohl gemerkt. Ob das die Mobilität der Zukunft
ist, weiß ich nicht genau.
({3})
Was wir uns konkret wünschen, ist, dass der derzeit
im Haushaltsplan auf null gestellte Haushaltstitel 686 02
im Kap. 12 02 wieder eine ausreichende finanzielle Wiederbelebung erfährt, mindestens in der Höhe der Dotierung aus dem Haushalt 2012. Ein persönlicher Satz zum
Schluss: Dann könnte ich wieder meinen Frieden mit
dem Einzelplan 12 machen. Dann wäre meine Berichterstattung zumindest wieder finanziell implementiert.
Danke.
({4})
Vielen Dank, Herr Kollege Klare. Wir wünschen Ihnen alles Gute. Wir werden alle darauf achten, dass Sie
keine Sardine hier im Parlament werden. Das ganze
Haus gratuliert Ihnen zu Ihrer ersten Rede im Deutschen
Bundestag.
({0})
Der nächste Redner ist Arnold Vaatz für die CDU/
CSU-Fraktion.
({1})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die Einbringungsrede zu einem Fachhaushalt
dient in der Regel der Verständigung über die Prioritäten
der Politik und über die Frage, ob diese Prioritäten, wenn
sie denn vernünftig sind, auch vernünftig umgesetzt werden. Nun muss ich sagen: Was den ersten Teil betrifft,
war ich zunächst der Auffassung, dass ich als Schlussredner sagen kann: In den Grundprioritäten stimmen wir
hier im Haus eigentlich weitgehend überein.
Das habe ich eine ganze Weile geglaubt, aber dann
habe ich festgestellt: Ganz so ist es doch nicht. Einerseits
ist es zwar so, dass bei unseren grünen Kollegen sehr
viel Realismus eingekehrt ist, auch auf Länderebene. Ich
muss sagen: Es ist ein Fortschritt, wenn Herr Al-Wazir
sagt, dass selbstverständlich Deutschland nicht ohne
Nachtflüge auskommt. Das muss man einfach einmal
goutieren.
({0})
Auch dass Herr Hermann in Baden-Württemberg jetzt
sehr treu und brav daran arbeitet, dass Stuttgart 21 umgesetzt wird, finde ich ganz in Ordnung; keine Frage.
({1})
Wie gesagt, ich dachte, man könne dieses Lob loswerden. Aber dann kam Frau Leidig.
({2})
Sie hat gezeigt, dass jetzt ganz offensichtlich die Linke
die abgelegten Klamotten der Grünen übergestreift hat
({3})
und uns dieses Klein-Fritzchen-Idyll von „Zurück zur
Natur und zur Steinzeit“ als Politik verkaufen will.
({4})
Das halte ich für einen überlebten Standpunkt.
({5})
Im Großen und Ganzen ist es tatsächlich so, dass unsere Prioritäten vernünftig sind.
Erstens. Wir wollen dafür sorgen, dass Deutschland in
der klassischen Verkehrsinfrastruktur auch in Zukunft
ein führender Standort bleibt.
({6})
Das würde mit unserem Anspruch korrespondieren, eine
in Europa und in der Welt führende Industrienation zu
sein.
Zweitens. Wir haben verstanden, dass die klassische
Infrastruktur selbstverständlich durch eine ebenso leistungsfähige IT-Infrastruktur zu erweitern ist, dass da einiges zu tun ist und dass es vom Erfolg der IT-Infrastruktur abhängt, ob auch die ländlichen Räume in
Deutschland wieder Räume der Wertschöpfung werden
können. Daran müssen wir arbeiten. Da sind wir noch
nicht ganz an dem Punkt, den wir anstreben. Aber ich
finde, es ist dadurch eine Weichenstellung gelungen,
dass die Verantwortung für die IT-Infrastruktur jetzt einem Ministerium fest zugeordnet ist und dass der Minister an der Spitze erkannt hat, dass an dieser Stelle tatsächlich Grundsatzarbeit geleistet werden muss.
({7})
Meine Damen und Herren, wir sind uns einig, dass
wir Mobilität in diesem Land nicht bekämpfen dürfen,
sondern dass wir sie rational und vernünftig mit Rahmenbedingungen versehen müssen, sodass das Land vorangebracht wird.
Wir sind uns in diesem Haus ebenfalls einig, dass wir
in der Vergangenheit zu wenig auf den Erhalt der Infrastruktur gesetzt haben und dass wir das Versäumte jetzt
nachholen müssen. Dass wir über das Wie noch streiten,
ist absolut vernünftig. Es ist ganz klar: Selbstverständ2604
lich wird es unterschiedliche Meinungen über die Gewichtung geben. Ich bin auch der Auffassung, dass wir
uns in diesem Haus einig sind, dass ein Stopp des allgemeinen Werteverzehrs nicht bedeuten kann, dass wir
beim Neubau auf eine Null setzen.
({8})
Das kann nicht sein; denn selbstverständlich muss sich
auch unsere Infrastruktur weiterentwickeln und modernisieren lassen. Das ist unsere Aufgabe.
({9})
- Ich gebe Ihnen vollkommen recht, Herr Kindler, wenn
Sie dagegen sind, dass wir eine Wünsch-dir-was-Politik
machen. Genau darum geht es nicht.
({10})
Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass wir im
zukünftigen Bundesverkehrswegeplan, den wir jetzt vorbereiten, vernünftige Kostenansätze bekommen. Es kann
nicht sein, dass unsere Projekte mit einer bestimmten
Summe X konzipiert werden und dass die Realisierungssumme dann beim Fünffachen, beim Sechsfachen oder
beim Zehnfachen liegt. Da ist im System etwas falsch.
Frau Wilms, wenn Sie das kritisieren, gebe ich Ihnen insoweit recht. Darüber müssen wir ernsthaft reden; das ist
überhaupt keine Frage.
Auch ich bin der Meinung - es ist meines Erachtens
nötig, diese Anerkennung auszusprechen -, Alexander
Dobrindt hat als Verkehrsminister die richtigen Prioritäten gesetzt, und er geht sie mit Vernunft und mit Augenmaß an. Dafür bedanke ich mich.
Ich möchte insbesondere eine Sache noch hervorheben, die noch nicht genügend gewürdigt worden ist.
Alexander Dobrindt hat sich gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel darauf geeinigt, dass die
Deutsche Bahn - sie ist im Augenblick der wichtigste
Bestandteil der Elektromobilität in Deutschland - entlastet wird von ursprünglich angedachten Nachzahlungen
im Zusammenhang mit dem EEG. Zusätzliche Zahlungen von 500 Millionen Euro hätten auf der Bahn lasten
können; doch dazu kam es nicht. Das ist meines Erachtens eine Leistung, die anerkannt werden muss,
({11})
eine Leistung von beiden. Aber er hat auch die kleinen
Unternehmen entlastet. Auch das muss gewürdigt werden. Das ist meines Erachtens sehr vernünftig.
Im Übrigen bleibt noch sehr viel zu tun.
Ich möchte auch noch sagen - ich weiß, dass meine
eigene Fraktion mir dazu nicht applaudiert, dass ich da
im Gegensatz zum ganzen Haus stehe -: Ich hätte es am
liebsten gesehen, wenn das ganze EEG bezüglich Neuanlagen abgeschafft worden wäre, aber gut.
({12})
Es ist ökologisch unsinnig, es ist wirtschaftlich unsinnig,
es ist energiepolitisch unsinnig. Aber reden wir jetzt
nicht drüber! Wir sprechen jetzt ja über den Verkehrshaushalt.
({13})
In drei Jahren werden alle so denken.
({14})
Meine Damen und Herren, wir müssen meines Erachtens an zwei Themen arbeiten; das muss ich am Ende
meiner Rede noch sagen. Das erste ist: Wir können mit
der langen Realisierungsdauer unserer Projekte nicht
einverstanden sein; wir brauchen kürzere Realisierungszeiten. Ich will nur ein Beispiel nennen, nämlich den
Bau der Bahnstrecke von Berlin-Südkreuz nach BerlinLichtenrade. Die Zweiteilung Berlins liegt - erfreulicherweise - seit 25 Jahren hinter uns. Wir hatten also
25 Jahre Planungszeit. Wenn wir jetzt beispielsweise für
ein Teilstück dieser Bahnstrecke in Lichtenrade auf eine
Tunnellösung umsteigen, dann brauchen wir dafür weitere 15 Jahre. Das sind dann zusammengenommen
40 Jahre. Mit diesen Zeiträumen können wir uns bei keiner anderen Industrienation auf der Welt sehen lassen.
Wir brauchen kürzere und gerafftere Planungszeiten. Ich
hoffe, daran können wir gemeinsam arbeiten. Unter vernünftigen Menschen sollte das möglich sein.
Last, but not least: Wir müssen prüfen, ob unsere
Standards, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten historisch gewachsen sind, wirklich zukunftsführend sind
und ob wir so mit anderen Ländern mithalten können,
wie beispielsweise der Türkei, in der innerhalb kürzester
Zeit riesige Flughäfen gebaut werden können.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.
Ich komme zum Ende. - Das müssen wir meines Erachtens überdenken.
Zum Schluss. Wir können unsere deutschen Unternehmen nicht ständig Handicaps aufbürden, durch die
sie im internationalen Wettbewerb ruiniert werden. Das
gilt insbesondere im Luftverkehrsbereich. Ich denke, da
haben wir in der nächsten Zeit noch genug Arbeit vor
uns.
Frau Präsidentin, ich danke Ihnen für die Geduld.
({0})
Ihnen allen wünsche ich ein schönes Osterfest.
({1})
Danke, Herr Kollege. - Weitere Wortmeldungen zu
diesem Einzelplan liegen mir nicht vor.
Dann kommen wir jetzt zur Schlussrunde unserer
Haushaltsdebatte.
Ich bitte Sie darum, schnell Ihre Plätze einzunehmen
oder nach draußen zu gehen und dort weiterzuquatschen.
({0})
- Ich meine natürlich: weiterzureden.
Der erste Redner in der Schlussrunde ist für die Bundesregierung der Parlamentarische Staatssekretär Steffen
Kampeter.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die Schlussrunde in der Debatte zum Bundeshaushalt dient dazu, auf die Woche zurückzublicken,
aber auch dazu, einen Blick auf die Lage insgesamt zu
werfen. Wenn man von außen auf die Haushaltspolitik
schaut, dann kann man gelegentlich den Eindruck bekommen, es ginge um Buchhaltung, um das Verschieben
von Zahlen von der einen auf die andere Seite der Haushaltsstelle.
Es ist mir wichtig, am Anfang dieser Debatte festzustellen, dass Haushaltspolitik und Wachstumspolitik
- und damit Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik - in einem engen Zusammenhang zu sehen sind. So hat zum
Beispiel vor wenigen Tagen - das ist angesichts der heißen Themen der Haushaltsdebatte ein Stück weit untergegangen - der Internationale Währungsfonds seine
neue Wachstumsprognose vorgelegt: Nicht nur, dass die
Prognose für die Bundesrepublik Deutschland besser ist
als noch vor wenigen Monaten, insgesamt gibt es ein positives Signal für Europa, und zwar nicht nur für die
Euro-Zone, sondern beispielsweise auch für Großbritannien. Es gibt insgesamt ein verhaltenes Lob für die Fiskalpolitik und die Strukturreformen, die die europäischen Länder in den vergangenen Jahren durchgeführt
haben.
Aber nicht nur, weil der Internationale Währungsfonds das so sieht, sondern auch, weil das viele hier in
diesem Hause und vor allem die Bundesregierung so sehen, sage ich: Erfreuliche Zahlen beim Wachstum sind
kein Grund, sich in eine Komfortzone zurückzuziehen
oder in allgemeiner Hybris festzustellen: Wir müssten
uns in Deutschland nicht mehr anstrengen.
({0})
Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren,
wollen wir in der Bundesregierung in den nächsten Monaten, insbesondere auch im Hinblick auf die G-7-Präsidentschaft - Wolfgang Schäuble ist gerade in Washington, um
die Koordination voranzutreiben -, auf diesen Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Haushaltskonsolidierung hinweisen. Unsere Finanzpolitik im engeren Sinne, unsere Haushaltspolitik kann nie erfolgreich
sein, wenn wir als Bundesrepublik Deutschland, als
Große Koalition, als Deutscher Bundestag und als Bundesregierung nicht alle Initiativen, national wie international, unterstützen, die das Ziel haben, dass die Industrieländer in Europa und weit darüber hinaus wieder auf
einen nachhaltigen und höheren Wachstumspfad kommen. Nachhaltige Finanzpolitik bedarf nachhaltigen
wirtschaftlichen Wachstums, und dafür sollten wir uns
einsetzen.
({1})
In diesen Kontext muss man bestimmte Entscheidungen oder Signale dieser Woche, die in der Haushaltsdebatte eine Rolle gespielt haben, einordnen, beispielsweise den erfreulichen Abschluss der Verhandlungen mit
der Europäischen Kommission zu der Frage der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in Deutschland mit Blick
auf die Energiepolitik. Das war ein großer Erfolg des
Bundeswirtschaftsministers und ist ein Beitrag zu einer
nachhaltigen Wachstumsstrategie in Deutschland und
damit einer Wachstumsstrategie für Europa.
({2})
Wenn ich die Verkehrsdebatte einmal Revue passieren
lasse, muss ich sagen: Wir haben das frühere Verkehrsministerium ganz bewusst umgestaltet mit der Erweiterung um den Zukunftsbereich der digitalen Infrastruktur
in Deutschland.
({3})
Früher haben wir beim Thema Infrastruktur ausschließlich in den Kategorien von Schiene, Straße, Wasserstraße gedacht. Heute wissen wir: Der Industrie- und
Dienstleistungsstandort Deutschland wird auf Dauer nur
dann wettbewerbsfähig sein, wenn wir auch bei der digitalen Infrastruktur spitze sind. Deswegen ist es ein wichtiges politisches Signal, das wir mit dem Neuzuschnitt
der Bundesregierung und der entsprechenden Neugestaltung des Haushaltes für Deutschland und für Europa setzen.
({4})
Ich glaube, dass die Ausweitung der Investitionen in
Bildung und Forschung auf verschiedene Bereiche - es
geht eben nicht nur um das Ressort von Johanna Wanka deutlich macht, dass die Zukunft des Standorts Deutschland und das wirtschaftliche Wachstum Deutschlands
davon abhängen, wie viel Leistungsbereitschaft und wie
viel Exzellenz wir in unserem Bildungs-, Ausbildungsund Forschungssystem mobilisieren.
Deutschland schrumpft. Wir werden weniger. Wir haben uns verändert. Deswegen müssen wir diejenigen, die
morgen und übermorgen dazu beitragen können, unseren
Wohlstand und die Stabilität unserer sozialen Sicherungssysteme zu gewährleisten und unsere Innovationskraft nach vorne zu treiben, besser unterstützen. Der in
dieser Woche debattierte Haushalt liefert dazu einen guten Beitrag. Wir sollten alles daransetzen, dass der Bildungs- und Forschungsstandort Deutschland in den
nächsten Jahren weiter gedeiht.
({5})
Wenn ich sage „alles daransetzen“, steht dahinter der
Gedanke: Politik - auch Haushaltspolitik, Wirtschaftsund Wachstumspolitik - muss konsequent sein. Konsequente Politik wird sich vielleicht nicht morgen, aber
übermorgen auszahlen. Ich will ein Beispiel dafür bringen, dass Konsequenz sich wirklich auszahlt.
Seit einigen Jahren erleben wir als Antwort auf die
Staatsschulden- und Bankenkrise europäische Solidarität; der Bundesfinanzminister ist da führend beteiligt.
Das wird von vielen Deutschen, aber auch international
kritisch gesehen. Ich möchte an dieser Stelle hervorheben, dass Griechenland gestern einen ersten Schritt dahin gemacht hat, dass nicht mehr die europäische Solidarität den griechischen Staat finanziert. Griechenland hat
eine Anleihe an den internationalen Märkten platziert,
mit einem erheblichen Volumen, und sie wurde erheblich überzeichnet. Das heißt, es gibt wieder Interesse an
Griechenland. Die Märkte sagen: Mit dem, was dort in
den vergangenen Jahren geleistet worden ist, ist Griechenland auf dem richtigen Weg.
Der Besuch der Frau Bundeskanzlerin heute in Griechenland macht deutlich, meine sehr verehrten Damen
und Herren: Mit diesem Land geht es aufwärts. Griechenland hat konsequent reformiert, konsolidiert, auf
Wachstum umgeschaltet.
({6})
Dies anzuerkennen, sollte auch in dieser Haushaltsdebatte ein ganz wichtiger Punkt sein.
Konsequenz zahlt sich aus. Reformfreude stößt zuerst
immer auf Widerstand, aber am Ende führt sie zu mehr
Wachstum, zu mehr Wohlstand und zu mehr Stabilität,
nicht nur in Griechenland, sondern in Europa insgesamt.
({7})
In dieser Debatte hat an der einen oder anderen Stelle
die Frage, warum wir so scharf auf die Nullen sind, eine
größere Rolle gespielt. Haushaltspolitiker und Finanzpolitiker sind gelegentlich etwas seltsame Leute; wir lieben
Nullen. Die schwarze Null, so hat ein Vertreter der Opposition gesagt, sei abstrakt.
({8})
Wir als Haushaltspolitiker haben eine gewisse soziale
Verantwortung. Diese schwarze Null ist nicht abstrakt,
sie ist sehr konkret. Sie bedeutet: keine neuen Schulden,
keine zusätzlichen Zinsbelastungen, mehr finanziellen
Spielraum zur Bewältigung der demografischen Herausforderungen - der Kollege Kahrs lässt es da gelegentlich
an Ernsthaftigkeit vermissen ({9})
und mehr Gerechtigkeit für zukünftige Generationen,
meine sehr verehrten Damen und Herren. Dafür ist die
schwarze Null, wie wir sie nennen, das richtige Instrument.
({10})
Wir werden uns dafür einsetzen, dass die schwarze
Null die neue Normalität der Haushaltspolitik ist.
Wolfgang Schäuble hat dies in seiner Einbringungsrede
gesagt.
({11})
Dies wird dazu führen, dass wir in den nächsten Jahren
eine sinkende Schuldenstandsquote haben und wir in
zehn Jahren bei unter 60 Prozent landen werden. Damit
sind wir wieder auf einem klaren Kurs und können endlich mit Maastricht unseren Frieden schließen. Sünden
gibt es in der Finanzpolitik nicht nur außerhalb Deutschlands; denn auch wir erfüllen nicht alle Kriterien des
Maastricht-Vertrages. Wir sollten an diesem Vertrag festhalten. Dieser Kurs führt zu mehr Wachstum, zu mehr
Stabilität und zu mehr Möglichkeiten nicht nur für die
heutige, sondern auch für alle zukünftigen Generationen.
Das ist ein Markenkern unserer Haushalts- und Finanzpolitik.
({12})
Ein weiterer Kritikpunkt in dieser Debatte, der gelegentlich vorgetragen worden ist, ist, dass wir auch dafür
Sorge tragen, dass die Überschüsse in den Sozialkassen
nicht zu groß werden. Meine sehr verehrten Damen und
Herren, die sozialen Sicherungssysteme haben Überschüsse - das ist das Spiegelbild der positiven wirtschaftlichen Entwicklung -, teilweise im mittleren zweistelligen Milliardenbereich. Wir haben uns dazu
entschieden, dass wir vorübergehend dafür Sorge tragen,
dass diese Überschüsse nicht zu groß werden, weil es
gleichzeitig immer noch Defizite im Bundeshaushalt
gibt. Da unsere Politik in verbal-radikaler Art und Weise
von den Vertreterinnen und Vertretern der Opposition
diskreditiert wird, will ich sagen: Alle sozialen Leistungen in der Renten-, in der Kranken-, in der Arbeitslosenund in der Pflegeversicherung sind weiterhin gewährleistet. Alle gesetzlichen Ansprüche sind garantiert. Die
Beiträge bleiben stabil, meine sehr verehrten Damen und
Herren.
({13})
Wir machen einen soliden Interessenausgleich zwischen den öffentlichen Kassen. Aus dem Bundeshaushalt
gehen in diesem Jahr 90 Milliarden Euro, also knapp ein
Drittel der gesamten Ausgaben, in die sozialen Sicherungssysteme. Am Ende dieser Legislaturperiode sind es
deutlich über 100 Milliarden Euro. Der Bundeshaushalt
ist ein Haushalt des inneren sozialen Zusammenhalts.
Aber er ist auch ein Haushalt, in dem darauf geachtet
wird, dass nicht an der einen Stelle Überschüsse generiert werden, während an der anderen Stelle Defizite produziert werden. Dieses wäre unsinnig. Deswegen senken
wir die Defizite und gleichen so den Haushalt aus. Das
ist solide, das ist nachhaltig und es ist vor allem wirtschaftlich vernünftig.
({14})
Ein ganz wichtiger Punkt, auf den ich noch hinweisen
möchte, ist, dass dieser Bundeshaushalt auch für die anderen Gebietskörperschaften, für Länder und Gemeinden, deutliche Signale setzt. Wir haben schon in den vergangenen Jahren erhebliche Leistungen von Ländern
und Gemeinden in die finanzielle Verantwortung des
Bundes übernommen. Ich sage dies vor folgendem Hintergrund: Es entsteht allgemein immer der Eindruck,
dass es den reichen Onkel gibt - das ist der Bund - und
dass alle anderen nicht genügend Geld haben. Tatsache
ist: Wenn Sie sich die Finanzkennziffern ansehen, dann
erkennen Sie, dass der Bund am stärksten unter der
Schulden- und Zinslast ächzt, gefolgt von den Ländern.
In den Gemeindehaushalten - ich darf das hier einmal
erwähnen; es ist ein großes Geheimnis - gibt es, allerdings unterschiedlich verteilt, Überschüsse.
({15})
Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren,
will ich an dieser Stelle festhalten, dass wir zwischen
2010 und 2017 Ausgaben von Ländern und Gemeinden
in Höhe von 93 Milliarden Euro in den Bundeshaushalt
übernehmen. 93 Milliarden Euro bei einem Bundeshaushalt von jährlich etwa 300 Milliarden Euro - das ist
schon eine ganze Menge Geld. Dies zeigt: Der Bund
steht nicht nur zu seiner Verantwortung, was seine Aufgaben betrifft, sondern er zeigt auch im föderalen Gefüge Solidarität. Wir weiten diese Solidarität in den
nächsten Jahren aus.
({16})
Vor diesem Hintergrund mutete es schon abenteuerlich an, dass die Vertreterinnen und Vertreter der Opposition angeführt haben, wir würden nicht zu unseren Zusagen stehen.
({17})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, klar ist: Mit
diesem Haushalt und der mittelfristigen Finanzplanung
setzen wir eins zu eins das um, was wir in den Koalitionsvereinbarungen festgelegt haben. Wir schließen erstens die umfassende Übernahme der Kosten für die
Grundsicherung im Alter ab. Wir bereiten zweitens das
Bundesteilhabegesetz vor, das spätestens 2018 finanzwirksam werden wird. Wir entlasten drittens die Gemeinden ab 2015 im Vorgriff auf das Bundesteilhabegesetz in geeigneter Art und Weise um etwa 1 Milliarde
Euro.
Es ist kein Bild der Vergangenheit, dass wir Solidarität zeigen; es ist ein Markenkern für die Zukunft, dass
wir eine kommunalfreundliche Politik machen, die die
Leistungsfähigkeit und Handlungsfähigkeit auch anderer
Gebietskörperschaften steigert. Dafür stehen die Große
Koalition und die Bundesregierung, nicht nur mit diesem
Haushalt, sondern auch mit ihrer Politik in den nächsten
Jahren, meine sehr verehrten Damen und Herren.
({18})
Wir sollten jetzt in den Beratungen deutlich machen,
dass wir an diesem Kurs festhalten. Ich habe in den letzten Tagen vieles gehört, das gut klang, aber von dem ich
mir unter dem Strich nicht wünsche, dass es umgesetzt
wird. Dazu gehört auch der eine oder andere Vorschlag
aus den Koalitionsfraktionen.
({19})
Wenn wir jeden Vorschlag umsetzen würden, hätten wir
Schwierigkeiten, unsere globalen Vorgaben einzuhalten.
Ich bin mir aber der Unterstützung dieses Hauses bei der
Fortführung unserer konsequenten Politik sicher.
Ich bedanke mich bei den Haushältern der Koalition,
die uns schon in den ersten Tagen der Koalition gut begleitet haben. Ich setze auf einen konstruktiven Dialog
mit der Opposition auch im Haushaltsausschuss. Ich
weiß, dass die Grünen und die Linken sicherlich kluge
Vorschläge machen werden.
({20})
Am Ende muss eines klar sein: Stabilität ist der
Schlüssel zu Wachstum. Haushaltskonsolidierung muss
die neue Normalität sein. Sie schafft Möglichkeiten, die
notwendigen Investitionen zur Gewährleistung der mittelfristigen Wachstumsfähigkeit unserer Volkswirtschaft
voranzutreiben. So können wir uns einigen. Dazu lade
ich alle ein, die Koalition und gleichermaßen die Opposition.
Herzlichen Dank.
({21})
Als nächste Rednerin spricht die Kollegin Gesine
Lötzsch von der Linken.
({0})
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Die Bilanz dieser Woche lautet: Die
Regierung ist mit sich zufrieden und lobt sich über den
grünen Klee. Das scheint sie für ihr Seelenheil zu brau2608
chen, und für fünf Minuten können wir es ihr auch gönnen. Aber Steffen Kampeter hat schon richtig gesagt:
Die Opposition wird kluge Vorschläge machen.
({0})
Insofern will ich Ihnen am Ende dieser Woche acht ganz
konkrete Vorschläge mit auf den Weg geben, die wir in
den Beratungen umsetzen können:
Erster Vorschlag: die Finanztransaktionsteuer endlich
einführen. Deutschland kann da vorangehen.
({1})
Die Kanzlerin hat am Mittwoch darauf verwiesen, dass
Deutschland bei der Regulierung der Finanzmärkte in
Europa immer vorangeht. Ich finde, man sollte sie beim
Wort nehmen: Sie sollte auch hier mit gutem Beispiel
vorangehen und durchsetzen, dass die Finanztransaktionsteuer zuerst in Deutschland eingeführt wird. Ich
sage Ihnen: Die anderen Länder werden uns folgen, weil
sie sich dem nicht entziehen können, meine Damen und
Herren.
({2})
Wenn beim Kauf von Aktien im Wert von 1 000 Euro
Steuern von nur 1 Euro anfallen würden, dann wäre das,
wie ich glaube, für jedermann vertretbar. Der Staat
würde 50 Milliarden Euro mehr in der Kasse haben. Damit könnte man eine Menge anfangen. Ich glaube, die
Kanzlerin als die mächtigste Frau der Welt könnte das
doch locker durchsetzen, meine Damen und Herren.
({3})
Zweiter Vorschlag: Kindergelderhöhung. Unseren
Kindern steht nach dem Bericht über das Existenzminimum eine Kindergelderhöhung zu. Es geht hier um
425 Millionen Euro im Jahr. Das hört sich erst einmal
nach viel an, aber im Hinblick auf den Gesamthaushalt
ist das durchaus vertretbar.
Wir haben gerade in dieser Woche erfahren, dass Frau
von der Leyen dem Finanzminister 1 Milliarde Euro zurückzahlen musste, weil sie ihre Rüstungsprojekte nicht
finanziert bekommt. Wir hätten also Geld für eine Kindergelderhöhung übrig. Das wäre sinnvoller, als es für
Rüstungsprojekte auszugeben.
({4})
Meine Damen und Herren von der Union, wir alle werfen einen Blick in unsere Wahlprogramme, Sie sicherlich
auch in Ihres. Sie haben im Wahlkampf 35 Euro mehr
Kindergeld versprochen. Darüber sollten wir uns in den
Haushaltsberatungen unterhalten.
({5})
Dritter Vorschlag: Industrie an der Energiewende beteiligen. Kollege Gabriel hat den Satz formuliert:
40 Euro für einen Dreipersonenhaushalt im Jahr
tauschen gegen ein paar Hunderttausend Arbeitsplätze … das hielte ich für ein frivoles Unterfangen.
Ich weiß nicht, was die SPD sagen würde, wenn jemand gegen den Mindestlohn, der ihr so sehr am Herzen
liegt, folgendermaßen argumentieren würde: Ein paar
Euro mehr Lohn in der Stunde tauschen gegen ein paar
Hundert Arbeitsplätze, das wäre frivol. - Sie würden
demjenigen doch einen Vogel zeigen, und das zu Recht.
({6})
Herr Gabriel - ich gehe davon aus, dass Sie ihn alle
unterstützen - hat ein ganz altes Argument der Arbeitgeber einfach auf die Energiewende übertragen. Das finde
ich nicht in Ordnung; denn solange es die SPD gibt - Sie
erinnern sich doch an Ihre Geschichte -, erklären Arbeitgeber in Bezug auf die sozialen Vorschläge der SPD,
dass diese eine Menge Arbeitsplätze kosten würden.
Dieses Argument gab es übrigens schon, als es um die
Abschaffung der Kinderarbeit und die Einführung des
Achtstundentages ging. - Das können Sie sich doch
nicht im Ernst zu eigen machen!
({7})
Vierter Vorschlag: Mindestlohn schneller und flächendeckend einführen. Gerade das Finanzministerium,
hier heute vertreten durch Herrn Kampeter und nicht
durch Herrn Schäuble, müsste doch ein sehr großes Interesse daran haben, dass der flächendeckende gesetzliche
Mindestlohn schneller, als bisher geplant, eingeführt
wird.
({8})
Denn der Mindestlohn entlastet die öffentlichen Haushalte. Wir haben es gestern Abend, leider zu relativ später Stunde, besprochen: Allein 10 Milliarden Euro zusätzlich müssen für die sogenannten Aufstocker - also
für Menschen, die so wenig Geld bekommen, dass sie
von ihrer Arbeit nicht leben können - in den Haushalt
eingestellt werden.
({9})
Ich habe gestern Abend - ich erzähle es gerne noch
einmal - von dem skandalösen Urteil des Arbeitsgerichtes in Cottbus berichtet. Die Richter waren der Auffassung, dass Menschen freiwillig für 1,54 Euro in der
Stunde arbeiten würden, damit sie auf dem Arbeitsmarkt
wieder Fuß fassen können. Ich finde: Gerade solche Urteile zeigen, dass wir keine Ausnahme beim gesetzlichen
Mindestlohn zulassen dürfen.
({10})
Fünfter Vorschlag: Ost- und Westmütter endlich
gleich behandeln. Es ist möglich und für alle wünschenswert, dass wir keinen Unterschied mehr bei der Rente
machen. Ich finde, wir sollten bei der Mütterrente anfangen.
({11})
Wir werden im kommenden Jahr den 25. Jahrestag der
deutschen Einheit begehen. Wir werden feiern, viele Reden werden gehalten. Nach 25 Jahren kann man niemandem mehr erklären, dass es Unterschiede zwischen Ost
und West gibt, insbesondere bei Müttern.
({12})
Sechster Vorschlag: endlich die kalte Progression abschaffen.
({13})
- Genau, das ist ein CDU-Vorschlag. - CDU/CSU und
auch SPD wollen wieder einmal die kalte Progression
abschaffen, aber dafür fehlt angeblich das Geld. Die
SPD ist nur für die Steuersenkung, wenn es eine Gegenfinanzierung gibt. Es gibt natürlich eine Gegenfinanzierung! Wir müssen nur die Vermögenden in unserem
Land steuerlich etwas mehr belasten, damit die Mittelschicht ihre Lohnerhöhungen nicht mehr vollständig
beim Finanzminister abgeben muss; denn das ist ungerecht.
({14})
Der Bund der Steuerzahler hat ausgerechnet, dass der
Finanzminister in den Jahren bis 2017 durch die kalte
Progression insgesamt etwa 55 Milliarden Euro mehr
einnehmen würde.
({15})
Ich finde, dieses Geld gehört den Menschen, die es erarbeitet haben, nämlich der Mittelschicht. Wir brauchen
endlich eine gerechte Besteuerung der Reichen. Das hat
unser Land verdient.
({16})
Siebenter Vorschlag: Geben Sie den Kommunen mehr
Geld! Steffen Kampeter ist auf dieses Thema eingegangen und hat immerhin zugestanden, dass die Lage der
Kommunen sehr unterschiedlich ist. Ich finde, wir sollten die Augen davor nicht verschließen. Natürlich gibt es
reiche Kommunen, aber sehr viele Kommunen ächzen
und leiden unter der Situation. Hier im Haus sind Kollegen aus allen Bundesländern vertreten; jeder wird Beispiele dafür kennen.
Das ist nicht nur eine Finanzfrage. Denn Finanzen
und Haushalt beschreiben auch den Zustand unserer Gesellschaft. Es geht dabei auch um die Frage einer lebendigen Demokratie. Warum soll man sich eigentlich bei
einer Kommunalwahl zur Wahl stellen, wenn man genau
weiß, dass man aufgrund der Finanzsituation entscheiden muss, ob zuerst die Schwimmhalle, die Bibliothek,
das Theater oder vielleicht eine Schule geschlossen werden muss? Ich glaube, die Frage einer gerechten Finanzierung der Kommunen ist auch die Frage einer lebendigen Demokratie, und dafür sollten wir doch alle
einstehen.
({17})
Wir haben vor wenigen Minuten die Debatte über den
Verkehrsetat beendet. Ich bin der Auffassung, dass wir
wesentlich mehr in unsere Infrastruktur investieren müssen. Jeder von uns kennt mindestens eine Brücke oder
eine Straße in diesem Land, die marode ist. Da muss
wirklich schnell etwas passieren. Wer die Sanierung auf
die lange Bank schiebt, wird später mehr ausgeben müssen. Das ist doch nun wirklich eine Binsenweisheit.
Wir stehen im Augenblick augenscheinlich vor zwei
demografischen Herausforderungen: Die Menschen,
aber auch die Infrastruktur unseres Landes werden immer älter. Wir müssen beide Herausforderungen ernst
nehmen und müssen wirklich mehr Geld für sinnvolle,
für langfristige Investitionen zur Verfügung stellen.
Achter Vorschlag: Investieren Sie in ein friedliches
Europa! Die Bundesrepublik Deutschland hat immer
dann profitiert, wenn sie in friedliche Beziehungen mit
anderen Ländern investiert hat, und Deutschland hat immer verloren, wenn es auf Gewalt und Militär gesetzt
hat. Vielleicht sollten wir uns an dieser Stelle einmal für
zwei Minuten an die FDP erinnern.
({18})
Man kann über die FDP viel Schlechtes sagen, aber dass
Guido Westerwelle als Außenminister eine Politik der
militärischen Zurückhaltung verfolgt hat, war, glaube
ich, eine richtige Entscheidung. Davon sollten wir nicht
abweichen.
({19})
- Lieber Kollege Barthle, nicht jedes Lob ist ein Koalitionsangebot.
({20})
Sie werden im Laufe unserer Zusammenarbeit bestimmt
noch erleben, dass ich auch Sie lobe.
({21})
Aber Sie müssen keine Angst haben. Das ist nicht automatisch ein Koalitionsangebot.
({22})
Kommen wir zurück zum Verteidigungsetat, den ich
kurz ansprechen möchte. Ich glaube, man kann niemandem erklären, warum der zweitgrößte Einzelplan in unserem Bundeshaushalt immer noch der Etat für Verteidigung ist. Das ist doch ein teurer Reflex aus dem Kalten
Krieg. Das hat nichts mehr mit realen Bedrohungen zu
tun. Wer den Bürgerinnen und Bürgern in der Bundesrepublik Deutschland Sicherheit geben will, der muss in
Arbeitsplätze, in Wohnungen und in unsere solidarischen
Sicherungssysteme investieren und nicht in veraltete
Waffensysteme.
({23})
In Anbetracht der Tatsache, dass im Bundestag parteiübergreifend ein großes Interesse daran besteht, Waffen
zu vernichten, sollten wir in den Haushaltsberatungen
darüber diskutieren, welche Rüstungsprojekte wir überhaupt noch brauchen und welche wir deutlich reduzieren, wenn nicht gar streichen können.
({24})
Dabei haben Sie uns ganz auf Ihrer Seite.
Zum Abschluss. Vor uns liegen die Detailberatungen.
Wir werden uns über viele Fragen sehr intensiv auseinandersetzen. In einigen Wochen werden wir wieder
hier im Plenum beraten. Ich glaube, wir können diese
Beratungen alle miteinander vernünftig führen, wenn
wir die guten Vorschläge der anderen ernst nehmen und
wenn wir uns - davon bin ich überzeugt - wie in den
letzten Jahren auf die unermüdliche Geduld und Ausgeglichenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sekretariats verlassen können. Ich hoffe, dass wir gemeinsam, wenn wir in einigen Wochen wieder hier stehen,
wesentliche Veränderungen des Etats erreicht haben, die
bewirken, dass er gerechter, ausgeglichener, solidarischer und friedlicher ist.
Vielen Dank.
({25})
Als nächster Rede hat der Kollege Johannes Kahrs
von der SPD das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Das war eine interessante Woche. Die Haushaltsberatungen, Frau Kollegin Lötzsch, sollen interessant werden und werden auch interessant, insbesondere
dann, wenn die Opposition nicht nur sagt, wie sie mehr
Geld ausgeben will, sondern auch, wie sie diese Ausgaben finanzieren will.
({0})
- Na ja, von den Vorschlägen hatte einer etwas mit Finanzierung zu tun, und dieser bedürfte nicht nur der Zustimmung des Bundestages, sondern auch der anderen
Länder in Europa. Wann und wie das kommt, wissen wir
nicht. - Wir Sozialdemokraten stehen für die Einführung
einer Finanztransaktionsteuer, die Koalition steht dafür,
({1})
aber wir sind nun einmal nicht allein auf dieser Welt.
Das sollte man zur Kenntnis nehmen. Nur zu sagen, wie
man Geld ausgeben will, das sollte, glaube ich, nicht der
Ton sein, der diese Debatte bestimmt.
({2})
Steffen Kampeter hat hier häufiger die schwarze Null
erwähnt. Ich glaube, dass wir alle dieses Ziel ab nächstem Jahr erreichen wollen. Es ist ein großes Ziel, keine
neuen Schulden in diesem Land zu machen. Das ist uns
über viele Jahre und Jahrzehnte nicht gelungen. Wenn es
unserer Koalition gelingt, das umzusetzen, kann sich jeder in diesem Land darüber freuen. Wir sparen ja nicht
einfach nur, weil wir sparen wollen, sondern wir sparen,
weil das weitere Anhäufen von Schulden und die Zinsbelastungen für unsere Kinder und Enkel sowie für alle
nachfolgenden Generationen eine Katastrophe wären.
Deswegen ist es wichtig, dass wir keine neuen Schulden
machen.
Ich bin dem Bundesfinanzminister dafür dankbar,
dass er einen Vorschlag vorlegt, der das in 2015, 2016,
2017 und den folgenden Jahren möglich macht. Das ist
aber nicht einfach. Ich möchte Ihnen sagen, dass das
auch schwer risikobehaftet ist. Wir haben in der Vergangenheit ab und an geglaubt, dass wir das schaffen. Ein
Finanzminister hat einmal gesagt, dass er die Wahl zwischen der schwarzen Null und der deutschen Einheit
hatte. Das alles kann man sehen, wie man will. Keiner
weiß, was passiert. Aber, ich glaube, wenn wir es hier
beschließen und in der mittelfristigen Finanzplanung
festschreiben, gibt es in der Bevölkerung unseres Landes
die Erwartungshaltung, dass wir das auch umsetzen. Das
zwingt uns dazu, in den nächsten Jahren entsprechend zu
handeln.
Es gibt Risiken bei der Erreichung der schwarzen
Null; das wissen wir. Wir haben viel getan, was zur Erreichung dieses Ziels notwendig war. Wenn wir uns alle
vornehmen, die schwarze Null zu schaffen, dann muss es
auch unser aller Handeln bestimmen. Das ist einer der
Punkte, die wir als Sozialdemokraten in den Koalitionsverhandlungen gefordert und durchgesetzt haben. Dazu
stehen wir. Man muss dafür sorgen, dass man keine
neuen Schulden macht, aber gleichzeitig - ich bin dem
Kollegen Barthle dankbar, dass er das immer sagt - muss
man den Haushalt auch so ausrichten, dass man investieren kann.
Wir hatten heute Morgen um 7.30 Uhr eine Sitzung
des Haushaltsausschusses.
({3})
In dieser haben wir zum Beispiel 451 Millionen Euro für
die fünfte Schleuse des Nord-Ostsee-Kanals freigegeben.
({4})
- Genau, in Brunsbüttel. - Dieses Vorhaben ist uns Sozialdemokraten sehr wichtig. Dafür haben wir zu Zeiten
der Opposition jahrelang gekämpft. Jetzt kommen wir
der Sache einen Schritt näher.
Man muss aber auch dazu sagen - das ist eines der
Probleme unserer Verkehrspolitik -, dass wir manchmal
ein bisschen punktuell vorgehen. Man braucht einen
Plan. Was den Nord-Ostsee-Kanal angeht, braucht man
nicht nur die fünfte Schleuse, sondern man muss es als
Gesamtkonzept begreifen. Mir ist es deswegen wichtig,
dass man nicht einen Plan hat, der 2028 oder irgendwann
endet, sondern einen Plan, der sicherstellt, dass man die
Maßnahmen stringent abarbeiten kann. Man muss einen
Plan vorlegen, der überschaubar ist und den man bewerten kann.
Jetzt haben wir eine einzelne Maßnahme beschlossen.
Diese ist richtig, wichtig und gut, und dazu stehen wir
auch. Gleichzeitig ist es aber so, dass man nicht einfach
nur eine Maßnahme an die andere reihen darf. Als weitere Maßnahmen nenne ich die Vertiefung um 1 Meter,
die Anpassung der Ostrange, also der letzten 20 Kilometer vor Kiel, die Hochbauten wie beispielsweise Brückenbauwerke und die anderen beiden Schleusen. Wenn
man das alles nacheinander angeht, wird es sehr viel teurer, dauert endlos lange, und der Nutzen ist später
schwer greifbar. Deswegen muss man das so weit wie
möglich parallel laufen lassen. Das ist nur ein Beispiel.
Wir können auch noch andere Beispiele wie marode
Autobahnen oder Brücken - diese kann man sich in
Nordrhein-Westfalen hervorragend anschauen - durchdeklinieren. Es braucht aber einen Plan und eine Struktur, und wir im Haushaltsausschuss müssen dann sehen,
wie wir das Geld zur Verfügung stellen.
Ich habe Frau Lötzsch eben sehr genau zugehört. Sie
ist Vorsitzende des Haushaltsausschusses. Ich finde, das
bringt eine gewisse Verantwortung mit sich. Frau
Lötzsch, Sie haben die Politik von Sigmar Gabriel kritisiert und gesagt, sie hielten es für falsch, dass er die Bürger in diesem Land zum Zwecke der Sicherung von Arbeitsplätzen belastet. Ich kann Ihnen sagen: Ich komme
aus der Freien und Hansestadt Hamburg. In Hamburg
machen wir es seit Jahrzehnten so.
Als wir unsere Stadtwerke, die HEW, noch hatten,
gab es bei uns Industriestrompreise, damit die Grundstoffindustrie gehalten werden konnte. Das galt für die
Norddeutsche Affi, heute Aurubis, Europas größte Kupferhütte, für die Aluminiumwerke und für die anderen
Industriebetriebe. Wir Sozialdemokraten haben immer
für wettbewerbsfähige Industriestrompreise gekämpft;
denn nur so kam diese Industrie klar. Das Ergebnis ist,
dass es in Hamburg sowohl Industrie als auch Wissenschaft und Forschung sowie Dienstleistungen gibt. Der
Mix macht’s.
Wir müssen das deutschlandweit so machen. Wir können nicht zulassen, dass die von internationalen Preisen
abhängige Grundstoffindustrie aus Deutschland abwandert und nach und nach Teile der Kette hinterherwandern. Das geht nicht.
({5})
Diese Koalition hat gesagt: Wir brauchen wettbewerbsfähige Strompreise für die Industrie. - Das ist
nicht das übliche Klagen. Frau Lötzsch, das erkennt
man, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt. Man
darf sich nicht einfach nur das letzte Jahrhundert anschauen, sondern man muss die neuen Fakten studieren.
Dann sieht man, wie die Lage auf den Weltmärkten aussieht und wie viele Zehntausend und Hunderttausend Arbeitsplätze von der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen abhängen. Das gilt nicht nur für die
Großindustrie, sondern auch für den Mittelstand und die
kleinen Unternehmen. Wir müssen daher etwas tun.
({6})
Ich glaube, das ist Teil vernünftigen Haushaltens und
Teil eines vernünftigen Koalitionsvertrages. Wir müssen
das dann aber auch umsetzen. Gleichzeitig müssen wir
dafür sorgen, dass die Menschen in diesem Land durch
steigende Stromkosten nicht übermäßig belastet werden.
Wir müssen die Preise halbwegs konstant halten.
({7})
Das ist doch das Ziel; das ist hier bereits gesagt worden.
Neben einer vernünftigen Industriepolitik stehen noch
andere Posten im Koalitionsvertrag, die wir finanzieren
müssen. Ich spreche dabei vom Mindestlohn, der Rente
mit 63 und der Mütterrente. Man kann da über viele
Punkte diskutieren.
({8})
Wir haben auch innerhalb der Koalition viel diskutiert.
Wir hätten das alles lieber aus Steuermitteln finanziert
und nicht über die Sozialkassen. Geschenkt. Es ist ein
Koalitionsvertrag; da geht man Kompromisse ein. Wir
Sozialdemokraten haben, was die Finanzierung angeht,
eben verloren.
({9})
In der Sache ist aber jedes einzelne Projekt richtig, wichtig und gut.
({10})
Die Zustimmung zu unseren Vorhaben ist in diesem
Land groß. Wir haben mit der CDU/CSU gestritten. In
einzelnen Punkten werden wir uns noch einigen müssen.
Aber dass der Mindestlohn in diesem Land kommt, dass
die Mütterrente, so wie versprochen, kommt, und dass
die Rente mit 63 kommt, zeigt: Wählen verändert, Wählen bewegt.
Es gab die einen oder anderen Zwischenrufe vonseiten der Opposition. Vielleicht haben Sie von der Opposition sich in den letzten Tagen einmal die Kommentare in
den Zeitungen zu Gemüte geführt - das dürfte für Sie
kein wirkliches Vergnügen gewesen sein -, die zeigen,
wie die veröffentlichte Meinung Ihre Arbeit bewertet.
Ich habe sie mir durchgelesen, und da hieß es im Hinblick auf die Opposition - ich würde das nicht auf diese
Weise formulieren -: armselig, harmlos, schwachbrüstig,
frisiert und Ähnliches.
({11})
Das konnte man in der Zeitung nachlesen.
Normalerweise ist es so, dass Haushaltsberatungen
die Sternstunden der Opposition sind, weil sie Konzepte
vorlegen, überzeugende Alternativen vorstellen kann
und so die Regierung richtig in die Enge drängt, sodass
diese sich verteidigen muss und aus der Defensive kaum
herauskommt. Aber es kam nichts! Die ganze Woche
war davon nichts zu spüren.
({12})
Wir haben vorgetragen, was wir für richtig halten.
Wir haben das getan, wofür wir gewählt worden sind.
Wir haben uns an den Koalitionsvertrag gehalten. Was
aber kommt außer Plattitüden von der Opposition?
Nichts! Gegenkonzepte? Nichts! Deckungsvorschläge?
Nichts! Das kann man sich einmal im Einzelfall anschauen: Herr Bartsch hat sich dadurch hervorgetan,
dass er im Namen der Linken eine solide Finanzpolitik
und Haushaltskonsolidierung gefordert hat. Herr
Bartsch, das ist wunderbar! Frau Lötzsch war, glaube
ich, leider nicht im Raum; sonst hätte sie das, was sie
eben gesagt hat, nicht sagen können.
({13})
Vielleicht sollten Sie in der Linkspartei einen Studienkreis bilden,
({14})
der sich damit befasst, was Konsolidierung und Solidität
eigentlich bedeuten. Das können Sie dann erarbeiten,
auch gemeinsam mit einigen anderen Kollegen. Vielleicht würde das nachhaltig wirken, und wir alle würden
dann überzeugende Konzepte von Ihnen vorgelegt bekommen, bei denen auch ich ein bisschen ins Schwitzen
geraten würde, um das, was wir tun, zu verteidigen.
Vielen Dank.
({15})
Als nächste Rednerin hat die Kollegin Anja Hajduk
vom Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber
Johannes Kahrs, das war das Versprechen, richtig gut zuzuhören, und zwar auch mir. Denn jetzt wollen wir einmal darüber reden, was bei der Großen Koalition alles
längst nicht wunderbar ist, wenn Sie das selber noch
nicht wissen sollten.
Die Große Koalition hat sich mit der schwarzen Null
präsentiert. Sie hat sich dann aber, wie ich finde, leider
schon zufrieden zurückgelehnt, weil es die schwarze
Null so lange nicht gegeben hat. Wir wissen aber: Das
hat ganz viel mit der guten Konjunktur zu tun. 3 Prozent
mehr Steuereinnahmen jährlich, das ist richtig viel und
nicht die Normalität.
({0})
Auch die Zinsen sind ganz gering. Würden die Zinsen
um 1 Prozentpunkt steigen, hätten wir eine Mehrbelastung von 10 Milliarden Euro. Dann wären wir von der
schwarzen Null weg. Oder man müsste sofort den Bildungsetat, der ein Volumen von 14 Milliarden Euro hat,
um zwei Drittel kürzen. Wenn man das weiß, dann sieht
man, wie groß die Risiken sind. Man darf sich eben nicht
einbilden, dass all das nur im Regierungshandeln begründet ist. Das hat manchmal auch damit zu tun, dass
man ein bisschen Glück mit den Rahmenbedingungen
hat.
Ich rufe in Erinnerung, was der Finanzminister hier
gesagt hat: Wir brauchen trotz der aktuell guten Situation und der guten Rahmenbedingungen noch zehn
Jahre, um die Gesamtverschuldungsgrenze von 60 Prozent zu erreichen; das ist die erlaubte europäische
Grenze. - Vor diesem Hintergrund sollte man diesen
Weg ein bisschen bescheidener angehen. Man sollte
nicht glauben, man könne sich schon heute zurücklehnen.
({1})
Sie haben gesagt, wir sollten Zeitung lesen. Ich habe
das gemacht. Ich habe auch zugehört, was der Finanzminister gesagt hat. Der Finanzminister hat gesagt: In
den kommenden Jahren sollen die Ausgaben nur so weit
steigen, wie es mit einem ausgeglichenen Haushalt vereinbar ist. - Ich muss sagen: Ich habe mich über dieses
Verständnis ganz schön gewundert. - Es würde mich
freuen, wenn der Staatssekretär zuhören würde, wenn
wir hier über seinen Haushalt reden.
({2})
Ich habe mich, wie gesagt, sehr gewundert, dass der
Finanzminister am Dienstag quasi gesagt hat: Wenn wir
viel Geld einnehmen, dann dürfen wir auch viel Geld
ausgeben. - Das bedeutet dieser Satz nämlich.
Ich halte das für ein falsches Verständnis der Schuldenbremse. Das richtige Verständnis ist: In guten Zeiten
trifft man Vorsorge für schwierige Zeiten, die immer
kommen können. Sie aber erhöhen den Haushalt in der
gesamten Finanzplanperiode um 9,6 Prozent - das ist
viel; die Länder sind in den nächsten vier Jahren viel
sparsamer Anja Hajduk
({3})
und denken sich: Wir haben jetzt gute Zeiten; da lassen
wir es einmal laufen.
({4})
Ich halte das für ein Missverständnis des Grundgedankens der Schuldenbremse, der nämlich darin besteht,
Vorsorge zu betreiben.
Ich setze noch einen drauf. Sie sagen: Wir wollen in
der kommenden Finanzplanperiode knapp 30 Milliarden Euro mehr ausgeben; wir haben in Zukunft ja
42 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen.
({5})
Ziehen wir davon die 6,5 Milliarden Euro Neuverschuldung aus diesem Jahr ab, verbleiben in dieser Finanzplanperiode 36,2 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen. Lediglich 1,2 Milliarden Euro davon macht die
Steigerung bei den Investitionen aus. Da kann ich Ihnen
nur sagen: Wenn Sie Ihre Mehrausgaben noch nicht einmal in die Investitionen stecken, dann haben Sie nicht
begriffen, vor welchen Zukunftsherausforderungen wir
stehen,
({6})
und das vor dem Hintergrund, dass die Investitionsquote
einstellig ist und stetig sinkt. Das ist Ihr Plan: Sie soll
stetig sinken. Sie wissen selbst, dass der Verkehrsminister in seinem Infrastrukturetat viel zu wenig Geld hat;
({7})
wir wissen doch, wie die Brücken aussehen. Sie wissen
auch, dass die Bodewig-Kommission empfohlen hat, für
diesen Bereich weit mehr als nur 1,25 Milliarden Euro
pro Jahr bereitzustellen. Sie aber stellen sich hierhin und
sagen, 5 Milliarden Euro in fünf Jahren seien ganz toll.
Herr Kampeter stellt sich hierhin und sagt, Sie hätten
Großartiges geschafft, weil jetzt das Verkehrsministerium auch für die digitale Infrastruktur zuständig ist. Ich
sage Ihnen: Da reicht keine Namenserweiterung. Dafür
braucht man auch Konzepte und Geld; doch das ist beim
Ausbau der Breitbandversorgung leider gar nicht vorhanden.
({8})
Herr Kampeter, ich bin mir sicher, dass Sie die Vermögensbilanz Deutschlands, der öffentlichen Hand kennen. Dann wissen Sie, dass wir Anfang der 60er-Jahre
ein Nettovermögen von ungefähr 50 Prozent, gemessen
am Bruttoinlandsprodukt, hatten, das bis heute auf 0 Prozent gesunken ist. Das heißt, wir haben kein positives
Nettovermögen mehr. Wenn Sie in einer solchen Situation trotz guter Rahmenbedingungen eine so niedrige Investitionsquote einplanen, dann - das können wir Grüne
nur sagen - brauchen wir eine Schutzregel für Investitionen; denn die Große Koalition ist offensichtlich nicht in
der Lage, eine alternde Gesellschaft davor zu bewahren,
dass die Schuldenbremse dazu dient, nur noch Konsumausgaben zu tätigen.
({9})
Das ist keine gute Finanzpolitik; das ist zu wenig durchdacht. Gemessen an Ihren eigenen Ansprüchen, die Sie
hier seit Dienstag bekräftigt haben, ist das ein bisschen
armselig.
({10})
Ich komme zu einem anderen Punkt, der die Zukunftsvergessenheit Ihrer Politik noch stärker beschreibt.
Da gehe ich richtig in die Zeitungen, Herr Kollege
Kahrs.
({11})
Ich zitiere aus der Süddeutschen Zeitung: „Wir können
uns das leisten“, sagte Schäuble zum Auftakt der Haushaltsberatungen mit Blick auch auf das Rentenpaket.
Dann schiebt er hinterher: „Wir können uns aber nicht
mehr leisten.“ Da kann ich nur sagen: Wenn Herr
Schäuble, der ein kluger, bedächtiger Mensch ist und
viel Erfahrung hat, uns hier eigentlich davor warnt, dass
die demografische Entwicklung positiv angegangen werden muss, als Herausforderung - auch ich finde, wir sollten sie nicht unbedingt als düstere Zukunft beschreiben -,
dann sind wir uns doch einig, dass wir da eine Herausforderung zu meistern haben.
Wenn Frau Merkel sagt, dass wir eine große Aufgabe
zu bewältigen haben, wenn die Babyboomergeneration
demnächst den Arbeitsmarkt verlässt - das hat sie gesagt
unter dem tiefen Eindruck der jungen afrikanischen Bevölkerung -, dann kann ich nur fragen: Warum schaffen
Sie mit der Rente ab 63 ein Übergangsphänomen nur für
die geburtenstarken Jahrgänge? Nur diese Jahrgänge
werden vom frühzeitigen Renteneintritt profitieren; denn
die Rente mit 63 soll ja wieder beendet werden. Dieses
Übergangsphänomen soll dann von einem geburtenschwächeren Jahrgang durchfinanziert werden.
({12})
Das ist verantwortungslos. So etwas kann man doch
nicht allen Ernstes im Jahr 2014 auf den Tisch legen.
Was ist mit dem Prinzip „Vorsorgen für Herausforderungen der Zukunft“? So weit reicht es bei Ihnen nicht.
Die Süddeutsche Zeitung zitiert Herrn Schäuble nach
seinen Äußerungen „Wir können uns das leisten“ und
„Wir können uns aber nicht mehr leisten“ weiter: „Denn
trotz aller Erfolge in der Finanzpolitik dürfe sich auch
die Bundesrepublik nicht zurücklehnen.“ Der „Bevölkerungsrückgang und der stetig schrumpfende deutsche
Anteil an der Weltwirtschaftsleistung“ müsse beachtet
werden. - Ich glaube, damit hat Herr Schäuble eingestehen wollen, dass Sie in der Großen Koalition bei der
Rentenreform einen ganz schlechten Kompromiss gemacht haben.
({13})
Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft
das große Projekt der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Ich kann nur feststellen: Sie kommen
bei diesem Projekt nicht in die Gänge. Nichts ist zu hören, wie das angegangen werden soll. Dabei haben wir
große Neuerungen zu beraten. Ich fordere Sie auf: Machen Sie hier keine Hinterzimmerpolitik!
Ich möchte Ihnen noch etwas sagen: Gehen Sie anders mit Ländern und Kommunen um!
({14})
Was Sie jetzt wieder gemacht haben, ist ein krasser
Wortbruch. Sie hatten sich bei der Verabschiedung des
Fiskalpakts in der letzten Legislaturperiode mit den Ländern darauf verständigt, dass Sie die Eingliederungshilfe
in dieser Legislaturperiode neu regeln und finanzieren
wollen. Sie, die Große Koalition, haben nunmehr entschieden, dieses Versprechen zu brechen und das Projekt
in die von damals aus gesehen übernächste Legislaturperiode zu verschieben. Es geht hier um 5 Milliarden
Euro für die Kommunen.
({15})
Wundern Sie sich nicht, dass Länder und Kommunen
das Gefühl haben, hier werde Wort gebrochen! Das ist
ein schlechter Auftakt für die anstehenden Verhandlungen.
({16})
Mit Blick auf die Kommunen wird es noch düsterer.
Man hat die Kommunen und die Öffentlichkeit bis zu
den Haushaltsberatungen hinters Licht geführt.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich komme zum Schuss.
({0})
Es wurde suggeriert, die Kommunen bekämen im
Jahr 2014 eine zusätzliche Milliarde.
({1})
Das war nur so lange der Fall, bis die SPD dem Koalitionsvertrag zugestimmt hat. Danach wurde der Hut gelüftet, und es hat sich gezeigt: Diese Milliarde mehr für
die Kommunen gibt es erst ab 2015. Auch da haben Sie
Wort gebrochen.
({2})
Das geht insbesondere an die Adresse der SPD.
Vielen Dank.
({3})
Als nächster Redner hat der Kollege Norbert
Brackmann von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Der Haushaltsentwurf, der uns zu Beginn der
Großen Koalition vorgelegt wurde, ist auch so etwas wie
eine Eröffnungsbilanz, mit der wir in die nächsten vier
Jahre starten.
({0})
Insofern darf man einmal darauf eingehen, wo wir heute
stehen.
In den vergangenen zwei Jahren hatten Bund, Länder,
Gemeinden und Sozialkassen zusammen mehr Einnahmen als Ausgaben. Das ist einzigartig in der gesamten
Europäischen Union. Kein anderes Land in der EU hat
dies geschafft.
({1})
Deutschland hat die zweitniedrigste Arbeitslosenquote in ganz Europa; bei den unter 25-Jährigen haben
wir sogar mit großem Abstand die geringste Arbeitslosigkeit. Ich glaube, das gibt den Menschen eine gute
Perspektive. Auch dies ist Teil der Eröffnungsbilanz.
Wir werden in diesem Jahr mit über 42 Millionen Beschäftigten den höchsten Stand an Beschäftigten in der
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland haben. Dies
gibt allen Menschen Zuversicht und selbst Langzeitarbeitslosen Perspektiven, in den ersten Arbeitsmarkt zu
kommen. Auch das ist eine hervorragende Ausgangsbasis.
Das alles kann nicht Glück sein, liebe Frau Hajduk,
und das ist es auch nicht. Es war Leistung, und Leistung
wird durch entsprechende Ergebnisse belohnt.
({2})
Es wäre gar nicht spannend, wenn nur meine Kolleginnen und Kollegen aus der Großen Koalition und ich
Ihnen dieses Votum hier vortragen würden. Deshalb ist
es gut, dass auch der neueste Bericht des IWF dies vor
wenigen Tagen ganz deutlich zum Ausdruck gebracht
hat. Mit einer Wachstumsprognose von 1,7 Prozent, so
der IWF, für 2014 haben wir weiterhin eine gute Perspektive. Wenn wir uns die jüngsten Wirtschaftsberichte
aus Deutschland anschauen, dann sehen wir, dass wir sogar dicht an die 2 Prozent herankommen können. Besonders gelobt wird vom IWF die Binnennachfrage, die wir
hier in Deutschland weiter ankurbeln. Ein Teil dieser
Binnennachfrage ist dadurch bedingt, dass wir in den
letzten fünf Jahren wieder deutliche Lohnzuwächse hatten. Diese Lohnzuwächse sind auch gerecht. Als wir in
einer schwierigen Phase waren, haben die Tarifpartner
Lohnzurückhaltung geübt, womit sie sehr viel dazu beiNorbert Brackmann
getragen haben, dass wir heute in dieser sehr komfortablen Situation sind. Deswegen ist es an der Zeit, einen
Teil davon an die Beschäftigten zurückzugeben, die
diese Leistung erbracht haben.
({3})
Wir sehen: Die gute wirtschaftliche Lage kommt bei den
Menschen an und ist in ihren Portemonnaies spürbar. In
2014 werden im fünften Jahr infolge die Preise weniger
steigen als die Löhne, und das ist, glaube ich, gut so.
Man sagt uns Deutschen nach, wir würden leben, um
zu arbeiten. Im Rest der Welt sei das andersherum. Aber
ein Stück Leben gehört auch dazu. Deswegen ist eine
Frage nach der Eröffnungsbilanz: Was machen wir eigentlich mit dem Geld? Wir investieren es in soziale
Leistungen. Im Bundeshaushalt, wie er Ihnen hier vorliegt, sind 49 Prozent der Ausgaben für den Bereich „Arbeit und Soziales“ vorgesehen. Das heißt, das Geld geht
in die Verbesserung unserer Sozialstruktur.
({4})
Weil wir für die Menschen tätig sind, hat die Große
Koalition bewusst festgelegt, dass 23 Milliarden Euro
des Gesamtpakets mit den Maßnahmen, die wir realisieren wollen, nicht unter Finanzierungsvorbehalt stehen,
sondern gleich auf den Weg gebracht werden. Das ist
auch gut so; denn es ist wichtig, dass die Menschen sehen, dass wir als Große Koalition zu dem stehen, was
wir sagen, dass wir Menschen belohnen, die dazu beigetragen haben, dass es unserem Staat so gut geht. Es ist
vereinbart - und so wird es auch kommen -, dass derjenige, der 45 Jahre lang hart gearbeitet und in die Rentenkasse eingezahlt hat, nach dieser Zeit ohne Abschläge in
Rente gehen kann. Auch die Mütter, die durch die Erziehung ihrer Kinder einen wesentlichen Beitrag geleistet
haben, werden berücksichtigt. Ihnen wird insofern Gerechtigkeit widerfahren.
„Die Zukunft gehört denen, die der nachfolgenden
Generation Grund zur Hoffnung geben.“ Deswegen
kommt es darauf an, was wir uns für die nächsten Jahre
vorgenommen haben und welche Ansätze dieser Haushalt beinhaltet. Wir setzen auf Generationengerechtigkeit. Der Kollege Kahrs hat darauf hingewiesen, dass wir
nicht in die Schuldenfalle laufen dürfen. Deswegen ist es
so wichtig, dass wir keine Steuererhöhungen machen;
denn Steuererhöhungen sind ein Eingriff in die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und ein Eingriff in die
Leistungsfähigkeit der Menschen. Trotzdem gelingt es
uns, einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorzulegen und den Weg dafür freizumachen, dass wir im
nächsten Jahr einen vollkommen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. „Langfristig ist man nur erfolgreich, wenn
man weiß, warum man erfolgreich ist.“ Deshalb wollen
wir den Haushalt auch langfristig sichern. Die guten
Zahlen sind nämlich kein Glück, Kollegin Hajduk.
Dieser Haushalt weist ein paar zusätzliche Ausgabensteigerungen auf. Die Zukunft kann nur gewinnen, wer
in Bildung und Forschung investiert. Sie sind langfristig
die Basis für neue Aufgaben.
({5})
Deswegen hat sich der Etat dieses Haushalts von 2005
bis heute fast verdoppelt. Wir erhöhen das Volumen in
diesem Haushalt im Vergleich zum letzten Jahr noch einmal um 1,7 Prozent, damit diese beispiellose Politik vorangebracht werden kann.
Wichtig ist nicht nur, dass wir in Forschung und Bildung investieren, sondern auch, dass wir die Infrastruktur erhalten und weiter zur Verfügung stellen, um langfristig klare Ziele zu setzen. Nun mag man darüber
streiten, ob die 5 Milliarden Euro, die wir für diese Legislaturperiode vorgesehen haben, schon ausreichend
sind; denn wir sehen natürlich die Risiken, die auf uns
zukommen. Da ist der Versuch der Länder Berlin und
Brandenburg, einen Flughafen zu bauen.
({6})
Da sind beispielsweise Ausschreibungsergebnisse, die
etwas anders ausfallen, als erwartet wurde. Das zeigt
aber, dass wir bereit sind, mit klaren Entscheidungen
nach vorne zu gehen. So war es auch überhaupt kein
Problem und bei den Mitgliedern der Fraktionen dieses
Hauses nicht umstritten, heute Morgen ein deutliches Signal für den Nord-Ostsee-Kanal zu setzen, für den wir
überplanmäßig 185 Millionen Euro in die Hand genommen haben; denn wir haben gesagt: Diese Schleuse muss
sein. Der Nord-Ostsee-Kanal ist ein Stück Zukunftsperspektive für ganz Deutschland.
({7})
Wir sind davon überzeugt, dass wir den Etat für die
Verkehrsinvestitionen in die Infrastruktur in den nächsten Jahren noch so anpassen können, wie es der Bedarf
erforderlich macht. Denn nicht nur am Nord-Ostsee-Kanal, sondern an vielen Orten sind Brücken wichtig. Das
gilt auch für die Rheinbrücke bei Leverkusen und aktuell
für die Rader Hochbrücke. Brücken verbinden die Menschen und die Wirtschaft. Wenn sie nicht mehr zur Verfügung stehen, birgt das erhebliche Risiken. Das zeigt
sich konkret bei der Rader Hochbrücke, auf die Schleswig-Holstein Wert legt; denn ohne sie würden die beiden
Landesteile, „up ewig ungedeelt“, auseinanderbrechen.
Das gilt aber auch für viele andere Orte in Deutschland.
Deswegen werden wir daran festhalten, die Infrastruktur
als einen der wichtigsten, zukunftssichernden Maßnahmenbereiche zu unterstützen.
({8})
Kollegin Hajduk, Sie haben gesagt, ein bisschen mehr
Bescheidenheit täte uns gut.
({9})
Aber gerade mit diesem Haushaltsentwurf weisen wir
Bescheidenheit aus. Wie Sie leicht den Zahlen entnehmen können, liegt das Haushaltsvolumen zum ersten
Mal unter 300 Milliarden Euro, was, glaube ich, angesichts steigender Preise ein hervorragendes Ergebnis ist.
({10})
Der Stellenbestand des Bundes sinkt von Jahr zu Jahr.
Wir hatten 1990 314 000 Beschäftigte im Bund. Mittlerweile sind es nur noch 249 000. Das zeigt, dass wir mit
unseren eigenen Anstrengungen vorbildlich vorangehen
und damit unsere Wettbewerbsfähigkeit langfristig unter
Beweis stellen.
Aber wir müssen diese Politik auch durchhalten,
meine lieben Kolleginnen und Kollegen; denn für Haushälter beginnt eine Legislaturperiode am besten mit einem sanierten Budget. Deswegen ist es so wichtig, die
schwarze Null zu erreichen. Wir müssen nicht nur das
Haushaltsergebnis im Blick behalten, sondern auch beachten, was uns unsere Verfassung vorschreibt und welche Spielräume wir in den nächsten Jahren haben werden. Was das strukturelle Defizit angeht, besteht
theoretisch noch die Möglichkeit, in diesem Jahr Kredite
in Höhe von 34 Milliarden Euro aufzunehmen. Das wird
aber in den nächsten Jahren sinken, zunächst auf 11 Milliarden Euro und dann bis auf circa 10 bis 11 Milliarden
Euro im Jahr 2016. Insofern ist die Differenz zwischen
0 und 11 Milliarden Euro der einzige Spielraum, den wir
noch haben, wenn wir auf ungewöhnliche Entwicklungen reagieren wollen, sei es, dass die Wirtschaft irgendwann nicht mehr so brummt wie heute, oder sei es, dass
aus anderen Ecken Europas entsprechende Probleme auf
uns zukommen. Deswegen ist es ein Stück Zukunftssicherung, einen soliden Haushalt auf die Beine zu stellen, der es uns ermöglicht, auch in Zukunft leistungsfähig zu sein und den großen Aufgaben, die wir in
Deutschland haben, auch in einer Großen Koalition letzten Endes mit großem Erfolg zu begegnen.
Herzlichen Dank.
({11})
Als nächster Redner hat der Kollege Roland Claus
von der Linken das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie
wollten mit diesem Haushaltsentwurf Deutschlands Zukunft gestalten. Stehen geblieben sind Sie aber bei der
schwarzen Null, im Übrigen einer Größe, die erst Ende
des nächsten Jahres erreicht werden soll. Damit wir uns
nicht missverstehen: Das ist in 19 Monaten. Sie schwadronieren nämlich so, als hätten Sie das schon geschafft.
({0})
Staatssekretär Kampeter hat sogar rührend bekannt, dass
er sich in die schwarze Null verliebt habe. Dann musste
er selber darüber lachen. Ich will daran erinnern: Liebe
macht nicht nur heiter, sondern auch blind, Herr Staatssekretär.
({1})
Keine neuen Schulden - das ist zwar vernünftig, aber
eine verantwortungsvolle Gestaltungspolitik ist das noch
nicht. Ich bleibe dabei: Für die allermeisten Menschen in
diesem Lande ist es für ihren Lebensalltag kein Zugewinn, ständig diese Propaganda zu hören.
({2})
Ich will einige Hauptaussagen dieser Haushaltswoche
kommentieren und zähle die bemerkenswerte Erkenntnis
des Staatssekretärs Kampeter, dass von jetzt an die Gesetze eingehalten werden, ausdrücklich einmal nicht
dazu.
Wir kümmern
uns um die internationale Finanzmarktregulierung. - Typisch Merkel! Hier wird der Eindruck erweckt, da würde
jetzt etwas losgehen. Sie hat auch ausdrücklich nichts
Falsches gesagt. Aber sich kümmern zu wollen, ist so
unkonkret, so wenig fassbar, dass darin eben überhaupt
keine Aussage steckt.
({0})
Wir haben es doch mit entfesselten Finanzmärkten zu
tun. Im Jahre 2012 übertraf die Bilanzsumme der Schattenbanken zum ersten Mal die Bilanzsumme der real
existierenden Banken, also der Banken mit Adresse.
Diese Schattenbanken sind doch nicht mit dem Ziel unterwegs, sich an der Wertschöpfung zu beteiligen, sondern sie sind die eigentlichen Feinde von Mittelstand
und Handwerk, weil sie nur auf die Umverteilung von
Arbeit und Werten setzen, die von anderen Leuten geschaffen wurden. Da muss man etwas tun. Da hilft keine
Regulierung. Da hilft nur Abschalten.
({1})
Frau Merkel hat auch gesagt: Deutschland ist Gewinner der Globalisierung. - Das ist wahr, aber auch zynisch. „The winner takes it all“ - Gewinner nehmen alles
mit. Es wurde mit der gemeinsamen Währung in Europa
eben nicht zugleich vereinbart, wie künftig gemeinsame
Wirtschafts- und Sozialpolitik zu gestalten sei. Deshalb
stehen unseren Gewinnen die sozialen Verwerfungen in
Südeuropa gegenüber. Europäische Verantwortung sieht
anders aus.
({2})
Die Minister Schäuble und Nahles haben die gigantische Dimension des Sozialetats hier als soziale Großtat
gepriesen. 82,5 Milliarden Euro allein für die Rentenkassenzuschüsse, 10 Milliarden Euro für Aufstocker. Vor
diesem Hintergrund sage ich Ihnen - das kann man nämlich auch einmal anders betrachten -: Der Sozialetat ist
ein riesengroßer Reparaturbetrieb für eine zuvor zerstörte Sozial- und Solidarsystemgesellschaft.
({3})
Sie müssen heilen, was Sie vorher kaputtgemacht haben.
Das Kaputtmachen ist eben geschehen als Folge von
Niedriglohn, von Leiharbeit - beides im Osten doppelt
so hoch wie im Bundesdurchschnitt - und der PrivatisieRoland Claus
rung der Renten. Wir Linken sagen: Da muss ein anderer
Weg gegangen werden.
({4})
Haushalts- und Finanzpolitik in Zeiten einer globalisierten Welt ist auch immer internationale Politik; Minister Gabriel hat das angesprochen. Im besten Fall sind internationale Wirtschaftsbeziehungen natürlich Beiträge
zur Friedenssicherung. Aber es gibt auch eine Kehrseite,
die nicht verschwiegen werden darf. Das sind Rüstungsexporte, bei denen Deutschland inzwischen auf dem unrühmlichen dritten Platz gelandet ist. Die Bundesregierung - wir hatten ja Auseinandersetzungen mit der
Bundesregierung - hält weiterhin die Öffentlichkeit und
das Parlament im Unklaren, was Auskünfte über die
Fakten zu Rüstungsexporten angeht. Damit, vor allen
Dingen mit den Exporten selbst, wird sich die Linke weder in diesem Haus noch anderswo jemals abfinden.
({5})
Bundesminister Gabriel hat auch einen Halbsatz zur
Lage in Ostdeutschland gesagt, als er auf die besondere
wirtschaftliche Situation eingegangen ist. Ein Halbsatz
in einer ganzen Woche zu den ostdeutschen Ländern ist
mir ausdrücklich zu wenig, ist meiner Fraktion zu wenig.
({6})
Wir fordern mehr Selbstbewusstsein für den Osten, Anerkennung der Leistungen in diesen schwierigen Umbruchs- und Transformationsprozessen und auch Anerkennung von Dingen, die wir Erfahrungsvorsprung der
Ostdeutschen nennen.
({7})
Deutschlands Zukunft gestalten heißt, den Lebensalltag der Menschen im Blick zu haben und ihn zu verbessern, sich an enkeltauglicher Politik zu orientieren,
endlich Steuergerechtigkeit herzustellen, die Mitte zu
entlasten, endlich von oben nach unten umzuverteilen.
Deutschlands Zukunft gestalten - das beruhigt mich wieder ein bisschen - ist zum Glück kein Privileg von Koalition und Regierung. Es ist Sache des ganzen Parlaments, Sache der ganzen Gesellschaft. Da kann ich nur
sagen: Gut, dass es die Linke gibt.
({8})
Als nächster Redner spricht der Kollege Hans-Ulrich
Krüger von der SPD.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben eine durchaus interessante Haushaltswoche
hinter uns. Fakt ist trotz aller Nuancen - da wiederhole
ich mich gerne -: Der vorgelegte Bundeshaushalt 2014
bietet die Möglichkeit, die im Koalitionsvertrag festgelegten Vorhaben umzusetzen, und das bei einem strukturell ausgeglichenen Haushalt. Hier im Hause wurde dazu
gesagt - auch heute und mit einer kleinen Nuance -, wir
hätten Glück gehabt; die Konjunktur laufe eben gut. Da
kann ich nur antworten: Das hat mit Glück nicht so viel
zu tun. Denn das, was wir heute erleben, sind mit die
Folgen - das sage ich als Sozialdemokrat sehr gerne einer klugen und auch weitsichtigen Politik, die wir mit
der rot-grünen Koalition unter Gerhard Schröder begonnen und in Zeiten der Finanzmarktkrise mit Peer
Steinbrück und Olaf Scholz weiterverfolgt haben.
({0})
Dass die Zinsen heute so niedrig sind und dadurch natürlich viel Geld gespart wird, hat auch nichts mit Glück
zu tun. Nein, wir haben national, aber auch gemeinsam
mit der EZB mit einer entsprechenden Geldpolitik die
Finanzmarktkrise beantwortet. Das war klug, umsichtig
und zukunftsorientiert.
({1})
Daher ernten wir nun die Früchte dessen, was wir bereits
2004/05 durchgesetzt haben. Liebe Kollegen von den
Grünen, in Erinnerung daran brauchen Sie Ihr Licht
nicht unter den Scheffel zu stellen.
({2})
Die Aussichten sind nicht schlecht. Unser Wirtschaftswachstum wird 2014 stark auch von der Inlandsnachfrage getragen; der Kollege Brackmann wies bereits
darauf hin. Die Bruttolöhne und -gehälter werden voraussichtlich bei weiterer Beschäftigungszunahme um
circa 2,9 Prozent zunehmen. Bei einem gleichzeitigen
moderaten Preisanstieg, einer Jahresinflation von
1,5 Prozent, bedeutet das: Zusätzliche Kaufkraft verbleibt beim Verbraucher. Schwarzmalerei hat also hier
und heute wenig zu suchen.
({3})
Vor diesem Hintergrund werden wir mit diesem Haushalt und auch mit den kommenden Haushalten eine solide, zukunftsorientierte Finanzpolitik betreiben.
Des Weiteren wurde hier behauptet, der Haushalt
habe ein krasses Investitionsdefizit. Dem widerspreche
ich. Schauen Sie sich bitte nur die prioritären Maßnahmen an, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurden.
Diese Maßnahmen sind zukunftsorientiert und weitsichtig. So investieren wir mehr in Bildung und Forschung.
Getreu dem Motto „Kein Kind, keinen Jugendlichen und
keinen Schüler zurücklassen“ werden den Ländern
6 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, damit sie zusätzliche Investitionen in Krippen, Kitas und Schulen tätigen können. Denn eines ist der Koalition klar: Gute
Bildung, vom Kindergarten über Schule und Ausbildung
bis zum Studium, ist der Schlüssel für die Teilhabe am
sozialen Aufstieg.
({4})
Gleichzeitig ist gute Bildung eine der Grundvoraussetzungen für Wachstum und Wohlstand in diesem Land.
Denn eines ist uns klar: Da wir immer teurer sein werden
als die Konkurrenten aus dem Ausland, müssen wir immer besser sein.
Wir halten darüber hinaus 3 Milliarden Euro für Investitionen in der Forschung für unabdingbar. Deutschland ist hier europaweit führend; das ist richtig so. Aber
das muss auch unbedingt so bleiben.
Wir investieren auch mehr in die Infrastruktur, und
zwar 5 Milliarden Euro. Rund 500 Millionen Euro werden in diesem Jahr bereitgestellt, die weiteren 4,5 Milliarden Euro in den nächsten Jahren. Die klassischen Investitionen in Straße, Schiene und Wasserstraße steigen
von 10,5 Milliarden Euro im Jahr 2014 auf 11 Milliarden
Euro im Jahr 2015, auf 11,6 Milliarden Euro im Jahr
2016 und schließlich auf 12,1 Milliarden Euro im Jahr
2017. Das sind Beträge, die als Beleg für ein Investitionsdefizit nicht herhalten können.
Ferner werden die jährlichen Mittel für den Städtebau
- das klang in dieser Woche schon an - auf 700 Millionen Euro aufgestockt. Das Programm „Soziale Stadt“,
das gerade für diejenigen sehr wichtig ist, die in ihren
Bundesländern soziale und wirtschaftliche Brennpunkte
zu verzeichnen haben, ist mit 150 Millionen Euro dotiert.
({5})
Noch ein Punkt zu den Städten und Gemeinden. Ab
2014 übernimmt der Bund die Kosten der Grundsicherung im Alter in Höhe von 5,5 Milliarden Euro; die
letzte Stufe in einer Größenordnung von über 1 Milliarde Euro ist im Jahre 2014 gezahlt worden.
({6})
Im Rahmen des vereinbarten Bundesteilhabegesetzes
werden die Kommunen - auch dazu ist schon einiges gesagt worden - im Umfang von 5 Milliarden Euro jährlich von den Kosten der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen entlastet werden. Bis dieses Gesetz
erarbeitet ist, werden die Kommunen beginnend mit dem
1. Januar 2015 um 1 Milliarde Euro entlastet. Eines ist
klar: Der Entwurf dieses Gesetzes, welches in komplexer Art und Weise ein modernes Teilhaberecht zum Gegenstand haben wird und welches das Leben der Menschen mit Behinderung konkret verbessert, wird im
Jahr 2015 erstellt, im Jahr 2016 beschlossen und - das
ist unser Ziel - bereits 2017 zu einer höheren Entlastung
der Kommunen führen. Insofern ist die Bemerkung, der
Haushalt 2014 habe ein Investitionsdefizit, Unsinn.
({7})
Lassen Sie mich noch zwei bis drei Sätze zu unserem
Ziel, eine gerechte und vernünftige Politik auf den Weg
zu bringen, sagen. Die Lebensleistung eines jeden Menschen ist anzuerkennen. Das ist eine Plattitüde. Alle sind
sich darüber einig. Dann sollte man sich aber auch über
die Schlussfolgerungen einig sein, die jetzt die Große
Koalition dergestalt formuliert, dass derjenige, der
45 Jahre gearbeitet hat, die Früchte seiner Arbeit auch
ernten soll, ohne mit Abschlägen im Ruhestand rechnen
zu müssen.
Damit nicht genug. Zur sozialen Fairness und Anerkennung gehört es auch, dass die Leistung derjenigen,
die Kinder vor 1992 geboren und aufgezogen haben, mit
entsprechenden Rentenpunkten dotiert wird und dass
diese Personen hiermit ab dem Juli dieses Jahres rechnen
dürfen. Gleiches gilt für die Erwerbsminderungsrente.
Wir werden die Erwerbsminderungsrente um circa
5 Prozent steigern. Damit wird angenommen, dass der
oder die Versicherte bis zum 62. Lebensjahr gearbeitet
hat.
({8})
Last, not least sind natürlich in dieser Woche und in
den nächsten Wochen die Fragen im Zusammenhang
mit der Energiewende zu klären. Herr Staatssekretär
Kampeter hat schon einiges zum Bereich des EEG gesagt. Das ist etwas, was uns beschäftigt. Eines ist vollkommen klar: Das oberste Ziel der Verhandlungen und
Gespräche war, mit der EEG-Reform die Kostendynamik zu durchbrechen. Das ist geschehen. Das ist ein Erfolg, der vielleicht dem einen oder anderen zu Beginn
der Verhandlungen noch nicht so klar war und der aus
diesem Grunde nicht hoch genug eingeschätzt werden
kann. Von daher mein Dank an diejenigen, die die Verhandlungen geführt haben.
Das alles sind Punkte, die für eine vernünftige und
konstruktive Beratung des Haushalts 2014 eine Rolle
spielen werden. Sofern die Opposition noch entsprechende Zusatzvorschläge, gute Vorschläge, vorlegen
wird, werden diese selbstverständlich nicht nur unser hohes Interesse, sondern auch eine entsprechende Resonanz erfahren. Dazu gehören allerdings dann auch Vorschläge, wie bestimmte Maßnahmen bezahlt werden
können.
({9})
Ich danke Ihnen.
({10})
Als nächste Rednerin hat die Kollegin Deligöz vom
Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Seit ein paar Wochen bin ich Haushälterin. Ich habe
gleich gelernt: Die Haushälter sind die Ersten, die das
Haus betreten, und die Letzten, die das Haus verlassen,
und sie sind diejenigen, die sich am stärksten an Prinzipien halten müssen.
({0})
Für mich als Grüne lassen sich die Prinzipien meines
Handelns an einer Grundlage festmachen - ich weiß
nicht, ob Sie meine Auffassung teilen -: Wir haben diese
Erde von unseren Kindern nur geborgt. Das ist eine Verpflichtung zur ökologischen Nachhaltigkeit. Das ist aber
auch eine Verpflichtung zur finanziellen Nachhaltigkeit.
({1})
Das heißt, wir wollen die Sozialkassen nicht plündern;
wir wollen eine nachhaltige Finanzpolitik, also eine Finanzpolitik, die nicht auf Schuldenberge aufbaut. Das
gehört neben einer lebenswerten Umwelt zur sozialen
Gerechtigkeit.
Liebe Kollegen, ich bin gespannt, ob Sie gleich klatschen: Ich bin der Meinung, dass Sie uns trotz einer guten Situation eine Finanzplanung ohne ein Fundament
vorsetzen; Sie bauen ein Traumschloss. Dieses Traumschloss wird bei der ersten konjunkturellen Eintrübung
wie ein Kartenhaus zusammenbrechen, und darauf sind
Sie gar nicht vorbereitet.
({2})
Beispielhaft möchte ich auf die Versicherungen verweisen. Herr Kampeter, Sie haben gesagt, wir, die Opposition, kritisierten in diesem Punkt die Regierungspolitik. Ja, wir kritisieren Ihre Politik, und zwar zu Recht.
Nehmen wir einmal das Beispiel Gesundheitsfonds: Sie
haben bereits gekürzt, und jetzt kürzen Sie noch einmal.
Nächstes Jahr werden Sie vielleicht noch einmal kürzen.
Sie reden hier von Überschüssen. Ich rede von Beitragsgeldern. Was in die Versicherungskassen fließt, sind solidarische Beitragsgelder.
Wir Politiker haben zugesagt, dass wir die versicherungsfremden Leistungen bewusst mit Steuermitteln bezahlen, weil dies Ausdruck der Solidarisierung mit der
Gesamtgesellschaft ist.
({3})
Diese versicherungsfremden Leistungen stehen zum
Beispiel für ein Solidarisieren mit den Erziehenden, mit
den Kindern, mit den Müttern, mit den Vätern. Diese Solidarisierung geben Sie auf, und Sie bürden diese Finanzierung allein den Beitragszahlern auf.
({4})
Warum sollen alle anderen das nicht mitfinanzieren? Die
soziale Gerechtigkeit hört bei Ihnen dort auf, wenn es
darum geht, die Mittel aus dem Gesundheitsfonds nicht
für andere Zwecke zu plündern. So geht das nicht, Herr
Kollege.
({5})
Nehmen Sie doch einmal das Beispiel Rentenpaket.
Sie reden hier über die Anerkennung der Lebensleistung.
Wer erkennt hier die Lebensleistung einer Frau an, die
zwar sehr wohl gearbeitet hat, aber nicht auf 45 Beitragsjahre kommt, weil sie Kinder erzogen hat? Sie hat
nämlich nichts von Ihrer Politik. Diese Frau hat vielleicht auch nicht genug verdient und ist mittlerweile in
der Grundsicherung gelandet. Diese Frau hat auch nichts
von der Mütterrente. Ihre Ansprüche darauf werden
nämlich eins zu eins auf ihre anderen Sozialleistungen
angerechnet. Wer solidarisiert sich mit dieser Frau? Wer
erkennt die Lebensleistung dieser Frau an? Sie definitiv
nicht!
({6})
Ihr Rentenpaket wird - das können Sie gar nicht in
Zweifel ziehen - bis zum Jahr 2030 175 Milliarden
Euro kosten. Das wird die Rentenversicherung nicht tragen. Dann werden Sie entweder auf die Steuermittel zurückgreifen müssen, oder Sie werden die Beiträge erhöhen müssen. Da haben Sie die Wahl. Was davon werden
Sie machen?
({7})
Seien Sie doch einmal ehrlich, und verweisen Sie nicht
immer auf die Umfragen. Wenn Sie die Menschen fragen
würden: „Sind Sie bereit, das zu bezahlen?“, dann würden eben diese Umfragen definitiv anders ausfallen; da
bin ich mir ziemlich sicher.
({8})
Es gibt nur eine Kasse, bei der Sie nicht zuschlagen,
und das ist die Arbeitslosenkasse. Warum nicht? Weil
Sie sie längst geplündert haben. Da ist nämlich gar kein
Geld mehr drin. Wenn wir auch nur die leichteste Eintrübung auf dem Arbeitsmarkt hätten, hätten wir mit den
vorhandenen Rücklagen nicht einmal die Möglichkeit,
Kurzarbeitergeld zu zahlen. Das müssen Sie verantworten.
Herr Schäuble konnte dieses Jahr tatsächlich seinen
Haushalt zu Traumbedingungen präsentieren. Die Konjunkturdaten sind gut. Die Stimmung ist gut. Die Arbeitslosigkeit ist gering. Die Zinsen sind niedrig. Jetzt
kann man sagen: „Das ist Glück“, oder: „Das ist gemacht“. Herr Krüger, es gibt ein tolles türkisches Sprichwort. Es heißt: Frag nicht immer, was du getan hast, sondern frage, was du tun wirst; denn daran musst du dich
messen lassen.
Sie hätten schon jetzt unter diesen Voraussetzungen
anfangen können, Schulden abzubauen; diese Möglichkeit hätte es gegeben. Stattdessen machen Sie 6,5 Milliarden Euro neue Schulden. Sie hätten jetzt die Chance
gehabt, Strukturreformen durchzuführen. Wenn Sie hier
schon Schröder zitieren:
({9})
Genau da hat er angesetzt. Warum machen Sie es nicht
wie er? Sie könnten jetzt Subventionen abbauen; aber
davon sehen wir nichts. Sie könnten jetzt zum Beispiel
eine Reform der Finanzierungssysteme angehen. Sie
wollen aber gar nicht gestalten. Sie wollen dieses Land
verwalten; denn genau darauf haben Sie sich in der Großen Koalition geeinigt. Einfach nur draufzupacken, das
ist nicht Politik. Einfach nur draufzupacken, ist Aus2620
druck des Bangens um Wählerstimmen, aber nicht Ausdruck von Verantwortungsübernahme in diesem Land.
({10})
In der Tat stehen wir eigentlich erst noch vor einer
großen Herausforderung: Das ist der demografische
Wandel. Dieses Land wird älter; wir werden weniger.
Generationen, die nicht geboren werden, bekommen
keine Kinder. Das zu ändern, wird uns im Moment nicht
gelingen. Dieses Land ist auch bunter. All das erfordert
Antworten von der Politik, auch in einem Haushalt.
Die Alterung der Gesellschaft wird neue Kosten mit
sich bringen. Nicht nur die jetzigen, sondern auch die zukünftigen Rentnerinnen und Rentner haben einen Anspruch darauf, sich auf die Sozialversicherungssysteme
verlassen zu können, haben einen Anspruch darauf, der
Politik vertrauen zu können. Ich weiß nicht, ob ich ihnen
im Moment dazu raten könnte. Wir müssen die sozialen
Systeme demografiefest machen. Das tun wir nicht, indem wir sie schon jetzt ausbeuten und leeren. Rücklagen
sind dafür da, dann herangezogen zu werden, wenn man
sie benötigt. Wenn sie jedoch nicht mehr da sind, dann
kann man auch nicht mehr darauf zurückgreifen.
Wir werden weniger. Die wenigen Kinder, die wir haben, brauchen die beste Bildung, die beste Ausbildung.
Diese müssen wir ihnen anbieten; deshalb die Investitionen in Infrastruktur. Sie rühmen sich damit, 6 Milliarden
Euro dafür plus 3 Milliarden Euro für Forschung zusätzlich ausgepackt zu haben. Da die drei Ministerinnen, wie
ich das sehe, aber nur miteinander streiten und Sie nicht
wissen, wie Sie es verteilen und unterbringen können, ist
das Geld im Moment beim Bundesfinanzministerium geparkt worden. Wenn es zu einer pauschalen Überweisung kommt, dann sage ich voraus, dass es nicht in den
Bildungseinrichtungen ankommen wird, sondern verloren geht. Mein Kollege Swen Schulz hat das gestern zu
Recht kritisiert. Nehmen Sie ihn beim Wort, wenn Sie
schon unsere konstruktiven Ideen nicht wirklich wahrnehmen. Wir brauchen verbindliche Strukturen. Diese
müssen Sie schaffen. Wir können es uns nicht leisten,
auch nur ein einziges Kind fallen zu lassen. Dazu gehören auch die Kinder von Migranten.
({11})
Apropos „Wir werden bunter“. Dieses Land ist schon
bunt. Ich sage nun etwas, was nichts mit diesem Haushalt zu tun hat, aber etwas mit dieser Gesellschaft; die
zukünftigen Steuerzahler müssen schließlich erst noch
heranwachsen. Mit Ihrem Gesetz zur doppelten Staatsbürgerschaft sprechen Sie die Kinder an, aber nicht deren Eltern. Dieses Gesetz ist nicht nur bürokratisch; es
wird in der Gesellschaft vielmehr als kontraproduktiv
wahrgenommen werden. Wenn Sie die Analyse mit mir
teilen, dass jedes fünfte Kind in Deutschland einen Migrationshintergrund hat, dann seien Sie ehrlich, machen
Sie ganze Politik, nicht nur halbe, setzen Sie Zeichen der
Willkommenskultur! Dazu gehören gute Bildung, gute
Ausbildung, aber auch die doppelte Staatsbürgerschaft
ohne Wenn und Aber und ohne Grenzen.
({12})
Frau Präsidentin, ich höre schon auf. Nur noch einen
Satz. - Sie reden von Strukturreformen. Ich finde es
nicht redlich, wenn wir in Europa alle Länder dazu anhalten, Strukturreformen zu vollziehen, wir aber nichts
leisten. Wir sind in der Bringschuld.
Ja, Herr Kampeter, ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir machen konstruktive Vorschläge. Aber zur konstruktiven Politik gehört auch ein Nachjustieren: Nehmen Sie unsere Vorschläge an. Wir haben gute Ideen.
Darauf können Sie sich verlassen.
({13})
Als nächster Redner hat der Kollege Kalb von der
CDU/CSU das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Seit Dienstag dieser Woche diskutieren wir in
diesem Hause intensiv alle Bereiche des Bundeshaushalts für das Jahr 2014. Unser Bundesfinanzminister hat
am Dienstag einen Haushaltsplan vorgelegt, der sich sehen lassen kann und der in der Haushaltspolitik hinsichtlich der mittelfristigen Finanzplanung praktisch eine
Zeitenwende darstellt. Bereits 2014 werden wir nur noch
eine Neuverschuldung von 6,5 Milliarden Euro haben,
wenn wir die Einzahlungen in den ESM herausrechnen,
nur noch von 2,2 Milliarden Euro. Strukturell ist der
Haushalt ohnehin ausgeglichen. Ab nächstem Jahr werden wir wirklich die schwarze Null haben, in die sich
Steffen Kampeter, wie er selbst sagt, verliebt hat.
Der ausgeglichene Haushalt war in der Zeit meiner
Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag schon mehrere
Male in Sichtweite. Das war zum ersten Mal 1989. Dann
kam die Wiedervereinigung, und zwar nicht leider, sondern Gott sei Dank. Es waren große Anstrengungen zu
unternehmen. Aber die Wiedervereinigung war gut für
die Menschen in Ost und West, in Gesamtdeutschland, in
Europa, sie war gut für eine friedliche Entwicklung in
der Welt.
({0})
Zum zweiten Mal war das 2008, als es auch schon die
Perspektive gab, 2010 einen vollkommen ausgeglichenen Bundeshaushalt zu haben. Aber es kam dann unerwartet die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise, und
wir mussten wieder handeln. Das hat unsere Verschuldung natürlich nach oben getrieben. Aber - das haben
auch Kolleginnen und Kollegen schon ausgeführt - die
Maßnahmen, die wir ergriffen haben, waren richtig. Sie
haben den Menschen gedient. Sie haben den Menschen
den Arbeitsplatz erhalten. Sie haben den Menschen Perspektive gegeben. Sie haben die Grundlage dafür gelegt,
dass wir heute so gut dastehen, wie wir dastehen, dass
wir besser aus der Krise herausgekommen sind, als wir
hineingegangen sind. Während man Deutschland früher
als den kranken Mann Europas bezeichnet hat, bezeichnet man Deutschland heute fast neidvoll als die Lokomotive für die wirtschaftliche Entwicklung in Europa.
({1})
Im Übrigen hat der Bund auch dank der guten Haushaltsführung seit fünf Jahren immer weniger Schulden
gemacht, als zunächst geplant war. Diesen Konsolidierungspfad werden wir konsequent fortsetzen, und zwar
ohne Steuererhöhungen. Wir haben Steuererhöhungen,
auch verdeckte Steuererhöhungen, für diese Wahlperiode gemeinsam ausgeschlossen.
({2})
Ich bin sehr dankbar, dass der Wirtschaftsminister und
Vizekanzler Sigmar Gabriel sich gestern ausdrücklich
dafür ausgesprochen hat.
({3})
Es reicht aber nicht, dass wir auf dem Papier eine
schwarze Null schreiben; wir müssen viele Anstrengungen unternehmen. In der Debatte ist von vielen Fachpolitikern, zum Teil sogar aus unseren eigenen Reihen, eine
Vielzahl von Wünschen geäußert worden.
({4})
Es wäre schön, wenn wir diese Wünsche erfüllen könnten, aber wir können nicht alle Wünsche erfüllen, wenn
wir solide Haushaltspolitik machen wollen.
({5})
Die Grundvoraussetzung für eine solide Entwicklung
in der Zukunft ist eine solide Haushalts- und Finanzpolitik. Die Menschen im Lande erwarten nicht mehr von
uns, als dass wir solide wirtschaften, dass wir das Geld
zusammenhalten, dass wir für die Stabilität der Währung
sorgen. Das ist gut für die Beschäftigung. Das ist gut für
die arbeitenden Menschen. Das ist gut für den Wohlstand
und die soziale Sicherheit im Lande.
({6})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Konjunktur läuft gut. Die deutsche Wirtschaft wird 2014
nach jüngsten Prognosen stärker wachsen als erwartet.
Wir haben mittlerweile einen Rekordwert bei der Zahl
der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Auch
das darf einmal gesagt werden: Wir haben 32 Millionen
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte - das ist ein
Rekordwert in der Nachkriegsgeschichte - und fast
42 Millionen Erwerbstätige insgesamt. Das ist nicht vom
Himmel gefallen. Ich habe vorhin beschrieben, welche
Maßnahmen wir auch in schwierigen Zeiten ergriffen
haben. Das ist die Grundlage dafür, dass wir heute auch
in den Haushalten von Bund, Ländern und Gemeinden
Entspannung feststellen können und die Situation der
Sozialkassen besser ist, als wir noch vor einigen wenigen Jahren befürchten mussten.
Wir geben natürlich auch Antworten auf die Herausforderungen durch die demografische Entwicklung, und
zwar in der Weise, dass wir gerade für diese Legislaturperiode vereinbart haben, mehr zu tun für Bildung, Forschung, Infrastruktur, überhaupt für die gesamte Entwicklung, aber auch für die soziale Absicherung der
Menschen.
({7})
Das Thema Verkehrsinfrastruktur ist in der vorausgegangenen Debatte angesprochen worden. Frau Wilms
von den Grünen - ich glaube, sie ist jetzt nicht mehr
hier - möchte überhaupt nichts mehr bauen. Wir brauchen aber alle Verkehrsträger und heute dazu natürlich
auch die Kommunikationstechnologie für eine flächendeckend gute Entwicklung im Land. Jeder Verkehrsträger und jeder Kommunikationsweg muss seine speziellen Stärken ausspielen können, damit wir den Wohlstand
auch in der Zukunft sichern können.
({8})
Wir müssen eine Frage stellen; das ist von mehreren
Rednern schon zu Recht angesprochen worden. Es ist
besorgniserregend, dass bei Infrastrukturmaßnahmen
heute bis zu 50 Prozent des Geldes - ich glaube, der Kollege Brinkhaus hat das in der Debatte schon gesagt - für
Planung, für Begleitmaßnahmen, für Umweltmaßnahmen usw. ausgegeben wird. Da kann man am Ende mit
dem Geld nicht mehr so viel bauen, wie man es gern
täte.
({9})
Vorhin wurde die Jugend angesprochen. Der Einzelplan 17, also der Haushalt für Familie, Jugend usw.,
steigt überdurchschnittlich stark an. Nur das allein ist
nicht die Antwort. Viel wichtiger für die Zukunftssicherung ist doch, dass wir insgesamt gute Grundlagen für
eine wirtschaftliche Entwicklung und eine hohe Qualität
bei der Bildung und der Forschung schaffen, dass wir
keine Neuverschuldung mehr machen und dass wir die
Altlasten nicht noch höher auftürmen, sondern dort, wo
es möglich ist, Altlasten abbauen, damit Gestaltungsspielräume entstehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich
sind wir als Bund nicht alleine. Wir brauchen die übrigen
Partner. Die Länder und die Kommunen müssen mitmachen, natürlich müssen auch die Sozialpartner mitmachen. Damit wir insgesamt eine vernünftige und gute
Entwicklung haben, müssen richtige Anreize gesetzt
werden, um die Leistungsbereitschaft der verschiedenen
Ebenen zu honorieren und herauszufordern sowie
gleichzeitig die Haushaltsdisziplin zu befördern. Deswegen muss der Länderfinanzausgleich neu geordnet werden. Dass ich aus Bayern komme, ist aufgrund meines
Dialektes nicht schwer zu erraten.
({10})
Wenn ein einziges Bundesland heute die Hälfte aller Finanzausgleichsleistungen erbringt, dann stimmt etwas
nicht. Dann müssen neue Maßstäbe gesetzt und neue Instrumente gefunden werden, damit es wieder ins rechte
Lot kommt und damit sich Anstrengungen für die Geber2622
länder und die Nehmerländer wieder lohnen. Wir brauchen einen fairen Finanzausgleich, der das Leistungsund Solidaritätsprinzip wieder ins Gleichgewicht bringt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Deutschland leistet einen wichtigen Beitrag für Europa. Wir haben gesehen, solide Staatsfinanzen sind kein Selbstzweck, sondern die Grundvoraussetzung für Wachstum
und Generationengerechtigkeit. Wie schnell das Vertrauen angesichts überbordender Staatsfinanzen verloren
gehen kann, haben wir im Zuge der Staatsschuldenkrise
erlebt. Die Krisenländer haben zwischenzeitlich enorme
Fortschritte gemacht und Reformen durchgeführt. So
konnten Irland und Spanien aus dem Rettungsschirm heraus. Portugal ist auf einem guten Wege. Selbst Griechenland gibt zur Hoffnung Anlass. Die gestrige Begebung von griechischen Staatsanleihen ist ein gutes
Signal - auch wenn wir es vorsichtig bewerten - und
lässt den Schluss zu, dass die Maßnahmen, die wir mit
den Rettungsschirmsystemen EFSF und ESM ergriffen
haben - auch die Maßnahmen der EZB -, dazu geführt
haben, dass die internationalen Finanzmärkte wieder
Vertrauen in den europäischen Währungsraum, in den
Euro, gewinnen. Deswegen können wir davon ausgehen,
dass das die richtigen Schritte sind. Vertrauen ist die
Grundvoraussetzung für eine weiterhin gute Entwicklung.
({11})
Deswegen sage ich: Auch im Rahmen des Europawahlkampfes sollten bestimmte Spitzenkandidaten den Bürgern, insbesondere im Süden Europas, keine falschen
Versprechungen machen. Die Anstrengungen, die sie unternehmen, werden sich lohnen. Das zeigt unser Beispiel.
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich hätte gerne noch etwas zu meiner Vorrednerin bezüglich der Mütterrente gesagt. Sie sollten eines bedenken: Wir haben ein umlagefinanziertes Rentensystem.
Das heißt, die Menschen, die vor 1992 geboren sind,
zahlen in das Rentensystem ein. Deren Mütter haben die
Kinder ohne entsprechende Ausgleichszahlungen erzogen und somit den Weg ermöglicht, dass unsere volkswirtschaftliche Leistung heute erbracht werden kann.
({0})
Auch das gehört zur Wahrheit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bedanke
mich.
({1})
Als nächste Rednerin hat die Kollegin Ingrid ArndtBrauer das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir sind
heute in der Schlussdebatte zum Haushalt, und mit mir
spricht ausnahmsweise mal ein Mitglied des Finanzausschusses; ansonsten haben hier heute morgen, glaube
ich, ausnahmslos Haushälter gesprochen.
({0})
Auch wir Finanzausschussmitglieder freuen uns darüber, dass es nächstes Jahr keine Neuverschuldung geben wird, sofern es dazu kommt. Aber was uns ein bisschen stört, ist das Schulterklopfen zwischen Haushältern
und Finanzminister, während man uns Finanzausschussmitglieder vergisst.
({1})
Die Basis für diesen guten Haushalt legt doch die Steuergesetzgebung, und die findet bei uns statt. Das muss man
doch mal sagen, und das möchte ich hier auch einmal betonen.
({2})
In vielen Landesparlamenten und Kommunen ist es ja
so, dass die Einnahmen und die Ausgaben im Haushaltsausschuss getätigt werden. Bei uns ist es aber anders:
({3})
Die Einnahmen müssen wir besorgen, und die Ausgaben
werden dann vom Haushaltsausschuss beschlossen, dem
permanent dafür gedankt wird. Vielleicht sollte man mal
darüber nachdenken.
({4})
Was passiert, wenn es falsch läuft? Da müssen wir
alle uns nur zurückerinnern, wie es vor vier Jahren im
Finanzausschuss war: Da wurde beschlossen, den Hoteliers einen reduzierten Mehrwertsteuersatz zu gewähren,
und schon war dauerhaft 1 Milliarde Euro jährlich weg.
Würde so etwas noch einmal passieren, wäre es mit der
schwarzen Null im nächsten Jahr vorbei. Deswegen sollten Sie sich mit den Finanzpolitikern und dem Finanzausschuss gutstellen. Wir sind nämlich 37 sehr qualifizierte und sehr motivierte Mitglieder, viele aus
steuerberatenden Berufen und somit alle Fachleute.
({5})
Eine Fraktion ist seit dieser Legislatur nicht mehr dabei; das war die mit den Plänen zu niedrigen, gerechten
und einfachen Steuern. Frei nach Trude Herr - „Niemals
geht man so ganz“ - wollen wir mal gucken, was aus der
Idee geworden ist: Niedrigere Steuern will keiner mehr.
Sonst kommt man ja auch nächstes Jahr nicht zur
schwarzen Null. Gerechtere Steuern wollen eigentlich
alle. Nur was ist bei den Steuern gerecht? Da gibt es sehr
unterschiedliche Definitionen. Bei der Opposition und
manchmal auch bei der SPD bedeutet „gerecht“, dass es
für einzelne reiche Mitbürger zu einer Steuererhöhung
kommt. Das wird entweder niedergestimmt - leider oder gar nicht erst beantragt, weil der Koalitionsvertrag
festlegt, dass es zu keinen Steuererhöhungen kommen
soll.
({6})
- Genau, und so wird es auch sein.
Jetzt bleibt noch das Stichwort „einfach“. Das sollten
wir wirklich ernst nehmen. Denn hier kommt die Stunde
des Finanzausschusses. Wenn wir die Banken- und
Finanzmarktregulierung abgeschlossen haben, dann sollten wir uns das Vorhaben „einfache Steuergesetzgebung“
vornehmen. Im Koalitionsvertrag auf Seite 64 steht ein
bisschen darüber. Da steht, dass Steuervereinfachung
eine Daueraufgabe ist. Angeführt werden die vorausgefüllte Steuererklärung, das Faktorverfahren und als Zukunftsprojekt auch das Selbstveranlagungsverfahren.
Damit ist die Auflistung eigentlich schon am Ende. Ich
denke, das sollte es nicht sein.
Wir haben eine riesige Koalitionsmehrheit von
504 Abgeordneten, und wir haben in der Bevölkerung
mit dieser Großen Koalition riesige Erwartungen geweckt. Deswegen sollte sich diese Koalition nicht nur
auf das jährliche Jahressteuergesetz freuen und darauf
warten, endlich Steuergesetzgebung in der Form machen
zu können, dass marginal irgendetwas nachjustiert wird,
was aus dem Ruder gelaufen ist. Wir sollten vielmehr
wirklich versuchen, uns die Steuervereinfachung als Projekt vorzunehmen.
({7})
- Ja, genau, das ist einen Applaus wert. ({8})
Wir sollten auch nicht darauf warten, dass uns das Bundesverfassungsgericht irgendwelche Urteile um die Ohren haut und uns zu irgendwelchen Handlungen zwingt,
sondern wir sollten ganz konkret Projekte angehen.
Das Bundesfinanzministerium hat dankenswerterweise ein paar Gutachten in Auftrag gegeben, die wir
uns einmal näher anschauen sollten. Da fällt mir zum
Beispiel ein Gutachten vom RWI ein - das ist kein SPDnahes Institut -, das uns vorschlägt, die Mehrwertsteuer
zu reformieren. Darin werden gute Beispiele gerechnet.
Wir sollten uns dieses Vorhaben einmal vornehmen.
({9})
Wir sollten auch einmal darüber diskutieren - unser
stellvertretender Fraktionsvorsitzender hat es schon mal
versucht -: Wo gibt es eigentlich bei den Dingen, die wir
jetzt schon haben, Missbrauch - Stichwort haushaltsnahe Dienstleistungen? Wir wollen sie nicht abschaffen,
aber wir sollten einmal drüberschauen.
({10})
Nur befinden wir uns im Moment in folgender medialer
Situation: Sobald einer auch nur irgendetwas andiskutiert, wird schon draufgeschlagen. Das ist eigentlich
schade. Wir sollten uns die Zeit zur Diskussion lassen,
weil wir so die Situation der Menschen wirklich verbessern können.
({11})
Wir wollen keine Steuererhöhungen. Wir wollen nur die
Gesetzgebung, wo nötig, einfacher und gerechter gestalten und aus dem Ruder gelaufene Vorgänge wieder einfangen.
Wir sollten auch darüber nachdenken, die Höhe bereits bestehender Pauschalen anzupassen. Ich denke in
diesem Zusammenhang an die Behindertenpauschale,
die ziemlich vergessen worden ist. Das kostet zwar ein
bisschen Geld, aber ich bin der Meinung, das muss drin
sein. Andere Pauschalen sollten wir überdenken und uns
fragen: Sind sie noch sinnvoll? Vielleicht sollten wir
auch neue Pauschalen einführen. Für eine solche Diskussion mit den qualifizierten Mitgliedern des Haushaltsausschusses sollten wir uns Zeit nehmen, und ich bitte
Sie, nicht gleich draufzuschlagen, wenn wir ein neues
Thema aufmachen.
({12})
Im Herbst werden wir uns mit einem Thema beschäftigten müssen, da geht es um eine Regelung, die uns
vom Bundesverfassungsgericht zurückgespiegelt wird,
nämlich das Thema Erbschaftsteuer. Da müssen wir
dann etwas machen.
({13})
Wir sollten die Beratungen in aller Ruhe angehen und
über eine Verbreiterung der Besteuerungsgrundlage
nachdenken. Die Länder würden sich freuen, wenn wir
mehr als 4 Milliarden Euro an sie überweisen würden.
({14})
Ich rede nicht von den erbschaftsteuerlichen Regelungen
bei der Nachfolge in Unternehmen, sondern ich rede von
privaten Erbschaften, die ja meistens ein leistungsloses
Einkommen darstellen, das in der Regel in unserer Gesellschaft auch nicht gerecht verteilt ist. Deswegen sollten wir offen über eine Verbreiterung nachdenken. Da
sollte man uns auch ein bisschen Spielraum lassen.
Wir alle hoffen, dass die Wachstumsprognosen, die
uns vorliegen, eintreten. Wenn nicht, dann sind wir als
Finanzer gefordert. Wir werden dann nicht darum herumkommen, irgendetwas zu tun, um Mehreinnahmen
zu generieren; denn die Null bei der Neuverschuldung
wird, wie ich denke, doch auch in den folgenden Jahren
unser Ziel sein. Möglicherweise werden ein paar Krisen
auf uns zukommen. Das können wir jetzt noch nicht abschätzen. Manche Krise deutet sich am Horizont an Stichwort Ukraine. Sollte das der Fall sein, könnte es
dazu kommen, dass wir Geld in die Hand nehmen müssen.
({15})
Wir sollten schon jetzt über Steuerquellen nachdenken,
die wir dann akquirieren könnten.
({16})
Ich möchte noch etwas zum Koalitionsvertrag sagen.
Auf Seite 63 steht:
Steuerrecht ist kein statisches Recht. Wenn gesellschaftliche oder wirtschaftliche Entwicklungen es
erfordern, muss das Steuerrecht angemessen fortentwickelt werden, damit es seine Ziele auch künftig erreicht.
Das sollten wir uns immer vor Augen führen. Wir sollten
jetzt nicht sagen: In den nächsten Jahren machen wir
steuerlich erst einmal gar nichts, weil alles geregelt ist. Das wäre falsch. Wir sollten das als dynamischen Prozess begreifen und entsprechend damit umgehen.
Ich möchte noch ein paar Sätze zu meinen Vorrednern
sagen. Frau Dr. Lötzsch, die Finanztransaktionsteuer
kommt; da können Sie sicher sein.
({17})
Das steht überall drin, auch im Koalitionsvertrag. Das ist
ja auch keine Steuererhöhung für den Bürger.
({18})
Die 50 Milliarden Euro, die Sie damit einnehmen wollen, sind nicht im Finanztableau enthalten. Ich halte die
Summe auch ein bisschen für zu hoch. Auch wenn sie
weltweit gelten sollte, ist das ein bisschen zu optimistisch veranschlagt. Aber wenn sie kommen würde, würden wir uns natürlich freuen.
Zum Thema Kindergelderhöhung. Ich denke, hier
wird etwas passieren. Wir haben allerdings das Problem,
dass - das wissen Sie selber - eine Erhöhung der Freibeträge um 72 Euro und des Kindergeldes um 24 Euro natürlich nicht besonders viel ist. Deshalb sollten wir an
dieser Stelle offensiv über andere Verfahren nachdenken,
wie wir Familien helfen können. Über so etwas wie einen Kindergrundfreibetrag muss man einmal ernsthaft
nachdenken. Dafür haben wir jetzt genug Zeit. Wir haben genug Man- und Frauenpower. Das sollten wir nutzen.
Die Industrie wird natürlich an den Kosten der Energiewende beteiligt, das ist gar keine Frage. Der Mindestlohn wird flächendeckend eingeführt. Der Abbau der
kalten Progression würde zwischen 3 und 8 Milliarden
Euro kosten. Da wir die im Moment nicht übrig haben,
sollten wir über dieses Thema nicht weiter reden. Die
Kommunen werden mehr Geld bekommen, das ist prioritär. Für die Infrastruktur wird mehr ausgegeben, ebenso
wie für ein friedliches Europa; das wünschen wir uns
alle. Wir werden natürlich nicht in veraltete Waffensysteme, sondern in sinnvolle Maßnahmen investieren.
Da meine Redezeit abgelaufen ist, werde ich zu den
übrigen Bereichen nichts mehr sagen. Ich bin mir aber
sicher: Wir werden die nächsten Jahre eine gute und fortschrittliche Steuerpolitik machen. Liebe Haushälter, vergessen Sie bitte nicht immer, woher das Geld, das Sie
verteilen, kommt und wer das aufbringen muss. Nicht
nur die Bürger, auch wir mit unserer Steuergesetzgebung
sind ein Stück weit beteiligt.
Ich wünsche Ihnen alles Gute für die weiteren Haushaltsberatungen.
Vielen Dank.
({19})
Als nächster Redner hat der Kollege Ingbert Liebing
von der CDU/CSU das Wort.
({0})
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Im Verlauf der Haushaltsberatungen in
dieser Woche ist auch vielfältig über die Lage der Kommunen diskutiert worden. Auch die Opposition hat sich
an diesem Thema abgemüht. Heute ist Gelegenheit, ein
Fazit dieser Debatte zu ziehen. Mit Blick auf die Finanzlage der Kommunen lautet das Fazit: Gerade auch die
Kommunen profitieren von der Politik unserer Koalition
und auch der Bundesregierungen der vergangenen Jahre.
({0})
Diese gute Politik setzen wir auch fort.
({1})
Dies möchte ich an drei Aspekten aufzeigen:
Erstens. Es ist das Ergebnis unserer Politik, die auf
Stabilität und Haushaltskonsolidierung beruht und die
auf wirtschaftliches Wachstum setzt, dass wir in den vergangenen Jahren steigende Steuereinnahmen verzeichnen konnten. Die Steuereinnahmen sind aufgrund von
Wachstum gestiegen und nicht aufgrund von Steuererhöhungen; das ist das Entscheidende.
({2})
Davon profitieren auch die Kommunen, wie die Zahlen
zeigen. Die Kommunen in Deutschland haben im vergangenen Jahr Mehreinnahmen in Höhe von 8 Milliarden Euro verzeichnen können. Das ist ein Anstieg um
4 Prozent. Die Gewerbesteuereinnahmen erreichten im
vergangenen Jahr mit netto 32,6 Milliarden Euro einen
neuen Höchststand. Im Ergebnis haben die Kommunen
in Deutschland im vergangenen Jahr schwarze Zahlen
geschrieben: 1,1, Milliarden Euro Überschuss. Die
Kommunen haben mehr investieren können als in den
Jahren zuvor. Das sind gute Ergebnisse unserer Politik.
({3})
Dennoch wissen wir, dass die Finanzlage der Kommunen unterschiedlich ist, es hier eine Vielfalt gibt.
Wir haben Städte und Gemeinden, die einen Haushaltsausgleich nur dadurch erreichen können, dass sie
auch an der Unterhaltung ihrer Liegenschaften sparen,
also bei den Kindergärten, bei den Schulen und bei den
Straßen, obwohl da viel mehr zu tun wäre.
Die Vielfalt bei der Finanzlage der Kommunen wird
nirgends so deutlich wie bei den Kassenkrediten. Kassenkredite sind eigentlich nur zur kurzfristigen Überbrückung
von Liquiditätsengpässen zulässig. Die Kommunen in Baden-Württemberg und Bayern haben im Landesschnitt
kaum Kassenkredite: 14 bzw. 20 Euro Kassenkredit pro
Einwohner in Bayern und Baden-Württemberg. In Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sieht das aber ganz
anders aus: 1 360 Euro Kassenkredit pro Einwohner in
Nordrhein-Westfalen und 1 530 Euro Kassenkredit pro
Einwohner in Rheinland-Pfalz. Die Lage in den einzelnen Bundesländern ist also völlig unterschiedlich. Allein
das macht deutlich, dass es nicht gelingen wird, eine für
alle Kommunen passende Lösung auf Bundesebene zu
finden. Hier stehen in allererster Linie die Bundesländer
in der Verantwortung, für eine aufgabengerechte Finanzausstattung der Kommunen zu sorgen.
({4})
Dennoch helfen wir seitens des Bundes auch den
Kommunen. Die zweite gute Botschaft für die Kommunen ist: Der Bundeshaushalt 2014 finanziert die dritte
Stufe der Übernahme der Kosten der Grundsicherung
durch den Bund. 1,6 Milliarden Euro mehr für die Kommunen stecken allein für diese Aufgabe im Bundeshaushalt 2014.
({5})
Gerade deshalb ist der Vorwurf, der hin und wieder erhoben wird, der Bundesfinanzminister spare seinen Haushalt zulasten der Kommunen zurecht, schlichtweg
Quatsch.
({6})
Das Gegenteil ist der Fall: Haushaltskonsolidierung, Sanierung des Haushalts ist zwingende Voraussetzung dafür, dass wir überhaupt in der Lage sind, für die Kommunen etwas zu leisten.
Diese Politik setzen wir auch in den nächsten Jahren
fort. Der Finanzplan für die Jahre bis 2018 weist dies
aus. In den Jahren 2015, 2016 und 2017 werden wir aus
dem Bundeshaushalt jeweils 1 Milliarde Euro zusätzlich
für die Kommunen bereitstellen, und ab 2018 werden
wir in die Finanzierung der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen einsteigen. 5 Milliarden Euro
Entlastung sind zugesagt.
({7})
Zugleich werden wir bei der Eingliederungshilfe die
Menschen in den Mittelpunkt stellen und nicht die Einrichtungen.
Dies alles machen wir nicht von ungefähr. Bei der
Grundsicherung machen wir das, um einen Fehler aus
rot-grüner Regierungszeit zu korrigieren. Auch daran
darf man gerne einmal erinnern, dass SPD und Grüne in
der Zeit, in der sie gemeinsam Regierungsverantwortung
trugen, ein tolles Gesetz zur Grundsicherung im Alter
verabschiedet haben. Sie haben sich dafür feiern lassen,
aber die Rechnung an die Kommunen geschickt.
({8})
Diese Philosophie, schöne Wohltaten zu beschließen,
aber die Kommunen dafür zahlen zu lassen, gehört zu
den Fehlern der Vergangenheit, unter denen die Kommunen noch heute leiden.
({9})
Diese Fehler korrigieren wir. Deswegen ist unser Weg
richtig.
({10})
Viele Kommunen leiden vor allem unter steigenden
Soziallasten. Auch hier setzen wir an, um den Kommunen zu helfen. Das ist die dritte gute Botschaft dieses
Bundeshaushaltes für die Kommunen.
Wir lösen die Probleme, die die Kommunen mit steigenden Sozialkosten haben, doch nicht dadurch, dass wir
immer mehr Geld in ein Sozialsystem geben. Viel wichtiger ist es doch, dass wir die Ursachen der steigenden
Sozialkosten, die Probleme selber anpacken und lösen,
anstatt immer nur mehr Geld zur Finanzierung der Probleme bereitzustellen. Die Ursachen zu bekämpfen und
die Probleme zu lösen, das ist der richtige Weg. Dies
dient den Menschen am Ende auch viel mehr. Denn
wenn die Menschen unabhängiger werden von staatlichen Transferleistungen, wenn sie wieder in Lohn und
Brot kommen und Arbeit haben, wenn sie selber für ihren Lebensunterhalt sorgen können, dient das den Menschen mehr, als wenn wir nur die Sozialkosten finanzieren. Auch hierzu leisten wir mit dem Bundeshaushalt
einen Beitrag. Wir stellen uns unserer Verantwortung im
Bund.
Ich nenne nur zwei Stichworte. Die Städtebauförderung ist eines der besten Instrumente, mit denen wir mit
öffentlicher Mitfinanzierung zugleich auch privates Kapital mobilisieren, um die Struktur in den Städten zu verbessern. Auch das hilft, um steigende Sozialkosten zu
verhindern. Die Entflechtungsmittel - das ist das zweite
Stichwort - sollten nach der Föderalismusreform bis
zum Jahr 2019 eigentlich schrittweise abgeschmolzen
werden. So war es mit den Ländern vereinbart. Trotzdem
setzen wir sie auf hohem Niveau gleichbleibend bis 2019
fort. Damit steht in den Ländern Geld zur Verfügung, um
in den Wohnungsbau zu investieren und um Projekte im
Rahmen der Gemeindeverkehrsfinanzierung zu bezahlen. Auf diese Leistungen sind die Kommunen dringend
angewiesen, und wir stellen diese Gelder zur Verfügung.
Aber jetzt ist es auch notwendig, dass die Länder diese
Mittel genau für diese Zwecke einsetzen und nicht zur
Sanierung ihrer eigenen Haushalte zweckentfremden.
({11})
Dies alles leisten wir. Wir leisten es nicht auf Pump,
wie es früher üblich war, sondern solide finanziert.
({12})
Wir haben den Haushalt auf der Einnahmenseite in Ordnung gebracht und mit Sparsamkeit ebenfalls auf der
Ausgabenseite. Dies ist gute Politik, die allen dient: Das
dient dem Bund bzw. dem Bundeshaushalt. Davon profitieren die Länder. Davon profitieren auch die Kommunen. Das dient aber vor allem den Menschen in den Städten und Gemeinden. Das ist wichtig. Deswegen ist es
gute Politik.
Vielen Dank.
({13})
Als nächster Redner hat der Kollege Swen Schulz das
Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Hauptbotschaft der Koalition in dieser ersten Lesung des Entwurfs des Haushaltsplans ist: Wir sind auf dem Weg zu
einem ausgeglichenen Haushalt.
({0})
Das ist ein gutes, ein lohnenswertes Ziel; denn das verleiht in den künftigen Jahren größere Handlungsspielräume. Um das zu veranschaulichen, gibt es die bekannte Redewendung: Auf Schuldenbergen können
Kinder nicht spielen.
({1})
Der Haushalt gibt aber noch mehr her; denn gleichzeitig
wollen wir in die Zukunft investieren. In der Bildungspolitik heißt es: Wir wollen für die Kinder sparen, nicht
an den Kindern. - Darum hält diese Koalition 9 Milliarden Euro zusätzlich für Bildung und Wissenschaft bereit.
Das ist eine starke Ansage, Kolleginnen und Kollegen!
({2})
Wir sollten aber realistisch sein: Die Spielräume sind
gleichwohl eng. Wir haben uns ja nicht nur vorgenommen, keine Schulden mehr zu machen, sondern darüber
hinaus wird eine aktive Steuerpolitik abgelehnt, Kollege
Barthle, und den Subventionsabbau geht unser Koalitionspartner nicht an. Daher bleibt so manche sinnvolle
Ausgabe für Verkehr, für Soziales, für Forschung, für
Familien oder eben für Bildung auf der Strecke. Es ist
darum sehr gut, dass wir uns als Haushälter in der Koalition vorgenommen haben, im Falle höherer Einnahmen
die gewonnenen Spielräume für sinnvolle Ausgaben und
Investitionen zu nutzen.
({3})
Ich will ein Beispiel ansprechen, das uns und mir sehr
wichtig ist: das BAföG. Das BAföG ist die soziale Bildungsfinanzierung für Schüler und Studierende, die sich
von Haus aus Bildung nicht leisten können. Seit Jahren
ist da nichts mehr gemacht worden. Da müssen wir ran.
Für das BAföG muss auch zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt werden.
({4})
Thomas Oppermann hat das in der Generaldebatte vor
zwei Tagen klar auf den Punkt gebracht, indem er sagte:
Es kann nicht sein, dass wir in der Koalition zusätzliche
Milliarden für die Rentenpolitik mobilisieren, für das
BAföG dann aber kein Geld mehr da ist. Das BAföG
muss strukturell verbessert und die Mittel dafür substanziell erhöht werden.
({5})
In diesem Zusammenhang will ich betonen, dass es
den Abgeordneten von CDU und CSU selbstverständlich
freisteht, sich gegen die Rentenpolitik der Bundesregierung zu stellen. Ich bin grundsätzlich für offene Debatten und freue mich über selbstbewusste Abgeordnete.
Noch mehr würde ich mich allerdings freuen, wenn es
auch nur ansatzweise ein ähnliches Engagement dieser
Abgeordneten für eine stärkere Familien- und Bildungsfinanzierung gäbe.
({6})
Das ist doch wichtig für die Zukunft der jungen
Leute. Es ist nicht nur wichtig, dass die Alten fair in
Rente gehen können, sondern auch, dass Bildung und
Familien unterstützt werden. Auch da müssen wir etwas
machen.
({7})
Die Familienpolitik und die frühkindliche Bildung
sind von größter Bedeutung. Gute Betreuungsangebote
sind zum einen wichtig, damit Eltern arbeiten können,
wenn sie wollen oder müssen. Die frühkindliche Bildung
ist zum anderen wichtig für die Entwicklung der Kinder.
Studien zeigen, dass die Kinder, die eine Kita besucht
haben, in der Regel besser auf die Schule vorbereitet
sind. In der Kita werden wichtige Bildungsgrundlagen
geschaffen. Wir müssen diesen Bereich stärken und weiter verbessern. Dieser Herausforderung müssen wir uns
stellen, Kolleginnen und Kollegen!
({8})
Swen Schulz ({9})
Für die Familien und darüber hinaus ist auch wichtig,
dass wir den gesetzlichen Mindestlohn einführen. Faire
Bezahlung führt zu höheren Steuereinnahmen, mehr
Sozialversicherungsbeiträgen, weniger Sozialausgaben.
Dass nun ausgerechnet Bildungspolitiker der Union fordern,
({10})
den Mindestlohn an eine abgeschlossene Berufsausbildung zu koppeln,
({11})
kann ich nicht nachvollziehen.
({12})
Ich will Ihnen das erklären: Was wäre denn die Folge?
Leute mit Berufsausbildung würden durch Dumpinglöhne von Ungelernten verdrängt.
({13})
Das wäre erstens ungerecht und zweitens eine Entwertung der beruflichen Ausbildung. Das können Sie doch
nicht im Ernst wollen, lieber Kollege.
({14})
Sie sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren:
In einer Koalition ist das immer so eine Sache, zumal in
einer Großen Koalition. Da gibt es eben auch unterschiedliche Auffassungen, über die wir fair und offen
miteinander diskutieren sollten. Ich wundere mich zum
Beispiel über Kolleginnen und Kollegen, die in diesen
Haushaltsberatungen ungefähr folgendes Argumentationsmuster an den Tag legen: Erstens wird der Verzicht
auf neue Schulden gefeiert; das ist okay. Zweitens werden gleichzeitig Steuererhöhungen und Subventionsabbau abgelehnt. Drittens werden dann auch noch Steuersenkungen gefordert - Stichwort: kalte Progression.
Viertens, als Höhepunkt, fordern diese Kolleginnen und
Kollegen bei der Beratung ihres Fachbereichs auch noch
Mehrausgaben. Ich bitte Sie! An dieser Stelle habe ich
den Eindruck, dass manche Kollegen „Im Himmel ist
Jahrmarkt“ spielen wollen.
({15})
Mit uns nicht! Die SPD steht für eine solide Haushaltsund Finanzpolitik.
({16})
Ich will noch ein Thema ansprechen, dessen wir uns
im Haushaltsausschuss grundsätzlich annehmen sollten,
nämlich die demografische Entwicklung und ihre Auswirkung auf das Personal in den Bundesverwaltungen.
Nach Jahren der Stellenreduzierung kommen wir nun in
eine Phase, in der immer mehr Beschäftigte in den Ruhestand gehen. In diesem Jahr werden es gut 2 000 sein, im
Jahr 2018 bereits über 4 000. Die Tendenz ist also sehr
deutlich steigend. Wir müssen uns schnell Maßnahmen
überlegen, damit qualifiziertes Personal die Altersabgänge rechtzeitig ersetzt. Wir wollen die Bundesverwaltung leistungsfähig halten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Große Koalition
setzt einige neue und richtige Akzente. Dazu zählen die
Städtebauförderung und das Programm „Die soziale
Stadt“, das wir wieder flottmachen. In vielen Städten
gibt es Viertel, die dringend Unterstützung benötigen, in
die investiert werden muss und in denen Projekte gefördert werden müssen, die das Zusammenleben verbessern
und die Attraktivität steigern. Solche Sprüche, wie wir
sie in der letzten Legislaturperiode gehört haben, als es
hieß: „Projekte für Kopftuch tragende Mädchen haben
wir genug“, gehören hoffentlich ein für alle Mal der Vergangenheit an.
({17})
Ebenso wichtig ist die Verbesserung der Förderung
für Langzeitarbeitslose durch die Jobcenter. Wir haben
Jahre der Kürzungen bei den arbeitsmarktpolitischen
Maßnahmen hinter uns. Gerade für Langzeitarbeitslose
wurde nicht mehr viel getan. Jetzt sollen viele von ihnen
eine neue Perspektive erhalten, und das ist gut so.
Wir haben uns, über die angesprochenen Punkte hinaus, noch mehr vorgenommen. Der Haushalt 2014 wird
noch nicht vollständig ein SPD-Haushalt sein, aber wir
arbeiten daran.
Herzlichen Dank.
({18})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als nächste Rednerin hat die Kollegin Kerstin Radomski von der CDU/
CSU das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Diese erste Haushaltswoche - Herr Kampeter hat es gesagt - stand ganz im Zeichen der Null. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat uns einen Haushaltsentwurf für 2014 vorgelegt, mit dem wir in diesem Jahr die
sogenannte strukturelle Null erreichen und die schwarze
Null klar vor Augen haben. Die Bemühungen der Union
um einen strukturell ausgeglichenen Haushalt ziehen
sich wie ein schwarzer Faden, Herr Schulz, durch die
letzten Jahre. Seit 2009 die Schuldenbremse beschlossen
wurde, begann die letzte Etappe auf dem Weg zu dem
Ziel, im September dieses Jahres erstmals seit 45 Jahren
einen schuldenfreien Haushalt aufzustellen.
Es war kein einfacher Weg bis hierhin. Unter dem
Einfluss der schweren Wirtschafts- und Finanzkrise
mussten wir 2010 eine Neuverschuldung von 80 Milliarden Euro beschließen. Damals schien das Ziel in weiter
Ferne. In den Folgejahren kamen zusätzliche finanzielle
Belastungen durch die europäische Staatsschuldenkrise,
die Energiewende und die Flutkatastrophe hinzu. Aber
wir haben es geschafft. Es ist nicht die Aufgabe der Opposition, die Regierung zu loben.
({0})
Aber wir als Union sind zu Recht stolz darauf.
({1})
Der zu beratende Haushaltsentwurf für 2014 liegt mit
deutlichem Sicherheitsabstand über den Vorgaben der
Schuldenbremse. Schon seit 2012, vier Jahre früher als
vorgeschrieben, halten wir diese Obergrenze, die laut
Grundgesetz erst ab 2016 gilt, ein. Wir nutzen die Verschuldungsspielräume nicht aus; das möchten andere.
Wir senken die Nettokreditaufnahme kontinuierlich ab.
Das ist eine solide und nachhaltige Politik. Das zeigt einmal mehr: Die Haushaltspolitik ist bei dieser Regierung
in guten Händen.
({2})
In den Beratungen der letzten Tage wurde der Grund,
warum wir die Schuldenbremse eingeführt haben, von
dem einen oder anderen Redner immer wieder vergessen. Zur Erinnerung zitiere ich Wolfgang Schäuble aus
den Haushaltsberatungen 2011:
Bei der Reduzierung der zu hohen Defizite nehmen
wir unsere Verantwortung für unsere Kinder und
Enkel wahr. Denn nachhaltige Politik heißt: Man
darf nicht immer höhere Schulden auf die kommenden Generationen abwälzen.
Keine neuen Schulden zu machen, bedeutet, die
Handlungsfähigkeit zukünftiger Generationen zu bewahren. Das, meine Damen und Herren, ist wichtig für unsere Kinder und Enkelkinder.
({3})
In den kommenden Wochen wird es darum gehen,
alle Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen und zu
schauen, welche Ausgaben im Interesse und zum Wohle
der Menschen sind. Im Blick muss dabei auch stehen,
wo wir die Ausgaben reduzieren können. Generationengerechte Haushaltspolitik bedeutet nicht nur, keine
Schulden mehr zu machen. Nein, sie muss auch für die
Zukunft Handlungsspielräume eröffnen und erhalten.
Es ist jetzt wichtig, nachhaltig zu investieren, damit
Deutschland auch in Zukunft so gut dasteht wie heute.
Deshalb investieren wir in dieser Legislaturperiode zusätzlich 6 Milliarden Euro in Kinderkrippen, Kitas,
Schulen und Hochschulen. Es ist allen bekannt, dass wir
weniger Rohstoffe als andere Länder haben. Die Investitionen in die Aus- und Weiterbildung sind daher die
wichtigste Ressource dieses Landes für die Zukunft.
Aber genauso brauchen wir Investitionen in die Infrastruktur. Ein Kollege aus dem Haushaltsausschuss sagte
einmal, er möchte in Köpfe und in Beton investieren.
Das kann ich nur unterstreichen.
({4})
Zur Wahrheit generationengerechter Haushaltspolitik
gehört auch, dass ein Investitionsstau vermieden werden
muss. Es hilft nicht, keine Schulden zu machen und
nachfolgenden Generationen eine marode Infrastruktur
zu hinterlassen.
({5})
Deshalb unterstützen wir die dringend notwendige Erneuerung öffentlicher Verkehrsinfrastruktur mit 5 Milliarden Euro. Zudem hat sich die Koalition darauf verständigt, in dem Fall, dass sich weitere finanzielle
Spielräume ergeben, die Mittel in den Bereich der Infrastruktur fließen zu lassen.
({6})
Lassen Sie mich noch kurz auf die Kritik der Opposition eingehen: Dunkelrote oder grüne Nullen gibt es, zumindest in der Finanzpolitik, nicht. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum die Opposition - in der gesamten
Debatte - der Absenkung der Neuverschuldung nicht
den nötigen Respekt zollen konnte.
({7})
Die Behauptung, die Absenkung der Neuverschuldung
sei aufgrund der guten konjunkturellen Entwicklung
oder der steigenden Steuereinnahmen sozusagen vom
Himmel gefallen, ist haltlos. Die gute Konjunktur ist vor
allen Dingen ein Verdienst der Menschen in diesem
Land, ihrer Innovations- und Leistungsbereitschaft. Die
Steuereinnahmen werden von den Menschen mit ihrer
täglichen Arbeit erwirtschaftet.
Es ist die Pflicht eines jeden Politikers - nicht nur eines jeden Haushälters -, mit diesem Geld solide und
sparsam umzugehen. Dass dies nicht überall gilt, sieht
man an mancher Landesregierung. Ich komme aus Nordrhein-Westfalen.
({8})
Dort regieren bekanntlich die Grünen mit. In NordrheinWestfalen sind die Steuereinnahmen seit 2010 um 9 Milliarden Euro gestiegen. Gleichzeitig wurden aber auch
die Ausgaben um 7 Milliarden Euro erhöht. Zudem hat
man zusätzlich noch jährlich bis zu 5 Milliarden Euro
neue Schulden gemacht.
({9})
Das ist eine verantwortungslose Politik. So geht man
nicht mit dem Geld der Steuerzahler um. Das hat mit soliden Staatsfinanzen nichts zu tun.
({10})
Im Bund haben wir bei steigenden Steuereinnahmen
die Ausgaben stabil gehalten und jeden Euro Mehreinnahmen für den Abbau der Neuverschuldung eingesetzt.
Die Herausforderung der kommenden Jahre ist, die Nullverschuldung im Haushalt tatsächlich zu halten und die
Investitionen in einer gesunden Balance zu halten. Dafür
haben uns die Menschen am 22. September letzten Jahres gewählt, und daran werden wir uns auch weiter
orientieren.
Vielen Dank.
({11})
Das war die erste Rede der Kollegin Radomski. Herzlichen Glückwunsch dazu!
({0})
Als nächster Redner spricht jetzt der Kollege Carsten
Körber.
({1})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit Dienstag haben wir an dieser Stelle den Regierungsentwurf
zum Bundesetat 2014 ausführlich beraten. Trotz aller
- notwendigerweise vorhandenen - politischen Differenzen kann ich feststellen, dass zumindest Einigkeit über
die entscheidenden Themen der Haushaltspolitik besteht: Haushaltskonsolidierung, Generationengerechtigkeit, Unterstützung von Ländern und Kommunen, Förderung von Bildung und Forschung.
In der Sache gibt es natürlich eine Vielzahl von Diskussions-, vor allem aber Streit- und Konfliktpunkten.
Es ist unsere vornehmste Aufgabe als Abgeordnete, gemeinsam zu streiten und miteinander um die bestmögliche Lösung zu ringen, vor allem dann, wenn es um das
Budgetrecht - das Königsrecht - des Parlaments geht.
({0})
Der politische Streit, der Konkurrenzgedanke, ist Wesenskern unserer Demokratie und nichts weniger als das.
Dieses Ringen und Streiten sind wir den Bürgern schuldig. Dass aus diesem Ringen und Streiten eine Politik erwächst, die gut ist für die Menschen in unserem Land,
die gut ist für unsere Wirtschaft und die gut ist für unser
Gemeinwesen überhaupt, dafür tragen wir als unionsgeführte Koalition Sorge.
({1})
Der vorgelegte Haushalt zeigt, dass wir dem Auftrag,
gut zu regieren, den wir am 22. September 2013 von den
Wählerinnen und Wählern erhalten haben, gerecht werden. - An dieser Stelle hätte ich eigentlich Widerspruch
der Opposition erwartet.
Was grüne Haushaltspolitik in der Realität bedeutet,
zeigt das ehemalige Musterländle. Baden-Württemberg
hat im vergangenen Jahr unter einem grünen Ministerpräsidenten im Ländervergleich die meisten neuen
Schulden gemacht.
({2})
Für solides Wirtschaften auf Länderebene kann ich
Ihnen einen Blick nach Sachsen sehr empfehlen. Im
Freistaat Sachsen zeigt die Union seit mehr als 20 Jahren, wie man es richtig macht.
({3})
Dort sieht man, dass Investitionen in die Zukunft und solides Haushalten zwei Seiten einer Medaille sind. Deshalb freue ich mich auch für die SPD auf Bundesebene,
dass Sie einen soliden Koalitionspartner gefunden haben.
({4})
Von den wilden Beglückungsfantasien der Linken in
Sachen Haushaltspolitik will ich an dieser Stelle gar
nicht erst anfangen.
({5})
Glauben Sie denn noch immer, dass man bloß mit der
Erhöhung des Spitzensteuersatzes und der Wiedereinführung der Vermögensteuer
({6})
alle Sorgen los sein kann? Nein, es ist gut, dass die Opposition Opposition ist und dass die Große Koalition regiert.
({7})
Der Haushalt, den die Regierung vorgelegt hat, enthält drei Kernpunkte, die für mich von entscheidender
Bedeutung sind: Erstens. Es ist ein strukturell ausgeglichener Haushalt. Zweitens. Wir setzen die Entlastung
von Ländern und Kommunen fort. Drittens. Wir setzen
entscheidende Schwerpunkte für die Zukunft. An dieser
Stelle will ich dafür nur drei Beispiele nennen: 6 Milliarden Euro mehr für Kitas und Bildung, 5 Milliarden Euro
mehr für Verkehrsinfrastruktur und 3 Milliarden Euro
mehr für Forschung.
Ich habe bereits von Generationengerechtigkeit gesprochen. Als noch junger Abgeordneter bin ich beson2630
ders dankbar, dass dieser Haushalt generationengerechter ist als sämtliche Haushalte seit 1969.
({8})
Nach dem strukturellen Haushaltsausgleich in diesem
Jahr wollen wir 2015 ganz ohne neue Schulden auskommen. Das gab es seit 45 Jahren nicht mehr. Der letzte
schuldenfreie Haushalt wurde in der Großen Koalition
unter Kanzler Kiesinger verabschiedet.
({9})
1969: Überlegen Sie einmal, liebe Kolleginnen und
Kollegen, wie alt Sie damals waren! 1969 dauerte es
noch ganze zehn Jahre, bis ich überhaupt geboren wurde.
({10})
Die Haushaltspolitik mit ihrem Architekten Finanzminister Schäuble ist vor diesem Hintergrund wahrhaft
als historisch zu bezeichnen.
({11})
Sehr geehrte Damen und Herren, vergessen wir nicht:
Es fällt kein Geld vom Himmel. Der Staat kann den Bürgern nur das an Leistungen zugutekommen lassen, was
er vorher von ihnen in Form von Steuern genommen hat.
Lassen Sie uns nach vorne schauen: Dort steht 2015
die schwarze Null. Ich appelliere an Sie alle, dieses Ziel
mit aller Konsequenz zu verfolgen. Ich wünsche mir sogar, dass wir in absehbarer Zeit nicht nur keine neuen
Kredite mehr aufnehmen, sondern auch damit beginnen,
Schulden tatsächlich zurückzuzahlen.
({12})
Dass dies möglich ist, zeigt wieder der Blick nach
Sachsen. Der Freistaat hat mit Abstand die geringste
Pro-Kopf-Verschuldung aller Bundesländer. Dort gibt es
keine neuen Schulden, bestehende werden getilgt. Erwirtschaftete Spielräume werden in Kindergärten und
Bildung investiert.
({13})
Nur solide Haushalts- und Finanzpolitik schafft Vertrauen. Nur Vertrauen schafft Voraussetzung für Investitionen. Investitionen sind Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand.
All das ist für mich verantwortungsvolles Handeln für
die nachfolgenden Generationen. Das ist für mich verantwortungsvoller Umgang mit den Steuermitteln unserer Bürger. Das ist für mich der haushaltspolitische Anspruch dieser Koalition. Das ist für mich die Sicherung
der Leistungsfähigkeit von morgen. In diesem Sinne
wünsche ich uns allen erfolgreiche Beratungen.
Vielen Dank.
({14})
Auch Ihnen, Herr Kollege Körber, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer ersten Rede.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die
Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
auf den Drucksachen 18/700 und 17/14301 an den Haushaltsausschuss vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das
der Fall. Die Überweisungen sind damit so beschlossen.
Wir sind damit auch am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 7. Mai 2014, 13 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen eine
schöne Osterpause und ein gutes Wiedersehen.