Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie alle herzlich zur Haushaltswoche des Deut-
schen Bundestages. Ich kann Ihnen heute weder mit Ge-
burtstagen noch mit Wahlen eine besondere Freude
machen, sodass wir ohne jeden weiteren Verzug in die
vereinbarte Tagesordnung eintreten können.
Wenn nicht irgendjemandem noch etwas Alternatives
einfällt, rufe ich unsere Tagesordnungspunkte 1 a und
1 b sowie den Tagesordnungspunkt 2 auf:
1 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 ({0})
Drucksache 18/700
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsauschuss
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2013 bis 2017
Drucksache 17/14301
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsauschuss
2 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Haushaltsbegleitgesetzes 2014
Drucksache18/1050
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsauschuss ({1})
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Gesundheit
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind im
Rahmen der Haushaltsberatungen für die heutige Aussprache im Anschluss an die einstündige Einbringung
des Haushalts 6 Stunden und 24 Minuten - es könnten
auch 25 Minuten werden - vorgesehen. Für Mittwoch
sind 8 Stunden und 32 Minuten, für Donnerstag 10 Stunden und 5 Minuten sowie für Freitag 3 Stunden und
41 Minuten vorgesehen.
({2})
Wir werden selbstverständlich wie immer festhalten,
wie nah wir dann an diesen Vereinbarungen wirklich
sind. Ich frage jedenfalls ausdrücklich, ob irgendjemand
gegen diese Vereinbarung des Zeitrahmens der Aussprache Einwände hat. - Das ist nicht der Fall. Dann wird
sich das Präsidium darum bemühen, das auch so wie gerade beschlossen einzuhalten.
Das Wort zur Einbringung des Haushalts hat der Bundesminister der Finanzen, Herr Dr. Wolfgang Schäuble,
das ich ihm hiermit erteile.
({3})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2008 war ein Weckruf
für Deutschland und für Europa. Wir haben seitdem begonnen, uns auf festerem Fundament neu aufzustellen.
Unsere Politik der Hilfe zur Selbsthilfe zeigt Wirkung. In der Euro-Zone haben sich die Haushaltsdefizite
seit 2009 mehr als halbiert. Die Wettbewerbsfähigkeit ist
gestiegen. Die Leistungsbilanzen haben sich verbessert.
Die Wirtschaft der Euro-Zone - das ist entscheidend kehrt zu Wachstum zurück. Die Spannungen in den
Finanzmärkten haben sich gelegt. Irland und Spanien
konnten ihre Hilfsprogramme erfolgreich abschließen.
Portugal steht kurz davor. Auch Zypern ist auf einem guten Weg. Griechenland macht bei allen Problemen mehr
Fortschritte, als alle erwartet haben. In Spanien beginnt
die Arbeitslosigkeit zu sinken. Mit Estland und Lettland
hat die Euro-Zone zwei neue Mitglieder bekommen, die
für wirtschaftlichen Erfolg durch Reformen und solide
Haushalte stehen.
Die Erfolge sollten uns aber nicht glauben lassen,
dass wir bereits über den Berg wären. Die Arbeitslosigkeit, vor allem die Jugendarbeitslosigkeit, ist in zahlrei2222
chen Ländern immer noch viel zu hoch. Dringend notwendige Strukturreformen sind in wichtigen Ländern
noch nicht ausreichend umgesetzt.
Jetzt ist die Krise in der und um die Ukraine ein weiterer Weckruf; denn sie führt uns vor Augen, dass auch
im Europa des 21. Jahrhunderts Frieden und Stabilität
keine Selbstverständlichkeit sind. Sie zwingt uns zu
neuer Ernsthaftigkeit. Sie zeigt, dass wir weiter an uns
arbeiten müssen, um in dieser neuen Weltunordnung zu
bestehen.
Die Europäer wissen aus historischer Erfahrung, dass
die Anwendung militärischer Mittel keine Lösung sein
darf. Also bleiben Diplomatie und wirtschaftliche Instrumente. Wir Europäer sind in dem, was man „Soft
Power“ nennt, global führend. Unser Gesellschaftsmodell, demokratische politische Kultur, soziale Marktwirtschaft - all das ist weltweit attraktiv. Aber langfristig
werden wir damit nur überzeugen, wenn wir unsere
Hausaufgaben machen.
({0})
Genau wie während der Euro-Krise beobachtet die
Welt auch in diesen Wochen der Ukraine-Krise sehr genau, ob wir Europäer in der Lage sind, unsere Überzeugung und unseren Kurs durchzuhalten. Und das erfordert
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Wir müssen in dieser
Situation Verlässlichkeit beweisen, wir müssen die nötigen Reformen wirklich durchziehen, und wir dürfen
nicht der Versuchung billigen Geldes erliegen; denn das
würde uns langfristig weiter schwächen. Wir müssen
zeigen, dass wir zu nachhaltiger Stabilisierung in der
Lage sind. Es ist eine Art Stresstest für unsere „Soft
Power“.
Schließlich, meine Damen und Herren, sollten auch
die großen Herausforderungen, vor denen wir in Europa
auch dann stehen würden, wenn wir keine Krise in der
Euro-Zone und keine Krise um die Ukraine gehabt hätten, für uns ein Weckruf sein. Deutschland und Europa
- daran muss man wieder und wieder erinnern - sind
von Besonderheiten geprägt, die im globalen Wettbewerb nicht gerade von Vorteil sind. In der Welt heißt es
oft über uns - es wird in Englisch formuliert -, wir seien
„rich, ageing, risk-averse“, also wohlhabend, älter werdend und nicht gerade risikogeneigt. Wir haben in
Europa eine deutlich höhere Sozialleistungsquote im
Verhältnis zur Wirtschaftskraft. Das liegt auch daran,
dass die verheerenden Folgen unserer kriegerischen Geschichte in Europa ein besonders hohes politisches wie
wirtschaftliches Sicherheitsbedürfnis haben entstehen
lassen. Wir haben auch eine schwierigere demografische
Entwicklung. Wir haben weniger Rohstoffe und Energiereserven als andere Länder und Kontinente. Bei neuen
Technologien sind wir in der Tat nicht besonders risikofreudig. Damit besteht die Gefahr, dass wir im internationalen Vergleich zurückfallen.
Finanz-, Wirtschafts- und Staatsschuldenkrise waren
Krisen der westlichen Industriestaaten, die zu massiven
Wirtschaftseinbrüchen geführt haben. Die europäische
Wirtschaft hat in den vergangenen sechs Jahren, alles zusammen genommen, insgesamt stagniert. Im gleichen
Zeitraum ist etwa die indische Wirtschaft um mehr als
ein Drittel, die chinesische um nahezu 70 Prozent gewachsen. Der Anteil Europas an den weltweiten Patentanmeldungen ist im vergangenen Jahrzehnt um fast die
Hälfte gesunken. Es leben etwas mehr als 7 Prozent der
Weltbevölkerung in Europa; aber rund die Hälfte aller
Sozialausgaben weltweit entfällt auf uns.
Im Übrigen müssen wir uns auch in Deutschland
ernsten Fragen stellen. In der nächsten Generation wird
die Bevölkerung Deutschlands voraussichtlich um rund
10 Millionen Einwohner schrumpfen. Wahrscheinlich
werden dann Frankreich und Großbritannien mehr Einwohner haben als wir, und unser Anteil an der Weltwirtschaftsleistung wird von knapp 5 Prozent nach den Prognosen auf unter 2 Prozent sinken. Auch die aktuelle
Projektion zur langfristigen finanziellen Tragfähigkeit
der öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen zusammen genommen
zeigt, dass wir uns nicht zurücklehnen dürfen.
({1})
Trotz aller Erfolge durch Reformen und Haushaltssanierungen verbleibt langfristig - je nachdem, wie man rechnet - eine Tragfähigkeitslücke zwischen 0,6 und 3,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die zentrale Ursache ist
die demografische Entwicklung.
Der Tragfähigkeitsbericht, den wir vor kurzem in der
Bundesregierung beschlossen haben, zeigt auf, dass wir
diese Herausforderungen bewältigen können, aber dass
wir sie nur bewältigen können, wenn wir nicht der Illusion erliegen, wir könnten künftig weniger arbeiten und
uns zugleich mehr leisten. Der Bericht zeigt, dass wir alles in allem auf einem guten Weg sind und dass wir nicht
radikal umsteuern müssen. Er zeigt eben auch, dass wir
in unseren Anstrengungen nicht nachlassen dürfen. Erfolge bergen immer die große Gefahr in sich, dass man
in den Anstrengungen glaubt nachlassen zu dürfen.
Eine aktuelle OECD-Studie hat festgestellt, dass wir
in Deutschland im internationalen Vergleich eine überdurchschnittlich lange Rentenlaufzeit haben, weil wir im
Schnitt schon recht früh in Rente gehen.
({2})
Wir haben ein ungünstiges Verhältnis von Erwerbspersonen zu Rentnern. Weil wir das Niveau der sozialen Absicherung nicht senken, sondern erhalten wollen,
({3})
müssen wir mit den zur Verfügung stehenden Mitteln
mehr erreichen. Wir haben beispielsweise - Frau
Göring-Eckardt, auch das ist noch ein Problem - höhere
Gesundheitsausgaben als andere. Aber der subjektiv
empfundene Gesundheitsstatus ist oft schlechter.
({4})
Wir erleben ja immer wieder, dass mehr Ausgaben nicht
automatisch zu mehr Zufriedenheit führen. Wahrscheinlich beruht auch das auf dem ökonomischen Gesetz vom
abnehmenden Grenznutzen.
Die Antworten auf all diese Fragen werden über unsere Rolle in der Welt des 21. Jahrhunderts entscheiden,
also etwa darüber, wie lange Deutschland seine Führungsrolle und seine Funktion als Stabilitätsanker in
Europa noch wahrnehmen kann, oder auch darüber, ob
wir Europäer von anderen Staaten wie den Vereinigten
Staaten, China oder Russland in Zukunft eher als Bittsteller oder als Partner behandelt werden. Am Ende geht
es darum, ob unsere westliche Demokratie und unser
freiheitliches Wirtschaftssystem weiterhin eine globale
Vorbildrolle einnehmen können im Vergleich zu anderen
Staaten, die inzwischen ökonomisch auch recht erfolgreich sind, aber nicht unseren Anforderungen an Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, soziale Stabilität und ökologische Nachhaltigkeit entsprechen.
Wir haben in Deutschland in den letzten Wochen
- wir tun es teilweise immer noch - intensiv über Rentenpolitik und Mindestlohn diskutiert. Manche warnen
vor den Folgen unserer Politik. Wir in der Koalition haben nach sorgfältiger Prüfung dieser Politik beschlossen:
Wir können uns das leisten. Aber wir sollten nicht glauben, dass wir uns mehr leisten können. Wir können uns
diese Politik nur leisten, wenn wir unseren Standort
wettbewerbsfähig halten. Deswegen ist es so wichtig,
dass wir an einer sicheren Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Energiepreisen arbeiten. Denn für Deutschland wie für Europa gilt, dass wir für unser höheres
Wohlfahrtsniveau besser, leistungsfähiger und solider
sein müssen. Wir müssen immer erst erwirtschaften, was
wir verteilen wollen.
({5})
Für das erforderliche nachhaltige Wirtschaftswachstum
ist eine solide Finanz- und Haushaltspolitik eine unabdingbare Voraussetzung.
Es wird ja immer wieder diskutiert, ob es Alternativen
gebe zu solider Finanzpolitik und nachhaltiger Wirtschaftspolitik. Das ist Unsinn. Das eine ist die Bedingung des anderen: ohne solides, nachhaltiges Wachstum
keine stabilen Finanzen, aber ohne solide Finanzen kein
nachhaltiges Wachstum. Internationale Vergleiche zeigen, dass Länder mit einigermaßen soliden Finanzkennziffern auch ein nachhaltiges Wachstum verzeichnen,
Länder ohne solide Finanzausstattung jedoch nicht.
Wir sollten wieder und wieder betonen: Nur mit einer
soliden Finanz- und Haushaltspolitik schaffen wir die
notwendigen Spielräume,
({6})
um in Bildung und Forschung, in Familie und Kinder, in
Infrastruktur und Technologie zu investieren. Darum,
aus genau diesen Gründen, haben wir den Bundeshaushalt in den letzten Jahren Schritt für Schritt saniert; und
genau darum ist es so wichtig, dass wir unserem Ziel
treu bleiben, dauerhaft einen Haushaltsausgleich zu erreichen. Das ist kein Wert an sich - auch nicht aus Sicht
der Finanz- und Haushaltspolitiker -, sondern das ist die
Voraussetzung für nachhaltige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unter den Rahmenbedingungen des 21. Jahrhunderts.
({7})
Der Haushaltsentwurf für 2014, den ich hier einbringen darf, ist auf diesem Wege ein wichtiger Schritt. Es
wird in diesem Jahr erstmals seit Jahrzehnten wieder einen strukturell ausgeglichenen Haushalt geben. Wir haben, wenn man die letzte Rate für den Euro-Rettungsschirm abzieht, eine Neuverschuldung von knapp über
2 Milliarden Euro. Wir haben nach der statistischen Gesamtberechnung sogar einen leichten strukturellen Überschuss. Das ist ein wichtiger Erfolg.
Ab dem nächsten Jahr macht der Bund gar keine
neuen Schulden mehr.
({8})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Null im Bundeshaushalt wird möglich durch die konsequente Haushaltskonsolidierung der letzten Jahre. Wir haben seit 2010
das Ausgabenniveau im Bundeshaushalt nicht erhöht.
Ich höre immer, das sei keine Kunst. Das ist auch keine
Kunst. Das ist einfach nur solides Arbeiten. Das ist überhaupt keine Kunst. Kunst wäre gar nicht angemessen.
Das ist nur solides Arbeiten.
({9})
- Es sind nicht die sprudelnden Einnahmen. Manchmal
fragt man sich ja, in welcher Welt man eigentlich lebt.
Die Steuereinnahmen entwickeln sich entsprechend dem
nominalen Wachstum unserer Volkswirtschaft. Wir haben die Steuern in den letzten Jahren nämlich nicht erhöht.
({10})
Die Zinsen sind niedriger; das ist wahr. Die Zinsausgaben sind im Bundeshaushalt 2014 um 4 Milliarden Euro
niedriger als 2010, trotzdem haben wir die Ausgaben seit
2010 nicht erhöht. So haben wir die Neuverschuldung
aufgrund des als Folge der Krisenbekämpfung in den
Jahren 2008 folgende für 2010 erwartete Rekorddefizit
in Höhe von 86 Milliarden Euro Schritt für Schritt auf
den Stand abbauen können, den wir jetzt erreichen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ganz von allein
ist das nicht gekommen. Sonst wäre das nicht die Ausnahme im Rückblick auf die letzten 50 Jahre.
({11})
Wir werden übrigens auch im kommenden Jahr, 2015,
bei den Ausgaben unter dem Niveau von 2010 bleiben,
trotz Preis- und Lohnsteigerungen und trotz zusätzlicher
Ausgabenschwerpunkte im Bundeshaushalt. In den
kommenden Jahren sollen die Ausgaben dann nur so
weit steigen, wie das mit einem ausgeglichenen Haushalt
vereinbar ist.
({12})
- Ich komme auch noch zu den Sozialkassen.
({13})
Das ist die nächste große Legende. Vielleicht sage ich
schon einmal vorweg: Fast 50 Prozent dieses Bundeshaushalts, den ich Ihnen vorlege, sind für Sozialausgaben vorgesehen. Spätestens wenn wir 100 Prozent des
Bundeshaushalts für Sozialausgaben verwenden, wird es
auch die Linkspartei schwer haben, weitere Investitionen
zu fordern.
({14})
Jedenfalls nutzen wir die Spielräume, die wir uns mit
der konsequenten Haushaltssanierung geschaffen haben,
für die Umsetzung der prioritären Maßnahmen, die wir
im Koalitionsvertrag vereinbart haben.
({15})
Ich bleibe dabei: Unter diesen Rahmenbedingungen, die
ich zu beschreiben versucht habe, müssen Bundeshaushalte ohne Neuverschuldung - das ist wichtig - zur
neuen Normalität werden.
({16})
Dann wird auch die Belastung durch die Gesamtverschuldung, die vorhanden und sehr hoch ist, tragbar, weil
sie im Verhältnis zu unserer wirtschaftlichen Gesamtleistung abnehmen wird.
Ich werde gelegentlich von jungen Leuten gefragt:
Werden wir jemals ohne Schulden sein? Dann ist meine
Antwort: Hoffentlich nie, denn die Voraussetzung dafür
wäre eine Währungsreform, und das ist immer eine
große Katastrophe. - Aber die Gesamtbelastung darf im
Verhältnis zur Wirtschaftskraft nicht immer größer werden, sondern muss geringer werden. Dafür arbeiten wir.
Wir haben heute Morgen im Kabinett das Stabilitätsprogramm 2014 beschlossen. Dazu sind wir nach den europäischen Regeln verpflichtet. Darin melden wir der Europäischen Kommission, dass die gesamtstaatliche
Schuldenquote noch in dieser Legislaturperiode auf unter 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sinken wird.
({17})
Bei einer halbwegs normalen wirtschaftlichen Entwicklung ohne größere Krisen sind wir auf einem guten
Weg, innerhalb von zehn Jahren die gesamtstaatliche
Schuldenquote von heute knapp unter 80 Prozent auf 60
Prozent des Bruttoinlandsprodukts senken zu können.
Diese 60 Prozent entsprechen übrigens den Vorgaben
des europäischen Regelwerks. Dahinter steht die Vorstellung - auch das macht Sinn -, dass ein solches Verschuldungsniveau, also 60 Prozent der gesamtwirtschaftlichen
Leistungskraft, bei normaler wirtschaftlicher Entwicklung und normalem Zinsniveau alles in allem langfristig
tragbar ist.
Wir wollen gar keine Musterschüler sein.
({18})
Aber wir finden es nicht schlecht, wenn man sich in Europa an die Regeln hält, die man sich selbst gegeben hat.
({19})
Wir erwarten von anderen nichts, was wir nicht auch selber leisten. Das würde auch keinen Sinn machen. Wir
werden kein Vertrauen in Europa finden, wenn wir uns
an Regeln, die wir uns wieder und wieder gegeben haben, die wir wieder und wieder feierlich bestätigen, nicht
halten, wenn wir Regeln beschließen und gleichzeitig
den Vorsatz haben, uns nicht daran zu halten.
({20})
Wir sind auch gar nicht die Mahner anderer, sondern
kehren zunächst einmal vor der eigenen Tür und sagen,
dass wir uns an die Regeln halten. Es war ein schwerer
Fehler, dass Deutschland und Frankreich zusammen
2003 als Erste den Stabilitätspakt gebrochen haben. Genau daraus ziehen wir die Lehre.
({21})
Nur wenn wir in Europa Vertrauen und Verlässlichkeit schaffen, nur wenn wir uns an Vereinbarungen und
Regeln halten, schaffen wir die Voraussetzungen für
weiteres stabiles Wachstum in Deutschland und in Europa. Natürlich ist der Haushaltsausgleich allein noch
nicht alles. Ein Haushalt muss auch die richtigen, also
zukunftsorientierte Schwerpunkte setzen. Das Niveau
von Einnahmen und Ausgaben muss insgesamt angemessen bleiben. Wir dürfen die Leistungsfähigkeit der
Bürgerinnen und Bürger nicht überfordern, übrigens
auch nicht unterfordern. Anreize für Eigenverantwortung müssen immer bleiben, wenn das System funktionieren soll. Es darf nicht Aufgabe von Politik werden,
Menschen zu bevormunden und damit am Ende zu demotivieren.
({22})
Das gilt für den Arbeitsmarkt, das gilt für die Altersvorsorge, und das gilt für das Gesundheitswesen.
Wir leisten uns in Deutschland einen hohen Sozialstandard. Die Zuschüsse des Bundes zu den gesetzlichen
Sozialversicherungen machen mit allmählich mehr als
100 Milliarden Euro rund ein Drittel aller Ausgaben des
Bundes aus. Insgesamt - ich sagte es schon - entfällt
heute bereits fast die Hälfte des Bundeshaushalts auf Sozialausgaben. Die demografische Entwicklung spricht
eher für einen weiteren Anstieg. Deswegen müssen wir
wieder und wieder fragen, ob diese Soziallastigkeit des
Bundeshaushalts in unserer älter werdenden Gesellschaft
zukunftsfest ist.
({23})
Wir haben uns, Frau Göring-Eckardt, aufgrund von
befürchteten Einnahmeausfällen durch die damalige Finanz- und Wirtschaftskrise in den Krisenjahren entschlossen, für die Zeit ab 2010 die Zuschüsse des Bundes zur gesetzlichen Krankenversicherung zu erhöhen;
wir haben sie deutlich erhöht. Durch die erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre wäre das rückblickend in diesem Umfang nicht notwendig gewesen.
Im Gesundheitsfonds und bei den gesetzlichen Krankenkassen haben sich Überschüsse in Höhe von zusammen
rund 30 Milliarden Euro angesammelt.
({24})
Die nun geplante, zeitlich begrenzte moderate Kürzung
des Zuschusses an den Gesundheitsfonds
({25})
gefährdet die Stabilität der Beitragssätze nicht.
({26})
Im Übrigen ist vorgesehen, den Bundeszuschuss wieder
anzuheben, sobald das nötig werden wird.
({27})
Es wäre doch Unsinn, bei einem Überschuss von 30 Milliarden Euro durch weitere Bundeszuschüsse die Verschuldung des Bundes zu erhöhen.
({28})
Das macht doch keinen Sinn. Deswegen treffen wir
diese Maßnahme.
({29})
Auch die Kommunen werden von uns bessergestellt.
({30})
- Ja, natürlich.
({31})
- Man muss zunächst einmal daran erinnern, Herr Kollege, dass nach dem Grundgesetz - es ist immer wichtig,
vom Grundgesetz auszugehen; das ist die Grundlage für
jedes Handeln ({32})
grundsätzlich die Länder für die Kommunen zuständig
sind.
({33})
Selbst die Sprecher der kommunalen Spitzenverbände
haben gesagt, dass es niemals eine so kommunenfreundliche Politik der Bundesregierung wie in den letzten Jahren gegeben hat.
({34})
Diese wird fortgesetzt.
({35})
Die prioritären Maßnahmen des Koalitionsvertrages zugunsten der Kommunen werden, wie vereinbart und wie
im Koalitionsvertrag festgehalten, ausfinanziert. Der
Bund entlastet die Kommunen.
Hören Sie ruhig zu! Diese Art von Diffamierung,
diese Art, den Kommunalpolitikern die Dinge falsch zu
erzählen, ist unerträglich!
({36})
Wir haben die Kommunen in den letzten Jahren trotz
grundsätzlicher Länderzuständigkeit durch zahlreiche
Maßnahmen entlastet; das muss man den Kommunalpolitikern und den Menschen in den Städten und Gemeinden in dieser Haushaltsdebatte in Erinnerung rufen. Wir
entlasten die Kommunen durch die vollständige Übernahme der Leistungen der Grundsicherung im Alter und
bei Erwerbsminderung. Da Sie nun schon so oft zugerufen haben, will ich sagen: Es war eine rot-grüne Regierung, die den Kommunen die Lasten der Grundsicherung
im Alter übertragen hat.
({37})
In vollständiger Höhe sind die Kommunen von dieser
Belastung inzwischen entlastet; sie selber haben damit
vor drei Jahren noch nicht gerechnet.
({38})
In diesem Jahr wird vereinbarungsgemäß die vollständige, die hundertprozentige Kostenerstattung erreicht. Dadurch erhalten die Kommunen in diesem Jahr
zusätzlich über 1 Milliarde Euro.
({39})
Im Vorgriff auf das noch zu erarbeitende Bundesteilhabegesetz erhalten die Kommunen anschließend, in den
folgenden Jahren dieser Legislaturperiode, jeweils
1 Milliarde Euro pro Jahr zusätzlich. So sieht es der Koalitionsvertrag vor. Dies wird eingehalten und umgesetzt.
({40})
Diese grundlegende Neuordnung der Eingliederungsleistungen ist übrigens schon 2012 überparteilich vereinbart worden. Aber es erfordert natürlich nicht nur die
Beteiligung des Bundes, sondern genauso auch die Beteiligung aller Länder, damit die Kommunen entlastet
werden können. Darüber hinaus wird das eine sehr komplexe Reform werden. Es geht also nicht nur um eine finanzielle Beteiligung des Bundes. Wenn die Tragfähigkeit für den öffentlichen Gesamthaushalt erhalten
werden soll - und diese haben wir im Auge -, dann muss
auch in diesem Bereich die Ausgabendynamik begrenzt
bleiben. Das sorgfältig zu erarbeiten wird die verantwortliche Mitarbeit aller Beteiligten erfordern, und das
wird seine Zeit brauchen.
Im Übrigen hat das Statistische Bundesamt in diesen
Tagen bekannt gegeben, dass die Kommunen 2013 einen
Finanzierungsüberschuss von insgesamt 1,7 Milliarden Euro erzielt haben. Das hat im vergangenen Jahr übrigens zu einer Steigerung kommunaler Investitionen
von über 10 Prozent geführt. Das ist gut für die wirtschaftliche Entwicklung, das ist gut für die Kommunen;
aber das muss erwähnt werden in diesem Zusammenhang. Die Kommunen haben insgesamt einen Überschuss, der Bund hat ein Defizit. Er hat von allen
Gebietskörperschaften mit Abstand die schlechteste
Finanzausstattung; das kann gar nicht infrage gestellt
werden, es muss nur gelegentlich wenigstens vom Bundesfinanzminister gesagt werden.
({41})
- Ja; aber der Bund hat 1,3 Billionen Euro Gesamtverschuldung, Herr Kollege, Sie wissen das.
({42})
Deswegen bleibt es dabei: Der Bund hat mit weitem Abstand die schlechtesten Finanzkennziffern. Das heißt
nicht, dass wir uns nicht unserer Verantwortung für Länder und Kommunen bewusst bleiben; aber man muss die
richtigen Relationen gelegentlich nennen, sonst wird die
öffentliche Debatte völlig irreführend.
({43})
Im Übrigen möchte ich noch einmal in Erinnerung rufen: Der Bund hat die Kommunen nicht nur bei der
Grundsicherung im Alter, sondern auch beim Ausbau
der Kinderbetreuung und durch seine Beteiligung an den
Kosten für Unterkunft und Heizung in den vergangenen
Jahren maßgeblich entlastet. Natürlich ist wahr, dass es
eine große - zu große - Spreizung zwischen finanzstarken und finanzschwachen Kommunen gibt, und die
Situation mancher Kommunen ist - das darf bei den Gesamtzahlen nicht aus dem Blick geraten - wirklich ernst.
Aber es ist eben auch wahr, dass nach der Ordnung des
Grundgesetzes die Schwierigkeiten der kommunalen
Finanzierung vor Ort - von den Ländern - gelöst werden
müssen; sie sind laut Grundgesetz dafür verantwortlich.
Der Bund hat dafür gar nicht die rechtlichen Möglichkeiten.
({44})
Das bloße Verschieben von Finanzierungslasten zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen kann sowieso keine Lösung sein. Wir brauchen solides Haushalten auf allen staatlichen Ebenen. Deswegen geht der
Bund mit gutem Beispiel voran. Genau darum, um solides Haushalten auf allen staatlichen Ebenen, muss es bei
der anstehenden Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen gehen: Die Neuordnung muss die Aufgabenverteilung zwischen den einzelnen Ebenen reflektieren. Ein Hin-und-her-Schieben von Verantwortung und
Zuständigkeiten hilft nicht weiter. Der Bund kann nicht
immer wieder Problemlagen lösen müssen, für die er
nach dem Grundgesetz gar nicht zuständig ist.
({45})
Deshalb müssen die Finanzbeziehungen von Bund
und Ländern so geordnet werden, dass sie langfristig
tragfähig sind. Auch das wird einige Kraftanstrengungen
erfordern. Aber wenn wir das schaffen, wenn wir auf
dieser Grundlage solide Finanzen auf allen staatlichen
Ebenen sichern, dann schaffen wir eine stabile Basis für
ein dauerhaft gutes Investitions- und Konsumklima. Die
Sanierung des Bundeshaushalts hat einen entscheidenden Beitrag zu einem guten Investitions- und Konsumklima geleistet. Das zahlt sich bereits heute aus.
({46})
Das zahlt sich aus in der guten wirtschaftlichen Entwicklung, in der wir Rekordbeschäftigung und steigende
Löhne haben. Das kommt allen Menschen in unserem
Land zugute. Solide Finanzpolitik sorgt für Vertrauen in
stabile und verlässliche Rahmenbedingungen und in die
langfristige Handlungsfähigkeit des Staates. Nur Menschen, die Vertrauen in die Politik und Vertrauen in die
Zukunft ihres Landes haben, investieren und konsumieren. Vertrauen ist in unserer hochentwickelten, aber ressourcenarmen Volkswirtschaft mit unser wichtigstes Kapital. Deswegen müssen wir es weiter stärken; denn nur
das kann dauerhaft Wohlstand und soziale Sicherheit
schaffen.
Wir verdanken es unserer stabilitätsorientierten Politik, dass wir die Finanz- und Wirtschaftskrisen der letzten Jahre so glimpflich überstanden haben, besser als die
meisten anderen in Europa. Immerhin hatten wir 2009
einen gesamtwirtschaftlichen Einbruch von über 5 Prozent. Gerade weil wir das Vertrauen der Investoren und
Verbraucher gestärkt haben, war unsere Doppelstrategie
von Strukturreformen und Haushaltssanierung erfolgreich. Das ist ein zentraler Grund dafür, dass unser Land
derzeit gut dasteht.
Diese Doppelstrategie ist übrigens exakt dasselbe,
was auch in den Programmländern der Euro-Zone erBundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
folgreich angewendet wird: Haushaltssanierung auf der
einen Seite und Strukturreformen für bessere Wettbewerbsfähigkeit und dauerhaftes Wachstum auf der anderen Seite.
Wir sind heute international wettbewerbsfähig. Die
Aussichten für die weitere gesamtwirtschaftliche Entwicklung sind in Deutschland positiv. Die Fundamentaldaten und die Konjunkturindikatoren deuten auf einen
breiten Aufschwung hin: 1,8 Prozent Wachstum in diesem Jahr, 2 Prozent im nächsten Jahr; das entspricht den
Prognosen von nationalen und internationalen Institutionen. Die Bundesbank erwartet in ihrem Monatsbericht
für den Monat März 2014 für das erste Quartal sogar ein
- wörtlich - „sehr starkes“ BIP-Wachstum.
Anders als im Ausland immer wieder behauptet wird,
ist übrigens die Binnennachfrage - vor allem der private
Konsum - die Hauptstütze des Wachstums. Hier wirken
sich die robuste Lage am Arbeitsmarkt - wir haben die
höchste Zahl von Beschäftigten in der deutschen Geschichte und die geringste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung -, der anhaltende Beschäftigungsaufbau
und die günstige Einkommensentwicklung aus.
Wir stehen auch im internationalen Vergleich gut da.
Als einziges Mitglied der Europäischen Union haben wir
seit zwei Jahren einen ausgeglichenen gesamtstaatlichen
Haushalt. Mit dieser Politik haben wir nicht nur Vertrauen für ein gutes privates Investitionsklima geschaffen, sondern auch neue Handlungsspielräume für zielgerichtete staatliche Investitionen gewonnen. Das ist
langfristig angelegte Wachstumspolitik.
({47})
Bereits in den letzten Jahren haben wir darauf geachtet, dass die Senkung der Neuverschuldung nicht zulasten besonders zukunftsgerichteter Ausgaben geht. Wir
haben in Bildung und Forschung, in Familie und Infrastruktur investiert. In der letzten Legislaturperiode haben
wir allein die Ausgaben für Bildung und Forschung um
über 13 Milliarden Euro erhöht, und wir werden das fortsetzen.
Mit dem Bundeshaushalt 2014 beginnen wir, die prioritären Maßnahmen des Koalitionsvertrags umzusetzen.
({48})
Wir verstetigen die Städtebauförderung, wir verstärken
die Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, und wir
entlasten die Länder und Gemeinden weiter.
Der Koalitionsvertrag sieht vor, die für das Wachstum
bedeutsamen Ausgaben des Bundes in dieser Legislaturperiode zu steigern: um 5 Milliarden Euro bei der Verkehrsinfrastruktur, um 3 Milliarden Euro bei der Forschung und um 6 Milliarden Euro bei der Bildung,
({49})
womit wir Länder und Kommunen bei ihren originären
Aufgaben entlasten. Das alles ist im Haushalt 2014 und
in den Eckwerten für 2015 bis 2018 finanziell unterlegt.
({50})
- Herr Kollege, da Sie ständig dazwischenrufen, macht
es keinen Sinn mehr, auch nur zu versuchen, Ihre Zwischenrufe aufzunehmen. Das ist wirklich eine sinnlose
Art von parlamentarischer Auseinandersetzung.
({51})
So ein Dauerfeuer von Zwischenrufen kann man überhaupt nicht mehr verstehen. Das erhöht nur den Lärmpegel ein bisschen.
({52})
- Ja, gut, das ist nicht so tragisch, aber ich wollte das nur
einmal gesagt haben.
({53})
Ich finde, jetzt ist es aber auch gut. Der Bundesfinanzminister hat das Wort. Mit der sich anschließenden
Debatte werden wir das ja wohl gemeinsam ordentlich
bewältigen können.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen,
entscheidend ist jedenfalls: Deutschland kann nur dann
ein attraktiver Wirtschafts- und Investitionsstandort bleiben, wenn wir eine zukunftsfähige Infrastruktur haben.
Wir brauchen moderne Verkehrsnetze und leistungsfähige Strom- und Breitbandnetze.
Immerhin - auch das muss ja gesagt werden - hat die
Weltbank Deutschland vor kurzem gerade wegen unserer guten Infrastruktur zum Logistikweltmeister gekürt.
Es kann also nicht ganz so schlimm sein. Wir wissen
aber, dass wir noch besser werden müssen.
Deswegen bleibt es bei den 5 Milliarden Euro an zusätzlichen Mitteln, die der Bund für die Verkehrsinfrastruktur versprochen hat. Wenn die Einnahmen aus der
Lkw-Maut jetzt geringer als bisher angenommen ausfallen sollten, dann werden Herr Kollege Dobrindt, der
Bundesverkehrsminister, und ich dafür eine Lösung finden müssen.
({0})
Unabhängig vom statistischen Investitionsbegriff sind
übrigens - darauf können vielleicht sogar Sie sich einlassen ({1})
die Investitionen in die Köpfe entscheidend. Wir brauchen Schulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen auf hohem Niveau.
Bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung
liegt Deutschland immerhin weltweit in der Spitzengruppe, und in Europa sind wir führend. Wir haben höhere Ausgaben für Forschung und Entwicklung als fast
alle anderen Länder in der Welt, auch in Europa. Um unser hohes Niveau zu halten, wollen wir in den nächsten
Jahren zusätzlich 9 Milliarden Euro in die Bereiche Bildung und Forschung investieren.
Aber wir dürfen bei Investitionen nicht immer nur
nach dem Staat rufen. Wir müssen unter Berücksichtigung internationaler Erfahrungen immer wieder prüfen,
welcher Teil der Infrastruktur durch den Staat selbst direkt finanziert werden muss und welcher Teil durch Nutzer finanziert werden kann. Ich glaube, dass wir in
Deutschland bei der Infrastruktur für Telekommunikation und Energie gute Erfahrungen mit staatlich regulierter privater Bereitstellung gemacht haben. Ich plädiere
dringend dafür, dabei zu bleiben. Wir müssen bei der
Energiewende wie auch bei neuen Aufgaben in der digitalen Infrastruktur an diesem Prinzip der staatlich regulierten privaten Finanzierung festhalten.
Grundsätzlich hat diese nutzungsorientierte Finanzierung wachstumspolitische Vorteile; das zeigen internationale Untersuchungen. Generell sind nämlich Privatinvestitionen langfristig für den Wohlstand entscheidend.
Für diese Investitionen ist eine verlässliche, stetige und
vertrauenschaffende Politik der beste Anreiz. Deswegen
sind eben solide, stabilitätsorientierte öffentliche Haushalte in Wahrheit ein Investitionsprogramm für Deutschland und für Europa.
({2})
Wir könnten zugespitzt sagen: Indem wir auf Neuverschuldung verzichten und damit die Altschulden im Verhältnis zur Wirtschaftskraft abbauen, erreichen wir am
Ende für unternehmerische Investitionen mehr, als es jeder noch so gut gemeinte Ausgabenschwerpunkt im
Bundeshaushalt jemals erreichen könnte.
Im Übrigen spiegelt der Vorwurf, wir hätten in
Deutschland eine zu niedrige Investitionsquote, die
Wirklichkeit schon heute nicht vollständig wider. Wir
sind bei Ausrüstungen, Forschung und Entwicklung oder
bei Direktinvestitionen im Ausland gut aufgestellt.
({3})
Dass es in Deutschland keine Investitionsblase im
Bausektor wie in den Krisenländern in Europa gab, hat
zwar unsere Investitionsquote gesenkt, aber das ist sicher kein Fehler gewesen.
Wir brauchen angesichts der beschriebenen Herausforderungen mehr Investitionen, vor allem private Investitionen. Dazu ist neben einer soliden Haushaltspolitik
vor allem ein international wettbewerbsfähiges Steuersystem zentrale Voraussetzung. Das haben wir in
Deutschland, und wir wollen, dass es so bleibt. Deswegen werden die Steuern nicht erhöht werden.
({4})
Wir haben - gelegentlich zeigt die öffentliche Debatte, dass es notwendig ist, das wieder einmal zu erläutern - in Deutschland ein ausgeklügeltes System der Unternehmensbesteuerung. Natürlich kann man darüber
diskutieren, ob die Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer steuerlicher Gerechtigkeit vollständig entspricht;
({5})
das ist wahr. Aber solange wir noch keinen weltweiten
automatischen Informationsaustausch haben, war das ein
richtiger und pragmatischer Kompromiss zur Sicherung
von Einnahmen.
({6})
Jedenfalls sind Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer, Kapitalertragsteuer und Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer so aufeinander abgestimmt, dass die Belastung für Personengesellschaften und für Inhaber von
Kapitalgesellschaften gleich hoch ist.
Wer den Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer
anheben will, wie es mancher, etwa als Preis für den Abbau der kalten Progression, fordert, der fordert damit
letztlich Steuererhöhungen auf breiter Front.
({7})
Damit würde er auch das wichtige Gleichgewicht bei der
Unternehmensbesteuerung ins Wanken bringen. Wer das
will, soll es ehrlich sagen. Aber dann muss er den Arbeitnehmern erklären, warum er die Investitions- und
Beschäftigungsbedingungen für alle Unternehmen verschlechtern will. Das würde die internationale Wettbewerbsfähigkeit unseres gesamten Steuersystems und damit unseren Wirtschaftsstandort selbst massiv gefährden.
Deswegen machen wir das nicht.
({8})
Deutschlands Wirtschaftsstärke basiert auf seinen
mittelständischen Global Players. Das sind Unternehmen, die sehr oft noch inhabergeführt sind und es auch
bleiben wollen, und das aus guten Gründen. Es ist auch
gut so, dass sie es bleiben. Die Einkommensteuer ist die
Unternehmensteuer dieses starken deutschen MittelstanBundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
des. Wenn wir den Spitzensteuersatz anheben würden,
dann würden wir diesen Unternehmen, unserer größten
Wirtschaftsstärke, direkt schaden.
({9})
Wir würden genau die Unternehmen empfindlich treffen,
die in Deutschland für Ausbildungs- und Arbeitsplätze
sorgen. Davor kann ich nur warnen.
({10})
Natürlich hat der Abbau der kalten Progression weiter
Priorität. Aber es ist schon sehr bedauerlich, dass der in
der letzten Legislaturperiode im Bundestag verabschiedete Gesetzentwurf im Bundesrat blockiert worden ist.
({11})
- Er war natürlich finanziert.
({12})
Das Thema bleibt in dieser Legislaturperiode aktuell,
aber nicht um den Preis, um es klar zu sagen, durch eine
Erhöhung der Unternehmensbesteuerung die wirtschaftliche Entwicklung massiv zu gefährden.
({13})
Wir müssen uns auf unsere wirtschaftlichen Stärken besinnen, statt sie zu bekämpfen, und das heißt, mehr private Investitionen zu erreichen und nicht weniger. Das
Steuersystem setzt dafür wichtige Rahmenbedingungen.
Wir haben ein breites, leistungsfähiges Instrumentarium zur Mittelstandsförderung, und wir haben gute Finanzierungsbedingungen. Es ist wahr: Wir hören insbesondere von jungen innovativen Unternehmen öfters,
dass es trotz der insgesamt guten Bedingungen Ansatzpunkte für weitere Verbesserungen gebe, die nicht zuletzt die Finanzierungsmöglichkeiten für solche Unternehmen betreffen.
Weil die jungen innovativen Unternehmen für unsere
Wirtschaft ein hohes Potenzial beinhalten, wollen wir es
stärken, indem wir Wagniskapitalfinanzierungen unterstützen, indem wir die steuerlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Wagniskapital international wettbewerbsfähig gestalten, und wir wollen Deutschland als
Fondsstandort attraktiver machen.
({14})
Zur Stärkung von Börsengängen junger innovativer
und wachstumsstarker Unternehmen arbeiten wir an der
Einführung eines neuen Börsensegments „Markt 2.0“;
man braucht solche Begriffe. Wir sind im Übrigen dabei,
Möglichkeiten zu finden, wie die Verbriefung von Mittelstandskrediten erleichtert werden kann.
({15})
Ich weiß, dass Verbriefungen in der Finanzkrise eine unrühmliche Rolle gespielt haben. Aber das lag nicht an
dem Instrument der Verbriefung als solchem, sondern an
dem Missbrauch. Deswegen sind wir natürlich entschlossen, das auszuschließen. Wir können das ausschließen, indem wir nur solche Verbriefungen berücksichtigen, die höchsten Qualitätskriterien genügen.
Wir werden im Übrigen in dieser Woche beim Treffen
der G-20-Finanzminister in Washington darüber beraten
- ich entschuldige mich schon jetzt beim Deutschen
Bundestag, Herr Präsident, dass ich ab Donnerstagnachmittag bei den Haushaltsberatungen nicht mehr anwesend sein kann -, wie wir auf internationaler Ebene die
Rahmenbedingungen für langfristige Investitionen der
großen Kapitalsammelstellen, etwa der Versicherungen,
in die Infrastruktur unserer Volkswirtschaften verbessern
können. Das kann auch in Deutschland zu zusätzlichen
Investitionen führen. Eine Gesellschaft im demografischen Wandel wie die unsere benötigt Wachstum durch
Investitionen und Innovationen genauso wie unsere globalisierte Welt mit bald 9 Milliarden Menschen und so
großen Unterschieden und Spannungen. Oder um es zugespitzt zu sagen: Mir ist zu oft von Hochfrequenzhandel und zu selten von langfristiger Investitionsfinanzierung die Rede.
({16})
Deshalb muss es uns auch weltweit besser gelingen,
die riesige, nach langfristigen Anlageformen förmlich
dürstende Liquidität in Investitionen zu lenken. Dazu
bleibt die Gesundung der Staatsfinanzen eine entscheidende Voraussetzung. Diese wird neben staatlichen Investitionen auch mehr private auslösen.
Digitalisierung und eine immer stärker grenzüberschreitende Globalisierung verwandeln unsere Wirtschaft und Arbeitswelt fundamental. In diesen Tagen
wird auf der Industriemesse in Hannover unter dem
Motto „Industrie 4.0“ diese Entwicklung beschrieben.
Wir werden diese rasante Entwicklung nicht durch staatliche Bürokratie oder Ausgabenprogramme nach Art
überholter Industriepolitik lenken können, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sondern wir werden sie nur
durch Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung gestalten können.
({17})
Den Rest überlassen wir dann besser dem Markt der
Ideen und der Innovationen. Hayek hat einmal - es ist
schon eine Zeit lang her - vor der staatlichen Anmaßung
von Wissen gewarnt. Ich glaube, das ist gerade angesichts dieser rasanten Veränderung noch aktueller denn
je.
({18})
Aber dann müssen wir beweisen, dass wir in Deutschland große Infrastrukturmaßnahmen auch realisieren
können. Das gilt für Flughäfen, Bahnhöfe und auch für
Stromtrassen. Wie wollen wir sonst auch in Zukunft fliegen, Bahn fahren oder uns im Internet bewegen? Natürlich ist das Prinzip der Bürgerbeteiligung für die demokratische Legitimierung, für die Akzeptanz und auch für
eine sachgerechte Ausgestaltung von Großvorhaben unabdingbar. Aber das darf nicht zu einem Missbrauch dieses Prinzips durch kleine, professionelle Lobbygruppen
führen, die die Entscheidungen von Mehrheiten am
Schluss nicht akzeptieren. Eine ständige Blockadehaltung kann uns nicht weiterführen und wird auf Dauer die
Grundlagen unseres Wohlstands aufs Spiel setzen.
Wir brauchen ein positives Investitions- und Innovationsklima; dafür müssen wir arbeiten. Dabei kann uns
auch das Transatlantische Freihandelsabkommen helfen.
Wenn wir mit Amerika verhandeln, sollten wir uns gegenseitig die Achtung der gleichen Werte unterstellen,
auch was Umwelt- und Arbeitsstandards betrifft. Wenn
wir das tun, kann das Investitionsklima im größten Wirtschaftsraum der Welt enorm verbessert werden.
Wenn wir angesichts der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels dafür sorgen, dass wir
genügend qualifizierte Arbeitskräfte behalten, dann helfen uns in Europa dabei die Grundfreiheiten. Die Niederlassungsfreiheit in Europa müssen wir bewahren. Aber
sie darf natürlich nicht zu einer Art „Sozialtourismus“
mit massiver Armutseinwanderung führen. Das Wohlstandsniveau in Europa ist heute so unterschiedlich, dass
wir auf europäischer Ebene Lösungen finden müssen,
die bei der Verrechtlichung von Ansprüchen an die sozialen Sicherungssysteme die Realität unterschiedlicher
Wohlstandsniveaus nicht außer Acht lassen. Im Übrigen
können wir von einer Debatte über eine überzogene Verrechtlichung vielleicht auch in Deutschland profitieren.
({19})
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen,
wenn wir immer wieder zur Erneuerung unserer Strukturen und zur Weiterentwicklung unserer Institutionen bereit sind, dann werden wir die großen Herausforderungen bewältigen können, vor denen wir stehen:
Herausforderungen in Deutschland, für Deutschland in
Europa und für Europa in der Welt. Der Entwurf des
Haushalts 2014 wird dazu seinen Beitrag leisten.
({20})
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Dietmar Bartsch für die Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
Schäuble, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede darauf aufmerksam gemacht, dass es für die Ukraine und die umliegende Region nur Diplomatie als Lösung gibt. Ich will
mich dem ausdrücklich anschließen und hoffe, dass wir
auch darin einer Meinung sind, dass Äußerungen, die
dies konterkarieren, wenig hilfreich sind.
({0})
Jetzt aber zum Bundeshaushalt. Ich habe mit Interesse
zur Kenntnis genommen, dass es fast Standing Ovations
gegeben hat, als von dauerhaftem Haushaltsausgleich
die Rede war.
({1})
Die schwarze Null geht durch alle Medien. Ich will zunächst einige Fakten nennen. In der letzten Legislatur
haben Sie und Ihre Regierung, Herr Schäuble,
102,9 Milliarden Euro neue Schulden gemacht.
({2})
Frau Merkel ist seit 2005 im Amt und hat seitdem über
200 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. Im Rahmen des Haushalts 2014, um den es nun geht, wollen Sie
6,5 Milliarden Euro neue Schulden machen; das ist Fakt.
Sie sind also weit weg von den eigentlichen Zielen. Sie
haben die Neuverschuldung in diesem Land in nennenswerter Größenordnung angehoben.
Um es klar und deutlich zu sagen: Auch die Linke ist
für Haushaltskonsolidierung. Wir sind für Schuldenreduzierung. Da, wo wir regiert haben, in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, kann man genau sehen, dass wir
in diese Richtung agiert haben. Brandenburg ist in den
letzten drei Jahren ohne neue Schulden ausgekommen
und hat im letzten Jahr sogar einen Haushaltsüberschuss
in Höhe von 583 Millionen Euro ausgewiesen, von denen 300 Millionen Euro in die Tilgung geflossen sind.
Trotzdem wurden die Mittel für den Bildungsetat in diesem Bundesland um 10 Prozent gesteigert. Das ist solide
Finanzpolitik. Dafür steht auch die Linke.
({3})
Der Preis für Ihre Art der Haushaltskonsolidierung ist
extrem hoch. Sie fahren mit diesem Haushalt das Land
auf Verschleiß. Das ist das Gegenteil von Verantwortung
für die Zukunft. Sie haben hier in umfangreichen Worten
über Investitionen geredet und gesagt, wie wunderbar
wir uns entwickeln. Die Realität ist aber: Wir steigern
die Investitionen nur um 1 Milliarde Euro. Das ist unverantwortlich wenig angesichts der Herausforderungen,
vor denen wir in den Bereichen Bildung, Infrastruktur
und Verkehrswege - schauen Sie sich die Situation vieler
Brücken in Deutschland an - und bei den Krankenhäusern stehen. Das alles hat mit Zukunftsfähigkeit überhaupt nichts zu tun.
({4})
Schauen Sie alleine auf den Wirtschaftsetat. Er hat ein
Volumen von 6 Milliarden Euro. Wenn man die Subventionen abzieht, dann sind es nur noch 3 Milliarden Euro.
1 Prozent des Gesamthaushalts steht somit für Wirtschaftspolitik zur Verfügung. Das soll Zukunftspolitik
sein? Das ist ganz weit weg davon.
({5})
Dieser Haushalt ist an vielen Stellen schlichtweg unterfinanziert, und zwar in der ganzen Breite. Das geht
vom Steuervollzug über die Bundespolizei und die Finanzierung der Energiewende bis hin zur Arbeitsmarktpolitik. Da legen Sie ein Programm für gerade einmal
3 Prozent der Langzeitarbeitslosen auf. Den Rentenkassen werden zur Finanzierung Ihres Haushalts 19 Milliarden Euro weggenommen. Das alles, den Preis Ihrer
schwarzen Null, zahlen zukünftige Generationen.
({6})
Sie blenden die Haushaltsrisiken aus. Sie haben zwar
über die Zinsentwicklung geredet, aber ein Anstieg von
nur einem halben Prozentpunkt - man sieht, dass die
Entwicklung auf den Finanzmärkten in diese Richtung
geht - würde uns mit 6 Milliarden Euro mehr belasten.
Ähnlich ist es mit den gesamten Schattenhaushalten. Allein der Soffin hat inzwischen ein Minus von 25 Milliarden Euro angehäuft. Das alles wird zu bezahlen sein.
Das hat eben nichts mit struktureller Haushaltskonsolidierung zu tun.
Der Haushaltsentwurf bedeutet für die meisten Menschen weniger Netto vom Brutto. Sie belasten die Menschen und greifen ihnen tief in die Tasche. Die Rentenkassenbeiträge sollten zum 1. Januar gesenkt werden.
Das haben Sie mit einem Federstrich annulliert. Es ist
so, dass die Zuschüsse zum Gesundheitsfonds reduziert
werden, und es stimmt eben nicht, dass die Krankenkassenbeiträge nicht steigen werden. Natürlich werden sie
mittelfristig steigen, und es werden die Zuzahlungen für
viele Menschen in diesem Land steigen. Genauso steigen die Beiträge zur Pflegeversicherung. Das führt im
Ergebnis dazu, dass die Menschen weniger in ihren Taschen haben.
Sie träumen von der schwarzen Null, aber viele Menschen in diesem Land sehen eine schwarze Zukunft. Sie
haben nicht über die über 3 Millionen Arbeitslosen in
diesem Land geredet. Sie haben nicht darüber geredet,
dass es Millionen Hartz-IV-Empfänger in diesem Land
gibt. Sie haben nicht über die 2 Millionen Kinder und
Jugendlichen, die sich in Armut befinden, geredet und
auch nicht über die 465 000 Rentnerinnen und Rentner,
die Sozialleistungen beantragen, weil ihre Rente unterhalb der Grundsicherung liegt. Das sind die Kollateralschäden der Regierung auf dem Weg zur Haushaltskonsolidierung.
({7})
Ein ausgeglichener Haushalt, sehr geehrter Herr
Schäuble, ist nicht automatisch Ausdruck einer guten
Haushaltspolitik; denn Haushaltspolitik muss immer
auch einen Beitrag zur Gerechtigkeit leisten. Der Haushalt 2014 leistet ein weiteres Mal keinen Beitrag, um die
katastrophale Entwicklung bei Einkommen und Vermögen wirklich umzudrehen. Auf gut Deutsch: Die Schere
zwischen Arm und Reich in diesem Land geht immer
weiter auf.
Es ist eben so, dass wir mehr Mittel brauchen, sehr
geehrter Herr Schäuble. Nur so können wir die Aufgaben wirklich erfüllen. Um Ihrem Vorwurf gleich entgegenzutreten: Nein, wir fordern nicht pauschal Steuererhöhungen. Wir wollen mit unserem Steuerkonzept
90 Prozent der Menschen entlasten oder im bisherigen
Zustand belassen. Aber die 10 Prozent der Vermögenden
in diesem Land müssen mehr belastet werden, die Vermögenden und Superreichen.
({8})
Es ist doch nicht zu akzeptieren, dass in diesem Land
die Zahl der Vermögensmillionäre jedes Jahr größer
wird. Wir haben inzwischen 1 015 000 Vermögensmillionäre. Sie haben nicht den Mut, bei denen auch nur ein
bisschen abzukassieren, sehr geehrter Herr Schäuble. Da
muss ich den Kolleginnen und Kollegen der SPD sagen:
Was ist eigentlich aus all Ihren Wahlversprechen geworden? Drängen Sie die CDU/CSU doch wenigstens dazu,
dass sie ihr Wahlversprechen, den Abbau der kalten Progression, umsetzt. Das wäre doch vernünftig.
({9})
Das müsste allerdings solide gegenfinanziert werden. Es
ist eine Mär, dass die Erhöhung des Spitzensteuersatzes
letztlich der Untergang des Abendlandes wäre. Das ist
doch völlig absurd. Zu Zeiten Helmut Kohls lag der Satz
bei 53 Prozent,
({10})
und jetzt können wir nicht einmal über eine moderate
Anhebung nachdenken? Das ist völlig absurd. Wir brauchen mehr Haushaltseinnahmen.
({11})
Deswegen wäre eine Vermögensteuer notwendig.
Deswegen wäre es auch notwendig, eine Veränderung
bei der Erbschaftsteuer durchzusetzen. In den nächsten
Jahren werden 2 Billionen Euro vererbt. Angesichts dessen nicht den Mut zu haben, davon wenigstens etwas
mitzunehmen - niemand will enteignen; aber wir brauchen für die Aufgaben, vor denen unsere Gesellschaft
steht, höhere Einnahmen, und diese Mittel müssen von
denjenigen kommen, die in der Krise ausdrücklich profitiert haben -, ist ein Fehler.
Wir, meine Damen und Herren, sehen, dass dieser
Haushalt in einer Tradition der Ungerechtigkeit steht.
Wir werden in den Beratungen viele sehr vernünftige
Vorschläge einbringen. Ich hoffe, dass Sie viele aufnehmen können. Dann ist die Hoffnung vielleicht noch nicht
verloren, dass man wirklich einen ausgeglichenen Haushalt der sozialen Gerechtigkeit und der Zukunftsfähigkeit schafft. Der jetzt vorgesehene Haushalt ist im Moment weit davon entfernt.
Herzlichen Dank.
({12})
Für die SPD-Fraktion erhält nun der Kollege Carsten
Schneider das Wort.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
SPD steht für eine solide Finanzpolitik. Wir haben 2009
gemeinsam mit der Union im Bundestag und im Bundesrat dafür gesorgt, dass die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert wird. Wir werden im Jahre 2015 - wenn
der Vollzug gut ist, vielleicht sogar im Jahre 2014 - einen ausgeglichenen Haushalt ohne neue Schulden erreichen. Das ist ein markanter Erfolg. Das ist ein Paradigmenwechsel nach über 40 Jahren Politik des
Bundestages, aber auch des Bundesrates, die davon gekennzeichnet war, dass permanent mehr Schulden aufgenommen wurden, um die zu leistenden Ausgaben zu finanzieren. Diesen Paradigmenwechsel einzuleiten, ist
die erste große Aufgabe dieser Koalition.
Die zweite große Aufgabe ist, Ordnung auf dem Finanzmarkt herzustellen, insbesondere die Stabilisierung
des Euro und Europas zu erreichen. Ich glaube, dass wir
dabei erst den ersten Schritt gegangen sind. Derzeit leben wir nämlich von der Politik des billigen Geldes der
EZB, aber nicht von politischen Entscheidungen, und
das wird nicht reichen.
Die dritte große Aufgabe ist die Aufrechterhaltung
der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
Eine der Kernaufgaben hierbei ist die Energiewende. Es
ist dafür zu sorgen, dass wir aus der Atomkraft aussteigen können. Es muss uns gelingen, erneuerbare Energien
zu fördern, aber auch, sie bezahlbar zu halten und die
Arbeitsplätze im produzierenden Bereich zu erhalten.
Das ist zentral für die SPD. Ich danke Sigmar Gabriel
sehr dafür, dass er sich dafür in Brüssel erfolgreich eingesetzt hat.
({0})
Herr Minister, Sie haben es in Ihrer Retrospektive auf
die letzten vier Jahre vorhin der Sozialdemokratie nicht
so ganz einfach gemacht, zu klatschen; aber an den entscheidenden Stellen haben wir Beifall gespendet. Ich
will in diesem Zusammenhang nur auf einen Punkt hinweisen - Sie haben gesagt, es ist immer wichtig, dass
man sich bewegt, wenn man ein bestimmtes Wohlstandsniveau erreicht hat; man müsse konsequent dranbleiben,
um seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und für ein
gerechtes Land zu sorgen -: Ich habe nicht erkennen
können, dass Sie im Bundestag in den letzten vier Jahren
Strukturreformen, wie Sie sie angesprochen haben, beschlossen haben.
({1})
Ich wäre wirklich dankbar für einen Hinweis darauf,
welche Strukturreformen das gewesen sein sollen.
Die Früchte, die wir heute dadurch ernten, dass wir in
Deutschland eine wettbewerbsfähige Wirtschaft und vor
allem noch Produktionsunternehmen haben - 25 Prozent
des BIP werden vom produzierenden Gewerbe erbracht;
das macht uns einmalig in Europa, und wir wollen diesen Zustand erhalten -, sind ein Ergebnis dessen, was die
SPD mit den Grünen 2004/2005 durchgesetzt hat.
({2})
Ich finde, das festzustellen, gehört zur Ehrlichkeit dazu.
Von diesen Früchten leben wir heute.
In den vergangenen Jahren sind an die jeweilige
Klientel Geschenke verteilt worden. Das wollen wir als
Sozialdemokraten nicht. Wir wollen einen solide finanzierten Haushalt
({3})
mit Zukunftsinvestitionen in den Bildungs- und in den
Verkehrsbereich, die uns wettbewerbsfähig halten. Dafür
muss die notwendige Finanzierung vorhanden sein.
({4})
Im Hinblick auf die Finanzierung ist es eine der
Grundfragen, ob es bei der Besteuerung in Deutschland
gerecht zugeht.
({5})
Sie haben den Punkt Spitzensteuersatz angesprochen
und in Verbindung mit dem Unternehmensteuersatz gesetzt. Zunächst einmal: Auch Einzelunternehmen können optieren, können ihre Rechtsgrundlage so ändern,
dass sie wie normale Kapitalgesellschaften besteuert
werden. Sie wären von einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes nicht zwangsläufig betroffen. Einmal abgesehen
davon: Eine solche Erhöhung hat jetzt auch gar keiner
gefordert.
Wenn wir die vom Herrn Kollegen Bartsch eben genannte Frage der kalten Progression, der schleichenden
Steuererhöhung aufgreifen wollen und das verändern
wollen - wir wollen keine Erhöhung der Steuersätze für
den unteren und mittleren Einkommensbereich -, dann
gilt für uns: Wir machen das nicht auf Pump. Deswegen
haben wir als SPD den Vorschlag dazu seinerzeit im
Bundesrat und auch hier im Bundestag abgelehnt. Wir
wollen dafür eine saubere Gegenfinanzierung.
({6})
Das heißt in dem Fall dann auch, dass man sich über den
Abbau von Subventionen unterhalten muss. Dazu liegen
allerdings keinerlei Vorschläge Ihrerseits vor.
({7})
Im Gegenteil: Es gibt eine totale Blockadehaltung. Ich
finde, dass man so nicht arbeiten kann. Es geht schon gar
nicht, sehr teure Gutachten in Auftrag zu geben, um sie
danach in der Schublade verschwinden zu lassen. Dazu
gehört ein bisschen mehr Mut.
({8})
Wir als Sozialdemokraten sind bereit, den notwendigen Mut aufzubringen und der Bevölkerung zu sagen:
Carsten Schneider ({9})
Ja, wir schaffen die kalte Progression ab, aber wir werden dafür die Subventionen auf den Prüfstand stellen. Das bringt nicht immer Freude; damit habe ich selbst so
meine Erfahrungen gemacht.
({10})
Aber es ist notwendig, um eine Vereinfachung des Steuerrechts hinzubekommen. Ich wünsche mir, dass wir das
in dieser Koalition in der nächsten Zeit noch schaffen.
Ein weiterer Punkt. Beim Thema „gerechte Steuern“
geht es auch um die Frage: Wer zahlt denn in diesem
Land eigentlich Steuern? Und auf welche Einkommen
zahlt er sie? Die Mehrwertsteuer muss jeder zahlen. Die
Lohnsteuer wird automatisch abgezogen; da hat die normale Arbeitnehmerin oder der normale Arbeitnehmer
überhaupt keinen Gestaltungsspielraum. Aber wer über
Vermögen verfügt, kann das schon in das eine oder andere Land in Europa transferieren. Wir haben prominente Fälle gehabt. Einige Betroffene geloben Besserung; das gilt auch für die entsprechenden Länder.
Ich möchte, dass diese Koalition insbesondere die gerechte Besteuerung von Vermögen im Ausland durchsetzt, also erreicht, dass die Zinserträge daraus besteuert
werden. Das ist für uns als Sozialdemokraten extrem
wichtig, weil nicht nur Arbeit besteuert werden soll, sondern auch höhere Einkommen und Vermögen. Deswegen
sind das Fallen des Bankgeheimnisses und auch der
Fortschritt, den wir im Bereich der Zinsbesteuerung mit
dem automatischen Informationsaustausch gemacht haben, extrem wichtige Punkte.
({11})
Wir werden - auch darauf haben wir uns in der Koalition verständigt - die Bedingungen für die Selbstanzeige
bei Steuerhinterziehung verschärfen, insbesondere die
Zuschläge erhöhen. Derjenige, der jahrelang Steuern
hinterzogen hat, darf im Endeffekt nicht besser dastehen
als derjenige, der seine Steuern ehrlich gezahlt hat. Das
ist ein Grundsatz für Sozialdemokraten.
({12})
Es zeigt sich auch, dass es richtig war, dass wir das
Deutsch-Schweizer Steuerabkommen im Jahr 2012 nicht
haben passieren lassen. Dadurch wären viele Leute
anonym geblieben, und sie hätten Geld gespart, und der
Druck auf die entsprechenden Länder wäre entfallen,
sich zu bewegen und für saubere Geschäfte zu sorgen.
Deswegen war es richtig, das abzulehnen.
({13})
Es wird auf der europäischen Ebene in den nächsten
Jahren mit vielen Entscheidungen in diese Richtung gehen müssen; wir als Nationalstaat allein können das
nicht regeln. Wir brauchen die anderen europäischen
Länder und das Europäische Parlament bei einer einheitlichen Besteuerung und bei der Frage, wie Unternehmensgewinne transferiert werden können. Hierbei geht
es darum, dass über Lizenzgestaltungen, zum Beispiel in
den Niederlanden, aber auch in anderen Ländern, ein
Anreiz geboten wird, die Höhe der Unternehmensteuern
letztendlich zu senken. Das ist eine Form von asozialem
Standortwettbewerb; wir als Sozialdemokraten machen
das nicht mit.
({14})
Wir wollen, dass Unternehmen Gewinne machen - ganz
klar; es sind keine Altruisten -, aber wir wollen auch,
dass sie einen fairen Beitrag zum Steueraufkommen leisten.
Sie von der CDU haben vorvorgestern auf dem Bundesparteitag den Spitzenkandidaten der Konservativen in
Europa gekürt. Sein Name wird in Deutschland geheim
gehalten, aber hier im Bundestag soll schon einmal gesagt werden, wer es ist: Es ist Herr Juncker.
({15})
Er war im vergangenen Jahrzehnt derjenige, der vor allen Dingen dafür gesorgt hat, dass die Zinsbesteuerungsrichtlinie in Luxemburg nicht angewandt wurde. Er hat
sie zehn Jahre lang bekämpft. Erst nachdem es einen Regierungswechsel gegeben hat und die Sozialdemokraten
in Luxemburg einen neuen Koalitionspartner haben,
wird dort nicht mehr blockiert. Ich finde, Sie sollten sich
noch einmal überlegen, wer Ihr Spitzenkandidat ist und
welche Politik er macht.
({16})
Bei den Haushaltsberatungen wird es für uns darauf
ankommen, die Investitionen zu steigern; hier besteht,
glaube ich, Konsens. Wir werden uns sehr genau die
Ausgabenseite, aber auch den Steuervollzug anschauen.
Wir müssen dafür sorgen, dass die Einnahmen entsprechend fließen und das Steuerrecht in Deutschland umgesetzt wird. Das ist die Aufgabe der Bundesländer; denn
sie haben es in der Hand. Sie müssen genug Personal
einstellen, um Unternehmen und Einkommensmillionäre
steuerlich prüfen zu können. Der Bundesrechnungshof
hat viele Vorschläge dazu gemacht.
Herr Minister Schäuble, Sie haben vorhin viel über
Sozialleistungen und auch über die Sozialleistungsquote
gesprochen. Es stimmt, dass sie in Deutschland hoch ist,
und das ist auch gut so; für uns Sozialdemokraten ist das
ein wichtiger Punkt. Ich glaube, wir leben in einem sozial sicheren Land. Der soziale Ausgleich gehört dazu.
Was die Finanzierung der Hochschulen und die Finanzierung des Studiums angeht, müssen wir zu Veränderungen kommen - das war auch ein Punkt bei den Koalitionsverhandlungen; da haben wir noch vier Jahre
Zeit. Es gibt viele Jugendliche und Studenten, die nicht
aus reichen Elternhäusern kommen. Deshalb ist eine Reform des BAföG - die Bedarfssätze und die Freibeträge
sind seit fünf Jahren nicht mehr angepasst worden - ganz
entscheidend. Wir möchten, dass junge Leute auch aus
finanziell nicht so starken Elternhäusern in Deutschland
die Chance haben, studieren zu können.
({17})
Auch da stehen die Bundesländer gemeinsam mit uns in
der Pflicht. Das wäre eine gute Ergänzung zu den Inves2234
Carsten Schneider ({18})
titionen. Denn Bildungsausgaben sind Investitionen in
die Zukunft.
Ich danke Ihnen für den Einstieg in diese Debatte. Es
wird interessant bleiben. Ich sehe den Beratungen im
Haushaltsausschuss in den nächsten vier Sitzungswochen mit Freude entgegen.
Danke.
({19})
Der Kollege Kindler ist der nächste Redner für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Herr Schäuble, nach dieser Einbringung finde
ich es äußerst bemerkenswert, aber auch, wie ich sagen
muss, ziemlich dreist, wie viel Selbstlob Sie hier an den
Tag legen.
({0})
Ich gebe ehrlich zu: Die schwarze Null im Haushalt
2015 klingt erst einmal gut, besonders für einen Haushälter. Aber als guter Haushälter darf man eben nicht nur
die Überschriften betrachten, sondern man muss kritisch
nachrechnen, genau hinsehen und fragen, wie das eigentlich zustande kommt. Wenn man sich die Finanzplanung
anschaut, dann erkennt man, dass diese schwarze Null
nur eine kurzfristige Momentaufnahme ist. Es ist kein
dauerhafter Zustand.
({1})
Es ist nicht nachhaltig finanziert. Herr Schäuble, Ihr
Haushalt ist nur ein kurzes und teures Strohfeuer.
({2})
Schauen wir uns den Haushalt und die Finanzplanung
einmal konkret am Beispiel der drei Hauptprobleme an.
Sie verlassen sich auf die gute Konjunktur, Sie greifen in
die Sozialkassen, und Sie investieren nicht.
Erstens zur Konjunktur. Sie haben einfach Glück gehabt, Herr Schäuble: Die Konjunktur läuft gut.
({3})
Die Zinsen sind historisch niedrig. Allein in der letzten
Legislaturperiode hat der Bund wegen der Euro-Krise
100 Milliarden Euro an Zinsen gespart. Herr Schäuble,
das heißt, Sie sind ein Konjunktur- und Krisengewinner.
Mit eigener Leistung hat das aber wenig zu tun.
({4})
Was machen Sie eigentlich, wenn mal wieder
schlechtere Zeiten kommen? Darauf sind Sie nicht vorbereitet; dafür haben Sie nicht vorgesorgt. Wenn die
Konjunktur und die Zinsen sich nur ein bisschen verschlechtern, dann fällt Ihr Haushalt wie ein Kartenhaus
zusammen. Ihr Haushalt, Herr Schäuble, ist nur ein
Schönwetterhaushalt.
({5})
Zweitens zu den Sozialkassen. Ihre einzige Finanzierungsidee ist ja der Griff in die Sozialkassen. Sie plündern jetzt den Gesundheitsfonds. Aber der Bundeszuschuss für den Gesundheitsfonds ist kein Fahrstuhl, den
man je nach Belieben und Kassenlage einfach hoch- und
runterfahren kann. Er orientiert sich an den versicherungsfremden Leistungen, und er wurde zusammen mit
den Krankenkassen festgelegt, damit sie Planungssicherheit haben. Was passiert jetzt? Mehrere Krankenkassen
haben schon angekündigt, dass sie wahrscheinlich Zusatzbeiträge für die Versicherten erheben müssen. Das
heißt, die Hauptleidtragenden Ihrer Haushaltspolitik sind
die Versicherten, die Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen. Sie zahlen die Zeche, und das ist
extrem ungerecht.
({6})
Das Gleiche machen Sie bei der Rentenkasse. Auch
da langen Sie extrem zu. Jedem hier im Saal ist klar, dass
Sie die Mütterrente über Steuern hätten finanzieren müssen.
({7})
Aber die Union hat Steuererhöhungen, zum Beispiel für
Spitzeneinkommen oder große Vermögen, aus ideologischen Gründen zum Tabu erklärt. Die SPD hat das mitgetragen. Deswegen werden die Altenpflegerin und der
Lagerarbeiter das Rentenpaket zahlen. Die Bezieher von
hohen Einkommen und Kapitalerträgen sowie wir Abgeordnete werden nicht zur Finanzierung herangezogen.
Das, meine Damen und Herren, ist extrem ungerecht.
Für uns Grüne ist klar: Gerade in der Haushalts- und
Finanzpolitik müssen starke Schultern mehr tragen als
schwache.
({8})
Ich komme zum dritten Punkt: Investitionen. Ich habe
schon ausgeführt, dass die Konjunktur gut ist. Gemäß
dem Finanzplan sollen die Steuermehreinnahmen um
42,7 Milliarden Euro steigen.
({9})
Davon nehmen Sie im nächsten Jahr 6,5 Milliarden Euro
für den Schuldenabbau. Es bleiben noch rund 36 Milliarden Euro übrig. Die Frage, das große Rätsel ist: Wo sind
die 36 Milliarden Euro geblieben? Klar ist bisher nur:
Investiert werden sie nicht. Die Investitionsquote im
Haushalt stagniert auf einem sehr niedrigen Niveau. Allen ist klar, dass der Staat seit Jahren zu wenig investiert,
um die bestehende Infrastruktur zu erhalten. Das heißt,
unter dem Strich lebt der Staat von der Substanz. Dieser
Haushalt ändert daran gar nichts.
({10})
Ihr Haushalt, Herr Schäuble, hat ein krasses Investitionsdefizit. Das ist zukunftsvergessen und verstößt gegen die
Generationengerechtigkeit.
({11})
Wir Grüne sagen, Herr Schäuble: Jetzt wäre die Zeit,
im Haushalt klar in die Zukunft zu investieren: in den
Klimaschutz, in die Gebäudesanierung, in erneuerbare
Energien, in den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur. Aber
auch Investitionen in Köpfe, das heißt in gute Bildung
und verlässliche Betreuung, in Kinder und Jugendliche,
wären notwendig. Die Große Koalition steht für die Subventionierung der Vergangenheit. Jetzt wäre es aber an
der Zeit, in die Zukunft zu investieren.
({12})
Wir Grüne sagen aber auch klar: Investitionen müssen
konkret und solide gegenfinanziert werden. Wir Grüne
wollen investieren statt subventionieren. Jedes Jahr gibt
der Staat über 50 Milliarden Euro für umweltschädliche
Subventionen aus; das hat das Umweltbundesamt der
Bundesregierung vorgerechnet. Man kann eine Menge
an Subventionen abbauen. Man kann viele Milliarden
Euro sparen, zum Beispiel bei den Ausnahmen bei der
Ökosteuer, bei der milliardenschweren Bevorzugung des
Flugverkehrs gegenüber der Schiene, bei Subventionen
für die Atomenergie, bei schweren Dienstwagen.
({13})
- Nein, es ist sinnvoll, in die Zukunft zu investieren, und
nicht sinnvoll, klimaschädliches oder umweltschädliches
Verhalten zu subventionieren. - Investieren und dafür
Subventionen abzubauen, ist gut für das Klima und gut
für den Haushalt.
({14})
Die allermeisten Investitionen werden übrigens in den
Kommunen getätigt. Es stimmt einfach nicht, Herr
Schäuble, dass Sie in der letzten Legislaturperiode für
Entlastung gesorgt haben. Das war Rot-Grün nachher im
Vermittlungsausschuss; es hat die Entlastung der Kommunen bei den Kosten der Grundsicherung im Alter
durchgesetzt.
({15})
- Jetzt kann auch die SPD klatschen.
({16})
Sie haben im Koalitionsvertrag den Kommunen eine
deutliche Entlastung versprochen. Wir sehen jetzt wieder, dass sie eingesammelt wird. Die 1 Milliarde Euro
zusätzlich für 2014 kommt nicht. Die versprochenen
5 Milliarden Euro verschieben Sie auf 2018, also auf die
Zeit nach dieser Legislaturperiode. Das Motto der Großen
Koalition ist: Kaum versprochen, schon gebrochen. - Das
ist eine bittere Enttäuschung für die Kommunen. So
kann man nicht mit unseren Städten und Gemeinden in
Deutschland umgehen.
({17})
Nicht nur bei den Kommunen, sondern auch bei der
Rente verschieben Sie die Kosten in die Zukunft.
160 Milliarden Euro kostet Ihr Rentenpaket. Die in diesem Zusammenhang notwendigen Erhöhungen von
Steuern und Beiträgen kippen Sie der nächsten Regierung vor die Füße. Sie werden in die Geschichte als
große Verschiebekoalition eingehen.
({18})
Herr Schäuble, Sie haben auch den Finanzierungstragfähigkeitsbericht Ihres eigenen Hauses angesprochen. Sie haben ihn wohl gelesen, aber anscheinend nur
die schönen Seiten und nicht die schlechten. Der Bericht
sagt auch, dass die deutschen Staatsfinanzen nicht zukunftsfest sind. Bis 2020 muss der Staat jedes Jahr bis zu
15 Milliarden Euro zusätzlich sparen oder entsprechende
Einnahmen erwirtschaften, um die Finanzen zukunftsfest zu machen. Der Bericht zeigt: Auch das machen Sie
nicht. Sie machen gar nichts. Das zeigt, dass Ihre Haushaltspolitik extrem kurzsichtig und unsolide ist.
Fassen wir einmal zusammen: Wir haben die riskante
Wette auf die Konjunktur. Wir haben den Griff in die Sozialkassen. Wir haben das große Investitionsdefizit. Wir
haben das Verschieben von Kosten in die Zukunft. Und
wie ist Ihre Reaktion darauf, Herr Schäuble? Sie beschwichtigen, reden die Probleme offensichtlich klein
und feiern sich nur für Ihre schwarze Null.
Wissen Sie, woran mich das erinnert? Das erinnert
mich an das Klischee eines trickreichen Gebrauchtwagenhändlers. Auch da soll das Schrottauto nur an den
Mann oder an die Frau gebracht werden - komme, was
wolle. Da wird erst ein bisschen am Lack poliert. Nachher sind aber die Bremsen kaputt. Es gibt ein Leck in der
Ölwanne, und es wird auch kein Wort über den rostigen
Auspuff verloren. Hauptsache, die Karre ist endlich vom
Hof.
({19})
Genauso ist es auch mit Ihrem Haushalt: Ihr Haushalt
eiert, wenn Sie großes Glück haben, bis 2017. Dann ist
der Ofen aus. Ich sage: So geht es nicht. Wir brauchen
als Finanzminister keinen trickreichen Gebrauchtwagenhändler, sondern wir brauchen als Finanzminister einen
ehrlichen Kaufmann.
({20})
Das Problem bei einem Gebrauchtwagenhändler ist
auch, dass er nur das Allernötigste tut. Ich frage Sie,
Herr Schäuble: Wo ist eigentlich Ihre Lust, wo ist Ihre
Leidenschaft, und wo ist Ihr Engagement in der Haushaltspolitik? Wo kürzen Sie Ausgaben? Wo bauen Sie
Subventionen ab? Wo stärken Sie die Einnahmeseite?
Nirgends! Es passiert nichts. Sie haben keinen Mut.
({21})
Haushalt heißt auch, zu entscheiden. Das heißt, Prioritäten zu setzen. Das heißt auch, dass man etwas macht.
Diese Arbeitsverweigerung, Herr Schäuble - das ist
heute schon absehbar -, wird uns noch alle teuer zu stehen kommen.
({22})
Wir Grüne werden in den Haushaltsverhandlungen
konkrete Vorschläge für Investitionen, für eine strukturelle Konsolidierung des Haushalts und für eine solide
Gegenfinanzierung über Ausgabenkürzungen, Subventionsabbau und Einnahmeverbesserungen machen. Bisher ist dieser Haushalt nicht gerecht. Er ist unsolide und
zukunftsvergessen. Das muss sich dringend ändern.
Vielen Dank.
({23})
Das Wort erhält nun der Kollege Norbert Barthle für
die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Wir beraten heute den zweiten Regierungsentwurf zum Haushalt 2014. Ich will zuallererst
feststellen: Dieser Haushalt ist tatsächlich eine historische Zäsur. Erstmals legen wir nicht nur einen strukturell
ausgeglichenen Haushalt vor, sondern einen Haushalt,
der strukturell sogar einen Überschuss von 0,07 Prozent,
real 1,8 Milliarden Euro, erwirtschaftet. Das ist der Einstieg in eine neue Zeitrechnung der Haushalts- und Fiskalpolitik in Deutschland. Darauf können wir alle stolz
sein. Diesen Haushalt trage ich mit einem Lächeln im
Gesicht vor.
({0})
Wir haben während der Koalitionsverhandlungen vereinbart, dass wir für die kommende Legislaturperiode
23 Milliarden Euro mehr für dringend notwendige Maßnahmen ausgeben wollen. Daran halten wir uns exakt
und auf Punkt und Komma. Daran halten wir uns auch,
indem wir keine Steuererhöhungen beschließen und
keine neuen Schulden machen.
Folgendes möchte ich an meinen Vorredner und Kollegen von der SPD richten: Wenn man vereinbart, dass
es keine Steuererhöhungen geben soll, dann macht es
keinen Sinn, über den Spitzensteuersatz zu diskutieren.
Wenn es um Subventionsabbau geht, dann muss man
wissen, dass die Kollegen von der SPD damit niemals
wirtschaftliche Subventionen wie das ZIM-Programm
des Ministeriums von Herrn Gabriel meinen.
({1})
Sie meinen damit immer steuerliche Subventionstatbestände, also Steuerermäßigungen. Wer aber Steuerermäßigungen abbaut, der erhöht Steuern. Wenn wir aber vereinbart haben, dass es keine Steuererhöhungen geben
soll, dann ist alles Notwendige gesagt. Dabei bleibt es.
Da brauchen wir gar nicht lange zu argumentieren und
Gründe zu suchen. Das ist verabredet; so bleibt es.
({2})
Für diesen Haushalt gilt Solidität und Kontinuität.
Das sind die entscheidenden Schlagworte. Kontinuität
heißt immer: Man blickt ein Stück zurück, und man
blickt auch nach vorne. Wenn ich zurückblicke, dann
danke ich der nicht anwesenden FDP für die Unterstützung in den vergangenen vier Jahren und dafür, dass wir
so weit gekommen sind.
({3})
Ich danke vor allem aber auch den Kollegen von der
SPD-Fraktion, unserem neuen Koalitionspartner, die
sich diesem Ziel auch verschworen haben.
({4})
Ich finde es großartig, dass wir das miteinander angehen
wollen. Wir werden das auch schaffen. Wenn es keine
großen externen Schocks gibt, dann werden wir 2015
und in den Folgejahren, also dauerhaft, einen ausgeglichenen Haushalt haben und die schwarze Null vorlegen.
Das ist ein großes Programm dieser Koalition, und wir
werden das hinkriegen.
({5})
Das ist vor allem im Sinne einer generationengerechten Politik. Das ist das wichtigste Signal, das man aussenden kann. Keine neuen Schulden zu machen, ist das
Beste, was man für nachfolgende Generationen tun
kann.
Da muss ich mich an den Kollegen von den Linken
wenden. Herr Bartsch, Sie haben gesagt, zukünftige Generationen würden den Preis der schwarzen Null zahlen.
({6})
Meine Damen und Herren, das ist Blödsinn. Er stellt die
Argumente von den Beinen auf den Kopf. Genau das
Umgekehrte ist wahr: Das ist die beste Politik, die man
für künftige Generationen machen kann.
({7})
Deshalb sage ich den Leuten draußen: Die Argumente,
die Ihnen die Linken vortragen, muss man zunächst einmal auf die Beine stellen; dann werden sie richtig.
({8})
An dieser Stelle widerspreche ich, was ich selten tue,
unserem Bundesfinanzminister.
({9})
Er meinte: Spätestens wenn die Sozialausgaben in unserem Haushalt 100 Prozent erreichen, fällt den Linken
wohl nichts mehr ein. - Falsch, Herr Dr. Schäuble!
Selbst wenn sie 100 Prozent erreichten, würden die Linken sagen: Jetzt müssen wir neue Schulden machen, damit wir noch mehr für Soziales ausgeben können. ({10})
So tickt die linke Seite des Hauses - wir nicht.
Wie machen wir das Ganze? Auch dazu ein einfaches
Argument: Wer sich den Entwurf des Haushalts 2014 anschaut und ihn mit dem Haushalt 2013 vergleicht, der
wird feststellen, dass er round about 10 Milliarden Euro
mehr Einnahmen, aber round about 8 Milliarden Euro
weniger Ausgaben ausweist. Das ist das Geheimnis unseres Erfolges: bei steigenden Einnahmen weniger Geld
ausgeben. Das, meine Damen und Herren, bezeichnet
auch die schwäbische Hausfrau als Sparen. Es ist das
Geheimnis unseres Erfolgs: Wir sparen dank steigender
Einnahmen und weniger Ausgaben.
({11})
Allen Unkenrufen der Opposition zum Trotz: Dieser
Haushaltsentwurf ist eine seriöse, verlässliche Planungsgrundlage für die weiteren Beratungen. Wir werden sicherlich an der einen oder anderen Stelle noch Veränderungen vornehmen - das ist bei Haushaltsberatungen
immer geboten -, aber insgesamt ist das ein hervorragender Entwurf, der auch die notwendige Entlastung für
die Kommunen mit einbezieht.
Dazu würde ich gerne einige Sätze sagen: Wir stehen
zu den Vereinbarungen, den Kommunen zu helfen, auch
wenn dies zunächst einmal Länderaufgabe ist. Wir haben
schon viel getan, wir werden weiterhin viel tun. Aber all
jenen, die bewusst - zumindest teilweise bewusst - den
Koalitionsvertrag falsch interpretieren, sei nochmals gesagt: Wir halten das, was vereinbart wurde, auf Punkt
und Komma ein: 1 Milliarde Euro Entlastung ab 2015;
das Bundesleistungsgesetz wird ab 2018 greifen und
dann 5 Milliarden Euro Entlastung bringen.
Die Herausforderung, vor der wir stehen, ist eine ganz
andere: Wir müssen bis zu diesem Zeitpunkt das Bundesleistungsgesetz neu formulieren. Da wird es die Anstrengung aller brauchen, das Gesetz so auszutarieren,
dass erstens die Entlastung bei den Kommunen, dort, wo
das Geld hingehört, ankommt und es zweitens gerecht
abläuft. Denn, meine Damen und Herren, wenn man sich
anschaut, wie es derzeit bei der Eingliederungshilfe für
Behinderte aussieht, dann stellt man fest, dass es Kommunen und Länder gibt, in denen pro Kopf mehr als doppelt so viel ausgegeben wird als in anderen Kommunen
und Ländern. Auch das spielt bei der Frage eine Rolle,
wie wir dieses Gesetz ausgestalten, wie wir die Standards so festlegen, dass bei den Kommunen tatsächlich
eine Entlastung ankommt.
Der Bundeshaushalt 2014 ist ein weiterer Schritt hin
zu einem Ziel, das die Öffentlichkeit immer wieder bei
uns anmahnt. Sie sagt nämlich: Wann baut ihr endlich
Schulden ab? Der Bundesfinanzminister hat das Notwendige dazu gesagt. Völlig übersehen wird aber auch,
dass wir im Bereich unserer Sonderhaushalte, zum Beispiel beim Investitions- und Tilgungsfonds, bereits
Rückführungen vornehmen: Der Bundesbankgewinn
fließt fast zur Hälfte in den Investitions- und Tilgungsfonds. Deshalb gelingt es uns bereits in diesem Jahr, die
Defizitquote im Bundeshaushalt von vorher 80 Prozent
auf jetzt etwa 75 Prozent abzusenken. Bis zum Ende der
Legislaturperiode werden wir bei rund 67 Prozent sein,
und wir haben uns vorgenommen, bis 2018 sogar eine
Quote von 65 Prozent zu erreichen; so hat es das Kabinett heute beschlossen. Ich finde, das ist ein hervorragendes Ziel und ein gutes Signal, auch im Hinblick auf
den europäischen Raum, wenn es darum geht, die Stabilität des Euro zu sichern.
({12})
Da erlaube ich mir einen kleinen Vergleich: Wie sieht
es international aus? Schauen wir uns die Schuldenstandsquote wichtiger europäischer Länder an: Italien
134 Prozent, Vereinigtes Königreich, also England,
93 Prozent, Frankreich 96 Prozent. Schauen wir über
Europa hinaus: USA 106 Prozent, Japan 245 Prozent.
Was folgern wir daraus? Deutschland ist nicht nur
europa-, sondern wahrscheinlich auch weltweit der Stabilitätsanker.
Noch vor wenigen Jahren lautete eine Titelgeschichte
des Economist „Deutschland, der kranke Mann Europas“.
({13})
- Das waren wir alle gemeinsam in einem langen Prozess. Die Reformen unter Herrn Schröder haben einen
großen Beitrag dazu geleistet - das ist gar keine Frage -,
({14})
aber auch die Konsolidierungspolitik dieser Bundesregierung, unterstützt vom Fraktionsvorsitzenden Volker
Kauder und vom neuen Fraktionsvorsitzenden Thomas
Oppermann, hat einen großen Beitrag geleistet. Ich finde
das sehr gut. So können wir weitermachen.
({15})
In diesem Zusammenhang möchte ich meine Sorge in
Bezug auf die Signale aus Frankreich zum Ausdruck
bringen.
({16})
Wir sind aufgerufen, Disziplin zu wahren; nicht nur wir
innerhalb Deutschlands, sondern auch außerhalb. Spanien, Irland, Portugal und Zypern sind auf einem guten
Weg, und auch Griechenland leistet Erstaunliches, wenn
auch etwas langsam. Das Haushaltsdefizit dort ist bereits
signifikant zurückgegangen.
Frankreich erklärt nun, dass es zum dritten Mal
hintereinander einen Aufschub bei der Einhaltung des
3-Prozent-Ziels erwartet. Ich erinnere mich an die Aussagen von Präsident Hollande von vor einem Jahr. Er hat
nämlich schon 2013 um einen Aufschub von zwei Jahren
gebeten. Damals haben die Europäer gesagt: Wir gewähren diesen Aufschub, dafür erwarten wir aber, dass
Frankreich die entsprechenden Strukturreformen in Angriff nimmt. Darauf hat Monsieur Hollande erwidert, er
verbitte sich jegliche Einmischung in innerfranzösische
Angelegenheiten. Deshalb empfehle ich uns: Wir sollten
uns nicht in innerfranzösische Angelegenheiten einmischen, sondern deutlich machen, dass wir von Frankreich erwarten, dass die Strukturreformen auf den Weg
gebracht werden und nicht schon wieder um Aufschub
gebeten wird.
Ich finde es erfreulich, was sowohl von der Bundesregierung und von Olli Rehn auf europäischer Ebene als
auch vom Präsidenten unserer Deutschen Bundesbank,
Jens Weidmann, dazu zu hören war. Ich finde es bedenklich, was man in diesem Zusammenhang von Martin
Schulz hört. Ich appelliere an die Kollegen von der SPD:
Fangen Sie Herrn Schulz ein. Er hat Äußerungen gemacht, die für die Stabilität des Euro nicht produktiv
sind.
({17})
Ich wiederhole meine Aussage: Wir brauchen weiterhin Disziplin, nach innen und nach außen. Nur dann werden wir sowohl bei uns als auch in Europa die notwendige Stabilisierungspolitik für unsere Haushalte
fortsetzen können. Dass in dem einen oder anderen Bereich, zum Beispiel bei der Infrastruktur, Mehrausgaben
wünschenswert sein mögen, ist unbestritten.
Wir geben in den kommenden Jahren 5 Milliarden
Euro mehr aus. Das ist gut, könnte aber auch noch besser
sein.
({18})
Deshalb haben wir Haushälter auf unserer Klausurtagung besprochen, dass wir dann, wenn wir neue Finanzspielräume entdecken sollten, diese gerne für die Stärkung der Infrastruktur einsetzen wollen. Das ist ein
gutes, ein richtiges Ziel; denn dass es eine gewisse
Schieflage unserer Haushalte gibt, das ist unbestritten.
Als ich 1998 im Bundestag angefangen habe, betrug
die Investitionsquote etwa 13,5 Prozent und die Sozialausgabenquote 35 Prozent. Heute machen die Sozialausgaben 49 Prozent, also fast 50 Prozent aus und die Investitionen nur noch 8,6 Prozent. Das war ein jahrelanger
Prozess.
({19})
- Da haben auch andere regiert, auch Sie, die Grünen.
Herr Kollege Kindler, das scheinen Sie vergessen zu haben, dafür sind Sie wohl zu jung.
({20})
Viele haben daran mitgewirkt. Es ist sicherlich richtig,
dass es an dieser Stelle noch erheblichen Nachholbedarf
gibt.
Lassen Sie mich abschließend auf einen Begriff verweisen, auf den mich die Menschen immer wieder ansprechen, wenn ich vor Ort bin: den sogenannten Juliusturm. Die Menschen fordern uns immer wieder auf, an
den Juliusturm zu denken.
Der Juliusturm ist ein Festungsturm der Zitadelle
Spandau aus dem 13. Jahrhundert. Er wurde 1838 restauriert. Damals lagerte dort der Reichskriegsschatz im
Wert von 120 Millionen Mark. Später war der Juliusturm
Gegenstand politischer Beratungen. 1952 bis 1956 hat
der Bundestag unter dem damaligen Finanzminister Fritz
Schäffer aus der Deutschen Bundesbank und aus den
Kassenüberschüssen Rücklagen, einen sogenannten
Schatz, in Höhe von 7 Milliarden D-Mark angehäuft.
({21})
Die wurden dann zwischen 1957 bis 1959 vom sogenannten Kuchenausschuss des damaligen Parlamentes
wieder ausgegeben. Das unterscheidet das damalige Parlament von unserem: Wir haben keinen Kuchenausschuss mehr, wir haben einen Haushaltsausschuss. Wir
haben ein anderes Bewusstsein.
({22})
Wir wollen keinen Kuchen, wir wollen eher Schwarzbrot. Deshalb halten wir uns an die Devise, die in diesen
Zeiten angemessen ist.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Zur Erinnerung: Der Juliusturm ist Geschichte.
({23})
Die Zeiten haben sich geändert. - Danke.
({24})
Nächster Redner ist der Kollege Roland Claus für die
Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will
zunächst den schwarzen Humor des Kollegen Barthle
aufnehmen. Er meinte den Haushalt mit einem Lächeln
einzubringen, um sich dann über die Tauglichkeit der
Vorschläge der Linken lustig machen zu müssen. Ich
will Ihrer Erinnerung ein bisschen auf die Sprünge helfen: Sie haben jetzt in Ansätzen so etwas Ähnliches wie
einen Mindestlohn etabliert. Wer hat die Debatte im
Deutschen Bundestag zum Mindestlohn angestoßen?
Das waren die Linken. Links wirkt, meine Damen und
Herren!
({0})
Mein nächstes Stichwort: Börsengang der Bahn. Darüber
reden Sie in der Großen Koalition nicht mehr.
({1})
Wer aber hat als einzige Fraktion gegen den beabsichtigten Börsengang der Bahn gestimmt? Das war die Fraktion der Linken und zuvor die der PDS. Links wirkt,
meine Damen und Herren!
({2})
Das sollten Sie nicht vergessen.
„Deutschlands Zukunft gestalten“ haben Sie Ihren
Koalitionsvertrag, Ihre Vereinbarung, genannt. Jetzt
müssen Sie sich daran messen lassen, wie es Ihnen gelingt, Deutschlands Zukunft zu gestalten. Wir haben den
Eindruck - das ist hier schon gesagt worden -, dass Sie
ausgesprochen selbstverliebt sind, dass Sie ausgesprochen verliebt sind in Ihre schwarze Null, und Liebe
macht bekanntlich blind.
({3})
Keine neuen Schulden - das ist natürlich auch für uns
wichtig. Das haben wir in den Ländern, in denen wir
mitregiert haben, gründlich nachgewiesen. In Berlin hat
die CDU infolge des Nicht-umgehen-Könnens mit Geld
inzwischen den Status einer Nichtregierungsorganisation
angenommen. Deshalb achten wir natürlich diese Formulierung. Aber auch in diesem Jahr müssen mehr als
30 Milliarden Euro für Zinsen eingestellt werden. Deshalb sagen wir Ihnen: Die schwarze Null ist für die allermeisten Menschen in diesem Lande eine ziemlich abstrakte Größe,
({4})
eine Größe, die in ihrem Lebensalltag nicht ankommt. In
ihrem Lebensalltag kommen Fakten wie steigende Mieten, steigende Energiekosten und zeitlich befristete Arbeitsverträge an. Berufseinsteigerinnen und -einsteiger
im Osten werden in aller Regel mit Zehnmonatsverträgen und dem Hinweis: „Danach gehst du zur Agentur“,
eingestellt. Junge Wissenschaftler - bis 45 Jahre gerechnet - können in ihrer Erwerbsbiografie auf eine Vielzahl
befristeter Verträge verweisen, ihnen wird aber keine
Zukunftsperspektive geboten.
({5})
Und Sie erfinden schöne Losungen wie die, die Sie an
die Wandtafel vor dem Bundespresseamt geschrieben
haben: „Der Aufschwung ist bei den Menschen angekommen“. Wir aber haben im Land mit Menschen zu
tun, die mit einer solchen Agitation, mit einer solchen
Propaganda nichts anfangen können.
({6})
Herr Bundesfinanzminister, Sie haben - das gehört
zur Wahrheit - bei diesem Haushalt drei gigantische
Schlupflöcher zur Verfügung. Wir haben in fast der
Hälfte dieses Haushaltsjahres den Zustand der vorläufigen Haushaltsführung. Jeder weiß: Da bleibt eine Menge
an geplanten Ausgaben stehen. Ich rechne fest damit,
dass Sie Ihre schwarze Null zu einem Großteil daraus
decken wollen.
({7})
Über die Eingriffe in die Sozialkassen - das ist das
zweite Schlupfloch - ist bereits gesprochen worden. Die
Sondervermögen für die Finanzmarktstabilisierung
- drittes Schlupfloch - sind außerhalb des Haushalts veranschlagt. Wir, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler,
sind Besitzer der zu 100 Prozent verstaatlichten Bad
Banks. Deshalb sagen wir Ihnen: Ihrem eigenen Anspruch, Deutschlands Zukunft gestalten zu wollen, werden Sie vor lauter Faszination über die schwarze Null
wirklich nicht gerecht. Solide Haushaltspolitik sieht anders aus.
({8})
Zukunftsfähig und enkeltauglich ist der Haushalt in
der Tat nicht. Die Mittel der Wirtschaftsförderung, die
einen, wie wir finden, viel zu geringen Anteil im Haushalt ausmacht, gehen zu einem großen Teil an staatsnahe
Monopolisten. Die Investitionsquote sinkt, und das Problem der ausbleibenden Mauteinnahmen haben Sie hier
mit dem Satz kommentiert: Der Verkehrsminister und
der Finanzminister werden eine Lösung finden. - Aber
diese Lösung müssen Sie dann auch präsentieren.
Wir meinen, dass Sie auch den Osten erneut ausgeblendet haben. Im Osten ist die Arbeitslosigkeit doppelt
so hoch, und der Anteil von Jobs mit Niedriglöhnen ist
wesentlich höher. Sie verfolgen bei der Mütterrente ein
Konzept, bei dem erneut Erziehungsleistungen in Ost
und West unterschiedlich anerkannt werden sollen. Das
ist 25 Jahre nach der deutschen Einheit ein Skandal. Da
werden wir Sie nicht in Ruhe lassen.
({9})
Wir bekommen häufig zu hören, wir hätten kein Einnahmeproblem. Das sehen wir ausdrücklich anders.
Auch mit dem Haushalt 2014 wird die Steuerungerechtigkeit fortgesetzt. Das ginge auch anders. Die Linke hat
ein Steuerkonzept vorgelegt, bei dessen Umsetzung gerechte Besteuerung an den Tag gelegt würde. Das trauen
Sie sich nicht. Bei den Einkommensschwächsten ist
- das wissen Sie - nichts zu holen, und an die Reichen
trauen Sie sich nicht heran. Deshalb belasten Sie nach
wie vor die Mitte dieser Gesellschaft. Das ist sozial ungerecht. Das ginge auch anders.
({10})
Die Linke wird, wie eingangs beschrieben, zahlreiche
Änderungsvorschläge für diesen Haushalt einbringen.
2014 ist ja das Jahr der zweiten Chance. Wir werden bereits unmittelbar nach der Sommerpause über den Entwurf des Haushaltes 2015 reden. Ich habe den Eindruck,
dass Sie die zweite Chance brauchen werden. Die Opposition ist dabei. Wir werden Sie mit guten Vorschlägen
behelligen.
Vielen Dank.
({11})
Nächster Redner ist der Kollege Ralph Brinkhaus für
die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schneider, ich habe mit großem Wohlwollen vernommen, dass die SPD für solide Finanzpolitik steht.
({0})
Angesichts der zwei verfassungswidrigen Haushalte in
Nordrhein-Westfalen, der Probleme in Rheinland-Pfalz
und dessen, was momentan in Baden-Württemberg passiert, ist das, glaube ich, eher ein zartes Pflänzlein. Sie
können froh sein, dass Sie sich zumindest hier im Bund
an den starken haushaltspolitischen Stamm der Union
anlehnen können.
({1})
Ich möchte mit einem anderen Sozialdemokraten beginnen, und zwar mit Alex Möller. Ich möchte über Karl
Schiller sprechen, ich möchte über Helmut Schmidt
sprechen, ich möchte über Hans Matthöfer, über Hans
Apel und über Manfred Lahnstein sprechen. Ich möchte
über den Christdemokraten Gerhard Stoltenberg sprechen, natürlich über Theo Waigel, über Oskar
Lafontaine, über Hans Eichel und über Peer Steinbrück.
({2})
Ich glaube, sie alle - die meisten von ihnen waren sehr
gute Finanzminister; nicht alle, aber die überwiegende
Anzahl - wären ziemlich froh gewesen und hätten ziemlich viel dafür gegeben, hier heute stehen und ein derartiges Haushaltspaket vorlegen zu können.
({3})
Man muss sich bewusst machen: Das letzte Mal
wurde irgendwann Ende der 60er-Jahre ein so erfolgreiches Paket mit einem strukturellen Überschuss im aktuellen Haushaltsjahr und mit einer Finanzplanung, die
eine Nettokreditaufnahme von null vorsah, vorgelegt. Da
war Franz Josef Strauß noch Finanzminister. Wenn ich
hier in die Reihen schaue, stelle ich fest, dass circa ein
Drittel der Abgeordneten des Deutschen Bundestages,
die heute hier sitzen, zu der Zeit noch gar nicht geboren
waren. So lange ist das her. Das heißt, wir haben jetzt etwas geschafft - und viele haben daran mitgewirkt -, an
dem sich seit 45 Jahren viele aufgerieben, es aber nicht
hinbekommen haben. Das ist auch ein Grund zur Freude,
und für diese Freude sollte man sich etwas Zeit nehmen.
Das kann man auch ein bisschen feiern.
Wenn man sich einmal anschaut, unter welchen Bedingungen wir das geleistet haben, ist das Ergebnis umso
erstaunlicher. Wir haben das geschafft, obwohl wir darauf verzichtet haben, Steuern zu erhöhen oder neue
Steuern einzuführen. Wir haben das geschafft, obwohl
wir vereinbart haben, dass wir in diesem Haushaltsjahr
und in dieser Legislaturperiode ganz viel Geld zusätzlich
für Bildung, für Infrastruktur und auch für soziale Teilhabe ausgeben werden. Wir haben das erreicht, obwohl
wir - beginnend mit der christlich-liberalen Koalition
und jetzt auch fortgesetzt in der Großen Koalition - ein
Paket geschnürt haben, in dem, je nachdem, wie man es
rechnet, 45 bis 50 Milliarden Euro für die Kommunen
vorgesehen sind. Was ganz besonders ist: Wir haben das
geschafft, obwohl wir uns noch vor vier Jahren in der
schlimmsten Wirtschaftskrise der deutschen Nachkriegsgeschichte befunden haben. Das ist aller Ehren wert.
Es ist nicht die Aufgabe der Opposition, die Regierung zu loben;
({4})
funktional müssen Sie in einer Demokratie Kritik üben.
Ich kann auch verstehen, dass Sie sich ungerne mit den
Koalitionsfraktionen freuen. Aber die Kritik, die Sie geäußert haben, was die Sozialkassen und die Ausgaben
für Soziales angeht, war doch etwas dünn. Der Finanzminister und der Kollege Barthle haben es erwähnt: Wir
haben noch nie so viel Geld für Soziales ausgegeben,
wie es heute der Fall ist. Ich glaube, dafür müssen wir
uns auch nicht schämen, sondern wir können stolz darauf sein, dass es nur wenige Länder gibt, die soziale Ungleichheit mit einem derart massiven Staatseinsatz bekämpfen wie Deutschland.
({5})
Meine Damen und Herren, was die Sozialkassen betrifft, muss man sich fragen: Wie erklären Sie den Menschen in diesem Land, dass der Staat, der Bund Schulden
aufnehmen soll, um die Rücklagen, die wir in den Sozialkassen haben, weiter zu steigern? Das ist eine Geschichte, die Sie auch mir einmal erklären müssen.
Ich habe mit großer Freude zur Kenntnis genommen,
Herr Kindler, dass Sie gesagt haben: Die Mütterrente ist
eigentlich gar nicht schlecht; über die Finanzierung müssen wir uns aber unterhalten. - Herr Kindler, Sie wissen
- Sie sind Haushaltspolitiker -: Circa ein Drittel der
Ausgaben für die gesetzliche Rentenversicherung, circa
80 Milliarden Euro, wird bereits heute vom Steuerzahler
beglichen.
({6})
Auch das gehört zur Wahrheit dazu.
({7})
Ich komme auf die Kritikpunkte, die Sie hinsichtlich
der Kommunen geäußert haben, zurück. Ich glaube, dass
es keine Bundesregierung gab, die so viel für die Kommunen getan hat, wie es diese Bundesregierung tut,
({8})
und das unter Kraftanstrengungen. Wir wären mit der
Haushaltskonsolidierung schon längst weiter, wenn wir
den Ländern und den Kommunen nicht immer wieder
unter die Arme gegriffen hätten. Auch das gehört zur
Wahrheit dazu.
({9})
Meine Damen und Herren, Sie haben die Investitionen angesprochen. Investitionen sind wichtig. Auch wir
würden gerne mehr Geld für Investitionen ausgeben; das
ist überhaupt keine Frage.
({10})
In diesem Zusammenhang möchte ich auf die rot-grüne
Landesregierung in Nordrhein-Westfalen zurückkommen.
({11})
Da gibt es eine Kultusministerin, die Ihrer Partei angehört, und eine Ministerpräsidentin, die durch das Land
zieht und behauptet: Die beste Investition in die Zukunft
ist, Geld in Bildung, in Kitas und in ähnliche Geschichten zu investieren.
({12})
Wenn Sie sich den Koalitionsvertrag und unser finanzpolitisches Programm ansehen, stellen Sie fest: Wir investieren in Kitas, wir investieren in Forschung, wir investieren in Bildung;
({13})
denn auch das sind Investitionen in diesem Lande. Auch
das gehört zur Wahrheit dazu, und auch das sollte man
an dieser Stelle berücksichtigen.
({14})
Es ist ja nicht so, dass wir uns aufgrund der aktuellen
Haushaltssituation entspannt in unserer Komfortzone zurücklehnen und sagen könnten: Die Messe ist gelesen;
alles ist für ewige Zeiten gut. - Nein, ganz im Gegenteil
- auch das hat der Bundesfinanzminister in seiner Rede
zur Einbringung des Haushalts angesprochen -: Wir
müssen natürlich weiterstrampeln, damit wir über Wasser bleiben. Wir müssen eine Menge tun. Wir müssen
vor allen Dingen auf eines achten: dass uns die Einnahmen in diesem Land nicht wegbrechen. Die Einnahmen,
meine Damen und Herren, werden nicht durch den Staat,
sondern durch unsere Wirtschaft generiert. Deswegen ist
die beste Haushaltspolitik, die wir in diesem Lande machen können, dafür zu sorgen, dass es der Wirtschaft gut
geht.
Auch da komme ich noch einmal auf die Kritik der
Grünen zu sprechen. Was tun Sie denn, damit es der
Wirtschaft gut geht? Ich denke, wir sollten Sie an Ihren
Taten messen. Was machen Sie in Nordrhein-Westfalen?
Dort gibt es ein Knebelungsprogramm, das sich „Landesentwicklungsplan“ nennt, Regulierung, neue Vorschriften und Bürokratie. Das ist grüne Wirtschaftspolitik.
({15})
Wir werden einen anderen Weg gehen. Wir werden dafür
sorgen, dass die Wirtschaft auch weiterhin gut und sicher
läuft, sodass Steuereinnahmen fließen.
({16})
Zu einer anderen Sache. Lassen Sie uns über Investitionen und Einnahmen reden. Die Investitionen, die die
meisten Einnahmen mit sich bringen, sind die Investitionen, die eben nicht vom Staat, sondern in der Wirtschaft
getätigt werden. Dafür brauchen wir ein vernünftiges
Steuersystem. Wir werden dafür sorgen, dass unser Steuersystem vernünftig bleibt und das Geld nicht vom Staat
durch Steuererhöhungen abgegriffen wird, sondern es
für Investitionen in der Wirtschaft verwendet werden
kann.
({17})
Jetzt könnten Sie sagen: Moment, Moment, Moment!
Es gibt ja noch so viel zu tun. Lassen Sie uns einmal
über Steuererhöhungen reden. - Auch darüber ist gesprochen worden. Wir können die ganze Geschichte einmal durchspielen. Sie sagen - das war ja der große
Wahlkampfschlager -: Der Staat leistet alles; er sorgt für
alles. Wir finanzieren das durch höhere Steuern, aber
durch höhere Steuern, die immer die anderen zahlen.
({18})
Höhere Spitzensteuern zahlen die Reichen. Ihr Argument, Herr Bartsch - „Nehmen Sie doch denjenigen, die
jetzt so viel vererben, etwas weg!“ -, das sind auch die
anderen. „Nehmen Sie den Vermögenden etwas weg!“,
das sind auch die anderen. „Nehmen Sie den Zockern
und Spekulanten etwas weg!“, das sind auch die anderen.
Wenn man die Steuergeschichte in diesem Land einmal bei Licht betrachtet, erkennt man, dass jede höhere
Steuer, jede neue Steuer am Ende bei der Mittelschicht
gelandet ist. Das gehört zur Wahrheit dazu. Deswegen
sind wir gegen höhere Steuern, gegen neue Steuern und
gegen andere Steuern.
({19})
Hier blinkt der Präsident.
Der Präsident blinkt nie - gelegentlich blinkt da vorne
die entsprechende Lampe. Das ist in diesem Falle aber
fehlerhaft und wird sofort abgestellt.
({0})
Gut. - Deswegen, meine Damen und Herren, glaube
ich, dass Steuererhöhungen kein Thema sein können,
auch aus einem ganz anderen Grund. Wir haben sehr viel
über die demografische Entwicklung gesprochen. Die
demografische Entwicklung wird dazu führen, dass immer weniger immer mehr erwirtschaften müssen. Wenn
wir diesen immer weniger werdenden, die immer mehr
erwirtschaften müssen, noch höhere Steuern auferlegen,
dann wird diese ganze Sache nicht funktionieren. Deswegen konzentrieren wir uns bei der Haushaltskonsolidierung eindeutig stärker auf die Ausgabenseite.
({0})
Wir müssen uns über die Ausgabenseite unterhalten.
Herr Kindler hat es eben als unverdientes Glück hingestellt, dass sich Herr Schäuble über eine so tolle Konjunktur und so hohe Steuereinnahmen freuen kann. Im
Gegensatz zu rot-grün dominierten Bundesländern
({1})
haben wir aber auch der Versuchung widerstanden, die
Mehreinnahmen gleich wieder für Mehrausgaben zu nutzen.
({2})
Auch das ist christdemokratische Politik: die Ausgaben
konstant zu halten versuchen und Mehreinnahmen dafür
nutzen, um den Haushalt zu konsolidieren. Das werden
wir auch weiter machen. Ich kann Ihnen für diese Haushaltsberatungen eines ankündigen:
({3})
Wir werden die Linie der Nettokreditaufnahme so, wie
sie jetzt im Haushalt steht, zusammen mit den Kollegen
von den Sozialdemokraten halten. Wir werden uns nicht
verschlechtern; das ist das Ziel der nächsten sechs Wochen. Wenn wir an der einen oder anderen Stelle noch
eine Schippe drauflegen können, Herr Kollege Kahrs,
dann haben wir auch nichts dagegen.
({4})
Im Übrigen: Wenn wir einmal über Ausgaben sprechen, dann muss ich mich auch ein bisschen wundern,
wie unintelligent die Kritikpunkte der Opposition vorgebracht und vorgetragen worden sind.
({5})
- Ja, das mögen Sie bedauern. Stellen Sie doch einfach
einmal ein paar intelligente Fragen! Wenn ich jetzt sage:
„Wir müssen Ausgaben beschneiden“, dann kommt von
Ihnen reflexartig: Wenn Sie bei den Ausgaben irgendwas
machen, dann geht das zulasten der sozial Schwachen,
der Infrastruktur, der Investitionen oder wer weiß was.
({6})
Wir können uns doch vielleicht einmal darüber unterhalten, ob wir unsere Ausgaben etwas effektiver und effizienter gestalten können.
({7})
Der Bundesfinanzminister hat es gerade gesagt: Wir geben in diesem Land sehr viel für Gesundheit aus.
({8})
Was kommt denn - subjektiv gefühlt - bei den Menschen an?
Wir können uns vielleicht auch einmal darüber unterhalten, dass es sehr viele Menschen in diesem Land gibt
- das will ich auch überhaupt nicht kritisieren -, die mit
sehr viel Mühe versuchen, Langzeitarbeitslose wieder in
das normale Arbeitsleben hineinzubringen.
({9})
Wir werden in dieser Legislaturperiode auch mehr Geld
dafür ausgeben. Aber werden wir es tatsächlich schaffen,
mehr Langzeitarbeitslose aus ihrer Situation zu befreien?
Oder sprechen wir von effektiven und effizienten
Ausgaben im Bereich der Infrastruktur.
({10})
Wenn es heute so ist, dass, wenn wir eine neue Autobahn
bauen, bis zu 50 Prozent der Ausgaben in Planung, in
Bürgerbeteiligung und in Umweltschutz- und Ausgleichsmaßnahmen fließen, müssen wir uns fragen: Machen wir das alles richtig, oder läuft die Sache an der einen oder anderen Stelle falsch?
({11})
Wir sollten uns hinsichtlich der Ausgaben vielleicht
auch einmal fragen: Sind wir eigentlich als Staat - als
Bund, als Land und als Kommune - in der Lage, Ausgaben zu priorisieren? Sind wir eigentlich in der Lage, zu
unterscheiden, was uns wichtiger ist? Wir gehen hin und
sagen: Wir müssen etwas für die sozial Schwachen tun,
wir müssen etwas für die Inklusion tun,
({12})
wir müssen etwas für die Pflege tun, wir müssen etwas
für die Bildung tun, wir müssen etwas für Investitionen
tun. Ich will diese Bereiche weiß Gott nicht gegeneinander ausspielen; aber sagen wir auch einmal, was uns am
wichtigsten ist, was wir zuerst angehen wollen? Da ist
noch eine Menge Luft drin.
Meine Damen und Herren, ich denke, man kann über
den Haushalt auch ein bisschen intelligenter kritisch diskutieren, als das heute hier von der Opposition getan
worden ist. Ich glaube aber, wir müssen die richtigen
Fragen stellen, und wir müssen auch den Mut haben, unbequeme Wahrheiten zu verkünden.
({13})
Wir müssen den Menschen in diesem Land auch einmal
sagen, dass der Staat nicht für alles sorgen kann. Wir
müssen den Menschen in diesem Land sagen, dass wir
priorisieren müssen und eine Aufgabe vielleicht wichtiger ist als eine andere. Und wir müssen den Menschen in
diesem Land vielleicht auch noch einmal eines sagen
- das gilt insbesondere angesichts der aktuellen Diskussion -:
({14})
dass wir hier als Politiker im Bund, im Land und in den
Kommunen nicht nur eine Verantwortung haben für die
Menschen, die heute leben, sondern auch für die nachfolgenden Generationen. Ich denke, da ist in diesem
Haushalt eine Menge angelegt. Das Beste, was wir für
nachfolgende Generationen tun können, ist, dass wir
eine vernünftige Ausgabenpolitik machen, dass wir
keine Steuern erhöhen und dass wir konsolidierte Haushalte hervorbringen.
Ich möchte mit einer Bemerkung schließen: Konsolidierte Haushalte, keine Steuererhöhungen, keine neuen
Steuern - das ist im besten Sinne sowohl konservative
als auch wirtschaftsliberale Politik, und das wird unsere
Leitlinie sein. Wir freuen uns auf die Beratungen.
Danke schön.
({15})
Johannes Kahrs erhält nun das Wort für die SPDFraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich wollte den Kollegen Brinkhaus gerade
noch für diese koalitionsfreundliche Rede loben, aber
am Ende musste ich merken, dass er nur von seinen
schwarzen Brüdern und Schwestern gesprochen hat.
Diese Ausfälle gegen die rot-grüne Regierung in Nordrhein-Westfalen kann man ja damit erklären, dass Sie da
herkommen, aber ich finde, da wir hier einen Haushalt
der Großen Koalition vortragen, auf den wir alle stolz
sind, sollte man das hier auch gemeinschaftlich loben.
Das wäre eine gute Sache. Ich muss Herrn Kauder ja die
Möglichkeit geben, dass er freudig klatschen kann; das
wollen wir ja tun.
({0})
- „Jetzt“ habe nicht ich gesagt, sondern Sie.
Der hier vorliegende Haushalt der Großen Koalition
ist ein guter Haushalt; denn, Herr Brinkhaus, er trägt
eine sozialdemokratische Handschrift.
({1})
- Ich muss das auch dürfen. - Wir sind auf einem guten
Weg, die gefährliche Schuldenspirale endlich zu durchbrechen. Die Nettokreditaufnahme beträgt nur noch
6,5 Milliarden Euro, und wir kommen zu der schwarzen
Null.
Man muss das einmal anmerken: Wir Roten kämpfen
für eine schwarze Null.
({2})
Ich könnte jetzt viele Scherze über schwarze Nullen machen, aber das möchte ich nicht tun.
({3})
Wir Sozialdemokraten kämpfen für eine schwarze Null,
und da wir seit 1998 mit Ausnahme von vier Jahren in
diesem Land regiert haben, ist der jetzige Haushalt auch
das Ergebnis guter sozialdemokratischer Regierungspolitik.
({4})
2009 hatten wir noch eine Neuverschuldung von
44 Milliarden Euro, 2011 waren es 17,3 Milliarden Euro,
2012 22,5 Milliarden Euro, 2013 22,1 Milliarden Euro,
und jetzt sind es 6,5 Milliarden Euro. Ich glaube, man
merkt den sozialdemokratischen Anteil.
({5})
Die von der SPD durchgesetzten Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur stärken unser Land
nachhaltig.
({6})
Für uns ist die schwarze Null - das muss man betonen -,
für die wir Rote kämpfen, nicht nur eine Verpflichtung,
sondern sie war auch eine zentrale Forderung der SPD
im Bundestagswahlkampf, weil es beim Beenden der
Schuldenspirale um Gerechtigkeit geht. Wir sparen nämlich nicht um des Sparens willen, sondern wir sparen,
weil wir mit den Schulden und den Schuldenzinsen unsere Kinder und Enkel in eine gefährliche Lage bringen.
Wir nehmen ihnen nämlich dauerhaft Spielräume. Das
ist der Punkt: Wir sparen dafür, dass es zukünftigen Generationen besser geht. Das eint uns, Herr Kauder. Deswegen glaube ich, dass dieser Haushalt in diesem Sinne
ein guter Haushalt ist, und das werden wir entsprechend
weiterführen.
Ich nenne Ihnen ein Beispiel: 2014 zahlen wir 30 Milliarden Euro an Zinsen für Schulden der Vergangenheit.
Das ist dreimal so viel Geld, wie dem Bildungsministerium zur Verfügung steht. Ich glaube, das kann man den
Linken und den Grünen gar nicht häufig genug sagen:
Hier sparen wir für Kinder und Enkel. Das ist wichtig.
Ich möchte das Geld lieber in Bildung investieren, als es
den Banken zu geben, die 90 Prozent unserer Zinszahlungen bekommen.
({7})
Diese Leistung haben wir mit diesem Haushalt hinbekommen, und das ist gut so.
Allerdings muss man auch sagen, dass es auf dem
Weg, diese schwarze Null auch nach 2015 zu erreichen,
auch Risiken gibt. Deswegen ist nicht gesichert, dass wir
sie halten können. Wir schreiben sie aber in der mittelfristigen Finanzplanung fort und werden damit die
Schuldenbremse einhalten. Das wird dauerhaft der Maßstab sein, an dem der jetzige und die zukünftigen Finanzminister gemessen werden. Keiner wird ohne Verlust
seiner Reputation um diese Null herumkommen.
({8})
- Genau.
Aufgrund dieser Risiken brauchen wir eine vernünftige Politik. Das ist für die SPD ein zentrales Versprechen dieser Koalition und war ein Grund, diese Koalition einzugehen. Deswegen müssen wir alle dafür
sorgen, dass die kommenden Risiken nicht dazu führen,
von diesem Kurs abzuweichen; das wollen wir nicht.
Wir haben in der Euro-Krise gemerkt, wie schwierig das
werden kann. Wenn das Wirtschaftswachstum nur um einen halben Prozentpunkt sinkt, fehlen uns allein beim
Bund 3 Milliarden Euro.
({9})
Ein geringeres Wachstum würde uns schwächen.
100 000 Arbeitslose, die aufgrund dieser Entwicklung
hinzukämen, kosteten uns 1,7 Milliarden Euro. Sollten
die Zinsen um 1 Prozentpunkt steigen, würde uns das
zwischen 4,5 und 5 Milliarden Euro kosten.
Um diese Risiken wissen wir, deswegen wird uns die
schwarze Null die nächsten Jahre bei allen Haushaltsberatungen leiten. Deswegen darf man nicht tricksen. Deswegen darf es keine kreative Haushaltsführung geben.
({10})
Deswegen sind wir gegen Schattenhaushalte. Wir sind
dafür, dass man ehrlich klare Ansagen macht.
Dies hier ist ein ehrlicher Haushalt. Ich bin ein großer
Anhänger der Kameralistik,
({11})
weil man da sehr klar erkennen kann, wo die Risiken
und wo die Probleme liegen. Ein solcher Haushalt ist offen und transparent. Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit sind für uns Sozialdemokraten keine Hohlformel, sondern sie sind die Grundlage für unsere Arbeit.
Uns Sozialdemokraten wäre es zum Beispiel lieber
gewesen, die Mütterrente über Steuern zu finanzieren.
({12})
- Ja, das ist so. Da haben wir uns in den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen können.
({13})
In einer Koalition muss man immer Kompromisse machen. Das ist wie in jeder Ehe, wie in jeder Beziehung.
({14})
Das ist nötig, weil man ansonsten irgendwann alleine ist.
Alleine etwa sind zurzeit die Grünen. Sie hätten sich ja
an einer schwarz-grünen Regierung beteiligen können.
Jetzt meckern Sie über das, was wir hier tun. Sie hätten
gestalten können, aber Sie haben sich verweigert. Deswegen wäre ich an Ihrer Stelle relativ leise.
({15})
Bei diesem Haushalt merkt man, dass nicht nur gespart, sondern auch gestaltet wird. Wir als SPD haben
für uns wichtige Maßnahmen durchgesetzt, die prioritär
auch schon im Haushalt 2014 umgesetzt werden. Die
Aufstockung der Städtebauförderung auf 700 Millionen
Euro pro Jahr ist für uns ganz besonders wichtig.
({16})
Für das Programm „Soziale Stadt“ bedeutet das zum
Beispiel, dass die Mittel für die kommenden Jahre von
50 auf 150 Millionen Euro verdreifacht werden. Das ist
für strukturschwache Kommunen ein riesiger Erfolg. Ich
glaube, dass man das nicht nur feiern, sondern auch verstetigen und ausbauen muss.
({17})
Für die Stärkung der Mittel für Bildung, Schulen und
Hochschulen in Höhe von 6 Milliarden Euro und für
Forschung in Höhe von 3 Milliarden Euro stehen weitere
Gelder zur Verfügung.
({18})
Gleichzeitig wollen wir zusätzlich für Verkehrsinfrastruktur 5 Milliarden Euro ausgeben, allein 2014 schon
505 Millionen Euro.
({19})
Wenn es uns gelingt, bei den Mitteln für Infrastruktur
noch etwas draufzulegen - das wurde schon von der
CDU betont -, dann wollen wir das, Norbert Barthle, gemeinsam gerne tun.
({20})
Gleichzeitig gibt es natürlich auch Verhandlungen mit
den Kommunen und den Ländern. Es wird die Frage zu
diskutieren sein, wie dann die 6 Milliarden Euro, die
3 Milliarden Euro und die 1 Milliarde Euro ab 2015 verteilt werden und was man 2017 noch machen kann. Es
wäre schlau, dass man die Fragen, wie die Gelder zielgerichtet auf die Kommunen und die Länder verteilt werden und wie man das Geld vernünftig ausgibt, demnächst zusammen klärt, damit alle Planungssicherheit
haben und damit wir alle wissen, woran wir sind.
Das zentrale Anliegen der SPD, die Entlastung der
Kommunen, ist dabei ein Element. Wir als Sozialdemokraten haben uns im Wahlkampf dafür eingesetzt. Wir
haben dieses Thema überhaupt erst zu einem Thema auf
Bundesebene gemacht. Das ist einer der Punkte, die in
diesem Koalitionsvertrag dominieren. Dafür stehen wir
als Sozialdemokraten. Dafür werden wir uns gemeinsam
mit der CDU einsetzen. Ich glaube, dass es in den nächsten Wochen Gespräche darüber geben wird, wie diese
Gelder 2015, 2016 und 2017 auf Länder und Kommunen
verteilt werden. Ich bin zuversichtlich, dass wir da zu
vernünftigen Ergebnissen kommen.
({21})
Übrigens eine kleine Anmerkung: Dass der Bund
vollständig die Kosten für die Eingliederungshilfe im
Alter übernommen hat, hat Rot-Grün damals als Ergebnis im Vermittlungsausschuss durchgesetzt. Auch das
muss man ab und zu einmal sagen.
({22})
Ich finde es richtig, dass die CDU/CSU das aufgenommen hat und sich jetzt dafür lobt. Das heißt, dass auch
unser Koalitionspartner lernfähig ist und dass wir das gemeinsam hinbekommen. Das ist eine gute Grundlage für
die Zusammenarbeit.
({23})
- Jetzt habe ich Sie einmal gelobt, und dann reicht es Ihnen auch wieder nicht.
({24})
- Man weiß wirklich nicht, was man machen soll. Trotzdem glaube ich, dass wir es gemeinsam hinbekommen
sollten.
({25})
Der vorliegende Haushalt ist ein gutes Zeugnis kluger
Politik
({26})
mit einer klaren sozialdemokratischen und einer klaren
christdemokratischen Handschrift. Ich glaube, gemeinsam werden wir es in den nächsten vier Jahren hinbekommen. Ich bin mir sicher, dass die Haushälter in den
Haushaltsberatungen das ihrige tun werden, um diesen
Haushalt noch zu verbessern. Das ist schließlich unser
Job. Wir werden mit Freude sehen, was Linke und Grüne
an Anträgen einzubringen haben, insbesondere was die
Frage angeht, wie sie das Ganze gegenfinanzieren wollen.
({27})
Vielleicht geht es auch ohne Luftbuchungen.
Ich glaube, dass wir das gemeinschaftlich vernünftig
hinbekommen - im Interesse der Menschen in diesem
Land wie auch im Interesse der Kommunen und der Länder.
Vielen Dank.
({28})
Das Wort hat der Kollege Dr. Tobias Lindner für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Lieber Herr Schäuble, Sie haben vorhin vom
Hausaufgabenmachen gesprochen. Ihre Schulzeit liegt
zwar länger zurück als meine, aber ich gehe davon aus:
Auch Sie erinnern sich noch daran, wie das mit den
Hausaufgaben war. Wenn man sie nicht gerne gemacht
hat, dann hat man zwar irgendwas abgegeben, sich aber
an einigen Stellen um die wahre Aufgabe herumgemogelt.
({0})
So kommt mir auch der Regierungsentwurf zum Haushalt 2014 vor, meine Damen und Herren.
({1})
Sie mogeln sich bei diesem Regierungsentwurf an
drei Stellen an der wahren Aufgabe vorbei. Erstens
schaffen Sie in Ihrer mittelfristigen Finanzplanung nicht
nur Konjunkturschwankungen und Konjunkturzyklen
ab, nein, Sie verlängern auch Niedrigzinsphasen ins Unendliche. Sie bauen eine mittelfristige Finanzplanung
auf Sand. Das ist alles andere als ein strukturiertes Vorgehen, um wirklich eine schwarze Null zu erreichen, die
dauerhaft erhalten werden kann.
({2})
Zweitens. Sie reden über das Kürzen von Zuschüssen
für die Sozialversicherungen. Sie konsolidieren über den
Griff in die Sozialkassen, statt ernsthaft und engagiert
beispielsweise über eine Bundessteuerverwaltung zu reden oder darüber, wie man im Wirtschaftsetat Subventionen kürzen kann oder wie wir im Haushalt dort an die
Ausgaben herangehen können, wo es wehtut oder wo
wir effizienter werden können. An dieser Stelle verweigern Sie die Arbeit.
({3})
Ein dritter und letzter Punkt: Sie mogeln sich an Ihrem eigenen Koalitionsvertrag vorbei. Es ist bemerkenswert, dass der Kollege Kahrs uns seinen Koalitionspartner fast wie saures Bier anzudienen versucht. Groß
scheint die Freude daher nicht zu sein.
({4})
Aber ich will nur beispielhaft auf die viel zitierte Entlastung der Kommunen zurückkommen, zu der Kollege
Barthle gesagt hat, der Koalitionsvertrag werde auf
Punkt und Komma eingehalten.
({5})
Lieber Norbert Barthle, in Ihrem Koalitionsvertrag steht
auf Seite 63 wörtlich:
Bereits vor der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes beginnen wir mit einer jährlichen Entlastung der Kommunen in Höhe von einer Milliarde
Euro.
({6})
- Ich habe wörtlich zitiert. Eine Zahl steht auf Seite 63
Ihres Koalitionsvertrages nicht, Herr Barthle. Darin
heißt es „vor der Verabschiedung“ dieses Gesetzes. Das
sind die Jahre 2014 und 2015; es sind aber auch die
Jahre 2016 und 2017. Ich frage Sie ernsthaft: Wann ist
denn „vor“ bei Ihnen, wenn in diesem Regierungsentwurf nicht die 1 Milliarde Euro aufgeführt ist?
({7})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir Grünen
werden in diesen Haushaltsberatungen eines unter Beweis stellen: Wir werden unter Beweis stellen, dass man
nicht mehr Schulden machen muss, wie Sie es tun, sondern dass man mit dem Geld auskommen kann und dass
es möglich ist, einen Haushaltsentwurf aufzustellen, der
Investitionen in den wichtigen Zukunftsbereichen setzt,
ökologisch schädliche Subventionen abbaut und in Bildung, Teilhabe und Innovationen investiert. Dazu werden wir in den nächsten Wochen Vorschläge machen.
Hieran werden wir Sie messen. Wir freuen uns, wenn Sie
unsere Anträge unterstützen werden. Wir werden sehen.
Herzlichen Dank.
({8})
Die Kollegin Antje Tillmann hat für die CDU/CSUFraktion das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Damen und Herren! Der heute vorgelegte
Bundeshaushaltsentwurf 2014 ist strukturell ausgeglichen, und die Eckwerte des Bundeshaushalts 2015 weisen keine neuen Schulden auf. Das kann man gar nicht
oft genug sagen, weil das eine gute Stunde ist. Herr
Kahrs, ich gebe Ihnen völlig recht: Wir sind auf einem
guten Weg mit diesem Bundeshaushalt. Deshalb will ich
ein großes Dankeschön an unseren Bundesfinanzminister Dr. Schäuble meiner Rede voranstellen, der sich
schon seit einigen Jahren - auch in der letzten Legislaturperiode - auf den Weg gemacht hat, um heute dieses
Ergebnis vorlegen zu können.
({0})
Natürlich gilt mein Dank auch meinen Kolleginnen
und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion um Norbert
Barthle, die seit Jahren diese Bemühungen mittragen
und den Finanzminister auf seinem Weg unterstützen.
Lieber Kollege Kahrs, natürlich danke ich auch euch, die
ihr euch neu auf den Weg gemacht habt,
({1})
zusammen mit uns die Haushaltskonsolidierung voranzubringen. Ich freue mich, dass ihr dabei seid. Nach der
Schuldenbremse 2009 gab es einen kleinen Knick. Aber
jetzt seid ihr mit dabei. Ich glaube, das ist ein guter Weg
für diese Koalition.
Der Bund hält die Regeln der Schuldenbremse schon
seit 2012 ein, und das vier Jahre früher, als er eigentlich
müsste. Unser Finanzminister hat uns und sich selbst zusätzlich das Ziel gesteckt, die Schuldenstandsquote innerhalb von zehn Jahren auf weniger als 60 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts zu senken. Das ist die Grenze, die
wir nach dem Maastricht-Vertrag eigentlich nie hätten
überschreiten dürfen. Das hätten wir leichter haben können, wenn wir den Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht
gebrochen hätten und wenn die Haushaltskonsolidierung
noch früher begonnen hätte.
All denjenigen, die heute den Haushalt miesmachen
wollen, kann ich nur sagen: Ja, natürlich gibt es Risiken
im Haushalt. Ja, natürlich gibt es Schwierigkeiten, auch
in der mittelfristigen Finanzplanung. Aber all diese Risiken hatten Ihre Finanzminister auch. Sie haben die Rentenkassen geplündert. Sie haben das Gesundheitswesen
alleinegelassen. Sie haben bei den Hartz-IV-Regelleistungen die Kinder vergessen; Geld für Schulranzen gab
es nicht. Sie haben die Kommunen mit den Kosten der
Grundsicherung alleinegelassen. All diese Risiken sowie
zusätzlich ein hohes Haushaltsdefizit hatten Ihre Finanzminister vorzuweisen.
({2})
Deshalb glaube ich, dass Sie bei aller Miesmacherei
ab und zu positiv bewerten könnten, dass wir von der
Großen Koalition mit unserem Finanzminister alles richtig machen und dass die Haushaltspolitik endlich wieder
auf einem guten Weg ist.
({3})
Es hat keiner behauptet, dass wir fertig sind. Norbert
Barthle weiß, dass er in den nächsten Jahren mit Haushaltskonsolidierung befasst sein wird. Johannes Kahrs
weiß das ebenfalls; er hat in seiner Rede darauf hingewiesen. Natürlich werden wir weitermachen müssen.
Jeden Euro, den wir nicht für Schuldzinsen ausgeben
müssen, können wir für unsere Kinder sowie für Investitionen in Bildung und Infrastruktur ausgeben. Ja, der
Weg wird noch hart und steinig sein, wie es in einem
Lied so schön heißt. Wir werden ihn zusammen gehen.
Aber mit diesem Haushalt und dem Abschluss der Haushaltsberatungen sind wir ein wesentliches Stück vorangekommen.
({4})
Neben der Konsolidierung investieren wir aber auch.
Die Behauptung der Opposition, dass wir weder in Infrastruktur noch in Bildung investieren, stimmt nicht.
({5})
- „Zu wenig“ ist immer richtig. - So geben wir im Bildungsbereich knapp 14 Milliarden Euro aus. Eine solche
Summe wurde hierfür nie zuvor ausgegeben. Allein für
die Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschafts- und Innovationssystems geben wir rund 6 Milliarden Euro aus.
Einen Schwerpunkt bildet dabei der Hochschulpakt
2020, für den 2014 über 2 Milliarden Euro angesetzt
sind. Mit 27 Milliarden Euro steigern wir die Ausgaben
für Investitionen bis zum Jahr 2017 um über 10 Prozent.
Ich gebe zu: Das könnte noch besser werden; daran arbeiten wir. Aber auch hier brauchen wir Haushaltskonsolidierung.
Unser erstes Wahlversprechen ist mit dem Haushalt
erfüllt. Wir haben gesagt: Wir brauchen einen generationengerechten Haushalt. Da sind wir ein Stück weiter.
Unsere Bemühungen um einen generationengerechten
Haushalt wurden aber auch begleitet von der Bankenund Finanzmarktkrise in den letzten Jahren, die tiefgreifende Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft zur
Folge hatte. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten nun
von uns zu Recht, dass wir Maßnahmen ergreifen, die
künftig verhindern, dass Banken mithilfe von Steuergeldern gerettet werden müssen. Wir wollen keine Haushaltsberatungen mehr führen, in denen Bankenrisiken
berücksichtigt werden müssen. Wir wollen, dass ein System geschaffen wird, wonach diese Gelder nicht mehr
aus dem Bundeshaushalt, also nicht mehr aus Steuergeldern, finanziert werden müssen. Auch da sind wir im
letzten Jahr ein gutes Stück weitergekommen.
Die europäischen Krisen rücken mehr und mehr in
den Hintergrund. Irland und Spanien haben den Rettungsschirm bereits verlassen, Portugal ist auf einem guten Weg, und auch in Griechenland mehren sich positive
Zeichen. Eine Folge dieser guten Entwicklung ist die
Zinsentwicklung. Der Finanzminister hat im Gegensatz
zu dem, was eben Oppositionssprecher gesagt haben, natürlich in der mittelfristigen Finanzplanung höhere Zinsen für die Bundesschulden eingeplant.
({6})
Das ist eine weniger gute Nachricht für den Haushalt,
aber eine umso bessere Nachricht für Sparerinnen und
Sparer. Die leiden nämlich massiv unter den niedrigen
Zinsen. Das, was uns beim Haushalt freut, ist für Sparerinnen und Sparer ein echtes Problem. Auch da ist Licht
am Ende des Tunnels sichtbar.
({7})
Damit die Haushalte künftig nicht mehr durch Bankenprobleme belastet werden, haben wir uns auf den
Weg zu einer gemeinsamen Bankenunion gemacht. Ich
bin meinem Kollegen Lothar Binding sehr dankbar, dass
wir gerade in den schwierigen letzten Monaten gemeinsam dafür gekämpft und den Finanzminister unterstützt
haben, Regulierungsmaßnahmen für Banken - Verschärfung der Eigenkapitalanforderungen und Liquiditätsvorschriften, höhere Qualität bei Vorständen und Aufsichtsräten - durchzusetzen. Daneben haben wir es jetzt auch
geschafft, zumindest auf europäischer Ebene eine Einigung über einen Abwicklungsmechanismus zu erzielen.
({8})
Das deutsche Gesetz steht noch aus, aber wir haben es
geschafft, erstmalig in der Geschichte der europäischen
Banken eine Haftungskaskade aufzubauen, bei der der
europäische Steuerzahler der Letzte ist, der bezahlen
muss. Es haften nämlich erst die Eigentümer, dann die
Gläubiger, dann ein 55 Milliarden Euro starker Abwicklungsfonds, und ganz zum Schluss erst kann der Sitzstaat
aus dem ESM, der aus Steuergeldern finanziert wird,
Hilfe beantragen. Wir haben die Hoffnung, dass die
nächsten Generationen bei den künftigen Haushaltsberatungen über Bankenabwicklung nicht mehr sprechen
müssen. Wir hoffen, dass dieses System funktioniert,
und auch da sind wir auf einem guten Weg.
({9})
Dazu passt, dass wir versuchen, auch Bürgerinnen
und Bürger vor Schäden zu bewahren, die sie durch spekulative Finanzinstrumente erleiden können. Der Fall
Prokon ist durch alle Medien gegangen und hat uns auch
hier häufig beschäftigt. Im Bundeshaushalt haben wir
15 Millionen Euro für den Verbraucherschutz eingestellt.
Die Stiftung Warentest alleine bekommt hiervon
1,5 Millionen Euro zweckgebunden für zusätzliche Aufgaben im Bereich der Finanzprodukte. Das Thema wird
uns weiter begleiten. Wir haben hier Gelder eingestellt,
die der Öffentlichkeit direkt zugutekommen, weil damit
die Regulierungen, die wir als Gesetzgeber getroffen haben, auch tatsächlich bei den Bürgerinnen und Bürgern
ankommen. Also: Regelungen auf dem Finanzmarkt unterstützen die Konsolidierung im Haushalt. Künftige Risiken haben wir erheblich eingeschränkt.
Das zweite Wahlversprechen, das wir im Wahlkampf
abgegeben haben, war: keine Steuererhöhungen. Als einzige Partei haben wir im Wahlkampf deutlich gesagt,
dass wir in dieser Legislaturperiode keine Steuererhöhungen wollen. Das haben wir bestimmt nicht deshalb
gemacht, weil wir nicht gewusst hätten, wohin mit dem
zusätzlichen Geld. Jeder von uns hätte gewusst, was wir
mit zusätzlichen Steuereinnahmen hätten machen können. Aber wir sind eben anders als andere nicht der Meinung, dass Geld nur in den Händen des Staates gut aufgehoben ist. Wir glauben, dass Bürgerinnen und Bürger,
wenn sie mehr Geld in der Tasche haben, damit sinnvolle Dinge tun, nämlich investieren, konsumieren und
Wachstum fördern. Das gilt übrigens auch dann, wenn
sie Handwerker mit dem Geld, das wir ihnen belassen,
bezahlen. Noch besser ist es, wenn sie das legal tun. Das
werden wir unterstützen. Also auch das zweite Wahlversprechen ist erfüllt: keine zusätzlichen Steuererhöhungen und trotzdem konsolidierter Haushalt.
Wenn wir aber keine Steuern erhöhen, gibt es nur drei
Möglichkeiten, zu zusätzlichen Steuereinnahmen zu
kommen, die wir alle gut gebrauchen können. Die erste
Möglichkeit ist höheres Wachstum. Auf dem Weg sind
wir. Das ist unsere Lieblingsvariante. Die zweite Möglichkeit ist, Steuervermeidungsstrategien einzudämmen.
Auch da sind wir gemeinsam auf einem guten Weg.
Beide AGs Finanzen sind da sehr gut aufgestellt. Die
dritte Möglichkeit ist, Steuerhinterziehung einzudämmen. Mit diesem Konglomerat, nämlich Wachstum zu
generieren und die Steuern einzunehmen, die dem Staat
tatsächlich zustehen, werden wir hoffentlich auch bei der
mittelfristigen Finanzplanung die Finanzierung der Aufgaben, die wir in Deutschland für wichtig und erforderlich halten, bewerkstelligen.
({10})
Bei all dem haben wir aber weder Familien noch
Kommunen vergessen. Wir haben Familien über das
Weiterlaufen des Bildungs- und Teilhabepakets in den
Vordergrund gestellt. Dieses Paket wird Gott sei Dank
immer besser abgerufen. Uns freut jeder Euro, der im
Haushalt dafür zusätzlich zur Verfügung gestellt wird.
Wir haben die Kinderbetreuung in den Fokus gerückt:
5,4 Milliarden Euro haben wir dafür schon ausgegeben.
Weitere 6 Milliarden Euro werden es in dieser Legislaturperiode für Kitas, Hochschulen und Schulen sein. Wir
werden mit dem ElterngeldPlus zulegen. Wir haben das
Betreuungsgeld weiterlaufen lassen.
Wir haben ein Problem noch nicht gelöst - das sage
ich ganz offen -: Wir wissen noch nicht genau, wie wir
mit dem Existenzminimumbericht hinsichtlich des Freibetrags für Kinder umgehen. Wir werden noch in diesem
Jahr beraten, wie wir mit den zur Verfügung stehenden
Mitteln möglichst zielgenau Familien Mittel zur Verfügung stellen können. Dieser Punkt steht noch auf unserer
Tagesordnung.
Außerdem haben wir ein letztes Problem gemeinsam
zu lösen - da bin ich ganz zuversichtlich -: Das Thema
kalte Progression wird im September wieder auf der Tagesordnung stehen, wenn wir über den Bericht über die
Auswirkungen der kalten Progression sprechen. Auch da
danke ich Herrn Finanzminister Schäuble dafür, dass er
sich dazu sehr deutlich positioniert hat. Ich bin optimistisch - wir haben viele andere Probleme gemeinsam gelöst -, dass wir auch das schaffen, damit diese Haushaltskonsolidierung und das Versprechen, keine Steuern
zu erhöhen, zusammenpassen. Ich freue mich auf die
Haushaltsberatungen und gebe an die Haushälter den Rat
weiter - obwohl sie ihn gar nicht brauchen -, aus den
Haushaltsberatungen noch besser herauszugehen, als sie
hineingegangen sind. Das haben sie in der Vergangenheit ebenfalls gemacht.
({11})
Herzlichen Dank für die guten Beratungen.
({12})
Der Kollege Lothar Binding hat für die SPD-Fraktion
das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte mich zunächst bei Antje Tillmann für das dicke Lob bedanken.
Natürlich habe ich die Bankenunion nicht ganz allein zu
verantworten.
Hinsichtlich der guten Zusammenarbeit muss man
Folgendes sagen. Wenn man sich anschaut, wie weit die
Ausgangspositionen auseinanderlagen, dann erkennt
man, dass man wirklich von einer guten Zusammenarbeit sprechen kann. Das Ganze ist eine ziemlich gute und
erfolgreiche Anstrengung gewesen.
({0})
Dietmar Bartsch hat gesagt: Den Preis für die
schwarze Null zahlt die kommende Generation. - Das
sehe ich als falsch an. Was Herr Bartsch sagt, könnte
man vermuten, wenn wir sonst nichts täten. Ich will einmal sagen, wer den Preis für die schwarze Null, für einen
ausgeglichenen Haushalt wirklich zahlt: Steuerhinterzieher, Steuertrickser und Steuergestalter. Denen Einhalt zu
gebieten, darum wollen wir uns in dieser Legislaturperiode nämlich im Schwerpunkt kümmern. Es ist ein hehres Ziel, dafür zu sorgen, dass diejenigen, die ihre Steuern jetzt hinterziehen, künftig zur Kasse gebeten werden.
({1})
Wir machen hier ein faires Angebot.
Sven Kindler hat eine ganz ähnliche Idee gehabt. Er
sagte: Der ausgeglichene Haushalt ist nicht nachhaltig,
er ist ein Strohfeuer. - Auch hierzu meine Antwort: Wir
wollen, dass die Einnahmen künftig strukturell verbessert werden. Über Steuererhöhungen reden wir jetzt
nicht; das ist dem Koalitionsvertrag geschuldet. Wir
wollen uns insbesondere darum kümmern, dass die Unternehmen künftig fair ihre Steuern zahlen. Auch internationale Konzerne müssen sich mit ihrer Wertschöpfung in Deutschland steuerlich engagieren. Das ist fair.
So können wir diesen Haushalt finanzieren.
({2})
Es verwundert ein kleines bisschen: Wir haben in den
letzten vier Jahren unter Schwarz-Gelb immer wieder
„niedriges Zinsumfeld, höchste Steuereinnahmen der
Geschichte, geringe Arbeitslosigkeit“ gehört. Aber es ist
schon interessant, dass wir damals weder einen ausgeglichenen Haushalt noch genug Investitionen hatten. Das
gibt doch zu denken. Diese Diagnose deutet darauf hin,
dass es schwarz-gelbe Strukturprobleme nicht nur innerhalb der Koalition, sondern auch in Bezug auf ihre Politik gegeben hat.
({3})
Ein Schritt zurück. 2008 hatten wir eine Krise. Wie
hat der damalige Finanzminister Peer Steinbrück eigentlich darauf reagiert? Er hat ein kommunales Konjunkturprogramm aufgelegt, und das in der allerschwierigsten
Zeit. Er hat sogar neue Schulden gemacht. Er hat ein
Kurzarbeiterprogramm aufgelegt. Auch das war eine
Riesenbelastung für den Haushalt. Was ist passiert? Es
hat exzellent gewirkt.
({4})
Wir haben über die Investitionen in die kommunalen
Haushalte die Nachfrage gestärkt. Wir haben Arbeit geschaffen. Wir haben die Arbeitslosigkeit gesenkt, und
wir haben das Ganze mit einer Schuldenbremse garniert.
Was hat die schwarz-gelbe Koalition danach gemacht? Es ist nicht so, dass sie, Schwarz-Gelb, nichts
gemacht hätte. Sie hat zum Beispiel den Umsatzsteuersatz in der Hotellerie gesenkt; das war etwas Neues. Sie
ist eine schöne Ausnahmeregelung - ärgerlich, aber wir
haben sie nun einmal. Sie wollte ein neues Steuersystem
schaffen: einfach, niedrig und gerecht. Viele suchen
noch heute danach. Außerdem wollte sie das Steuerabkommen mit der Schweiz. Gott sei Dank konnten wir es
verhindern. Wenn man ganz ehrlich ist, muss man sagen:
Dieses Abkommen war ein Programm, um Steuerhinterzieher zu schützen. Die Probleme mit der Steuerhinterziehung wollen wir jetzt gemeinsam überwinden.
({5})
Heute können wir an Peer Steinbrück wieder anknüpfen. Obwohl wir weder einen ausgeglichenen Haushalt
noch genügend Investitionen vorgefunden haben, planen
wir - im ersten Schritt - sowohl einen ausgeglichenen
Haushalt als auch - im zweiten Schritt - Investitionen
für Schulen, Straßen, Schleusen, Schienen, Bildung und
Forschung. Das ist eine sehr kluge Sache, wenn die Basis ein ausgeglichener Haushalt ist und das gleichzeitig
mit der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Trickserei flankiert wird. Das gibt ein Gesamtbild.
Wir haben ein Programm für vier Jahre; das stimmt.
Wir machen nicht alles hektisch im ersten Jahr, sondern
Lothar Binding ({6})
wir gehen schrittweise vor. Das ist, glaube ich, ganz klug
organisiert.
({7})
Ein ausgeglichener Haushalt ist im Grunde nicht
schon dann gegeben, wenn konjunkturell bedingt die
Einnahmen die Ausgaben decken. Die Frage ist vielmehr: Wie bekommen wir strukturelle Zukunftsfähigkeit
hin? Herr Schäuble hat einen wichtigen Aspekt genannt:
nachhaltiger Haushalt nur bei solidem Wachstum, solides Wachstum nur bei nachhaltigem Haushalt. - Wir sagen: Das stimmt. Das setzt aber voraus - diese Voraussetzung wollen wir zusammen schaffen -, dass der Staat
seine Steuergesetze effektiv durchsetzt. Das ist national
noch nicht ganz gelungen - große Lücken; es ist international noch nicht ganz gelungen - sehr große Lücken.
Erst dann, wenn diese Voraussetzung geschaffen ist, sind
Investitionen im notwendigen Maß möglich - mit all den
positiven Folgewirkungen, die Investitionen haben.
Bei dem Vorhaben, das Problem der Steuerhinterziehung anzupacken, haben wir einen wichtigen Bündnispartner, nämlich die OECD. Die OECD hat entdeckt,
dass es nicht reicht, bezogen auf ein einzelnes Land eine
Steuer zu erheben, sondern dass es wichtig ist, international darauf zu achten, dass die Konzerne ihre Gewinne
nicht dorthin verlagern, wo man keine Steuern zahlt mit der Folge: Die privaten Konzerne, ganz wenige Aktionäre werden hyperreich, und alle Staaten werden nach
und nach immer ärmer.
Bei dem Ziel, dieses Strukturdefizit zu bekämpfen,
unterstützt uns die OECD jetzt mit einem 15-Punkte-Aktionsplan; ich muss sagen: mit einem Plan mit 15 Überschriften und vielen Hundert Einzelmaßnahmen, die es
abzuarbeiten gilt, um Steuergestaltung und -hinterziehung zu bekämpfen. Das hilft letztendlich natürlich
auch, die Finanzverwaltung in Deutschland zu stärken.
Noch eine Nebenbemerkung: Wir waren uns über die
Jahre nicht immer einig mit der Union und mit der FDP
- daran kann sich jeder noch erinnern -, dass die notwendige Voraussetzung für solche Konzepte die Durchbrechung des Bankgeheimnisses ist. Bisher war es so:
Jemand hat Gewinne gemacht und sie weltweit verteilt
- man könnte auch sagen: er hat die Gewinne der deutschen Steuerhoheit entzogen, wir sprechen dann von
Entstrickung -; sie waren dann irgendwo, aber das deutsche Finanzamt hat davon nie mehr etwas erfahren. Jetzt
ist die Idee, einen Austausch zu organisieren, sodass das
deutsche Finanzamt, der deutsche Fiskus weiß, was woanders passiert. Das geht aber nicht, wenn die Bank unter Verweis auf Geheimhaltungsvorschriften sozusagen
einen Schleier über die Gewinne legt. Wir wollen den
Schleier wegziehen: Die Bank muss die Gewinne melden, die Gewinne werden nach Deutschland gemeldet,
und dann können wir über ein faires Steuerregime reden.
Das ist eigentlich der Kern der Überlegungen in dem
schon erwähnten Aktionsplan. Er hat übrigens einen
englischen Namen. „BEPS“ steht für: Base Erosion and
Profit Shifting. Die Bemessungsgrundlage soll durch
Verlagerung von Gewinnen nicht mehr verkleinert werden können. Von diesem Programm versprechen wir uns
sehr viel.
Es ist also schon etwas passiert. Wir haben nicht nur
die Aufhebung des Bankgeheimnisses durchgesetzt, sondern wir haben auch - das ist die zweite Voraussetzung die Telekommunikationsüberwachung bei Verdacht auf
bandenmäßige Steuerhinterziehung eingeführt. Das muss
man sich einmal überlegen: Wir haben erst vor wenigen
Jahren dieses Instrument eingeführt; dabei gibt es dieses
Vergehen schon sehr lange. Wir haben auch die Verjährungsfristen bei schwerer Steuerhinterziehung verlängert. Das alles sind Maßnahmen, die im Grunde den großen Aktionsplan BEPS für diese Legislaturperiode
vorbereitet haben und die grenzüberschreitende Hinterziehung eindämmen sollen.
Ich komme noch einmal auf den Punkt zurück: Bisher
finden wir Gewinne in der ganzen Welt - das geht über
stille Reserven und Lizenzen; wir wollen das transparent
machen und die Gewinne der deutschen Besteuerung unterwerfen.
Eine allerletzte Bemerkung. Es gibt Länder, die hätten
sich inzwischen die Kavallerie gewünscht, nämlich die
Länder, die sich auf FATCA einlassen mussten. FATCA
ist das US-Instrument zur Erzwingung der Aufgabe des
Bankgeheimnisses - auch in der Schweiz. Daran kann
man ermessen, wie weit wir gekommen sind. Wir können den US-Amerikanern dankbar sein, dass sie dieses
Gesetz verabschiedet haben und so letztlich auch die
Schweizer motiviert haben, international fairer mit allen
anderen umzugehen.
Ich glaube, jetzt erkennt man, wieso dieser Haushalt
ein gutes Zeichen für die Haushaltspolitik in den nächsten vier Jahren ist. Jeder kann sehen, dass die SPD in
dieser Legislaturperiode ein guter Partner ist, wenn es
um faire Besteuerung geht. Auf der Basis können wir
weitermachen.
({8})
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege
Dr. Hans Michelbach das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die CSU vertritt in Bayern seit Jahren das erfolgreiche
Konzept einer wachstumsfreundlichen Konsolidierungspolitik ohne Neuverschuldung. Ich freue mich, dass wir
nun mit dem Bundeshaushalt diese wichtige Zielmarke
erreichen. Unsere Koalition ist auf dem richtigen Kurs:
ein Kurs der Verantwortung, der Konsolidierung und der
aktiven Zukunftsgestaltung, ein Kurs zur Förderung von
Wachstum und Investitionen, die wichtige Impulse für
unser Land und unsere Menschen auslösen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist wirklich ein
Grund zur Freude. Die Senkung der Neuverschuldung
von 86 Milliarden Euro auf null ist ein großer Erfolg. Ich
gratuliere dem Herrn Bundesfinanzminister dazu.
({0})
Nach 46 Jahren ist dies in der Tat eine historische Leistung. Dieses Verdienst darf Ihnen, Herr Minister, niemand streitig machen.
In diesem Haushaltsentwurf wird deutlich, dass die
Große Koalition den Konsolidierungskurs mit Blick auf
den hohen Beschäftigungsstand, die gute Lohnentwicklung und die wirtschaftliche Erholung aktiv fortsetzen
will. Es ist ein Kurs für einen langfristigen Wachstumstrend. Es ist wichtig, dafür zu sorgen, dass dies nicht
eine einmalige Situation bleibt. Dieser Kurs gibt uns in
Deutschland Rückenwind und führt uns gut durch die
Turbulenzen der Staatsschuldenkrise in Europa, ein
Kurs, mit dem die Politik ihren Beitrag zur Sicherung
vorhandener und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze leistet. In unserer Gesellschaft entsteht damit - das ist besonders wichtig - eine neue Vertrauensbasis; denn ohne
Vertrauen gibt es kein wirtschaftliches Wachstum.
({1})
Damit halten wir unser zentrales Versprechen ein,
eine wachstumsfreundliche Konsolidierungspolitik ohne
Steuererhöhungen fortzusetzen. Ich will deutlich sagen:
Wer Steuererhöhungen will, verlässt diesen Erfolgsweg.
Es ist insbesondere ein Erfolgsweg für private Investitionen. Wenn wir keine Anreize für private Investitionen
geben und kein Geld aus dem Ausland anlocken, werden
wir diese Wachstumsentwicklung nicht erreichen. Deswegen ist es eine zentrale Frage, dass es keine Steuererhöhungen gibt und dass Steuererhöhungen nicht Grundlage unserer Politik werden. Lieber Lothar Binding,
diese Einsicht muss nicht dem Koalitionsvertrag mit uns,
sondern der ökonomischen Vernunft geschuldet sein;
({2})
denn nur so können Wachstum und Beschäftigung entstehen.
Wir sind natürlich bereit, Steuerdumping und die Verlagerung von Steuersubstrat insbesondere im Fall von
großen internationalen Konzernen wie Amazon, Google
usw. einzudämmen. Ich freue mich, dass wir eine gemeinsame Anhörung im Finanzausschuss haben werden.
Wir nehmen die Frage von Steueroasen, Steuerdumping
und Steuerverlagerung ernst, weil es nicht sein kann,
dass diese internationalen Konzerne den Wettbewerb zulasten der mittelständischen Unternehmen verzerren.
Deswegen werden wir mit Sicherheit an dieser Schraube
gemeinsam drehen.
({3})
Für die Zukunft bleibt wichtig, dass die Nettonullverschuldung die Grundlage für die weitere Finanzplanung
bleibt. In der mittelfristigen Finanzplanung von 2015 bis
2018 muss diese Null stehen bleiben. Diese Taktik ist
nicht nur beim Fußball wichtig. Ebenso wie der FC Bayern haben auch wir in der Haushalts- und Finanzpolitik
eine gute Offensive. Wir begrenzen mit dieser Taktik auf
der einen Seite Ausgabenwachstum, und wir steigern auf
der anderen Seite die Investitionen für die Zukunft. Wir
sparen nicht an Ausgaben für die Zukunft, sondern wir
schaffen Planungssicherheit für die Wirtschaft. Damit
sind wir Vorbild für ganz Europa. Das ist eine Politik der
Verlässlichkeit, der Stabilität und der Nachhaltigkeit.
Es ist die Wahrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen,
dass auch unsere Kommunen profitieren. Es profitiert
die Wirtschaft, es profitieren die Menschen, die Arbeitnehmer, aber auch unsere Kommunen. Wir unterstützen
die Kommunen bei der Grundsicherung im Alter, bei den
Kindertagesstätten, bei den Eingliederungsleistungen
usw. Unterstützung haben wir besonders mit einem Gesetz geleistet, das den Bundesanteil regelt. So konnten in
den vergangenen Jahren bei den Kommunen Überschüsse erzielt werden, natürlich nicht überall. Dort, wo
in den Kommunen gezielt gehandelt wird, wo die Strukturen angepasst werden, werden Überschüsse erzielt.
Dort, wo man sich zurücklehnt und sagt: „Wir sind ein
Jammertal und wollen ein Jammertal bleiben“, ist es
nicht erfolgreich. Wir müssen auch bei den Kommunen
Anreize schaffen, dass Leistung und Handeln belohnt
werden.
({4})
Deswegen ist es richtig, dass das aus dem Bundeshaushalt gezielt unterstützt wird. Es ist gut für die Bürgerinnen und Bürger. Es ist auch gut für die mittelständische
Wirtschaft vor Ort; denn kommunale Investitionen
schlagen sich im Wesentlichen bei den Mittelstandsbetrieben nieder.
Dieser Haushalt zeigt, dass wir unsere solide Finanzund Wirtschaftspolitik - eben ohne Steuererhöhungen erfolgreich gestalten. Dies ist die Grundlage für die Stärkung der privaten Investitionen. Wir im Mittelstand
freuen uns, dass Ihnen, Herr Bundesminister, die Verbesserung des Wagniskapitals ein wichtiges Thema ist. Die
Förderung von Mittelstandskrediten, die Unternehmensfinanzierung im Mittelstand ist eine der wichtigsten Herausforderungen für neue Investitionen und neue Arbeitsplätze. Auch für Sie bleibt das Thema „Abbau der
kalten Progression“ auf der Agenda. Aber wir gestehen
Ihnen zu, dass die Haushaltskonsolidierung absoluten
Vorrang hat. Wenn es Spielräume gibt, dann kann man
diese Agenda auch angehen. Das ist der richtige Weg,
wie Sie ihn heute verkündet haben. Wir stehen dazu. Wer
Steuererhöhungen, gerade beim Spitzensteuersatz, das
Wort redet, muss wissen, dass es besonders im Mittelstand bei den Personengesellschaften letzten Endes eine
Vernichtung von Zukunft, von Zukunftsgestaltung und
von Eigenkapital geben wird.
({5})
Eigenkapital kann der Unternehmer immer nur einmal ausgeben. Deswegen ist es ganz wichtig, dass er es
für Investitionen und für neue Arbeitsplätze ausgeben
kann. Deswegen ist es wichtig, dass dies nicht nur in den
großen Topf des Steuerstaates kommt, sondern dass wir
gerade den mittelständischen Personengesellschaften die
Chance für Wettbewerb, für neue Arbeitsplätze und neue
Investitionen eröffnen. Das ist die wichtigste Aufgabe.
({6})
Dass die Menschen das auch so sehen, merken wir daran, dass wir mit unserer Finanzpolitik, mit der Haushaltspolitik in dieser Koalition weiterhin die große Zustimmung der Menschen in Deutschland erhalten.
Vielleicht gibt es auch den Neid des einen oder anderen
europäischen Nachbarn. Aber wir wollen, dass der Stabilitätspakt eingehalten wird, dass die Staatsschuldenkrise
bekämpft wird, dass die Regulierung der Banken weiter
vorankommt. Das alles müssen wir auf den Weg bringen. Unsere Politik schafft neues Vertrauen, schafft
neues Wachstum, schafft neue Arbeitsplätze. Deswegen
ist heute ein Tag der Freude.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
({7})
Zum Tagesordnungspunkt 2 wird interfraktionell die
Überweisung des Haushaltsbegleitgesetzes 2014 auf
Drucksache 18/1050 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die
Überweisung so beschlossen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern, Einzelplan 06.
Das Wort hat der Bundesminister des Innern,
Dr. Thomas de Maizière.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Bundesregierung legt in diesem Jahr einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vor. Damit ist uns etwas
Großes gelungen; der Bundesfinanzminister hat das soeben erörtert. Für alle Ressorts heißt das: strenge Ausgabendisziplin. Wir haben uns auf wichtige Bereiche zu
beschränken. Das gilt auch für den Geschäftsbereich des
Bundesinnenministers. Das schränkt die Spielräume ein,
aber wir bleiben handlungsfähig.
Lassen Sie mich einige Punkte aus meinem breiten
Zuständigkeitsbereich herausgreifen:
Zunächst zur öffentlichen Sicherheit. Der internationale Terrorismus bedroht unsere Sicherheit nach wie vor.
Die organisierte Kriminalität im weiteren Sinne kommt
als zusätzlicher Schwerpunkt hinzu. Wir müssen uns in
ganz anderer Weise, umfassender, darum kümmern. Wir
müssen den Gefahren entschlossen entgegentreten - in
dem Wissen, dass es einen perfekten, einen absoluten
Schutz natürlich nicht gibt.
Was wir brauchen, sind präzise wirkende Analyseinstrumente zur Vorbeugung und Aufklärung schwerer und
schwerster Straftaten. Dazu gehören auch maßvoll geführte Dateien über Gefährder. Wir haben heute im Kabinett den Gesetzentwurf zur Änderung des Antiterrordateigesetzes beschlossen. Damit werden wir die vom
Bundesverfassungsgericht beanstandeten Vorschriften
rechtzeitig korrigieren können.
Heute hat der EuGH über die Vorratsdatenspeicherung geurteilt. Dieses Urteil bestätigt im Ergebnis, dass
- ich zitiere - „die Vorratsdatenspeicherung ein geeignetes und ein nützliches Mittel zur Verhütung und Verfolgung schwerer Straftaten darstellt und damit in ihrer
Zielsetzung dem Gemeinwohl dient“.
({0})
Gleichwohl hat der EuGH gesagt, dass die konkrete
Ausgestaltung dieser Richtlinie unverhältnismäßig ist.
Er hat es deshalb für richtig gehalten, sie für ungültig zu
erklären und aufzuheben.
({1})
Man hätte es auch anders machen können. Man hätte
auch sagen können: Wir beanstanden die Regelung und
geben den europäischen Gremien Zeit, sie innerhalb von
zwei Jahren zu korrigieren. - Das hätte ich natürlich besser gefunden. Er hat es aber nicht getan; das nehmen wir
zur Kenntnis. Insoweit haben wir rechtlich und politisch
gesehen eine veränderte Lage.
({2})
Da muss man gar nicht drum herumreden.
Interessant ist, dass die Maßstäbe des EuGH auf den
ersten Blick ziemlich nah an dem liegen, was das Bundesverfassungsgericht uns aufgegeben hat und was wir
selbst in unserer Koalitionsvereinbarung - ich sage es
mal untechnisch - angedacht haben. Von daher kann
man der Sache gelassen entgegensehen. Andererseits
brauchen wir - das sagen alle Fachleute, das sagen alle
meine Kollegen Innenminister, das sagt der Richterbund;
alle Praktiker sagen das - eine Regelung über die Mindestspeicherfrist, um schwere Straftaten aufklären zu
können.
({3})
Wir werden innerhalb der Bundesregierung das Urteil
sorgfältig auswerten und prüfen. Ich werde darauf drängen, dass wir insgesamt in einer noch zu besprechenden
Weise auf eine rasche, kluge, verfassungsgemäße und
mehrheitsfähige Neuregelung zugehen. Was das im Einzelnen bedeutet, wird in der Bundesregierung zu besprechen sein.
Ein weiterer Schwerpunkt im Bereich der öffentlichen
Sicherheit ist die Reform des Verfassungsschutzes. Wir
haben darüber auch im Zusammenhang mit der NSU-Affäre gesprochen. Wir werden die begonnene Reform
weiterführen. Das Bundesamt wird als Zentralstelle gestärkt. Das aber wollen wir gemeinsam mit den LänBundesminister Dr. Thomas de Maizière
dern erreichen. Die ersten Gespräche dazu stimmen
mich zuversichtlich, dass wir das ohne großen Konflikt
hinbekommen. Die Zusammenarbeit mit den Verfassungsschutzbehörden wird besser koordiniert. Informationsvernetzung und Analysefähigkeit werden verbessert.
Wir bleiben den Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses in vollem Umfang verpflichtet, auch
bei der Reform des Verfassungsschutzes.
Wenn wir über den Schutz unserer Verfassung sprechen, sollten wir gleichzeitig aber auch früher ansetzen
und über Präventionsprojekte für demokratische Teilhabe und gegen Extremismus sprechen. Das BMI fördert
über das Programm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ seit
2010 Projekte. Wir setzen dieses Programm fort und
stellen dafür 6 Millionen Euro bereit.
Meine Damen und Herren, der größte Teil meines
Etats steht für die Arbeit der Bundespolizei zur Verfügung. Darüber wird nicht oft diskutiert, weil wir da weniger über Gesetzgebung reden; aber natürlich geht es
hier um handfeste Arbeit. Die Bundespolizisten sind jedes Wochenende zu Tausenden im Einsatz, um Gewalt
rund um Fußballspiele zu verhindern. Die Bundespolizisten stehen zwischen gewalttätigen Demonstranten
von rechts und links, halten ihren Kopf hin für das
Recht, friedlich zu demonstrieren. Die Bundespolizisten
sichern den internationalen Flugverkehr gegen Anschläge. Sie bekämpfen illegale Migration an den Grenzen, auf den Flughäfen, in den Zügen und auf den Straßen.
Sie schützen gefährdete Personen, auch im Ausland.
Viele Bundespolizisten sind als Verbindungsbeamte im
Ausland. Die Bundespolizei, meine Damen und Herren,
ist inzwischen das Rückgrat für die öffentliche Sicherheit in Deutschland geworden, jeden Tag, 365 Tage im
Jahr. Ihre Arbeit verdient Dank und Anerkennung.
({4})
Umso wichtiger ist es mir, dass wir uns darum kümmern,
dass die Polizistinnen und Polizisten gute Arbeitsbedingungen und Aufstiegschancen haben. Ich bin froh, dass
wir mit diesem Haushalt dazu einen Beitrag leisten.
Nun zu einem anderen Thema. Wir haben in den letzten Tagen gehört, dass erneut die Internetzugänge und
Passwörter von Millionen von Deutschen geknackt worden sind. Das, was wir dort erlebt haben, ist der bisher
größte bekannte Datendiebstahl mit kriminellem Hintergrund. Das BSI tut alles, um die Millionen Betroffenen
zu informieren. Meine dringende Bitte an alle Bürgerinnen und Bürger ist: Machen Sie die Sicherheit im Netz
auch zu Ihrer eigenen Sache. - Der Staat muss das Seine
tun, aber ohne Umsicht der Bürger bleiben unsere Maßnahmen nur begrenzt wirksam. Die aktuelle Situation
zeigt: Wir müssen uns in Deutschland weit mehr als bisher um Daten- und Informationssicherheit kümmern.
Die Zahl der Angriffe auf das Netz steigt drastisch an. Es
geht auch um Spionage gegenüber Staat und Wirtschaft
und um die Bedrohung kritischer Infrastrukturen aus
dem Cyberraum.
In Anbetracht dieser Lage ist insbesondere der Schutz
kritischer Infrastrukturen besonders wichtig. Was ist das
eigentlich? Ich definiere es immer so: Eine kritische Infrastruktur liegt dann vor, wenn es kritisch wird, wenn
diese Infrastruktur ausfällt. Strom-, Wasser- und Energieversorgung, Netzknoten, Backoffices von Banken,
die für Überweisungen zuständig sind, Versicherungszentralen - all das sind kritische Infrastrukturen. Ich
werde bald einen neuen Entwurf eines IT-Sicherheitsgesetzes vorlegen. Wir wollen klare Verantwortungszuweisungen an die Betreiber kritischer Infrastrukturen und an
Telekommunikations- und Telemedienanbieter hinsichtlich des sicheren Betriebs ihrer Netze. Wir brauchen
Vorgaben zu gegebenenfalls anonymen oder offenen
Meldepflichten bei schweren Sicherheitsvorfällen.
({5})
Ich möchte mit allem Ernst etwas hinzufügen; ich
möchte das jetzt nicht genauer erläutern. Nicht zuletzt
die NSA-Debatte, vor allem aber auch das Verhalten anderer Staaten und mancher Unternehmen, die nicht von
Deutschland aus gesteuert werden, uns gegenüber zeigen
uns: Es gibt Bereiche, liebe Kolleginnen und Kollegen,
in denen wir unsere nationalen Interessen besser schützen und wahrnehmen müssen als bisher.
({6})
Das ist für mich, ehrlich gesagt, auch eine Form von aufgeklärtem Patriotismus. Das werden wir mehr als bisher
tun müssen, soweit es rechtlich, technisch und ökonomisch sinnvoll möglich ist. Das geht weit über den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern hinaus. Mehr möchte ich dazu heute nicht sagen.
Zu einem dritten Thema. Das Thema „Migration und
Integration“ ist für die Menschen in unserem Land ein
großes Thema. Deutschland ist für Menschen aus Europa und der ganzen Welt attraktiv. Das ist zunächst eine
gute Nachricht, und das ist auch gut so. Wir alle wissen,
dass wir dringend auf ausländische Fachkräfte angewiesen sind.
Die Migranten, soweit sie sich hier legal aufhalten,
sollen sich integrieren, arbeiten, Steuern und Beiträge
zahlen - wie alle -, und sie sollen sicher bei uns leben
können und keinen Vorurteilen begegnen.
Wir, die aufnehmende Gesellschaft, sollen den Zuwanderern die Hand ausstrecken, ihnen helfen, sie willkommen heißen. Damit sie sich als Bürger in Deutschland heimisch fühlen, integriert werden, braucht es das
Engagement beider Seiten. Das Engagement des Bundes
heißt unter anderem: Integrationskurse. Seit ihrer Einführung haben weit über 1 Million Menschen diese
Kurse besucht, und die Nachfrage steigt. Das geht nicht
ohne finanzielle Anstrengungen. Aber es bleibt unser
Ziel, auch zukünftig allen Interessenten die Teilnahme
zu ermöglichen.
Das friedliche und achtungsvolle Zusammenleben aller ist auch eine Frage des interreligiösen Dialogs. Ich
freue mich daher, dass wir vor zwei Wochen die gute
Tradition der Deutschen Islam Konferenz fortgeführt
und neu ausgerichtet haben. Ich freue mich über die Zustimmung aller Beteiligten.
Ein zentraler Punkt für eine gelingende Integration ist
Akzeptanz. Damit meine ich vor allem die Akzeptanz
der aufnehmenden Bevölkerung. Diese Akzeptanz, liebe
Kolleginnen und Kollegen, setzen wir aufs Spiel, wenn
wir zulassen, dass zu viele Menschen als Asylbewerber
zu uns kommen, die selbst wissen, dass sie nicht politisch verfolgt oder echte Flüchtlinge sind, oder die das
hohe Gut der Freizügigkeit in Europa missbrauchen. Wir
wissen, dass eine Reihe von Kommunen und auch die
Bürger vor Ort durch die Folgen selbst von innereuropäischer Migration extrem belastet werden, und zwar in
einer Form, die nicht mehr den Grundsätzen der EUFreizügigkeit entspricht.
Der dazu eingerichtete Staatssekretärsausschuss hat,
wie Sie wissen, bereits erste Maßnahmen vorgeschlagen.
Frau Nahles und ich haben diese der Presse vorgestellt.
In Umsetzung dieser Beschlüsse wird mein Haus demnächst einen Gesetzentwurf zur Änderung des Freizügigkeitsrechtes der EU vorlegen. Dieser Entwurf zielt auf
eine angemessene Begrenzung des Aufenthaltsrechts zur
Arbeitssuche ab
({7})
und sieht, daran anknüpfend, wie im Staatssekretärsausschuss beschlossen, befristete Wiedereinreisesperren
vor.
Ende Juni wird der Staatssekretärsausschuss seinen
Abschlussbericht vorlegen. Wir brauchen praktikable
Lösungen. Dazu brauchen wir eine sachliche Debatte:
Panikmache hilft ebenso wenig wie Unterdramatisierung
oder Verharmlosung.
Liebe Kollegen, ich mache mir große Sorgen wegen
des erheblichen Anstiegs der Zahl der Asylbewerber,
insbesondere weil darunter viele sind, die aus Staaten
kommen, die sicher sind. Es ist ein Unterschied, ob man
aus Syrien oder aus Serbien zu uns kommt. Wir sollten
klar unterscheiden zwischen denjenigen, die unsere liberalen Regelungen missbrauchen, und denjenigen, die vor
Krieg, Verfolgung oder Folter nach Deutschland flüchten. Wenn wir diesen Menschen schnell und effizient
helfen wollen, dann brauchen wir auch ein schnelles und
effizientes Bearbeitungsverfahren.
({8})
Ich habe mich daher mit Nachdruck für Maßnahmen eingesetzt, die das Asylverfahren beschleunigen. Wir haben
beschlossen, dass im Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge im laufenden Jahr zusätzlich 300 Beschäftigte eingestellt werden.
Wir haben eine humanitäre Verantwortung, und wir
nehmen unsere humanitäre Verantwortung ernst. Deutschland leistet einen großen Beitrag bei der Aufnahme von
Flüchtlingen, den größten in Europa. Das ist vorbildlich.
Aber die Zustimmung dafür werden wir nur erhalten
können, wenn wir beides tun: einerseits das Bleiberecht
für diejenigen verbessern, die hier lange straffrei leben,
und andererseits für die Ausreise derjenigen sorgen, die
nach unseren Gesetzen nicht hierhergehören. Ich glaube,
beides gehört zusammen. Und noch einmal: Ich mache
mir die allergrößten Sorgen um die Akzeptanz für unser
humanitäres Engagement für Flüchtlinge, wenn es nicht
gelingt, die Zahl der Asylbewerber aus den Staaten, die
sicher sind, zu reduzieren.
({9})
Wir haben heute im Kabinett den Gesetzentwurf zur
Änderung des Staatsangehörigkeitsrechtes beschlossen;
darüber wird noch ausführlich zu reden sein. Das Gesetzgebungsverfahren beginnt jetzt. Ich glaube, dass wir mit
dem Kompromiss für diejenigen Kinder, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, einen praktikablen, vernünftigen und bürokratiearmen Weg gefunden
haben, der eine jahrzehntelang andauernde tiefe Auseinandersetzung in unserem Land befriedet. Ich hoffe,
dass das am Ende der Beratungen so gelingen wird.
Ein kurzes Wort zum Sport. Wir werden zusätzliche
Mittel in die Sportförderung geben.
Wir wollen die NADA strukturell dauerhaft finanzieren. Ich hoffe weiterhin, dass es gelingt, die Länder davon zu überzeugen, dass sie zu ihrem Wort stehen, das
sie bei der Gründung der NADA gegeben haben. Wir
sind dazu im Gespräch.
Auch die Spitzensportförderung wollen wir mit zusätzlichen Mitteln fördern; aber wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, um die zur Verfügung stehenden Mittel effektiver einzusetzen. Das wird nicht gehen ohne
Straffung und Fokussierung auf Erfolgspotenziale. Wir
sind dazu mit dem DOSB im Gespräch. Der DOSB wird
dazu die entsprechenden Vorschläge machen.
Ich komme zum Schluss. Wir sind alle auf Menschen
angewiesen, die, ohne Gegenleistung zu erwarten, für
andere Verantwortung übernehmen, die einen Beitrag für
unsere Gemeinschaft leisten: im THW, bei der Feuerwehr,
im Sport, im sozialen Bereich. Im Ehrenamt werden Tag
für Tag gesellschaftliche Integration, gesellschaftlicher
Zusammenhalt, gesellschaftliche Werte gelebt. Wir wollen und müssen dieses Engagement noch attraktiver machen. Der Staat stößt an die Grenzen seiner Möglichkeiten, wenn es um Zuwendungen geht, und das ist, ehrlich
gesagt, auch gut so.
Nichts bringt den gesellschaftlichen Zusammenhalt
treffender auf den Punkt als die Feststellung: Wir sind
ein Volk. 2014 und 2015 feiern wir 25 Jahre deutsche
Einheit. Das mutige und entschlossene Eintreten der
Bürgerinnen und Bürger für die Freiheit in einem
Deutschland bleibt uns Vorbild. Die letzten Wochen
führten uns vor Augen, dass die Einheit Deutschlands innen- und außenpolitisch alles andere als selbstverständlich war. Heute sind wir dankbar, dass wir ein Volk sind.
Heute sollten wir uns fragen: Was für ein Volk sind wir,
was für ein Volk wollen wir sein, und wie halten wir als
Volk zusammen?
Meine Damen und Herren, ich bringe hiermit den
Einzelplan des Innenministers ein. Ich bitte um konstruktive Beratung und im Ergebnis um Zustimmung zu
diesem Etat.
({10})
Das Wort hat die Kollegin Ulla Jelpke für die Fraktion
Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Innenminister, Ihre Rede hat mir gezeigt: Auf die wesentlichen Herausforderungen der Innenpolitik haben Sie
keine Antworten gefunden. Es soll im Wesentlichen so
weitergehen wie bisher. Doch so darf es nicht weitergehen.
Das hat auch das heutige Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung gezeigt. Dieses
Urteil ist eine kräftige Klatsche für die Überwachungspläne der Großen Koalition.
({0})
Die verdachtslose Speicherung von Telefon- und
E-Mail-Daten beinhaltet - ich zitiere das Gericht einen Eingriff von großem Ausmaß und besonderer
Schwere in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener
Daten, der sich nicht auf das absolut Notwendige
beschränkt.
Herr Innenminister und meine Damen und Herren von
der Koalition, ich warne Sie: Missbrauchen Sie dieses
Urteil jetzt nicht, um damit Vorratsdatenspeicherung auf
Sparflamme zu rechtfertigen!
({1})
Jede verdachtsunabhängige Speicherung von Verbindungsdaten ist eine Gefahr für die Bürgerrechte,
({2})
für den journalistischen Quellenschutz und damit für die
Pressefreiheit. Wissenschaftliche Untersuchungen haben
längst gezeigt, dass die Vorratsdatenspeicherung die
Aufklärungsquote von Verbrechen um gerade einmal
0,006 Prozentpunkte verbessert hat. Es ist unverantwortlich, dafür schwere Eingriffe in die Bürgerrechte in Kauf
zu nehmen.
({3})
Akzeptieren Sie endlich, dass die grundrechtswidrige
Vorratsdatenspeicherung ein für alle Mal vergessen werden muss, dass sie nicht mehr zur Debatte steht. Begraben Sie in diesem Zusammenhang auch gleich EU-Vorhaben wie die Speicherung von Fluggastdaten, von
Ein- und Ausreisedaten, die aus aller Welt zusammengefasst werden. Stoppen Sie endlich diesen Überwachungswahnsinn!
({4})
Herr Minister, wenn ich Sie so höre, frage ich mich:
Ist Ihnen eigentlich nicht bewusst, mit was für einer Vertrauenskrise in den Rechtsstaat und die Demokratie Sie
es gerade zu tun haben, einer Vertrauenskrise, die durch
Kürzel wie NSA und NSU gekennzeichnet ist? Schließlich haben es Polizeibehörden und Geheimdienste nicht
vermocht, die Bürgerinnen und Bürger vor dem bislang
größten bekannt gewordenen Angriff auf ihre Rechte zu
schützen, vor der millionenfachen Spionage des USGeheimdienstes NSA. Heribert Prantl warnte in der
Süddeutschen Zeitung vor einer Aushöhlung des Grundgesetzes durch die NSA. Er forderte Mut von der Politik
- Zitat -:
Wenn Grundrechte sich in einem prekären Zustand
befinden, dann ist nicht Zeit für weihräuchernde
Worte, sondern für schützende Taten.
Diese vermisse ich hier heute, Herr Minister.
({5})
Auch die Bundesregierung rührt hier keinen Finger
zum Schutz der Bürgerrechte. Sie bemüht lieber die
deutsch-amerikanische Freundschaft. Doch was ist das
für eine Freundschaft, bei der selbst das Handy der Bundeskanzlerin abgehört wird? Warum sträubt sich die
Bundesregierung so energisch, Edward Snowden sicheres Geleit für eine Aussage vor dem Bundestagsuntersuchungsausschuss in Deutschland zu garantieren? Ich
sage Ihnen: Diese Regierung will gar keine Aufklärung.
Sie will lieber, dass der BND weiterhin als Juniorpartner
der NSA vom Datenraub profitiert. Was Sie Freundschaft nennen, Herr Minister, bezeichnen wir als kriminelle Komplizenschaft. Das muss endlich ein Ende haben.
({6})
Versagt haben die Sicherheitsbehörden auch, als es
darum ging, der Nazimörderbande NSU auf die Spur zu
kommen - wenn es denn nur ein Versagen war. Wir haben schließlich etliche Hinweise, dass insbesondere der
Verfassungsschutz ganz bewusst mit den Nazis paktiert
hat. Die von dieser Bundesregierung gezogenen Schlussfolgerungen aus dem NSU-Skandal greifen viel zu kurz.
Das BKA lässt zwar eine Reihe von ungelösten Todesfällen aus der Vergangenheit erneut untersuchen und auf
rechtsextremistische Motive hin überprüfen. Doch wieso
werden nicht auch Verbrechen neu überprüft, bei denen
die Täter bekannt sind? Ich meine Dutzende Fälle, bei
denen polizeibekannte Neonazis Migranten, Obdachlose oder Linke umgebracht haben und die bis heute
nicht als politische Taten gewertet werden. Auch diese
Tötungsdelikte müssen erneut untersucht werden. Nazimorde dürfen nicht mehr unter den Tisch gekehrt werden. Das sind wir auch den Angehörigen der Opfer
schuldig.
({7})
Bei so viel Schönrederei und -rechnerei des braunen
Terrors erstaunt es wirklich nicht, dass die Regierung
beim Kampf gegen Rechtsextremismus weiterhin auf
Flickschusterei setzt. In den Koalitionsverhandlungen
war noch von einer großzügigen Aufstockung der Gelder
für die Bundesprogramme gegen rechts die Rede; doch
dabei herausgekommen ist eine eher lächerliche Mittelerhöhung. Notwendig wäre mindestens doppelt so viel.
Erst dann ließen sich das Bestehen und vor allen Dingen
die Kontinuität der bürgerschaftlichen Projekte, die gegen Rechtsextremismus kämpfen, sichern und könnten
sie flächendeckend in der Republik aufgebaut werden;
denn im Westen gibt es solche Projekte so gut wie gar
nicht. So zeigt diese Regierung, wie wenig sie zur Bekämpfung des Rechtsextremismus tatsächlich tut.
Im Vergleich zu NSA und NSU wirkt die EdathyAffäre, die inzwischen in Wirklichkeit eine BKA-Affäre
ist, fast schon harmlos. Dennoch hat diese Affäre beinahe eine Staatskrise ausgelöst, und einen Minister hat
es das Amt gekostet. Wir haben es hier nicht mit irgendeiner Behörde zu tun. Gerade das Bundeskriminalamt
hat in den vergangenen Jahren immer mehr Befugnisse
zur Überwachung, zur Bespitzelung der Bürgerinnen
und Bürger erhalten. Es kooperiert über verschiedene
Abwehrzentren und viele gemeinsame Dateien mit den
Geheimdiensten und durchlöchert so immer mehr die
vom Grundgesetz gebotene Trennlinie zwischen Polizei
und Geheimdiensten.
Auch in den anderen zentralen gesellschaftlichen Bereichen hat die Bundesregierung keine zeitgemäßen Antworten. Bei der doppelten Staatsangehörigkeit zum Beispiel hat es zwar eine Verständigung gegeben, aber keine
Lösung. Nur wer hier geboren und aufgewachsen ist, soll
nun die deutsche Staatsangehörigkeit neben einer anderen erhalten dürfen. Um das zu überprüfen, werden die
Behörden mit unglaublichem bürokratischem Aufwand
belastet. Das ist einfach nicht hinzunehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, vor der Wahl haben
Sie versprochen: keine Koalition ohne doppelte Staatsbürgerschaft. Dieses Wahlversprechen haben Sie
schlicht und einfach gebrochen.
({8})
Meine Damen und Herren, ich will an dieser Stelle
auch die europäische Innenpolitik ansprechen. Auch sie
steht vor großen Herausforderungen. Die Toten vor den
Grenzen Europas und die Flüchtlingskatastrophen sind
kaum noch mit anzusehen. Etwa 3,5 Millionen Syrer
sind derzeit außerhalb ihres Landes auf der Flucht. Doch
was ist die Antwort der Europäischen Union? Noch
mehr Abschottung! Ich sage hier ganz klar: Es darf nicht
sein, dass Flüchtlinge, die hierherkommen, kriminalisiert werden, weil sie illegal eingereist sind.
Kollegin Jelpke, ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie auf Kosten der Redezeit des Kollegen
Hahn sprechen.
Ich komme gleich zum Schluss. - Die Bundesregierung muss und kann hier mehr Druck machen. Mit dieser
tödlichen Abschottungspolitik muss endlich Schluss gemacht werden.
Sie können sich vorstellen, dass wir einem solchen
Haushalt mit Sicherheit nicht zustimmen werden.
Ich danke Ihnen.
({0})
Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Michael
Hartmann das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Natürlich wird es niemanden verwundern, dass die
Linke jetzt schon ankündigt, den Haushalt abzulehnen;
das ist ja geradezu die Pflicht einer Oppositionsfraktion.
Aber, liebe Ulla Jelpke: Trotz allem, was man kritisch
oder ablehnend sagen kann, möchte ich gerne die kollegiale Bitte äußern, nicht damit zu beginnen, unseren Sicherheitsbehörden oder anderen vorzuwerfen, sie befänden sich in einer Art Kumpanei mit anderen, die unseren
Staat ausspähen oder belasten. Diesen Konsens der Demokraten muss es doch geben. Unsere Sicherheitsbehörden tun ihre Pflicht.
({0})
Herr Minister, wir reden heute keineswegs über den
größten Einzelhaushalt, den die Bundesregierung im
Portfolio hat. Es geht um bescheidene 6 Milliarden Euro,
und das bei insgesamt rund 300 Milliarden Euro. Dennoch hat Ihr Ressort, hat der Innenminister einen riesigen Geschäftsbereich zu verwalten, in dem es oftmals
um zentrale und fast immer um heikle Fragestellungen
geht. Man denke nur an die innere Sicherheit, den Katastrophenschutz, die Integration, den Datenschutz und
- auch nicht immer ganz einfach - das Dienstrecht, das
zu verwalten und zu pflegen ist; die Tarifverhandlungen
sind ja gerade glücklicherweise schiedlich-friedlich beendet worden. Das sind nicht die populärsten, aber oftmals die wichtigsten Themen.
Jeder erwartet, dass vieles im Stillen funktioniert, keineswegs lautstark und keineswegs mit vielen Ankündigungen und lautem Blasen in die Trompete. Das bedeutet aber, dass die vielen, vielen Mitarbeiter, die
insbesondere im nachgeordneten Bereich tätig sind - Sie
haben das völlig zu Recht mit Blick auf die Bundespolizei erwähnt -, jeden Tag, sieben Tage die Woche, an
365 Tagen im Jahr ihre Pflicht tun. Deshalb möchte ich
ganz ausdrücklich und besonders in Richtung der im
Moment etwas arg gebeutelten Sicherheitsbehörden sagen: Herzlichen Dank für Ihre Arbeit und Ihre Pflichterfüllung bei Tag und bei Nacht!
({1})
Michael Hartmann ({2})
Der Europäische Gerichtshof hat die Richtlinie zur
Vorratsdatenspeicherung gekippt. Die Vorgaben, die von
dort gemacht werden, sind klar. Deshalb ist auch für uns
ganz klar: Es kann nicht so weitergehen, als sei nichts
geschehen. Wir müssen uns gemeinsam genau ansehen,
was Luxemburg entschieden hat und wie es begründet
wurde. Die Kritiker freuen sich heute; die Befürworter
sind etwas leise geworden. Das ist in einem Glaubenskrieg - so wurde diese Auseinandersetzung in den letzten Monaten und Jahren ja oftmals geführt - nun einmal
so. Entscheidend ist aber, dass jetzt rational abgewogen
wird. Europa und das Bundesverfassungsgericht haben
klare Vorgaben gemacht. Diese Vorgaben besagen an
keiner Stelle, dass es grundsätzlich nicht möglich oder
notwendig sei, solche Regelungen einzuführen.
({3})
Sie müssen nur richtig gemacht werden. Darüber werden
wir jetzt in den nächsten Monaten gemeinsam nachdenken, Herr Minister.
({4})
Allerdings sage ich auch: Europa hat die Richtlinie zu
definieren. In Zeiten der NSA, wo wir gar nicht so sicher
sind, was mit den bei uns erfassten Daten geschieht, ist
es vielleicht auch einmal klug, etwas Ruhe hineinzubringen und auch genau zu schauen, wie die Daten, die wir
erheben - auch im Bereich der Sicherheitsbehörden -,
hier geschützt werden können. Das ist, glaube ich, die
Maßgabe, nach der wir jetzt weiter diskutieren und reden
werden.
Wir haben im Innenbereich auch ansonsten viel Arbeit vor uns. Der NSU wurde von Ulla Jelpke und Ihnen,
Herr Minister, bereits erwähnt. Für uns sollte sehr klar
sein: Wir machen weiter bei dem, was an Aufarbeitung
geschehen ist. Das gilt aber nicht nur für den Bund, sondern mindestens im gleichen Maße auch für die Sicherheitsbehörden der Länder. Es geht dabei nicht nur um
den Verfassungsschutz. Auch die Justiz hat sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert, als diese Mörderbande durch
Deutschland zog. Deshalb gilt es, weiterzumachen, alles
umzusetzen, was der Untersuchungsausschuss in einer
großen Geste gemeinsam beschlossen hat, es Punkt für
Punkt abzuarbeiten. Das sieht unser Koalitionsvertrag
vor, und davon werden wir - seien Sie dessen versichert,
meine Damen und Herren - keinen Millimeter abweichen.
Bei der anstehenden Diskussion über das Bundesverfassungsschutzgesetz muss es, wie gemeinsam mit den
Ländern vereinbart, darum gehen, die Zentralstellenfunktion zu stärken. Das soll nicht die Konsequenz haben, dass die Landesämter, die Landesbehörden ihrer
Kompetenzen beraubt werden. Aber vorhandene Daten,
vorhandenes Wissen muss endlich zusammengeführt
werden, sodass wechselseitiges Nichtwissen es nicht
mehr möglich machen kann, dass noch einmal Ähnliches
geschieht. Wir müssen Daten austauschen, die Behörden
müssen sich in die Augen schauen, und auch die V-Leute
müssen viel zentraler geführt werden als bisher.
Die NSA ist das nächste große Stichwort. Wir werden
bei der Spionageabwehr viel Kraft und Anstrengung aufwenden müssen, um klarzumachen, dass niemand ohne
Weiteres Daten aus Deutschland abziehen kann, ganz
egal aus welcher Himmelsrichtung der Angriff auf unsere Daten erfolgt. Es ist wurscht, ob die Lauscher im
Osten oder im Westen sitzen: Es geht nicht an - da sind
wir in der Tat in einer patriotischen Pflicht -, dass deutsche Staatsbürger beliebig ausgespäht werden, dass Daten von Unternehmen geraubt werden oder dass wichtige
Regierungsmitglieder belauscht werden, als wären wir
eine Art Feindstaat, als wären wir Nordkorea. Wir werden deutsche Daten besser schützen. Wir werden deshalb
auch unsere Spionageabwehr mit mehr Geld ausstatten.
Wir werden, Herr Minister, mit dem nötigen Selbstbewusstsein mit unseren Partnern in den USA zu reden haben.
({5})
Ich bemerke dabei eines: Wenn man unseren US-amerikanischen Freunden in Anerkennung der für uns weiterhin zentralen Sicherheitspartnerschaft zugleich sagt,
dass es unsere patriotische Pflicht ist, uns genauso zu
schützen, wie sie sich schützen, dann kann man da ein
gewisses Nachdenken auslösen. Im Übrigen gilt: Die
USA und wir haben gemeinsame Werte zu verteidigen;
wir haben die Freiheit zu verteidigen. Diese Freiheit darf
nicht durch Maßnahmen der Nachrichtendienste mit Füßen getreten werden. Deshalb muss Schluss sein mit dieser Ausspähpraxis der NSA, und unsere Fragen müssen
beantwortet werden, Herr Minister.
({6})
Ich bin sehr froh, Herr de Maizière, dass die Bekämpfung der organisierten Kriminalität bei Ihnen ein stärkeres Gewicht bekommt. Die SPD arbeitet da gerne Hand
in Hand mit Ihnen; denn für das Rechtsempfinden der
Bürgerinnen und Bürger ist es oftmals fatal, zu sehen,
wie Banden Tageswohnungseinbrüche einfach so durchziehen können, wie Rocker das Sicherheitsgefühl negativ beeinflussen oder wie mit Geldwäsche, Steuerhinterziehung und sogenannter Weiße-Kragen-Kriminalität die
einen etwas tun und die anderen schon wegen eines kleinen Delikts verhaftet und verurteilt werden. Wir müssen
eine gemeinsame Aktion starten, die unsere Sicherheitsbehörden mit dem Zoll und anderen zusammenführt, damit die Mafia und andere Banden in Deutschland nicht
fröhliche Urständ feiern und dieses Land als Rückzugsraum ansehen können. Ganz klar ist: null Toleranz für
organisierte Kriminalität in Deutschland, auch wenn das
den Finanzminister vielleicht noch ein paar Euro kosten
wird.
Die Bundespolizei darf kein Verschiebebahnhof werden, auch keiner für die Länder, die selbst Polizei abbauen. Insofern müssen wir auch bei dieser Frage gemeinsam im Gespräch bleiben. Jene Beamtinnen und
Beamten - oftmals im mittleren Dienst -, die an den Wochenenden gegen ein paar Randalierer, die den schönen
Sport Fußball kaputtmachen wollen, agieren müssen, die
Castortransporte überwachen oder die am 1. Mai wieder
in Berlin und im Hamburger Schanzenviertel aktiv sein
müssen, versehen ihren Dienst selbstverständlich und
Michael Hartmann ({7})
ohne zu klagen. Aber auch für sie ist ein Ende der Fahnenstange der Belastung erreicht. Deshalb gilt: Wir
müssen die Arbeit der Bundespolizei auch durch Stellenhebungen anerkennen und dafür sorgen, dass beispielsweise in den großen Ballungsräumen die Lebensbedingungen für die Angehörigen der Bundespolizei in
Zukunft noch finanzierbar bleiben. Wenn wir hier gemeinsam vorangehen können, Herr Minister, dann reicht
Ihnen die SPD dazu gerne die Hand.
({8})
All das wird nur gelingen, wenn wir genügend qualifiziertes Personal im Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern haben. Das wird nicht einfacher, weil wir
angesichts des demografischen Wandels mit den Gehaltsstrukturen der gewerblichen Wirtschaft zu konkurrieren haben. Hier verlangt es Kreativität und gute Ideen
vielleicht auch außerhalb der üblichen Besoldungsstrukturen. Auch dieser Frage sollten wir uns intensiver widmen, und wir sollten eine Antwort darauf finden. Das
kann und wird gelingen.
Lieber Stephan Mayer, sehr geehrter Herr Minister,
im Bereich der Innenpolitik haben wir ganz gut angefangen. Das Vertrauen war nicht von Anfang an so, wie wir
es uns wechselseitig gewünscht haben; aber es wächst
Schritt für Schritt.
Kollege Hartmann!
Ich bin mir in einem sicher: Im Unterschied zur letzten Koalition wird in dieser wieder Innenpolitik gemacht
werden, an den Bürgerrechten orientiert und klar in der
Sache.
Vielen Dank.
({0})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Volker Beck das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollege
Hartmann, Sie haben gerade gesagt: „an den Bürgerrechten orientiert“. Ihre Worte höre ich wohl, allein mir fehlt
der Glaube angesichts der Agenturmeldungen, wie die
Koalition das Urteil des Europäischen Gerichtshofs verdaut.
Für uns ist ganz klar: Heute ist ein Feiertag für die
Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger in Europa.
({0})
Die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ist EUrechtswidrig und nichtig, und das ist auch gut so. Heute
ist kein „Feiertag für das organisierte Verbrechen“, wie
Marco Wanderwitz twitterte. Ich finde, das zeugt davon,
dass einige bei Ihnen ein gestörtes Verhältnis zu den
Grundrechten in unserem Verfassungsstaat haben.
({1})
Mit dem heutigen Urteil zur Vorratsdatenspeicherung … schafft der Europäische Gerichtshof … nun
endlich Klarheit: Eine verdachtsunabhängige und
wahllose Vorratsdatenspeicherung ist damit vom
Tisch. Das ist eine wegweisende Entscheidung. In
Zukunft wird es deshalb - zu Recht - nicht mehr
möglich sein, die Daten der Bürgerinnen und Bürger ohne jeden Verdacht und ohne richterlichen Beschluss zu speichern.
Mit dem heutigen Urteil wird überzogenem Speicherwahn ein Riegel vorgeschoben.
({2})
Ich hätte jetzt eigentlich Applaus von Ihrer Seite erwartet; denn das sind nicht meine Worte, sondern die Worte
der Staatssekretärin Dorothee Bär als Vorsitzende von
CSUnet. - Ich freue mich auf diese neue schwarz-grüne
Koalition gegen die Vorratsdatenspeicherung.
({3})
Herr Minister, Sie haben das Urteil ja noch nicht ganz
verdaut. Ich sage Ihnen: Lassen Sie ab von den Plänen,
eine neue Richtlinie zu basteln! Der Europäische Gerichtshof hat mit seinen Urteilsgründen klargemacht,
dass eine Vorratsdatenspeicherung sämtlicher Daten aller Bürgerinnen und Bürger europa- und grundrechtswidrig ist. Deshalb in die Tonne mit diesen Überlegungen! Lassen Sie es einfach sein!
({4})
Wir reden hier ja über den Haushalt. Ich glaube, statt
über neue Gesetze und immer neue Ermittlungsbefugnisse müssen wir eher einmal über die Effizienz der Arbeit zum Beispiel beim Bundeskriminalamt reden. Sind
wir überall richtig ausgestattet? Gibt es auch bei den
Länderpolizeien genügend Personal, oder haben wir mit
der Steuerpolitik des Bundes den Ländern nicht die nötige Luft zum Atmen gegeben, um hier das Notwendige
zu tun und eine Überalterung der Polizei in den Ländern
zu verhindern?
({5})
Darüber müssen wir nachdenken, hier müssen wir nachlegen. Ich denke, der NSU-Skandal und die Edathy-Affäre haben gezeigt, dass das BKA und die Polizei keine
neuen Befugnisse brauchen. Wenn zwei Jahre lang Akten liegen bleiben, mit denen Ermittlungen gegen Besteller von Kinderpornografie ermöglicht werden, dann
nützt auch eine Vorratsdatenspeicherung von sechs Monaten nichts. Wenn so gearbeitet wird, dann müssten die
Daten jahrelang gespeichert werden. Lassen Sie uns eine
vernünftige Arbeit ohne Grundrechtseingriffe organisieren.
Volker Beck ({6})
({7})
Bei der NSA-Affäre hat diese Regierung wie auch die
vorherige meines Erachtens nur schöngeredet und sich
wirklich nicht mit Ruhm bekleckert. Deshalb ist es gut
und richtig, dass gestern 2 000 Bürgerinnen und Bürger,
unter anderem der Verein Digitalcourage, Strafanzeige
gestellt haben, damit endlich ermittelt wird: Was haben
deutsche Stellen gewusst? Was haben sie unternommen,
um den Angriff auf unsere Grundrechte abzuwehren?
({8})
Sie haben, Herr Minister, den Staatssekretärsausschuss erwähnt. Meines Erachtens ist dieser Ausschuss
nicht zu dem Ergebnis gekommen, dass es für seine Arbeit einen Anlass gibt: Nirgendwo in dem Bericht findet
man empirische Nachweise für massenhaften Sozialmissbrauch und ein Problem der Armutseinwanderung
aus Bulgarien, wie die Union nicht müde wird, den Menschen im Wahlkampf zu erzählen.
({9})
Sie finden in diesem Bericht aber große Worte. Da heißt
es etwa, Sie wollten die Integrationskurse an den besonderen Bedarf dieser Zielgruppe anpassen:
Die Teilnehmer dieser Integrationskurse sollten
nicht nur durch eine Lehrkraft unterrichtet werden,
sondern parallel auch durch einen Sozialpädagogen
- nicht einen Sozialdemokraten, wie ich fast gesagt
hätte betreut werden.
({10})
Wie Sie das in Ihrem Haushalt umsetzen wollen, ist
mir allerdings schleierhaft. Bei den Integrationskursen
steht nicht etwa eine Erhöhung der Mittel an, damit endlich EU-Freizügigkeitsberechtigte, Geduldete und Flüchtlinge Zugang zu diesen Kursen erhalten. Nein, Sie kürzen um 5 Millionen Euro in diesem Etat. Das zeigt doch
eindeutig: Sie reden zwar darüber; aber im Endeffekt
passiert nichts. Es ist halt leichter, Gesetze mit EUrechtswidrigen Freizügigkeitsbeschränkungen zu verfassen, wie es auch in Ihrem Bericht steht, als den Kommunen vor Ort tatsächlich zu helfen.
Die Übernahme der Kosten für die Eingliederungshilfe wird auf die lange Bank geschoben. Es würde den
Kommunen helfen, wenn sie Geld in der Hand hätten,
um die Probleme der sozialen Integration in ihren Städten anzugehen. Da ist aber von der Koalition außer heißer Luft nichts zu erwarten. Das wird der Problemlage
vor Ort nicht gerecht. Man darf nicht nur laut tönen.
Man muss Probleme erkennen, besprechen und dann lösen. Dieser Anforderung werden Sie nicht gerecht.
({11})
Sie haben heute im Kabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes, das
Optionspflichtverlängerungsgesetz, beschlossen. Frau
Jelpke hat es schon angesprochen: Das ist ein klarer
Wortbruch, und zwar ein doppelter Wortbruch der Sozialdemokratie. Sie haben die doppelte Staatsangehörigkeit versprochen. Das haben Sie nicht geschafft. Dann
haben Sie Ihren Leuten im Zusammenhang mit dem Koalitionsvertrag versprochen, die Optionspflicht abzuschaffen. Nun wird sie verlängert, verkompliziert und
verbürokratisiert. Das ist keine gute Reform. Dieses Bürokratiemonster ist voll von sachlichen Widersprüchen.
Man muss mir einmal Folgendes erklären: Warum ist ein
deutscher Hauptschulabschluss bei der Anerkennung der
Staatsbürgerschaft mehr wert als eine österreichische
Matura oder ein französisches Baccalauréat? Diese
Schulabschlüsse führen nämlich dazu, dass die Optionspflicht weiter besteht. Die ethnische Diskriminierung im
Staatsangehörigkeitsrecht, dass Kinder von Deutschen
mit doppelter Staatsangehörigkeit anders behandelt werden als Kinder von Migranten mit doppelter Staatsangehörigkeit, müssen wir endlich beenden. Das wäre ein Signal an die junge Generation, die bei uns aufgewachsen
ist und deren Eltern zu uns eingewandert sind, dass sie
keine Deutschen auf Probe sind, sondern von Anfang an
dazugehören.
({12})
Kollege Beck!
Frau Präsidentin, damit bin ich am Schluss.
Vielen Dank.
({0})
Das Wort hat der Kollege Stephan Mayer für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Es ist schon erwähnt
worden: Der Etat des Bundesinnenministeriums ist bei
weitem nicht der größte Etat im gesamten Bundeshaushalt, aber er ist aus meiner Sicht ein ganz entscheidender, wenn es darum geht, Regelungen dahin gehend zu
treffen, wie wir in Deutschland miteinander umgehen,
oder wenn es um Themen wie die gesellschaftliche Teilhabe oder die Stärkung des ehrenamtlichen Engagements und der Zivilgesellschaft insgesamt geht.
Obwohl das Portfolio des Bundesinnenministers so
groß ist, zeigt der Entwurf dieses Einzeletats deutlich,
dass wir einen klaren Schwerpunkt auf die innere Sicherheit setzen. Zwei Drittel der Mittel aus dem Etat des
Bundesinnenministeriums entfallen auf diesen Bereich,
davon mit 2,5 Milliarden Euro fast die Hälfte allein für
die Bundespolizei und 417 Millionen Euro für das Bundeskriminalamt. Das sind mit Sicherheit große Summen;
aber ich sage ganz deutlich und durchaus auch etwas
Stephan Mayer ({0})
selbstkritisch: Wir müssen uns mit Blick auf die Zukunft
die Frage stellen, ob dieser Etat wirklich noch auskömmlich ist. Ich glaube, die Etats der Sicherheitsbehörden
sind auf Kante genäht. Wir müssen in Zukunft mit Sicherheit ganz intensiv prüfen, ob es nicht eines Aufwuchses dieser Mittel bedarf.
({1})
Ich weiß zwar, dass im Koalitionsvertrag festgelegt
wurde, dass der Etat des Innenministeriums nicht als prioritär gilt. Dennoch besteht, glaube ich, in vielerlei Hinsicht Nachbesserungsbedarf.
Ich darf deutlich machen, dass sich die CDU/CSUBundestagsfraktion zum Verfassungsschutz und zu unseren Sicherheitsbehörden bekennt. Es ist ein zentrales
Anliegen, den Verfassungsschutz zu stärken, statt ihn zu
schwächen oder, wie es die Linken fordern, gar abzuschaffen. Wir werden daher sehr schnell das zugrunde
liegende Bundesverfassungsschutzgesetz novellieren. Es
geht insbesondere darum, im Einvernehmen und in engster Absprache mit den Ländern die Zentralstellenfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu stärken.
Das heutige Urteil des EuGH in Luxemburg zur Vorratsdatenspeicherung ist schon hinlänglich erwähnt worden. Ich sage aber an die Adresse derjenigen, die jetzt jubilieren, deutlich: Ich bin der festen Überzeugung, dass
durch dieses Urteil des EuGH Europa beileibe nicht sicherer geworden ist. Ich bin der festen Überzeugung,
dass eher das Gegenteil der Fall ist. Natürlich ist das Urteil zu akzeptieren, Herr Kollege Beck, und zu respektieren. Ich möchte nur noch einmal rückblickend fragen:
Warum kam es überhaupt zu dieser Richtlinie im Jahr
2006? Die Richtlinie wurde als Antwort auf die katastrophalen und schwerwiegenden Terroranschläge in Madrid, 2004, und in London, 2005, geschaffen. Ich bin der
festen Überzeugung, dass Europa seitdem nicht sicherer
geworden ist und dass die Bedrohung insbesondere
durch den islamistischen Terrorismus seit 2004 nicht geringer geworden ist.
({2})
Deswegen bin ich Ihnen sehr dankbar, Herr Kollege
Hartmann, dass Sie auch in Ihrer Rede deutlich gemacht
haben, dass Sie an der prinzipiellen Notwendigkeit der
Einführung von Mindestspeicherfristen in Deutschland
festhalten wollen.
Ich möchte noch eines deutlich machen: Das Urteil
des EuGH bezieht sich nicht auf die Umsetzung in
Deutschland.
({3})
Wir waren von vornherein wesentlich strenger und restriktiver, was den Umsetzungsspielraum anbelangt, den
uns die Richtlinie gegeben hat. Ich bin der festen Überzeugung, dass es im Lichte des Bundesverfassungsgerichtsurteils von 2010 und des heutigen Urteils des
EuGH möglich, aber auch notwendig ist, die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland einzuführen.
({4})
Wir werden das Urteil daher genau analysieren. Es besteht keinerlei Grund zu Aktionismus; aber ich bin Ihnen, Herr Kollege Hartmann, dankbar, dass Sie deutlich
gemacht haben, dass Sie einem konstruktiven Dialog bezüglich der Einführung der Vorratsdatenspeicherung in
Deutschland offen gegenüberstehen.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, einen zentralen Bereich im Koalitionsvertrag nimmt die
Migrations- und Integrationspolitik ein. Ich sage auch
ganz deutlich: Deutschland muss jederzeit für Schutzbedürftige und politisch Verfolgte, insbesondere auch für
Flüchtlinge, offen sein. Wir werden daher - das ist ein
elementares Ziel der Großen Koalition - die Asylverfahrensdauer von derzeit im Schnitt neun Monaten auf drei
Monate deutlich reduzieren. Ich glaube, dass ein durchaus sehenswertes Signal vom Stellenplan des Bundesinnenministeriums ausgeht. So werden 300 zusätzliche
Stellen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in
Nürnberg geschaffen, um vor allem die Verfahrensdauer
zu reduzieren.
Wir wollen offen sein für Menschen, die an Leib und
Leben bedroht sind. Wir müssen aber auch deutlich machen, dass kein Recht auf Asyl besteht, wenn die Betreffenden aus offenkundig sicheren Herkunftsländern kommen. Deshalb finde ich es richtig, dass wir die Liste der
sicheren Herkunftsländer zunächst um die drei Länder
Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien erweitern. Wir müssen uns aber auch intensiv mit Albanien
und Montenegro auseinandersetzen. Die Tatsache, dass
die Zahl der Asylbewerber aus Albanien zu Beginn dieses Jahres deutlich gestiegen ist, während die Anerkennungsquote marginal niedrig ist, zeigt, dass auch in diesem Bereich Handlungsbedarf besteht.
({5})
Wenn das Asyl- und Aufenthaltsrecht im Allgemeinen glaubhaft bleiben soll, dann bedarf es auch einer Beschleunigung der Aufenthaltsbeendigung. Beides sind
zwei Seiten einer Medaille. Wir wollen nach dem Hamburger Modell eine stichtags- und altersunabhängige
Bleiberechtsregelung für langfristig in Deutschland Geduldete schaffen, die zumindest zum Großteil ihre Lebenshaltungskosten selber bestreiten können und über
ausreichende Deutschkenntnisse verfügen. Ich sage aber
auch ganz offen: Angesichts der sehr geringen Abschiebezahlen in den einzelnen Bundesländern ist es genauso
wichtig, dass diejenigen, die kein anerkanntes Recht auf
Asyl und auch aus anderen Gründen kein Bleiberecht haben, Deutschland verlassen müssen. Ich bin dem Bundesinnenminister sehr dankbar, dass er zeitnah einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg gebracht hat,
der nun in die Ressortabstimmung geht.
Eine zentrale Herausforderung in dieser Legislaturperiode wird die Sicherstellung und die Wiederherstellung
des Vertrauens in die Informations- und Kommunikationstechnik sein. Erst vor wenigen Tagen gab es in diesem Jahr den zweiten großen Vorfall betreffend gehackter E-Mail-Konten. Dieses Mal waren über 18 Millionen
Menschen betroffen, darunter 3 Millionen Deutsche.
Dies zeigt uns deutlich, dass wir nicht nachlassen dürfen,
unsere IT-Infrastruktur insbesondere im Bereich des
Stephan Mayer ({6})
Bundes und hier im Bereich der Sicherheitsbehörden zu
verbessern. Deswegen finde ich es gut, dass im zweiten
Regierungsentwurf 12 Millionen Euro zusätzlich für die
Bundespolizei und 4 Millionen Euro zusätzlich für das
Bundesamt für Verfassungsschutz zur Verfügung gestellt
werden.
Sehr wichtig ist aus meiner Sicht, dass die Aufgaben
und Kompetenzen des Bundesamtes für Sicherheit in der
Informationstechnik gestärkt werden. Dieses Bundesamt
arbeitet schon sehr gut. Es ist aber auch noch ausbaufähig. Ich finde es richtig, dass nun jährlich 2 Millionen
Euro zusätzlich für die IT-Sicherheitsforschung zur Verfügung gestellt werden. Wir müssen trotz aller rechtlichen Änderungsnotwendigkeiten die nationale Kompetenz in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Bereich
stärken. Ich stehe deshalb auch Überlegungen, eine europäische Cloud bzw. ein europäisches Routing zu schaffen, durchaus offen gegenüber. Wir brauchen in
Deutschland mehr Unabhängigkeit von amerikanischen
und chinesischen Anbietern.
({7})
Zum Abschluss möchte ich noch kurz erwähnen: Es
ist natürlich wichtig und gut, dass wir das ehrenamtliche
Engagement insbesondere im Bevölkerungs- und Katastrophenschutz loben. Aber auch hier gilt es - das sage
ich durchaus selbstkritisch -, den Worten Taten folgen
zu lassen. Deswegen richte ich an uns alle den dringenden Appell: Wir müssen den Etat des Technischen Hilfswerks deutlich erhöhen. Wenn wir hier nicht im Bereich
der Liegenschaften und der Gerätschaften bzw. der Ausstattung Verbesserungen vornehmen, dann unterminieren wir mittel- und langfristig das ehrenamtliche Engagement. Dieses Engagement ist gar nicht hoch genug zu
schätzen. Deswegen darf es nicht bei Sonntagsreden
bleiben. Es gilt bei den anstehenden Verhandlungen über
den Etat des Bundesinnenministeriums, hier deutlich
nachzubessern und den Ansatz für das THW zu erhöhen.
Ich danke für die Aufmerksamkeit und wünsche uns
konstruktive und erfolgreiche Verhandlungen, wenn es
um den Haushalt des Bundesinnenministeriums geht.
Danke schön.
({8})
Für die Fraktion Die Linke hat der Kollege Dr. André
Hahn das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt
im Einzelplan des Innenministeriums eine ganze Reihe
von Themen, über die es sich hier zu sprechen lohnt. Ich
will mich auf drei Punkte konzentrieren.
Zunächst zur Sportpolitik. Im Etat des BMI gibt es im
Vergleich zum Vorjahr für den Sport lediglich eine Anhebung von rund 2,7 Millionen Euro, also nicht 8 Millionen Euro, wie bisweilen in den Medien angekündigt.
Diese geringe Erhöhung wird auch den vom Deutschen
Olympischen Sportbund benannten aktuellen Aufgaben
nicht einmal ansatzweise gerecht. Ich nenne nur das
Thema Sportstätten. Im März 2010 wurde der Goldene
Plan Ost ersatzlos gestrichen. Die Linke fordert seither
nachdrücklich die Neuauflage eines bundesweiten Förderprogramms.
({0})
Denn die Situation vieler Sportstätten ist katastrophal.
Der Sanierungsstau wird auf 42 Milliarden Euro geschätzt.
({1})
Um hier gegenzusteuern, muss auch der Bund wieder
seinen Beitrag leisten.
Ein wichtiger Teil der Sportförderung des Bundes ist
die Beschäftigung von Spitzensportlern und deren Trainern bei Bundeswehr, Bundespolizei, Zoll und anderen
Behörden. Laut einer Antwort der Bundesregierung auf
meine Anfrage sind das derzeit 971 Stellen, darunter 76
für Trainer. Davon bekommt der Behindertensport lediglich 1,7 Prozent, darunter ist nicht ein einziger Trainer.
Das ist nicht nur mit Blick auf die Ergebnisse der Olympischen und Paralympischen Spiele in Sotschi völlig unangemessen und muss sich dringend ändern.
({2})
Inakzeptabel ist auch die geplante Kürzung der Mittel
für die Programme „Jugend trainiert für Olympia“ und
für die Paralympics. Hier wird auf dem Rücken von
Schülerinnen und Schülern versucht, die Länder zur Mitfinanzierung der Nationalen Anti Doping Agentur zu bewegen.
Nun einige Anmerkungen zum Katastrophenschutz
- auch Herr Mayer hat eben davon gesprochen -, konkret zum Technischen Hilfswerk. Das THW steht aktuell
vor riesigen Herausforderungen. Einzelne Liegenschaften sind wegen Brandschutz- und Baumängeln von
Schließung bedroht. 44 Prozent des Fahrzeugbestandes
sind älter als 25 Jahre. Der zusätzliche Finanzbedarf
wird beim THW auf über 30 Millionen Euro beziffert.
Ich bin Realist genug, zu erkennen, dass dieser Betrag
wohl nicht in voller Höhe in den Haushalt eingestellt
werden wird. Aber es gibt drei Dinge, die unbedingt umgesetzt werden müssen.
Erstens: eine Anhebung der Selbstbewirtschaftungsmittel der Ortsverbände um 5 Millionen Euro. Hier ist
der Effekt am größten. Ausbildung, Helferwerbung und
Jugendarbeit werden davon finanziert. Es geht schlicht
darum, die Handlungsfähigkeit des THW zu erhalten;
denn bei den Einsätzen geht es oft auch um den Schutz
von Menschenleben.
({3})
Zweitens. Für die dringend erforderliche Erneuerung
von Fahrzeugen und Geräten müssen aus unserer Sicht
mindestens 5 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt
werden.
Drittens. 2 Millionen Euro zusätzlich im Bereich der
überörtlichen Ausbildung dienen der Bewältigung neuer
Herausforderungen, vom Digitalfunk bis zur Sicherung
gefährdeter Infrastruktur.
2015 kommen noch größere Probleme auf das THW
zu. Die heftigen Mietsteigerungen werden wohl nur
noch zulasten von Investitionen in Fahrzeuge und Geräte
zu bewältigen sein. Deshalb ist eine Verstetigung der
Mittelerhöhung nötig. Nach Ihrer Rede, Herr Kollege
Mayer, hoffe ich sehr, dass wir hier an einem Strang ziehen. Sie sind ja auch Präsident des Helfervereins des
THW. Ich glaube, wir müssen hier dringend etwas tun.
({4})
Abschließend noch einige Anmerkungen zum Thema
Geheimdienste. Hier sehen wir Linke durchaus erhebliche Einsparpotenziale. Wir werden die NSA-Affäre im
Untersuchungsausschuss noch detailliert aufarbeiten,
aber eines kann man doch schon jetzt sagen: Die Spionageabwehr, für die der Verfassungsschutz zuständig ist,
hat angesichts der von Edward Snowden aufgedeckten
millionenfachen Ausspähung deutscher Bürger, aber
auch von Wirtschaftsunternehmen eklatant versagt. Wer
nicht einmal mitbekommt, dass über Jahre das Handy
und der Mailverkehr der Kanzlerin abgeschöpft werden,
der stellt seine Existenzberechtigung selbst infrage.
({5})
Da nun endlich auch die Überwachung der Bundestagsabgeordneten der Linken eingestellt worden ist,
könnten die bislang damit befassten sieben Mitarbeiter
des BfV sicher anderweitig sinnvoll eingesetzt werden.
({6})
Darüber hinaus will die Linke endlich mehr Transparenz bei der Mittelverwendung beim Verfassungsschutz,
und das fängt bei der Haushaltsaufstellung an. Sehr geehrter Herr de Maizière, ich hätte nie vermutet, dass ich
nach den vielen Jahren im Landtag noch einmal in die
Verlegenheit komme, die Sächsische Staatsregierung zu
loben. Aber im Haushalt gibt es dort deutlich mehr öffentlich zugängliche Informationen. Jeder kann erfahren,
wie viel Geld beim Verfassungsschutz ausgegeben wird,
was man für Öffentlichkeitsarbeit aufwendet, wie viel
die technische Ausstattung kostet. Selbst der konkrete
Stellenplan für den Verfassungsschutz wird vom Landtag beschlossen. Davon sind wir auf Bundesebene meilenweit entfernt.
Deshalb meine abschließende Bitte: Lassen Sie uns
die Geheimniskrämerei endlich beenden.
({7})
Die Etats der Nachrichtendienste gehören nicht in das
sogenannte Vertrauensgremium, sondern in den zuständigen Haushaltsausschuss und müssen letztlich hier im
Parlament öffentlich debattiert werden.
Herzlichen Dank.
({8})
Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege
Dr. André Berghegger das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! In unserer
sozialen Marktwirtschaft ist und bleibt der Staat Hüter
der Ordnung. Im Mittelpunkt unseres innenpolitischen
Handelns steht natürlich die innere Sicherheit. Sicherheit
und Freiheit bedingen sich dabei. Wir müssen bei jeder
staatlichen Maßnahme eine grundlegende Abwägung
zwischen Sicherheit auf der einen Seite und der Einschränkung der Freiheit auf der anderen Seite bedenken.
Dabei können wir selbstbewusst, aber umsichtig handeln. Wir sollten dankbar sein, in einem sicheren und in
diesem Sinne freien Land in Europa zu leben.
Doch der Blick in andere Teile der Welt zeigt: Leider
gibt es noch immer viele Regionen, in denen stabile Verhältnisse fehlen und in denen die Menschen in Angst und
Schrecken leben. An demokratische Wahlen ist in solchen Situationen kaum zu denken. Daher bin ich der
Bundeskanzlerin dankbar, dass sie sich gemeinsam mit
den europäischen Partnern für Stabilität und letztendlich
auch für die Freiheit der Menschen in diesen Regionen
einsetzt.
Der Bundesinnenminister hat kürzlich einmal gesagt,
er verstehe sein Ministerium als „Bürgerministerium“,
das heißt als Dienstleister für die Bürger. Dieser Einzelplan umfasst - wir haben es schon mehrfach gehört - einen Gesamtansatz von rund 5,8 Milliarden Euro, ein
Großteil davon, rund zwei Drittel, entfällt auf den Bereich der inneren Sicherheit. Das war in den Jahren zuvor bereits so, und das halte ich auch für richtig.
In diesem Einzelplan findet sich ein bunter Strauß an
Themen: das THW, das Bundesinstitut für Sportwissenschaft, die Bundeszentrale für politische Bildung. Zu
diesem Bereich zählen aber auch die Fragen der Kirchen
und Religionsgemeinschaften sowie die Organisation
der öffentlichen Verwaltung. Die Stichworte „Bürokratieabbau“ und „Verwaltungsmodernisierung“ fallen uns
hierzu sofort ein.
Zwei Felder möchte ich gerne betonen:
Zum einen die Bundespolizei. Deren Etat beträgt rund
2,5 Milliarden Euro. Das ist nahezu die Hälfte des gesamten Einzelplans. Hier wird es zusätzliche Mittel geben, und zwar für die IT-Infrastruktur. Denn im Zusammenhang mit der NSA-Affäre ist deutlich geworden
- auch das haben wir schon mehrfach betont -, dass unsere Sicherheitsbehörden hier gestärkt werden müssen.
Auch die von Herrn Mayer vorhin angesprochenen Vorfälle um die zunächst rund 16 Millionen und aktuell
18 Millionen geknackten E-Mail-Konten zeigen uns,
dass wir die IT-Sicherheit unbedingt ausbauen müssen.
Die Arbeit des BSI ist dabei deutlich zu unterstützen.
Der Großteil der Mittel für die Bundespolizei ist naturgemäß für das Personal erforderlich. Hier sehen wir
eine gute Entwicklung. Auf eine pauschale Stelleneinsparung wie in den Vorjahren wird verzichtet. Im Gegenteil: Es gibt Stellenanhebungen. So ist ein Programm
vorgesehen, mit dem in den nächsten Jahren insgesamt
über 1 300 Stellen bei der Bundespolizei angehoben
werden, in diesem Jahr die ersten 350. Das schafft Raum
für verdiente Beförderungen, motiviert die Mitarbeiter
und steigert die Attraktivität des Arbeitgebers. Denn
auch die Bundespolizei muss sich im Hinblick auf den
demografischen Wandel immer wieder darüber Gedanken machen, wie sie sich als interessanter Arbeitgeber
für Nachwuchskräfte darstellen kann. Das muss auch so
bleiben.
Das zweite Stichwort ist im Hinblick auf den Bereich
Zuwanderung, Integration und nationale Minderheiten:
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Erinnern Sie
sich bitte an die aktuellen Diskussionen, die wir zu diesen Themen geführt haben. Hier stellen wir zusätzliche
Mittel zur Verfügung: in diesem Jahr weitere 14 Millionen Euro als Sachmittel. Daneben sollen, wie zitiert,
300 zusätzliche Stellen geschaffen werden.
Das ist richtig und notwendig; denn das Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge ist zentral zuständig für
die Asylfragen in Deutschland. Zuletzt gab es einen Anstieg der Asylbewerberzahlen. Denn Deutschland ist ein
Land, das von vielen Menschen auf der ganzen Welt als
sicherer Ort angesehen wird, um Krieg und Elend in der
Heimat zu entgehen. Unser christliches Verständnis verlangt von uns, diesen Menschen in angemessener Form
zu helfen. Dazu gehört aus meiner Sicht auch ein zügiges Asylverfahren. Es ist unser erklärtes, aber ehrgeiziges Ziel, die Dauer der Asylverfahren auf eine regelmäßige Zeit von drei Monaten zu verkürzen. Das sind nur
zwei Beispiele dafür, dass die Bundesregierung mit Augenmaß auf bestehende Herausforderungen reagiert.
Dies alles zeigt aber: Wir haben viele Handlungsfelder mit großer Bedeutung für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Manchmal fällt uns deren Bedeutung
erst dann wirklich auf, wenn einmal nicht alles wie vorgesehen funktioniert. Die Bürger akzeptieren ein Gemeinwesen aber nur dann - das ist meine feste Überzeugung -, wenn es auf funktionierenden Strukturen beruht.
Hierfür müssen wir Vorsorge treffen.
Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bei all denjenigen bedanken, die durch ihren vorbildlichen Dienst einen so großen Beitrag für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und damit für unser
Land leisten.
({0})
Insbesondere möchte ich werben für die Solidarität mit
unseren Polizisten, die den Rechtsstaat vertreten und damit unsere Freiheit schützen.
In diesem Zusammenhang, Herr Minister, möchte ich
auch die jüngsten Tarifverhandlungen erwähnen. Ich
möchte Ihnen danken. Es freut mich, dass die gute und
wichtige Arbeit der Beschäftigten im öffentlichen Dienst
honoriert wird, auch wenn das für die öffentlichen Kassen eine große finanzielle Kraftanstrengung darstellen
wird.
Wir setzen auf Kontinuität und Solidität. Bewährtes
wird fortgesetzt; wenn erforderlich, werden wir umschichten. Denn bei allem wollen wir unser übergeordnetes Ziel im Blick behalten, 2014 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt und 2015 einen Bundeshaushalt
ohne neue Schulden zu erreichen. Das kann man gar
nicht oft genug betonen. Dieser historischen Chance waren wir noch nie so nahe wie jetzt. Die erfolgreiche
Finanzpolitik unter der Federführung der Bundeskanzlerin und des Finanzministers Wolfgang Schäuble ist kein
Selbstzweck, sondern ist nachhaltig im Sinne von generationengerecht, und sie schafft finanzielle Freiräume für
die Zukunft, für andere Politikfelder, vielleicht auch für
diesen Einzelplan.
Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, für einen ausgewogenen Etat des Bundesinnenministers zu sorgen.
Dazu ist der Entwurf eine solide Grundlage. Ich freue
mich auf die angenehmen Gespräche. Lassen Sie uns das
Beste daraus machen!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({1})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Anja Hajduk das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Es ist schon darauf hingewiesen worden, welches Volumen dieser Haushalt hat: knapp 5,8 Milliarden
Euro, davon zwei Drittel für die innere Sicherheit - bei
einem insgesamt sehr großen und breiten Aufgabenspektrum.
Sie, Herr Minister, haben gesagt: Es kommt darauf
an, auch bei knappen oder zumindest nicht überreichlich
vorhandenen öffentlichen Mitteln handlungsfähig zu
bleiben. - Ich möchte Sie zu diesem Terminus fragen, ob
Sie als Regierung vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH zur Vorratsdatenspeicherung jetzt wirklich handlungsfähig bleiben werden. Das ist mir noch ein
bisschen unklar. Ich möchte dem Minister Maas, der in
der Debatte zum nächsten Einzelplan sprechen wird
- wir hoffen, dass er etwas zu diesem Thema sagt -, zurufen: Herr Maas, Nichtstun wäre hier gute Bürgerrechtlerpflicht!
({0})
Ich möchte jetzt natürlich auf den Etat des Ministers
de Maizière eingehen und einen wichtigen Aufgabenbereich ansprechen, den der Integration und der Migration.
Sie haben im Koalitionsvertrag einen hohen Anspruch
formuliert, nämlich bei den Integrationskursen Verbesserungen herbeizuführen. Wir wissen aus den aktuellen
Gesprächen, dass es eine erhöhte Inanspruchnahme der
Kurse geben wird. Sie wollen die Qualität durch Zielgruppendifferenzierung und auch durch die Größe der
Kurse an sich verbessern. Weil das so ist, wissen wir
mittlerweile auch, dass es einen Mehrbedarf von 45 Millionen Euro in diesem Bereich gibt. Sie haben allerdings
eine kleine Kürzung vorgenommen und nur 204 Millionen Euro eingestellt. Schon zu Beginn der Beratung wissen wir also: Da fehlen 45 Millionen Euro. - Vor dem
Hintergrund Ihrer eigenen Zielsetzung aus dem Koalitionsvertrag ist das keine solide Vorlage für die Haushaltsberatungen - es fehlen 20 bis 25 Prozent -, und das
ist ein ganz schöner Skandal.
({1})
Ich interpretiere das einmal so, dass Sie jetzt Hoffnung in das Parlament setzen; denn es gibt im Finanzministerium noch eine „Wundertüte“ in Form eines Topfes von 500 Millionen Euro, mit dem alle Ressorts
glücklich gemacht werden sollen. Ich hoffe, dass Sie in
der Großen Koalition die Verantwortung für die Integration ernst nehmen und der mangelnden Finanzausstattung in diesem Zuständigkeitsbereich des Bundesinnenministers etwas entgegensetzen werden.
({2})
Herr de Maizière, Sie haben beim Thema Umgang
mit Flüchtlingen von der humanitären Verantwortung
gesprochen. Mein Vorredner hat gerade gesagt, die Regierung hätte hier mit Blick auf die zunehmende Anzahl
von Asylanträgen Vorsorge getroffen. Ich möchte Ihnen
da erwidern: Das kann ich nach einer sorgfältigen Analyse leider nicht erkennen.
Sie sagen selbst, Sie gehen davon aus, dass es
140 000 bis 150 000 neue Anträge und 20 000 Folgeanträge gibt. Über 100 000 Anträge ist noch nicht entschieden. Das BAMF, das zuständige Bundesamt, hat
vor diesem Hintergrund deutlich gemacht: Wir brauchen
eigentlich 900 zusätzliche Mitarbeiter, um eine korrekte
und gute Bearbeitung dieser Anträge sicherzustellen. Sie
sehen sich jetzt aber nur in der Lage, 300 neue Stellen zu
schaffen. Daran sieht man schon, dass Sie auf die reale
Herausforderung, die auf Deutschland zukommt, keine
angemessene Antwort haben und dass Sie gar nicht darauf vorbereitet sind - weder haushalterisch noch personell -, diesen Bereich seriös abzuarbeiten und schon gar
nicht das selbst gesteckte Ziel der Verfahrensverkürzung
hinzubekommen. Ich kann Ihnen nur zurufen: Diese Herausforderung bekommen Sie nicht in den Griff, indem
Sie den Begriff von den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten ausweiten. Bei dieser Frage werden Sie
auch noch ein saftiges Koalitionsproblem zu lösen haben.
({3})
Ich komme noch auf einen weiteren Punkt zu sprechen.
Es war eine überfällige Entscheidung, ein zweites Aufnahmekontingent für syrische Flüchtlinge am 23. Dezember - endlich - zu beschließen. Es hat mich aber
verärgert, dass Sie im März dieses Jahres bei der Kabinettsentscheidung zum Haushalt keine zusätzlichen
Haushaltsmittel bereitgestellt haben. Ich frage mich, warum Sie so handeln. Das ist kein ehrlicher Entwurf. Wir
werden natürlich versuchen, da nachzubessern. Im Bereich Integration und Migration sieht es relativ traurig
aus.
Ich möchte zum Abschluss noch einen anderen Bereich ansprechen, auch wenn die Dinge, die ich bisher
dargelegt habe, für eine solide Etataufstellung nichts Gutes erahnen lassen. Herr Minister, das Innenministerium
steht vor großen Herausforderungen im Bereich ITInfrastruktur; wir haben da mit Blick auf zukünftige
wichtige Investitionsstrategien noch vieles zu beraten
und zu planen. Dazu gehören die Netze des Bundes, Folgen aus dem NSA-Skandal, der große Bereich der Netzsicherheit und eine erfolgreiche Spionageabwehr.
In diesem Bereich brauchen wir sicherlich eine neue
Investitionsstrategie. Dazu gehören effizientere Netzinvestitionen und wahrscheinlich auch entsprechende
parlamentarische Strukturen, um diese Maßnahmen zu
begleiten. Das sage ich vor dem Hintergrund, dass wir
hinsichtlich der Einführung des Digitalfunks - das ist
eine sehr alte und lange Geschichte - heute realisieren
müssen, dass es zu wenig Flexibilität und auch vielleicht
zu wenig Kontrolle gab. Jetzt müssen wir die Restinvestitionen in eine Struktur tätigen, die dem technologischen Fortschritt eigentlich nicht mehr gerecht wird. Ich
hoffe, dass wir das bei den zukünftigen Investitionen in
die IT-Infrastruktur besser machen. Dabei lassen wir uns
auch in die Pflicht nehmen.
Herzlichen Dank.
({4})
Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Fograscher das
Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Wir wollen nachhaltig ausgeglichene Haushalte.
Wir werden Einnahmen und Ausgaben des Bundes
so gestalten, dass der Bund ab dem Jahr 2014 einen
strukturell ausgeglichenen Haushalt und beginnend
mit dem Jahr 2015 einen Haushalt ohne Nettoneuverschuldung aufstellt.
So heißt es im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU
und SPD. Der vorliegende Haushaltsentwurf für das laufende Jahr wird dem gerecht. Ja, wir verzichten auf Steuererhöhungen.
Der Gesamtansatz für den Haushalt beträgt 2014 rund
5,8 Milliarden Euro. Das sind etwa 1,3 Prozent weniger
als das Soll des Haushaltsjahres 2013 und gut 5 Prozent
weniger als das Ist in 2013. Damit trägt der Haushalt des
BMI zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes bei. Der
größte Teil der finanziellen Mittel im Einzelplan 06 ist
an Personalausgaben gebunden. Es bleiben daher kaum
Spielräume für Veränderungen und Verschiebungen innerhalb des Einzelplans. Trotzdem gibt es aber einige
Aufgaben, bei denen wir Schwerpunkte setzen und uns
stärker engagieren müssen und wollen, als der Etat es
derzeit vorsieht. Ich stimme dem Kollegen Mayer ausdrücklich zu: Es wird in Zukunft nicht ohne ein Mehr an
finanziellen Ressourcen gehen.
Das gilt zum Beispiel für die personelle Ausstattung
des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Für die
zügige Bearbeitung der Asylanträge braucht das Bundesamt in den nächsten Jahren mehr Personal. Es ist richtig
und wichtig, dass wir dem Bundesamt in den nächsten
Jahren einen Personalaufwuchs von rund 900 Stellen,
Frau Hajduk, zugesagt haben. In diesem Jahr beginnen
wir mit dem ersten Schritt und planen 300 zusätzliche
Stellen ein. Das Thema Integrationskurse greift mein
Kollege Castellucci nachher auf.
Zum Thema THW. Mit dem THW verfügen wir über
eine vorbildliche Organisation, die nicht nur in Deutschland, sondern weltweit bei Katastrophen im Einsatz ist:
gerade aktuell beim Öleinsatz an den Ostseestränden
oder beim Aufbau der Wasserversorgung nach dem Taifun „Haiyan“ auf den Philippinen oder bei der Wiederherstellung der Stromversorgung nach einem heftigen
Winter in Slowenien.
Das THW, das zu 99 Prozent aus Ehrenamtlichen besteht, ist immer da, wo es gebraucht wird. Doch steht das
THW nach dem Aussetzen der Wehrpflicht vor neuen
Herausforderungen. Etwa jeder dritte ehrenamtliche
Helfer hat anstelle des Wehrdienstes Ersatzdienst beim
THW geleistet. Mehr als zwei Drittel blieben nach dem
Ende des Ersatzdienstes beim THW. Um die Einsatzfähigkeit des THW garantieren zu können, bedarf es Menschen, die sich dort langfristig engagieren. Deshalb ist es
notwendig, die Ortsverbände zu stärken. Die im Entwurf
vorgesehene Kürzung der Mittel für die Ortsverbände
wird den Herausforderungen, vor denen das THW steht,
nicht gerecht. Wir sind uns einig, dass wir im Laufe des
parlamentarischen Verfahrens und spätestens im Haushalt 2015 die Mittel für die THW-Ortsverbände erhöhen
müssen.
({0})
Wir haben vor kurzem interfraktionell in diesem
Hause nochmals bekräftigt, die Empfehlungen des NSUUntersuchungsausschusses umzusetzen. Neben internen
Veränderungen in den Sicherheitsbehörden und einer
verstärkten Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, dem Bundesamt und den Landesämtern für Verfassungsschutz, werden wir in Zukunft auch in diesem Bereich in Personal und Ausstattung investieren müssen.
Wir müssen und wollen die Kräfte im Kampf gegen
Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit bündeln. Dazu bedarf es einer langfristigen
Finanzierung von vorbildlichen, wirkungsvollen Präventionsprojekten. Wir begrüßen es, dass die sogenannte
Extremismusklausel abgeschafft wurde.
({1})
Das stellt die Zusammenarbeit von Staat und Zivilgesellschaft auf eine vertrauensvolle Basis.
({2})
Wichtig bleibt auch die Stärkung der interkulturellen
Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes. Nur wer sensibilisiert ist, kann
rechtsextreme, antisemitische und fremdenfeindliche
Motive und Entwicklungen frühzeitig erkennen und dagegen angehen.
Wir müssen dafür sorgen, dass das Wissen, die Erfahrung und die Kontakte zu zivilgesellschaftlichen Akteuren beim Kampf gegen Rechtsextremismus nicht verloren gehen. Ich nenne als Beispiel die Geschäftsstelle des
„Bündnisses für Demokratie und Toleranz - gegen
Extremismus und Gewalt“. Sie ist inzwischen bei der
Bundeszentrale für politische Bildung angesiedelt. Sie
verfügt über kompetente und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Einige von ihnen haben leider nur
einen befristeten Arbeitsvertrag. Läuft der Vertrag aus,
verlieren das Bündnis und somit wir als Staat wichtiges
Know-how und unverzichtbare Kontakte. Das müssen
wir dringend ändern. Das Gleiche gilt im Übrigen auch
für den öffentlichen Dienst. Hier gehen dem Bund in
vielen Bereichen qualifizierte Nachwuchskräfte verloren, weil die Zeit bis zum Freiwerden einer entsprechenden Planstelle oftmals nicht überbrückt werden kann.
Die NSA-Affäre und der Diebstahl von Passwörtern
haben uns gezeigt: Unsere Daten sind nicht sicher. Hier
gibt es Handlungsbedarf. Deutschland und Europa sind
in sehr vielen Bereichen der digitalen Gesellschaft, bei
Hard- und Software, bei Internetdiensten und - der
Minister hat darauf hingewiesen - kritischen Infrastrukturen, von Zulieferern aus den USA und Asien abhängig.
Wir werden diese Abhängigkeiten überprüfen und Fähigkeiten und Hersteller in Deutschland und Europa stärken. Wir brauchen eine Bestandsaufnahme der Gefahren
durch technische Manipulationen für die Nutzer der digitalen Infrastruktur. Unsere Ziele sind dabei die Verbesserung der IT-Sicherheit, die auch ein positiver Standortfaktor ist, mehr Datenschutz, mehr Datensicherheit,
Spionageabwehr und die Förderung des vermehrten Einsatzes von Verschlüsselungstechniken.
Diese Ziele liegen im Interesse der Bundesregierung
und des Bundesinnenministeriums; denn die Modernisierung der Verwaltung und der Abbau von Bürokratie,
zum Beispiel durch den Ausbau des E-Governments,
werden nur funktionieren, wenn die Kommunikation der
Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft sicher ist
und die übermittelten Daten geschützt sind. Mehr Investitionen in diesem Bereich sind somit im Interesse der
Bevölkerung und der öffentlichen Hand. Das Bundesamt
für Sicherheit in der Informationstechnik, das auch im
aktuellen Fall von Passwortdiebstahl den Bürgerinnen
und Bürgern mit einer eigens dafür eingerichteten Internetseite hilft, gewinnt deshalb im digitalen Zeitalter immer mehr an Bedeutung und muss auch in Zukunft gestärkt werden.
Mit knapp 2 Prozent Anteil am Gesamthaushalt steht
der Haushalt des Bundesministeriums des Innern vor
großen Herausforderungen. Ich hoffe auf konstruktive
Beratungen in den Ausschüssen. Wir werden diesen Herausforderungen gerecht werden.
Danke schön.
({3})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Barbara Woltmann,
CDU/CSU.
({0})
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Keine Steuererhöhungen, keine Neuverschuldung und
stabile Staatsfinanzen - das waren die zentralen Forderungen von CDU und CSU im vergangenen Bundestagswahlkampf. Und das sind auch weiterhin unsere Kernforderungen, an denen wir unabdingbar festhalten.
({0})
Der vorliegende Haushaltsentwurf erfüllt diese Forderungen. Er orientiert sich im Wesentlichen auch an den
Vereinbarungen des Koalitionsvertrages; Frau Kollegin
Fograscher hatte daraus ja eben zitiert. Im Koalitionsvertrag haben wir festgelegt, dass in diesem Jahr ein strukturell ausgeglichener Haushalt und ab 2015 ein Haushalt
ohne Nettoneuverschuldung aufzustellen ist. Mit diesen
klaren finanzpolitischen Aussagen ist der Rahmen gesetzt.
Es ist natürlich immer ein Leichtes, Wünsche nach
Mehrausgaben zu formulieren. Da fällt sicher jedem von
uns etwas ein.
({1})
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Gebot der Stunde heißt: strukturelle Defizite abbauen, für
Haushaltskonsolidierung sorgen und das vorhandene
Geld richtig einsetzen. Darüber, wie wir das vorhandene
Geld richtig einsetzen, können wir uns dann unterhalten.
Der Bürger jedoch - das sei an dieser Stelle auch gesagt - honoriert es keineswegs, wenn Parteien große
Wahlversprechen machen und ihnen dann beim Thema
Haushaltskonsolidierung nur Steuererhöhungen einfallen. Dass das der Bürger nicht honoriert, hat das Ergebnis der letzten Bundestagswahl eindrucksvoll bewiesen.
({2})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, so leicht
dürfen wir es uns auch aus einem anderen Grund nicht
machen: Wir tragen eine Verantwortung der nachfolgenden Generation gegenüber. Ich möchte, dass Ihre und
meine Kinder auch noch über genügend finanziellen
Gestaltungsspielraum verfügen, um ihre eigenen Vorstellungen, Wünsche und Erfordernisse realisieren zu
können. In Zukunft geht daher kein Weg an diesen Haushaltsgrundsätzen vorbei. Dieser Haushalt zeigt auf, dass
das geht; er weist in die richtige Richtung.
Der Einzelplan 06 - wir haben es bereits gehört - mit
seinen 5,8 Milliarden Euro ist kein ganz großer Haushalt, und er lässt wegen vieler Fixkosten auch nicht ganz
so viel Spielraum. Aber trotzdem - ich denke, da können
wir alle sehr froh sein - gibt es einen gewissen kleinen
Spielraum, sodass wir in wichtigen Bereichen - meine
Vorredner sind schon darauf eingegangen - doch eine
gewisse Entlastung erreichen können.
Auch ich will hier das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge nennen, das mehr Sachmittel und mehr Personal erhält. Etwa 300 zusätzliche Stellen sind eingeplant; wir haben es bereits gehört. Es ist außerordentlich
wichtig, dass die Asylverfahren kürzer werden.
({3})
Ich möchte an dieser Stelle einen Gedanken einfügen:
Der Bürger möchte, dass die Asylbewerber, die kein
Bleiberecht erhalten, das Land wieder verlassen. Das erhöht die Akzeptanz dessen, was wir hier tun.
Zusätzliche Mittel soll es auch für das Bundesamt für
Verfassungsschutz, für das BSI und für das BKA geben.
Auch die Bundespolizei soll zur Festigung der IT-Infrastruktur etwas mehr Geld erhalten. Es ist ja heute hier
schon erwähnt worden, dass es dringend notwendig ist,
hier mehr Mittel bereitzustellen. Ich denke, es ist auch
außerordentlich wichtig, dass insbesondere der gehobene und der mittlere Polizeivollzugsdienst bei der Bundespolizei im Rahmen des bereits mit dem BMF vereinbarten vierjährigen Programms von Stellenanhebungen
profitieren werden. Das trägt vor allen Dingen zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes bei. Wir müssen
insgesamt sehr viel mehr tun, um die Attraktivität des öffentlichen Dienstes zu erhalten.
Das THW hat sehr viele Fürsprecher; das haben wir
gerade schon gehört. Auch ich konnte mich vor Ort von
der guten Arbeit vor allen Dingen auch der ehrenamtlichen Mitarbeiter überzeugen. Vor dem Hintergrund der
Hinweise zur Infrastruktur und zum technischen Gerät
müssen wir schauen, was wir da noch tun können; darüber müssen wir noch einmal reden. Es muss zumindest
nach und nach mehr investiert werden, damit es hinterher nicht zu einem großen Investitionsstau kommt, den
wir dann nicht mehr in den Griff bekommen.
Ich bin froh, dass uns die Abschmelzung der globalen
Minderausgabe, zu der es in den nächsten Jahren kommt,
einen gewissen Spielraum geben wird.
Ich möchte kurz etwas zu den prioritären Maßnahmen
mit einem Volumen von 23 Milliarden Euro sagen, die
wir im Koalitionsvertrag festgelegt haben. Es sind im
Wesentlichen Maßnahmen, die unseren Kommunen direkt oder indirekt zugutekommen. Wir lassen uns das
hier nicht schlechtreden. Es wird zwar viel kritisiert;
aber man muss doch mal festhalten, dass der Bund sehr
viel Geld zur Unterstützung der Kommunen in die Hand
nimmt, obwohl er nicht zuständig ist. Zuständig sind
nämlich die Länder, wie hier auch schon erwähnt worden ist.
({4})
Hier seien nur die letzte Stufe der Übernahme der
Kosten der Grundsicherung im Alter im Umfang von
1,1 Milliarden Euro und die Unterstützung bei der Eingliederungshilfe ab 2018 im Umfang von 5 Milliarden
Euro per annum erwähnt;
({5})
bis dahin erhalten die Kommunen - 2015, 2016 und
2017 - eine Unterstützung in Höhe von jeweils 1 Milliarde Euro.
({6})
Letzten Endes kommen auch die weiter vorgesehenen
Milliarden für die Städtebauförderung und die Verkehrsinfrastruktur und die 6 Milliarden Euro zur Unterstützung der Länder bei der Finanzierung von Kinderkrippen, Kitas, Schulen und Hochschulen den Kommunen
zugute. Wir werden allerdings darauf achten, dass dieses
Geld dann auch bei den Kommunen ankommt und nicht
an den Fingern der Länder kleben bleibt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Ergebnis bleibt festzuhalten: Angesichts aller finanzpolitischen Rahmenbedingungen liegt uns ein sehr guter
Haushaltsentwurf vor, der die Anforderungen, wie wir
sie im Koalitionsvertrag formuliert haben, voll und ganz
umsetzt. Wir haben nicht nur einen Entwurf mit einem
strukturell ausgeglichenen Haushalt vorliegen; nein, er
beinhaltet sogar einen strukturellen Überschuss von
0,07 Prozent, was immerhin 1,81 Milliarden Euro sind.
Alle im Koalitionsvertrag genannten Maßnahmen bis
10 Millionen Euro müssen zudem in den jeweiligen Einzelplänen des Haushaltes erwirtschaftet werden. Dafür
gibt es kein zusätzliches Geld. Wer - nur das kann die
Botschaft sein - weitere finanzielle Wünsche hat, der
muss dafür Deckungsvorschläge liefern.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({7})
Frau Kollegin Woltmann, das war Ihre erste Rede hier
im Deutschen Bundestag. Ich gratuliere Ihnen dazu und
wünsche Ihnen viele weitere Reden hier in unserem Parlament.
({0})
Nächster Redner ist der Kollege Lars Castellucci,
SPD.
({1})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Innenministerium ist das Ministerium für gutes Zusammenleben.
Aber es ist natürlich nicht alleine zuständig für gutes Zusammenleben: Alle sind vielmehr gefragt für gutes Zusammenleben, auch wir selbst sind gefragt. Die Basis für
gutes Zusammenleben ist Respekt. Zu Respekt gehört
für mich, Menschen vorurteilsfrei zu begegnen. Vor diesem Hintergrund finde ich es - seit ich diesem Gremium
angehöre, noch mehr - schwierig, dass wir, wenn wir
hier über Zuwanderung reden, häufig im nächsten Satz
sofort von Missbrauch und im übernächsten Satz sofort
von Kriminalität reden.
({0})
So schafft man keine gute Basis für gutes Zusammenleben, sondern das Gegenteil.
Nun stecken vielleicht sogar gute Vorstellungen dahinter, wenn zum Beispiel betont wird, dass es um die
Akzeptanz der Bevölkerung gehe. Selbstverständlich,
um die Akzeptanz der Bevölkerung muss es uns immer
gehen, und zwar bei allen Politikfeldern. Wer aber Zuwanderung, Sozialmissbrauch und Kriminalität immer in
einem Atemzug nennt, der schafft gerade keine Akzeptanz, sondern Vorurteile.
({1})
Nebenbei bemerkt: Damit trifft man auch die Zuwanderinnen und Zuwanderer, die man hier vielleicht lieber als
andere haben möchte, nämlich die Ingenieurin oder jemanden, der etwas von IT versteht. Willkommenskultur
und Fachkräftestrategien leistet man so jedenfalls einen
Bärendienst.
Dabei ist völlig klar - es steht ein aufrechter Protestant vor Ihnen -: Alle haben sich an die Spielregeln zu
halten. Das ist immer richtig. Spielregeln zeichnen sich
ja gerade dadurch aus, dass sie für alle gelten. Sie machen ja keinen Sinn, wenn sie nur für einige gelten. Also,
die Straßenverkehrsordnung gilt für alle, aber wir wissen, dass sich nicht alle daran halten. Die Steuergesetze
gelten für alle, aber wir wissen natürlich, dass sich nicht
immer alle daran halten,
({2})
und zwar nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund.
({3})
Meine Damen und Herren, Zusammenleben ist nie
konfliktfrei. Natürlich gibt es immer auch Probleme. An
die müssen wir ran, und das tun wir auch. Lieber Kollege Beck, wir stocken doch die Hilfen für die Städte, die
besonders von Zuwanderung betroffen sind, auf. Wir
stocken doch das Programm „Soziale Stadt“ auf. Es wird
wahrscheinlich viele sozialdemokratische Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter geben, vielleicht sind auch
noch ein paar grüne dabei, die dadurch eine gute Arbeit
machen können.
({4})
Das Innenministerium ist das Ministerium für gutes
Zusammenleben. Das heißt, wir gestalten Gesellschaftspolitik. Wir haben das Glück, dass die nicht immer Geld
kostet, wir also die schwarze Null nicht gefährden mit
dem, was wir tun. Das betrifft auch das Thema Optionspflicht. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die
Vorrednerinnen und Vorredner der Opposition eingehen.
Wir alle wissen: Bisher mussten Kinder von Eltern
mit ausländischer Herkunft mit Erreichen der Volljährigkeit in der Regel wählen, ob sie Deutsche werden wollen
oder die Nationalität der Eltern behalten möchten. In der
Praxis gab es damit Probleme, und es mussten bittere
Entscheidungen getroffen werden: Entscheidet man sich
für die deutsche Staatsbürgerschaft, dann kappt man
seine Wurzeln, entscheidet man sich für die Staatsbürgerschaft der Eltern, verliert man das Wahlrecht, bekommt vielleicht Probleme auf dem Arbeitsmarkt usw.,
und das, obwohl man in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, sich zum Beispiel in Vereinen engagiert
hat. - Die Große Koalition wird das nun beenden: Die
Optionspflicht fällt weg.
({5})
Das ist ein richtiger und wichtiger Schritt.
({6})
Herr Kollege Castellucci, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Beck?
Ja, gerne.
Wenn ich richtig informiert bin, fällt die Optionspflicht nicht weg, sondern das Kabinett hat einen Gesetzentwurf beschlossen, der die Optionspflicht an neue
Bedingungen knüpft. Vor dem Hintergrund dieses Gesetzentwurfs möchte ich Sie fragen, ob Sie mir erklären
können, welche sachlichen Überlegungen es dafür gibt,
dass jemand, der einen deutschen Hauptschulabschluss
hat, nicht optionspflichtig wird, während jemand, der ein
französisches Abitur, also Baccalauréat, oder eine österreichische Matura hat, optionspflichtig wird. Was ist der
Sinn dahinter?
({0})
- So steht es im Gesetzentwurf.
({1})
Herr Kollege Beck, erstens steht das so nicht im Gesetzentwurf, und zweitens muss man sich im Leben entscheiden, ob es irgendwann einmal von einem heißt:
„Ihm ist zu jeder Frage eine Maximalforderung eingefallen“, oder ob es von einem einmal heißen soll: „Er hat
etwas hingekriegt.“
({0})
Ich für meine Begriffe habe mich für die zweite Rolle
entschieden. Ich bin stolz, dass wir jetzt miteinander einen wichtigen Schritt hinbekommen.
({1})
Herr Kollege Beck, Sie wissen, dass aus Sicht der
SPD mehr drin gewesen wäre - das ist keine Frage -;
trotzdem halte ich den gefundenen Kompromiss für gut
und richtig. Er zeigt doch: Wir sind auf dem Weg; das ist
noch nicht das Ende des Weges, aber es ist ein wichtiger
Meilenstein hin zu einem modernen Staatsangehörigkeitsrecht.
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte fortfahren. Die Themen Integration und Migration sind wichtige Schwerpunkte in unserer Ausschussarbeit. Die Kollegin Fograscher ist auf das BAMF schon eingegangen.
Ich möchte noch einen Gedanken zu den Asylanträgen
einbringen. Ich glaube, Frau Hajduk, es ist richtig, jetzt
auf Qualität zu setzen und zu sagen: Das machen wir
Stück um Stück. - Die Ziele haben wir festgelegt.
({3})
Zu der Frage gehört für mich aber auch folgende Überlegung: Wenn in diesem Bereich angeblich so viel Missbrauch herrscht, sind das Kernproblem dann die Menschen, oder ist das Kernproblem, dass die rechtliche
Situation nicht wirklich tragfähig ist? In diesem Zusammenhang muss gesagt werden: Die europäische Flüchtlingspolitik hat ihre Defizite. Wir haben uns vorgenommen, dieses Thema anzugehen. Wir müssen da ran.
Ein weiteres Thema sind die Integrationskurse. Auch
in diesem Bereich wollen wir die Qualität verbessern;
das ist richtig. Wir wollen die Kurse näher zu den Menschen bringen. Auch wir sind nicht damit zufrieden, dass
es in diesem Bereich trotz eines Mehrbedarfs eine Absenkung im Haushaltsentwurf gibt. Das wird in den
fachlichen Beratungen eine Rolle spielen. Ich bin mir sicher, dass wir hier Bewegung in die Sache bringen können.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir alle miteinander und auch dieses Land lernen erst, was es heißt,
Zuwanderungsland zu sein. Der Bundestag ist ein Spiegel der Gesellschaft, und das zeichnet ihn ja aus. Das
heißt, wir werden miteinander ringen, aber wir kommen
auch miteinander voran.
Vielen Dank.
({4})
Als Nächstem erteile ich das Wort dem Kollegen
Dr. Reinhard Brandl, CDU/CSU.
({0})
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Der heute eingebrachte Haushalt ist der Beleg dafür,
dass die Große Koalition hält, was sie verspricht. Sie tut
dies auch im Geschäftsbereich des Bundesministeriums
des Innern. Auch dafür ist der Haushalt ein Beleg.
({0})
Im Geschäftsbereich des BMI ist der Rahmen der
Möglichkeiten, politische Akzente zu setzen, besonders
eng. Es handelt sich um einen Verwaltungshaushalt:
55 Prozent der Ausgaben sind Personalkosten, 95 Prozent der Ausgaben sind gesetzlich oder vertraglich gebunden und damit nicht disponibel. Dennoch ist es gelungen, etwa 50 Millionen Euro entsprechend unseren
politischen Zielsetzungen umzuschichten. Und diese haben wir in unserem Koalitionsvertrag beschrieben.
Ein Thema, das wir im Koalitionsvertrag beschrieben
haben und mit diesem Haushalt angehen, ist die Beschleunigung der Asylverfahren. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erhält 14 Millionen Euro für
Sachausgaben mehr und zusätzlich etwa 300 neue Stellen. Das wird kurzfristig helfen, den Antragsstau aufzulösen und die steigende Zahl der Anträge zu bewältigen,
und es wird langfristig helfen, die Verfahrensdauer zu
verkürzen. Aber Geld und Stellen sind dabei nur ein Teil
der Lösung. Wir brauchen auch qualifizierte Menschen,
um diese Stellen zu besetzen, und wir brauchen auch adäquate gesetzliche Rahmenbedingungen, nach denen
diese Menschen arbeiten können. Der Minister hat dazu
bereits einiges ausgeführt.
Der zweite wichtige Punkt aus dem Koalitionsvertrag
ist das Thema IT-Sicherheit. Wir als Bund haben ein
echtes Kompetenzzentrum für dieses Thema: das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Wie
wichtig dieses Kompetenzzentrum auch für den Bürger
ist, haben wir spätestens Mitte Januar dieses Jahres gesehen, als das BSI in hochprofessioneller Art und Weise
die Warnaktion bezüglich der gestohlenen Identitäten organisiert und auf den Weg gebracht hat. Wir erinnern
uns: 16 Millionen E-Mail-Adressen und die zugehörigen
Passwörter wurden entwendet. Das BSI hat daraufhin
die Internetseite sicherheitstest.bsi.de auf den Weg gebracht. Innerhalb weniger Wochen haben 30 Millionen
Menschen ihre E-Mail-Adresse dort eingegeben, um herauszufinden, ob sie betroffen sind. Darunter waren auch
1,6 Millionen E-Mail-Adressen mit gestohlenen Identitäten.
Seit letzter Woche gibt es einen neuen Fall. Diesmal
sind 18 Millionen E-Mail-Adressen betroffen. Stand von
heute, 12 Uhr, ist, dass seit gestern 9 Millionen Menschen das entsprechende Angebot des BSI in Anspruch
genommen haben. 270 000 der seit gestern überprüften
E-Mail-Adressen konnten dabei als gestohlene Identitäten identifiziert werden. Die Bürger wurden gewarnt.
Mit ihren Daten kann nun kein Missbrauch mehr stattfinden.
Meine Damen und Herren, die Aufbereitung dieser
Daten und die adäquate Warnung der Bürger, ohne dabei
selbst gegen den Datenschutz bzw. gegen Datensicherheitsbestimmungen zu verstoßen, erfordern einen enormen organisatorischen und logistischen Aufwand. Ich
möchte - ich glaube, dies kann ich im Namen des ganzen Hauses tun - heute den Menschen im BSI danken,
die das in hervorragender Weise organisiert haben.
({1})
Wir werden auch das BSI weiter stärken, jetzt erst
einmal mit 2 Millionen Euro jährlich mehr für die IT-Sicherheitsforschung und 3 Millionen Euro zusätzlich für
die Sicherung der Regierungskommunikation.
Damit sind wir beim nächsten Punkt aus dem Koalitionsvertrag: Stichworte NSA bzw. Spionageabwehr.
Auch hier ist Geld für die Verbesserung der IT-Sicherheit ein Teil der Lösung, aber nicht die ganze Lösung. Es
geht vielmehr um die Frage, wie wir in Europa und in
Deutschland ein Stück weit technologische Souveränität
zurückgewinnen.
({2})
Das wird uns in den nächsten Jahren noch an vielen Stellen beschäftigen. Auch bei der anstehenden Weiterentwicklung der IT-Infrastruktur des Bundes werden wir
über dieses Thema reden. Das geht weit über den aktuellen Haushalt des Bundesinnenministeriums hinaus. Aber
auch in diesem Haushalt werden die entsprechenden Ansätze verstärkt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz
erhält 4 Millionen Euro mehr und die Bundespolizei erhält 12 Millionen Euro mehr für die Stärkung der IT-Sicherheit.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich könnte die
Liste fortsetzen. Meine Vorredner sind ja bereits auf
viele Punkte eingegangen. Der Haushaltsentwurf enthält
Stellenhebungen bei der Bundespolizei, einen Aufwuchs
der Mittel bei der Spitzensportförderung, mehr Investitionen in E-Government und für den gesellschaftlichen
Zusammenhalt usw. Mir geht es aber nicht um die Vollständigkeit der Aufzählung, sondern mir geht es darum,
Ihnen in den wenigen Minuten Redezeit, die ich habe,
vor Augen zu führen, wie sich der Koalitionsvertrag
ganz konkret in dem Haushalt des Bundesministeriums
des Innern widerspiegelt. Ich möchte dem Bundesinnenminister ganz herzlich für die Vorlage dieses Haushaltsentwurfs danken. Er ist eine gute Vorlage für die weiteren Beratungen.
({3})
Verschiedene Vorredner haben es bereits angesprochen: Es gibt auch in diesem Haushaltsentwurf Bereiche,
an denen wir in den Beratungen noch weiter arbeiten
müssen. Frau Hajduk und Herr Castellucci haben zum
Beispiel das Thema Integrationskurse erwähnt. Auch das
THW wurde angesprochen. Ich kann auch für meinen
Mitberichterstatter Martin Gerster von der SPD sprechen:
({4})
In den vergangenen Wochen haben uns zahlreiche Kollegen aus den Wahlkreisen kontaktiert und uns deutlich
gemacht, wie wichtig das THW ist. Wir wissen das.
({5})
Wir wollen die Arbeit der Ehrenamtlichen fördern. Das
wird sich auch in den Haushaltsberatungen entsprechend
widerspiegeln.
({6})
Viel Zeit für die Beratungen haben wir ja nicht; wir
wollen den Haushalt - es ist ja der Haushalt für 2014 möglichst bald auf den Weg bringen, aber, meine Damen
und Herren, ich kann Ihnen versichern: Wir werden die
Zeit gut nutzen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({7})
Vielen Dank, Herr Kollege Brandl. - Als abschließendem Redner zu diesem Einzelplan erteile ich dem Kollegen Matthias Schmidt, SPD, das Wort.
({0})
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten
Damen und Herren auf den Zuschauertribünen! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Innenpolitik ist auch
Sportpolitik. Im Bundeshaushalt sind beide Politikfelder
in einem Einzelplan vereint. Wir hier im Bundestag haben uns entschieden, beides in verschiedenen Ausschüssen zu organisieren. Ich selbst bin Mitglied im Innenund im Sportausschuss und möchte meinen Schwerpunkt
jetzt auf die Sportpolitik legen.
Herr Minister, quasi als Obersatz: Sie haben einen ordentlichen und anständigen Entwurf des Sporthaushalts
vorgelegt. Hierfür gebührt Ihnen persönlich Dank, aber
selbstverständlich auch Ihren Kolleginnen und Kollegen
in der Sportabteilung. Ich bitte Sie, diesen Dank von uns
zu übermitteln. Die Kolleginnen und Kollegen mussten
ja bekanntlich zwei Entwürfe vorlegen, einen unter der
schwarz-gelben Regierung und jetzt aktuell einen neuen.
Ihre Botschaft von den 8 Millionen Euro mehr, Herr
Minister, ließ ja viele Sportlerinnen- und Sportlerherzen
höher schlagen, übrigens auch die Herzen von Funktionären. Aber wir sollten da etwas genauer hinschauen;
denn die 8 Millionen Euro mehr bezogen sich auf die
Ansätze im ersten, dem schwarz-gelben Regierungsentwurf.
({0})
Vergleicht man die Haushaltsansätze von 2013 und
2014, ergibt sich ein Mehr von 2,7 Millionen Euro für
den Sport. Auch das ist eine gute Botschaft.
({1})
Die erste Million davon kommt der NADA und damit
ihrem wichtigen und engagierten Kampf gegen Doping
zugute. Die Finanzierung der NADA ist und bleibt für
meine Fraktion ein wichtiges Anliegen. Aber - lassen
Sie mich auch das an dieser Stelle deutlich sagen - die
Finanzierung der NADA ist ein Gemeinschaftsprojekt
der sogenannten Stakeholder: des Sports, der Wirtschaft,
des Bundes und der Länder.
({2})
Die Länder sollten an dieser Stelle nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden; Herr Minister, Sie haben
darauf zu Recht hingewiesen. Bisher gibt es nur ein
Land, das an dieser Stelle seiner Verantwortung gerecht
wird und mitzahlt. Dies gilt es deutlich zu kritisieren.
Wir müssen schauen, welche Konsequenzen wir daraus
ziehen.
Kommen wir zu anderen Nachrichten, die dieser
Haushalt zu bieten hat. Der Spitzensport lebt von seinen
Wettkämpfen. Hier sind natürlich an zentraler Stelle
Olympische und Paralympische Spiele zu nennen. Die
gezielte Vorbereitung der Topteams der Spitzenathletinnen und -athleten auf die Wettkämpfe ist in jeder Hinsicht aufwendig und - Sie alle werden es sich denken
können - kostet Geld. Dieses Geld ist gut investiert. Wir
begrüßen es, dass der Haushalt hier einen deutlichen
Aufwuchs vorgesehen hat.
Dies gilt ebenso für die Förderung von IAT und FES,
in der Langfassung Institut für Angewandte Trainingswissenschaft bzw. Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten.
Lassen Sie mich zum FES ein paar Sätze sagen. In der
öffentlichen Debatte wird das FES oftmals leider nur mit
dem Bobsport verknüpft. Das greift viel zu kurz; der
Bob selbst wäre übrigens nach Aussage der Sportlerinnen und Sportler in Sotschi zu Gold gefahren, wenn er
nur schnell genug angeschoben worden wäre. Die Ergebnisse im Bobsport waren also nicht etwa die Folge eines
technischen Problems.
Was FES und IAT betrifft, möchte ich Sie bitten, sich
jeweils zwei Zahlen zu merken: beim FES die Zahlen
10 und 14, beim IAT die Zahlen 20 und 7. Das FES unterstützt derzeit die Tätigkeit von 10 Spitzenverbänden.
14 weitere Verbände stehen Schlange; sie würden gerne
gefördert werden, können aber nicht gefördert werden,
weil kein Geld dafür da ist. Beim IAT sind es 20 Spitzenverbände, die gefördert werden, und 7, die außen vor
bleiben, weil kein Geld da ist. Allein deswegen ist der
Mittelaufwuchs in diesem Bereich ein sehr gutes und ein
wichtiges Zeichen.
Matthias Schmidt ({3})
Besonders freut es mich, dass ein Teil dieses Fördermittelzuwachses dem Deutschen Behindertensportverband, DBS, zugutekommen soll; denn der DBS leistet
hervorragende Arbeit für unsere ganze Gesellschaft, er
lebt den Inklusionsgedanken. Ich selbst konnte mich gemeinsam mit dem Kollegen André Hahn bei den Paralympischen Spielen in Sotschi von den tollen Leistungen
der Sportlerinnen und Sportler überzeugen. Sie sind uns
ein Vorbild, in sportlicher und in menschlicher Hinsicht.
Darum ist es gut, dass der DBS stärker gefördert wird.
({4})
Ein wenig nachdenklich macht mich, dass die Fördermittel für „Jugend trainiert für Olympia“ und „Jugend
trainiert für Paralympics“ nach dem Haushaltsentwurf
um die Hälfte reduziert werden. Ich weiß nicht, wie es
Ihnen geht, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir waren
doch alle einmal Teil von „Jugend trainiert für Olympia“, haben mitgefiebert. Ich selbst bin über ein Landesfinale nie hinausgekommen. Ich wäre auch gern nach
Berlin gefahren und hätte da mitgemacht. Es sind doch
Hunderttausende von Jugendlichen, die an dieser Stelle
engagiert sind. Natürlich ist diese Veranstaltung eher
dem Breitensport zuzuordnen; aber allein die Bezeichnung „Bundesfinale“ legt doch auch eine gewisse Bundeszuständigkeit nahe. Und seit 2010 sind auch Kinder
und Jugendliche mit Behinderung dabei, im Rahmen von
„Jugend trainiert für Paralympics“. Der DBS hat uns im
Ausschuss gesagt, dass dies hervorragend ist, nicht allein
wegen der Spitze, des Bundesfinales in Berlin, sondern
auch weil an den Schulen, an der Basis, gemeinsame
Sportveranstaltungen gelebt werden. Ich fände es ein
schwieriges Zeichen, wenn wir jetzt an dieser Stelle kürzen. Ich würde mir wünschen, liebe Kolleginnen und
Kollegen, wir könnten im Ausschuss noch einmal intensiv darüber diskutieren.
({5})
Herr Präsident, ich habe Ihren Blick gespürt;
({6})
ich komme jetzt auch zum Schluss.
Das ist eine ganz besondere Gabe: diesen Blick zu
spüren.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sportpolitik ist auch Innenpolitik.
Engagieren wir uns gemeinsam weiterhin für die Menschen in unserem sportbegeisterten Land!
Vielen herzlichen Dank.
({0})
Vielen Dank, Herr Kollege Schmidt.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen
nicht vor.
Wir kommen deshalb jetzt zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Justiz.
Wir warten vielleicht noch kurz, bis die entsprechenden Wechsel auf den Sitzen stattgefunden und die Fachkollegen Platz genommen haben. - Ich denke, dass das
jetzt weitgehend erfolgt ist, und darf das Wort dem Bundesminister Heiko Maas erteilen.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Nachdem vorhin in der Debatte der
Etat des Kollegen de Maizière schon als nicht der größte
bezeichnet worden ist, kann ich Ihnen sagen:
({0})
Jetzt sind Sie beim kleinsten Etat dieser Bundesregierung. Aber dieser kleinste Etat ist - das werden Sie sicherlich schon erkannt haben - der Beweis dafür, dass
die absolute Höhe der Haushaltsmittel nichts mit der Bedeutung einer Aufgabe oder eines Ressorts zu tun hat.
Hinzu kommt - das sei bei einer Haushaltsdebatte einmal vorausgeschickt -, dass das Ministerium der Justiz
und für Verbraucherschutz eine Kostendeckungsquote
von 72,4 Prozent hat; das heißt, 72,4 Prozent unserer
Ausgaben erwirtschaften wir selber. Wenn das in der gesamten Bundesregierung so wäre, hätten wir weitaus weniger Probleme.
Meine Damen und Herren, ich habe Ende Januar wie
die Kolleginnen und Kollegen der Regierung insgesamt
die Möglichkeit gehabt, Ihnen vorzustellen, was wir uns
für dieses Jahr, insbesondere für die ersten Monate, im
Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vorgenommen haben. Ich finde, dass sich die Bilanz nach den
ersten 100 Tagen durchaus sehen lassen kann:
Wir haben mit dem Gesetzentwurf zur Sukzessivadoption das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt. Auch wenn die Diskussion darüber geführt wird,
dass man möglicherweise noch mehr tun kann,
({1})
ist das, glaube ich, ein ganz wesentlicher Schritt zu mehr
Gleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften in unserem Land gewesen und damit unsere
Gesellschaft erneut ein Stück moderner gemacht worden.
({2})
Wir haben den Referentenentwurf zur Mietpreisbremse
mittlerweile in der Ressortabstimmung und an die Länder
und Verbände verschickt. Auch das ist ein wichtiges Ge2272
setzgebungsvorhaben. Ich glaube, das braucht man hier in
Berlin nur wenigen zu sagen; aber auch Menschen, die
in Hamburg, München, Köln, Düsseldorf oder Frankfurt
zurzeit auf Wohnungssuche sind, stellen fest, dass die
Mieten explodieren.
Wir sind der Auffassung, dass das Wohnen, also die
Tatsache, dass man eine Wohnung hat, ein wichtiges Gut
ist. Nur weil man zurzeit mit allerlei Finanzprodukten
keine Rendite auf den Finanzmärkten mehr erzielt, kann
es nicht sein, dass die Wohnungswirtschaft sozusagen
das neue Eldorado der Profitmaximierung wird. Deshalb
ist es richtig, die Mietpreisbremse einzuführen.
({3})
Wir haben auch - das ist mir wichtig - die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses in einen
Gesetzentwurf gegossen und diesen hier eingebracht.
Daneben haben wir mittlerweile auch die Leitlinien zur
Frauenquote für Aufsichtsräte vorgestellt, die ich jetzt zusammen mit Bundesministerin Manuela Schwesig umsetzen werde.
Last, but not least ist der Entwurf des Gesetzes zur
Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem
Missbrauch ebenfalls fertig und soll noch in dieser Woche in die Ressortabstimmung.
Ich denke, bei dem, was wir in diesen drei Monaten
alles auf den Weg gebracht haben, kann man durchaus
sagen: Die Rechtspolitik der Bundesregierung hat eine
neue Dynamik gewonnen und besitzt ein neues Selbstbewusstsein, und das fußt auf Taten im Ministerium.
({4})
Meine Damen und Herren, das Ministerium ist aber
auch größer geworden: Der Verbraucherschutz - die Verbraucherpolitik in Recht und Wirtschaft sowie im Sozial- und im Gesundheitswesen - ist hinzugekommen.
Alle Stellen, die es dafür im Landwirtschaftsministerium
gegeben hat, wechseln nun nach einer Absprache mit
dem Kollegen im Landwirtschaftsministerium ins
BMJV. Zugleich werden auch die notwendigen Haushaltsmittel in den Einzelplan überführt.
Das ist, wie ich finde, eine gute Nachricht; denn das
bedeutet, dass die Verbraucherorganisationen auch in
Zukunft nicht nur einen starken Partner in der Bundesregierung haben, sondern - das bestätigen mittlerweile
auch die Verbraucherorganisationen - dass das zuständige Ministerium neben den notwendigen Mitteln vor allen Dingen über die Kompetenzen verfügt, den Verbraucherschutz in den jeweiligen Bereichen durch Gesetze zu
stärken. Damit kommen wir zu dem Ergebnis, dass jetzt
auch beim Verbraucherschutz die Zeit der Appelle vorbei sein wird.
({5})
Wir haben uns vorgenommen - das gilt für diesen
Haushalt, aber vor allen Dingen für den nächsten Haushalt -, insbesondere zwei Dinge, die im Koalitionsvertrag verabredet worden sind, auf den Weg zu bringen:
Das Erste ist, dass wir den Sachverständigenrat für
Verbraucherfragen neu aufsetzen wollen. Er wird für uns
bei der Beantwortung ständig auftretender Fragen aus
dem Bereich des Verbraucherschutzes mehr als nur eine
Hilfe sein. Es gibt nicht nur viele Organisationen, die bereits darauf warten; eine große Fülle von Expertinnen
und Experten ist bereit, sich dort zur Verfügung zu stellen.
Das zweite große Projekt im Verbraucherschutz ist
der Aufbau der Finanzmarktwächter und der digitalen
Wächter. Zusammen mit den Verbraucherzentralen wollen wir ein Netzwerk von Organisationen und Stellen
aufbauen, die nicht nur die Märkte beobachten, sondern
Missstände auch sehr schnell an die Aufsichtsbehörden,
die Politik und den Gesetzgeber weitergeben können.
Ich glaube, dass das ganz besonders zu einer wesentlichen Verbesserung der Qualität der Verbraucherpolitik in
Deutschland führen wird.
({6})
Auch Verbraucherorganisationen wie die Stiftung
Warentest oder der Bundesverband der Verbraucherzentralen haben in unserem Ministerium nicht nur in der Sache starken Rückhalt. Das hat sich schon in unterschiedlichen Fällen gezeigt, etwa bei der Diskussion um die
Firma Prokon. Hier konnten wir zusammen mit der
BaFin eine Lösung auf den Weg bringen. Aktuell ist hier
auch die - sicherlich nicht einfache - Frage zu nennen:
Wie geht es mit den Bewertungsreserven bei den Lebensversicherungen weiter? Hier funktioniert die Zusammenarbeit außerordentlich gut. Ich finde, diese Organisationen sollten wir stärken.
Dabei will ich auf einen Punkt hinweisen: Ein nicht
unerheblicher Teil der Verbraucherpolitik - das ist mittlerweile in vielen Bereichen so - wird auf EU-Ebene und
vor allen Dingen in Brüssel gemacht. Dort ist die Industrie mit zahllosen Lobbyisten präsent. Wir müssen dafür
sorgen, dass dort, wo mittlerweile viel Recht gesetzt
wird, das wir lediglich umsetzen, die Belange der Verbraucherinnen und Verbraucher vertreten sind. Ich finde,
die Verbraucherzentrale muss deshalb mit einem festen
Büro dauerhaft in Brüssel präsent sein. Dieses Büro wird
im kommenden Jahr Teil unserer institutionellen Förderung sein. Damit werden wir den Verbraucherschutz organisatorisch ganz besonders stärken.
({7})
Auch wenn wir in einer Haushaltsdebatte sind, geht es
nicht nur um Geld, sondern es geht vor allen Dingen natürlich um die richtige Politik. Ich will in der Rechtspolitik ein Thema aufgreifen, weil es sehr aktuell ist und
weil es mir wichtig ist, darauf besonders hinzuweisen: In
den vergangenen Monaten war in der Öffentlichkeit und
auch hier viel von Kinderpornografie und Pädophilie die
Rede. Die öffentlich geäußerte Abscheu darüber war
groß und laut. Wo es hier Lücken im Recht gibt, werden
wir diese schließen; das habe ich eben schon angekünBundesminister Heiko Maas
digt. Aber eines sollte uns auch klar sein: Mit Gesetzen
und Empörung alleine können wir unsere Kinder nicht
schützen.
({8})
Damit Kinder nicht zu Opfern werden, müssen wir in
diesem Fall verhindern, dass Männer zu Tätern werden.
Das erreichen wir nicht durch permanente Hysterie, sondern vor allen Dingen durch zielgerichtete Hilfe. Deshalb fördert das Justizministerium seit 2008 ein wichtiges Projekt an der Berliner Charité. Es hilft Männern mit
pädophilen Neigungen, dass aus ihren Fantasien keine
Taten werden. Die Nachfrage nach diesem Projekt ist
groß. Inzwischen gibt es diese anonyme Hilfe in sieben
deutschen Städten. Wir wollen in diesem Bereich nicht
nur das Gesetz ändern, sondern wir wollen die Förderung für dieses Projekt kräftig ausweiten. Wenn Sie zustimmen, werden wir die Mittel für die Präventionsarbeit
in diesem Jahr um 70 Prozent erhöhen. Auch das ist ein
Hinweis auf unsere Schwerpunktsetzung.
({9})
Meine Damen und Herren, es gäbe sicherlich noch
vieles anzusprechen, was in diesem Ministerium von Bedeutung ist. Wir werden uns nicht nur mit den aktuellen
technischen Fragen auseinandersetzen. Vielmehr haben
wir uns zum Ziel gesetzt, grundlegende rechtspolitische
Reformen anzupacken, auch wenn sie nicht im Koalitionsvertrag erwähnt werden, etwa im Strafgesetzbuch
die Reform der Paragrafen zu Mord und Totschlag, ein
unter Juristen schon lange debattiertes Thema. Wir haben jetzt eine Expertenrunde gegründet und wollen diese
Diskussion fachlich führen und sie in ein Gesetzgebungsverfahren einmünden lassen.
Zum Schluss ein Wort zum Urteil des Europäischen
Gerichtshofes zur Vorratsdatenspeicherung. Der Europäische Gerichtshof hat - ich begrüße dieses Urteil - die
Richtlinien zur Vorratsdatenspeicherung komplett für
ungültig erklärt. Wir gingen - zugegebenermaßen - davon aus, dass die Richtlinie entsprechend dem Antrag
des Generalanwaltes für überarbeitungsbedürftig erklärt,
aber nicht komplett kassiert würde. Das Urteil geht damit weit über den Antrag des Generalanwaltes hinaus.
Es geht auch deutlich - das ist eben schon angesprochen
worden - über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts
in unserem Land hinaus.
({10})
Das Gericht weist zum Beispiel darauf hin, dass es je
nach Kommunikationsmittel und Datenart zu unterschiedlichen Speicherfristen kommen kann. Das ist ein
völlig neues Feld, mit dem wir uns in unserer Debatte
noch nicht auseinandergesetzt haben.
Ich finde, das Urteil zeigt vor allen Dingen eins: Nicht
alles, was technisch machbar ist, ist mit unseren Grundrechten vereinbar. Wenn es um Sicherheit geht, müssen
auch die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger
weiter respektiert werden.
({11})
Mit dem Urteil ist eine neue Situation eingetreten. Es
gibt keine Richtlinie mehr, die wir umsetzen müssen
oder können. Uns drohen auch keine Strafgelder mehr.
Deshalb gibt es keinen Grund, voreilige Schlüsse aus
dem Urteil zu ziehen. Wir alle werden es sicherlich sorgfältig auswerten müssen, und wir werden uns dann
gemeinsam und ergebnisoffen überlegen, welche
Schlussfolgerungen im Verfahren, aber auch, welche
Konsequenzen wir in der Sache daraus ziehen. Ich wäre
außerordentlich froh, wenn dies eine Debatte würde, die
wir vor allen Dingen sachlich führen könnten.
({12})
Denn das wäre aller Ehren wert.
Ich danke Ihnen.
({13})
Nächster Redner ist der Kollege Roland Claus, Die
Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister, ich will mich in meiner Rede an das Motto
halten: Lobend beginnen, kritisch ausführen, optimistisch enden.
({0})
- Das ist aus dem Handbuch des sozialistischen Leiters.
({1})
Das steht aber auch in Handbüchern der evangelischen
und katholischen Kirche.
Wir haben bei diesem Etat die Situation, dass mit relativ wenig Geld viel gesellschaftliche Verantwortung
übernommen wird. Man stelle sich nur einmal für Sekunden vor, wir hätten diesen Etat nicht: Wie viel würde
uns für die Ausübung der Rechtsstaatlichkeit fehlen?
Beispielsweise die meisten der obersten Gerichte.
Es ist ein sogenanntes Verfassungsministerium. Ein
solches ist in Zeiten Großer Koalitionen besonders wichtig, weil so übergroße Mehrheiten im Parlament, wie wir
sie zurzeit haben, zuweilen denken, die Mehrheit sei
schon Rechtsstaat genug.
Auch und gerade die Opposition hat ein Interesse daran, dass die Ausübung dieser Rechtsstaatlichkeit auskömmlich finanziert wird. Ich will ein paar zentrale Themen aus Ihrem Ressort streifen. Wir wollen schließlich
wissen, was mit dem gut angelegten Geld geschehen
soll.
Bei der Modernisierung des Staatsbürgerschaftsrechts
sind wir der Auffassung, hier sind Sie glatt an der Zukunft vorbeigeschrammt. Sie haben einen Zwang zur
Entscheidung zwischen Herkunft und dem, was viele
Hierhergekommene als ihre neue Heimat empfinden,
weiter aufrechterhalten. Das Überkommene wird lediglich reformiert. Damit werden wir uns nicht zufriedengeben und Ihnen weitergehende Vorschläge machen, meine
Damen und Herren.
({2})
Das wird nötig sein. Denn Große Koalitionen lieben
auch die Formulierung „Maß und Mitte“. Beim Staatsbürgerschaftsrecht ist aus Maß und Mitte bestenfalls
Mittelmaß geworden.
({3})
Die Stenografen sollten Maß hier aber immer mit nur einem A schreiben, sonst wäre es beleidigend.
({4})
Die Lösung hieße auch hier: lieber Doppelpass als Mittelmaß.
Ich will ein Wort zur Vorratsdatenspeicherung und zu
dem heutigen EuGH-Urteil sagen. Dazu haben wir,
glaube ich, vor wenigen Minuten neue Töne vom Bundesminister der Justiz gehört, und wir sind durchaus in
der Lage, neue Töne wahrzunehmen. Wir möchten Sie
darin bestärken, Ihren Platz an der Seite all derer in der
Zivilgesellschaft und auch im Parlament zu sehen, die
für ihre Freiheitsrechte eintreten.
({5})
Wenn ein Innenminister so redet, wie er es getan hat,
kann ich dafür noch ein gewisses Verständnis aufbringen. Aber aus guten Gründen sind das Innen- und das
Justizressort in unserem Land getrennt. Wenn die Innenminister zuweilen überziehen, dann bleiben nur zwei
Akteursgruppen übrig, die sie wieder in die Schranken
verweisen können: Das ist die kritische Öffentlichkeit
einschließlich der kritischen Öffentlichkeit im Parlament, und das ist die Justiz.
Wer Zivilcourage will, Herr Minister, der muss auch
Justizcourage zeigen.
({6})
Bundesminister de Maizière hat gesagt, er bedauere ein
bisschen, was im EuGH entschieden wurde. Der Justizminister hat gesagt, er begrüße es. Wir werden sehen,
was dabei herauskommt. Herr Maas hat angekündigt,
keine schnelle Entscheidung zu treffen, also den Prozess
zu entschleunigen. Der beste Beitrag zur Entschleunigung, Herr Minister, ist der Verzicht.
({7})
Herr Minister, Sie haben das Wort „Mietpreisbremse“
von anderen politischen Akteuren übernommen. Wir
werden Sie daran messen, wie Sie sich des Themas annehmen. Bislang jedenfalls wird das, was vorliegt, dieser
Bezeichnung nicht wirklich gerecht. Ich will daran erinnern, dass zuerst die Linke dieses Thema angesprochen
hat.
({8})
Dann hat sich die Bundeskanzlerin entschlossen, es im
Wahlkampf zu übernehmen. Sie gestalten nun die Aufgabe aus. Den Beitrag meiner Kolleginnen und Kollegen
von Bündnis 90/Die Grünen werde ich selbstverständlich nicht vergessen.
({9})
Eine Institution, auf die der Minister eingegangen ist,
ist das Deutsche Marken- und Patentamt. Das ist natürlich ein Mekka für Haushälter, weil diese Institution als
Bundesbehörde sehr viel mehr Geld einnimmt als ausgibt. Deshalb haben wir Ihnen schon vor Jahren vorgeschlagen - wir erneuern heute diesen Vorschlag -: Setzen Sie sich für eine bessere personelle und sächliche
Ausstattung des Patentamtes ein! Dann werden wir auch
mehr Einnahmen generieren; das wäre ein vernünftiger
Weg.
({10})
Ich sage das nicht, um als Haushälter die Kassen zu füllen. Mein Hauptargument ist, dass ein Patentstau für
junge Erfinderinnen und Erfinder Gift im Geschäft ist.
Sie haben zwar ihre wissenschaftliche Erkenntnis mit
der Anmeldung geschützt. Wenn der Weg bis zur Vermarktung aber so lang ist, dann ist das in Zeiten globalisierter und schneller Erkenntnisgewinne ein Nachteil für
sie. Dagegen können und müssen wir etwas tun. Das ist
schon einmal gelungen. Ich finde, dass das aller Mühen
wert ist.
({11})
Das Ministerium hat sich vor einiger Zeit - wie ich
finde, leider - für einen größeren Neubau am Bundesamt
für Justiz in Bonn entschieden. Da drängen die jungen
Leute, die klugen Köpfe mehr und mehr nach Berlin
trotz oder wegen „Arm, aber sexy“, und Sie bauen in
Bonn! Sie verharren in der Bonner Republik. Wir wiederholen unsere Forderung: Treten Sie ein für die Wiedervereinigung der Bundesregierung in Berlin, in der
Bundeshauptstadt!
({12})
Ich hatte eingangs ein optimistisches Ende versprochen; dazu komme ich jetzt. Der Haushaltsentwurf heißt
so, weil er nicht so bleiben muss, wie er ist. Was die Koalition möglicherweise im Frühjahr noch nicht gelernt
hat, kann sie im Herbst besser machen. Wir werden sie
dabei begleiten als eine kritische, als eine heitere, aber
auch als eine optimistische Opposition.
Vielen Dank.
({13})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Thomas Strobl, CDU/CSU.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Rechtspolitik ist Gesellschaftspolitik.
Rechtspolitik ist nicht nur Theorie, sondern gestaltet die
Gesellschaft nachhaltig. Deswegen erlauben Sie mir,
dass ich mit einem Blick aus der Gesellschaft auf die
Rechtspolitik beginne.
Ein frisch verheiratetes Ehepaar, beide berufstätig, hat
sich eine neue Wohnung gekauft und sie liebevoll eingerichtet. Eines Tages kommen die beiden von der Arbeit
nach Hause und finden alles verwüstet vor. Es ist eingebrochen worden: Ketchup und Mayonnaise aus dem
Kühlschrank an den Wänden, einige Erbstücke gestohlen, das Geschirr aus den Schränken gerissen. Laptop,
Computer und selbst die Stereoanlage sind weg. „Aber
das Schlimmste“, sagt die Frau später, „ist das, was im
Schlafzimmer passiert ist, wo gar nichts gestohlen
wurde.“ Die Wäsche einschließlich der Unterwäsche
wurde durchwühlt. Die Frau hat alles weggeworfen
- vielleicht irrational - und sagt, sie fürchte sich noch
immer, wenn sie ihr Schlafzimmer betritt.
Bei allen erheblichen materiellen Schäden ist der entscheidende Punkt: Diese Frau traut sich nicht mehr alleine nach Hause. Wenn sie früher nach Hause kommt
als ihr Ehemann, geht sie lieber zu Freunden, nicht mehr
in ihr Heim, wo sie vorher noch Entspannung und Wohlgefühl hatte. Nein, sie hat Angst.
Oder aber ganz praktisch: Bei uns ist vor kurzem in
der Tiefgarage eingebrochen worden. Autos wurden aufgebrochen, Dächer aufgeschlitzt.
({0})
Die Polizei hat ermittelt, die Autos sind inzwischen repariert, die Täter sind in diesem Fall sogar gefasst worden. Aber was für viele der Bewohnerinnen und Bewohner der Wohnanlage bleibt, ist Angst in dieser
Tiefgarage.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, die Bürger unseres Landes wollen sich auf ihren Staat verlassen können, gerade wenn es um ihre Sicherheit und auch wenn es um den Schutz ihres Eigentums geht.
({1})
Jeden Tag wird in Deutschland 420-mal eingebrochen.
In den 96 Minuten, in denen wir hier den Justizhaushalt
debattieren, passiert das über 25 Menschen: 25-mal geschieht während dieser Debatte ein Einbruchsdiebstahl
in Deutschland. Ich finde, das ist eine alarmierend hohe
Zahl, und alarmierend ist das vor allem vor dem Hintergrund, dass diese Zahl ansteigt.
In meiner Heimat Baden-Württemberg wurden aktuell 31 Prozent mehr Einbruchsdiebstähle verübt als
noch vor einem Jahr. Täglich werden allein in BadenWürttemberg 31 Wohnungen aufgebrochen. Die Aufklärungsrate liegt bei gerade einmal 10 Prozent. Das heißt,
nur drei von diesen 31 Einbruchsdiebstählen können
aufgeklärt werden, 28 werden nicht aufgeklärt. Noch
einmal: Es geht gar nicht allein um die materiellen Schäden, die angerichtet werden, sondern es geht um die tiefe
Verunsicherung bei Bürgerinnen und Bürgern, bei Familien, wenn der private Rückzugsbereich, der Intimbereich verletzt wird.
Jetzt kann jeder Bürger versuchen, sich selbst durch
Alarmanlagen und anderes mehr zu schützen. Natürlich
können wir es uns auch einfach machen und sagen, es
seien vor allem die Länder, die hier tätig werden müssen.
Aber ich finde, diese Art der Kriminalität, die die Bürgerinnen und Bürger vor allem ganz praktisch betrifft und
die auch ihren Blick auf den Staat und auf die Rechtspolitik vielleicht mehr als vieles andere prägt, diese Alltagskriminalität dürfen wir nicht ausblenden, sondern
wir müssen sie in den Blick nehmen.
({2})
Deswegen haben wir das miteinander in den Koalitionsvertrag geschrieben. Ich bin ganz gespannt, Herr Bundesjustizminister, welche Vorschläge uns hierzu aus dem
Ministerium erreichen werden.
({3})
Wir sollten im Übrigen auch nicht vergessen, besonders diejenigen zu schützen, die versuchen, uns zu schützen. Polizistinnen und Polizisten setzen Tag für Tag und
Nacht für Nacht ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit für uns ein. Sie halten den Kopf hin, wenn es
brenzlig wird, und schützen uns alle. Bereits in der letzten Wahlperiode haben wir zu Recht dafür gesorgt, dass
der Widerstand gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte strenger bestraft werden kann.
({4})
- Herr Ströbele, dass Sie das nicht interessiert, ist bekannt. ({5})
Aber die Entwicklung der Gewalt gegen Polizeibeamte
ist weiterhin alarmierend. Bei der Demonstration für den
Erhalt des Kulturzentrums Rote Flora in Hamburg wurden Ende letzten Jahres mehr als 80 Polizisten verletzt.
({6})
- Waren Sie dabei?
({7})
Thomas Strobl ({8})
Die Einsatzgruppe wurde mit Steinen, Flaschen und
Pyrotechnik beworfen.
({9})
- Wissen Sie, wir finden das nicht so lustig, und wir finden es auch nicht lustig, dass inzwischen selbst Rettungssanitäter attackiert werden. Das ist eine Verrohung
der Gesellschaft. Das machen wir nicht mit.
({10})
Diese Verrohung der Gesellschaft ist inakzeptabel, auch
dann, wenn Sie von der Linken das lustig finden.
Im Vergleich zum Jahr 2011 wurden im Jahr 2012
bundesweit insgesamt 5 451 Polizeivollzugsbeamte Opfer von Straftaten. Jeden Tag des Jahres 2012 wurden
15 Polizistinnen und Polizisten angegriffen. Auch hier
gab es ein Plus von 10 Prozent. Das ist ein hohes Niveau
der Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte,
gegen Einsatzkräfte. Das ist für uns inakzeptabel. Wir
wollen diejenigen besser schützen, die uns jeden Tag
schützen.
({11})
Ein weiteres Thema, das mir am Herzen liegt, ist der
bessere Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Ausbeutung. Als Union haben wir nun ein eigenes
Eckpunktepapier erarbeitet. Jetzt werden wir gemeinsam
mit dem Bundesminister der Justiz ein richtiges und umfassendes Opferschutzpaket auf den Weg bringen. Das
entsprechende Gesetz wird - das hat der Bundesjustizminister angekündigt - noch vor Ostern innerhalb der
Bundesregierung in die Ressortabstimmung gehen. Das
ist ein gutes Zeichen für alle Opfer. Wir werden versuchen, das Ganze noch vor der Sommerpause ins Bundesgesetzblatt zu bringen.
Es wird künftig keinen Handel mehr mit und keinen
Tausch mehr von Bildern von nackten Kindern geben. In
Deutschland macht man in Zukunft mit Bildern von
nackten Kindern keine Geschäfte mehr. Das werden wir
beenden.
({12})
Wir werden auch die Verjährungsfristen bei sexuellem Missbrauch künftig erst ab dem 30. Lebensjahr beginnen lassen, weil wir aus vielen Gesprächen mit Opfern wissen, dass diese über viele Jahre, ja Jahrzehnte
traumatisiert sind, sich nicht offenbaren können. Dem
wollen wir mit dem Hinausschieben des Beginns der
Verjährung Rechnung tragen.
Wir schließen auch eklatante Strafbarkeitslücken. Es
ist doch für jedermann klar, dass zwischen einem Vertretungslehrer und einem Schüler oder einer Schülerin ein
Über-/Unterordnungsverhältnis, auch ein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Deswegen stellen wir solche sexuellen Beziehungen richtigerweise und unbestrittenerweise unter Strafe.
({13})
- Dass das nur für einen Lehrer, aber nicht für einen Vertretungslehrer gelten soll, das kann vielleicht der Kollege Ströbele erklären. Wir können das nicht erklären.
Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Ströbele, wollen wir auch
eine solche Strafbarkeitslücke schließen,
({14})
um die Jugendlichen zu schützen.
({15})
Klar ist: Mehr Gesetze bedeuten nicht automatisch
mehr Gerechtigkeit. Der 2008 verstorbene Richter und
Rechtspolitiker Rudolf Wassermann hat gesagt - ich zitiere -:
Der Schutz des Bürgers vor dem Staat war das
große Thema der 70er und 80er Jahre. Die 90er
Jahre werden von dem neuen großen Thema beherrscht werden: dem Schutz der Bürger vor Gewalt und Verbrechen.
Ich finde, dieser zweite Satz gilt heute mehr denn je.
Ich glaube, das ist die große rechtspolitische Herausforderung zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Vor diesem Hintergrund, Herr Bundesjustizminister, sollten wir auch das
Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung interpretieren. Es geht uns um den Schutz
der Bürger vor Gewalt und Verbrechen.
({16})
Der Europäische Gerichtshof hat uns heute die Vorratsdatenspeicherung nicht verboten. Luxemburg hat uns
nicht zur Tatenlosigkeit verurteilt.
({17})
Es bleibt unsere Aufgabe, die Bürgerinnen und Bürger
vor Gewalt und Verbrechen zu schützen, und das wollen
wir tun.
({18})
Danke fürs Zuhören.
({19})
Vielen Dank. - Nächster Redner ist der Kollege
Dr. Tobias Lindner, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst eine Vorbemerkung zum
Thema des Tages machen, zum EuGH-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung. Herr Minister Maas, ich bin froh,
dass ich einen Erkenntnisprozess bei Ihnen wahrnehmen
kann. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs - Sie
haben es selbst erwähnt - ist klar und eindeutig. Im Namen meiner Fraktion fordere ich Sie auf: Handeln Sie
ebenso klar und eindeutig, und setzen Sie sich innerhalb
der Bundesregierung dafür ein, dass die Vorratsdatenspeicherung dahin kommt, wohin sie gehört: in die
Schublade der Geschichte.
({0})
Ich möchte, liebe Kolleginnen und Kollegen, nach der
Bewerbungsrede des Kollegen Strobl zurück zum Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz kommen. Schon der Titel verrät es: Es geht
hier um die Debatte eines durch die Große Koalition neu
zugeschnittenen Ministeriums. Das ist eine Entscheidung, die ich persönlich mit Spannung betrachte. Ich
weiß, es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, wohin der Verbraucherschutz gehören mag. Ich glaube, man
kann aus dieser Kombination spannende Dinge machen.
Aber ich will ganz ehrlich sagen: Die Umsetzung dieser Entscheidung, die Konsequenz ist misslungen. Sie,
Herr Maas, sind ein Minister, der im Verbraucherschutz
zu geringe Zuständigkeiten hat und noch viel geringere
finanzielle Mittel hat, um diese zu geringen Zuständigkeiten auszufüllen. Sie sind quasi ein König ohne Reich,
was den Verbraucherschutz betrifft, oder - so würde man
im Parlament eher sagen - ein Verbraucherschutzminister ohne Verbraucherschutzetat.
Ich will das nur daran deutlich machen: Es reicht
nicht, wenn nur ein Drittel der Mittel des Verbraucherschutzes aus dem Etat des ehemaligen Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ins Justizministerium wandert. Es reicht nicht
aus, wenn Sie Politik im Prozentbereich betreiben. Ich
will dazu nur auf den Titel „Förderung von Innovationen
im Bereich des Verbraucherschutzes“ zu sprechen kommen. Er war vormals mit 35 Millionen Euro ausgestattet.
Ganze 1,5 Millionen Euro sind in Ihren Bereich gewandert; das sind schlappe 4 Prozent. Ich erwarte von Ihnen
mehr als Verbraucherschutzpolitik im Prozentbereich.
({1})
- Den Kolleginnen und Kollegen von der SPD rufe ich
zu: Wir freuen uns auf die Haushaltsberatungen mit Ihnen bzw. mit euch
({2})
und sind dankbar für Unterstützung, wenn es darum
geht, etwas zu verändern.
({3})
Zum Thema Marktwächter - Herr Maas, Sie haben es
selbst erwähnt - muss ich sagen: Marktwächter haben
wir Grüne schon lange gefordert. Eigentlich hätten wir
uns freuen können, dass die Große Koalition sie in ihren
Vertrag übernommen hat. Es ist wichtig, dass wir im
Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher Marktwächter haben, was Finanzprodukte, digitale Welt und
neue Geschäftsmodelle betrifft. Aber leider ist es bisher
- zu dem Schluss kommt man, wenn man den Etatentwurf für 2014 betrachtet - nur bei Ankündigungen geblieben. Die Marktwächter sind schlichtweg nicht etatisiert. Ich bin sehr gespannt, ob wir bis 2015 warten
müssen
({4})
oder wie lange wir warten müssen, bis dieses Projekt
umgesetzt werden kann. Zumindest nach dem Entwurf
für 2014, wenn man den ernst nimmt, müssten wir darauf noch warten.
Ein anderer Punkt, auf den Sie eingegangen sind, ist
der Sachverständigenrat für Verbraucherschutz. Das ist
ein Projekt, das man durchaus begrüßen kann. Aber es
darf bei einem Sachverständigenrat für Verbraucherschutz nicht bei einer netten Kaffee- oder Teerunde bleiben. Der Rat muss angemessen ausgestattet sein, er
braucht eine Geschäftsstelle und Mitarbeiter, wenn er
wirklich wissenschaftliche Beratung leisten soll, wenn er
wirklich Sachverstand versammeln soll, der dann auch
der Politik zugutekommt.
Auch hierzu muss man sagen: Es ist im Etatentwurf
dazu nichts zu finden, und wir debattieren heute nun einmal über den Entwurf für 2014. Mehr als eine Ankündigung ist das bisher also nicht. Ich habe die Hoffnung,
dass wir in den Haushaltsberatungen an der einen oder
anderen Stelle noch Dinge verändern können, damit es
nicht bei Ankündigungen bleibt.
({5})
Lassen Sie mich einen letzten Punkt aufzählen - Sie
haben das selbst erwähnt -: institutionelle Zuschüsse für
den Verbraucherzentrale Bundesverband und die Stiftung Warentest. Es ist richtig, dass man sich Brüssel zuwendet, aber das ist beileibe nicht genug, nachdem Sie
im Koalitionsvertrag angekündigt haben, diese Mittel zu
erhöhen und zu verstetigen. Man darf mit dem Etatentwurf nicht hinter diesen Ankündigungen zurückbleiben.
Der Kollege Claus von den Linken hat durchaus, so
denke ich, im Namen vieler hier herausgestellt, wo Justizpolitik wirklich wichtig ist und dass sich Koalition
und Opposition einig sind, dass diese Bereiche angemessen ausgestattet sein müssen. Ich fordere Sie deshalb
auf: Wenn Sie ein Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wollen, dann müssen Sie dies in Ihrem
Haushalt nachvollziehen und dann dürfen Sie keine halben Sachen machen. Bleiben Sie nicht nur bei Ankündigungen, sondern sorgen Sie auch dafür, dass die Projekte, die Sie im Koalitionsvertrag beschreiben und die
Sie heute hier angekündigt haben, Wirklichkeit werden
können und angemessen ausgestattet sind.
Wir Grüne werden dazu in den Haushaltsberatungen
zahlreiche Vorschläge machen. Ich freue mich da über
die Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen, die
das ähnlich sehen.
Vielen Dank.
({6})
Für die CDU/CSU-Fraktion erteile ich jetzt das Wort
dem Kollegen Dr. Hendrik Hoppenstedt.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Beim Etat des Bundesministeriums der Justiz und für
Verbraucherschutz handelt es sich - das wurde schon gesagt - um den kleinsten Etat aller Bundesministerien.
Das ist auch nicht weiter überraschend; denn Aufgabe
der Rechtspolitik und damit auch Aufgabe des BMJV ist
es, die grundlegenden Regeln für unser gesellschaftliches Zusammenleben in Gesetzentwürfe zu gießen.
Mich freut es deshalb ganz besonders, dass die
Rechtspolitik wieder stärker in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt ist. Das liegt sicherlich auch daran, dass wir im Koalitionsvertrag wichtige Themen aufgegriffen haben. In der Großen Koalition haben wir in
dieser Wahlperiode schon einiges auf den Weg gebracht;
auch das klang schon an. Die Stichworte sind: Bestechung von Mandatsträgern, Sukzessivadoptionen, Reform des Insolvenzrechtes und sehr bald auch die Vorratsdatenspeicherung.
({0})
Weil Herr Maas heute in seiner Rede schon ein erhebliches Maß an Aufmerksamkeit genossen hat, möchte
ich an dieser Stelle auch einmal Herrn Staatssekretär
Lange erwähnen und ihm sehr herzlich für die gute und
vertrauensvolle Zusammenarbeit der letzten Monate
danken,
({1})
nicht nur im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, sondern auch ganz besonders im Unterausschuss
Europarecht.
Bei so viel Positivem gestatten Sie mir zwei kritische
Bemerkungen:
Erste Bemerkung. Auch wir laufen in der an sich sehr
sachgeprägten Rechtspolitik gelegentlich Gefahr, in Aktionismus zu verfallen. Das betrifft nach meinem Dafürhalten insbesondere die viel diskutierte Mietpreisbremse.
Die Mietpreisbremse allein löst das Problem zu weniger
Wohnungen nicht.
({2})
Der Wohnungsbau muss angekurbelt werden.
({3})
Wir wollen, dass Wohnraum insbesondere in Städten mit
angespannten Wohnungsmärkten bezahlbar bleibt.
({4})
Ich glaube, das ist Konsens in diesem Hohen Hause.
Deshalb bekommen die Länder das Instrument der Mietpreisbremse an die Hand. Die Mietpreisbremse ist für
Gebiete mit nachgewiesenermaßen angespannten Wohnungsmärkten gedacht. Hier sollen die Mieterhöhungen
bei Wiedervermietung auf maximal 10 Prozent über der
ortsüblichen Vergleichsmiete begrenzt werden können.
Teilweise wird der Eindruck erweckt, dass die Mietpreisbremse alle Probleme des Wohnungsmarktes löst,
wenn sie nur flächendeckend genug eingesetzt wird. Tatsache ist aber, dass die Mietpreisbremse überhaupt keine
Probleme löst, sondern bestenfalls Symptome lindert.
({5})
Sollten wir es in den nächsten fünf Jahren nicht schaffen,
zu mehr Wohnraum zu gelangen, dann ist die Mietpreisbremse vor allen Dingen eines: ein Instrument, das geeignet ist, Politikverdrossenheit zu schüren, weil die
Politik den Eindruck erweckt, Probleme zu lösen, die auf
diese Art und Weise überhaupt nicht gelöst werden können.
Mit der Erhöhung der Mittel für Städtebauförderung,
die wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, wird der
Bund deshalb seinen Beitrag leisten, um der Wohnungsknappheit zu begegnen. Auch die Länder, insbesondere
aber die Kommunen stehen hier in der Pflicht. Durch
Bauleitplanungen oder auch durch die kommunalen
Wohnungsbaugesellschaften werden überhaupt erst die
Rahmenbedingungen gesetzt, um mehr Wohnungen zu
schaffen.
Weil die Mietpreisbremse eben nur Symptome lindert
und zudem einen schweren Eingriff in die Eigentumsrechte von Vermieterinnen und Vermietern darstellt,
möchten wir von Unionsseite sie vorsichtig und restriktiv einsetzen. Wir möchten sie zeitlich auf fünf Jahre begrenzen. Wir möchten sie auf diejenigen Gebiete begrenzen, in denen die Wohnungsknappheit nachweislich
besonders hoch ist. Außerdem müssen die Länder parallel dazu Maßnahmenpläne erarbeiten, die beinhalten müssen, wie die Wohnungsknappheit innerhalb der nächsten
fünf Jahre bekämpft werden soll. Und schließlich muss
auch zwingend über die Erstellung von Mietspiegeln geredet werden; denn sie sind erforderlich, um ein realistisches Bild der Miethöhen in den jeweiligen Quartieren
zu bekommen.
({6})
Meine Damen und Herren, meine zweite kritische Bemerkung zielt ab auf die Prioritäten, die wir manchmal
in der Rechtspolitik setzen. Was ich damit meine,
möchte ich an zwei Beispielen verdeutlichen: Herr
Minister Maas, Sie haben eine Debatte über die Straftatbestände Mord und Totschlag - §§ 211 und 212 StGB angestoßen, mit dem richtigen Hinweis, diese stammten
noch aus der NS-Zeit. Damit wir uns nicht missverstehen: Wir als Union werden selbstverständlich an diesem
Thema mitarbeiten und gegebenenfalls zu VerbesserunDr. Hendrik Hoppenstedt
gen gelangen. Da diese Paragrafen aber schon seit vielen
Jahrzehnten in der Praxis existieren, ist im Umkehrschluss die Vermutung naheliegend, dass dieses Gesetz
im Großen und Ganzen halbwegs funktioniert.
Gleichzeitig höre ich aus Ihrem Hause, dass die Einführung des im Koalitionsvertrag vereinbarten Angehörigenschmerzensgeldes noch mindestens zwei Jahre auf
sich warten lassen wird. Meine Damen und Herren, wir
gehören zu den letzten Ländern Europas, deren
Rechtsordnung ein Angehörigenschmerzensgeld nicht
kennt. Wir wissen, dass Eltern, die beispielsweise ihr
Kind bei einem Verkehrsunfall durch das Verschulden
eines Dritten verlieren, über diesen furchtbaren Verlust wahrscheinlich wohl nie wieder in ihrem Leben
hinwegkommen. Wir wissen auch, dass ein Angehörigenschmerzensgeld dieses Kind nicht zurückholt. Aber
ich denke, es ist wichtig, dass wir diesen Eltern als Zeichen der Solidarität einen solchen Anspruch zugestehen.
({7})
Deswegen werden wir als Union sehr bald Vorschläge
unterbreiten, wie ein Anspruch von Angehörigen auf
Schmerzensgeld im BGB verortet und geregelt werden
kann.
Ein zweites Beispiel möchte ich nennen. In vielen Reden von Vertretern fast aller Fraktionen in diesem Hause
wird immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig der
Mittelstand für unsere deutsche Wirtschaft im Allgemeinen und für die Schaffung von Arbeitsplätzen im Besonderen sei. Dies gilt in erster Linie für das Handwerk. Wir
haben deshalb im Koalitionsvertrag durchgesetzt, dass
Handwerker nicht pauschal auf den Folgekosten von
Produktmängeln sitzen bleiben sollen, die ein Lieferant
oder Hersteller zu verantworten hat. Kauft ein Handwerker, ohne dies zu wissen, mangelhaftes Material, das er
bei seinem Kunden einbaut, zum Beispiel Parkettstäbe,
hat der Kunde einen Nachbesserungsanspruch. Der
Handwerker muss die fehlerhaften Parkettstäbe auf seine
Kosten ausbauen und fehlerfreie wieder einbauen. Der
Handwerker seinerseits hat gegen seinen Verkäufer aber
nur einen Anspruch auf Lieferung mangelfreier Parkettstäbe. Den wegen der hohen Lohnkosten zumeist viel
teureren Ausbau und den anschließenden Einbau muss er
aber selber bezahlen. Der Handwerker muss also zweimal arbeiten, bekommt aber nur einmal sein Geld.
Diese Rechtsprechung hat der BGH erst in der letzten
Woche bestätigt. Wir halten das für ungerecht, und deshalb wollen wir lieber das Gewährleistungsrecht schnell
ändern, als rechtsdogmatische Debatten über das Verhältnis der Mord- und Totschlagparagrafen zu führen.
Die praktische Relevanz des Gewährleistungsrechts ist
meines Erachtens viel höher.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum
Schluss eine persönliche Anmerkung machen. Bis vor
wenigen Monaten war ich Bürgermeister der Stadt Burgwedel - das liegt in Niedersachsen -, einer der schönsten
Städte, wie ich finde, die wir in Deutschland haben.
({8})
- Das war klar.
({9})
- Es freut mich zu hören, Frau Künast, dass Sie auch
über dieses Maß an Bildung verfügen.
({10})
Mich hat an der Kommunalpolitik immer die Tatsache begeistert, dass man parteiübergreifend für das Wohl
einer Stadt arbeiten kann. Der Grundtenor in der Kommunalpolitik ist immer sachorientiert. Deswegen bin ich
sehr dankbar und froh, dass ich jetzt im Rechtsausschuss
mitarbeiten darf. Auch dort ist der Ton im Großen und
Ganzen sachorientiert.
Deswegen möchte ich an dieser Stelle allen Kollegen,
nicht nur jenen meiner eigenen Fraktion und des Koalitionspartners, sondern auch jenen der Oppositionsfraktionen ein herzliches Dankeschön für die gute Zusammenarbeit sagen, verbunden mit der Freude auf eine
weiterhin gute Zusammenarbeit.
({11})
In diesem Sinne: Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({12})
Herr Kollege Hoppenstedt, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag und wünsche
Ihnen viele weitere Debattenbeiträge im deutschen Parlament.
({0})
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Kollegin Caren Lay, die Linke.
({1})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Es könnte Ihnen vielleicht entgangen sein, dass heute eigentlich der
Haushaltsplan auf der Tagesordnung steht. Es wurde viel
über ideelle Werte, über angekündigte Gesetze und über
Wünsche gesprochen.
({0})
Nur wenige Redner haben bisher über den Haushalt gesprochen. Ich kann mich meinem Vorredner von den
Grünen, Herrn Lindner, anschließen: Darüber sollten wir
an dieser Stelle wirklich sprechen. Es mag in der Rechtspolitik nicht entscheidend sein; aber für die Verbraucherpolitik gilt in der Tat, dass es nicht völlig egal ist, wie
viel Geld im Haushalt steht.
({1})
Schauen wir doch mal in diesen Haushalt hinein. Für
den Bereich „Wirtschaftlicher Verbraucherschutz“ stehen
gerade einmal 26 Millionen Euro zur Verfügung. Das
hört sich jetzt vielleicht für die Zuhörerinnen und Zuhörer nach viel Geld an. Aber ziehen wir doch einmal einen
Vergleich mit anderen Ministerien: 26 Millionen Euro
für den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher
auf den Märkten stehen 7,4 Milliarden Euro für den
Bundeswirtschaftsminister gegenüber. Allein 270 Millionen Euro, also mehr als zehnmal so viel, wie wir hier
zu verteilen haben, stehen für die Förderung der deutschen Wirtschaft im Ausland zur Verfügung. Das mag
alles gut und schön sein. Fakt ist aber: Für wirtschaftlichen Verbraucherschutz gibt es zu wenig Geld. Die genannten Haushaltsposten stehen wirklich in keinem Verhältnis zueinander.
({2})
- Ich höre hier gerade einen wirklich unseriösen Zwischenruf aus den Reihen der CDU/CSU.
({3})
Das muss mich nicht wundern. Aber ich denke, ich kann
es ganz gut beurteilen. Ich arbeite schon seit vielen Jahren im Bereich der Verbraucherpolitik. Sie sind mir da
noch nicht untergekommen.
({4})
Aber das muss einer zukünftigen Zusammenarbeit nicht
im Wege stehen.
Ich kann nur sagen, dass es mich wundert, dass der
Bundeslandwirtschaftsminister viermal so viel Geld für
die Verbraucherpolitik zur Verfügung hat wie der Verbraucherminister.
({5})
Hier - das muss ich sagen - ist nicht gut verhandelt worden; auch hier muss deutlich nachgebessert werden.
({6})
Das Schlimmste ist - auch hier kann ich an Herrn
Lindner von den Grünen anknüpfen -: Ich sehe überhaupt keine Umsetzung des Koalitionsvertrages. Ich
muss ganz ehrlich sagen: Dinge, die Sie, Herr Maas, hier
angekündigt haben und die wir zum Teil unterstützen,
beispielsweise die Einführung eines Marktwächters „Finanzmarkt“ und eines Marktwächters „Digitale Welt“,
sehe ich bisher nur auf Ihrer Wunschliste, Herr Minister,
nicht aber im vorliegenden Haushaltsentwurf. Das muss
sich ändern.
({7})
Es wäre höchste Zeit, beispielsweise einen Finanzmarktwächter einzuführen oder, wie wir Linke es schon
seit vielen Jahren fordern, endlich dafür zu sorgen, dass
es mehr unabhängige Finanzberatung und Schuldnerberatung gibt. Es bleibt dabei: Wenn jeder Haushalt eine
unabhängige Finanzberatung in Anspruch nehmen
wollte, dann müsste man ungefähr 30 Jahre auf den
nächsten Termin bei der Verbraucherzentrale warten. Vor
dem Hintergrund, dass Verbraucherinnen und Verbraucher über 50 Milliarden Euro im Jahr aufgrund falscher
Finanzberatung verlieren - das sind die konservativen
Schätzungen -, müssen wir hier dringend nachbessern.
({8})
Meine Damen und Herren, die Grundpfeiler der deutschen Verbraucherpolitik, Stiftung Warentest und vzbv,
erhalten im Rahmen der institutionellen Förderung nicht
mehr Geld. Nun kennen wir die Inflationsrate und den
Tarifabschluss im öffentlichen Dienst. Dann muss man
so ehrlich sein, festzustellen: Wenn die Summe gleich
bleibt, dann ist dies faktisch eine Kürzung. Das können
wir so nicht akzeptieren.
({9})
Auch ich will es mir natürlich nicht entgehen lassen,
noch zu Themen zu sprechen, die nicht unmittelbar
haushaltsrelevant sind, aber zu den großen verbraucherpolitischen Themen gehören, über die wir sprechen sollten.
Die Mietpreisbremse ist schon angesprochen worden.
Da sind wir als Linke in einer absurden Situation: Wir
müssen als Oppositionsfraktion die Idee der Mietpreisbremse gegen einen der Koalitionspartner verteidigen.
Wir haben schon gehört, dass hier von „Aktionismus“
gesprochen wurde, dass immer wieder darauf hingewiesen wurde, dass die Mietpreisbremse die Gefahr birgt,
dass Vermieterinnen und Vermieter - so darf ich es übersetzen - nicht mehr eine so hohe Rendite machen können.
Wir von der Linken sind prinzipiell für eine Mietpreisbremse, aber wir sagen: Das, was bisher vorgelegt
wurde, muss wirklich kein Vermieter fürchten. Erstens
soll es nur dann gelten, wenn die Länder bereit sind, es
umzusetzen. Wir hören in der Debatte heraus, dass die
CDU/CSU alles daransetzen wird, es auszusetzen bzw.
nicht umzusetzen. Das heißt übersetzt: In München, in
Bamberg, in Frankfurt am Main oder auch in Dresden,
also in Städten, die in den letzten Jahren enorme Mietpreissteigerungen erleben mussten, wird die Mietpreisbremse überhaupt nicht wirken. Insofern muss ich sagen:
Das ist eine Mietpreisbremse, die ihren Namen nicht
verdient hat.
({10})
Bei Wiedervermietung einer Wohnung soll eine
Miete, die 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt, weiterhin erlaubt sein. Wenn beispielsweise
hier in Berlin-Mitte ein alter Mietvertrag gekündigt wird
und an einen Nachmieter vermietet wird, dann ist zunächst einmal die ortsübliche Vergleichsmiete der Maßstab. Das kann locker doppelt so viel sein. Dann darf
man noch 10 Prozent drauflegen. Der geltende Mietpreisspiegel wird als Grundlage herangezogen. Aber der
Mechanismus des Mietspiegels ist völlig falsch. So, wie
er bisher berechnet wird, ist er ein Mieterhöhungsspiegel. Die Mietpreisbremse ist bestenfalls ein Tempomat.
Den Namen „Bremse“ hat sie definitiv nicht verdient.
({11})
Zum Schluss möchte ich ein Thema ansprechen, das
heute noch keine Rolle gespielt hat; der Minister hat es
offensichtlich gar nicht auf dem Plan, was ich sehr
schade finde. Ihr Kabinettskollege und Parteivorsitzender, Sigmar Gabriel, hat heute die Eckpunkte für die
Ökostromreform vorgelegt. Er ist fast wöchentlich nach
Brüssel gereist und hat sich mit seinem gesamten Gewicht für die Interessen der deutschen Großindustrie eingesetzt. Schön und gut, aber die Verbraucherinnen und
Verbraucher sind am Ende die Gelackmeierten.
Es bleibt dabei: Die Stromkundinnen und Stromkunden werden weiterhin den Strom für die deutsche Großindustrie mitbezahlen. Wir als Linke können das nicht
akzeptieren. Es wäre gut gewesen, wenn der Minister für
Verbraucherschutz wenigstens einmal das Wort im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher ergriffen
hätte.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({12})
Für die SPD spricht jetzt der Kollege Burkhard
Lischka.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mietpreisbremse, Maklerrecht, Frauenquote in Aufsichtsräten,
Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung, Sukzessivadoption für homosexuelle Paare, Anti-Doping-Gesetz,
Verbraucherrechte - wer die ersten gut 100 Tage dieser
Großen Koalition Revue passieren lässt, der wird feststellen: Es tut sich endlich wieder etwas in der Rechtsund Verbraucherpolitik. Politik wird wieder gestaltet.
Die drängendsten Probleme werden angepackt. Das ist
auch gut so. Man kann sagen: Stillstand ist wahrlich
nicht das Markenzeichen dieser Bundesregierung.
({0})
Beispiel Mietpreisbremse. Wehe dem, der im Augenblick hier in Berlin, in Hamburg oder in München eine
Wohnung sucht. Steht der Umzugswagen erst einmal vor
der Tür, sind Mietpreisexplosionen von 20, 30 oder sogar 40 Prozent vorprogrammiert. In vielen Innenstadtlagen wird es für ganz normale Menschen mit ganz normalen Einkommen immer schwieriger, eine bezahlbare
Wohnung zu finden. Herr Kollege Hoppenstedt, ich
finde, darauf musste die Politik endlich reagieren.
({1})
Allein auf die Selbstheilungskräfte des Marktes zu
vertrauen, hieße doch, die Augen vor der Realität zu verschließen. Wir, Union und SPD, wollen gemeinsam, dass
unsere Städte auch in Zukunft Heimat für Millionen von
Normalverdienern bleiben. Dem Polizisten, der Krankenschwester, der Erzieherin, dem Rentner, der jungen
Familie muss es auch in Zukunft möglich sein, in Stuttgart, Frankfurt, Düsseldorf oder Köln zu wohnen, und
deshalb werden wir Mieterhöhungen deckeln. Davon
werden Hunderttausende Normalverdiener profitieren.
Die Reichen in die City und die Normalverdiener in die
Außenbezirke - das kann nicht die Zukunft unserer
Städte sein.
({2})
Wir werden - das ist in der heutigen Debatte noch
nicht angesprochen worden, das wundert mich - mit einer weiteren Unsitte Schluss machen. Wer bisher in einer
langen Schlange stand und auf die Besichtigung einer
freigewordenen Mietwohnung wartete, der hat dort vor
allen Dingen eine Berufsgruppe kennengelernt, nämlich
die des Maklers. Bei dem musste der Wohnungssuchende zwar nur seinen Namen und seinen Gehaltszettel
abgeben - das war es dann schon mit dem Makler -, dafür war hinterher die Rechnung, die man bekommen hat,
wenn man das Glück hatte, die Wohnung zu bekommen,
umso heftiger: 1 000 Euro, 2 000 Euro sind hier der regelmäßige Standard.
Wofür eigentlich? Dafür, dass man über zwei Stunden
im Hausflur gestanden und auf den Besichtigungstermin
gewartet hat? Warum muss eigentlich ausgerechnet derjenige den Makler bezahlen, der ihn gar nicht beauftragt
hat? Mit dieser Absurdität, die es seit Jahren und Jahrzehnten gibt, machen wir jetzt Schluss. Wer als Vermieter künftig einen Makler beauftragt, der muss ihn auch
bezahlen. Auch das kommt Hunderttausenden Mieterinnen und Mietern in unserem Land zugute.
({3})
Wir sorgen auch endlich für Bewegung beim Thema
„Frauenquote in Aufsichtsräten“. Es war ein langer Weg
hin zu einer gesetzlichen Frauenquote. Jetzt wird sie
kommen. Viel zu viele Konzernspitzen hier in Deutschland sind nach wie vor Männerrunden mit verkrusteten
Strukturen. Daran haben alle Selbstverpflichtungserklärungen der letzten zwölf Jahre überhaupt nichts geändert. Offensichtlich gibt kein Mann freiwillig etwas ab.
({4})
Deswegen werden wir mit einer gesetzlichen Frauenquote endlich ein Stück weit die Chancengleichheit herstellen, die sich von allein eben nicht einstellen würde.
({5})
Ein beliebtes Argument von so manchem Mann gegen
die Frauenquote in den vergangenen Jahren war besonders dumm. Es lautete in etwa so: Eine Frau in einer
Führungsposition könne sich doch gar nicht wohlfühlen,
wenn sie diese Position nur wegen der Quote bekommen
habe. Diesen Schlipsträgern sagen wir jetzt sehr deutlich: Es war in der Vergangenheit viel schlimmer. Da hat
so manche männliche Niete in Nadelstreifen wegen irgendwelcher Männernetzwerke eine Position bekommen. Künftig werden Topfrauen mit der Rückendeckung
des Gesetzgebers endlich die faire Chance erhalten, Toppositionen in ihrem Unternehmen zu bekommen.
({6})
Ich finde, in Zukunft muss keine Frau in einem Unternehmen ein schlechtes Gewissen haben. Nicht die gut
qualifizierten Frauen in unserem Land, sondern mancher
dumm daherredende Mann hat eine Quote bitter nötig.
Schließlich werden wir auch bei der Verbraucherpolitik neue Maßstäbe setzen. Damit, dass beispielsweise sogenannte Finanzberater skrupellos selbst 84-Jährigen
windige Schiffsbeteiligungen als sichere Altersvorsorge
andrehen, nur um sich eine fette Provision einzustreichen, werden wir Schluss machen.
({7})
Für uns ist Verbraucherschutz weit mehr als nur Krisenbewältigung bei irgendwelchen Lebensmittelskandalen und Anlagebetrügereien. Wir wollen, dass sich mündige Verbraucher mit der Wirtschaft auf Augenhöhe
begegnen können. Auch diesbezüglich haben wir vieles
vor - das ist schon angesprochen worden -: Marktwächter in der digitalen Welt und auf den Finanzmärkten,
Einrichtung eines Sachverständigenrates und vieles andere mehr.
Diese Regierung hat in der Verbraucher- und Rechtspolitik noch viel vor. Daran werden wir auch in den
kommenden gut drei Jahren hart arbeiten.
Danke schön.
({8})
Vielen Dank. - Nächste Rednerin ist die Kollegin
Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst auf
die EuGH-Entscheidung von heute eingehen.
({0})
Der EuGH hat heute quasi eine Zeitenwende eingeleitet.
Das wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, wie
sich die Rechtspolitik in den letzten Jahrzehnten in den
Bereichen Datenschutz und Grundrechte entwickelt hat
- das ist schon beeindruckend -: Vor Jahrzehnten hat das
Bundesverfassungsgericht gesagt: Es gibt ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Viele Jahre
später hat es in Bezug auf die Vorratsdatenspeicherung
kritisch entschieden. Heute hat der Europäische Gerichtshof glasklar entschieden - und weg ist die Richtlinie. Herr de Maizière hat vor einigen Stunden hier
gesagt, lieber wäre ihm gewesen, der EuGH hätte beanstandet und man hätte zwei Jahre Zeit bekommen, die
Richtlinie zu überarbeiten. Ich sage Ihnen ganz ehrlich:
Wir sind froh darüber, dass sie sogar rückwirkend für ungültig erklärt wurde. Das ist wirklich ein Meilenstein.
({1})
Das wird mehr bringen, als zwei Jahre an diesem Teil
herumzufummeln.
Ich möchte aus der Entscheidung zitieren. Es wird gesagt, dass das Eingriffe „von großem Ausmaß und besonderer Schwere in die Grundrechte“ sind, und zwar
gegen alle und bei jeder Kommunikationsform. Das Gericht hat kritisiert, dass es keine Differenzierung gibt,
sondern eine große Streubreite. Es hat kritisiert, dass
ohne Anlass gespeichert wird, egal ob eine schwere
Straftat vorliegt oder gar keine. Es hat kritisiert, dass es
keine Beschränkung auf das absolut Notwendige gibt.
Deshalb lautet das Ergebnis - das ist Fakt -: Die Zeitenwende beginnt mit dieser Entscheidung heute, weil jetzt
klar ist, dass die Sicherheit definitiv nicht jedes anlasslose Eingreifen in unsere Grund- und Menschenrechte
rechtfertigt.
({2})
Ich will an dieser Stelle durchaus auch Folgendes sagen: Herr Maas, es ist wohltuend, wie Sie sich in der Debatte verhalten haben, klar und auch mal abwartend, was
das Gericht uns aufgibt. Ich finde es auch wohltuend,
wie Sie sich heute äußern.
({3})
Ich muss allerdings anfügen, dass die Bundesdatenschutzbeauftragte, wie ich gerade gelesen habe, sagt:
Einmal abwarten, ob der europäische Gesetzgeber eine
neue Richtlinie macht oder nicht, und dann schauen wir
weiter. - Das löst bei mir die Frage aus: Wozu brauchen
wir eigentlich eine Bundesdatenschutzbeauftragte? In
dieser Hinsicht ist es ein Tag zum Zweifeln.
Jetzt habe ich genug gelobt. Herr Maas, Sie und auch
Herr Lischka haben gerade gesagt: Die Rechtspolitik
und die Verbraucherpolitik haben einen neuen, einen hohen Stellenwert. Alles ist ganz toll. - Ich muss ehrlich
sagen: Auch hier finde ich wieder nur jede Menge Ankündigungen. Bei der Rede von Herrn Lischka hatte ich
schon das Gefühl, dass er, wenn er hier nur wiederholt,
was in 100 Tagen angekündigt wurde, schon Lob für
große politische Errungenschaften bekommt. So dumm
sind wir nicht, Herr Lischka. Wir können sehr wohl zwischen Ankündigungen und einem Gesetz im Bundesgesetzblatt unterscheiden.
({4})
Schauen wir uns einmal an, was alles angekündigt
wurde: Frauenquote, Mietpreisbremse, Adoptionsrecht,
Anlegerschutz, Kinderschutz im Strafrecht, Antidopinggesetz, Modernisierung des Mordparagrafen, Verbesserung des Datenschutzes, No-Spy-Abkommen, Einrichtung eines Sachverständigenrats für Verbraucherfragen
und Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse
des digitalen Zeitalters. Meine Redezeit reicht nicht aus,
jetzt bei jedem dieser Punkte zu schauen, was von den
Ankündigungen umgesetzt wurde.
Nehmen wir als ein Beispiel das Adoptionsrecht. Dies
ist einer der Punkte, für den Sie sich hier loben. Sie loben sich für etwas, was durch das Bundesverfassungsgericht ab 30. Juni dieses Jahres zwingend vorgeschrieben
ist. Sie haben es immerhin geschafft, eine Vorlage zu
machen, die null Gestaltungsspielraum bietet. Sie schreiben nur das Allernötigste, was das Gericht vorschreibt,
ins Gesetz. Dafür sollen wir Ihnen noch Applaus geben?
Nein, das können Sie nicht von uns erwarten. Ich kann
allenfalls sagen: Applaus für die Bürger, die Betroffenen, die dafür gekämpft haben, dass es eines Tages diese
Gerichtsentscheidung gibt, die dieses Parlament zum
Handeln zwingt.
({5})
Ein weiteres Beispiel ist die Mietpreisbremse. Es
wurde groß gelobt, was jetzt alles passieren wird. Ich
muss Sie einmal bitten: Noch ist dieser Gesetzentwurf
nicht verabschiedet. Das Erste, was ich gehört habe, als
dieser Gesetzentwurf vorgestellt wurde, war Kritik von
Herrn Luczak, der als Zuständiger der CDU/CSU-Fraktion sagte: So haben wir uns das nicht gedacht. Dadurch
weiß ich zumindest, dass dieser Entwurf in der aktuellen
Fassung offensichtlich nicht in oder durch den Deutschen Bundestag kommt.
({6})
Angesichts all der Lorbeerkränze, die sich manche hier
schon selber aufsetzen, muss ich sagen: Wissen Sie, bis
Ihr Gesetzentwurf verabschiedet ist, sind die Mieten sicherheitshalber zwei- bis dreimal erhöht worden, was
auch zu einer Erhöhung des Mietspiegels führt.
({7})
Ich habe noch eine Frage: Warum gehen Sie nicht
gleich die Modernisierungsumlage mit an und machen
dazu einen Vorschlag? Denn die Modernisierungsumlage - 11 Prozent der Modernisierungsaufwendungen
können auf die Miete umgelegt werden - und die Maßnahmen, die man dulden muss, bedeuten eine große Belastung für die Mieterinnen und Mieter. Sie sind also
noch gar nicht richtig losgesprungen, wieso sollen wir
dann applaudieren?
({8})
Ich komme zur Frauenquote. Wenn Ekin Deligöz jetzt
hier wäre, würde sie seufzen. Die Frauenquote war ja
nicht gerade das Lieblingsthema der SPD-Fraktion in der
letzten Legislaturperiode.
({9})
- Das kann man so nicht sagen. Einige schauen dabei
weg. - Man musste Sie zum Jagen tragen.
({10})
Ich glaube, Dagmar Ziegler weiß, wie schwer es war.
Man soll ja klüger werden, weiterkommen und positiv
denken. Aber statt der eigentlich 3 300 Betriebe, auf die
man dabei setzen müsste, sind von der von Ihnen geplanten Quote ungefähr 100 Betriebe betroffen.
Ich könnte noch weitermachen. Wo ist eine Vorlage
zum Kundendatenschutz? Wo sagen Sie etwas zu den
18 Millionen gestohlenen Passwörtern? Wo sagen Sie etwas zum Urteil des BGH zur Schufa und ändern das
Bundesdatenschutzgesetz? Wo ist das Geld für die Einrichtung einer Geschäftsstelle für den Sachverständigenrat? Zu all diesen Dingen findet man am Ende gar nichts.
Ein weiteres Beispiel. Ende April jährt sich der Tag, an
dem das Rana Plaza in Bangladesch, in dem sich mehrere
Textilfabriken befanden, zusammenbrach und regelrecht
zertrümmert wurde. Dabei starben 1 200 Menschen. Wo
ist jetzt eine Initiative von Ihnen? Herr Müller, Ihr Kollege, erklärt uns gerade, dass er einen Runden Tisch für
die deutsche Textilindustrie einsetzen wird. Ich rufe
Herrn Müller zu: Es gibt eine internationale, eine globale
Textilindustrie. Also lassen Sie uns dafür Maßnahmen
ergreifen. Was hat eigentlich der Bundesverbraucherminister zum Beispiel zu einer möglichen Transparenzrichtlinie für die Textilindustrie auf europäischer Ebene
gesagt?
Herr Maas, Sie haben sich bei der Vorratsdatenspeicherung klug verhalten. Trotz alledem sage ich Ihnen:
Minister werden nicht an Interviews gemessen, sondern
an Taten.
({11})
Für die CDU/CSU erteile ich jetzt dem Kollegen
Sebastian Steineke das Wort.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
sprechen heute - das ist bereits mehrfach angeklungen über den Einzelplan mit dem niedrigsten Volumen. Es
geht in der Debatte deswegen in erster Linie um die Inhalte. Diesen sollten wir uns auch widmen. Einige
rechtspolitische Aspekte möchte ich näher betrachten.
Kollege Lischka hat angesprochen, was wir auf den
Weg gebracht haben. Es gibt Referentenentwürfe, und es
gibt Vorlagen, die wir zum Teil sogar schon in erster Lesung behandelt haben. Von bloßen Ankündigungen kann
also keine Rede sein. Wir haben in den ersten 100 Tagen
extrem viele Vorhaben auf den Weg gebracht.
({0})
Ein besonderes Thema möchte ich ansprechen. Mit
der Neuregelung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung haben wir schon im Februar dieses Jahres
eines der größten Streitthemen der letzten zwei, drei Legislaturperioden abgeräumt.
({1})
Nach langen Diskussionen, vielen Debatten und einer
Menge Anhörungen, die es dazu gegeben hat,
({2})
konnten wir eine ausgewogene Regelung finden,
({3})
die sowohl der Korruptionsbekämpfung als auch der Sicherung des freien Abgeordnetenmandats Rechnung
trägt. Es haben alle Fraktionen im Bundestag zugestimmt, Herr Ströbele; auch das sollte man erwähnen.
({4})
Wir Abgeordnete werden gewählt, um die Interessen
der Bürger und Bürgerinnen zu vertreten. Wir sind im
besten Sinne des Wortes Interessenvertreter. Das darf
nicht zum Risiko für die Mandatsausübung werden. Uns
war daher wichtig, dass das vom Grundgesetz geschützte
freie Mandat, aber vor allen Dingen auch die Tätigkeit
Zehntausender ehrenamtlich tätiger Kommunalvertreter
- auch sie sind uns wichtig - durch diese Neuregelung
nicht beeinträchtigt werden. Hierbei galt es zu bedenken,
dass ein Ermittlungsverfahren für jeden Bürger eine Belastung ist, dass es für einen Politiker aber in der Regel
das Ende der Laufbahn bedeutet.
In den kommenden Monaten wird der Bundestag die
bisher geltenden Verhaltensregeln überarbeiten müssen.
Wir sind uns einig, dass wir klare, transparente Regeln
brauchen, dass diese aber auch praxisgerecht und umsetzbar sein müssen. In diesem Zusammenhang gehört
sicherlich auch das Immunitätsrecht auf den Prüfstand.
Es erfüllt schon lange nicht mehr den Zweck, für den es
ursprünglich gedacht war.
({5})
Es schützt den Abgeordneten nicht,
({6})
sondern führt vielfach zu Vorverurteilungen und schadet
daher viel mehr.
({7})
Wir haben uns in der Koalition für die nächsten dreieinhalb Jahre auch im Bereich des Zivilrechts Ziele gesetzt. Die Justiz soll bürgernäher und effizienter werden;
wir wollen eine moderne Justiz. Dazu sollen die Länder
unter anderem die Möglichkeit erhalten, spezialisierte
Spruchkörper einzurichten, beispielsweise für Bauprozesse; so wollen wir das Fachwissen in Bezug auf diese
komplexe Materie erhöhen. Zu einer modernen Justiz
gehört insbesondere die Fortentwicklung des elektronischen Rechtsverkehrs. Dies darf aber kein reiner Selbstzweck sein, sondern muss den Bürgerinnen und Bürgern
einen echten Mehrwert bieten.
Der Anteil der Internetnutzer in Deutschland liegt aktuell bei 76, 77 Prozent. Für die allermeisten Menschen
sind E-Mail- und Internetnutzung eine absolute Selbstverständlichkeit. Die Kommunikation zwischen Anwälten und Justiz erfolgt trotzdem fast ausschließlich in Papierform. Bereits in der letzten Legislaturperiode wurde
deswegen das Gesetz zur Förderung des elektronischen
Rechtsverkehrs mit den Gerichten verabschiedet. Mit
den entsprechenden Neuregelungen in Zivilprozessordnung und Verfahrensordnung sollen die elektronischen
Zugangswege zur Justiz in den nächsten Jahren verbessert werden.
Mit der Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs
bietet sich der Justiz die Chance auf eine zeitgemäße und
unkomplizierte Kommunikation mit Bürgern, Anwälten
und Unternehmen.
({8})
Die Anwaltschaft ist hier, vertreten durch die Bundesrechtsanwaltskammer, in Vorleistung gegangen, sowohl
finanziell als auch organisatorisch; das wissen Sie. Bereits ab Anfang 2016 stehen allen Rechtsanwälten in
Deutschland elektronische Anwaltspostfächer zur Verfügung. Um auch wirklich Synergieeffekte erzielen zu
können, ist es wichtig, dass mittelfristig auch die Gerichte verpflichtet werden, Schriftstücke elektronisch zuzustellen, und dass die elektronische Akte in deutschen
Gerichten zum Alltag wird, um Medienbrüche sinnvoll
zu verhindern.
Es stellen sich dabei aber auch im Prozessrecht einige
Fragen, die beantwortet werden müssen: Wie ist zum
Beispiel mit dem Risiko von Fehlern und Ausfällen bei
elektronischer Kommunikation umzugehen? Kann man
dies tatsächlich ausschließlich dem Wiedereinsetzungsrecht überantworten? Ich denke, nicht. Darüber müssen
wir sicherlich noch nachdenken.
Wir stehen jedoch hinsichtlich der dafür notwendigen
Ausstattung zweifellos vor einer enormen finanziellen
Herausforderung; das gilt sowohl für die Länderhaushalte als auch für den Bundeshaushalt. Der elektronische
Rechtsverkehr ist ein Modernisierungs- und kein Sparprogramm. Er wird sich nicht automatisch kurz- oder
mittelfristig durch Effektivitätsgewinne refinanzieren.
Die bloße Umsetzung darf deswegen nicht zu einem
weiteren Personalabbau im Bereich der Justiz führen.
({9})
Bezüglich des Personals gilt dies im Übrigen auch an
einer anderen Stelle: Die starke Zunahme im Bereich der
Nichtzulassungsbeschwerden bei den Zivilsenaten des
BGH muss uns Sorgen machen. Ihre Zahl hat sich beispielsweise im Jahr 2012 gegenüber dem Vorjahr um
41 Prozent erhöht. Diese Steigerung bei den Nichtzulassungsbeschwerden beruht maßgeblich auf der hier im
Haus verabschiedeten Änderung des § 522 ZPO. Mit
Einführung des Abs. 3 können seither auch Beschlüsse,
mit denen das Berufungsgericht die Berufung zurückgewiesen hat, angegriffen werden. Die hohe personelle Belastung aufgrund des vermehrten Eingangs von Nichtzulassungsbeschwerden ist offensichtlich und auf Dauer so
nicht mehr tragbar.
({10})
Hier müssen ebenfalls entsprechende Mittel bereitgestellt werden.
Als Rechtspolitiker wird man von Zeit zu Zeit auch
mit nicht so sinnvollen Gesetzesvorschlägen konfrontiert. Vor kurzem ist ein Vorschlag der Europäischen
Kommission zur Änderung der Verordnung über das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen in
Zivil- und Handelssachen, die sogenannte SmallClaims-Verordnung, auf unseren Tischen gelandet.
Diese Verordnung gibt es bereits seit 2009. Mit ihrer
Hilfe sollen grenzüberschreitende Forderungen bis
2 000 Euro leichter geltend gemacht werden können.
Dabei kann man mittels eines kleinen Formblatts Klage
erheben. Eine mündliche Verhandlung oder die Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist nicht vorgesehen, und
es gelten sehr kurze Fristen.
In meiner praktischen Arbeit als Rechtsanwalt bin ich
mit dieser Verordnung bisher nicht in Berührung gekommen. Anscheinend bin ich damit nicht ganz allein; denn
das Small-Claims-Verfahren wird auch fünf Jahre nach
seiner Einführung nur äußerst spärlich genutzt.
Um dies zu ändern, soll nun der Anwendungsbereich
der Verordnung massiv ausgeweitet werden. Bei der Begründung des Vorschlags zur Änderung geht die Kommission davon aus, dass die Ursache im Wesentlichen im
fehlenden Bekanntheitsgrad und zum Teil in Mängeln
bei der Ausgestaltung der Verordnung liegt. Sie möchte
nun unter anderem die Streitwertgrenze von 2 000 auf
10 000 Euro anheben und die Begriffsbestimmung für
grenzüberschreitenden Rechtsverkehr deutlich erweitern.
Dieser Vorschlag stößt auf erhebliche Bedenken: Er
lässt nicht nur die Schutzbedürftigkeit der Prozessparteien völlig außer Acht, sondern eröffnet zusätzlich eine
Bandbreite an Missbrauchsmöglichkeiten. Die auf das
Fünffache angehobene Streitwertgrenze ist für die Bürger und die meisten Unternehmen beim besten Willen
keine Bagatelle mehr. Die Geringfügigkeitsgrenze der
ZPO liegt bekanntlich bei lediglich 600 Euro, und die
hinter einem hohen Streitwert stehenden Rechtsstreitigkeiten sind in der Regel auch keine einfachen Verfahren.
Ebenso fragwürdig ist, dass der Vorschlag auch keine
Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorsieht; allein davon verspricht man sich, billiger und schneller zu sein.
Dadurch wird jedoch weder die Attraktivität des Verfahrens erhöht, noch ist den Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland mit der Einführung solch einer, ich
will einmal sagen, europäischen ZPO durch die Hintertür geholfen.
Anstatt den Anwendungsbereich dieser Verordnung
in solch einer Art und Weise zu erweitern, sollten wir
hier darüber nachdenken, wie wir die Attraktivität der
bestehenden Regelung deutlich erhöhen können, schon
dadurch, dass wir sie bekannter machen. Dafür könnten
wir uns im Bundestag am besten gemeinsam einsetzen.
Vielen Dank.
({11})
Herr Kollege Steineke, zu Ihrer ersten Rede hier im
Deutschen Bundestag gratuliere ich Ihnen herzlich und
wünsche Ihnen viele weitere Debattenbeiträge hier in
unserem Parlament.
({0})
Nächster Redner für die Sozialdemokraten ist der
Kollege Dennis Rohde.
({1})
Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister
Maas! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Rechtspolitik hat den Anspruch, die Regeln des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft zu gestalten. Es geht dabei
nicht nur darum, bestehende Rechte zu wahren, sondern
auch darum, die Rahmenbedingungen für ein solidarisches Miteinander zu schützen, zu entwickeln und dort,
wo es nottut, sie auch zu verändern. Darum braucht eine
gute Rechtspolitik den Mut, aktiv zu handeln und nicht
nur zu blockieren, was verbriefte Rechte bedroht. Diesen
Mut hatte die vorige Leitung des Hauses leider nicht.
Hier weht jetzt ein frischer Wind, und darüber freuen wir
uns.
({0})
Besonders freuen wir uns darüber, dass im Ministerium jetzt auch der wirtschaftliche Verbraucherschutz
angesiedelt ist; denn klar ist: Wir müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher stärken und ihre Interessen in
höherem Maße berücksichtigen, als dies bisher der Fall
war. Wir wollen sie informieren und ausrüsten, damit sie
auf Augenhöhe und selbstbestimmt am Marktgeschehen
teilnehmen können, statt immer wieder zum Spielball
der wirtschaftlichen Kräfte zu werden. Darum brauchen
wir transparente Regeln und eine Gesetzgebung, die
beim Verbraucher ansetzt, und zwar beim Verbraucher,
wie er wirklich ist, und nicht bei einem idealisierten Gebilde irgendwelcher Theoretiker.
({1})
Ich bin überzeugt: Die stärkere Einbindung des Verbraucherschutzes ist gut für die Rechtspolitik dieser Bundesregierung. Sie erinnert uns daran, dass die realen Lebensbedingungen der Bevölkerung Richtschnur allen
Handelns sein müssen. Nicht nur thematisch, sondern
auch finanzpolitisch ist die Zusammenführung sinnvoll
und bringt mehr Transparenz und Überschaubarkeit über
Kosten und Einnahmen mit sich.
Der nun vorliegende Haushaltsentwurf hat das Ziel
eines ausgeglichenen Haushalts fest im Blick. Mit einer
Quote von 73 Prozent wird erneut die höchste Eigendeckung aller Einzelpläne ausgewiesen - und das trotz der
Eingliederung des Bereichs Verbraucherschutz mit seiner ganz eigenen Einnahmen- und Kostenstruktur.
Es ist im Übrigen erneut das Patent- und Markenamt,
das zur guten Einnahmesituation des Haushaltes beiträgt. Deutschland ist also unverändert das Land der Erfinder und der Innovationen. Das begrüßen wir, und das
gilt es zu schützen.
({2})
Dabei ist die Maxime der gestaltenden Haushaltsführung, die wir anstreben, auch im engen Korsett der Vorgaben unserer Verfassung und der Maastricht-Kriterien
schon heute erkennbar. Wir Sozialdemokratinnen und
Sozialdemokraten im Haushaltsausschuss werden den
Prozess des Gestaltens und des gleichzeitigen Konsolidierens gerne und konstruktiv begleiten.
Lassen Sie mich auch das noch ganz ausdrücklich sagen: Die bisherigen Gespräche zum Einzelplan 07 habe
ich - und zwar auch mit den Vertreterinnen und Vertretern der Opposition - als ausgesprochen angenehm, programmatisch und weitsichtig empfunden. Wenn alle wissen, was auf dem Spiel steht, und alle an einem Strang
ziehen, dann kann man zum guten Schluss meist mit
dem besten Ergebnis rechnen.
Diese interfraktionelle Übereinstimmung freut mich
auch angesichts der richtigen und wichtigen Projekte,
die der Bundesminister bereits angestoßen hat. Das
Ministerium hat schon mit Hochdruck an Neuregelungen
gearbeitet. Weitere werden mit Sicherheit folgen. Ich
will kurz auf einige Punkte eingehen, die ich dabei als
besonders wichtig empfinde:
Wir erleben, dass in vielen städtischen Räumen Menschen mit niedrigem Einkommen durch Mietexplosionen
in Vororte und in Randgebiete gedrängt werden - oftmals weit weg von ihrem Arbeitsplatz und von der
Schule der Kinder; sie sind damit raus aus dem Viertel,
in dem sie aufgewachsen sind. Das entspricht nicht unserer Vorstellung von einer Gesellschaft, an der jeder
gleichberechtigt teilhaben kann, egal aus welcher gesellschaftlichen Schicht er kommt.
({3})
Darum begrüßen wir es besonders, dass die Große Koalition mit der Mietpreisbremse endlich Wuchermieten
Einhalt gebietet. Es wurde auch Zeit!
({4})
Die Wohnungsnot in unseren Städten ist jedoch nur
ein Thema, das die Arbeit des Ministeriums und unserer
Fraktion bestimmt. Weil Gerechtigkeit für uns Leitwert
ist, begrüßen wir Sozialdemokraten auch ausdrücklich
die Frauenquote in Aufsichtsräten, die die SPD-Bundesminister Maas und Schwesig gemeinsam umsetzen;
({5})
denn dass es in einem modernen Industrieland noch immer viel zu wenig Frauen in Führungspositionen gibt, ist
doch peinlich und nicht länger hinzunehmen.
Wie oft hat man uns erzählt, dass die Unternehmen
das schon von alleine regeln werden? Wie oft hat man
uns erzählt, dass es überhaupt keiner gesetzlichen Handhabe bedarf? Würden wir diesem Rat folgen, müssten
wir wohl noch bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten.
So viel Geduld wäre keine Tugend, sondern ein Zeichen
von Gleichgültigkeit, eine Gleichgültigkeit, die es mit
uns Sozialdemokraten nicht mehr geben wird.
({6})
30 Prozent Frauen in Aufsichtsräten: Das ist ein Verdienst dieser Großen Koalition, einer Koalition, die Ungerechtigkeiten eben nicht nur beklagt, sondern ihnen
auch entschieden entgegentritt.
Aus dem Haushalt des Bundesministeriums der Justiz
und für Verbraucherschutz fördern wir deswegen erneut
die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld.
({7})
Damit tragen wir dazu bei, die Akzeptanz von Schwulen,
Lesben und Transgendern in der Gesellschaft zu fördern
und, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, Diskriminierung zu bekämpfen.
Wir wollen einen gesellschaftlichen Konsens schaffen, um die Weichen für die vollendete Gleichberechtigung zu stellen. Wir Sozialdemokraten wissen aber
auch: Hier sind auch gegen Widerstände im Hause noch
viele weitere Schritte notwendig.
({8})
Wir werden ferner den Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses ernst nehmen. Das sind wir zuallererst den Opfern und ihren Angehörigen schuldig, die so
lange auf Gerechtigkeit gewartet haben und viel zu lange
von unserem Staat im Stich gelassen wurden; denn dass
Rechtsextreme in Deutschland jahrelang morden, ohne
gefasst zu werden, darf es in diesem Land nie wieder geben. Hier müssen wir handeln, und hier werden wir handeln.
({9})
Eingangs habe ich gesagt, gute Rechtspolitik müsse
das Recht nicht nur bewahren, sondern auch gestalten.
Ich glaube, wir haben jetzt ein Ministerium, das sich genau das auf die Fahne geschrieben hat. Ich bin davon
überzeugt: Das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ist gut aufgestellt, um unser aller Zusammenleben gerechter und solidarischer zu gestalten.
({10})
Vielen Dank. - Als nächster Redner spricht der Kollege Michael Frieser, CDU/CSU.
({0})
Vielen Dank. - Herr Präsident! Ich bin fast etwas
überrascht, wie viele Punkte in dieser doch sehr inhaltlich getragenen Debatte mit großer Ernsthaftigkeit im
Tonfall genannt wurden. Das mag uns auf unserem Weg,
Herr Minister, weiterbringen, auch was die Zusammenarbeit in diesem Haus betrifft.
Ich war schon etwas überrascht, dass keiner die jüngsten Veröffentlichungen des EU-Justizbarometers erwähnt hat: Die Zahlen sind beachtlich. Unser Justizwesen kann sich sehen lassen, was die Qualität, die
Unabhängigkeit und die Effizienz anbetrifft. Deutschland spielt mit seinem Justizwesen in dieser Frage immer
in der obersten Liga. Ich glaube, dass wir angesichts dieser Kategorien durchaus sagen können, dass der Rechtsstaat in diesem Land eine Vorbildfunktion in Europa hat.
Allerdings waren wir in einem Punkt nur im Mittelfeld,
nämlich in der entscheidenden Frage: Wie sieht es bei
den Richterinnen und Richtern in der Frage der Fortbildung aus? Insbesondere im Hinblick auf die Fortbildung
im Bereich der europarechtlichen Fragestellungen befinden wir uns in einem guten Mittelfeld. Da kann man sagen: Richterinnen und Richter sind auch nur ganz normale Menschen. Man lernt eben nicht unbedingt gerne,
wenn es nicht unbedingt sein muss.
Wir wissen aber, dass gerade die Zahl der Vorlageverfahren - das sehen wir anhand der Tagesordnungen des
Rechtausschusses - beim Europäischen Gerichtshof einen Aufwuchs von immerhin 10 Prozent aufweist. Ganz
aktuell ist es so: Es vergeht nahezu keine Ausschusssitzung, in der wir es nicht mit europäischem Recht zu
tun haben und in der wir Europa nicht im Blick haben.
Deshalb muss man ganz deutlich sagen: Vielleicht wäre
es ganz gut, ein erhöhtes Augenmerk auf die Fortbildung
in europarechtlichen Belangen zu legen, vielleicht auch
verstärkt den Eventcharakter von Fortbildungen zu den
interessanten Urteilen des Europäischen Gerichtshofes
zu betonen.
Damit sind wir ganz aktuell bei der Frage der Mindestspeicherfristen. Ich will mich da beschränken, weil
wir zu dieser europarechtlichen Fragestellung schon sehr
viel gehört haben. Mehrfach hieß es: Man hätte sich eine
andere europäische Haltung dazu gewünscht. Man hätte
sich gewünscht, dass es eine Übergangsfrist gibt. Ich
kann deutlich sagen, dass das auch mein Wunsch gewesen wäre. Deutlich ist auch: Das Instrument der Vorratsdatenspeicherung als solches wurde anerkannt. Sogar
seine Durchschlagskraft wurde in diesem Urteil hervorgehoben. Nur lediglich die Art und Weise der Speicherung muss anders werden. Man kann fast sagen: Die Dosis macht das Gift.
Wir dürfen allerdings nicht so tun, als ob es beim
Thema Vorratsdatenspeicherung jetzt gelte, eine Denkpause einzulegen. Ich hatte manchmal das Gefühl, dass
diese Auffassung hier um sich greift. Ich glaube schon,
dass Deutschland auch in dieser Frage Standards setzen
muss. Immerhin ist es doch so: Wir haben ein Ministerium für Verbraucherschutz und nicht für Straftäterschutz. Deshalb braucht es an dieser Stelle unser aktives,
unser mutiges Vorgehen, ohne dabei die Rechte der Bürger zu verletzen. Trotzdem müssen wir sagen: Wir brauchen die Möglichkeit der Mindestspeicherfrist als
schlagkräftiges Instrument gegen Straftaten, vor allem
bei schweren Straftaten.
({0})
Gesellschaftsrechtliche Fragestellungen sind heute in
vielfacher Weise angeklungen. Wir haben verschiedene
Fragestellungen vor allem beim Thema Straftaten gegen
die sexuelle Selbstbestimmung, beim Thema Zwangsprostitution und auch beim Menschenhandel gehört. In
diesen Fragen sind die Erwartungen, Herr Minister, an
Ihr Haus sehr hoch. Man kann durchaus sagen: Die letzte
Legislatur war von großen Diskussionen geprägt, und in
dieser Legislatur müssen wir miteinander Ergebnisse erarbeiten. Ich habe den Eindruck, das ist machbar. Das,
was wir bisher vorgelegt haben, lässt diesen Schluss zu.
Es geht darum, dass wir hier einen ausreichenden Schutz
bieten müssen. Manchmal hat man in der öffentlichen
Diskussion das Gefühl, dieses Thema hat die Menschen
noch gar nicht richtig erreicht.
Die Erwartungen sind auch deshalb so hoch, weil wir
aus aktuellem Anlass deutlich sagen müssen: Wir dürfen
es nicht zulassen, dass Kinder und Jugendliche in der ihrem Alter entsprechenden Unerfahrenheit und Unbefangenheit zu Opfern von Ausbeutung und Missbrauch werden. Wenn wir in diesem Haus dazu irgendetwas
beitragen können, dann sind wir sogar dazu verpflichtet,
das in dieser Legislatur schnell auf den Weg zu bringen.
Ich bin dem Kollegen Staatsminister Bausback, dem
Justizminister Bayerns, dafür dankbar, dass er über den
Bundesrat eine diesbezügliche Initiative auf den Weg
bringt. Die Umsetzung der dazugehörigen EU-Richtlinie
tut ein Übriges dazu. Ich bin auch dankbar, dass der Herr
Minister angekündigt hat, bei dem Thema Kinderpornografie und beim Schutz des Persönlichkeitsrechtes das
Seinige dazu beizutragen, und zwar nicht irgendwann,
sondern jeweils mit einem Vorlagedatum versehen. Ich
glaube, damit handeln wir richtig.
({1})
Beim Thema Zwangsprostitution und Menschenhandel - Kollege Strobl hat es schon gesagt - hat die Union
ihre Eckpfeiler eingerammt. Ich glaube, auch hier besteht kein grundsätzlicher Dissens, schon gar nicht in der
Öffentlichkeit, aber auch in diesem Hohen Hause nicht.
Wer sich mit diesem Thema beschäftigen muss - man tut
das nicht immer freiwillig -, arbeitet an einer wichtigen
Stelle; denn gerade beim Thema Zwangsprostitution und
Menschenhandel haben wir in diesem Land etwas aufzuarbeiten, und ich meine, dass wir das in Kürze tun können und auch tun sollten.
({2})
Ich darf noch einen Punkt hinzufügen, der heute nicht
angesprochen worden ist. Dabei geht es um den Verbraucherschutz und das Insolvenzrecht. Wir haben in der Insolvenzrechtsänderung durchaus eine Möglichkeit gesehen, auch in der Frage der Rechtssicherheit einen
Beitrag zu leisten. Die vielfältige Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes hat das Ihrige dazu beigetragen.
Wir haben uns immer als mittelstandsfreundlich bezeichnet. Manchmal weiß der eine oder andere Mittelständler in dieser Frage nicht so genau, woran er ist. Mit
dem Willen, Rechtssicherheit zu schaffen, müssen wir
das Ganze allerdings auch praktikabel und umsetzbar
machen. Interessant ist nämlich: Wenn der groß angelegte Kampf gegen das kollusive Zusammenwirken in
ein kollektives Unverständnis umschlägt, weil der einzelne Mittelständler nicht mehr genau weiß, was er machen soll, dann kommt auch das Verbraucherschutzministerium meines Erachtens an den Rand seiner
Belastbarkeit.
Man darf als CSUler den Wechsel des Verbraucherschutzes ins Justizressort mit einem weinenden Auge betrachten. Aber ich meine, über gute Synergieeffekte hinaus gibt es noch andere inhaltliche Gründe dafür, dass
der Verbraucherschutz zum Recht gezogen wird. Damit
kann er bei den vielen Punkten, die es dort inhaltlich aufeinander abzustimmen gilt, und auch in der Größenordnung des Haushaltes eine ganz wesentliche Rolle spielen. Sie haben die Punkte genannt, Herr Minister. Es
geht um die Stiftung Warentest, um Prokon und um die
Kontrolle des grauen Marktes. Das sind die Stichworte
in diesem Zusammenhang. Ich habe keinerlei Anlass, zu
glauben, dass der Verbraucherschutz in diesem Lande in
irgendeiner Weise einen Nachteil erfährt.
({3})
Es geht vor allem darum, dass wir die Bezüge herstellen
können, die sich in der Frage der Rechtspolitik ergeben.
Wir können uns diese Form der Mittelstandsförderung auf die Fahne schreiben, die wir zum Beispiel mit
der Bekämpfung des Zahlungsverzugs betreiben können.
Zahlungsverzug ist in diesem Land zum Volkssport geworden. Wir können deutlich machen: So kann man,
quasi zur Refinanzierung des eigenen Unternehmens,
nicht miteinander umgehen.
Kollege Hoppenstedt hat Staatssekretär Lange mit
seinem Lob fast etwas verunsichert. Jetzt könnte der Parlamentarische Staatssekretär Kelber fragen: „Und was ist
mit mir?“ In meiner fränkischen Heimat heißt es: Nicht
kritisiert ist schon gelobt genug. - Nehmen Sie das zum
Anlass, sich das Lob zukünftig noch etwas mehr zu verdienen! Wir sind auf jeden Fall dabei, daran tätig mitzuwirken.
Vielen herzlichen Dank.
({4})
Vielen Dank, Herr Kollege. Das war jetzt wirklich
ziemlich gelobt. - Schönen Nachmittag von mir, und als
Nächste die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß für die
SPD.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Wenn sich der Verbraucherschutz an der Anzeigetafel wiederfindet, wenn der Einzelplan 07 diskutiert wird,
werde auch ich zufrieden sein: das vielleicht als kleiner
Hinweis an die Bundestagsverwaltung. Vielen Dank.
({0})
Verbraucherpolitik für echte Verbraucher: Das klingt
banal, doch war das bisher nicht selbstverständlich. Die
verbraucherpolitischen Maßnahmen - verschiedene sind
schon genannt worden - sollen in Zukunft den wirklichen, den real existierenden Verbraucherinnen und Verbrauchern nutzen. Das hat mein Kollege Dennis Rohde
schon angedeutet.
Die Grundlagen dafür haben wir gelegt. Denn unter
der alten Bundesregierung herrschte noch die Vorstellung vom mündigen Verbraucher vor. Den gibt es aber
nicht. Das haben wir jetzt auf den Boden der Realität geholt. Denn das Leben ist anders, verehrte Kolleginnen
und Kollegen. Kein Mensch ist immer und überall in der
Lage, informierte und rationale Konsumentscheidungen
zu treffen. Wenn Sie Menschen danach fragen, werden
sie Ihnen das bestätigen.
Die neue verbraucherpolitische Basis, das sind die realen Menschen mit ihren verschiedenen Interessen und
Problemen. Gute Verbraucherpolitik muss ihre unterschiedlichen Voraussetzungen und vor allen Dingen Verhaltensweisen berücksichtigen. Zum Beispiel bei der
Entwicklung von geeigneten Instrumenten sollen künftig
die Erkenntnisse der Verbraucherforschung einfließen
und dafür sorgen, dass die getroffenen Maßnahmen tatsächlich bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommen.
({1})
Ein weiteres Beispiel. Bestehende Regelungen sollen daraufhin überprüft werden, ob sie den Verbraucherinnen
und Verbrauchern nutzen. Damit wird die Verbraucherpolitik auf neue Füße gestellt. Das heißt, sie bekommt
damit Bodenhaftung.
Einen wichtigen Beitrag dazu wird der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen leisten können, dessen Einrichtung wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Der
Einstieg in das Marktwächtermodell - schon verschiedentlich genannt - und die Einrichtung eines Sachverständigenrats für Verbraucherfragen werden Maßnahmen
sein, die die Verbraucherpolitik grundlegend verändern
werden. Wichtig ist uns, dass sich der Rat aus unabhängigen Experten und Wissenschaftlern über die verschiedenen Disziplinen hinweg zusammensetzt und dass - Sie
gestatten mir diese Äußerung, werte Kolleginnen und
Kollegen Juristen - die juristische Perspektive um Erkenntnisse etwa aus der Soziologie, der Politologie und
vor allen Dingen aus der Verhaltensforschung ergänzt
wird. Das heißt, der Sachverständigenrat soll zu wichtigen Verbraucherfragen und Teilmärkten Gutachten abgeben und Vorschläge zur Forschungsförderung erarbeiten.
Durch die Nutzung der Ergebnisse der Verbraucherforschung zur Entwicklung von effektiveren und effizienteren Politikinstrumenten wird die Verbraucherpolitik besser werden. Sie ist zwar schon ganz gut, kann aber
noch besser werden. Nur wer die realen Verbraucher mit
ihren unterschiedlichen Voraussetzungen, Interessen und
Problemen im Blick hat, kann eine Verbraucherpolitik
gestalten, die bei den Menschen ankommt und ihren Alltag erleichtert, eine Verbraucherpolitik mit dem Ziel, erstens dort für Schutz zu sorgen, wo sich Verbraucher
nicht selbst schützen können - es sind verschiedene Beispiele gerade aus dem Finanzdienstmarkt genannt worden -, zweitens Verbraucher zu unterstützen durch gezielte und umfassende Information, die auch sprachlich
verstanden wird, sowie durch Beratung und Bildung,
drittens Transparenz zu schaffen durch Vergleichbarkeit
und Offenlegung beim Angebot an unterschiedlichen
Produkten und viertens die Möglichkeit zu schaffen
- das klang schon verschiedentlich an - für eine effektive Rechtsdurchsetzung.
Wir wollen also einen verbraucherfreundlichen, transparenten Markt, auf dem sichere und gute Produkte unter
fairen und nachhaltigen Bedingungen hergestellt und angeboten werden.
({2})
Das zeichnet für mich gute Verbraucherpolitik aus. Ich
bin davon überzeugt, dass das mit diesem Minister gelingen wird.
Herzlichen Dank.
({3})
Danke, Frau Kollegin. - Letzter Redner zu diesem
Bereich ist Klaus-Dieter Gröhler für die CDU/CSUFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Auch Ihnen einen schönen Nachmittag, genauso wie Ihnen, meine Damen und Herren
Kollegen, und den Zuhörerinnen und Zuhörern auf der
Tribüne! Ich bin der letzte Redner zum Einzelplan 07.
Vielleicht sollte ich lieber „abschließender Redner“ sagen, weil sonst die Opposition den Ausdruck „letzter
Redner“ falsch verstehen könnte.
Dann hätte ich gesagt „allerletzter Redner“.
Danke schön.
Ich will mich ein bisschen an dem orientieren, was
der Kollege Claus als erster Redner in dieser Debatte als
Leitfaden ausgegeben hat, wenngleich ich mich als anständiger Christdemokrat sonst nicht am Handbuch des
sozialistischen Leiters orientiere. Aber mir gefiel ganz
gut sein Slogan „Lobend beginnen, kritisch fortsetzen
und optimistisch enden“. Ich glaube, so war das. Daran
will ich mich entlanghangeln.
Bitte erlauben Sie mir, dass ich als Mitglied des Haushaltsausschusses ein bisschen mehr auf die Zahlen
schaue. Der Einzelplan, über den wir jetzt gerade sprechen, hat einen Anteil am ganzen Bundeshaushalt von
0,2 Prozent bei den Ausgaben und von 0,16 Prozent bei
den Einnahmen. Der eine oder andere Banker hätte
wahrscheinlich früher gesagt: 641 Millionen Euro Ausgaben sind Peanuts. - Als Mitglied des Haushaltsausschusses sehe ich das natürlich ein bisschen anders; denn
wann immer wir 1 Euro Steuergeld ausgeben, lohnt es
sich, genau hinzuschauen, wofür wir das tun.
Der Minister hat zu Recht darauf hingewiesen, dass
die Deckungsquote bei 73 Prozent liegt. Herr Minister
Maas, ich darf Sie darauf hinweisen, dass die Deckungsquote früher bei 80 Prozent lag. Ihr Vorgänger hatte im
Jahr 2012 eine Deckungsquote von 87 Prozent. Aber Sie
haben bis zum Jahr 2017 noch ein bisschen Zeit, sich zu
steigern.
Lassen Sie mich ganz kurz auf den allgemeinen Haushalt zurückkommen. Ich will mich an der Stelle ganz
herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einerseits des Bundesfinanzministeriums, andererseits
aber auch des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz bedanken. Als Berichterstatter haben wir
in den nächsten Tagen häufig viele Fragen und viele Informationswünsche und hatten sie auch schon in den
letzten Wochen gehabt. Die werden, wie ich finde, immer sehr anständig bedient. Ein Haushaltsplan fällt nicht
vom Himmel, auch der Minister schreibt ihn nicht selbst
herunter, sondern dafür gibt es viele fleißige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die kommen manchmal vielleicht ein bisschen zu kurz bei unserer Diskussion. Herr
Minister, ich bitte Sie ganz herzlich, einen Dank an Ihre
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von uns zu übermitteln.
({0})
Mein ganz besonderer Dank gilt aber dem Bundesfinanzminister. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Ich
bin Jahrgang 1966. Seitdem ich auf der Welt bin, sind in
der Bundesrepublik Deutschland fast immer Schulden
gemacht worden, nur die ersten drei Jahre nicht. Das
hängt nicht an mir, hoffe ich. Ich fand es heute schon
ganz beeindruckend, als um 11.16 Uhr - ich habe es mir
extra aufgeschrieben - Wolfgang Schäuble von diesem
Podium aus gesagt hat: Ab 2015 wird der Bund keine
neuen Schulden mehr machen.
Ich finde, diesen Satz kann man gar nicht oft genug
wiederholen. Ich bin sehr zufrieden, dass bei der ersten
Haushaltsberatung, an der ich hier teilnehme, dieser Satz
gefallen ist. Ich werde meinem Sohn sagen: Wir leben ab
jetzt nicht mehr über unsere Verhältnisse. Wir sorgen mit
dafür, dass dir nicht ein Schuldenberg übergeben wird,
der so groß ist, dass sich deine Generation nicht mehr
bewegen kann. Ich werde ihm sagen: Wir haben angefangen, Nachhaltigkeit auch in die Haushaltspolitik
einfließen zu lassen. Wir schaffen neue Gestaltungsspielräume, statt nur die Schulden zu bedienen und Zinszahlungen an Banken zu leisten.
Lassen Sie mich auch auf Folgendes hinweisen: Noch
nie in der Geschichte der Bundesrepublik ist ein Haushalt gegenüber dem Vorjahreshaushalt so stark abgesenkt worden, nämlich um 3 Prozentpunkte. Das heißt,
gegenüber 307,8 Milliarden Euro werden wir in diesem
Jahr nur 298,5 Milliarden Euro ausgeben. Der Staat hat
endlich begriffen, dass er nicht mehr der Staubsauger
sein kann, der den Bürgerinnen und Bürgern das Geld
aus der Tasche zieht und es anschließend wie ein Füllhorn wieder über ihnen ausschüttet, sondern wir haben
uns dafür entschieden, einen anderen Weg zu gehen. Ich
finde, das ist auch gut so.
Aber zurück zum Etat des Ministeriums der Justiz
und für Verbraucherschutz. In der Tat ist der Etat vielleicht nicht der politischste in diesem Bundeshaushalt.
Zwei Drittel der Ausgaben sind für Personal vorgesehen.
Aber - auch darauf hat der Minister hingewiesen - es ist
ein Etat, der wichtig ist. Im Justizbereich stellen wir damit die Rechtsstaatlichkeit sicher. Wir in Deutschland
wissen aus dem 20. Jahrhundert - wir haben es zweimal
leidvoll erfahren -, was es bedeutet, wenn Rechtsstaatlichkeit nicht gegeben ist, welche Konsequenzen das für
die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich hat.
Die finanzielle Ausstattung unserer Gerichte ist auch
die Gewähr für effektiven Rechtsschutz, insbesondere
dann, wenn der Staat als Monopolist dieses Angebot
macht. Die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung durch
die finanziell ordentlich ausgestatteten Bundesgerichte
ist auch ein Standortvorteil, mit dem wir uns sehen lassen können.
Das Stichwort „Standortvorteil“ bringt mich auf ein
Thema, bei dem sozusagen ein bisschen Wasser im Wein
ist. Erstaunlicherweise stimme ich jetzt schon wieder mit
dem Kollegen Claus überein. Darüber sollte ich einmal
nachdenken.
({1})
- Übereinstimmung habe ich aber nur in diesem Punkt. Es geht dabei um die Patentämter. Dort haben wir das
Problem, dass die Bearbeitungszeiten zu lang sind. Da
ist der Schutz des geistigen Eigentums aus meiner Sicht
nicht ausreichend gewährleistet.
({2})
Für ein Erfinderland wie Deutschland, das sich Exportnation nennt, ist es einfach wichtig, spätestens beim
Haushaltsentwurf 2015 - er steht ja an - dort für eine
bessere Ausstattung zu sorgen.
Der Minister hat darauf hingewiesen: Das Netzwerk
gegen Kindesmissbrauch ist eine wichtige Einrichtung.
Aber auch hier meine ich, dass sechs bis neun Monate
Wartezeit bis zur Betreuung vielleicht zu lang sind. Wir
werden genauer hinsehen müssen, ob wir dieses Netzwerk verstärken sollten. Denn in einem Dreivierteljahr
kann viel passieren, und wir wollen nicht, dass unseren
Kindern etwas passiert. Deshalb werden wir dieses Netzwerk finanziell besser ausstatten müssen.
({3})
Beim Verbraucherschutz hatte ich den Eindruck, dass
der eine oder andere Oppositionspolitiker meint, dieses
Thema sei ganz neu erfunden worden. Dem ist mitnichten so. Bei meinem Besuch bei der Stiftung Warentest
anlässlich ihres 50-jährigen Jubiläums - insofern gibt es
eine lange Tradition des Verbraucherschutzes - konnte
ich feststellen, wie effizient so eine Einrichtung auch mit
relativ wenig Geld arbeiten kann. Ich war als Haushälter
baff, als mir die Vertreter der Stiftung Warentest auf
meine Frage „Brauchen Sie denn mehr Geld?“ antworteten: Wir kommen gut klar. Das war eine Antwort, die ich
einmal erfrischend fand und die auch zeigt, dass es gar
nicht immer auf das Geld ankommt.
({4})
Ich komme zum Schluss; ich sollte ja positiv enden.
Wie war noch gleich das Struck’sche Gesetz? Kein Gesetzentwurf verlässt das Hohe Haus so, wie er eingebracht worden ist. - Das gilt selbstverständlich auch für
den Haushaltsentwurf. Wir werden noch an der einen
oder anderen Schraube drehen müssen. Aber eins sage
ich als Haushälter auch gleich: Wir haben den Ehrgeiz,
dass diese geringe Nettoneuverschuldung, die wir mit
diesem Haushalt vornehmen, nicht wieder gesteigert
wird; sie soll die letzte Nettoneuverschuldung sein. Insofern werden alle Vorschläge für mehr Geld in den einzelnen Etats immer ausgeglichen sein müssen.
Herzlichen Dank.
({5})
Danke, Herr Kollege. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft,
Einzelplan 10. - Ich bitte diejenigen, die an der Debatte
nicht teilnehmen wollen, zügig den Saal zu verlassen.
Diejenigen, die hierbleiben, darf ich bitten, ihre Plätze
einzunehmen.
Das Wort hat zunächst der Bundesminister Christian
Schmidt.
({0})
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Ich hatte an Ihre
freundliche Aufforderung die kleine Hoffnung geknüpft,
dass der eine oder andere nicht allein seinem Fachthema
zugewandte Kollege auch hier sein würde. Ich denke, einige, für die das zutrifft, sind dageblieben. Herzlichen
Dank! In dem Marathon einer Haushaltsdebatte, in der
ein Etat den anderen jagt, ist das keine Selbstverständlichkeit. Es liegt viel Arbeit vor dem Hohen Haus. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
darf mich sehr herzlich dafür bedanken, dass ich schon
im Vorfeld dieses Etats spüren durfte, welche gute und
konstruktive Arbeit sich im Bereich Ernährung und
Landwirtschaft hier im Haus widerspiegelt.
Ich habe nun seit knapp zwei Monaten die Ehre und
die Freude, das Bundesministerium für Ernährung und
Landwirtschaft zu führen. Ich verstehe diese Aufgabe als
eine gute Möglichkeit, auf der Basis guter tradierter Erfahrungen heute notwendige Anpassungen an ökonomische und soziale Veränderungen in Landwirtschaft und
Ernährung zu begleiten und zu steuern und für die Zukunft an einer in die nächste Generation hineinreichenden tragfesten Struktur zu bauen.
Mein Ressort hat viel mit Wurzeln zu tun, nicht nur
weil der volkswirtschaftliche Primärsektor, die Urproduktion, hier zu Hause ist, sondern auch, weil Ernährung
und Leben im ländlichen Raum primäre Lebensbedürfnisse sind, die wir sichern wollen.
Nachhaltigkeit und Naturbewusstsein gehören genauso
dazu. Es ist geradezu ein Lebensministerium.
({0})
Dies verbindet sich für mich auch mit den Primärwerten. Der Respekt vor der Schöpfung Gottes und das Gebot, sich die Erde untertan zu machen, gehören hierher.
Im gesamten ländlichen Raum steht die Wertschöpfung
auf solch einem ethischen Fundament.
Ich sehe unsere Aufgabe darin, den so lange gewachsenen Erfahrungen in der Land- und Forstwirtschaft, in
der Fischerei oder auch in der Energiewirtschaft einen
gesicherten Platz in einer heute von einer digitalen
Dienstleistungsmentalität und -struktur geprägten Gesellschaft zu erhalten und sie dort einzupassen. So sieht
der Entwurf für den Haushalt 2014 auch aus. Er ist in allererster Linie ein sozialer und zukunftsorientierter
Agrarhaushalt. Auch 2014 ist die landwirtschaftliche Sozialpolitik der Kernbestandteil des Einzelplans. Das soll
so bleiben, und das hat seine Berechtigung.
Von den 5,3 Milliarden Euro des Gesamtetats sind für
die Sozialpolitik immerhin 3,7 Milliarden Euro vorgesehen. 70 Prozent des Geldes, das uns zur Verfügung steht,
fließen also in die Alterssicherung, in die Krankenversicherung und in die Unfallversicherung unserer Bauern.
Wir sichern damit Grundlagen, die die Wertschöpfung
durch unsere Landwirtschaft erst möglich machen. Ich
denke, wir machen hier auch deutlich, dass sich die Bauernfamilien, die verschiedenen Generationen auf uns
verlassen können.
({1})
Wir sorgen nicht nur für Kontinuität, sondern wir setzen Akzente auch in Zeiten strikter Haushaltsdisziplin in einer Abwägung mit dem, was wir denen, die eingezahlt haben und die Leistungen erhalten, sozusagen ein
Stück weit schuldig sind.
62 Millionen Euro wollen wir in den Jahren 2014 und
2015 für die landwirtschaftliche Krankenversicherung
zur Verfügung stellen. Wieso? Wir federn damit die Sonderbelastungen infolge des geringeren Bundeszuschusses an den Gesundheitsfonds ab, die in unserem Bereich
nicht wie in der GKV durch Rückflüsse kompensiert
werden können. Für mich ist das eine Gerechtigkeitsfrage. Würden wir das nicht tun, wären unsere Landwirte
die einzige Bevölkerungsgruppe, die nur wegen eines
Systemunterschieds höhere Kassenbeiträge zahlen
müsste. Das will ich nicht zulassen.
({2})
Neben der Krankenversicherung behalten wir auch
die Altersvorsorge im Auge. Nicht nur die allgemeine demografische Entwicklung, sondern auch die Strukturanpassung in der Landwirtschaft erfordert dies. Deswegen
haben wir besprochen, dass wir bis zur Sommerpause
Vorschläge für die Anpassung der Hofabgabeklausel erarbeiten wollen.
({3})
- Kollege Priesmeier, ich hatte schon darauf gehofft,
dass ich von Ihnen hier Zustimmung bekomme. Wir haben das in den Koalitionsverhandlungen bereits besprochen. Deswegen wollen wir daran arbeiten. Ich bitte bei
diesem Thema um die konstruktive Mitarbeit der Fraktionen des Hohen Hauses, aber auch der Versichertengenerationen, der Älteren und der Jüngeren, die unmittelbar davon betroffen sind.
Der Haushaltsentwurf 2014 verbindet soziale, ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Ansätze. Gerade hat eine Debatte über einen anderen Etat stattgefunden. Darin wurde, nachdem das vormalige BMELV des
V verlustig gegangen ist, über Themen gesprochen, die
bisher bei uns besprochen worden sind. Aber keine
Sorge: Nicht die Buchstabenverschiebereien, sondern
die Zuständigkeiten sind das, was die Arbeit eines Hauses definiert. Es bleibt dabei: Die Ressortzuständigkeit
für den gesundheitlichen Verbraucherschutz und für das
Verbraucherinformationsgesetz liegt bei uns. Mit über
100 Millionen Euro, die in diesem Bereich investiert
werden, hat der Bereich auch zukünftig eine große Bedeutung. Wir wollen nicht die Bevormundung, sondern
den Schutz und die Selbstbestimmung der Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland. Der gesundheitliche Verbraucherschutz wird im Zuge der weiteren Globalisierung eine immer größere und wichtigere Rolle
spielen.
({4})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen Wertschöpfung im ländlichen Raum mit einer starken Landwirtschaft. Diese Koalition wird also den Bauernfamilien und den Erzeugern weiter verlässlich zur Seite
stehen: mit stabilen Direktzahlungen, mit einem Greening, das praktikabel ist und eine flächendeckende Bewirtschaftung zulässt - der Deutsche Bundestag beschäftigt sich diese Woche in einer Anhörung intensiv mit
dieser Frage -, und mit neuen Förderelementen für
kleine und mittlere Betriebe sowie für unsere Junglandwirte.
Wir schaffen dem Prinzip der Nachhaltigkeit mehr
Raum. Wir wollen die biologische Vielfalt bewahren,
unsere Böden schützen und für mehr Tierwohl sorgen.
Wertschöpfung im ländlichen Raum heißt, Verantwortung zu übernehmen.
Gestatten Sie mir einen kleinen Exkurs. Ich war beeindruckt, dass wir bei der Agrarministerkonferenz, die
vor ein paar Tagen in Cottbus stattgefunden hat, über
alle Parteigrenzen hinweg zu einer vernünftigen Diskussion über diese Fragen gekommen sind. Ich habe zu erkennen gegeben, dass ich in den Wochen, in denen ich in
dieser Funktion tätig bin, schon manches gelernt habe,
dass mir aber die Kampfbegriffe noch nicht vertraut
sind. Ich bin mir auch noch gar nicht sicher, ob ich ideologische Kampfbegriffe überhaupt lernen möchte. Eher
möchte ich pragmatisch, vernünftig und am Ziel orientiert über diese Fragen reden. - Siehe da, wir konnten
gut miteinander reden.
({5})
Wir wollen darüber hinaus natürlich diejenigen Leistungsträger in der Fläche, die sich um den Naturschutz
kümmern müssen - dazu zählen insbesondere die Bauern -, unterstützen. Nach Vorlage der delegierten
Rechtsakte durch die Europäische Kommission zu der
GAP-Reform gab es ein wenig Gegrummel. Das Parlament hat sich stärker zu Wort gemeldet als vermutet.
Dank an die Kommission und auch Dank an das Parlament - wir sind doch eigentlich für die Stärkung der Parlamentsrechte - dafür, dass Nachbesserungen erfolgt
sind. Der Rat sieht das mit Interesse und Freude. Ich
werde das am Montag zum Ausdruck bringen.
({6})
Die Gelder stehen zur Verfügung. Sie werden rechtzeitig ausbezahlt werden, wenn der Deutsche Bundestag
den entsprechenden Beschluss gefasst hat und die Verordnungen vorbereitet sind. Ich denke, das ist für die
deutsche Landwirtschaft ein Zeichen von Verlässlichkeit.
Vor dem Hintergrund der Wertschöpfung im ländlichen Raum, die wir alle gestärkt sehen wollen, gehören
die Leistungen unserer Landwirte als Energiewirte gewürdigt. Wir wollen weg vom Risiko der Kernenergie.
Wenn wir saubere, grundlastfähige und speicherbare
Energie gewinnen wollen - das liegt im gesamtgesellschaftlichen Interesse -, dann führt an der Biomasse kein
Weg vorbei.
Heute hatten wir den Neuentwurf des EEG im Kabinett zur Beratung. Wir haben den Bestands- und Vertrauensschutz für die bestehenden Anlagen im neuen EEG
verankert. Wir haben den Luftreinhaltebonus für die Bestandsanlagen erhalten. Wir haben die bestehende Flexibilitätsprämie für Bestandsanlagen gesichert. Eine Teilstilllegung muss nicht mehr erfolgen, wenn man
flexibilisieren möchte. Das heißt, wir haben den Vorteil
der Biomasse, der darin liegt, dass sie steuerbar und regelbar ist, erhalten.
({7})
Ich bin froh, dass uns das gelungen ist. Die Biomasse
bleibt eine tragende Säule der Energiewende. Ich darf
mich an dieser Stelle bei dem Kollegen Gabriel, bei der
gesamten Bundesregierung und bei den Ministerpräsidenten sehr bedanken, die dieser Lösung ihre Zustimmung gegeben haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum ländlichen
Raum gehört auch eine Waldpolitik, die sich an den Interessen von Natur und Nutzern ausrichtet. Ich danke für
die konstruktive Begleitung gerade in diesem Bereich.
Kollege Caesar, ich habe schon viel über die Funktion
des Waldes als Klimastabilisator gelernt.
({8})
- Ja. Ich oute mich hier: Ich bin ja selbst Waldbesitzer.
({9})
Allerdings gehöre ich eher zu den kleinen Waldbesitzern, die sich nur einen Christbaum zu Weihnachten aus
dem Wald holen. Lieber Kollege Caesar, vielleicht sollte
ich dich einmal zu mir einladen und dir zeigen, wie man
auch kleine Waldflächen bewirtschaften kann. Das ist
sehr wichtig. Den Geräuschen im Saale folgend, spüre
ich, dass man in der ersten Rede als Minister nicht all
seine guten Ideen und Vorhaben gleichermaßen deutlich
darstellen, sondern auch Platz für die weiteren Beratungen lassen sollte. Ich freue mich, dass wir diesen Haushalt in einem sehr konstruktiven Klima mit Blick bereits
auf 2015 beraten - 2014 ist ja schon fast zur Hälfte vorbei -, und dann müssen wir Akzente bei der Gemeinschaftsaufgabe GAK und bei GAL setzen. Spätestens
2015 sollten wir zu diesen Themen zurückkommen.
Ich bedanke mich, Frau Präsidentin. - Herzlichen
Dank.
({10})
Vielen Dank, Herr Kollege, lieber Christian Schmidt. Die nächste Rednerin in der Debatte: Dr. Kirsten
Tackmann für die Linke.
({0})
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Liebe Gäste! Herr Minister Schmidt, Sie
haben zwei Schwerpunkte Ihrer Politik genannt: Agrarexporte und ländliche Räume. Aus Sicht der Linken ist
der erste agrarpolitisch falsch, und der zweite findet sich
leider im Haushaltsentwurf nicht wieder. Aber es gibt
eben keine richtige Politik mit falschem Haushaltsplan.
Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass Sie die richtigen
Schwerpunkte setzen. Laut dem Fachmagazin AgraEurope wollen Sie sich persönlich einbringen und versuchen, den Export in kaufkräftige Märkte voranzubringen. Aus Sicht der Linken lösen aber Agrarexportstrategien überhaupt keine Probleme, weder
soziale noch ökologische - im Gegenteil: Es werden sogar neue geschaffen.
({0})
Das hilft weder den Empfängerländern noch den einheimischen Betrieben, zum Beispiel weil Dumpingpreise auf dem Weltagrarmarkt zum Dumpingeinkommen führen. Wir haben doch schon jetzt die Situation,
dass landwirtschaftliche Einkommen gerade einmal
60 Prozent des Industrieniveaus erreichen, und das, obwohl - rechnerisch - 30 Prozent öffentliches Geld dazu
beitragen. Das ist inakzeptabel. Wochenmärkte, Landfleischereien, regionale Molkereien oder Bäckereien von
nebenan können doch im internationalen Dumpingwettbewerb nicht mithalten. Herr Minister, das können Sie
nicht auch noch unterstützen.
({1})
Die gesellschaftliche Akzeptanz der Landwirtschaft
sinkt doch auch, wenn Milchkühe oder Schweine nicht
mehr für die Versorgung in der Heimatregion gehalten
werden, sondern für den Export nach China. Es ist ein
Märchen, mit Agrarexporten würde der Welthunger bekämpft. Der Weltagrarbericht sagt eindeutig: Unser Beitrag gegen den Welthunger kann nur die Unterstützung
der Landwirtschaft im globalen Süden sein - und nichts
anderes.
({2})
Agrarexporte gehen außerdem auf Kosten der Umwelt und des Klimas, nicht nur wegen der Transporte.
Wer mehr produziert, als er braucht, übernutzt Äcker
und natürliche Ressourcen wie Wasser und Phosphordünger - völlig unnötig. Agrarkulturen wie Kartoffeln
oder Rüben verschwinden von den Äckern, nicht weil
sie nicht gebraucht werden, sondern weil sie nicht billig
genug produziert werden können. Erkauft werden
Höchsternten durch Höchstverbrauche von Pflanzenschutzmitteln. Auch das geht auf Kosten von Bienen und
Pflanzenvielfalt. Also: Es gibt kein öffentliches Interesse
an Agrarexporten. Deswegen darf es dafür auch kein öffentliches Geld geben,
({3})
und zwar weder direkt noch versteckt hinter den Gehältern von Staatssekretären oder Beamten, die weltweit
nach Absatzmärkten suchen.
Weil ich gerade dabei bin: Beim Freihandelsabkommen mit den USA, TTIP, muss sofort die Notbremse gezogen werden. Wir können doch nicht zulassen, dass
Konzerne wie Vattenfall souveräne Staaten vor Schiedsgerichte zerren, um sie zum Beispiel wegen möglicher
Gewinneinbußen durch verbesserte soziale oder ökologische Standards zu verklagen. Das wäre doch die absolute
Kapitulation der Politik. Und deswegen macht die Linke
da nicht mit.
({4})
Wir bleiben auch an anderen Stellen bei unseren Forderungen. Warum werden Gesetze nicht so verschärft,
dass Bodenerwerb durch nichtlandwirtschaftliche Investoren zumindest erschwert wird? Warum wird noch immer ehemals volkseigener Boden in Ostdeutschland
meistbietend zum Wohle des Bundeshaushaltes zum
Schaden der vor Ort verankerten Betriebe verkauft? Warum bringen Sie nicht endlich die steuerfreie Risikorücklage auf den Weg? Das wäre Hilfe zur Selbsthilfe für die
Landwirtschaft. Und: Warum gibt es nicht endlich einen
Notfallfonds für tierhaltende Betriebe? Er hätte uns zum
Beispiel im Falle des Blutschwitzens bei Kälbern oder
der Blauzungenerkrankung bei Schafen geholfen.
Warum wird nicht endlich verlässlich Geld für die
Umstellung der Landmaschinenflotte von fossilen auf
selbstproduzierte pflanzliche Kraftstoffe zur Verfügung
gestellt? Das wäre doch mal ein Beitrag zur Unabhängigkeit von Energiekonzernen.
Warum wird nicht endlich unser Vorschlag der Einrichtung eines Wolf- und Herdenschutzkompetenzzentrums aufgegriffen? Die Weidetierhalter wollen nicht nur
für getötete Tiere entschädigt werden; sie wollen wissen,
wie man Tierverluste verhindern kann.
({5})
Aber dabei brauchen sie Unterstützung. Das wäre richtig, gerade weil es gesellschaftlich gewollt ist, dass Isegrim zurückkommt, gerade weil Weidetierhaltung, wie
wir gestern in der Anhörung gehört haben, der beste
Grünlandschutz ist. Aber ausgerechnet diese Betriebe
sind bisher die Verlierer Ihrer Agrarpolitik. Hier wird
dringend Hilfe benötigt. Stattdessen werden diese Betriebe zusätzlich belastet, weil zum Beispiel die Beiträge
zu ihrer Unfallversicherung extrem steigen - wie übrigens auch bei den Kleinwaldbesitzern.
Was hat das mit Haushaltspolitik zu tun? Stolze
70 Prozent des gesamten Bundesagrarhaushaltes gehen
in die landwirtschaftliche Sozialversicherung; der Minister hat es schon erwähnt. Auch hier müssen die öffentlichen Mittel im öffentlichen Interesse verwendet werden.
Es ist doch eine Binsenweisheit, dass die ländlichen
Räume ohne eine starke regionale Landwirtschaft verlieren - und umgekehrt. Aber nach Ihrem Schwerpunkt
„ländliche Räume“, Minister Schmidt, muss man im
Haushalt leider mit der Lupe suchen.
Die Koalition will die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ zu
einer Gemeinschaftsaufgabe „Ländliche Räume“ fortentwickeln. Nun gut! Aber das versprochene Plus von
200 Millionen Euro hat nicht einmal die Koalitionsverhandlungen überlebt. Nun sollen auch noch zusätzlich
Hochwasserschutzmaßnahmen aus diesem Etat bezahlt
werden, sagt die Umweltministerin. Also mehr Aufgaben mit weniger Geld? Offensichtlich ist das nicht wirk2294
lich ernst gemeint. Ich ärgere mich weiterhin, dass wir
als Parlament zwar das Geld für diesen Fördertopf beschließen und zur Verfügung stellen, aber keinerlei Einfluss darauf haben, wofür das Geld ausgegeben wird,
weil dies nur zwischen Länderregierungen und der Bundesregierung ausgehandelt wird. Diese parlamentsfreie
Zone muss endlich abgeschafft werden.
({6})
Mein Fazit: Dem ersten Bundesagrarhaushalt der
GroKo kann man eigentlich gar nicht ansehen, dass die
FDP nicht mehr dabei ist. Ich denke, die SPD hat da einiges zu tun.
Vielen Dank.
({7})
Danke, Frau Kollegin. - Nächster Redner: Ulrich
Freese für die SPD.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der
haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion für den
Haushalt der Landwirte. Zu fachlichen, inhaltlichen Fragen werden gleich meine Kolleginnen Christina Jantz
und Ute Vogt und mein Kollege Rainer Spiering Stellung
nehmen.
Der Haushalt des Landwirtschafts- und Ernährungsministeriums ist ein kleiner, feiner Haushalt - er macht
1,7 Prozent des gesamten Haushaltes der Bundesrepublik Deutschland aus -, aber er ist ein bedeutsamer
Haushalt. Denn Ernährung, ob in fester oder flüssiger
Form, geht uns alle an. Deshalb sind uns die in der Landwirtschaft tätigen Unternehmerinnen und Unternehmer,
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, gleich in welcher
Sparte, sehr wichtig. Minister Schmidt hat sehr deutlich
herausgearbeitet, dass 70 Prozent der Haushaltsmittel,
ein hoher Anteil, für Sozialpolitik gebunden sind. Daran
hat sich auch nichts dadurch geändert, dass der erste
Haushalt der Großen Koalition in dieser Wahlperiode
schon durch drei Ministerhände gegangen ist. Ob
Aigner, Friedrich oder Schmidt - es bleibt bei dem großen Anteil der Sozialpolitik. Das wird von uns Sozialdemokraten nicht infrage gestellt. Aber dennoch wird man
- darauf werden wir zu achten haben - die Kosteneffizienz und Wirksamkeit der Maßnahmen, ob in der Kranken-, ob in der Renten- oder in der Unfallversicherung,
sehr genau überprüfen.
Einer der wichtigen Punkte, die hier beleuchtet werden müssen, sind die Verwaltungskosten der landwirtschaftlichen Sozialversicherung. Sie sind deutlich höher
als bei anderen Sozialversicherungsträgern. Mit etwa
340 Millionen Euro liegen sie weit über dem Benchmark
vergleichbarer Sozialversicherungssysteme. Wir werden
gemeinsam im Zuge der Haushaltsberatungen in diesem
und im nächsten Jahr dazu beitragen müssen, dass in diesem Bereich Einsparpotenziale gehoben werden.
({0})
Herr Minister Schmidt, wir Sozialdemokraten haben
ja in den Koalitionsverhandlungen sehr intensiv eine in
die Sozialpolitik nicht mehr hineinpassende Regelung
infrage gestellt. Worum geht es? Während andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Abschläge in
Rente gehen können, wenn sie das 65. Lebensjahr - oder
ein paar Monate darüber hinaus - erreicht haben, werden
die Bauern immer noch, sofern sie weiterarbeiten und ihren eigenen Hof bewirtschaften, benachteiligt, und zwar
nicht nur der Bauer, sondern auch seine Frau, die Bäuerin. Dies ist heute sozial- und rentenpolitisch nicht mehr
vertretbar.
Wir werden Sie im Zuge der Haushaltsberatungen
beim Wort nehmen. Bevor wir den Haushalt beschließen, werden wir darauf achten, dass das auch in die Tat
umgesetzt worden ist. Wir sehen dort gute Möglichkeiten: Die Rente soll gewährt werden. Wer seinen Hof
nicht abgibt, muss einen Abschlag von 10 Prozent hinnehmen. Ich denke, das ist eine faire Regelung. Da gehen wir Sozialdemokraten mit Ihnen gemeinsam den
Weg in die Zukunft.
({1})
Zu einem zweiten Punkt, der uns wichtig ist. Leider
wurden die Mittel für den Waldklimafonds von
26,8 Millionen auf 13,7 Millionen Euro gesenkt. Das ist
kontraproduktiv; denn die natürlichste CO2-Senke ist der
Wald. Bei all dem, was in der Energiepolitik kritisch diskutiert werden kann, kann von Deutschland ein wirkungsvolles Signal ausgehen: Der Wald wird gebraucht,
wir wollen ihn erhalten und aufforsten. Von daher ist unser Ziel, in den Haushaltsberatungen zu erreichen, dass
der Waldklimafonds mindestens auf 20 Millionen Euro
- davon sind 10 Millionen Euro für dieses Ministerium erhöht wird.
({2})
Ein dritter Punkt ist die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“.
Wir haben dafür bereits 600 Millionen Euro in den
Haushalt eingestellt. Weil auch die ländliche Region Zugang zur digitalen Welt erhalten soll, sind im Haushalt
10 Millionen Euro für die Breitbandverkabelung im
ländlichen Raum vorgesehen.
Einen wichtigen Punkt, den wir auch im Koalitionsvertrag vereinbart haben, nämlich ein nationales Hochwasserschutzprogramm, haben wir haushalterisch im
Kalenderjahr 2014 allerdings nicht abgebildet. Aber das
nächste Hochwasser - über die Ursachen können wir
streiten - kommt bestimmt, und zwar in immer kürzeren
Intervallen. Deshalb muss mit dem Haushalt 2014 klar
signalisiert werden, dass wir es mit dem Hochwasserschutz ernst meinen.
Die Landschaften vieler Bundesländer - Bayern,
Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen
und möglicherweise Hamburg und Mecklenburg-VorUlrich Freese
pommern - sind von der Problematik betroffen. Da Prävention besser ist als Nachsorge, wollen wir, dass darüber nachgedacht wird, ob die Mittel aus dem
Hilfsfonds für die Flutopfer, der noch nicht gänzlich ausgeschöpft ist, zusätzlich für die Gemeinschaftsaufgabe
„Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ bereitgestellt werden können.
({3})
Des Weiteren liegen uns Forschung und Entwicklung
im landwirtschaftlichen Bereich sehr am Herzen. Für außeruniversitäre Forschung und Entwicklung sind 3 Milliarden Euro vorgesehen. Über alle ministeriellen Bereiche hinweg gilt es nun, gemeinschaftliche Aktivitäten zu
entwickeln, weil gute Landwirtschaft, gute Tierhaltung,
Tierwohl, Eiweißstrategie usw. wichtige Aufgaben sind,
und zwar nicht nur in Bezug auf Ernährung, sondern
auch in Bezug auf den Verbraucherschutz. Deshalb wollen wir einen gesicherten Anteil aus diesem Topf für das
Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft für Forschung und Entwicklung im ländlichen Bereich reklamieren.
({4})
Ich freue mich sehr auf unsere haushalterischen Diskussionen und hoffe, dass wir einen Haushalt auf den
Weg bringen, der, wie ich sagte, allen Menschen dient;
denn Nahrung in fester und flüssiger Form hält uns alle
bei guter Laune, erhält unsere Schaffenskraft und Wirkungskraft.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({5})
Danke, Herr Kollege. - Nächster Redner: Friedrich
Ostendorff für Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „… in
den ländlichen Räumen schlägt das Herz Europas“, verkündete Minister Horst Seehofer 2007, damals Bundeslandwirtschaftsminister.
({0})
Durchaus folgerichtig verkündete Horst Seehofer in Absprache mit den Länderministern im Herbst 2013, die
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur
und des Küstenschutzes“ werde um 200 Millionen Euro
aufgestockt, um die Verluste bei den Programmen zur
ländlichen Entwicklung im mehrjährigen Finanzrahmen
der EU auszugleichen. Im aktuellen Haushalt ist von diesen versprochenen 200 Millionen Euro aber keine Rede
mehr. CSU-Minister Schmidt sieht leider keine Möglichkeit, die versprochenen 200 Millionen Euro aufzubringen. Das ist ziemlich herzlos gegenüber dem „Herzen
Europas“ und ziemlich verlogen gegenüber den Wählerinnen und Wählern.
({1})
Erstens. Dieses Geld ist ohnehin da, weil Deutschland
im mehrjährigen Finanzrahmen Geld einspart. Genau
daher wollte es Herr Seehofer ja auch nehmen. Warum
besteht diese Möglichkeit plötzlich nicht mehr?
Zweitens. 360 Millionen Euro kostet uns heute die
teilweise Erstattung von Steuern auf Diesel in der Landwirtschaft, die Sie als Wahlgeschenk an den Deutschen
Bauernverband 2009 nochmals um 280 Millionen Euro
aufgestockt haben.
({2})
Wir Grünen wollen dieses Geld nehmen, um die Landwirtschaft umzubauen und sie zukunftsfähig zu machen.
Drittens. 15 Prozent, rund 750 Millionen Euro, könnten Sie von den Direktzahlungen aus der ersten Säule in
die zweite Säule umschichten, das heißt in ländliche Entwicklung, das heißt in Agrarumweltmaßnahmen und das
heißt in die Förderung des Ökolandbaus.
({3})
Auch diese Möglichkeit besteht. Aber das Bundesministerium hat dafür gesorgt, dass es nur 4,5 Prozent werden.
Übrigens - das sei hier auch gesagt -: Die Hälfte dieser
Gelder geht nach Bayern. Von daher versteht man nicht
immer das Agieren der bayerischen Kolleginnen und
Kollegen.
({4})
Diese Möglichkeiten bestehen, aber man muss ländliche Entwicklung, Tierschutz und Biodiversität auch wollen, meine Damen und Herren von CDU und CSU. Sie
wollen es nicht, Sie tun es nicht, und das ist hier zu kritisieren.
({5})
„Unsere Dörfer sind die Seele des ländlichen Raumes“, sagte Minister Schmidt am 13. März 2014 dazu,
nachdem er einen Tag zuvor ebendiesen Haushalt im Kabinett abgesegnet hatte, der für die Dörfer und den ländlichen Raum so wenig zu bieten hat. Dieser Haushalt
sollte Antwort geben auf die Versprechen und Absichtserklärungen, die auch Sie, Herr Minister, schon so oft
gemacht haben. Tut er aber nicht.
Ein Beispiel. Wieder einmal sieht ein CSU-Minister
das Heil der deutschen Landwirtschaft im Export. Sie
wollen die Exportkompetenz stärken. Das wird morgen
Abend gegenüber, in der Parlamentarischen Gesellschaft, zu erleben sein. Dabei übersehen Sie offenbar,
dass gerade die Exportmärkte für die deutschen Erzeuger
zunehmend riskant werden. Wirft nicht der russische
Markt mit dem in den letzten Monaten gepflegten Umgang, aber auch die politische Entwicklung in Russland
sehr große Fragen für uns alle auf? Und China? China
geht wie immer sehr stark den Weg der Entwicklung der
eigenen Erzeugung. Täglich gibt es neue Meldungen von
den internationalen Handelsbörsen. Seit Februar brechen
die Preise für Milchprodukte permanent ein. Die Märkte,
auf die Sie setzen, sind extrem volatil; die Bundesregierung tut aber nichts, Herr Minister, um das Risiko einer
erneuten Milchkrise zu minimieren. In Brüssel bremst
die Bundesregierung alle Initiativen für Krisen- und
Steuerungsinstrumente wie die Marktmonitoringstelle
aus. Im Bundeshaushalt findet sich wieder einmal kein
Euro, um den Zusammenschluss von Milcherzeugern zu
fördern und damit die Marktmacht der Bäuerinnen und
Bauern zu verbessern, wie wir Grünen es seit Jahren fordern und unterstützen.
({6})
Herr Minister, was ist denn das für eine Politik, die
voll auf Export setzt, ohne eine Antwort auf die Frage
nach den damit verbundenen Risiken für die eigenen Erzeuger geben zu können? Nicht einmal die von uns Grünen immer wieder geforderten 5 Millionen Euro für eine
Bündelungsoffensive Milch haben Sie in den Haushalt
eingestellt.
Ein anderes Beispiel. Sie behaupten, Herr Minister,
den Ökolandbau voranzubringen. Aber offenbar wollen
Sie dafür keinen einzigen zusätzlichen Euro in die Hand
nehmen. Das Bundesprogramm Ökologischer Landbau
bleibt finanziell genauso schlecht ausgestattet wie zuvor
und wird zudem weiterhin von Ihnen geplündert, um diffuse Nachhaltigkeitsprojekte zu fördern. Auch der Erfüllung der Forderung des Nachhaltigkeitsrates der Bundesregierung, 20 Prozent der Agrarforschungsgelder in die
Ökolandbauforschung zu stecken, kommen Sie keinen
Schritt näher.
Nicht besser sieht es beim Megathema Tierschutz aus,
nicht besser sieht es bei der Ernährung und im Verbraucherschutz aus.
Dieser Haushalt setzt keine Prioritäten. Er enthält
keine wegweisenden Projekte, und er bleibt bei den großen Herausforderungen sprach- und konzeptlos. Dieser
Agrarhaushalt eignet sich zur Verwaltung des Status
quo, zur Gestaltung der Zukunft der Landwirtschaft und
attraktiver ländlicher Räume trägt er jedoch nichts, aber
auch gar nichts bei.
({7})
Dieser Haushalt ist visions- und antriebslos.
({8})
Danke, Herr Kollege. Ich bin erstaunt; denn Ihre Redezeit war noch gar nicht um. - Dr. Franz Josef Jung ist
der nächste Redner.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt
des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft
für 2014 fällt in ein besonderes Jahr. Wir gedenken nicht
nur des Beginns des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren.
Vielmehr begann zu dieser Zeit auch eine Phase von
starkem Hunger in Deutschland. Der Winter 1916/1917,
der sogenannte Steckrübenwinter, wurde ein Symbol des
Hungers. Fast niemand nimmt heute noch zur Kenntnis,
dass in der Zeit von 1914 bis 1918 800 000 Deutsche an
den Folgen des Hungers gestorben sind.
Wir feiern in diesem Jahr auch 65 Jahre Grundgesetz.
Noch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundgesetzes wurden an unsere Bevölkerung Lebensmittelkarten
verteilt. Die Menschen waren froh über jedes Stück Brot,
Schmalz oder Butter. Die meisten von uns kennen die Situation des Hungers und Lebensmittelmarken nur aus
Erzählungen. Ich denke, dies zeigt eines: Ein vielfältiges, hochwertiges und erschwingliches Angebot an Lebensmitteln ist nicht selbstverständlich. Die Bauernfamilien in Deutschland arbeiten hart für unsere gesunde
Ernährung. Dafür haben sie unsere Unterstützung und
Wertschätzung verdient.
({0})
Mit diesem Haushalt gewähren wir diese Unterstützung. Die Vereinten Nationen haben dieses Jahr als das
Internationale Jahr der familienbetriebenen Landwirtschaft ausgerufen. Dies ist ein Signal für Politik und Gesellschaft. Aber ich denke, unsere Bauernfamilien brauchen nicht nur derartige Signale - diese sind auch
wichtig -, sondern auch Perspektiven und Planungssicherheit. Sie brauchen verlässliche Rahmenbedingungen, und sie brauchen Mittel und Möglichkeiten für notwendige Investitionen in ihre Betriebe. Diesen Kriterien
entspricht der hier vorgelegte Haushalt von Bundesminister Schmidt.
({1})
Ich will vier Punkte hervorheben.
Erstens. Wir stellen für die agrarsoziale Sicherung
- es ist gerade erwähnt worden - einen zusätzlichen Betrag von 62 Millionen Euro bereit und halten so die Beiträge zur Krankenversicherung stabil.
Zweitens. Mit der nationalen Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik schaffen wir die Voraussetzungen
für die Direktzahlungen an unsere Landwirte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Direktzahlungen sind Risikoabsicherungen für kleinere und
mittlere Betriebe. Sie sind aber auch ein Ausgleich für
gesellschaftliche Leistungen; denn unsere Landwirte
leisten einen erheblichen Beitrag zur Pflege unserer Kulturlandschaft. Auch das ist finanziell entsprechend abzusichern.
({2})
Kernpunkt in diesem Zusammenhang ist das Greening. Ich denke, Greening muss mit Augenmaß und ohne
pauschale Flächenstilllegungen erfolgen. Ich füge hinzu:
Ich denke, dass in entsprechenden Gebieten auch in Zukunft Pflegeumbruch ermöglicht werden muss. Denn wir
wollen keine Verwahrlosung der Landschaft, sondern
wir wollen auch in Zukunft die Pflege unserer Landschaft durch unsere Landwirte.
({3})
Der dritte Punkt ist die Förderung kleinerer und mittlerer Betriebe. Für die ersten 30 Hektar werden zusätzliche Zahlungen von 50 Euro pro Hektar erfolgen, für die
nächsten 16 Hektar dann noch 30 Euro pro Hektar. Dies
ist ein wichtiger Beitrag zu einer vielfältigen Agrarstruktur mit kleineren und mittleren Betrieben. Ich denke, gerade die Familienbetriebe und die kleineren und mittleren Betriebe sind auch ein Stück Lebenselixier für den
ländlichen Raum. Deshalb haben sie die entsprechende
Unterstützung verdient.
({4})
Viertens nenne ich die nachhaltige und tiergerechte
Produktion. Wir wollen die Agrarforschung besser verzahnen. Das gilt auch und gerade mit Blick auf den Tierschutz. Wir haben in diesem Haushalt für den Bereich
Nachhaltigkeit, Forschung und Innovation insgesamt
510 Millionen Euro veranschlagt. Dies dient auch dazu,
neue Tierschutzmaßnahmen in der betrieblichen Praxis
umzusetzen.
({5})
Aber, meine Damen und Herren, ich sage auch: Tiergerechte Aufzucht und Haltung gibt es nicht zum Nulltarif.
Die Initiative „Tierwohl“ darf nicht durch Preisdumping
untergraben werden.
({6})
Wir wollen - so haben wir es auch im Koalitionsvertrag vereinbart - die Vermarktung regionaler Produkte
ausbauen. Ich glaube, dass gerade die Einführung eines
Regionalfensters - der Startschuss war ja anlässlich der
Grünen Woche hier in Berlin - einen wichtigen Beitrag
hierzu leistet. Eine Regionalkennzeichnung mit klaren
Kriterien - die Hauptzutat muss zu 100 Prozent aus der
Region stammen - stärkt, wie ich finde, das Vertrauen
der Verbraucherinnen und Verbraucher in die regionale
Herkunft. Wir stärken damit auch die Wertschöpfungsketten auf dem Land. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur
Unterstützung auch und gerade unserer regionalen Landwirtschaft in der Zukunft.
({7})
Was in dieser Debatte oft nicht erwähnt wird - ich
will es heute aber mit Genehmigung der Frau Präsidentin
tun -:
Es kommt darauf an, was Sie sagen.
({0})
Zu diesem Bereich, Frau Präsidentin, gehört auch der
Weinbau.
Ja, selbstverständlich.
Deshalb finde ich es erwähnenswert, dass wir die
Qualität des Weinbaus durch ein Stützungsprogramm für
Wein weiter fördern, und zwar mit rund 39 Millionen Euro im Jahr. Dies dient insbesondere der Steillagenförderung. Meine sehr verehrten Damen und Herren,
wer einmal in den entsprechenden Gebieten gewesen ist
- sei es an der Mosel, sei es am Rhein oder in anderen
Regionen - und gesehen hat, wie die Winzerinnen und
Winzer gerade in den Steillagen durch sehr harte Arbeit
mit die Voraussetzungen dafür schaffen, dass unsere
Kulturlandschaft auch in diesen Regionen in Zukunft erhalten bleibt und weiterentwickelt wird, der kann, glaube
ich, nachvollziehen, dass die Steillagenförderung für die
Winzerinnen und Winzer auch in Zukunft notwendig ist.
({0})
Das Qualitätsprodukt Wein ist aus meiner Sicht ein Kulturgut. Ich finde, wir müssen nur noch einen Beitrag leisten, dass dies noch mehr in das breite Bewusstsein unserer Bevölkerung eindringt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Perspektiven, Planungssicherheit, Qualität und Produktinnovationen, das
sind die Voraussetzungen für eine zukunftsfeste Landwirtschaft. Wir legen mit diesem Haushalt das finanzielle Fundament für eine positive Entwicklung unserer
Landwirtschaft, für eine positive Entwicklung im Bereich der Ernährung. Deshalb bitte ich Sie um Ihre Unterstützung für diesen Haushalt.
Besten Dank.
({1})
Vielen Dank, Herr Kollege Jung. - Nächste Rednerin
ist Karin Binder für die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte
Gäste auf den Tribünen! Herr Finanzminister Schäuble
freute sich heute Morgen über die schwarze Null in seinem Haushalt und dass er seit 2010 keine Ausgabenerhöhungen mehr zugelassen habe. Liebe Kolleginnen und
Kollegen, das mag für einen schwäbischen Häuslebauer
durchaus erstrebenswert sein; aber ich sage Ihnen: Ein
Finanzminister muss die Zukunft im Blick haben, die
Zukunft des Landes, der Menschen und künftiger Generationen, und Zukunft braucht Entwicklung und deshalb
Investitionen. Die schwarze Null aber bedeutet Stagnation.
({0})
Besonders deutlich wird das am Haushalt des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Zusätzliche
Mittel gibt es nur für überfällige Gebäudesanierungen
oder notwendige bauliche Erweiterungen. Wo, frage ich
Sie, bleiben die Investitionen, die notwendig sind, um
die im Koalitionsvertrag versprochenen Maßnahmen
umzusetzen? Wo schlagen sich diese Investitionen im
Haushaltsplan nieder? Ich nenne nur wenige Beispiele.
Erstens: Nanotechnologie. Der Koalitionsvertrag verspricht staatliche Begleitforschung zum Thema Nanomaterialien, im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes eines der brennendsten Themen überhaupt.
Lebensmittel und Produkte des täglichen Bedarfs werden mittels Nanotechnologie hergestellt oder mit Nanopartikeln besser verkaufbar gemacht; da sind die Unternehmen sehr kreativ und sehr erfinderisch. Das Problem
ist nur: Wer kümmert sich um die gesundheitlichen Risiken, wer kümmert sich um die Einschätzung der Folgen,
die diese Technologie nach sich ziehen kann? Diese Einschätzung muss uns Politikerinnen und Politikern am
Herzen liegen.
({1})
Wir müssen dafür sorgen, dass solche Produkte nicht
einfach auf den Markt geworfen werden und man sich
erst in 20 Jahren dafür interessiert, was alles an Krankheiten, Allergien oder Ähnlichem zutage tritt. Wir müssen Mittel einstellen, damit diese wichtige Forschung
- Risikoabschätzung, Technikfolgenabschätzung, Begleitforschung zu all diesen Produkten, die hier bedenkenlos auf den Markt kommen - stattfinden kann.
({2})
Zweitens: Ökolandbau; dieses Thema wurde schon
angesprochen. Die Verbraucherinnen greifen aus guten
Gründen immer häufiger zu Ökoprodukten. Diese kommen aber immer öfter aus weit entfernten Ländern. Da
frage ich mich: Wo bleibt dann der Nutzen für die Umwelt? Das Problem ist: Bei uns wächst der Ökolandbau
nicht mit der Nachfrage nach diesen Produkten. Immer
mehr Ökobauern geben auf, weil die Rahmenbedingungen einfach nicht stimmen, nicht ausreichen, um ihren
Betrieb zu erhalten. Das heißt, der Bund muss dringend
den regionalen Anbau und die Vermarktung hier im
Land fördern, damit der Umwelt tatsächlich gedient ist.
({3})
Die Mittel zu verstetigen, reicht nicht aus; verstetigen
bedeutet nämlich: einfrieren. Sie haben im Koalitionsvertrag aber versprochen, den Ökolandbau zu fördern.
Drittens: Verbraucherschutz. Unter der Überschrift
„Verbraucherschutz“ versprechen Sie im Koalitionsvertrag:
Wo Verbraucher sich nicht selbst schützen können
oder überfordert sind, muss der Staat Schutz und
Vorsorge bieten.
Aber wo haben Sie das denn einkalkuliert? Ich finde das
im Haushaltsplan nicht. Ungleichgewichte im Markt,
also die Benachteiligung von Verbraucherinnen und Verbrauchern, beseitigen Sie nicht mit freiwilligen Selbstverpflichtungen der Unternehmen.
({4})
Wir brauchen verbindliche gesetzliche Regelungen, um
den Verbraucherinnen und Verbrauchern ihr Recht zu
verschaffen. Hier ist politischer Wille gefordert. Klare
Verbraucherinformationen gibt es nur mit einer gesetzlich geregelten Kennzeichnung. Deshalb fordert die
Linke: Nicht nur Inhalts- und Zusatzstoffe, sondern auch
die Herkunft und die Lieferwege wesentlicher Bestandteile industriell hergestellter Lebensmittel müssen verständlich und nachvollziehbar ausgewiesen werden.
({5})
Nur mit solchen Nachweisen haben die Lebensmittelkontrolleure bei globalisierten Märkten und einer weltweit arbeitenden Lebensmittelindustrie eine Chance,
möglichst frühzeitig Probleme zu erkennen und damit
der Politik die Möglichkeit zum raschen Handeln zu geben.
Damit sind wir bei der Lebensmittelsicherheit. Dioxine, EHEC und andere gefährliche Krankheitserreger
in Lebensmitteln, Gammelfleisch oder Pferdefleisch im
Essen sind Beispiele für die Notwendigkeit einer kompetenten und schlagkräftigen Lebensmittelkontrolle. Lebensmittelskandale verunsichern die Verbraucherinnen
und Verbraucher, und mit jedem weiteren Vorfall bröckelt das Vertrauen in die Lebensmittelbranche und in
die Politik weiter. Deshalb müssen die Ursachen angegangen werden:
({6})
Durch weltweite Lieferketten und den zunehmenden
Handel von Lebensmitteln im Internet ist die Herkunft
der zusammengekauften Zutaten kaum noch zu ermitteln. Wenige Handelskonzerne kontrollieren die Preise.
Als Folge von Dumpingpreisen bleiben Qualität und Sicherheit auf der Strecke. Der Anteil an Fertiglebensmitteln nimmt ständig zu. Bei jedem Verarbeitungsschritt
steigt aber das Risiko einer Verunreinigung. Gleichzeitig
leidet die amtliche Lebensmittelüberwachung unter erheblichem Personal- und Ausstattungsmangel; es fehlen
circa 3 000 Fachleute. Das Absurde ist: Gemeinden und
Kommunen sind für die Kontrollen globaler Lebensmittelkonzerne zuständig. Das kann nicht funktionieren.
({7})
Wir brauchen diese Kontrolle auf Bundesebene. Auf dieser Ebene muss auch die Stelle eingerichtet werden, die
über die Länder hinweg koordiniert.
Ich komme zu einem letzten Punkt, der mir ganz
wichtig ist, zum Thema „Schulverpflegung und Kinderernährung“. Ich wünsche mir wirklich, dass wir in diesen
Haushalt noch sehr viele Dinge aufnehmen können. Die
Ernährung der Kinder ist die wesentliche Grundlage dafür, wie sich ihre Entwicklung vollzieht, ob sie in der
Lage sind, einen vernünftigen Schulabschluss zustande
zu bringen. Deshalb ist eine flächendeckende bundesweite Schulverpflegung aus meiner Sicht unumgänglich.
Hier ist der Bund in der Pflicht. Der Bund ist für Daseinsvorsorge und Fürsorge zuständig. Deshalb muss
auch das bestehende Kooperationsverbot weg. Stattdessen brauchen wir ein Verbot der Kooperation mit der Lebensmittelindustrie,
Frau Kollegin!
- damit die Kinder nicht von vornherein mit viel Zucker, Salz und Fett verdorben werden.
Danke schön für die Aufmerksamkeit.
({0})
Danke, Frau Kollegin. - Nächste Rednerin ist
Christina Jantz für die SPD.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es vollzieht
sich ein Wandel in der Gesellschaft. Lebensmodelle und
Konsumgewohnheiten ändern sich, und vor allem verbessert sich unsere Wertschätzung gegenüber anderen
Lebewesen. Dem hat der Gesetzgeber, wir alle hier,
Rechnung getragen, indem der Tierschutz in das Grundgesetz aufgenommen wurde.
({0})
Dieser aus meiner Sicht richtige, sich verändernde
Stellenwert des Tierschutzes schlägt sich auch im vorliegenden Haushaltsentwurf nieder. Der Schutz der Tiere
macht zu Recht einen guten Teil des Etats des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft aus. Der
Tierschutz ist als übergreifendes Thema Teil vieler wichtiger Einzelposten in diesem Haushaltsentwurf. Er betrifft erstens sowohl die Forschung als auch die Praxis,
zweitens sowohl die Privatpersonen als auch die Wirtschaft, und drittens ist er lokal und auch global relevant.
Als Tierschutzbeauftragte meiner Fraktion freue ich
mich deshalb, dass mit diesem Haushalt natürlich auch
aufgrund unserer SPD-Forderung trotz umfassender
Sparbemühungen dem Schutz der Tiere viel Raum zugestanden wird.
({1})
Der Koalitionsvertrag gibt dabei die Richtung der Bemühungen der kommenden Jahre vor. So haben wir darin unter anderem eine nationale Tierwohloffensive vereinbart. Wir wollen eine sichtbare Verbesserung beim
Tierwohl. Die Nutztierhaltung muss tiergerechter werden. Sie passt sich damit auch den veränderten Wünschen in der Gesellschaft an. Hierbei müssen selbstverständlich die Tiergesundheit, die Möglichkeit zum
natürlichen Verhalten der Tiere und das Tierwohl im
Vordergrund stehen,
({2})
dies alles vor dem Hintergrund, dass gute Haltungsbedingungen weniger kranke Tiere bedeuten und damit
auch der Medikamenteneinsatz insgesamt zurückgefahren wird. Daran schließt sich an, dass wir ein bundeseinheitliches Prüf- und Zulassungsverfahren für Tierhaltungssysteme einführen werden.
({3})
Die SPD hat schon früh einen Tierschutz-TÜV gefordert. Das bedeutet, dass es zukünftig für serienmäßig
hergestellte Stallsysteme einheitliche Prüfrichtlinien geben wird. Daher finde ich es richtig, dass die Zuschüsse
zur Förderung von Modell- und Demonstrationsverfahren in diesem Jahr auf 16 Millionen Euro erhöht werden.
({4})
7 Millionen Euro hiervon sind alleine für Projekte im
Bereich des Tierschutzes vorgesehen. Mit diesen Mitteln
werden wir unter anderem Forschungsvorhaben finanzieren, mit deren Hilfe der Antibiotikaeinsatz reduziert
und die Hygiene in den Ställen verbessert wird. Wir werden mit diesen Mitteln auch den Praxistransfer von Forschungsergebnissen voranbringen, und die Landwirtschaft wird hiervon profitieren.
({5})
Der gesellschaftliche Diskurs über die Größe tiergerechter Haltung hat bereits begonnen. So befürchten beispielsweise die Bürgerinnen und Bürger sicher nicht nur
in meinem Wahlkreis mit der Errichtung eines großen
Schweinemaststalls Belastungen für Umwelt und Anwohner. Die Auswirkungen dieser Intensivtierhaltung
wie Belastungen des Grundwassers und der Nährstoffüberschuss sind vielerorts bereits spürbar. Eine solche
Entwicklung kann auf Dauer nicht gesund sein.
({6})
Tiergerecht ist sie auf keinen Fall. Daher brauchen wir
eine flächengebundene Tierhaltung. Wir müssen bei diesem Prozess vor allem die Bauern mitnehmen.
({7})
Die Forschung kann und muss uns dabei unterstützen.
Die Förderung unterschiedlicher Forschungsinstitute,
-projekte und -cluster in den kommenden Jahren ist daher aus meiner Sicht genau der richtige Ansatz. Stellvertretend erwähnt sei hier nur das Friedrich-Loeffler-Institut, das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, das
wir mit rund 120 Millionen Euro unterstützen werden.
Lassen Sie es mich ganz klar sagen: Im Vordergrund
steht natürlich das Tier und seine Lebensbedingungen.
Aber wir brauchen Qualitätsstandards auch, um mit un2300
seren landwirtschaftlichen Produkten international bestehen zu können.
({8})
Es gilt hier, was für nahezu alle deutschen Wirtschaftszweige gilt: Wir können nicht anders, als uns bei den
Standards an die Spitze zu setzen. Nur so können wir auf
den globalisierten Märkten bestehen. Dass dies der richtige Weg ist, sehen wir auch daran, dass eine tiergerechte
Nahrungsmittelproduktion vom Verbraucher zunehmend
honoriert wird. Grundvoraussetzung hierfür ist jedoch,
dass wir diese hohen Standards sichtbar machen. Nur
durch eine klare, transparente Kennzeichnung mit Tierschutzsiegel hat der Verbraucher eine echte Wahl.
({9})
Auch in der Forschung ganz allgemein muss es Veränderungen hin zu mehr Tierschutz geben. Ziel muss es
sein, die Zahl der Tierversuche auf ein absolutes Minimum zu reduzieren.
({10})
Der Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch, kurz
ZEBET, kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Kern dieser Forderung ist das aus meiner Sicht wichtige Ziel,
Tierversuche komplett zu vermeiden. Ich begrüße daher
ausdrücklich, dass wir diese Einrichtung über den Etat
des Bundesinstituts für Risikobewertung fördern.
({11})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir
abschließend eine persönliche Anmerkung: Der sorgsame Umgang mit Tieren ist für mich nicht nur als Tierschutzbeauftragte, sondern auch ganz persönlich dort ein
Anliegen, wo kein unmittelbarer Nutzen für die Menschen daraus folgt. Er ist für mich eine ethische Verpflichtung. Insgesamt sehe ich den Tierschutz zudem in
einem größeren Zusammenhang. Aus ihm ergibt sich die
Notwendigkeit einer nachhaltigen bäuerlichen Landwirtschaft, des Erhalts und der Entwicklung lebenswerter
ländlicher Räume und des Naturschutzes im Allgemeinen.
({12})
Deutschland muss im Tierschutz weltweit eine Vorreiterrolle einnehmen. Wir rücken das Tierwohl in den Vordergrund und vergessen zugleich die Landwirtschaft
nicht. Mit diesem Haushalt begeben wir uns auf den
richtigen Weg für den Tierschutz.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({13})
Vielen Dank, Frau Kollegin. Das ganze Haus gratuliert Ihnen zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag.
({0})
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrem Einsatz nicht
nur, aber auch für die Rechte der Tiere.
Darf ich Sie bitten, die Gratulationstour etwas zu beschleunigen. Sie können ja hinterher noch etwas trinken.
Ihr Vorredner hat ja gesagt, das sei gut für die Stimmung. Dann kommt Harald Ebner als nächster Redner für
Bündnis 90/Die Grünen.
({1})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen
und Kollegen! Gut Ding will Weile haben, könnte man
beim späten Einbringen dieses Haushalts meinen - wenn
es denn so wäre. Beim Blick auf den Einzelplan 10 frage
ich mich aber: Was haben Sie eigentlich die ganze Zeit
gemacht?
({0})
Der Plan ist ein einziges Weiter-so, Kollege
Holzenkamp. Vom Regierungswechsel merke ich nichts.
Doch auch wenn sich offenbar drinnen trotz neuer
Koalition nichts geändert hat: Draußen in der Welt hat
sich doch einiges von Relevanz für Landwirtschaft und
Ernährung getan. Lassen Sie mich drei Punkte herausgreifen: den Bericht des Weltklimarates, den Bericht zur
Lage der Natur und, last, but not least, die Gentechnik.
({1})
Eines zur Klarstellung vorneweg: Wir Grünen sagen
ausdrücklich Ja zur bäuerlichen Landwirtschaft und zu
unseren wunderschönen Kulturlandschaften in Deutschland. Das gehört untrennbar zusammen. Gerade deshalb
wollen wir, dass unsere Bauern und Bäuerinnen auf die
Herausforderungen der Zukunft vorbereitet werden. Das
ist Ihre Aufgabe, Herr Minister, als Bundesregierung.
({2})
Wo liegen die Herausforderungen? Erstens. Der neue
Bericht des Weltklimarates zeigt: Es geht nicht mehr um
Wandel. Es droht eine Klimakatastrophe, und das auch
bei uns. Wenn künftig immer häufiger extreme Starkregenereignisse auf ausgetrocknete vegetationsarme Böden treffen, dann ist die Existenzgrundlage unserer Bauern, nämlich der Boden, akut gefährdet.
Wenn Sie schon nicht die Ursachen der Klimakatastrophe angehen wollen, weil Ihnen die Kohle wichtiger
ist als das Klima, dann müssen Sie doch wenigstens die
Anpassung unserer Landwirtschaft an die Folgen unterstützen. Das geht aber nicht mit einem Haushalt des
Weiter-so. Dafür brauchen wir gezielte Investitionen in
eine klimagerechte Landwirtschaft.
({3})
Da lassen Sie die Landwirte aber im ausbleibenden Regen stehen. Immerhin, Sie fördern die Züchtung klimaangepasster Kulturpflanzen mit 1 Million Euro; aber den
Posten haben Sie im Vergleich zum Vorjahr um die
Hälfte gekürzt. Gleichzeitig geben Sie allein für die Verbesserung der Fleischqualität das Dreifache aus. Ja, beim
Klima geht es um die Wurst, aber da haben Sie, glaube
ich, doch etwas falsch verstanden.
Das, was Sie anpacken, passt nicht zu Ihrer Politik in
anderen Feldern, meine Damen und Herren. Sie stocken
die Mittel für die Biomasseforschung weiter auf. Gleichzeitig kürzen Sie beim EEG und gehen den erneuerbaren
Energien an den Kragen. Das ergibt doch keinen Sinn.
Ich habe den Eindruck: Hier weiß die linke Hälfte der
Regierung nicht, was die rechte Hälfte der Regierung tut.
({4})
Machen Sie hier doch etwas für die Ökologisierung der
Biomasse und für das Biogas!
Zweitens. Der aktuelle Bericht zur Lage der Natur
von Umweltministerin Hendricks ist ein Offenbarungseid. Gerade in unseren Agrarökosystemen müssen wir
ein dramatisches Artensterben beklagen. Aber statt in
die Forschung und die Förderung von Bewirtschaftungsalternativen zu investieren, will die Bundesregierung
jetzt auch Pestizide auf den ökologischen Vorrangflächen zulassen. Staatssekretärin Flachsbarth schiebt die
Verantwortung ab und ruft die Bundesländer zu größeren
Anstrengungen bei den Agrarumweltmaßnahmen auf.
Dabei hat Bundeskanzlerin Merkel die dafür nötigen
EU-Gelder in der zweiten Säule zusammenstreichen lassen. Von Horst Seehofers Versprechen, die Mittel für die
GAK aufzustocken, hört man nach der Wahl nichts
mehr. Sie wollen mit weniger Geld mehr Natur- und
Umweltschutz betreiben und dann noch eine nachhaltige
Politik für den ländlichen Raum. Das funktioniert nicht.
({5})
Dabei wäre es doch so einfach. Der von der Bundesregierung eingesetzte Rat für Nachhaltige Entwicklung
hat den Ökolandbau als Goldstandard der Nachhaltigkeit
bezeichnet. Aber ausgerechnet das Bundesprogramm
Ökologischer Landbau dümpelt auch in diesem Haushalt
weiter vor sich hin. Bei Ihnen ist das Bundesprogramm
zur Resterampe verkommen, mit der alles Mögliche finanziert wird, nur möglichst kein Ökolandbau. Wer
mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft will, muss
genau hier investieren. Genau das werden wir einfordern.
({6})
Sie versenken lieber 4 Millionen Euro für ein verbessertes Düngemanagement in viehstarken und wassersensiblen Gebieten und geben damit Steuergelder aus, um
ein Problem zu lösen, an dessen Schaffung andere Geld
verdienen. Verursacherprinzip sieht anders aus.
({7})
Dabei liegen im Forschungsministerium - wenn Sie da
denn ran wollen - satte 135 Millionen Euro für den Bereich Bioökonomie bereit. Dieses Geld gehört aus meiner Sicht zumindest in wesentlichen Teilen in den Agrarhaushalt, Herr Minister. Sie können doch nicht ernsthaft
für Ihr Haus die Federführung bei der Entwicklung der
Bioökonomiestrategie reklamieren und sich dann jeden
Gestaltungsspielraum im Haushalt aus der Hand nehmen
lassen. Da müssen Sie ran, wenn Sie nicht König ohne
Land sein wollen.
Drittens und Letztens. In der Agrogentechnik verfolgen Sie gerade die Linie bei der Genmaiszulassung: erst
die Katze aus dem Sack lassen und dann mit Schmackes
auf den Sack draufhauen und mit Opt-out Scheinlösungen vorgaukeln. Das muss man erst einmal hinbekommen. Wenn es nun eine Scheineinigkeit in der Gentechnik gibt - alle sagen, dass wir die Gentechnik nicht
brauchen -, dann frage ich mich: Wo finde ich das im
Haushalt? Ich finde es nicht. Es gibt kein Geld für eine
Kampagne für das Qualitätssiegel „Ohne Gentechnik“.
Es gibt zudem keine gezielte Förderung der gentechnikfreien Pflanzenzüchtung. Da herrscht im Haushalt Fehlanzeige. Das muss sich ändern.
({8})
Noch eine allerletzte Bemerkung. Im Europawahlprogramm der CDU ist zu lesen:
Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit wollen wir
den Züchtern die Möglichkeit einräumen, auf dem
Gebiet der Nutzung grüner Gentechnik wissenschaftlich tätig zu sein.
Was, glauben Sie denn, kommt dabei heraus, wenn sich
Züchter mit Grüner Gentechnik befassen?
({9})
Dabei kommt Gentechniksaatgut für den Anbau heraus.
Das werden wir bekommen, wenn Sie mit dem Haushalt
so weitermachen. Das muss sich ändern. Dafür setzen
wir uns ein.
Danke schön.
({10})
Danke, Herr Kollege. - Nächste Rednerin ist Marlene
Mortler für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich bin froh, in dieser Zeit und in einem Land
zu leben, wo Lebensmittel noch nie so sicher waren wie
heute, ob biologisch oder konventionell hergestellt.
({0})
Ich darf aus einem Interview mit unserem Minister
Schmidt in der heutigen Ausgabe des Tagesspiegels
zitieren. Als er in zwei Sätzen erklären sollte, was er als
seine wichtigste Aufgabe ansieht, hat er geantwortet:
„Die Landwirtschaft und die Bedeutung des ländlichen
Raums allen Menschen näherzubringen.“ Das wünsche
ich mir auch von der Opposition. Des Weiteren sagte er:
„Unsere Lebensmittel sicherhalten und für den Respekt
vor der Schöpfung arbeiten.“
({1})
Für diese wichtigen Aufgaben geben wir ihm heute
den nötigen Agrarhaushalt an die Hand. Mit 5,31 Milliarden Euro halten wir den Agrarhaushalt, wie ich
meine, auf einem hohen Niveau, und das zu Recht; denn
Landwirtschaft ist eine Zukunftsbranche. Nur mit der
Landwirtschaft wird es gelingen, die Herausforderungen
angesichts der wachsenden Weltbevölkerung zu meistern. Ich denke, Deutschland hat hier als Gunst- und
Wissensstandort national und international eine besondere Verantwortung.
({2})
Wir setzen also in diesem Haushalt nicht nur auf Kontinuität, sondern wollen auch eine Landwirtschaft, die
nachhaltig wirtschaftet und leistungs- und wettbewerbsfähig bleibt.
Lassen Sie mich aus meiner Sicht noch drei Punkte
aus dem Haushalt herausgreifen. Erstens. Den größten
Posten - das wurde schon mehrfach genannt -, nämlich
70 Prozent des Haushalts, bildet der Agrarsozialbereich.
Als zuständige Berichterstatterin sind mir folgende
Punkte wichtig: In der landwirtschaftlichen Bevölkerung
werden zwar mehr Kinder geboren als in der übrigen Bevölkerung; aber es zahlen nur diejenigen Beiträge in das
landwirtschaftliche Sicherungssystem, die einen Hof bewirtschaften bzw. dort arbeiten. Das ist leider die absolute Minderheit. Das heißt auch, dass das Verhältnis von
Beitragszahlern zu Leistungsempfängern in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung viel schlechter ist
als in der allgemeinen gesetzlichen Sozialversicherung.
Das hat gravierende Auswirkungen.
Dem tragen wir durch angepasste Haushalte übrigens
immer wieder Rechnung. Bereits im Jahr 1957, als die
landwirtschaftliche Alterssicherung eingeführt wurde,
hat man von einem Teilsicherungssystem gesprochen.
Seit 1995 trägt nun der Bund die finanziellen Folgen eines leider beschleunigten Strukturwandels. Das ist nicht
selbstverständlich. Daher an alle Akteure, die im Haushaltsbereich tätig sind, ein großes, dickes Danke.
({3})
Lieber Kollege Priesmeier, ich freue mich aufrichtig,
dass du schon fast wieder der Alte bist.
({4})
Damit es dir gleich noch viel besser geht, spreche ich die
Hofabgabeklausel an, die ebenfalls auf unserer Agenda
bleibt.
({5})
Auch in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung können die aktiven Mitglieder nicht alle Ausgaben
für ihre eigenen Rentner bzw. Altenteiler stemmen. Sie
wären finanziell schlichtweg überfordert. Danke deshalb
auch dem Bundesminister und den Haushältern für die
zusätzlichen, heute schon mehrfach genannten Kompensationsmittel von 37 Millionen bzw. 25 Millionen Euro.
All dieses Geld ist gut investiert. Es hilft im Alter, unterstützt bei Krankheit und sichert bei Unfällen ab.
Mein zweiter Punkt ist der gesundheitliche Verbraucherschutz. Auch wenn das V im BML verschwunden
ist, bleibt Verbraucheraufklärung Daueraufgabe. Gerade
die Arbeit des Bundesinstituts für Risikobewertung hat
sich bewährt. Deshalb begrüße ich auch hier die Mittelaufstockung sehr.
({6})
Denn das BfR zeigt Missstände auf, und es steuert auch
dann mit Fakten dagegen, wenn Verunsicherung oder bewusste Panikmache den Blick für Sachargumente verschließen. Je mehr sich die Menschen von der Lebenswirklichkeit auf dem Land und der Erzeugung von
Lebensmitteln entfremden, umso wichtiger wird diese
Arbeit bzw. diese Aufgabe.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, als Landfrau
freue ich mich außerdem, dass wir weiter auf eine gesunde Ernährungsweise setzen, auf transparente Lebensmittelkennzeichnung und auf die Vermeidung von Lebensmittelabfällen.
Dritter Bereich: unsere Investitionen in Forschung
und Innovationen. Kollege Jung hat darauf intensiv hingewiesen: Immerhin sind dafür im Etat 510 Millionen
Euro veranschlagt. Ich möchte das Kind gerne einmal beim
Namen nennen: Egal ob Tiergesundheit - FriedrichLoeffler-Institut -, Kulturpflanzen - Julius-Kühn-Institut -,
leistungsfähige Pflanzensorten - Bundessortenamt -, Ernährung und Lebensmittel - Max-Rubner-Institut -, Lebensmittelsicherheit - Bundesamt für Verbraucherschutz
und Lebensmittelsicherheit - oder Ressourcennutzung
- Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut -: Hier liegt die
Forschung in unserem Land in guten Händen.
({7})
Wer aufgepasst hat, hat bemerkt: Die BLE, die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, habe ich
nicht erwähnt. Ich nenne sie jetzt ganz bewusst noch.
Die BLE richtet nämlich alle zwei Jahre - das ist den
meisten hier unbekannt - eine internationale Tagung für
alle Führungskräfte im Bereich der Landjugend aus
- diese Tagung ist einmalig -, und zwar in Herrsching in
Bayern; darüber freue ich mich als Bayerin natürlich.
Dorthin kommen junge Leute, um sich - das ist weltweit
einmalig - auszutauschen, um sich fit zu machen für die
Anliegen der Landwirtschaft und der ländlichen Räume.
Auch dieser Austausch wird durch unseren Haushalt gestützt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden unserem Minister mit diesem Etat ein solides Fundament beMarlene Mortler
reiten. Wir wünschen ihm eine glückliche Hand im
Sinne von Respekt und Bewahrung unserer Schöpfung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, ich habe das, was ich
das letzte Mal überzogen hatte, heute wiedergutgemacht.
Ich bin vor Ablauf meiner Redezeit fertig.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und alles
Gute bei den weiteren Beratungen.
({8})
Vielen Dank, Marlene Mortler. Bei Ihnen wäre ich
heute auch ganz besonders gnädig gewesen. - Rainer
Spiering ist der nächste Redner für die SPD.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Verehrte Gäste! Liebe Schülerinnen und
Schüler! Im aktuellen Haushalt nehmen die Bereiche
Nachhaltigkeit, Forschung und Innovation einen hohen
Stellenwert ein. Wir hören, das Gesamtbudget umfasst
5,3 Milliarden Euro. Hiervon entfallen, wie bekannt,
3,6 Milliarden Euro auf die landwirtschaftliche Sozialpolitik und 600 Millionen Euro auf die GAK-Mittel. Für
Forschung und die vier Ressortforschungseinrichtungen
sind insgesamt 510 Millionen Euro - eine halbe Milliarde Euro, Kolleginnen und Kollegen! - veranschlagt;
damit ist dies der drittgrößte Posten in diesem Einzelplan.
Schwerpunkte der Forschungsinvestitionen sind eine
nachhaltige landwirtschaftliche Produktion, Klima- und
Ressourcenschutz, Sicherheit von Lebensmitteln, Tierwohl - die Kollegin Christina Jantz hat es gerade gesagt
und, wie ich finde, sehr anschaulich deutlich gemacht ({0})
und gesunde Ernährung.
Es ist richtig, den Mittelzufluss für die großen Forschungseinrichtungen konsequent zu steigern und ihnen
Planungssicherheit zu geben. Die Langzeit- und Großforschung ist mit einer Haushaltssteigerung von 4 Prozent gut berücksichtigt. Glückwunsch, Herr Minister!
({1})
Forschung im Landwirtschafts- und Ernährungsbereich hat nicht nur etwas mit Saatgut und Seuchenprävention zu tun, nein, es geht hierbei auch um zentrale
Fragen unserer zukünftigen Ernährung. Diese wird
durch die Landwirtschaft und die nachgelagerte Lebensmittelproduktion gesichert. Sie wissen, unsere Erde und
ihre Ressourcen gibt es nur einmal.
Phosphor zum Beispiel als Bestandteil von Dünger
wird in naher Zukunft ein knappes Gut sein. Die weltweiten Phosphorvorräte werden, wenn nicht massiv umgesteuert wird, in nicht einmal einer Generation aufgebraucht sein. Ich habe gelernt, nur 0,09 Prozent der
Erdrinde geben Phosphor her. Es heißt, Alternativen aufzuzeigen. Hier sind wir in Deutschland mit unseren großen
Instituten Julius Kühn, Friedrich Loeffler, Max Rubner,
Johann Heinrich von Thünen und anderen sehr gut aufgestellt.
Herr Minister, ich möchte jetzt auf eine besondere
Förderung des ländlichen Raums kommen: Wichtig ist,
auch kleinere Institute in den Blick zu nehmen. Lassen
Sie mich an dieser Stelle einen kurzen Augenblick bei
einer Stadt im nördlichen Landkreis Osnabrück verweilen. Ich gebe zu: Jetzt kommt der Werbeblock Heimat.
Quakenbrück ist ein kleines Mittelzentrum mit circa
13 000 Einwohnern im Grenzbereich der Landkreise
Cloppenburg und Vechta, die wiederum allgemein bekannt sein dürften. Wir befinden uns in einer Region, die
maßgeblich an der Fleischproduktion der Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist.
Ende der 80er-Jahre erlebte diese kleine Stadt wie
viele andere auch eine tiefgreifende Strukturkrise, verbunden mit dem Rückgang der Zahl hochwertiger Arbeitsplätze. Heute beheimatet die Stadt Quakenbrück das
Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik, kurz: DIL.
Eingebettet in eines der Zentren der Fleisch- und Lebensmittelproduktion hat sich hier ein Hochleistungszentrum für Forschung und Anlagentechnik entwickelt.
Eine kleine Randbemerkung. Dem einen oder anderen
Sportbegeisterten wird Quakenbrück bekannt sein.
({2})
Die Basketballmannschaft Artland Dragons spielt in der
1. Bundesliga.
({3})
- Ja, ein Spitzenteam im ländlichen Raum. - Herr Minister, wir brauchen auch Spitzenteams in Forschung und
Innovation im ländlichen Raum.
({4})
Wenn wir diesen Raum stärken wollen, haben wir die
Möglichkeit dazu, durch vermehrte Projektförderung
von kleineren Forschungseinrichtungen, auch fernab der
Ballungszentren, gerade auch, verehrte Kolleginnen und
Kollegen, in den Bereichen der Technikfolgenabschätzung und der Nanotechnologie. Lassen Sie uns die Forschung dort fördern, wo auch die Produktion stattfindet:
im ländlichen Raum.
({5})
Dann ist die Kette zwischen Forschung und Umsetzung
in der Praxis auch geschlossen.
Warum brauchen wir diese Forschung? In unserer
hochmodernen Gesellschaft vergessen wir mitunter, was
die Basis unseres Daseins ist. Wir benötigen täglich gesunde Nahrungsmittel, am besten nachhaltig und ressourcenschonend produziert. Der erste Sektor, also die
Urproduktion, sichert unsere Ernährung und bildet die
Grundlage für alles, was danach kommt, für den Sektor
der Industrie und die Dienstleistungsbranche. Man muss
immer wissen, wo es anfängt und wo es aufhört.
Ernährung ist in hohem Maße eine Frage des Vertrauens. Wir haben in der Vergangenheit häufig erlebt, dass
durch Lebensmittelskandale dieses Vertrauen erschüttert
wurde. Es ist unsere Aufgabe, durch Forschung und Entwicklung dafür zu sorgen, dass das Grundvertrauen der
Verbraucher langfristig wiederhergestellt wird und dass
die Landwirtschaft und die Lebensmittelindustrie ihre
Produkte, die gut hergestellt sind, auch ordentlich auf
den Markt bringen können.
Aber es geht auch darum, die Ernährung generell sicherzustellen. Wir finden heute im Supermarkt ein Angebot im Überfluss. Aber ist es sicher, dass das langfristig so bleibt? Stichworte in einer sich verändernden
Umwelt sind „Klimawandel“, „Rückgang der Ressourcen“, als kleines Beispiel: „massenhaftes Bienensterben“, und zwar durch Einflüsse, die wir erzeugt haben.
Schon heute gibt es eine Eiweißlücke in Europa. Wir
benötigen mehr pflanzliches Eiweiß, als auf den Ackerflächen unseres gesamten Kontinents angebaut werden
könnte. Diese Eiweiße werden für Futtermittel benötigt,
um die Tiere zu mästen, die später unseren Fleischbedarf
stillen sollen. Was uns an pflanzlichem Eiweiß fehlt,
stammt von Soja-Monokulturanbauflächen in Nordamerika oder aus abgeholzten Regenwäldern in Südamerika.
Ist das nachhaltig? Nein.
({6})
Ist das ressourcenschonend oder wirtschaftlich effizient?
Nein. Ist das ethisch vertretbar? Ein ganz großes Fragezeichen!
Dies sind nur einige Beispiele, die zeigen, warum
Forschung im Bereich der Ernährung und Landwirtschaft wichtig ist. Das ist übrigens auch ein Bereich, in
dem das vorhin von mir genannte DIL forscht.
Forschung allein reicht aber nicht. Die Forschungsergebnisse müssen auch in die Praxis gelangen und dort
angewendet werden. Deshalb begrüßt die SPD-Fraktion
die konsequente Förderung des Bundesprogramms
„Ökologischer Landbau“ und anderer Formen nachhaltiger Landwirtschaft.
({7})
Das Bundesprogramm richtet sich auf die nachhaltige
Beseitigung von Wachstumshemmnissen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Rund 10 Millionen Euro
sollen für die Förderung des Wissenstransfers zwischen
Forschung und Praxis verwendet werden. Das ist der
richtige Weg.
Der Etat des Bundesministeriums für Ernährung und
Landwirtschaft benötigt Kontinuität und Flexibilität und
darf nicht Streichreserve für das Gesamtbudget werden.
({8})
Unsere Maximen sind: Planungssicherheit für die großen
Institute, die hervorragende Arbeit leisten, aber auch
Förderung kleinerer Einrichtungen als regionale Leuchttürme, die eine Perspektive für den ländlichen Raum
darstellen.
Herzlichen Dank fürs Zuhören.
({9})
Danke schön, Herr Kollege. - Nächster Redner: Alois
Gerig für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Schade, dass ich heute
keinen Geburtstag habe.
({0})
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen
und Herren! Von den nüchternen Zahlen her gesehen ist
der Einzelplan 10 mit seinen 5,31 Milliarden Euro in unserem 300 Milliarden Euro umfassenden Gesamthaushalt eher unbedeutend. Deshalb ist es besonders wichtig,
dass wir bei dieser Debatte sowohl die Zahlen als auch
die Bedeutung unseres Ressorts ins rechte Licht rücken.
({1})
Die Landwirtschaft ist durch einen immensen Strukturwandel zu einer in der Tat eher kleinen Branche geschrumpft. Gleichwohl ist ihre volkswirtschaftliche Bedeutung für die Menschen in Deutschland von ganz
besonderer Wichtigkeit. Immerhin hängt jeder neunte
Arbeitsplatz mit allen vor- und nachgelagerten Gewerken direkt oder indirekt mit der Land- und der Ernährungswirtschaft zusammen.
Unsere Bäuerinnen und Bauern versorgen die Bürger
mit guten und preiswerten Lebensmitteln. Nirgendwo
auf dieser Erde sind dabei die Standards für Pflanzenproduktion und Tierhaltung höher und damit die behördlichen Auflagen strenger als bei uns.
({2})
Auch deshalb müssen wir eine vernünftige und ausgewogene Politik der Wertschätzung für die Land- und
Forstwirtschaft sowie für die ländlichen Räume insgesamt machen - mit Verlässlichkeit und Perspektive für
die Branche.
Gewiss, die Einkommen der Landwirte sind sehr breit
gestreut, mit Bilanzen von hochrot bis schwarz. Im Mittel liegen sie aber weit hinter dem gewerblichen Vergleichslohn. Lieber Kollege Ostendorff, auch deshalb
können wir auf den Agrardiesel nicht verzichten.
({3})
Wir müssen deshalb mit einer möglichst ausbalancierten Agrarpolitik dafür Sorge tragen, dass der Agrarsektor positive wirtschaftliche Rahmenbedingungen vorfinAlois Gerig
det, die bürokratischen Hürden nicht unüberwindbar
werden und so bei unseren Bäuerinnen und Bauern - das
ist mir ganz wichtig - die Freude an einem der ältesten,
aber schönsten Berufe dieser Welt erhalten bleibt.
({4})
Insbesondere liegen mir dabei die bäuerlichen, familiengeführten Betriebe am Herzen. Dort wird mit Liebe
zur Natur und Liebe zu den Tieren über das ganze Jahr in
harter Arbeit dafür gesorgt, dass genügend gute Lebensmittel bereitstehen und dass unsere Kulturlandschaft in
der gebotenen Vielfalt und Schönheit gepflegt und erhalten bleibt. Anfeinden und diffamieren, liebe Kollegen
von der Opposition, ist hier nicht nur fehl am Platz, sondern beschleunigt den Strukturwandel zusehends.
Wir sind gefordert, mit einer klugen Agrarpolitik
möglichst dazu beizutragen, die Balance und so das
friedliche Miteinander zwischen konventionellen und
Biobetrieben, zwischen kleineren Nebenerwerbsbetrieben und flächenstarken Großbetrieben herzustellen. Das
zunehmende Landgrabbing durch außerlandwirtschaftliche Investoren stellt hierbei ohne Zweifel ein zunehmendes Problem dar, welchem wir uns nach meiner Einschätzung politisch noch mehr widmen müssen als
bisher.
({5})
Meine Damen und Herren, Bescheidenheit ist eine
Tugend der Landwirtschaft, und so freue ich mich, dass
unser kleiner, feiner Haushaltsplan 10 immerhin um
41 Millionen Euro anwachsen soll, obwohl ein Teil unserer Zuständigkeiten im Verbraucherschutz in das Justizressort abgewandert ist.
Dass rund zwei Drittel der zur Verfügung stehenden
Mittel in die agrarsoziale Sicherung gegeben werden, ist
richtig und wichtig, um insbesondere Härten bei dem
von mir schon angesprochenen Strukturwandel abfedern
zu können.
Mit der GAP-Reform und damit der möglichst gerechten Verteilung der Finanzmittel der EU kommen wir
jetzt hoffentlich gut voran. Bei der Feinplanung müssen
wir dafür Sorge tragen, dass sie möglichst gerecht ausgestaltet wird.
Ich finde es ein bisschen schade, dass die Mittel für
die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ nicht aufgestockt werden. Wir alle wollen selbstverständlich zum Ziel eines
ausgeglichenen Haushalts beitragen. Gleichwohl bleibt
die GAK ein wichtiges Förderinstrument. Mit rund
600 Millionen Euro werden Infrastrukturmaßnahmen in
ländlichen Räumen sowie Investitionen in der Landwirtschaft und dem Ökolandbau unterstützt.
Mit dem finanziellen Spielraum des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft wollen wir
Wirtschaftsministerium und Anwalt für den ländlichen
Raum sein. Da geht es sehr wohl um eine gezielte Politik
für die ländlichen Räume in ganz vielen Bereichen des
täglichen Lebens. Es geht um unser Bestreben für eine
maßvolle Umsetzung der EEG-Novelle und um eine
nachhaltige Forstwirtschaft. Ebenso wollen wir unseren
Teil zum Verbraucherschutz mit oder ohne „V“ im Namen des Ministeriums sehr ernst nehmen.
Mein Dank geht hier und heute besonders an unseren
neuen Bundesminister Christian Schmidt mit seinen
Staatssekretären und Mitarbeitern für die Ausarbeitung
dieser Vorlage. Vorab auch einen Dank an unseren
ebenso neuen Fachhaushälter Cajus Caesar, der sich in
unserem Sinne bei den Verhandlungen - da bin ich ganz
sicher - in die Riemen schmeißen wird.
({6})
Ich bin überzeugt, meine Damen und Herren, dass wir
zum Abschluss des heute beginnenden parlamentarischen Verfahrens einen guten Haushalt beschließen werden. Es gibt allerdings viel zu tun. Lassen Sie es uns gemeinsam angehen.
Danke schön.
({7})
Vielen Dank, Herr Kollege. - Nächste Rednerin ist
Ute Vogt für die SPD.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Dem Dank an das Ministerium, dem Minister sowie den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, schließe ich mich
gerne an.
Ich möchte Ihren Blick auf die Zahlen lenken; denn
die zeigen uns, wie stark die Europäische Union unsere
Landwirtschaftspolitik auch in Deutschland prägt. Die
gesamten Ausgaben unseres Ministeriums liegen bei
5,31 Milliarden Euro. Die Direktzahlungen der Europäischen Union betragen 5,1 Milliarden Euro, kaum weniger als das gesamte Budget, das dem Landwirtschaftsministerium zur Verfügung steht.
Ich will diese Debatte nutzen, um auch denen zu danken, die in rund 300 000 landwirtschaftlichen Betrieben
in Deutschland dazu beitragen, dass wir eine qualitativ
hochwertige Versorgung mit Lebensmitteln haben und
dass unsere Kulturlandschaft geprägt und erhalten wird.
({0})
Ohne Zweifel ist die Vielfalt unserer Landschaft auch
ein Erfolg des europäischen Modells. Es hat zumindest
dazu beigetragen, diese Vielfalt bei uns in Deutschland
zu erhalten. Trotzdem haben wir großen Bedarf an einer
Neuausrichtung. Wir müssen die Weichen stellen, um
nach 2020 die Mittel zielgenauer einzusetzen. Für unsere
Fraktion - ich denke, auch für die Regierung - stehen
dabei nachhaltiges und ökologisches Wirtschaften sowie
tiergerechte Landwirtschaft als wichtige Punkte ganz
vorne an.
({1})
Die Kollegin Christina Jantz hat eindrucksvoll darüber gesprochen: Tiere dürfen nicht zum Industriepro2306
dukt degradiert werden. Sie sind Teil der Schöpfung.
Man muss sie als solches ansehen und auch entsprechend behandeln. Ich freue mich ausdrücklich, dass wir
mit dem neuen Herrn Minister einen Landwirtschaftsminister haben, dem solche Ansätze nicht fremd sind.
Ich hoffe deshalb, dass wir hier in dieser Legislaturperiode richtige Fortschritte machen werden.
({2})
Im vorliegenden Haushalt spielen auch die Forschungsmittel eine große Rolle. Uns ist wichtig, dass wir
die Agrarforschung, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, besser verzahnen. Kollege Spiering hat darauf hingewiesen: Es ist auch ein wichtiger Ansatz, dass wir
- nicht nur bei ihm vor Ort, sondern überall im ländlichen Raum - darauf achten, das Geld nicht nur an die
großen Institute zu vergeben, sondern gerade auch kleinen Instituten eine Chance zu geben, mit ihrem speziellen Fachwissen dazu beizutragen, die Forschungslandschaft vielfältiger zu machen.
({3})
Es ist uns von der SPD weiterhin ein großes Anliegen,
den ökologischen Landbau entsprechend zu würdigen.
Für uns ist der ökologische Landbau Goldstandard. Der
Markt ist nicht einfacher geworden; davon war schon
mehrfach die Rede. Ich hätte einen Vorschlag, wie das
Bundesprogramm Ökologischer Landbau stärker auf das
Thema „Ökologischer Landbau“ fixiert werden könnte;
wir haben uns schon öfter darüber unterhalten. Wir sind
der Meinung, dass es wichtig wäre, ein eigenes Förderprogramm für den Bereich der Eiweißpflanzen aufzulegen und sich beim Bundesprogramm Ökologischer
Landbau tatsächlich auf den Ökolandbau zu konzentrieren. Das wäre ein wichtiges Anliegen, Herr Minister.
Wir würden uns freuen, wenn wir das gemeinsam erreichen könnten.
({4})
Schließlich will ich etwas zur Gemeinschaftsaufgabe
„Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ sagen. In der Tat ist sie mit Mitteln in Höhe von
600 Millionen Euro nicht so gut ausgestattet, wie wir uns
das gewünscht haben und wie es der Kollege Seehofer
- das darf ich sagen - eigentlich schon fast versprochen
hatte, zwar nicht uns, aber der Agrarministerkonferenz.
Vielleicht gelingt es, dafür zu sorgen, dass in der nächsten Legislaturperiode eine Schippe draufgelegt wird.
Unabhängig davon denke ich, dass wir diese Gemeinschaftsaufgabe verändern sollten, um die Mittel zu erhöhen. Europäische Förderprogramme eröffnen neue Spielräume bei der Stärkung der ländlichen Räume. Es geht
jetzt darum, dass wir die Daseinsvorsorge, aber auch die
wirtschaftliche Entwicklung im ländlichen Raum sichern.
({5})
Da geht es nicht allein um landwirtschaftliche Betriebe,
sondern auch um kleine und mittlere Unternehmen, die
es eben auch braucht, um die Landwirtschaft im ländlichen Raum am Leben zu erhalten. Insofern sind wir der
Meinung, dass wir die für einen besseren Mitteleinsatz
notwendige Grundgesetzänderung vornehmen und die
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur
und des Küstenschutzes“ tatsächlich in eine Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der ländlichen Räume umwandeln müssen. Das bringt uns mehr Mittel, die wir für
den ländlichen Raum einsetzen können.
({6})
Ich habe noch zwei Wünsche, insbesondere an die
Haushälter. Der Kollege Uli Freese hat schon den Waldklimafonds erwähnt. Die Erhöhung der Mittel für diesen
Fonds ist ein Anliegen, dem wir uns anschließen. Es ist
eine wunderbare Sache, dass es wenigstens gelungen ist,
dass beide Ministerien, nämlich das Umwelt- und das
Landwirtschaftsministerium, zu gleichen Teilen in diesen Fonds einzahlen. Aber wir wünschen uns, dass er so
ausgestattet wird, dass wir den Beitrag, den der Wald
zum Erreichen der Klimaschutzziele leisten kann, effektiv nutzen. - Die Erhöhung der Mittel für den Waldklimafonds ist also ein wichtiges Anliegen unserer Fraktion.
Der zweite Punkt ist das Thema Hochwasserschutzprogramm. Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf
verständigt, das nationale Hochwasserschutzprogramm
weiterzuführen. Unzählige Kolleginnen und Kollegen in
diesem Haus haben es im vergangenen Jahr erlebt: Es
kostet uns ungeheure Summen von Geld - weit mehr als
das, was wir zur Vorbeugung investieren müssten -,
wenn ein Schaden eintritt. Ein Hochwasser bringt nicht
nur einen materiellen Schaden - 8 Milliarden Euro wurden im letzten Jahr für die Schadensbekämpfung gebraucht -, sondern auch großes Leid für die Menschen,
die die Hochwasserschäden zu verkraften haben. Insofern brauchen wir die Unterstützung des ganzen Hauses
für die Erhöhung der Mittel in diesem Bereich. Ich
würde mich über lebendige Beratungen freuen. Lassen
Sie uns am Ende einen Haushaltsentwurf verabschieden,
der sichtbar die Handschrift unseres Parlamentes, der
Abgeordneten dieses Hohen Hauses trägt.
Danke schön.
({7})
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Zum Abschluss der
Debatte hat das Wort Cajus Caesar für die CDU/CSUFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine ersten Worte möchte ich an unseren Minister
Christian Schmidt richten. In den ersten Wochen seiner
Amtszeit hat er gezeigt, wie wichtig ihm der Bereich Ernährung und Landwirtschaft ist. Mit Elan ist er die
Dinge angegangen, aber nicht nur das. Mein Dank gilt
ihm auch, weil er uns Politikern stets das Wort gönnt. So
schaffen wir es gemeinsam, im Bereich Ernährung,
Landwirtschaft und - ich darf hinzufügen - Forsten etwas zu erreichen. Herr Minister, herzlichen Dank für
diesen Elan!
({0})
Ich darf mich auch bei meinen Mitberichterstattern bedanken. Die ersten Gespräche haben gezeigt: Wir sind
auf einem guten gemeinsamen Weg für die Landwirtschaft.
Ein zentrales Anliegen der Union ist der ländliche
Raum. Betrachten wir die Zahlen: Der ländliche Raum
hat über 44 Millionen Einwohner und 322 000 Quadratkilometer Fläche. 300 000 Familien arbeiten in der
Landwirtschaft und sorgen so für die volkswirtschaftliche Bedeutung des ländlichen Raumes. Davon hängen
wiederum 4 Millionen Arbeitsplätze ab, die mit der
Landwirtschaft und den damit zusammenhängenden Bereichen verbunden sind. Man sieht: Es ist ein Bereich,
für den es sich lohnt, sich einzusetzen. Wir als Union
wollen das in besonderer Art und Weise tun.
({1})
Wichtig ist uns natürlich auch die Kulturlandschaft.
Diese einzigartige Kulturlandschaft in Deutschland hätten wir nicht, wenn Bäuerinnen und Bauern nicht daran
mitgewirkt hätten, sie zu gestalten. Mein Dank gilt all jenen, die im ländlichen Raum arbeiten, leben und ihn gestalten.
({2})
Ein zentraler Bereich - das ist schon mehrfach angeklungen - umfasst die Themen Nachhaltigkeit, Forschung und Innovation. In diesem zentralen Haushaltsbereich werden die Mittel um 33 Millionen Euro erhöht.
Das ist uns wichtig. Es gibt vier Ressortforschungseinrichtungen des BMEL: das Julius-Kühn-Institut, das
Friedrich-Loeffler-Institut, das Max-Rubner-Institut und
das Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut. Ich darf sagen: Diese Namen stehen für Zukunftsforschung.
({3})
Wir sind sehr dankbar, dass dort die dafür nötige Arbeit
geleistet wird. Deshalb sind die 510 Millionen Euro, die
in den Bereich Forschung und Innovation insgesamt investiert werden, gut angelegtes Geld. Auch das ist uns
wichtig.
Wir wollen Tiergesundheit, wir wollen Lebensmittelsicherheit, und wir wollen auch den Bereich der Fischereiforschung - das mag zunächst wie ein Randbereich
klingen, er ist aber dennoch wichtig - fördern. Wir setzen uns dafür ein, dass die Mittel für diesen Bereich erhöht werden. Wir als Koalition setzen mit diesem Haushalt das Signal, dass wir diesen Bereich voranbringen
wollen.
Es ist uns wichtig, dass wir im Bereich der Fischereiforschung, der nicht so oft genannt wird, vorankommen,
beispielsweise durch den Ersatzbau des Fischereiforschungsschiffes „Walther Herwig III“, für den insgesamt
immerhin 100 Millionen Euro veranschlagt wurden.
Aber auch das ist gut angelegtes Geld. Die Fischer in
Deutschland tragen dazu bei, dass wir weltweit als Vorbild gelten. Nachhaltigkeit spielt in diesem Bereich
ebenso eine wichtige Rolle. Hier schließt sich der Kreis.
Ein weiterer wichtiger Bereich ist der demografische Wandel. Wir haben das Projekt „Modellvorhaben
LandZukunft“ auf den Weg gebracht. Wir stellen uns der
Herausforderung. Wir wollen, dass geeignete Strategien
zur Bewältigung des Bevölkerungsrückgangs im ländlichen Bereich angegangen werden. Deswegen haben wir
das Projekt „Modellvorhaben LandZukunft“ auf den
Weg gebracht und mit den entsprechenden finanziellen
Ressourcen ausgestattet. Ich denke, dieses Projekt zeigt,
dass uns, der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD,
dieser Bereich wichtig ist.
({4})
Wir wollen gemeinsam mit den Landwirten auch das
Tierwohl angehen. Das wird oft als Gegensatz dargestellt. Nein, unsere Sprecher, unsere Obleute haben gesagt: Das ist für uns ein wichtiger Bereich. Franz-Josef
Holzenkamp, Alois Gerig, Johannes Röring, alle, mit denen wir uns stetig austauschen, haben gesagt: Wir wollen
das Projekt Tierwohl gemeinsam auf den Weg bringen
und ausstatten; uns ist daran gelegen, dass wir dabei erfolgreich sind.
Das gilt im Übrigen auch für andere Projekte. Es
macht doch keinen Sinn, wenn wir sagen: Ökologischer
Landbau ist gut, konventioneller Landbau ist schlecht.
Wir müssen die Ideologien beiseitelassen und uns für die
Landwirtschaft einsetzen. Dann sind wir auf dem richtigen, auf einem guten Weg.
({5})
Ich möchte an dieser Stelle das BiomasseForschungsZentrum ansprechen, das mit immerhin 10,7 Millionen
Euro ausgestattet werden soll, aber auch die Fachagentur
Nachwachsende Rohstoffe. Der gesamte Bereich Nachwachsende Rohstoffe soll laut Entwurf mit 60 Millionen
Euro ausgestattet werden. Die Fachagentur zeigte in der
Vergangenheit, dass sie Projekte in hervorragender Art
und Weise bürokratiefrei meistert. Deshalb ist es uns ein
großes Anliegen, dass die Fachagentur weiterhin die
Dinge aktiv begleitet und den positiven Weg weiterhin
beschreitet. Deshalb diese Mittelausstattung für Nachwachsende Rohstoffe, die zwar nicht erhöht werden
konnte, aber in diesem Umfang gut angelegtes Geld ist.
({6})
Zum Bereich des Waldes: Wir wollen - das haben
meine Kollegen bereits angesprochen - einerseits die
Mittel für den Waldklimafonds auf 20 Millionen Euro
erhöhen. Auch das ist gut angelegtes Geld. Dieses Geld
trägt zum Klimaschutz bei, und so werden Ökologie und
Ökonomie sehr gut verbunden. Waldschutz ist andererseits auch international wichtig. Internationaler Waldschutz bedeutet, Wald zu sichern und etwas dagegen zu
tun, dass jedes Jahr 13 Millionen Hektar verloren gehen.
Damit könnten 20 Prozent des jährlichen CO2-Ausstoßes
vermieden werden, da diese allein durch den Waldverlust verursacht werden. Es geht darum, nicht nachher
teuer zu reparieren, sondern vorher präventiv zu handeln. Mit dem Minister und in der Großen Koalition sind
wir uns einig, dass wir auch beim Waldschutz etwas tun
wollen.
({7})
Als Große Koalition wollen wir den Strukturwandel
begleiten. Das haben wir durch eine entsprechend höhere Mittelausstattung der Sozialversicherung deutlich
gemacht. Wir wollen den ländlichen Raum stärken. Wir
wollen qualitativ hochwertige Ernährung, und wir wollen insbesondere die Arbeitsplätze von morgen im ländlichen Raum sichern. Wir werden die Herausforderungen angehen und damit auf Zukunft setzen. Wir als
Große Koalition aus Union und SPD setzen uns für eine
leistungsfähige und wettbewerbsfähige Landwirtschaft,
Forstwirtschaft und Fischerei ein.
Danke schön.
({8})
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen
nicht vor.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:
Beratung des Antrags der Bundesregierung
Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der Europäischen
Überbrückungsmission in der Zentralafrikanischen Republik ({0}) auf Grundlage der Beschlüsse 2014/73/GASP sowie
2014/183/GASP des Rates der Europäischen
Union vom 10. Februar 2014 und vom 1. April 2014 in Verbindung mit den Resolutionen
2127 ({1}) und 2134 ({2}) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 5. Dezember 2013 und vom 28. Januar 2014
Drucksache 18/1081
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({3})
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsauschuss gemäß § 96 der GO
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. - Ich höre dazu
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Wenn die allfälligen Verabschiedungen ihren ordnungsgemäßen Abschluss gefunden haben, können wir
in die Debatte einsteigen.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Rednerin erteile ich das Wort Frau Bundesministerin Dr. Ursula von
der Leyen.
({4})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor
einer Woche sind die drei Religionsführer aus Zentralafrika bei uns hier in Berlin gewesen: der katholische
Erzbischof von Bangui, der Präsident der Evangelischen
Allianz und der oberste Imam des Islamischen Rates.
Alle drei werben zusammen in einer Friedensmission in
Europa und in den USA um Hilfe für ihr Land. Zentralafrika versinkt im Augenblick in blutigen Auseinandersetzungen zwischen muslimischen Séléka-Milizen und
christlichen Anti-Balaka-Milizen. Die drei Religionsführer sagten mir, dies sei kein Religionskrieg. Vielmehr
werde die Religion durch die Politik für blutige Konflikte instrumentalisiert.
Die drei Religionsführer haben sich aufgemacht, einen Versöhnungsprozess in ihrem geschundenen Land
zu beginnen. Sie haben mir geschildert, dass Kinder aus
Schulen herausgeprügelt werden, weil sie entweder
christlichen oder muslimischen Glaubens sind. Sie haben mir geschildert, wie in Krankenhäusern kranke
Menschen sprichwörtlich aus den Betten gerissen werden, weil sie muslimischen oder christlichen Glaubens
sind. Sie haben mir erzählt, dass sie, alle drei zusammen,
sich vorstellen können, Gemeinschaftsschulen und Gemeinschaftskrankenhäuser auf den Weg zu bringen.
Sie haben aber auch unmissverständlich klargemacht,
dass sie unsere Hilfe brauchen, um die Bevölkerung zu
schützen, um Tötungen, Vergewaltigungen und Plünderungen zu unterbinden. Sie haben unmissverständlich
klargemacht, dass sie ein robustes Mandat möchten, damit die Friedenswilligen das Gespräch wieder aufnehmen können. Ja, meine Damen und Herren, dabei wollen
wir ihnen helfen, und dabei müssen wir ihnen helfen.
({0})
Die Afrikanische Union baut seit Juli 2013 eine Stabilisierungsmission mit 6 000 Soldaten und Polizisten auf.
Frankreich engagiert sich seit Dezember mit 2 000 Soldaten in der Zentralafrikanischen Republik. Vor wenigen
Tagen hat auch der Europäische Rat eine Mission für
Zentralafrika beschlossen, die für sechs Monate die Mission der Afrikanischen Union bei ihrem Aufwuchs unterstützen soll, um letztlich die Voraussetzungen für eine
UN-Friedensmission zu schaffen. Ende Mai sollen rund
1 100 Soldaten aus bisher 22 beteiligten Nationen einsatzbereit sein.
Es war nicht leicht, diese europäische Mission auf den
Weg zu bringen. Es hat allein fünf Truppenstellerkonferenzen bedurft, bis die Mission so weit war. Die Mission
drohte nicht nur daran zu scheitern, dass zu wenig Truppen aufgestellt wurden - das war nicht das Nadelöhr -,
sondern vor allem daran, dass weder Truppen noch Material noch Nachschub per Lufttransport nach Zentralafrika gebracht werden konnten und dass der Verwundetentransport nicht gesichert war.
Wir wollen uns deshalb mit dem beteiligen, was am
meisten und am häufigsten von uns nachgefragt wird. Es
geht um den strategischen Lufttransport. Dabei wollen
wir uns mit zivilen Transportgroßflugzeugen beteiligen.
Großbritannien und Schweden stellen ebenfalls strategische Luftkapazitäten. Wir wollen auch den luftgestützten
Verwundetentransport anbieten, unsere fliegende Intensivstation, für die die Bundeswehr hochgeschätzt wird.
Zusätzlich werden wir Einzelpersonal in den beiden
Hauptquartieren anbieten, sowohl in Bangui als auch in
Griechenland. Das alles umfasst das Mandat.
Meine Damen und Herren, die Lage in Zentralafrika
ist dramatisch. Navi Pillay, die Menschenrechtskommissarin der Vereinten Nationen, hat es nach ihrem Besuch
in Bangui mit ausgesprochen drastischen Worten umschrieben, indem sie gefragt hat:
Wie viele Kinder müssen noch geköpft werden, wie
viele Frauen und Mädchen noch vergewaltigt, bevor wir … unsere Aufmerksamkeit darauf richten?
Hunderttausende sind auf der Flucht vor der täglichen
Gewalt. Gut jeder Zweite in Zentralafrika ist auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das sind 2,5 Millionen Menschen; die Gesamtbevölkerung beträgt 4,6 Millionen
Menschen.
Wir alle wissen, dass die Militärmission allein nicht
die Probleme lösen kann. Aber sie kann ein Fenster öffnen, sie kann zumindest einen Schutzraum ermöglichen,
der dann für humanitäre Hilfe, für wirtschaftliche Entwicklung und vor allem für den Versöhnungsprozess,
von dem die drei Religionsführer sprechen, genutzt werden kann. Dafür bitten wir Sie um ein Mandat.
Vielen Dank.
({1})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Niema Movassat, Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, Frau
von der Leyen, die Lage der Bevölkerung in der Zentralafrikanischen Republik ist dramatisch. Bewaffnete
Gruppen bekämpfen sich und ermorden unschuldige Zivilisten. Die Opferzahlen gehen in die Tausende. Die
Hälfte der Einwohner ist auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Die Menschen in Zentralafrika brauchen Hilfe;
das ist klar, und da ist auch Deutschland gefragt.
({0})
Zur Vorgeschichte: Im März 2013 putschten die
Séléka-Rebellen den Präsidenten der Zentralafrikanischen Republik Bozizé aus dem Amt. Truppen aus
Frankreich und dem Tschad waren im Land, griffen aber
nicht ein, als die Rebellen in die Hauptstadt einmarschierten. Sie ließen Bozizé plötzlich fallen, nachdem sie
ihn jahrelang unterstützt hatten.
Es gibt viele Hinweise, dass die Séléka-Rebellen auch
vom Nachbarland Tschad unterstützt wurden. Sie kamen
aus den Grenzprovinzen zum Tschad. Bis heute ist nicht
geklärt, wie die Rebellen so schnell an die vielen Waffen
kamen. Der Tschad wiederum ist einer der engsten Verbündeten Frankreichs in Afrika und wird kaum ohne
Rücksprache mit Paris agiert haben.
In der Geschichte der Zentralafrikanischen Republik
hat es seit der Unabhängigkeit 1960 keinen einzigen Regierungswechsel gegeben, an dem der ehemalige Kolonialherr Frankreich nicht irgendwie beteiligt war. So ist
es auch dieses Mal kaum vorstellbar, dass Paris diesen
Putsch nicht zumindest geduldet hat. Was da seit Jahrzehnten stattfindet, ist nichts anderes als Neokolonialismus und entschieden abzulehnen.
({1})
Derzeit befinden sich 2 000 französische und
6 000 afrikanische Soldaten im Land. Mit der heute diskutierten EU-Militärmission sollen weitere 1 000 Soldaten nach Zentralafrika geschickt werden. Dabei ist die
Lage vor Ort völlig unübersichtlich. Die verfeindeten
Gruppen Séléka und Anti-Balaka sind in sich gespalten.
Es herrscht Bürgerkrieg. Frankreich und die afrikanischen Truppen gehen bei den Entwaffnungen der verschiedenen Gruppen laut Berichten einseitig vor. Wenn
man aber tendenziell nur eine Gruppe entwaffnet, kann
das das Morden sogar erst recht anheizen.
Obwohl der Übergangsregierung in Zentralafrika jede
Legitimation fehlt, will die EU-Mission mit ihr zusammenarbeiten. Die Führung der EU-Soldaten soll ausgerechnet bei Frankreich liegen. Es ist doch so: Frankreich
sieht seinen Einfluss in Afrika schwinden. Weil es dort
auch finanziell nicht mehr alleine zurechtkommt, sollen
die EU und Deutschland jetzt einspringen - erst in Mali,
nun in der Zentralafrikanischen Republik. Ich sage Ihnen: Frankreich ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil
des Problems. Dessen Truppen müssen raus aus Zentralafrika. Das wäre ein Beitrag zur Deeskalation.
({2})
- Darauf komme ich noch.
({3})
Der deutsche Beitrag zur EU-Mission ist eher symbolisch: bis zu 80 Soldaten, zwei Transportflugzeuge, ein
Sanitätsflugzeug. Deutschland führt unmittelbar keinen
Krieg, wird aber im Führungsstab der EU-Militärmission vertreten sein und damit auch Kampfentscheidungen mitbestimmen. Im Mandatstext steht ja, dass die
EU-Soldaten kämpfen sollen. Deutschland leistet mit
seiner Unterstützung letztlich Beihilfe zum Krieg.
({4})
Deshalb sagt die Linke selbstverständlich Nein dazu.
({5})
Der tiefere Sinn der deutschen Beteiligung ergibt sich
aus dem offenen Kurswechsel in der deutschen Außenpolitik. Besonders in Afrika will man „mehr Verantwortung“ übernehmen. Das heißt offenbar auch, überall dabei zu sein. Es vergeht keine Woche, in der im
Bundestag nicht über einen neuen Auslandseinsatz der
Bundeswehr diskutiert wird.
({6})
Da liegt die Vermutung nahe, dass diese Einsätze die
Bundeswehr auch für künftige Kampfeinsätze fit machen sollen.
({7})
Zudem soll die deutsche Bevölkerung, die nach einer
Umfrage zu drei Vierteln militärische Einsätze ablehnt,
weiter an die Normalität von Auslandseinsätzen gewöhnt werden.
Deutschland hat eine Verantwortung und sollte dieser
durch humanitäre Hilfe gerecht werden.
({8})
Die mindestens 12 Millionen Euro, die Deutschland für
diesen Einsatz allein 2014 ausgeben wird, wären im Bereich der Nahrungs- und Gesundheitsversorgung für die
Menschen Zentralafrikas besser aufgehoben.
({9})
Oft wird ja behauptet, dass Entwicklungshilfe in Krisengebieten ohne Militär nicht möglich sei. Aber auch in
Zentralafrika verzichten Ärzte ohne Grenzen und die
Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung freiwillig auf militärische Begleitung ihrer Arbeit, weil sie das ihren neutralen Status kostet und sie damit Angriffsziel werden.
({10})
Sie ignorieren dieses Problem in Afghanistan seit Jahren, nun auch beim EU-Einsatz in Zentralafrika. Die
Linke lehnt die fatale Logik der zivil-militärischen Zusammenarbeit entschieden ab. Es muss endlich Schluss
damit sein!
({11})
Deutschland muss zudem endlich aufhören, drittgrößter Waffenexporteur der Welt zu sein. Niemand würde es
wundern, wenn die Séléka-Rebellen auch mit deutschen
Kleinwaffen ausgerüstet waren, als sie das Land ins
Chaos stürzten.
({12})
Auf seiner Reise in die Zentralafrikanische Republik
sagte Herr Entwicklungsminister Müller, er habe keinen
„Ruf nach Soldaten gehört, sondern den Schrei nach
Hilfe“ vernommen. - Das wäre ein Ansatzpunkt für die
deutsche Außenpolitik.
Danke für die Aufmerksamkeit.
({13})
Als Nächstem erteile ich das Wort Herrn Staatsminister Michael Roth.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Als ich in meiner letzten afrikapolitischen Rede
vom Kontinent der Chancen sprach, hatte ich den Eindruck, dass dieser positive Ansatz von sehr vielen Kolleginnen und Kollegen hier im Hause geteilt wird.
({0})
Es ist sicherlich ein bitterer Moment, heute wieder daran zu erinnern, dass furchtbare Gewalt in Teilen Afrikas
vorherrscht. Auch hier sind wir wieder zur Solidarität
verpflichtet.
Am vergangenen Freitag haben wir uns hier im Deutschen Bundestag der Opfer des Völkermords in Ruanda
erinnert, der sich in diesen Tagen zum 20. Mal jährt.
Gestern fand in Ruanda selbst eine Gedenkveranstaltung
statt. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen hat die
Situation treffend auf den Punkt gebracht - ich darf ihn
hier zitieren -: Auch eine Generation nach den Ereignissen währt die Schande fort. Wir hätten mehr tun können.
Wir hätten mehr tun müssen. Der Völkermord in Ruanda
ist eines der finstersten Kapitel in der Geschichte der
Menschheit. Wenn Sie Menschen sehen, die der Gefahr
von Gräueltaten ausgesetzt sind, warten Sie nicht auf
Anweisungen aus der Ferne! Sprechen Sie, auch wenn es
verletzend sein mag! Handeln Sie!
Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir hier im Hause einig sind: Ein zweites Ruanda darf es nicht geben.
({1})
Das bedeutet aber auch, liebe Kolleginnen und Kollegen,
dass es nicht genug ist, nur lautstark „Nie wieder!“ zu
rufen; denn erst wenn den besorgten Worten auch entschiedenes Handeln folgt, werden wir unserer außenpolitischen Verantwortung wirklich gerecht. Ich will hier
überhaupt keine Vergleiche ziehen, die zu kurz greifen
oder krumm sind; aber es treibt uns sicherlich alle die
Frage um: Hat die internationale Gemeinschaft in Zentralafrika bislang genug und das Richtige getan, um weiteres sinnloses Blutvergießen zu verhindern?
Catherine Samba-Panza ist seit Januar dieses Jahres
Übergangspräsidentin der Zentralafrikanischen Republik. Die Sicherheitslage in der Hauptstadt Bangui hat
sich leicht beruhigt; aber insgesamt bleibt das, was wir
in der Zentralafrikanischen Republik erleben, katastrophal. Die Vereinten Nationen und zahlreiche HilfsorgaStaatsminister Michael Roth
nisationen zeichnen das Bild eines Landes im freien Fall.
Brutale Gewalt gegen die Zivilbevölkerung prägt den
Alltag, schwerste Menschenrechtsverletzungen sind an
der Tagesordnung: Morde, Vergewaltigungen, Brandschatzungen, Plünderungen und die Rekrutierung von
Kindersoldaten. Die Lage ist desaströs: 2,5 Millionen
Menschen sind mittlerweile auf humanitäre Hilfsleistungen angewiesen, allein 1,6 Millionen Menschen auf
akute Nahrungsmittelhilfe. Über 600 000 Menschen sind
geflüchtet, sind vertrieben worden, haben ihre Heimat
verloren. Allein in der Hauptstadt Bangui befinden sich
200 000 Flüchtlinge. Doch solange das Land weiterhin
von gewaltsamen Unruhen erschüttert wird, haben die
internationalen Hilfsorganisationen kaum eine Chance,
dorthin zu gelangen, wo ihre Hilfe am dringendsten gebraucht wird.
Die zentralafrikanischen Sicherheitskräfte - die Polizei, das Militär, die Gendarmerie -, auch wenn sie offiziell
wieder ihren Dienst aufgenommen haben, sind derzeit außerstande, der Gewalt irgendetwas entgegenzusetzen: Es
fehlt an Personal, es fehlt an Finanzierung, es fehlt an Infrastruktur, es fehlt an Ausrüstung und Ausbildung. Es
ist nicht damit zu rechnen, dass die zentralafrikanischen
Sicherheitskräfte mittelfristig einsatzfähig sein werden.
Frau Bundesministerin von der Leyen hat es eben
schon ausgeführt: MISCA, das heißt, die multinationale
Friedenstruppe der Afrikanischen Union, ist mit
6 000 Soldaten engagiert, darüber hinaus die Franzosen
mit der Operation Sangaris mit abermals 2 000 Soldaten.
Jetzt geht es darum, ob wir eine weitere Mission auf den
Weg bringen. Diese Mission der Europäischen Union ist
aber eine Überbrückungsmission. Für uns steht eine
Mission der Vereinten Nationen im Mittelpunkt, und wir
hoffen, dass es in Kürze einen Einsetzungsbeschluss des
UN-Sicherheitsrates geben wird, damit die UN-Mission
- hoffentlich im Herbst - ihre Arbeit aufnehmen kann.
Wir sind uns bewusst, dass eine nachhaltige Stabilisierung der Zentralafrikanischen Republik nur von innen
möglich ist. Angesichts der dramatischen Lage, in der
sich das Land nun seit mehr als einem Jahr befindet, dürfen wir aber keine schnellen Erfolge erwarten. Wir wissen, dass wir einen ziemlich langen Atem brauchen. Wir
in der Bundesregierung sind aber einem umfassenden
und vorausschauenden Ansatz in der Außenpolitik verpflichtet. Dazu gehören für uns nicht zuletzt die zivile
Krisenprävention, humanitäre Hilfe und ein entwicklungspolitischer Ansatz. Dazu haben wir uns im Rahmen
der EU und der Vereinten Nationen auch bilateral verpflichtet. Die Bundesregierung hat bislang 6 Millionen
Euro zur Verfügung gestellt, die EU hat 45 Millionen
Euro zugesagt, und es gibt weitere konkrete Zusagen.
Die Übergangsregierung in der Zentralafrikanischen
Republik ist angetreten, um endlich wieder Stabilität und
Sicherheit herzustellen. Es war gut, dass dieses Thema
auch auf dem EU-Afrika-Gipfel in der vergangenen Woche noch einmal angesprochen wurde und dass Wege
aufgezeigt wurden, die mehr Verantwortung auch der
Europäerinnen und Europäer zum Ziel haben. Präsident
Barroso brachte es auf den Punkt: „Euer Frieden ist auch
unser Frieden, euer Wohlstand ist auch unser Wohlstand.“ Das sind erste zaghafte Bemühungen um mehr
Stabilität und Sicherheit in der Zentralafrikanischen Republik. Wir sollten sie wirklich nach Kräften unterstützen; denn die beunruhigenden Nachrichten, die uns tagtäglich aus Bangui erreichen, zeigen uns: Das Land ist
dringend auf internationale Hilfe angewiesen. Dem sollten wir uns nicht verschließen.
Daher wollen wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnern im Rahmen der EU-Mission
EUFOR RCA einen begrenzten, aber wichtigen Beitrag
in Zentralafrika leisten, um das Leben der Zivilbevölkerung in der Zentralafrikanischen Republik zu schützen.
Ich bitte Sie dafür im Namen der Bundesregierung um
Ihre Unterstützung.
Vielen Dank.
({2})
Als Nächstem erteile ich dem Kollegen Dr. Tobias
Lindner, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir führen hier heute Abend eine schwierige Debatte über ein Land in einer bitteren, in einer katastrophalen Situation, und wir stehen vor der Entscheidung,
ob wir einen begrenzten, überschaubaren Beitrag leisten
wollen, der die Chance bieten kann, diese katastrophale
Situation abzumildern, oder ob wir das angesichts vieler
offener Fragen nicht wollen. Dies ist keine einfache und
muss eine sehr verantwortungsbewusste Entscheidung
sein.
Es ist von der Vorrednerin und den Vorrednern vielfach angesprochen worden: Wir reden bei der Zentralafrikanischen Republik über ein Land, in dem nur noch
rudimentäre staatliche Strukturen vorhanden sind. Eine
erste Aufgabe muss von daher lauten, so etwas wie ein
Gewaltmonopol wiederherzustellen und Voraussetzungen für mehr humanitäre Hilfe - darin sind wir alle uns
ja einig - zu schaffen.
Wir reden über ein Land mit katastrophalen Zuständen, in dem Gewalt aus unterschiedlichen Richtungen
herrscht: angefangen bei kriminellen Banden bis hin zu
- so will ich sie nennen - religiös getriebenen Gruppen.
Wir reden über eine Bevölkerung, die auf der Flucht ist
und von der mehr als die Hälfte humanitärer Hilfe bedarf. In dieser Situation ist Hilfe bitter notwendig, aber
Hilfe zu leisten ist auch schwierig.
Wir alle müssen uns fragen, was wir überhaupt tun
können, wie groß unser Beitrag zur Lösung der Probleme sein kann und auf welche Fragen wir in der jetzigen Situation überhaupt keine Antworten geben können.
Natürlich müssen wir heute an diesem Abend innehalten
und uns selbstkritisch fragen, was wir in der Vergangenheit nicht getan haben und warum es zu dieser Situation
gekommen ist.
Aber wir müssen uns auch fragen, was passiert, wenn
wir diese Hilfe nicht geben würden, wenn Deutschland
diesen Beitrag nicht leisten würde. Dieser Beitrag, meine
lieben Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion,
ist aus meiner Sicht mehr als ein symbolischer Beitrag:
Wir reden von Unterstützung in Form eines strategischen Lufttransports, über einen strategischen Verwundetentransport und über Hilfe bei der Erstellung eines
Lagebilds. Aber dieser Beitrag ist im positiven wie im
negativen Sinne ein überschaubarer Beitrag. Er wird
nicht ausreichen, um alle Probleme wirklich in den Griff
zu bekommen. Er wird - das haben Sie, Herr Staatsminister, eben herausgestellt - vor allem dann nicht ausreichen, wenn er isoliert von uns geleistet wird. Wir
müssen also dringend über mehr humanitäre Hilfe reden.
Wenn es darum geht, die Situation vor Ort zu verbessern,
wenn es um mehr humanitäre und zivile Hilfe geht, haben Sie unsere Unterstützung.
({0})
Dieser Beitrag ist mit einer Menge offener Fragen
verbunden: Was ist, wenn diese Überbrückungsmission
nicht reicht? Was ist, wenn am Ende der sechs Monate
die Vereinten Nationen nicht in der Lage sind, mit einer
eigenen Mission vollständig Verantwortung zu übernehmen? Was ist, wenn nicht ausreichende zivile Hilfe
kommt oder wenn es nicht gelingt, eine von allen Seiten
akzeptierte Regierung zu finden und das Gewaltmonopol
wiederherstellen? In welche Richtung wird sich das
Land entwickeln? Eine weitere offene Frage lautet: Was
ist denn der große Gesamtplan, um das Ganze anzugehen?
Aber so überschaubar dieser Beitrag ist, muss man
doch sagen: Ein überschaubarer Beitrag ist am Ende immer noch besser als kein Beitrag, als ein hilfloses Zusehen.
({1})
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir in
unserer Fraktion zwischen der Lage in der Zentralafrikanischen Republik, den offenen Fragen und den bei dieser
Mission bestehenden Risiken sehr ernsthaft abgewogen.
Ich kann Ihnen heute sagen, dass - vorbehaltlich der Beratungen im Ausschuss - die überwiegende Mehrheit unserer Fraktion zu dem Ergebnis gekommen ist, diesem
Mandat zustimmen zu wollen.
Ich kann nur wiederholen: Dieses Mandat öffnet ein
Fenster und schafft eine Chance. Es ist nicht an sich die
Lösung, um die Probleme in den Griff zu bekommen.
Deswegen sind wir alle gerade in dieser Stunde angehalten, das zu tun, was noch darüber hinaus notwendig ist,
und ernsthaft zivile Hilfe zu leisten. Auch dafür werden
Sie unsere Unterstützung haben.
Ich danke Ihnen.
({2})
Als Nächster erteile ich das Wort der Kollegin
Dagmar Freitag, SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In
diesen Tagen - darauf ist bereits hingewiesen worden blickt die Welt auf den schrecklichen Völkermord in
Ruanda vor genau 20 Jahren zurück. Auch hier im Hause
haben wir Ende vergangener Woche dazu eine intensive,
nachdenkliche und - das möchte ich hinzufügen - in Ansätzen durchaus selbstkritische Debatte geführt; Staatsminister Roth hat bereits darauf hingewiesen.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat
auch von einer sich für uns aus Ruanda ergebenden Verpflichtung gesprochen - Herr Präsident, ich darf zitieren -:
Wir schulden ihnen
- also den Menschen Ruandas -,
dass wir uns nicht dem Gefühl der Ohnmacht und
schon gar nicht der Gleichgültigkeit hingeben, dass
wir nicht nur anprangern, sondern das uns Mögliche tun, das in unserer Macht steht, um Völkermord
zu verhindern. Das ist unsere Verpflichtung, und
dieser Verpflichtung müssen wir gerecht werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat am Wochenende in Bangui, der
Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik, seiner
Befürchtung Ausdruck verliehen, dass in dem Land ein
Völkermord unmittelbar bevorsteht.
Einige Fakten untermauern diese Einschätzung. Die
Sicherheitslage und natürlich auch die humanitäre Situation im Land sind dramatisch. Die Menschen durchleben
für uns unvorstellbare Situationen. Massaker und brutale
Vertreibungen bestimmen die aktuelle Lage. Die Vereinten Nationen gehen mittlerweile von mehreren Tausend
Toten beider Konfessionen seit Beginn der Krise aus.
Ein Viertel der knapp 5 Millionen Einwohner befindet
sich auf der Flucht. 2,5 Millionen Menschen sind ganz
dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen. 1,5 Millionen Menschen hungern jeden Tag. Für Experten von
Amnesty International hat die Gesamtsituation längst
den Charakter einer „ethnischen Säuberung“ angenommen, wie es in einem Bericht heißt.
Hinzu kommt - ich denke, das darf nicht unterschätzt
werden - die prekäre Sicherheitslage, die den Zugang
für humanitäre Hilfe unendlich erschwert und teilweise
sogar unmöglich macht. Ich denke, auch das muss jeder
im Hinterkopf haben, der ausschließlich humanitäre
Hilfe fordert. Sie muss erst ankommen können, liebe
Kolleginnen und Kollegen.
({0})
Unter den geschilderten Bedingungen steht die sich
seit Januar im Amt befindliche Übergangsregierung vor
der Herkulesaufgabe, einen Neubau dieses Landes zu organisieren. Angesichts der auch schon von den Vorrednern und Vorrednerinnen geschilderten Lage darf sich
aus unserer Sicht die internationale Gemeinschaft der
Unterstützung nicht verweigern. UN-Generalsekretär
Ban Ki-moon fordert deshalb eine 12 000 Mann starke
UN-Friedenstruppe, die ihre Arbeit bis Ende des Jahres
aufnehmen soll. Wir erwarten einen entsprechenden Beschluss des UN-Sicherheitsrates in diesen Tagen. Für
eine wirkungsvolle internationale Unterstützung ist es
nach unserer Einschätzung allerdings notwendig, dass
eine UN-Mission in dieser Größenordnung ihre Arbeit in
der Zentralafrikanischen Republik zeitnah aufnehmen
kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Kontext
diskutieren wir heute den deutschen Beitrag zur UNFriedensmission. Diese Überbrückungsmission hat vorrangig zum Ziel, gemeinsam mit der Afrikanischen
Union und den Vereinten Nationen die Rückkehr des
Landes zu einer verfassungsmäßigen Ordnung zu unterstützen - im Übrigen auch als Voraussetzung für die für
2015 geplanten Wahlen - sowie die von den bewaffneten
Truppen ausgehende Bedrohung für die Bevölkerung
einzudämmen. Damit wäre dann auch gewährleistet, den
dringend erforderlichen Zugang für die humanitären
Maßnahmen zu ermöglichen.
Das geplante Einsatzgebiet liegt in der Region Bangui. Von deutscher Seite - wir haben es gehört - können
bis zu 80 Soldatinnen und Soldaten in der Mission eingesetzt werden. Sie sollen in Planung und Führung der
Mission tätig werden und - auch das wurde bereits erwähnt - die strategischen luftgestützten Verwundetentransporte übernehmen.
Nach heutigem Stand sollen innerhalb von sechs Monaten nach Erreichen der vollen Einsatzbereitschaft die
Voraussetzungen für die dann geplante UN-Friedensmission geschaffen sein, und entsprechend ist das Mandat
bis Ende Februar 2015 befristet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch der Kollege
Lindner hat darauf hingewiesen: Niemand macht sich
solch eine Entscheidung leicht. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass in den Fraktionen sicherlich unterschiedliche, aber bestimmt intensive Diskussionen
stattfinden.
Wir halten die Beteiligung Deutschlands an der Mission für sinnvoll und werden diesem Mandat zustimmen,
auch um dazu beizutragen, ein Massaker wie vor 20 Jahren in Ruanda zu verhindern. Die Lehren aus Ruanda
sollten uns Leitlinien für unser heutiges Handeln aufzeigen. Eine davon muss sein, nicht nur mit Betroffenheit
zurückzublicken, sondern auch mit der gebotenen Verantwortung nach vorne zu schauen, in diesem Fall auf
die Zentralafrikanische Republik, die Zukunft des Landes und die Menschen.
Vielen Dank.
({1})
Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Florian Hahn,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte an die Debatte anknüpfen, die wir
am letzten Freitag zum 20. Jahrestag des Völkermords in
Ruanda geführt haben. Diese Debatte war angemessen,
differenziert und hat uns, glaube ich, alle zum Nachdenken angeregt. Zum einen war sie wichtig, um der Hundertausenden Opfer zu gedenken, die unter den Augen
der Weltgemeinschaft massakriert wurden. Zum anderen
war sie wichtig, weil wir uns dabei immer wieder die
Frage stellen mussten: Wie konnte das passieren? Warum
haben wir keine Maßnahmen - welche auch immer - ergriffen, um diese Katastrophe zu verhindern bzw. zu
stoppen und zu helfen? Dabei waren alle Debattenbeiträge - das möchte ich ausdrücklich sagen - sehr wertvoll, auch die Beiträge der Linken. Allerdings ließ
beispielsweise der Kollege Liebich in seinem Beitrag am
letzten Freitag - wahrscheinlich mit Blick auf die Debatte, die wir heute führen - ein Hintertürchen offen, als
er sagte:
Bitte legitimieren Sie keine neuen Militäreinsätze
in Situationen, die mit Ruandas Völkermord mit
Hundertausenden Toten nicht zu vergleichen sind!
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, ich
glaube schon, dass sich hier einiges vergleichen lässt.
Natürlich lässt sich nichts hundertprozentig miteinander
vergleichen, weil sich nichts hundertprozentig wiederholt. Aber wir müssen aus der Vergangenheit und der
Geschichte lernen, um in der Gegenwart die richtigen
Entscheidungen zu treffen und richtig zu handeln.
({1})
Ich glaube, die Lage in der Zentralafrikanischen Republik ist gerade unter humanitären Aspekten desaströs:
Tausende Tote, Hundertausende auf der Flucht, allein in
Bangui 200 000 Flüchtlinge, Terror und Chaos durch
marodierende Banden. Es fehlt an staatlichen Strukturen.
Religiöse Unterschiede werden als Vorwand für Mord
und Totschlag verwendet. So ist die Lage. Ban Ki-moon
hat vor wenigen Tagen dazu gesagt: Die staatliche Sicherheit wurde durch einen Zustand der Anarchie ersetzt. Die internationale Gemeinschaft hat die Menschen
in Ruanda vor 20 Jahren im Stich gelassen. Heute riskieren wir, nicht genug für die Menschen in der Zentralafrikanischen Republik zu tun.
Wir stehen also wieder vor der Frage: Handeln oder
nicht handeln? Wenn die Staatengemeinschaft nicht handelt, laufen wir Gefahr, dass wir uns später die Antwort
auf die Frage „Wo wart ihr?“ wieder überlegen müssen.
Deshalb ist es richtig, dass in der Zentralafrikanischen
Republik international gehandelt wird. Da der Einsatz
der französischen Soldaten im Rahmen von Sangaris und
Afrikanischer Union sowie MISCA zwar wertvoll, aber
noch nicht ausreichend ist, wird es eine kompaktere VNFriedensmission im Herbst geben. Um diese vorzubereiten, wollen wir heute die EU-Mission EUFOR RCA auf
den Weg bringen. Wir sollten uns als großer europäischer Player daran beteiligen. Auch wenn wir damit
keine originären nationalen Interessen verfolgen, wollen
und dürfen wir uns angesichts der dramatischen Lage in
diesem Land nicht verweigern. Es ist daher angemessen,
dass wir keine Kampftruppen zur Verfügung stellen,
wohl aber Fähigkeiten, die kaum ein anderer hat und
ohne die eine solche Mission wahrscheinlich scheitern
würde. Damit zeigt sich Deutschland auch bei dieser
Mission mit den europäischen und afrikanischen Partnern solidarisch.
Auch wenn es beim heutigen Mandat im Wesentlichen um Sicherheitsaspekte geht, sollten wir nicht vergessen, dass in der Zentralafrikanischen Republik - ganz
im Sinne eines vernetzten Ansatzes - viel mehr Hilfe
und Unterstützung zur Verbesserung der Lage vonnöten
sein werden. So braucht es den Aufbau von medizinischer Versorgung, von Infrastruktur im Allgemeinen, einer Wasserversorgung, von staatlichen Strukturen etc.
Ich bin daher dankbar, dass Deutschland auch hier
Verantwortung zeigt. Entwicklungshilfeminister Müller
hat erst kürzlich bei seinem Besuch vor Ort zusätzlich
10 Millionen Euro vor allem für den Ausbau der medizinischen Versorgung zugesagt. Damit dieser zivile
Aufbau möglich ist, brauchen wir eine erfolgreiche europäische Aufbaumission und eine Friedensmission der
Vereinten Nationen.
Herzlichen Dank.
({2})
Als letzter Rednerin in dieser Debatte erteile ich das
Wort der Kollegin Elisabeth Motschmann, CDU/CSUFraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es
ist von allen Seiten darauf hingewiesen worden: Die
Sicherheitslage und die humanitäre Lage in der Zentralafrikanischen Republik haben sich seit dem Putsch gegen die Rebellenkoalition im letzten Jahr drastisch verschlechtert. Die Sicherheitslage und die humanitäre
Lage gehören untrennbar zusammen. Sie sind zwei Seiten einer Medaille. Wer, wie die Linken, diesen Zusammenhang nicht sieht oder nicht sehen will, handelt unverantwortlich, Herr Movassat.
Es geht nicht, dass Sie hier sagen, dass wir Beihilfe
zum Krieg leisten. Wo sind wir denn? Wir organisieren
Verwundetentransporte.
({0})
Ich kann nur sagen: Gehen Sie in sich! Ich hoffe, dass
Sie irgendwann zu der Erkenntnis kommen, dass Sie hier
komplett falsch gelegen haben.
({1})
2,8 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe.
Das sind 54 Prozent der Gesamtbevölkerung oder die
Einwohnerzahl von Schleswig-Holstein. 1,3 Millionen
bis 1,6 Millionen Menschen - da gibt es unterschiedliche
Zahlen - sind akut auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen.
Das sind 28 Prozent der Gesamtbevölkerung. Das entspricht der Bevölkerungszahl einer Großstadt in unserem
Land. 625 000 Menschen sind im Land auf der Flucht.
Das sind 15 Prozent der Gesamtbevölkerung. Das entspricht der Zahl der Bevölkerung des Bundeslandes, aus
dem ich komme, Bremen-Bremerhaven.
Das sind Zahlen, aber was bedeuten sie eigentlich?
Christliche und muslimische Milizen - darauf wurde
hingewiesen - ziehen abwechselnd durch das Land. Sie
morden nicht nur die direkten Gegner, sondern greifen
fast wahllos die Zivilbevölkerung an. Mord, Plünderung,
Sterben, Tod, auch von Kindern, Hunger, Mangelernährung, Vergewaltigungen, Kinder ohne Schulunterricht all das gehört zum Alltag in diesem Land. Unsere Ministerin hat gesagt: Es versinkt im Chaos.
Als ich journalistisch tätig war, bin ich in vielen
Elendsgebieten auf verschiedenen Kontinenten gewesen,
auch in Afrika. Ich kann Ihnen sagen: Die Bilder, das,
was man da sieht, vergisst man nie im Leben. Dieses
Elend, dieser Schrecken - ich wünsche Ihnen, Herr
Movassat, nicht, dass Sie das sehen oder erleben müssen; aber ich wünsche Ihnen schon mehr Nachdenklichkeit in Bezug auf das, was Sie hier gesagt haben, nämlich dass Sie nicht helfen wollen. Das kann ganz
bestimmt nicht unser Auftrag sein.
({2})
Frau Kollegin, lassen Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Movassat zu?
Am Ende. Dann gerne.
({0})
- Nein, ich scheue keine Diskussionen.
Ich habe auf der Reise mit Bundesaußenminister
Frank-Walter Steinmeier vor zwei Wochen drei afrikanische Länder besucht, in denen man sehen konnte, welche
Potenziale Afrika hat, wie es gehen kann, wenn Sicherheit herrscht, wenn nicht jeden Tag der Kampf ums
Überleben stattfindet. Wir müssen sehen, dass das ein
Kontinent ist, der sich entwickeln kann und der vorwärtskommen kann, wenn Stabilität herrscht.
({1})
Immer ist es natürlich auch der Bildungsstand in einem Land, der Auskunft darüber gibt, wie sich ein Land
entwickelt. Die Alphabetisierungsrate bei den Männern
in Zentralafrika liegt unter 70 Prozent, die der Frauen
noch unter 45 Prozent.
Ohne Bildung fehlt natürlich die Kraft zur Abwehr
von Gewalt und Hass. Insofern ist Bildung immer auch
eine wesentliche Grundlage dafür, dass Stabilität
herrscht. Deshalb müssen wir hier helfen und unterstützen; mehr ist es ja nicht. 80 Soldaten sind dort im Rahmen eines begrenzten Auftrages und eines begrenzten
Zeitraumes im Einsatz. Es ist gut, dass dieser Einsatz im
Schulterschluss mit der Europäischen Union, den Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union geschehen
soll. Man agiert also nicht isoliert, sondern in diesem
Zusammenschluss.
Es geht darum, die Stabilität des Landes, die Stabilität
der Regierung, die Stabilität der gesamten staatlichen
Autorität herzustellen. Das ist die Grundvoraussetzung
dafür, dass überhaupt Entwicklungshilfe stattfinden und
greifen kann. Der Einsatz der Bundeswehr ist eine Übergangsmission und keine Langzeitmission. Es ist gut,
dass wir diesen Auftrag ausführen, damit im Anschluss
eine Friedensmission stattfinden kann.
Ich bin eindeutig der Meinung, dass - wie die Bundesregierung es klar dargestellt hat - eine dauerhafte Lösung des Konflikts nur durch einen politischen Prozess
zustande kommen kann. Militärische Unterstützung ersetzt niemals politische Prozesse. Wenn wir dem Antrag
am kommenden Donnerstag zustimmen, dann entsenden
wir Soldatinnen und Soldaten wieder in eine Krisenregion. Dies tun wir aber nur, um Stabilität und humanitäre
Hilfe möglich zu machen. Ich hoffe und wünsche den
Soldatinnen und Soldaten eine erfolgreiche Mission und
eine gute und sichere Heimkehr.
({2})
Vielen Dank.
({3})
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem
Kollegen Niema Movassat, Fraktion Die Linke.
Danke, Herr Präsident. - Ich möchte, liebe Frau Kollegin Motschmann, zwei Punkte richtigstellen. Ich finde,
man kann unterschiedlicher Auffassung sein; aber man
sollte zumindest in der Wiedergabe dessen, was gesagt
wurde, bei den Tatsachen bleiben.
({0})
Erste Richtigstellung, und zwar zur Frage der Hilfe.
Sie haben gesagt: Die Linke will nicht helfen. - Ich habe
hier deutlich gemacht, dass die Linke dafür ist, humanitäre Hilfe zu leisten und auszuweiten.
({1})
Ich habe Ihnen auch deutlich gemacht, dass es verschiedene Nichtregierungsorganisationen gibt, die derzeit in
der Zentralafrikanischen Republik ohne militärische Begleitung aktiv sind, unter anderem Ärzte ohne Grenzen.
({2})
Zweite Richtigstellung. Sie haben kritisiert, dass ich
den Einsatz als Beihilfe zum Krieg bezeichnet habe.
({3})
Ich möchte gerne aus dem Mandatstext vorlesen. Da
steht:
EUFOR RCA ist nach Maßgabe der Resolution
2134 ({4}) ermächtigt, alle erforderlichen Maßnahmen einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt zur Erfüllung dieses Mandats zu ergreifen.
Ich habe hier deutlich gesagt, dass Deutschland durch
seinen Einsatz an dieser militärischen Gewaltanwendung
nicht unmittelbar beteiligt ist, dass die deutschen Soldaten aber natürlich einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass diese Mission stattfinden kann und dass die anderen Mitgliedstaaten der EU, die mit ihrer Infanterie
auf dem Feld militärische Gewalt ausüben werden, Unterstützung in ihrem Einsatz erhalten. Insofern trifft die
Formulierung „Beihilfe zum Krieg“ durchaus zu.
Danke.
({5})
Frau Kollegin Motschmann, wollen Sie erwidern? Sie
dürfen, Sie müssen aber nicht. - Bitte schön.
Herr Movassat, ich bin dankbar, dass Sie noch einmal
klar und deutlich formuliert haben: Es ist „Beihilfe zum
Krieg“. Genau das ist es eben nicht, und genau das habe
ich kritisiert. Genau das ist unverantwortlich: dass Sie
das so bezeichnen.
Vielmehr geht es darum - das kann man Ihnen nur
immer wieder sagen -, Menschen zu helfen und das
Elend in diesem Land dadurch zu lindern, dass man
Hilfe überhaupt möglich macht. Das lehnen Sie ab. Sie
sagen zwar, auch Sie wollen humanitäre Hilfe, aber in
Wahrheit verhindern Sie humanitäre Hilfe; denn wenn es
keine Sicherheit gibt, gibt es auch keine humanitäre
Hilfe. Den Zusammenhang müssen Sie kapieren.
({0})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/1081 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir sind am Schluss der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 9. April 2014,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.