Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie alle herzlich und möchte vor Eintritt in die
Tagesordnung der Kollegin Marieluise Beck nachträglich zu ihrem 65 . Geburtstag gratulieren . Herzlichen
Glückwunsch und alle guten Wünsche
({0})
für ein unter mancherlei Gesichtspunkten ganz neues Lebensjahr .
Für den ausgeschiedenen Kollegen Ingbert Liebing ist
die Kollegin Marion Marga Herdan als Mitglied des
Deutschen Bundestages nachgerückt, die ich im Namen
des ganzen Hauses herzlich begrüßen möchte . Herzlich
willkommen
({1})
und, soweit sich dazu noch Gelegenheiten ergeben, gute
Zusammenarbeit .
({2})
Es gibt eine interfraktionelle Vereinbarung, die Tagesordnung um die in der Zusatzpunkteliste aufgeführten
Punkte zu erweitern - das wird Sie völlig überraschen -:
ZP 1 Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung zum Stand
der Bemühungen um Rüstungskontrolle,
Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über
die Entwicklung der Streitkräftepotenziale
({3})
Drucksache 18/11968
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({4})
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
ZP 2 Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung zum Stand
der Bemühungen um Rüstungskontrolle,
Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über
die Entwicklung der Streitkräftepotenziale
({5})
Drucksache 18/8065
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({6})
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
ZP 3 Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung zum Stand
der Bemühungen um Rüstungskontrolle,
Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über
die Entwicklung der Streitkräftepotenziale
({7})
Drucksache 18/4270
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({8})
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
ZP 4 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Parlamentarische Kontrolle in Zeiten der
Großen Koalition
ZP 5 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache
({9})
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung
Drucksache 18/11499
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit ({10})
Drucksache 18/12994
b) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD
Schädliche Umweltwirkungen von Geisternet-
zen und Dolly Ropes verhindern
Drucksache 18/12944
c) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD
Bundesfreiwilligendienst inklusiv ausgestalten
und notwendige Assistenz ermöglichen
Drucksache 18/12945
d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe ({11}) zu der Unter-
richtung durch die Nationale Stelle zur Verhü-
tung von Folter
Jahresbericht 2016 der Bundesstelle und der
Länderkommission
Drucksachen 18/12444, 18/12641 Nr. 1.2,
18/13007
e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit ({12}) zu
der Verordnung der Bundesregierung
Verordnung zur Neuordnung der Klär-
schlammverwertung
Drucksachen 18/12495, 18/12641 Nr. 2,
18/13003
f) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie ({13}) zu der Verordnung der Bun-
desregierung
Verordnung zu Ausschreibungen für
KWK-Anlagen und innovative KWK-Syste-
me, zu den gemeinsamen Ausschreibungen
für Windenergieanlagen an Land und Solar-
anlagen sowie zur Änderung weiterer Verord-
nungen
Drucksachen 18/12375, 18/12443 Nr. 2.4,
18/12987
g) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union ({14}) zu dem
Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan
van Aken, Matthias W . Birkwald, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion DIE LINKE
Neustart für eine friedliche und gerechte Eu-
ropäische Union
Drucksachen 18/11723, 18/12919
h) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union ({15}) zu dem
Antrag der Abgeordneten Andrej Hunko, Azize
Tank, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE
Neustart der Europäischen Union auf der
Grundlage Sozialer Menschenrechte
Drucksachen 18/12089, 18/12918
i) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung ({16})
zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Walter-
Rosenheimer, Kai Gehring, Özcan Mutlu, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN
Wege in die Zukunft - Berufsausbildung jetzt
modernisieren
Drucksachen 18/12361, 18/12931
j) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({17})
Sammelübersicht 454 zu Petitionen
Drucksache 18/12955
k) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({18})
Sammelübersicht 455 zu Petitionen
Drucksache 18/12956
l) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({19})
Sammelübersicht 456 zu Petitionen
Drucksache 18/12957
m) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({20})
Sammelübersicht 457 zu Petitionen
Drucksache 18/12958
n) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({21})
Sammelübersicht 458 zu Petitionen
Drucksache 18/12959
o) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({22})
Sammelübersicht 459 zu Petitionen
Drucksache 18/12960
p) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({23})
Sammelübersicht 460 zu Petitionen
Drucksache 18/12961
q) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({24})
Sammelübersicht 461 zu Petitionen
Drucksache 18/12962
Präsident Dr. Norbert Lammert
ZP 6 a) Wahlvorschlag der Fraktionen DIE LINKE
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Wahl der vom Deutschen Bundestag zu
benennenden Mitglieder des Gemeinsamen
parlamentarischen Kontrollausschusses
von Europol
Drucksache 18/13026
b) Wahlvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD
Wahl der vom Deutschen Bundestag zu
benennenden Mitglieder des Gemeinsamen
parlamentarischen Kontrollausschusses
von Europol
Drucksache 18/13025
ZP 7 Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Wahl der vom Deutschen Bundestag zu
benennenden Mitglieder des Wissenschaftlichen Beratungsgremiums gemäß § 39a
des Stasi-Unterlagen-Gesetzes
Drucksache 18/13002
ZP 8 Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und
Energie ({25}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dieter Janecek, Kerstin Andreae,
Dr . Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Share Economy - Ökologische Chancen
nutzen und Teilen statt Besitzen unterstützen
Drucksachen 18/11411, 18/12870
ZP 9 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von
Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter
an der Berufsausübung schweigepflichtiger
Personen
Drucksache 18/11936
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz
({26})
Drucksache 18/12940
ZP 10 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Durchführung der Verordnung ({27}) Nr. 1143/2014 über die Prävention und das Management der Einbringung
und Ausbreitung invasiver gebietsfremder
Arten
Drucksache 18/11942
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit ({28})
Drucksache 18/12976
ZP 11*- Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Einführung des Rechts auf Eheschließung
für Personen gleichen Geschlechts
Drucksache 18/6665
- Zweite und dritte Beratung des von den
Abgeordneten Diana Golze, Agnes Alpers,
Nicole Gohlke, weiteren Abgeordneten und
der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des
Rechts auf Eheschließung für Personen
gleichen Geschlechts
Drucksache 18/8
- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Volker Beck ({29}), Ulle Schauws,
Katja Keul, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Abschaffung des Eheverbots für gleichgeschlechtliche Paare
Drucksache 18/5098
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz ({30})
Drucksache 18/12989
* Es besteht kein Einvernehmen aller Fraktionen
über die Aufsetzung dieses Zusatzpunktes .
ZP 12 a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung
der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken ({31})
Drucksache 18/12356
- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken
({32})
Drucksache 18/12727
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz
({33})
Drucksache 18/13013
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz ({34}) zu dem Antrag der
Abgeordneten Dr . Konstantin von Notz, Renate
Künast, Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Transparenz und Recht im Netz - Maßnah-
men gegen Hasskommentare, „Fake News“
und Missbrauch von „Social Bots“
Drucksachen 18/11856, 18/13013
Präsident Dr. Norbert Lammert
ZP 13 a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der
Wissensgesellschaft ({35})
Drucksachen 18/12329, 18/12378
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz
({36})
Drucksache 18/13014
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz ({37}) zu dem Antrag
der Abgeordneten Sigrid Hupach, Dr . Petra
Sitte, Halina Wawzyniak, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Verleihbarkeit digitaler Medien entsprechend analoger Werke in Öffentlichen Bibliotheken sicherstellen
Drucksachen 18/5405, 18/13014
ZP 14 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur ({38})
Drucksache 18/11528
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie ({39})
Drucksache 18/12999
ZP 15 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes
Drucksachen 18/12202, 18/12496
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie ({40})
Drucksache 18/13010
Ich will jetzt gar nicht alle Änderungen der Reihe nach
vortragen .
({41})
- Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Fraktion
möchte sich gerne auf den Stand der Dinge bringen lassen . Dem will ich gerne folgen .
({42})
Es gibt mehrere Beschlussempfehlungen im Zu-
sammenhang mit der Abrüstungspolitik und eine Be-
schlussempfehlung zum Thema „Unternehmen aus
bürgerschaftlichem Engagement“ . Es gibt fünf Be-
schlussempfehlungen zu Gesetzentwürfen: zur Einfüh-
rung des Rechts auf Eheschließung für Personen glei-
chen Geschlechts*1), zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz,
zum Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz, zum
Netzentgeltmodernisierungsgesetz und zu Änderungen
des Telemediengesetzes . Dann gibt es noch jeweils ohne
Debatte eine Reihe von Anträgen und Beschlussempfehlungen zu Gesetzen; die entsprechenden Unterlagen
liegen wie immer draußen an den Tischen im Foyer aus .
Der Tagesordnungspunkt 21 a - hier geht es um den
Gesetzentwurf zum Wahlrecht für Menschen mit Behinderung - soll abgesetzt und stattdessen der Tagesordnungspunkt 36 ddd - Gesetzentwurf zur Änderung
des Aufenthaltsgesetzes - mit einer Debattenzeit von
25 Minuten abschließend beraten werden . Der Tagesordnungspunkt 21 b soll zusammen mit dem Tagesordnungspunkt 35 - das sind die Überweisungen ohne Debatte - aufgerufen werden .
Des Weiteren sollen die Tagesordnungspunkte 36 ee Entschließungsantrag zum Jahresbericht 2016 des Wehrbeauftragten -, 36 qq - Änderungsgesetz zur Zahlbarmachung von Ghettorenten -, 36 zz - Familiennachzug
zu anerkannten Flüchtlingen -, 36 ccc - Gentechnikgesetz - sowie 36 kkk und 36 mmm - Verwendung von
Glyphosat - und 36 nnn - Gentechnikfreiheit - abgesetzt
werden . Sie sehen alleine an den Abkürzungen, dass wir
uns mit großen Schritten dem Finale einer bemerkenswerten Legislaturperiode nähern und noch einmal eine
abschließende Priorisierung der verabschiedungsreifen
und noch nicht ganz so weit gediehenen Gesetzentwürfe
und Anträge vorgenommen haben .
Darüber hinaus kommt es zu den in der Zusatzpunkteliste dargestellten weiteren Änderungen des Ablaufs .
Ich frage Sie, ob Sie mit all diesen Vereinbarungen
so einverstanden sind? - Das ist offensichtlich der Fall.
Dann können wir so verfahren .
Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:
Abgabe einer Regierungserklärung durch die
Bundeskanzlerin
zum Europäischen Rat am 22. und 23. Juni
2017 in Brüssel und zum G-20-Gipfel am
7. und 8. Juli 2017 in Hamburg
Hierzu liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor .
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung 96 Minuten vorgesehen. - Auch das findet offenkundig allgemeine Zustimmung . Dann verfahren wir so .
Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat
die Bundeskanzlerin Frau Merkel .
({43})
*) Es besteht kein Einvernehmen aller Fraktionen über die Aufsetzung dieses Zusatzpunktes .
Präsident Dr. Norbert Lammert
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Der Europäische Rat hat in
der vergangenen Woche in Brüssel ein Signal der Tatkraft
und der Zuversicht abgegeben . Wir haben bei diesem Rat
alle spüren können, dass Europa bei den wichtigen Fragen unserer Zeit vorankommt und wieder optimistischer
in die Zukunft schaut . Das ist auch der intensiven Abstimmung zwischen Deutschland und Frankreich zu verdanken, aber auch dem Geist der Zusammenarbeit und
des Zusammenhalts, der bei allen Beteiligten zu spüren
war .
Wir haben uns beim letzten Europäischen Rat mit einer ganzen Reihe wichtiger Themen beschäftigt, die alle
eines gemeinsam haben: Sie sind alle mitentscheidend
für die Frage, welche Rolle Europa zukünftig in der Welt
spielen wird . Der Kampf gegen den Klimawandel, die
Bedrohung durch den internationalen Terrorismus, die
Chancen von Globalisierung und Digitalisierung, die
Ursachen von Flucht und Migration - keine dieser Herausforderungen macht heutzutage vor irgendwelchen
Ländergrenzen halt .
Deshalb gilt heute mehr als je zuvor: Wer glaubt, die
Probleme dieser Welt mit Isolationismus und Protektionismus lösen zu können, der unterliegt einem gewaltigen
Irrtum .
({0})
Nur gemeinsam wird es uns gelingen, die richtigen Antworten auf die zentralen Fragen unserer Zeit zu finden.
Das gilt für die G 20 genauso wie für die Europäische
Union . Deshalb war es sehr wichtig, dass sich der Europäische Rat in der vergangenen Woche nicht nur mit dem
erforderlichen Ehrgeiz, sondern auch mit der gebotenen
Ruhe und Konzentration den bevorstehenden Aufgaben
gewidmet hat .
Spätestens seit dem Referendum in Großbritannien
zum Austritt des Landes aus der Europäischen Union vor
einem Jahr spürt man einen neuen Geist des Zusammenhalts der zukünftig 27 Mitgliedstaaten der Europäischen
Union . Nach den oft schwierigen und manchmal auch
dramatischen Situationen, die wir in Europa in den vergangenen Jahren erlebt haben, ist dies für mich ein klarer
Ausdruck der Tatkraft unserer Union . Europa hat in der
Vergangenheit bewiesen, dass es immer wieder gemeinsame überzeugende Lösungen finden kann, und seien die
Verhandlungen noch so zäh und noch so mühsam .
Heute können wir feststellen, dass es Europa wirtschaftlich wieder deutlich besser geht . Das haben sowohl
Herr Draghi von der Europäischen Zentralbank als auch
Jean-Claude Juncker so eingeschätzt . Dieses Jahr können
alle 28 Mitgliedstaaten wieder mit positivem Wachstum
rechnen . Die Arbeitslosenquote ist in der Europäischen
Union so niedrig wie seit acht Jahren nicht mehr . Nach
Angaben der Europäischen Kommission wurden seit
2013 europaweit 10 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen. Die Beschäftigungsquote ist auf dem höchsten
Stand aller Zeiten angelangt . Das sind Erfolge, die Europa noch vor wenigen Jahren kaum jemand zugetraut
hätte . Das sind Erfolge, die darauf gründen, dass Europa
immer dann, wenn es tatsächlich darauf ankommt, in der
Lage ist, gemeinsam zu handeln .
Es ist genau diese Fähigkeit zu gemeinsamen Lösungen, zu Kompromissen, bei denen die Vorteile die Nachteile überwiegen, die Europa ausmacht . Diese Fähigkeit
zeigt, dass es um den Zusammenhalt der Europäischen
Union deutlich besser bestellt ist, als es manche hitzige
Debatte vermuten lässt .
Im März haben wir dieses Gemeinschaftsgefühl bei
den Feierlichkeiten zum 60 . Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge deutlich erfahren können .
Genauso ist es mit den gerade begonnenen Verhandlungen zum Austritt Großbritanniens aus der Europäischen
Union . Auf diese Verhandlungen sind wir, die zukünftig
27 Mitgliedstaaten, und die europäischen Institutionen
hervorragend vorbereitet . Wir stehen eng zusammen .
Doch so intensiv wir die Verhandlungen mit Großbritannien auch führen werden, so sehr sind wir gemeinsam
auch davon überzeugt, dass für uns Vorrang hat, die eigene Zukunft in der Europäischen Union zu gestalten Brexit hin oder her .
({1})
Gerade wir in Deutschland haben im Übrigen ein ureigenes Interesse daran, dass Europa auch in Zukunft zusammenhält . Wir wissen, dass es auch Deutschland auf
Dauer nur dann gut geht, wenn es auch Europa gut geht .
Parallel zu den Austrittsverhandlungen mit Großbritannien müssen und werden wir nach vorne blicken
und gemeinsam intensiv daran arbeiten, die Europäische
Union weiter zu verbessern . Deshalb haben wir uns beim
Europäischen Rat für eine Vertiefung des Binnenmarktes
ausgesprochen, und zwar insbesondere in dem wichtigen
Bereich der Digitalisierung . Das umfasst auch die hohe
Bedeutung, die wir anspruchsvollen Freihandelsabkommen beimessen; denn der Welthandel ist für den Wohlstand in Europa von überragender Bedeutung . Mit den
Freihandelsabkommen kann es gleichzeitig gelingen,
uns auch künftig besser vor unfairen Handelspraktiken
zu schützen .
({2})
Entscheidend für den Erfolg Europas ist und bleibt
die deutsch-französische Zusammenarbeit . Wie gut die
Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich,
aber auch mit anderen europäischen Partnern funktioniert, das hat sich beim zurückliegenden Europäischen
Rat auch gezeigt . Alle zukünftigen 27 Mitgliedstaaten
der Europäischen Union haben sich beispielsweise nach
intensiver gemeinsamer Vorbereitung mit Frankreich unmissverständlich zum Pariser Klimaschutzabkommen
bekannt .
Die Europäische Union steht uneingeschränkt zu ihrer Zusage von Paris und wird das Abkommen zügig und
entschlossen umsetzen . Mehr noch: Seit der Entscheidung der Vereinigten Staaten von Amerika, das Klimaabkommen von Paris zu verlassen, sind wir entschlossener
denn je, es zum Erfolg zu führen . Es steht außer Zweifel:
Wir alle, auch Deutschland, haben dazu selbstverständlich unsere Hausaufgaben zu machen . Und da gibt es
auch bei uns noch einiges zu tun . Das weiß ich sehr wohl .
Das Entscheidende aber ist doch, dass wir unsere Ziele
erreichen wollen, weil wir wissen, dass wir sie erreichen
müssen, weil wir davon überzeugt sind, dass der Klimawandel eine der größten Menschheitsherausforderungen
ist, eine für uns alle auf der Welt existenzielle Herausforderung .
({3})
Wir wollen und müssen diese existenzielle Herausforderung bewältigen . Und wir können und werden nicht darauf warten, bis auch der Letzte auf der Welt von den
wissenschaftlichen Erkenntnissen in Bezug auf den Klimawandel überzeugt werden konnte . In einem Wort: Das
Pariser Abkommen ist unumkehrbar, und es ist nicht verhandelbar .
({4})
Wir wollen und wir werden gemeinsam unsere Erde
schützen und damit zugleich die wirtschaftlichen Chancen für Wohlstand und nachhaltiges Wachstum erkennen
und nutzen, die sich aus der Umsetzung dieses Abkommens ergeben . Wir werden als Europäische Union unserer Verantwortung dabei gerecht werden, vorneweg die
besonders betroffenen ärmsten und verletzlichsten Länder bei der Anpassung an den Klimawandel und beim
Klimaschutz zu unterstützen .
Meine Damen und Herren, beim Europäischen Rat
haben wir darüber hinaus auch vereinbart, dass Europa
bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus und
in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik mehr Verantwortung übernehmen und noch enger
zusammenarbeiten muss . Auch hier arbeiten Deutschland und Frankreich sehr eng zusammen . Eine stärkere
europäische Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik
geschieht ausdrücklich - und zwar im besten eigenen
europäischen Interesse - nicht in Konkurrenz, sondern
in Ergänzung zur NATO . Unser europäischer sicherheitspolitischer Ansatz geht weit über den rein militärischen
der NATO hinaus . Er umfasst, dass immer auch ziviles
und entwicklungspolitisches Engagement nötig ist, um
Krisen zu bewältigen, Konflikte zu befrieden und Fluchtursachen zu bekämpfen .
Deshalb ist es von großer Bedeutung, dass wir beim
letzten Europäischen Rat auch den gegenwärtigen Stand
unserer Migrations- und Flüchtlingspolitik beraten haben . Dieser Bereich gehört ohne jeden Zweifel zu denen,
in denen Europa weit, weit hinter seinen Möglichkeiten
bleibt . Es sind weitere gemeinsame Schritte sowohl innerhalb der Europäischen Union als auch bei der Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitstaaten nötig .
Darauf werde ich auch weiter drängen .
Meine Damen und Herren, der französische Präsident
Emmanuel Macron und ich haben darüber hinaus vereinbart, einen Fahrplan für die mittelfristige Perspektive
einer Vertiefung der Europäischen Union und insbesondere auch einer Vertiefung der Euro-Zone zu entwickeln .
Mir ist sehr wichtig, dass hierfür die Rahmenbedingungen stimmen . Das bedeutet: Risiken, Haftung und Entscheidungsmöglichkeiten sollten weiterhin in einer Hand
bleiben .
Natürlich wird es bei einer Vertiefung der Euro-Zone
viele Fragen geben, die sich nicht über Nacht klären lassen . Wichtig ist aber, dass wir gemeinsam mit Frankreich
daran arbeiten; denn wir sind uns beide im Klaren, dass
die Interessen Deutschlands und die Interessen Frankreichs auf das Engste miteinander verbunden sind, wenn
es um die Zukunft Europas geht .
Vorgelebt hat das im Übrigen der große Europäer
Helmut Kohl, ohne den das heutige Europa überhaupt
nicht vorstellbar wäre .
({5})
Helmut Kohl wusste, dass auch Deutschland nur dann
erfolgreich sein kann, wenn auch Europa erfolgreich ist .
Er wusste, dass ein erfolgreiches Europa auf ein starkes Frankreich und auf eine enge deutsch-französische
Zusammenarbeit angewiesen ist . Helmut Kohl war ein
Glücksfall für uns Deutsche, und er war ein Glücksfall
für Europa .
({6})
Helmut Kohl verstand, dass die Einheit Deutschlands
in Frieden und Freiheit untrennbar mit der Einheit Europas in Frieden und Freiheit verbunden war, und er hat
sich um beide Ziele wie kaum ein anderer verdient gemacht. Ich finde es deshalb eindrucksvoll und sehr berührend, dass übermorgen in Straßburg erstmals in der
europäischen Geschichte ein europäischer Trauerakt im
Gedenken an einen großen europäischen Staatsmann
stattfindet, an den Kanzler der Einheit und Ehrenbürger
Europas Helmut Kohl .
Ich meine, wir sollten versuchen, die Zukunft Europas mit demselben Mut und derselben Entschlossenheit
in Angriff zu nehmen, wie er dies einst getan hat. Das
verstehe ich als das Vermächtnis, das er uns und nachfolgenden Generationen hinterlässt . Dieses Vermächtnis ist
umso bedeutender, als wir heute in einer globalisierten
Welt leben, in der wir uns immer weniger darauf verlassen können, dass andere die Probleme für uns lösen .
Die Welt wartet nicht auf uns Europäer, und Europa
wird nicht umhinkommen, sein Schicksal stärker in die
eigene Hand zu nehmen und in Zukunft deutlich mehr
Verantwortung in der Welt zu übernehmen als in der
Vergangenheit . Wenn uns dies als Europäischer Union
gelingt, dann können wir umso glaubhafter und überzeugender darauf hinwirken, dass andere sich ebenfalls
engagieren .
Auch deshalb freue ich mich ganz besonders über die
große Unterstützung, die wir von unseren europäischen
Partnern für die Agenda des G-20-Gipfels erhalten haben .
Wir werden heute noch ein Treffen mit all den Teilnehmern an dem G-20-Gipfel aus der Europäischen Union
haben, um unsere Vorhaben noch einmal zu besprechen .
Meine Damen und Herren, ich freue mich, am 7 . und
8 . Juli 2017 erstmals die Staats- und Regierungschefs
der G 20 zu einem Gipfel in Hamburg zu empfangen .
Der G‑20‑Gipfel findet in diesem Jahr unter besonders
herausfordernden Bedingungen statt . Ich nenne nur die
größten Herausforderungen: Terrorismus, Klimawandel,
Protektionismus . All diese Themen stehen auf der Tagesordnung .
Die Welt ist in Unruhe, sie ist uneiniger geworden . Die
G 20 stehen für fast zwei Drittel der Weltbevölkerung, sie
erwirtschaften über vier Fünftel des weltweiten Bruttoinlandsproduktes, und sie wickeln drei Viertel des weltweiten Handels ab .
Ich habe mir für den Gipfel das Ziel gesetzt, dass von
ihm ein Signal der Entschlossenheit ausgeht, mit dem die
Staats- und Regierungschefs der G 20 zeigen, dass sie
ihre überaus große Verantwortung für die Welt verstanden haben und dass sie diese Verantwortung auch übernehmen .
Zum Gipfel werden neben den G-20-Staaten Spanien, Norwegen, die Niederlande und Singapur sowie die
Vertreter der Regionalorganisationen kommen, konkret:
Vietnam für die Asiatisch‑Pazifische Wirtschaftsgemeinschaft, Guinea für die Afrikanische Union und Senegal
für die Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung . Insgesamt wird somit ein wirklich großer Teil derer, die die
Weltbevölkerung repräsentieren, am Tisch sitzen . Ich
bin überzeugt: Wir brauchen die G 20 dringender denn
je, weil wir nur gemeinsam etwas bewegen können, und
zwar schneller und effektiver, als dies mit nationalen Alleingängen auch nur im Ansatz jemals möglich wäre .
Das Erlebnis gründet sich auf die erste Sitzung
der G 20 während der Finanz- und Wirtschaftskrise
2008/2009, als sich die G 20 zum ersten Mal auf der
Ebene der Staats‑ und Regierungschefs getroffen haben.
Wir haben damals unter Beweis gestellt: Gemeinsames
Handeln kann die schrecklichen Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise zumindest lindern .
Wir haben viele Gremien, in denen es um die richtigen Strategien geht . Das gilt nicht nur für die Europäische Union, sondern auch für die Vereinten Nationen;
Gremien wie die Welthandelsorganisation, die Weltgesundheitsorganisation, Weltbank, OECD, FSB, ILO oder
IWF . Alle diese Organisationen sind von übergroßer Bedeutung . Sie alle unterstützen uns in der G 20 .
Das macht den Kern des Treffens der G 20 aus: Nur
gemeinsam können wir etwas bewegen . Den Multilateralismus zu stärken, das ist der Gedanke, der sich daher wie
ein roter Faden durch die Gipfelerklärung zieht, an der
wir arbeiten . Genau dieser Gedanke liegt auch dem Motto unserer deutschen G-20-Präsidentschaft und des Gipfels zugrunde, nämlich: Eine vernetzte Welt gestalten .
Das bedeutet zweierlei: Erstens . Nachhaltiges Handeln ist vernetzt und deshalb nur miteinander möglich .
Zweitens . Wir halten unsere Zukunft selbst in unseren
Händen . Das heißt, wir gestalten unsere Werte und Interessen . Wir sollten und werden auch nicht getrieben sein,
solange wir die Themen gemeinsam angehen, die uns alle
betreffen. Also: In einer globalisierten Welt können wir
nur gemeinsam etwas erreichen . Kein Land kann die Herausforderungen unserer Zeit allein bewältigen .
Ich freue mich, dass die deutsche G-20-Präsidentschaft durchaus auf großes Interesse stößt . Das zeigt
sich an der Resonanz auf unseren breiten Dialog mit der
Zivilgesellschaft . Ich war erst letzte Woche in Hamburg
zu Gast bei Nichtregierungsorganisationen und habe mit
ihnen die Themen Klima, Entwicklung, Nachhaltigkeit
und Gesundheit diskutiert . Auch hier wurde von den
Nichtregierungsorganisationen die übergroße Bedeutung
multilateraler Zusammenarbeit noch einmal in den Fokus
gerückt .
({7})
Die multilaterale Zusammenarbeit hat drei Zielen zu
dienen: erstens Stabilität sicherzustellen, zweitens die
Zukunftsfähigkeit zu verbessern und drittens Verantwortung zu übernehmen . Wir erreichen eine stabile Weltordnung dann, wenn wir weiterhin für eine zunehmende
ökonomische Integration und einen grenzüberschreitenden Handel arbeiten; denn beides hat weltweit Wachstum
und Wohlstand gebracht, Arbeitsplätze geschaffen und
zur Reduzierung von Armut beigetragen .
({8})
Gleichzeitig erleben wir jedoch, dass Verunsicherung
und Sorgen zunehmen; denn viele Menschen können an
den Vorteilen der Globalisierung nicht teilhaben oder sie
fühlen sich von der Entwicklung abgehängt . Dabei spielt
weniger eine Ablehnung von Handelsbeziehungen als
eine Verunsicherung gegenüber neuen Technologien eine
Rolle .
Obwohl der Wohlstand in Deutschland mit einer exportorientierten Wirtschaft auf offenen Märkten mit
transparenten Regeln begründet ist, gibt es auch bei uns
viele kritische Stimmen zu Handelsabkommen . Einzelne
Staaten reagieren auf diese Sorgen mit verstärkten Rufen nach Abschottung und Handelsbeschränkungen . Ich
bin jedoch überzeugt, dass Protektionismus keine Lösung sein kann . Er schadet allen Beteiligten, und deshalb
brauchen wir offene Märkte. Mein Ziel ist es daher, dass
vom G-20-Gipfel ein deutliches Signal für freie Märkte
und gegen Abschottung sowie ein klares Bekenntnis zum
multilateralen Handelssystem ausgeht .
({9})
Die G 20 hat sich das Ziel gesetzt, das Wachstum ihrer
Volkswirtschaften so auszurichten, dass davon alle profitieren können. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet die
internationale Zusammenarbeit in Steuerfragen . Durch
den internationalen Druck ist es gelungen, die Zahl der
als nicht kooperativ eingestuften Jurisdiktionen stark zu
reduzieren . Ohne die Zusammenarbeit im Format der
G 20 wäre uns dies so nicht gelungen .
Wir wissen, eine stabile Wirtschaft braucht funktionierende Finanzmärkte . Deshalb setze ich mich dafür ein,
die G-20-Finanzmarktreformagenda weiter mit Nachdruck umzusetzen . Uns wird zum Beispiel der Finanzstabilitätsrat zum Gipfel einen Bericht zur Wirksamkeit
der bisherigen Arbeiten zu Schattenbanken vorlegen, auf
dessen Basis dann mögliche weitere Regulierungsvorschläge erarbeitet werden sollen .
Wirtschaftliche Entwicklung und Nachhaltigkeit gehen Hand in Hand . Deshalb ist die G 20 das richtige
Format, um auch die Umsetzung der Agenda 2030 für
nachhaltige Entwicklung voranzutreiben . Wir wollen mit
unseren G-20-Partnern hier eine Vorreiterrolle bei der
Umsetzung einnehmen, und ich möchte die G-20-Partner beispielsweise für die Verpflichtung gewinnen, rasch
über unsere nationalen Umsetzungsstrategien zu berichten . Denn die Zeit drängt . Wir müssen unsere Weltordnung zukunftsfähig machen . Multilaterales Handeln
muss dem zweiten Ziel dienen, die Zukunftsfähigkeit
eben auch zu verbessern .
1995 waren lediglich 4 Prozent der Menschen weltweit mit dem Internet verbunden; heute sind es bereits
40 Prozent . Diese Entwicklung geht weiter und weiter .
Sie betrifft nicht nur Menschen, sondern immer mehr
auch Dinge . Wir erleben eine digitale Revolution unseres
Lebens, eine digitale Transformation unserer Wirtschaft
und Gesellschaft . Diese digitale Transformation braucht,
wie alles, was wir tun, Regeln .
Mittelfristiges Ziel dazu ist zum Beispiel eine Verständigung über technische Standards . Wir wollen und
wir müssen in der G 20 unsere Zusammenarbeit hierzu
weiter ausbauen . Es gab in diesem Jahr unter deutscher
Präsidentschaft zum ersten Mal ein Treffen der Digitalminister . Diese gesamte Zusammenarbeit steckt noch in
den Anfängen; ich halte sie aber für absolut wichtig .
({10})
Es gibt wenige Themen wie die Menschheitsherausforderung des Klimaschutzes - ich sagte es zu Beginn -,
bei denen so spürbar wird, wie sehr wir alle auf der Erde
schicksalhaft miteinander verbunden sind und wie wichtig es ist, die Zukunftsfähigkeit zu verbessern . Nachdem
die USA nun angekündigt haben, das Pariser Abkommen
zu verlassen, können wir in Hamburg keine einfachen
Gespräche erwarten. Der Dissens ist offenkundig, und
es wäre unaufrichtig, wenn wir ihn übertünchen würden .
Das werde ich jedenfalls nicht tun .
Als G 20 können wir die Herausforderung, die mit
dem Klimawandel für uns alle auf der Welt verbunden
ist, nicht ignorieren. Wir müssen dabei auch die Hoffnungen vieler Länder, gerade auch vieler Entwicklungsländer wie zum Beispiel die kleinen Inselstaaten, im Blick
haben, gerade weil in der G 20 die wirtschaftlich stärksten Länder der Welt zusammenkommen .
Ich kann natürlich den Beratungen des Gipfels gerade zum Klimaschutz heute nicht vorgreifen . Aber ich bin
entschlossen, sie so zu führen, dass sie dem Inhalt und
Ziel des Pariser Abkommens dienen .
({11})
Meine Damen und Herren, in Hamburg wollen wir uns
darüber hinaus auch für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in globalen Lieferketten einsetzen . Eng damit zusammen hängt die Stärkung der Frauen, insbesondere bei
der Integration in den Arbeitsmarkt . Wir wollen weiter
daran arbeiten, das auf dem G-20-Gipfel im australischen
Brisbane gesetzte Ziel zu erreichen, die Lücke der Erwerbsbeteiligung von Frauen bis 2025 um 25 Prozent zu
reduzieren und die Qualität der Frauenerwerbstätigkeit
zu verbessern .
Daneben wollen wir den Zugang von Frauen in Entwicklungsländern zu Unternehmertum und ihren Zugang
zu Bildung fördern, insbesondere auch in den Bereichen
Digitalisierung und Informationstechnologie . Dazu wollen wir bei der Weltbank ein Finanzierungsinstrument
aufsetzen, um den Zugang von Unternehmerinnen zu
Krediten zu vereinfachen .
Ein neues und aus meiner Sicht äußerst wichtiges Thema der G 20 ist die globale Gesundheit . Wir brauchen
dringend eine bessere Kooperation, um uns besser gegen
Gesundheitsrisiken und insbesondere auch Pandemien zu
wappnen . Übertragbare Krankheiten kennen keine Grenzen . Die menschlichen, aber auch die ökonomischen
Auswirkungen können enorm sein . Das wurde uns etwa
bei dem Ebolaausbruch sehr deutlich vor Augen geführt .
Gleiches gilt auch für die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen .
Das Thema Gesundheit gehört auf unsere Agenda . Wir
brauchen eine starke Weltgesundheitsorganisation und
eine bessere Zusammenarbeit gerade auch mit Afrika .
({12})
In unserer Präsidentschaft haben wir deshalb erstmals
Afrika zu einem Schwerpunkt der G 20 gemacht . Ich
danke allen Ministerien der Bundesregierung, die dabei
mitgewirkt haben . Dabei geht es vor allem darum, wie
wir es gemeinsam schaffen können, dass sich mehr private Investoren in Afrika engagieren und so zu wirtschaftlicher Entwicklung und Beschäftigung beitragen; denn wir
müssen ganz klar konstatieren: Wenn in vielen afrikanischen Ländern Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit die
Zugangsrate zu elektrischem Strom um die 20 Prozent
liegt, also 80 Prozent der Menschen dort keinen Zugang
zu elektrischem Strom haben, dann kann wirtschaftliche
Entwicklung in breitem Umfang gar nicht funktionieren .
Deshalb danke ich dafür, dass sich die Bundesregierung
mit dem Compact with Africa und anderen Initiativen
wirklich mit diesem Thema neben der Entwicklungshilfe, nicht anstelle der Entwicklungshilfe, stark beschäftigt
hat .
({13})
Die Philosophie unseres Engagements ist folgende:
Mit reformbereiten Ländern wollen wir Investitionspartnerschaften, eben solche Compacts, abschließen, die sich
an der Nachfrage und an den Prioritäten der Länder orientieren . Ich will in dem Zusammenhang darauf hinweisen, dass die Afrikanische Union mit ihrer Agenda 2063
zum ersten Mal ein eigenes Entwicklungskonzept erarbeitet hat . An diesem Entwicklungskonzept sollten wir
uns auch orientieren und nicht ständig sagen, dass wir
besonders gut wüssten, was Afrika braucht . Es geht nämlich auch darum, dass die Verantwortlichkeit in Afrika für
die eigenen Projekte gestärkt wird .
({14})
Das heißt nichts anderes, als dass es wichtig ist, dass
wir für den Erfolg bei der wirtschaftlichen Entwicklung
Afrikas umdenken und auch verstehen müssen, dass neben den öffentlichen Investitionen der Entwicklungshilfepolitik das Engagement des Privatsektors steht . Wir
sind da schon ein ganzes Stück vorangekommen . Ich
hoffe auf die Unterstützung durch weitere G‑20‑Partner
bei unserer Partnerschaft mit Afrika .
Darüber hinaus ist es ein großes Anliegen, dass die
G 20 in der Frage von Flucht und Migration erheblich
enger zusammenrücken und zusammenarbeiten; denn es
geht hier um eine globale Herausforderung von immenser Bedeutung . Weltweit sind so viele Menschen auf der
Flucht wie noch nie . Wir brauchen verbesserte globale
Strukturen, um Fluchtursachen zu bekämpfen . Diese
Diskussion wird zwar seit Jahren geführt - sie ist nicht
einfach -, aber auch hier gilt, dass wir ohne gemeinsame
Strategie nicht zu Lösungen kommen werden, die den
Menschen wirklich helfen und dienen .
Fluchtursachen zu bekämpfen, das bedeutet auch,
Fortschritte in der nachhaltigen Entwicklung und bei der
Beschäftigung zu erreichen . Nur so können wir vor Ort
den Menschen bessere Perspektiven verschaffen. Das
wird dann auch dazu beitragen, dass weniger Menschen
ihre Heimat verlassen müssen .
Zum Kampf gegen Fluchtursachen gehört darüber hinaus der Kampf gegen den weltweit grassierenden Terrorismus . Auch den Kampf gegen den Terrorismus können
wir nur gemeinsam gewinnen . Dazu haben wir in einer
Financial Action Task Force internationale Standards
entwickelt, die jetzt von allen zügig umgesetzt werden
müssen . Das heißt also, Prävention, das Austrocknen der
Geldquellen und die engere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden sind es, die wir im Kampf gegen den Terrorismus brauchen .
Herr Präsident, meine Damen und Herren, nur gemeinsam können wir in all diesen Fragen etwas erreichen . Gerade weil die G 20 ein informelles Format sind,
ist diese Gruppe besonders geeignet, sich diesen wichtigen Fragen zu widmen . Aber ich sage auch sehr schwierige Diskussionen in Hamburg voraus; denn nur wenn sich
die G 20 einig sind, kommen wir auch in den formellen
Gremien, wie zum Beispiel in den Vereinten Nationen,
voran .
Ich bin überzeugt, wir werden diese Aufgaben dann
erfolgreich bewältigen können, wenn wir alle gemeinsam Verantwortung übernehmen und auch mutig voranschreiten . Das gilt für Deutschland, für Europa, für die
G 20 und für die ganze Welt . Wir werden dann erfolgreich sein, wenn unsere Arbeit auf all diesen Ebenen gut
und sinnvoll ineinandergreift . Das ist das Ziel, das wir
gemeinsam mit Frankreich und unseren anderen europäischen Partnern beim Europäischen Rat verfolgt haben
und das wir auch in der weiteren Debatte über die Zukunft der Europäischen Union verfolgen werden . Es ist
auch das Ziel, dem das Vorbereitungstreffen heute dient,
und es ist das Ziel, das die Bundesregierung bei den weiteren Vorbereitungen für den G-20-Gipfel in Hamburg
fest im Auge behalten wird .
Wir wissen - das als letzte Bemerkung -, dass für die
Bürgerinnen und Bürger Hamburgs die Gipfeltage und
auch die Tage davor eine hohe Herausforderung sind .
Und wir wissen, dass die Polizisten und Sicherheitskräfte
vor harten Einsätzen stehen . Wir wissen, dass es Proteste
geben wird, und das ist mehr als legitim in einer Demokratie . Aber ich wünsche zur Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger in Hamburg und zur Unterstützung der
Sicherheitskräfte, die einen hohen Einsatz zeigen, dass
diese Proteste friedlich sind. Ich hoffe dabei auf Ihre Unterstützung .
Herzlichen Dank .
({15})
Bevor der Kollege Bartsch nun das Wort erhält, möchte ich auf der Besuchertribüne eine Delegation des irischen Parlaments begrüßen unter Vorsitz des Vorsitzenden der deutsch-irischen Freundschaftsgruppe im
dortigen Parlament, Senator Craughwell. Wir begrüßen Sie herzlich hier im Deutschen Bundestag .
Wir freuen uns über die enge Zusammenarbeit zwischen unseren Parlamenten, die wir nicht nur, aber gerade mit Blick auf die Themen, die heute Morgen hier
beraten werden, ganz offenkundig auch in den nächsten
Jahren brauchen . - Herzlich willkommen und alles Gute!
({0})
Bitte sehr, Herr Kollege Bartsch .
({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das war
sie nun, die letzte Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel .
({0})
- Sie müssen doch nicht gleich so aufgeregt sein, vielleicht war der Satz noch gar nicht zu Ende . Aber dann
beende ich ihn jetzt mal .
({1})
Es ging um G 20 und um den Europäischen Rat in der
letzten Woche . Ich habe gehört, dass dort Tatkraft und
Zuversicht ausgestrahlt worden sind . Ich kann nur darauf
verweisen, dass der EU-Gipfel in der Substanz ergebnisfrei war . Das ist doch das, was entscheidend ist . Beim
Europäischen Rat sind wieder die tiefen Risse innerhalb
der EU deutlich geworden - das geht weit über das Thema Brexit hinaus -: Unsicherheit, Terror, Austerität .
Mit Europa gehe es besser, haben Sie gesagt . Ich frage
mich, was dazu die vielen jungen Menschen in den Südländern, die von Jugendarbeitslosigkeit betroffen sind,
sagen .
({2})
In Griechenland beträgt sie seit über vier Jahren mehr als
50 Prozent .
Europa geht es besser? Das Problem ist doch, dass die
Europapolitik, die Sie und insbesondere Finanzminister
Schäuble zu vertreten haben, die EU in die größte Krise und an den Rand des Scheiterns gebracht hat . Europa
kann eine größere Rolle spielen, aber im Moment ist die
Krise so groß, dass Europa diese Rolle eben nicht wahrnehmen kann . Und das ist das Ergebnis Ihrer Politik .
({3})
Es stellen sich die Fragen: Ist denn die Welt in den
letzten vier Jahren eine bessere geworden? Hat die Politik, Ihre Politik Europa zusammengeführt? Ist unter Ihrer
Ägide die Außenpolitik zu einer Friedenspolitik geworden? Die Antwort ist ganz klar: nein .
({4})
Zum Motto in Hamburg „Eine vernetzte Welt gestalten“ kann ich nur sagen: Das ist doch eine riesengroße
Blendgranate . Leider ist es nicht die einzige um diesen
Gipfel herum, die dort gezündet wird . Die G 20 stehen
eben nicht für Stabilität, für Zukunftsfähigkeit und für
Verantwortung . G-20-Gipfel in Hamburg, mitten in der
Stadt, in Ihrer Geburtsstadt - das hat überhaupt nichts
mit Wahlkampf zu tun, sondern es ist leider etwas vordergründig .
Sie haben zu Recht darauf verwiesen: Die Welt ist aus
den Fugen geraten . Es gibt über 65 Millionen Flüchtlinge, davon die Hälfte Kinder . Es gibt Kriege und Konflikte. Es gibt Hungersnöte in Somalia, im Südsudan,
im Jemen, in Nigeria, in Äthiopien . Hungernde Menschen - alle 15 Sekunden, meine Damen und Herren,
verhungert auf der Welt ein Kind . Laut Vereinten Nationen sind 795 Millionen Menschen vom Hunger bedroht .
Und in dieser Situation tagten unlängst die G 7 und tagen
dann auch die G 20 . Vor diesem Hintergrund wird Ihre
Aussage „Fluchtursachen wirksam bekämpfen“ zu einer
hohlen Phrase; denn dort treffen sich auch die größten
Rüstungsexporteure .
({5})
Wer Fluchtursachen bekämpfen will, darf nicht Waffen in
Krisengebiete liefern, sondern muss Hunger und Armut
bekämpfen .
({6})
Um den Terror, der in den letzten Jahren zugenommen
hat, zu bekämpfen, muss man andere Wege gehen als den
der Aufrüstung . Ich habe gestern den Haushaltsplan, den
Sie im Kabinett vorgelegt haben, zur Kenntnis genommen . Im nächsten Jahr sind anderthalb Milliarden Euro
mehr für den Verteidigungsetat vorgesehen . Der Verteidigungsetat ist bereits in der letzten Legislaturperiode um
17 Prozent gestiegen . Diesen weiter aufzustocken, ist ein
völlig falsches Zeichen .
({7})
Sie haben das 2-Prozent-Ziel schon zu Ihrer Maxime gemacht . Das geht so nicht . Es ist leider so, dass mit dem
wachsenden Terror die Erkenntnis nicht gewachsen ist,
dass Terror nicht mit Krieg zu bekämpfen ist . Vielmehr
müssen wir dafür kämpfen, dass die Ursachen für den
Terror beseitigt werden .
({8})
Die G 20 sind die Staaten - Sie haben das eben gesagt,
Frau Merkel -, die zwei Drittel der Weltbevölkerung repräsentieren, fast 80 Prozent des Weltbruttoinlandsproduktes erwirtschaften, den größten Anteil am Welthandel
aufweisen und im Übrigen auch die meisten CO2-Emissionen zu verantworten haben . Aber daraus eine legitime
Repräsentation der G 20 für den gesamten Globus und
alle Menschen abzuleiten, ist wirklich infam .
({9})
Die anderen nehmen dann am Katzentisch Platz . Und Sie
beklagen die Situation in Afrika? Die Verursacher der
Krisen, von Flucht und Hungersnöten, die Zerstörer des
weltweiten Klimas sind zum großen Teil die G 20; das ist
die Realität .
Die G 20 gehen auf eine Idee von Finanzminister
Eichel zurück, die er in Berlin im Jahr 1999 vorgetragen
hat . Dabei ging es darum, uns aus der Krise, insbesondere der Finanzkrise, zu manövrieren . Aber anstatt uns aus
den Krisen wirklich herauszuführen, haben Sie uns nun
in eine Dauerkrise manövriert . Ich will nur ein Beispiel
nennen . Was ist denn eigentlich nach der Enthüllung der
Panama-Papers passiert? Da wurde so viel angekündigt .
Jetzt sagen Sie, dass eventuell ein Bericht über Schattenbanken vorgelegt wird . Damals sind Milliarden illegal
versteckt worden . Das, was dort sichtbar geworden ist,
ist nur die Spitze des Eisbergs gewesen . Das alles liegt
im Verantwortungsbereich der Finanzminister, die sich
nun wieder treffen. Aber von dem Gipfel in Hamburg ist
in dieser Hinsicht wieder nichts zu erwarten . Es bleibt
dabei, dass die teuersten Flüchtlinge die Steuerflüchtlinge sind . Deren Milliarden sollten im Kampf gegen den
Hunger eingesetzt werden .
({10})
Angesichts der nicht mehr zu leugnenden Unsicherheit ging und geht es den G 20 im Kern um die eigenen
Verwertungsmöglichkeiten, die Sicherung von Kapitalinteressen und Ressourceneffizienz. Mit Ressourceneffizienz ist gemeint, dass die G-20-Staaten am System der
weltweiten Ausbeutung durch Freihandel und Klimazerstörung gar nichts verändern wollen . Sie haben über
Handelsabkommen und Afrika geredet . Vielleicht sind
die Freihandelsabkommen sogar eine Ursache für die Situation in Afrika .
({11})
Ich will noch das nun öffentlich gewordene Freihandelsabkommen der EU mit Japan als Beispiel nennen . Hier
sind wieder Schiedsgerichte wie bei TTIP und CETA vorgesehen . Das ist eine unfaire Politik . Sie machen einfach
so weiter, als hätte es die öffentliche Aufregung und die
Proteste gegen diese Handelsabkommen nicht gegeben .
Das kann doch wohl nicht wahr sein . Transparenz gleich
null!
({12})
Vor diesem Hintergrund ist die Absicht der Bundesregierung, das Thema Klimaschutz beim G‑20‑Treffen
nach oben auf die Tagesordnung zu setzen, offensichtlich
eine Fake News . Ja, Sie haben recht: Das ist eine existenzielle Herausforderung . Die G 20 sind die größten Verursacher von Treibhausemissionen . Darüber wollen Sie
ausgerechnet mit Donald Trump reden, der das Klimaabkommen bekanntermaßen gerade gekündigt hat? Das
ist der Mann, der glaubt, dass er nur die Tür seines Badezimmers in seinem New Yorker Penthouse zu schließen
braucht, damit das Haarspray nichts mehr mit dem Klima
zu tun hat . Alles, was dort passiert, ist doch absurd .
({13})
Natürlich treffen Sie dort auch solche liberalen Regierungschefs wie Herrn Trudeau . Aber zu den G-20-Regierungschefs gehören auch solche Autokraten wie der türkische Präsident Erdogan, der einen blutigen Krieg gegen
die Kurdinnen und Kurden führt, der Demonstranten für
Frauenrechte und demokratische Rechte mit Schlagstöcken und Wasserwerfern unterdrückt, die Pressefreiheit
beschränkt, Journalistinnen und Journalisten inhaftieren
lässt - darunter auch deutsche - und nun beantragt hat,
während des G‑20‑Treffens reden zu dürfen. Das alles
kann doch nicht wahr sein . So jemand kann doch kein
Partner für uns sein . Da muss man ganz deutlich sagen,
dass das überhaupt nicht geht und dass wir ihn am Rande des G‑20‑Treffens in Deutschland nicht reden lassen
wollen .
({14})
Dann ist da auch noch Saudi-Arabien, das einen blutigen Krieg im Jemen führt . Dort ist jetzt infolge des
Krieges eine Choleraepidemie ausgebrochen . Die Saudis
werden mit prallen Geldkoffern im „Vier Jahreszeiten“
wohnen . Saudi-Arabien ist eine feudalistische Diktatur,
die radikale Moscheen in Deutschland finanziert, die eine
Ursache für den Terror sind . Die Saudis können für uns
doch keine Partner sein . Im Übrigen liefern Sie denen sogar noch Waffen für diesen Krieg. Das alles ist unfassbar.
Da muss endlich eine andere Politik her .
({15})
Zur Runde derer, die zu kritisieren sind, gehören auch
andere . Auch Wladimir Putin und die chinesische Regierung gehen gegen Oppositionelle vor und haben Probleme mit der Wahrung der Menschenrechte . Das Interessante ist ja, dass bis vorhin auch Herr Temer in Hamburg
dabei sein sollte; mittlerweile hat er abgesagt . Das ist
eine positive Meldung, auch wenn Brasilien auf diesem
Gipfel nun gar nicht mehr vertreten ist . Herr Temer ist
der Mann, der sich an die Staatsspitze geputscht hat gegen Dilma Rousseff. Herr Temer ist eine korrupte Marionette von global agierenden Konzernen .
({16})
Und so ein Mann soll eine vernetzte Welt gestalten? Das
ist doch ein absurder Vorgang . Das ist hochnotpeinlich .
({17})
Im Übrigen ist es wie die gesamte Inszenierung des
Gipfels . Da spreche ich nicht nur von der Wiedereinführung von Grenzkontrollen, Versammlungsverboten, riesigen Gefangenensammelstellen sowie Gerichtsgebäuden,
um dort Verurteilungen durchführen zu können .
Ich sage Ihnen einmal als jemand, der aus Norddeutschland kommt, der seinen Wahlkreis in Rostock
hat, ein klein wenig etwas über Schifffahrt. Im Logo
dieses Gipfels ist ein Kreuzknoten . Dieser Knoten steht
eigentlich für stabile und gleichzeitig auch für elastische
Verbindungen . Aber wenn man sich diesen Knoten genau
anschaut, dann erkennt man, dass es offensichtlich der
falsche Kreuzknoten ist .
({18})
Der falsche Kreuzknoten wird im Übrigen auch Diebesknoten genannt. Ich finde, das ist das passende Logo
für diesen Gipfel .
({19})
Wissen Sie, warum die G 20 keine - im Sinne des
Kreuzknotens - haltbare Politik machen können? Ganz
einfach: weil Ihr Ansatz völlig falsch ist . Sie stricken so haben Sie es selbst als Regierung verlauten lassen an einer neuen Erzählung, an einem neuen Narrativ . Ihnen geht es nicht um die Beseitigung von Krisen, von
Kriegen und von deren Folgen . Sie haben Unsicherheit
zum Prinzip gemacht und fordern nun Resistenz, also
Widerstandsfähigkeit . Das heißt, Sie fordern von den
Menschen, die hungern, die in Kriegen leben müssen,
deren Ernährungsgrundlagen wegen des Klimawandels
verschwinden, dass sie einfach aushalten . Das ist Ihr Herangehen . Sie wollen am grundsätzlichen System eben
nichts ändern, und dagegen stehen wir als Linke: Wir stehen für soziale und globale Gerechtigkeit .
({20})
Wir finden uns nicht ab mit Hunger, mit dieser Weltwirtschaftsordnung, mit Klimaverschmutzung und mit Ressourcenverschwendung . Wir stehen dagegen wie Millionen Menschen - bunt und friedlich .
Herzlichen Dank .
({21})
Gestatten Sie mir noch einen Nachsatz . Da ich bestimmt das letzte Mal in dieser Legislaturperiode hier
rede, will ich mich auch im Namen meiner Fraktion
ausdrücklich beim Bundestagspräsidenten Lammert
für seine Amtsführung, für seine besondere Wahrung
der Interessen, auch der der Opposition bedanken . Herr
Lammert, herzlichen Dank! Alles Gute auf allen Wegen!
({22})
Ich bedanke mich und erteile das Wort dem Kollegen
Thomas Oppermann für die SPD-Fraktion .
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der
G-20-Gipfel in Hamburg ist wie alle anderen G-20-Gipfel bisher umstritten, in Teilen der Bevölkerung sehr umstritten . Es wird wieder Proteste geben . Es versammeln
sich Staats- und Regierungschefs, die 80 Prozent der
Weltwirtschaftsleistung und zwei Drittel der Weltbevölkerung repräsentieren . Aber es sind sehr unterschiedliche Leute; darauf hat Dietmar Bartsch eben aufmerksam
gemacht . Es sind Demokraten, und es sind Autokraten .
Aber trotzdem finde ich es richtig, dass die G 20 einmal
im Jahr zusammenkommen und darüber verhandeln, wie
die Regeln in einer globalisierten Welt aussehen .
({0})
Aber dieser Gipfel ist anders als die bisherigen . Es
ist das erste G‑20‑Treffen, bei dem der Westen in grundsätzlichen Fragen nicht mehr einheitlich auftritt . Donald
Trump spaltet den Westen .
({1})
Er stellt die offene Gesellschaft infrage. Er versucht, internationale Verträge und Institutionen zu schwächen,
und er stellt nicht das in den Vordergrund, was die Weltgemeinschaft verbindet, sondern er propagiert den Egoismus der Nationen und das Recht des Stärkeren . Aber der
Höhepunkt ist die Kündigung des Pariser Klimaabkommens . Natürlich können Verträge grundsätzlich gekündigt
werden; aber das ist nicht irgendeine Vertragskündigung,
sondern das ist eine Zäsur für unsere Weltgemeinschaft
in einer existenziellen Frage, und deshalb, meine Damen
und Herren, ist es notwendig, dass wir uns eindeutig gegen Donald Trump positionieren .
({2})
Das ist kein Antiamerikanismus . Aber in Hamburg muss
gezeigt werden: Der amerikanische Präsident steht in der
Klimaschutzfrage in dieser Welt allein .
({3})
Wir haben die klare Erwartung, Frau Merkel, dass Sie
eine 19 : 1-Allianz in der Klimaschutzfrage in Hamburg
zustande bringen .
({4})
- Wenn ihr alles allein könnt! Ich komme gleich noch
darauf zurück, Volker .
Meine Damen und Herren, es gibt nur eine richtige
Antwort auf diese ganze Entwicklung: Wir müssen Europa wieder stärker machen . Nach der Wahl von Macron ist
die Stimmung im Europäischen Rat besser geworden das hat auch Frau Merkel gesagt -, aber in der Sache hat
sich wenig bewegt . Polen und Ungarn sind die größten
Nettoempfänger in der EU, aber sie nehmen weiter keine
Flüchtlinge auf, um Italien oder Griechenland zu entlasten, und der Europäische Rat weiß nicht, wie er damit
umgehen soll. Ich finde, die klare Antwort muss sein: Solidarität ist keine Einbahnstraße .
({5})
Statt die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion zu reformieren, verlässt man sich weiterhin auf die
EZB, die mit Niedrigzinsen die Hand über Europa hält .
Jeder weiß, dass das nicht auf Dauer gut geht . Aber statt
der Union Führung zu geben, benimmt sich der Europäische Rat wie ein Verwaltungsrat, der die Zustände verwaltet .
({6})
Jetzt rächt sich, dass die EU in den letzten Jahren so geschwächt worden ist .
Statt von Anfang an, schon 2010, in der Griechenland-Krise beherzt einzugreifen, Griechenland zu helfen,
die notwendigen Strukturreformen und die notwendigen
Staatsreformen durchzusetzen und die Schuldenkrise zu
meistern, gab es eine jahrelange ätzende Debatte . Die
Bundeskanzlerin hat zu Recht Helmut Kohl gewürdigt .
Aber nach dem Motto „Kein Cent für Griechenland“,
Frau Merkel, wäre Helmut Kohl niemals vorgegangen .
({7})
Helmut Kohl hätte es nie zugelassen, dass die Griechenland-Krise die Europäische Union so auseinandertreibt .
({8})
Bei aller Kritik an Helmut Kohl habe ich in europäischen Fragen immer großen Respekt für ihn empfunden .
Helmut Kohl wollte kein deutsches Europa; er wollte wie
Willy Brandt ein europäisches Deutschland, und deshalb,
Frau Merkel, könnten Sie eigentlich ein bisschen mehr
Helmut Kohl wagen .
({9})
Wir können froh sein, dass wir in Frankreich mit
Emmanuel Macron einen Präsidenten haben, der entschieden für die Europäische Union eintritt . Aus Frankreich kommt die ausgestreckte Hand für Europa, und aus
Deutschland kommt der erhobene Zeigefinger. Das darf
so nicht weitergehen, meine Damen und Herren .
({10})
Ich wünsche mir eine Bundesregierung, die mit der gleichen Begeisterung wie Emmanuel Macron für die Reform der Europäischen Union kämpft .
Meine Damen und Herren, es gibt eine zweite Konsequenz aus der Unberechenbarkeit von Donald Trump:
Europa muss sich mehr um seine eigene Sicherheit kümmern . Deshalb ist es richtig, dass Jean-Claude Juncker
das Thema „Europäische Verteidigungsunion“ auf die
Tagesordnung gesetzt hat .
Zu einer gut aufgestellten europäischen Verteidigungsunion gehört natürlich auch eine gut ausgestattete Bundeswehr . Die Verteidigungsminister der letzten
zwölf Jahre haben es zugelassen, dass die Bundeswehr
als Steinbruch für haushaltspolitische Konsolidierung
benutzt wurde . Sie haben die Bundeswehrreform und die
Aussetzung der Wehrpflicht ohne Konzept über das Knie
gebrochen . Bis heute haben unsere Streitkräfte mit Personalmangel und mit schlechter Ausstattung zu kämpfen .
Wir werden dafür sorgen, dass sich das in der nächsten
Wahlperiode ändert .
({11})
Wir wollen die Bundeswehr gezielt stärken und europäisch integrieren .
Donald Trump aber fordert etwas ganz anderes . Er
fordert, 2 Prozent der Wirtschaftsleistung in die Rüstung
zu investieren . Ich will einmal deutlich machen, was
das zur Konsequenz hätte: Bis 2024 müssten wir unsere
Verteidigungsausgaben fast verdoppeln, und zwar von
37 Milliarden Euro auf 70 Milliarden Euro . Das, meine
Damen und Herren, wird es mit uns nicht geben .
({12})
Das wäre die größte Aufrüstung, die Europa seit Jahrzehnten gesehen hätte . Deutschland wäre dann nicht nur
stärkste Wirtschaftsmacht, sondern auch größte militärische Macht in Europa . Damit würde Deutschland in
Europa noch dominanter . Das wollen wir nicht, und das
wollen auch unsere Nachbarn nicht . Deshalb sagen wir:
Eine Umsetzung des 2-Prozent-Ziels kann nicht richtig
sein . Eine solche Aufrüstungsmechanik kann es nicht geben .
({13})
Sicherheit gibt es sowieso nicht, wenn ausschließlich
Waffen im Vordergrund stehen. Wenn wir Konflikte und
Kriege in unserer Umgebung befrieden wollen, dann
brauchen wir natürlich auch Diplomatie, humanitäre Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und zivile Krisenprävention . Nur so können wir nachhaltig für Sicherheit auf
dieser Welt sorgen .
Herr Kollege Oppermann, darf die Kollegin Lötzsch
eine Zwischenfrage stellen?
Ja, bitte .
Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen,
Kollege Oppermann .
Ich habe sehr gerne gehört, dass sich die SPD gegen
das 2-Prozent-Ziel und gegen weitere Aufrüstung ausspricht . Nur ergibt sich für mich da aber ein kleiner irritierender Widerspruch . Gestern ist ja im Kabinett der
Haushaltsplan für das Jahr 2018 beschlossen worden . Darin steht - das haben wir gestern ausführlichst im Haushaltsausschuss diskutiert -, dass auf das 2-Prozent-Ziel
hinzuarbeiten ist .
({0})
Ihre Minister haben alle zugestimmt . Nun werden Sie
antworten, es habe eine Protokollerklärung der SPD-Minister gegeben, dass, wenn das eintritt, auch die Ausgaben für Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit
erhöht werden sollen .
Ich finde es ehrlich gesagt nicht redlich, das im Kabinett zu beschließen und hier eine ganz andere Politik zu
erklären . Dann hätten Sie im Kabinett nicht zustimmen
dürfen .
({1})
Oder Sie erklären jetzt, Sie möchten diesen Kabinettsbeschluss rückgängig machen, weil Sie im September
eine andere Politik mit einer besseren Regierung machen
wollen .
({2})
Frau Lötzsch, ich komme in meiner Rede gleich
noch genau auf diese Haushaltsfrage zu sprechen . Die
SPD-Mitglieder im Kabinett haben in diesem Punkt eine
Protokollerklärung abgegeben
({0})
und haben deutlich gemacht, dass sie mit dem Missverhältnis von Verteidigungsausgaben und Ausgaben für
Entwicklungshilfe nicht einverstanden sind und dass wir
das ändern werden .
Im Übrigen hat das mit dem 2-Prozent-Ziel nichts zu
tun .
({1})
- Ich sage gleich etwas dazu . - Die beschlossenen Steigerungen im Etat der Bundeswehr erhöhen den Anteil für
Verteidigungsausgaben von 1,14 Prozent auf 1,18 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts . Von einer Aufrüstungsspirale kann in diesem Zusammenhang also gewiss
keine Rede sein .
({2})
Ich will gerne Frau Merkel und Herrn Schäuble sagen:
Sie haben gestern eine Finanzplanung vorgelegt, in der
vorgesehen ist, dass über vier Jahre die Verteidigungsausgaben um 5 Milliarden Euro von 37 Milliarden Euro
auf 42 Milliarden Euro steigen sollen . Ich muss ganz klar
sagen, Frau Lötzsch: Nach Jahren, in denen die Bundeswehr kaputtgespart wurde, ist das ein richtiger Schritt .
({3})
Aber Sie haben gleichzeitig nur 150 Millionen Euro
mehr für Entwicklungshilfe eingeplant . Wenn man das
ins Verhältnis setzt, dann bedeutet das: Für jeden Euro,
den wir zusätzlich für die Verteidigung ausgeben, geben
Sie 3 Cent mehr für Entwicklungshilfe aus .
({4})
Das ist ein eklatantes Missverhältnis .
({5})
Ich meine: Wir müssen für jeden Euro an Verteidigungsausgaben mindestens 1 Euro für humanitäre Hilfe
und Entwicklungszusammenarbeit ausgeben . Das wäre
der richtige Maßstab . Und wenn Sie jetzt ankündigen,
dass Sie das auch in Ihr Wahlprogramm übernehmen
wollen, dann frage ich mich: Warum haben Sie das nicht
gleich in die mittelfristige Finanzplanung hineingeschrieben?
({6})
Für die SPD-Fraktion ist jedenfalls klar: Wir fühlen uns
an diese mittelfristige Planung nicht gebunden, schon
gar nicht an das Missverhältnis von Rüstung und Entwicklungshilfe . Wir werden in den kommenden Jahren
deutlich mehr Mittel für Entwicklungshilfe bereitstellen .
({7})
Meine Damen und Herren, in Hamburg soll der afrikanische Kontinent erstmals im Rahmen der G 20 in
den Blick genommen werden . Dafür haben Sie, Herr
Schäuble - nicht mehr da; Herr Spahn -, vorgeschlagen,
dass mit den afrikanischen Staaten Investitionspartnerschaften abgeschlossen werden sollen. Ich finde, das
ist ein guter Baustein für unsere Afrika-Politik . Aber es
ist doch schon sehr symptomatisch, dass Afrika-Politik
jetzt vom Finanzministerium gemacht wird . Sowohl die
Entwicklungshilfe als auch die humanitäre Hilfe fallen
dabei unter den Tisch, und von dem Compact with Africa können nur die Länder profitieren, die politisch und
wirtschaftlich stabil sind . Hunger, Flucht, Gewalt, Destabilisierung gibt es aber vor allem in den Ländern, die für
solche Partnerschaften nicht infrage kommen . Deshalb
hätte ich mir gewünscht, dass die Bundesregierung als
Gastgeber der G 20 nicht nur die Investitionen, sondern
auch die Entwicklungszusammenarbeit und die humanitäre Hilfe für Afrika zum Thema macht .
({8})
Ich habe es schon an anderer Stelle gesagt - auch der
Kollege Bartsch hat schon darauf hingewiesen -: Wenn
wir sofort und in den nächsten Jahren schnell auf Hungersnöte und Fluchtbewegungen reagieren wollen, dann
müssen wir das Flüchtlingshilfswerk und das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen finanziell auf
solide Füße stellen . Dass der UN-Flüchtlingskommissar
immer wieder gerade für Afrika die nötigen Gelder zusammenkratzen muss, muss der Vergangenheit angehören . Wir brauchen einen neuen Finanzierungsvertrag, der
die Länder dazu verpflichtet, automatisch ihren Anteil an
der Flüchtlingshilfe zu zahlen . Wenn wir UN-Blauhelmmissionen so finanzieren können, dann können wir auch
die Flüchtlingshilfe so finanzieren. Frau Merkel, sprechen Sie dieses Thema auf dem G-20-Gipfel an, um die
finanzkräftigsten Länder der Welt auch bei der humanitären Hilfe in die Pflicht zu nehmen.
({9})
Meine Damen und Herren, liebe Kollegen und Kolleginnen, die Große Koalition geht jetzt parlamentarisch
zu Ende . Wir haben nach dieser Woche nur noch einen
Sitzungstag im September . Ich will das auch zum Anlass
nehmen, mich ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit zu bedanken, natürlich besonders in der Koalition,
aber auch gegenüber der Opposition und auch gegenüber
dem Bundestagspräsidenten . Vielen Dank! Ich bin stolz
auf die Arbeit, die dieses Parlament in den letzten vier
Jahren geleistet hat . Wir haben bahnbrechende Entscheidungen getroffen wie die Einführung eines gesetzlichen
Mindestlohnes, die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote . Wir haben die Kommunen massiv unterstützt .
Sie bekommen in diesem Jahr 2,5 Milliarden Euro, im
nächsten Jahr 5 Milliarden Euro zusätzlich vom Bund .
Wir haben erstmals ein Integrationsgesetz für Flüchtlinge auf den Weg gebracht nach dem Motto „Fördern und
Fordern“ . Wir haben eine Durchbrechung des Kooperationsverbotes erreicht, und wir haben ausgeglichene
Haushalte verabschiedet. Ich finde, das kann sich alles
sehen lassen . Ganz besonders aber freut mich, dass wir
an diesem Freitag noch über die Ehe für alle abstimmen .
({10})
Für uns ist die Ehe für alle
({11})
keine Frage der Wahlkampftaktik,
({12})
sondern es ist eine Frage von Werten und Grundsatzüberzeugungen .
({13})
30 Mal haben meine Kollegen und Kolleginnen im
Ausschuss dafür gestimmt, dass die Vorlagen dieses Gesetzes nicht ins Plenum kommen, und zwar mit Rücksicht auf den Koalitionsvertrag und mit Rücksicht auf
den Koalitionspartner .
({14})
Das ist uns schwergefallen .
({15})
Meine Kollegen haben mich immer wieder bedrängt, die
Abstimmung freizugeben, sie zu einer Gewissensentscheidung zu erklären oder einen Gruppenantrag zuzulassen . Ich habe das aus Gründen der Koalitionsdisziplin
immer wieder abgelehnt . Das ist mir schwergefallen .
({16})
Jetzt sage ich: Wenn wir jetzt alle der Meinung sind, dass
diese Frage eine Gewissensfrage ist, dann muss es auch
zu einer Entscheidung kommen .
({17})
Koalitionsdisziplin ist keine Einbahnstraße .
({18})
Eines geht gar nicht: den Anschein zu erwecken, man sei
für die Ehe für alle offen, aber dann um jeden Preis eine
Abstimmung zu verhindern . Das ist ein Verhalten, das
man den Bürgerinnen und Bürgern nicht erklären kann .
({19})
Ich wünsche uns morgen eine spannende Abstimmung
und Ihnen allen gute Sommerferien .
({20})
Nächster Redner ist der Kollege Anton Hofreiter für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, ja, wir
leben in wirklich schwierigen Zeiten: Die Klimakrise
entwickelt sich schneller als selbst von Wissenschaftlern
erwartet; die Weltwirtschaft ist noch immer instabil; bei
den Finanzmärkten weiß man nicht, wann es die nächste Krise gibt; 60 Millionen Geflüchtete sind auf diesem
Planeten unterwegs; internationaler Terrorismus, und in
der Nähe von Europa gibt es eine ganze Reihe von Kriegen und Bürgerkriegen. Es ist offensichtlich, dass diese
Vielzahl von Problemen nicht von einem einzelnen Land
allein geregelt werden kann .
Wenn die G 20 vernünftige Regelungen treffen würden, dann könnten die G-20-Staaten etwas Gutes dazu
beitragen; denn die G-20-Staaten stellen zwei Drittel der
Weltbevölkerung . Sie stellen vier Fünftel der globalen
Wirtschaftsleistung, und sie sind verantwortlich für drei
Viertel, für 75 Prozent, aller Treibhausgasemissionen .
Aber die G-20-Staaten haben in ihrer Geschichte schon
viel versprochen, und sie haben wenig gehalten . Es steht
zu befürchten, dass das Gleiche auf diesen Gipfel zutrifft.
({0})
Wissen Sie, Frau Merkel, es liegt auch an dieser Bundesregierung . Es liegt auch an diesem Gastgeber . Es
liegt auch mit an Ihnen . Ich gestehe Ihnen völlig zu, dass
es überhaupt keine einfache Runde ist, die Sie zu Gast
haben: Erdogan, Putin und Trump mit ihrer nationalistischen und antiökologischen Politik . Wissen Sie, Frau
Merkel, ich erwarte überhaupt nicht von Ihnen, dass Sie
die Probleme mit diesen schwierigen Herren einfach
wegzaubern . Auf der anderen Seite ist natürlich auch
klar, dass es neben diesen dreien ziemlich einfach ist,
vernünftig zu wirken . Was ich aber von Ihnen erwarte,
ist, dass Sie Verantwortung für Ihr eigenes Handeln in
Ihrem direkten Zuständigkeitsbereich, nämlich für das
Handeln dieser Bundesregierung, übernehmen .
({1})
Schauen wir uns einmal die Ergebnisse des Handelns
Ihrer Bundesregierung bei den wichtigen Fragen, die
auf dem Gipfel verhandelt werden und die Sie selbst angesprochen haben, an: Klimaschutz, Bekämpfung von
Fluchtursachen, gerechte Gestaltung von Handel und
Globalisierung, eine vernünftige Regulierung der Finanzmärkte . Wie schaut denn da die Bilanz unserer Bundesregierung aus?
Ja, Trump hat das Pariser Klimaschutzabkommen gekündigt und hat damit nicht nur einen Affront bezogen
auf ein internationales Abkommen begangen, sondern
hat auch - wenn man sich vor Augen führt, welche Bedeutung die Klimakrise für unsere eigenen Lebensgrundlagen hat - ein Verbrechen an der Zukunft aller Menschen auf diesem Planeten begangen .
Aber mit welcher Bilanz beim Klimaschutz treten Sie,
tritt diese Bundesregierung denn Trump gegenüber? Sie
haben auf großen Konferenzen schon viele schöne Worte
verloren . Aber Sie sind jetzt seit zwölf Jahren Bundeskanzlerin, Sie führen seit zwölf Jahren die Regierung,
und da kann man sich einmal die Bilanz anschauen; denn
nach zwölf Jahren gibt es eine Verantwortung für das
Handeln . Welches Land verbrennt am meisten Braunkohle und nutzt damit die schmutzigste, klimaschädlichste Art, Strom herzustellen? Ist es China? Ist es Indien?
Sind es die USA? Nein, die Bundesrepublik Deutschland
ist das Land, das weltweit am meisten Braunkohle verstromt, und Sie haben daran nichts geändert .
({2})
Sie haben davon gesprochen, das Entscheidende sei,
dass man den Klimaschutz will . Nein, Frau Merkel, das
langt für die Beseitigung eines echten Problems nicht .
Das Entscheidende beim Klimaschutz ist, dass man handelt und Erfolge erzielt .
({3})
Dafür gibt es eine ganz einfache, klare Zahl, und das
ist der CO2-Ausstoß der Bundesrepublik Deutschland .
Schauen wir uns diese Zahl an: Sie ist zwischen 2009
und 2016, in all diesen Jahren Ihrer Regierung, nicht gesunken . Deshalb: Sie reden vom Klimaschutz, aber Sie
handeln nicht beim Klimaschutz .
({4})
Wissen Sie, Frau Merkel, den schmelzenden Polkappen
ist es egal, ob Trump die Klimakrise leugnet und nichts
dagegen tut oder ob Sie viel über die Klimakrise reden
und dann auch nichts dagegen tun .
({5})
Sie haben davon gesprochen, dass es darauf ankommt, seine Hausaufgaben zu machen . Da frage ich
mich manchmal: Ja, wann fangen Sie denn an, die Hausaufgaben zu machen? Was haben Sie denn in den letzten vier Jahren gemacht? Sie haben den Kohleausstieg
nicht gemacht . Sie haben nichts bei der Agrarpolitik gemacht . Sie haben einen Verkehrsminister, der mit „unverantwortlich“ noch nett beschrieben ist, der vor allem
die Dieselkrise vertuscht hat, anstatt die Verkehrswende
einzuleiten . Und Sie haben den Ausbau der erneuerbaren
Energien mit zehn Deckeln versehen - nicht mit einem
Deckel, nicht mit zwei Deckeln, sondern mit zehn Deckeln . Ja, schaut es so aus, wenn man die Hausaufgaben
beim Klimaschutz macht? Merken Sie denn nicht selbst,
dass Ihr Reden und das Handeln Ihrer Bundesregierung,
der Mehrheit dieses Hauses, hier diametral auseinanderfallen?
({6})
Ist Ihnen das nicht selbst peinlich?
Und war die SPD da völlig unbeteiligt? Stellt sie in
dieser Bundesregierung gar keinen Minister? Stellt sie
nicht den Wirtschaftsminister? Auch Sie von der SPD
müssen Ihren Teil der Verantwortung übernehmen .
({7})
Nehmen wir das Beispiel des Handels . Sie haben
davon gesprochen, dass Protektionismus keine gute Alternative zum freien Handel ist . Sie haben recht: Protektionismus ist nicht gut . Aber glauben Sie wirklich,
dass Geheimabkommen, private Schiedsgerichte, Privatisierung der Daseinsvorsorge, dementsprechend das
Aufgeben des Vorsorgeprinzips, also all das, was wir
bei CETA und TTIP gesehen haben, eine gute Alternative zum Trump’schen Protektionismus ist? Wären nicht
eher Handelsregelungen, die auf ökologische und soziale
Standards setzen, eine gute Alternative?
({8})
Glauben Sie wirklich, Ihr Vorgehen wäre noch vorbildhaft? Glauben Sie wirklich, dass die Menschen in
Deutschland davon begeistert sind? Nein, sie werden dagegen protestieren . Man versteht überhaupt nicht, warum
Sie aus den Auseinandersetzungen um TTIP und CETA
nichts gelernt haben .
Und wissen Sie, was mich wirklich erschüttert? Sie
sprechen davon, dass Sie sich beim Klimaschutz nicht
von Trump abhalten lassen, geschweige denn, dass Sie
hier etwas gemacht hätten . Aber Sie hören nicht auf, dieser US-Regierung hinterherzulaufen und davon zu reden,
mit uns doch bitte, bitte ein Freihandelsabkommen abzuschließen . Ich erwarte von Ihnen, Frau Merkel, aus Gründen der Glaubwürdigkeit beim Klimaschutz und auch aus
Gründen der Würde, dass Sie aufhören, der US-Regierung hinterherzulaufen und um ein Freihandelsabkommen zu betteln, solange die nicht bedingungslos in den
Vertrag von Paris zurückgekehrt sind . Das erwarte ich
einfach von Ihnen .
({9})
Man könnte auch noch einiges zu den Fluchtursachen
und zur Finanzkrise sagen . Die Fluchtursachen haben
auch etwas mit unserem eigenen Handeln zu tun, mit unseren Agrarexporten, mit der Fischereipolitik der Europäischen Union . Auch da würde ich erwarten, dass man
endlich einmal vor der eigenen Haustür kehrt .
Deshalb, Frau Merkel: Wer bei einem G-20-Gipfel
wirklich führen will, der muss vorangehen . Ich erwarte
von Ihnen und Ihrer Bundesregierung, dass Sie endlich
die Hausaufgaben, von denen Sie gesprochen haben, machen und vor der eigenen Tür kehren . Ich wünsche mir,
dass die Bürger das klar erkennen
({10})
und sich im Herbst dieses Jahres eine andere Bundesregierung wählen . Sie hatten zwölf Jahre Zeit, und am Ende
gilt: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen . - An diesen Taten erkennt man Sie . Deshalb: Handeln Sie endlich! Sie
haben noch wenige Wochen Zeit. Dann wird hoffentlich
Bilanz gezogen .
Vielen Dank .
({11})
Volker Kauder ist der nächste Redner für die CDU/
CSU-Fraktion .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Wir debattieren heute über die Regierungserklärung der
Bundeskanzlerin zu den Ergebnissen des letzten Europäischen Rates und zu dem, was beim G-20-Gipfel auf
uns zukommt . Wenn man sich die Ergebnisse des Rates anschaut und wenn man sich anschaut, was auf dem
G-20-Gipfel zur Debatte steht, kann man von zwei großen Themen reden . Das ist erstens das Thema „Sicherheit
und Bekämpfung von Terror“ und zweitens das Thema
„globale wirtschaftliche Entwicklung“ . Die globale wirtschaftliche Entwicklung beinhaltet praktisch als Unterpunkte weitere wichtige Themen . Beispielsweise werden
wir das Problem der Fluchtursachen nicht ohne globale
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung lösen
können .
({0})
Deswegen gehören diese Dinge zusammen .
Wenn ich mir die Abschlusserklärung der letzten Sitzung des Europäischen Rates anschaue, sehe ich, dass
dort außer auf das Thema „wirtschaftliche Entwicklung
in Europa“ vor allem auf das Thema Sicherheit großer
Wert gelegt wird, und zwar auf innere Sicherheit und auf
äußere Sicherheit . Darin ist die Rede davon, dass wir die
Sicherung der Außengrenzen in Europa verbessern müssen, um die Freizügigkeit in Europa erhalten zu können .
({1})
Darin ist die Rede davon, dass wir den Terror bekämpfen
müssen . Wir sind uns doch in großen Teilen dieses Hauses einig, dass die Reden hier an diesem Pult oder Reden
in Europa und in der Welt zur Terrorbekämpfung nicht
ausreichen, sondern dass man dafür auch praktisch etwas
tun muss . Das heißt, dass wir uns natürlich an gemeinsamen militärischen Aktionen und Operationen beteiligen .
({2})
Das war im Übrigen damals eine zentrale Aussage
von Peter Struck, als er erklärt hat, wo wir die Sicherheit unseres Landes verteidigen: nämlich nicht nur hier
in Deutschland, sondern auch am Hindukusch . Eine solche mutige Aussage habe ich seitdem aus den Reihen der
SPD nicht mehr gehört, meine sehr verehrten Damen und
Herren .
({3})
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen .
Wenn wir miteinander Soldatinnen und Soldaten in die
ganze Welt schicken, damit sie in unserem Auftrag für
Sicherheit sorgen, und sie dafür persönliche Risiken eingehen, dann haben wir die verdammte Verpflichtung, alles zu tun, um die höchstmögliche Sicherheit für unsere
Soldatinnen und Soldaten im Einsatz zu gewährleisten .
({4})
Dazu kann ich nur sagen: Was in dieser Woche auf Druck
der SPD im Haushalts- und im Verteidigungsausschuss
geschehen ist, nämlich dass die Anschaffung einer bewaffneten Drohne nicht beschlossen wurde, ist das glatte
Gegenteil von einer höchstmöglichen Sicherheit für unsere Soldatinnen und Soldaten .
({5})
Diese Entscheidung - ich will es einmal sehr vorsichtig
formulieren - geht weit über eine militärpolitische Entscheidung hinaus . Es ist eine Frage der Verantwortung,
meine sehr verehrten Damen und Herren .
({6})
Und außerdem: Ja, es stimmt - Frau Kollegin Lötzsch
hat eben danach gefragt -: Wir haben gestern im Bundeskabinett über das 2-Prozent-Ziel und auch über den
Einsatz von Mitteln für humanitäre Hilfe und Entwicklungshilfe gesprochen . Nun kann man nicht argumentieren: Wir haben eine Protokollerklärung abgegeben, damit
auch die anderen Mittel erhöht werden . - Meines Wissens hat die SPD keine Protokollerklärung abgegeben,
dass sie das 2-Prozent-Ziel ablehnt .
({7})
Das wäre der Hammer,
({8})
und ich sage Ihnen auch, warum . Ich nehme zur Kenntnis, dass die SPD glaubt, bei der Bundestagswahl in diesem Jahr nur noch eine Chance zu haben, wenn sie sich
von allem verabschiedet, was sie selber einmal ins Leben
gerufen hat .
({9})
Da wird die Agenda 2010 rückabgewickelt,
({10})
da wird die Rentenreform von Müntefering nicht mehr
verteidigt,
({11})
und jetzt ist das 2-Prozent-Ziel dran .
({12})
Lassen Sie mich zwei Zahlen nennen: 2002 hat der
damalige Verteidigungsminister Peter Struck im Auftrag
der rot-grünen Regierung Schröder das 2-Prozent-Ziel
auf den Weg gebracht . 2014 hat Herr Steinmeier das Ziel
noch bestätigt . Da kann man sich jetzt nicht so billig vom
Acker machen, meine sehr verehrten Damen und Herren .
({13})
Herr Kollege Kauder, darf der Kollege Mützenich
eine Zwischenfrage stellen?
Ich halte im Übrigen das 2-Prozent-Ziel - ({0})
- Wissen Sie, jetzt will ich Ihnen einmal etwas sagen:
({1})
Sie können den Herrn Kollegen Mützenich nachher ans
Rednerpult schicken . Es muss in diesem Hohen Hause
auch einmal möglich sein, einen Gedanken ohne Unterbrechung zu Ende zu führen .
({2})
Im Übrigen kann unser Koalitionspartner SPD mir die
Fragen auch bilateral stellen . Wir müssen uns nicht im
Plenum darüber unterhalten .
({3})
- Sie scheinen ja sehr verunsichert zu sein .
({4})
Wir halten an dem 2-Prozent-Ziel fest, weil es auch in
Europa vereinbart wurde . Man kann sich nicht hierherstellen und die Europapolitik von Helmut Kohl verteidigen und dann Vereinbarungen auf europäischer Ebene
kritisieren . Das ist nicht fair, meine sehr verehrten Damen und Herren .
({5})
Ich wende mich jetzt noch einmal den Themen zu, die
beim Gipfel eine Rolle spielen und die in Europa auch
bisher schon eine Rolle gespielt haben .
Ein zentrales Thema ist die wirtschaftliche Entwicklung . Die wirtschaftliche Entwicklung hängt ganz
entscheidend von einer entsprechenden Bildung ab .
Diesbezüglich stehen wir in der ganzen Welt vor Herausforderungen .
Die wirtschaftliche Entwicklung hängt aber auch davon ab, dass wir bereit sind, in neue Produkte und neue
wirtschaftliche Aktivitäten zu investieren . Hier erkenne
ich ausgezeichnete Signale, auch in der Zusammenarbeit
mit Frankreich .
Auf einem Kongress der Unionsfraktion hatten wir
gestern Andreas von Bechtolsheim zu Gast . Er ist einer
der großen Unternehmer und Akteure im Silicon Valley .
Er hat uns aufgezeigt, dass Deutschland und Europa bei
der digitalen Entwicklung - und zwar nicht nur, was die
Hardware anbelangt, sondern auch bei der Entwicklung
neuer digitaler Produkte - nicht dasselbe Niveau haben
wie bei der Produktion . Er hat diesem nicht gerade ermutigenden Befund jedoch den Hinweis folgen lassen: Es
ist aber überhaupt nicht zu spät, weil die Entwicklungen
sehr schnell vorangehen . - Er sagte: Sie müssen das Thema jetzt mutig angehen . In diesen digitalen Prozessen liegen große Wachstumschancen, weil mit einem relativ geringen Aufwand sehr viele Menschen auf einmal bedient
werden können . - Das war seine Aussage . Im Zusammenhang mit der Frage „Was können solche Entwicklungen sein?“ hat er darauf hingewiesen, dass wir gerade in Deutschland aufgrund unserer starken Produktion
produktionsnahe Dienstleistungen schneller und besser
digitalisieren können . Er hat auch darauf hingewiesen,
dass in dem ganzen Thema der künstlichen Intelligenz
große Chancen liegen, die man sich näher anschauen und
schnell nutzen sollte .
Frau Bundeskanzlerin, ich höre, dass Sie im Rahmen
der Zusammenarbeit mit Frankreich auf genau dieses
Thema setzen . Daraus kann vielleicht eine gemeinsame
Aktion entstehen . - Das ist der Unterschied: Wir zeigen
nicht mit dem Finger auf andere, sondern machen unserem Nachbarn, Partner und Freund Frankreich konkrete
Angebote, um voranzukommen .
({6})
Wir sind die Einzigen, die solch konkrete Projekte vorlegen . Es wird nur vorangehen, wenn wir mit Frankreich
gemeinsame Projekte angehen .
Meine sehr verehrten Damen und Herren, gestern haben wir auch einen Business-Dialog mit Vertretern Indiens geführt . Dabei ist noch einmal deutlich geworden,
dass es in Indien hochentwickelte Regionen, zum Beispiel
Bangalore, und Spezialisten gibt . Von den 1,3 Milliarden
Menschen - Minimum - auf diesem großen Subkontinent
sind aber nicht einmal 10 Prozent richtig ausgebildet .
Doch ohne eine qualifizierte Ausbildung wird Indien das
notwendige Wachstum nicht erreichen . Wir treten aber
auch Indien nicht mit erhobenem Zeigefinger gegenüber,
sondern sagen: Wo wir etwas Besonderes leisten können,
bieten wir das auch an . - Deswegen ist die Zusammenarbeit im Bereich der Infrastruktur - Beispiel Eisenbahn -,
die mit Indien beim letzten Regierungstreffen vereinbart
wurde, ein zentrales Thema . Die Inder wissen, dass dieser große Subkontinent nur dann in eine wirtschaftliche
Wachstumsphase eintreten kann, wenn es in diesem Land
gute Verbindungen, wenn es eine gute Infrastruktur gibt .
Daran sieht man: Die reale Welt und die digitale Welt
gehören zusammen .
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist wichtig, Fluchtursachen zu bekämpfen . Darum geht es bei
dem Gipfel auch um Afrika . Afrika endlich nicht mehr
nur als Entwicklungskontinent zu betrachten, sondern
eine neue Perspektive aufzuzeigen, das ist, finde ich, unserem Minister Müller in hervorragender Weise gelungen .
({7})
Mit dem Hoffnungsbegriff „Marshallplan für Afrika“ hat
er diesen Kontinent so was von elektrisiert wie schon seit
vielen Jahren nicht mehr .
Im Übrigen - jetzt muss ich einmal einen Zettel herausholen, um die richtigen Zahlen nennen zu können -:
Die Steigerung der Mittel des BMZ von 2014 bis 2018
beträgt 38 Prozent . Wer da behauptet, da sei nichts passiert, der muss gleichzeitig taub und blind sein . Die Steigerungen im BMZ und im Auswärtigen Amt betragen
von 2014 bis 2018 42 Prozent . Jetzt kann man natürlich
sagen: Es könnte auch mehr sein . - Aber wir sollten doch
stolz darauf sein, dass es in diesem Zeitraum gelungen
ist, so etwas zu tun .
({8})
Fluchtursachen zu bekämpfen, hat etwas mit wirtschaftlicher Entwicklung, mit Bildung zu tun . Es hat aber
auch etwas mit der Bekämpfung des Terrors zu tun . Ich
denke dabei beispielsweise an die Situation in Nigeria an das, was dort an Terror und Flucht geschieht . Heute
Nachmittag haben wir einen großen Kongress zum Thema „Vergewaltigung ist eine Kriegswaffe“. Da werden Jesidinnen, Frauen aus dem Irak und anderen Regionen der
Welt uns darüber berichten, dass sie durch genau solche
brutalen Terrortaten vertrieben wurden . Deswegen heißt
Bekämpfung des Terrors: einsetzen für Religionsfreiheit
und Menschenrechte . Das ist ganz zentral wichtig .
Ja, Herr Kollege Bartsch, darüber müssen wir reden .
Es ist aber schon eine besondere Form der politischen
Wirklichkeit, wenn Sie sich hierhinstellen und über eine
ganze Reihe von Menschenrechtsverletzungen sprechen,
aber sich nicht trauen, die Wahrheit zu sagen, dass Russland in vorderer Front mit dazugehört .
({9})
Wir sollten damit insgesamt fair umgehen .
Zusammenfassend sage ich: Diese Bundesregierung
mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin hat in den zwölf
Jahren gewaltige Schritte gemacht . Erfolg kann man aber
immer nur dann haben, Herr Kollege Hofreiter, wenn die
anderen auch mitmachen .
({10})
Mitmachen bedeutet, sie zu gewinnen . Das kann man
aber nicht, wenn man hier herumredet und sagt: Das
muss passieren . - Und beim Gewinnen hat die Bundeskanzlerin doch wirklich unglaubliche Erfolge erzielt . Das
muss man doch auch einmal sagen .
({11})
Der letzte Hinweis . Auch beim Klimaschutz ist viel
gelungen . Ja, Sie haben recht, dass wir beim Klimaschutz
vorankommen müssen . Aber die Bundeskanzlerin kann
nun wirklich nichts dafür, dass Trump das Klimaabkommen aufgekündigt hat .
({12})
Dazu muss ich sagen: Lassen Sie jetzt doch einmal die
Kirche im Dorf .
({13})
Herr Hofreiter, im Übrigen gilt eines: Wir müssen natürlich wirtschaftliche Entwicklung und Klimaschutz schon
als gemeinsames Ziel, vielleicht als die beiden Seiten einer Medaille, betrachten . Wie man sich bei diesem Thema verrennen kann, das können Sie sich in dem Video
von Herrn Kretschmann anschauen, in dem er darüber
spricht, wie man mit Diesel, Klimaschutz und wirtschaftlicher Entwicklung umgeht .
({14})
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, also:
Wir stehen vor großen Herausforderungen . Aber wir dürfen uns auch sagen: Wir haben in vielen Punkten richtige
Akzente gesetzt . Ja, es gibt noch weitere Aufgaben . Aber
ich sehe niemanden, wirklich niemanden, der diese Aufgaben so gut bewältigen könnte wie Angela Merkel .
({15})
In dieser Aussage will ich mich nicht vom Frontmann der
„Toten Hosen“, Campino, übertreffen lassen, der genau
diesen Satz gesagt hat: „Wer kann es besser als Angela
Merkel?“
({16})
Bernd Westphal erhält nun das Wort für die SPD-Fraktion .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Herr Kauder, Sie haben eben, was Verteidigungs- und Sicherheitspolitik angeht, die SPD genannt . Ich will Ihnen
als Erstes sagen: Wir brauchen dort keine Nachhilfe von
Ihnen . Die Verteidigungsminister der Sozialdemokratie
hatten mehr Zustimmung in der Truppe als die jetzige
Amtsinhaberin .
({0})
Als Zweites kann ich Ihnen auch sagen: Die Herausforderungen, die Sie richtigerweise beschrieben haben hier bin ich ja bei Ihnen -, verlangen andere Maßnahmen
als bewaffnete Drohnen.
({1})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, am 7 . und 8 . Juli
2017 steht Deutschland als Gastgeber des G‑20‑Treffens
im Mittelpunkt globaler Aufmerksamkeit, und die Menschen werden sich berechtigterweise fragen: Was kommt
eigentlich dabei heraus, wenn sich die Regierungschefs
aus 20 wichtigen Wirtschaftsnationen treffen? Ist der
Aufwand gerechtfertigt? Gibt es wirklich Fortschritte
und Verbesserungen?
Um es gleich vorwegzusagen: Wir halten die G 20 für
eines der wichtigsten Foren, wenn nicht sogar für das
global wichtigste Forum . Nur in solchen Foren kann die
notwendige internationale globale Zusammenarbeit koordiniert werden . - Das sagen wir denjenigen, die dieses
Forum noch immer hinterfragen .
Die SPD hat sich aufgrund der Geschichte der Arbeiterbewegung und mit Personen wie Willy Brandt immer
für internationale Zusammenarbeit und Kooperation einVolker Kauder
gesetzt . Wir brauchen sie . Unserer Meinung nach sollte
die Zusammenarbeit aber stärker auf die Bedürfnisse der
Menschen abzielen . Die internationale Zusammenarbeit
muss gerechter, fairer und auch wirkungsvoller sein .
Aber es gibt keine Alternative . Dieser Dialog ist wichtig,
und deshalb ist das G‑20‑Treffen eine wichtige Plattform.
Das sage ich auch an die Adresse derjenigen, die nur
Protest zeigen und wenig Verständnis für die notwendige politische Abstimmung zwischen diesen Staaten haben . Nur im Dialog können wir Globalisierung gestalten .
Gerade die Gegner der bisherigen Globalisierungsprozesse müssen ein Interesse daran haben, diesen Dialog
zu stärken, damit auch die, die zum Beispiel in Bangladesch oder sonst wo für einen Hungerlohn arbeiten, eine
Chance auf soziale Absicherung, auf menschenwürdige
Arbeitsbedingungen, auf eine intakte Umwelt und auf
Teilhabe am Wohlstand haben .
Immer stärker rücken Fragestellungen in den Vordergrund der G 20, die weiter gehen als Fragen der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit . Der Handel
bietet Lösungsansätze für diese globalen Herausforderungen . Wir sagen Ja zu dieser verbesserten Zielstellung
der G 20 mit Schwerpunkten auch in den Bereichen Klimapolitik und Ernährungssicherung und beim Thema
Arbeit .
Das Treffen der Arbeitsminister, Labour 20, im Mai
dieses Jahres hat neue Regeln für eine faire Globalisierung und für digitales Arbeiten verfasst . Die Gewerkschaftsgruppierungen übergaben diese Empfehlungen an
die Bundesregierung . Wir begrüßen diesen Dialog mit
der Zivilgesellschaft im Rahmen der G-20-Beteiligungsprozesse, auf die diesmal ein Schwerpunkt gelegt wurde .
Diese Gruppen nennen sich die „C 20“ . Dieser Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Akteure im G-20-Prozess besteht aus zivilgesellschaftlichen Organisationen
und gestaltet dieses Forum mit .
Die G 20 hat sich in den letzten acht Jahren deutlich
gewandelt . Wir begrüßen, dass arbeitsmarktpolitische
Themen und Soziales, aber auch der Schutz der Umwelt,
die Bekämpfung von Fluchtursachen, die globale Gesundheit und die Stärkung von Frauen und Kindern mit
auf der Tagesordnung stehen .
({2})
Ob es bei den G-20-Themen wirklich zu Durchbrüchen kommt, bleibt abzuwarten . Sicherlich wird vieles
durch die Teilnahme von Herrn Trump und Erdogan
nicht einfacher, da die G-20-Regeln vorgeben, dass Entscheidungen im Konsens zu treffen sind. Es ist jedoch
wichtig, die Ziele der nachhaltigen Entwicklung in der
Agenda 2030 und das Pariser Klimaschutzabkommen
mit neuen Impulsen voranzutreiben . Der Gipfel bietet
Deutschland die Möglichkeit, auf die Notwendigkeit
einer neuen, an soziale und ökologische Anforderungen
angepassten Zukunftsvision hinzuweisen .
Wir können viele Neuerungen in unserer sozialen
und klimafreundlichen Wirtschaftspolitik auf dem Gipfel mit unseren Partnern diskutieren und sie auffordern,
sich dieser Politik zu öffnen. Ähnliches gilt für weiter
gehende Entscheidungen des Europäischen Parlaments
und der EU zu Mindeststandards in den globalen Wertschöpfungs- und Lieferketten . Diese menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Regeln gehören in die
G-20-Gruppe, sie gehören auf den Gipfel und müssen
dort diskutiert werden .
Hervorheben möchte ich den Erfolg, den wir bei der
G-20-Präsidentschaft in der Arbeitsgruppe „Handel und
Investitionen“ erzielt haben . Auch hier wünschen wir
dem G-20-Gipfel, dass er einen Beitrag dazu leistet,
Handel fairer zu machen und verbindliche Verbraucherund Umweltschutzstandards zu vereinbaren . Dazu müssen vor allen Dingen Sie, Frau Bundeskanzlerin, da Sie
Gastgeberin dieses Gipfels sind, durchsetzungsstarke
Verhandlungsstrategien aufnehmen . Es liegt maßgeblich
an Ihnen, ob die guten vorgegebenen Ziele beim Gipfel
Unterstützung bekommen oder nicht . Da hilft kein vorsichtiges Herantasten . Da müssen Führungsqualitäten
gezeigt und Zukunftsvisionen formuliert werden . Die
Zusammenarbeit der G-20-Länder muss in Hamburg
Handlungsoptionen für morgen nicht nur aufzeigen, sie
müssen durchgesetzt und vor allen Dingen umgesetzt
werden .
Viele Forderungen beziehen sich nicht nur auf die
Handelspolitik . Uns geht es auch um einen konstruktiven Austausch mit Schwellen- und Entwicklungsländern . Wir brauchen förderliche Rahmenbedingungen für
Investitionen, für die Schaffung von Arbeitsplätzen und
die wirtschaftliche Entwicklung, vor allen Dingen in afrikanischen Ländern . Geeignete Maßnahmen gibt es im
finanz‑ und wirtschaftspolitischen Bereich sicherlich viele .
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Willy Brandt hat 1976 bei einer
Rede formuliert:
Die reichen Nationen werden nicht reich bleiben,
wenn die Armenhäuser der Menschheit wachsen .
({3})
Wir wünschen dem G-20-Gipfel viel Erfolg und eine
erfolgreiche Wahrnehmung der Verantwortung für diese
Aufgabe .
Vielen Dank .
({4})
Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Jürgen Trittin
für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bundeskanzlerin! Ich stimme Ihnen zu, wenn Sie sagen: Wir
müssen uns gegen Protektionismus und gegen Isolationismus wehren . - Für diesen Kampf hat Sie die New
York Times zum „leader of the free world“ ernannt . Dagegen haben Sie sich gewehrt, vielleicht sogar zu Recht .
Sie sind keine Führerin, sondern Sie sind de facto in den
letzten zwölf Jahren als die Königin des organisierten
Rückzugs der Konservativen aufgefallen . Immer erst,
wenn etwas total aus der Zeit gefallen ist, haben Sie es
einkassiert: Wehrpflicht, Atomkraft. Und jetzt soll es die
Ehe für alle geben .
Wenn man in einer solchen Situation über Führung
spricht: Führung hat etwas mit Vorangehen zu tun . Wie
glaubwürdig ist es von Ihnen, das Ausscheiden von
Donald Trump aus dem Pariser Abkommen zu beklagen,
wenn Sie gleichzeitig in Nordrhein-Westfalen eine Koalitionsvereinbarung abschließen, die schlicht und ergreifend Trump pur ist? Keine erneuerbaren Energien, sondern es wird ausschließlich auf die Kohle gesetzt .
({0})
Das ist industriepolitisch fatal . Heute werden 35 Prozent der Windenergieanlagen der Welt in China installiert und 17 Prozent in den USA . In Deutschland beträgt
dieser Anteil noch 10 Prozent, und in Nordrhein-Westfalen wollen Sie das auf null bringen . Wollen Sie bei den
erneuerbaren Energien den gleichen Offenbarungseid
schwören,
({1})
den Sie schon für die Automobilindustrie ablegen mussten?
({2})
Es war doch ein Offenbarungseid, als Sie in China darum
betteln mussten, dass es nicht zu früh zu einer Quote für
Elektroautos kommt, weil unsere Autoindustrie genau
diese Entwicklung auf den Zukunftsmärkten verpennt
hat .
({3})
Wir wollen den Handel nutzen . Wir wollen keinen
Protektionismus. Wir wollen offene Handelsbeziehungen. Frau Bundeskanzlerin, wie wollen Sie denn offene Märkte hinbekommen, wenn Sie Handelsabkommen
durch die Hintertür, abgeschirmt von der Öffentlichkeit,
abschließen? Wie wollen Sie offene Märkte erreichen,
wenn Sie die Regulierung dieser offenen Märkte geheimen, privaten Schiedsgerichten überlassen? Das ist es
doch, was die Menschen am Ende dazu bringt, zu glauben, dass nur noch die Nation sie vor den Gefahren und
den Verlusten durch die Globalisierung schützt .
({4})
Deswegen sage ich Ihnen: So etwas wie JEFTA ist
doch gerade Beförderung von Protektionismus . Die Konsequenz ist Nationalismus und das, was wir von jenseits
des Atlantiks - ich sage ausdrücklich: leider - hören .
Das letzte Weltwirtschaftsforum - das ist ja nicht eine
Versammlung von Grünen; ich habe davon einen anderen
Eindruck - hat zwei große Risiken für die Welt entdeckt:
Klimawandel und Ungleichheit . Und in der Tat - ich will
die Debatte gerne aufgreifen, die auch Sie, Herr Kauder,
hier geführt haben -: Eine Welt, in der 8 Milliardäre so
viel besitzen wie 3,6 Milliarden Menschen, die ärmere
Hälfte der Menschheit, wird keine sichere Welt sein .
({5})
Da hat die G 20 die Verantwortung . Was macht das
Land, das jetzt die Präsidentschaft der G 20 hat? Das legt
einen Haushaltsplan mit einer mittelfristigen Finanzplanung vor . Was ist darin die Antwort auf diese Herausforderungen? Lesen Sie es mal nach! Von 2018 bis 2021
sollen die Rüstungsausgaben in Deutschland um 14 Milliarden Euro steigen . Was ist mit den Ausgaben für das
Auswärtige Amt,
({6})
für die humanitäre Hilfe, für das Entwicklungsministerium? Die sollen in dem gleichen Zeitraum um 1 Milliarde
Euro sinken .
({7})
Das sind die falschen Antworten .
({8})
Das gestaltet nicht die Globalisierung . Deswegen, fürchte ich, wird dieser G-20-Gipfel kein Erfolg für die Gestaltung der Globalisierung sein .
({9})
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Kollegin
Gerda Hasselfeldt das Wort .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es
ist unbestritten: Viele der großen Herausforderungen
unserer Zeit - ob das die Migrationsproblematik ist, die
Bewältigung des Klimawandels, die Bekämpfung von
Armut weltweit oder die Verbesserung der Situation der
Menschen am Arbeitsmarkt, in der Beschäftigung wie
auch die soziale Verbesserung - können nicht mehr nur
national gelöst werden, sondern dafür braucht es die europäische und teilweise internationale Zusammenarbeit .
Deshalb ist es auch wichtig und richtig, dass sich auf
europäischer Ebene und auf der Ebene der G 20 immer
wieder die Staats‑ und Regierungschefs treffen, diskutieren, miteinander reden und Schritt für Schritt auch die
Probleme angehen .
Wenn hier beklagt wurde, dass Europa vielleicht in
einem nicht ganz so guten Zustand ist und manches, wie
Thomas Oppermann zu Griechenland gesagt hat, noch
nicht ganz in trockenen Tüchern ist oder sogar anders
hätte gemacht werden sollen, dann wollen wir uns doch
einmal vergewissern, meine Damen und Herren, wie
die Situation wirklich ist . Wir haben heute in der EuroJürgen Trittin
päischen Union, sowohl im Euro-Raum als auch in der
gesamten Union, die niedrigste Arbeitslosenquote seit
2008/2009 . Das haben wir auch durch gemeinsame europäische Bemühungen und nicht zuletzt durch unseren
Stabilitätskurs im Hinblick auf die Problematik der europäischen Währung erreicht .
({0})
Wir haben gezeigt: Wir sind solidarisch . - Aber zur
Solidarität gehört auch, dass in den einzelnen Nationalstaaten die Hausaufgaben zur Haushaltskonsolidierung
und zu den Strukturreformen gemacht werden . Der
Druck dazu ist dadurch entstanden, dass vonseiten der
Europäischen Union unter deutscher Initiative immer
wieder auf diese Hausaufgaben der einzelnen Staaten
hingewiesen und unsere solidarische Hilfe auch davon
abhängig gemacht wurde .
Das Ergebnis haben wir heute: Wir haben eine bessere
wirtschaftliche Entwicklung und eine bessere Situation
für die Menschen in Europa . Das gilt auch für Griechenland, liebe Kolleginnen und Kollegen .
({1})
Ich begrüße es sehr, dass mit der Entscheidung beim
Europäischen Rat in der vergangenen Woche ein klares
Signal für offene Märkte ausgesandt wurde. Ich begrüße es deshalb, weil nachgewiesenermaßen die freieren
Märkte in den vergangenen Jahren dazu geführt haben,
dass die Armut der Bevölkerung in der Welt verringert
wurde . 1990 zum Beispiel waren noch 2 Milliarden Menschen weltweit von extremer Armut betroffen, heute sind
es etwa 800 Millionen - auch noch zu viel . Aber an dem
Beispiel merkt man: Freiere Märkte tragen auch dazu bei,
die Armut in der Welt zu bekämpfen, und sie tragen dazu
bei, dass es den Menschen weltweit besser geht .
({2})
Gerade für uns in Deutschland sind freie Märkte in
besonderer Weise wichtig, weil bei uns jeder vierte Arbeitsplatz vom Export abhängig ist . Nur freie Märkte
garantieren auch langfristig sichere Arbeitsplätze, garantieren eine größere Auswahl für die Verbraucher und
garantieren günstigere Preise . Deshalb unterstützen wir
moderne Freihandelsabkommen wie das CETA . Ich würde mir schon wünschen, dass die Grünen nicht nur Lippenbekenntnisse zu freien und offenen Märkten abgeben,
sondern dann, wenn es um die Konkretisierung geht, um
Regeln für diese freien Märkte, den modernsten Freihandelsabkommen, wie CETA eines ist, zustimmen und sie
nicht blockieren werden .
({3})
Viele Krisen, Kriege und Konflikte in der Welt haben
unmittelbare oder mittelbare Auswirkungen auf uns in
Europa . Deshalb ist die Frage, wie wir die Sicherheit der
Bürger in unserem Land gewährleisten, von ganz entscheidender Bedeutung . Auch das können wir nicht mit
nationalen Maßnahmen alleine lösen, sondern auch da
ist eine intensive Zusammenarbeit auf europäischer und
internationaler Ebene notwendig, beispielsweise durch
einen noch intensiveren, noch besseren Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden in Europa .
Ich bedanke mich sehr herzlich bei Thomas de
Maizière für seine Bemühungen um ein gemeinsames
europäisches Einreise- und Ausreisesystem . Das ist eine
schwierige Aufgabe - ich weiß das -, aber ich schließe
mich den Hoffnungen des Europäischen Rats an, dass wir
zum Ende dieses Jahres zu noch besseren Ergebnissen
kommen . Es ist ein schwieriger Weg, aber er hat es auf
den Weg gebracht, und er arbeitet mit großer Intensität an
diesem System .
({4})
Sicherheit der Bürger - das bedeutet auch bessere
Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich . Dazu haben
Volker Kauder und andere schon einiges gesagt . Auch ich
will betonen, dass es wichtig ist, von der Planung über
die Beschaffung bis hin zur gesamten Zusammenarbeit
im Verteidigungsbereich eine bessere Koordination auf
europäischer Ebene zu erreichen, um die vorhandenen
Ressourcen gut und effizient einzusetzen. Unser Ziel ist
es, ein starker Pfeiler innerhalb der NATO zu sein, nicht
als Konkurrenz zur NATO, sondern innerhalb der NATO
eine starke europäische gemeinsame Präsenz zu haben .
Bei einem Problem, das in den vergangenen Jahren
intensiv in der Europäischen Union bearbeitet wurde, haben wir aber zweifellos noch Handlungsbedarf . Das ist
die Frage: Wie bewältigen wir die Migration nach Europa? Es ist keine nationale Aufgabe allein, sondern es ist
eine europäische Aufgabe .
Das, was in den vergangenen Jahren hier in Bezug auf
die Sicherung der Außengrenzen und in Bezug auf die
Bekämpfung der Schleuser im Mittelmeerraum erledigt
worden ist, kann sich sehen lassen und hat auch schon
Wirkung . Aber wir wissen auch, dass wir insbesondere bei der Bekämpfung der illegalen Migration, bei der
Bekämpfung der Schleuserkriminalität noch Aufgaben
vor uns haben und dass dabei die Zusammenarbeit mit
den Herkunftsstaaten, insbesondere in Afrika, von ganz
entscheidender Bedeutung ist, um den Migrationsdruck
auf Libyen und die Mittelmeerroute tatsächlich zu verringern . Das ist eine Aufgabe, die vor uns liegt . Aber wir
wissen, dass wir auf diesem Weg nicht nur auf nationaler,
sondern auch auf europäischer Ebene schon vieles erledigt haben .
Nun, meine Damen und Herren, steht der G-20-Gipfel
vor der Tür . Im Vorfeld dieses Gipfels haben viele Gespräche mit Beteiligung der Bundesregierung und mit
Beteiligung der Bundeskanzlerin stattgefunden, etwa
Gespräche mit Nichtregierungsorganisationen, mit wichtigen gesellschaftlichen Gruppen. Ich finde, das ist eine
hervorragende Vorbereitung und macht deutlich: Hier
werden die Menschen und die Verantwortlichen in unserer Gesellschaft mit einbezogen .
Dieser G-20-Gipfel unter deutscher Präsidentschaft
gibt uns in Deutschland in besonderer Weise auch die
Möglichkeit, die Gestaltung der Globalisierung mitzubestimmen . Die Bundesregierung tut dies mit dem Ziel,
die Weltwirtschaft, die Finanzwirtschaft und den Finanzmarkt zu stabilisieren. Sie tut das mit dem Ziel, für offene Märkte zu werben, die hohe Standards gewährleisten,
und indem sie sich gegen Protektionismus einsetzt .
Und sie tut dies mit der Schwerpunktsetzung Afrika .
Ich möchte das ausdrücklich betonen; denn auf diesem
Kontinent gibt es viele wirtschaftliche Potenziale, die es
zu heben gilt . Dazu brauchen wir aber Sicherheit und Stabilität . Wir alle wissen, dass klimatische Veränderungen,
dass Bedrohungen der Gesundheit, dass Terrorismus,
Korruption und vieles andere dort eine gute wirtschaftliche Entwicklung erschweren . Genau an diesen Punkten
setzt jetzt die Initiative der Bundesregierung an mit dem
Ziel, auch mehr privates Kapital nach Afrika zu bringen
und damit auch den Menschen dort zu helfen .
Ich finde, es ist die Verantwortung der gesamten
Weltgemeinschaft, die Menschen in Afrika nicht alleinzulassen, sondern gemeinsam dafür zu sorgen, dass sich
dieser Kontinent so entwickeln kann, dass die Menschen
in ihrer Heimat bleiben können und dort eine positive
Lebens‑ und berufliche Perspektive haben. Da, meine
Damen und Herren, sind wir alle miteinander gefordert .
Deshalb ist es richtig, dies zum Schwerpunktthema der
G 20 zu machen .
({5})
Ich habe - das will ich auch ganz deutlich sagen - kein
Verständnis dafür, dass schon im Vorfeld des G-20-Gipfels gewaltbereite und linke Chaoten ankündigen, dass
sie mit allen Mitteln den G-20-Gipfel attackieren wollen .
Meine Damen und Herren, welche Möglichkeiten gibt es
sonst, um die globalen Probleme in der heutigen Zeit zu
lösen, als immer wieder miteinander zu reden, Vereinbarungen zu treffen, und zwar nicht im stillen Kämmerlein,
nicht nur zwischendurch einmal, sondern regelmäßig bei
einem G‑20‑Treffen?
Da wie auch sonst hat Gewalt keinen Platz und darf
nicht toleriert werden - auch nicht im Vorfeld mit Verharmlosungen oder gar mit Rechtfertigungen .
({6})
Ich wünsche der Bundeskanzlerin nach einem erfolgreichen Europäischen Rat nun auch einen erfolgreichen
G-20-Gipfel . Niemand außer ihr hat eine so reichhaltige
Erfahrung und eine so hohe Anerkennung weltweit . Wir
wissen bei ihr unser Land in guten Händen .
({7})
Norbert Spinrath hat als nächster Redner für die
SPD-Fraktion das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Damen und Herren! Von Helmut Kohl war
heute bereits mehrfach die Rede, ich sage: zu Recht .
Denn er ist unbestreitbar eine der prägenden Figuren in
der Geschichte unseres Kontinents in den letzten Jahrzehnten . 1992 hat er den Anspruch für seine Partei so
formuliert - ich zitiere -:
Für uns ist die Entwicklung Europas nicht irgendein
Thema der Tagespolitik . Europa ist für Deutschland
eine Schicksalsfrage; ich behaupte: die Schicksalsfrage .
Heute stelle ich fest: Ja, die Union hat sich verändert .
Vorbei die Zeiten, in denen Helmut Kohl noch Staatsräson zeigte und seine Politik darauf abzielte, auch die
anderen, insbesondere die kleineren Mitgliedstaaten immer mitzunehmen! In welchem Kontrast steht dazu die
heutige Realität . Europa ist für Ihre Partei, Frau Merkel,
Herr Schäuble und Herr Kauder, nicht mehr eine Schicksalsfrage, sondern ist so manches Mal Gegenstand tagespolitisch motivierter Rechthaberei geworden . Kaum
waren wir dem Schreckensszenario Marine Le Pen als
französische Präsidentin durch die überzeugende Wahl
von Emmanuel Macron entgangen, gab es kleinkarierte
Schulmeistereien aus der Unionsfraktion zu seinen Vorschlägen betreffend die Euro‑Zone. Schnell wurde aus
Unionsreihen erklärt, was nicht geht . Da wurden sogar
Vorschläge abgelehnt, die Macron gar nicht gemacht hatte .
({0})
Wie ist es zu diesem Verfall gekommen? Ich befürchte - Frau Merkel ist leider nicht mehr anwesend und kann
nicht zuhören; ich bin mir sicher, dass es ihr jemand ausrichten wird -, dass auch Frau Merkel dafür eine Mitverantwortung trägt . Durch ihre Art, Politik zu machen,
ist nicht nur ihre Partei europapolitisch entkernt . Das hat
auch zu einer Erosion des Vertrauens in die Europäische
Union bei der Bevölkerung geführt . Wir Sozialdemokraten wollen dieses Vertrauen wieder stärken . Draußen
wird man erkennen, dass heutzutage die Europapartei
Deutschlands die SPD ist .
({1})
Frau Merkel hat in den Jahren der Krisen an ihrer allseits bekannten Methode festgehalten, nie klar Stellung
zu beziehen . Wenn in nächtlichen Gipfelrunden im Hinterzimmer des Europäischen Rates hektisch Notlösungen
gefunden werden mussten, lautete ihre einzige Erklärung
an die deutsche Öffentlichkeit oft: Es war alternativlos. Eine zentrale Führungsaufgabe dagegen ist, getroffene
Entscheidungen zu erklären . Sie, Frau Merkel, hätten den
Menschen erklären müssen, dass und wie Deutschland
von einem politisch stabilen und wirtschaftlich starken
Europa abhängt und dass unsere Beiträge zur Krisenbewältigung keine Almosen für vermeintliche Müßiggänger aus Europa sind, sondern Investitionen nicht nur in
die Zukunft Griechenlands, sondern auch in die Zukunft
unseres Landes .
({2})
Wer argumentativ ein solches Vakuum entstehen lässt,
muss sich nicht wundern, wenn Populisten diesen Raum
füllen . Das hat Verunsicherung auch bei unseren EU-Partnern geschaffen, insbesondere bei denen, die klein oder
weniger leistungsstark sind . Sie fühlen sich im Rat oft
nicht mehr mitgenommen . Eine Folge daraus ist, dass
Sie, Frau Merkel und Herr Schäuble, mehr und mehr an
Rückhalt bei Ihren Kolleginnen und Kollegen in Europa
verloren haben . Wäre Helmut Kohl das passiert? Auch
wenn wir bei den Wahlen in den Niederlanden, in Frankreich und in Großbritannien erste Abschwächungen geGerda Hasselfeldt
sehen haben, ist die Gefahr des Populismus längst nicht
gebannt, auch nicht der Drang einiger Regierungs- oder
Parteichefs, sich wieder stärker auf die eigenen Kirchtürme zu fokussieren . Wer Menschen keine positiven Argumente liefert, der muss sich nicht wundern, wenn der
Populismus weitere Blüten treibt .
Wir brauchen eine Erneuerung an der Spitze unseres
Landes . Es wird Deutschland guttun, bei den EU-Gipfeln
demnächst durch den überzeugten und überzeugenden
Europäer Martin Schulz vertreten zu sein .
({3})
Ich wünsche mir Martin Schulz auch deshalb als Bundeskanzler, weil mit ihm die institutionelle Balance in der
EU wiederhergestellt werden kann . Frau Merkel ist zu
sehr den pragmatischen Weg des Aushandelns im Hinterzimmer gegangen . Die Menschen in Europa werden
aber ihre Begeisterung für die Europäische Union nur
aufrechterhalten oder wiederfinden, wenn wir ihre Sorgen ernst nehmen und ihnen die Dinge erklären . Dies
ist Frau Merkel immer weniger gelungen . Die an sich
vorgesehenen Entscheidungswege werden umgangen .
Die Staats- und Regierungschefs ziehen immer mehr an
sich und ziehen sich zunehmend ins Hinterzimmer zurück . Sie entziehen sich damit der unmittelbaren parlamentarischen Beteiligung und Kontrolle . Sie überlasten
sich selbst, verlieren sich in Details und untergraben ihre
eigene Autorität . Dadurch wird die Zahl der vom Europäischen Rat zwar beschlossenen, aber nicht erreichten
Ziele immer höher .
Der Aufbau der EU mit den drei Institutionen Kommission, Ministerrat und Europäisches Parlament und
deren Zusammenspiel im Gesetzgebungsprozess ist eben
nicht überflüssige und behäbige Bürokratie. Er ist vielmehr eine mit Bedacht entworfene Konstruktion, um mit
einer Gemeinschaft von mehr als zwei Dutzend Mitgliedstaaten und mit über 500 Millionen Menschen umzugehen. Dem Demokratiedefizit der Europäischen Union
gibt man Nahrung, wenn man weiter Politik im Hinterzimmer betreibt . Das schwächt das Ansehen der EU und
ihrer Institutionen nicht nur in Deutschland, sondern in
der gesamten europäischen Bevölkerung .
Ich glaube, dass wir wieder auf Helmut Kohl zurückschauen müssen, der zum Beispiel bei der Gründung der
Währungsunion bereit war, gegenüber der deutschen Bevölkerung unangenehme Wahrheiten einzuräumen und
zu vertreten . Seine Durchsetzungskraft galt nicht nur
einseitig deutschen Interessen; er stellte sich immer auch
in den Dienst des gemeinsamen europäischen Projekts .
Ich glaube, dass Martin Schulz gut für unser Land, gut
für die europäische Sache ist, dass er mit seinem großen
Respekt, den er sich erworben hat, und mit seiner Art,
zusammenzuführen statt Distanzierung zuzulassen, wenn
er nach dem 24 . September 2017 zum Bundeskanzler gewählt ist, uns und unsere Rolle in Europa deutlich besser
vertreten kann .
({4})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das hätte ich eigentlich als Schlusssatz stehen lassen können; aber ich kann
nicht umhin - weil Karthago immer noch nicht zerstört
ist -, meine Rede abzuschließen, wie ich es schon oft
gemacht habe: Unser größtes Augenmerk müssen wir
immer noch auf die Bekämpfung der erschreckend hohen Jugendarbeitslosigkeit in einigen Staaten Europas
richten . Wir müssen endlich Perspektiven für die jungen
Menschen in Europa schaffen; denn wer selbst keine Perspektiven hat, der wird schwerlich Perspektiven für seine
zukünftigen Generationen schaffen können.
({5})
Als nächster Redner hat Dr . Michael Fuchs von der
CDU/CSU-Fraktion das Wort .
({0})
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe
Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich
bin jetzt 15 Jahre hier im Hohen Hause . Das ist meine
letzte Legislaturperiode und dies dann wohl auch meine
letzte komplette Sitzungswoche . Dann fängt man schon
an, ein bisschen zurückzudenken .
Wie war das denn im Jahre des Heils 2002, als ich
hierherkam?
({0})
Die Situation war weit schlechter als heute .
({1})
Deutschland wurde als der „kranke Mann Europas“ bezeichnet . The Economist schrieb: „Ein Riese geht in die
Knie .“ Wir hatten 4,1 Millionen Arbeitslose . Die Zahl
wuchs dann bis 2005 - so lange währte die Kanzlerschaft
Schröder - auf 5 Millionen . Die Arbeitslosenquote lag
bei 10 Prozent. Das Haushaltsdefizit des Bundes lag bei
3,9 Prozent . Wir haben natürlich auch die Maastricht-Kriterien gebrochen; wir waren da mit den Franzosen die
Ersten . Schröder war vernünftig, hat erkannt: „Das kann
nicht so weitergehen“,
({2})
und die Agenda 2010 auf den Weg gebracht, und Sie verweigern heute, die Vaterschaft für diese Agenda anzuerkennen .
({3})
Es ist doch ein Trauerspiel, dass Sie jetzt hingehen, bestimmte Dinge wieder zurückzudrehen, weil Sie glauben,
nur auf diese Weise eine Koalitionsbasis mit den Linken
zu finden. Das ist doch der einzige Grund, weswegen Sie
das machen .
({4})
Machen wir uns nichts vor: Bei Ihrem Arbeitslosengeld Q
steht Q für Quatsch! Das lassen wir sein; das brauchen
wir nicht . Wir müssen, im Gegenteil, auf dem Weg der
Agenda 2010 fortfahren . Das macht Sinn .
({5})
Heute ist die Situation deutlich besser . Wir haben gerade einmal halb so viele Arbeitslose wie zu Zeiten von
Herrn Schröder . Wir haben 44 Millionen Erwerbstätige .
Wir haben 32 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Fast alle unsere Sozialsysteme befinden sich
mittlerweile in guten, sogar in exzellenten Strukturen .
Wir könnten beispielsweise - und das sollten wir dann
auch tun - den Beitragssatz für die Arbeitslosenversicherung senken, sicherlich auf 2,7 Prozent, vielleicht sogar
auf 2,6 Prozent . Zudem haben wir - Herr Spinrath, Sie
haben es angesprochen - die mit weitem Abstand niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa . Darauf bin
ich ganz persönlich sehr stolz;
({6})
denn es gibt nichts Schlimmeres, als wenn junge Leute
keine Perspektive haben, wie das in vielen anderen Ländern leider der Fall ist .
Wir werben in meinem Arbeitsagenturbezirk mittlerweile um französische Jugendliche; denn wir haben bei
den Jugendlichen null Arbeitslosigkeit . Das ist eine tolle
Sache. Aber wir haben 600 offene Stellen im Handwerk,
und das ist ein bisschen besorgniserregend . Das kann
nämlich sehr schnell dazu führen, dass wir später nicht
die notwendigen Facharbeiter haben .
({7})
Darüber wird sich der nächste Bundestag ganz sicher Gedanken machen müssen .
Wir haben in der gesamten Legislaturperiode keine
Neuverschuldung gemacht . Das ist auch ein sehr positives Resultat der Politik von Angela Merkel und Wolfgang
Schäuble . Wir haben eben keine Politik gemacht nach
dem Motto: Kinder haften für ihre Eltern . - Wir sind den
richtigen Weg gegangen . Das muss so bleiben .
({8})
Die große Mehrheit in unserem Land merkt das . Die
Menschen spüren, dass der Aufschwung bei ihnen angekommen ist . In den letzten Jahren hat es endlich erhebliche Nettozuwächse gegeben . Das merken die Leute .
Ich hatte vor kurzem das große Vergnügen, italienische Senatoren hier zu Gast zu haben . Das Erste, was sie
mir gesagt haben, war: Vogliamo avere i vostri problemi . - Sie würden also gern unsere Probleme haben . Wenn
man sich die Situation in Italien anguckt, stellt man fest:
Dort sieht es komplett anders aus . Wir sollten das auch
mit Stolz sagen dürfen .
Wir haben in vielen Bereichen sehr viel getan . Zum
Beispiel hat der Sozialetat mittlerweile einen Anteil von
55,8 Prozent erreicht . So hoch war er, nebenbei gesagt,
noch nie . Nach der mittelfristigen Finanzplanung wächst
er auf 58 Prozent an . Dann muss es aber auch einmal gut
sein .
({9})
Davon zu reden, wir würden Sozialabbau betreiben, ist
schlicht Unsinn .
({10})
Ich wünsche mir ein Stück mehr Fairness im Wahlkampf . Ich ärgere mich enorm darüber, wie unsere Erfolge heruntergeredet werden, wie gesagt wird: Hier ist alles
schlecht . Hier ist alles ungerecht . Wir brauchen mehr Gerechtigkeit . - Fakt ist: Deutschland ist ein funktionierender Rechtsstaat mit einer guten sozialen Marktwirtschaft
und einer parlamentarischen Demokratie .
({11})
Das sollte kein Demokrat in Abrede stellen .
({12})
Zugegeben: Anschläge auf die Demokratie finden zurzeit in vielen Teilen der Welt statt, aber ganz sicher nicht
in Deutschland . Über Anschläge auf die Demokratie in
Deutschland überhaupt zu reden, ist schon sehr bezeichnend .
({13})
Meine Damen und Herren, wir müssen die Reformen fortsetzen; denn die berühmten exogenen Faktoren
können sich ganz schnell in die andere Richtung bewegen . Ich nenne drei: Wir haben einen sehr günstigen Euro-Dollar-Wechselkurs . Das befürworte ich; das ist schön
für uns. Unsere Volkswirtschaft profitiert davon, der Export läuft, aber das ist nicht gottgegeben . Wir haben einen
niedrigen Öl- und Gaspreis - ich erinnere mich: vor vier
Jahren lag der Dollarpreis für 1 Barrel bei über 100; jetzt
liegt er bei 45 -, und wir haben auch ansonsten niedrige
Rohstoffpreise. Zudem haben wir weiter - das ist ebenfalls positiv für die Wirtschaft - sehr niedrige Zinsen . Ob
das immer so bleiben kann, weiß ich nicht .
Es gibt aber zunehmend Gefahren in unserem Umfeld .
Der Protektionismus, der auch aus Amerika kommt, bereitet mir schon ein Stück weit Sorge . Wir müssen aufpassen, dass das nicht in eine völlig falsche Richtung
geht . Was da mittlerweile von Herrn Ross im Bereich
Stahl geplant wird, macht mir Sorgen; denn viele unserer
Firmen exportieren kräftig in die USA . Deswegen ist es
unsere Aufgabe, über die G 20, aber auch in der Europäischen Union für freie Märkte zu werben, für freie Märkte
zu kämpfen . Ich bin deswegen sehr froh - da liegen Sie
völlig falsch, Herr Spinrath -, dass Angela Merkel mit
dem neuen französischen Präsidenten Macron sofort eine
Allianz gebildet hat; das hat sie sehr gut gemacht . Das
scheint in Europa schon erste Früchte zu tragen, wie sie
selbst eben in ihrer Regierungserklärung gesagt hat .
({14})
Wenn wir es nicht schaffen, die WTO und auch den
Pluralismus im Handel wieder nach vorn zu bringen,
dann wird das uns allen schaden, vor allen Dingen den
Ländern, die es verhindern wollen . Deswegen ist es notwendig, dass wir, dass das Europa der 27 wieder in Verhandlungen mit den USA zu TTIP eintreten . Das muss
nicht mehr „TTIP“ heißen, damit sich nicht jeder gleich
aufregt, aber es muss weiter verhandelt werden; denn wir
brauchen freien Handel mit den USA .
({15})
Meine Damen und Herren, wir müssen in der EU und
insgesamt zu Verbesserungen bei der Infrastruktur kommen . Volker Kauder hat an unserem Gipfel mitgewirkt,
auf dem wir über Digitalisierung gesprochen haben .
Dort sind einige Zahlen genannt worden, die mir Sorge
bereiten . Die OECD hat gerade eine Analyse durchgeführt und festgestellt, dass die Glasfaserdurchdringung
im Breitbandbereich sehr dürftig ist . In Japan und Korea liegt diese bereits bei 70 Prozent, in der OECD im
Durchschnitt bei 18 Prozent und in Deutschland bei
1,3 Prozent . Das muss uns zu denken geben . Hier muss in
der nächsten Legislaturperiode ein Schwerpunkt gesetzt
werden . Bei der Telekommunikationstechnik müssen wir
auf 5G gehen . Auch da sind andere Länder schon viel
weiter als wir . Das muss ein Industrieland wie Deutschland ganz schnell umsetzen . Ansonsten wird vieles nicht
mehr möglich sein .
({16})
Oder nehmen Sie die WLAN-Hotspots . In Südkorea
kommen auf 10 000 Bürger 37 Hotspots, bei uns ist es einer . Diese Zahlen können wir nicht leugnen; wir müssen
erkennen, dass wir hier hinterherhinken . Das muss ganz
schnell geändert werden .
({17})
Ich muss noch etwas zum Thema Energiepolitik sagen;
Sie hätten sich gewundert, wenn ich es nicht tun würde .
Wir brauchen eine Versorgung mit bezahlbarer und sauberer Energie, die dazu noch sicher sein muss . Strom ist
in Deutschland weitaus teurer als in den anderen westlichen Industrieländern, die zu unseren Wettbewerbsländern zählen . Dadurch drohen Standortverlagerungen .
Der VDMA, der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer, hat festgestellt, dass die besonders energieintensiven Firmen nur noch etwa 80 Prozent ihrer Abschreibung
in Deutschland reinvestieren . Das ist Desinvestition .
({18})
Das kann uns nicht egal sein, weil das am Ende unter
Umständen bedeuten könnte, dass diese Industrien weg
sind .
({19})
- Dass Ihnen das egal ist, Herr Hofreiter, das weiß ich .
Das gibt mir Anlass, einige Abschiedsworte an meine
Lieblingskollegen von Grünen und Linken zu richten .
({20})
Meine Mitarbeiter haben mich gefragt, ob mir zu den
Grünen oder zu den Linken, Herr Bartsch, zum Abschluss nicht irgendetwas Nettes einfiele.
({21})
Ich habe lange nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen: inhaltlich nicht viel .
Im Energiebereich wollen Sie von den Grünen fossil
gefeuerte Kraftwerke in Deutschland abschalten - Sie
haben das eben gesagt -, bevor die notwendigen Netze
vorhanden sind, bevor wir entsprechende Speichertechnologien haben . Dann sollen wir halt Kernkraftstrom aus
Frankreich und Tschechien kaufen und Kohlestrom aus
Polen . Das ist doch verlogen . Versuchen Sie doch bitte
einmal, zu erklären, wie es ohne fossil gefeuerte Kraftwerke gehen soll, wenn Sie aus der Kernkraft aussteigen .
({22})
Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister hat völlig zu
Recht gesagt, man könne nicht gleichzeitig aus Kernkraft und Kohle aussteigen . Das funktioniert nicht . Wir
brauchen erst Lösungen dafür . Wir brauchen eine sichere
Energieversorgung, und zwar auch nachts und in der berühmten Dunkelflaute.
Rückwärtsgewandtheit, Fortschrittsfeindlichkeit und
Rezepte von gestern können wir nicht für die Zukunft
gebrauchen . Sie von den Grünen verkörpern für mich
das genaue Gegenteil von Freiheit und selbstbestimmtem Leben . Sie gängeln die Menschen . Wir brauchen in
Deutschland keine Besserwisserpartei .
({23})
Die Bürger brauchen keinen staatlichen Veggieday . Sie
brauchen auch keine Regierung wie in Niedersachsen,
die vorschreiben will, dass man im Internet an Sonn- und
Feiertagen nicht einkaufen darf . Einen solchen Unsinn
habe ich noch nie gehört . Als ob so etwas gehen würde!
Das ist von Ihrer Partei gefordert worden; Sie können das
nachprüfen .
Ich sehe auch nicht das größte Problem in der Einrichtung von genderneutralen Toiletten . Darum kümmert
sich ja der Justizsenator von Berlin in allererster Linie .
Ich meine, wir haben in Berlin andere Probleme als dieses .
({24})
Man sollte sich schon um die wirklichen Probleme kümmern .
Ich komme zum Thema Elektroautos . Da lacht selbst
Herr Trittin . Wer glaubt, dass wir in der Lage sind, bis
zum Jahr 2030 komplett auf Motoren, die mit fossilem
Brennstoff betrieben werden, zu verzichten, der träumt.
Ich kann es mir hier einfach machen und den Ministerpräsidenten der Grünen zitieren . Herr Kretschmann hat
in einem Gespräch mit Ihrem Kollegen Gastel gesagt ich zitiere -:
Wie soll das funktionieren? Ihr habt keine Ahnung . … Das sind doch Schwachsinnstermine . …
Wie kann man denn so ein Zeug verzapfen?
({25})
Herr Hofreiter, diesen Worten des Herrn Kretschmann
kann ich mich uneingeschränkt anschließen . Sie sehen:
Ich kann auch einen Grünen loben .
({26})
Jedem, der es noch nicht getan hat, lege ich das Studium
dieses Videos ans Herz . Es erleichtert die Wahlentscheidung und bringt obendrein enormen Spaß .
({27})
Jetzt muss natürlich auch noch etwas zu den Linken
kommen .
({28})
- Genau, Herr Bartsch, Sie haben es erwartet . - Wenn
jemand glaubt, dass wir in Deutschland einen Steuersatz
von 75 Prozent einführen könnten, dann muss ich sagen:
Das ist einfach Träumerei . Sie würden damit den Wirtschaftsstandort leeren; das würde ganz schnell passieren .
Die Investitionen fließen dorthin, wo es keine solche fiskalistische Besteuerung gibt .
({29})
Die Einkommensteuer ist die Steuer der kleinen und
mittleren Unternehmen .
({30})
95 Prozent der Unternehmen sind Personengesellschaften, und die zahlen die Einkommensteuer .
({31})
Ich habe auch etwas gefunden, womit sich die Linke
wirklich beschäftigt . Sie hat eine Kleine Anfrage zum
Thema „Entsorgung von Feuchttüchern über die Toilette“, Drucksache 18/10588, gemacht . Das sind die Themen, mit denen Sie die Bundestagsverwaltung aufhalten .
({32})
Ich meine, Sie sollten sich einmal etwas Vernünftiges
einfallen lassen und nicht so einen Blödsinn .
({33})
Ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind .
({34})
Ich bin davon überzeugt, dass Angela Merkel beim
G-20-Gipfel Diverses erreichen wird .
({35})
Das wird sie tun . Sie wird das umsetzen, was wir brauchen, und sie wird dafür sorgen, dass wir eine bessere
Richtung einschlagen . Als Wirtschaftspolitiker - ich
komme zum Schluss, meine Damen und Herren - kann
man gar nicht anders: Man muss immer wieder daran
erinnern, auf welchen Grundlagen unser Wohlstand und
unsere soziale Sicherheit beruhen .
({36})
Wie Sie wissen und auch heute merken, streite ich
mich durchaus gerne .
({37})
Aber ich denke doch, dass wir alle darin übereinstimmen,
dass dieser politische Streit immer auch der Streit um die
besten Lösungen sein sollte . Jedenfalls war das immer
mein Ziel dabei . Für mich ist dies die letzte Sitzungswoche, ja wahrscheinlich auch meine letzte Rede in diesem
Hohen Hause . Die Tatsache, dass bei einigen im Haus
Erleichterung darüber zu spüren ist, macht mich stolz .
({38})
Ich weiß, dass ich für viele als Wirtschaftspolitiker mit
einem Hang zum klaren Wort und zur klaren Meinung als
Feindbild getaugt habe .
({39})
Das ist gut so . So muss es sein .
({40})
Liebe Grüne, liebe Linke, liebe SPD, was wäre es für ein
Verlust an politischer Kultur in Deutschland, wenn sich
der Wirtschaftsflügel der Union nicht mehr mit Ihnen
streiten würde .
({41})
Es muss diskutiert werden . Das tun wir . Indem wir gestritten haben, haben wir Parlamentarismus gelebt, und
das hat mir in all den Jahren immer viel Spaß gemacht .
Die Zeit im Bundestag hat viel Arbeit gemacht, aber auch
Freude . Manchmal habe ich ja sogar mit den Grünen,
Herr Trittin, bei dem einen oder anderen Projekt ganz gut
zusammengearbeitet .
An dieser Stelle möchte ich mich bedanken . Ich
möchte mich natürlich zuallererst bei meinem Kollegen
Kauder bedanken, der mich in den letzten acht Jahren
als stellvertretender Vorsitzender der Fraktion ertragen
musste .
({42})
Ich möchte mich bedanken bei meinen Kollegen Pfeiffer,
Nüßlein und Bareiß, mit denen ich sehr intensiv zusammengearbeitet habe . Das hat Spaß gemacht, und ich glaube, wir haben in dem einen oder anderen Fall auch gute
Lösungen gefunden . Ich habe auch den Kollegen Heil
und Westphal Dank zu sagen, mit denen ich zusammen
nach vernünftigen Lösungen gesucht habe . Manchmal
ging es bis morgens um drei .
Ich wünsche Ihnen allen für die Zukunft in diesem
Hohen Hause alles Gute, Gesundheit und Gottes Segen .
Ich wünsche meiner Fraktion natürlich, dass sie nach der
Wahl stärker zurückkommt, als sie jetzt geht .
({43})
Meine Damen und Herren, jetzt hat es sich in diesem
Hohen Hause ausgefuchst . Der Fuchs geht heim in seinen Bau .
({44})
Lieber Kollege Fuchs, ja, der politische Streit gehört
zur Demokratie, und wenn irgendjemand noch glaub-
te, dass hier alle Fraktionen und Parteien immer einer
Auffassung seien, ist er heute angesichts des politischen
Streits eines Besseren belehrt worden . In diesem Sinne
wünsche ich Ihnen für Ihre Zukunft alles Gute .
Damit schließe ich die Aussprache .
Wir kommen zur Abstimmung über die Entschlie-
ßungsanträge, und zwar zuerst über den Entschließungs-
antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12965 .
Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer
stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist dieser
Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalition
und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stim-
men der Fraktion Die Linke abgelehnt worden .
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 18/12966 . Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Damit ist auch dieser Entschließungsantrag mit
den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion
Die Linke abgelehnt worden .
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 8 a und 8 b auf:
a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Strafbarkeit nicht genehmigter Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr
Drucksache 18/10145
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz ({0})
Drucksachen 18/12936, 18/12964
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz ({1}) zu dem Antrag der
Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Stephan
Kühn ({2}), Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Verkehrssicherheit erhöhen - Raserei und illegale Autorennen wirksam bekämpfen
Drucksachen 18/12558, 18/12936, 18/12964
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . - Ich höre dazu
keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .
Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin in der
Aussprache hat die Kollegin Kirsten Lühmann für die
SPD-Fraktion das Wort .
({3})
Guten Abend, dürfen wir bitte reinkommen? Wir haben Ihnen eine Nachricht zu überbringen . - Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! In meinen
27 Jahren als Polizeibeamtin musste ich oft genug die
Überbringung von Todesnachrichten mit diesem Satz
einleiten . In vielen Fällen waren Verkehrsunfälle die Ursache .
Wie fing es an? Wir haben uns als Bundesregierung
die Marschrichtung gesetzt, die „Vision Zero“ zu verwirklichen; das heißt: Niemand mehr soll auf deutschen
Straßen bei Verkehrsunfällen zu Tode kommen . Illegale Autorennen haben daran immer mehr Anteil . In den
80er-Jahren waren es PS-starke Kleinwagen . Bei Manta,
Manta war ein illegales Autorennen der Höhepunkt des
Films . Zur Jahrtausendwende wurden es vermehrt deutsche hochmotorisierte Limousinen, die an illegalen Autorennen teilnahmen . Im Moment sind die Folgen gering,
wenn niemand zu Schaden kommt: ein Bußgeld, maximal drei Monate Fahrverbot . Wenn eine Person zu Tode
kommt, gibt es eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung . Der Rechtsrahmen dafür ist gering .
Dieses Jahr hat zum ersten Mal ein Gericht geurteilt:
Teilnehmende an einem Autorennen, bei dem ein Mensch
zu Tode kommt, nehmen dies billigend in Kauf und sie
handeln aus niederen Beweggründen . Sie wurden wegen
Mordes verurteilt . Ob dieses Urteil vor dem höchsten Gericht Bestand haben wird, wissen wir noch nicht . Es wird
Jahre dauern, bis dort eine Entscheidung gefällt wird .
Liebe Kollegen und Kolleginnen, so lange wollen wir
nicht warten . Wir müssen dieses Problem jetzt angehen .
({0})
Daher hat die Koalition Ihnen heute einen neuen Straftatbestand zur Abstimmung vorgelegt, der ein sogenanntes
abstraktes Gefährdungsdelikt vorsieht . Was heißt das?
Ähnlich wie bei einer Trunkenheitsfahrt sagen wir: Allein die Teilnahme an einem illegalen Autorennen - völlig egal, ob ein anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet
wird, eine Person auf dem Gehweg vielleicht zu Schaden
kommt - ist so gefährlich, dass ein Straftatbestand verwirklicht ist .
({1})
Auch das Organisieren eines solchen Rennens wollen wir
unter Strafe stellen . Bei der Anhörung haben uns nun die
Sachverständigen gesagt, das hielten sie für sinnvoll . Allerdings haben wir damit einen Teil noch nicht erfasst,
nämlich die Fälle, in denen nicht zwei oder mehr Fahrzeuge gegeneinander ein Rennen fahren, sondern ein
sogenannter Alleinraser fährt, also eine Person in einem
Kraftfahrzeug, die die Höchstgeschwindigkeit erzielen
will, entweder um einen Rekord zu brechen oder um einfach diesen Geschwindigkeitsrausch zu haben .
Es gibt nun mehrere Möglichkeiten, das zu regeln .
In der Schweiz gibt es zum Beispiel klare Grenzen für
Geschwindigkeiten; wer in einer 30er-Zone mehr als 70
fährt, wird einer Straftat bezichtigt . Die Sachverständigen haben uns aber klar gesagt, das hielten sie nicht für
sachgerecht . Bei diesen klaren Grenzen wird der besonderen Situation nämlich keine Rechnung getragen, also
der Witterung, den Straßenverhältnissen, der Frage, ob
viel Verkehr ist oder nicht .
Darum haben wir Ihnen einen Vorschlag gemacht, der
zwei Begriffe beinhaltet, die schon im Strafgesetzbuch
etabliert sind: die „nicht angepasste Geschwindigkeit“
und dass man das Ganze „grob verkehrswidrig und rücksichtslos“ macht . Der Vorschlag umfasst einen dritten
Begriff, der noch nicht definiert ist, nämlich: zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten . Nun hat uns der
Staatsanwalt bei der Anhörung gesagt: Ja, das ist nicht
definiert, aber das waren die ersten beiden Begriffe, als
der Deutsche Bundestag es damals beschlossen hat, auch
nicht. - Das Richterrecht hat Definitionen gefunden, und
heute ist es eine Selbstverständlichkeit, liebe Kollegen
und Kolleginnen . Das wird auch bei der Frage, was die
Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten bedeutet, der
Fall sein . Alle Sachverständigen sagten, es sei wichtig,
das zu lösen, und wir werden es mit dieser Formulierung
strafrechtlich in den Griff bekommen.
({2})
Wichtig ist auch, dass wir geregelt haben, dass es eine
Entziehung der Fahrerlaubnis geben kann und vor allen
Dingen die Fahrzeuge eingezogen werden können . Ein
Sachverständiger formulierte es etwas flapsig: Nehmt ihnen ihr Spielzeug weg, und ihr trefft sie am meisten. - Ich
glaube, das trifft es.
Wir werden heute illegale Autorennen aus der Ecke
des Kavaliersdeliktes herausholen und dahin bringen,
wo sie hingehören: strafrechtlich relevantes Verhalten,
das verantwortungslos ist und Gefahren für Unbeteiligte
birgt . Das ist auch richtig so .
({3})
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, ich wünsche niemandem, dass er die Sätze „Guten Abend, dürfen wir reinkommen? Wir haben Ihnen eine Mitteilung zu machen“
je hören muss . Ich glaube, dass dieses Gesetz, das wir
heute hier verabschieden, einen guten Beitrag dazu leistet, dass dies weniger der Fall sein wird .
Herzlichen Dank .
({4})
Jörn Wunderlich hat jetzt als nächster Redner für die
Fraktion Die Linke das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die meisten Verkehrstoten in Deutschland sind die Folge
überhöhter Geschwindigkeit . Daran muss man arbeiten .
Deswegen müsste man erst einmal vom Grundsatz her
überlegen, ob man nicht an generelle Geschwindigkeitsbeschränkungen auch auf der Autobahn nachdenken sollte .
Es gibt eben auch Spinner, die einfach nicht hinter das
Lenkrad eines Fahrzeugs gehören . Illegale Autorennen
stehen derzeit insbesondere durch den spektakulären Fall
vor dem Landgericht Berlin verstärkt im Fokus der Öffentlichkeit . Vor diesem Hintergrund ist der vorliegende
Gesetzentwurf beschlossen worden .
Nun soll ein neuer § 315d ins Strafgesetzbuch aufgenommen werden . Diese Norm sieht neben zwei konkreten Gefährdungsdelikten erstmals in Absatz 1 ein
abstraktes Gefährdungsdelikt in Bezug auf illegale Kraftfahrzeugrennen vor; es ist schon angesprochen worden .
So soll - auch nach Änderungen durch die Koalition neben dem konkreten Durchführen und der Teilnahme das muss bestraft werden - bereits das Ausrichten eines
nicht genehmigten Kraftfahrzeugrennens unter Strafe
gestellt werden . Dieses abstrakte Gefährdungsdelikt in
Absatz 1 stellt den eigentlichen Kernpunkt dar: Der bisherige Bußgeldtatbestand - es war ja schon immer mit einem Bußgeld bedroht - soll durch ein Strafgesetz ersetzt
werden, das nicht nur den Teilnehmer von Straßenrennen
erfasst, sondern auch denjenigen, der es im Vorfeld der
eigentlichen Tat ausrichtet . Darum geht es .
Das bisherige Sanktionssystem - vorwiegend die
Straftatbestände des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach § 315b StGB und der Straßenverkehrsgefährdung nach § 315c Strafgesetzbuch - setzt die Feststellung einer konkreten Gefahr für Dritte oder Sachen
von bedeutendem Wert voraus; die bloße abstrakte Gefährdung reicht eben nicht aus .
Die Einführung dieses abstrakten Gefährdungsdelikts
ist äußerst bedenklich . Dadurch wird die Strafbarkeit
vor die eigentliche Rechtsgutverletzung verlagert . Daher
muss es einen hinreichend deutlichen Bezug zu einem
Rechtsgut geben . Die Sanktionierung einer gefährlichen
Handlung stößt jedoch auf Bedenken, wenn sich diese
im Wege der Vorverlagerung nur noch diffus mit Hinweisen auf Belange der Allgemeinheit bestimmen lässt . Es
ist nicht erkennbar, welches Rechtsgut in dieser Situation
bei der Vorverlagerung geschützt werden soll . Teilweise
ist auf die Trunkenheitsfahrt verwiesen worden . Wenn
ich betrunken fahre und noch keine konkrete Gefährdung
darstelle, besteht nur eine abstrakte Gefährdung; aber aus
dieser abstrakten Gefährdung - darin sind wir uns alle
einig - kann sich blitzschnell eine konkrete Gefährdung
von Leib und Leben ergeben . Aber hier wird die Strafbarkeit so weit vorverlagert, dass man, wenn man es konsequent durchdenkt, schon allein das Alkoholtrinken bei
Führerscheinbesitzern unter Strafe stellen müsste; denn
aus diesem Trinken von Alkohol könnte sich die konkrete
Gefährdung ergeben .
Hinzu kommt, dass der Entwurf erhebliche Mängel
in Bezug auf das aus Artikel 103 Absatz 2 Grundgesetz
resultierende Bestimmtheitsgebot aufweist . Aus diesem
Grundsatz geht hervor, dass der Gesetzgeber die Voraussetzungen des Tatbestands so genau umschreiben muss,
dass die Tragweite, die im Anwendungsbereich zu erkennen ist, sich durch Auslegung ermitteln lässt . Wir können
es nicht immer der rechtsprechenden Gewalt überlassen,
das alles irgendwie hinzubiegen . Die Bestimmtheit der
Tathandlung - Frau Lühmann hat schon darauf hingewiesen - ist hier ein bisschen problematisch; das geht nach
meiner Überzeugung zu weit .
Das Problem der Einbeziehung der Fahrzeuge ist auch
nicht neu geregelt; sie war auch bislang schon möglich .
Außerdem stellt sich die Dritteigentumsfrage . Wenn jemandem das Fahrzeug nicht gehört, ergibt sich ein großes Problem .
({0})
Zu kritisieren ist ebenfalls, dass die nicht angepasste
Geschwindigkeit - auch das wurde angesprochen - zu
unbestimmt formuliert ist .
Zum Antrag der Grünen: Er weist eigentlich den richtigen Weg . Hier soll nichts neues Abstraktes eingeführt
werden, sondern die Änderung wird auf bereits bestehende gesetzliche Regelungen angewandt, indem § 315c
präzisiert wird, indem die einschränkenden Bestimmungen der Gefährdung in Bezug auf Situationen an Kreuzungen, Bahnübergängen und Einmündungen gestrichen
werden sollen .
Aber die Grünen haben leider das Problem bestehen
lassen, dass auch die Sachen von besonderem Wert unter die Gefährdung fallen . Zu fremden Sachen von bedeutendem Wert gibt es Rechtsprechung; sie fangen bei
750 Euro an . Wenn jetzt diese Gefährdung im gesamten
Straßenverkehr und nicht nur an den kritischen, bislang
benannten Stellen auftreten kann, ist im Grunde diese
Gefährdung jederzeit gegeben; denn ich kann mir nicht
vorstellen, dass ein zugelassenes, am Straßenrand parkendes oder abgestelltes Kraftfahrzeug in der Regel unter der Wertgrenze von 750 Euro liegt . So wird aus dem
konkreten letztlich wieder ein abstraktes Gefährdungsdelikt - schade . Deswegen kann man dem so nicht zustimmen .
Spinner gehören nicht hinter das Lenkrad . Raser gehören bestraft . Ihnen gehört auch das Spielzeug, eben das
Auto, weggenommen . Darüber sind wir uns alle einig .
Und ich halte diese - ich möchte schon sagen - Idioten
für charakterlich völlig ungeeignet, überhaupt ein Fahrzeug zu führen .
({1})
Aber die Vorlagen schießen - so leid mir das tut - über
das Ziel, über das wir uns alle einig sind, hinaus .
Danke schön .
({2})
Der Bundesminister Alexander Dobrindt hat jetzt für
die Bundesregierung als nächster Redner das Wort .
({0})
Sehr geehrte Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir wollen Mobilität, wir wollen sichere Mobilität, wir wollen verantwortungsvolle Mobilität, wir wollen maximale Mobilität
für die Bürger haben . Aber das geht nur mit Rücksicht
auf die anderen Verkehrsteilnehmer und mit Achtung
vor ihnen . Wer dieses Privileg der maximalen Mobilität
missbraucht und auf das Risiko sowie auf Leib und Leben anderer keine Rücksicht nimmt, der hat sein Recht
auf das Fahren auf der Straße verwirkt, liebe Kolleginnen
und Kollegen . Das ist der Inhalt unserer Regelung .
({0})
Dazu gehört, dass wir in der Tat alle diejenigen, die
sich so verantwortungslos verhalten, mit ihren Fahrzeugen aus dem Verkehr zu ziehen bereit sind . Illegale Straßenrennen, Raser, all das hat auf unseren Straßen, in unseren Städten nichts zu suchen . Es ist das richtige Signal,
das wir mit diesem Gesetz aussenden . Wir sorgen dafür,
dass zukünftig diejenigen, die glauben, sie könnten sich
an einem illegalen Straßenrennen beteiligen, die volle
Härte des Gesetzes spüren .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in unseren Debatten hatten wir alle die Wahrnehmung, dass die Zahl der
illegalen Straßenrennen durch die Möglichkeiten der
Verbreitung von Foto- und Videoaufnahmen im Internet
wohl noch einmal zugenommen hat. Offensichtlich gelJörn Wunderlich
ten die Bilder und Videos als Trophäen, mit denen man
prahlen kann .
Das Prinzip all dieser Rennen ist immer das gleiche:
Es treffen sich irgendwelche Spinner auf unseren Straßen,
um in maximal unverantwortlicher und gefährdender
Weise in einen Wettbewerb um die höchste Geschwindigkeit einzutreten und sich zu messen . Am Ende steht
oft ein tragischer Unfall, in dem völlig unbeteiligte Dritte
verwickelt sind . Damit ist entsetzliches Leid verbunden .
Wir alle kennen die traurigen Schlagzeilen aus der
Vergangenheit, zum Beispiel aus Berlin . Im Februar 2016 lieferten sich zwei Raser mitten im Zentrum
von Berlin bei 160 km/h ein Rennen, bei dem mehrere rote Ampeln überfahren wurden . Am Schluss wurde
ein unbeteiligtes Fahrzeug gerammt, dessen Fahrer bei
dem Unfall starb . Dieser Fall hat besondere Aufregung
verursacht und breite Wahrnehmung erfahren, weil zum
ersten Mal ein Landgericht deutlich gesagt hat: Das ist
einer Verurteilung wegen Mordes würdig . Das war neu
in der Rechtsprechung . Die Richter waren der Meinung,
dass durch die Teilnahme an solchen Rennen mögliche
Todesfolgen billigend in Kauf genommen werden . Das
ist genau der richtige Ansatz; diese Sichtweise teilen wir .
Man muss aber auch klar sagen: Nicht nur diejenigen, die
sich an den Rennen beteiligen, sondern auch all diejenigen, die illegale Rennen organisieren oder zu illegalen
Rennen anstiften, nehmen mögliche Todesfolgen billigend in Kauf . Dies zu belangen, das ist der Sinn unseres
Gesetzes .
({1})
In der Tat ist es so, dass die bisherigen rechtlichen
Möglichkeiten beschränkt sind . Wenn es zu keiner Gefährdung oder Schädigung eines Dritten kommt, stellt
das derzeit noch eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit
Bußgeld oder mit bis zu drei Monaten Fahrverbot geahndet wird, aber das wird dem Gefährdungspotenzial
nicht gerecht . Deswegen ist es richtig, dass wir jetzt den
Schritt gehen, die Teilnahme und die Veranstaltung von
illegalen Straßenrennen aus dem Ordnungswidrigkeitsrecht herauszulösen und einen neuen Straftatbestand zu
schaffen, der eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren
beinhaltet . Das ist die richtige Konsequenz für solche
verantwortungslosen Raser .
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bedanke mich
bei den Verkehrspolitikern und bei den Rechtspolitikern,
die mit diesem Sachverhalt sehr verantwortlich umgegangen sind und ein Gesetz geschaffen haben, das diesen sehr schwierigen Komplex aus unserer Sicht richtig
abbildet . Jetzt steht auch der Versuch der Organisation
eines Rennens unter Strafe . Das war nicht selbstverständlich . Es war nicht von Anfang an klar, dass wir auch dieses Ergebnis erreichen . Das ist aber ein Kernanliegen von
uns, weil wir schon im Vorfeld eine maximale Abschreckungswirkung entfalten wollen . Wir wollen klar darauf
hinweisen, dass auch der Aufruf zu einem illegalen Rennen im Internet eine strafbare Handlung sein kann . Das
ist eine deutliche Verschärfung der bisherigen Regel . Damit sprechen wir gegenüber denjenigen, die bereit sind,
andere zu gefährden, eine sehr klare Sprache .
Wir schaffen die Voraussetzungen für ein Fahrverbot
und einen Fahrzeugentzug . Ja, die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Entziehung von Fahrzeugen sind in der
Tat harte Maßnahmen . Aber es ist völlig klar: Wer heute
bereit ist, bei illegalen Autorennen die Gefährdung von
Dritten in Kauf zu nehmen, zeigt, dass er den Anforderungen an diese Form der Mobilität nicht gewachsen ist,
dass er mit einem Auto nicht umgehen kann . Alle psychologischen Gutachter sagen, dass diese Strafe ein harter Schlag für die Raser wäre, da sie sich in besonderer
Form über ihr Auto definieren, und dadurch eine besondere Abschreckungswirkung entsteht . Wir haben darüber intensiv diskutiert . Ich glaube, es war richtig, diese
Abschreckungswirkung zu erzeugen . Wer sich in dieser
Art und Weise verantwortungslos auf unseren Straßen
verhält, der muss wissen: Er hat zukünftig keinen Führerschein und kein Auto mehr .
({3})
Wir wollen sichere Mobilität für alle schaffen. Dazu
gehört, dass wir einen respektvollen Umgang, Rücksicht
und Achtung gegenüber allen anderen Verkehrsteilnehmern in allen Fahrsituationen wahren . Wer das nicht tun
will, wer andere gefährden will, wer sich nicht an die
Regeln auf der Straße halten will, die notwendig sind,
um sichere Mobilität zu garantieren, der hat auf unseren
Straßen keinen Platz mehr .
Danke schön .
({4})
Als nächste Rednerin spricht Renate Künast für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich bin froh, dass wir
uns in dieser Diskussion sehr seriös und ruhig einem
Delikt widmen, das vor einiger Zeit in weiten Bereichen
noch als irgendwie cool angesehen wurde . Ich bin froh,
dass wir jetzt klar zeigen: Diese massiv überhöhte Geschwindigkeit ist kein Kavaliersdelikt . Das ist nicht cool,
das ist nicht Selbstbestätigung, sondern das ist ein Verhalten, das ein extrem hohes Verletzungs- und Tötungspotenzial hat . Ein solches Verhalten halten wir nicht für
sozial, und wir sind uns deshalb einig, dass es eine gesetzliche Regelung geben muss .
({0})
In der Anhörung im Rechtsausschuss - Frau Lühmann
war auch dabei - haben wir sehr Eindrückliches über
das Thema Geschwindigkeiten gehört . Ich will Ihnen ein
paar Zahlen nennen . Ein Polizist vom LKA Köln, der
sich in diesem Bereich sehr gut auskennt, hat uns etwas
zum Thema Geschwindigkeiten gesagt, weil jemand beBundesminister Alexander Dobrindt
merkte, man könne denjenigen, der in einer Spielstraße
mit doppelter Geschwindigkeit fährt, doch nicht genauso
hoch bestrafen wie denjenigen, der mit 170 km/h über
den Ku’damm fährt . Auf Nachfrage kam der Hinweis:
In einer Spielstraße ist Schrittgeschwindigkeit erlaubt 7 km/h bis 8 km/h -; 14 km/h zu fahren bedeutet, dass
ein Kind, das dort entlangläuft, massiv verletzt werden
kann, weil Faktoren wie Reaktionszeit, Beschaffenheit,
Überraschungseffekt und Bremsweg berücksichtigt
werden müssen . Eine höhere Geschwindigkeit bedeutet
übrigens auch längere Bremswege . Die doppelte Geschwindigkeit bedeutet fast den vierfachen Bremsweg .
Bei einer Geschwindigkeit von 30 km pro Stunde kann
ein Erwachsener leicht verletzt werden . Dabei geht es
um Schürfungen, Stauchungen, Prellungen und Brüche .
Bereits bei einer Geschwindigkeit von 50 km pro Stunde
kann ein Fußgänger - ein Radfahrer sowieso - tödlich
verletzt werden . Der Kriminalbeamte sagte in der Anhörung, dass hierbei die Wahrscheinlichkeit einer tödlichen
Verletzung sehr hoch sei . Wir reden also nicht über Triviales, wenn es um diese Art von Raserei geht .
Oder umgekehrt dargestellt: Wenn Sie mit 30 km/h
angefahren werden, entspricht das einem Sturz aus ungefähr dreieinhalb Metern Höhe, aus dem ersten Stock eines Wohnhauses . Wenn Sie ein Auto mit 50 km/h anfährt,
entspricht das quasi einem Sturz aus dem dritten Stock .
Geschieht das mit 70 km/h, entspricht das einer Fallhöhe
von 20 Metern . Meine Damen und Herren, nur wenige
überleben so etwas .
Deshalb reden wir hier nicht über Triviales . Es geht
nicht nur um die Frage, ob jemand zu schnell fährt . Gelegentlich wird schon einmal davon gesprochen, dass hier
und da 10 km/h oder 20 km/h mehr als erlaubt gefahren
wurde . Aber auch das ist nicht trivial . So etwas gehört
sich nicht; denn man sollte zurückhaltend fahren . Wir
reden also über Dinge, die tatsächlich lebensgefährdend
sind oder zu massiven Verletzungen führen können, meine Damen und Herren .
Vor Jahren wäre eine solche Debatte hier noch gar
nicht möglich gewesen . Ich bin froh, meine Damen und
Herren, dass wir sie jetzt führen . Übrigens bin ich auch
froh, dass sich der Bundesverkehrsminister anders geäußert hat, als er es vor einem Jahr getan hat . Der Kollege
Kühn hatte eine Anfrage gestellt, die am 28 . Juni letzten Jahres beantwortet wurde . Darin hatte Herr Dobrindt
noch erklärt: Wir werden prüfen, ob gesetzgeberische
Maßnahmen erforderlich sind . Ich bin ja froh, dass Initiativen aus Nordrhein-Westfalen bzw . aus dem Bundesrat
kamen . Dann kam von uns der Antrag . Danach äußerte
sich die Koalition, und es kam zu einer Änderung des
Bundesratsentwurfs, sodass wir hier zu einer Entscheidung kommen können . Also klar ist: Wir müssen etwas
tun .
Ich will noch auf eines hinweisen: Es reicht nicht
allein, gesetzlich zu regeln . Wir brauchen auch Polizei
auf der Straße . Für diejenigen, die meinen, es sei trivial,
eine Geschwindigkeitsübertretung zu begehen, wenn sie
einmal schnell von A nach B wollen, brauchen wir ein
Entdeckungsrisiko . Wir brauchen spürbare Bußgelder
und Fahrverbote . Und das Tatwerkzeug - das ist hier das
Auto - muss bereits ab schweren Ordnungswidrigkeiten
eingezogen werden können .
({1})
Ich will jetzt aber zu den Anträgen kommen . Ich war
froh, dass der Bundesrat die Initiative ergriff. Er hat sich
aber auf illegale Autorennen konzentriert . Das heißt, vor
Gericht wäre der Nachweis notwendig gewesen, dass
sich zwei oder mehr Menschen verabredet haben . Da
aber die meisten Unfälle ganz allgemein mit Raserei bzw .
zu schnellem Fahren zu tun haben - ob das jetzt 40 km/h,
100 km/h oder 120 km/h mehr als erlaubt sind -, fragt
man sich doch, ob es dann noch notwendig sein muss,
die Gerichte vor das Problem der Beweislage zu stellen .
In manchen Fällen wird man die Verabredung gar nicht
beweisen können . Deshalb haben wir Grüne eben einen
anderen Vorschlag gemacht, nämlich an den § 315c StGB
heranzugehen . Wir wollen damit nicht nur illegale Autorennen unter Strafe stellen, sondern allgemein grob verkehrswidriges, rücksichtsloses und massiv zu schnelles
Fahren . Es soll in diesen Fällen die Möglichkeit geben,
längere Fahrverbote zu erteilen .
Ich will in einem letzten Satz zu Ihrem Antrag sagen,
warum wir den nicht hinreichend finden. Sie haben ja
jetzt im Bundesrat noch nachgebessert . Aber Sie haben
in den § 315c quasi hineingeschrieben: Wenn einer rast
um des Rasens willen bzw . schnell fährt, um eine hohe
Geschwindigkeit zu erreichen . Damit verwenden Sie
wieder einen unbestimmten Rechtsbegriff, wo die Gerichte beweisen müssten, dass er zur Anwendung kommt .
Demnach müsste geprüft werden, ob jemand nur schnell
von A nach B wollte, weil er seiner Oma die Blumen zum
Geburtstag vorbeibringen wollte, oder ob er raste um des
Rasens willen . Das halte ich für unzulänglich .
Ab einer bestimmten Geschwindigkeitsübertretung
brauchen wir das klare Zeichen: Wenn du so schnell
fährst, fährst du an dieser Stelle wirklich auf Kosten der
anderen, gefährdest sie . Ich habe Ihnen die Zahlen genannt . Wir können nicht zulassen, dass jemand mit einer
Geschwindigkeit fährt, die bei einem Zusammenprall einem Sturz aus 20 Metern Höhe entsprechen würde . Das
ist nicht sozial . Auch die Straßenverkehrsordnung sieht
das, was das Thema „rücksichtsvolles Verhalten“ angeht,
nicht vor . Deshalb haben wir einen anderen Vorschlag
gemacht. Ihren finden wir unzureichend. Er ist besser als
nichts; aber wir hätten uns einen anderen gewünscht .
({2})
Dr . Johannes Fechner hat jetzt für die SPD-Fraktion
das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Leider haben sich
in letzter Zeit immer häufiger schwere Verkehrsunfälle
ereignet, weil verrückte Raser mitten in unseren Städten Autorennen veranstaltet und mit ihren hochgetunRenate Künast
ten Fahrzeugen bei dem Ehrgeiz, der Schnellste zu sein,
fürchterliche Unfälle verursacht haben, nachdem sie die
Kontrolle über ihr Fahrzeug verloren hatten . In Berlin,
Mönchengladbach und Köln sind solche Raser mit unschuldigen Bürgern zusammengestoßen, die bei diesen
schrecklichen Verkehrsunfällen ihr Leben verloren haben .
Deshalb ist für uns Handlungsbedarf gegeben . Wir
müssen gegen diese Raser vorgehen und die Bürger besser gegen diese verrückten Spinner in ihren Autos schützen - auch strafrechtlich .
({0})
In der jüngsten Rechtsprechung wurden diese schlimmen Unfälle in der Tat zu Recht hart bestraft . Die Fahrer in Berlin wurden wegen Mordes verurteilt, anderswo wegen Totschlags. Ich finde, zu Recht; denn wenn
man mit über 100 km/h - in Berlin waren es sogar über
160 km/h - durch die Innenstadt donnert, dann nimmt
man den Tod von Passanten und anderen Verkehrsteilnehmern billigend in Kauf, und deswegen habe ich großes Verständnis für diese Rechtsprechung .
Wenn bei einem solchen Rennen oder einer solchen
Raserei glücklicherweise nichts passiert und niemand
zu Schaden kommt, dann wird dieses gefährliche Rasen als Ordnungswidrigkeit mit einer Sanktion von etwa
500 Euro oder einem einmonatigen Führerscheinentzug
bestraft . Das hat keinerlei abschreckende Wirkung .
({1})
Das ist zu wenig und steht vor allem in keinem Verhältnis
zu der großen Gefahr, die von einer solchen verrückten
Raseraktion für unsere Mitbürger ausgeht .
({2})
Wir haben hier also eine Schutzlücke, wir müssen
handeln . Wenn jemand etwa mit 50 km/h durch die Fußgängerzone oder mit 160 km/h über eine Schnellstraße
fährt, dann sind 500 Euro zu wenig, dann muss eine strafrechtliche Sanktion erfolgen .
({3})
Wir können heute einen guten Gesetzentwurf vorlegen, der genau diese Strafrechtslücken schließt . Ich
möchte mich ganz ausdrücklich auch bei den Verkehrspolitikern und den Rechtspolitikern der Union bedanken,
und ich bedanke mich bei beiden Ministerien für die gute
Zuarbeit . Ein Dankeschön darf ich auch an die frühere
nordrhein-westfälische Landesregierung schicken, die
mit ihrem Bundesratsentwurf unter Justizminister Kutschaty die Initiative für diese wichtige Maßnahme ergriffen hat .
({4})
Was machen wir konkret? Zukünftig wird es strafbar
sein, wenn man ein Autorennen veranstaltet, ohne dies
anzumelden und, vor allem, ohne dies zu sichern . Auch
die Teilnahme an einem solchen illegalen Autorennen ist
zukünftig strafbar und wird mit einer Freiheitsstrafe von
bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet .
Das tun wir, weil wir der Meinung sind, dass schon
die Veranstaltung eines Rennens an sich oder die Teilnahme hieran gefährlich ist und deshalb strafbar sein sollte .
Auch eine solche hirnlose Raseraktion ist nämlich nach
heutiger Rechtslage nicht strafbar, und das darf nicht so
bleiben . Wir haben leider gesehen, dass es hier schlimme
Unfälle geben kann, und deshalb müssen wir handeln .
Wir sind auch der Meinung, dass das Alleine-Rasen
strafbar sein sollte, wenn eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung vorliegt, weil auch das eine große
Gefahr für die Bürgerinnen und Bürger sein kann . Diese
Raserei ist kein Kavaliersdelikt .
Wir haben lange diskutiert, wie wir diese Norm fassen, ob wir etwa, wie in der Schweiz, konkreter werden
und möglicherweise genaue Zahlen oder Prozentzahlen
der Überschreitung in den Gesetzentwurf hineinschreiben sollten . Dann wäre das aber ein sehr langer Gesetzestext geworden, und ich glaube, wir wären dann auch
nicht der jeweiligen Verkehrssituation gerecht geworden .
Es macht eben einen Unterschied, ob jemand 30 km/h zu
schnell in der Fußgängerzone oder in der Tempo-120-Zone fährt .
Deshalb, finde ich, haben wir hier eine abstrakte Beschreibung der Gefährlichkeit gut formuliert in den Gesetzentwurf aufgenommen . Wenn mit nicht angepasster
Geschwindigkeit „grob verkehrswidrig und rücksichtslos“ gefahren wird, dann kommt es zur Strafbarkeit .
Das sind bewährte Rechtsbegriffe, Frau Künast, die die
Rechtsprechung schon heute gut definiert und ausgestaltet hat . Auch die Gutachter in unserer Sachverständigenanhörung haben gesagt, dass der Nachweis kein Problem sein wird und dass es bewährte Rechtsbegriffe sind.
Das gilt übrigens auch für die Teilnahme an Autorennen
und deren Veranstaltung . Auch das ist nach den Normen,
die wir hier gefasst haben, nachweisbar .
Wir führen aber nicht nur eine neue Strafnorm ein,
sondern wir regeln auch eine weitere Maßnahme, die in
der Autorennszene sicherlich viel mehr gefürchtet sein
wird als die Geldstrafe, nämlich die Wegnahme des Autos . Der Raser kann sein Fahrzeug verlieren .
Wir regeln, dass der Veranstalter von illegalen Autorennen oder der Teilnehmer daran oder der Alleinraser
sein Auto von einem Gericht durch Einziehung weggenommen bekommen kann . Kollegin Lühmann sagte,
dass das Spielzeug weggenommen wird. Ich finde, man
kann hier noch einen Schritt weitergehen und dies mit
dem Waffenrecht vergleichen. Wenn ein Bürger nicht
verantwortungsvoll mit seiner Waffe umgehen kann,
wenn er sich also als ungeeignet erwiesen hat, dann wird
ihm eben die Waffe weggenommen.
({5})
Genauso muss es auch im Straßenverkehrsrecht sein,
weil von diesen Fahrzeugen bei hohen Geschwindigkeiten genau wie von einer Waffe eine erhebliche Gefahr
ausgeht .
Zu Recht darf das Strafrecht immer nur Ultima Ratio sein. Ich finde aber, hier haben wir eine Schutzlücke.
Hier haben wir zu Recht ein Gesetz gemacht . Wir haben
hier Handlungsbedarf . Lassen Sie uns mit diesem Gesetz
für mehr Sicherheit im Straßenverkehr sorgen .
Vielen Dank .
({6})
Sebastian Steineke von der CDU/CSU-Fraktion hat
jetzt als letzter Redner in dieser Debatte das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es ist knapp zwei Wochen her, dass in Mönchengladbach ein junger Mann sein Leben lassen musste, weil
sich einige Unbelehrbare mitten in der Stadt ein Rennen
auf öffentlichen Straßen lieferten. Ein weiterer bekannter Fall - der Minister hat darauf hingewiesen - ist der
Raser, der hier in Berlin auf dem Kurfürstendamm mit
160 km/h mehrere rote Ampeln überfahren hat, wobei ein
unbeteiligter Autofahrer zu Tode gekommen ist . Das sind
lediglich zwei prominente Beispiele der letzten Wochen
und Monate, die Aufsehen erregt haben .
Aus den regelmäßigen Berichterstattungen in der
Presse wissen wir aber, dass dies nicht nur Einzelfälle
sind, sondern dass dies inzwischen - das kann ich so
deutlich sagen - selbst bei uns im ländlichen Raum ein
Massenphänomen geworden ist . Auch wenn es noch an
einer offiziellen Statistik fehlt - schon Frau Lühmann hat
darauf hingewiesen -, gehen Experten in ihren Schätzungen davon aus, dass illegal veranstaltete Straßenrennen
für eine Vielzahl von Verkehrstoten und auch Verletzten
verantwortlich sind . Es gibt vielerorts eine regelrechte
Raserszene, die sich über Chatdienste verabredet . Wir als
Gesetzgeber müssen handeln und tun dies heute, um diesen Wahnsinn auf unseren Straßen endlich zu beenden .
Im vorliegenden Gesetzentwurf des Bundesrates, den
wir als Koalitionsfraktion im Grundsatz unterstützen, ist
nun die Einführung eines neuen Straftatbestandes, nämlich der des verbotenen Kraftfahrzeugrennens, in dem
neu zu schaffenden § 315d StGB vorgesehen. Hierbei
wird nicht nur die aktive Teilnahme an einem verbotenen
Kraftfahrzeugrennen unter Strafe gestellt, sondern auch
das Veranstalten .
Wie sah es - das haben wir schon gehört - bisher aus?
Im geltenden Straßenverkehrsrecht wurden solche Fälle
lediglich als Verstoß gegen das Verbot der übermäßigen
Straßenbenutzung angesehen und damit als Ordnungswidrigkeit behandelt, die je nach Konstellation mit bis
zu 500 Euro Bußgeld geahndet wurde . Die erhebliche
Gefahr für Leib und Leben wurde bisher überhaupt nicht
berücksichtigt . Eine Abschreckungswirkung konnten wir
damit bisher sicherlich nicht entfalten . Das ändern wir
jetzt .
Veranstalter und Teilnehmer müssen zukünftig mit
drastischen Strafen rechnen . Bis zu zwei Jahre Haft oder
Geldstrafe ist bereits für den Grundtatbestand vorgesehen . Wer darüber hinaus Leib, Leben oder fremde Sachen
von hohem Wert gefährdet, kann mit Haft bis zu fünf Jahren bestraft werden . Wenn bei dem Rennen unbeteiligte
Personen verletzt oder gar getötet werden, beträgt die
Höchstfreiheitsstrafe zehn Jahre . Um Wiederholungstaten einzuschränken oder zu verhindern, sollen Teilnehmern und Veranstaltern dieser Rennen im Regelfall die
Fahrerlaubnis entzogen werden, oder es wird eine Sperrfrist verhängt .
Zudem ermöglichen wir endlich die Einziehung der
Kraftfahrzeuge, was eben bisher nicht so einfach möglich
war . Deswegen ist das, glaube ich, ein ganz wesentliches
Signal . Auch aus der Anhörung ergab sich ja, dass die
Einziehung des Fahrzeuges eines der zentralen Elemente
überhaupt ist . Die vorgesehenen Strafmaße sind aus unserer Sicht richtig, notwendig und angemessen . Ich bin
froh, dass wir dieses Gesetz heute endlich verabschieden
können .
Obwohl der Ausgangsentwurf aus unserer Sicht in die
richtige Richtung ging, war es uns als CDU und auch als
Koalition wichtig, das Thema Alleinrasen ernsthaft anzugehen . Wir haben die Versuchsstrafbarkeit geregelt . Das
war bisher nicht der Fall; auch das haben wir eingeführt .
Aber die Praxis hat eben gezeigt: Es kommt regelmäßig
vor, dass Menschen auf den Straßen sozusagen Rennen
gegen sich selbst fahren . Sie fahren, um ein bestimmtes
Tempo zu erreichen . Oder sie fahren, um ihre Rekorde,
die sie sich zu Hause regelmäßig eintragen, zu toppen .
Aus unserer Sicht wird damit ebenfalls ein verbotenes
Kraftfahrzeugrennen verwirklicht .
Ich will nur das Beispiel des Motorradfahrers und
YouTubers Alpi - jeder, der sich mit diesem Thema beschäftigt, kennt ihn, glaube ich - in Erinnerung rufen,
der vom Landgericht Bremen wegen fahrlässiger Tötung
verurteilt wurde . Er hat die Videos seiner Fahrten mit bis
zu 170 km/h durch die Bremer Innenstadt regelmäßig auf
YouTube hochgeladen .
Um diese Problematik drehte sich im Wesentlichen die
Expertenanhörung . Deswegen haben wir mit dem heutigen Änderungsantrag ein abstraktes Gefährdungsdelikt
hinzugefügt - das ist richtig -, in dem geregelt ist, dass
sich der Fahrzeugführer, wenn er sich mit „nicht angepasster Geschwindigkeit“ - auch das ist ein im Rahmen
von § 3 StVO oder § 315c StGB eingeführter Begriff, zu
dem es Rechtsprechung gibt - rücksichtslos fortbewegt,
„grob verkehrswidrig“ verhält . Damit wird jetzt eben neben dem Veranstalter und dem klassischen Teilnehmer
am Rennen von der Vorschrift endlich auch - das war
uns sehr wichtig - der Einzelraser umfasst .
In der Anhörung - darauf wurde schon hingewiesen wurde nun angemerkt, dass diese Regelung an vielen
Stellen zu viele unbestimmte Rechtsbegriffe enthalte.
Deswegen haben wir uns im Nachgang der Anhörung
noch einmal intensiv Gedanken gemacht und nach Formulierungen gesucht, die besser passen und die auch die
Rechtsprechung schon umfasst .
„Nicht angepasste Geschwindigkeit“ bedeutet heute
bereits ein zu schnelles Fahren, das Geschwindigkeitsbegrenzungen verletzt oder den konkreten Verkehrssituationen zuwiderläuft . Die Formulierung „verkehrswidrig
und rücksichtslos“ ist bereits von § 315c StGB umfasst
und sollte auch für die Rechtsprechung kein Problem
darstellen . So steht es jetzt glücklicherweise auch in der
Begründung des Antrages . Hierdurch verhindern wir auch das ist uns wichtig gewesen; darauf haben einige
schon hingewiesen -, dass wir damit jede Geschwindigkeitsüberschreitung umfassen . Vielmehr umfassen wir
damit diejenigen, die ein Rennen sozusagen gegen sich
selbst fahren wollen, aber nicht diejenigen, die zu schnell
zum Bäcker gefahren sind, wie Frau Künast gesagt hat .
Ich denke, dass wir insgesamt Formulierungen gefunden haben, die es den Strafverfolgungsbehörden und den
Gerichten ermöglichen, die Taten aufzuklären und abzuurteilen . Damit schließen wir eine sehr wichtige Strafbarkeitslücke .
Ich möchte noch einige Sätze zum Antrag der Grünen
sagen . Ich glaube, uns alle hier eint - das haben wir auch
in der Anhörung gemerkt -, dass wir die Eindämmung
und Verhinderung der Autorennen konsequent angehen
wollen . Es wurde darauf hingewiesen, auch in der Anhörung, dass die vorgesehenen Maßnahmen nicht ausreichend seien . Aber auch der Antrag der Grünen wurde von
den Sachverständigen durchaus sehr kritisch gesehen .
Sie haben darauf hingewiesen, dass durch die geforderte
nur leichte Änderung von § 315c ein Großteil der Tatbestände nicht umfasst würde . In diesem Sinne haben wir,
glaube ich, eine deutlich bessere Regelung gefunden, um
abzuschrecken und auch die Gesellschaft für dieses Thema zu sensibilisieren .
Der von uns entwickelte Straftatbestand wird diesem
Fall gerecht . Bedenken Sie vor Ihrer Entscheidung vielleicht noch einmal das große Sicherheitsbedürfnis unserer Straßenverkehrsteilnehmer, und ringen Sie sich zu
einer Zustimmung durch!
Ich bedanke mich auch noch einmal bei allen Politikern der SPD-Fraktion . Wir haben das wirklich sehr
schnell, gut und sauber hinbekommen . In diesem Zusammenhang bedanke ich mich natürlich auch bei den Ministerien; damit sind jetzt alle durch Dank beglückt .
Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit .
({0})
Damit schließe ich diese Aussprache .
Wir kommen zur Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes - Strafbarkeit nicht genehmigter Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr . Der Ausschuss für Recht
und Verbraucherschutz empfiehlt unter Buchstabe a
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksachen 18/12936
und 18/12964, den Gesetzentwurf des Bundesrates auf
Drucksache 18/10145 in der Ausschussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um ihr Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den
Stimmen der Koalition bei Enthaltung der Opposition
({0})
ohne Gegenstimmen angenommen worden .
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der
Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der Opposition ohne Gegenstimmen angenommen worden .
({1})
- Die Kollegin Wilms hat dem Gesetzentwurf auch zuge-
stimmt . Danke für den Hinweis .
Wir setzen die Abstimmung zu der Beschlussempfeh-
lung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz
auf Drucksachen 18/12936 und 18/12964 fort . Der Aus-
schuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschluss-
empfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12558 mit
dem Titel „Verkehrssicherheit erhöhen - Raserei und il-
legale Autorennen wirksam bekämpfen“ . Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? -
Wer enthält sich? - Damit ist diese Beschlussempfeh-
lung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der
Fraktion Die Linke angenommen worden .
Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 9 a bis 9 e so-
wie die Zusatzpunkte 1 bis 3 auf:
9 . a) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Wolfgang Gehrcke, Dr . Alexander S . Neu,
Inge Höger, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE
Abrüstung jetzt und hier beginnen
Drucksache 18/12799
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr . Alexander S . Neu, Wolfgang Gehrcke,
Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion DIE LINKE
Keine Orientierung am Zwei-Prozent-
Ziel der NATO
Drucksache 18/12800
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van
Aken, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion DIE LINKE sowie der Abgeordneten
Agnieszka Brugger, Dr . Gerhard Schick,
Katja Keul, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Investitionen in Streumunition und Anti-
personenminen verbieten
Drucksache 18/12898
d) Beratung der Beschlussempfehlung und
des Berichts des Auswärtigen Ausschusses
({2}) zu dem Antrag der Abgeord-
neten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan
van Aken, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE sowie der Abgeordne-
ten Agnieszka Brugger, Jürgen Trittin, Katja
Keul, weiterer Abgeordneter und der Frakti-
on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Verhandlungen über einen Atomwaffen-
verbotsvertrag aktiv unterstützen
Drucksachen 18/11609, 18/12419
e) Beratung der Beschlussempfehlung und
des Berichts des Auswärtigen Ausschusses
({3}) zu dem Antrag der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan
van Aken, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE
Atomwaffen aus Deutschland abziehen
und Neustationierung stoppen
Drucksachen 18/6808, 18/12420
ZP 1 Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung zum Stand
der Bemühungen um Rüstungskontrolle,
Abrüstung und Nichtverbreitung sowie
über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale
({4})
Drucksache 18/11968
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({5})
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
ZP 2 Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung zum Stand
der Bemühungen um Rüstungskontrolle,
Abrüstung und Nichtverbreitung sowie
über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale
({6})
Drucksache 18/8065
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({7})
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
ZP 3 Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung zum Stand
der Bemühungen um Rüstungskontrolle,
Abrüstung und Nichtverbreitung sowie
über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale
({8})
Drucksache 18/4270
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({9})
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . - Ich höre dazu
keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .
Ich kann die Aussprache eröffnen, sobald die Kolleginnen und Kollegen ihre Plätze eingenommen haben .
Als erster Redner in der Aussprache hat Wolfgang
Gehrcke für die Fraktion Die Linke das Wort .
({10})
Danke sehr, Frau Präsidentin! - Die eigentliche Frage,
die man sich stellen muss, lautet: Wollen wir einen Sozialstaat und alles, was wir leisten können, einbringen,
um einen Sozialstaat aufzubauen, oder wollen wir einen
Rüstungsstaat? Beides zusammen geht nicht . Kanonen
und Butter hat es zusammen nie gegeben, man hat sich
immer entscheiden müssen . Meine Entscheidung und die
Entscheidung meiner Fraktion ist völlig klar: Wir wollen
alle Kräfte im Sozialen verstärken, und deswegen wollen
wir raus aus der Spirale der Rüstung .
({0})
Ich möchte gerne, dass die Frage der Abrüstung eine
der wahlentscheidenden Fragen wird . Ich glaube, es gibt
auch eine gute Chance, sie dazu zu machen . Deswegen
sage ich zu SPD und Grünen: Lassen Sie uns doch im
Wahlkampf konkurrieren, wer die besten Vorschläge zur
Abrüstung einbringt . Wenn Ihre besser sein sollten, hätten Sie mich fast überzeugt . Wenn unsere besser sind wir haben Ihnen ja etwas vorgelegt -, dann hoffe ich,
dass ich Sie überzeugen kann . Ein Wahlkampf, der sich
um die Frage der Abrüstung dreht, ist für mich etwas
Konstruktives in diesem Land .
({1})
Mein Wunsch war es immer, persönlich und in der
Fraktion dazu beizutragen, dass um Frieden weltweit
gekämpft wird - in den Parlamenten, aber auch auf den
Straßen und Plätzen, auf internationalen Treffen. Es hat
immer eine Chance gegeben, aus Gewalt und Krieg herauszukommen und eine Friedenspolitik zu entwickeln .
Eine Friedenspolitik braucht unser Land . Da kann man
sehr viel bewegen, wenn man anderen Ländern Ängste
nimmt und Vertrauen aufbaut .
Man baut eben kein Vertrauen auf, wenn man dabei
bleibt, 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung
auszugeben - ein komisches Ziel, für dessen BeibehalVizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn
tung sich Volker Kauder ausgesprochen hat . Um es einmal deutlich zu sagen: Das wären ungefähr 70 Milliarden
Euro im Jahr, die dafür herausgeschmissen würden, um
Leben zu vernichten, wenn man sich auf dieses Ziel festlegt . Das halte ich für eine Katastrophe . Deswegen erwarte ich von der CDU/CSU nicht sehr viele Vorschläge,
was wirkliche Abrüstung angeht .
Meine Hoffnung ist, dass man nicht mehr auf die Gewalt der Waffen setzt. Ich bin sehr froh, dass es in unserem Land eine große Mehrheit gibt, die ein vernünftiges
Verhältnis zu Russland will, die keine Auslandseinsätze
der Bundeswehr will, die auf Abrüstung setzt . Ich wäre
sehr froh, wenn man endlich aus den Menschheitsverbrechen des Faschismus lernen würde . Das heißt für mich:
6 Millionen Jüdinnen und Juden sind unter deutscher
Verantwortung ermordet worden und 27 Millionen Bürger der Sowjetunion, die heute ja auf mehrere Staaten
aufgeteilt ist . Vor diesem Hintergrund muss man aber
etwas solider, kameradschaftlicher, zugeneigter mit diesen Ländern umgehen, mit Russland ebenso, wie es mit
Israel geschieht . Wir können unsere Schuld nicht auf den
Schultern der Palästinenser abladen, und wir können unsere Schuld auch nicht mit einem antirussischen Reflex
wettmachen .
({2})
Ich habe die Bundesregierung immer wieder gebeten:
Macht uns die Russen nicht zu Feinden! Ich bin dafür,
dass die Bundeswehr sofort aus Litauen abgezogen wird .
Bundeswehr an der Westgrenze Russlands war für mich
immer unvorstellbar .
Ich bin auch dafür und bitte Sie, darüber nachzudenken, wie man es hinbekommt, die Atomwaffen der USA
aus Deutschland abzuziehen . Das, was ich bei Ihnen
gelesen habe, läuft auf den berühmten Sankt-Nimmerleins‑Tag hinaus. Diese Atomwaffen müssen jetzt raus
aus unserem Land . Das wäre eine Antwort an Trump, und
das wäre ein politisches Signal .
({3})
Ich bitte Sie sehr, auch die Debatten über Kampfdrohnen nicht auf die Frage zu reduzieren, welches System
man nimmt oder welches man nicht nimmt . Ich bin dafür, dass sich dieses Parlament entscheidet, dass generell
keine Kampfdrohnen von der Bundeswehr angeschafft
werden dürfen . Das ist die nichtmilitärische Antwort .
({4})
Ich würde sehr gerne über die Möglichkeit reden, gleiche Sicherheit in Europa herzustellen . Gleiche Sicherheit
heißt: Man braucht kein Raketenabwehrsystem . Das
schafft gespaltene Sicherheit.
({5})
Ich bin dafür, dass wir uns klarmachen, dass Abrüstung Vertrauen braucht . Vertrauen ist die Währung der
Abrüstung . Wenn man Vertrauen aufbauen will, muss
man erst einmal selbst vorangehen, bevor man es anderen
abfordert . Das heißt: Die NATO-Osterweiterung und die
Sanktionen haben aus meiner Sicht Vertrauen in Russland zerstört .
({6})
Über eine gemeinsame europäische Sicherheit ist eigentlich nie ernsthaft verhandelt worden . Ich möchte, dass
ernsthaft über ein europäisches Sicherheitssystem, das
nichtmilitärisch ist und Russland einschließt, verhandelt
wird .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, da das wahrscheinlich - man weiß ja nie, ob wir nicht noch zu einer Sondersitzung bei dieser Lage zusammenkommen - meine
letzte Rede im Bundestag ist, sage ich: Ich vertraue mehr
auf die Bevölkerung unseres Landes, die sich als weiser
erwiesen hat als dieses Parlament .
Ich bin aber auch der Auffassung, dass im Parlament
Veränderungen denkbar sind . Man kann doch, wenn man
sich zusammennimmt, sagen: Es werden keine 2 Prozent der Ausgaben für Aufrüstung verwendet . Kauder
irrt sich, wenn er fordert, dass wir 70 Milliarden Euro
verschleudern sollen . Es wird eine Hinwendung zu einer
besseren kollektiven Sicherheit in Europa geben, wenn
wir es nichtmilitärisch machen .
Wir hätten gern, dass die NATO aufgelöst wird und
dass sich die Europäische Union nicht militarisiert . Darüber sind die Meinungen sicherlich gespalten . Eine vernünftige Debatte dazu wäre es mir allemal wert .
Ich habe mich gerne gestritten; das wissen Sie . Das ist
mein Lebenselixier . Herzlichen Dank dafür .
Ich hoffe, dass am Ende eine vernünftige Politik im Interesse unseres Landes und Europas in Form einer weltweiten Friedensbewegung, die wir brauchen, zustande
kommt .
Herzlichen Dank .
({7})
Auch Ihnen, Herr Gehrcke, alles Gute für die Zukunft .
({0})
Als nächster Redner hat Robert Hochbaum für die
CDU/CSU-Fraktion das Wort .
({1})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Politik, lieber Wolfgang Gehrcke, beginnt mit
dem Betrachten der Wirklichkeit . Diesem Credo bin ich
in den letzten 15 Jahren meiner Tätigkeit als Abgeordneter des Deutschen Bundestages stets gefolgt .
({0})
Was heißt das für unsere heutige Debatte? Das beinhaltet
zunächst einmal kein unrealistisch verklärtes Wunschdenken, sondern einen realistischen Blick auf die Welt
und eine daraus resultierende kluge und verantwortungsvolle Politik .
Die Betrachtung der heutigen sicherheitspolitischen
Lage ergibt ein Bild, das im Jahr 2013 zu Beginn der
aktuellen Legislaturperiode des Bundestages deutlich anders und meiner Meinung nach auch deutlich besser aussah . Die Krisenherde der Welt von Syrien bis zur Ukraine, vom Jemen bis Nordkorea, die Bedrohung durch den
islamistischen Terrorismus und eine nie zuvor dagewesene Gleichzeitigkeit dieser Krisen, mit denen wir konfrontiert sind, stellt uns täglich vor neue Herausforderungen .
Dies alles macht abrüstungspolitische Fragestellungen, die sich ja bekanntermaßen insbesondere dadurch
auszeichnen, dass sie hochkomplex sind, sicherlich nicht
einfacher . Dennoch sind in den letzten Jahren gute und
wichtige Schritte im Bereich der Abrüstung erfolgt . Diese gilt es, den Blick auf die Zukunft gerichtet, auch weiterhin zu verfolgen .
({1})
Doch Schnellschüsse sind da kontraproduktiv und
nicht zielführend . Vor allem gilt dies natürlich auch für
den sensiblen Bereich der nuklearen Abrüstung . Eine
Welt ohne Atomwaffen - so unterstelle ich einfach einmal - ist sicher der Wunsch aller hier im Saal . Nur über
den Weg dahin ist man sich bekanntermaßen, wie bei
vielen anderen Dingen, nicht immer ganz einig . Wie
schwierig es ist, auf diesem Weg ein kleines Stück voranzukommen, zeigen die Bemühungen des letzten US-Präsidenten, der damit leider auch nicht sehr erfolgreich war .
Man sollte dabei nie aus den Augen verlieren, dass uns
die Vergangenheit gelehrt hat - ein Blick in die Vergangenheit hilft oft sehr -, dass Fortschritte auf dem Gebiet
der nuklearen Abrüstung niemals durch einseitige Maßnahmen oder einseitigen Verzicht erreicht worden sind .
({2})
Wichtige und deutliche Abrüstungsschritte wurden nur
auf Augenhöhe erreicht . Ich erinnere dabei nur - Verschiedenen hier im Saal sehr gut bekannt - an die Nachrüstungsdebatte in Deutschland oder die START- und
INF-Verträge . Alle diese Fortschritte wurden nicht aus
einer Position der Schwäche heraus, sondern, wie schon
Kanzler Helmut Schmidt erkannte, aus einer Position der
Stärke heraus - das heißt auf Augenhöhe miteinander erreicht . Er musste damals beim NATO-Doppelbeschluss
einiges aushalten . Doch er hat durchgehalten, und der Erfolg hat ihm recht gegeben .
Gerade dieses Beispiel zeigt: Verhandeln, ja und unbedingt, aber eben nur aus einer Position der Stärke heraus! - Diesen Ansatz hat übrigens Altkanzler Helmut
Kohl die ganzen Jahre über fortgeführt und weiterentwickelt, zum Wohle der Sicherheit unseres Landes, Europas, ja der ganzen Welt . Am Ende stand unter anderem
ein geeintes Deutschland . Dies sollte an dieser Stelle
nicht vergessen werden .
({3})
Meine Damen und Herren, leider sind die weltweiten Abrüstungsbemühungen vor allem im Bereich der
nu klea ren Abrüstung und bei den vertrauensbildenden
Maßnahmen in letzter Zeit ins Stocken geraten . Die aktuellen Entwicklungen sowie die jeweiligen Töne aus
Russland und vonseiten der neuen US-Administration
stimmen nachdenklich und bereiten Grund zur Sorge .
Wechselseitige Schuldzuweisungen bringen uns da nicht
weiter . Es muss verhandelt werden, so schwierig es sich
zu dieser Zeit auch darstellt .
Da nutzt es wenig, neue Baustellen wie den Nuclear
Ban Treaty aufzumachen .
({4})
Sie bieten damit jetzt Staaten nur die Möglichkeit, dem
Nichtverbreitungsvertrag, dem Kernelement der weltweiten nuklearen Abrüstung, auszuweichen . Wenn man
sich die letzten diesbezüglichen Entwicklungen bei den
Vorschlägen ansieht, sieht man abgeschwächte Verifikationsmaßnahmen und immer weniger Verweise auf den
Nichtverbreitungsvertrag . Das nimmt den Druck auf die
sogenannten Nichtunterzeichnerstaaten, weicht dieses
Kernelement der Abrüstung auf und ist - darin bin ich
mir mit den Fachleuten der Bundesregierung einig nicht zielführend .
Meine Damen und Herren, ich möchte heute aber auch
nicht versäumen, auf Erfolge unserer Arbeit in dieser Legislaturperiode hinzuweisen . Ein erfolgreiches Projekt,
das ich als Vorsitzender des zuständigen Unterausschusses besonders gerne begleitet habe, ist das Thema Open
Skies . Es zeigt, wie sehr es sich lohnt, das langfristige
Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und gegebenenfalls
auch einmal dicke Bretter zu bohren . In dieser Legislaturperiode konnte somit nach fast 20-jährigen Bemühungen - ich wiederhole: nach fast 20-jährigen Bemühungen - endlich die Beschaffung einer eigenen deutschen
Beobachtungsplattform realisiert werden . Besonders
freut mich in diesem Zusammenhang, dass es gemeinsame, fraktionsübergreifende Bemühungen waren, die am
Ende zum Erfolg geführt haben .
({5})
Ein sichtbarer Erfolg für Vertrauensbildung, der in Form
unseres eigenen Fliegers in nicht allzu ferner Zeit abheben wird! Dafür möchte ich allen Beteiligten danken .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist heute nach
15 Jahren im Deutschen Bundestag - man glaubt es
kaum - meine letzte Rede . Am Schluss möchte ich erneut
danken, an erster Stelle natürlich meiner Ehefrau Mandy,
die viele hier im Raum kennen, die sehr häufig an meiner
Seite zu finden war und mich in all den Jahren immer
unterstützt hat .
({6})
Dank an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im
Wahlkreis, dem schönen Vogtland - dorthin kann ich alle
nur einladen; es ist bestimmt eine Reise wert -, und natürlich auch Dank an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Berlin! Dank an die fleißigen Helferinnen und
Helfer der Bundestagsverwaltung und der Ministerien!
Es war immer und ohne Abstriche eine sehr gute Zusammenarbeit .
Nicht zuletzt danke ich Ihnen bzw . euch, meinen
lieben Kolleginnen und Kollegen . Da schließe ich alle
Fraktionen ein . Auch wenn wir nicht immer alle einer
Meinung waren: Es war eine schöne Zeit mit Ihnen bzw .
mit euch . Wir werden uns auch nicht ganz aus den Augen
verlieren . Um die mahnenden Worte unseres ehemaligen
Bundestagspräsidenten, nicht zu weit hinauszuschwimmen, ein bisschen abzuwandeln: Ich gehe zwar von Bord,
bleibe aber mit meiner Jolle immer in der Nähe .
Herzlichen Dank .
({7})
Auch Ihnen, Herr Hochbaum, alles Gute für die Zukunft und gutes Segeln!
Als nächste Rednerin hat Agnieszka Brugger für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, die
Beschaffung des Open‑Skies‑Flugzeuges war ein Erfolg.
Aber jenseits dessen waren vier Jahre Schwarz-Rot vier
verlorene Jahre für die Abrüstungspolitik .
({0})
Ob es um den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland
geht, ob es um ein Investitionsverbot für Streumunition
geht oder den historischen Atomwaffenverbotsvertrag
geht: Das sind nur drei wichtige Beispiele, bei denen einfach nichts passiert ist .
Vor ein paar Jahren gab es in diesem Hohen Haus einen sehr großen Konsens - das ist wirklich selten -: Von
der CSU bis zur Linkspartei haben alle erklärt, dass der
Abzug der US‑amerikanischen Atomwaffen unser gemeinsames Ziel ist . Es ist doch unfassbar, wie schnell
Union und SPD diese Einigkeit und dieses wichtige Ziel
aufgegeben haben .
Es ist doch schon schlimm genug, dass wir keinen
Schritt weiter sind bei der Frage, dass Deutschland endlich atomwaffenfrei wird. Aber diese Bundesregierung
hat dem gigantischen Modernisierungsvorhaben der
USA zugestimmt, das auch die in Rheinland-Pfalz stationierten Atombomben betrifft. Es werden nicht nur die
Waffen, sondern auch die deutschen Kampfflugzeuge,
die sie im Ernstfall abwerfen müssten, nun für horrende
Summen modernisiert werden müssen . Niemand glaubt
doch, dass das, was jetzt teuer aufgerüstet wird, in den
nächsten Jahren abgezogen werden wird . Somit zementieren Sie den Verbleib dieser Waffen in Deutschland.
Das ist kein Stillstand, sondern ein Riesenrückschritt,
meine Damen und Herren .
({1})
In einem gemeinsamen Antrag fordert die Opposition
auf, diese Aufrüstungspläne zu stoppen und zu unserem
früheren friedenspolitischen Konsens zurückzukehren,
damit Deutschland endlich atomwaffenfrei wird.
In dem Antrag wollen wir aber auch, dass die Bundesregierung einen anderen Fehler rückgängig macht: ihre
Blockadehaltung beim breiten internationalen Prozess
zum Verbot von Atomwaffen. Es gibt eine Reihe von
internationalen Verträgen, die besonders grausame Waffen wie Streumunition, wie Landminen, wie biologische
oder chemische Massenvernichtungswaffen ächten. Es
fehlt unter ihnen aber doch besonders einer: ein Verbotsvertrag für Atomwaffen, die barbarischste und grausamste Waffe, die die Menschheit je erfunden hat.
({2})
Weil die Atomwaffenstaaten ihren jahrzehntelangen
Abrüstungsversprechen nicht nachgekommen sind, hat
sich eine überwältigende Mehrheit von über 120 Staaten
bei den Vereinten Nationen auf den Weg gemacht, einen
historischen Schritt gemacht und Verhandlungen über einen solchen Verbotsvertrag auf den Weg gebracht . Die
Bundesregierung redet gern von einer atomwaffenfreien
Welt . Sie spricht davon, dass man die internationalen Organisationen stärken soll, und sie kündigt eine neue deutsche Verantwortung in der Außen- und Sicherheitspolitik
an . Das hier wäre die Gelegenheit gewesen, all diese drei
Versprechen einzulösen . Doch was tut die Bundesregierung? Sie nimmt nicht einmal als Beobachter an diesen
Verhandlungen teil und stiehlt sich aus der Verantwortung . Das ist doch ein großes Versäumnis und ein großer
Fehler .
({3})
Die Bundesregierung hat auch gar nicht unrecht, wenn
sie als Problem benennt, dass die Nuklearwaffenstaaten
nicht mit dabei sind . Aber statt den Staaten, die sich für
einen Verbotsvertrag engagieren, vorzuwerfen, dass sie
der Abrüstungspolitik schaden, sollte die Bundesregierung doch lieber die Nuklearwaffenstaaten dafür kritisieren, dass sie, um ihre eigenen Privilegien und Interessen
zu schützen, sich diesem historischen Prozess verweigern .
({4})
Hier sollte man sich eben nicht mutlos hinter den Atomwaffenstaaten verstecken, weil das an der Stelle einfach
nur ein außenpolitisches Armutszeugnis ist .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, aber auch ein anderes Argument der Bundesregierung entlarvt sich da sehr
schnell . Auch bei den Verbotsverträgen zu Streumunition und Landminen waren nicht alle Staaten von Anfang
an dabei . Trotzdem sind sie heute wichtige Meilensteine der internationalen Abrüstungspolitik geworden . Ja,
die Verträge haben leider nicht dazu geführt, dass diese schrecklichen Waffen, die besonders die Zivilbevölkerung treffen, gar nicht mehr eingesetzt werden. Aber
heute sind viele Staaten diesen Verträgen beigetreten; es
müssen auch noch mehr werden . Es wurde neues Recht
geschaffen. Das hat Wirkung gezeigt, und der Einsatz
dieser Waffen ist drastisch zurückgegangen. Die Bundesregierung war auch damals skeptisch und zögerlich, hat
am Ende aber doch mitgemacht .
Dass seit 2015 alle Streumunitionsbestände der Bundeswehr mittlerweile vernichtet sind, das ist ein gutes
Zeichen . Trotzdem ist auch hier in Deutschland noch
nicht alles gut, wenn es um Streumunition und Landminen geht . Es kann doch nicht sein, dass die Lagerung, die
Herstellung und die Entwicklung von Streumunition und
Landminen verboten sind, es hierzulande aber erlaubt ist,
dass zum Beispiel für die Riester-Rente im Rahmen von
Fonds in Firmen investiert werden darf, die diese grausamen Waffen herstellen.
({5})
Damit ein für alle Mal damit Schluss ist, haben SPD,
Linke und Grüne in der letzten Legislaturperiode in einem gemeinsamen Antrag ein konsequentes Investitionsverbot gefordert . Wir stellen heute diesen Antrag wortgleich noch einmal zur Abstimmung . Liebe Kolleginnen
und Kollegen von der Koalition, ich appelliere an Sie:
Stimmen Sie zu, damit sich hier endlich etwas verbessert
und diese zynische Praxis beendet wird!
({6})
Meine Damen und Herren, die weltweiten Militärausgaben sind im letzten Jahr gestiegen . 1,6 Billionen
US-Dollar haben die Regierungen ausgegeben, um ihre
Waffenarsenale auszurüsten und noch schlagkräftiger zu
machen . Allein 10 Prozent würden ausreichen, um Armut
und Hunger auf der Welt zu bekämpfen . Dort wären diese
Gelder eindeutig besser investiert .
({7})
Statt sich dafür einzusetzen, folgt die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen lieber dem von Trump
ausgegebenen Ziel, dass alle NATO-Mitgliedstaaten
möglichst schnell 2 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts
für Militär ausgeben .
({8})
Das kommt einer Verdopplung des Verteidigungsetats
von heute auf die gigantische Summe von 70 Milliarden
Euro gleich .
Mehr Geld für Militär und Rüstung, das verengt die
sicherheitspolitische Debatte auf das rein Militärische .
Dabei gerät einmal mehr all das, was wirklich mehr Sicherheit schafft und Konflikte nachhaltig löst, erst recht
aus dem Blick . Es ist auch viel Geld, das eindeutig besser
in Klimaschutz, in Bildung und in zivile Krisenprävention investiert wäre .
({9})
Das Schlimmste an dieser Debatte ist aber, dass Sie
für die Gefahren blind sind, die mit diesen Aufrüstungsplänen verbunden sind . Natürlich werden auch andere
mit Aufrüstung reagieren, und am Ende schafft das in
der Konsequenz nicht mehr Sicherheit für uns, sondern
mehr Unsicherheit für alle . Dass mehr Rüstung automatisch mehr Sicherheit bedeutet, das ist eine falsche,
eine trügerische und eine gefährliche Gleichung . Daher:
Verabschieden Sie sich endlich von diesem irrsinnigen
2-Prozent-Ziel!
({10})
Meine Damen und Herren, großen Schaden nicht nur
für die Abrüstungspolitik, sondern auch für Menschenrechte, Frieden und Sicherheit richtet Schwarz-Rot vor
allem mit den deutschen Waffenexporten an. Noch nie
wurden in der Geschichte der Bundesrepublik so viele
Rüstungsexporte genehmigt, solche Rekordwerte der
Verantwortungslosigkeit verzeichnet. Sie haben Waffen
an Regime geliefert, in denen Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind. Sie haben Waffen an
Kriegsparteien genehmigt . Staaten wie Saudi-Arabien
und Katar mit Waffen zu beliefern, hat nichts, aber auch
wirklich rein gar nichts mit Sicherheitspolitik zu tun . Es
muss endlich damit Schluss sein, dass Rüstungsexporte
auf Kosten von Frieden, von Sicherheit und von Menschenrechten genehmigt werden .
({11})
Meine Damen und Herren, in einer Zeit, in der die
internationale Friedensordnung unter Beschuss gerät, in
der Aufrüstungsspiralen zunehmen, in der Krisen sich
verschärfen, Fluchtbewegungen zunehmen und nationalistischer Egoismus auf dem Vormarsch ist, braucht es
konsequente Abrüstungspolitik und Rüstungskontrolle
mehr denn je . Vier Jahre Schwarz-Rot, das waren vier
verlorene Jahre für die Abrüstungspolitik . Höchste Zeit
für eine Bundesregierung, die mehr Einsatz und mehr
Mut für Frieden und Sicherheit zeigt!
Vielen Dank .
({12})
Als nächster Redner hat der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, das Wort für die Bundesregierung .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich will mich sehr gern den guten Wünschen für Herrn
Hochbaum und für dich, lieber Wolfgang Gehrcke, anschließen . Auch dein heutiger Beitrag hat gezeigt, dass
wir nur in seltenen Fällen übereinstimmen, aber wir haben das immer in großem Respekt ausgetragen. Ich finde,
es zeichnet unsere Außenpolitikerinnen und Außenpolitiker in hohem Maße aus, dass sie immer wieder bereit
sind, eine vorbildliche Streitkultur zu pflegen. Für manchen Rat - du wirst dich erinnern - möchte ich dir heute
noch einmal danken .
({0})
Ich bin auch froh, dass du an einen Punkt erinnert hast,
der uns alle hier im Saal eint . Wir haben in einem Punkt
die richtigen Lehren aus der Geschichte gezogen, aus
Faschismus, aus Holocaust, aus furchtbaren Kriegen, die
wir zu verantworten haben: Die Bürgerinnen und Bürger
unseres Landes erwarten von uns allen hier im Bundestag
und von der Bundesregierung ein besonders hohes Maß
an Einsatz für Frieden, Versöhnung und Verständigung .
Darauf bin ich sehr stolz, auch wenn es mir in den vergangenen Jahren durchaus nicht immer ganz leicht gefallen ist, schwierige und komplexe Sachverhalte zu erläutern . Sie haben einen aus meiner Sicht ganz wichtigen
Punkt angesprochen, Frau Brugger, auf den ich gleich zu
sprechen komme, nämlich die Initiative aus der internationalen Gemeinschaft, sich für ein weltweites Verbot von
Atomwaffen einzusetzen.
Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen: Der Einsatz für den Frieden ist das eine, aber die Verpflichtung
der Demokratien, sich wehrhaft zu zeigen, ist das andere . Die Entwicklung in den vergangenen Jahren war alles in allem mehr als besorgniserregend . Der Einsatz für
Abrüstung ist seit dem Fall der Mauer, seit dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes und seit der
Wiedervereinigung Deutschlands und Europas vermutlich noch nie so mühsam und so beschwerlich gewesen
wie derzeit .
Die Sicherheitslage hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert, und zwar nicht nur durch
die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, nicht nur
durch die militärischen Auseinandersetzungen im Osten
der Ukraine. Wenn ich mir die viel zu vielen bewaffneten Konflikte in unserer europäischen Nachbarschaft vor
Augen führe - nicht zuletzt den Krieg in Syrien -, denen
Tausende von Menschen zum Opfer fallen, dann kann ich
nur sagen: Die in Jahrzehnten gewachsene Abrüstungsund Rüstungskontrollarchitektur steht unter einem massiven Druck . Dem müssen wir uns entschieden stellen .
({1})
Deshalb habe ich im Gegensatz zu Ihnen eine ganze
Reihe von Punkten zu benennen, wo wir uns als Bundesregierung engagiert und in besonderem Maße verpflichtet haben . Ich erinnere daran, dass wir Mitte 2016 eine
neue Initiative für einen umfassenden Neustart der konventionellen Rüstungskontrolle in Europa ins Leben gerufen haben . Diese Initiative ist auf große Unterstützung
in der Europäischen Union gestoßen . Wir haben während
des deutschen OSZE-Vorsitzes 2016 im Konsens einen
Dialog vereinbart: Wir wollen uns zunächst den grundsätzlichen Bewährungsproben für unsere gemeinsame
Sicherheit in Europa zuwenden . Darauf wollen wir dann
aufbauen, um Grundlagen für die so schwierigen Fragen
der Rüstungskontrolle zu schaffen. Ja, das ist noch nicht
genug, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung .
Nun komme ich noch einmal zu der Initiative, die Frau
Brugger eben schon genannt hat . Ich habe selbst - das
muss im April 2015 gewesen sein - in New York an der
Konferenz der Vereinten Nationen zur Nichtverbreitung
von Atomwaffen teilgenommen. Es ging um die Weiterentwicklung des Nichtverbreitungsvertrages NVV . Leider ist es uns am Ende dieser sehr langen und auch sehr
kontrovers ausgetragenen Konferenz nicht gelungen, ein
ambitioniertes Abschlussdokument zu unterzeichnen .
Das ist unbefriedigend .
Ja, Frau Brugger, da mag es manchmal einfacher fallen - das ist richtig -, sich mit Gleichgesinnten zusammenzusetzen und sich über die Zustände dieser Welt zu
empören . Ich werbe aber dafür, gerade bei der Debatte
über eine Welt ohne Atomwaffen die Länder an den Tisch
zu holen, in deren Besitz diese furchtbaren Waffen sind.
Nur so lassen sich überhaupt Fortschritte erzielen . Liebe
Kolleginnen und Kollegen, beharrliche Diplomatie kann
sich am Ende auch auszahlen .
({2})
Ich will deshalb an die Verhandlungen mit dem Iran
erinnern . Nach mehr als zehn Jahren schwieriger Verhandlungen haben wir es gemeinsam mit der Europäischen Union, mit den USA, mit Russland, mit China, mit
Frankreich und mit Großbritannien erreichen können,
Iran den Weg zur Atombombe dauerhaft und nachprüfbar
zu verschließen . Kürzlich hat die Internationale Atomenergie-Organisation nochmals bestätigt: Iran hält seine
nukleartechnischen Verpflichtungen aus der Wiener Vereinbarung bislang ein . Ja, wir arbeiten am Ziel einer Welt
ohne Atomwaffen. Daher müssen wir uns auch unter
schwierigen Umständen - auch gerade jetzt angesichts
der vielen aktuellen Konflikte und Krisen - für neues
Vertrauen, für neue Initiativen und für neuen Mut bei der
Abrüstung einsetzen .
Es gab ja durchaus auch Fortschritte: Die nuklearen
Arsenale aus der Zeit des Kalten Krieges sind seit den
späten 1980er-Jahren um fast 90 Prozent reduziert worden. Aber um unser Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt
zu erreichen, müssen in erster Linie die Nuklearwaffenstaaten bereit sein, diesen Weg mitzugehen . Hier brauchen wir mehr Entschlossenheit: mehr Entschlossenheit
in Russland, mehr Entschlossenheit in den Vereinigten
Staaten, mehr Entschlossenheit in China, aber auch in
Frankreich und in Großbritannien .
({3})
Da dies so schwierig ist, bleiben wir auch dem Vertrag
über die Nichtverbreitung von Kernwaffen verpflichtet.
Das ist die Basis für alle unsere Bemühungen bei der
Abrüstung im nuklearen Bereich . Wir sehen die große
Gefahr, dass die Bedeutung des alles in allem erfolgreichen Vertrags mit seinen Instrumenten und Verbindlichkeiten durch ein Nuklearwaffenverbot gegebenenfalls
relativiert werden könnte . Denn seit dem Inkrafttreten
dieses Vertrags 1968 ist es uns gelungen, zahlreiche Staaten davon abzuhalten, sich nuklear zu bewaffnen. Einige
haben wir sogar davon überzeugt, Nuklearwaffen abzubauen .
Nun will ich noch zu weiteren Gravamina kommen .
Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm wird immer
mehr zu einer Bedrohung für den Weltfrieden . Nordkorea
ist der einzige Staat, der im 21 . Jahrhundert Atomtests
durchführt - allein zwei in den vergangenen Monaten .
In dieser brandgefährlichen Lage muss das vom VN-Sicherheitsrat und der EU beschlossene harte Sanktionsregime konsequent umgesetzt werden .
Völlig inakzeptabel, ja barbarisch ist der wiederholte und fortdauernde Einsatz chemischer Waffen in Syrien und im Irak . Diesem widerlichen Tabubruch müssen
wir entschieden begegnen, mit klaren Konsequenzen für
die Verantwortlichen . Auch deshalb unterstützen wir die
Untersuchungsgremien der Vereinten Nationen und der
OVCW mit Personal, aber auch mit Geld .
Zu den größten Gefahren für den Weltfrieden gehört
es, dass Massenvernichtungswaffen in die Hände von
Terroristen gelangen könnten . In diesem Zusammenhang
will ich auf eine unserer Initiativen hinweisen: Wir haben uns im Falle Libyens im vergangenen Jahr an einer
internationalen Operation beteiligt, die Restbestände an
chemischen Substanzen aus dem libyschen Chemiewaffenprogramm außer Landes brachte, um sie damit dem
Zugriff der Terrororganisation IS zu entziehen.
Ich will außerdem darauf hinweisen - auch das ist
schon angesprochen worden -, dass in Konflikten, etwa
in Syrien und im Jemen, nach wie vor Streumunition eingesetzt wird . Das ist ganz furchtbar . Wir müssen endlich
diese Waffenart weltweit ächten und verbieten. Auch hier
strengen wir uns besonders an, liebe Frau Brugger, und
haben deshalb im September vergangenen Jahres für ein
Jahr den Vorsitz der Streumunitionskonvention übernommen .
Ebenso brauchen wir auch bei den sogenannten letalen autonomen Waffensystemen - wir sprechen ja oft
über Drohnen - eine Regelung . Wenn Entscheidungen
über Leben und Tod ohne menschliche Einflussnahme
von Algorithmen getroffen würden, so würde das ganz
schwierige ethische, völkerrechtliche und politische Fragen aufwerfen . Insofern bin ich auch ein bisschen stolz
darauf, dass es uns unter deutscher Verhandlungsführung
gelungen ist, sich auf ein Mandat für eine Gruppe von
Regierungsexperten zu verständigen, die möglichst rasch
klären sollen, wie wir im Rahmen des VN‑Waffenübereinkommens zu verlässlichen und verbindlichen Regeln
kommen .
Ihnen allen in allen Fraktionen möchte ich dabei für
Ihren couragierten Einsatz und auch für Ihre Kritik danken . Wir im Auswärtigen Amt würden unsere Arbeit für
mehr Frieden und Abrüstung gerne fortsetzen . Dafür sind
noch ein paar Bedingungen zu erfüllen . Helfen Sie uns
dabei .
Vielen Dank .
({4})
Als nächster Redner hat Ingo Gädechens für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Wahlkampf ist eingeläutet . Also müssen die Linken
und die Grünen in der letzten Sitzungswoche noch ein
paar Anträge einbringen, die sicherlich nicht helfen werden, die uns ein wenig Zeit rauben und die erkennbar das
Ziel verfolgen, die eigene Wählerklientel zu befriedigen .
({0})
Nach dem Motto „Ich mach’ mir die Welt, wie sie mir
gefällt“ haben Ihre Anträge, insbesondere der Antrag
„Abrüstung jetzt und hier beginnen“,
({1})
herzlich wenig mit der Wirklichkeit zu tun . Ihr nahezu
verblendeter Aktionismus versucht, den Menschen in der
Republik Sand in die Augen zu streuen, und lässt jeglichen Bezug zur Wirklichkeit vermissen .
Meine Damen und Herren, der Antrag ist ein linksideologisches Thesenpapier vom Feinsten .
({2})
Wenn Sie darin schreiben, dass Deutschland seinen
Machtoptionen auch militärisch Weltgeltung verschaffen
wolle, dann ist das mit Verlaub ziemlicher Unsinn .
({3})
Ich frage mich, welchen ideologischen Unterbau Sie
haben, um diesen Blödsinn selbst zu glauben . Deutschland muss als eine der größten und einflussreichsten
Volkswirtschaften Verantwortung übernehmen . Dazu
zwingt uns die aktuelle Sicherheitslage in der Welt . Sie
von den Linken verkennen, dass die Bundesrepublik
Deutschland niemals Alleingänge unternimmt, sondern
gerade beim Einsatz militärischer Mittel immer im Bündnis multilateral handelt . Ihre konstruierten Vorwürfe sind
deshalb inhalts- und haltlos .
Meine Damen und Herren, wir rüsten nicht auf . Wir
schließen Lücken bei der notwendigen Ausrüstung der
Bundeswehr zum Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten . Auch hier läuft Ihr Antrag an der Realität vorbei . Wer
wie Sie von Aufrüstung spricht, hat - ganz ehrlich - keinen blassen Schimmer von einer intelligenten, vernetzten
Außen- und Sicherheitspolitik .
({4})
Auch wenn Sie schreiben, dass Deutschland Teil einer
Eskalationsspirale sei, muss man ehrlich am Verstand derer zweifeln, die diesen Antrag verfasst haben .
({5})
Sie gehen mit keinem Wort - ich wiederhole: mit keinem Wort - auf die größte sicherheitspolitische Herausforderung Europas seit dem Ende des Kalten Krieges ein .
Sie blenden die russische Annexion der Krim und das
völkerrechtswidrige Verhalten einfach aus .
({6})
Stattdessen kehren Sie die Vorzeichen um und werfen
Deutschland vor, an vielen Kriegen direkt oder indirekt
beteiligt zu sein .
({7})
Ihre Anträge überschreiten gleich mehrfach die
Schmerzgrenze rational denkender Außen- und Sicherheitspolitiker . Auch ihre Einlassungen zu Rüstungsexporten und zur nuklearen Teilhabe Deutschlands sind
höchst undifferenziert.
({8})
Meine Damen und Herren, die Linke zerlegt sich selbst,
wenn sie Fakten auslässt oder weglässt . Ich weiß, das
können Sie gut . Nur Glaubwürdigkeit sieht wahrlich anders aus .
({9})
In Ihrem Antrag steht: keine Orientierung am 2-Prozent-Ziel der NATO . Am Rande bemerkt: 2004 von RotGrün als Zielmarke beschlossen .
({10})
Deshalb wunderte ich mich eben über die Einlassung von
Frau Brugger . Auch diesem Antrag fehlt jede inhaltliche
Begründung .
Zu den gemeinsamen Anträgen der Fraktion Die Linke und der Grünen bezüglich der nuklearen Teilhabe und
über Verhandlungen zum Atomwaffenverbotsvertrag ist
Folgendes zu sagen: Natürlich würden wir alle lieber in
einer Welt ohne Atomwaffen leben. Wer will das nicht?
Vor knapp sieben Jahren hatten wir uns auch bereits in
einem gemeinsamen Antrag von Union, SPD, FDP und
Bündnis 90/Die Grünen auf eine entsprechende Forderung geeinigt . Aber wenn wir das so wollen, muss es
nun einmal im Bündnis abgestimmt sein und kann nur
schrittweise erfolgen . Darüber hinaus muss das alles im
Rahmen einer Überarbeitung des strategischen Konzeptes der NATO und unter Einbeziehung aller Atomwaffenpotenziale - auch der russischen - geschehen . Eine
koordinierte Abrüstung - egal ob nuklear oder konventionell - kann ausschließlich im Rahmen des KSE-Vertrages erfolgen . Seit 2015 hat Putin de facto diesen Vertrag
gekündigt . Erklären Sie mir doch bitte einmal: Wie können wir unter diesen sicherheitspolitischen Veränderungen zu einer koordinierten Abrüstung kommen?
Meine Damen und Herren, den Anträgen fehlen
schlüssige Argumente und darüber hinaus eine sicherheitspolitische Grundlage . Nehmen Sie doch bitte zur
Kenntnis, dass die Welt sich verändert hat und sich somit
auch unsere Außen- und Sicherheitspolitik den heutigen
Gegebenheiten anpassen muss .
Herr Kollege Gädechens, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?
Ich denke, der Kollege Neu wird hinterher eine Kurzintervention machen . Ich führe weiter aus .
Der Antrag der Linken und der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen „Investitionen in Streumunition und Antipersonenminen verbieten“ ist nun wahrlich auch nicht neu .
({0})
Wir sind uns doch einig, dass Antipersonenminen und
Streumunition zu den barbarischsten konventionellen
Waffen gehören. Die Bundesregierung hat sich deshalb
bereits klar zu einer weltweiten Ächtung von Streumunition bekannt . In diesem Sinne hat die Bundesrepublik
Deutschland vom ersten Tag an aktiv am Oslo-Prozess
teilgenommen . Der Staatsminister führte auch aus, dass
wir dort den Vorsitz haben . Das erzielte Übereinkommen
verbietet Einsatz, Entwicklung, Herstellung, Erwerb, Lagerung, Zurückbehaltung und Weitergabe von Streumunition sowie jegliche Unterstützung anderer Staaten, die
verbotene Tätigkeiten ausüben .
Auch meine Fraktion möchte selbstverständlich die
weitere Verbreitung von Streumunition unterbinden .
Wir setzen auf die Prinzipien der Ächtung, der Selbstverpflichtung und der Transparenz. Der von Ihnen eingebrachte Antrag würde - nach Ihrer Diktion - ein bürokratisches Monstrum schaffen, das unwirksam bliebe
und uns nicht dem Ziel einer gerechteren Welt und schon
gar nicht dem Ziel einer friedlicheren Welt näher brächte .
Meine Damen und Herren, es wird Sie nicht überraschen; aber wir werden diese - ich nenne sie mal so Showanträge der letzten Sitzungswoche ablehnen . Aber,
wie gesagt, das wird Sie nicht überraschen .
({1})
Lieber Wolfgang Gehrcke, persönlich wünsche ich Ihnen
alles Gute,
({2})
friedenspolitisch demnächst mehr Sachverstand .
({3})
Herzlichen Dank .
({4})
Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen Neu
das Wort zu einer Kurzintervention .
Geschätzter Kollege Gädechens, zunächst einmal vielen Dank dafür, dass Sie uns als Einzige in der Opposition wirklich ernst nehmen; denn Ihre Rede hat sich sehr
stark auf uns als Linke fokussiert . Insofern vielen Dank .
Ich möchte eine Wissenslücke bei Ihnen schließen .
Der AKSE-Vertrag, den Sie gerade angesprochen haben,
ist nicht von den NATO‑Staaten ratifiziert worden, wohl
aber von der Russischen Föderation, Weißrussland und
Kasachstan . Nachdem sich die NATO-Staaten nach vielen, vielen Jahren weiterhin geweigert haben, den AKSE‑Vertrag zu ratifizieren, hat Russland diesen Vertrag
auf Eis gelegt . - Das ist die ganze Wahrheit .
({0})
Lieber Herr Kollege Neu, wenn Sie in die Verwirbelungen der Vertragsgestaltung - wer wann interveniert
hat - einsteigen,
({0})
dann kann ich nur wiederholen, dass sich Putin seit 2015
aus einem Abrüstungskonzept verabschiedet hat .
({1})
Das macht es der NATO, das macht es allen Verhandlungspartnern eben so schwer, überhaupt Schritte einzuleiten . Wenn sich ein Land wie Russland völkerrechtswidrig verhält, wenn es durch ein Manöver auf russischer
Seite ein Säbelrasseln gibt und wir darauf reagieren, dann
ist das eine Reaktion der friedlichen Welt,
({2})
eines friedlichen Bündnisses mit gleichen Werten und
Wertvorstellungen . Sie müssen einfach akzeptieren, dass
wir diese Werte im Bündnis, in der NATO, verteidigen
wollen .
({3})
Jetzt hat Inge Höger für die Fraktion Die Linke das
Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn
ich mir die weltweiten Ausgaben für Rüstung, Militär
und Kriege anschaue, wenn ich mir das 2-Prozent-Ziel
der NATO anschaue, wenn ich mir die Steigerung der
Ausgaben der Bundesregierung für das Militär anschaue,
dann kann ich nicht erkennen, Herr Staatsminister Roth,
dass Sie die Lehren aus Faschismus und Weltkriegen gezogen haben; Sie haben sie vergessen .
({0})
Die Kriege in Syrien und in der Ukraine, die Spannungen
auf der koreanischen Halbinsel, die NATO-Manöver und
die NATO-Hochrüstungspläne sind Teil einer gefährlichen Eskalationsspirale .
Die Atomkriegsuhr in Genf symbolisiert die Gefahr
eines Atomkriegs, und sie steht inzwischen auf zweieinhalb Minuten vor zwölf . Seit den 50er-Jahren wurde die
Gefahr von den beteiligten Nobelpreisträgern noch nie
als so hoch eingeschätzt . Sie fordern deswegen: Kluge
Politiker sollten sofort handeln und die Menschheit vom
Abgrund wegführen . Wenn sie es nicht tun, müssen weise Bürgerinnen und Bürger vorangehen und den Weg
weisen .
({1})
Genau diesem Rat sind die Regierungen von etwa zwei
Dritteln aller Länder weltweit gefolgt . Sie werden unterstützt von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Friedenskräften . Ihnen gebührt unser Dank .
({2})
In New York finden zurzeit historische Verhandlungen statt . Erstmals liegt ein Vertragsentwurf zur Ächtung
von Atomwaffen vor. Der Nichtverbreitungspakt hat
sich von einem anfänglich äußerst positiven Vertrag zu
einer Bestandsgarantie für die Atomwaffenstaaten entwickelt . Statt Abrüstung steht heute die Modernisierung
der Atomwaffen auf der Tagesordnung. Auch in Büchel
sollen neue Atombomben eingelagert werden . Die Atombomben müssen aber endlich aus Deutschland abgezogen und vernichtet werden .
({3})
Alle, die Atomwaffen besitzen, sie lagern und ihren
Einsatz üben, beteiligen sich an der Vorbereitung oder
zumindest an der Androhung eines Massenmordes . Das
ist völkerrechtswidrig .
({4})
Bei den entsprechenden Verhandlungen in New York
ist ein Stuhl leer . Auf diesem Stuhl sollte ein Vertreter
der deutschen Regierung sitzen . Die ganz überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland wünscht sich,
dass ihre Regierung an den Verhandlungen teilnimmt .
Lediglich 12 Prozent unterstützen die Verweigerungshaltung . Übrigens sind sowohl Unions- als auch SPD-Wähler mit über 80 Prozent dabei . Nur unter den AfD-Wählerinnen und -Wählern gibt es eine stärkere Gruppe, die
nicht für Verhandlungen über ein Atomwaffenverbot ist.
({5})
Da stellt sich die Frage: Wem will das Außenministerium
in diesen Verhandlungen folgen?
Den Abgeordneten von SPD und CDU/CSU möchte
ich an dieser Stelle empfehlen, es ihren Kollegen und
Kolleginnen aus dem Europaparlament gleichzutun . Unterstützen Sie unseren Antrag, und stimmen Sie für eine
deutsche Beteiligung an den Verhandlungen!
({6})
Folgen Sie Ihrem Gewissen! Bei der Frage der Ehe für
alle gelingt es ja auch, Fraktionsgrenzen zu überwinden .
Warum sollte das bei einer Frage, die das Überleben des
gesamten Planeten betrifft, nicht gehen? Auch wenn die
letzte Verhandlungsrunde bereits läuft: Es ist noch nicht
zu spät, beim Abschluss am 7 . Juli mit dabei zu sein - für
ein Verbot von Atomwaffen.
({7})
Ich werde mich in Zukunft - nicht mehr in diesem
Parlament, sondern außerparlamentarisch - weiterhin
für ein Verbot von Atomwaffen, für Frieden und soziale
Gerechtigkeit, für eine friedliche und bessere Welt einsetzen . Ich hätte mir nie träumen lassen, dass in diesem
Parlament Rüstungslobbyisten und Industrielobbyisten
so viel zu sagen haben .
({8})
Ute Finckh-Krämer hat für die SPD-Fraktion als
nächste Rednerin das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer oben auf den Tribünen!
Wir reden heute nicht nur über die fünf Anträge der Oppositionsfraktionen, sondern wir reden auch - und das
freut mich sehr - über die drei Jahresabrüstungsberichte 2014, 2015 und 2016, die wir bisher nur im Unterausschuss „Abrüstung“ diskutiert hatten . In diesen drei Jahresabrüstungsberichten steht durchaus, was alles in den
letzten drei Jahren für Abrüstung und Rüstungskontrolle
getan wurde .
Da die Kollegen aus dem Verteidigungsausschuss zum
Teil hier sind, möchte ich darauf hinweisen, dass wir in
Deutschland eine ganz spezielle Einrichtung haben, nämlich das Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr . Es stellt trotz international wachsender Spannungen unbeirrt und fachlich hochkompetent die Umsetzung
der vertrauensbildenden Maßnahmen und der Verträge
wie des Vertrags über den Offenen Himmel oder des
Wiener Dokuments sicher . Wir können froh und dankbar
sein, dass wir ein solches Zentrum haben . Ich weiß nicht,
wie lange wir es schon haben; ich glaube, seit ungefähr
25 Jahren . Das ist eines der Themen, die weiterhin gut
abgedeckt sind .
({0})
Wir haben in diesen knapp vier Jahren auch einen
Vertrag, der heute noch nicht diskutiert wurde, in Kraft
setzen können, nämlich den Arms Trade Treaty, also den
Vertrag über die Kontrolle von Importen und Exporten
konventioneller Waffensysteme. Auch er sorgt für Transparenz, und man erhält Kontrollmöglichkeiten, die man
bisher nicht hatte . Die Bundesregierung hat diesen Vertrag sehr unterstützt . Auch darüber können und sollten
wir uns am Ende dieser Legislaturperiode freuen .
({1})
Es gibt altgediente Abrüstungsverträge, auf die wir
nicht verzichten können und wollen . Ich möchte in diesem Zusammenhang den INF ansprechen, den Vertrag
über die Vernichtung landgestützter Mittelstreckenraketen in Europa, für den etliche von uns, die wir hier sitzen,
demonstriert haben . Er wurde 1987 nach der Installation
der Pershing II und der Cruise Missiles geschlossen, was
1990 dazu geführt hatte, dass die Waffensysteme, durch
die sich das Risiko eines versehentlich begonnenen
Atomkriegs drastisch erhöht hatte, wieder aus Deutschland abgezogen werden konnten . Dieser Vertrag ist derzeit in Gefahr . Ich bin froh, dass das Auswärtige Amt
alles unternimmt und seine diplomatischen Kanäle nutzt,
um den Fortbestand dieses wichtigen Abrüstungsvertrags
zu sichern .
({2})
Es gibt einen weiteren Vertrag, für den sich Deutschland ganz klar in den letzten Jahren engagiert hat: das
nukleare Teststoppabkommen . Der Vertrag ist ein einmaliger Fall; denn er ist noch nicht in Kraft getreten, er
zeigt aber trotzdem schon Wirkung, weil die Überprüfungsorganisation, die CTBTO, bereits arbeitet, was zum
Beispiel dazu führt, dass wir genau wissen, ob Nordkorea
Atomwaffentests durchführt oder nicht. Die Unterstützung der Bundesregierung auch für diesen Vertrag ist
eindeutig . Wir haben uns in dieser Legislaturperiode hier
im Bundestag mit ihm beschäftigt . Wir spielen aber auch
international eine wichtige Rolle .
({3})
Ich wünsche den drei Kolleginnen und Kollegen, die
in dieser wichtigen Debatte über Abrüstung ihre letzte
Rede hier im Bundestag gehalten haben, alles Gute . Ansonsten freue ich mich auf eine weitere gute Zusammenarbeit. Ich gehöre zu denen, die darauf hoffen können,
dem nächsten Bundestag wieder anzugehören. Ich hoffe,
dass wir in der nächsten Legislaturperiode auf dem aufbauen können, was wir in dieser Legislaturperiode abrüsInge Höger
tungs- und rüstungskontrollpolitisch geleistet haben, und
das trotz eines schwierigen internationalen Umfelds .
({4})
Vielen Dank, Frau Kollegin Finckh-Krämer . - Für
die Unionsfraktion spricht jetzt der Kollege Professor
Dr . Egon Jüttner .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte heute meine letzte Rede vor dem Deutschen
Bundestag; denn ich werde nicht mehr für den Deutschen
Bundestag kandidieren . Ich möchte mich deshalb von
dieser Stelle aus bei allen derzeitigen und ehemaligen
Abgeordneten für die gute Zusammenarbeit und für ihre
Kollegialität und bei meinen Mitarbeitern für deren Unterstützung bedanken .
Einen besonders herzlichen Dank übermittle ich allen Bürgerinnen und Bürgern meiner Stadt, die mich seit
1990 - ich bin damals zum ersten Mal in den Bundestag gewählt worden - bei meiner politischen Arbeit in
Mannheim, Bonn und Berlin unterstützt haben . Es ist mir
ein großes Anliegen, die Mannheimerinnen und Mannheimer von hier aus wissen zu lassen, dass ich mich auch
künftig im Mannheimer Stadtrat, dem ich seit 1984 mit
Unterbrechungen angehöre, für ihre Interessen und Anliegen einsetzen werde .
({0})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, uns liegen
mehrere Anträge der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen zur Abstimmung vor, in denen Abrüstung und eine atomwaffenfreie Welt gefordert werden.
Diese Ziele sind ehrbar und richtig
({1})
- im Prinzip unterstützt sie jeder vernünftige Mensch -,
({2})
doch leider entsprechen sie nicht der sicherheitspolitischen Realität:
({3})
Beinahe täglich erreichen uns Nachrichten von der koreanischen Halbinsel, die uns mit Sorge erfüllen, beinahe
täglich müssen wir erfahren, dass Russland den Luftraum
seiner Nachbarländer verletzt, die Situation in der Ostukraine kann man wohl kaum als zufriedenstellend bezeichnen, und die Okkupation der Krimhalbinsel kann
von demokratischen Staaten nicht hingenommen werden .
({4})
In Syrien setzt ein Diktator Chemiewaffen ein. Und
eine Reihe von Staaten in Afrika haben große Probleme,
islamistischen Terrorgruppen Einhalt zu bieten . Trotz
dieses sicherheitspolitischen Szenarios wird in einem
Antrag der Opposition die Forderung erhoben - ich zitiere -, „ . . . jegliche Exporte von deutschen Rüstungsgütern,
inklusive Kleinwaffen, in die Länder außerhalb Europas
sofort zu verbieten“ .
({5})
Ich frage mich ernsthaft: Sollen wir also nicht mehr die
Armee in Mali mit Gerät unterstützen, um den Vormarsch
islamistischer Kräfte zu stoppen? Sollen wir also nicht
mehr die Peschmerga unterstützen, die Todesschwadronen des IS im Norden des Irak aufzuhalten? Sollen wir
also nicht mehr Südkorea unterstützen, wehrhaft gegenüber dem Nachbarn im Norden zu sein? Sollen wir Israel
hilflos den Aggressionen der Hamas aussetzen?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Ihrem Antrag
sprechen Sie sich auch für ein völkerrechtlich verbindliches Verbot von bewaffneten Drohnen aus. Dies bedeutet
aber im Umkehrschluss, dass führende Köpfe des IS und
anderer Terroreinheiten nicht mehr ausgeschaltet werden
können, ohne dass es zu Verlusten bei der Zivilbevölkerung kommt .
({6})
Bei all diesen Forderungen drängt sich die Frage auf,
welche Mittel und Maßnahmen denn überhaupt angewandt werden sollten, um Frieden, Sicherheit und Stabilität zu erreichen . Ihrem Antrag ist zu entnehmen, dass
Sie Rüstungsbegrenzung und internationale Verträge als
Mittel betrachten, Angriffskriege unmöglich zu machen.
Das würde ich mir natürlich auch wünschen .
({7})
Die Erfahrungen zeigen aber, dass Verträge mit Despoten, die unter Eroberungsabsichten handeln, weder das
Papier noch die Tinte wert sind .
({8})
Und wie man internationale Verträge mit Terrorgruppen
wie dem IS schließen soll, ist mir ein Rätsel .
Im Antrag der Fraktion Die Linke, Drucksache 18/12799, wird die Forderung erhoben, „die Stationierung von Bundeswehreinheiten an den Westgrenzen
Russlands sofort zu beenden“ . Eine weitere Forderung
ist, dass sich Deutschland nicht weiter an militärischen
Manövern an den Grenzen Russlands beteiligt .
({9})
Schließlich wird beantragt, dass Deutschland seine weitere Mitarbeit am Raketenschirm in Osteuropa einstellt
und sich für ein atomwaffenfreies Mitteleuropa einsetzt,
um Vertrauen zu Russland zu bilden . Wenn man diesen Antrag liest, könnte man meinen, Russland sei eine
atomwaffenfreie Zone. Glaubhafter wäre die Forderung
an Russland, sich als Atommacht militärisch zurückzuDr. Ute Finckh-Krämer
halten und nicht permanent den Luftraum anderer Staaten zu verletzen .
({10})
Gerade dies wäre ein wichtiger Schritt in Richtung
Deeskalation und Entspannung .
({11})
Ich kann auch kein Wort der Kritik am russischen Eroberungsfeldzug finden, der in Südossetien und Abchasien
begann, sich über die Krim erstreckte und gerade jetzt in
der Ostukraine Station macht .
({12})
Meine Damen und Herren, ich bin kein Verfechter von
Atomwaffen. Ich bin dagegen, dass Deutschland Atomwaffen anschafft. Deutschland hat das Übereinkommen
über das Verbot von Antipersonenminen und das Übereinkommen über das Verbot von Streumunition ratifiziert.
Wir rüsten nicht auf, sondern passen unsere Streitkräfte
lediglich der veränderten sicherheitspolitischen Lage an .
Es müssen Jahrzehnte zurückreichende Versäumnisse bei
der Beschaffung von militärischem Material und Gerät
ausgeglichen werden .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch ich würde mir
wünschen, die Zeichen stünden auf Abrüstung . Leider ist
das aber nicht die Realität . Hätten Sie mir im Wendejahr 1990, in dem ich zum ersten Mal in den Deutschen
Bundestag gewählt wurde, gesagt, dass ich mich 27 Jahre
später mit Fragen der Abrüstung beschäftige, wie Sie sie
formulieren, ich hätte es Ihnen nicht geglaubt . Heute ist
die sicherheitspolitische Lage eine gänzlich andere als
damals, und sie ist anders als die, die in den vorliegenden Anträgen zum Ausdruck kommt . Wir können deshalb
diesen Anträgen nicht zustimmen .
Ich danke Ihnen .
({13})
Herr Kollege Jüttner, das war Ihre letzte Rede in
diesem Hohen Hause . Im Kürschner sind Sie mit sechs
Sternchen abgebildet . Das steht für sechs Legislaturperioden, die Sie dem Deutschen Bundestag angehört haben;
das ist eine lange Zeit . Ich möchte Ihnen dafür und für
Ihren Einsatz für Deutschland herzlich danken .
({0})
Nächster Redner ist der Kollege Dr . Karl-Heinz
Brunner für die SPD .
({1})
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und
Kollegen! Lassen Sie mich - bei allen politischen Unterschieden, die wir so hatten - zuerst herzlichen Dank
sagen für die gute Zusammenarbeit und das kollegiale
Miteinander. Das betrifft dich, lieber Robert, sehr geehrter lieber Kollege Hochbaum, Sie, Kollege Gehrcke,
Professor Jüttner und Frau Höger . Aber nicht das Danke-schön-Sagen für die zu Ende gehende Legislaturperiode führt uns heute in diesem Hohen Hause zusammen,
sondern die Anträge, welche die Grünen und die Linken
gestellt haben . Deshalb möchte ich am Ende dieser Legislaturperiode ein bisschen über den Begriff zu Ihnen
sprechen, der diese Legislatur immer wieder ganz deutlich beeinflusst hat, nämlich „mehr Verantwortung“.
Dieser Begriff, der inzwischen Teil unserer Diskussion geworden ist, hat - zumindest seit dem Frühjahr
2014 - diese Legislaturperiode wie ein roter Faden
durchzogen . Dabei ging es um die Ukraine-Krise, den
Konflikt in Syrien, die Wahl von Donald Trump, die Entscheidung für den Brexit in Großbritannien und die Wahl
von Emmanuel Macron in Frankreich .
Da stellt sich natürlich die Frage: Was ist Verantwortung? Für den einen bedeutet Verantwortung mehr Auslandseinsätze, für den anderen Mehrausgaben für das Militär, für einen Dritten wiederum ein Sich-Zurückziehen
auf sich selbst, das Vertreten nationaler Interessen und
eine Abschottung gegenüber internationalen Bündnissen .
Verantwortung in der Welt zu übernehmen, das hat
Deutschland bereits getan . Deutschland macht das . Natürlich muss diese Verantwortlichkeit nun weiterentwickelt werden . Deutschland muss Verantwortung übernehmen, wenn alte Bündnisse nicht mehr so ganz sicher
sind oder erscheinen, wie es einst der Fall war, aber auch
dann, wenn sich internationale Beziehungen weiterentwickeln, wenn wir als Europa mehr denn je auf gemeinsames Handeln angewiesen sind . Mehr denn je aber muss
internationale Verantwortung ohne Wenn und Aber mit
der Forderung nach mehr Abrüstung verbunden werden .
({0})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Regierungskoalition hat ja gezeigt, dass das geht . Bald steht
wieder ein Flugzeug zur Verfügung, mit dem wir - der
Kollege Hochbaum hat es gesagt - unseren Verpflichtungen im Rahmen des Open-Skies-Vertrages nachkommen
können . Es ist wichtig wie nie, diesen vertrauensstiftenden Vertrag zwischen der Russischen Föderation und uns
mit Leben zu erfüllen . Frank-Walter Steinmeier hat in seiner Zeit als Außenminister - ihm folgte Sigmar Gabriel,
der heute durch Staatsminister Michael Roth vertreten
wird - im vergangenen August eine neue Debatte über
Abrüstung in Europa gerade im Hinblick auf Russland
in Gang gebracht . Und mit den Schlusserklärungen zur
OSZE-Präsidentschaft wurde ein solides Fundament für
Abrüstung in Europa geschaffen.
Doch es wäre viel mehr möglich und nötig . Ja, liebe
Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich muss jetzt
ein bisschen zu Ihnen hinüberschauen: Ein paar Themen
könnten von Ihnen noch intensiver behandelt werden .
Dabei geht es erstens beispielsweise um das Thema der
Ächtung extralegaler Tötungen . Diese perverse Praxis
der Entgrenzung von Kriegen sollte verurteilt werden .
Wir hätten sie in diesem Parlament - so, wie es im Koalitionsvertrag steht - ganz offiziell ächten können. Jedoch
ist ein von uns Abrüstungspolitikern in der SPD ausgearDr. Egon Jüttner
beitetes Papier in den Büros bzw . E-Mail-Postfächern der
Union verschwunden .
({1})
Zweitens . Auch bei allen Versuchen, Regeln für die
Rüstung im Weltall zu schaffen, geht nichts voran. Man
ist da behäbig . Und Sie versuchen, allen Entscheidungen
hierzu aus dem Wege zu gehen . Schade! Denn wir sind
uns im Grunde doch darüber einig, dass mehr Sicherheit
nur zu erreichen ist, wenn wir gerade die neuen Methoden der Kriegsführung rechtzeitig politisch begleiten, sie
rechtzeitig in enge Bahnen lenken und rechtzeitig dafür
Sorge tragen, dass mit ihnen Völkerrecht eingehalten und
dieses nicht umgangen wird .
Ich bin mir sicher, meine Kolleginnen und Kollegen:
Internationale Verantwortung ist für ein Land wie unseres nicht zuletzt aufgrund seiner geschichtlichen Erfahrung ein essenzieller Auftrag .
({2})
Kollege Brunner, gestatten Sie eine Zwischenfrage
der Kollegin Buchholz?
Gerne .
Vielen Dank . - Kollege Brunner, ich teile absolut Ihre
Auffassung zur Ächtung von extralegalen Tötungen, und
ich nehme auch zur Kenntnis, dass die Große Koalition
gestern mit einem ihrer wichtigsten Projekte im Verteidigungsausschuss - dort wollte sie die Beschaffung der
Heron-TP-Kampfdrohne beschließen - gescheitert ist .
Dieser Punkt wurde ja abgesetzt . Daneben weiß ich, dass
die SPD dort, anders als bisher in dieser Legislaturperiode, kritischere Fragen zum Thema Kampfdrohnen gestellt hat .
Meine Frage an Sie ist jetzt: Warum haben Sie gestern nicht die Chance genutzt, gemeinsam mit den
Grünen und uns diese Vorlage und damit auch die Heron-TP-Kampfdrohne zu Fall zu bringen? Wir hätten im
Ausschuss eine Mehrheit dafür gehabt . Sind Sie bereit, in
der nächsten Legislaturperiode mit uns den Haushaltstitel
für eine Kampfdrohne - es geht zum einen um die Übergangslösung Heron TP und zum anderen um die europäische Kampfdrohne - aus dem Haushalt zu entfernen?
Ich glaube nämlich, wenn wir tatsächlich zur Ächtung
von Kampfdrohnen kommen wollen, dann wäre es das
Wichtigste, dass auch Deutschland keinen Schritt weiter
in diese Richtung geht .
({0})
Verehrte Kollegin Buchholz, Sie glauben doch nicht
ernsthaft, dass wir, solange wir mit unserem Koalitionspartner einen Koalitionsvertrag haben und gut verhandeln können und in guten Gesprächen sind, mit Ihnen
gemeinsam einen Antrag zu Fall bringen werden .
({0})
Und über die Zukunft möchte ich an dieser Stelle heute
nicht spekulieren .
({1})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie
mich zur Sicherheitslage in vielen Teilen dieser Welt zurückkommen, welche kritisch ist. Neben den Konflikten,
die uns schon seit einigen Jahren beschäftigen, erleben
wir weitere militärische Gewalt und werden uns sonstige
Gefahren aufgezeigt. Wir wissen, dass uns diese Konflikte immer wieder mit Fragen konfrontieren wie die, wo
welche Waffen zur Verfügung stehen und wann und wie
diese eingesetzt und verwendet werden können .
Es muss immer unsere Aufgabe sein, dafür zu sorgen,
dass das uns zur Verfügung stehende Arsenal so weit wie
möglich eingeschränkt wird und dass dessen Nutzung,
wenn sie nicht zu verhindern ist, klar geregelt und beschränkt ist . Das ist unsere Verantwortung für Deutschland und in der Welt; das ist die Verantwortung, die ich
will .
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ich
will die Ächtung extralegaler Tötungen . Ich will die Einbindung Deutschlands in die Verhandlungen zu einem
Atomwaffenbann. Ich will eine neue europäische Abrüstungsinitiative .
Ich will dies aber - und da bin ich mir sicher - in Gesprächen, in Verhandlungen und in einem fairen Umgang
miteinander erreichen; denn die Welt wartet nicht auf
uns . Dies müssen wir schon selbst in die Hand nehmen .
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .
({2})
Zum Abschluss dieser Aussprache hat der Kollege
Peter Beyer für die CDU/CSU das Wort .
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Um es vorweg
einmal zu sagen: Ich persönlich kenne niemanden, der
sich mit Leib und Seele für eine Aufrüstung ausspricht .
Die Aufgabe eines jeden verantwortungsvoll handelnden
und denkenden Politikers - ich denke, wir alle hier in
diesem Raum sind das - ist es doch, internationale Krisen
friedlich beizulegen, sich zumindest darum zu bemühen
und sich dafür einzusetzen .
Allein ich muss nun eingestehen, dass wir in dieser
Sache auch schon einmal einen Schritt weiter waren .
Einst überwunden geglaubte Bedrohungsszenarien erscheinen plötzlich doch wieder real .
In Russland wird offen und unverblümt von höchster
Stelle aus von einem Großreich wie aus vermeintlich
besseren Zeiten schwadroniert . Leider bleibt es dort nicht
alleine bei den Worten . Sonst ist es ja immer gut, wenn
den Worten auch Taten folgen, in diesem Fall aber nicht .
Ich erwähne nur die bereits in die Debatte eingebrachte
völkerrechtswidrige Annexion der Krim und die Unterstützung der Separatisten im Osten der Ukraine durch
Russland . Kollege Professor Jüttner hat noch Südossetien und andere Bereiche angeführt . Das alles ist sicherlich
nicht im Sinne einer Abrüstungsstrategie zu verstehen .
Darüber hinaus ist auch - das gehört auch in diesen
Bereich - die Einmischung in Wahlkämpfe in westlichen
Staaten wie in den USA und in Frankreich zu nennen;
und auch bei uns gibt es ganz klare Indizien dafür, dass
dies hier geschehen ist und weiter geschehen wird .
({0})
Meine Damen und Herren, die Aufrüstung in Russland - das ist Fakt - wird sehr massiv vollzogen .
({1})
Das Raketenarsenal wird modernisiert . Hier werden ungeheure Summen in den militärischen Sektor investiert .
Die Kollegen von der linken Seite des Parlaments rufen jetzt wieder nervös dazwischen . Sie wollen uns immer gerne glauben machen, dass alles Übel der Welt von
der anderen Seite des Atlantiks, von unseren Freunden in
den USA, ausgeht .
({2})
Das zeugt eher von einem mich persönlich erschreckenden und zutiefst verwurzelten Antiamerikanismus auf der
linken Seite des Parlaments .
({3})
Fragen Sie doch einmal die Menschen in der Ukraine, fragen Sie die Menschen in den baltischen Staaten,
woher die Bedrohung kommt . Die Kollegin Elisabeth
Motschmann, die unsere Berichterstatterin für diese Region ist und sich dort bestens auskennt, redet viel mit den
Menschen dort . Ich empfehle Ihnen: Tun auch Sie das
einmal . Dann werden Sie wissen, woher die Bedrohung
kommt .
({4})
Meine Damen und Herren, wir Deutsche kannten das
Gefühl der Bedrohung jahrzehntelang sehr gut, als wir
selbst uns am östlichsten Rand der demokratischen Welt
befanden . Uns jetzt in Sicherheit zu wiegen, weil wir uns
nach 70 Jahren europäischen Friedens in der Mitte Europas befinden, wäre trügerisch, kurzsichtig und letztlich
falsch . Die NATO ist für viele unserer östlichen Nachbarn der wichtigste Garant der eigenen staatlichen Souveränität .
Ich empfehle Ihnen die Lektüre des „Berichts der
Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung sowie
über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale“, kurz:
des Abrüstungsberichts . - Ich höre hier schon ein Gähnen, wahrscheinlich hat Sie die Lektüre ermüdet . Aber
es ist eine spannende Lektüre, lesen Sie sie noch einmal
durch . In dem Bericht wird sehr detailliert mit den Herausforderungen auf dem Weg hin zu einer friedlicheren
Welt umgegangen. Darin finden wir ausführliche Berichte über die nukleare Abrüstung, das Verbot chemischer
Waffen und die Kleinwaffenkontrolle. Auch ein Kapitel
zu den Herausforderungen im Bereich Cybersicherheit das spielt eine immer größere Rolle - sowie eine Übersicht über Projekte zur Minen- und Kampfmittelräumung
befinden sich in diesem Bericht.
Die Ausführlichkeit dieses Berichts zeigt doch: Die
Welt ist nicht so einfach gestrickt, wie es uns manche
glauben machen wollen . Wer ernsthaft eine friedlichere
Welt möchte, der darf nicht selbst die Augen schließen
und denken, dass, wenn man nur selbst die Gefahren
und damit die Realität ausblendet und ignoriert, diese im
Gegenzug einen selbst in Ruhe lassen . Das funktioniert
nicht, meine Damen und Herren .
Ich möchte ein Beispiel anführen, welches in diesem
Zusammenhang unsere geschätzte Frau Bundeskanzlerin
in ihrem Gespräch mit dem ehemaligen Präsidenten der
USA Barack Obama auf dem Kirchentag gebracht hat .
Es bezieht sich auf das Volk der Jesiden im Irak . Hätten
seinerzeit nicht die US-Amerikaner gemeinsam mit den
Kurden eingegriffen, und zwar militärisch wie humanitär, wäre ein ganzes Volk von den Schergen des IS vernichtet worden .
({5})
Die Sprüche, die ich jetzt hier schon wieder von der
linken Seite des Parlaments höre, wie „Alle Soldaten
nach Hause schicken!“ oder „Alle Waffen vernichten!“,
sind natürlich bloße Plattitüden, die uns eine einfache
Welt suggerieren sollen . Denkt man sie indes weiter, so
bedeuten sie auch ein Wegsehen und - was viel schlimmer ist - unterlassene Hilfeleistung .
({6})
Diese bittere Erkenntnis müssen Sie sich entgegenhalten
lassen .
({7})
Nicht nur in weiter Ferne lassen sich beunruhigende
Entwicklungen beobachten . Auch die als etabliert gegoltene Friedensstruktur in Europa gerät ein Stück weit zunehmend ins Wanken . Wir müssen ein wachsames Auge
auf den westlichen Balkan haben; denn dort ist mit einem
Blick auf die Entwicklung nicht ganz auszuschließen,
dass wir uns wieder einer Situation nähern, wie wir sie in
den 90er-Jahren hatten .
Rüstungskontrolle, meine Damen und Herren, hat
immer zum Ziel, mehr Stabilität, Berechenbarkeit und
Transparenz zu erreichen . Zieht man sich überall zurück,
verliert man den Einblick in die verschiedenen Systeme
und schließlich den Überblick über die Zusammenhänge .
Nun zur nuklearen Abrüstung . Dass es bei den Nuklearwaffen zu keiner neuen Rüstungsspirale kommt, liegt
im ureigenen Interesse und ist Anspruch aller Europäer
und auch der Menschen in der Welt . Darum wirkt die
Bundesregierung darauf hin, die bestehenden Vertragsregime, die in die Debatte schon eingebracht worden sind,
zu erneuern und zu vertiefen. Das Ziel, eine kernwaffenfreie Welt zu erreichen, bleibt dabei das oberste Gebot .
Die Ehrlichkeit gebietet es aber auch, zu sagen, dass wir
dieses Ziel nicht schon morgen erreichen werden . Wir
können aber, so wie es die Bundeskanzlerin und die Regierung regelmäßig tun, unsere Verbündeten und Freunde an deren Verantwortung erinnern und gleichzeitig darauf hinwirken, dieses Ziel in der Zukunft zu erreichen .
Sorgen bereitet mir die Entwicklung um das Nuklearabkommen mit dem Iran . Es hat bisher erfolgreich dazu
beigetragen, dass es zu einer Entspannung im Nahen Osten und im Verhältnis zum Iran gekommen ist .
Deutschland ist Teil der Joint Commission, die die
Einhaltung dieses Abkommens überwacht . Wir sehen
auch hier, dass mitreden immer besser ist, als sich selbst
ins Abseits zu stellen . Wie wichtig es ist, dass dieser
richtige Weg weitergeführt wird, müssen wir - auch das
möchte ich nicht verschweigen - als ehrliche Verbündete
und Freunde der USA nun der neuen Administration in
Amerika verdeutlichen . Denn eines ist das Abkommen
mit dem Iran sicherlich nicht - ich zitiere den amerikanischen Präsidenten -: „die schlechteste Vereinbarung, die
je getroffen wurde“.
Ich komme zum Schluss und fasse zusammen: Abrüstung, Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle haben einen hohen Stellenwert in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik, und das völlig zu Recht .
({8})
Gemeinsam mit unseren Verbündeten bleiben wir in all
den unterschiedlichen Formaten, die sich der Abrüstung
widmen, beteiligt, um auf eine friedlichere Welt hinzuwirken . Manchmal braucht es dazu einen langen Atem,
um das Richtige zu erreichen .
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit .
({9})
Damit schließe ich die Aussprache .
Wir kommen jetzt zu den Anträgen auf den Drucksachen 18/12799, 18/12800 und 18/12898 . Die Fraktionen
Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen wünschen jeweils
Abstimmung in der Sache . Die Fraktionen von CDU/
CSU und SPD wünschen jeweils Überweisung an den
Auswärtigen Ausschuss .
Wir stimmen nach ständiger Übung über die Anträge
auf Ausschussüberweisung zuerst ab . Wer für die beantragte Überweisung stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen . ({0})
Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit sind
die Überweisungen so beschlossen, mit den Stimmen
von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und von Bündnis 90/Die Grünen . Deshalb
stimmen wir heute über die Anträge auf den Drucksachen 18/12799, 18/12800 und 18/12898 nicht in der Sache ab .
Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 9 d . Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu
dem Antrag der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/
Die Grünen mit dem Titel „Verhandlungen über einen
Atomwaffenverbotsvertrag aktiv unterstützen“. Der
Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung
auf der Drucksache 18/12419, den Antrag der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/11609 abzulehnen . Wer für diese Beschlussempfehlung des Ausschusses stimmt, den bitte ich um
ein Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen
mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktion Die Linke und vom Bündnis 90/
Die Grünen .
Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 9 e . Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu
dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Atomwaffen aus Deutschland abziehen und Neustationierung
stoppen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 18/12420, den Antrag
der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/6808 abzulehnen . Wer für die Beschlussempfehlung des Ausschusses
stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen . - Wer stimmt
dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen mit den Stimmen von CDU/
CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen .
Wir kommen jetzt zu den Zusatzpunkten 1 bis 3 . Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den
Drucksachen 18/11968, 18/8065 und 18/4270 an die in
der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit einverstanden? - Kein Widerspruch .
Dann sind diese Überweisungen hiermit beschlossen .
Deshalb kann ich jetzt den Tagesordnungspunkt 10
aufrufen:
- Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({1})
zu dem Antrag der Bundesregierung
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an EUNAVFOR MED Operation SOPHIA
Drucksachen 18/12491, 18/12868
- Bericht des Haushaltsausschusses ({2})
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
Drucksache 18/12869
Hierzu liegt ein Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen vor . Über die Beschlussempfehlung
werden wir später namentlich abstimmen .
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
diese Aussprache 38 Minuten vorgesehen . Ich gehe davon aus, dass alle damit einverstanden sind . - Dann ist
das somit beschlossen .
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der
Kollege Rainer Arnold für die SPD das Wort .
({3})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
denke, diese heutige Debatte können wir nicht führen,
ohne zuallererst an die Menschen zu denken, die, eingepfercht auf fragilen Flüchtlingsbooten, den Weg übers
Meer nehmen müssen . Von 37 stirbt einer . Mehr als
1 300 Flüchtlinge, Menschen, darunter auch Kinder, sind
in diesem Jahr erbärmlich ertrunken . Auch deshalb müssen wir alle - und wir tun das - den rechten Nationalisten
hier in unserem Land und in anderen Ländern entgegentreten, die den Menschen einreden wollen, Mauern und
Zäune seien die Lösungen dieser Probleme . In Wirklichkeit befördern diese nicht nur Mauern aus Beton, sondern
sie stärken Mauern in den Köpfen und letztendlich auch
Mauern in den Herzen .
({0})
Ich finde, wir alle können stolz sein, in einem Land zu
leben, in dem die Mehrheit der Bürger ihrer humanitären,
wenn man so will auch ihrer christlichen Verantwortung
nachkommt und diese annimmt .
({1})
Die Mehrheit des Deutschen Bundestags taucht mit
der heutigen Verlängerung des Mandates EUNAVFOR
MED Operation Sophia auch nicht vor der parlamentarischen Verantwortung ab . Wir wissen: Die Entscheidung ist nicht die Lösung der Tragödie im Mittelmeer
oder gar deren Ursachen . Sie ist auch nicht die Lösung
der Ursachen der Flucht von Millionen Menschen . Aber
EUNAVFOR MED ist eine der notwendigen Komponenten, nicht mehr und nicht weniger . Manchmal ist es zugegebenerweise auch nur ein Heftpflaster auf der klaffenden
Wunde der Krisenherde im Nahen und Mittleren Osten
und in vielen Staaten Afrikas . Aber allein die Tatsache,
dass die Schiffe in den letzten Monaten von EUNAVFOR
MED insgesamt 36 000 Menschen vor dem Ertrinken gerettet haben und damit ihrer Verpflichtung zur Seenotrettung nachkommen, ist, finde ich, Grund genug, diesem
Mandat zuzustimmen,
({2})
zumal das Mandat in ein vielfältiges Krisenengagement
eingebettet ist .
Die Stärkung der Zivilgesellschaft in Libyen ist sehr
wichtig, genauso bessere Regierungsführung - Deutschland hilft hier -, Gesundheit, Bildung, Sicherheit und
Mediation zwischen den Konfliktparteien. Auch die Stärkung des politischen Prozesses, auch wenn es manchmal
schier zum Verzweifeln ist, der mit Trippelschritten nach
vorne geht und Rückschläge erleidet, gehört dazu . Ich
möchte an der Stelle sagen: Was der UN-Sondergesandte, der deutsche Diplomat Martin Kobler, hier leistet, ist
eine großartige Arbeit .
({3})
EUNAVFOR MED hat aber auch die Aufgabe, das
Geschäftsmodell der Schleuser zu unterlaufen - das ist
ein ganz schwieriger, aber wichtiger Prozess - und das
UN‑Waffenembargo zumindest an der Küste durchzusetzen . EUNAVFOR MED leistet weiterhin einen Beitrag
zur Ausbildung, zum Aufbau und zur Kapazitätsbildung
der libyschen Küstenwache .
Nun werden da drüben, auf der linken Seite, gleich
welche reagieren, weil es viel an der libyschen Politik zu
kritisieren gibt, auch an der Küstenwache . Deutschland
hat im Libanon sehr erfolgreich Küstenschutz mit organisiert . In Libyen ist es ungleich schwieriger . Man kann
viel kritisieren, und man muss dort viel verbessern . Das
ist keine Frage . Es stellt sich insbesondere die Frage, ob
uns die libyschen Behörden auch die geeigneten Bewerber zur Ausbildung schicken . Gehen sie tatsächlich nach
den Prinzipien der Menschlichkeit, der Menschenrechte
und der Verhältnismäßigkeit der Mittel und nach dem
Völkerrecht vor?
Die Antwort darauf kann doch nicht sein: Nur weil sie
schlecht sind, lassen wir sie das alleine machen . Ich empfinde das als zynische Haltung. Gerade weil es schlecht
ist, was sie machen, müssen wir helfen . Wir müssen helfen, damit sie besser werden . Wir müssen ihnen Grundkenntnisse im Völkerrecht vermitteln, wir müssen ihnen
beibringen, Menschenrechte zu wahren, und wir müssen die Seenotrettung üben . All dies ist der Auftrag von
EUNAVFOR MED .
Angesichts der Spaltung des Landes, der vielen rivalisierenden Milizen und der vielen Rechtsverletzungen
müssen wir uns darauf einstellen - das ist doch ganz
klar -, dass die Staatengemeinschaft in diesem Land
noch einen sehr langen Atem brauchen wird .
Werte Zuhörer, das ist meine letzte Rede nach 19 Jahren . Das waren Jahre, für die ich dankbar sein kann .
Deshalb ein paar persönliche Worte: Dank an die Wähler
sowie natürlich Dank an meine Partei, in der ich mich
immer wohlfühlen werde und die mich getragen hat in
all den Jahren .
({4})
Ich habe Politik - wie wir alle - immer so verstanden:
Demokraten - so hat Heribert Prantl mal formuliert nesteln an den Problemen herum und lösen Knoten . Ich
glaube, das tun wir alle in den Ausschüssen mit unendVizepräsident Johannes Singhammer
licher Geduld . Wir alle können miteinander darauf stolz
sein, und wir können selbstbewusst sein .
Ich empfinde trotzdem keine Wehmut. Ich freue mich
sehr auf Neues . Ich freue mich, keine Termine mehr
wahrnehmen zu müssen . Ganz klar - damit es niemand
falsch versteht - ist mit der heutigen Rede die Arbeit in
dieser Legislaturperiode für uns alle und damit auch für
mich noch nicht vorbei .
Ich erinnere an einen anderen Auftrag der Demokratie .
Sie ist eben kein Prozess zur Vermeidung von Streit und
Konflikten. Das gilt besonders für den Verantwortungsbereich der Verteidigungspolitik in diesen Tagen und
Wochen .
Wir, alle Abgeordneten, spüren die besondere Verantwortung für die Bundeswehr, für unsere Parlamentsarmee . Ich möchte den Soldaten sagen: Ich bin dankbar für
die vielen Gespräche mit gut ausgebildeten, kritischen,
reflektierenden Soldaten. Ich habe besonderen Respekt
vor denen, die mir in den Jahren auch widersprochen haben . Wir brauchen ein Grundvertrauen in demokratische
Strukturen . Aber auf dieser Basis muss es möglich sein,
sich als Staatsbürger in Uniform auch kritisch mit unserer Politik und der Führung der Streitkräfte auseinanderzusetzen .
Wir müssen Soldaten, die das tun, loben, statt Soldaten, die Kritik üben, zu schurigeln, oder gar einen
Soldaten, der im Eifer des Gefechtes eine ironische Bemerkung macht, vor den Kadi zu ziehen, wie es die Verteidigungsministerin derzeit tut. Ich finde, dies zeugt von
mangelnder Souveränität der Ministerin .
({5})
Von diesem Pult aus wird keiner Berufsgruppe so oft
gedankt wie den Soldaten der Bundeswehr . Das ist gut
und richtig, weil sie einen besonderen Dienst leisten,
weil sie unsere Aufträge loyal annehmen und im Zweifelsfall auch unter Einsatz ihres Lebens für die Interessen
und die Freiheit unseres Landes kämpfen . Aber dieser
Dank wird am Ende zu einer Phrase, wenn die politische
Führungsverantwortung im Konkreten den notwendigen
Respekt vor der Leistung der Soldaten vermissen lässt .
Ich wünsche der Truppe für die Zukunft eine Leitung, die die Prinzipien der Inneren Führung nicht nur
bespricht, sondern sie in erster Linie durch vorbildhaftes
Verhalten selbst vorlebt . Das ist die Grundregel der Inneren Führung .
Wir bräuchten eigentlich nach den vielen angekündigten Trendwenden in diesem Bereich auch mal eine
Trendwende Kommunikation . Es geht einfach nicht, dass
aus dem engen Umfeld der Ministeriumsspitze an einzelne Journalisten Halbwahrheiten durchgestochen werden
oder gar Personalmaßnahmen zu einzelnen Soldaten zunächst einmal an die Presse gegeben werden, bevor die
Soldaten davon erfahren .
({6})
Ich wünsche den Soldaten und den Zivilbeschäftigten,
dass das derzeitige Misstrauen bei der Bundeswehr überwunden wird, sodass wieder eine Kultur des Vertrauens
einkehrt . Damit das niemand falsch versteht - ich sage
das auch in Richtung der Kollegen, mit denen wir kontrovers diskutiert haben -: Wer bestreitet, dass es in der
Bundeswehr derzeit einen tiefen Vertrauensbruch bzw .
eine tiefe Vertrauenskrise gibt, zerstört allein durch das
Negieren und das Nichtwahrnehmen dieser Krise das
weitere Vertrauen und zerstört übrigens auch die Chance,
dass es wieder zusammenwächst .
({7})
Auch wenn das nicht allen gefällt:
({8})
Uns alle im Ausschuss, insbesondere die sozialdemokratischen Verteidigungspolitiker, treibt dieses Thema in
diesen Tagen und Wochen um . Deshalb wird der Diskurs
auch nicht mit Ende der Sitzungsperiode in den nächsten
Wochen enden .
Manchmal gibt es Zufälle im Leben . Einschließlich
meiner zwei - wie das Präsidium damals meinte: unerträglich langen - Kurzinterventionen ist heute meine
hundertste gleichzeitig meine letzte Rede . Ein schöner
Zufall!
({9})
Ich melde mich von diesem Rednerpult ab . Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen für die kollegiale Zusammenarbeit . Ich danke besonders all denjenigen, die als
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Parlamentsbetrieb
unterstützen, und nicht zuletzt der großartigen Stadt Berlin - sie wird mir wirklich fehlen - sowie meinem tollen
Team in Berlin und im Wahlkreis . Herzlichen Dank!
({10})
Ich bin in all den Jahren als Politiker auch im Verteidigungsausschuss - die meisten haben das bemerkt;
manche hat das vielleicht sogar gestört - immer ein notorischer Zivilist geblieben . Zugegeben, über manche Rituale und Formulierungen bei den Streitkräften kann ich
schmunzeln . Mit einer der Formulierungen, über die ich
schmunzle, beende ich meine Rede: Hiermit beende ich
meinen Vortrag!
Ich danke Ihnen .
({11})
Herr Kollege Arnold, als Verteidigungspolitiker haben Sie strategisch geplant, die hundertste Rede als letzte
Rede hier im Hohen Haus zu halten . Ich möchte Ihnen
für 19 Jahre Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag fünf Legislaturperioden - und auch für das, was Sie im
Rahmen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die
für uns alle von herausragender Bedeutung ist, eingebracht haben, herzlich danken . Herzlichen Dank!
Nächster Redner ist der Kollege Dr . Alexander Neu
für die Fraktion Die Linke .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und
Herren! Weltweit sind über 65 Millionen Menschen auf
der Flucht. Die allermeisten sind Binnenflüchtlinge, die
in der Region umherirren . Einige Hunderttausend Menschen aus Afrika sowie dem Nahen und Mittleren Osten
wollen in die EU . Bei den Fluchtversuchen ertranken in
den letzten Jahren mehr als 10 000 Menschen, Männer,
Frauen, Kinder und teilweise ganze Familien . Wie reagiert die EU darauf? Die EU reagiert mit Flüchtlingsabwehr unter Zuhilfenahme diplomatischer, polizeilicher
und militärischer Instrumente . Die Bundeswehrmission
EUNAVFOR MED verkörpert diese militärische Flüchtlingsabwehr .
Wer über Flucht und Flüchtlinge redet, muss auch
über Fluchtursachen reden .
({0})
Dazu gehört im Wesentlichen der von Deutschland vorangetriebene Freihandel. Die Öffnung der jeweiligen
nationalen Binnenmärkte zum Beispiel in Afrika hat die
Zerstörung der dortigen ohnehin schwachen Landwirtschaft und noch schwächeren Industrie zur Folge . Insbesondere deutsche Produkte überschwemmen dort die
Märkte und zerstören die ansässige Wirtschaft . Nicht nur
innerhalb der EU, sondern auch weltweit produziert die
deutsche Exportwirtschaft Armut und somit Flüchtlinge .
({1})
Eine zweite Ursache ist die militärisch gestützte Regime-Change-Politik wie in Libyen, Syrien, im Irak und
in Afghanistan . Nur um prowestliche Regime zu installieren, nimmt man in Kauf, dass Hunderttausende Menschen flüchten oder sterben. Rüstungsexporte in Konflikt‑ und Krisenregionen, unzureichende Klimapolitik,
all das sind Faktoren, die dazu beitragen, dass Hunderttausende Menschen in die EU fliehen möchten. Aber um
Fluchtursachen zu bekämpfen, muss man grundlegend
umdenken in der Außen-, Außenwirtschafts-, Entwicklungs- und Klimapolitik .
({2})
Wir müssen heute anfangen, damit die Maßnahmen in
wenigen Jahren fruchten .
Aus diesem Grund, sehr geehrte Grüne, können wir
Ihrem Entschließungsantrag nicht zustimmen; denn er
vermeidet geradezu die Benennung von Fluchtursachen
und reduziert sich auf die humanitäre Symptombekämpfung . Das ist zu wenig, sehr geehrte Grüne .
({3})
EUNAVFOR MED ist faktisch - man schaue sich die
Auftragslage an - eine Flüchtlingsabwehr . Hinzu kommt
natürlich - das wird immer wieder benannt - die völkerrechtliche Verpflichtung, in Seenot geratenen Menschen
Hilfe zu leisten . Ja, EUNAVFOR MED hat Zehntausenden das Leben gerettet . Daran hat auch die Bundeswehr
ihren Anteil; daran besteht kein Zweifel . Daher auch
mein Dank an die Bundeswehrsoldaten .
Aber EUNAVFOR MED ist zuallererst eine Flüchtlingsabwehrmission . Hören Sie auf, den Menschen mit
der Theorie Sand in die Augen zu streuen, dass hier in
erster Linie Menschen gerettet werden . Das ist nicht der
Fall .
({4})
Zur vorhin gelobten Ausbildung der Küstenwache:
Dazu gibt es keine guten Nachrichten . Das Projekt einer
libyschen Küstenwache ist höchst dubios . Die libysche
Küstenwache übernimmt letztendlich den schmutzigen, ja
geradezu dreckigen Job der Mission EUNAVFOR MED,
nämlich die Menschen auf ihren Booten zurück nach
Libyen abzudrängen, zurück in die Lager, in denen der
reinste Horror herrscht: Vergewaltigung, Tod, Mord,
Versklavung . Die Bundesregierung und die Europäische
Union wissen es; aber sie sagen dazu nichts .
Die sogenannte libysche Küstenwache attackiert zivile Seenotretter, zuletzt Sea-Watch im Mai . Was macht die
Europäische Union? Sie schaut weg, nein, sie finanziert
sogar diese kriminelle Struktur einer Küstenwache .
Aber nicht genug damit: Politiker in der Europäischen
Union und auch in Deutschland versuchen, zivile Seenotretter zu kriminalisieren . Hauptsache, das übergeordnete
Ziel wird erreicht, nämlich keine weiteren Flüchtlinge in
die EU hineinzulassen . Das ist menschenverachtend und
schändlich .
({5})
Neben der von mir genannten Ursachenbekämpfung
wollen wir natürlich auch unmittelbare Maßnahmen einfordern . Wir brauchen statt militarisierter Flüchtlingsabwehr legale Fluchtwege nach Europa .
({6})
Statt einer Bundeswehr, die nur bei Seenot hilft, brauchen wir staatlich organisierte zivile Rettungsmissionen .
Das sind die Gründe, warum wir natürlich der Verlängerung dieser Mission nicht zustimmen können .
Ich möchte abschließend meinen Dank - ich glaube,
auch im Namen der Fraktion sprechen zu können - allen
zivilen und privaten Rettungsmissionen aussprechen, die
das tun, was die Bundesregierung tun müsste, nämlich
Menschenleben retten .
Danke .
({7})
Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Roderich
Kiesewetter .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Europa muss
sich mehr um sich selber kümmern und um seine NachVizepräsident Johannes Singhammer
barschaft . Die Bundesregierung hat mit starker Unterstützung der Koalition Afrika stärker in die europäische
Nachbarschaftspolitik einbezogen: Migrationspartnerschaften, Ausbildungspartnerschaften und gezielte Begleitung der diplomatischen Prozesse im Maghreb sind
die Markenzeichen dieser Politik .
Europa hat die Chance, durch mehr Zusammenhalt in
dieser Frage mehr Kraft, neue Kraft zu entwickeln . Deshalb ist es völlig abstrus, Herr Kollege Neu, wenn Sie
davon reden, dass das, was wir mit der Operation Sophia
beschließen, eine Flüchtlingsabhaltepolitik ist . Die wenigen deutschen Soldaten und Schiffe, die dort im Einsatz
sind, haben in den letzten zwei Jahren 20 000 Menschen
aus der Seenot gerettet .
({0})
Insgesamt sind 40 000 Menschen von der Mission Sophia aus der Seenot geborgen worden . Deswegen geht es
hier nicht um Abhaltung, vielmehr geht es darum, dass
wir Europäer eine abgestimmte Politik mit Blick auf
Libyen, den Maghreb und die Länder in der Sahelzone
entwickeln .
Warum ist das so notwendig? Wenn wir den Wünschen der Linken und zum Teil auch der Grünen folgen
würden, käme Europa in die Position eines Zuschauers .
Für die Linken wären die Grenzen offen. Die Grünen haben in ihrem Antrag gute Vorschläge gemacht, was die
Migrationspartnerschaften angeht; aber sie schließen den
Küstenschutz und die Ertüchtigung der libyschen Küstenwache aus .
Die Zusammenarbeit mit Ländern in der Sahelzone
und die Stärkung des politischen Prozesses in Libyen
sind zwei Seiten einer Medaille . Beides gehört zusammen . Das zu berücksichtigen, ist verantwortungsvolle
Politik .
({1})
Wenn wir hier erfolgreich sein wollen, sollten wir auch
die Signale, die wir dieser Tage aus Italien vernehmen,
sehr sorgfältig wahrnehmen . Es geht nicht darum, dass
wir einfach noch mehr Flüchtlinge aufnehmen und Libyen sich selbst überlassen, sondern es geht darum, dass wir
mithelfen, dass in den Flüchtlingslagern an der libyschen
Nordküste erheblich mehr Menschenrechte durchgesetzt
werden und diese Flüchtlingslager unter internationale
Aufsicht kommen .
({2})
Deshalb plädiere ich auch dafür, dass wir in Europa diplomatisch alles daransetzen, dass wir in die nächste Phase von Sophia kommen, nämlich zur Anerkennung der
libyschen Zentralregierung und damit auch zum Aufbau
von von der EU mitfinanzierten und vor allen Dingen
auch überwachten Aufnahmezentren in Libyen .
({3})
Warum ist das so erforderlich?
({4})
Die meisten Flüchtlinge, die aus Afrika nach Europa gelangen, kommen über Libyen, weil dieses Land zerfallen
ist .
({5})
Gerade mal 3 Prozent haben einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte . Entscheidend ist, dass wir
Libyen stabilisieren, dort Perspektiven schaffen und auch
die Länder südlich von Libyen, die angesichts des Klimawandels, des demografischen Wandels, zerfallender
staatlicher Systeme und der Terrormilizen vor dem Zerfall stehen, stabilisieren und dort eine Bleibeperspektive
schaffen. Uns deshalb aus der Ertüchtigungsinitiative für
Libyen herauszuhalten, wie es der Entschließungsantrag
der Grünen fordert, greift schlichtweg zu kurz . Es kommt
darauf an, dass wir die Chance nutzen, durch permanente
gezielte Ausbildung Fähigkeiten auf libyscher Seite zu
schaffen, damit dort verlässliche staatliche Strukturen
entstehen .
Ich möchte vier Interessen ansprechen, die wir in dieser Region haben .
Herr Kollege Kiesewetter, der Kollege Neu möchte
eine Zwischenfrage stellen .
Ich freue mich auf die Kurzintervention von ihm nach
meiner Rede .
({0})
Ich möchte meinen Gedanken zu Ende führen und die
vier Interessen ansprechen .
Erstens . Das erste deutsche wie auch europäische Interesse ist, dass Sarraj und Haftar in Libyen zusammenkommen, dass Haftar den politischen Prozess einleitet
und nicht Teil einer militärischen Lösung bleibt . Das
wird uns nur gelingen, wenn wir auf Katar und auf die
Türkei diplomatisch einwirken mit dem Ziel, dass sie
ihre Vorbehalte hinsichtlich einer Zusammenarbeit zwischen Haftar und Sarraj aufgeben . Hier ist Diplomatie
gefragt . Wir brauchen in der Zusammenarbeit zwischen
Sarraj und Haftar eine stärkere staatliche Fähigkeit aufseiten der Zentralgewalt .
Das zweite Interesse, das wir dort haben, ist, die regionalen Initiativen zu unterstützen, nämlich die, die von
Algerien, Tunesien, Ägypten und Marokko ausgehen . Es
war im Jahr 2011 schon einmal so weit, dass mit Blick
auf Gaddafi eine diplomatische Lösung aus der Region
kurz vor dem Abschluss stand . Damals haben wir einen
Fehler gemacht; nicht Deutschland, aber die internationale Staatengemeinschaft . Hier gilt es, mehr in die Fähigkeit der Region zu investieren .
Der dritte Punkt ist, dass wir diplomatisch Russland
an Bord halten, dass Russland die militärische Unterstützung Haftars aufgibt und Teil des diplomatischen Prozesses wird .
Viertens geht es darum - ich habe es angesprochen -,
über Libyen hinaus einen diplomatischen Prozess mit
den Migrationsländern südlich von Libyen anzustrengen .
Dazu gehören auch das Waffeneinsammeln und Militärdiplomatie .
Ein letzter Punkt, der mir am Herzen liegt: Wir als
Fraktion unterstützen die Mission Sophia . Wir sind von
ihrer Erfolgsaussicht überzeugt . Aber es reicht noch
nicht; wir müssen in die Phase 3 einsteigen, also auch auf
dem libyschen Boden aktiv werden .
({1})
Wir sollten in der nächsten Periode erreichen, dass wir
nicht immer nur isoliert Mandate beraten . Wir sollten uns
in diesem Hohen Hause auch Gedanken über die generelle Ausrichtung der Außen- und Entwicklungspolitik
Deutschlands und Europas machen und die Mandate einordnen . Es sind nun mal unsere Interessen, die wir dort
wahrnehmen, und es sind auch unsere Werte, die durch
die fürchterlichen Ereignisse im humanitären Bereich
dort - in Teilen sind es Skandale - aufs Spiel gesetzt
werden . Deswegen wiederhole ich: Europa hat die Chance, durch mehr Zusammenarbeit, durch kohärente Arbeit
neue Kraft zu schöpfen, und wir in der CDU/CSU-Fraktion wollen das mit Nachdruck unterstützen .
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit .
({2})
Der Kollege Neu hat jetzt die Gelegenheit zu einer
kurzen Kurzintervention .
Herr Kollege Kiesewetter, ich bin in Ihrer Rede an
zwei Punkten hängen geblieben . Der erste Punkt . Sie haben gerade so dahergeredet, auf libyschem Boden aktiv
zu werden . Was bedeutet das konkret? Können Sie das
manifestieren? Es würde uns alle im Hause interessieren,
was Sie damit meinen .
Der zweite Punkt . Sie haben gerade Italien angesprochen . Es wurde gestern und heute in den Medien berichtet, dass sich Italien bei der Bewältigung der Aufgaben,
die durch das Ankommen der Flüchtlinge entstehen, sehr
alleine gelassen fühlt . Man hängt ja immer noch am Abkommen von Dublin . Was tut eigentlich die Bundesregierung, wenn Italien Ernst mit seiner Ankündigung macht
und keine Boote mit Flüchtlingen mehr in die Häfen
lässt?
Ich habe also diese beiden Fragen, ohne Umrede:
({0})
Was soll auf libyschem Boden geschehen? Was tut die
Bundesregierung, wenn Italien Flüchtlinge nicht mehr
ins Land lässt?
Danke .
Herr Kollege Kiesewetter .
Danke, Herr Präsident . - Herr Kollege Dr . Neu, zunächst einmal: Diese Fragen müssten Sie eigentlich der
Bundesregierung stellen .
Wir als CDU/CSU-Fraktion halten sehr viel davon,
einmal einige Jahre zurückzublicken . Im Jahr 2012 waren es Außenpolitiker der Union und der FDP, die sehr
deutlich gemacht haben, dass die Regelungen von Dublin
und Schengen alleine nicht mehr greifen, sondern dass
wir einen anderen Umgang mit Ländern wie Griechenland oder Italien brauchen . Das ist uns inzwischen gelungen . Ich glaube, wir haben innerhalb Europas inzwischen
eine andere Kultur des Umgangs .
Uns Deutschen ist sehr bewusst, dass wir Italien nicht
alleinlassen können . Deswegen regen wir Außenpolitiker der Union sehr stark an, eine trilaterale Partnerschaft
zwischen Frankreich, Italien und der Bundesrepublik zu
etablieren, in der man sich genau um diese Fragen das
Mittelmeer betreffend kümmert. Auch der Marshallplan
mit Afrika von unserem Bundesentwicklungsminister
Gerd Müller weist den Weg in die richtige Richtung . Ich
halte hier also klar fest: Es reicht nicht aus, einfach nur
zu sagen, was nicht geht, sondern wir müssen konstruktiv mit Italien zusammenarbeiten . Es ist doch auch ein
Zeichen für uns alle, dass die Mission Sophia dermaßen
geschätzt wird und von europäischen Staaten unterstützt
wird . Wir tun alles, um humanitäre Bedingungen für die
Flüchtlinge zu schaffen.
Eine Abhaltepolitik, wie Sie sie unterstellen wollen,
findet ja gar nicht statt. Im Gegenteil: Italien bereitet sich
gerade auf die Aufnahme weiterer Flüchtlinge vor und
bereitet Hunderte von Gebäuden, Hunderte von Liegenschaften vor . Die Bundesrepublik Deutschland unterstützt
mit Beamten aus dem Innenministerium, unterstützt mit
Polizistinnen und Polizisten . Wir sind vielfach aktiv . Wir
haben eine starke deutsche Unterstützungszelle in Rom,
die im Bereich Sophia, aber auch Italien insgesamt bei
der Migrationsbewältigung unterstützt .
Zu Ihrem anderen Punkt, was wir auf libyschem
Boden tun müssen . Zum einen gibt es die europäische
Grenzsicherungsmission . Diese kann aber erst dann greifen, wenn es eine souveräne Regierung in Libyen gibt .
Zum anderen sieht Sophia vor, an der Küste aktiv zu
werden, Ausbildungseinrichtungen zu leiten und in den
Flüchtlingslagern zu unterstützen . Es ist eindeutig klar das habe ich angesprochen; offensichtlich haben Sie
nicht zugehört oder sind hängen geblieben -, dass Katar
und die Türkei diesen Prozess behindern . Unsere Aufgabe muss es sein, auf diplomatischer Ebene Erdogan beim
G-20-Gipfel und Katar durch den Besuch unseres Bundesaußenministers zum Einlenken zu bewegen . Ich sehe
sehr gute Aussichten, den Zusammenhalt Libyens und
den nächsten Schritt der Mission Sophia zu erreichen .
Herzlichen Dank .
({0})
Die Kollegin Dr . Franziska Brantner spricht als Nächste für Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren! Wir reden heute nicht zum ersten und sicherlich auch nicht zum letzten Mal über das Mittelmeer .
Es geht nicht um Sandstrände oder idyllische Sonnenuntergänge, sondern um das Meer, das jährlich für Tausende zum Grab wird . Viele der Verzweifelten können dem
Tod entkommen . Ja, auch die Verbände der EUNAVFOR
MED haben bis heute mehr als 36 000 Menschen aus den
Fluten gerettet . Den Soldatinnen und Soldaten, gerade
auch jenen der Bundeswehr, gilt daher unser Dank für
das Retten von Menschenleben .
({0})
Aber es bleibt festzuhalten, dass Lebensrettung die Aufgabe einer zivilen Seenotrettung bleibt und auch dort
hingehört .
({1})
Herr Kiesewetter, ich widerspreche Ihnen nur ungern,
aber Sie haben gerade gesagt, die Italiener seien ganz
happy mit der Situation . Herr Gentiloni hat gerade heute
wieder gesagt, dass er nicht mehr bereit sei, den Booten der privaten Seenotrettern eine Anlegeerlaubnis zu
geben, wenn Deutschland und die anderen europäischen
Länder nicht bereit sind, die Geretteten gerecht über alle
europäischen Länder zu verteilen . Das ist die Frage, die
sich diese Bundesregierung zu stellen hat . Da kommt bis
jetzt aus Berlin nur ein Nein . Das ist keine Seenotrettung,
sondern das ist Verweigerung unserer Verantwortung .
({2})
Ich komme auf das Mandat zu sprechen . Das Hauptmandat ist, gegen Schmuggler vorzugehen . Die Frage ist
doch, ob diese Mission dabei effektiv ist. Unsere Antwort
ist eindeutig Nein. Wenn man effektiv gegen Schmuggler
vorgehen will, dann muss man legale Wege schaffen, auf
denen Menschen kommen können, damit sie sich nicht
Schmugglern anvertrauen müssen, um über das Meer zu
kommen .
({3})
Das wäre eine echte Bekämpfung der Schmuggler . Aber
dieser Aufgabe stellen Sie sich ja gar nicht . Außerdem
ist es eine polizeiliche Aufgabe, gegen Menschenhandel
vorzugehen . Auch das gehört in die Hände von zivilen
Kräften .
Ein weiterer Punkt des Mandates ist, das Waffenembargo der Vereinten Nationen durchzusetzen . Da haben
wir ganz viele Fragezeichen . Es gibt Beispiele, dass die
Besatzungen italienischer Boote doch nicht so genau hingeschaut haben, wenn die Waffen an ihre Partner gingen.
Von daher gibt es auch da ein großes Fragezeichen, ob
wir das durchsetzen können .
Eine andere Aufgabe im Rahmen des Mandates ist, die
libysche Küstenwache zu trainieren . Aber wer ist denn
diese Küstenwache, von der Sie hier immer sprechen?
Wir wissen doch, dass es de facto keine Regierung in diesem Land gibt und dass die Küstenwache nicht mehr ist
als eine Miliz von vielen, sehr geehrte Damen und Herren .
({4})
Wenn es für Reformen im Sicherheitssektor eine
Grundregel gibt, dann ist es die, zu sagen: Man braucht
zuerst ein politisches Übereinkommen . Danach kann
man einen Sicherheitssektor aufbauen, zu dem eine Küstenwache gehört . Das gibt es aber in diesem Fall nicht .
Diese Regel brechen Sie also . Deswegen wird es auch
nicht funktionieren, diese Küstenwache aufzubauen .
({5})
Es bleibt weiterhin die Frage: In welchem Rechtsrahmen bilden wir diese Küstenwache aus? Wir wissen, dass
der Umgang mit Flüchtlingen dort katastrophal ist . Viele
sprechen von KZ-ähnlichen Zuständen . Dieser rechtliche
Rahmen, innerhalb dessen wir dort ausbilden, ist nicht
akzeptabel . Das ist kein Rahmen, der internationales
Recht respektiert .
({6})
Wenn Sie davon sprechen - da hat Herr Kiesewetter ja
recht -, dass das Hauptproblem ist, dass wir dieses Land
aufbauen müssen,
({7})
weil Libyen kaputt ist, kein Staat ist, der funktioniert,
dann frage ich Sie: Warum bilden Sie denn dann nicht
die Justiz aus? Warum bilden Sie denn nicht die Verwaltungsbeamten aus?
({8})
Warum bilden Sie denn nicht diejenigen aus, die ein Sozialsystem aufbauen können? Warum bilden Sie nur die
Küstenwache aus? Das ist nicht der Teil, der Libyen hilft,
sondern nur der Teil, der uns hilft .
({9})
Damit bauen Sie Libyen nicht auf . Damit betreiben Sie
nur eine Abschottungspolitik und keine Politik für Libyen .
Wenn die Europäer wirklich etwas für diese Einheitsregierung tun wollen, dann wären sie gut beraten, wenn
die Franzosen nicht einen Teil der Anhänger Haftars militärisch unterstützen, die Italiener nicht einen Teil der
Misratis und nicht alle im sogenannten Kampf gegen den
IS an der Seite der Gegner der nationalen Einheitsregierung kämpfen und dadurch diejenigen, die wir versuchen
auszubilden, gleichzeitig militärisch schwächen . Das ist
die Realität dieser Mission . Sie ist widersprüchlich, erreicht die Ziele nicht, und deswegen werden wir sie eindeutig ablehnen und werden nicht zustimmen, dass das
Ganze auch noch mit dem Titel „lebensrettend“ versehen
wird .
({10})
Herr Arnold, Herr Kobler ist ja leider immer noch da,
und wir bekommen keinen neuen Sonderbeauftragten,
weil die Amerikaner jemanden blockieren, der zu nah an
anderen Interessenlagen ist, und weil andere Regierungen blockieren . Dieser politische Prozess ist blockiert,
und es wäre an der Zeit, ihn endlich einmal wieder in
Gang zu bringen . Das könnte eine Aufgabe für Deutschland sein . Dort sollten wir vorangehen . Daher bitte ich
die Bundesregierung: Tun Sie etwas für Libyen, für den
politischen Prozess, für den Aufbau dieses Staates, und
machen Sie nicht nur Flüchtlingsabwehr .
({11})
Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege
Dr . Andreas Nick .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit
Juni 2015 beteiligt sich die Bundeswehr an der Mission EUNAVFOR MED Operation Sophia . Das Mandat
basiert auf einer UN-Resolution . Die Mission erfolgt in
enger Zusammenarbeit mit unseren Partnern aus NATO
und EU . Zu den Aufgaben der Mission gehören die Bekämpfung von Schleusernetzwerken, die Ausbildung
der libyschen Küstenwache und die Durchsetzung des
UN‑Waffenembargos. Selbstverständlich kommen die
Einheiten der Mission auch ihrer völkerrechtlichen und
humanitären Verpflichtung zur Seenotrettung nach. Bisher konnten fast 40 000 Menschen durch Einheiten der
Operation auf der Mittelmeerroute gerettet werden . Wir
danken den Soldatinnen und Soldaten der Bundesmarine an dieser Stelle ganz herzlich für ihren engagierten
Einsatz .
({0})
Wir dürfen aber nicht verkennen, dass sich die Lage
auf der Mittelmeerroute weiter dramatisch zuspitzt . In
diesem Jahr sind dort bereits mehr als 1 500 Menschen
ums Leben gekommen . Die Zahl der in Italien ankommenden Flüchtlinge ist in den ersten fünf Monaten dieses
Jahres um fast 30 Prozent auf rund 60 000 Menschen gestiegen . Wir brauchen deshalb einen umfassenderen politischen Ansatz, um Schleuserkriminalität zu bekämpfen,
die irreguläre Migration weitgehend zu unterbinden und
damit endlich das Sterben im Mittelmeer zu beenden .
Dass dies durchaus möglich ist, hat das in diesem Haus
häufig zu Unrecht gescholtene EU‑Türkei‑Abkommen
bewiesen . Seit dessen Inkrafttreten im März 2016 sind
nicht nur das Schlepperunwesen erfolgreich bekämpft
und die Fluchtbewegungen über die Ägäis weitgehend
gestoppt worden . 2015 sind noch über 800 Menschen, in
den ersten drei Monaten 2016 über 400 Flüchtlinge in
der Ägäis ums Leben gekommen . In diesem Jahr waren
es - immer noch zu viele - lediglich 37 .
Es ist richtig: Die Ausgangslage in der Ägäis und die
im zentralen Mittelmeer sind in wesentlichen Aspekten
nicht vergleichbar. Das betrifft zum einen die politische
und administrative Situation in den südlichen Mittelmeeranrainerstaaten, insbesondere in Libyen . Ohne funktionierende staatliche Strukturen in Libyen kann organisierte Kriminalität nicht nachhaltig bekämpft werden .
Daher setzen wir uns auch weiterhin für die politische
und wirtschaftliche Stabilisierung Libyens ein . Kollege
Kiesewetter ist darauf ja schon ausführlich eingegangen .
Es wäre aber auch eine gefährliche Illusion, zu glauben, dass der Schlüssel für die Lösung des Flüchtlingsproblems allein in Libyen liegt . Wir müssen den Blick
vielmehr stärker auf die jeweiligen Herkunftsländer
und die eigentlichen Ursachen und Motive der illegalen Migration legen . Auf der Mittelmeerroute dominieren Menschen aus den Herkunftsländern Westafrikas,
vor allem Nigeria, Guinea, der Elfenbeinküste, Gambia,
dem Senegal und Mali . Anders als bei den Bürgerkriegsflüchtlingen aus Afghanistan, Syrien oder dem Irak handelt es sich überwiegend um wirtschaftlich motivierte
Migration . Die Menschen haben kaum Aussicht auf
Anerkennung als Asylbewerber in Europa . Dennoch ist
die Zahl der Rückführung in die Herkunftsländer bisher
verschwindend gering . Beispiel Nigeria: 2016 gelangten
rund 37 500 Menschen aus Nigeria nach Italien . Obwohl
75 Prozent von ihnen weder Asyl noch eine andere Form
von Schutz erhielten, wurden weniger als 1 Prozent, ganze 165, in ihr Heimatland zurückgeführt .
Von dieser Situation geht eine verheerende und geradezu zynische Anreizwirkung aus . Wer die gefährliche
Reise durch die Sahara und über das Mittelmeer auf sich
nimmt und überlebt, der kann derzeit davon ausgehen,
auf lange Zeit in Europa bleiben zu können, häufig allerdings rechtlos, in prekären Verhältnissen und ohne
Perspektive . Wir brauchen deshalb insbesondere eine
massive Beschleunigung der Verfahren in den europäischen Anrainerstaaten am Mittelmeer, am besten nach
einem einheitlichen europäischen Standard und - falls
gewünscht - mit entsprechender europäischer Unterstützung .
({1})
Wir brauchen vor allem aber auch funktionierende
Rücknahmeabkommen, insbesondere mit den HerkunftsDr. Franziska Brantner
ländern in Westafrika . Ziel sollten Vereinbarungen sein,
die ab einem bestimmten Stichtag die Rücknahme westafrikanischer Staatsbürger durch ihre Heimatländer vorsehen . Derartige Abkommen müssen auch ein wichtiger
Bestandteil im Rahmen der verstärkten Entwicklungszusammenarbeit mit den Ländern Westafrikas sein .
Meine Damen und Herren, im Rahmen von Migrationspartnerschaften werden wir uns über definierte Kontingente ein Stück weit für legale Migration in die EU
öffnen müssen, um diesen Staaten einen Anreiz zu geben, solche Abkommen abzuschließen . Denn wie beim
EU-Türkei-Abkommen gehören drei Grundelemente
zusammen: die bessere Sicherung der EU-Außengrenzen und die Bekämpfung der Schleuserkriminalität, die
Bekämpfung von Fluchtursachen durch nachhaltige Verbesserung der Lebenssituation in den Herkunfts- und
Transitländern, aber auch eine Perspektive für legale
Migration im Rahmen entsprechender Kontingente und
geordneter Verfahren .
In diesem Zusammenhang trägt auch die EUNAVFOR
MED Operation Sophia zur Reduzierung illegaler Migration bei . Sie ist ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung von Schleuserkriminalität . Das sollte auch die Priorität der Mission bleiben . Deshalb stimmen wir heute der
Fortsetzung der Beteiligung der Bundeswehr an dieser
Mission zu .
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .
({2})
Abschließende Rednerin in dieser Aussprache ist die
Kollegin Julia Obermeier für die CDU/CSU .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Allein in den vergangenen vier Tagen kamen
über 10 000 Menschen über das Mittelmeer nach Italien . Die Situation könnte sich angesichts der ruhigeren
See im Sommer weiter zuspitzen . Schätzungen zufolge
warten über 1 Million Menschen in Libyen auf die Überfahrt nach Europa . Libyen ist das wichtigste Transitland
der zentralen Mittelmeerroute . Angesichts der instabilen
Lage in Libyen, in der Clans, Kriminelle und Warlords
ohne Rücksicht auf Menschenleben um Macht, Geld
und Einfluss kämpfen, ist es schwer, den skrupellosen
Schleuserbanden Einhalt zu gebieten . Jeden Tag bringen
sie Menschen auf seeuntaugliche Boote und damit in Lebensgefahr .
Die Hauptaufgabe der Operation EUNAVFOR MED
Sophia ist deshalb die Bekämpfung von Schleusernetzwerken . Im Rahmen der Mission wurden bereits mehr
als 400 Schleuserboote versenkt und über 100 mutmaßliche Schleuser festgenommen . Doch solange die Mission - ohne die Erlaubnis einer legitimen libyschen Regierung - nicht ins libysche Hoheitsgebiet vordringen darf,
kann sie ihre volle Wirkungskraft nicht entfalten . Trotzdem ist die Mission wichtig .
Meine Damen und Herren, natürlich kommen die
Einsatzkräfte der Mission ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung der Seenotrettung nach, auch wenn dies nicht
ihr Hauptauftrag ist . In den vergangenen beiden Jahren
wurden so über 37 000 Menschenleben gerettet . Allein
das wäre doch ein guter Grund für die Opposition, dieser
Mission zuzustimmen .
({0})
Die Bundeswehr übernimmt zudem zwei weitere
wichtige Aufgaben . Sie bildet Einsatzkräfte der libyschen
Küstenwache aus . Nach einem langwierigen und sorgfältigen Auswahlprozess wurden rund 90 Libyer geschult,
und auch sie retten Menschenleben im Mittelmeer . Unsere Soldatinnen und Soldaten gehen auch gegen Waffenschmuggel vor . Der deutsche Tender „Rhein“ konnte am
1. Mai ein Schiff stoppen, das mit automatischen Waffen,
Maschinengewehren, Mörsern, Minen, Munition und
Granaten voll beladen war . Für diesen Erfolg, aber auch
für ihren Einsatz insgesamt danke ich unseren Soldatinnen und Soldaten ganz herzlich .
({1})
Im vergangenen Jahr konnte ich gemeinsam mit unserem Staatssekretär Markus Grübel die Besatzung der Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“ im Einsatz im Mittelmeer besuchen und mich von ihrem großen Engagement
überzeugen . Der maritime Einsatz ist ein wichtiger Baustein, um die gefährliche Mittelmeerroute zu schließen .
Aber weitere Bausteine müssen am libyschen Festland
umgesetzt werden . Libyen braucht ein Mindestmaß an
Stabilität und Staatlichkeit, um die kriminellen Strukturen zu bekämpfen . Es braucht wirtschaftliche Entwicklung, die das Geschäftsmodell der Schleuser obsolet
macht .
Deutschland hilft Libyen hierbei diplomatisch - auch
wenn die Bemühungen langwierig und schwierig sind .
Insbesondere unterstützen wir die großen Anstrengungen des UN-Sondergesandten Martin Kobler, die international anerkannte Einheitsregierung zu stärken . Denn
nur bei politischen Fortschritten kann die zivile Mission
EUBAM Libyen, die dem Land dabei helfen soll, die eigenen Grenzen zu schützen, auch Früchte tragen . Darüber hinaus helfen wir der neuen Regierung, die Lebensbedingungen der Bevölkerung schnell zu verbessern .
Unter anderem beteiligen wir uns an einem UN-Stabilisierungsfonds, der mit 30 Millionen Euro die größte Wiederaufbaumaßnahme der internationalen Gemeinschaft
in Libyen darstellt .
Natürlich müssen wir auch die Migrationsursachen
in Afrika bekämpfen . Hier hat unser Bundesentwicklungsminister Gerd Müller mit seinem Marshallplan mit
Afrika einen wichtigen und richtungsweisenden Schritt
gemacht .
Meine Damen und Herren, wir wollen eine positive
Entwicklung in Afrika . Wir wollen Menschenleben retten . Dazu müssen wir den kriminellen Schlepperbanden
das Handwerk legen . Deshalb brauchen wir die Mission,
und deshalb bitte ich Sie um Ihre Zustimmung zur Mandatsverlängerung .
Vielen Dank .
({2})
Vielen Dank . - Damit schließe ich die Aussprache .
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem An-
trag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteili-
gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an EUNAVFOR
MED Operation SOPHIA. Der Ausschuss empfiehlt
in seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksa-
che 18/12868, den Antrag der Bundesregierung auf der
Drucksache 18/12491 anzunehmen . Wir stimmen über
diese Beschlussempfehlung namentlich ab und beginnen,
wenn die Urnen aufgestellt und die Schriftführer anwe-
send sind .
Bis das abschließend der Fall ist, darf ich noch da-
rauf hinweisen, dass die Abstimmung an allen Abstim-
mungsurnen möglich ist, nicht nur an der Urne von mir
aus gesehen rechts . Die Abgabe der Stimmkarte an einer
der anderen Urnen erzielt eine völlig identische Wirkung .
Jetzt darf ich nachfragen, ob alle Abstimmungsurnen
bereitstehen . - An der Enthaltungstür oben fehlt noch ein
Schriftführer, und vorne fehlt noch ein Schriftführer von
der Opposition - Jetzt sind wir komplett . Dann kann ich
die Abstimmung eröffnen.
Ist noch ein Mitglied des Hauses hier, das seine Stim-
me nicht abgegeben hat? - Jawohl, davon gibt es noch
einige . Ich empfehle die Urnen direkt am Rednerpult . Sie
sind völlig frei zugänglich und ermöglichen eine soforti-
ge Stimmabgabe . - Jetzt sehe ich niemanden mehr, der
seine Stimmkarte abgeben möchte, aber dazu noch nicht
gekommen ist . Dann schließe ich hiermit die Abstim-
mung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,
mit der Auszählung zu beginnen . Das Ergebnis der Ab-
stimmung wird wie üblich später bekannt gegeben .1)
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Ent-
schließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf der Drucksache 18/12967 . Wer für diesen Entschlie-
ßungsantrag stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen . -
Einige Stimmen der Grünen . - Jetzt sind es schon mehr .
Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser
Entschließungsantrag abgelehnt mit den Stimmen von
CDU/CSU und SPD sowie der Fraktion Die Linke gegen
die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen .
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 11 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des 3. Untersuchungsausschusses gemäß
Artikel 44 des Grundgesetzes
Drucksache 18/12950
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . - Damit sind er-
kennbar alle einverstanden . Dann ist das so beschlossen .
1) Ergebnis Seite 24936 D
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Armin Schuster für die CDU/CSU das
Wort .
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese menschenverachtende Mord-, Überfall- und Anschlagsserie des
NSU-Trios soll sich nicht wiederholen, und wir tun alles,
um sie aufzuklären - das waren die zwei Versprechen,
die wir abgegeben haben . Nach dem Ende des zweiten
NSU-Untersuchungsausschusses ist es Zeit, Bilanz zu
ziehen . Die Versprechen habe ich persönlich in erster Linie den Opfern und ihren Angehörigen gegeben, die ich
zum Teil auf der Tribüne begrüße . Ich habe sie aber auch
den Menschen in Deutschland gegeben; denn nach einem
solchen Vorkommnis müssen wir Vertrauen aufbauen .
Wenn Sie mir erlauben, dann fasse ich die Ergebnisse
beider NSU-Untersuchungsausschüsse zusammen . Wir
haben in beiden Untersuchungsausschüssen insgesamt
fünf Jahre intensiv, einvernehmlich, mit einstimmigen
Beschlüssen und einem einstimmigen Abschlussbericht,
einen parlamentarischen Anstand, eine parlamentarische
Disziplin gezeigt, die in diesem Haus wahrscheinlich
einmalig sind . Dafür möchte ich mich bei allen anderen
Fraktionen bedanken .
({0})
Es ist ein starkes Signal an die Justiz, an die Ermittlungsbehörden, an den Gesetzgeber und an unsere Gesellschaft, dass wir das normale Parteiverhalten im Bundestag beiseitegeschoben haben . Das war keine übliche
Debatte . Deshalb möchte ich auch heute darauf verzichten, zu polarisieren . Meine Fraktion hat auch kein Sondervotum abgegeben . Wir glauben, dass die gemeinsame
Grundüberzeugung, die wir im Untersuchungsausschuss
gewonnen haben, nicht kleinteilig zerredet werden darf .
Ich habe es mir selbst zur Pflicht gemacht, darauf zu
verzichten - ich habe nur sieben Minuten Redezeit -,
x Versagensumstände und x Schwächen, die wir schon
im ersten Ausschuss identifiziert haben, heute zu wiederholen, ob das das V-Leute-Wesen, das Schreddern oder
was auch immer betrifft.
Viele der dramatischen Befunde, mit denen wir uns
im Untersuchungsausschuss konfrontiert sahen, gab es
in diesem Haus bereits am 2 . September 2013, und sie
gelten weiter .
({1})
Herr Kollege Schuster, darf ich ganz kurz unterbrechen . - Angesichts des ernsten Gegenstandes der Debatte
darf ich alle bitten, die unabhängig von dieser Beratung
Gesprächsbedarf haben, die Gespräche nicht hier im
Plenarsaal zu führen .
({0})
Warum dieser zweite Untersuchungsausschuss NSU?
Erstens . Unsere Untersuchungsarbeit im Zuge der
ersten Auflage konnte sich wegen des Prozesses in München, den wir nicht stören wollten, nur auf die Zeit bis
zum 4 . November 2011 beziehen . Alle Ermittlungen, die
danach stattfanden, konnten wir in der vergangenen Legislaturperiode nicht untersuchen . Besonders interessiert
haben uns die Tatorte Eisenach und Zwickau . Ihnen wollten wir uns widmen . Das haben wir getan .
Zweitens . War es ein Trio, oder gab es Mittäter? Wir
waren uns nach der ersten Auflage nicht sicher. Wir haben uns auch gefragt: Kennen wir alle Unterstützer, oder
rennen da draußen noch welche herum, die wir nicht kennen? Das waren für mich die wesentlichen Gründe, warum wir den zweiten Ausschuss brauchten .
Welche Ergebnisse gibt es nach 55 Sitzungen, 78 Zeugenvernehmungen und der Auswertung von 727 Giga byte
Datenmaterial? Chapeau im Übrigen an die Mitarbeiter
aller Fraktionen und des Untersuchungsausschusssekretariats!
({0})
Die Geschehensabläufe in Eisenach und Zwickau, über
die wir viele Vermutungen angestellt hatten, sind für
mich im Wesentlichen aufgeklärt . Es ist eindeutig, dass
Mundlos Böhnhardt erschossen hat, bevor er sich selbst
gerichtet hat . Außerdem konnten wir keine Belege für
weitere Täter finden.
Ich sage jetzt einmal ganz ehrlich: Es hat mir sehr gut
getan, dass wir den Einsatzleiter des Tatorts Eisenach als
Zeugen vernommen haben; denn über ihn wurden öffentlich viel Kritik, Hohn und Spott ausgeschüttet, wie dumm
er sich - angeblich - an diesem Tatort angestellt habe .
Der Mann hatte etliche Stunden Zeit, um viele überzogene Kritikpunkte auszuräumen . So ist das eben, wenn man
die andere Seite hört . Dafür bin ich dankbar . Ich glaube,
man hätte das eine oder andere anders machen können;
aber viel Kritik an ihm war überzogen .
({1})
Beim Tatort Probsteigasse in Köln haben wir eine
Theorie abgeräumt: Nein, es gab keinen führenden Neonazi und V-Mann des LfV, der dort beteiligt war .
In Dortmund hätte ich mir ein intensiveres Eintauchen
von GBA und BKA in die örtliche Szene gewünscht . Wir
konnten nichts feststellen; aber Zweifel bleiben .
Bezogen auf Kassel haben wir die Zweifel daran, dass
der Mitarbeiter des LfV das alles nicht gemerkt haben
kann, nur noch erhärtet; aber wir können keine neuen Belege hinzufügen . Die Zweifel bleiben .
Heilbronn ist der entscheidende Tatort für viele Kritikpunkte bezüglich der Trio-These . Für mich ist aufgrund
der fehlenden Funkzellenauswertung und der DNA-Abgleiche, die nicht optimal gelaufenen sind, vor allen Dingen aber aufgrund valider Zeugenaussagen zur Anzahl
flüchtender Täter, blutverschmiert, die Trio‑These oder
die These „Duo“ kaum haltbar,
({2})
wenngleich ich natürlich überhaupt keine Zweifel an der
Täterschaft von Mundlos und Böhnhardt habe . Es geht
um die Frage: Wer war noch dabei? Deswegen sehe ich
noch reichlich Ermittlungsbedarf rund um Heilbronn .
Zur Trio-These: GBA und BKA haben aufwendig und
engagiert ermittelt . Denen kann man keinen Vorwurf
hinsichtlich des Aufwands, den sie betrieben haben, machen . Aber sie waren fokussiert: fokussiert auf die Verurteilung der bekannten Angeklagten . Das ist vielleicht
vorwerfbar; ich halte mich da eher zurück . Ich verweise
lieber auf den Erfolg dieses Untersuchungsausschusses:
Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere Arbeit dafür
gesorgt hat - das ist ein Erfolgsmoment -, dass die Bundesanwaltschaft und das BKA erhebliche Nachermittlungen angestellt haben, insbesondere was Trio-These und
Unterstützerumfeld anbelangt . Das ist aus meiner Sicht
ein Erfolg .
Ich möchte auf das Thema DNA nicht eingehen . Darauf wird wahrscheinlich der Vorsitzende selber eingehen
wollen; das Thema lasse ich ihm .
Zu BfV und LfV: ungenutzte Chancen, V-Leute-Wesen, Schreddern . Meine Damen und Herren, wir können
den Schmerzpunkt nur vertiefen; aber das sind alles Befunde aus der letzten Legislaturperiode . Daran gibt es
nichts schönzureden; aber wir müssen bitte die Balance
wahren . Das habe ich schon am 2 . September 2013 hier
gesagt . Ermittelt haben Staatsanwaltschaften und Polizeien . Deshalb ist es, wenn man kritisiert, wichtig, die
Kritik dort anzubringen, wo die Aufklärungsarbeit am
Ende zum Erfolg geführt werden muss . Deswegen hat
meine Fraktion versucht, in den Befragungen zwischen
Staatsanwaltschaften, Gerichten, Polizei und Verfassungsschutz eine sinnvolle Balance zu halten . Natürlich
kann man an dem Fall „Corelli“ sehen, wie schlimm
manchmal alles läuft . Aber daran arbeiten wir . Man hat
damals leider keinen NSU-Bezug gesehen, sonst wäre
man wahrscheinlich weiter gekommen .
Waren wir erfolgreich? Wir haben alle Richtungen
beleuchtet, vorgefasste Meinungen verifiziert und falsifiziert. Wir haben erhebliche Nachermittlungen angestrengt, und wir haben uns um die Umsetzung der Empfehlungen aus dem ersten NSU-Untersuchungsausschuss
gekümmert; hier hat die Bundesregierung sehr viel gemacht . Wir hatten wenige Chancen, und wir hatten nicht
die Smoking Gun . Das ist das, was die Journalisten jetzt
gerne hätten . Dann wäre das mediale Interesse größer .
Aber so einfach machen wir uns das nicht . Das war nicht
meine Motivation . Geduld, Geduld, Geduld!
Die Opfer, die Angehörigen der Opfer, die Menschen
in diesem Land dürfen erwarten, dass wir nicht aufhören,
uns um das Thema zu kümmern . Sie dürfen erwarten,
dass wir da sind, wenn der Nebel sich lichtet, und er wird
sich lichten, vielleicht nicht wegen Frau Zschäpe . Mir ist
das Ehepaar Eminger wichtiger . Ich halte das, was die
irgendwann sagen, für aufschlussreicher .
Eine Botschaft an die Täter geht von hier aus: Den
Fehler, den man früher bei der RAF gemacht hat, nämlich den Strafverfolgungsanspruch irgendwann vielleicht
nicht mehr so ernst zu nehmen - heute verfolgen wir sie
wegen Räubereien; merkwürdig ({3})
und nicht parlamentarisch aufzuklären, diesen Fehler
machen wir in diesem Fall nicht . Deswegen geht das Signal an München, an die Täter: Wir sind da, und wir werden nicht aufhören, dieses Thema zu bearbeiten .
Deshalb habe ich einmal - das war nicht als Scherz
gemeint - gesagt: Ich wünsche mir Cold-Case-Verfahren
in den Polizeien aller Bundesländer, die betroffen sind,
weil ich das für ein wirkungsvolles Mittel halte . Ich bin
davon überzeugt, dass man mehr aufklären kann . Was
ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss aufklären kann, haben wir aufgeklärt . Wenn nichts Neues hinzukommt, halte ich im Moment einen dritten NSU-Ausschuss nicht für erforderlich . Aber bei dem Verfahren am
Anfang dieser Wahlperiode fand ich es sehr gut, dass die
Kolleginnen Pau, Högl und Mihalic sowie der Kollege
Binninger als Berichterstatter im Innenausschuss saßen .
Das ist das Signal, das von uns ausgehen muss: Wir hören nicht auf, uns mit diesem Thema zu beschäftigen, bis
alles aufgeklärt ist, was wir aufklären können .
Ganz besonderen Dank an Clemens Binninger . Die
Qualität dieses Ausschusses hat viel damit zu tun gehabt,
dass du diesen Job nicht als parlamentarische Pflicht
empfunden hast, sondern dass es eine Herzensangelegenheit war . Ich glaube, das hat uns gutgetan . Ich danke
allen, die mitgewirkt haben, auch dem BMI .
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .
({4})
Bei dieser Debatte sind heute eine ganze Reihe von
Vertretern der Opferfamilien anwesend . Ich möchte Ihnen unsere Verbundenheit und unsere Anteilnahme aussprechen .
({0})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Pau für die
Fraktion Die Linke .
({1})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Damen und Herren! Der nunmehr zweite
Untersuchungsausschuss des Bundestages zum NSU-Nazimordkomplex beendet seine Arbeit - mitnichten, weil
etwa alle Fragen beantwortet wären . Im Gegenteil: Zentrale Fragen bleiben offen. Aber mit der 18. Legislatur des
Bundestages endet eben auch der Untersuchungsauftrag
zum NSU-Komplex .
Der Abschlussbericht liegt vor . Das Gros wird von
allen Fraktionen getragen . Zudem gibt es abweichende
oder weiter gehende Voten . Sie gehören mit zum Bericht .
Wie bereits im ersten Untersuchungsausschuss war
die Arbeit durch sachliche Zusammenarbeit, von der
CDU/CSU bis zur Linken, geprägt .
({0})
Das verlangt unser Respekt vor den Opfern des NSU
und ihren Angehörigen, aber auch die Dimension dieses
Verbrechens . So konnten wir trotz aller Blockaden doch
etwas mehr Licht in den finsteren NSU‑Komplex bringen
und Puzzlestücke finden.
Ich komme nun zu den wesentlichen Ergebnissen der
Untersuchungen und möchte drei nennen:
Erstens . Es hat sich erhärtet, was sich bereits nach
dem ersten Untersuchungsausschuss abzeichnete: Das
NSU-Kerntrio Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe war
von circa 40 V-Leuten der Ämter für Verfassungsschutz
regelrecht umzingelt . Wider andere Behauptungen hatte
dabei eben auch das Bundesamt für Verfassungsschutz
gekaufte Nazis in seinen Diensten, die am Netzwerk des
NSU dran waren . Dazu gehörte zum Beispiel ein gewisser Ralf M ., alias V-Mann „Primus“ . Er hatte nachweislich Kontakt zum NSU-Trio . Das Bundesamt für Verfassungsschutz versuchte, den Untersuchungsausschuss
darüber zu täuschen . Das war symptomatisch .
Zweitens . Den Ämtern für Verfassungsschutz lagen
zahlreiche Informationen über den Verbleib und über
Vorhaben des NSU-Kerntrios vor . Sie wurden nie an die
Strafverfolgungsbehörden weitergegeben . So wurde verhindert, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gefasst
wurden . Damals und noch immer gilt: Der Schutz der
Quellen, also der V-Leute, geht vor polizeiliche Ermittlungen - und das selbst bei einer Mordserie .
Ich merke an: Diese fatale Geheimdienstlogik wird
vom Bundesinnenminister und ebenso von der Generalbundesanwaltschaft geteilt . Das heißt, sie sind beide Teil
des Problems .
({1})
Drittens . Bekanntlich wurden im Bundesamt für Verfassungsschutz - und nicht nur dort - im großen Stil
Akten vernichtet . „Aus Versehen“, „aus Datenschutzgründen“, „aus Überlastung“, hieß es noch am Ende des
ersten Untersuchungsausschusses . Das war forsch gelogen . Inzwischen ist klar: Dies geschah mit Vorsatz, damit
diese Unterlagen weder der Polizei noch den Parlamenten bekannt werden und damit nicht bekannt wird, wie
sehr neonazistische Strukturen durch V-Leute der Ämter
für Verfassungsschutz durchdrungen sind . Diese Aktenvernichtungen waren Straftaten . Geahndet wurden sie bis
heute nicht .
Nun noch einmal zu den V-Leuten . Der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz nannte sie einmal unverzichtbare „Schmutzfüße“ . Man brauche sie, um der Naziszene Herr zu werden, so Herr Maaßen .
Armin Schuster ({2})
Ich fasse unsere Erkenntnisse aus dem NSU-Komplex
zusammen:
Zu keiner Zeit hatte der Verfassungsschutz die Naziszene im Griff, geschweige denn zerschlagen. Im Gegenteil: Mit ihrer Geheimhaltungs- und V-Leute-Praxis haben die Ämter für Verfassungsschutz die Nazistrukturen
vielmehr gedeckt und gestärkt .
Damit komme ich zu den weiter gehenden Schlussfolgerungen der Linken . Es sind insgesamt acht; ich reiße
fünf davon kurz an:
Erstens . Die Linke bleibt bei ihrer Forderung, die
V-Leute-Praxis aller Sicherheitsbehörden sofort zu beenden
({3})
und den Verfassungsschutz als Geheimdienst aufzulösen .
({4})
Das dazu vorgeschlagene Alternativmodell einer Koordinierungsstelle zur Dokumentierung von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist Bestandteil unseres
Votums .
Zweitens . Wir empfehlen der 19 . Legislatur des Bundestages einen Untersuchungsausschuss „Rechtsterrorismus und Geheimdienste“ . Dabei geht es eben nicht nur
um die offenen Fragen aus dem NSU‑Komplex, sondern
um weitere aktuelle und auch zurückliegende ungeklärte
Fälle . Ich nenne hier nur das Oktoberfestattentat und den
Doppelmord an dem jüdischen Verlegerpaar Schlomo
Lewin und Frida Poeschke - beides im Jahr 1980 . Zu
untersuchen wären aber auch aktuelle neonazistische
Terrorakte, zum Beispiel im Freistaat Sachsen, aber auch
anderswo .
Drittens . Wir empfehlen der kommenden Linksfraktion weiterhin, die Einrichtung einer Enquete-Kommission „Rassismus“ im Bundestag zu beantragen . Wir
brauchen mehr Sachverstand, um Strategien gegen den
gesellschaftlichen und den institutionellen Rassismus voranzutreiben .
Viertens . Gesellschaftliche Initiativen gegen Rechtsextremismus und Rassismus, für Demokratie und Toleranz benötigen endlich eine ausreichende, verlässliche
und längerfristige Förderung .
({5})
Fünftens . Wir fordern mehr Opferschutz und die Einführung einer Amtshaftung im Fall von gewalttätigen
V‑Leuten. Straftaten von V‑Leuten werden häufig gedeckt, während deren Opfer alleingelassen werden . Deshalb will die Linke, dass Opfer derartiger Gewalttaten
künftig von Amts wegen entschädigt werden .
({6})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Abschlussgedanke . Der Rechtsstaat hat seine Bürgerinnen und Bürger vor schweren Straftaten - allemal vor Mord - zu
schützen . Gelingt ihm das nicht - aus welchen Gründen
auch immer -, so hat er alle Umstände aufzuklären sowie
Täter und Mittäter zu belangen . Im NSU-Komplex hat
er weder die Mord- und Anschlagserie verhindert, noch
sind bisher alle Hintergründe aufgeklärt . Wir haben es
hier also mit einem doppelten Versagen zu tun . „Staatsversagen“ haben wir es am Ende des ersten Untersuchungsausschusses genannt . Ich würde sagen, wir haben
es hier auch mit einer doppelten Staatsverantwortung zu
tun, der wir uns weiter stellen sollten .
Ich danke am Ende dieses Untersuchungsausschusses allen Kolleginnen und Kollegen, die gemeinsam an
diesem Komplex gearbeitet haben, den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern der Fraktionen und des Ausschusssekretariats sowie allen, die mitgetan haben, diese Puzzlestücke zusammenzutragen . Ich verspreche Ihnen: Ich
bleibe dran .
({7})
Zwischenzeitlich liegt das von den Schriftführerinnen
und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung - Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an EUNAVFOR MED
Operation SOPHIA; das sind die Drucksachen 18/12491
und 18/12868 - vor: abgegebene Stimmen 586 . Mit Ja
haben gestimmt 467, mit Nein haben gestimmt 116, Enthaltungen 3 . Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen .
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 586;
davon
ja: 467
nein: 116
enthalten: 3
Ja
CDU/CSU
Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Norbert Barthle
Maik Beermann
Manfred Behrens ({0})
Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr . André Berghegger
Dr . Christoph Bergner
Ute Bertram
Steffen Bilger
Peter Bleser
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Dr . Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr . Ralf Brauksiepe
Dr . Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Iris Eberl
Jutta Eckenbach
Dr . Dr . h . c . Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr . Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer ({1})
Axel E . Fischer
({2})
Dr . Maria Flachsbarth
Thorsten Frei
Dr . Astrid Freudenstein
Dr . Hans-Peter Friedrich
({3})
Michael Frieser
Dr . Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Dr . Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr . Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Rainer Hajek
Dr . Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr . Stefan Heck
Dr . Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich ({4})
Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Marion Marga Herdan
Ansgar Heveling
Dr . Heribert Hirte
Christian Hirte
Alexander Hoffmann
Thorsten Hoffmann
({5})
Karl Holmeier
Dr . Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Dr . Mathias Edwin Höschel
Charles M . Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Dr . Franz Josef Jung
Andreas Jung
Xaver Jung
Dr . Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Volker Kauder
Dr . Stefan Kaufmann
Ronja Kemmer
Dr . Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr . Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr . Dr . h . c . Karl A . Lamers
Andreas G . Lämmel
Dr . Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr . Silke Launert
Paul Lehrieder
Dr . Katja Leikert
Dr . Philipp Lengsfeld
Dr . Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Antje Lezius
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr . Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr . Claudia Lücking-Michel
Dr . Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr . Thomas de Maizière
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({6})
Reiner Meier
Dr . Michael Meister
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr . h . c . Hans Michelbach
Dr . Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Elisabeth Motschmann
Dr . Gerd Müller
Carsten Müller
({7})
Stefan Müller ({8})
Dr . Philipp Murmann
Dr . Andreas Nick
Helmut Nowak
Dr . Georg Nüßlein
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr . Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr . Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Eckhardt Rehberg
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr . Heinz Riesenhuber
Iris Ripsam
Johannes Röring
Kathrin Rösel
Dr . Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer ({9})
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Gabriele Schmidt ({10})
Patrick Schnieder
Nadine Schön ({11})
Dr . Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr . Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
({12})
Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr . Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Johannes Steiniger
Christian Frhr . von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Matthäus Strebl
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr . Peter Tauber
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr . Hans-Peter Uhl
Dr . Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel ({13})
Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr . Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Karl-Heinz Wange
Kai Wegner
Marcus Weinberg ({14})
Dr . Anja Weisgerber
Peter Weiß ({15})
Sabine Weiss ({16})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({17})
Elisabeth WinkelmeierBecker
Oliver Wittke
Dagmar G . Wöhrl
Barbara Woltmann
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr . Matthias Zimmer
Gudrun Zollner
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr . Katarina Barley
Doris Barnett
Dr . Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Lothar Binding ({18})
Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr . Karl-Heinz Brunner
Dr . h . c . Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Dr . Lars Castellucci
Jürgen Coße
Petra Crone
Dr . Daniela De Ridder
Dr . Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Dr . h . c . Gernot Erler
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr . Johannes Fechner
Dr . Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr . Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Michael Hartmann
({19})
Dirk Heidenblut
Gabriela Heinrich
Wolfgang Hellmich
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Thomas Hitschler
Dr . Eva Högl
Christina Jantz-Herrmann
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Arno Klare
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Birgit Kömpel
Anette Kramme
Dr . Hans-Ulrich Krüger
Angelika Krüger-Leißner
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange ({20})
Dr . Karl Lauterbach
Steffen‑Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Dr . Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Dr . Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Bettina Müller
Detlef Müller ({21})
Michelle Müntefering
Dr . Rolf Mützenich
Ulli Nissen
Mahmut Özdemir ({22})
Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post ({23})
Dr . Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr . Sascha Raabe
Dr . Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr . Carola Reimann
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Petra Rode-Bosse
Dennis Rohde
Dr . Martin Rosemann
René Röspel
Dr . Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({24})
Bernd Rützel
Sarah Ryglewski
Annette Sawade
Dr . Hans-Joachim
Schabedoth
Axel Schäfer ({25})
Dr . Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr . Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt ({26})
Matthias Schmidt ({27})
Dagmar Schmidt ({28})
Carsten Schneider ({29})
Elfi Scho‑Antwerpes
Ursula Schulte
Swen Schulz ({30})
Ewald Schurer
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Rainer Spiering
Svenja Stadler
Martina Stamm-Fibich
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Dr . Karin Thissen
Franz Thönnes
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Andrea Wicklein
Dirk Wiese
Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr . Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
Nein
SPD
Dr . Ute Finckh-Krämer
Cansel Kiziltepe
Hilde Mattheis
Waltraud Wolff ({31})
DIE LINKE
Dr . Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W . Birkwald
Heidrun Bluhm
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Klaus Ernst
Nicole Gohlke
Dr . André Hahn
Heike Hänsel
Dr . Rosemarie Hein
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Caren Lay
Sabine Leidig
Stefan Liebich
Dr . Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller ({32})
Dr . Alexander S . Neu
Thomas Nord
Harald Petzold ({33})
Richard Pitterle
Dr . Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr . Kirsten Tackmann
Azize Tank
Alexander Ulrich
Harald Weinberg
Katrin Werner
Birgit Wöllert
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
({34})
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Dr . Franziska Brantner
Ekin Deligöz
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr . Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr . Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Sven-Christian Kindler
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Stephan Kühn ({35})
Christian Kühn ({36})
Markus Kurth
Steffi Lemke
Dr . Tobias Lindner
Peter Meiwald
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr . Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Cem Özdemir
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({37})
Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Ulle Schauws
Dr . Gerhard Schick
Dr . Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr . Wolfgang StrengmannKuhn
Dr . Harald Terpe
Markus Tressel
Dr . Julia Verlinden
Doris Wagner
Dr . Valerie Wilms
Enthalten
SPD
Marco Bülow
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck ({38})
Tom Koenigs
Wir fahren in der Aussprache fort . Nächster Redner ist
der Kollege Uli Grötsch für die SPD .
({39})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die Sie
heute nach Berlin gereist sind, um dieser Debatte beizuwohnen! Wir sind noch lange nicht am Ende unserer
Reformbestrebungen angekommen: Diesen Satz habe
ich hervorgehoben, als ich zum Stand der Umsetzung
von Empfehlungen des ersten NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages an dieser Stelle gesprochen habe . Das ist ziemlich genau acht Monate her .
Damals waren wir noch mitten im zweiten NSU-Untersuchungsausschuss . Heute stehen wir vor dem Abschluss
unserer Arbeit in dieser Wahlperiode .
Was steht am Ende dieses Ausschusses, der viermal
mehr Akten und Daten ausgewertet hat als alle anderen parlamentarischen Untersuchungsausschüsse dieser Wahlperiode? Ich kann, nein, ich muss vielmehr an
meine Worte vom November 2016 anschließen . Mit der
Vorlage unseres umfangreichen Abschlussberichtes ist
die Aufarbeitung einer der schwersten Verbrechensserien in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
ein weiteres Stück vorangekommen . Aber abgeschlossen
ist sie damit mit Sicherheit nicht, liebe Kolleginnen und
Kollegen .
({0})
Sie muss für uns alle, für die selbstverständlich ist,
dass in Deutschland Menschenfeindlichkeit und Rassismus keinen Platz haben, vielmehr eine Daueraufgabe
sein . Dafür brauchen wir funktionierende Sicherheitsbehörden, die bei den Bürgerinnen und Bürgern Vertrauen
genießen . Dafür brauchen wir eine starke Zivilgesellschaft . Und dafür brauchen wir engagierte Politikerinnen
und Politiker in allen Fraktionen des Deutschen Bundestages . Dieser Ausschuss hat gezeigt: Diese Politikerinnen
und Politiker haben wir in allen Fraktionen, liebe Kolleginnen und Kollegen .
({1})
Wir dürfen nicht die Augen davor verschließen, dass
es in Deutschland auch nach dem NSU eine konkrete
Terrorgefahr gibt, die von Rassistinnen und Rassisten
ausgeht . Als SPD-Bundestagsfraktion haben wir uns deshalb bereits bei der Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses das Ziel gesetzt, den Blick insbesondere auf die
hinter dem NSU-Trio agierenden Netzwerke aus Unterstützerinnen und Unterstützern zu richten .
Dies sind wir insbesondere den Hinterbliebenen der
Ermordeten und den Opfern der Anschläge schuldig . Die
Angehörigen fragen sich nach wie vor, warum ihr Vater, ihr Bruder, ihr Sohn oder ihre Tochter getötet oder
schwer verletzt wurden . Sie fragen sich, ob es noch weitere Personen gibt, die an den Taten beteiligt waren, ob
es Mittäterinnen oder Mittäter als Hinweisgeber oder als
bei der Auswahl der Opfer behilfliche Ortskundige gibt.
Dasselbe gilt - das möchte ich hervorheben - für den
Umstand, inwieweit jene gegebenenfalls auch heute noch
aktiv sind, wobei es für mich keine Frage ist, ob jene
nach wie vor aktiv sind, sondern vielmehr, in welchen
Strukturen diese ihr menschenverachtendes Gedankengut heute noch ausleben .
Auch aus diesem Grund, um das zu ergründen, haben
wir die Einsetzung eines Ermittlungsbeauftragten angeregt . Auf unsere Initiative hin konnten wir dafür Professor Dr . Bernd von Heintschel-Heinegg gewinnen, der
diese Funktion wirklich außerordentlich kompetent und
engagiert übernommen hat . Dafür sei ihm und seinen
Mitarbeitern an dieser Stelle ausdrücklich gedankt .
({2})
Ergänzend haben wir als SPD-Bundestagsfraktion die
Beauftragung von Sachverständigengutachten auf den
Weg gebracht, mit der ein Ziel verbunden war: Wir wollten die Regionen analysieren, in denen die Terrorgruppe NSU ihre Taten begangen hatte bzw . in der sie sich
radikalisiert hatte und dann untergetaucht ist . Auf diese
Weise ist es uns im Untersuchungsausschuss gelungen,
ein möglichst umfassendes Bild der lokalen rechtsextremen Strukturen an den Tatorten der Terrorgruppe NSU
einschließlich ihrer Vernetzung zu anderen rechtsextremen Szenen sowie ganz ausdrücklich zur organisierten
Kriminalität und etwa zur Rockerszene zu erarbeiten .
Ich möchte an dieser Stelle aber auch sagen, dass ich
davon ausgehe, dass dieselben Fehler der Sicherheitsund Ermittlungsbehörden, die letztendlich zu dem geführt haben, was wir heute als NSU-Desaster kennen,
nicht nochmals begangen werden . Auch das halte ich für
einen ganz wichtigen Aspekt: dass Fehler, die damals gemacht wurden, nicht heute noch einmal in gleicher Weise
gemacht werden .
({3})
Ich glaube, sagen zu dürfen, dass aus den Handlungsempfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses der
17 . Wahlperiode in der Zwischenzeit wichtige Reformen
resultiert sind . Diese aber müssen bei der Polizei, beim
Verfassungsschutz, bei der Justiz, im Bund und in den
Ländern natürlich auch fortgeführt werden .
Lassen Sie mich an dieser Stelle aber auch noch einige grundlegende Sätze zum Thema Zeugenvernehmungen bzw . Ausschusssitzungen sagen . Ja, Herr Schuster,
es war wichtig, dass wir uns in aller Ausführlichkeit etwa
mit den Ereignissen in Eisenach und am 4 . November
2011 in Zwickau befasst haben . Auf diese Weise konnten wir erfreulicherweise diverse Verschwörungstheorien
widerlegen, wonach durch gezielte Manipulationen der
Tathergang in Eisenach bewusst verfälscht worden sei .
Ich schließe mich dem an und sage: Das ist nachhaltig
widerlegt, liebe Kolleginnen und Kollegen .
Gleichzeitig aber haben wir uns im Ausschuss durch
teilweise äußerst intensive Befassungen, etwa mit den Todesumständen des ehemaligen BfV-V-Mannes „ Corelli“,
womöglich die Möglichkeit genommen, in der gebotenen
Ausführlichkeit auch andere Komplexe umfassend zu
beleuchten . Das war vielleicht auch das einzige Problem
dieses Ausschusses: dass uns am Ende die Zeit nicht gereicht hat . Wir hätten uns letzten Endes alle gewünscht,
dass die 18 . Wahlperiode noch ein paar Wochen länger
dauern würde, weil wir noch Fragen gehabt haben .
Ich halte zwei regionale Schwerpunkte für besonders
relevant . Das ist zum einen Mecklenburg-Vorpommern,
wo sich inzwischen das Parlament mit diesem Thema
befasst . Wie weit das ausreicht, werden die nächsten
Monate und womöglich Jahre zeigen müssen . Und das
ist zum anderen nach wie vor Bayern . Gerade in Bezug
auf Bayern gibt es meiner Ansicht nach noch erheblichen
Aufklärungsbedarf .
Ich rufe das gerne noch einmal in Erinnerung: Drei
der zehn Morde wurden in Nürnberg begangen . So oft
wie nirgendwo sonst wurde in Nürnberg gemordet . Hinzu kommen zwei Morde in München . Führende Köpfe
der bayerischen Neonazi-Szene werden auch heute noch
in Verbindung mit dem NSU-Umfeld gebracht . Deshalb
ist mir das ein besonderes Anliegen .
Heute ist es für mich aus all diesen Gründen nicht an
der Zeit, ein abschließendes Fazit zu ziehen . Vielmehr ist
auch in Zukunft alles dafür zu tun, vorhandene rechtsterroristische Untergrundstrukturen nachhaltig aufzudecken
und trockenzulegen und rechten, rassistischen und antisemitischen Einstellungen in unserer Gesellschaft konsequent entgegenzutreten .
({4})
Wir müssen aus den Erkenntnissen rund um den NSU
in Sicherheits- und Ermittlungsbehörden wie auch in Politik und Gesellschaft endlich umfassend die Lehre ziehen, die Gefahr rechtsextremistischen Terrors ernst zu
nehmen . Diese stellt nach wie vor ein erhebliches Risiko
für unsere Demokratie dar . Wir dürfen davor nicht die
Augen verschließen, liebe Kolleginnen und Kollegen .
Ich werde deshalb an dieser Stelle heute allenfalls dasselbe sagen wie im November 2016: Abgeschlossen ist
die Aufarbeitung hier und heute noch lange nicht . Das
Einstehen gegen Rechtsextremismus wird mich und uns
alle, die wir uns mit diesem Komplex befasst haben und
auch in Zukunft befassen werden, wahrscheinlich unser
Leben lang begleiten . Wir alle sind aufgefordert, niemals
damit aufzuhören, nicht nachlässig zu werden und engagiert zu bleiben, weit über diese Stunde hinaus .
Wehret den Anfängen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie es uns nicht hinnehmen, dass sich rechtsextremes Gedankengut in Deutschland wieder Bahn zu
brechen sucht! Sie kennen vielleicht die Gedenktafel für
die NSU-Opfer in Nürnberg . Es sind für mich ganz besonders vier Worte, die darauf für sich sprechen . Diese
Worte lauten: „Wir sagen: Nie wieder!“ In diesem Sinne:
Lassen Sie uns niemals aufhören, dafür einzutreten!
Vielen Dank .
({5})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Irene Mihalic für
Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Verehrte Damen und Herren der Familien
der Opfer! Anderthalb Jahre haben wir intensiv gelesen,
ausgewertet, beraten, befragt - insgesamt rund 80 Zeugen und Sachverständige . Auch wenn viele Fragen und
Zweifel bleiben: Ich finde, es hat sich gelohnt. Wir haben
weitere wichtige Mosaiksteine der Aufklärung zu diesem
Gesamtbild hinzufügen können. Ich finde, dass wir als
Fraktionen hier wirklich hervorragend zusammengearbeitet haben, zwar mit unterschiedlichen Schwerpunkten - gar keine Frage -, aber immer mit dem klaren gemeinsamen Ziel, die Terrorserie, so gut es geht, politisch
aufzuarbeiten . Dabei sind wir erkennbar weitergekommen .
({0})
Mein Dank gilt neben den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die beim Aktenstudium und bei der Vorauswertung wirklich schier Unglaubliches geleistet haben,
ganz besonders dem Ausschussvorsitzenden Clemens
Binninger . Lieber Clemens, du hast gezeigt, dass man
trotz aller politischen Unterschiede einen solchen Untersuchungsausschuss wirklich fair und umsichtig leiten
kann . Dafür ganz herzlichen Dank . Leider erleben wir
dieser Tage ganz andere Beispiele .
({1})
Ich danke dir aber auch, wie die ganze Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, für dein großes Engagement . Wir
werden dich hier im Bundestag wirklich vermissen .
Das gilt auch und gerade bei der weiteren Befassung
mit dem NSU-Komplex; denn eines ist völlig klar: Der
Untersuchungsausschuss mag beendet sein, die Aufklärung ist es nicht. Zu viele Fragen sind noch offen und
konnten aufgrund der knappen Zeit bestenfalls angerissen werden . Ein solches Thema ist zum Beispiel die Rolle von Blood & Honour. Trotz der vielen offenen Punkte
sehe ich im Ergebnis aber drei klare Befunde, die der Untersuchungsausschuss herausarbeiten konnte .
Punkt eins . Die Ermittlungen nach dem 4 . November
2011 waren viel zu eng auf das Trio und das unmittelbare
Umfeld ausgelegt . Die Frage rechter Netzwerke wurde
konsequent ausgeblendet . Wichtige Spuren wurden vernachlässigt - die Kollegin Pau hat es erwähnt -, zum Beispiel die Rolle des ehemaligen V-Manns „Primus“, der
eben nicht nur zeitgleich mit dem Trio in Zwickau gelebt hat, sondern auch eine zentrale Figur in der rechten
Szene war . Wir haben glaubwürdige Zeugen im Untersuchungsausschuss gehört, die Beate Zschäpe in einem
seiner Geschäfte gesehen haben und auch Uwe Mundlos
als Mitarbeiter auf einer seiner Baustellen erkannt haben .
Alles, was auch nur ansatzweise die These vom allein
handelnden Trio irgendwie ins Wanken bringen könnte,
wird vom Generalbundesanwalt bis heute konsequent
ausgeblendet und in ein Ermittlungsverfahren gegen
unbekannt ausgelagert . Deshalb muss man leider sagen:
Der Tunnelblick, der dazu geführt hat, dass die Verbrechen des NSU nicht als rechter Terror erkannt wurden,
besteht bis heute. Nur, dass man diesmal die Verflechtung
des Trios mit rechten Netzwerken und deren mögliche
Beteiligung nicht sehen will - ein Riesenversäumnis, das
praktisch unheilbar ist .
({2})
Punkt zwei . Die Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz ist ein Problem . Es gibt seitens der Polizei ein großes Misstrauen gegenüber dem Verfassungsschutz, weil immer die Vermutung im Raum steht, dass
V-Leute in der militanten Naziszene Behördenwissen für
ihre Zwecke nutzen . Der Verfassungsschutz hat V-Leute
vor Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden gewarnt
oder versucht, auf Staatsanwälte einzuwirken . Das haben
wir herausgefunden, und das nannte sich dann Quellenschutz . Dieser Quellenschutz ging dann noch so weit,
dass der Verfassungsschutz kaum Informationen an die
Polizei weitergegeben hat .
Und ja, Kollege Schuster, ermitteln und bewerten
muss am Ende die Polizei, und anklagen muss die Staatsanwaltschaft . Aber wenn der Verfassungsschutz das hintertreibt, ist das ein Problem und zeigt, warum das an
mancher Stelle nicht möglich ist .
({3})
Das bringt mich zu Punkt drei . Das Bundesamt für
Verfassungsschutz hat auch nach dem 4 . November keine
Konsequenzen aus dem NSU-Komplex gezogen, im Gegenteil: Die erste erkennbare Reaktion war das Schreddern von Akten über V-Leute . Erst durch diesen Untersuchungsausschuss wissen wir, dass die Akten vorsätzlich
und gezielt vernichtet wurden, um unangenehme Fragen
über die Anzahl der V-Leute im näheren NSU-Umfeld im
Keim zu ersticken . Viele Akten sind unwiederbringlich
verloren . Und all das hatte keine Konsequenzen . Das ist
ein Riesenskandal, liebe Kolleginnen und Kollegen .
({4})
Auch der aktuelle Amtsleiter hat bisher keine Anstrengungen unternommen, um diesen Vorfall aufzuarbeiten .
Herr Maaßen hat sich ausdrücklich dagegen entschieden,
den Fall noch einmal intern untersuchen zu lassen .
Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt keinen
„Verfassungsschutz post NSU“ . Da herrscht immer noch
der alte Geist des Blockierens, Vertuschens und Vernebelns . Es geht immer so weiter, aber es darf so nicht weitergehen .
({5})
Es gibt einen riesigen Reformstau in unserer Sicherheitsarchitektur, den wir endlich anpacken müssen, damit
alle Menschen in unserem Land - egal wer sie sind und
egal woher sie kommen - frei und sicher leben können .
Was dafür zu tun ist, liegt offen auf der Hand und in unser
aller Verantwortung .
Herzlichen Dank .
({6})
Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege
Dr . Volker Ullrich .
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir ziehen heute nach eineinhalb Jahren der
Beweisaufnahme und zahlreichen Sitzungen Bilanz des
NSU-Untersuchungsausschusses der 18 . Wahlperiode .
Dieser Ausschuss war in der Tat etwas Besonderes .
Normalerweise sind Untersuchungsausschüsse auch
Instrumente der parlamentarischen Minderheit, Regierungshandeln zu überprüfen . Dieses Mal war es aufgrund
der Erschütterung unserer Rechtsordnung das gemeinsam gebotene Interesse, die Aufklärung voranzutreiben - nicht allein im Interesse einer historisch richtigen
Geschichtsschreibung, sondern weil wir das auch den
Opferfamilien und ihrem Schmerz schuldig sind .
Wir haben uns die Fragen gestellt, was in Eisenach
passiert ist, wie es am Tatort Heilbronn war und ob es ein
Trio war oder ob es weitere Helfer in der engeren Führung gab, die in diese Mordserie eingebunden waren . Es
freut mich, dass wir einige der Verschwörungstheorien
aus der Welt schaffen konnten, insbesondere die immer
wieder geäußerte These, dass in Eisenach eine dritte Person am Wohnmobil die Morde an Mundlos und Böhnhardt begangen habe .
Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass beispielsweise im Tatkomplex Heilbronn weitere wichtige
Fragen nach wie vor offen sind. Auch konnten wir nicht
zweifelsfrei die Frage klären, ob weitere Personen und
Organisationen unmittelbar eingebunden waren . Genau
das darf uns nicht ruhen lassen . Das muss Ansatz sein,
gerade auch in den Strafverfolgungsbehörden weitere
und intensive Ermittlungen aufzunehmen .
({0})
Wir haben auch viel über das V-Leute-Wesen und
über den Verfassungsschutz gesprochen . Ja, es hat sich
auch in diesem Untersuchungsausschuss gezeigt, dass
beim Verfassungsschutz eklatante Fehler gemacht worden sind: vom Schreddern der Akten über eine schlampige V-Mann-Führung vielleicht bis hin sogar zu einem
Wegsehen oder zumindest zu einem Nichterkennenwollen .
Aber wichtig ist auch, zu sagen, dass damit nicht ein
generelles Urteil über den Verfassungsschutz gefällt
werden darf . Eine wehrhafte Demokratie braucht auch
einen starken Verfassungsschutz, der sich nicht nur in
der Analyse erschöpft, sondern auch die Quellen mit
V-Leuten anzugehen versucht, damit wir eine Analyse der Personen bekommen, die unsere Rechtsordnung
und unsere Verfassung beseitigen wollen . Deswegen war
es richtig und notwendig, dass der Staat - ich gebe das
ganz offen zu - am umstrittenen V‑Leute‑Wesen festhält,
aber diese V-Leute besser kontrolliert und ihnen klarere
rechtliche Rahmenbedingungen gibt . Das ist in Sachen
Verfassungsschutz die richtige Botschaft . Wir sollten anerkennen, dass sich seit 2011 und auch beginnend mit
dem ersten Untersuchungsausschuss im Bereich des Verfassungsschutzes eine Fehlerkultur etabliert hat und dass
es aufrichtige Bemühungen gibt, im Rahmen des Verfassungsschutzes aus den Fehlern zu lernen . Auch das gehört zur Wahrheit .
({1})
Wir sollten auch anerkennen, dass im Laufe dieser Legislaturperiode sehr viele der 50 Empfehlungen des ersten Untersuchungsausschusses umgesetzt worden sind,
insbesondere zur Kompetenz des Generalbundesanwalts,
sodass er zukünftig - das wollen wir nicht hoffen - bei
ähnlichen Taten viel schneller und gezielter ermitteln
kann .
Mehr Aufklärungsarbeit kann ein Parlament kaum
leisten . Ich weiß auch, dass quälende Fragen bleiben und
dass sich vor allen Dingen die Angehörigen nach wie
vor die Frage nach dem Warum stellen: Warum sind ihre
Angehörigen als Opfer ausgesucht worden? Was war der
Hintergrund dieser Mordserie? Leider können wir ihnen
keine Antworten geben. Aber ich hoffe, dass sie uns allen
in diesem Land die von Ehrlichkeit getragene Unternehmung abnehmen, dass wir alles tun, um diese Mordserie
aufzuklären, und dass wir vor allen Dingen auch verhindern wollen, dass zukünftig Ähnliches passiert, dass wir
Freiheit, Menschenwürde und den Kern unserer Demokratie schützen und dass wir entschlossen gegen Rechtsextremismus und Verfassungsfeinde aller Art vorgehen .
Das ist unsere gemeinsame Aufgabe . Ich danke allen
Kollegen, die dies unternommen haben . Ich glaube, das
war ein wichtiger und notwendiger Dienst .
Vielen Dank .
({2})
Vielen Dank . - Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt
Monika Lazar das Wort .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Gäste! Auch ich fand die Zusammenarbeit
im NSU-Untersuchungsausschuss sehr angenehm und
kollegial . Da wir mehrfach Zeuginnen und Zeugen aus
Sachsen hatten, konnte ich, wenn diese manchmal in sehr
starkem sächsischen Dialekt redeten, ab und zu flüsternd
zur Seite stehen und helfen .
So manches Mal, wenn die Situation in Ostdeutschland in den 90er-Jahren geschildert wurde, kamen bei mir
eigene Erinnerungen hoch . Die Ausschusskolleginnen
und -kollegen wunderten sich oft, wenn Zeugen aus der
rechten Szene schilderten, wie „normal“ sie in einigen
Gegenden in Sachsen und Thüringen agieren konnten .
Ja, es war wirklich so . Es konnte sehr schnell passieren, dass man angegriffen wurde, wenn man irgendwie
„nicht rechts“ aussah . Das reichte vollkommen aus . Mein
Bruder wurde in den 90er-Jahren in Sachsen, in Leipzig,
zusammengeschlagen, weil er Punk war . Trotz all dieser
Widrigkeiten können wir froh sein, dass sich Jugendliche
fanden, die nicht tatenlos zusahen, sondern sich zusammenschlossen . Manche wie das Bündnis gegen Rechts
in Leipzig gibt es nicht mehr, aber wir sehen uns häufig
bei Aktionen in Leipzig . Andere wie das Netzwerk für
Demokratische Kultur in Wurzen oder die Aktion Zivilcourage und AKuBiZ in Pirna gibt es bis heute, und sie
machen professionelle Demokratiearbeit,
({0})
und das, obwohl ihnen - in Sachsen teilweise bis heute Misstrauen entgegenschlug und sie als Nestbeschmutzer
bekämpft wurden .
({1})
Erstmals wurden solche zivilgesellschaftlichen Initiativen mit dem Bundesprogramm Civitas unter der damaligen rot‑grünen Bundesregierung finanziell unterstützt.
Seitdem ist zum Glück viel passiert . Die Mittel für das
Bundesprogramm „Demokratie leben!“ wurden massiv
aufgestockt . Selbst die Kolleginnen und Kollegen der
Union haben erkannt, dass das Engagement für unsere
Demokratie und die Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sind .
Aber bis dahin musste eben viel zu viel Schreckliches
passieren, wie wir unter anderem nach der Selbstenttarnung des NSU-Trios herausfanden . Das Versagen der Behörden macht deutlich, wie unverzichtbar eine kompetente Zivilgesellschaft für den Kampf gegen Rassismus
ist. Eine Neustrukturierung der finanziellen Förderung
forderte bereits der letzte NSU-Untersuchungsausschuss
vor vier Jahren . Die Förderung sollte laut damaliger Beschlussempfehlung „auf bundesgesetzlicher Basis auch
unter Einbeziehung der Länder“ erfolgen .
Gerade die mobilen Beratungsteams und die Opferberatungsstellen sind Beispiele dafür, wo der Westen vom
Osten lernen kann; denn dank des Civitas-Programms
haben diese Projekte qualitativ hochwertige Arbeit leisten und hohe Standards entwickeln können, die wir jetzt
im gesamten Land als Vorbild brauchen .
({2})
Wir Grünen fordern deshalb ein Demokratiefördergesetz
zur nachhaltigen Demokratiestärkung und Prävention gegen Rechtsextremismus .
({3})
Damit wollen wir all diejenigen von Antragsbürokratie
entlasten, ermutigen und besser fördern, die sich für unsere Demokratie engagieren, besonders in Gegenden, wo
es bis heute nicht einfach ist . Rassismus darf in unserem
Land nie wieder Menschenleben kosten . Dafür müssen
wir auch weiterhin alle gemeinsam alles in unserer Verantwortung Mögliche tun .
Vielen Dank .
({4})
Vielen Dank . - Nächste Rednerin ist Susann Rüthrich
für die SPD-Fraktion .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Geflüchteter wird angegriffen und auf dem Polizeirevier gefragt,
wie er denn die Angreifer provoziert hätte . Ich unterhalte mich in meinem Bürgerbüro mit einer Mutter, und sie
sagt mir: Wissen Sie, Frau Rüthrich, mein Junge studiert
jetzt in Wien, und ich bin ganz froh, dass er dort ist, weil
ich hier jedes Mal Angst um ihn habe, wenn er mit seiner
Afrofrisur draußen herumläuft . - Zwei aktuelle Beispiele
für zentrale Fragen: Haben wir aus dem NSU-Desaster
genug gelernt? Könnte es uns wieder passieren?
Wie Sie bereits gehört haben, haben wir uns mit sehr
unterschiedlichen Blickwinkeln diesen Fragen gewidmet . Ich habe mir folgende Fragen für den Untersuchungsausschuss gestellt:
Erstens . Die Art der Ermittlungen hat die Opfer des
NSU nochmals traumatisiert . Ist ausgeschlossen, dass
heute noch so ermittelt wird?
Zweitens . Erkennen wir heute die Radikalisierung
in unserer Nachbarschaft, wenn Menschen meinen, der
Worte seien genug gewechselt, es müssten endlich Taten
folgen?
Drittens . Sind wir heute darauf eingestellt, die Netzwerke der Rechtsextremen und deren Strategien zu erkennen? Haben wir die Netzwerke enttarnt und unschädlich gemacht, die den NSU umgeben haben?
Viertens . Stehen diejenigen heute auf stabilen Füßen,
die sich der Radikalisierung entgegenstellen, die politische Bildungsarbeit machen, die die Opfer begleiten, die
Kommunen beraten, die zivilgesellschaftliches, vielfältiges Leben organisieren, welches ja bekanntermaßen am
besten gegen Rechtsextremismus hilft?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich täte nichts lieber, als alle diese Fragen heute mit Ja zu beantworten;
doch das ist leider nicht der Fall . Unzweifelhaft ist viel
geschehen . Das, was wir an Strukturen ändern mussten,
ist weitestgehend umgesetzt . Das allerdings scheint mir,
obwohl es viel Anstrengung kostete, die leichtere Aufgabe gewesen zu sein .
Der eingeforderte Mentalitätswandel ist die größere Aufgabe . Sicher, auch die wurde angegangen . Aber
ich habe im Ausschuss zu oft gehört, dass in die falsche
Richtung ermittelt wurde, jedoch nicht, warum . Warum
hat man denn, wenn ein Mord in der Nähe eines Bahnhofs geschah, mit allem Nachdruck und ohne individuelle Anhaltspunkte ins Drogenmilieu ermittelt? Warum war
der in der Nachbarschaft liegende Kameradschaftstreff
kein Anhaltspunkt für Ermittlungen? Warum? Die Hinterbliebenen haben oft genug gesagt: Wir kennen doch
unsere Feinde . Wir denken, es waren Nazis . - Oft habe
ich im Ausschuss die Aussage gehört: Na ja, solange wir
keine Belege dafür haben, gehen wir nicht davon aus . Müssen die Opfer den rauchenden Colt liefern, damit in
diese Richtung ermittelt wird? Solange hier nicht aktiv
gegengesteuert wird, solange entsprechende rassismuskritische Fortbildungen fakultativ bleiben, solange es
wenig Auseinandersetzung darüber gibt, inwieweit Vorannahmen dazu führen können, dass Menschen aufgrund
ihrer Herkunft oder ihres Aussehens nicht angemessen
behandelt werden, so lange muss sich eine Behörde Fragen nach dem Umgang mit institutionellem Rassismus
gefallen lassen .
({0})
Ich weiß sehr wohl, dass wohl niemand in einer Behörde
absichtlich und überzeugt rassistisch agieren will - um
Gottes willen! -, aber gerade deswegen brauchen wir ein
aktives Gegenwirken .
Zum zweiten Punkt, der Radikalisierung . Beim NSU
sieht man exemplarisch, wie sich eine Gruppe innerhalb
von circa zehn Jahren immer mehr radikalisiert hat . Und
heute? In Freital waren es zehn Monate vom Wort zur
Tat . Dauert es irgendwann zehn Wochen? Sind wir so
weit, diese Radikalisierungsprozesse zu erkennen?
1 000 Angriffe auf Geflüchtete, deren Unterkünfte und
Helfer hat das BKA allein im letzten Jahr gezählt, wie
auch in dem davor . Zu selten können die Täter dingfest
gemacht werden und wenn, dann ist die Überraschung
immer groß: Der ist ja in gar keiner Struktur eingebunden, also Einzeltäter . - 1 000 Einzeltäter pro Jahr? Wissen
Sie, ein vom Kölner Nagelbombenattentat Betroffener
sagte mir: Wir waren damals gemeint, und wir wissen,
wir sind auch heute noch gemeint . Wir sollen uns hier
in Deutschland nicht sicher fühlen . Und ihr? Ihr benennt
es wieder nicht als das, was es ist: Terror . - Der Mann
hat recht . Angst und Schrecken unter Bevölkerungsgruppen zu verbreiten, das ist die spezifische Form rechten
Terrors unterhalb der Wahrnehmungsschwelle der Mehrheitsgesellschaft, weil wir selbst ja nicht bedroht sind .
Im Ausschuss fragte ich oft: Wie definieren Sie denn
Terror? Antwort: Na ja, halt so was wie eine rechte
RAF . - Doch so simpel ist es nicht, liebe Kolleginnen
und Kollegen. Rechter Terror trifft Minderheiten und
richtet sich nicht wie die RAF gegen staatliche Repräsentanten. Es braucht auch keine öffentliche Forderung
als Bekenntnis . Die Tat ist das Bekenntnis . Die Tat sagt:
Wir wollen, dass sich Minderheiten in diesem Land nicht
wohlfühlen, dass sie vertrieben werden. - Die Betroffenen wie auch die rechte Szene verstehen das sehr wohl;
nur die Mehrheitsgesellschaft versteht es zu oft nicht .
Das muss sich ändern .
({1})
In den Behörden wie auch auf allen anderen Ebenen
muss ein neues Verständnis der tatsächlichen Bedrohung
einziehen; denn nicht erst, wenn unsere staatliche Ordnung infrage gestellt wird, wie es Zeuginnen und Zeugen
häufig definierten, haben wir es mit Rechtsextremismus
zu tun. Jeder Angriff auf einen Menschen ist ein Angriff
auf uns alle und unsere Werte; denn Artikel 1 des Grundgesetzes schützt die Würde eines jeden Menschen .
Zu Punkt drei: Wer hat das Kerntrio unterstützt? Wir
als SPD-Fraktion gehen davon aus, dass die drei nicht
nach Chemnitz und Zwickau gegangen sind, weil da
gerade eine günstige Wohnung frei war . Deshalb fragen
wir, wie denn, wenigstens nachdem klar war, dass Nazis gemordet haben, in die rechte Szene vor Ort ermittelt
wurde. Offenbar gar nicht oder zu wenig! Es wurde nur
gegen diejenigen ermittelt, die durch entsprechende Asservate beim Trio selbst aufgefallen sind . In einer konspirativ agierenden Szene ist das zu wenig . Die von uns
in Auftrag gegebenen Gutachten zeigen sehr genau, dass
es Verbindungen und Kennverhältnisse hinsichtlich der
Tatorte gab . Das mag noch kein Beleg für eine Mittäterschaft sein; aber es kann dazu beitragen, die Fragen
der Hinterbliebenen zu beantworten: Warum mein Vater,
mein Bruder, mein Sohn, meine Tochter?
Zu guter Letzt zur Unterstützung für diejenigen, die
das demokratische Netz bilden, das Rassismus und andere Menschenfeindlichkeiten eindämmt . Wir hatten im
Koalitionsvertrag und mit den Forderungen aus dem letzten NSU-Untersuchungsausschuss beschlossen, dass es
eine eigene gesetzliche Lösung gibt, um die Daueraufgabe „Demokratiebildung gegen Radikalisierung“ dauerhaft abzusichern . Ja, wir haben das Programm „Demokratie leben!“ auf fünf Jahre angelegt und damit auf eine
längere Zeit als jedes Programm zuvor . Heute sind über
100 Millionen Euro darin; auch das ist mehr als jemals
zuvor . Aber es endet 2018 . Ich erwarte, dass dann 2019
endlich das Bundesgesetz kommt .
({2})
Das erwarten auch die Engagierten von uns, und zwar
zu Recht .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben im Ausschuss in großer Einmütigkeit zusammengearbeitet . Ich
danke allen Mitgliedern dafür . Ja, wir Demokratinnen
und Demokraten stehen zusammen gegen Angriffe von
rechts. Wir stehen an der Seite der Opfer und Betroffenen . Wir stehen an der Seite derer, die sich für eine demokratische und menschenfreundliche Gesellschaft einsetzen . Lassen Sie uns das auch in Zukunft tun, und zwar
nicht nur in einem Untersuchungsausschuss, sondern alle
gemeinsam!
Vielen Dank .
({3})
Vielen Dank . - Nächste Rednerin ist Sylvia Jörrißen,
CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 25 . April
dieses Jahres fand in Heilbronn die Gedenkveranstaltung
zum zehnten Todestag von Michèle Kiesewetter statt .
Vor zehn Jahren wurde die junge Polizeibeamtin an der
Theresienwiese ermordet . Ihr Andenken bleibt unvergessen, so wie das der neun weiteren Mordopfer des NSU .
Der schmerzliche Verlust, den die Hinterbliebenenfamilien erleben mussten, ist kaum in Worte zu fassen, auch
heute noch .
10 Morde, 3 Sprengstoffanschläge, 14 Banküberfälle, das ist die erschreckende Bilanz, die nachhallt, wenn
wir heute an den NSU denken. Nach dem Auffliegen des
NSU im November 2011 und einer Zeit der Fassungslosigkeit galt es, zu klären, wie es zu diesen schrecklichen
Gräueltaten kommen konnte und, was mindestens ebenso
wichtig ist, was wir tun können, damit sich so etwas in
unserem Land nie wiederholt .
({0})
Aus dieser Grundintention begann hier im Parlament
die Zeit der Aufarbeitung . Der Untersuchungsausschuss
der 17 . Wahlperiode hat zahlreiche strukturelle Fehler
und Versäumnisse bei den Ermittlungsbehörden zutage
gefördert . Schon der erste NSU-Untersuchungsausschuss
hat sich in seinem umfassenden Bericht für zahlreiche
Empfehlungen ausgesprochen, an denen wir in dieser
Legislaturperiode hart gearbeitet haben . Freilich sind wir
noch nicht am Ziel angekommen, und freilich kann der
Bericht der 17 . Legislaturperiode nur als Zwischenbericht verstanden werden; denn viele Fragen sind damals
offengeblieben. Es war daher unverzichtbar, in dieser
Wahlperiode einen weiteren Untersuchungsausschuss
einzusetzen, um uns der Verantwortung gegenüber den
Opfern, gegenüber den Hinterbliebenenfamilien und gegenüber allen Menschen in unserem Land zu stellen . Wir
wollen aufklären, was es aufzuklären gibt .
({1})
Schon im ersten Untersuchungsausschuss wurde
stets hervorgehoben, mit welcher Kooperationsbereitschaft und welcher vertrauensvollen Zusammenarbeit
alle Fraktionen gemeinsam an einem Strang gezogen
haben . Obwohl ich selbst seinerzeit kein Mitglied dieses
Ausschusses war, möchte ich behaupten, dass der zweite Untersuchungsausschuss dieser gemeinsamen und
sachorientierten Arbeit in nichts nachstand . Für dieses
zielgerichtete und von jeglicher Parteicouleur losgelöste Arbeiten möchte ich mich bei allen Kolleginnen und
Kollegen ganz herzlich bedanken .
({2})
Ergebnis dieser vertrauensvollen Arbeit ist der rund
1 800-seitige Abschlussbericht . Auch wir kommen
nicht umhin, einige Empfehlungen auszusprechen . Einen Punkt möchte ich besonders hervorheben, und zwar
die ergebnisoffene Ermittlungsarbeit der Behörden bzw.
das Fehlen dieser . Denn was bereits der erste Untersuchungsausschuss herausgefunden hatte, bestätigte sich
in zahlreichen Zeugenvernehmungen bei uns . Die Art
und Weise, wie Verantwortliche gehandelt haben, macht
manchmal den Eindruck, als hätten sie Scheuklappen
aufgehabt . Das ist für mich absolut unverständlich .
Nur ein Beispiel: Da ist bereits Mitte der 90er-Jahre in
einem einschlägigen rechtsgerichteten Magazin die Rede
davon, dass man aus dem Untergrund heraus agieren solle, dass man autonome Zellen bilden und Strukturen aufbauen solle - quasi eine ideologische Eins-zu-eins-Blaupause für den späteren NSU . Ein Exemplar wird dann
sogar 1998 in der Garage in Jena gefunden . Es war also
bekannt . Trotzdem wird bei den Ermittlungen bis zum
4 . November 2011 der richtige Schluss, nämlich dass es
sich um rechtsmotivierte Taten gehandelt hat, entweder
gar nicht gezogen oder aber viel zu schnell wieder verworfen . Meine Damen und Herren, das sind 13 Jahre!
13 Jahre ist niemand auf die Idee gekommen, dies als
Ermittlungsansatz heranzuziehen .
Ebenso wenig wurde nach dem Auffliegen des NSU
überhaupt in Betracht gezogen, dass das Trio nicht allein
gehandelt hat . Es fehlte an dezidierten Untersuchungen
zu Mittätern, Unterstützern, Netzwerken . Stattdessen
hielt man über den gesamten Zeitraum konsequent an
der Trio-These fest . In dieser Frage konnten wir wichtige
Anregungen für weitere Ermittlungen liefern . Ein Appell
für die Zukunft muss also lauten: ergebnisoffene Ermittlungen und mehr Sensibilisierung, was rechtsmotivierte
Taten angeht!
({3})
Gerade in Zeiten, in denen wir uns zunehmend mit
rechtspopulistischen Phrasen konfrontiert sehen, gilt dies
umso mehr, national wie international .
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss .
Klar ist, dass die strafrechtliche Aufarbeitung der Vorkommnisse am OLG in München noch nicht abgeschlossen ist . Auf diese Ergebnisse blicken wir ebenso gespannt
wie auf die aus den einzelnen Untersuchungsausschüssen
der Länder . Auch wenn wir nicht alle Fragen vollends
klären konnten, so ist unsere Arbeit hier im Untersuchungsausschuss nun zu Ende . Gestatten Sie mir deshalb
noch, den Kolleginnen und Kollegen und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, insbesondere denen des
Ausschusssekretariats, ganz herzlich für ihre Arbeit zu
danken .
Danke schön .
({4})
Vielen Dank . - Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist jetzt der Kollege Clemens Binninger,
CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Über fünfeinhalb Jahre parlamentarischer Aufklärung sind, so will ich einmal sagen, an einem vorläufigen
Schlusspunkt angelangt . Zwei Untersuchungsausschüsse, der Innenausschuss des Deutschen Bundestages
und das Parlamentarische Kontrollgremium mit einem
Sonderermittler haben sich mit dem Fall NSU und seinen Weiterungen befasst . Ich glaube, man kann wirklich
sagen: Noch nie in der Geschichte des Deutschen Bundestages wurde ein Sachverhalt so gründlich, so aufwendig parlamentarisch untersucht wie dieser Komplex, wie
diese Verbrechensserie . Das zeigt, wie wichtig uns diese
Aufklärung war . Ich glaube, dass das Parlament all das
untersucht hat, was es untersuchen kann . Viel mehr können Parlamentarier nicht machen . Vielleicht war es sogar
manchmal so, dass wir - der Ausschuss bestand ja zur
Hälfte aus ehemaligen Polizeibeamten - in einer fachlichen Tiefe gefragt haben, wie es nicht unbedingt von
Abgeordneten zu erwarten ist und wie es möglicherweise
auch die uns gegenübersitzenden Zeugen nicht erwartet
haben . Aber ich glaube, es hat dazu beigetragen, dass wir
einiges an neuen Informationen gewinnen konnten .
Wenn ich ein untechnisches Fazit unserer Ausschussarbeit ziehen wollte, würde ich sagen: Wir haben mehr
herausbekommen als erwartet, aber weniger als erhofft,
weil natürlich noch drängende Fragen offengeblieben
sind . Dieser Bericht - weit über 1 500 Seiten -, unsere
Arbeit als Ganzes, die Arbeit dieses Parlamentes haben,
wie ich glaube, drei wichtige Beiträge geliefert: einen
Beitrag in der Sache, einen Beitrag für die Opfer und die
Familien der Opfer und einen Beitrag für die politische
und gesellschaftliche Debatte . Zu allen drei Bereichen
will ich kurz ein paar wenige Punkte anführen .
Was hat der Ausschuss als Beitrag in der Sache geliefert? Eine der Leitfragen für uns war: War der NSU
wirklich nur ein Trio? Kann es sein, dass innerhalb des
Trios, so wie es der GBA formuliert, die beiden Männer
alle 27 Verbrechen alleine begangen haben - 10 Morde,
2 Sprengstoffanschläge, 15 Banküberfälle, verteilt über
ganz Deutschland - und nirgendwo Spuren hinterlassen
haben, nirgendwo zweifelsfrei von Zeugen erkannt wurden? Sie sind Täter für uns, gar keine Frage . Aber können sie es wirklich alleine gewesen sein? In der Rede der
Kollegin Mihalic wurde ja schon deutlich: Wir wissen
nicht, wie es war . Aber die Fixierung des Generalbundesanwaltes, der nur die Trio-These im Blick hatte, hat uns
nicht überzeugt .
({0})
Wir hätten uns schon gewünscht und es für notwendig erachtet, dass man auch anderen Indizien stärker nachgeht .
Ich weiß, es gab ein Verfahren gegen unbekannt - wenn
der GBA zuguckt, regt er sich vielleicht auf; das wissen
wir -; aber unsere Erwartung ist eine andere .
({1})
Ich will daran erinnern, warum wir so skeptisch sind,
warum wir nicht lockerlassen, warum wir vielleicht auch
nerven . Übrigens ist das unsere Aufgabe; wir sind ja
nicht für die gute Laune der Exekutive da .
({2})
Als es die sogenannte Ceska-Mordserie gab, die den
Namen nach der verwandten Waffe bekommen hat, waren sich die Ermittler sehr schnell einig, wie auch beim
Sprengstoffanschlag in der Keupstraße: Das ist organisierte Kriminalität . Sie haben an der These bis in das
Jahr 2010 festgehalten . Als die bayerischen Ermittler
Zweifel angemeldet haben, ob es nicht vielleicht Fremdenfeindlichkeit, Fremdenhass sein könnte, wurden sie
abgebügelt, wurde gesagt: Wir sind uns aber sicher . Heute wissen wir: Es war ganz anders . Als man den Mord
an Michèle Kiesewetter untersucht hat, hatte man nach
kurzer Zeit DNA einer weiblichen Person . Die Botschaft
lautete: Wir sind uns sicher; jetzt haben wir die Täterin,
die Gartenhäuschen aufbricht und Morde begeht . - Alle
Zweifel wurden weggewischt . Es hieß: Wir sind uns sicher . Wir suchen eine Frau . - Heute wissen wir: Es war
falsch . Jetzt ist man sich sehr schnell sicher gewesen:
Der NSU ist nur ein Trio . Die beiden Männer haben alle
Taten begangen . Wer daran Zweifel äußert, schürt Verschwörungstheorien . - Nach den Vorerfahrungen wäre
ich vorsichtig .
({3})
Deshalb müssen wir immer wieder genau hinsehen .
Das Thema DNA haben wir beleuchtet. Wir finden,
man hätte mehr tun müssen . Auch hier will ich nur ein
Beispiel nennen . Dass man die Wohnung des Terrortrios
in der Polenzstraße in Zwickau, wo sie während aller
Morde bis 2007 gewohnt haben, nach dem Auffliegen
nie - nie! - auf DNA oder Fingerabdrücke untersucht hat,
um zu erkennen, wer sich in der Wohnung noch aufgehalten hat, ist für mich nicht zu entschuldigen . Tut mir leid!
({4})
Zu den V-Leuten ist einiges gesagt worden . Ich will
auch für meine Fraktion deutlich machen: Bei den politischen Schlussfolgerungen - nicht bei der Aufklärungsarbeit - enden die Gemeinsamkeiten . Das ist aber nicht
schlimm . Wir fordern neben den Reformen, die wir auf
den Weg gebracht haben, neben einer strengeren gesetzlichen Grundlage, dass, wenn wir schon mit diesem Instrument arbeiten, die Informationsabschöpfung auch
so organisiert sein muss, dass Jahre später noch nachvollziehbar ist: Wer hat etwas gemeldet, wer hat nichts
gemeldet? Wer hat behauptet, er kenne die drei nicht? Dass 30, 40 V-Leute im weiteren Umfeld des „Thüringer
Heimatschutzes“ und des NSU am Ende unter kompletter Amnesie leiden und die drei gar nicht gekannt haben
wollen, ist nur schwer nachzuvollziehen . Aber es war
nichts in den Akten .
({5})
Wenn ich auf die Uhr blicke, bedauere ich, dass ich
eine Minute habe opfern müssen, weil der Kollege
Schuster überzogen hat . Aber was will ich machen?
Ich will noch auf unseren Beitrag für die Opfer und
ihre Familien eingehen, auch an die Adresse der Angehörigen gerichtet, die heute hier sind . Ja, wir haben die
Sie quälenden Fragen nicht beantworten können: Warum
wurden der Mann, der Vater, die Tochter, die Schwester Opfer? Warum gerade dieser Tatort? Wie lief die Tat
ab? - Dennoch glaube ich, dass wir durch die Art und
Weise, wie wir Kontakt zueinander gehalten haben, Ihnen gezeigt haben, dass Sie nicht vergessen sind, dass
wir an Ihrer Seite sind . Ich möchte mich von dieser Stelle
aus ganz herzlich bei Barbara John, der Opferbeauftragten der Bundesregierung, bedanken, die hier große Arbeit
geleistet hat .
({6})
Wir haben auch einen Beitrag geleistet für die gesellschaftliche und politische Debatte . Ich bedanke mich als
Ausschussvorsitzender bei allen Kollegen für die gute
Zusammenarbeit . Unser Konsens war ein starkes Signal
für ein starkes Parlament . Das muss man in der Deutlichkeit sagen .
({7})
Unsere Arbeit hat eine Sensibilisierung für das Thema
„gewaltbereiter Rechtsextremismus“ bewirkt . Das ist ein
starkes Signal an die Sicherheitsbehörden; auch das muss
man deutlich sagen . Die Art und Weise, wie wir uns dem
Thema genähert haben, ist ein starkes und eindeutiges
Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, wozu dieses Parlament
hier beiträgt . Vielen Dank!
({8})
Ich habe gerade mit der Präsidentin gedealt; ich kriege
noch Zeit für ein paar Sätze . - Sie wissen, es ist meine letzte Rede im Deutschen Bundestag . Ich darf mich
vor allen Dingen bedanken, zuerst bei den Männern und
Frauen, ohne die wir unsere Arbeit nicht machen könnten: unseren Mitarbeitern .
({9})
Ich bedanke mich bei all denen in den Ausschusssekretariaten, im Parlamentarischen Kontrollgremium, vor allen
Dingen bei den Mitarbeitern meines Büros, die mir zum
Teil seit 10, ja sogar seit 15 Jahren die Treue halten . Danke schön .
({10})
Ich bedanke mich bei Ihnen allen . - Zunächst beginne
ich bei den Kollegen Abgeordneten der Opposition . Wir
waren immer, die ganzen 15 Jahre, in denen ich hier war,
politisch Konkurrenten, aber immer auch menschlich
Kollegen . Dafür vielen Dank an eure Adresse,
({11})
beispielhaft Petra Pau und Irene Mihalic .
Ich bedanke mich natürlich bei unserem Koalitionspartner . Es war, Burkhard Lischka, Eva Högl, in dieser
Legislatur wirklich eine Zusammenarbeit, wie man sie
sich vorstellt . Für eure Parteiführung könnt ihr ja nichts .
({12})
Insofern herzlichen Dank . - Nein, ernsthaft, Burkhard
und Eva - die Spitze konnte ich jetzt nicht zurückhalten,
aber darum ging es mir nicht -, so arbeitet man zusammen! Es hat viel Spaß gemacht, war wirklich à la bonne
heure . Danke schön .
({13})
Natürlich richte ich ein Dankeschön an meine eigene
Fraktion . 15 Jahre - ich sehe viele bekannte Gesichter .
Manche Schlachten haben wir gemeinsam geschlagen .
Ich will mich stellvertretend bei Armin Schuster und
Stephan Mayer bedanken . Ich glaube, wir waren ein gutes Team, wir haben eine Menge angezettelt, vieles erreicht . Als ein Fraktionskollege mal zu mir gesagt hat:
„Was ihr Innenpolitiker euch alles rausnehmt!“, habe ich
gesagt: Ja, völlig zu Recht . ({14})
Danke schön für eure Unterstützung, eure Zusammenarbeit .
Jetzt endet eine Zeit von 15 Jahren - vier Legislaturperioden, in denen ich meinen Wahlkreis Böblingen
jeweils als direkt gewählter Abgeordneter hier vertreten
durfte . Es war mir eine Ehre .
({15})
Vielen Dank auch von uns als Präsidium, lieber Kollege Binninger, für Ihre Arbeit der letzten 15 Jahre hier
im Deutschen Bundestag . Ich glaube, der Applaus zeigt
Ihnen, dass Sie zu denjenigen gehören, die wir vermissen
werden .
({0})
Das hat auch Ihre Rede eben gezeigt .
Ich glaube, ich darf mich für das Präsidium auch dem
Dank für die Arbeit im Untersuchungsausschuss anschließen . Sie ist für das Selbstverständnis unseres Hauses
eine ganz wichtige Arbeit gewesen, und sie ist unendlich
wichtig dafür, damit klar wird, dass Rechtsradikalismus
in diesem Land keine Einzelerscheinung ist, sondern wir
uns intensiv damit auseinandersetzen müssen .
Ich möchte mich auch bei Ihnen, den Angehörigen der
Opfer, bedanken, dass Sie heute hier waren . Das ist für
uns sehr wichtig . Es ist für uns sehr wichtig, dass Sie
sehen, dass wir uns intensiv mit diesen Fragen auseinandersetzen wollen, dass wir aufklären wollen, was wir aufklären können . Das Ziel ist - das haben Sie auch bei den
Reden hier gehört -: Wir können das Geschehene nicht
ungeschehen machen, aber wir möchten, dass Ihnen und
den Opfern ein Stück Würde zurückgegeben wird . Das
ist unsere Aufgabe hier in diesem Haus. Ich hoffe, dass
wir dabei weiterhin zusammenarbeiten werden . Für uns
gehört es jedenfalls zum Selbstverständnis unserer Demokratie . Danke schön, dass Sie hier waren .
({1})
Wir kommen damit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des 3 . Untersuchungsausschusses
auf Drucksache 18/12950. Der Ausschuss empfiehlt, den
Bericht zur Kenntnis zu nehmen . Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer
enthält sich? - Damit ist die Beschlussempfehlung einstimmig angenommen .
Ich rufe den Zusatzpunkt 4 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Parlamentarische Kontrolle in Zeiten der
Großen Koalition
Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen .
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Konstantin von Notz, Bündnis 90/Die Grünen .
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die 18 . Wahlperiode neigt sich dem Ende zu . Man kann sagen: Es war
für den Parlamentarismus in diesem Haus eine schwierige
Wahlperiode . Das liegt daran, dass der zweite NSU-Untersuchungsausschuss, den wir hier erlebt haben, in der
Form, wie er ablief, lieber Kollege Binninger, in diesem
Haus die absolute Ausnahme darstellt . Wir haben hier
bei der parlamentarischen Kontrolle gerade in Zeiten
der GroKo massive Probleme . Das möchte ich an zwei
Beispielen deutlich machen: einmal am Umgang mit Akten und dann am Umgang mit V-Leuten . Das ist ein altes
Problem, das über die verschiedenen Legislaturperioden
tradiert wurde .
Zu den Akten: Die Bundesregierung, die wir als Parlament kontrollieren müssen, bestimmt über die Herausgabe der Akten zu den Untersuchungsausschüssen . Sie
verweigert manchmal gänzlich, Akten herauszugeben;
sie stuft Akten als Geheim oder Streng Geheim ein; und
manchmal stuft sie Akten einfach hoch . Wenn die zu
Kontrollierenden bestimmen, was die Kontrolleure wissen dürfen, wird der Bock zum Gärtner gemacht, liebe
Kolleginnen und Kollegen .
({0})
Deswegen ist es richtig, dass der Bundestagspräsident
Lammert gestern ein Ende dieser Praxis gefordert und
eine Stärkung des Parlaments angekündigt hat .
Ein anderes Problem effektiver Kontrolle entsteht
durch die untragbaren behördlichen Praktiken beim
Umgang mit sogenannten V‑Leuten. So sind der Öffentlichkeit bis heute die Hintergründe des größten rechtsextremistischen Anschlags in der Geschichte der Bundesrepublik, des Oktoberfestattentats 1980, unbekannt .
Die Geheimdienste halten hier, ebenso wie im Fall des
ermordeten Generalbundesanwalts Buback, immer noch
Informationen zur Beteiligung von V-Leuten zurück . Ich
sage Ihnen, meine Damen und Herren: Es ist unwürdig,
dass dieses Parlament nicht in der Lage ist, diese Hintergründe aufzuklären . Das ist eine schwelende Wunde
auch für die Hinterbliebenen der Opfer .
({1})
Es gibt begründete Fälle von Geheimhaltung auch
gegenüber dem Parlament; aber sie sind die absolute
Ausnahme . Es ist falsch, wenn in einer Demokratie die
Geheimhaltung immer wieder unberechtigterweise den
Vorrang vor dem Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit
erhält .
Wie fadenscheinig die Notwendigkeit der Geheimhaltung der Großen Koalition in dieser Legislaturperiode vorgebracht wird, zeigte sich gerade erst im Umgang
mit dem Sondervotum der Opposition im NSA-Untersuchungsausschuss . Dieses wollten Sie, meine Damen und
Herren der Großen Koalition, in der Geheimschutzstelle
versenken, obwohl der Text an keiner einzigen Stelle,
Herr Kollege Kaster, einen geheimen Inhalt enthielt . Das
ist wirklich die Krönung der Auslese .
({2})
Die Klarnamen der Geheimdienstoperationen „Glotaic“ und „Monkeyshoulder“ durften wir in unserem
Sondervotum nicht ausschreiben, und das, obwohl die
Namen in der Presse längst vielfach genannt wurden, und
das, obwohl - das muss man sich einmal geben - sie vom
Ausschussvorsitzenden in einem Buch vier Wochen vor
dem PUA‑Bericht veröffentlicht wurden.
({3})
Das ist kein sensibler Umgang mit geheimen Informationen im parlamentarischen Verfahren . Das ist Schikane,
es geht nur um das Recht des Stärkeren, und das lassen
wir uns nicht gefallen .
({4})
Eines möchte ich Ihnen ganz deutlich sagen: Den
Schaden hat doch nicht die Opposition, den Schaden haben wir alle als Parlamentarier in diesem Haus, und am
Ende des Tages hat den Schaden auch unsere Demokratie . Das Parlament macht sich lächerlich, wenn es nicht
selbstbewusst seine Kontroll- und Aufklärungsfunktionen wahrnimmt, sondern wenn es einfach der Bundesregierung und den Geheimdiensten überlassen wird, welche Informationen das Parlament und die Öffentlichkeit
bekommen und welche eben nicht . Es kann nicht sein,
dass sich die Parlamentarier der Mehrheitsfraktionen zu
Prätorianergarden der Regierung machen, meine Damen
und Herren .
({5})
Mit der Selbstverzwergung dieses Parlaments muss
Schluss sein .
Ganz herzlichen Dank .
Vielen Dank . - Das Wort hat Nina Warken, CDU/
CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es gibt den wunderbaren Satz: „Die größte Waffe der
Opposition ist die Information“, und damit, Herr Kollege
von Notz, ist nicht die Falschinformation der Öffentlichkeit gemeint .
({0})
Mit allem, was Sie in letzter Zeit so von sich gegeben haben, suggerieren Sie, dass es in der Großen Koalition keine parlamentarische Kontrolle gibt, und das ist schlichtweg falsch . Diese Behauptung wird auch der Arbeit in
fünf Untersuchungsausschüssen und anderen Gremien in
dieser Legislaturperiode in keiner Weise gerecht .
Die Wahrheit ist doch: Wäre es streng nach dem
Wortlaut des Grundgesetzes gegangen, hätte es in dieser Wahlperiode keinen Untersuchungsausschuss gegeben . Die Koalition hat aber die Problematik früh erkannt
und die Ausschüsse möglich gemacht, und dies ganz bestimmt nicht, weil sie eine parlamentarische Kontrolle
verhindern wollte .
({1})
Nun darf ich als Obfrau über den NSA-Untersuchungsausschuss sprechen . Richtig ist, dass der Ausschuss im
März 2014 von allen Fraktionen gemeinsam eingesetzt
wurde . Weit überwiegende Teile der Beweis- und Verfahrensbeschlüsse wurden einvernehmlich getroffen. Wir
haben in den vergangenen dreieinhalb Jahren in 70 Sitzungen 90 Zeugen gehört und 2 400 Ordner Beweismaterialien bearbeitet . Wir saßen alle in demselben Ausschuss, und wir haben alle die gleichen Informationen
erhalten . Es gab keinen gesonderten Geheimausschuss
nach dem Motto: „Zutritt nur für die Große Koalition“ .
Wir haben Sie auch nicht sonst wie in Ihren Rechten beschnitten . Dort, wo Sie sich ungerecht behandelt gefühlt
haben, hat Karlsruhe Ihnen gesagt, dass es nicht so war .
({2})
Wir hatten hoffentlich alle den gleichen Anspruch in
diesem Ausschuss, nämlich den Anspruch, die Vorwürfe aufzuklären . Aufklären bedeutet aber nicht, dass man
schon am Anfang ein Ergebnis vor Augen hat, und dann
schreit, die Aufklärung sei behindert worden, wenn sich
die eigene Vermutung am Ende nicht als wahr herausstellt . Das ist sie nämlich mitnichten .
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in einem Untersuchungsausschuss, der sich mit den Tätigkeiten der Nachrichtendienste befasst, hat man es mit geheimhaltungsbedürftigen Sachverhalten zu tun . Das sollte für uns alle
keine Überraschung sein . Der Umgang mit geheimen
Akten und geschwärzten Stellen hat vielfach zu Diskussionen im Untersuchungsausschuss geführt .
({4})
Letztlich müssen wir alle akzeptieren, dass es Bereiche gibt, in denen auch wir als Untersuchungsausschuss
nicht alle Informationen erhalten können . Die Möglichkeiten, die wir hatten, haben wir ausgeschöpft . So haben
wir alle Gespräche mit der Bundesregierung über die
Freigabe geschwärzter Stellen geführt . Das war mühsam,
aber es war erfolgreich, und einige Schwärzungen wurden zurückgenommen . Im Übrigen haben Sie als Opposition die im PUAG gegebene Möglichkeit, sich gegen
Schwärzungen rechtlich zu wehren, kein einziges Mal
wahrgenommen .
({5})
Viel Aufregung und viele Vorwürfe hat es rund um das
Sondervotum der Opposition zum Abschlussbericht gegeben . Herr Kollege von Notz hat dazu getwittert: „Ein
einmaliger + fragwürdiger Vorgang . GroKo verbannt
Sondervotum . . . in die Geheimschutzstelle“ .
({6})
Aber auch hier gilt: Information bedeutet nicht Falschinformation . Lassen Sie mich das richtigstellen:
({7})
Ob etwas geheim ist, darüber entscheidet nicht das Parlament, der Ausschuss oder der Abgeordnete, nein, ob
etwas materiell geheim ist, darüber entscheidet die herausgebende Stelle .
({8})
Das sollte Ihnen allen nach jahrelanger Tätigkeit in diversen Kontrollgremien und Untersuchungsausschüssen
auch bekannt sein .
({9})
Wie mit einem Dokument, das geheime Informationen
enthält, umzugehen ist, ist dann die nächste Frage . Sie
können doch nicht im Ernst verlangen, dass ein Ausschusssekretariat, dem Sie Ihr Sondervotum mit geheimen Stellen und der Notwendigkeit, den Betroffenen
rechtliches Gehör zu gewähren, vorlegen, das einfach so
fröhlich veröffentlicht. Nein, das muss in die Geheimschutzstelle . Dort kann es von den Abgeordneten eingesehen werden, dort kann es vom Sekretariat geprüft und
freigegeben werden .
({10})
Nicht wir haben Ihr Sondervotum in die Geheimschutzstelle verbannt, nein, das haben Sie selbst getan . Die
Alternative wäre gewesen, einen Text vorzulegen, der
ungeschwärzt direkt veröffentlichungsfähig ist. Dafür,
dass Sie dazu nicht in der Lage sind, sind nicht wir verantwortlich, sondern Sie selbst .
({11})
Das Verfahren bezüglich Ihres Sondervotums war alternativlos . Die Ursache dafür liegt bei Ihnen: Nach dem
gemeinsam beschlossenen Zeitplan hat die Koalition
ihren Bewertungsteil am 28 . April 2017 vorgelegt . Mit
41 Tagen Verspätung haben Sie Ihr Sondervotum vorgelegt, nämlich am 19 . Juni 2017 . Sie haben es zuerst der
Presse vorgestellt und dann dem Ausschuss übermittelt .
Somit konnte weder das rechtliche Gehör vorab gewährt
werden, noch konnten zu schwärzende Stellen gegebenenfalls freigegeben werden .
({12})
Wir sind als Untersuchungsausschuss verpflichtet das dürfte Ihnen auch bekannt sein -, zum Abschluss
unserer Tätigkeit einen Bericht vorzulegen . Da dies die
letzte Sitzungswoche in dieser Wahlperiode ist, war es
zwingend, den Bericht in der vergangenen Woche zu verabschieden und in dieser Woche zu debattieren . Von daher hat der Vorsitzende zu Recht den Vorschlag gemacht,
dass das Votum dem Abschlussbericht beigefügt wird und
die geschwärzten Stellen sukzessive nach entsprechender
Prüfung freigegeben werden . Bereits am 22 . Juni 2017
wurde eine vorläufige, veröffentlichungsfähige Fassung
erstellt und dem Abschlussbericht beigefügt .
({13})
Die Stellen, die darin noch geschwärzt sind - das muss
man auch einmal sagen -, betreffen zu zwei Dritteln die
Gewährung rechtlichen Gehörs .
Frau Kollegin Warken .
Die Wahrheit ist also: Es gab keine Alternative, als mit
dem Abschlussbericht so zu verfahren, wie damit verfahren wurde . Sie haben hier ein unwürdiges Spektakel veranstaltet, mit dem Sie vor allem bezwecken wollten, dass
über den Abschlussbericht in dieser Woche nicht diskutiert werden kann . Das ist Ihnen nicht gelungen .
({0})
Vielen Dank . - Alle folgenden Rednerinnen und Redner möchte ich darauf aufmerksam machen, dass die
Redezeit in der Aktuellen Stunde maximal fünf Minuten
beträgt . Das ist nicht das Minimum, sondern das Maximum .
Jetzt hat die Kollegin Martina Renner, Fraktion Die
Linke, das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollegin
Warken, Sie wissen, dass das, was Sie eben gesagt haben,
Widerspruch hervorruft .
({0})
Sie haben zu Recht ausgeführt: Die herausgebende Stelle
entscheidet über den Einstufungsgrad der Akte .
({1})
Und wer war die herausgebende Stelle? Bei einem Sondervotum ist dies die Opposition .
({2})
Es ist unser vornehmes Recht, in einem Sondervotum
unsere eigenen Feststellungen und Bewertungen aufzuschreiben, ohne dass Sie eingreifen .
({3})
Auch Ihr Hinweis darauf, dass wir das Sondervotum
mit 43 Tagen Verzögerung vorgelegt haben, stimmt nicht .
({4})
Wir konnten das Sondervotum erst erstellen, nachdem
Sie Ihre Bewertungen und Feststellungen abgegeben haben, weil das Sondervotum die abweichende Meinung
der Opposition widerspiegelt .
({5})
Und wenn Sie 17 Tage zu spät sind,
({6})
dann können wir nicht pünktlich einlaufen . Hören Sie
auf, zu lügen .
({7})
Man muss wirklich sagen, dass hier die Debatte von
gestern fortgesetzt wird . Auch gestern dachte man teilweise, man ist im falschen Film .
({8})
Der Ausschussvorsitzende hat gestern die Einmütigkeit
und Einigkeit im NSA-Untersuchungsausschuss besungen . Man fragt sich wirklich, wo er die letzten drei Jahre
gewesen ist .
({9})
Er hat drei Jahre lang mitgeholfen, die Opposition in diesem Ausschuss durch vielfältige Beschlüsse und vielfältige Dinge, die sich im Geheimen abspielten, massiv zu
behindern . Teilweise hat man sogar versucht, den Rednern der Opposition in Auseinandersetzungen das Wort
zu entziehen . Ich erinnere mich gut . Ich weiß nicht, ob
Herr Sensburg mittlerweile geblitzdingst wurde, sodass
er das alles nicht mehr weiß .
({10})
Herr Sensburg ist dafür verantwortlich, dass in einem
einmaligen Vorgang in diesem Haus die Berichterstatter
der Oppositionsfraktionen abberufen wurden, ohne zu
fragen, ob die Stellvertreter an ihre Stelle treten . Und er
hat in der Presse dreist über die Gründe gelogen .
({11})
Er hat gesagt, wir hätten grundlos unsere Unterschrift
verweigert . Das ist nicht der Fall . Der Grund lag in Ihrer Einstufung unseres Sondervotums als Geheim und in
nichts anderem .
({12})
Das war der Höhepunkt einer Kampagne gegen die Kontrollfunktionen des Parlaments, die allein auf dem Dogma beruht, dass Regierungsinteressen identisch mit dem
Staatswohl sind . Aber das sind sie nicht .
({13})
In einer Demokratie übt nämlich das Parlament eine
Kontrollfunktion gegenüber der Regierung aus . Wer diese Kontrolle sabotiert, der beraubt nicht nur die Opposition ihrer demokratischen Rechte, sondern schadet auch
der Demokratie .
({14})
Ich nenne einige Beispiele . Auch in dieser Legislatur
wurde der NSU-Untersuchungsausschuss in seiner Arbeit
massiv behindert . Der ehemalige BfV-Präsident Fromm
verschwieg jahrelang den Tatverdacht gegen einen
V-Mann im Zusammenhang mit dem NSU-Anschlag auf
einen iranischen Lebensmittelladen . In seiner Befragung
wurde offenbar: Solange Parlamentarier nicht anderweitig über die Machenschaften der Dienste informiert
werden, erfahren sie aus den Geheimdiensten nichts, wie
viele Beweisbeschlüsse sie auch stellen . Und wenn Verschweigen nicht reicht, dann wird eben das Staatswohl
als Begründung für die Verweigerung von Akten herangezogen . So geschah es auch im Fall von Ralph H ., einem mutmaßlichen Unterstützer des NSU, der Medien
zufolge als V-Mann angeworben werden sollte . Die Akten könnten Aufschlussreiches über das Wissen des Verfassungsschutzes bezüglich des NSU offenbaren. Doch
lesen durfte der Ausschuss die Akten nicht .
Auch im NSA-Untersuchungsausschuss verweigerte
die Bundesregierung Akten mit dem Argument, das Thema hätte gar nichts mit dem Untersuchungsauftrag zu
tun . Dabei weiß die Bundesregierung und wissen auch
Sie ganz genau, dass das Verfassungsgericht klar geregelt hat, dass der Ausschuss entscheidet, was zum Thema
gehört - und eben nicht die Regierung oder die Große
Koalition .
({15})
Wir haben zum Beispiel herausgefunden, dass 2010
ein deutscher Islamist im Foltergefängnis Bagram in Afghanistan von Verfassungsschutzbeamten verhört wurde . Einen Tag später ist ein anderer deutscher Islamist
im angrenzenden Pakistan von einer US-Drohne getötet
worden . Die Akten darüber durften wir nicht lesen . Dabei
ist die deutsche Rolle im Drohnenkrieg Thema des Untersuchungsauftrages gewesen .
Eine weitere Posse: Wir sollten in unserem Sondervotum nicht schreiben dürfen, was der Ausschussvorsitzende in seinem Buch ausplaudert. Er zitiert offen aus
einer BND-internen Mail, während diese Passage in unserem Sondervotum geschwärzt wurde . Mein Kollege
Konstantin von Notz nannte das Schikane . Ich nenne es
reine Willkür .
({16})
Auch der Bericht der Datenschutzbeauftragten über
die BND-Stelle Bad Aibling sollte geheim bleiben . Es
geht dabei um 18 schwerwiegende Rechtsverstöße und
12 Beanstandungen . Das war einzig und allein VS-Grad
Vertuschung und nichts anderes .
Bei parlamentarischen Anfragen machten wir ähnliche Erfahrungen . Immer wieder kriegen wir vorgefertigte Satzbausteine: Eine Beantwortung sei nicht möglich,
weil sie die Arbeit der Dienste oder das Wohl des Staates
gefährden könnte .
Genau gegen diese Haltung klagen wir im Zusammenhang mit unseren Kleinen Anfragen zum Oktoberfestattentat vor dem Bundesverfassungsgericht . Denn diese
Haltung läuft darauf hinaus, die Aufklärung zu verhindern . Mit dieser Haltung wird die Strafverfolgung der
NSU-Verbrechen ebenso wie die vollständige Aufklärung des Oktoberfestattentates behindert . Aber auch die
illegalen Machenschaften der NSA und des BND bleiben
ohne Folgen für die Verantwortlichen . Damit werden wir
uns nicht abfinden, auch wenn Sie unsere Berichte an die
Geheimschutzstelle schicken,
Frau Kollegin Renner .
- ich bin fertig - Akten zurückhalten oder sich von
den Geheimdiensten wie an einem Nasenring durch die
Arena ziehen lassen .
Wir bleiben dabei: In einer Demokratie bedeutet
Staatswohl, dass das Parlament die Regierung kontrolliert - und nicht umgekehrt .
({0})
Und wenn diese Regierung das anders sieht, dann brauchen wir eine andere Regierung .
Danke schön .
({1})
Danke . - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Uli
Grötsch .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich verspreche, mich
etwas kürzer zu fassen als meine Vorrednerinnen und
Vorredner. - Liebe Kolleginnen und Kollegen - hoffentlich wieder alle ohne roten Kopf und geschwollene Halsschlagader -,
({0})
als ich die Überschrift zu dieser Aktuellen Stunde - „Parlamentarische Kontrolle in Zeiten der großen Koalition“ - gelesen habe, habe ich mir gedacht: Das klingt eher
wie der Titel eines Buches als wie die Überschrift einer
Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages .
({1})
Aber natürlich steht es uns allen - und erst recht dem
Parlament - gut zu Gesicht, wenn wir über unsere Arbeit im Parlament berichten - und nicht anderswo . Das
ist erst recht so, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn
es um ein so sensibles Thema wie die parlamentarische
Kontrolle der Nachrichtendienste geht . Aber sei’s drum .
Die Aktuelle Stunde gibt mir am Ende dieser Wahlperiode Gelegenheit, zusammenzufassen, was die Große
Koalition im Bereich der parlamentarischen Kontrolle
der Nachrichtendienste getan hat . Und ich glaube, sagen
zu dürfen: Das war wirklich jede Menge .
Zu Beginn der Wahlperiode war natürlich im Lichte
der Lage um das Handy der Kanzlerin bzw . im Lichte
der Enthüllungen von Edward Snowden sofort allen klar:
Wir müssen etwas machen . Und ich darf behaupten: Wir
haben etwas getan .
Wir haben die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste in dieser Wahlperiode umfassend neu geregelt . Damit haben wir übrigens auch die Handlungsempfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses der
17. Wahlperiode aufgegriffen.
Der durch die Gesetzesreform neu installierte Ständige Bevollmächtigte und die neuen Mitarbeiter werden Martina Renner
davon bin ich überzeugt - den Mitgliedern des PKGr
bestmöglich zuarbeiten . Erste sehr positive Erfahrungen
damit haben wir inzwischen schon gemacht, Kollege
Hahn .
({2})
Das heißt aber nicht, dass wir Abgeordneten unsere
Kontrollrechte nicht auch in Zukunft ausüben könnten .
Ganz im Gegenteil: Wir erteilen Weisungen an den Ständigen Bevollmächtigten und seine Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter . Auch dadurch wird die parlamentarische
Kontrolle in Zukunft effizienter und wirksamer sein.
Wir müssen aber natürlich schon auch noch feststellen: Es läuft noch nicht alles rund . Die Akten im Fall
Anis Amri hätten beispielsweise, wie es sich meiner Meinung nach gehört, für die Abgeordneten im Parlament
vorliegen müssen . Als Mitglied der sogenannten Task
Force im Fall Anis Amri habe ich es schon als befremdlich empfunden, unter ständiger strenger Aufsicht und
ausschließlich im Bundeskanzleramt diese Akteneinsicht
vornehmen zu können . Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das
kann in Zukunft nicht so bleiben . Darüber werden wir in
der neuen Wahlperiode reden müssen .
({3})
Wir als Koalitionsfraktionen haben der Opposition
schon ganz zu Anfang dieser Wahlperiode freiwillig
Minderheitenrechte eingeräumt . Weil die Opposition
aufgrund ihrer geringen Größe das Quorum für Untersuchungsausschüsse nicht erreichen konnte, haben wir uns
verpflichtet, einen Untersuchungsausschuss schon bei
Zustimmung von mindestens 120 Abgeordneten möglich
zu machen . Davon haben Sie nun wirklich regen Gebrauch gemacht . Ich glaube, es gab in den 50er-Jahren
zuletzt eine so große Zahl von Untersuchungsausschüssen in einer einzigen Wahlperiode des Bundestages .
Nur dank der Aufklärung durch den NSA-Untersuchungsausschuss - mein ausdrückliches Kompliment an
alle, die in diesem Untersuchungsausschuss auf ihre Art
und Weise mitgewirkt haben - konnten wir als Gesetzgeber aus dem, was Sie erarbeitet haben, schon Konsequenzen ziehen . Ich halte es für den elementar wichtigsten
Punkt des NSA-Untersuchungsausschusses, dass die Defizite, die es gab, in Zukunft nach dem neuen BND‑Gesetz so nicht mehr möglich sein werden .
({4})
Daran, dass all das, was wir in dieser Wahlperiode gemacht haben, möglicherweise nicht der Weisheit letzter
Schluss ist und dass der neue Bundestag das nach der
Bundestagswahl in der neuen Wahlperiode womöglich
noch einmal etwas genauer fassen und etwas nacharbeiten muss, glaube ich schon . Das gilt durchaus auch
bezüglich der Einstufung von Akten durch die Bundesregierung . Auch darüber wird der neue Bundestag meiner
Meinung nach zu beraten und zu entscheiden haben, weil
auch in diesem Bereich die Arbeit des Parlaments und die
Arbeit von uns Parlamentariern nicht behindert werden
darf .
Sofern der Wähler und die Wählerin es wollen, werden viele von denen, die ein Interesse an der Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle haben, in der
neuen Wahlperiode wieder dabei sein . Ich würde mich
freuen, dann auch wieder mit Ihnen in diesem Bereich
zusammenarbeiten zu können .
Vielen Dank .
({5})
Vielen Dank . - Für die CDU/CSU-Fraktion spricht
jetzt Bernhard Kaster .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen
und Kollegen! Ich bin zunächst einmal meiner Kollegin
Nina Warken dankbar, dass sie die Dinge hier
({0})
einmal klargestellt und bezüglich der Geheimhaltung und
des Fristenverlaufs aufgeklärt hat, was wir dazu in den
letzten Wochen erlebt haben . Wir werden hier keine Legendenbildung zulassen .
({1})
Ich sage es ganz schlicht: Die Ergebnisse - speziell im
NSA-Untersuchungsausschuss - haben Ihnen - ich sage
es einmal so - nicht gefallen . Dann tun Sie das, was Sie
immer tun, wenn Ihnen die Inhalte ausgehen oder nicht
reichen: Dann wird ein geschäftsordnungsrechtliches
Spektakel aufgeführt . Die Verweigerung der Unterschriften war eindeutig sachwidrig .
({2})
Das war ein Klassiker der Geschäftsordnung . Der Vorsitzende konnte überhaupt nicht anders handeln . Am
Schluss war es letztendlich ein einziges Verzögern, Verschleppen und Vereiteln . So war der Ablauf!
({3})
Wir mögen ja noch Verständnis dafür haben, dass
man hier ein entsprechendes, auch formales Spektakel
macht . Aber wir haben kein Verständnis dafür - da frage
ich nach Ihrem Staatsverständnis -, wenn Sie politisch
darüber beschließen wollen, was geheimhaltungswürdig
ist, was also der Geheimhaltung unterliegt . Sie können in
eigener Verantwortung wie jeder andere auch veröffentlichen, was Sie denken veröffentlichen zu können. Aber
der Bundestag - das gilt auch für das Ausschusssekretariat - ist an Recht und Gesetz gebunden .
({4})
Ich erinnere noch einmal daran, dass die Einsetzung
des NSA-Untersuchungsausschusses von allen Fraktionen gemeinsam vereinbart wurde . Das heißt, wir hatten
einen gemeinsamen Untersuchungsauftrag, ein gemeinsames Untersuchungsinteresse . Es ist vollkommen normal, dass die Sichtweisen auf die Ergebnisse eines Untersuchungsausschusses zwischen Regierungsfraktionen
und Oppositionsfraktionen unterschiedlich sind . Was wir
aber erwartet haben, speziell in diesem Untersuchungsausschuss, der sich zwangsläufig mit geheim eingestuften Sachverhalten und Akten beschäftigen musste, war
ein verantwortungsvoller Umgang mit Vorgängen, die
die Sicherheit Deutschlands unmittelbar und ganz konkret berühren .
({5})
Wir haben da, meine Damen und Herren, eine dreifache Verantwortung .
({6})
Wir haben erstens die Verantwortung für die Sicherheit
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Nachrichtendienste . Dafür tragen wir Verantwortung . Wir haben
zweitens eine Verantwortung für die Zusammenarbeit
mit Partnerdiensten . Die Zusammenarbeit mit Partnerdiensten - das brauche ich doch hier nicht groß zu erklären - ist nötiger denn je .
({7})
Es wurde auch im Ausschuss offensichtlich, wie wichtig
diese Zusammenarbeit ist . Die dritte Verantwortung tragen wir schlichtweg für unsere Bürgerinnen und Bürger .
({8})
Sie erwarten, dass unsere Dienste arbeiten können, dass
wir ihnen vertrauen können und dass unsere Sicherheitsbehörden auch vom Parlament geschützt werden .
({9})
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, unser Parlament,
der Deutsche Bundestag, ist - ich jedenfalls kenne kein
anderes - in seiner gesamten Arbeitsweise durch die
rechtlichen Rahmenbedingungen - Gesetze und unsere
Geschäftsordnung - so sehr von Minderheitenrechten
und Oppositionsrechten geprägt wie kein anderes Parlament .
({10})
- Dann müssen Sie ein anderes nennen . - Oder nennen
Sie mir ein Parlament auf dieser Welt - so hat es damals
unser Bundestagspräsident ausgedrückt -, das wie der
Deutsche Bundestag unter der Großen Koalition überhaupt auf die Idee kommt, zu Beginn einer Legislaturperiode die Geschäftsordnung für eine Legislaturperiode
im Interesse der Opposition an zig Stellen zu verändern .
Allein elf Quoren haben wir in der Geschäftsordnung
verändert, nur um der Opposition mit ihrem schwachen
Wahlergebnis weiterhin Oppositionsarbeit zu ermöglichen .
({11})
Sie werden auch nicht bestreiten, dass diese Regelungen
eingehalten werden . Das zeigen auch die fünf Untersuchungsausschüsse . Im Übrigen hat mit Blick auf die
Quoren das Bundesverfassungsgericht festgehalten:
Einer Absenkung der grundgesetzlich vorgegebenen
Quoren für die Ausübung parlamentarischer Minderheitenrechte steht die bewusste Entscheidung
des Verfassungsgebers entgegen .
So das Bundesverfassungsgericht .
Aber ich will, meine Damen und Herren, nicht falsch
verstanden werden . Diese Geschäftsordnungsänderungen
waren keine gönnerhafte Geste . Nein, wir stehen dazu .
({12})
Wir wollten die Stärkung der Oppositionsrechte . Wir erwarten auch keinen Dank . Das wäre Unsinn . Aber dass
Sie in der letzten Sitzungswoche ausgerechnet das Thema „Parlamentarische Kontrolle in Zeiten der Großen
Koalition“ auf die Tagesordnung setzen, und zwar in dem
Wissen, was alles geändert worden ist, halten wir - ich
sage es ganz diplomatisch - für unangemessen .
({13})
Lassen Sie mich zum Abschluss sagen: Parlamentarische Kontrolle ist eine Aufgabe für das gesamte Parlament, unabhängig davon, wie die politischen Konstellationen sind . Und, verehrte Kolleginnen und Kollegen, die
parlamentarische Kontrolle ist die wichtigste Aufgabe
dieses Parlamentes .
Ich will jetzt in meinem letzten Redebeitrag in diesem Parlament - ich hatte das schon einmal gesagt, will
es aber insbesondere jetzt tun - ganz persönlich sagen:
Wir brauchen ein starkes Parlament . Wir brauchen starke Abgeordnete, die die Kontrollaufgaben gemeinsam
wahrnehmen . Wenn wir ein starkes Parlament bzw . starke Abgeordnete wollen, dann müssen wir darauf achten dabei geht es weniger um die politische Konstellation -,
dass das, was in der Verfassung verankert ist, nämlich das
freie Mandat, weiter gestärkt wird .
({14})
Wir hatten, gut gemeint, an der einen oder anderen Stelle
im Abgeordnetenrecht immer wieder Änderungen vorgenommen, die letztendlich - man kann es so sagen das freie Mandat reguliert, kontrolliert oder auch eingeschränkt haben .
({15})
Mein Wunsch wäre, dass die wichtigste Aufgabe des
Parlamentes, die Kontrolle der Regierung oder eben, wie
es heute heißt, die parlamentarische Kontrolle unabhängig davon, wie die Konstellationen sind, gewährleistet
ist . Das Parlament muss immer in der Lage sein, seine
Aufgaben in vielfältiger Weise und in jeder Form immer
auch auf Augenhöhe mit der Bundesregierung und den
anderen Verfassungsorganen wahrzunehmen . Das, denke ich, ist wichtig . Dann funktioniert parlamentarische
Kontrolle auch weiterhin . In diesem Sinne kann dieses
Parlament dann weiter arbeiten .
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit .
({16})
Vielen Dank . - Ich bitte aber jetzt alle Nachfolgenden,
in der Aktuellen Stunde nicht mehr Zeit durch lange Dankesreden abzuschöpfen .
Der nächste Redner für die Fraktion Die Linke ist
Dr . André Hahn .
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Titel
dieser Aktuellen Stunde böte ausreichend Stoff, um einen
ganzen Plenartag zu bestreiten . Ich kann nur auf wenige
Beispiele eingehen .
Welche negativen Auswirkungen es auf die parlamentarische Arbeit hat, wenn Union und SPD alles dominieren und der Opposition kaum Luft zum Atmen lassen,
({0})
zeigt die zu Ende gehende Wahlperiode dieses Bundestags .
({1})
Im Übrigen: Herr Sensburg, Sie sind offenbar zu feige, in dieser Debatte Stellung zu nehmen . Ich hätte von
Ihnen erwartet, dass Sie hier zu Ihrem Agieren im Untersuchungsausschuss Position beziehen .
({2})
In diesem NSA-/BND-Untersuchungsausschuss verhinderten Bundesregierung und Koalition, dass Edward
Snowden als Kronzeuge hier in Berlin aussagen konnte,
({3})
weil man Angst vor dem Unmut der Vereinigten Staaten
hatte . Wir haben gestern den Abschlussbericht diskutiert,
und es sind vielfach Beispiele genannt worden, wie die
Aufklärungsbemühungen der Opposition be- oder gar
verhindert worden sind .
({4})
Ja, es gibt Sonderregelungen für Untersuchungsausschüsse in unserer Geschäftsordnung . Aber wir haben ein
zentrales Instrument, das wegen des Quorums überhaupt
nicht zur Anwendung kommen kann, nämlich die Normenkontrollklage . Sehen wir uns nur einmal an, was Sie
mit dem neuen BND-Gesetz gemacht haben: Sie haben
damit alle Regelungen, die der Untersuchungsausschuss
als grundgesetzwidrig, gegen geltende Gesetze verstoßend oder als in eine Grauzone fallend festgestellt hat,
im Nachhinein legitimiert .
({5})
Dieses Gesetz würde natürlich vom Verfassungsgericht
gekippt werden . Aber im Moment kann es niemand anrufen, und ich bin sicher: Es wird leider noch Jahre dauern,
bis dieses Gesetz aufgehoben wird . Sie nehmen das alles
in Kauf, ohne auch nur ansatzweise auf die Argumente
der Opposition einzugehen .
({6})
Das Parlamentarische Kontrollgremium soll die Geheimdienste in diesem Land kontrollieren, kannte aber
bis vor kurzem nicht einmal das Auftragsprofil der Bundesregierung für den Bundesnachrichtendienst . Wie aber
soll man prüfen, ob sich der BND an seinen Auftrag hält,
wenn dieser selbst vor den Abgeordneten geheim gehalten wird?
Inzwischen kennen wir das Auftragsprofil, aber nicht
etwa, weil die Bundesregierung Einsicht gezeigt und es
uns zur Verfügung gestellt hat, nein, sondern nur dank
eines CIA-Spions im BND . Der hat nämlich unter anderem dieses supergeheime Dokument geklaut und an die
Amerikaner weitergegeben .
({7})
Als der Mann aufflog und es zur Anklage kam, konnten
wir es in den Unterlagen der Generalbundesanwaltschaft
finden.
({8})
Ansonsten hätten wir es vermutlich bis heute nicht bekommen .
({9})
Alles, was der GroKo in die Quere kommt oder einfach nur unbequem ist, wird abgeschafft, selbst lange
geübte demokratische Gepflogenheiten wie der jährliche
Wechsel beim Ausschussvorsitz im Kontrollgremium
zwischen Koalition und Opposition . Jetzt, wo die Koalition einen ihr genehmen sogenannten Ständigen Bevollmächtigten installiert hat, der künftig die Arbeit eines
großen Mitarbeiterstabes koordinieren soll, darf natürlich
kein Linker den Ausschuss führen . Schließlich hätte der
dann Weisungsbefugnisse gegenüber dem Bevollmächtigten und vielleicht auch Einfluss auf die Auswahl der
einzustellenden Mitarbeiter und könnte kritische Geister
befördern . Das darf nicht sein . Also ändern Union und
SPD mitten in der Wahlperiode einfach mal schnell das
Gesetz und dann die Geschäftsordnung, um einen linken
Vorsitzenden zu verhindern . „Super Demokraten!“, kann
man da nur sagen .
Angeblich sollen die Abgeordneten ja in ihrer Tätigkeit unterstützt und entlastet werden, aber die Vertreter
der Opposition haben keinerlei Einfluss auf die Auswahl
auch nur eines einzigen Mitarbeiters . Wir können auch
keine eigenen Mitarbeiter anstellen, also Leute, die wir
aussuchen, damit sie für uns Akten lesen können . Wenn
man dann noch in die Ausschreibungskriterien schreibt,
dass Voraussetzung für die Einstellung der neuen Mitarbeiter unter anderem eine frühere Tätigkeit bei den
Geheimdiensten sein soll, dann werden in Zukunft ehemalige BND- und Verfassungsschutzleute ihre früheren
Kollegen kontrollieren helfen . Was dabei herauskommt,
kann sich wohl jeder vorstellen .
({10})
Zur Einstufung von Dokumenten und Schwärzungen
bei Akten ist schon einiges gesagt worden . Nur ein Beispiel: Im Ordner des Kanzleramts fand sich auf einer
Seite die Überschrift: Weiterer Umgang mit der Causa
Snowden . - Danach folgten vier geschwärzte Seiten .
Begründung der Regierung: kein Bezug zum Untersuchungsgegenstand . Wie absurd ist das denn? Dieser Ausschuss wurde nach den Snowden‑Veröffentlichungen wegen Snowden eingesetzt . Nein, es wird geschwärzt, und
Akten werden uns vorenthalten .
Es gab im Untersuchungsausschuss auch mehrfach
streng geheime Sitzungen . Streng geheime Sitzungen
sind nur dann möglich, wenn der Bestand der Bundesrepublik Deutschland gefährdet ist . Der Bestand der Bundesrepublik Deutschland war nie gefährdet,
({11})
aber Sie wollten einfach verhindern, dass hochbrisante
Informationen in den Abschlussbericht kommen . Nur
deshalb hat die Koalition diese Sitzungseinstufung beschlossen .
Schließlich, ganz zum Schluss, komme ich zum Konsultationsverfahren, das immer vorgeschoben wird, wenn
es Kooperationen mit anderen Geheimdiensten gibt .
({12})
Man müsse die anderen Dienste fragen, ob wir die Dokumente sehen könnten . Ich sage Ihnen, was passiert, wenn
Sie so weitermachen: Dann wird der BND künftig all seine Operationen zum Beispiel mit dem luxemburgischen
Geheimdienst machen . Wenn der Nein zur Einsichtnahme in Dokumente sagt, dann ist jede parlamentarische
Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes ausgehöhlt .
Herr Mayer, ich weiß Sie sagen, das werden wir nicht
machen, so etwas kommt angeblich nicht vor . Wissen
Sie, ich traue dieser Großen Koalition und insbesondere
der CDU/CSU inzwischen alles zu, auch, dass Sie das
machen würden . Auch deshalb muss diese Regierung
schnellstens abgelöst werden .
({13})
Danke schön . - Nächste Rednerin für die SPD-Fraktion ist Susanne Mittag .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich will
das Ganze mal wieder herunterfahren .
({0})
Am gestrigen Tage haben wir nach dreieinhalb Jahren das war der Anlass - die Ergebnisse des NSA-Untersuchungsausschusses im Plenum vorgestellt . Das war eine
langwierige gemeinsame Arbeit, aber sie war auch von
einer konstruktiven Atmosphäre geprägt . Ich will nicht,
dass am Ende hier der Eindruck entsteht, wir hätten uns
nur in der Wolle gehabt . Manchmal sind wir uns nicht
einig gewesen, wir haben uns aber irgendwie zusammengerauft . Sowohl der Vorsitzende als auch ich als Stellvertreterin haben versucht, zwischen konträren Positionen
zu vermitteln . Bevor die Wogen hochschlagen: Okay,
gelegentlich hatte auch der Vorsitzende eine kontroverse
Position, aber das gehört wahrscheinlich zur Diskussion
dazu .
Ich kann mich gut an diverse Obleuterunden und Beratungssitzungen erinnern, in denen wir versucht haben,
Kompromisslinien auszuloten . Das ist auch passiert . Wir
haben auch versucht, den Wünschen der Opposition entgegenzukommen, und wir wollten immer alle Fraktionen
so weit wie nur irgend möglich einbinden und gemeinsam den Untersuchungsauftrag des Parlaments erfüllen .
Das ging immerhin über dreieinhalb Jahre, und das ist
uns sehr oft gelungen . Viele Beweisanträge wurden im
NSA-Untersuchungsausschuss gemeinsam gestellt . Umstrittene Mehrheitsentscheidungen gab es also relativ selten .
Wir waren uns in vielen Dingen einig, zum Beispiel,
wenn wir der Bundesregierung verdeutlichen mussten,
dass wir nicht akzeptieren, dass sie uns zwar Akten überreicht, die dann aber, wie schon mehrfach erwähnt, seitenweise geschwärzt waren . Teilweise wurden sogar die
Seitennummern geschwärzt . Da fragt man sich: Was soll
das denn?
Damit komme ich zu einem Punkt, der regelungsbedürftig ist: Wie können Betroffene eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses gleichzeitig die
Entscheider darüber sein, wie die sie betreffenden Unterlagen eingestuft werden? Das widerspricht jeder sogenannten Ermittlungslogik, auch wenn das natürlich kein
Strafverfahren ist . Zu diesem Thema hatten alle Fraktionen längere Diskussionen mit der Bundesregierung und
dem Kanzleramt . Wir hatten sozusagen schon eine kleine
Verhandlungsgruppe gegründet, um die Schwärzungen
immer wieder abzuwägen, und danach wurden einige
von den Unterlagen wieder sichtbar . Das war ein echtes
Problem . Das muss aber grundsätzlich und unabhängig
geregelt werden . Das hätte die Arbeit von uns allen im
Untersuchungsausschuss sehr erleichtert . Herr Lammert
hatte bei der Übergabe gestern ebenfalls auf die Problematik hingewiesen . Mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich:
… erforderlich sei „ein anderes Verfahren zur Einstufung von Dokumenten“; sonst bleibe es letztlich
der Regierung überlassen, zu entscheiden, was untersucht werden dürfe und was nicht .
Und das macht auch eine Regierung unnötig angreifbar .
Nun gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber,
wie mit dem Minderheitenvotum umzugehen ist . Wir
haben uns gemeinsam zur Abgabe der Voten zusammengesetzt . Es gab eine Verlängerung der Frist . Es war auch
allen Beteiligten klar, welche Voraussetzungen das Sondervotum erfüllen muss, damit es veröffentlichungsfähig
ist: Es durfte keine eingestuften Informationen enthalten
und auch kein rechtliches Gehör auslösen . - Diese Dinge
sind schon seit Jahren gesetzlich geregelt . Das wussten
alle Beteiligten . Das kann man nun wirklich dem Ausschusssekretariat nicht zum Vorwurf machen .
({1})
- Ganz in Ruhe: einmal Sie, einmal ich .
({2})
- Nein, nachher . - Hierbei gibt es eben kaum Ermessensspielraum . Wir haben in der Großen Koalition nichts an
den Regelungen verändert, sondern in der vergangenen
Woche bei Beratungssitzungen und auf Arbeitsebene
noch einmal nach tragfähigen Lösungen gesucht . Es hat
leider nicht funktioniert .
Wir sind aber bei einem anderen Quorum auch noch
entgegengekommen; das ist auch schon erwähnt worden .
Anstatt der sonst nötigen 25 Prozent der Mitglieder des
Deutschen Bundestages haben wir vereinbart, dass auf
Verlangen von 120 Abgeordneten ein Untersuchungsausschuss eingerichtet werden kann . Das hat auch gut
geklappt . Wir waren auch mit vielen Untersuchungsausschüssen sehr einverstanden . Es waren ja diesmal fünf .
Dann gaben auch noch Redezeiten in den Untersuchungsausschüssen Anlass zu Kritik . Wir haben einige
Jahre lang gehört, dass die Opposition bemängelt hat,
dass sie einfach zu wenig Redezeit gehabt habe . Das geflügelte Wort „Wir haben nur acht Minuten“ haben wir
sehr oft gehört . Das liegt nun einmal an den Mehrheitsverhältnissen, die der Wähler bestimmt hat . Das kann
man auch im Moment nicht ändern - soll ja anders werden . Aber netterweise darf man auch erwähnen, dass es
immer so viele Fragerunden gab, in denen Abgeordnete
von CDU/CSU und SPD gar nicht mehr gefragt haben,
bis die letzte Frage der Opposition geklärt war - vielleicht nicht zur Zufriedenheit, aber das lag dann am Zeugen .
({3})
Aber es wurden keine Fragen abgebügelt, sondern man
konnte endlos lange fragen .
({4})
Wir haben eben sehr lange Sitzungen gehabt, und es wurde nie gesagt, dass der eine oder andere nicht mehr fragen dürfe .
Um das nicht unnötig zu verlängern, möchte ich nur
Folgendes dazu sagen: Natürlich ist es nicht schön, wenn
man vor Ende eines Untersuchungsausschusses tatsächlich feststellt, dass über diesen Untersuchungsausschuss
ein Buch erstellt und veröffentlicht wird. Ich finde es eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass man das nicht
macht . Die Opposition hat sich darüber aufgeregt; das
kann ich verstehen . Wir fanden das auch nicht gut . Selbst
viele Teile der CDU fanden das nicht gerade hilfreich für
die gesamte Diskussion .
({5})
Vielleicht muss es tatsächlich eine Regelung geben, dass
vor Ende eines Untersuchungsausschusses keine eigenen
Publikationen veröffentlicht werden dürfen. Das würde
die Diskussion um die Inhalte vielleicht entspannen und
einfacher machen .
({6})
Dass man solche Diskussionen führt, muss eigentlich
nicht sein . Das ist ein bisschen schade . Das hätte nicht
sein müssen .
Herzlichen Dank .
({7})
Danke schön . - Das Wort hat jetzt der Kollege HansChristian Ströbele für Bündnis 90/Die Grünen .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Kollege von Notz kam gerade sehr empört und außer
sich zu mir und hat die Frage gestellt, ob das wirklich
dieser Kaster ist, mit dem er am Freitag in einem vertraulichen Gespräch gesprochen hat . Ich schaue jetzt auch;
das scheint er zu sein . Denn dieser Kaster
({0})
hat ihm da noch erzählt, sie seien auf einem guten Wege,
sie kämen ja wohl noch zusammen . Da waren noch andere dabei .
({1})
So war der Inhalt des Gesprächs . Dann war das Gespräch
nach einer Stunde zu Ende . Kurz nachdem es zu Ende
war, bekam er einen Brief des Vorsitzenden, in dem der
Vorsitzende ihm mitteilt, er sei nunmehr als Berichterstatter abgelöst .
({2})
Und dann werfen Sie ihm vor, er würde nur verschleppen, er würde verzögern und das sei sein einziges Motiv
gewesen . Sie sollten sich bei ihm entschuldigen, dass Sie
das gemacht haben .
({3})
Wissen Sie, ich finde es infam. Ein nettes Wort wäre angemessen .
({4})
Ich möchte noch etwas zu der Geheimeinstufung sagen und sie von einer ganz anderen Seite beleuchten .
Ich werfe der Bundesregierung und Ihnen vor, dass mit
Geheimeinstufung auch Politik gemacht wird, und zwar
eine schlimme Politik .
({5})
Ich nenne ein Beispiel, bei dem ich selber betroffen
war . Vor ein paar Jahren ist ein deutscher Staatsangehöriger in Pakistan durch eine US-Drohne getötet worden;
ich will Namen und andere Details weglassen . Einige
Zeit später hat sich bei mir per E-Mail sein Bruder gemeldet und mir gesagt, er sei dabei gewesen, habe überlebt und sei bereit, mir zu berichten, was dort passiert
ist, und Fotos zu schicken . Ich habe mit ihm korrespondiert. Diese E‑Mail‑Korrespondenz ist offenbar von deutschen Geheimdiensten abgefangen worden . Das ist schon
schlimm . Immerhin bin ich Abgeordneter des Deutschen
Bundestages . Viel schlimmer ist aber, dass ich vier Monate später die gesamten E-Mails im Focus veröffentlicht
gefunden habe . Ich habe mit dem Focus nicht gesprochen; das weiß ich .
({6})
Warum ist das gemacht worden? Wer hat das gemacht?
Das konnten nur die Bundesregierung oder ihr unterstellte Behörden gewesen sein, wer auch immer ein Interesse
daran hatte, so etwas weiterzugeben .
({7})
Ich habe dieses Beispiel gewählt, um zu beleuchten, was
uns im Ausschuss passiert ist .
Im Sommer 2014 gab es verschiedene Meldungen vor
allem in der Süddeutschen Zeitung, in denen relativ konkret der Inhalt von Akten, die wir auch hatten, dargelegt
wurde . Wir erinnern uns, weil wir daraus immer wieder
zitiert haben . Dann hat, wie die Kollegen, die dabei waren, wissen, der Chef des Bundeskanzleramts einen bösen
Brief geschrieben, in dem er den Abgeordneten Vorwürfe gemacht und angedroht hat, es werde möglicherweise
zu einer Beschränkung der Aktenvorlage kommen . Auch
dieser Brief ist in der Öffentlichkeit erschienen, noch bevor wir ihn hatten .
Warum ist das gemacht worden? Das geschah, um
die Mitglieder der Opposition im Ausschuss zu diskreditieren, zu desavouieren und ihnen möglicherweise ein
Verfahren anzuhängen . Und mit dieser Message sind
die Dienste dann in die USA gefahren und haben gefragt: Können wir diesem Untersuchungsausschuss des
deutschen Parlaments Akten zur Verfügung stellen, beispielsweise die NSA-Selektoren? - Die Dienste haben
geradezu die Antwort - sie kennen wir nicht genau; dazu
wurde nie etwas vorgelegt; hier sind wir auf Angaben der
Bundesregierung angewiesen - vorweggenommen und
die Message aus Washington mitgebracht: Die NSA findet das nicht gut . - Was sie genau gesagt haben, wissen
wir nicht .
Auch so kann man verhindern, dass Akten, über die
sich der Chef des Kanzleramtes seinerzeit selber in
höchstem Maße empört hat, dem Ausschuss zur Verfügung gestellt werden . Man hat nämlich geradezu das Votum des Partnerdienstes herbeigeführt, um zu verhindern,
dass wir Akteneinsicht erhalten . Das werfe ich der Bundesregierung vor, das werfe ich der Koalition vor . So haben Sie die Ausschussarbeit hintertrieben, blockiert und
von vorne bis hinten gemauert .
({8})
Für zukünftige Untersuchungsausschüsse - damit
ende ich, Frau Präsidentin - muss man das und noch viel
mehr, was ich mir hier aufgeschrieben habe, berücksichtigen .
({9})
Vielen Dank . - Für die CDU/CSU-Fraktion spricht
jetzt Dr . Johann Wadephul .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich stehe nicht an, dem Kollegen Ströbele, der
seinen anwaltlichen Beruf doch etwas anders ausgeübt
hat als ich
({0})
und der in seiner politischen Arbeit regelmäßig zu Ergebnissen gekommen ist, die anders als die sind, zu denen
ich gekommen bin, durchaus meinen Respekt für seinen
parlamentarischen Weg zu zollen .
({1})
Immerhin hat er es geschafft, ein Direktmandat hier in
Berlin für die Grünen zu gewinnen .
Herr Kollege Ströbele, so wie Sie und auch Vorredner
von der Linksfraktion die Arbeit dieses Ausschusses in
den Mittelpunkt einer Debatte über die parlamentarische
Kontrolle in Zeiten der Großen Koalition gestellt haben,
ist das - das muss ich sagen - kleines Karo .
({2})
Dabei missachten Sie, dass es in keinem anderen Land
der Welt eine derart umfängliche Kontrolle der Nachrichtendienste, die wir übrigens für die Sicherheit unserer
Bürgerinnen und Bürger dringendst benötigen, und eine
derart effektive parlamentarische Kontrolle wie in der
Bundesrepublik Deutschland gibt . Darauf sind wir stolz,
und dabei sollte es auch bleiben .
({3})
Aber die Effektivität der Arbeit der Nachrichtendienste
darf unter der parlamentarischen Kontrolle am Ende natürlich nicht leiden, weil wir sonst die Sicherheit unseres
Staatswesens und im Übrigen auch die Zusammenarbeit
mit befreundeten Diensten infrage stellen würden .
Ich hatte eigentliche große Hoffnung in die Kollegin
Haßelmann gesetzt, mit der ich sehr erfolgreich zusammengearbeitet habe . Auch mit der Kollegin Sitte - sie ist
nicht da - gab es große Einigkeit . So bedaure ich jetzt
sehr, dass Sie - der Kollege Kaster hat es schon angesprochen - es leider nicht zur Kenntnis genommen haben: Wir haben in dieser Wahlperiode Oppositionsrechte
in der Geschäftsordnung verankert, wie es sie nirgendwo
auf der Welt gibt: Die Opposition kann erwirken, dass
der Bundestag einberufen wird, dass Untersuchungsausschüsse eingesetzt werden, dass öffentliche Anhörungen
in den Ausschüssen durchgeführt und dass Enquete-Kommissionen einberufen werden . Die Oppositionsfraktionen
haben übrigens auch einen höheren Oppositionszuschlag
bekommen; darüber wollten Sie hier auch nicht so gerne
reden . Die Oppositionsfraktionen bekommen auch mehr
Redezeit . Das heißt, Oppositionsabgeordnete haben viel
mehr Möglichkeiten, sich hier - das ist der zentrale Ort,
wo parlamentarische Arbeit ausgeübt wird - zu artikulieren, als Abgeordnete der Mehrheitsfraktionen, die an
dieser Stelle eigentlich schon benachteiligt werden .
Das Bundesverfassungsgericht hat uns dazu in einem
Urteil wissen lassen, dass wir das so machen konnten übrigens mit einer Einschränkung: Dass wir die Mindeststimmenanzahl von 120 nur der Opposition zugedacht
hatten, sei schon viel zu oppositionsfreundlich gewesen .
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was die Große
Koalition Ihnen hier geboten hat, war Goldstandard in
der Wahrung von Oppositionsrechten .
({4})
Das hätte in dieser Debatte mindestens einmal erwähnt
werden dürfen .
Herr Kollege Hahn, was man zur Erhebung einer Normenkontrollklage sagen kann - Sie haben dies angesprochen -, hat das Bundesverfassungsgericht ebenfalls festgestellt . Wir haben Ihnen die Argumente vorher genannt;
aber Sie haben die Klage durchgezogen, und Sie haben in
Karlsruhe - das muss ich Ihnen sagen - mit Pauken und
Trompeten verloren . Dort ist Ihnen Einhalt geboten worden, wie kürzlich übrigens auch der Fraktion der Grünen,
als der Eindruck erweckt wurde, die Große Koalition
verschleppe hier Gesetzgebungsvorhaben und bringe sie
nicht zu Ende .
Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich
finde, wenn wir miteinander eine ehrliche Bilanz dieser
Legislaturperiode ziehen, dann muss man wirklich sagen: Es ist natürlich staatspolitisch nicht wünschenswert,
eine 80 : 20-Mehrheit zu haben; sie hat sich niemand gewünscht .
({5})
Das ist so . Kämpfen Sie für mehr; aber ich habe eher
den Eindruck, dass die aktuelle Debatte von der Furcht
getragen ist, die Fünfprozenthürde nach unten zu unterschreiten .
({6})
Das ist der Eindruck, den Sie hier insgesamt erwecken .
Das ist doch nicht wünschenswert .
Es waren aber, Herr Kollege von Notz, Bündnis 90/
Die Grünen, die zu einem frühen Zeitpunkt der vergangenen Legislaturperiode eine Koalition mit der Union nicht
wollten . In Schleswig-Holstein, Herr Kollege von Notz,
sind wir beide mittlerweile zu besseren Ergebnissen gekommen .
({7})
Wir wollen einmal sehen, wie es weitergeht .
Wer im Parlament Einfluss nehmen will, der muss
am Ende Wahlen gewinnen . Deswegen halte ich es mit
Johann Wolfgang von Goethe:
Eine Opposition, die keine Grenzen hat, wird platt .
Die Einschränkung aber nötigt sie, geistreich zu
sein . . .
Seien Sie das, und dann haben wir solche Debatten nicht
mehr .
Vielen Dank .
({8})
Vielen Dank . - Für die SPD-Fraktion hat jetzt
Sebastian Hartmann das Wort .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Ich bin Mitglied des Deutschen Bundestages
wie Sie, Herr Kollege Hahn, und ich glaube nicht, dass,
wenn es um die Frage der parlamentarischen Kontrolle
geht, wir uns willkürlich in Opposition und Regierungskoalition trennen sollten;
({0})
denn diese Kontrolle obliegt uns als Parlamentarierinnen und als Parlamentariern insgesamt . Den geschätzten
Kollegen, die die Rechte der Opposition nach unserer
Geschäftsordnung zitiert haben, sei gesagt: Dort steht:
120 Mitglieder des Deutschen Bundestages .
({1})
Es können durchaus 119 Mitglieder der Großen Koalition und ein Mitglied der Opposition sein, die diese Rechte
einfordern .
({2})
Es ist die Entscheidung der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen gewesen, nicht in einer anderen Koalition mit
die Regierung zu stellen, sodass wir in die Oppositionsrolle verwiesen worden wären . Wir hätten auch eine
zweite oder dritte Konstellation - beispielsweise RotRot‑Grün - in diesem Plenum finden können, um die Regierung zu stellen .
({3})
Dementsprechend reden wir hier über die Rechte des
Parlaments insgesamt und nicht über die willkürliche
Trennung in Oppositions- und Regierungsfraktionen,
meine Damen und Herren .
({4})
Das hat viel mit unserem Selbstverständnis zu tun, damit,
wie wir uns selbst sehen .
Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn
Sie es sich allerdings so einfach machen, hier eine Aktuelle Stunde mit dem Titel „Parlamentarische Kontrolle
in Zeiten der großen Koalition“ zu beantragen, dann sagt
das sehr viel auch darüber aus, wie Sie Ihre eigene Effizienz und Effektivität bei dieser Kontrolle sehen. Wenn
Sie es auf der einen Seite schaffen, ein Sondervotum mit
457 Seiten zu erarbeiten - inklusive Pressekonferenz,
Veröffentlichung im Netz usw. -, auf der anderen Seite
aber die Arbeit eines Untersuchungsausschusses infrage
stellen - insgesamt fünf Untersuchungsausschüsse gab es
in der Phase der Großen Koalition -,
({5})
dann zeigt das, dass Sie an dieser Stelle offensichtlich
mehr auf den öffentlichen Effekt als auf die tatsächliche
Ausschussarbeit setzen . Den Vorhalt müssen Sie sich gefallen lassen .
({6})
Ja, wir sind bei den Frage- und Antwortrechten viel
weiter gegangen . Aber Sie müssen sich jetzt entscheiden .
Warum haben Sie es in den Jahren zuvor nicht bemängelt? Warum tun Sie es am vorletzten Tag der letzten Sitzungswoche dieser Wahlperiode?
({7})
Der nächste Punkt ist: Sind Sie ein erfolgreicher Kontrolleur des Regierungshandelns, oder sind Sie jemand,
der erfolglos gehandelt hat? Es ist Ihre Entscheidung, ob
Sie sich in dieser Debatte selbst verzwergen
({8})
und dieses Bild der Opposition öffentlich zeigen wollen.
Leben Sie damit, wenn Sie diese Debatte anstoßen .
Ich sage Ihnen eines: Auch wir kritisieren das Vorgehen . Es steht dem Vorsitzenden eines Untersuchungsausschusses schlecht zu Gesicht, vor Veröffentlichung des
Berichts des Untersuchungsausschusses ein entsprechendes Buch zu veröffentlichen, wenn es um die Arbeit geht,
die wir insgesamt als Abgeordnete des Bundestages ausüben .
({9})
Das Spannungsverhältnis wird sich auch nach meinem
Eindruck weiter verschärfen . Es ist übrigens Fritz Bauer
gewesen, der uns vor geraumer Zeit im Unterschied zu
Goethe Folgendes mit auf den Weg gab - ich möchte das
zitieren -:
Was aber als „Staatsgeheimnis“ zu gelten hat, steht
nicht fest, sondern wird von Fall zu Fall durch den
Staat, der sich geschädigt fühlt, dekretiert .
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, das betrifft uns alle als Bundestagsabgeordnete . Es geht darum, wie wir bei rasant steigenden Aktenzahlen, Informationen und Daten diese parlamentarische
Kontrolle effektiv ausüben. Man mag das Prinzip eines
Ständigen Bevollmächtigten des Parlamentarischen
Kontrollgremiums kritisieren . Man mag sagen, dass dieses Gesetz nicht weit genug geht . Aber lieber Kollege
Hahn, es ist sehr verräterisch, dass Sie in der Debatte vor
wenigen Minuten ausgeführt haben, das eigentliche Problem sei, dass Sie nicht den Vorsitz stellen und darüber
hinaus dem Ständigen Bevollmächtigten keine Weisungen geben können .
({10})
Dieser Ständige Bevollmächtigte dient uns allen im
Parlament und nicht nur der Opposition; denn wir alle
wollen eine effektive und effiziente Kontrolle über das
Regierungshandeln ausüben, meine Damen und Herren .
So ist das .
({11})
Sprechen Sie bitte niemandem - auch niemandem, der
Mitglied einer Regierungskoalition ist - pauschal ab, an
den Rechten dieses Parlaments interessiert zu sein . Es ist
die Stärke unserer parlamentarischen Demokratie,
({12})
in dieser Frage eine ernsthafte, harte und starke Debatte
entlang der Geschäftsordnung zu führen . Es steht Ihnen
schlecht zu Gesicht, auf der Suche nach einem kleinen
Wahlkampfthema ausschließlich die Arbeit der Untersuchungsausschüsse entlang dieser Minderheitenrechte
deutlich zu machen .
({13})
Das haben wir als Deutscher Bundestag insgesamt nicht
verdient . Denken Sie auch als Opposition einmal darüber
nach! Auch Sie sind wie wir alle für das Außenbild des
Parlamentarismus insgesamt verantwortlich .
({14})
Danke .
({15})
Vielen Dank . - Jetzt hat der Kollege Stephan Mayer,
CDU/CSU-Fraktion, das Wort .
({0})
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Ich bin der Fraktion der
Grünen wirklich sehr dankbar dafür, dass sie diese Aktuelle Stunde beantragt hat,
({0})
weil sie mir noch einmal Gelegenheit gibt, auf die Arbeit
im Parlamentarischen Kontrollgremium in der ablaufenden Legislaturperiode Bezug zu nehmen .
Es war die erste Legislaturperiode, in der ich im Parlamentarischen Kontrollgremium arbeiten durfte . Ich
persönlich muss sagen: Ich habe die Arbeit als sehr gewinnbringend, als sehr interessant und als sehr konstruktiv empfunden .
({1})
Ich finde es wirklich schade, dass Sie, Kollege Hahn
und Kollege Ströbele, hier den Eindruck vermitteln, dass
die Kolleginnen und Kollegen, die den Koalitionsfraktionen angehören, sich im Parlamentarischen Kontrollgremium nur als Prätorianer der Bundesregierung verstehen
würden und kollusiv mit der Bundesregierung zusammenarbeiteten .
({2})
- Sie haben es nicht gesagt, aber Sie haben versucht, den
Eindruck zu erwecken .
({3})
Ich sage hier eines ganz deutlich: Ich bin mit Ihnen
selten politisch einer Meinung, Herr Ströbele und Herr
Hahn . Wir kommen bei den unterschiedlichen Sachverhalten, die wir in diesen vier Jahren zu bearbeiten hatten,
eigentlich immer - zumindest tendenziell - zu sehr unterschiedlichen Schlussfolgerungen . Ich würde Ihnen persönlich - das sage ich ausdrücklich und mit großem Respekt - aber nie den Willen absprechen, dass Sie ernsthaft,
seriös und unabhängig Ihrer Arbeit im Parlamentarischen
Kontrollgremium nachgehen .
({4})
Herr Ströbele - vielleicht war das heute Ihre letzte
Rede im Deutschen Bundestag -;
({5})
ich habe großen Respekt und große Anerkennung vor Ihrer politischen Lebensleistung . Aber ich sage ganz deutlich: Wir tun uns insgesamt, auch als Parlamentarisches
Kontrollgremium, keinen Gefallen, Meinungsverschiedenheiten in der Öffentlichkeit auszutragen. Ich war vor
kurzem Gast im vergleichbaren Kontrollgremium des
britischen Parlamentes . Darin sitzen auch Parlamentarier
der Regierung und der Opposition . Die streiten teilweise wie die Kesselflicker, aber nach außen geben sie ein
einheitliches Bild ab . Es ist bedauerlich, dass wir dies
bislang nicht geschafft haben,
({6})
obwohl wir als Parlamentarisches Kontrollgremium
wirklich - der festen Überzeugung bin ich - eine sehr
gute Arbeit leisten .
Die Arbeit ist in der laufenden Legislaturperiode deutlich besser geworden .
({7})
Wir haben seit 2009 die Situation, dass das Parlamentarische Kontrollgremium in Artikel 45d Absatz 1 der
Verfassung verankert ist . Es gibt also keine Dispositionsbefugnis, dass es uns gibt . Wir haben insbesondere
durch das Gesetz vom 30 . November letzten Jahres unsere Rechte noch einmal deutlich erweitert; das ist auch
richtig so . Wir haben die Befugnis, dass wir Kontrollbesuche durchführen können . Wir können uns Akten geben
lassen . Wir können Mitarbeiter anhören .
Wir können Ermittlungsbeauftragte installieren und
haben dies auch in zwei Fällen, wie ich finde, sehr gewinnbringend getan . Diese Erweiterung war erforderlich,
weil wir, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, auch
berücksichtigen müssen: Wir sind im Parlamentarischen
Kontrollgremium insgesamt zu neunt; jeder von uns hat
mannigfaltige Aufgaben neben der Arbeit im Parlamentarischen Kontrollgremium zu erledigen . Deswegen sind
wir auf die Zuarbeit von guten Mitarbeitern angewiesen .
Ich empfinde es als einen Fortschritt in der Qualität unserer Arbeit, dass wir mit dem neuen Gesetz auch das Amt
eines Ständigen Bevollmächtigten geschaffen haben.
Lieber Herr Kollege Hahn, Sie können durchaus in
der nächsten Wahlperiode - für den Fall, dass Sie wieder
dem Deutschen Bundestag angehören - Vorsitzender des
Parlamentarischen Kontrollgremiums werden . Nur: Ich
verstehe nicht, warum der Vorsitz im Parlamentarischen
Kontrollgremium - anders als in allen anderen Ausschüssen des Deutschen Bundestages - alternierend zwischen
der Regierung und der Opposition wechseln sollte .
({8})
Eine Ergänzung muss ich Ihren Ausführungen hinzufügen: Nicht der Vorsitzende des Parlamentarischen
Kontrollgremiums ist weisungsbefugt gegenüber dem
Ständigen Bevollmächtigten, sondern das Parlamentarische Kontrollgremium an sich, also wir neun, ist gegenüber dem Ständigen Bevollmächtigten weisungsbefugt .
Wir sollten dies, glaube ich, als Gemeinschaft etwas stärker nach außen tragen .
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, diese Debatte wirft ein schönes Schlaglicht darauf, wie die
Arbeit der Nachrichtendienste in den einzelnen Fraktionen gesehen wird . Ich muss sehr kritisch anmerken - das
sage ich hier ganz deutlich -, dass vonseiten der Opposition von Hause aus immer ein Misstrauen gegenüber den
Nachrichtendiensten gehegt wird .
({9})
Natürlich machen auch die Mitarbeiter von Nachrichtendiensten Fehler . Um die zu erkennen, sind wir da .
({10})
Es ist richtig, dass Nachrichtendienste nicht im luftleeren Raum agieren, sondern dass sie in einem Rechtsstaat
kontrolliert werden .
({11})
In einer parlamentarischen Demokratie ist es von entscheidender Bedeutung, dass diese Kontrolle durch das
Parlament, durch die Volksvertretung erfolgt .
Es ist nicht einfach für ein Gremium mit neun Parlamentariern, die viele Aufgaben nebenher haben, drei
Nachrichtendienste mit insgesamt über 10 000 Mitarbeitern adäquat zu kontrollieren . Das ist, gelinde gesagt,
eine ordentliche Herausforderung . Diesen Nachrichtendiensten und ihren über 10 000 Mitarbeitern aber von
vornherein zu unterstellen, sie würden Machenschaften
unternehmen - wie es genannt wurde -, sie würden Skandale produzieren, halte ich, gelinde gesagt, für falsch .
({12})
Das ist auch der Situation nicht angemessen; wir leben in
sehr schwierigen Zeiten .
Ich darf abschließend deutlich sagen: Wir hatten im
letzten Jahr fünf islamistisch motivierte Anschläge in
Deutschland . Weitaus mehr Anschläge sind aber rechtzeitig verhindert worden, insbesondere auch wegen der
hervorragenden Arbeit unserer Nachrichtendienste . Ich
erwähne nur den Fall Jaber Albakr . Innerhalb von fünf
Wochen ist es dem Bundesamt für Verfassungsschutz
gelungen, diese Person, die aller Voraussicht nach einen konkreten Anschlag auf dem Flughafen Tegel hier
in Berlin geplant hatte, zu detektieren und zur Strecke
zu bringen . Wir haben gute, gut aufgestellte Nachrichtendienste, und es gilt, ihnen auch ein Grundvertrauen
entgegenzubringen .
Stephan Mayer ({13})
Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Aufmerksamkeit .
({14})
Vielen Dank . - Jetzt hat der Kollege Armin Schuster
für die CDU/CSU-Fraktion das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Dr . von Notz, Herr Dr . Hahn, weil ich nicht
Mitglied des NSA-Untersuchungsausschusses war, war
es jetzt eigentlich eine amüsante Debatte für mich . Gestern wurde der Abschlussbericht dieses Ausschusses debattiert . Heute kam es mir vor, als wollten Sie systematisch nachtreten .
({0})
Dafür hat vielleicht die Zeit gestern nicht ausgereicht .
Aber wissen Sie: Nachtreten ist ein klarer Beleg dafür,
({1})
dass die ganze angebliche NSA‑ und Snowden‑Affäre,
die Sie als Popanz aufgebaut haben,
({2})
am Ende nicht dem standhält, was Sie belegen konnten .
({3})
Sie sind enttäuscht über Ihre Ergebnisse im NSA-Untersuchungsausschuss .
({4})
Sie sind enttäuscht, dass Sie nicht einmal fähig waren,
ein Sondervotum zu schreiben, das man veröffentlichen
kann .
({5})
Das leben Sie jetzt hier aus. Ich sage Ihnen ganz offen:
Dafür ist mir das Thema zu groß, als dass ich es mir von
Ihnen mit Ihrer Miesepeterlaune jetzt kleinlich zerreden
lasse .
({6})
In dieser Wahlperiode hat der Deutsche Bundestag - die Bürger in diesem Land haben uns dafür gewählt - etwas getan wie vielleicht noch nie, nämlich
die parlamentarische Kontrolle ausgeübt gegenüber der
Bundesregierung . Ich glaube, so gab es das noch nie . Ich
hätte mir zu Zeiten der RAF einen Untersuchungsausschuss gewünscht, der so glasklar aufklärt, wie wir das
beispielsweise fünf Jahre lang im NSU-Untersuchungsausschuss gemacht haben .
({7})
Ich weiß als Vertreter einer Regierungsfraktion, wie
schlecht gelaunt die Regierung angesichts unserer Aufklärungsarbeit war - ein gutes Zeichen dafür, dass wir
hier kontrollieren . Wir haben im Untersuchungsausschuss
zum Fall Edathy, in dem ich auch Mitglied war, nichts
ausgelassen und keinen Regierungsvertreter geschont, ob
das Herr Steinmeier und Herr Gabriel oder - in der ersten
Auflage des NSU‑Ausschusses - Herr Schäuble waren.
Meine Damen und Herren, dieses Parlament kontrolliert ohne Ansehen der Person .
({8})
Wir haben damit vielleicht das schärfste Schwert der
Demokratie in der Hand, und wir nutzen es . Das darf
man nicht kleinreden . Sie haben vollkommen recht, Herr
Hartmann: Die Oppositionsfraktionen machen uns klein
mit ihrer Debatte . Ich bin der Überzeugung: Wir haben
schonungslos das Systemversagen im Fall des NSU aufgeklärt .
({9})
Wir haben im PKGr schonungslos, Herr Dr . von Notz,
die BND‑Selektoren‑Affäre aufgeklärt. Ich kenne Journalisten, die zu mir gesagt haben: So etwas gab es im
Deutschen Bundestag noch nie, dass ein PKGr so präzise
Schwachstellen aufzeigt, veröffentlicht und dass dann ein
BND-Gesetz gemacht wird, das genau das abstellen soll .
Meine Damen und Herren, das ist die Königsdisziplin,
und die haben wir in dieser Wahlperiode wunderbar absolviert .
Übrigens fällt mir jetzt noch etwas sehr Interessantes
ein:
({10})
Wer war der Sonderermittler des PKGr in Sachen Corelli?
Es war der ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Jerzy
Montag .
({11})
Und Sie wollen uns erklären, dass bei uns die parlamentarische Kontrolle nicht funktioniert .
({12})
Stephan Mayer ({13})
Wir hatten sogar die Größe, einen grünen Bundestagsabgeordneten, mit dem wir sehr zufrieden waren, mit
diesem Auftrag zu versehen . Und er hat schonungslos
aufgeklärt; das werden Sie ja wohl nicht bestreiten wollen - hoffe ich jedenfalls.
({14})
Ich kenne Sachverständige, die in der Anhörung zum
Thema „PKGr- und BND-Reform“ gesagt haben, das sei
epochal, wie wir hier die parlamentarische Kontrolle ausüben . Das ist für mich die Richtschnur .
({15})
Herr Dr . Hahn und Herr Dr . von Notz, ich wiederhole
jetzt - wahrscheinlich nicht so gut - die Gedanken von
Herrn Hartmann:
({16})
Wir sind in das Parlamentarische Kontrollgremium nicht
von unserer Fraktion gewählt worden . Wir sind mit
Kanzlermehrheit vom gesamten Parlament gewählt .
({17})
Deswegen ist für die Bürger der Vertreter der Grünen
oder der Linken in diesem Kontrollgremium in erster Linie Kontrolleur dieses Parlaments .
({18})
Wenn Sie das nicht beherrschen und nicht können, dann
ist das Ihre Sache .
Ich kann jedenfalls feststellen, Herr Ströbele - ich darf
Sie hoffentlich zitieren, obwohl es ein Geheimgremium
ist -, dass auch Sie gesagt haben, dass das PKGr sich in
dieser Legislaturperiode gewaltig nach vorne entwickelt
hat .
({19})
Insofern stellt diese Debatte, die Sie heute führen, die
Dinge auf den Kopf . Das lassen wir nicht zu .
({20})
Herr Ströbele, ich möchte schließen mit den Worten:
Wir schaffen es nicht, dass wir eine Meinung haben. Aber
ich fand es für mich unheimlich wertvoll, Sie erleben zu
dürfen . Das sage ich mit vollem Ernst; das sage ich jetzt
zum ersten Mal und auch zum letzten Mal . Es war für
mich wichtig, mit Ihnen die Stunden im PKGr zu verbringen . Für mich sind Sie eine Person der Zeitgeschichte . Man kann noch so viele Meinungsunterschiede haben:
Von Ihnen kann man auch lernen .
Danke schön .
({21})
Vielen Dank . - Wir haben später noch das Vergnügen
mit Herrn Kollegen Ströbele . - Die Aktuelle Stunde ist
damit beendet .
Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 12:
- Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten
Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung
des Strafgesetzbuches - Wohnungseinbruchdiebstahl
Drucksache 18/12359
- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines …
Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Wohnungseinbruchdiebstahl
Drucksache 18/12729
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz
({0})
Drucksachen 18/12933, 18/12995
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen . - Ich darf Sie
bitten, Ihre Plätze einzunehmen .
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Dr. Johannes
Fechner, SPD-Fraktion .
({1})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! 500 Millionen
Euro Sachschaden sind nach einer Studie des Versicherungsverbandes GDV durch Wohnungseinbrüche in
Deutschland entstanden . Das ist eine enorm hohe Summe, die zeigt, dass wir gegen Einbrüche vorgehen müssen . Dabei ist oft nicht der Verlust von Wertgegenständen
das Schlimmste für die Opfer . Nein, am Schlimmsten ist
oft, die Erfahrung gemacht zu haben: Man ist nicht mehr
sicher in seinen eigenen vier Wänden; jemand ist in die
eigene Intimsphäre eingebrochen .
Laut Polizeilicher Kriminalstatistik ist die Zahl der
Einbrüche im Jahr 2016 erfreulicherweise um 10 Prozent zurückgegangen . Noch immer kam es 2016 zu über
150 000 Einbrüchen in Deutschland . Das ist zu viel, meine lieben Kolleginnen und Kollegen . Handlungsdruck ist
eindeutig da . Wir müssen etwas gegen die Einbrüche tun .
Die Bürger haben ein Recht darauf, in ihrem Zuhause sicher zu leben .
({0})
Armin Schuster ({1})
Wenn wir Wohnungseinbrüche effektiv bekämpfen
wollen, dann ist es mit einer Einzelmaßnahme sicher
nicht getan . Dann brauchen wir ein ganzes Bündel von
Maßnahmen . Dazu gehört zunächst, dass gerade auch im
ländlichen Raum mehr Polizeipräsenz vorhanden ist . Damit meine ich nicht nur mehr Polizistinnen und Polizisten
für Streifengänge, sondern wir brauchen auch mehr Personal, etwa bei der Spurensicherung; denn Fingerabdrücke zu sichern oder DNA-Spuren auszuwerten, ist oft ein
ganz wichtiges Mittel, um die Täter zu überführen .
Wir haben bekanntlich eine eher geringe, eine enttäuschende Aufklärungsquote . Deshalb müssen wir auch in
diesem Bereich die Personalstärke bei der Polizei erhöhen . Wir brauchen sicher keine Hilfspolizisten, die nach
einer ganz kurzen Ausbildung im Schnelldurchgang, wie
etwa in Sachsen, eingestellt werden und hoheitliche Aufgaben übernehmen . Nein, das ist der falsche Weg .
({2})
Die Personallöcher bei der Polizei können wir sicher nur
mit gut ausgebildeten Polizistinnen und Polizisten beheben .
({3})
Wir müssen viel stärker auf Prävention setzen .
({4})
Es ist belegt, dass ein Einbrecher, wenn er nicht innerhalb
einer halben Minute in die Wohnung hineinkommt, vom
Einbruch ablässt . Deshalb ist für mich das entscheidende,
das wichtigste Mittel, dass Bürgerinnen und Bürger gut
gesichert sind . Deswegen haben wir gesagt: Wir erhöhen
die Mittel des entsprechenden Förderprogramms bei der
Kreditanstalt für Wiederaufbau, um Einbruchsschutz zu
gewährleisten . Wir lassen die Bürger nicht allein . Vor
allem Gering- und Normalverdiener sowie Mieterinnen
und Mieter sollen einen Zuschuss bekommen, damit sie
sich einen effektiven Einbruchsschutz leisten können.
({5})
Sicherheit darf nicht vom Geldbeutel abhängen, liebe
Kolleginnen und Kollegen .
({6})
Eine Situation wie bei den Autodiebstählen sollte unser Ziel sein: Wir hatten 1993 in Deutschland 105 000
aufgebrochene bzw . gestohlene Fahrzeuge, und im
Jahr 2015 waren es nur noch 19 000 . Es gab also einen
extremen Rückgang, der vor allem damit zu tun hatte,
dass die Autoindustrie einen besseren Einbruchsschutz
in die Autos eingebaut hat - bessere Schlösser, Wegfahrsperren und Ähnliches . Wir sehen also: Prävention, die
Investition in bessere Sicherungstechnik, lohnt sich . Sie
ist ein wichtiges Mittel, um die Zahl der Einbrüche zu
reduzieren .
Eines möchte ich an der Stelle auch ganz deutlich
sagen: Was wir beim Thema „Kampf gegen Wohnungseinbrüche“ nicht gebrauchen können, ist Hetze gegen
Flüchtlinge . Ich will ausdrücklich festhalten, dass alle
Polizeibeamten in allen Dienststellen, mit denen ich gesprochen habe, mir bestätigt haben, dass die Täter in den
seltensten Fällen Flüchtlinge oder Asylbewerber waren,
sondern dass es oft Gruppen aus Osteuropa waren . Das
macht die Einbrüche sicherlich nicht ungeschehen - keine Frage . Es ist für die Opfer natürlich immer belastend,
unabhängig davon, wer die Einbrüche verübt . Aber eines
will ich festhalten: Es sind nicht Flüchtlinge und Asylbewerber, die die Verantwortung für die hohen Einbruchszahlen in Deutschland tragen . Es ist mir ein ganz wichtiges Anliegen, das zu betonen .
({7})
Uns in der SPD-Fraktion ist es wichtig, dass wir die
Sorge der Bürgerinnen und Bürger vor Kriminalität,
insbesondere Wohnungseinbrüchen, ernst nehmen . Die
Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch auf den
Schutz des Staates und auf ein sicheres Zuhause . Weil
gerade Wohnungseinbrüche die Opfer so sehr traumatisieren, sollten wir diesen Schutz allen Bürgerinnen und
Bürgern zukommen lassen, unabhängig von ihrem Einkommen, unabhängig von den Möglichkeiten .
Insofern haben wir hier in den letzten Monaten ein
wirklich sinnvolles Paket mit verschiedenen Maßnahmen geschnürt . Wir kümmern uns, wir wollen die Zahl
der Wohnungseinbrüche zurückfahren . Ich glaube, das
ist ein ganz wichtiges Ziel, und dafür leisten wir auf der
Zielgerade der Legislaturperiode einen wichtigen Dienst .
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .
({8})
Vielen Dank . - Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der
Kollege Frank Tempel das Wort .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Sehr geehrter Herr Fechner, es ist schon
manchmal erstaunlich: Dem, was Sie, Herr Fechner, eben
an Argumenten gebracht haben, kann ich fast nicht widersprechen, und trotzdem sind die Schlussfolgerungen
nicht unbedingt immer die gleichen .
Wer die Innen- und Rechtspolitik der gegenwärtigen
Bundesregierung verfolgt, kann schon ein bisschen Angst
bekommen . Was da allein dieses Jahr im Wochentakt an
Maßnahmen auf uns einprasselt, ist schon erstaunlich:
Verschärfung des Asylrechts, Fußfesseln für potenzielle
Terroristen, mehr Videoüberwachung, Überwachung von
Messenger-Diensten, neue Straftatbestände gegen Gaffer, Strafverschärfungen bei Gewaltdelikten gegen Polizisten und Feuerwehrleute, Strafverschärfung bei Wohnungseinbrüchen usw . Da fragt man sich, ob die Lage bei
uns wirklich so unsicher ist, wie es die Themensetzung
der Bundesregierung signalisiert, und ob die vorgeschlagenen Maßnahmen tatsächlich mehr Sicherheit bringen;
denn das ist ja eigentlich das gemeinsame Ziel . Oder ist
es einfach nur Wahlkampf?
({0})
Die Frankfurter Allgemeine schreibt jedenfalls am 1 . Mai
dieses Jahres:
Traditionell erfolgreich - Union geht mit dem Thema Sicherheit auf Wählerfang
Warum Sie von der SPD da mitmachen, weiß ich nicht .
In der heutigen Debatte geht es nun um das Phänomen
der Wohnungseinbrüche . - Erster Fakt . Nach den Zahlen
der Polizeilichen Kriminalstatistik sinkt aktuell die Zahl
der Einbrüche . Das ist wohl kaum ein Anlass zur Strafverschärfung . Über Strafverschärfung haben Sie, Herr
Kollege Fechner, gar nicht erst gesprochen .
Zweiter Fakt . 1998 wurde bereits das Mindeststrafmaß von drei auf sechs Monate angehoben . Dieses Mittel
erwies sich jedoch als untauglich, um die Zahl der Delikte zu senken . Wieso glauben Sie, dass eine Strafverschärfung diesmal erfolgreicher sein kann?
Dritter Fakt . Bei Einbruchsdiebstählen verzeichnen
wir - das haben Sie geschildert - eine extrem niedrige
Aufklärungsquote und zum anderen eine sehr hohe Zahl
von Mehrfachtätern . Wir wissen: Von Einbruch zu Einbruch sinkt bei den Tätern die Hemmschwelle . Sie sind
eben mit dem, was sie da machen, meistens erfolgreich;
es funktioniert ganz einfach . Nachts, also zu den Tatzeiten, sind immer weniger Polizeibeamte unterwegs . Das
Entdeckungsrisiko ist gering; auch das ist bekannt . In
den Polizeidienststellen sind die Ermittler angesichts der
Masse der Verfahren in der Regel ganz einfach überlastet . Hinzu kommt: Viele Menschen können sich moderne Sicherheitsanlagen nicht leisten . Dazu sage ich zum
Schluss noch etwas .
Sie glauben bei dieser Ausgangslage aber doch nicht
im Ernst, meine Damen und Herren, dass jetzt irgendein
Einbrecher denkt: Das Mindeststrafmaß beträgt demnächst zwölf Monate und nicht mehr sechs Monate, da
höre ich mal auf . - Die Lage bei Wohnungseinbrüchen auch da gebe ich dem Kollegen Fechner recht - ist nicht
schlimmer geworden, aber doch zumindest ernst, und wir
haben auch eine Handlungspflicht und müssen prüfen,
was tatsächlich funktioniert .
Ich gebe Ihnen recht: Bessere Sicherheitsstandards bei
den Bürgern selbst sind erfolgreich; sie haben eine Wirkung und sind effizient; denn wenn es dem Täter nicht
gelingt, in einem gewissen Zeitraum in die Wohnung einzudringen, bricht er diese Maßnahme ab, und wenn das
häufiger passiert, sucht er sich vielleicht andere Möglichkeiten, seinen Lebensunterhalt zu verdienen .
Wenn außerdem wieder regelmäßig Streifenwagen der
Polizei tatsächlich präventiv unterwegs sind und Anfahrten der Polizisten bei Alarmauslösungen deutlich kürzer
werden, steigt das Entdeckungsrisiko erheblich . Das sind
wirklich Kriterien, mit denen wir die Anzahl der Einbrüche effizient minimieren können.
Für Einbrecher, die dann immer noch nicht aufgeben
wollen, brauchen wir natürlich genügend Ermittler und
Staatsanwälte, die diese Täter den Konsequenzen des
durchaus ausreichenden Strafrechts zuführen können . So
sieht eine lösungsorientierte Kriminalpolitik aus, wie sie
die Linke vorschlägt .
({1})
Gerade die Bekämpfung von Einbruchsdelikten ist
nun einmal eng an das zur Verfügung stehende Personal
gebunden . Dieses Personal reicht nicht aus . Deswegen
finden wir es schon bemerkenswert, dass Sie neben der
Strafverschärfung auch die verstärkte Nutzung technischer Überwachungsmittel vorschlagen . Das klingt erst
mal ganz nett . Aber haben Sie tatsächlich einen Schimmer davon, wie das in der Praxis aussieht?
Ich kenne Telefonüberwachung aus meiner Dienstzeit
bei der Kriminalpolizei . Wir haben sie zum Beispiel in
Fällen organisierter Kriminalität angewandt . Ich kann
Ihnen versichern, dass jede einzelne Maßnahme einen
enorm hohen Personal- und Sachaufwand bedeutet . Aufgrund des Terroranschlags von Berlin dürften Sie auch
wissen, wie umfangreich zum Beispiel eine Funkzellenauswertung ist . Mit dieser Maßnahme sind die Ermittler
bis heute noch nicht fertig . Und Sie wollen dieses Mittel
tatsächlich auch noch bei Wohnungseinbrüchen nutzen!
Das bindet Ressourcen, das kostet richtig Personal und
Zeit . Sie wollen einem Phänomen, zu dessen Bekämpfung in erster Linie Personal fehlt, jetzt mit einem Mittel
begegnen, das noch einmal ein Vielfaches mehr an Personal kostet. Ich finde, das ist schon ein richtig genialer
Gedanke, meine Damen und Herren .
({2})
Hinzu kommt - das wissen wir aus den aktuellen
Nachrichten -, dass auch das Mittel der Vorratsdatenspeicherung gerade richtig kritisch zur Debatte steht und
ausgesetzt wurde . Bevor wir über neue Mittel und Befugnisse reden, sollten wir doch zuallererst einmal über
mehr Polizei reden: in den Streifenwagen und bei der Ermittlungsarbeit .
Das sind die Hausaufgaben, die es vor allen Dingen in
den Ländern zu lösen gibt . Dieses Law-and-Order-Getöse, das wir Woche für Woche im Bundestag erleben,
bringt uns dann, wenn wir über die Sicherheit der Bürger
reden wollen, tatsächlich nicht weiter . Wir haben andere
Hausaufgaben zu machen . Zum Beispiel ist es notwendig - dabei würden wir sofort mitstimmen -, präventive
Möglichkeiten zu erweitern und Fördermittel für die private Sicherheit von Wohnungen und Häusern zu erhöhen
und allen zur Verfügung zu stellen . Dabei machen wir
gerne mit .
Insofern können wir diesem Gesetzentwurf zwar nicht
zustimmen, sind aber bei den Argumenten, die Herr Kollege Fechner genannt hat, schon ganz hoffnungsvoll, dass
es in anderen Regierungskoalitionen durchaus möglich
wäre, die Sicherheit auch im Hinblick auf Wohnungseinbrüche zu verbessern .
({3})
Vielen Dank . - Nächster Redner ist Dr . Volker Ullrich
für die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir debattieren heute in zweiter und dritter Lesung über die Änderung des Strafgesetzbuchs in Bezug
auf den Wohnungseinbruchsdiebstahl . Die eigenen vier
Wände gehören zu dem Wertvollsten, was ein Mensch
besitzt . „Wertvoll“ meine ich nicht im Sinne von materiellen Werten, sondern ich meine die Bedeutung der
eigenen vier Wände als ganz privater Rückzugsort, als
Heimat und als Ort der Geborgenheit . Nicht wenige
Menschen sagen, wenn sie unter Strom stehen, wenn
sie gestresst sind, wenn sie etwas Ungutes erleben: Jetzt
möchte ich einfach nur nach Hause oder zu Hause sein .
Umso mehr erschüttert es dann, wenn Menschen in
ihrer eigenen Privatsphäre angegriffen und bestohlen
werden . Sie fühlen sich unsicher . Sie sind oftmals traumatisiert . Sie lassen nachts das Licht an . Sie trauen sich
nicht ins Schlafzimmer, weil ihre ganz persönlichen Sachen durchsucht worden sind . Das sind Schicksale, die
viele Tausend Opfer von Wohnungseinbruchsdiebstahl
Tag für Tag erleben und durchmachen müssen . Deswegen sage ich Ihnen ganz ehrlich: Wer den Schutz der
Opfer ernst nimmt, der muss beim Strafrecht etwas tun .
Wir dürfen uns nicht damit zufriedengeben, dass wir über
150 000 Wohnungseinbrüche zu verzeichnen haben und
dass die Aufklärungsquote so gering ist . Der Rechtsstaat
muss handeln .
({0})
Und wir werden heute handeln . Wir werden den Einbruch in die dauerhaft genutzte Privatwohnung zu einem
Verbrechenstatbestand erklären . Das hat ganz konkrete
Folgen . Damit geben wir den Behörden Maßnahmen an
die Hand, die sehr gut geeignet sind, um das Phänomen
besser und stärker bekämpfen zu können . Der Rechtsstaat wird dadurch erfolgreicher sein, als er es bislang
war .
({1})
Es wird künftig keinen minderschweren Fall von
Einbruch mehr geben . Wir sagen ganz klar: Wer in eine
Privatwohnung einbricht, begeht keinen minderschweren Fall . Wenn die Freiheitsstrafe mindestens ein Jahr
beträgt, dann wird auch bereits die Verabredung zum
Wohnungseinbruchdiebstahl unter Strafe stehen . Im
strafprozessualen Bereich wird es nicht so einfach sein,
mit einem Strafbefehl davonzukommen, und auch Einstellungen von Verfahren werden nicht mehr so einfach
möglich sein . Das heißt, wir geben der Justiz Mittel an
die Hand, damit sie härter bestrafen kann . Das sind wir
den Opfern schuldig .
Wenn Sie sagen: „Ein erhöhter Strafrahmen nutzt
doch nichts“,
({2})
dann kann ich nur auf die Anhörung verweisen, bei der
die Experten gesagt haben, dass beispielsweise die Straferhöhung in Luxemburg - dort ist Wohnungseinbruchdiebstahl mit einer Mindeststrafe von fünf Jahren bewehrt - dazu geführt hat, dass auf der anderen Seite der
Mosel, nämlich in Deutschland, die Anzahl der Straftaten
gestiegen ist . Ich weiß, dass ein Strafrahmen nicht alles
bedeutet, aber er bedeutet eben auch nicht nichts . Vielmehr ist er ein wichtiges Element der Prävention und ein
deutliches Signal des Rechtsstaates: Das ist ein schweres
Delikt, das nehmen wir nicht hin . Wer einen Wohnungseinbruchdiebstahl begeht, der muss härter bestraft werden .
({3})
Wichtig ist uns auch, dass die Strafermittlungsbehörden durch die Änderung neue Ansätze der Ermittlung bekommen . Insbesondere wird zukünftig auch eine
Verbindungsdatenabfrage möglich sein und auch auf
die Funkzellen zurückgegriffen werden können. Es ist
niemandem so recht klarzumachen, dass im Falle eines
Einbruchs in ein Haus die Staatsanwaltschaft im Regelfall nicht ermitteln kann: Wer war in der entsprechenden
Mobilfunkzelle eingeloggt? Wer hat sich im Umfeld der
Wohnung aufgehalten? Es ist zur Entdeckung und zur Ermittlung krimineller Strukturen ganz wichtig, dass dieses
Ermittlungswerkzeug zur Verfügung steht .
Ich sage Ihnen ehrlich: Die gestrige Anordnung der
Bundesnetzagentur bereitet uns Sorge . Wir wissen, dass
das Oberverwaltungsgericht in Münster in einem Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung ausgesetzt hat . Die Bundesnetzagentur hat mitgeteilt: Wir werden keine Anordnungen
zur Speicherpflicht treffen, und wir werden auch keine
Bußgelder verhängen, solange das Hauptsacheverfahren
nicht rechtskräftig abgeschlossen ist .
({4})
Das bedeutet im Ergebnis, dass möglicherweise für die
nächsten Monate oder gar Jahre eine Speicherung von
Verbindungsdaten in Deutschland nicht stattfinden kann.
({5})
Der Deutsche Bundestag hat ein entsprechendes Gesetz in namentlicher Abstimmung - über 400 Kolleginnen und Kollegen haben zugestimmt - verabschiedet . Es
tritt zum 1. Juli 2017 in Kraft. Ich finde schon, dass die
Bundesnetzagentur hier ein Stück weit ihre Kompetenz
überschritten hat . Vor diesem Hintergrund fragen wir
uns: Wer steckt hinter der Entscheidung? Kann es sein,
dass die Entscheidung eines einzigen Referates eine Parlamentsentscheidung aushebelt? Diesen Fragen muss
man nachgehen .
({6})
Ich komme auf einen weiteren Punkt zu sprechen . Das
Oberverwaltungsgericht Münster hat seine Entscheidung
auf eine mögliche Unvereinbarkeit mit Unionsrecht gestützt . Ich möchte aber anmerken, dass es gerade im Bereich der Vorratsdatenspeicherung im Augenblick überhaupt keinen Unionsakt gibt und dass es immer noch so
sein muss, dass der nationale Gesetzgeber in nationaler
Souveränität wesentliche Entscheidungen der inneren
Sicherheit frei treffen kann. Außerdem bewegt sich die
Vorratsdatenspeicherung, die wir beschlossen haben, innerhalb des Rahmens, den das Bundesverfassungsgericht
vorgibt .
Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Wir brauchen dieses
Aufklärungsinstrument nicht allein in Sachen Wohnungseinbruchdiebstahl, sondern allgemein zur Verteidigung unserer Freiheit und Sicherheit, weil wir nicht wollen, dass Verbrecher sich diese Lücke auf Dauer zunutze
machen . Deswegen sagen wir: Wir brauchen eine kluge
Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit, und wir
brauchen auch die Speicherung und die Auswertung von
Verbindungsdaten und die Funkzellenanalyse .
({7})
Meine Damen und Herren, wir brauchen bei der Bekämpfung der Wohnungseinbruchkriminalität einen
Dreiklang . Wir brauchen strafrechtliche Maßnahmen .
Die entsprechenden Vorhaben bringen wir heute zum
Abschluss . Daneben haben wir in dieser Wahlperiode
auch im Bereich Prävention viel geleistet . Ich erinnere
an das Programm zur Stärkung des eigenen Schutzes .
Der staatliche Schutz ist die Kehrseite der notwendigen
Eigenvorsorge . Es ist gut, dass mit KfW-Mitteln schon
viele Tausend Haustüren in Deutschland stärker gesichert
wurden . Wir müssen dieses Programm fortführen, und
wenn die Mittel dafür vorhanden sind, müssen wir das
Programm auch aufstocken . Damit unterstützen wir die
Menschen, die sich selbst vor diesen Delikten schützen .
({8})
Wir brauchen auch mehr Polizisten und eine gute
Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden . Ich glaube,
ich kann mit Fug und Recht sagen, dass die unionsgeführten Bundesländer hier ein Vorbild sind: In diesen
Bundesländern werden neue Stellen geschaffen, und wir
zeigen durch eine klare Sicherheitspolitik, dass wir die
Menschen nicht im Regen stehen lassen, sondern sie mit
ihren Sorgen und Befürchtungen ernst nehmen .
({9})
Der Rechtsstaat ist mit diesem Gesetz auf einem guten Weg . Wir werden die Wohnungseinbruchkriminalität
stark und entschlossen bekämpfen, weil wir wollen, dass
die Menschen sich in ihren eigenen vier Wänden sicher
fühlen und sicher sind . Deswegen bitte ich um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf .
Vielen Dank .
({10})
Das Wort hat der Kollege Hans-Christian Ströbele für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Vor
etwa sechs Wochen habe ich hier schon einmal zu diesem Thema gesprochen . Die Lage hat sich seitdem für
Sie eigentlich verschärft, weil Ihre Argumente in der Anhörung, die wir durchgeführt haben, ziemlich zerpflückt
wurden .
({0})
Zum Thema Wohnungseinbrüche will ich nur drei
Punkte sagen:
Erstens . Wir wollen alle keine Wohnungseinbrüche .
Wir finden das ganz schrecklich und ganz schlimm. Wir
möchten nicht nur alle selber nicht davon betroffen sein,
sondern wünschen das auch niemandem .
({1})
Wir wollen, dass gilt - das habe ich beim letzten Mal
schon gesagt -: „My home is my castle“ - da bin ich sicher, da passiert mir nichts; übrigens auch sicher vor der
Polizei . Jetzt sagen Sie - das hat Herr Fechner gesagt,
auch Herr Ullrich hat das jetzt noch einmal gesagt -, dass
Sie Geld zur Verfügung stellen wollen, damit das Heim
ein wirkliches Castle wird, damit es wirklich sicher ist .
Sie haben über die KfW Geld zur Verfügung gestellt . Die
KfW hat aber kein Geld mehr dafür .
({2})
Jetzt sagen Sie doch einmal, wie viel Geld Sie dafür zur
Verfügung stellen wollen und wann .
({3})
Sagen Sie jetzt, dass Sie 200 Millionen Euro - vielleicht
auch 400 Millionen Euro - zur Verfügung stellen wollen .
Machen Sie das bekannt,
({4})
damit all diejenigen, die ihre Wohnung besser sichern
wollen, das auch können .
({5})
Die Lage ist so - das vergessen Sie immer wieder -,
dass fast die Hälfte der Wohnungseinbrüche nicht zu
Ende geführt wird, sondern abgebrochen wird . Diese
Wohnungseinbrüche werden nicht durchgeführt, es passiert dabei also nichts Wesentliches, weil der Täter oder
die Täterin - meistens sind es Täter - nicht reinkommt .
Daraus muss man lernen, dass man den Einbruchschutz
verstärken muss, damit die Täter nicht reinkommen . Es
gibt viele Wohnungen, die aus verschiedenen Gründen
nicht so gesichert sind, wie das möglich wäre . Wir fordern von Ihnen, dass Sie einen besseren Schutz ermöglichen . Dazu kann man einen Gesetzentwurf vorlegen und
entsprechende Mittel dafür zur Verfügung stellen .
Zweitens . Sie sehen in Ihrem Gesetzentwurf für einen
Einbruch in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung eine
Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr vor . Es gibt
keine Strafminderung . Der Richter am Bundesgerichtshof, den wir als Sachverständigen angehört haben - Sie
werden sich erinnern -, hat diese Regelung infrage gestellt und gefragt: Was ist eine dauerhaft genutzte Privatwohnung? Wenn dann ein Angeklagter vor Gericht steht,
wird der Richter möglicherweise erst einmal den Wohnungsinhaber hören und ihn genau befragen wollen: Benutzt er die Wohnung dauerhaft? Hat er noch woanders
eine Wohnung? Oder übernachtet er überwiegend bei seiner Freundin? Oder, oder, oder . - Jedenfalls hat er darauf
hingewiesen, dass das eine Schwachstelle ist; denn damit
belasten Sie das Opfer möglicherweise erneut erheblich,
oder Sie machen es erneut zum Opfer . Denn der Bestohlene muss nicht nur sagen, was ihm geklaut und kaputt
gemacht worden ist, sondern es wird möglicherweise in
seine ganz privaten Verhältnisse eingegriffen. Deshalb ist
das Kriterium völlig ungeeignet .
({6})
Drittens ist es so, dass da vor gar nicht so langer Zeit
schon einmal etwas gemacht worden ist . Vor ein paar
Jahren ist die Mindeststrafe ohne Effekt von drei auf
sechs Monate erhöht worden .
({7})
Jetzt wollen Sie sie noch einmal um sechs Monate erhöhen und meinen, dass dann endlich der gewünschte Effekt eintreten wird .
Machen Sie lieber das - das ist unsere Alternative
dazu, die wir aber gar nicht erfunden haben -, was der
Sachverständige von der Polizeigewerkschaft, den wir
gehört haben, vorgeschlagen hat . Der hat gesagt: Die Polizei lebt von Spuren . - Das wissen wir, jedenfalls wenn
es um Einbruchdiebstahl geht, von fast jedem Krimi . Wir brauchen insbesondere zur Spurensicherung beste
Technik . Die Polizei muss natürlich auch in die Lage
versetzt werden, diese Technik anzuwenden . Das heißt,
vor allem die Ausbildung muss besser werden .
Wenn Sie das alles tun, dann haben Sie die Voraussetzung dafür geschaffen, dass mehr als nur 12 Prozent,
14 Prozent oder 18 Prozent der Täter erwischt werden .
Dann werden auch weniger Leute einbrechen, weil die
Wahrscheinlichkeit, dass sie erwischt werden, größer geworden ist . Das hält von Einbrüchen ab, aber nicht solch
eine Mindeststrafe .
({8})
Deshalb haben wir eine Alternative vorgeschlagen, die
in Ihrem Gesetzentwurf nicht vorkommt . Lassen Sie das,
was Sie vorhaben . Das bringt es nicht . Hören Sie auf uns .
Das waren eigentlich meine letzten Worte, habe aber
noch 26 Sekunden . Ich bin es auch nicht gewohnt, hier
eine lange Redezeit zu haben . Zum Ende meiner Zeit im
Deutschen Bundestag - das wird voraussichtlich so sein,
wenn nicht im Sommer noch etwas passiert; das weiß
man ja nicht - will ich Folgendes sagen: Ich bin vor etwas weniger als 50 Jahren der Auffassung gewesen: Parlamentarische Demokratie ist falsch, ist Quatsch .
({9})
Sie ist vor allen Dingen nicht in der Lage, zum Beispiel
mit der deutschen Vergangenheit fertig zu werden . Das
war einer der wesentlichen Kritikpunkte . In den Parlamenten, im Bundeskanzleramt sowie in den Gerichten auch in den Obergerichten - saßen überall alte PGs, die
sich in der Nazizeit erheblich schuldig gemacht hatten . Die parlamentarische Demokratie, die es Ende der
40er-Jahre, in den 50er-Jahren und Mitte der 60er-Jahre
gab, war nicht in der Lage, damit umzugehen .
Es gab aber noch viele andere Gründe . Wir waren
auch der Auffassung, dass einzelne Abgeordnete - auch
Abgeordnete der die Regierung tragenden Parteien - und
die Regierung direkt viel zu stark von Lobbyisten und
Großinvestoren beeinflusst wurden.
Also: Ich - nicht nur ich, sondern das galt auch für
viele andere - war der Meinung: Parlamentarische Demokratie ist nicht das richtige Mittel, um Demokratie
herzustellen . Wir wollten mehr Demokratie . Wir wollten
sie nicht so wagen, wie es dann Willy Brandt gemacht
hat, sondern wir wollten wirklich mehr Demokratie . Wir
haben gedacht, dass eine Gesellschaft, die in Räten organisiert ist - also eine Räterepublik -, jedem Menschen,
der das will, die Möglichkeit gibt, sich einzumischen,
zu reden, Einfluss auszuüben und zu einer Entscheidung
beizutragen . Dieser Meinung bin ich heute nicht mehr .
({10})
Das ist nicht deshalb so, weil ich finde, dass all das,
was wir früher dachten, schlecht war . Wir haben wirklich viel erreicht . Aber das, was ich eben vorgetragen
habe, werden wir nicht erreichen . Nach allem, was ich
inzwischen in meinem Leben - nicht nur im deutschen
Parlament - erfahren habe, weiß ich auch nicht, ob das
wirklich funktionieren würde . Vielleicht funktioniert das
nur im kleinen Rahmen, beispielsweise in einer Bewegung in Berlin, Frankfurt oder Hamburg, mit der man
etwas erreichen will und wo man Entscheidungen fällen
will . Ich weiß aber nicht, ob das auch im ganzen Staat
funktioniert und ob man so all die Probleme, mit denen
sich der Bundestag beschäftigt, lösen kann . Davon bin
ich nicht überzeugt . Deshalb habe ich da eine andere
Form der Demokratie gesucht . Und das ist die parlamentarische Demokratie . Es ist jedenfalls nicht zu erkennen,
dass eine andere - jedenfalls in Westeuropa und in den
westlich geprägten Ländern - funktionieren würde . Deshalb bin ich inzwischen auch Teil der parlamentarischen
Demokratie und leider - ich sage: leider - auch Teil des
parlamentarischen Establishments geworden .
({11})
Das war meine Vorrede, und jetzt komme ich zu meinen drei Punkten, die ich mir wünsche .
({12})
Zu meinem ersten Wunsch: Ich habe ein fundamentales Interesse daran, diese parlamentarische Demokratie zu dem zu machen, was wir in der Schule bis zum
Abitur - in der ganz normalen Schule oder auch in der
Volksschule, wie wir früher gesagt haben, welche Schule
auch immer - und in der Universität gelernt haben . Danach gibt es nämlich drei Gewalten in diesem Staat - in
diesem Gesellschafts-, Rechts- und Regierungssystem -,
und die höchste Gewalt ist der Souverän, das Volk . Wir,
die Abgeordneten, vertreten das Volk und sollen die Meinung des Volkes im Parlament zur Geltung bringen und
dort entsprechende Gesetze machen . Die Legislative ist
die Hauptfunktion . Daneben sollen wir die Regierung
kontrollieren, womit wir beim Thema der letzten Aktuellen Stunde von vorhin sind .
Und da sage ich: Diese Demokratie funktioniert nicht
so, wie sie soll .
Meine erste Bitte ist daher: Bringen Sie den Mut auf,
auch in der Koalition - wenn also Teile von Ihnen in der
Regierung sind - die Regierung unabhängig zu kontrollieren, sich nicht als Wegbereiter, Schutztruppe, Hilfstruppe der Regierung zu verstehen, sondern unabhängig
zu handeln .
({13})
Ich könnte Ihnen hier jetzt den ganzen Abend unendlich
viele Beispiele dafür nennen, dass das leider nicht der
Fall ist . Das war nicht nur im Untersuchungsausschuss
und in anderen Gremien nicht so, sondern das ist grundsätzlich einfach nicht so .
Wenn es einem Abgeordneten durch die Androhung,
dass er nicht wieder aufgestellt wird, schwer gemacht
wird, einem Gesetzentwurf, den die Regierung vorgelegt
hat, nicht zuzustimmen, obwohl er der Meinung ist, dass
dies richtig wäre, dann ist irgendetwas nicht in Ordnung .
({14})
Sie können ihn überzeugen, aber Sie können ihn damit
nicht zwingen . Deshalb halte ich überhaupt nichts vom
Fraktionszwang . Er steht auch in keinem Gesetz .
Ich halte auch überhaupt nichts davon, dass ungefähr
30 Mitglieder der Bundesregierung gleichzeitig Abgeordnete sind, die sich selbst kontrollieren. Das finde ich
demokratiewidrig, und das ist mit den Grundgedanken
der parlamentarischen Demokratie nicht zu vereinbaren .
Mein erster Wunsch ist also: Machen Sie diese parlamentarische Demokratie wirklich zu einer solchen, sodass die erste Gewalt im Staat das Parlament ist, das souveräne, unabhängige, selbstbewusste, mutige Parlament .
({15})
Jetzt bin ich fast am Schluss .
Ja . Die anderen zwei Punkte wollen aber, glaube ich,
alle noch hören .
Jetzt kommt der zweite Punkt, Frau Präsidentin; das
geht ganz schnell .
({0})
Mein zweiter Wunsch ist: Holen Sie Edward Snowden
nach Deutschland! Holen Sie ihn aus Moskau raus!
({1})
Er hat sich um die Welt und auch um Deutschland verdient gemacht .
Ihre Kanzlerin wüsste nicht, dass sie abgehört worden
ist, wenn es Edward Snowden nicht gegeben hätte, und
alle Bürgerinnen und Bürger wüssten ohne ihn nicht, dass
sie in Gefahr sind, von der NSA oder anderen Geheimdiensten abgehört zu werden, wenn sie die IT-Kommunikation nutzen . Das ist ein hohes Verdienst von Edward
Snowden .
Ich fordere von Ihnen, dass sie ein bisschen dankbar
sind und das Wenige tun: Holen Sie ihn aus Moskau hierher!
({2})
Mein dritter Wunsch ist - ich weiß nicht, ob das allen
in meiner Fraktion jetzt gefallen wird -: Beenden Sie den
Krieg in Afghanistan! Ziehen Sie die Truppen aus Afghanistan ab! 17 Jahre sind viel zu viel und mehr als genug .
Ich weiß nicht, wie viele von denen heute noch hier
sind, die das damals mit entschieden haben . Ich bin mir
sicher - und wenn Sie den ehemaligen Bundeskanzler
fragen, dann wird er Ihnen das bestätigen -: Wenn bei
der ersten Entscheidung über die Entsendung der Truppen nach Afghanistan gesagt worden wäre: „Das ist jetzt
für 16 oder 17 Jahre“, dann hätte diese Entsendung hier
im Deutschen Bundestag keine Mehrheit gefunden . Deshalb: Holen Sie die Leute so da raus, dass möglichst wenig Schaden zusätzlich entsteht .
Wenn Sie das machen, was die NATO vorhat und
was die Bundesverteidigungsministerin angekündigt hat,
nämlich weitere fünf Jahre in Afghanistan zu bleiben und
die Truppenstärke aufzustocken, dann wird das alles nur
noch schlimmer . Dann stehen Sie in vier oder fünf Jahren
hier, können weitere 10 000 Tote beklagen, und die Lage
in Afghanistan ist nicht besser geworden . Ich sage Ihnen:
Zeigen Sie Mut, und holen Sie die deutschen Soldaten
aus Afghanistan zurück!
({3})
Jetzt komme ich zum Dank . Ich danke Ihnen für die
Zusammenarbeit . Manchmal waren einige auch nett und
freundlich .
({4})
Es wäre mir lieber gewesen, Sie hätten, statt mir zu danken, ein bisschen mehr das gemacht, was ich für richtig
halte . Aber das haben Sie nicht .
({5})
Ich bedanke mich natürlich bei all denen, die uns dadurch, dass hier täglich das Licht angeht, geholfen haben,
Politik zu machen, sodass wir in Ruhe tagen konnten .
({6})
Ihnen danke ich ganz besonders herzlich, weil sie mir nie
etwas Böses getan haben und mich nie zu Unrecht kritisiert haben .
({7})
Sie haben immer das gemacht, was ich für richtig gehalten habe .
({8})
Lieber Kollege Hans-Christian Ströbele, die Reaktion
des gesamten Hauses fasse ich so zusammen, dass die
Abgeordneten Ihnen zwar sicherlich nicht versprechen,
Ihnen alle Ihre Wünsche zu erfüllen - das muss jeder
für sich entscheiden -, aber zumindest nicht nur darüber nachdenken, sondern in dem Sinne, wie Sie es beschrieben haben, die Arbeit hier im Parlament entsprechend fortsetzen werden . Diese Reaktion war aber auch
ein Ausdruck des großen Respektes vor Ihrem Weg . Sie
haben eingangs beschrieben, wie wir uns alle entwickeln
und uns gegebenenfalls - das ist Stärke - korrigieren
können, wenn wir eine Auffassung haben, die sich als
falsch erweist .
Seit ich jetzt hier oben sitze, denke ich darüber nach,
welches Zeichen es ist, dass ausgerechnet ich während
Ihrer letzten Rede hier sitzen durfte . Sie wissen es: Wir
sind ein ganz großes Stück des Weges hier in Berlin,
aber auch an anderen Stellen zusammen gegangen . Also,
Dank von allen für die Zusammenarbeit, auch mein persönlicher Dank, und Ihnen alles, alles Gute .
({0})
Prophylaktisch an alle, die sich in den nächsten zwei
Stunden anschicken, hier Ihre letzte Rede zu halten: Ich
habe die Zeichen aus den Fraktionen sehr wohl wahrgenommen und diese Rede deshalb so zugelassen . Es wird
nicht bei jeder letzten Rede ein solches Zeitkontingent
geben .
Wir fahren jetzt in der Debatte so fort, wie wir das
verabredet haben . Deshalb hat die Kollegin Bettina
Bähr-Losse für die SPD-Fraktion das Wort .
({1})
Vielen Dank . - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich ziehe,
auch wenn ich selbstverständlich nicht alle Positionen
des Kollegen Ströbele teile, den Hut vor der politischen
Lebensleistung, besonders hier im Parlament . Sie werden
diesem Hohen Haus ganz bestimmt fehlen .
Obwohl Sie viele Themen angesprochen haben, über
die wir Stunden debattieren könnten, muss ich jetzt zum
Wohnungseinbruchdiebstahl zurückkommen . Ich beginne meinen Redetext damit, Ihnen zu sagen: Jeder Wohnungseinbruch, der stattfindet, ist einer zu viel. Zwar
haben wir in den Redebeiträgen zur ersten Lesung dieses Gesetzentwurfes auch hören können, dass die Zahl
der Einbruchdiebstähle um 10 Prozent gesunken ist . Die
Gesamtzahl von 150 000 Einbrüchen ist aber gleichwohl
erschreckend hoch, sodass es völlig richtig ist, dass wir
uns dieses Themas annehmen .
Wesentlich schwerer als der wirtschaftliche Schaden,
den Opfer hinnehmen müssen, wiegt die psychische
Beeinträchtigung; das wurde in den vorangegangenen
Redebeiträgen schon angesprochen . Diesen Umständen
muss der Gesetzgeber Rechnung tragen, und genau das
tun wir mit diesem Gesetzentwurf . Wir setzen dabei auf
bessere Prävention - das dürfte das Wesentliche sein -,
und wir setzen auf eine bessere personelle und technische
Ausstattung von Polizei und Justiz sowie auf eine stetige
Anpassung von Strafnormen .
Das größte Plus an Sicherheit schaffen wir dann, wenn
es den potenziellen Tätern erst gar nicht gelingt, in die
Wohnung einzudringen . Wir wollen, dass Wohnungen so
gesichert sind, dass man eben nicht mit ein paar einfachen Kniffen Türen oder Fenster aushebeln kann.
In 40 Prozent der Fälle - das haben wir schon gehört - bleibt ein Wohnungseinbruch im Versuchsstadium
stecken . Das heißt, Prävention ist eine entscheidende
Stellschraube, um Einbrüche zu verhindern . Wir unterstützen daher den Einbau von Mechanismen, die dem
Einbruchschutz dienen, mit erheblichen Fördergeldern .
Hierfür stehen allein in diesem Jahr 50 Millionen Euro
zur Verfügung .
({0})
Dass Prävention funktioniert, zeigt die Entwicklung
bei den Autodiebstählen . Es gab im Jahr 1993 über
100 000 Autodiebstähle und Einbrüche in Autos . Diese
Zahl hat sich auf 19 000 im letzten Jahr reduziert . Es
macht also Sinn, auf Sicherungstechniken zu setzen, und
genau das tun wir .
Ferner hat meine Fraktion schon lange betont, dass
Polizei und Justiz personell und technisch so aufgestellt
sein müssen, dass sie uns vor Kriminellen und ihren Machenschaften bestmöglich schützen können . Eine personell und technisch gut ausgestattete Polizei erzielt noch
bessere Ermittlungserfolge .
({1})
Eine personell gut aufgestellte Justiz kann Verfahren
zeitnah zur Straftat durchführen . Die Strafe folgt - wie
von uns allen gewünscht - quasi auf dem Fuße .
Die Ermittlungsarbeit sollte auch dadurch unterstützt
werden, dass künftig die Überwachung von Funkzellen
dort, wo es angezeigt ist, möglich sein sollte . Von dieser
Möglichkeit wird jedoch erst dann Gebrauch gemacht
werden können, wenn die rechtlichen Zweifel an der
Konformität der sogenannten Vorratsdatenspeicherung
im Hinblick auf europäische Datenschutzrichtlinien
nicht mehr bestehen . Zweifel daran, dass dieses Instrument den Ermittlern helfen würde, die Aufklärungsquote
zu erhöhen, habe ich nicht . Gleichwohl dürfen wir für
ein Mehr an Sicherheit datenschutzrechtliche Bedenken
nicht ignorieren .
Schließlich setzen wir darauf, dass auch Einbruchdiebstähle in dauerhaft genutzte Privatwohnungen als
Verbrechen einzustufen sind . Denn genau darum handelt
es sich für die Opfer: Für sie ist es nicht bloß ein Vergehen, sondern ein Verbrechen .
Mit der Einstufung als Verbrechen geht dann auch
eine härtere Bestrafung zwischen einem Jahr und zehn
Jahren einher, die die gravierenden Folgen für die Opfer
im Strafmaß abbildet und, so hoffen wir, bei der Kosten-Nutzen-Rechnung der Täter auch eine abschreckende
Wirkung entfalten wird . Einen minderschweren Fall soll
es zukünftig nicht mehr geben .
Jede aufgezeigte Einzelmaßnahme an sich würde vermutlich nur Teilerfolge erzielen . Durch die Kombination
von Prävention, verbesserter Aufklärungsmöglichkeit
und abschreckenden Strafen wollen wir einen Erfolg erzielen, wie er bei den Autodiebstählen und -einbrüchen
möglich war . Wir werden damit unseren Beitrag für ein
Mehr an Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger leisten .
Dessen bin ich gewiss . Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung .
Danke schön .
({2})
Das Wort hat der Kollege Professor Dr . Patrick
Sensburg für die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Lieber Kollege Ströbele, ich habe Ihren
Worten gerne gelauscht, und ich werde versuchen, meine
Redezeit jetzt etwas kürzer zu halten, damit wir halbwegs
im zeitlichen Rahmen bleiben . Ich glaube, das ist möglich, weil die wesentlichen Punkte zu diesem Gesetzgebungsverfahren gesagt sind .
In den letzten fünf Jahren ist die Zahl der Einbruchdiebstähle um 30 Prozent angestiegen . Auch wenn sie
in letzter Zeit wieder zurückgegangen ist: In der langen
Tendenz steigt sie an; das haben wir auch gesehen . Alle
drei Minuten findet ein Einbruchdiebstahl statt. Das ist
etwas, was wir nicht hinnehmen können . Ich glaube, über
alle Fraktionen hinweg haben wir klar gesagt, dass das
etwas ist, was wir nicht tolerieren wollen .
Bei den Ansätzen unterscheiden wir uns etwas . Aber
deshalb hat diese Koalition auch nicht nur einen Ansatz
gewählt, sondern sie hat verschiedene Ansätze gewählt,
die richtig sind .
Bei einem sind wir über alle Fraktionen hinweg einer Meinung: Wir brauchen mehr Polizei vor Ort, damit
wir etwas machen können . Wir müssen den Ermittlungsdruck erhöhen . Wenn ich Sie richtig verstanden habe,
Herr Kollege Tempel, bringt alleine schon die Präsenz
etwas . Das ist die Erfahrung, die wir vor Ort machen .
Deswegen haben wir den Teil, den der Bund beitragen
kann, gemacht, indem wir 7 500 Bundespolizisten mehr
einstellen, 1 300 Polizisten beim Bundeskriminalamt und
10 000 Personen bei den Sicherheitsbehörden . Das wird
schon wirken . Das ist das, was wir beim Personal haben
machen können .
Wir haben zweitens aber auch gesagt, dass wir - die
Länder können wir zwar anstoßen, aber wenig beeinflussen; ich bin gespannt, was in Nordrhein‑Westfalen
passieren wird - Anreize schaffen müssen, damit Bürgerinnen und Bürger die Dinge, die sie machen können
und wollen, auch umsetzen können . Das sind die Sicherungsmaßnahmen im eigenen Wohnungsbereich . Es war
richtig, die Grenze der Förderwürdigkeit auf 500 Euro
herunterzusetzen . Auch darüber sind wir uns alle einig .
Diejenigen, die es sich gerade nicht leisten können, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, wären auch bei der
höheren Grenze von 2 000 Euro nicht dazu gekommen .
Deswegen ist die Grenze von 500 Euro, glaube ich, richtig . Ich bin gespannt, ob die Verfahren dann so einfach
ausgestaltet werden, dass Bürgerinnen und Bürger diese
Maßnahmen wirklich in Anspruch nehmen . Meine Vorrednerin hat gerade zu Recht gesagt: 50 Millionen Euro
sind dafür bereitgestellt. Ich hoffe, dass die Verfahren
sehr praxistauglich sind .
Bei der Straferhöhung - das ist der dritte Bereich - sind
wir im Dissens . Wenn ich mir anschaue, wie sich Wohnungseinbrüche in den letzten Jahren entwickelt haben,
dann stelle ich fest, dass sie mehr von Banden organisiert
werden und mit einer deutlich größeren Schwere und
Brutalität verbunden sind . Man dringt in die Wohnung
ein, auch wenn die Leute im Bett schlafen, und raubt die
Wohnung aus . Wenn die Leute aufwachen, drohen ihnen
große Gefahren . Oft wird tätlich gegen diese Personen,
oft gegen ältere Menschen, vorgegangen . Da ist also eine
starke, organisierte Kriminalität im Spiel .
Dazu muss ich sagen: Dann muss auch das Strafmaß
der Intensität der Tat entsprechen . Deswegen ist es richtig, dass man das Strafmaß erhöht . Wenn die Höhe des
Strafmaßes als Abschreckungsgrad nie eine Rolle spielen
würde, dann müssten wir das bei allen Taten diskutieren .
Dann müssten wir uns überall fragen, welchen Sinn es
macht, ein hohes Strafmaß bei einer sehr schweren Tat
vorzusehen . Wir stufen eben den Wohnungseinbruch, das
Eindringen in die Privatsphäre als eine schwere Tat ein .
Ich glaube, das ist richtig .
({0})
Dieser Dreiklang ist es, den wir als Gesetzgeber diesem Phänomen der kontinuierlich ansteigenden Wohnungseinbruchskriminalität entgegensetzen . Ich glaube,
das ist ein richtiges Zeichen, wenn man so etwas erkennt .
Wir haben in den Debatten viele Punkte diskutiert,
gemeinsam mit der Bundesregierung viele Details angesprochen . Eine Expertenanhörung hat uns unterschiedliche Ansichten gezeigt . Ich glaube, die überwiegende
Meinung in der Koalition und die Punkte, in denen wir
sogar mit der Opposition einig sind, wurden bestätigt .
Dass wir bei einem so schweren Delikt auch die Vorratsdatenspeicherung nutzen wollen, um Ermittlungsansätze
zu haben, wenn wir von Bandenkriminalität ausgehen,
und auch die Hintermänner feststellen wollen, ist dann
folgerichtig . Wir müssen schauen, wie sich dieses Instrument in nächster Zeit weiterentwickelt .
Wir haben die richtigen Maßnahmen getroffen. Ich
würde mir wünschen, dass wir jetzt nicht im Dissens
auseinandergehen, sondern hier gemeinsam dieses Gesetzespaket beschließen würden, für mehr Sicherheit für
unsere Bürgerinnen und Bürger . Zumindest zwei von drei
Maßnahmen sind - das sagen alle Fraktionen - gut, und
bei der dritten, glaube ich, könnte man auch mitgehen .
Wir könnten das Gesetz vielleicht heute gemeinsam beschließen . Dafür werbe ich .
Ganz herzlichen Dank .
({1})
Herzlichen Dank, auch für die Umsetzung des ange-
kündigten Versprechens . - Ich schließe die Aussprache .
Wir kommen zur Abstimmung über den von den Frak-
tionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Ge-
setzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuchs - Woh-
nungseinbruchdiebstahl . Der Ausschuss für Recht und
Verbraucherschutz empfiehlt unter Buchstabe a seiner
Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 18/12933
und 18/12995, den Gesetzentwurf der Fraktionen der
CDU/CSU und der SPD auf Drucksache 18/12359 in der
Ausschussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
wollen, um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? -
Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zwei-
ter Beratung mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion
und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion
Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an-
genommen .
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . -
Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetz-
entwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen angenommen .
Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem Par-
allelgesetzentwurf der Bundesregierung . Der Ausschuss
empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfeh-
lung auf den Drucksachen 18/12933 und 18/12995,
den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksa-
che 18/12729 für erledigt zu erklären . Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? -
Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist ein-
stimmig angenommen .
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 13 a und 13 b auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Maria
Klein-Schmeink, Katja Dörner, Elisabeth
Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Solidarität und Verlässlichkeit, Qualität und
Wahlfreiheit in unserem Gesundheitswesen
stärken - Einstieg in die Bürgerversicherung
Drucksache 18/12951
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten
Markus Kurth, Maria Klein-Schmeink, Kerstin
Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Mit Sicherheit in die Selbständigkeit - Für
eine bessere Absicherung von Selbständigen
Drucksachen 18/10035, 18/12673
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin
Maria Klein-Schmeink für die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen .
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stellen Ihnen heute unser Konzept der BürgerDr. Patrick Sensburg
versicherung erstens vor und zweitens auch zur Abstimmung . Damit wollen wir einen Beitrag dafür leisten, dass
wir Solidarität und Verlässlichkeit, Qualität und Wahlfreiheit in unserem Gesundheitswesen stärken können .
({0})
Wir geben damit eine Antwort auf die Herausforderungen unseres Gesundheitswesens, nämlich zum einen
die Versorgung für alle in der gewohnten und geforderten
Qualität zugänglich zu halten und zum anderen insgesamt die Beiträge für unser Krankenversicherungssystem
bezahlbar zu halten .
({1})
Dieser Spagat kann nur gelingen, wenn wir uns darum bemühen und heute die Grundlagen dafür schaffen,
dass wir eine stabile und nachhaltige Finanzierung auch
in Zukunft haben, weil wir wissen, dass enorme Herausforderungen durch den demografischen Wandel und auch
durch die medizinische Entwicklung vor uns stehen . Da
müssen wir heute handeln . Wir können nicht darauf bauen - dieser Gedanke tauchte gestern in der Diskussion
auf -, dass durch die Zusatzbeiträge eine komfortable
Situation sowie gute Rücklagen geschaffen wurden, mit
denen wir die Aufgaben schon stemmen können . - Nein,
so gelingt das nicht .
({2})
Wir sehen auch sehr deutlich, dass das System der
Zusatzbeiträge, das Sie sich ausgedacht haben, erstens
ungerecht ist und zweitens auch auf Dauer nicht trägt .
({3})
- Ich sehe schon: Der Kollege von der SPD klatscht und
stimmt mir zu .
Über die Zusatzbeiträge haben wir die enormen Lasten, die jährlich neu im Gesundheitswesen entstehen, auf
die Versicherten allein verschoben . Das ist nicht gerecht,
und das trägt auf Dauer nicht . Deshalb müssen wir aus
dieser Sackgasse heraus, hin zu einer gerechten Finanzierung .
({4})
Wenn wir zu einer gerechten Finanzierung kommen
wollen, dann bedarf es keines großen Kunstgriffs; denn
unser heutiges solidarisches System beruht auf der Solidarität der Sozialversicherten und insbesondere der gesetzlich Krankenversicherten . Damit sind 90 Prozent unserer Bevölkerung in ein Solidarsystem einbezogen . Das
ermöglicht die Sicherstellung einer guten Versorgung in
Deutschland, unabhängig davon, wie viel Geld der Betreffende hat und in welcher Lebenslage er ist. Das ist
eine wesentliche Errungenschaft unseres Sozialsystems
und eine der tragenden Säulen dessen, was wir unter sozialer Sicherung verstehen .
({5})
Deshalb ist es wichtig, dass wir nun auch die 10 Prozent - viele davon mit hohen Einkommen - einbeziehen,
die derzeit nicht zum Erhalt des Solidarprinzips und zu
einer verlässlichen Finanzierungsbasis beitragen . Diesen
Schritt gilt es endlich zu gehen .
({6})
Das ist nicht nur eine Gerechtigkeitsfrage . Vielmehr geht
es auch darum, dass wir wesentliche Fehlentwicklungen
in der Versorgung, die sich aus dem doppelten System,
dem Nebeneinander von privater und gesetzlicher Krankenversicherung ergeben, in den Griff bekommen.
Ich möchte ein Beispiel nennen, das viele leidgeprüfte gesetzlich Versicherte kennen . Ich rufe in einer Praxis
an, frage nach einem Facharzttermin und erhalte ihn erst
in sechs oder acht Wochen - manchmal dauert es noch
länger -, während der Privatversicherte beim gleichen
Arzt innerhalb von fünf Tagen einen Termin erhält . Das
ist Zweiklassenmedizin; das können wir nicht zulassen .
({7})
Das stellt in Zukunft auch die Versorgung insgesamt infrage . Studien zeigen deutlich: Ärzte lassen sich dort nieder, wo es viele Privatversicherte gibt und wo sie höhere
Honorare erzielen können . Das ist kein Beitrag zu einer
zukunftsfesten Versorgung . Auch deshalb müssen wir zu
einem integrierten Versicherungssystem kommen .
({8})
Bei einem integrierten Versicherungssystem handelt
es sich keineswegs, wie Sie es uns unterstellen, um eine
Einheitsversicherung . Im Gegenteil: Erstmalig werden
wir den Wettbewerb befördern, den es sowieso in der
gesetzlichen Krankenversicherung gibt; es gibt über
100 Krankenversicherungen . Ich kann als gesetzlich
Versicherter und als freiwillig versicherte Abgeordnete
wählen, in welche gesetzliche Krankenversicherung ich
gehe; das ist sehr schnell möglich . In der privaten Krankenversicherung ist das nicht möglich . Wenn ich einen
alten Vertrag habe, dann bin ich - rational betrachtet - an
meine private Krankenversicherung gebunden und kann
nicht wechseln, selbst wenn ich mit ihren Dienstleistungen in keiner Weise zufrieden bin . Auch das muss man
verändern . Wir müssen zu echter Wahlfreiheit kommen .
Genau das könnten wir erreichen, indem wir jede Personengruppe und jede Einkommensart in das System
der solidarischen Bürgerversicherung einbeziehen . Alle
Einkunftsarten werden verbeitragt . Auch die privaten
Krankenversicherungen sollen die Bürgerversicherung
anbieten können .
({9})
Meine Damen und Herren von der Union, hören Sie
genau hin und schauen Sie unseren Antrag an, damit Sie
nicht ständig mit der alten Leier von der Einheitsversicherung kommen! Das wird unserem Konzept in keiner
Weise gerecht .
({10})
Welche Antwort wollen Sie all den vielen Rentnern und
Rentnerinnen geben, die heute durch private Prämien für
die Krankenversicherung über Gebühr belastet werden?
Welche Antwort wollen Sie den vielen kleinen Selbstständigen auf die Frage nach deren sozialen Sicherung
geben? Da haben Sie ganz große Lücken und keine Antwort .
Mit der Bürgerversicherung liefern wir eine Antwort .
Das ist machbar . Es bedarf vieler Schritte; das ist ganz
klar . Mit dem ersten Schritt, der Wiederherstellung der
paritätischen Finanzierung, würden wir vorangehen . Als
Nächstes würden wir die Selbstständigen in die gesetzliche Krankenversicherung einbeziehen sowie ihnen bezahlbare Tarife und eine gute Mindestbemessungsgrenze
anbieten . Wir würden den Beamten einen Tarif anbieten,
damit auch sie in der gesetzlichen Krankenversicherung
Mitglied werden können .
({11})
Gleichzeitig könnten wir alle Zuzahlungen abschaffen.
Das ist ein klares Angebot für eine stabile und verlässliche Finanzierung und eine gute Versorgung .
Danke schön .
({12})
Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Thomas
Stritzl das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12951 ist kaum mehr als alter
Wein in neuen Schläuchen . Unter dem Schalmeienklang
„Allen Wohl, keinem Wehe“ soll die Axt an eines der erfolgreichsten und leistungsstärksten Gesundheitssysteme
dieser Welt angelegt werden .
({0})
Da zufällig gerade Wahlkampfzeiten sind, war beim
Verfassen des Antrags der Grünen, der das Ziel der Zerschlagung des erfolgreichsten Gesundheitssystems der
Welt verfolgt, leider keine Zeit, die schädlichen Nebenwirkungen der grünen Anti-PKV-Pille zu berücksichtigen .
({1})
Diese wären erheblich .
({2})
Der Antrag, der in seinem Wording auf die Ausstrahlung
sogenannter sozialer Wärme abzielt, verliert nicht eine
Silbe an die Adresse der Direktverlierer des grünen Vorhabens: die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der
Versicherungsbranche .
Wenn man der Hans-Böckler-Stiftung folgt - eine
Studie dort haben nicht wir beauftragt; es ist nicht unser Institut; es ist eher auf der linken Seite des Hauses
beheimatet -, drohen 51 000 nicht kompensierbare Arbeitsplatzverluste in der Privatversicherungsbranche 51 000! Kein Wort von Ihnen dazu .
({3})
Ich finde das bemerkenswert. Auch kein einziges Wort
dazu, dass rund 300 000 Arbeitsplätze in den Bereichen,
die an die Versicherungsbranche angrenzen, gefährdet
sind - keinen Ton!
({4})
Ich finde es schon erstaunlich, wenn Sie von Zweiklassenmedizin reden. Sie haben offensichtlich ein Zweiklassenverständnis, wenn es um Arbeitsplätze geht . Als es
um die 15 000 Arbeitsplätze bei Tengelmann ging, konnte Gabriel laut OLG Düsseldorf das Wirtschaftsrecht
unter Ihrem Beifall mit biegen . Wenn es um 51 000 Arbeitsplätze in der privaten Versicherungsbranche geht,
dann erwähnen Sie es nicht nur nicht einmal, sondern Sie
betreiben sogar direkt deren Verlust und fühlen sich dabei auch noch gut . Das müssen Sie vor sich selbst rechtfertigen .
({5})
Die Koalition habe durch ihre Politik in dieser Legislaturperiode, so darf ich Ihren Antrag zitieren, im Gesundheitssektor erhebliche Kostensteigerungen ausgelöst
und durch die Existenz der Zusatzbeiträge die soziale
Spaltung verschärft .
Kollege Stritzl, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Klein-Schmeink .
Aber jederzeit doch .
Ich danke für die Gelegenheit, Ihnen eine Frage zu
stellen .
Gerne .
Haben Sie unserem Konzept entnommen, dass auch
die private Krankenversicherung eingeladen ist, die Bürgerversicherung anzubieten? Dann würde sie nicht nur
Behandlungen abrechnen und Risiken berechnen, sondern sie könnte mit dafür sorgen, dass Versorgung vor
Ort gestaltet wird .
Das tut sie im Übrigen in kleinen Anteilen sogar schon
jetzt im Bereich der Pflegeversicherung; sie übt sich in
diesem Feld schon . Man kann deutlich sehen: Das hat
Zukunft; das ist in Zukunft gefragt . - Hingegen wird die
Digitalisierung viele der anderen Aufgaben, die heute in
der privaten Krankenversicherung anfallen, sowieso digital ersetzen . Da wird man insgesamt einen Wandel im
Bereich der Arbeitsfelder erleben . Von daher bieten wir
gerade der privaten Krankenversicherung eine ganz konkrete Perspektive .
Man hat im Übrigen sehen können, dass so etwas
Ähnliches in den Niederlanden vonstattengegangen ist
und durchaus geklappt hat .
({0})
Ich bedanke mich für den Hinweis, Frau KleinSchmeink, dass wir einig sind: Auch Sie gestehen jetzt
zu, dass durch die Umsetzung Ihres Antrages Arbeitsplätze bei der PKV in erheblichem Umfang abgebaut würden . Das ist ja genau das, was ich befürchtet habe .
({0})
Dass Sie das auch einmal zugeben, finde ich gut.
({1})
- Sie sagen dazu ja nichts in Ihrem Antrag; das ist entscheidend . Sie verlieren dazu in Ihrem Antrag überhaupt
kein Wort. Ich finde, darauf sollte man hinweisen. Wenn
wir darüber jetzt Einigkeit gefunden haben, ist das sehr
schön .
({2})
- Sie wollen doch mit Ihrem Antrag, gnädige Frau, die
Bürgerversicherung einführen . Dafür müssen Sie die
PKV abschaffen. Das ist das, was Sie wollen. Sie wollen
es nur nicht mehr so deutlich sagen . Sie wollen das Geschäftsmodell der PKV mittelfristig zerstören,
({3})
aber Sie wollen es jetzt im Wahlkampf nicht so deutlich
sagen .
({4})
Sie wollen gern durch die Hintertür ins Haus . Glauben
Sie nicht, dass wir Sie damit durchkommen lassen .
Ich komme noch einmal zu dem Zitat zurück . Sie
schreiben, wir hätten die Gesundheitskosten erheblich
gesteigert und die soziale Spaltung verschärft . Richtig
ist, dass die Koalition unter Leitung von Gesundheitsminister Gröhe in dem Bereich enorm viel geleistet hat . Er
hat wirklich viel geleistet . Die Qualität in unserem Gesundheitswesen ist gestiegen . Dies mögen Sie jetzt kritisieren, aber als es hier um die konkreten Maßnahmen im
Einzelnen ging, war es gerade Ihnen immer nicht genug,
durfte es immer noch ein bisschen mehr sein .
({5})
Kollege Stritzl, ich habe die Uhr angehalten und frage Sie, ob Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin
Scharfenberg zulassen .
Jawohl, auch das .
({0})
- Genau .
Diese Redezeit verlängere ich gern .
Bitte, Frau Scharfenberg .
Es spricht für sich, was wir hier hören . - Ihre Antwort
hat mich nicht wirklich zufriedengestellt; denn die Frage,
die meine Kollegin formuliert hat, wurde de facto nicht
beantwortet .
Sie haben darauf bestanden, dass mit unserem Antrag
quasi Arbeitsplätze beseitigt würden und dass wir die
private Krankenversicherung eliminieren wollen . Mich
würde interessieren, an welcher Stelle Sie das gelesen
haben, wenn Sie unseren Antrag gelesen haben . Das würde ich gern wissen; denn die Kollegin hat sehr eindeutig
gesagt, dass wir die private Krankenversicherung einladen, sich an diesem Modell zu beteiligen, dass wir ihr
in Zeiten der Digitalisierung im Grunde genommen neue
Geschäftsmodelle bieten, dass wir also anbieten, sich am
Gesundheitswesen ganz aktiv zu beteiligen .
({0})
Mich würde jetzt also interessieren, wo genau Sie das
gelesen haben, dass wir die private Krankenversicherung
eliminieren wollen . Ich fordere Sie auch herzlich auf, die
Frage meiner Kollegin zu beantworten .
Wenn ich Ihnen mit Herrn Montgomery, dem Präsidenten der Bundesärztekammer, antworten darf .
({0})
Zu dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab, EBM, den
Sie einführen wollen, sagt er:
Das ist die Einführung der Bürgerversicherung, die
Abschaffung der PKV durch die Hintertür.
({1})
Auf Berlinerisch würde man sagen: „Nachtigall, ick
hör dir trapsen .“
Genau das ist die Situation: Sie wollen den Einstieg in
die Abschaffung der PKV.
({2})
Wir wollen ihn nicht, weil wir zur Dualität des Systems
stehen .
({3})
Diese Dualität hat uns im Gesundheitssystem nach vorn
gebracht und nicht zurückgeworfen . Diesen Fortschritt
wollen wir sichern - für die Versicherten, für die Patienten . Deswegen wehren wir uns dagegen, dass Sie die
Dualität aufheben wollen . Das ist der Sinn Ihres Antrags .
Das können Sie ruhig sagen . Da sind wir in der Sache
unterschiedlicher Meinung .
({4})
- Ich habe ihn nicht nur gelesen; ich habe ihn sogar verstanden .
({5})
Noch einmal zu der Frage: Wie steht es um die Finanzen der GKV? Sie sagen, dass alles das, was die Große
Koalition beschlossen und eingeführt hat, nicht leistbar
sei . Aber auch dazu sagen Sie nichts: 16,7 Milliarden
Euro sind auf dem Rücklagenkonto der GKV .
({6})
16,7 Milliarden Euro! Das nennen Sie soziale Spaltung .
1,4 Millionen Menschen mehr haben eine Beschäftigung
auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland . Das nennen Sie
soziale Spaltung . Das Reallohnwachstum in der Zeit von
2014 bis 2016 betrug 6 Prozent - Tendenz steigend in
2017 .
({7})
Das nennen Sie soziale Spaltung. Offensichtlich steuern
die Interessen Ihre Wahrnehmung, aber die Realität ist
eine andere .
({8})
Besser wird es auch nicht mit Ihrem Vorhalt der sogenannten Zweiklassenmedizin . Sie wissen ganz genau,
dass bei der Versorgung mit medizinisch notwendigen
Leistungen eine Zweiklassenmedizin in Deutschland
nicht existiert .
({9})
Was die Wartezeitenargumentation angeht: Wir als
Große Koalition
({10})
- melden Sie sich; Sie haben einen Finger - haben das
Angebot der Terminservicestellen eingerichtet . Es wird
kaum in Anspruch genommen . Auch das darf man einmal
erwähnen . - Punkt eins .
({11})
Punkt zwei . Wenn Sie sich in der Statistik die europäischen Vergleichsdaten anschauen, dann sehen Sie, dass
das duale System die kürzesten Wartezeiten hat
({12})
und dass die Einheitssysteme, die Sie anstreben, schlechter sind, als Sie uns hier vorspiegeln . Auch dieser Weg
von Ihnen ist also kein Weg nach vorn, sondern ein Weg
zurück .
Die grüne Quadratur des Kreises - das als weitere Bemerkung -: Sie wollen gern mehr Versicherte im
GKV-System . Sie verschweigen, dass es dann auch mehr
beitragsfrei Mitversicherte, Familienmitglieder, gäbe .
({13})
Sie wollen mehr Leistungen für alle und gleichzeitig
mehr Beitragsstabilität .
({14})
Das Versprechen können Sie nur halten, wenn Sie das
Leistungsniveau absenken .
({15})
Das ist genau der Punkt, den die Vorsitzende der GKV
schon heute nennt: Gäbe es die Dualität, den Wettbewerb
mit der privaten Krankenversicherung nicht, wäre das
Leistungsniveau in der GKV heute wahrscheinlich schon
niedriger . - Genau das wollen wir nicht .
({16})
Wir wollen ein möglichst hohes Leistungsniveau für die
Versicherten, für die Patientinnen und Patienten; dabei
lassen wir nicht locker .
({17})
Eine weitere Fehlannahme Ihrerseits ist, dass die PKV
die Versicherung der Reichen ist . Auch das stimmt nicht .
({18})
20 Prozent der Versicherten in der PKV liegen oberhalb
der Jahresbemessungsgrenze . Insofern ist auch das kein
haltbares Argument .
Herr Kollege, jetzt müssen Sie aber bitte auf die Zeit
achten . Wir hatten vorhin die Uhr angehalten, sodass Ihnen die Kollegen schon die Verdoppelung Ihrer Redezeit
ermöglicht haben .
Gut . - Lassen Sie mich ein Letztes sagen: Ebenfalls
sind wir nicht für die Einführung eines „grünen Solis“ .
Sie wollen in Zukunft sowohl Arbeitseinkommen als
auch Mieteinkommen und Dividenden nicht nur versteuern - das machen wir heute schon -,
({0})
sondern sie zusätzlich auch verbeitragen .
({1})
Damit machen Sie diese Form der Kapitaldeckung für
die Menschen - auch in Form der Altersvorsorge für die
jungen Leute - immer unattraktiver, anstatt gemeinsam
einen Weg zu suchen, wie wir junge Leute im System
halten können, wie wir Altersvorsorge bei einer sich
wandelnden Demografie weiter festigen können.
Sie können gern weiterreden, Herr Kollege, aber dann
komme ich in Verhandlungen mit Ihren Kollegen aus der
Fraktion in Bezug auf die Anrechnung der Redezeit .
({0})
Okay . - Im Ergebnis ist Ihr Weg kein Weg in die Zukunft, sondern ein Weg in die Vergangenheit . Wir bleiben
bei unserem leistungsfähigen System .
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit .
({0})
Das Wort hat die Kollegin Sabine Zimmermann für
die Fraktion Die Linke .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Lieber Kollege Stritzl, besser als mit den
Worten, die Sie gerade von sich gegeben haben, kann ein
Lobbyist der PKV nicht sprechen; das muss ich Ihnen
wirklich so sagen .
({0})
Ich bedaure es wirklich sehr, dass Sie so für die PKV
kämpfen; denn in ihr sind 9 Millionen Menschen versichert, während es in der GKV 70 Millionen gibt . Ich
glaube, schon daran sieht man den Unterschied .
({1})
Nichtsdestotrotz: Die Linke streitet für gesellschaftliche und politische Mehrheiten zur Umsetzung einer Bürgerinnen- und Bürgerversicherung . Hier sehen wir natürlich viele Schnittpunkte mit dem vorliegenden Antrag der
Grünen . Uns überzeugt aber nicht, dass der Wettbewerb
aufrechterhalten werden soll und damit aus unserer Sicht
die Zweiklassenmedizin weiter verfestigt wird . Damit
muss endlich Schluss sein, meine Damen und Herren .
({2})
Was Sie Wahlfreiheit nennen, ist in Wahrheit Wettbewerb. Die Folgen für Gesundheit und Pflege, die Herr
Stritzl überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen will, sind
bekannt. Wir sagen eindeutig: Gesundheit und Pflege
gehören in die öffentliche Daseinsvorsorge und dürfen
nicht der Gewinnmaximierung dienen .
({3})
Dazu haben wir einen Antrag vorgelegt, über den wir
gestern debattiert haben . Meine Kollegin Kathrin Vogler
hat dazu schon einiges gesagt .
Meine Damen und Herren, wir haben hier einen zweiten Antrag vorliegen, zur Absicherung von Selbstständigen . Wir haben in dieser Legislaturperiode einige Male
über die Situation von Selbstständigen und Solo-Selbstständigen debattiert, allerdings nicht, weil Sie als Damen
und Herren der Koalition das als Thema aufgesetzt haben,
({4})
sondern ausschließlich, weil die Opposition das aufgesetzt hat . Sie interessiert die Situation der Solo-Selbstständigen überhaupt nicht . Sie schauen einfach weg
({5})
und agieren frei nach dem Motto - wie Frau Merkel immer sagt -: „Deutschland geht es gut, und Probleme gibt
es in Deutschland nicht .“ Das ist eben nicht so; gerade
den Solo-Selbstständigen geht es wirklich nicht besonders gut . In diesem Bereich sollten Sie endlich einmal
etwas tun .
({6})
Selbstständigkeit, vor allem Solo-Selbstständigkeit,
ist keineswegs mit einem guten Einkommen gleichzusetzen . Im Gegenteil: Die soziale Lage der Selbstständigen
ist sehr unterschiedlich . Wir haben dazu eine Große Anfrage gestellt und erfahren: Ein nennenswerter Anteil der
Solo-Selbstständigen lebt unter prekären Bedingungen .
Fehlende Sicherheit charakterisiert die soziale Lage insbesondere der Solo-Selbstständigen . Das muss geändert
werden, meine Damen und Herren . Sie müssen hier endlich etwas tun, sonst rutschen die Solo-Selbstständigen
immer mehr in Armut und haben keine Versicherung .
({7})
Gerade unter den Solo-Selbstständigen gibt es viele,
die nur ein geringes Einkommen haben . Mit 700 000 Solo-Selbstständigen verfügen fast 30 Prozent aller Solo-Selbstständigen über ein Einkommen von bis zu
1 100 Euro . Die fehlende oder unzureichende Vorsorge
für das Alter ist aktuell auch das dringendste Problem,
das die Politik endlich lösen muss . Das sagen nicht nur
wir . Das sagt auch die Bertelsmann-Stiftung, die weiß
Gott keine Vorfeldorganisation der Linken ist . Deshalb
ist es wichtig, dass wir die Solo-Selbstständigen schützen .
({8})
Selbstständigkeit, vor allem Solo-Selbstständigkeit,
ist für uns wichtig . Von den 4,2 Millionen Selbstständigen hat nur ein kleiner Teil - etwa 280 000 - Zugang
zu einem Alterssicherungssystem . Das ist viel zu wenig .
Hier muss eine Absicherung her .
({9})
Da hilft nur die Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung . Bereits heute zeigt sich, dass Altersarmut
unter ehemaligen Selbstständigen weit verbreitet ist . Fast
die Hälfte verfügt im Alter lediglich über ein Nettoeinkommen von 1 000 Euro . Hier besteht dringender Handlungsbedarf, den Sie einfach nicht sehen wollen, nach
dem Motto „Deutschland geht es gut“ .
Große Probleme gibt es auch hinsichtlich einer Absicherung im Bereich der Kranken‑ und Pflegeversicherung . Selbstständige sind im Gegensatz zu abhängig Beschäftigten nicht pflichtversichert und müssen sich daher
selbst um einen Versicherungsschutz kümmern . Insbesondere geringverdienende Selbstständige finden daher
keine bezahlbare Versicherung . Das muss Ihnen doch
eigentlich zu denken geben . Derzeit wird bei Selbstständigen ein Krankenversicherungsbeitrag erhoben, bei dem
man von einem Einkommen von rund 4 000 Euro ausgeht . Erst beim Nachweis eines niedrigeren Einkommens
wird die Beitragsbemessungsgrenze dann auf 2 200 Euro
abgesenkt, und in nur wenigen Ausnahmefällen kann
der Beitrag auch darunter liegen . Ein Beispiel: Ein Solo-Selbstständiger hat ein Einkommen von 1 000 Euro im
Monat . Davon muss er rund 400 Euro für die Krankenund Pflegeversicherung bezahlen. Bleiben noch 600 Euro
zum Leben . Finden Sie das gerecht, meine Damen und
Herren? Die Linke fordert eine bezahlbare Kranken- und
Pflegeversicherung.
({10})
Meine Damen und Herren von CDU/CSU und SPD,
Sie kümmern sich immer nur um die großen Konzerne,
allen voran die Rüstungskonzerne, die Energiekonzerne,
die Immobilien- und Versicherungswirtschaft .
({11})
Kollegin Zimmermann .
Aber wie es dem kleinen Mittelständler, den Selbstständigen und den Solo-Selbstständigen geht, interessiert
Sie nicht. Dabei sind gerade sie wichtig für eine florierende Wirtschaft .
Deshalb ist es wichtig, meine Damen und Herren - ich
komme dann zum Schluss, liebe Frau Präsidentin -, Sabine Zimmermann ({0})
Ich bitte darum .
- dass wir eine starke Linke hier in Deutschland haben .
({0})
Danke schön .
({1})
Das Wort hat der Kollege Dr . Edgar Franke für die
SPD-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! An den Anträgen der Opposition zur Bürgerversicherung gestern und heute merkt man: Der Wahlkampf
fängt langsam an . Wir sind ja auch schon langsam dabei, Wahlkampf in unseren Wahlkreisen zu machen . Die
geschätzte Kollegin Kathrin Vogler hat ja gestern angemahnt, dass wir eigentlich ein Gerechtigkeitsstärkungsgesetz bräuchten . Tatsächlich haben wir in dieser Legislaturperiode, was die Gesundheitspolitik angeht - hier
sitzen ja die Kollegen aus dem Gesundheitsausschuss,
die dabei waren und dort Politik gemacht haben -, mit
über 20 Gesetzen
({0})
so viele Gesetze wie nie beschlossen, und diese dienten
alle der Verbesserung der Gesundheitsversorgung .
({1})
Wenn man so will, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir über 20 Gesetze gemacht, die zur Gerechtigkeitsstärkung eingesetzt worden sind .
({2})
Die Gesundheitspolitik trägt eindeutig eine sozialdemokratische Handschrift . Der rote Faden sozialdemokratischer Gesundheitspolitik, liebe Kolleginnen und
Kollegen, ist eine bessere Versorgung der Menschen
unabhängig vom Einkommen, unabhängig vom Wohnort
und unabhängig vom Alter . Das nennen wir Gerechtigkeit .
({3})
Wir haben wirklich viel umgesetzt; das Versorgungsstärkungsgesetz, die Regelungen für den Palliativ- und
Hospizbereich, das Krankenhausstrukturgesetz, drei
Pflegestärkungsgesetze und das Präventionsgesetz sind
nur einige Beispiele . Ich darf erinnern: Wir haben die
flächendeckende medizinische Versorgung mit vielen
neuen gesetzlichen Instrumenten durchgesetzt: von der
Terminservicestelle bis zu finanziellen Anreizen für die
Niederlassung in unterversorgten Gebieten . Beispielsweise gibt es bei mir in Hessen 66 000 Euro für den Arzt,
der sich in einem unterversorgten Gebiet ansiedelt .
({4})
Wir haben Qualitätsverbesserungen in der Krankenhausversorgung . Der G-BA wird am Ende dieses Jahres
sicherlich die Qualitätsparameter vorlegen . Wir haben
vor allen Dingen, liebe Kolleginnen und Kollegen, den
Reformstau in der Pflege aufgelöst. Wir verbessern die
Leistungen mit Mehrausgaben von 5 Milliarden Euro ab
diesem Jahr. Wir haben den erweiterten Pflegebedürftigkeitsbegriff und Leistungsverbesserungen für demenziell
Erkrankte eingeführt . Das, glaube ich, lässt sich sehen .
Das merken auch die Menschen; denn Pflege muss mehr
als „satt und sauber“ sein .
({5})
Wir haben das Präventionsgesetz auf den Weg gebracht . Maria Michalk, viele andere Koalitionen haben
das nicht geschafft. Damit werden Gesundheitsförderung
und Krankheitsvermeidung in den jeweiligen Lebenswelten endlich zum Ziel konkreten politischen Handelns
gemacht .
({6})
Das, lieber Harald Weinberg, kann sich, glaube ich, sehen lassen,
({7})
und es ist eine Politik aus der Sicht der Versicherten .
Ich muss auch sagen: Die Opposition hat bei fast all
diesen Gesetzen dagegengestimmt . Auch das muss man
festhalten . - Da können die Schwarzen auch einmal klatschen, liebe Kolleginnen und Kollegen .
({8})
Kollege Franke, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Vogler?
Ja, natürlich .
Vielen Dank, lieber Kollege, dass Sie meine Zwischenbemerkung zulassen . - Da Sie hier das Ergebnis der
Koalitionsarbeit so loben,
({0})
will ich doch noch etwas Wasser in Ihren Wein schütten .
Durch die Gesetze, die Sie mit dieser Koalition gemacht
haben, zieht sich eigentlich ein roter Faden,
({1})
nämlich dass Sie die Finanzierung der Aufgaben, die
eigentlich staatliche Aufgaben wären, zum Beispiel in
Bezug auf die Krankenhausstruktur, in der Prävention
usw ., den gesetzlichen und nur den gesetzlichen Krankenkassen und deren Versicherten übergeholfen haben .
Am Anfang der Wahlperiode haben Sie nämlich den Beitrag für die Arbeitgeber eingefroren, sodass alle künftigen Ausgabesteigerungen von den Versicherten alleine
bezahlt werden müssen, natürlich nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze . Das heißt, Sie haben die Ausgaben für
das, was Sie in dieser Wahlperiode verteilt haben, zum
größten Teil einseitig den Versicherten aufgelastet . Das
ist meiner Ansicht nach kein Beleg für eine besonders
gerechte und sozialdemokratische Politik, sondern es ist
eher ein Beleg für eine weitere Umverteilung von unten
nach oben .
({2})
Das war eher eine Kommentierung, liebe Kathrin
Vogler, als eine Frage . ({0})
Im Bereich der Prävention haben wir ganz viel gemacht .
Wir haben nämlich die Leistungen verdoppelt . Wir geben
inzwischen 7 Euro für jeden Versicherten für Prävention
aus, und das kann sich wirklich sehen lassen:
({1})
für Gesundheitsförderung, für Primär- und Sekundärprävention . Das lässt sich politisch darstellen .
Ich kann auch sagen, dass wir als Sozialdemokraten
den Zusatzbeitrag einkommensabhängig gemacht haben .
Auch deswegen ist es etwas ganz anderes als die Kopfpauschale, die es früher gab, bei der jeder unabhängig
vom Einkommen einen Zusatzbeitrag gezahlt hat .
({2})
Zweitens haben wir schon damals bei den Koalitionsvereinbarungen immer gesagt, dass wir dafür sind, Krankenversicherungsbeiträge paritätisch zu finanzieren,
({3})
Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu 50 Prozent . Es kann
nicht sein, dass alles, was wir für den medizinischen
Fortschritt an Innovationen auf den Weg gebracht haben,
allein die Arbeitnehmer und die Versicherten zahlen .
Da bin ich vollkommen einer Meinung mit Ihnen . Aber
Politik ist manchmal eben so, dass man Kompromisse
machen muss . Das stand im Koalitionsvertrag, und die
SPD war immer koalitionstreu; das sage ich Ihnen ganz
ehrlich .
({4})
Recht herzlichen Dank für die Frage, Kathrin Vogler .
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen jetzt
zur gesundheitspolitischen Debatte und zum Antrag der
Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen
zum Einstieg in die Bürgerversicherung zurück .
({6})
Liebe Maria Klein-Schmeink, es ist ein guter Antrag; das
sage ich ausdrücklich .
({7})
Es ist nicht nur ein Schaufensterantrag, der dem Bundestagswahlkampf geschuldet ist .
({8})
Die Bürgerversicherung, lieber Kollege Thomas Stritzl,
ist für Gesundheit und Pflege sicherlich der richtige Weg.
Man kann sich aber über die Details streiten, man kann
sich auch über die handwerkliche Basis streiten .
Ich will ein bisschen was dazu sagen . Hinter dem
Schlagwort „Bürgerversicherung“ verbirgt sich relativ
viel . Herr Stritzl hat versucht, das eine oder andere zu
beleuchten ({9})
ich sage mal, aus einer sehr individuellen Sicht .
({10})
- Ob beim Kollegen Stritzl Verdunkelungsgefahr besteht,
weiß ich nicht; aber ich will Licht ins Dunkel bringen . Für mich sind bei der Bürgerversicherung acht Punkte
wichtig .
Erster Punkt . Ich habe schon gesagt: Aus unserer
Sicht, aus Sicht der SPD, müssen die Zusatzbeiträge zunächst abgeschafft werden, die allein die Arbeitnehmer,
die Versicherten zahlen .
({11})
Das ist der erste Punkt auch unseres Bürgerversicherungskonzepts - da sind wir einer Meinung -:
({12})
Weg mit den Zusatzbeiträgen, die nur die Arbeitnehmer,
nur die Versicherten belasten!
({13})
- Da gebe ich Ihnen auch von hier vorne aus durchaus
recht; auch Ihnen, Frau Vogler .
Zweiter Punkt . Die SPD will nach ihrem Konzept die
Beiträge in der Krankenversicherung stabil halten . Es
ist nicht daran gedacht - das wissen Sie, wenn Sie unser
Programm lesen -, Beiträge für welchen Personenkreis
auch immer zu erhöhen . Vielmehr können wir die Beiträge dann, wenn alle in das System einzahlen, Herr Stritzl,
stabil halten .
Dritter Punkt . Gegenüber dem Grünen-Antrag wollen
wir - das ist ein Unterschied - Bürgerinnen und Bürger
nach unserem Bürgerversicherungskonzept finanziell
entlasten . Unser Programm sieht keine Verbeitragung
von Mieteinnahmen und Kapitaleinnahmen zur Finanzierung der Krankenversicherung vor .
({14})
Denn damit würden wir den Häuslebauer belasten, der
eine Mietwohnung hat, und das wollen wir nicht .
({15})
Es gibt viele Gründe, in unserer Gesellschaft umzuverteilen - es gibt eine Schere zwischen Arm und Reich;
das ist schon so -, aber ob wir das über das Beitragsrecht
machen, ist die Frage . Ich glaube, das sollte man über das
Steuerrecht machen .
({16})
Die SPD hat ja ein seriös durchgerechnetes Steuerkonzept vorgelegt,
({17})
das vorsieht, gerade die normalen Einkommen zu entlasten und diejenigen, die größere Einkommen haben,
({18})
stärker bei der Finanzierung unseres Sozialstaates heranzuziehen . Insofern muss man eine Umverteilung über das
Steuerrecht machen, aber nicht über das Beitragsrecht,
liebe Kolleginnen und Kollegen .
({19})
Kollege Franke, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Klein-Schmeink?
Ja, sicherlich, gerne .
Lieber Edgar, ich weiß nicht, ob es dir bewusst ist;
aber heute muss jeder freiwillig gesetzlich Versicherte,
also zum Beispiel ich als Abgeordnete, bis zur Beitragsbemessungsgrenze die anderen Einkunftsarten mit verbeitragen .
({0})
Das ist also schon gesetzliche Lage; das wäre nichts
Neues, was da eingeführt würde . Es stellt Gerechtigkeit
zwischen den verschiedenen Einkunftsarten her; denn es
ist doch gar nicht einzusehen, dass eine Rentnerin, die
einfach nur Rente bezieht, anders behandelt wird als eine
Rentnerin, die noch zusätzlich Einnahmen aus der Vermietung von Wohnungen an andere in ihrem Mietshaus
hat .
({1})
Das mit zu berücksichtigen, gerade weil wir wissen, dass
andere Einkommensarten immer einen höheren Anteil
am Volkseinkommen haben, ist doch eigentlich eine vernünftige Geschichte. Ich wüsste schon gerne: Schaffen
wir das jetzt für die freiwillig Versicherten ab? Das wäre
mir neu . Dazu habe ich auch noch keine Initiative von
Ihrer Seite, vonseiten der SPD, gesehen .
({2})
Es ist richtig, dass die anderen Einkommensarten bei
freiwillig Versicherten verbeitragt werden .
({0})
Aber die Frage ist, welche Methoden man nutzt, um Umverteilung zu realisieren . Es ist nicht eine Frage des Ob,
sondern eine Frage des Wie .
({1})
Ich glaube, es ist vernünftiger, das über das Steuerrecht
zu machen, weil es fairer ist, das ganze Einkommen heranzuziehen . Ich glaube, das ist der richtigere Weg, als
es über Beiträge zu machen . Es ist nur eine Frage der
Methode, meine liebe Maria Klein-Schmeink .
({2})
Viertens . Wir wollen im Rahmen der notwendigen
medizinischen Behandlungen keine Bevorzugung von
Privatpatienten . Deshalb brauchen wir eine einheitliche
Honorarordnung für medizinische Leistungen, unabhängig vom Versichertenstatus . - Maria Klein-Schmeink,
das würde dir wieder besser gefallen .
({3})
Fünftens . Eine Honorarordnung hat auch einen anderen Effekt. Wir bekommen momentan in den ländlichen
Räumen deshalb oftmals keine Ärzte mehr, weil es dort
weniger Privatversicherte gibt . Das hast du ja auch gesagt, liebe Maria Klein-Schmeink .
({4})
- Herr Stritzl, wenn man einen 20-prozentigen Anteil von
Privatpatienten hat, macht man mit ihnen 50 Prozent des
Umsatzes . Wenn man aber nur 2 Prozent Privatpatienten
hat, bedeutet das für einen Arzt oder eine Ärztin auf dem
Land wirklich 20, 30 Prozent weniger Einnahmen . Das
liegt rein am Standort und ist unabhängig davon, wie viele Leute man behandelt . Ein Hausarzt in Frankfurt kann
mit 700 Scheinen leben; wenn der Arzt in Nordhessen
tätig ist, braucht er 1 200 Scheine . Das ist ungerecht .
Deswegen sollte man die Honorarordnung grundsätzlich
reformieren, nach unserem Konzept, liebe Kolleginnen
und Kollegen . - Da kannst du jetzt auch klatschen, liebe
Maria Klein-Schmeink .
({5})
Sechstens . Auch wenn wir eine Bürgerversicherung
machen, wird immer von den Ärzteverbänden vorgetragen, dass wir dem System Geld entziehen . Das sagt auch
der Kollege Stritzl immer .
({6})
Wir müssten aber die Honorare innerhalb des Systems
umverteilen . Wir müssten also dann zum Beispiel die
Honorare für EBM-Leistungen leicht erhöhen . Wir würden nicht dem System Geld entziehen; wir würden es
nur fairer verteilen . Das würde auch bedeuten, dass der
Landarzt in Nordhessen mehr Geld bekommt und der
Arzt, der die Schönen und Reichen behandelt, ein bisschen weniger. Das finde ich fair und gerecht, meine sehr
verehrten Damen und Herren .
({7})
Siebtens . Auch nach unserem Bürgerversicherungsmodell - das sage ich ausdrücklich - wären weiterhin
Privatliquidationen möglich, weil in Zukunft auch Leistungen angefragt sind, die über die GKV hinausgehen . Es
wird immer wieder behauptet, dass dann Privatliquidationen nicht möglich sind . Natürlich ist es auch in einem
System der Bürgerversicherung möglich, die Chefarztbehandlung oder das Einzelzimmer sozusagen privat in
einem Vertrag zu regeln .
Achtens . Ich bin grundsätzlich für einen Preis- und
Leistungswettbewerb der Krankenkassen untereinander
im Rahmen eines Bürgerversicherungsmodells . Lieber
Kollege Stritzl, Sie sagen ja immer, wir brauchen keine
Einheitsversicherung;
({8})
ich glaube, das ist die Terminologie . Wir brauchen auch
keinen Einheitsbeitrag, sagen wir . Tatsächlich brauchen
wir aber auch in einem Bürgerversicherungsmodell einen
Wettbewerb um Qualität und Leistung .
({9})
Wir brauchen einen Wettbewerb auch zwischen den Kassen . Wettbewerb ist auch nichts Schlimmes; denn Wettbewerb sorgt dafür, dass die Leistungen für die Versicherten
besser werden . Nur: Wir brauchen einen einheitlichen,
fairen Wettbewerb und einen fairen Wettbewerbsrahmen,
der einheitlich gilt .
({10})
Das ist auch in Ordnung . Das ist richtig und wichtig, meine sehr verehrten Damen und Herren .
Ein solches Modell einer Bürgerversicherung, in die
alle einzahlen und bei der alle die notwendigen medizinischen Leistungen bekommen, ist ein Modell der Zukunft .
Man muss sich sicherlich noch über die eine oder andere
verfassungsrechtliche Frage und über Übergangsfristen
unterhalten . Aber es ist ein Modell, nach dem jeder - so
habe ich angefangen - unabhängig von seinem Alter, unabhängig von seinem Wohnort und unabhängig von seinem Einkommen die bestmögliche Gesundheitsversorgung bekommt . Das ist sozialdemokratisch . Das ist unser
Ziel, liebe Kolleginnen und Kollegen .
({11})
- Die eierlegende Wollmilchsau .
Ich darf, da ich nur noch 45 Sekunden habe, mich am
Ende meiner Rede ganz herzlich für die entspannte, angenehme und vor allen Dingen respektvolle Zusammenarbeit bedanken . Es war mir eine Freude, Vorsitzender
des Gesundheitsausschusses zu sein - auch von Ihnen,
Herr Stritzl .
({12})
Ich hoffe, viele von Ihnen wiederzusehen. Das entscheidet letztlich der Wähler . In diesem Sinne wünsche ich
uns und Ihnen allen einen angenehmen, guten und vor
allen Dingen fairen Wahlkampf .
Danke schön .
({13})
Das Wort hat die Kollegin Jana Schimke für die CDU/
CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn
jemandem die Selbstständigen am Herzen liegen, dann
ist es die Union .
({0})
Mehr als 4 Millionen Selbstständige und ihre Beschäftigten haben einen gewichtigen Anteil daran, dass wir in
Deutschland Rekordbeschäftigung, eine anhaltend gute
Konjunktur und eine stabile Haushaltslage verzeichnen .
({1})
In mehreren Bürokratieentlastungsgesetzen haben wir
Aufzeichnungs‑ und Dokumentationspflichten reduziert,
wir haben Rechtssicherheit im Insolvenzrecht geschaffen
oder auch Freigrenzen im Steuerrecht erweitert . Auch
die Erhöhung der Sofortabschreibung geringwertiger
Wirtschaftsgüter von 410 Euro auf 800 Euro stellt eine
massive Entlastung unseres Mittelstands dar .
({2})
Das Meister-BAföG haben wir durch eine verbesserte
Förderung aufgewertet
({3})
und damit Existenzgründungen im Handwerk erleichtert .
Dies sind nur einige Beispiele; sie zeigen aber, dass die
Richtung stimmt .
Nun führen wir schon seit längerem eine Debatte über
die persönliche und finanzielle Situation von Selbstständigen, gerade auch im Alter . Ich glaube jedoch nicht, dass
die vorliegenden Informationen und das Datenmaterial
ein sofortiges gesetzgeberisches Handeln erfordern .
({4})
Diese Bemerkung geht an Sie, Frau Zimmermann .
Was wissen wir? Erstens . 3,7 Prozent aller einst
Selbstständigen beziehen Grundsicherung im Alter . Das
ist ein niedriger Wert .
Zweitens . Es ist richtig, dass 30 Prozent aller Solo-Selbstständigen ein Einkommen von weniger als
1 000 Euro beziehen, aber dieselbe Anzahl arbeitet eben
auch nur 29 Wochenstunden . Jetzt könnte man meinen,
die verbleibende Zeit würde für weitere Beschäftigungsarten genutzt, aber nein: Die überwiegende Zahl der Solo-Selbstständigen übt keine weitere Beschäftigung aus .
Das lässt meines Erachtens nur einen Schluss zu: Im
Haushalt gibt es weitere Haupt- und Mitverdiener, die
zum gemeinsamen Einkommen beitragen . Wohlgemerkt:
Der Haushaltskontext wird in vielen Untersuchungen
nicht abgebildet . Falsche Schlussfolgerungen sind oftmals die Folge . Eine weitere Zahl stützt diese Annahme:
Rund 90 Prozent der freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung befindlichen Selbstständigen zahlen lediglich den Mindestbeitrag von 84 Euro . Warum tun sie
das?
({5})
Sie tun das, weil es andere Vorsorgeformen gibt, die in
den vorliegenden Untersuchungen nicht erfasst werden .
({6})
Drittens . Die Gruppe der Solo-Selbstständigen ist eine
höchst volatile Gruppe . Zwischen den Jahren 2010 und
2014 wechselten viele in ein Angestelltenverhältnis oder
stellten eigene Mitarbeiter ein . Das zeigt, dass die heutige Situation Selbstständiger keine Auskunft darüber geben kann, wie es diesen Menschen im Alter gehen wird .
Viertens . Nach Auskunft der Bundesregierung liegen derzeit keine Erkenntnisse darüber vor, ob und wie
Selbstständige für das Alter vorsorgen . Bis auf Informationen zur freiwilligen oder obligatorischen Absicherung
in der gesetzlichen Rentenversicherung oder in einer
Lebensversicherung können keine Aussagen getroffen
werden . Wir wissen schlichtweg nicht, ob Vorsorge nicht
auch in anderen Formen geschieht: durch Immobilienvermögen, durch Aktien, durch Betriebsvermögen und
andere Vorsorgearten .
Fünftens . Es gibt bei der Erhebung zur Altersvorsorge keine Differenzierung zwischen Selbstständigen mit
Personalverantwortung und Solo-Selbstständigen . Die
konkrete Vorsorgesituation der nach Ihrer Mundart armutsgefährdeten Solo-Selbstständigen ist also derzeit
nicht festzustellen .
Also worüber reden wir hier eigentlich, meine Damen
und Herren?
({7})
Ich habe die dringende Bitte: Wenn wir über grundlegende Neuerungen in welchem Politikfeld auch immer
diskutieren, dann muss die Datenlage dies auch hergeben . Sollten wir uns irgendwann dazu entschließen, die
Altersvorsorge bei Selbstständigen zu definieren, sind
ausreichend valide Daten dafür die Grundlage . Diese
Fachlichkeit ist das Mindeste, was ein Land von seinen
gewählten Vertretern erwarten kann und muss .
({8})
Lassen Sie mich abschließend folgenden Gedanken
ausführen: Unternehmertum und Selbstständigkeit folgen auch im Sozialversicherungsrecht der Annahme,
dass man von seinen Einkünften leben und vorsorgen
kann . Deshalb bedeutet Selbstständigkeit nicht nur Entscheidungsfreiheit, sondern auch Eigenverantwortung .
Natürlich kann ein Betrieb in die Schieflage geraten oder
muss gar geschlossen werden . Es gibt auch Beispiele,
in denen vorgesorgt wurde und die Solidargemeinschaft
trotzdem einspringen muss . Doch diese Beispiele rechtfertigen nicht, dass ein bestehendes und etabliertes Regelwerk auf den Kopf gestellt wird, erst recht, wenn es
dafür keine hinreichenden Erkenntnisse gibt . Eine Solidargemeinschaft kann zu Recht erwarten, dass jene, die
es nicht schaffen, am Markt zu bestehen, sich beruflich
anders orientieren .
Der Fachkräftemangel ist für die deutsche Wirtschaft
inzwischen zur Wachstumsbremse geworden . Die Unternehmer meines Wahlkreises kommen nicht wegen der
Altersvorsorge zu mir, sondern sie haben Zukunftsängste,
weil der Nachwuchs fehlt . Die Ausgangslage ist gut, aber
das Personal fehlt . Das bedeutet Chancen für jene Menschen, die nach neuen beruflichen Perspektiven suchen.
Mein Appell richtet sich deshalb an alle verantwortlichen
Institutionen dieses Landes - von den Sozialämtern und
Arbeitsagenturen, den Kammern und Verbänden bis hin
zu den Parlamenten -: Einem Selbstständigen mit geringem Einkommen hilft keine Rentenversicherungspflicht;
vielmehr braucht er gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Unternehmensberatung und im Zweifel Unterstützung bei der beruflichen Neuorientierung. Dies sollten jene Prinzipien sein, die uns auch künftig leiten .
Vielen Dank .
({9})
Der Kollege Tobias Zech hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es
ist schon spannend, zu hören, wer hier was zur Mittelstandspolitik sagt . Natürlich ist es richtig, dass wir bei
den Solo-Selbstständigen Bedarfe haben . Natürlich ist
es richtig, dass ein Großteil derjenigen, die Grundsicherungsleistungen beziehen, Solo-Selbstständige sind .
Aber das haben Sie 2004 doch mit verursacht . Eine Ursache dafür ist die Abschaffung des Meisterzwangs für bestimmte Gewerke . Das war Rot-Grün! Was Sie machen,
ist eine mittelstandsfeindliche, handwerksfeindliche und
selbstständigenfeindliche Politik . Das ist doch die Wahrheit,
({0})
und jetzt müssen wir darüber sprechen, wie wir die Fehler, die Sie gemacht haben, wieder ausbaden können nicht mehr und nicht weniger .
({1})
Natürlich ist es richtig, eine Vorsorgepflicht einzuführen, wie es im Antrag der Grünen steht . Sie machen
das aber nicht mit Augenmaß, Sie fahren nicht auf Sicht,
sondern Sie wollen das so machen, wie Sie das immer
machen wollen: mit gesetzlichem Zwang .
({2})
Ausgerechnet den Selbstständigen, von denen wir seitens
der Politik erwarten, dass sie innovativ, mobil und flexibel sind, wollen Sie einen gesetzlichen Deckel überstülpen . Lassen Sie doch auch andere Möglichkeiten der Altersvorsorge zu! Lassen Sie auch andere Möglichkeiten
der Vorsorge für das weitere Leben zu!
({3})
Eine Zwangseinweisung in die gesetzliche Rentenversicherung hat nichts mit der Realität dieser Menschen zu
tun . Eine solche Regelung wäre negativ für den Standort
Deutschland .
({4})
Neben der Rentenversicherung haben Sie auch die
Arbeitslosenversicherung angesprochen . Da stimme ich
Ihnen sogar zu: Wir müssen die Regelungen im Bereich
der Arbeitslosenversicherung weiter öffnen. Dann muss
aber auch ein dauerhafter Verbleib klar sein . Wir können
doch nicht zulassen, dass sich jemand für selbstständig
erklärt und dann monatsweise oder jahresweise in die Arbeitslosenversicherung hinein- und aus ihr herauswechselt . Deshalb brauchen wir Sperrfristen . Sonst wird jede
selbstverursachte Verschlechterung des Einkommens
von der Allgemeinheit getragen . Das kann doch nicht
Ihr Ernst sein . Das ist doch keine vernünftige Politik für
Deutschland .
({5})
Wir brauchen auch Anwartschaften, und natürlich muss
auch der Verwaltungsaufwand betrachtet werden .
Bei dem Thema geht es aber um noch viel mehr . Mit
dem Weißbuch „Arbeiten 4 .0“ wurde der Versuch unternommen, den jetzigen Status zu dokumentieren . Natürlich ergeben sich dabei Fragen, zum Beispiel: Wie entscheiden wir in der Zukunft zwischen Selbstständigen
und Arbeitnehmern? Bei der Statusfeststellung hatten
wir bis jetzt aber keine schwerwiegenden Probleme .
Auch vor Gericht gab es keinen einzigen Fall, bei dem
der Status nicht klar festgestellt werden konnte . Wir haben allerdings eine Veränderung unserer Arbeitswelt, und
das Weißbuch liefert uns bei weitem nicht die Antworten,
die wir brauchen . Das wird man heute aber auch nicht
entscheiden können, schon gar nicht auf Basis dieses
uninspirierten Antrags . Das ist vielmehr etwas, was wir
länger verfolgen müssen . Wie gehen wir mit Solo-Selbstständigen um, deren Arbeitsfeld sich ganz neu entwickelt? Wer überwacht zum Beispiel die Arbeitszeit von
Clickworkern, die sich über eine App auf ihrem Handy
einloggen? Wer kümmert sich bei denen um den Bereich
Arbeitsschutz? Der Kollege von der SPD - er ist leider
nicht mehr anwesend - hat vorhin das Thema Parität angesprochen . Es wäre fair gewesen, in diesem Zusammenhang auch die gesetzliche Unfallversicherung anzuspreJana Schimke
chen . Auch in diesem Bereich haben wir nämlich keine
Parität; denn die Beiträge hierzu werden zu 100 Prozent
von den Arbeitgebern bezahlt .
({6})
Dabei geht es übrigens nicht nur um Fragen der Regulierung, sondern auch um Fragen der Prävention . Auch
das gehört zur Wahrheit . Wir haben also eine Reihe von
Fragen zu beantworten .
({7})
- Frau Zimmermann, gehen Sie wieder auf Normalnull .
Ich lobe Sie jetzt gleich auch . - Sogar die IG Metall
hat das schon erkannt . Mit ihrer Plattform „Fair Crowd
Work“ hat sie sehr gute Aufklärungsarbeit geleistet . Aber
wir sind noch nicht so weit, dass wir sagen können, wir
kennen den Markt . Das entwickelt sich noch . Dieser
Bundestag wird dazu definitiv Entscheidungen treffen
müssen . Der Arbeitsmarkt wird sich verändern, und wir
müssen richtige Antworten geben .
Die beiden Anträge, die uns jetzt vorliegen, dienen
nicht dem Wohl dieser Republik, sondern sind zu ihrem
Schaden . Mit Mittelstandspolitik und Arbeitsplatzförderung hat das alles überhaupt nichts zu tun . Das ist einfach nur Wahlkampfgetöse, und da machen wir nicht mit .
Deshalb lehnen wir die Anträge ab .
Herzlichen Dank .
({8})
Ich schließe die Aussprache .
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12951 mit dem Titel „Solidarität und Verlässlichkeit, Qualität und Wahlfreiheit in unserem Gesundheitswesen stärken - Einstieg in die Bürgerversicherung“ .
Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Der Antrag ist mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Linken abgelehnt .
Tagesordnungspunkt 13 b . Hier geht es um die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
mit dem Titel „Mit Sicherheit in die Selbständigkeit Für eine bessere Absicherung von Selbständigen“ . Der
Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/12673, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10035 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer
stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und
Bündnis 90/Die Grünen angenommen .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:
- Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von
Mieterstrom und zur Änderung weiterer
Vorschriften des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
Drucksache 18/12355
- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Förderung von Mieterstrom
und zur Änderung weiterer Vorschriften
des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
Drucksache 18/12728
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie ({0})
Drucksache 18/12988
Es liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor .
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Uwe Beckmeyer .
({1})
Liebe Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen
und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Legislaturperiode geht zu Ende . Es ist vielleicht die Zeit,
aus energiepolitischer Sicht zurückzublicken . Ich denke,
wir haben für die Energiewende in Deutschland, für eine
saubere, sichere, aber auch kostengünstige Energieversorgung viel erreicht .
Die Energiewende steht auf rechtlich und ökonomisch
sicherem Grund . Sie ist eines der größten Modernisierungs- und Investitionsprojekte in Deutschland und, wie
ich meine, auch ein Zukunftsmodell mit großer internationaler Ausstrahlung .
Wir haben mit dem EEG von 2014 wichtige Maßnahmen ergriffen, um die erneuerbaren Energien stärker an
den Markt heranzuführen . Mit dem Strommarktgesetz
haben wir den Strommarkt für die Zukunft fit gemacht.
Und mit dem EEG 2017 integrieren wir die erneuerbaren
Energien konsequent weiter in den Strommarkt . Vor allen
Dingen senken wir die Kosten; denn die Vergütungshöhe
für erneuerbaren Strom wird nunmehr durch Ausschreibung am Markt ermittelt . Den Zuschlag erhält, wer den
Strom am günstigsten erzeugt . Ich meine, das lässt sich
sehen .
Die Energiewende ist aber, denke ich, nicht nur allein
ein Thema für Anlagenbetreiber und Projektentwickler .
Sie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe .
({0})
Energieeffizienzgesetz, KWK‑Gesetz und moderne Netze sind Themen, die wir ebenfalls auf der Habenseite verbuchen können .
Bei der Energiewende ist aber auch Akzeptanz wichtig . Sie ist wichtig für diejenigen, die damit am Ende des
Tages umgehen müssen, also auch für die Bevölkerung .
Insofern muss sie möglichst breit getragen werden . Nicht
nur Hauseigentümer sollten davon profitieren, sondern
wir als Sozialdemokraten meinen, dass auch Mieterinnen
und Mieter vergleichbare Möglichkeiten haben müssen,
diese Energiewende zu nutzen .
({1})
Darauf ist Mieterstrom die richtige Antwort .
Mieterstrom, der von Solaranlagen auf Dächern erzeugt wird: Das ist etwas, was dem Mieter helfen kann .
Er sollte dies nutzen und damit auch umgehen können .
Wir müssen ihn in der Art schützen, dass natürlich nicht
jeder Mieter Mieterstrom beziehen muss, aber kann . Er
kann Strom aus dem Netz beziehen . Er hat die Wahlfreiheit, und am Ende sollte sich der Mieterstrom für die
Mieter auch lohnen . Das sollte unabhängig vom Mietvertrag gestaltet werden, und der Mieterstromtarif darf
90 Prozent des örtlichen Grundversorgungstarifs nicht
übersteigen .
Ich denke, diese Vorteile bedeuten am Ende eine passgenaue Förderung . Sie kommen den Mieterinnen und
Mietern zugute und erhöhen damit die Akzeptanz .
Ich glaube, es ist wichtig, das an dieser Stelle auch
zu sagen . Denn ich will nicht verschweigen, dass das in
Städten und Ballungsgebieten hin und wieder schwierig
sein wird . Auf der anderen Seite stärkt dieser Gesetzentwurf die Rechte der Mieterinnen und Mieter und die
Chancen, sie gut mit einem attraktiven Angebot zu versorgen .
Meine Damen und Herren, mit diesem Schlussstein,
der Gesetzgebung zum Mieterstrom, schließt sich die
Energiewende dieser Legislaturperiode . Ich denke, wir
können stolz darauf sein, und wir sind es auch, weil wir
uns für die Zukunft gut gerüstet haben .
({2})
Das ist heute meine letzte Rede im Deutschen Bundestag . Diese Woche hat noch einmal deutlich gemacht, dass
in diesem Plenarbetrieb im besten Sinne dessen, wie wir
uns Plenarsitzungen vorstellen - ich sage es einmal so -,
tüchtig gestritten wird . Es gab sachliche Debatten und ein
hartes Ringen .
Ich will auch anmerken: Als Parlamentarischer Staatssekretär war ich häufig in der Fragestunde gefordert. Ich
habe schwierige Fragen aus all Ihren Bereichen, Wahlkreisen und Themengebieten beantworten müssen . An
dieser Stelle sage ich aber auch: Als Abgeordneter habe
ich ebenfalls Fragen formuliert, und ich weiß, dass es
manchmal auch nicht leicht ist, sinnvolle Fragen zu formulieren .
({3})
Ich bin jetzt seit 15 Jahren, vier Legislaturperioden,
dabei . Ich glaube, es war ein großes Glück, mit Ihnen
allen zusammenzuarbeiten . Ich habe hier interessante
Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen - nicht
nur aus meiner Fraktion - kennengelernt. Bei allen Differenzen bei der einen oder anderen Fragestellung will ich
an dieser Stelle sagen: Es hat Spaß gemacht .
Ich danke meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,
die lange bei mir sind und mir den Rücken freigehalten
haben . Ich möchte hier meine hohe Wertschätzung und
meinen großen Dank auch in diese Richtung zum Ausdruck bringen .
Wenn einem der Rücken freigehalten wird, dann heißt
das natürlich auch, dass man Rückgrat hat . Manchmal ist
das sehr wichtig - gerade im politischen Raum und bei
politischen Positionen . Ich glaube, bei den Abgeordneten - uns allen - sind am Ende des Tages Kriterien wie
Ehrlichkeit und Überzeugung sowohl in der Opposition
als auch in der Regierung vonnöten, und manchmal muss
man auch ein dickes Fell haben .
Ich will an dieser Stelle rückblickend auch meinen
Wählerinnen und Wählern danken . Ich bin in den letzten
vier Legislaturperioden immer direkt gewählt worden .
Bremen II - Bremerhaven ist ein guter Wahlkreis .
An dieser Stelle sage ich in Richtung meiner sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen: Das war meine
letzte Meldung, und ich habe mir geschworen, möglichst
nicht von der Seitenlinie aus zu kommentieren und irgendwelche Sätze abzusondern . Versprochen!
In diesem Sinne: Vielen Dank euch und Ihnen allen
und alles Gute für die 19 . Wahlperiode!
({4})
Alles Gute auf dem weiteren Weg . - Das Wort hat die
Kollegin Eva Bulling-Schröter für die Fraktion Die Linke .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Vier Jahre lang hat die Große Koalition der Energiewende Knüppel zwischen die Beine geworfen, damit regenerative Energien bloß nicht zu schnell wachsen .
({0})
Sie sagt das eine und tut das andere . Zu viel Strom aus
Sonne und Wind verhindern: Das war offensichtlich die
Devise . Kohlemeiler in Konzernhand wurden geschützt .
Vorgeschoben wurden angeblich hohe Kosten beim Erneuerbare-Energien-Gesetz, gleichzeitig aber wurden
größtenteils unsinnige Ausnahmen für die Industrie bei
der EEG-Umlage gewährt . Oder: Sie haben überdimensionierte Megatrassen beschlossen, die eine regionale
Energiewende behindern und die Menschen noch viel
Geld kosten werden .
Während in anderen Ländern der Ausbau der erneuerbaren Energien boomt wie nie, wird hierzulande der
Hahn zugedreht . Es wird gedrosselt und gedeckelt, wo
es nur geht . Die Quittung dafür bekommt die nächste
Bundesregierung dann, wenn sie 2020 die Klimaziele
krachend verfehlt . Das ist wahrlich keine nachhaltige Politik . Diesen Pfusch können wir uns nicht mehr leisten .
({1})
Auch das Mieterstromgesetz der Großen Koalition ist
wie ein Hindernisrennen konstruiert . Wer als Vermieter
eine Photovoltaikanlage auf ein Mehrfamilienhaus stellen will, um Mieterinnen und Mieter mit Strom zu beliefern, wird dafür bestraft . Die Wohnungsunternehmen
müssen dann Gewerbe- und Körperschaftsteuer zahlen,
und zwar auf ihr gesamtes Wohnungsgeschäft, das eigentlich steuerfrei ist . Der Staat verdient also am Mieterstrom, der eigentlich gefördert werden soll . Das versteht
kein normaler Mensch mehr .
({2})
Wir haben auf eine Regelung zum Mieterstrom lange
gewartet . Jetzt machen Sie sie zu halbherzig . Warum sind
zum Beispiel vermietete Gewerbeobjekte von der Förderung von Mieterstrom ausgenommen?
({3})
Wann wollen Sie endlich dafür sorgen, dass auf allen öffentlichen Gebäuden Photovoltaikanlagen stehen, damit
die Büros, Schwimmhallen, Rathäuser, Bibliotheken und
Kliniken vom ökologischen Strom profitieren?
({4})
Auch wenn das keine Mieter im eigentlichen Sinne sind,
ist hier doch ein riesiger Bedarf. Die öffentlichen Gebäude sind wahrlich kein Vorbild . Warum ist das wohl so?
Die Antwort ist: Sie haben immer noch Angst vor zu viel
Ökostrom . Sie sperren sich weiter vor einer ökologischen
Zukunft . Sie fügen der aufstrebenden Erneuerbare-Energien-Branche sogar Schaden zu .
Aktuelles Beispiel . Die mit der letzten EEG-Reform
eingeführten Ausschreibungen führen zu mehr Problemen, als man sich bislang ausmalen konnte . Gestern
mussten wir uns von der Bundesregierung im Wirtschaftsausschuss anhören, Ausschreibungen seien noch
weniger vorhersehbar als Wahlergebnisse . - Herzlichen
Glückwunsch zum großen Erneuerbare-Energien-Lotteriespiel!
({5})
Kollegin Bulling-Schröter .
Das haben Sie wirklich prima eingefädelt . Da kann ich
nur empfehlen: Schaffen Sie diesen schlimmen Murks
schnellstens wieder ab!
({0})
Sie haben die erneuerbaren Energien zu einem Spielund Experimentierfeld für Spekulanten gemacht . Das
lassen wir Ihnen nicht durchgehen . Man kann sich nicht
einmal über eine hohe Beteiligung von sogenannten Bürgerenergiegesellschaften freuen; denn sie sind vermutlich nur findige Konstruktionen von Rechtsanwaltsbüros
der großen Projektierer . Mit Akteursvielfalt hat das tatsächlich nicht viel zu tun .
Die Linke kritisiert seit der letzten EEG-Reform den
zu niedrigen Ausbaupfad bei Wind- und Solaranlagen .
({1})
Da haben wir recht; viele unterstützen unsere Position .
Aber selbst dieser Pfad ist jetzt durch den Schmarren,
den Sie mit den Ausschreibungen angerichtet haben, gefährdet . Kleinere Projekte der Bürgerenergie mit bis zu
18 Megawatt sollten nicht an Ausschreibungen teilnehmen müssen . Das ist EU-konform .
({2})
Es ist höchste Zeit, diesen Blödsinn der Großen Koalition wieder zu korrigieren und zu dem verlässlichen und
vernünftigen System zurückzukehren, das den Erfolg der
Energiewende herbeigeführt hat .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch ich werde dieses Hohe Haus verlassen - nach 20 Jahren . Ich wünsche
mir für die nächste Legislaturperiode viel Kraft - viel
Kraft, endlich eine Klimapolitik zu betreiben, mit der die
Klimaschutzziele eingehalten werden - das ist für zukünftige Generationen notwendig -; Kraft, das Nötige zu
tun und der Lobby und den großen Konzernen zu widerstehen; Herr Beckmeyer hat ja hier schon von Rückgrat
gesprochen .
({3})
Ich wünsche mir viel Kraft, um die ökologische Wende
sozial zu gestalten. Denn ich finde, das haben die Menschen in diesem Land verdient .
({4})
Kollegin Bulling-Schröter, auch Ihnen alles Gute . Sie
haben bei Ihrer letzten Rede das Angebot des Kollegen
Mindrup, diese zu verlängern, leider ausgeschlagen .
Aber auch mit seinem Beifall und dem Beifall aus allen Fraktionen noch einmal die besten Wünsche für alles
Kommende .
({0})
Das Wort hat der Kollege Thomas Bareiß für die
CDU/CSU-Fraktion .
({1})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Nachdem meine Vorredner ihre letzten Reden in diesem Haus
gehalten haben, möchte ich meinerseits und auch im
Namen meiner Fraktion Ihnen beiden für die gute Zusammenarbeit danken . In der Tat, es hat Spaß gemacht .
Nicht immer waren wir einer Meinung, aber ich denke,
wir haben immer versucht, das Land in der Sache voranzubringen . Der gute Wille war vorhanden . In diesem Sinne: Herzlichen Dank für die Zusammenarbeit und Ihnen
persönlich weiterhin alles Liebe und Gute .
Ich habe auch eine gute Nachricht: Ich hoffe, dass es
nicht meine letzte Rede sein wird,
({0})
sondern ich bewerbe mich wieder um einen Sitz in diesem Hohen Hause. Insofern hoffe ich, dass ich auch weiterhin von dieser Stelle aus zu Ihnen sprechen darf, zwar
nicht mehr in dieser Wahlperiode, aber hoffentlich in der
nächsten. Ich hoffe, dass ich dann wieder gemeinsam mit
den meisten von Ihnen auch unser großes Projekt der
Energiewende mit voranbringen darf .
Der Staatssekretär hat vorhin zu Recht damit eingeleitet, dass man auch in dieser Debatte eine kleine Bilanz
dessen ziehen kann, was wir in den letzten Jahren gemeinsam energiepolitisch erreicht haben . Frau Kollegin
Bulling-Schröter hat - bei aller Nähe und allem Dank für
die Zusammenarbeit - schon auch ein paar Dinge gesagt,
die mich wieder geärgert haben . Denn Sie haben gesagt:
Es wurde gedrosselt und gedeckelt; die Energiewende
wurde abgewürgt usw .
({1})
Das Gegenteil ist der Fall, liebe Frau Bulling-Schröter:
Die erneuerbaren Energien haben in den letzten Jahren
einen enormen Zubau erfahren . Allein in dieser Legislaturperiode haben wir von 2013 bis 2017 einen Zubau von
40 Prozent zu verzeichnen . Der Anteil der erneuerbaren
Energien an der Stromerzeugung beträgt inzwischen
33 Prozent . Das ist ein Zubau, der im Übrigen für eine so
große Industrienation wie unsere einzigartig in der Welt
ist .
Für dieses Jahr - manche mag es freuen, manche aber
auch nicht - wird auch ein Zubau von Onshorewindenergie von 5 000 Megawatt prognostiziert .
({2})
Auch das wird wieder ein Rekord sein . Insofern sind wir,
was den Zubau angeht, spitze, und ich glaube, die erneuerbaren Energien gehen weiter ihren Weg .
Wir haben in dieser Legislaturperiode auch wichtige
Weichenstellungen in der Systematik vorgenommen .
Wir haben vereinbart, die Ausschreibungen voranzubringen . Das ist ein ganz, ganz wichtiges Projekt, für das wir
schon lange gekämpft haben. Wir haben es geschafft, dass
durch die Ausschreibungen die erneuerbaren Energien
beim Zubau näher an den Markt herangeführt wurden,
dass wir punktgenauer steuern und dass beim angestrebten Anteil der erneuerbaren Energien von 80 Prozent ausgeschrieben wird, sodass der Preis nicht mehr vom Deutschen Bundestag, sondern vom Markt festgesetzt wird .
Was das bedeutet, haben wir bei der Offshorestrom‑
erzeugung gesehen: Noch vor einem Jahr musste man
18 Cent für die Kilowattstunde zahlen, und heute haben
wir Gebote von 0 Cent . Das zeigt, dass der Weg in die
richtige Richtung geht und es auch da enorm viel Potenzial gibt . Wir stellen auch hier die Wirtschaftlichkeit wieder stärker in den Fokus .
Wir haben noch einen weiteren Punkt geregelt und die
Energiewende intelligent gestaltet . Wir haben die Digitalisierung mit einem ganz großen Paket vorangebracht .
Auch das ist etwas, was uns in die richtige Richtung führt .
Da mein Kollege Fuchs heute Morgen sehr impulsiv
die Bezahlbarkeit in den Mittelpunkt gestellt hat, wenn
wir als Industrienation auch zukünftig bestehen wollen,
ist es mir wichtig, zu betonen, dass wir auch bei dieser
Frage wichtige Punkte erreicht haben . Wir haben gesagt:
Es macht doch keinen Sinn, dort erneuerbare Energien
auszubauen, wo keine Netze vorhanden sind . Deshalb
haben wir gesagt: Wir wollen die Synchronisation von
Netzen und dem Ausbau der erneuerbaren Energien; wir
wollen das besser zusammenbringen . Wir haben Netzausbaugebiete definiert und dort - in der Tat - den Zubau
gedrosselt .
Wir haben die Ostseequote eingeführt und festgestellt,
dass wir Tranchen von der Nord‑ in die Ostsee schaffen
müssen, damit auch dort eine größere Wirtschaftlichkeit
des Zubaus gewährleistet ist . Das waren schwierige Diskussionen, aber ich glaube, es war richtig, dass nicht einfach eine Energiewende nach dem Motto „Egal was es
kostet“ gemacht wird, sondern dass wir dort eine Energiewende machen, wo es Sinn ergibt, eine Energiewende,
die wirtschaftlich und finanzierbar gestaltet und umgesetzt wird .
Ein weiterer Punkt ist die Energieeffizienz. Es wird
immer gesagt: Da passiert nichts . - Ich will diese Debatte nutzen, um darauf hinzuweisen, dass wir bis 2020
17 Milliarden Euro in die Energieeffizienz investieren.
Auch das ist Rekord .
Wir haben noch ein paar Baustellen . Beim Gebäudeenergiegesetz zum Beispiel müssen wir noch etwas tun .
Bei den steuerlichen Anreizen haben wir nichts geschafft.
Das ist ärgerlich . Aber ich will jetzt keinen Schuldigen
ausmachen . Ich glaube, diese Schwarze-Peter-Spiele
bringen nichts . Wir müssen diese Hausaufgaben in der
nächsten Wahlperiode noch einmal angehen .
Ich will einen weiteren Punkt ansprechen, die
Kraft-Wärme-Kopplung . Ich will diesen Punkt auch
deshalb anführen, weil er beweist, dass das Parlament
Vizepräsidentin Petra Pau
sich durchaus auch gegenüber der Regierung behaupten
kann . Leider hat das Ministerium versucht, die KWK
stark zurückzudrängen, aber wir im Parlament haben gesagt: Wir wollen auch zukünftig KWK haben . - Das war
richtig . Wir hätten durchaus noch mehr machen können .
Das zeigt, dass wir als Parlament richtige und wichtige
Schwerpunkte setzen .
({3})
Mit dem heutigen Tag machen wir einen weiteren
Schritt in der Energiewende . Beim Thema Mieterstrom
gehen wir gemeinsam voran . Ich bin etwas irritiert gewesen ob der Pressemitteilung der Kollegen Westphal und
Saathoff, die behaupten: Das Gesetz kommt auf Initiative der SPD-Bundestagsfraktion . - Ich dachte immer,
dass wir hier gemeinsam Initiativen ergreifen und wir
gemeinsam voranschreiten . Das war übrigens ein Projekt
des Koalitionsvertrages . Insofern betrachte ich das ein
bisschen als unkollegialen Akt; aber es gibt andere, die
noch größer sind .
({4})
Ich sehe das als ein gemeinsames Projekt, das wichtig ist und das wir voranbringen müssen . Wir wollen die
Energiewende auch in die Städte holen . Ich glaube, dass
wir auch da einen ganz entscheidenden Schritt vorangehen .
Ich habe schon in meiner letzten Rede gesagt: Wenn
man sieht, wo die Solaranlagen in den letzten Jahren zugebaut wurden und wo nicht, dann stellt man ein krasses
Missverhältnis fest . Altötting, ein wunderschöner Landkreis im Süden unseres Landes mit 108 000 Einwohnern,
hat 182 Megawatt Solarenergie zugebaut, Berlin mit
3,5 Millionen Einwohnern nur 124 Megawatt . Da sieht
man, dass hier wirklich ein Missverhältnis besteht . Deshalb ist es richtig, dass wir jetzt auch beim Mieterstrom
vorangehen .
Mieterstrom ist heute schon günstig, 11 Cent günstiger als Normalstrom . Er ist vom Netzentgelt befreit, er ist
von der Stromsteuer befreit, aber er ist noch nicht für diejenigen wirtschaftlich, die das Konzept umsetzen wollen .
Deshalb packen wir 2,2 bis 3,8 Cent je Kilowattstunde
obendrauf, um vor Ort die Anreize zu schaffen und Mieterstrom möglich zu machen . Die Potenziale sind groß .
3,8 Millionen Haushalte können, wenn sie wollen, daran
teilnehmen . Das wird auch dazu führen, dass der Solarausbau, der ein bisschen niedriger ist, als unsere Zielkorridore vorsehen, einen Anreiz erfährt .
({5})
Das ist ein ganz entscheidender Schritt, um Glaubwürdigkeit in der Energiewende zu erzielen .
Drei Punkte waren uns im Gesetzgebungsverfahren
wichtig, die ich spiegelstrichartig nennen will .
Der erste Punkt ist: Wir wollen die Kosten für die Verbraucher deckeln . Wir wollen, dass die Kosten nicht aus
dem Ruder laufen wie bei vielen anderen Projekten . Deshalb haben wir einen großzügigen Deckel von 500 Megawatt eingebaut . Das wird die Verbraucher, die nicht daran teilnehmen, maximal 370 Millionen Euro kosten . Das
war für uns ein ganz wichtiger Baustein .
Der zweite wichtige Baustein ist, dass die Mieter Vertragsfreiheit haben und nicht der Vermieter, der Eigentümer, dem Mieter vorschreiben kann, welchen Strom er
abnehmen muss . Auch das war ein ganz wichtiger Punkt,
der sich aus der Anhörung ergeben hat .
Der dritte Punkt ist, dass die Eigentümer auch Gebäude in der räumlichen Nähe nutzen können . Ein KWKPort kann entsprechend eingebunden werden, inklusive
einer Elektrotankstelle im Keller oder in der Garage .
Auch das ist ein wichtiger Baustein gewesen, den wir im
Gesetzgebungsverfahren eingefügt haben .
Zusammenfassend darf ich sagen: Mieterstrom ist
eine weitere Chance für die Energiewende . Das Gesetz
ist klug, vernünftig und wirtschaftlich ausgestaltet . Ich
glaube, dass wir damit einen weiteren wichtigen Schritt
gehen . Deshalb werden wir dem Gesetz auch zustimmen .
Die Energiewende wird uns weiter beschäftigen . Das ist
ein riesengroßes Technologieprojekt, wahrscheinlich das
größte Technologieprojekt unserer Zeit . Insofern glaube
ich, dass wir wahrscheinlich auch noch in den nächsten
Jahren und Jahrzehnten spannende Debatten zu diesem
Thema führen werden .
Herzlichen Dank .
({6})
Das Wort hat die Kollegin Dr . Julia Verlinden für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .
({0})
Da müssen Sie durch, Herr Fuchs . Das ist Demokratie .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Zum Ende der Legislaturperiode schließen
wir doch noch ein Mieterstromgesetz ab . Immerhin, Sie
haben einen Teil unserer Kritik aufgenommen .
({1})
So haben wir zwar immer noch keinen echten Quartiersansatz, aber immerhin besteht jetzt die Möglichkeit, dass
Mieterinnen und Mieter auch profitieren können, wenn
der Strom vom Dach des Nachbarhauses kommt .
({2})
Noch mehr Wirkung würde das Gesetz entfalten, wenn
Sie uns auch noch in den anderen Punkten gefolgt wären,
wenn Sie also auch gewerblich und öffentlich genutzte
Gebäude, Supermärkte, Bürohäuser, Einkaufszentren,
einbezogen hätten und wenn Sie gleichzeitig den Deckel,
die Obergrenze, Ihr Lieblingsprojekt in der Energiepolitik in dieser Legislaturperiode, gestrichen hätten .
({3})
Das nämlich hätte den Ausbau von Photovoltaik für Mieterstrom deutlich stärker gemacht . Wirklich schade ist,
dass Mieterinnen und Mieter in kleinen Häusern nicht
vom Mieterstrom profitieren werden, weil Ihre bürokratischen Vorgaben kleine Anlagen unattraktiv und unwirtschaftlich machen .
Aber Sie haben sich nun für dieses Gesetz entschieden, und zum Glück haben wir bald Wahlen . Mit anderen Mehrheiten werden wir dann die Chance haben, aus
diesem mittelmäßigen Mieterstromgesetz ein wirklich
gutes Gesetz zu machen, um noch mehr Mieterinnen und
Mieter profitieren zu lassen, damit es ein Gesetz wird,
das uns wirklich bei Klimaschutz und Energiewende voranbringt .
({4})
Mit dieser Gesetzesnovelle setzen Sie außerdem die
Regeln für Bürgerenergie bei den Ausschreibungen für
Windenergieanlagen an Land außer Kraft . Das Ergebnis der ersten Ausschreibungsrunde kam wahrscheinlich
für uns alle sehr überraschend . Viele Zuschläge gingen
an Projekte, die sich die Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz erst noch besorgen müssen
und nun zwei Jahre länger Zeit haben, um die Anlagen
aufzustellen . Die Gefahr ist nun, dass nicht alle eine Genehmigung bekommen und in zwei Jahren viel zu wenige
Windenergieanlagen gebaut werden . Das wäre natürlich
fatal; denn wir brauchen die Windenergie, um die Auswirkungen der Klimakrise zu minimieren .
({5})
Das Risiko für den Klimaschutz liegt natürlich nicht
nur an den verkorksten Regelungen für die Bürgerenergie, die Sie im Übrigen mit einer EU-rechtskonformen
De-minimis-Regelung ganz einfach und viel besser hätten gestalten können .
({6})
Nein, das Problem liegt vor allem auch daran, dass Sie einen viel zu niedrigen Ausbaudeckel insgesamt angesetzt
haben .
Nun kommt dazu, dass Sie sich noch immer weigern,
die Anlagen, die in der Ausschreibung einen Zuschlag
bekommen haben, aber dann doch nicht gebaut werden,
in die Ausschreibungen zurückzuführen und erneut auszuschreiben . Das wäre doch das Logischste .
Ich erkläre das an einem Beispiel . Das wäre so, als
ob Sie in Ihrem Betrieb zehn Stellen zu besetzen haben .
Da machen Sie eine Ausschreibung, führen Bewerbungsgespräche, und dann entscheiden Sie sich für zehn neue
Kolleginnen und Kollegen . Aber was geschieht, wenn
zwei von denen absagen? Dann sagen Sie doch auch
nicht: „Egal, dann muss ich halt mit acht neuen Mitarbeitern klarkommen, dann bleibt die Arbeit von den anderen beiden liegen“, sondern Sie versuchen es erneut und
schreiben die Stellen noch einmal aus .
({7})
Außerdem hätten Sie nun, da Sie von allen Bietern die
BlmSchG-Genehmigung vorab verlangen, für die Bürgerenergie zumindest die Sicherheitsleistung streichen
können . Denn eine Genossenschaft, die schon einige
100 000 Euro bis zur Erlangung der Genehmigung investiert hat, wird die Anlage auch bauen . Alles andere wäre
Geldverbrennung . Aber es ist eine besondere Herausforderung für die Bürgerenergie, die Sicherheitsleistung
vorab zur Verfügung zu stellen .
Aber hier sehen wir wieder, was das Motto der letzten vier Jahre Energiepolitik der Großen Koalition war:
Nehmt es den Bürgern, gebt es den Konzernen . - Während sich Ihre Politik in die Regelungswut eingefressen
hat, sind auf der anderen Seite die CO2-Emissionen sogar
gestiegen . Noch einmal zum Mitschreiben: Die Emissionen 2016 sind gestiegen .
Herr Bareiß, Deutschland ist noch weit davon entfernt,
die Vorgaben der EU bis 2020 zu erreichen . Da geht es
nämlich nicht nur um Strom, sondern um die Gesamtenergie, bei der Sie einen Anteil mit erneuerbaren Energien zur Verfügung stellen müssen .
({8})
Anstatt sich um den Kohleausstieg zu kümmern oder
Herrn Dobrindt daran zu erinnern, dass auch sein Verkehrsministerium mit der Energiewende zu tun hat, anstatt die Erneuerbaren und Energieeffizienz auch bei der
Wärme voranzubringen, haben Sie lieber die Bürgerinnen und Bürger ausgebremst, die wirklich bei der Energiewende mitmachen wollen . Das ist die bittere Bilanz
der letzten vier Jahre . So kann es doch nicht weitergehen .
Wenn wir das Pariser Klimaschutzabkommen einhalten wollen, wenn unsere Wirtschaft auch in den nächsten
Jahrzehnten Produkte herstellen soll, die angesichts der
weltweiten Modernisierung nachgefragt werden, muss,
liebe Kolleginnen und Kollegen, in der nächsten Legislaturperiode viel mehr kommen . Und das wird auch geschehen, wenn wir nach der Wahl endlich unsere grünen
Vorschläge umsetzen .
Vielen Dank .
({9})
Vielen Dank, Frau Kollegin Verlinden . - Als Nächstem erteile ich das Wort Josef Göppel für die CDU/
CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Es spricht für die politische Kultur in Deutschland, dass
der Bundestag trotz Wahlkampfgetöse ein solch fachlich
fundiertes, strategisch weitreichendes Gesetz auf den
Weg bringen kann .
({0})
Ich möchte zu Beginn deshalb vor allem denjenigen
danken, die Detailarbeit geleistet haben, nämlich den
Berichterstattern Thomas Bareiß, dem ich dafür danke,
pro Mieterstromgesetz gearbeitet zu haben, meinem jungen Kollegen Andreas Lenz und ganz besonders Johann
Saathoff, Klaus Mindrup sowie den anderen, die an diesem Gesetz mitgewirkt haben .
Endlich bekommen die Menschen in Mietshäusern
einen direkten Vorteil durch die erneuerbaren Energien .
({1})
Fast abgabenfrei können sie den Strom vom Dach des
Mietshauses beziehen, ohne Netzdurchleitungsgebühr,
ohne Stromsteuer und ohne Konzessionsabgabe entrichten zu müssen . Den Gemeinden, die nun etwas zu jammern beginnen, kann man sagen: Die Einnahmen, die sie
bei der Konzessionsabgabe verlieren, werden sie bei weitem durch zusätzliche Einnahmen aus der Gewerbesteuer, die aufgrund neu gegründeter Unternehmen erzielt
werden, kompensieren .
({2})
Allerdings wurden einige Bremsen eingebaut: die Begrenzung auf einjährige Verträge, die Begrenzung der
Anlagen auf 100 kW und die Volumenbegrenzung des
jährlichen Zubaus auf 500 Megawatt .
Ich vermute, dass die Mieter in Deutschland von diesem Gesetz sehr gerne Gebrauch machen werden . Aber
entscheidend wird sein, wie viele Anbieter sich letztlich
finden werden, die ein konkretes Angebot machen und
damit den Mieterstrom zur Wirkung bringen .
Gott sei Dank haben die Detailberatungen auch zwei
Öffnungen gebracht. Die Verbrauchsabrechnung verlangt
nicht von vornherein sogenannte intelligente Zähler, sondern kann in Form einer bilanzierten Summenabrechnung erfolgen . Das bedeutet in der Praxis eine große Erleichterung beim Einstieg in dieses Gesetz . Eine weitere
wichtige Öffnung ist, dass auch Gebäudeteile und Nebenanlagen einbezogen werden können . Ich sehe darin
einen Einstieg in eine Quartierslösung . Das ist natürlich
eine Aufgabe in der nächsten Legislaturperiode .
({3})
Diejenigen, die nun landauf, landab darüber jammern,
dass aufgrund des Mieterstroms zu wenig durch die öffentlichen Netze geleitet wird, sollten sich das Volumen
genau anschauen . Mit der Zubaugrenze von 500 Megawatt, also einem halben Gigawatt, erreichen wir gerade ein Vierhundertstel der in Deutschland installierten
Stromleistung . Das sind 0,25 Prozent . Angesichts dessen
kann man nicht sagen, dass die öffentliche Stromversorgung entsolidarisiert wird . Von den Leitungsnetzbetreibern erwarte ich nun echte Vorstöße - sachlich fundiert
und machbar - im Hinblick auf die Umstellung der Netzentgelte auf Leistungsbezug . Ich bin dafür, dass jeder
Strombezieher sich gut überlegen muss, wie viel Stromleistung er in der kältesten Winternacht noch aus dem
öffentlichen Netz braucht. Diese Stromleistung muss
er dann das ganze Jahr über bezahlen . Ich halte es aber
für falsch, dass man aufgrund der arbeitspreisbezogenen
Netzentgeltabrechnung den Eigenverbrauch und die Eigenversorgung politisch zu behindern versucht .
({4})
Auch da, liebe junge Kolleginnen und Kollegen, liegt
eine Aufgabe für die nächste Legislaturperiode vor Ihnen .
Im Übrigen - ich schaue meinen Kollegen Michael
Fuchs an - ist es Zeit, die Schlachten um die Energiewende zu beenden .
({5})
Es ist sicher so: Die Euphorie ist verflogen. Die Deutschen haben in den letzten Jahren ein nüchterneres Verhältnis zu den erneuerbaren Energien entwickelt,
({6})
und das ist auch gut so. Sie wollen die finanziellen Vorteile nutzen, die aus den gesunkenen Anlagekosten resultieren, und sie wollen vor allem ein Stück mehr Unabhängigkeit durch die Eigenversorgung . Für die deutsche
Volkswirtschaft wird sich das auszahlen .
Der Entwicklungsminister Gerd Müller hat am Dienstag dieser Woche auf einem Energiekongress den Startschuss für das Projekt „Grüne Bürgerenergie für Afrika“
gegeben . Es geht darum, Energiepartnerschaften mit
Afrika aufzubauen . Ein Solarunternehmer aus Kamerun
hat auf diesem Kongress gesprochen . Der Schlusssatz
seiner Rede war: Für uns ist alles, was aus Deutschland
kommt, stark; denn es funktioniert . - Wir haben ein derart großes Vertrauenskapital bei den erneuerbaren Energien und der Energiewende, das es für unsere Volkswirtschaft zu nutzen gilt .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der Meinungsvielfalt ist es oft schwer, zu entscheiden: Wie soll
ich mich verhalten? Welcher Weg ist der richtige? - Sie
wissen vielleicht, dass mein Beruf Förster ist . Ich habe in
meinem Leben durch Beobachtung eines gelernt: Immer
dann, wenn man sich mit einer Maßnahme den Kreisläufen der Natur nähert, dann liegt man richtig; denn das,
was sich in der Natur über Jahrmillionen herausgebildet
hat, zum Beispiel die Rhythmen der Natur, können wir
mit den erneuerbaren Energien aufgreifen . Ich denke dabei insbesondere an die Stabilität, die in der Bewegung
der Natur liegt .
({7})
Ich möchte das gerne mit einem Zitat illustrieren . Es
lautet: Wir setzen uns dafür ein, den Anteil erneuerbarer
Energien weiter deutlich anzuheben . Die umweltfreundliche Energieerzeugung ist auf dem Weg, eine volkswirtschaftliche Bedeutung zu erreichen, die sich mit der der
Automobilindustrie vergleichen lässt . Gleiches gilt für
das Exportpotenzial . - Wer das geschrieben hat? Das war
der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Joachim Pfeiffer 2005 in der Denkschrift Konjunktur
durch Natur angesichts der Regierungsübernahme von
Frau Merkel .
({8})
Lieber Kollege Joachim, ich darf dir jetzt diese Schrift
mit den besten Empfehlungen für die nächste Legislaturperiode überreichen .
({9})
Lieber Kollege Göppel, das war heute Ihre letzte Rede,
und Sie haben wieder deutlich gemacht: Sie haben Ihren eigenen Kopf . Wenn ich Wolfgang Bosbach zitieren
darf - so hätte er es wahrscheinlich ausgedrückt -: Hin
und wieder haben Sie bei uns quer im Stall gestanden . Aber Sie haben immer sachlich fundiert und detailgenau
Beiträge geliefert . Sie haben Brücken zu anderen Fraktionen gebaut und den Dialog gesucht . Dafür möchten wir
Ihnen von ganzem Herzen danken . Alles Gute, vor allem
Gesundheit!
({0})
Liebe Kollegen, jetzt erteile ich dem Kollegen Johann
Saathoff für die SPD‑Fraktion das Wort.
({1})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Keine Angst: Ich habe keine energiepolitische
Grundsatzrede vorbereitet, weil ich auch der Meinung
bin, dass Richtiges durch Wiederholen nicht richtiger
wird und Falsches durch Wiederholen nicht falscher
wird . Ich würde heute gern über das Mieterstromgesetz
reden, weil ich finde: Das ist ein Grund, zu feiern.
({0})
Zum Abschluss dieser Legislaturperiode beschließen
wir noch zwei wichtige energiepolitische Gesetze: morgen das Netzentgeltmodernisierungsgesetz und heute
das Mieterstromgesetz . Mit beiden Gesetzen wollen wir
noch vor der Wahl einen Schritt in Richtung mehr Gerechtigkeit gehen . Genau diese Richtung - mehr Gerechtigkeit - wird sich in der nächsten Legislaturperiode in
allen Bereichen, aber auch in der Energiepolitik verstetigen müssen .
Keine Frage: Der Mieterstrom ist ein Gewinn für die
Mieterinnen und Mieter in Deutschland, und er ist auch
ein Gewinn für die Energiewende insgesamt .
({1})
Menschen, die nicht über ausreichend finanzielle Mittel
für Immobilien verfügen, können nun erstmals direkt und
aktiv an der Energiewende partizipieren . Man mutt sük
um de lüttje Lü kümmern, sagt man bei uns in Ostfriesland .
({2})
Das bedeutet:
({3})
Wir dürfen bei der Energiewende nicht nur die Investoren im Auge haben, sondern müssen vor allem an
die Menschen denken, die die Energiewende mit ihrer
Stromrechnung tragen .
({4})
Das ist schon allein aus Gründen des Erhalts der Akzeptanz der Energiewende enorm wichtig . Natürlich hätten
wir ohne den 500-Megawatt-Deckel noch mehr Menschen direkt einbinden können, und ich bin sicher, dass
die neue Koalition das auch machen wird - auf jeden
Fall, wenn wir Sozialdemokraten dabei sind .
({5})
Ich denke, man kann mit Fug und Recht sagen: Dieses
Gesetz ist ein Meilenstein sozialdemokratischer Energiepolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen .
({6})
Durch dieses Gesetz können die Mieter den erneuerbaren Strom von der PV-Anlage auf dem Dach des Mietshauses beziehen, und nicht nur das . Dieser grüne Strom
muss für die Mieter auch günstiger sein . Er darf maximal
90 Prozent des jeweiligen Grundversorgungstarifs kosten . Damit können wir sehr viel mehr Menschen an der
Energiewende partizipieren lassen, und damit wird die
Energiewende ein kleines Stück gerechter .
({7})
Man könnte auch sagen: Erneuerbare für alle! Gleichstellung und Gerechtigkeit werden in diesen Tagen viel
diskutiert . Hier tun wir etwas für mehr Gerechtigkeit und
Gleichstellung von Mietern und Eigenheimbesitzern .
Darüber hinaus gibt es einen weiteren wichtigen Impuls durch dieses Gesetz . Die Erneuerbaren wurden bisher vornehmlich in ländlichen Räumen produziert . Das
hat deutliche Vorteile für die ländlichen Räume gebracht,
zum Beispiel für die beteiligte Landwirtschaft, zum Beispiel für die Kommunen über die Gewerbesteuer, zum
Beispiel für die an den Projekten der erneuerbaren Energien beteiligten Bürgerinnen und Bürger . Aber es gab
auch - das muss man an dieser Stelle sagen - negative
Einflüsse und Bedenken der Menschen. Zum Beispiel
machen sich die Bürgerinnen und Bürger zunehmend
Sorgen, was die Veränderung des Landschaftsbildes
anbetrifft. Einige Bürgerinnen und Bürger machen sich
auch Sorgen um gesundheitliche Beeinträchtigungen
durch die Windenergie, zum Beispiel durch Schall und
Schattenwurf bei zu geringen Abständen . Zudem entsteht
mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien zunehmend
eine neue Herausforderung, der wir begegnen müssen .
Da die Erneuerbaren in der Regel dort erzeugt werden,
wo kaum Verbraucher zu finden sind, entstehen neue Herausforderungen beim Netzausbau .
Durch dieses Gesetz tragen wir die Energiewende
über die ländlichen Räume hinaus in die Städte, und damit begegnen wir der Netzausbauproblematik zumindest
ein kleines Stückchen .
({8})
Dass dieses Gesetz möglich wurde, liebe Kolleginnen
und Kollegen, verdanken wir den Verhandlungen zum
EEG 2017 mitten in der Nacht; ich kann mich gut daran
erinnern . Zunächst wurde nur eine Verordnungsermächtigung normiert . Schnell war klar: Ein Mieterstromgesetz
muss her, da viele Bereiche außerhalb der Energiepolitik zu regeln sind, zum Beispiel - das will ich an dieser
Stelle nennen - der Verbraucherschutz . Die Mieter dürfen nicht zur Unterzeichnung eines Mieterstromvertrages
verpflichtet werden. Der Mietvertrag und der Mieterstromvertrag sind strikt voneinander getrennt . Die Mieterstromverträge dürfen den Mieter nicht länger als ein
Jahr binden und sind natürlich unabhängig vom Mietvertrag kündbar .
Wir hätten uns - das will ich an dieser Stelle sagen durchaus eine echte Quartierlösung wie beim KWKG
gewünscht .
({9})
Jetzt heißt es: Gebäude im unmittelbaren räumlichen
Zusammenhang. Das ist ein unbestimmter Rechtsbegriff
und, wie sogar Nichtjuristen wissen, extrem auslegungsbedürftig . Sollte einmal ein Jurist nachlesen wollen, was
die parlamentarische Intention war, ist das aus meiner
Sicht mindestens alles am Gebäude, was irgendwie miteinander verbunden ist, wie gesagt: mindestens .
({10})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Erfahrungen
mit den Ausschreibungen im Zusammenhang mit dem
EEG 2017 haben uns gezeigt, dass wir auch in Bezug
auf Bürgerenergie ganz genau hinschauen müssen . Das
Mieterstromgesetz und dessen Wirkungen müssen in angemessener Zeit überprüft und gegebenenfalls angepasst
werden . Ich bin mir ganz sicher: Das wird die neue Koalition machen, egal wie sie zusammengesetzt ist .
Ich will mich abschließend herzlich bedanken bei
meinen Berichterstatterkollegen Thomas Bareiß und
Andreas Lenz . Wir haben - das kann ich, glaube ich, sagen - gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet und
manchen Strauß ausgefochten, was vielleicht nicht nötig gewesen wäre. Insgesamt war es, finde ich, eine sehr
angenehme Zusammenarbeit . Herzlichen Dank dafür!
Ich möchte mich auch bedanken bei Klaus Mindrup und
Josef Göppel . Auch ihr habt einen wesentlichen Anteil
daran gehabt, dass dieses Gesetz möglich geworden ist .
Last, but not least möchte ich mich beim BMWi und
natürlich bei unserem Parlamentarischen Staatssekretär
Uwe Beckmeyer bedanken . Herzlichen Dank für die supergute, konstruktive Zusammenarbeit . Alles Gute für
dich auf deinem weiteren Lebensweg .
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .
({11})
Herzlichen Dank . - Ich schließe die Aussprache .
Wir kommen zur Abstimmung über den von den Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Gesetzent-
wurf zur Förderung von Mieterstrom und zur Änderung
weiterer Vorschriften des Erneuerbare-Energien-Ge-
setzes . Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie emp-
fiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/12988, den Gesetzentwurf der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 18/12355 in der
Ausschussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
wollen, um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? -
Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zwei-
ter Beratung mit den Stimmen der Regierungskoalition
bei Enthaltung der Opposition angenommen .
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . -
Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Der
Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmergebnis wie
vorangegangen angenommen .
Wir kommen zur Abstimmung über die Entschlie-
ßungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, und
zwar zunächst zum Entschließungsantrag auf Drucksa-
che 18/13015 . Wer stimmt für diesen Entschließungsan-
trag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Enthal-
tungen gibt es keine . Der Entschließungsantrag ist mit
den Stimmen der Regierungsfraktionen abgelehnt .
Wir kommen zum Entschließungsantrag auf Druck-
sache 18/13016 . Wer stimmt für diesen Entschließungs-
antrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Enthaltungen
gibt es keine . Der Entschließungsantrag ist mit dem glei-
chen Ergebnis wie eben abgelehnt .
Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Wirtschaft und Energie zu dem parallel
eingebrachten Gesetzentwurf der Bundesregierung . Der
Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 18/12988, den Gesetzent-
wurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/12728 für
erledigt zu erklären . Wer stimmt für diese Beschlussemp-
fehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Enthaltungen
gibt es keine . Die Beschlussempfehlung ist einstimmig
angenommen .
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15 a und 15 b auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine
Zimmermann ({0}), Susanna Karawanskij,
Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE
Für gleichwertige Lebensverhältnisse in allen
Regionen in Ost und West
Drucksache 18/11750
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
({1}) zu dem Antrag der Abgeordneten Susanna Karawanskij, Cornelia Möhring,
Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE
Forderung der Vereinten Nationen zu den in
der DDR geschiedenen Frauen sofort umsetzen
Drucksachen 18/12107, 18/12854
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst die
Kollegin Susanna Karawanskij für die Fraktion Die Linke .
({2})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Gäste! Wer nichts tut, der kann nichts
falsch machen . Wer etwas tut, der ist natürlich nicht vor
Fehlern gefeit . Aber einmal ehrlich: Ich verstehe nicht,
warum diese Koalition regelmäßig etwas tut und dabei
immer wieder den gleichen Fehler begeht, also mit vehementer Konstanz den Osten hinten runterfallen lässt .
Sie scheinen ja wirklich kein Stück lernfähig zu sein .
Ich möchte hier gar nicht detailliert auf das jüngste Beispiel, die bundeseinheitlichen Netzentgelte, eingehen .
Sie sollen ja vereinheitlicht werden, aber erst im Jahre 2022, und noch immer haben wir den Zustand, dass
eine drei‑ bis vierköpfige Familie im Osten rund 45 Euro
mehr zahlt als im Westen . Die Preisunterschiede haben
im letzten Jahr um 50 Prozent zugenommen . Die Bundesregierung hat es nicht geschafft, die Strompreisschere
zu schließen . Der Osten ist auch hier schlichtweg hinten
runtergefallen .
Der große Coup für den Osten sollte die Angleichung
der Ostrenten sein . Sie entpuppte sich als Bärendienst für
all diejenigen, die im Osten arbeiten und noch nicht in
Rente sind . Natürlich bekommen die Rentnerinnen und
Rentner jetzt mehr Geld . Darüber freuen sie sich . Darüber freuen wir uns natürlich auch . Aber mit dem Wegfall der Umrechnung in der Rentenformel werden jetzt
all diejenigen zusätzlich bei der Rente benachteiligt, die
im Osten arbeiten . Sie werden damit eigentlich Opfer einer immer noch bestehenden Lohnungleichheit . Wer also
heute im Osten arbeitet, hat meistens nicht nur weniger
Geld, sondern bekommt dafür auch noch weniger Rente .
({0})
Sie akzeptieren damit nicht nur die Ungleichheiten und
Ungleichwertigkeiten, die vielleicht in den 90er-Jahren,
also in den Nachwendejahren, irgendwie noch akzeptabel und nachvollziehbar waren, sondern schreiben diese
Ungleichheiten gleich noch für die folgenden Generationen fort und bürden die Lasten dafür dieser auf, einer Generation, die die deutsche Zweiteilung allenfalls
noch aus den Geschichtsbüchern kennt . Mir fällt, ehrlich
gesagt, kein vernünftiges Argument ein, warum mein
Cousin, der seine Ausbildung bei einem Unternehmen in
Stuttgart gemacht hat, dort gearbeitet hat, wieder in den
Osten zurückgekehrt ist, weil dort seine Familie ist, einen
Lohnunterschied in Kauf nehmen muss und später auch
noch bei seiner Rente, die er dann irgendwann einmal
genießen soll, benachteiligt wird .
({1})
Dieses Beispiel zeigt, dass die Bundesregierung nicht gewillt ist, dem Ganzen ein Ende zu setzen .
({2})
Ein weiteres Beispiel für die Untätigkeit der Bundesregierung ist die sogenannte Rentenüberleitung, die Sie
im Übrigen bezeichnenderweise Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz genannt haben . Dieses Gesetz sollte einen
Haken setzen hinter die Frage der Anerkennung ostdeutscher Biografien im Rentenrecht. Und doch gibt es da immer noch viele Ungerechtigkeiten, ob bei den Bergleuten
oder bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen . Das
Gleiche gilt auch für die zu DDR-Zeiten Geschiedenen .
Ich finde, es ist ein unhaltbarer Zustand, dass heute mehr
als die Hälfte der zu DDR-Zeiten geschiedenen Frauen
in Armut lebt . Viele Regelungen, die die geschiedenen
Frauen begünstigten, also freiwillige Beiträge bzw . Anwartschaftsgebühren oder schlichtweg die Versicherung
für mithelfende Familienangehörige, sind bei der deutschen Einheit einfach hinten runtergefallen . Aber das
kann man ändern . Das können wir hier ändern . Deshalb
fordere ich klipp und klar eine Entschädigung für diese
Frauen .
({3})
Ein gerechter Ausgleich an dieser Stelle wäre einer von
vielen notwendigen Schritten, um vor allen Dingen die
drohende und auch die bestehende Altersarmut ostdeutscher Frauen zu bekämpfen. Ich finde, es kann Sie
doch nicht kaltlassen, dass laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung ab dem Jahr 2036, also in noch nicht einmal 20 Jahren, jeder fünfte Neurentner von Altersarmut
betroffen sein wird.
Diese Ungleichwertigkeiten, diese Ungerechtigkeiten
sind reell da, und sie spiegeln sich auch in einem Empfinden wider.
({4})
Fast die Hälfte der Sachsen - auch ich komme aus diesem
Bundesland - stimmte beim „Sachsen-Monitor 2016“
der These zu, dass nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten vielfach neues Unrecht geschaffen
Vizepräsidentin Michaela Noll
worden sei . Aus der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen, die
mit der DDR überhaupt nichts mehr zu tun haben, sagen
26 Prozent, dass die persönlichen Nachteile aus der Wiedervereinigung überwiegen . Das sind im Übrigen mehr
als bei den 60- bis 69-Jährigen, die die DDR noch miterlebt haben .
({5})
Von den gut 400 000 Berufspendlern machen sich nur
158 000 Arbeitnehmer aus den alten Bundesländern regelmäßig auf den Weg über die innerdeutsche Grenze .
Von den mehr als 133 000 Pendlern aus Sachsen arbeiteten im Jahr 2016 mehr als 68 000 in den alten Bundesländern . Das macht etwas mit den Leuten, mit den Familien;
das ist nicht banal . Es macht etwas mit den Strukturen,
mit den Städten, mit den Dörfern, mit den Vereinen,
mit der Zivilgesellschaft, mit dem Ehrenamt, wenn die
Menschen vor allen Dingen unterwegs sind, um ihren
Lebensunterhalt zu verdienen, anstatt die Zeit darauf zu
verwenden, sich dort zu engagieren, wo sie leben und wo
sie zu Hause sind .
Wir Linke sind in diesem Hohen Haus die einzige Partei, die einzige Kraft, die zuverlässige Adresse für ostdeutsche Interessen .
({6})
Für uns sind gleichwerte Lebensverhältnisse im Westen
wie im Osten, im Norden wie im Süden Ziel unserer Politik und nicht nur Lippenbekenntnisse . Deswegen fordern
wir zum Beispiel einen Solidarpakt III, dessen Mittel vor
allem in strukturschwache Regionen fließen sollen. Für
uns ist der Osten Chefsache . Wir hauen nicht ein paar
markige Sprüche raus, damit niemand hinten runterfällt .
Vielen Dank .
({7})
Vielen Dank, Frau Kollegin . - Ich erteile das Wort
dem Kollegen Albert Weiler für die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren auf den Tribünen! Werte Kolleginnen und
Kollegen! Ich musste an mich halten bei der Rede von
Frau Karawanskij . Bei uns in Thüringen regiert schon
seit einigen Jahren die Linke,
({0})
und die zu DDR-Zeiten geschiedenen Frauen haben des
Öfteren einen Ausgleich von der Landesregierung gefordert . Das ist ja ein Problem, das es nur in Ostdeutschland
gibt .
Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?
Die Linke ist aber nicht bereit, auch nur einen Pfennig
zu geben .
({0})
Man hört nur Ausreden vonseiten der Thüringer Landesregierung . Und was hier abgeht, ist nicht nur nicht schön,
sondern unredlich . Es ist schon unerträglich, was man
sich hier anhören muss .
({1})
Jetzt möchte ich einige Worte zur Rentenangleichung
sagen . Die Rentenangleichung in Ost und West haben
wir in sieben Schritten geschafft. In 27 Jahren haben wir
endlich auch die soziale Einheit geschafft. Als Thüringer
Bundestagsabgeordneter bin ich froh, dass die unionsgeführte Bundesregierung einen konkreten Fahrplan für
die Angleichung des Rentenwertes verabschiedet hat . In
Zukunft wird die Rente in Deutschland einheitlich berechnet. Davon profitieren in den neuen Bundesländern
über 6 Millionen Menschen, die derzeit in die gesetzliche
Rentenversicherung einzahlen .
({2})
Dieser Schritt ist dringend notwendig . Schließlich ist
das Rentensystem das einzige Sozialsystem in Deutschland, das bisher noch nicht angeglichen ist . Mit der
Rentenangleichung schaffen wir noch mehr Rentengerechtigkeit . Der Bund ist sich bei diesem Thema seiner
gesamtdeutschen Verantwortung bewusst . Der Bundeszuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung erhöht
sich zukünftig dauerhaft um jährlich 2 Milliarden Euro .
Damit werden die Beiträge zur Rentenversicherung auf
längere Sicht stabilisiert .
({3})
Die beschlossene soziale Einheit im Rentensystem
schafft auch mehr soziale Sicherheit im Alter.
({4})
Herr Kollege, es besteht noch Fragebedarf aus der
Fraktion Die Linke .
Natürlich, da werden noch mehr Fragen kommen .
Aber dann müssen Sie auch die Zeit anhalten .
So viele Fragen werden nicht mehr kommen, lieber
Kollege Weiler . Wenn Sie hier darstellen, dass die OstWest-Renten ab dem Jahr 2025 angeglichen sind, dann
muss ich Sie schon fragen: Ist Ihnen bewusst, dass man
im Osten im Durchschnitt bei Vollzeitbeschäftigung immer noch 25 Prozent weniger verdient? Renommierte
Forschungsinstitute belegen, dass es noch Jahrzehnte
dauern wird, die Löhne im Osten an die im Westen anzugleichen, und wir haben die Situation, dass wir diese
Hochwertung bzw . Umrechnung - wie immer man das
auch nennt - dringend brauchen, damit die Leute im
Osten nicht benachteiligt werden . Nehmen Sie auch zur
Kenntnis, dass diejenigen im Osten, die jetzt ins System
einzahlen, im Jahr 2025 - da gibt es Berechnungen der
Deutschen Rentenversicherung, die Sie sicherlich auch
kennen - bis zu 100 Euro weniger im Portemonnaie haben werden als die im Westen? Finden Sie das gerecht?
Frau Zimmermann, ich möchte gerne darauf antworten . - Ich war einer derjenigen, die gesagt haben: Vorsicht bei Gleichmacherei! Gerade Sie von der Linken
wollten gleiches Recht in Ost und West .
({0})
- Ja, genau, klatschen Sie ruhig . - Aber wenn man gleiches Recht fordert, dann muss man auch gleiches Recht
ernten wollen . Wir haben jetzt gleiches Recht, und gleiches Recht heißt: 100 Prozent in Ostdeutschland sind
100 Prozent in Westdeutschland; wenn man von 100 Prozent in Ostdeutschland spricht, meint man auch 100 Prozent in Süddeutschland und 100 Prozent in Norddeutschland .
Wir haben ein immenses Lohngefälle zwischen
Schleswig-Holstein und Südbayern . Es wird nie - darauf
komme ich nachher zu sprechen - gleiche Löhne in allen Teilen der Bundesrepublik geben . Dafür gibt es auch
nicht gleiche Lebenshaltungskosten . Wenn man in München eine Dreizimmerwohnung haben will, zahlt man um
die 2 000 Euro, wenn ich in Thüringen, bei mir im Dorf
in Milda, eine haben will, zahle ich Gott sei Dank nur
500 Euro .
({1})
Das sind 1 500 Euro Unterschied . - Das muss man dabei
auch bedenken .
Ihre Gleichmacherei - das muss ich ehrlich sagen hat genau zu dem geführt, was Sie jetzt bejammern . Ich
glaube, an dieser Stelle - an manch anderer Stelle auch sollten Sie sich etwas zurückhalten . Sie sollten sich auch
beim Beschimpfen anderer Parteien zurückhalten .
({2})
Das würde Deutschland helfen, das würde auch Thüringen helfen, es würde uns allen helfen, besonders hier im
Bundestag .
({3})
Die Rentenreform reiht sich in eine Vielzahl weiterer
Reformen ein, die unsere von Angela Merkel geführte Bundesregierung zur Stärkung des Rentensystems in
dieser Legislatur auf den Weg gebracht hat . Dazu gehört - das muss man in den Ohren klingen lassen - die
Ausweitung der Mütterrente, die Verbesserung der Erwerbsminderungsrente, die Einführung der Flexirente
und die Verabschiedung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes .
Meine Damen und Herren, Sie sehen, wir haben unser
bestehendes Rentensystem nachhaltig gestärkt; wir haben unsere Hausaufgaben ernst genommen . Wir haben
die gesetzliche Rentenversicherung verbessert, und sie
steht gut da .
({4})
Die Höhe der Renten hat sich sehr positiv entwickelt .
In den Jahren 2014 bis 2017 ist sie insbesondere in Ostdeutschland um bis zu 15 Prozent gestiegen . Den aktuellsten Zahlen zufolge wird sie in Ostdeutschland dieses
Jahr im Juli noch einmal um 3,59 Prozent steigen . Insgesamt nähert sich der Rentenwert im Osten damit weiter
an den Rentenwert im Westen an; er beträgt mittlerweile
schon 95,7 Prozent und steigt damit sogar schneller als
im Abschlussgesetz vorgesehen .
({5})
- Genau . - Unsere starke Wirtschaft und die erfolgreiche
Arbeitsmarktpolitik der von Angela Merkel geführten
Bundesregierung machen diese Steigerung möglich .
({6})
Meine Damen und Herren von der Linksfraktion, regen Sie sich wieder ab . Angesichts dieser positiven Entwicklung ist Ihr Antrag nichts als purer Populismus . Sie
versuchen hier wieder einmal, Ost gegen West auszuspielen, anstatt die gelungene Wiedervereinigung zu feiern .
({7})
Kurz vor der Wahl mit einfachen Lösungen auf Stimmenfang zu gehen, finde ich absolut unredlich. Sie fordern
in Ihrem Antrag wieder einmal Gleichmacherei, die den
vielfältigen Lebensverhältnissen in Deutschland eben
nicht gerecht wird .
Schon immer hat es in Deutschland Unterschiede gegeben - ich habe es eben schon gesagt -, und die Unterschiede wird es auch immer geben . Es macht eben
doch einen Unterschied, dass man in einem Ort, in dem
man vielleicht 100 Euro mehr verdient, vielleicht auch
300 Euro mehr zahlen muss, zum Beispiel für die Miete .
Sie wollen wieder eine Mauer, damit Sie alle Menschen aber nur nach Ihren Vorstellungen - gleichmachen können und niemand flüchten kann. Dies, meine Damen und
Herren, ist aber Gott sei Dank vorbei .
({8})
Meine Damen und Herren, ich komme nun zu einem
zweiten Antrag der Linken, der eine tatsächliche Ungerechtigkeit anspricht . Es geht hier um das Schicksal der
in der DDR geschiedenen Frauen und deren Rentenansprüche nach der Überleitung des DDR-Alterssicherungssystems in das bundesdeutsche Recht - ein Thema,
das mir schon lange auf den Nägeln brennt und mir persönlich sehr wichtig ist . In den letzten drei Jahren habe
ich den Verein der in der DDR geschiedenen Frauen in
meinem Wahlkreis in Gera viele Male besucht . Außerdem habe ich Briefe geschrieben, Telefonate geführt und
sogar die ehemals zuständige Ministerin auf diese Frage
persönlich angesprochen .
Sabine Zimmermann ({9})
Mein Ziel ist es, eine konstruktive und mehrheitsfähige Lösung bzw. Möglichkeit zu finden, das Anliegen
dieser Frauen umzusetzen .
Meine Damen und Herren, in der Vergangenheit wurden immer wieder viele Gründe aufgeführt, warum das
eben nicht gehen soll . Dazu gehört vor allem der Hinweis
auf das geltende Rentenüberleitungsgesetz . Aber leider
sind bis heute die Auswirkungen dieses Gesetzes für bestimmte Gruppen unbefriedigend . Der Verein der in der
DDR geschiedenen Frauen e . V . hat auf eindrucksvolle
Weise wiederholt auf das Anliegen der Betroffenen aufmerksam gemacht .
({10})
In Gesprächen mit vielen Abgeordneten und mit Ministerien haben sie sich für ihre Sache eingesetzt . Mit Petitionen sowie in mehreren Verfahren und Gerichtsprozessen
auf Landes- und Bundes- und sogar EU-Ebene haben sie
für ihre Sache gekämpft .
({11})
Dieses Engagement hat mich tief beeindruckt . Ich habe
großen Respekt vor den Leistungen jener Frauen, die oft
in hohem Alter viel Kraft aufwenden, um ihre Belange
durchzusetzen .
Weil mir dieses Thema sehr am Herzen liegt, habe ich
gemeinsam mit meinem Kollegen Tankred Schipanski in
einem Brief an die damalige Bundesministerin Schwesig
die Forderung gestellt, einen Lösungsentwurf zu erarbeiten . Dieser ist aus meiner Sicht angebracht . Mir liegt
mittlerweile ein Antwortschreiben von der Parlamentarischen Staatssekretärin, Frau Elke Ferner, vor . Dieses
Schreiben ist zwar fast drei Seiten lang, aber einen konstruktiven Vorschlag finde ich darin leider nicht.
({12})
Allerdings spielt die Staatssekretärin den Ball zurück
zum Bundessozialministerium, das aus ihrer Sicht für die
Rentenangelegenheiten federführend ist . Ich muss leider
feststellen, dass hier ein SPD-geleitetes Ministerium einem anderen die Verantwortung zuwirft,
({13})
ohne dabei auch nur ansatzweise einen Lösungsvorschlag zu präsentieren .
({14})
Das hilft den betroffenen Frauen nicht weiter. Der Hinweis auf künftige Wahlprogramme und ein Gesprächsangebot unter Ausschluss der engagierten CDU-Abgeordneten macht es dabei nicht viel besser .
Aus diesem Grund möchte ich heute an dieser Stelle
wiederholt selbst für einen Lösungsvorschlag werben .
Hören Sie zu! In unserem umlagefinanzierten Rentensystem leisten Mütter einen wichtigen Beitrag zum Generationenvertrag . Kindererziehungszeiten sollen daher
bei der Rente berücksichtigt werden . Dieser Gedanke ist
bereits bei der Mütterrente angewandt worden und sollte
nun auch Grundlage möglicher Lösungsvorschläge für
die Altersversorgung der in der DDR geschiedenen Frauen sein . Ein entsprechender kindbezogener Ausgleichsfonds wäre aus meiner Sicht hier eine sinnvolle Lösung .
({15})
Nach meinen Recherchen haben der Druck und die
Nachhaltigkeit der Forderungen der vielen in der DDR
geschiedenen Frauen und vielleicht auch der Druck von
Kollege Schipanski und mir dazu geführt, dass sich die
SPD jetzt doch einen Schritt nach vorne bewegt hat,
({16})
was mir spätestens für die nächste Legislatur Zuversicht
gibt .
Eine Kurzschlussreaktion, wie sie die Linke hier fordert, ist in einem Monat sicher nicht zu erreichen . Daher
kann ich dem vorliegenden Antrag leider nicht zustimmen .
Meine Damen und Herren, soziale Einheit bedeutet
auch, dass niemand in Deutschland bei der Rente ungerecht behandelt werden darf . Ich werde mich weiterhin
persönlich für eine gute Lösung in dieser Angelegenheit
einsetzen, damit den betroffenen Frauen auch nach so
langer Zeit endlich geholfen werden kann .
Vielen Dank .
({17})
Vielen Dank, Herr Kollege . - Bevor wir die Aussprache fortsetzen, erteile ich dem Kollegen Lenkert für die
Fraktion Die Linke das Wort für eine Kurzintervention .
Ich betone „kurz“; wir haben schon eine Stunde Verzug .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Herr Kollege Weiler,
wenn ich Sie so reden höre, könnte ich mir vorstellen,
Sie wissen überhaupt nicht, wer in den 24 Jahren von
1990 bis 2014 in Thüringen regiert hat . Das ist meine
erste Feststellung . In diesen Jahren hat die CDU dort regiert . Die CDU-geführte Landesregierung in Thüringen
hat mitnichten versucht, irgendetwas für die in der DDR
geschiedenen Frauen und für die Angleichung der Renten zu unternehmen . Das ist der erste Punkt .
({0})
Der zweite Punkt . Wenn ich Sie so reden höre, bin ich
mir nicht sicher, ob Sie Bundestagsabgeordneter sind .
Denn nach dem, was ich kenne, bestimmen wir, bestimmt
der Bundestag, welche Gesetze eingebracht und verabschiedet werden . Als Regierungsparteimitglied sollten
Sie wissen, dass Sie einen Gesetzentwurf schreiben und
die Regierung dazu bringen können, mit der Mehrheit
des Parlamentes das Gesetz zu ändern . Man schreibt keiHonD Albert Weiler
ne Briefe, sondern neue Gesetze, wenn man seine Arbeit
als Bundestagsabgeordneter ernst nimmt .
({1})
Der nächste Punkt . Sie sprechen bei diesem Antrag
zu den in der DDR geschiedenen Frauen von einer Hauruck-Aktion . Ich bin seit 2009 im Bundestag . Ich rede
jetzt nur über die Erfahrungen, die ich gemacht habe . Wir
haben diesen Antrag 2010 gestellt, wir haben ihn 2014 erneut gestellt, und wir haben ihn jetzt wieder gestellt; wir
haben ihn also mehrfach gestellt . Das als Schnellschuss
zu bezeichnen: Also, da weiß ich nicht, was bei Ihnen der
langsame Weg ist . Aber wahrscheinlich reden Sie auch
von einem Schnellschuss, wenn 2025 die nominelle Rentenanpassung endlich erfolgt, und das 35 Jahre nach der
Einheit . Das ist aber wahrlich kein Schnellschuss . Die
Betroffenen müssten 100 Jahre alt werden, um davon zu
profitieren.
Zum Vergleich der Preise, den Sie angeführt haben .
Sie haben Milda angesprochen . Sie wissen, direkt neben Milda liegt die Stadt Jena . Dort bekommt man keine
Wohnung für 500 Euro, sondern für 1 300 Euro . Deswegen ist es schon ein Problem, wenn man im Durchschnitt
23 Prozent weniger Gehalt erhält als in Schleswig-Holstein, dem Bundesland mit dem niedrigsten Lohnniveau
in Westdeutschland . Deswegen ist die Umwertung der
Löhne für die Rente zwingend erforderlich, solange wir
nicht wenigstens - und wir sind ja schon bescheiden 97 Prozent des Niveaus von Schleswig-Holstein erreicht
haben. All dies sollten Sie berücksichtigen und offen sagen .
Sie sind doch Mitglied der Regierungspartei, Sie sind
nicht in der Opposition . Machen Sie einen Gesetzentwurf, wenn Sie unserem Antrag schon nicht zustimmen .
({2})
Herr Kollege Weiler, wollen Sie darauf antworten?
Herr Kollege Lenkert, die CDU hat 24 Jahre in Thüringen regiert - das ist richtig -, aber wir haben auch
nicht so einen großen Rand wie Sie als Linke .
({0})
Sie hätten in Thüringen angesichts eines Überschusses
von 600 Millionen Euro im Jahr die Möglichkeit, für die
in der DDR geschiedenen Frauen etwas zu tun, aber Sie
tun es nicht . Sie machen in Thüringen an dieser Stelle gar
nichts . Sie wollen nur Windkraft im Wald und Sie wollen
Gebietsreformen durchsetzen, und zwar gegen den Willen der Bürger .
({1})
Sie wollen die vielen Millionen, die in der Vergangenheit
erwirtschaftet worden sind, nicht ausschöpfen, sie wollen
sie nicht an die Kommunen und an die Bürger weitergeben . Ihnen geht es um Ideologie . Sie führen Gebietsreformen durch und geben das Geld für Unsinnigkeiten aus .
Und Sie wollen uns hier belehren? Das ist eine absolute
Schande .
({2})
Wir setzen die Aussprache fort . Ich erteile nunmehr
das Wort Dr . Thomas Gambke für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich muss Sie
zu einer intellektuellen Leistung antreiben; denn ich will
jetzt das Thema aus einer ganz anderen Sicht, aus der
Sicht eines Unternehmers darstellen .
Sie haben ja recht mit der Feststellung, dass die Lebensverhältnisse in Ost und West unterschiedlich sind,
und Sie weisen auf die Verpflichtung hin, das anzugleichen, wobei es nicht nur Unterschiede zwischen Ost und
West gibt;
({0})
vielmehr gibt es auch sehr unterschiedliche Regionen im
Westen, auch teilweise im Norden, im Vergleich zum Süden der Bundesrepublik .
Schon allein die Überschrift „Gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen …“, die Sie gewählt haben, zeigt, dass Sie eben nicht alle Regionen in den Blick
nehmen, dabei müssten Sie auch die strukturschwachen
Gebiete in den anderen Teilen der Bundesrepublik in Ihrem Antrag berücksichtigen .
({1})
Sie schlagen drei Themen vor: langfristige Förderung
strukturschwacher Regionen, arbeitsmarktpolitische
Maßnahmen und Angleichung der Renten .
Erstens . Die Angleichung der Renten ist sicher ein
wichtiges sozialpolitisches Problem - Ihr sehr konkret
vorgetragenes Thema unterstützen wir -, aber das führt
nicht zu einer nachhaltigen Änderung oder Angleichung
der Lebensverhältnisse . Strukturelle regionale Wirtschaftsprobleme werden dadurch gar nicht adressiert und
auch nicht gelöst .
({2})
Zweitens . Über Ihre arbeitsmarktpolitischen Regelungen war ich doch einigermaßen erschrocken . Sie fordern
12 Euro Mindestlohn . Der Mindestlohn soll Lohndumping verhindern, aber doch um Gottes willen nicht zu
einem regierungsamtlich festgestellten Facharbeitereinheitslohn führen . Das wäre ein Rückfall in alte Zeiten .
({3})
Drittens . Die Forderung nach Förderung von strukturschwachen Regionen ist richtig, aber die spannende
Antwort auf die Frage: „Mit welchen Maßnahmen soll
das erfolgen?“, die beantworten Sie nicht . Einen solch
untauglichen Antrag können wir nur ganz klar ablehnen .
({4})
Aber, wie anfangs gesagt, es ist richtig, dafür zu sorgen, dass die Lebensverhältnisse in Deutschland nicht
weiter auseinanderdriften . Was kann man tun? Ich will
drei sehr konkrete Ansätze nennen - kleine, aber wichtige Punkte -:
Erstens: Bildung . Dafür müssen und können nur die
Länder die Verantwortung übernehmen . Eine gute und
praxisnahe Ausbildung verlangt heute aber auch - diesen
Punkt will ich setzen - nach einer leistungsstarken Informationstechnologie . Mir ist Folgendes aufgefallen: Jede
Schule hat einen Hausmeister . Er kümmert sich um das
Schneeräumen, um Sauberkeit und Ordnung - alles prima -, in der Regel wird er insbesondere für die Heizung
gebraucht . Die moderne Informationstechnik lässt es zu,
dass man das heute dezentral macht . Aber: Wenn Sie in
den Schulen nachfragen, erfahren Sie, dass die Informationstechnik oft in den Händen eines fast pensionierten,
eines relativ alten Lehrers liegt - oder einer Lehrerin -,
der oft ehrenamtlich auf Basis einer sehr schwachen
Softwarestruktur arbeitet . Oft höre ich die Aussage des
Rektors oder der Rektorin: „Um Gottes willen, der darf
nicht krank werden und auch nicht in Rente gehen; denn
dann fällt meine Infrastruktur im Bereich Informationstechnik zusammen .“ Ich würde mir wünschen, dass dieses Hohe Haus etwas auf den Weg bringt, um die Informationstechnik in den Schulen flächendeckend und vor
allen Dingen in den Regionen auf einen besseren Stand
zu bringen . Es gibt einige in diesem Bereich leistungsfähige Schulen, aber eben nicht flächendeckend. Das wäre
auch eine Maßnahme zur Stärkung der Regionen .
({5})
Die zweite konkrete Anregung: Wir könnten etwas im
Bereich der Unternehmensgründungen tun . Wir haben in
Landshut ein kommunales Technologiezentrum gegründet. Wir haben es geschafft, junge Start‑up‑Unternehmen
aus München und Augsburg zu uns zu holen . Wir Grüne
haben vorgeschlagen - leider ist dieses Haus uns nicht
gefolgt -, jungen Unternehmern einen Gründungszuschuss von 25 000 Euro zu gewähren . Niedrige Lebenshaltungskosten, stau- und staubfreie Innenstädte werden
zunehmend interessant . In Niederbayern sagen mehr junge Familien neuerdings - das haben wir in einer Umfrage
herausgefunden -, dass sie nicht nach München, sondern
in die Region ziehen wollen . Diese Familien müssen wir
unterstützen . Wir können sie unterstützen, indem wir ihnen attraktive Arbeitsplätze in der Region bieten . Darauf
müssen wir uns konzentrieren .
({6})
Die dritte Anregung betrifft das Thema Digitalisierung . Wir können heute die erheblichen Chancen der Digitalisierung nutzen, zum Beispiel für einen internetgestützten öffentlichen Nahverkehr. Ich habe das Berliner
Start-up-Unternehmen Door2Door nach Freyung gebracht . Das werden Sie nicht kennen; das ist eine kleine
Gemeinde im Bayerischen Wald . Diese Gemeinde will
einen internetgestützten öffentlichen Nahverkehr organisieren, durch den Jugendliche und alte Menschen auf
einmal beweglich werden. Bisher waren sie vom öffentlichen Nahverkehr praktisch ausgeschlossen, weil es zu
wenige Verbindungen gibt und die Verkehrsmittel nicht
vor der Haustür halten .
Eine Unterstützung solcher Maßnahmen hätte ich mir
von Ihnen gewünscht . Das alles kann man machen .
({7})
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, vielleicht wissen Sie es: Ich habe 25 Jahre in
der Wirtschaft gearbeitet . Dorthin will ich wieder zurück,
nach acht sehr spannenden Jahren hier in der Politik .
Keine Angst, es folgt keine lange Rede; denn ich bin als
Unternehmer doch etwas mehr handlungs- und weniger
sendungsorientiert .
({8})
Ich will mich an dieser Stelle also nur bedanken, und
zwar bei meiner Fraktion für die gute Zusammenarbeit
und für die lebendigen Debatten, aber auch bei Ihnen,
liebe Kolleginnen und Kollegen, für manch gute Debatte,
dafür, dass in der Regel sehr viel Respekt voreinander
und vor der Meinung des anderen herrschte . Außerdem
möchte ich mich bedanken bei den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern in meinem Büro und in der Fraktion, aber
auch bei den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in
der Bundestagsverwaltung, die diesen Apparat am Laufen halten . Ich verabschiede mich, wünsche Ihnen alles
Gute für die Zukunft und bedanke mich für die Aufmerksamkeit .
Vielen Dank .
({9})
Vielen Dank, Herr Kollege Dr . Gambke . Ich sage
auch herzlichen Dank im Namen des ganzen Hauses .
Zwei Legislaturperioden lang haben Sie Ihre praktische
Erfahrung als Unternehmer eingebracht . Der Mittelstand
war bei Ihnen immer im Fokus, ebenso moderne Themen wie die Digitalisierung . Dabei ging es Ihnen immer
um die Frage: Wie stellen wir uns auf? Ferner weiß ich,
dass Sie eine besondere Affinität zu der Parlamentariergruppe ASEAN haben . Auf Ihren Rat müssen wir jetzt
leider verzichten . Ich wünsche Ihnen alles Gute für die
Zukunft . Danke schön .
({0})
Wir machen weiter in der Aussprache . Als Nächste hat
das Wort die Kollegin Daniela Kolbe für die SPD-Fraktion .
({1})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich bin bei dieser Rede heute ein bisschen
aufgeregt . Das liegt nicht so sehr an der Debatte selber,
sondern ich habe gerade das erste Mal überhaupt meine kleine Tochter in der Kinderbetreuung des Deutschen
Bundestages untergebracht und hoffe, dass das alles gut
klappt . Deswegen bin ich an einem zügigen Verlauf der
Diskussion interessiert .
({0})
Ich will mich aber bei der Verwaltung des Bundestages
bedanken, dass das möglich ist . Das ist totaler Luxus,
wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
geht .
Wir sind damit schon ein bisschen beim Thema der
in der DDR Geschiedenen . Denn es ist klar, dass die
staatlichen Rahmenbedingungen sehr wohl die Umstände beeinflussen können, wie Frauen - und insbesondere
Mütter - ihr Leben gestalten bzw . was für ein Leben sie
während der Zeit des Rentenbezugs führen können .
Ich will mich deswegen heute auf die in der DDR
Geschiedenen fokussieren. Im Antrag wird zutreffend
geschildert, dass Frauen, die sich zu DDR-Zeiten haben
scheiden lassen - gerade wenn sie viele Kinder erzogen
haben und, was durchaus vorgekommen ist, auch ausgestiegen sind -, bei der Wiedervereinigung zum Teil
massive, frappierende Nachteile erlitten haben . Sie haben quasi das Schlechte aus beiden Systemen abbekommen . Das DDR-Rentenrecht kannte Bevorzugungen von
Frauen und Müttern . Diese sind mit der Wiedervereinigung weggefallen . Die DDR kannte aber keinen Versorgungsausgleich. Das heißt, die betroffenen Frauen haben
keine Anwartschaften von ihren Exmännern übertragen
bekommen .
Das führt dazu, dass wir heutzutage sehr viele schlimme Geschichten hören . Ich selber beheimate sozusagen
die Treffen meiner lokalen Gruppe des Vereins. Es wird
einem mulmig, es wird einem ganz anders, wenn man
die Geschichten von einem Leben voller Arbeit, voller
Kindererziehung hört . Man vertraute voll auf die Ehe und
arbeitete im Betrieb mit . Und heute stehen diese Frauen
mit Niedrigstrenten da und gehen aus Scham nicht zum
Sozialamt .
Tatsächlich hat uns der UN-Ausschuss zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau ins Stammbuch geschrieben, der Bundestag solle tätig werden . Wir als SPD
wollen das auch tun, und zwar nicht nur bezogen auf die
in der DDR Geschiedenen, sondern auch auf andere betroffene Gruppen. Uns ist das wichtig. Denn wir wissen:
Ganz viele Menschen in der ehemaligen DDR haben
noch heute das Gefühl, dass ein Teil ihrer Lebensleistung
überhaupt nicht anerkannt wird . Sie fühlen sich sozusagen so, als würde vieles von dem, was sie geleistet haben,
überhaupt nicht wichtig genommen .
Wir wollen dieses Thema angehen und haben deswegen in unser aktuelles Regierungsprogramm eine Fondslösung hineingeschrieben . Wir sind damit - ich habe es
noch einmal nachgelesen - im Vergleich zum Programm
der Linken konkreter . In deren Programm steht lediglich,
man wolle Lebensleistung anerkennen . Auch in Ihrem
Antrag ist es nebulös . Wir wollen Fehler korrigieren .
({1})
Also ich finde, wir als SPD können durchaus stolz sein.
Wir sind hier sehr konkret und wollen das Thema angehen .
({2})
Uns ist klar: Es ist kompliziert .
Es kann nicht wirklich nicht Ihr Ernst sein, dass Sie
uns in Bezug auf den Antrag hinsichtlich der in der DDR
Geschiedenen heute beschließen lassen wollen, dass die
Bundesregierung morgen, am 30 . Juni 2017, einen Masterplan vorlegen soll . Das ist wirklich ein bisschen albern .
({3})
Ich fände es vielmehr gut, wenn Sie einmal ganz konkret formulieren würden, was Sie für diese Gruppe tun
wollen . Herr Weiler, ich habe Ihren Vorschlag noch nicht
richtig verstanden .
({4})
- Den können Sie mir erklären . Erklären Sie ihn aber
vor allen Dingen der Bundeskanzlerin, erklären Sie ihn
denjenigen, die beim nächsten Mal bei den Koalitionsverhandlungen mit dabei sind . Wir haben nämlich bei
den letzten Koalitionsverhandlungen das Thema Härtefallfonds behandelt . Der ist - jetzt verrate ich einmal ein
Geheimnis - nicht an meiner Fraktion gescheitert .
({5})
Es ist also kompliziert, hier wirklich etwas zu tun . Das
ist - ich komme noch einmal auf die in der DDR Geschiedenen zurück - aus verschiedenen Gründen so, aber
auch deshalb, weil die Gruppe sehr heterogen ist .
({6})
Hier im Raum sitzt zum Beispiel eine in der DDR Geschiedene, nämlich Iris Gleicke . Um die müssen wir uns
sicherlich keine Sorgen machen . Aber für viele der Frauen, die sich organisieren und für ihre Rechte kämpfen,
müssen wir wirklich etwas tun .
Vizepräsidentin Michaela Noll
Ich nutze die Gelegenheit, über diese in der DDR geschiedene Frau noch etwas zu sagen . Sie hat ihre letzte
Rede irgendwann spätnachmittags am letzten Freitag gehalten . Ich muss sagen, das ist mir ein bisschen zu wenig .
Sie haben hier sehr viel schwarzgemalt, was das Thema
Ostdeutschland und Ost-West-Beziehungen angeht . In
den letzten vier Jahren war Iris Gleicke eine emotionale,
authentische und hartnäckige Kämpferin für die ostdeutschen Belange . Und Iris - das sage ich ganz persönlich -:
Du wirst in diesem Hohen Haus sehr fehlen . Ganz herzlichen Dank für dein tolles Engagement .
({7})
Sie sehen, Sie können sich darauf verlassen, dass die
SPD in Bezug auf die in der DDR Geschiedenen und
die anderen Gruppen tätig werden wird . Wir werden das
Thema in seiner ganzen Komplexität und nicht mit so einem Federstrich, wie die Linke das heute mit dem Antrag
tun möchte, angehen .
Insofern freue ich mich auf eine neue Runde und hoffentlich auf ein Wiedersehen - der Wähler hat natürlich
das letzte Wort - im Herbst -, und dann mit einem Koalitionsvertrag, wer auch immer ihn macht, in dem das
Thema Niederschlag findet. Wichtig wäre es.
({8})
Vielen Dank, Frau Kolbe . - Als Nächstem erteile ich
dem Kollegen Peter Weiß für die CDU/CSU-Fraktion
das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es erstaunlich, dass die Fraktion Die Linke
kurz vor Ende der Legislaturperiode noch einen Antrag
zu gleichwertigen Lebensverhältnissen in Ost und West
einbringt .
({0})
Die Linken sind in den Umfragen ja eher im Sinkflug,
und man hat den Eindruck, da soll jetzt dringend noch
ein Wahlkampfthema gesucht werden . Ich muss sagen:
Damit liegt sie völlig daneben .
({1})
Wir sollten in der Tat das machen, was von Ihnen vorhin
in der Debatte schon gesagt worden ist .
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Frage ist nicht, ob wir strukturschwache Gebiete im Osten
und im Westen haben, sondern es ist richtig: Wir haben
in Deutschland Gegenden im Osten wie im Westen, die
strukturschwach sind. Wir haben die Verpflichtung, etwas dafür zu tun, dass sich diese Regionen in der Zukunft
besser entwickeln können, als das in der Vergangenheit
der Fall war .
({2})
Politische Reden, die den Gegensatz zwischen Ost
und West weiter pflegen, sind nach 27 Jahren deutscher
Einheit schlichtweg daneben . Uns muss es darum gehen,
dass sich insgesamt in Deutschland alle Mitbürgerinnen
und Mitbürger darauf verlassen können, dass wir als
Politik das Notwendige tun, damit sich alle Regionen
Deutschlands gesund und wohlhabend entwickeln können .
({3})
Ich denke, dass gerade diese Bundesregierung mit ihrem Programm für strukturschwache Kommunen gezeigt
hat, dass wir das auch ernst nehmen . Mit dem Fonds,
den wir geschaffen haben, fördern wir strukturschwache
Kommunen bei Investitionen in Ost und West . Genau das
ist richtig, wenn man gesamtdeutsche Politik und keine
Spalterpolitik à la Fraktion Die Linke betreiben will .
({4})
Das gilt auch für das Thema Rente . Manchmal habe
ich den Eindruck, die Linke würde am liebsten das
DDR-Rentensystem wieder einführen, ein hochkompliziertes System mit unterschiedlichsten Regelungen .
({5})
Bei der deutschen Einheit haben wir Folgendes gemacht: Wir haben dieses System beendet und alle Mitbürgerinnen und Mitbürger in den neuen Bundesländern
in das gesamtdeutsche Rentensystem übernommen, was
eben nicht mit hundertfachen Sonderregelungen belastet
ist, sondern bei dem vor allem ein Prinzip gilt: Die Rente
ist lohn- und beitragsbezogen .
Mit dieser Integration in das gesamtdeutsche Rentensystem haben sich über 96 Prozent der Rentnerinnen und
Rentner im Osten bessergestellt als im alten DDR-Rentensystem .
({6})
Sprich: Die Rentnerinnen und Rentner waren zuallererst
die Gewinnerinnen und Gewinner der deutschen Einheit .
Daran führt kein Weg vorbei, wenn man sich die Zahlen
anschaut . Deswegen vertuscht diese Art von Polemik, die
von den Linken vorgetragen wird, was historische Wahrheit ist .
({7})
Diese Wahrheit fußt übrigens darauf, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Unternehmen
auch im Westen in einer großartigen Solidarleistung mit
ihren Beitragszahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung dafür gesorgt haben, dass wir die Rentnerinnen
und Rentner in den neuen Bundesländern besserstellen
konnten, als das im alten DDR-Recht der Fall war .
({8})
In der Tat zeigt das Thema „Geschiedene Frauen“, wie
ungerecht dieses System war . Bei uns im Westen ist es
seit vielen Jahrzehnten selbstverständlich, dass bei einer
Scheidung ein Versorgungsausgleich stattfindet, sprich:
Die in der Ehezeit erworbenen Ansprüche von Mann und
Frau werden zusammengerechnet und geteilt . Deswegen,
finde ich, müssten sich in einer solchen Debatte, die hier
beantragt worden ist, die Linken zuerst einmal dazu bekennen: Dieses System im Osten Deutschlands, in der
ehemaligen DDR, war ein ungerechtes System für die
dort geschiedenen Frauen .
({9})
Genau diesen Mut hat die Linke nicht . Das zeigt, wie zynisch sie mit dem Schicksal dieser Frauen umgeht .
({10})
- Nein . Das, was ihr macht, ist zynisch .
Nun ist in der Tat der Anlass für diese Debatte, dass
sich die in einem Verein organisierten Frauen auch an die
UN gewandt haben und die UN der deutschen Bundesregierung die Aufgabe gestellt hat, hierfür eine Lösung
zu suchen . Federführend dafür ist das Bundesfamilienministerium . Es ist schon bemerkenswert, dass der Verein
dieser Frauen festgestellt hat, dass sich eine Lösung im
Rentenrecht trotz allem Hin und Her nicht finden lässt.
Das ist zumindest schon ein großer Fortschritt gegenüber
früheren Debatten, in denen jeweils eine rentenrechtliche
Regelung, also eine Regelung zulasten der Beitragseinnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung, gefordert
worden ist .
({11})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, natürlich
haben wir in Deutschland unterschiedliche Lohnniveaus .
Aber wir haben nicht nur ein unterschiedliches Lohnniveau zwischen Ost und West . Wir haben auch ein unterschiedliches Lohnniveau zwischen Nord und Süd . Ich
komme aus Baden-Württemberg . Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Schleswig-Holstein verdienen
im Durchschnitt rund 25 Prozent weniger als die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Baden-Württemberg .
({12})
Sie sind aber im gleichen Rentensystem .
Natürlich wünsche ich unserem neuen Ministerpräsidenten in Schleswig-Holstein, Daniel Günther, der gestern gewählt worden ist,
({13})
mit seiner Regierung Erfolg, damit er die wirtschaftliche
Entwicklung dieses Landes so voranbringt, dass der Abstand zu Baden-Württemberg aufgeholt wird .
({14})
- Kollege Rosemann, das geschieht nicht dadurch, dass
wir Baden-Württemberger zurückfallen . Wir schreiten
selbstverständlich auch weiter voran .
Allein dieser Hinweis zeigt Ihnen doch: Es geht bei
diesem Thema nicht darum, wo weniger verdient wird
und wie die Durchschnittslöhne sind . Vielmehr geht es
darum, dass wir in Deutschland - das ist einfach ein
Fakt - ein einheitliches Rentensystem für alle haben, es
aber Regionen gibt, in denen durchschnittlich mehr, und
Regionen, in denen durchschnittlich weniger verdient
wird . Deswegen ist es richtig, dass wir nun nach 27 Jahren deutscher Einheit auch bei der Berechnung der Rente
ein einheitliches System in Ost und West einführen und
Deutschland bei der Berechnung von Rente nicht teilen .
({15})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in dem Wolkennebel linker Reden geht unter: Die Linke will das
Gegenteil . Die Linke will die Teilung Deutschlands im
Rentenrecht auf Jahrzehnte weiter beibehalten . Das wäre
die Konsequenz der linken Reden .
({16})
- So ist das . Das ist die Konsequenz . - Gleiches Rentenrecht in Ost und West, in ganz Deutschland, muss
bedeuten, dass mir mit jedem Euro, den ich als Beitrag
in die Rente einzahle, in Ost und West die gleichen Entgeltpunkte gutgeschrieben werden und dass am Schluss,
wenn ich in Rente gehe, das, was sich auf meinem Rentenkonto angesammelt hat, in Ost und West mit dem
gleichen Betrag multipliziert wird . Genau das ist das Ziel
der nun in sieben Schritten zu erfolgenden Rentenangleichung in Ost und West .
({17})
Deswegen halte ich fest: Es ist diese Koalition, die in
dieser Legislaturperiode das geschafft hat, worüber jahrzehntelang diskutiert worden ist. Wir schaffen endlich
die Renteneinheit in Ost und West . Das ist wirklich ein
Erfolg, den wir hinbekommen haben . Das zeigt: Arbeit
in Deutschland ist überall gleich viel wert, auch in der
Rente .
Vielen Dank .
({18})
Peter Weiß ({19})
Vielen Dank, Herr Kollege Weiß . - Als Nächster spricht für die SPD-Fraktion der Kollege Bernhard
Daldrup .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Ich will ein bisschen an die
Art und Weise, wie Herr Gambke über dieses Thema gesprochen hat, anknüpfen, statt nur über Rente und Arbeit
zu sprechen; denn das Thema der heutigen Debatte lautet: gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West .
Was meinen wir eigentlich, wenn wir über Gleichwertigkeit reden? Das ist nichts anderes als die räumliche
Seite des Sozialstaatsprinzips . Es geht nicht um Gleichmacherei, sondern um die Betrachtung von Lebenschancen in ganz unterschiedlichen Bereichen: Bildung, Wohnen, Arbeit, Mobilität, selbstverständlich auch Rente; das
ist keine Frage . Aber im Kern ist mit Gleichwertigkeit
von Lebensbedingungen in allen Teilräumen des Landes
gemeint, dass die Menschen gleiche Chancen und die
gleiche Freiheit haben, ihre eigenen Ziele zu verwirklichen . Deswegen ist sozusagen dem Befund des Antrags
der Linken gar nicht zu widersprechen . Wenn die Schere
zwischen Arm und Reich, regional oder zwischen einzelnen Gruppen auseinandergeht, dann ist das schlecht für
die gesamte Gesellschaft . Deswegen ist es auch richtig,
dass der Bund aufgefordert wird, hier etwas zu tun .
Aber dann machen Sie etwas, was ich überhaupt nicht
verstehe . Denn Sie führen wieder weitgehend eine alte
Ost-West-Auseinandersetzung - in dem Antrag ist sogar
von „DDR“ die Rede -, suchen ein paar prekäre Unterschiede heraus und wollen sich im Grunde genommen
doch nur selbst zum Gralshüter ostdeutscher Interessen
machen . Das macht den Antrag schlecht; das macht ihn
schwach . Denn das sind Sie nicht, schon gar nicht Sie
alleine .
({0})
Gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilräumen
des Landes heißt ja nicht gleichwertige Lebensverhältnisse in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland .
Das ist ein großer Unterschied .
Sie beziehen sich auf Arbeitsmarkt und Rente - dazu
ist schon einiges gesagt worden -, und dann fordern Sie
einen Solidarpakt III völlig undifferenziert als Konzept.
Das macht den Antrag nicht stärker .
Abenteuerlich ist dann die Behauptung, die Bundesregierung ließe effektive Maßnahmen vermissen. Das
ist nämlich einfach nur falsch . Deshalb ist der Antrag
schlecht . Das sage ich ganz deutlich .
({1})
Ich will Ihnen ein bisschen auf die Sprünge helfen .
Ich will jetzt, wie gesagt, nicht so viel über Ordnung am
Arbeitsmarkt reden . Ich glaube, da hat die Koalition das
getan, was der Koalitionsvertrag zuließ . Ich will auch
nicht über das Thema Rente reden . Aber ich glaube, in
beiden Fällen hat Andrea Nahles als zuständige Ministerin wirklich Vorbildliches geleistet,
({2})
und das lassen wir auch nicht in Zweifel ziehen .
Ich möchte andere Punkte ansprechen . Ich glaube
nämlich - das muss man in Erinnerung rufen -: Was den
Dreiklang von Investitionsschwäche, Höhe der Sozialausgaben und Entlastung von Sozialausgaben und damit
die Möglichkeit zu weniger Verschuldung angeht, hat
diese Koalition unglaublich viel erreicht .
({3})
Ich kann Ihnen das haarklein darlegen . Bei den Sozialausgaben liegen die Entlastungen bei 4,5 Milliarden, in
der Zukunft bei 5 Milliarden Euro jährlich . Ich könnte
die Grundsicherung im Alter oder den Kitaausbau nennen, wo übrigens die Differenzen ganz andere sind, als
es aus der Diktion Ihres Antrags hervorgeht . Bei den Investitionen in Höhe von 7 Milliarden Euro geht es um finanzschwache Kommunen . Nehmen Sie das bitte einfach
einmal zur Kenntnis! Es geht bei dem Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ darum, den Quartieren zu helfen,
die in einer benachteiligten Situation sind . Das alles hat
sozusagen Ausgleichsziele zur Grundlage . Das heißt mit
anderen Worten: Zu behaupten, hier würde nichts geschehen, ist, ehrlich gesagt, schlicht und ergreifend falsch .
({4})
Ich habe extra eine nette Broschüre mitgebracht - die
stelle ich Ihnen gern zur Verfügung -, in der das alles
drinsteht . Ich kann das nämlich gar nicht alles aufzählen .
Im Ergebnis kommen wir und selbst die kommunalen
Spitzenverbände - alles keine sozialdemokratisch durchsetzten Organisationen - zu der Feststellung, dass keine Bundesregierung so viel für die Kommunen und für
die Regionen geleistet hat wie diese . Wir sind Teil dieser Bundesregierung bzw . dieser Koalition, und wir sind
stolz darauf, dass wir das hingekriegt haben . Und man
kann nicht davon reden, dass es unterlassen worden ist .
({5})
Die Bilanz ist also gut, und es gibt auch Ergebnisse:
Der Investitionsstau bei den Kommunen sinkt . Die Investitionen steigen . Die Verschuldung der Kommunen
sinkt . Die kommunalen Steuereinnahmen steigen . Man
muss aber bereit sein, das alles wahrzunehmen .
Jetzt kommen wir zu dem Thema Solidarpakt III .
Hinter dieser Formel steht nichts außer: Gebt uns mehr
Geld! - Das ist nicht falsch; es ist aber auch nicht besonders pfiffig. In Wirklichkeit wollen Sie an der alten
Ostforderung „Himmelsrichtung statt Bedürftigkeit“
festhalten . Ich bin Iris Gleicke sehr dankbar dafür, dass
sie in der Zeit, in der sie diese Aufgabe wahrgenommen
hat, dafür gesorgt hat, dass diese Dichotomie endlich aufhört und dass wir zusammen darüber reden, wie künftig
nach Bedürftigkeit statt nach Himmelsrichtung gefördert
werden kann . Denn das wollen wir .
({6})
Das wird hier so lax gesagt: Ihr lasst mal wieder die
ostdeutschen Kommunen hinten runterfallen . - Im Jahre 2015 betrug die erhöhte Gewerbesteuerumlage der
westdeutschen Kommunen 3,4 Milliarden Euro . Sie wird
seit Anfang der 90er-Jahre erhoben . Es ist hier ein hohes
Maß an Solidarität da, ein ausgesprochen hohes Maß . Ich
würde das nicht einfach so wegreden .
Ich habe leider nicht die Zeit, darauf im Einzelnen
einzugehen, aber die Antwort ist doch nicht nur, das Ausgleichsziel zu verfolgen, sondern Strukturpolitik . Die
Antwort besteht in der Förderung von Wachstumsfeldern,
die man mobilisieren muss, in der Unterstützung von endogener Entwicklung, in der tragfähigen wirtschaftlichen
Entwicklung, die die Wettbewerbsfähigkeit stärkt . Wenn
wir uns nur auf das Ausgleichsziel konzentrieren, wie
das in dem Antrag von Ihnen getan wird, dann ist das ein
Festschreiben einer Situation, die wir doch verbessern
wollen .
({7})
Herr Kollege .
Deswegen haben wir eine andere Zielsetzung . Ich bitte Sie, doch daran mitzuwirken . Das ist doch die notwendige Voraussetzung .
Das war ein guter Schlusssatz .
Ich nenne Ihnen ein Beispiel, was passiert, wenn das
so gemacht wird und wir uns nicht nur auf das Ausgleichsziel konzentrieren, wenn wir Regionalpolitik als
Chancenpolitik begreifen in einer Umbruchzeit, wie wir
sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit der Digitalisierung
erleben
Herr Kollege .
- ein letzter Satz, Frau Präsidentin -:
Aber ganz schnell .
Ja, auch Bayern war einmal ein Agrarland und hat bis
in die 80er-Jahre am Tropf der westdeutschen Länder gehangen . Heute ist es ein Technologieland geworden .
Punkt .
Diese Perspektive gibt es, und man muss sie nutzen .
Wir helfen dabei gerne mit .
({0})
Vielen Dank, Herr Kollege . - Ich schließe die Aussprache .
Tagesordnungspunkt 15 a . Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 18/11750 mit dem Titel „Für gleichwertige
Lebensverhältnisse in allen Regionen in Ost und West“ .
Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Gibt es keine . Der Antrag ist mit den
Stimmen der Regierungsfraktionen und den Stimmen des
Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Linken abgelehnt .
Tagesordnungspunkt 15 b . Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel
„Forderung der Vereinten Nationen zu den in der DDR
geschiedenen Frauen sofort umsetzen“ . Der Ausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12854, den Antrag der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 18/12107 abzulehnen . Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und
der Linken angenommen .
Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:
- Beratung der Beschlussempfehlung und
des Berichts des Auswärtigen Ausschusses
({0}) zu dem Antrag der Bundesregierung
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an der „United Nations Interim Force in Lebanon“ ({1})
Drucksachen 18/12492, 18/12866
- Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
Drucksache 18/12867
Über die Beschlussempfehlung werden wir später namentlich abstimmen .
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort als erster Redner
hat für die SPD-Fraktion der Kollege Niels Annen .
({3})
Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute über die
Verlängerung des Mandats zur Entsendung deutscher
bewaffneter Streitkräfte an die UN‑Mission UNIFIL im
Libanon . Ich möchte Sie bitten, diesem Antrag zuzustimmen . Das, was wir dort leisten, ist ein kleiner Beitrag,
aber ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung eines Landes, aber auch einer Region, die, wie wir alle wissen,
ausgesprochen unruhig ist, die ausgesprochen fragil ist .
Ich will noch einmal daran erinnern, warum sich eigentlich deutsche Soldatinnen und Soldaten an dieser
Mission beteiligen . Wir müssen in das Jahr 2006 zurückgehen . Der eine oder andere von Ihnen erinnert sich vielleicht daran, dass es einen kurzen, aber sehr intensiven
und dramatischen Krieg zwischen Israel und dem Libanon bzw ., da man das eigentlich gar nicht sagen kann,
der Hisbollah-Miliz im Libanon gegeben hat . Das hatte
Auswirkungen auf die ohnehin schon fragile Infrastruktur eines kleinen und bürgerkriegsgeplagten Landes . Es
gab massive Angriffe der IDF, der israelischen Streitkräfte, aber ebenso massive Angriffe der Hisbollah‑Miliz auf
die israelische Zivilbevölkerung .
Diese Mission ist, glaube ich, ein Beispiel dafür, dass
die politische Initiative, der Wille, mit den unterschiedlichen Parteien dieses Konfliktes ins Gespräch zu kommen, auch aus einer Situation der geografisch großen Distanz - das kann man ja gar nicht anders beschreiben -,
dank der Politik unseres heutigen Bundespräsidenten und
des damaligen Außenministers Frank-Walter Steinmeier
dazu geführt hat, dass man einen Beitrag leisten konnte,
zwar nicht dazu, dass ein Friede geschlossen worden ist wir alle wissen, dass zwischen Israel und dem Libanon
seit vielen Jahren Kriegszustand herrscht -, aber dass es
zu einem Waffenstillstand gekommen ist. Wir unterstützen seit 2006 mit einem ausgedehnten UNIFIL-Mandat
die Einhaltung und Stabilisierung dieses Waffenstillstands mit heute etwas mehr als 130 Soldatinnen und
Soldaten und mit einem Mandat, das dort eine vernünftige, eine ausgewogene Politik verfolgt und vor Ort auch
umsetzen kann .
Ich will noch einmal darauf hinweisen, in welcher
politischen und geografischen Umgebung diese Mission
eigentlich stattfindet. Der Libanon hat ja nicht nur die
Probleme zu bewältigen, die es nach 15 Jahren Bürgerkrieg gibt . Der Libanon ist ein Land, von dem wir eigentlich alle sagen müssen: Es ist quasi ein Wunder, dass
die staatlichen Strukturen heute trotz der Aufnahme von
über 1 Million Flüchtlingen aus Syrien überhaupt noch
intakt sind . Der Libanon ist indirekt, auch wenn die offizielle Politik des Landes etwas anderes suggeriert, an
dem schrecklichen Krieg in Syrien beteiligt - mit der
eben schon erwähnten Hisbollah-Miliz, die den Süden
des Landes heute de facto kontrolliert .
Wir leisten mit den deutschen Soldatinnen und Soldaten nicht nur einen Beitrag durch die derzeitige Beteiligung mit einer Fregatte, sondern wir leisten auch einen
Beitrag, indem die deutschen Soldatinnen und Soldaten
die UNO an der sogenannten Blue Line unterstützen das ist nicht die markierte Grenze, aber das ist sozusagen
die vereinbarte Waffenstillstandslinie -, um zwischen
dieser Blue Line und dem Litani-Fluss eine demilitarisierte Zone durchzusetzen . Darüber könnte man viel sagen . Die Soldatinnen und Soldaten - ich habe mich selbst
davon überzeugen können - leisten dort eine exzellente,
eine herausragende Arbeit .
Ehrlich gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen
({0})
- vielleicht interessiert das auch die Kollegen der Union -, geht es auch darum, dass wir einen Mechanismus
entwickelt haben, bei dem es zwar oberflächlich darum
geht, das Mandat umzusetzen und die Vereinbarung einzuhalten, aber der auch dazu führt, dass zumindest inoffiziell Verantwortliche der libanesischen Armee und der
israelischen Armee unter Vermittlung der Vereinten Nationen miteinander sprechen . Das ist die einzige Gelegenheit, bei der sich offizielle Vertreter dieser beiden, sich
miteinander im Krieg befindlichen Parteien treffen und
über konkrete Probleme der Stabilisierung und der Konfliktbeseitigung miteinander reden können. Das verdient,
liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Unterstützung .
({1})
Es gibt aber bedauerlicherweise noch mehr Gründe,
diesen Einsatz fortzusetzen . Wir reden - ich habe das
eben schon erwähnt - über eine Region, die sich im
Krieg befindet. Syrien ist nicht weit weg. Und obwohl
die Hisbollah-Miliz mit starken Kräften im syrischen
Bürgerkrieg aktiv ist, sagen im Grunde genommen übereinstimmend alle Berichte, dass die Hisbollah ihre Stellungen im Süden des Libanon, ihre militärische Kapazität
systematisch seit dem Ende des Krieges bzw . der Befriedung 2006 wieder ausgedehnt und aufgebaut hat . Viele
Experten, auch unsere Freunde aus Israel, die das mit
ihren doch relativ gut entwickelten Instrumenten ziemlich genau beobachten und ein sehr genaues Bild über
die Lage im Süden des Libanon haben, weisen darauf
hin, dass hochmoderne Waffen in diese Region verbracht
werden, dass viele Befestigungsanlagen sozusagen reaktiviert werden und dass es - lassen Sie uns das so aussprechen, wie es ist - Kriegsvorbereitungen in der Zone
gibt, in der auch die deutschen Soldatinnen und Soldaten
im Moment ihren Dienst tun .
Jeder von uns weiß doch, dass es nur eines kleinen
Vorwands bedarf, um diesen Krieg wieder zu einem
heißen Konflikt werden zu lassen, und dass ein Wiederaufflackern dieses Konfliktes sehr wahrscheinlich dazu
führen würde, dass es zu einer militärischen Auseinandersetzung in einer Intensität käme, die möglicherweise
die Kampfhandlungen von 2006 noch übersteigen würde . 2006 ist dieser Krieg sozusagen bis in die Hauptstadt
Beirut getragen worden . Es ist kritische Infrastruktur des
Libanon zerstört worden . Meine sehr verehrten Damen
und Herren, wir dürfen das nicht zulassen . Deswegen
ist die klare Aufforderung an die Hisbollah, aber auch
Vizepräsidentin Michaela Noll
an die Unterstützer dieser Organisation, die vor allem in
Teheran sitzen, diese Unterstützung einzustellen und zur
Deeskalation beizutragen .
({2})
Die Aufforderung, ihrer Verantwortung nachzukommen,
gilt auch für diejenigen, die damals die Waffenstillstandsvereinbarung unterzeichnet haben . Wenn das geschehen
sollte, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann
dürfen die Konfliktparteien von uns, die wir uns bereit
erklärt haben, diesen Waffenstillstand zu garantieren, erwarten, dass wir weiterhin unseren kleinen, aber wichtigen und substanziellen Beitrag leisten .
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, stimmen
Sie zu! Es ist eine wichtige Mission . Ich danke an dieser Stelle auch den Soldatinnen und Soldaten für ihren
Einsatz in einem schwierigen Umfeld und bitte um Zustimmung .
({3})
Vielen Dank, Herr Kollege Annen . - Als Nächster
erteile ich das Wort der Kollegin Annette Groth für die
Fraktion Die Linke .
({0})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Herr Annen, es wird Sie nicht überraschen, dass wir Ihrem netten Appell, dem Antrag zuzustimmen, sicherlich
nicht Folge leisten werden .
({0})
- Ja, sehr schade . ({1})
Wir, die Linke, kritisieren von Anfang an den UNIFIL‑Einsatz als unsinnig, überflüssig und politisch falsch.
({2})
Wir fordern die sofortige Beendigung dieses Kampfeinsatzes, in den die Bundesregierung weiterhin Soldatinnen
und Soldaten schicken will . Die Kosten dieses Einsatzes
belaufen sich für den Zeitraum vom 1 . Juli 2017 bis zum
30 . Juni 2018 insgesamt auf rund 41,2 Millionen Euro .
Das sind täglich mehr als 100 000 Euro . Das ist skandalös, wie ich finde.
({3})
Diese Gelder wären für Investitionen in Bildung, Krankenhäuser und Pflegeheime sowie für den sozialen Wohnungsbau, für marode Schulen und für den öffentlichen
Nahverkehr wesentlich besser eingesetzt .
({4})
Alle wissen, dass die Schiffe, die vor der libanesischen
Küste eingesetzt werden, keinen Waffenschmuggel unterbinden, da Waffen vorwiegend auf dem Landweg ins
Land gelangen .
({5})
Vielmehr geht es darum, bundesdeutsche Militärpräsenz
im Mittelmeer zu zeigen und für eventuelle Einsätze bereitzustehen, wenn Frau von der Leyen mal wieder unserer Verantwortung in der Welt nachkommen will .
Heute Morgen hat die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung die Bekämpfung der Fluchtursachen als
eines der zentralen Ziele ausgegeben . Eine der Hauptursachen für Flucht sind kriegerische Auseinandersetzungen, die durch deutsche Waffenexporte extrem verschärft
werden . Deshalb fordern wir schon seit vielen Jahren:
Beenden Sie die Waffenexporte in Krisenregionen!
({6})
Beenden Sie die Waffenlieferungen an Saudi‑Arabien, Israel, Katar und die Türkei, die in der gesamten Region zu
Eskalation und Destabilisierung beitragen .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit Jahren kritisieren wir auch die mangelnde Neutralität des UNIFIL‑Mandats. Während der Waffenschmuggel in den
Libanon verhindert werden soll, intensiviert die Bundesregierung - genauso wie die USA und andere EU-Mitgliedstaaten - die Rüstungskooperation mit Israel,
das - es wurde schon gesagt - bereits zweimal durch
Bombardierungen die Infrastruktur im Libanon zerstört
und viele Menschen getötet hat .
Liebe Kollegin Groth, lassen Sie eine Zwischenfrage
zu?
Nein, jetzt nicht . Meine Füße sind zu nass; ich bin in
den Regen gekommen .
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unter dem Vorwand,
Terrorismus zu bekämpfen, werden Länder zerstört und
Menschen zur Flucht gezwungen . Stattdessen sollten die
Menschen mit sauberem Trinkwasser und Nahrungsmitteln versorgt werden . In dieser Woche sind innerhalb von
vier Tagen fast 10 000 Geflüchtete in Italien angekommen. Die italienische Regierung erwägt jetzt, Schiffe, die
unter fremder Flagge fahren, nicht mehr in italienische
Häfen zu lassen . Die italienische Regierung appelliert
an die EU, Italien bei der Aufnahme und Versorgung der
Geflüchteten zu unterstützen. Das muss jetzt dringend
umgesetzt werden, um weitere Tote zu verhindern .
({1})
Anstatt weitere Milliarden für Rüstung auszugeben
und den Ausbau der Festung Europa voranzutreiben,
sollte die Bundesregierung verstärkt in nachhaltige Infrastruktur im globalen Süden investieren . Deutschland
sollte sich zu einem internationalen Kriegsdienstverweigerer entwickeln und Auslandseinsätzen eine klare
Absage erteilen . Das wäre endlich einmal ein wichtiges
humanitäres Signal .
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist auch meine
letzte Rede im Deutschen Bundestag . Ich wünsche den
ausscheidenden Abgeordneten eine stressfreie und genussreiche Zeit und den verbleibenden Kolleginnen und
Kollegen viel Erfolg in der neuen Legislaturperiode . Vergessen Sie die Menschenrechte nicht!
({3})
Sie werden zunehmend mit Füßen getreten . Das dürfen
wir nicht zulassen . Ich werde weiterhin außerhalb des
Parlaments für die Durchsetzung der Menschenrechte bei
uns, im eigenen Land, und woanders kämpfen .
Danke schön .
({4})
Vielen Dank, Frau Kollegin . - Auch Ihnen alles Gute .
Als Nächstem erteile ich das Wort dem Kollegen
Dr . Johann Wadephul für die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Frau Kollegin Groth, im Gegensatz zu Ihren
Ausführungen muss ich sagen: Wenn es - abgesehen von
der Anfangszeit - je einen Anlass gab, den UNIFIL-Einsatz fortzusetzen, dann ist das heute der Fall . Die Spannungen zwischen Israel und Libanon sind - der Kollege
Annen hat darauf hingewiesen - nach wie vor vorhanden .
Die Hisbollah baut unter dem Deckmantel der Umwelt-NGO „Green without borders“ neue Beobachtungsposten entlang der libanesisch-israelischen Grenze .
Gleichzeitig erleben wir aktuell, wie syrische Streitkräfte, unterstützt durch die Hisbollah, in Syrien sowohl
nach Osten als auch nach Süden vorstoßen . Sie rücken
damit immer näher an die Grenze zu Israel und Jordanien, aber auch an den Libanon heran .
Die israelische Luftwaffe hat schon zwei Angriffe gegen Stellungen der Assad‑Truppen geflogen, nachdem
Geschosse auf dem von Israel kontrollierten Golan niedergegangen sind .
Vom Iran unterstützte schiitische Milizen stehen mittlerweile an der syrisch-irakischen Grenze mit der Bestrebung, zusammen mit proiranischen Milizen aus Syrien
einen gemeinsamen Landkorridor zu errichten . Dieser
würde sich dann fast bis in die unmittelbare Nähe zu Libanon und Israel erstrecken .
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich könnte
das fortsetzen . Auch Ihren idealistischen Appell, Frau
Kollegin Groth, habe ich gehört . Man könnte sich als
deutsche Nation zu einer Art Kriegsdienstverweigererpartei erklären . Aber allein dadurch, dass wir die Augen,
Ohren und Mund zumachen nach dem Motto „Nichts sehen, nichts hören, nicht sagen“, wird man diesen aggressiven Kräften nicht Einhalt gebieten .
({0})
Ich sage Ihnen: Wenn es einen Erfolgsparameter dafür
gibt, dass diese Mission sinnvoll war, dann ist es doch
der Umstand - Sie haben zu Recht darauf hingewiesen -,
dass Waffentransporte an die Hisbollah auf dem Landweg geschehen . Solche Transporte auf dem Seeweg sind
eben verhindert worden, und das ist ein Verdienst der
Mission UNIFIL . Deswegen gebührt ihr weiterhin unsere Unterstützung; das Mandat für diese Mission sollte ein
weiteres Mal verlängert werden .
({1})
Ich will darauf hinweisen, dass es im Libanon eine erfreuliche Entwicklung gibt, auch wenn sie uns noch lange nicht beruhigen kann; auch Kollege Annen hat darauf
hingewiesen . Michel Aoun ist Präsident geworden . Es ist
dort eine verhältnismäßig stabile Regierung unter Ministerpräsident Hariri gebildet worden . Der Libanon hat mit
der Wahlrechtsreform eines der wichtigsten und zugleich
heikelsten innenpolitischen Themen angefasst .
Man muss auch noch einmal darauf hinweisen: Im
Libanon mit 6 Millionen Einwohnern sind 1,5 Millionen
Flüchtlinge aufgenommen worden . Das ist eine wahnsinnige Leistung für ein administrativ wirklich schwaches
Land . Auch deswegen verdient der Libanon jede Unterstützung, auch die Unterstützung, die wir an dieser Stelle
leisten, liebe Kolleginnen und Kollegen .
({2})
Ich will einen weiteren Aspekt, der den Libanon betrifft, hinzufügen. Dieser betrifft die besondere Bedeutung der Ausbildungsunterstützung der libanesischen Armee . Die libanesische Armee ist nicht irgendeine Armee .
Sie ist eine überkonfessionelle Konstante in einem Land
mit einer breiten religiösen und ethnischen Vielfalt . Es
gibt dort 18 anerkannte Religionsgemeinschaften . Die
Armee ist eine verbindende Klammer . Dieses Element
muss erhalten und gestärkt werden . Die Hisbollah tritt
mittlerweile im Libanon quasi als Zweitstaat auf . Alles,
was staatliche Institutionen des Libanon stärkt - und das
tut unsere Ausbildungsmission -, stärkt die staatliche
Funktion des Libanon . Das ist gut, und das ist richtig .
Das sollten wir zur Sicherung von Frieden in dieser Region wirklich unterstützen, liebe Kolleginnen und Kollegen .
({3})
Frau Kollegin Groth, dass Sie sich kritisch zu Waffenexporten äußern, ist ja legitim . Ich habe aber nicht
überhört, dass Sie Israel in einem Atemzug mit anderen Krisenstaaten nennen . Das verwundert mich schon,
und das fällt hier schon auf . Deswegen will ich das noch
einmal deutlich sagen: Diese Mission wird ausdrücklich
auch vom Staat Israel, dem wir als Deutsche besonders
verpflichtet sind, gefordert.
({4})
Daher muss es uns allen Auftrag sein, diesen internationalen Einsatz fortzuführen und gegenüber Israel zu sagen: Wir sind verlässliche Bündnispartner Israels, auch
in einer schwierigen internationalen Lage .
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mir abschließend einen Hinweis erlauben, weil dies wohl die
letzte Mandatsdebatte in dieser Wahlperiode ist . Alle
Anträge zu UNIFIL und zu anderen Mandaten sind in
dieser Wahlperiode für die Unionsfraktion von den Kollegen Dr. Andreas Schockenhoff und Philipp Mißfelder
eingebracht und begründet worden . Ihren viel zu frühen
Tod haben wir in dieser Wahlperiode zu beklagen gehabt .
Nicht zuletzt ihren Liebsten und ihren Familien möchte
ich für dieses Haus und insbesondere für die Außenpolitiker sagen, dass die Expertise, die sie in diese Debatten
des Hauses eingebracht haben, uns dauerhaft fehlen wird .
Danke schön .
({6})
Vielen Dank, Herr Kollege Dr . Wadephul . - Ich glaube, vielen Kollegen sind die Namen noch sehr präsent,
weil sich diese Kollegen hier so stark eingesetzt haben .
Als Nächste spricht die Kollegin Agnieszka Brugger
für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Warum
die Friedensmission UNIFIL weiter gebraucht wird, zeigt
sich leider alle paar Monate aufs Neue .
({0})
Im Oktober vergangenen Jahres fielen an der libanesisch-israelischen Grenze Schüsse . Ein israelischer Soldat wurde verletzt; der Grenzposten schoss zurück . In der
nach wie vor angespannten Situation kann ein solcher
Fall schnell zu einer neuen Eskalation führen . Niemand
will sich ausmalen, was es gerade im Nahen und Mittleren Osten, wo es ohnehin an so vielen Orten Menschen
gibt, die unter Krieg und Gewalt leiden müssen, bedeuten
würde, wenn wieder neue Gewalt ausbrechen würde .
Was eine Eskalation bedeuten kann, das haben 34 Tage
Krieg zwischen Israel und dem Libanon 2006 mit über
1 300 Toten gezeigt . Die Einrichtung von UNIFIL war
nicht nur eine Bedingung für das Ende dieses Krieges;
die Friedensmission leistet auch heute bei Auseinandersetzungen wie denen an der Grenze einen unverzichtbaren Beitrag dazu, dass es keine weiteren Gewalteskalationen gibt .
({1})
Einen Augenblick, Frau Kollegin . - Ich bitte um ein
bisschen mehr Aufmerksamkeit für das, was Frau Kollegin Brugger gerade vorträgt .
In solchen Situationen stellt UNIFIL den Dialog zwischen den Parteien sicher, wirkt vermittelnd . Gleichzeitig
leistet dieser Einsatz mit der Unterstützung bei der Sicherung der Seegrenze, bei der Unterbindung von Waffenschmuggel und bei der Ausbildung der libanesischen
Streitkräfte einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung .
Die neue Evaluation der Vereinten Nationen hat ergeben, dass man in Zukunft den Fokus verstärkt auf Ausbildung und Prävention legen sollte . Das sind richtige und
notwendige Schwerpunkte . Mir ist wirklich schleierhaft,
wie die Linkspartei an dieser Stelle von einem Kampfeinsatz sprechen kann .
({0})
Sie vergessen auch immer, zu erwähnen, dass diese Mission nicht nur auf Wunsch beider Parteien eingerichtet
worden ist, sondern dass beide Parteien nach wie vor darum bitten, dass sie fortgesetzt wird .
Der Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen macht aber auch deutlich, dass Fortschritte hin zu
einem echten Waffenstillstand ausbleiben und es noch
ein langer Weg zu echter Stabilität oder gar Frieden ist .
Alles zusammen zeigt, dass es völlig falsch wäre, jetzt
den deutschen Beitrag, den die Soldatinnen und Soldaten
erbringen, zu beenden .
({1})
Meine Damen und Herren, die Lage im Libanon gibt
immer wieder Anlass zur Sorge . Es ist die Angst, dass der
Krieg aus Syrien überspringt . Auch der schwierige, langwierige und zähe Prozess zur Regierungsbildung zeigt,
dass es große Spaltungen im Land selbst gibt. Wir hoffen,
dass die Parlamentswahlen im nächsten Jahr gelingen
und für eine gute politische Zukunft sorgen werden .
Hinzu kommt aber auch die gigantische humanitäre Herausforderung, die der Libanon schon seit Jahren
meistert: Über 1 Million registrierte Geflüchtete und
nochmals Hunderttausende weiterer Menschen sind im
Libanon aufgenommen worden . Im Libanon ist jeder
vierte Mensch ein Flüchtling . In keinem Land der Welt
ist die Quote höher . Liebe Kolleginnen und Kollegen, in
dieser Lage darf man die Menschen im Libanon nicht alleine lassen .
({2})
Anfang Juli hat das Flüchtlingswerk der Vereinten
Nationen in einem erneuten Hilferuf wieder bekannt
geben müssen, dass für Zehntausende Familien in den
kommenden Monaten die Unterstützung fehlen wird .
Dass der VN-Finanzierungsbedarf noch nicht einmal zu
25 Prozent erfüllt ist, ist doch einfach ein Skandal .
({3})
Wenn in einer solchen Situation - sie ist in vielen Krisengebieten der Welt genauso dramatisch - der US-Präsident ankündigt, die Gelder für die Vereinten Nationen zu
kürzen, dann hat das nichts mit humanitärer Verantwortung und auch nichts mit sicherheitspolitischer Vernunft
zu tun .
({4})
Meine Damen und Herren, wenn Sie aktuell einen
Blick in die Pressemeldungen werfen, werden Sie viele Artikel darüber finden, dass sich die NATO‑Staaten
auf Druck von Herrn Trump auf den Weg machen, immer mehr Geld für ihre eigenen Verteidigungshaushalte
auszugeben, um das 2-Prozent-Ziel zu erreichen . In der
Nacht auf Mittwoch wurden bei den Vereinten Nationen
auf Betreiben von Herrn Trump Gelder für die VN-Friedensmissionen gekürzt . Das ist genau das falsche Signal .
({5})
Frau Kollegin, achten Sie bitte auf die Zeit .
Statt Herrn Trump in Bezug auf die NATO-Gelder zu
folgen, sollten Sie die Gelder, die jetzt bei den VN-Organisationen fehlen, von Europa aus zahlen . Das wäre das
richtige Zeichen;
({0})
denn sonst werden am Ende des Tages solche Friedensmissionen wie im Libanon keine Erfolgsgeschichte bleiben können .
Vielen Dank .
({1})
Vielen Dank, Frau Kollegin Brugger . - Liebe Kolleginnen und Kollegen, es trennen Sie von der namentlichen Abstimmung noch knapp fünf Minuten . Ich bitte um
geballte Aufmerksamkeit für den Kollegen Dr . Reinhard
Brandl für die CDU/CSU .
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Wenn es vor der Küste Libanons Nacht wird, dann sehen
die Soldaten auf den UNIFIL‑Schiffen mit ihren bloßen
Augen das Flackern der Bomben über Syrien . Tagsüber
können sie auf ihren Monitoren genau verfolgen, welche
Flugzeuge sich über Syrien wie bewegen .
Meine Damen und Herren, von der Küste des Libanons bis nach Damaskus sind es 80 Kilometer . Von der
Küste des Libanons bis zur EU-Grenze, bis zur Küste Zyperns, sind es 180 Kilometer . UNIFIL steht im wahrsten
Sinne des Wortes dazwischen . Das alleine zeigt schon die
strategische Bedeutung des Mandats .
Sieben Schiffe sind dort im Moment im Auftrag der
UN unterwegs, eines davon kommt aus Deutschland, die
Korvette „Braunschweig“. Diese sieben Schiffe überwachen den Seeraum, überwachen den Luftraum, sie
kontrollieren andere Schiffe und helfen dem Libanon,
die Seegrenze zu sichern und den Waffenschmuggel so
weit wie möglich zu unterbinden . Ohne diese internationale Unterstützung wäre der Libanon nie in der Lage,
in diesem vielbefahrenen Seegebiet, mitten in einer der
schwierigsten Konfliktregionen der Welt, diese Aufgabe
auch nur annährend wahrzunehmen .
Damit der Libanon aber in die Lage versetzt wird,
langfristig auch selbst für die Sicherheit seiner Grenzen
zu sorgen, ist die Ausbildung der libanesischen Marine
eine weitere Komponente des Einsatzes . Wir leisten das
im Rahmen von UNIFIL, und wir leisten es bilateral .
Deutschland hat Küstenradarstationen aufgebaut . Mein
Kollege Ingo Gädechens, der vorher auf solch einer Station gearbeitet hat, schwärmt immer wieder von der Qualität dieser Stationen; diese haben wir in Deutschland in
der Qualität nicht .
Wir bilden aber auch die Soldaten aus, damit sie mit
dieser Technik umgehen können . Drei deutsche Soldaten
sind immer an der Marineschule in Beirut zur Ausbildung
der libanesischen Marine anwesend . Dass es wirkt, zeigt
sich zum einen daran, dass in der Zwischenzeit die Libanesen selbst immer mehr in die Lage kommen, ihre eigenen Soldaten auszubilden; Deutschland folgt jetzt dem
Prinzip „Train the trainer“ . Meine Damen und Herren,
zum anderen erkennt man es auch daran, dass der Libanon spätestens 2018 in der Lage sein wird, mit einem eigenen Schiff am UNIFIL‑Flottenverband teilzunehmen.
Die strategische Bedeutung dieses Mandats zeigt sich
aber nicht nur an seiner maritimen Komponente .
Einen Augenblick bitte, Herr Kollege Brandl . - Es
sind noch genau 2 Minuten und 16 Sekunden bis zur naAgnieszka Brugger
mentlichen Abstimmung . Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit .
({0})
UNIFIL steht genau zwischen Israel und dem Libanon . Meine Damen und Herren, auch da kann man sagen:
Im wahrsten Sinne des Wortes; denn beide Länder reden
nicht miteinander . Wenn sie miteinander kommunizieren,
dann kommunizieren sie nur über die VN . Das heißt, jedes Mal, wenn zwei Vertreter der Länder an einem Tisch
sitzen, muss ein Vertreter der VN danebensitzen . Und
wenn auf diesem Tisch ein Glas Wasser steht, dann muss
sichergestellt sein, dass dieses Wasser weder aus dem
Libanon noch aus Israel kommt, weil keiner das Wasser
des anderen trinken würde . Mit diesem Beispiel will ich
einmal illustrieren, wie angespannt die Situation dort tatsächlich noch ist und wie wichtig es ist, dass die VN dort
eine Vermittlerposition einnehmen .
({0})
Ich glaube nicht, dass eine der beiden Parteien im
Moment ein Interesse daran hat, die Situation weiter eskalieren und es wieder zu einem neuen Krieg kommen
zu lassen . Aber, meine Damen und Herren, die Situation ist angespannt . Der Kollege Johann Wadephul hat ja
vorhin die Frage der Beobachtungstürme angesprochen .
Sind diese jetzt der Hisbollah zuzurechnen oder nicht?
Israel hat sich vergangene Woche darüber bei den VN
beschwert . Diejenigen, die sofort dazu Stellung nehmen
konnten, weil sie vor Ort sind und als neutraler Partner
vor Ort auch von beiden Seiten akzeptiert werden, waren
die Vertreter von UNIFIL, die sofort hingefahren sind
und sich die Situation noch einmal angeschaut haben .
UNIFIL wird im Ernstfall, wenn ein Krieg gewollt
ist, natürlich keinen Krieg verhindern . Aber was UNIFIL leisten kann, ist, dass es nicht zu einem ungewollten Konflikt kommt, dass keine Eskalation aufgrund von
Missverständnissen oder falscher bzw . fehlender Kommunikation ausgelöst wird .
Meine Damen und Herren, UNIFIL wird auch in diesem Haus oft als Stabilitätsanker im Libanon bezeichnet .
Das ist sicher richtig . Aber im Moment habe ich eher den
Eindruck, dass es sich mehr um einen Feuerlöscher als
um einen Stabilitätsanker handelt . In einer hochbrennbaren Situation sollte man eines nicht tun, nämlich den
Feuerlöscher entfernen . Deshalb bitte ich Sie um Verlängerung des Mandates und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit .
({1})
Vielen Dank, Herr Kollege Brandl . - Ich schließe die
Aussprache .
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem An-
trag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteili-
gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der „United
Nations Interim Force in Lebanon“, UNIFIL . Der Aus-
schuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/12866, den Antrag der Bundesregierung
auf Drucksache 18/12492 anzunehmen . Wir stimmen
nun über die Beschlussempfehlung namentlich ab . Sind
die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall . Ich
eröffne die Abstimmung über die Beschlussempfehlung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall . Ich
schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerin-
nen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen .
Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen
später bekannt gegeben .1)
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 17 a bis 17 c auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Irene Mihalic, Luise Amtsberg, Volker Beck
({0}), weiteren Abgeordneten und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen
Polizeibeauftragten des Bundes ({1})
Drucksache 18/7616
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({2})
Drucksache 18/12826
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses ({3}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic,
Luise Amtsberg, Volker Beck ({4}), weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Aufklärung polizeilichen Fehlverhaltens erleichtern - Ergänzung zum Entwurf eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten
des Bundes ({5})
Drucksachen 18/7617, 18/12826
c) Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({6})
zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic,
Luise Amtsberg, Volker Beck ({7}), weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Änderung der Geschäftsordnung des Deut-
schen Bundestages
hier: Umsetzung des Gesetzes über die un-
abhängige Polizeibeauftragte oder den
1) Ergebnis Seite 25013 D
Vizepräsidentin Michaela Noll
unabhängigen Polizeibeauftragten des
Bundes ({8})
Drucksachen 18/7618, 18/12978
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .
Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst dem
Kollegen Günter Baumann für die CDU/CSU-Fraktion
das Wort .
({9})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder
Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die
Volksvertretung zu wenden .
Artikel 17 Grundgesetz . - Ein hohes Gut in Deutschland,
ein Grundrecht, das jeder nutzen kann . Aus 19 Jahren Arbeit im Petitionsausschuss weiß ich, dass alle Bürger, alle
Schichten, alle Gruppen dieses Recht intensiv nutzen . Ich
kenne keine Gruppe, die sagt: Das nehme ich nicht wahr .
Natürlich haben wir auch Petitionen von Bundespolizisten und über Bundespolizisten . In der 18 . Wahlperiode
sind bis jetzt 103 Petitionen zum Oberbegriff „Bundespolizei“ eingegangen . Das zeigt, dass das parlamentarische
Mittel, das wir seit vielen Jahren haben, akzeptiert wird
und in der Praxis funktioniert .
Gestatten Sie mir ein Beispiel: Ein Bürger wollte bereits im Jahr 2014 - ich zitiere - zum Wohle der Allgemeinheit und der Polizei erreichen, dass Beamte im Außendienst mit einer an der Uniform befestigten Kamera
ausgestattet werden . Er hatte sich Sorgen gemacht, nachdem er Fernsehbilder von Einsätzen, bei denen Polizisten verletzt wurden, gesehen hatte, und hat sich gefragt:
Wie kann man Polizisten schützen? Er hat sich mit einer
Petition an uns gewandt . Sie kennen den weiteren Werdegang . Wir haben die Bodycams inzwischen in einem
Gesetz realisiert .
Das Petitionswesen ist ein wichtiger Bestandteil des
gesamten Beschwerdewesens in unserem Land . Man
könnte meinen, der Gesetzesvorschlag von Bündnis 90/
Die Grünen, den wir heute behandeln, geht von einer
übergroßen Mehrzahl von Beschwerden über Polizeigewalt, unangemessene Kontrollen, Übergriffe von Polizeibeamten bei Demonstrationen oder dergleichen aus .
Meine Damen und Herren, ich kann aus dem Petitionswesen sagen: Es ist genau anders herum .
({0})
Es gehen bei uns Petitionen ein, weil sich die Bürger Sorgen um unsere Sicherheit machen . Sie haben berechtigte
Sorgen und sagen: Ihr müsst die Polizei zahlenmäßig aufstocken . Ihr müsst sie besser ausstatten . Ihr müsst mehr
tun für die Präsenz bei Fußballspielen oder bei anderen
Veranstaltungen .
Im Hinblick auf die materielle und finanzielle Stärkung der Polizei haben wir gerade in der letzten Wahlperiode relativ viel gemacht . Ich brauche nicht im Einzelnen aufzuführen, was wir im Hinblick auf das Personal
und die finanziellen Mittel umgesetzt haben.
Auch Bundespolizeibeamte nutzen das Petitionswesen . Das heißt, sie kommen mit Beschwerden etwa über
ausgebliebene Beförderungen und über eine ausgebliebene Ausstattung mit Schutzwesten - sie wurde zunächst
zugesagt, aber dann nicht realisiert - zu uns . Wir hatten
vor kurzem den Fall eines nicht genehmigten Sonderurlaubs für eine Qualifizierungsmaßnahme. Wir haben
das über das Petitionswesen klären können . - All diese
Beschwerden werden gewissenhaft parlamentarisch geprüft, und wir erreichen bei diesen Petitionen einen Realisierungsgrad - das ist der Anteil der Fälle, in denen wir
helfen können - von weit über 50 Prozent .
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Petitionswesen ist nur ein Bestandteil; es gibt eine Vielzahl
anderer Möglichkeiten, Beschwerden über eventuelles
Fehlverhalten von Polizisten oder andere Petitionen zu
diesem Thema einzureichen . Die Bürgerinnen und Bürger haben viele Möglichkeiten, die sie nutzen können .
Es gibt zum Beispiel bei der Bundespolizei zwölf Beschwerdestellen; in den verschiedenen Dienstbereichen
besteht die Möglichkeit zur Dienstaufsichtsbeschwerde
und zur Anzeige von Ordnungswidrigkeiten . Wir haben
die Petitionsausschüsse in den Bundesländern, und wir
haben die Bundesdatenschutzbeauftragte .
In der Anhörung mit den Experten haben wir eine
ganze Menge dazugelernt; einige von Ihnen waren dabei .
Wir haben erfahren, dass es innerhalb der Bundespolizei 18 Stellen gibt, an die man sich bei einem Problem
wenden kann . Es gibt also intern eine relativ große Fülle an Stellen mit der Möglichkeit zur Beschwerde . Der
Präsident der Bundespolizei, Herr Dr . Romann, hat sogar die Zahl der Personen genannt, die sich bei der Bundespolizei mit solchen Themen beschäftigen: Es sind
immerhin 1 861 Leute; diese Zahl ist schon erstaunlich .
Dazu zählen Personalvertretungen, Jugend- und Auszubildendenvertretungen, Schwerbehindertenvertretungen,
Gleichstellungsbeauftragte . Ich könnte eine ganze Reihe
aufzählen - Sie wissen das -; es gibt eine Vielzahl von
Möglichkeiten, sich zu beschweren .
Neuerdings, seit dem 27 . Mai 2015, haben wir die Vertrauensstelle, die direkt beim Präsidenten angesiedelt ist .
Diese Vertrauensstelle wurde nach den Vorkommnissen
in Hannover gegründet; Sie kennen das Thema . Auch
diese Vertrauensstelle wird genutzt: Es gab im Jahr 2015
22 Eingaben, 2016 44 Eingaben und 2017 bisher bereits
47 Eingaben . All diesen Fällen ist konkret nachgegangen
worden . Dabei ging es in 39 Fällen um Disziplinarprobleme und in 48 Fällen um Personalangelegenheiten .
Meine Damen und Herren, die öffentliche Anhörung
hat gezeigt, dass die Mehrzahl der Experten der Meinung
war, dass der Gesetzentwurf über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen PolizeibeauftragVizepräsidentin Michaela Noll
ten des Bundes in der vorliegenden Form nicht umsetzbar ist .
({1})
- Frau Mihalic, auch wenn Sie den Kopf schütteln: Selbst
Volker Schindler, der Bürgerbeauftragte des Landes Baden-Württemberg,
({2})
der gleichzeitig Polizeibeauftragter ist, hat dort klipp
und klar gesagt, dass das im Gesetzentwurf vorgesehene
Rollenverständnis des Beauftragten absolut fragwürdig
ist . Das sagt selbst er, der eine solche Stelle einnehmen
sollte . Die Doppelrolle des geplanten Bundespolizeibeauftragten als Mediator und Sonderermittler wird absolut
nicht funktionieren . Deswegen hat auch er das abgelehnt .
({3})
Es gab eigentlich niemanden mehr, der hinter Ihrem Vorschlag stand .
({4})
Das heißt, meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere schon in der ersten Lesung geäußerte Meinung, dass
der Gesetzentwurf abzulehnen ist, wurde in der Anhörung absolut bestätigt .
Selbstverständlich ist jeder einzelne Vorwurf ernst zu
nehmen, jeder einzelne muss untersucht werden, um jeden einzelnen muss man sich kümmern . Man muss ganz
exakt schauen, wo man helfen kann und wo es ein Problem gibt . Ich möchte die Probleme nicht kleinreden,
aber ich sage: Wir haben genügend Stellen, an die man
sich wenden kann . Für die Einrichtung eines Polizeibeauftragten gäbe es nur dann einen Grund, wenn es diese
Stellen nicht gäbe oder sie nicht funktionierten . Aber wir
haben die Stellen, und sie funktionieren . Deswegen gibt
es keinen Grund, einen Polizeibeauftragten des Bundes
neu einzuführen .
({5})
Die CDU/CSU bleibt bei ihrem Votum . Wir werden
den Gesetzentwurf heute ablehnen und fühlen uns, wie
gesagt, durch die Anhörung darin bestätigt .
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte in meiner letzten Rede in diesem Hohen Haus natürlich auch die Gelegenheit nutzen, mich zuerst bei allen
Bundespolizistinnen und Bundespolizisten ganz herzlich
für ihren engagierten Dienst, den sie in Deutschland und
im Ausland für uns alle, für unsere Bevölkerung leisten,
ganz herzlich zu bedanken .
({6})
Wir wissen alle gemeinsam, dass die Einsätze schwerer
und komplizierter geworden sind . Die Verletzungen nehmen zu . Die Hemmschwellen sind gesunken . Die Männer und Frauen machen draußen einen immer schwereren
Job . Deswegen müssen wir eindeutig hinter ihnen stehen
und nicht irgendwelche neuen Stellen aufmalen .
Ich durfte mich 19 Jahre im Innenausschuss um die
Belange der Bundespolizei mit kümmern . Ich habe das
sehr gerne gemacht . Das waren spannende Zeiten, Zeiten
mit sehr großen Veränderungen und mit mehreren Reformen . Nicht immer war alles schlüssig; auch wir hatten
oft unsere Meinung geäußert, dass einiges nachgebessert
werden müsste .
Ich war ständig an den verschiedensten Stellen bei der
Bundespolizei vor Ort und habe mich um die Probleme
gekümmert . Ich war nicht immer angemeldet, sondern
auch mal ohne Anmeldung vor Ort . Es gab oft Ärger mit
den Präsidenten; das habe ich aber gerne ausgehalten,
weil die Kontakte vor Ort ganz wichtig für unsere Arbeit
waren . Dabei hat man erfahren, was wirklich dort draußen los ist . Die Termine, bei denen die geputzten Autos
in Reih und Glied standen, haben wir eigentlich nicht gebraucht . Die unangemeldeten Termine waren die schönsten, weil wir dabei das meiste mitbekommen haben .
Ich bin auf vielen Streifen mitgefahren . Dabei ging es
um die spannendsten Sachen . Wenn man 19 Jahre dabei
war, hat man gerade direkt an der Grenze zu Tschechien
und Polen relativ viel erlebt .
Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen, die sich
im Innenausschuss weiterhin um die Sicherheit kümmern
werden, alles Gute und recht viel Erfolg wünschen . Ich
bin dankbar für die Jahre, die ich mitarbeiten durfte, und
bedanke mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit .
({7})
Vielen Dank, Herr Kollege Baumann . 19 Jahre waren
Sie Mitglied hier im Deutschen Bundestag . Ich würde
Sie als einen Kümmerer bezeichnen . Das haben Sie gerade deutlich in Ihrer Rede transportiert . Sie hatten ein
Auge auf die Polizisten und sind unangemeldet zu Terminen gekommen . Sie haben sich der Bedürfnisse der
Menschen angenommen . Für diese Tätigkeit herzlichen
Dank und alles Gute!
({0})
Bevor wir die Aussprache fortsetzen, gebe ich Ihnen
das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die
Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu
dem Antrag der Bundesregierung „Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der ‚United
Nations Interim Force in Lebanon‘ ({1})“, Drucksachen 18/12492 und 18/12866, bekannt: abgegebene
Stimmen: 571 . Mit Ja haben gestimmt 505, mit Nein haben gestimmt 59 . Enthaltungen gab es 7 . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 571;
davon
ja: 505
nein: 59
enthalten: 7
Ja
CDU/CSU
Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Norbert Barthle
Maik Beermann
Manfred Behrens ({2})
Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr . André Berghegger
Dr . Christoph Bergner
Ute Bertram
Steffen Bilger
Peter Bleser
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Dr . Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr . Ralf Brauksiepe
Dr . Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Iris Eberl
Jutta Eckenbach
Dr . Dr . h . c . Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr . Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer ({3})
Axel E . Fischer
({4})
Dr . Maria Flachsbarth
Thorsten Frei
Dr . Astrid Freudenstein
Dr . Hans-Peter Friedrich
({5})
Michael Frieser
Dr . Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Dr . Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Dr . Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Rainer Hajek
Dr . Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr . Stefan Heck
Dr . Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich ({6})
Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Marion Marga Herdan
Ansgar Heveling
Dr . Heribert Hirte
Christian Hirte
Alexander Hoffmann
Thorsten Hoffmann
({7})
Karl Holmeier
Dr . Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Dr . Mathias Edwin Höschel
Charles M . Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Dr . Franz Josef Jung
Andreas Jung
Xaver Jung
Dr . Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Volker Kauder
Dr . Stefan Kaufmann
Ronja Kemmer
Dr . Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Dr . Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr . Roy Kühne
Uwe Lagosky
Dr . Dr . h . c . Karl A . Lamers
Andreas G . Lämmel
Dr . Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr . Silke Launert
Paul Lehrieder
Dr . Katja Leikert
Dr . Philipp Lengsfeld
Dr . Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Antje Lezius
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr . Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr . Claudia Lücking-Michel
Dr . Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr . Thomas de Maizière
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({8})
Reiner Meier
Dr . Michael Meister
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr . h . c . Hans Michelbach
Dr . Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Elisabeth Motschmann
Dr . Gerd Müller
Carsten Müller
({9})
Stefan Müller ({10})
Dr . Andreas Nick
Helmut Nowak
Dr . Georg Nüßlein
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr . Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr . Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr . Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Iris Ripsam
Johannes Röring
Kathrin Rösel
Dr . Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer ({11})
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Gabriele Schmidt ({12})
Patrick Schnieder
Nadine Schön ({13})
Dr . Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr . Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
({14})
Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr . Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Johannes Steiniger
Christian Frhr . von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr . Sabine Sütterlin-Waack
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr . Hans-Peter Uhl
Dr . Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel ({15})
Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Dr . Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Karl-Heinz Wange
Kai Wegner
Marcus Weinberg ({16})
Dr . Anja Weisgerber
Peter Weiß ({17})
Sabine Weiss ({18})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({19})
Elisabeth WinkelmeierBecker
Oliver Wittke
Dagmar G . Wöhrl
Barbara Woltmann
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr . Matthias Zimmer
Gudrun Zollner
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr . Katarina Barley
Doris Barnett
Dr . Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Lothar Binding ({20})
Burkhard Blienert
Dr . Karl-Heinz Brunner
Dr . h . c . Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Dr . Lars Castellucci
Jürgen Coße
Petra Crone
Dr . Daniela De Ridder
Dr . Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Dr . h . c . Gernot Erler
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr . Johannes Fechner
Dr . Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr . Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Michael Hartmann
({21})
Dirk Heidenblut
Gabriela Heinrich
Wolfgang Hellmich
Dr . Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Thomas Hitschler
Dr . Eva Högl
Christina Jantz-Herrmann
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Lars Klingbeil
Birgit Kömpel
Anette Kramme
Angelika Krüger-Leißner
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange ({22})
Dr . Karl Lauterbach
Steffen‑Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Dr . Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Dr . Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Bettina Müller
Detlef Müller ({23})
Michelle Müntefering
Dr . Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Mahmut Özdemir ({24})
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post ({25})
Dr . Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr . Sascha Raabe
Dr . Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr . Carola Reimann
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Petra Rode-Bosse
Dennis Rohde
Dr . Martin Rosemann
René Röspel
Dr . Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({26})
Bernd Rützel
Sarah Ryglewski
Annette Sawade
Dr . Hans-Joachim
Schabedoth
Axel Schäfer ({27})
Dr . Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr . Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt ({28})
Matthias Schmidt ({29})
Dagmar Schmidt ({30})
Carsten Schneider ({31})
Elfi Scho‑Antwerpes
Ursula Schulte
Swen Schulz ({32})
Ewald Schurer
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Rainer Spiering
Svenja Stadler
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Dr . Karin Thissen
Franz Thönnes
Carsten Träger
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Andrea Wicklein
Dirk Wiese
Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr . Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Annalena Baerbock
Dr . Franziska Brantner
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr . Thomas Gambke
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr . Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Sven-Christian Kindler
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Stephan Kühn ({33})
Christian Kühn ({34})
Markus Kurth
Steffi Lemke
Dr . Tobias Lindner
Peter Meiwald
Beate Müller-Gemmeke
Dr . Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Cem Özdemir
Tabea Rößner
Manuel Sarrazin
Ulle Schauws
Dr . Gerhard Schick
Dr . Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr . Wolfgang StrengmannKuhn
Markus Tressel
Dr . Julia Verlinden
Dr . Valerie Wilms
Nein
SPD
Willi Brase
Dr . Ute Finckh-Krämer
Gabriele Hiller-Ohm
Rüdiger Veit
Waltraud Wolff
({35})
DIE LINKE
Dr . Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W . Birkwald
Heidrun Bluhm
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Nicole Gohlke
Dr . André Hahn
Heike Hänsel
Dr . Rosemarie Hein
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Kerstin Kassner
Jan Korte
Jutta Krellmann
Caren Lay
Sabine Leidig
Stefan Liebich
Dr . Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller ({36})
Dr . Alexander S . Neu
Thomas Nord
Harald Petzold ({37})
Richard Pitterle
Michael Schlecht
Dr . Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr . Kirsten Tackmann
Azize Tank
Alexander Ulrich
Harald Weinberg
Katrin Werner
Birgit Wöllert
Hubertus Zdebel
({38})
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Enthalten
SPD
Marco Bülow
Cansel Kiziltepe
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Özcan Mutlu
Lisa Paus
Corinna Rüffer
Dr . Harald Terpe
Wir setzen die Aussprache fort . Als Nächstem erteile
ich dem Kollegen Frank Tempel für die Fraktion Die Linke das Wort .
({39})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Lieber Kollege Baumann, Sie haben viele
Situationen geschildert, in denen sich der Bürger über
die Polizei bei der Polizei beschweren kann . Nicht nur
die parlamentarische Opposition hält es für erforderlich,
zwischen der Polizei, die das staatliche Gewaltmonopol gegenüber dem Bürger ausübt, und dem Bürger eine
unabhängige Instanz für den Bürger zu schaffen, die im
Zweifel Vorfälle untersucht .
({0})
Die Betonung liegt dabei eindeutig auf „unabhängig“ . Es
umzudeuten und zu behaupten, es sei gegen die Polizei
gerichtet und spräche von Misstrauen oder, wie einige sagen, von einem Generalverdacht, ist nicht seriös .
({1})
Grundsätzlich sollte eine solche Einrichtung, die es
zum Beispiel auch in Dänemark, Irland, Belgien, Norwegen und Österreich gibt, die es auch in drei deutschen
Bundesländern gibt, für einen Rechtstaat gar nicht infrage gestellt werden .
Ich wähle heute bewusst ein Beispiel, das nur wenige
Tage zurückliegt. Es betrifft eine Landespolizei, könnte
aber ohne Weiteres so auch bei der Bundespolizei geschehen . Laut Medienberichten ist es am Sonntagabend
zu dramatischen Szenen gekommen . Was mit einer Verkehrskontrolle begann, endete in einer Eskalation zwischen 50 Polizeibeamten und 250 Anwohnern . Anlass
war die Weigerung eines Autofahrers, seine Papiere zu
zeigen . Bei der folgenden Festnahme wurde er verletzt
und musste anschließend im Krankenhaus behandelt
werden . Ein 37-Jähriger, der die Szene mit seinem Handy
filmte, wurde laut Zeugen ebenfalls - ich zitiere - brutal
niedergerungen . Eine Polizeisprecherin erklärte später,
die Aggressivität sei von Beginn an von dem Autofahrer
ausgegangen . Die Polizei leitete nach dem Einsatz Ermittlungen wegen Landfriedensbruch, Widerstand gegen
Vollstreckungsbeamte und versuchter Gefangenenbefreiung ein . Ursache war, wie gesagt, eine Verkehrskontrolle .
Das ist ein Beispiel für eine Situation, wie sie im polizeilichen Alltag nicht selten vorkommt . Mir würden sofort
einige ähnliche Sachverhalte einfallen, Herr Wendt, die
ich selber im Dienst erlebt habe . Ich muss eben nicht einfach einmal so mit einem Streifenwagen mitfahren .
({2})
Auch das Folgende ist absolut nicht untypisch . Es gab
noch eine zweite Sichtweise zum Geschehen, eine andere
als die der Polizei . Ein Journalist beobachtete das Geschehen zufällig und wird folgendermaßen zitiert:
Meiner Meinung nach hätte die Eskalation vermieden werden können, wenn die Polizei nicht so brutal
gegen den Autofahrer vorgegangen wäre .
Mit diesen beiden Sichtweisen steht der Vorgang in
der Öffentlichkeit. Nicht jeder, Herr Baumann, wird diesen Vorgang mit ungeteiltem Vertrauen in die Polizei
wahrnehmen . Sehr oft enden solche Vorkommnisse mit
Strafen für den Bürger und ohne jegliche Konsequenz für
den Beamten . Das sorgt ebenfalls nicht für Vertrauen .
Doch wie sieht es mit dem Maß der Verhältnismäßigkeit aus, mit der Verpflichtung des Polizeibeamten,
zu deeskalieren, statt kraft seiner Befugnisse sofort gewaltsam seine Anordnungen durchzusetzen? Der Verstoß gegen das Deeskalationsprinzip ist sehr häufig nicht
gleich eine Straftat . Eine Strafanzeige gegen den Polizeibeamten erfolgt erst gar nicht oder sie ist rechtlich
nicht erfolgreich . Trotzdem war das Verhalten der Polizei
möglicherweise ursächlich für den weiteren Ablauf einer
Handlung . Was ist also, wenn Straftaten des Bürgers erst
durch fehlerhaftes Verhalten der Polizeibeamten provoziert wurden?
Meine Damen und Herren, zumindest bei vielen Bürgern wäre das Vertrauen in die Polizei deutlich höher,
wenn die Ausübung des Gewaltmonopols des Staates
nicht nur durch den Staat selbst, durch die Institutionen,
die Sie geschildert haben, sondern auch durch eine unabhängige Instanz anlassbezogen kontrolliert wird .
({3})
- In der Unabhängigkeit liegt der Unterschied, Herr
Baumann . - Denn es ist sehr gut möglich, auch in dem
soeben genannten Fall, dass der Journalist die Situation,
die er beobachtet hat, falsch einschätzt, dass die Polizeibeamten zum Beispiel keine Chance zur Deeskalation
hatten . Ich weiß es nicht . Ich kenne nur die zwei Sichtweisen aus der Öffentlichkeit. Eine abschließende Entscheidung darüber von einer unabhängigen Instanz hätte
einen ganz anderen Stellenwert in der Bevölkerung als
die Erklärung der Polizeisprecherin .
({4})
Wird jedoch ein pflichtwidriges Verhalten festgestellt,
kann die Konsequenz zum Beispiel auch ein verstärktes
Deeskalationstraining in der Dienststelle sein . Die Polizei wird, wenn sie die neutrale Bewertung des Polizeibeauftragten richtig nutzt, besser werden, was ebenfalls
nicht zum Nachteil gereichen kann . Die Linke wird,
ebenso wie die Grünen sicherlich, in der kommenden
Legislatur weitere Vorschläge unterbreiten, wie eine solche unabhängige Kontrolle aussehen kann und wie durch
eine solche Instanz das Vertrauen zwischen Bevölkerung
und Polizei auch in solch kritischen Sachverhalten gestärkt werden kann . Den Vorschlag abzulehnen, das ist zu
einfach für einen Parlamentarier .
Danke schön .
({5})
Vielen Dank . - Für die SPD hat jetzt Wolfgang Gunkel
das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber
Frank Tempel, diesmal hattest du das Glück, vor mir zu
sprechen, und du hast viele Dinge erwähnt, die auch auf
meinem Zettel standen . Aber nun muss ich nach dir reden, und ich kann sagen: Vieles von dem, was du gesagt
hast, kann ich übernehmen .
Kommen wir zu dem, was eigentlich Sache ist, kommen wir auf die Vorlagen der Grünen zu sprechen, die
sich mit der Einsetzung eines unabhängigen Polizeibeauftragten befassen . Wir haben von dir gehört, dass es
in drei Bundesländern bereits einen solchen Beauftragten gibt . Das entscheidende Kriterium ist, lieber Herr
Baumann, dass der Polizeibeauftragte unabhängig ist,
also nur den Parlamenten der Länder, die das Amt eingeführt haben, gegenüber verantwortlich ist . Das anders
als bei denjenigen, die bei Polizeibehörden, also bei vorFrank Tempel
gesetzten Behörden, angebunden sind und ein wichtiges
Kriterium .
Sicher stimmt das alles, was du gesagt hast . Die Anzahl, die du genannt hast, ist sicherlich auch richtig, aber
es kommt nicht auf die Anzahl, sondern auf die Qualität
dessen an, was zur Anzeige gebracht wird . Bei einem unabhängigen Beauftragten dürfte sie von etwas größerem
Wert sein, als wenn man, wie du es beschrieben hast, den
Dienstweg beschreitet, der auf dem Petitionsweg endet .
Kommen wir zu dem, was die Anhörung inhaltlich
ergeben hat . Ich bin nicht der Meinung, dass man überwiegend der Auffassung gewesen sei, dass das Ganze unsinnig sei, was da vorgelegt wurde . Im Gegenteil: Professor Aden, der dort sprach, hat eine rechtliche Würdigung
vorgenommen und einige Punkte geradegerückt .
Damit komme ich auf den Antrag der Grünen zu sprechen . Professor Aden hat gesagt, dass man lieber einen
Gesetzestext inhaltlich verändern sollte als die Richtlinien für Straf- oder Bußgeldverfahren . Um es deutlich
zu sagen: Es wäre ihm lieber, man würde den § 258
StGB - Strafvereitelung - inhaltlich so verändern, dass
die Polizeibeamten Gelegenheit erhalten, auch noch zu
einem späteren Zeitpunkt eine Aussage zu einem Vorgang zu machen, ohne sich strafbar zu machen . Das ist,
finde ich, der Kern dieser ganzen Angelegenheit. Das
bringt mich dazu, dies zu befürworten . Ich sage: Trotz all
der Schwächen, die noch darin liegen, kann eine solche
Regelung hilfreich sein . Wenn ein Kollege, der überlegt,
ob er sozusagen Kumpanei mit den anderen macht oder
sich tatsächlich zu dem bekennt, was er gesehen hat und
zur Anzeige bringen muss, schon nach wenigen Stunden
oder Tagen fürchten muss, den Tatbestand der Strafvereitelung zu erfüllen, ist seine Bereitschaft zu einer Aussage
zu einem späteren Zeitpunkt sicherlich nicht mehr allzu
groß . Dies halte ich für den wichtigsten Punkt in Ihrem
Antrag .
({0})
Aufgrund der mir zur Verfügung stehenden Redezeit
kann ich nicht den ganzen Antrag auseinanderpolken;
aber einen Punkt will ich noch nennen . Es geht um § 13
Absatz 2 Ihres Gesetzentwurfs - Frau Mihalic, Sie wissen, was ich meine -, um Ermittlungen des unabhängigen
Beauftragten parallel zum Straf- oder Disziplinarverfahren . Dabei habe ich nach wie vor Bedenken . Ich denke, dass gerade die Staatsanwaltschaft damit Probleme
bekommen würde . Ein Disziplinarverfahren wird jetzt
ausgesetzt, solange strafrechtliche Ermittlungen bei der
Staatsanwaltschaft laufen . Wie das mit dem unabhängigen Beauftragten, der ja gleichzeitig weiterermitteln soll,
gehandhabt werden kann, ist mir noch nicht so ganz klar .
Diesen Punkt kann ich noch nicht so richtig als gelöst
betrachten .
Die SPD-Abgeordneten des NSU-Untersuchungsausschuss der letzten Legislaturperiode haben in einem
Sondervotum zum Abschlussbericht ebenfalls einen unabhängigen Beauftragten gefordert . Insofern ist es auch
ein Anliegen meiner Fraktion, diese Forderung in irgendeiner Form umzusetzen . Dort, wo die CDU zusammen
mit den Grünen regiert, in Baden-Württemberg, ist diese
Forderung ja bereits umgesetzt worden . Von daher plädiere ich nach wie vor dafür, dieses Thema im Blick zu
behalten. Es ist richtig, dass wir gehofft haben, hier mit
der Union auf einen Nenner zu kommen . Das war nicht
der Fall . In der nächsten Legislaturperiode werden wir
aber Zeit haben, dieses ganze Thema noch einmal aufzugreifen, die Diskussion fortzuführen und eine Vorlage zu
erarbeiten, die vielleicht von allen Fraktionen in diesem
Hause befürwortet wird .
({1})
Günter Baumann, selbstverständlich teile ich deine
Auffassung zur Bundespolizei. Auch dieses Anliegen ich will das jetzt nicht wiederholen - unterstütze ich voll
und ganz .
Dies ist meine letzte Rede im Bundestag . Nach zwölf
Jahren habe ich das Bedürfnis, mich bei all denjenigen
zu bedanken, die mich in dieser Zeit begleitet haben, mit
denen ich insbesondere im Bereich der inneren Sicherheit zwölf Jahre lang sehr eng zusammengearbeitet habe .
Fangen wir auf der rechten Seite des Hauses an: Für die
CDU waren das Clemens Binninger und Ralf Göbel .
Ralf Göbel ist nicht mehr Mitglied des Bundestages, der
Clemens aber immer noch .
({2})
- Ja, wahrscheinlich nicht mehr lange . - Aus der CSU
waren das insbesondere Alois Karl und Stephan Mayer .
Mit Stephan Mayer verbindet mich mehr, als das unter
Abgeordneten normalerweise der Fall ist . Ich hatte die
Gelegenheit, mich ausführlich in seinem Wahlkreis umzusehen . Das war sehr spannend .
Im Menschenrechtsausschuss habe ich acht Jahre lang
gearbeitet . Da fallen mir von der CDU Michael Brand
und Frank Heinrich ein, die mich ganz eng begleitet haben . Ebenso fällt mir Ute Granold ein, die eine Legislaturperiode früher ausgeschieden ist .
Kommen wir dann zu der mittleren Abteilung in diesem Hause, zu den Grünen . Die meisten, die ich nennen
möchte, sind nicht mehr Mitglied des Deutschen Bundestages; aber ich kann mich immer noch sehr gut an Silke
Stokar von Neuforn, an Josef Winkler und an Wolfgang
Wieland erinnern . Das waren drei ganz dufte Leute, die
die Grünen in diesem Ausschuss hatten . Mit denen bin
ich sehr gut ausgekommen .
({3})
In der heutigen Zeit sind Monika Lazar, Konstantin von
Notz und Irene Mihalic, mit der ich mich lange über den
unabhängigen Polizeibeauftragten ausgetauscht habe,
dabei .
Bei meiner Fraktion wäre es jetzt schwierig, 20 oder
mehr Namen zu nennen. Das betrifft all diejenigen, die
mit mir seit zwölf Jahren - oder für kürzere Zeit - im
Innenausschuss zusammengearbeitet haben . Die kann
ich hier mit einem Schlag erwähnen . Damit wäre das erst
einmal abgedeckt .
Ich komme nun zur linken Seite . Auch hier ist es so,
dass mich die im Folgenden genannten Leute sehr lange begleitet haben . Dabei handelt es sich um Petra Pau,
Ulla Jelpke und Jan Korte, die zwölf Jahre mit dabei
waren und mit denen ich sehr gut zusammengearbeitet
habe . Neu hinzugetreten ist dann 2009 Frank Tempel .
Dir, Frank, sage ich nun ein besonders herzliches Dankeschön für die vielen Gedanken, die wir ausgetauscht
haben . Was die Menschenrechtsschiene anbelangt, fällt
mir noch Annette Groth ein, mit der ich gut zusammenarbeiten konnte .
Es ist schon bemerkenswert, dass ich in allen Bereichen doch immer wieder Gesprächspartner hatte, die fair
und sauber argumentiert haben .
Ich hatte - das ist eine besondere Angelegenheit einen fast freundschaftlichen Kontakt zu Matthias
Birkwald . Der ist natürlich nicht mehr da, aber richtet
ihm aus: Er war wirklich eine gute Gedankenstütze .
Damit habe ich etwas überzogen, Frau Präsidentin .
Ich danke für die paar Sekunden . Im Übrigen ist dies das
Ende meiner Rede . Viel Spaß in der 19 . Legislaturperiode für alle, die diese Rede gehört haben .
Ich danke euch . Tschüss!
({4})
Vielen Dank, Kollege Gunkel . Zum Ende der Arbeit
im Deutschen Bundestag darf man auch einmal überziehen, wenn es nicht zu viel ist . Auch wir vom Präsidium
wünschen Ihnen alles Gute für die vielleicht etwas ruhigere Zeit . Und noch einmal ganz herzlichen Dank für
das Engagement in den vielen Bereichen, die du ja selber
hier aufgeführt hast . Mir bleibt aber immer in Erinnerung
dein Einsatz für Menschenrechte und dafür, dass es den
Polizistinnen und Polizisten in diesem Land gut geht,
dass wir als Bundestag ihre Arbeit zu schätzen wissen
und auch das Entsprechende tun . Noch einmal danke
schön dafür .
({0})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt
Irene Mihalic das Wort . - Bitte schön .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Mit unserem Gesetzentwurf zur Einrichtung eines Polizeibeauftragten beim Deutschen
Bundestag wird eine wichtige Forderung umgesetzt,
die - wie wir gerade jetzt wieder gehört haben bzw . noch
hören werden - drei von vier Fraktionen hier im Haus
verbindet .
Ich bin dankbar für die Worte der Kollegen Gunkel
und Tempel . Sie haben viele Beispiele genannt, weshalb
eine solche Einrichtung wirklich sinnvoll ist . Deswegen
kann ich mich hier auf ein paar Grundsätzlichkeiten beschränken und das Gesagte noch einmal sinnvoll zusammenfassen .
Bei der Stelle geht es im Kern um die Kontrolle des
staatlichen Gewaltmonopols im Innern und um eine moderne Verwaltung, die sich dessen bewusst ist, dass sie
gegenüber dem Parlament und den Bürgerinnen und Bürgern zur Rechenschaft für ihr Handeln verpflichtet ist. Es
geht aber eben auch um die Beschäftigten der Polizeien
des Bundes und ihre Sicht auf die Dinge sowie um bessere Arbeitsbedingungen und einen besseren Schutz der betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Beides bedingt sich.
Wir müssen beides stärken . Beides ist auch Teil unserer
grundrechtlichen Position .
Der Kollege Gunkel hat vorhin zu Recht folgenden
Sachverhalt beschrieben: Wenn zum Beispiel Polizisten
Zeugen einer Straftat, begangen von ihren Kollegen,
werden und den Fall aus verständlichen Gründen eben
nicht sofort zur Anzeige bringen, dann sollten sie sich an
eine Stelle außerhalb der Polizei wenden können, ohne
befürchten zu müssen, selbst wegen Strafvereitelung angezeigt zu werden .
({0})
Lieber Kollege Baumann, dann hilft eben leider auch
der Petitionsausschuss nicht weiter . Denn der eigentliche
Fall kann nicht aufgeklärt werden, wenn alle Beteiligten
die Aussage verweigern .
Allein daran sieht man: Das bestehende System steht
einer echten Fehlerkultur leider im Weg, und das muss
sich dringend ändern .
({1})
Kollege Gunkel, damit sollen keine Parallelermittlungen durchgeführt werden . Auch das ist ein weitverbreitetes Missverständnis . Es geht im Kern um das Nachvollziehen der Ermittlungen, um parlamentarische Kontrolle
und Aufarbeitung solcher Fälle . Und dabei geht es eben
auch ganz konkret um die Weiterentwicklung einer Sicherheitsarchitektur, die bundesweit - auch für die Bundesländer, die eine solche Einrichtung noch nicht haben - als Vorbild dienen könnte . Das hat auch eine große
Anzahl von Experten in der Anhörung bestätigt .
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU das muss ich Ihnen an dieser Stelle jetzt noch einmal sagen -, haben für die Anhörung im Ausschuss - das tut mir
sehr leid - Rainer Wendt als Sachverständigen benannt .
Allein schon durch die Benennung dieses Sachverständigen haben Sie sehr deutlich gemacht, was Sie von parlamentarischer Kontrolle der Polizei, Verantwortlichkeit
und sachgerechter Aufarbeitung halten .
({2})
Wir sagen: Ein Fehlverhalten darf weder unter den
Teppich gekehrt noch drakonisch bestraft werden . Es ist
immer wichtig, nach den Ursachen zu fragen: Wie ist es
zu einem Fehler gekommen? Was kann in Zukunft besser
laufen? Ein Polizeibeauftragter würde hier einen wichtigen Beitrag liefern und uns hier im Parlament eine wichtige und neutrale Innensicht in die Polizei hinein ermöglichen - auch für mehr Sachlichkeit in der öffentlichen
Diskussion .
({3})
Das ist auch notwendig, weil sich die Arbeitsweise
und die Befugnisse der Polizei in den letzten 15 Jahren
stark verändert haben . Das ist zum Teil auch eine Folge der Digitalisierung und von neuen Befugnissen, die
die Polizei hat . Gleichzeitig hat man die Hürden für die
Strafbarkeit bei manchen Delikten so weit gesenkt, dass
es auch darum geht, zum Schutz der Grundrechte und für
mehr Transparenz und Effizienz im Sinne eines echten
Gewinns für die innere Sicherheit die Wirkungen einem
parlamentarischen Blick zu unterziehen .
Jedes Mal, wenn es um die Erweiterung polizeilicher
Befugnisse und die Verschärfung des Strafrechts geht,
steht die Große Koalition zusammen . Sie haben es im
Ausschuss leider abgelehnt, an dieser Stelle einmal die
bürgerrechtliche Position zu stärken .
Es würde mich sehr freuen, wenn unser Gesetzentwurf
hier im Haus eine breite Zustimmung finden würde. Darum haben wir Grüne uns in Gesprächen mit der Linken,
mit der SPD und auch mit der Union sehr bemüht . Die
Rückmeldung aus der Union, Herr Schuster, war aber,
dass Sie den Polizeibeauftragten zwar auch irgendwie
wollen, aber erst nach der Wahl in einer Koalition verhandeln wollen . Das kostet nur Zeit,
({4})
es sei denn, es geschieht vielleicht noch ein Wunder und
die Kanzlerin gibt noch ein Interview in der Brigitte.
({5})
Dann findet sich vielleicht auch dafür eine Mehrheit hier
im Haus, wenn diese Entscheidung zur Gewissenentscheidung erklärt wird .
({6})
Ansonsten müssen wir vermutlich auf die nächste
Wahlperiode warten, was ich sehr bedaure . Dann sind
Sie, Kollege Gunkel, und Sie, lieber Herr Baumann, leider nicht mehr dabei .
({7})
Ich hoffe trotzdem auf breite Zustimmung zu unserem
Gesetzentwurf - wenn nicht heute, dann hoffentlich in
der nächsten Wahlperiode .
Ganz herzlichen Dank .
({8})
Vielen Dank . - Damit ist die Aussprache beendet .
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen
Polizeibeauftragten des Bundes . Der Innenausschuss
empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 18/12826, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/7616
abzulehnen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf
zustimmen wollen, um das Handzeichen . - Wer stimmt
dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/
Die Grünen und Linken bei zwei Enthaltungen aus der
SPD-Fraktion abgelehnt . Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung .
Unter Tagesordnungspunkt 17 b setzen wir die Abstimmung zu der Beschlussempfehlung des Innenausschusses auf Drucksache 18/12826 fort . Der Ausschuss
empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung
die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen auf Drucksache 18/7617 mit dem Titel „Aufklärung polizeilichen Fehlverhaltens erleichtern - Ergänzung zum Entwurf eines Gesetzes über die unabhängige
Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition bei zwei Enthaltungen aus der SPD-Fraktion angenommen .
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen
Bundestages - hier: Umsetzung des Gesetzes über die
unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes“ Der Ausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12978, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen auf Drucksache 18/7618 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt
dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen
die Stimmen der Opposition bei zwei Enthaltungen aus
der SPD angenommen .
Damit kommen wir zu Tagesordnungspunkt 20:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft ({0}) zu der Verordnung des
Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft
Verordnung über den Umgang mit Nährstoffen im Betrieb und zur Änderung weiterer
Vorschriften
Drucksachen 18/12731, 18/12879 Nr. 2,
18/12921
Interfraktionell wurde vereinbart, dass für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen sind . - Ich höre dazu
keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .
Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen . Dann könnte der Kollege Waldemar Westermayer von der CDU/
CSU‑Fraktion die Debatte eröffnen. - Bitte schön.
({1})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer! Wir diskutieren heute die Stoffstrombilanzverordnung. Man könnte
auch sagen: die Priesmeier-Bilanzverordnung .
({0})
Mit dieser Verordnung gestalten wir das aus, was wir mit
§ 11a Absatz 2 des geänderten Düngegesetzes den Landwirten auferlegen, nämlich die Pflicht zur Stoffstrombilanzierung . Wir konkretisieren damit die gute fachliche
Praxis beim Umgang mit Nährstoffen in den landwirtschaftlichen Betrieben .
Die betroffenen Betriebe sind nach der Verordnung
verpflichtet, betriebsbezogen die zugeführten und abgegebenen Nährstoffmengen an Stickstoff und Phosphor zu
ermitteln und darüber hinaus eine Ermittlung und Bewertung der betrieblichen Stoffstrombilanzen für Stickstoff
vorzunehmen und eine entsprechende Dokumentation
durchzuführen .
Diese neuen Pflichten, die mit erheblichem bürokratischem Aufwand verbunden sind, werden - das möchte ich hervorheben - bis spätestens Ende 2021 auf ihre
Wirksamkeit überprüft .
({1})
Die Überprüfung wird in Abstimmung mit dem Bundesumweltministerium sowie unter Beteiligung der Länder erfolgen und soll Vorschläge für notwendige Anpassungen der Regelungen enthalten; denn - das sollte uns
allen klar sein - die Stoffstrombilanzierung erfüllt keinen Selbstzweck . Sie soll als Teil des Düngepakets dazu
dienen, das Düngerecht insgesamt auf eine nachhaltige
Grundlage zu stellen .
Zielvorgabe für die Neuregelung des Düngerechts in
Deutschland war aus Sicht der Union immer die Vereinbarkeit von bedarfsgerechter Pflanzenernährung und dem
Schutz der Gewässer .
({2})
Dieses Ziel erreicht man nicht durch mediale Panikmache, wie es das Umweltbundesamt mit seinen gewagten
Prognosen zur Entwicklung der Trinkwasserpreise getan
hat, sondern durch problemorientiertes Handeln .
({3})
Mit dem Düngepaket haben wir unser lösungsorientiertes Handeln unter Beweis gestellt . Wir erkennen an,
dass es Handlungsbedarf zum Schutz unserer Gewässer
gibt . Gerade in Gebieten mit belasteten Wasserkörpern
hat auch für uns die Reduzierung des Eintrags von Nitrat
eine hohe Priorität . Wir verschärfen deshalb die Anforderungen an die Düngung in Deutschland erheblich . Die
Landwirtschaft stellt sich somit ihrer Verantwortung .
Mit den verschärften Anforderungen erhöht sich aber
auch der ohnehin schon hohe Anpassungsdruck für die
Betriebe . Wenn bei uns Lebensmittel in die Läden kommen, die diese Standards nicht erfüllen, wird dies im
Hinblick auf die Struktur der Landwirtschaft in Deutschland negative Folgen haben . Deshalb sind Lebensmittelimporte mit den gleichen Auflagen zum Wasser‑ und
Klimaschutz zu belegen und zu kontrollieren . Es ist aus
meiner Sicht klar, dass die weitergehenden Anforderungen im Düngerecht die Produktionskosten in der deutschen Landwirtschaft und damit letztendlich auch die
Kosten unserer Lebensmittel erhöhen werden .
Zusammengefasst haben wir mit dem Düngepaket dennoch praktikable Lösungen entwickelt, die die
Fruchtbarkeit unserer Böden erhalten und die es gleichzeitig erlauben, eine ausreichende Nährstoffversorgung
unserer Pflanzen mit Wirtschaftsdünger zu gewährleisten . Am Ende eines langen Weges haben wir einen Ausgleich gefunden, der auch die Landwirte einbezieht und
ihnen Planungssicherheit bietet . Vor diesem Hintergrund
möchte ich hervorheben, dass unsere Bauern in Deutschland nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung
sind .
Ich bedanke mich ganz herzlich und schenke Ihnen
eine Minute .
({4})
Vielen Dank . - Nächste Rednerin ist die Kollegin
Dr . Kirsten Tackmann, Fraktion Die Linke .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Gäste! In der letzten agrarpolitischen Debatte in
dieser Wahlperiode sprechen wir nun also über die Stoffstrombilanz . Das ist der dritte und letzte Teil der Düngegesetzgebung, nachdem das Düngegesetz selbst und die
Düngeverordnung novelliert wurden .
Worum geht es? Es geht eigentlich um ein Regelwerk,
mit dem die Landwirtschaftsbetriebe ihre Nährstoffüberschüsse identifizieren sollen. Warum ist das wichtig?
Weil in vielen Regionen zu viel Nitrat in die Gewässer
und ins Grundwasser eingetragen werden . Dabei geht es
um die Natur in den betroffenen Regionen; denn wir wollen den Kindern und Enkeln ja eine intakte Welt hinterlassen, soweit das noch möglich ist .
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Es geht aber eben auch um eine soziale Frage . Denn
zu viel Nitrat bedeutet auch, dass hohe Kosten für die
Trinkwasseraufbereitung entstehen, und das kann schnell
zum Preistreiber für Wasser- und Abwassergebühren
werden . Auch deswegen ist es wichtig, hier konsequent,
aber auch angemessen zu handeln .
({0})
In dem Ziel sind wir uns sogar einig, aber beim „Wie“
haben sich Union und SPD dann doch wieder in den vielen Fäden der unterschiedlichen Interessen verstrickt .
Deswegen gehen wir zumindest im Moment davon aus,
dass dieses Ziel nicht erreicht wird . Das geht auf Kosten
der Natur und der Betriebe . Das ist problematisch .
Die Koalition hat nun eine denkbar breite Koalition
gegen sich . Gerade haben Wasserverbände, Umweltorganisationen und meine Gewerkschaft Verdi aus der Sorge
heraus, dass sich die Nährstoffüberschüsse nicht reduzieren und gerade in den Problemregionen NRW und Niedersachsen das Problem nicht gelöst wird, eine gemeinsame Petition gestartet .
({1})
Diese Sorge zumindest teilen wir, wenn wir auch nicht
jedes Wort aus der Petition teilen . Deswegen müssen wir,
lieber Wilhelm - auch wenn dir heute große Ehre zuteilwird -, die Verordnung leider ablehnen .
Aber ich möchte noch zu einem anderen Thema reden,
das uns sehr wichtig ist und bei dem es lichterloh brennt .
Unsere agrarwissenschaftliche Forschung verliert seit
Jahren Personal . Als Linke habe ich deshalb schon lange
einen strategischen Neuansatz gefordert . Da ich vor meinem Bundestagsmandat in der Agrarforschung gearbeitet
habe, weiß ich, wovon ich rede, und kenne die Szene .
Schlecht bezahlte und ungesicherte Arbeitsverhältnisse zum Beispiel sind leider in der deutschen Wissenschaftslandschaft zum Standard geworden. Ich finde, das
ist ein Armutszeugnis für das selbsternannte Land der
Dichter und Denker .
Aber auch die aktuellen Bewertungsmaßstäbe für
wissenschaftliche Leistungen sind aus meiner Sicht problematisch . Die Bearbeitung von Förderanträgen kostet
viel zu viel Zeit und Ressourcen, und zu selten werden
kreative Lösungen für wirkliche Menschheitsprobleme
gesucht .
Das trifft die anwendungsorientierte Agrarforschung
leider ganz besonders . Ich denke, dass wir tatsächlich
wieder eine eigene agrarwissenschaftliche Institution
brauchen .
({2})
Aber das werden wir erst in der nächsten Wahlperiode
hinbekommen .
Keinesfalls warten kann aber das Leibniz-Institut für
Gemüse‑ und Zierpflanzenbau in Erfurt. Hier ist nämlich
Gefahr im Verzug . Ihm droht die Abwicklung, obwohl
niemand daran zweifelt, dass es dringend gebraucht wird .
Ich finde, das ist total absurd.
({3})
Das Institut beschäftigt sich nämlich unter anderem mit
den Fragen der Düngung im Gartenbau .
Schlimm genug, dass die Leibniz-Gemeinschaft dieses
Institut leider zunächst aus der Familie entlassen hat . Die
Belegschaft kämpft aber mit sehr großem Engagement
um dieses Institut . Wissenschaftlich sind unterdessen alle
Gleise für die Zukunftsfähigkeit dieses Wissenschaftsstandortes gelegt. Der finanzielle Beitrag des Freistaats
Thüringen für den Weiterbestand dieses Wissenschaftsstandortes wurde mehrfach zugesichert . Nun muss nur
noch der Bund seinen Beitrag dazu leisten, dass dieser
Standort tatsächlich erhalten bleibt .
Fachpolitisch sind wir uns fraktionsübergreifend sogar
vollkommen einig, dass wir das Institut in Erfurt erhalten
wollen . Aber wir müssen eben handeln und nicht reden .
({4})
Wir können das offensichtlich nicht der Bundesregierung
überlassen .
Ich sage hier noch einmal ganz deutlich: Diese Belegschaft besteht nicht aus Schachfiguren, die man einfach
einmal von einem Standort zum anderen verschieben
kann. Wir kämpfen für das Institut in Erfurt. Ich finde,
diese Spielchen sollten wir der Bundesregierung nicht
durchgehen lassen . Das IGZ ist wichtig, und es hat unmoralische Angebote nicht verdient .
Vielen Dank .
({5})
Vielen Dank . - Nächster Redner für die SPD-Fraktion
ist der Kollege Dr . Wilhelm Priesmeier .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für mich ist
heute nicht Wehmut angesagt . Ihr kennt mich alle als
jemanden, der immer aufrecht und geradlinig im Deutschen Bundestag für seine Ziele gekämpft hat, im Sinne
seiner Fraktion und für die Sache . So ist es auch heute
Abend . Ich freue mich, dass ich das Projekt, das ich vor
sechs Jahren begonnen habe, die Novellierung unseres
Düngerechts, längst überfällig, heute zumindest mit dem
dritten Teil, der noch fehlt, abschließen kann .
Ich glaube, dass wir den eben geprägten Begriff, das
sei dann die Priesmeier-Bilanzverordnung, in der Schublade verschwinden lassen sollten . Das kann man vielleicht im Nachhinein, ex post, beurteilen . Zu viel Lob
ist auch nicht angesagt . Es stört mich aber auch nicht,
dass dieser Begriff für heute geprägt worden ist. Aber ich
glaube, er hat keinen Bestand .
({0})
Ich freue mich jedenfalls, dass wir damit den notwendigen Paradigmenwechsel, den wir längst hätten vollziehen müssen, jetzt endlich vollziehen können . Es geht
vordergründig zunächst einmal um die Umsetzung der
Nitratrichtlinie aus dem Jahr 1991 . Das hat lange gedauert . Wir sind seit 2013 im Vertragsverletzungsverfahren .
Das macht deutlich, dass es aus den unterschiedlichsten Gründen und Interessen schwer war, mit allen eine
Einigung zu erzielen . Das muss man auch nicht, wenn
man Politik macht . Man muss vielmehr eine klare Linie
haben . Man muss hinterher aber auch einen vernünftigen Konsens finden, der für alle tragfähig ist und der die
wirtschaftliche Existenz der Betriebe, die in besonderer
Weise betroffen sind, nicht infrage stellt. Ich glaube, das
ist gelungen .
({1})
Nicht alles ist perfekt . Geholfen hat mir dabei natürlich die Entschlossenheit der Kommission . Das Klageverfahren, das in Luxemburg auf dem Tisch lag, hat
natürlich die Einsichtsfähigkeit des großen Deutschen
Bauernverbandes ein bisschen befördert . Nachdem von
dort aus Konsensbereitschaft signalisiert wurde, gab es
auch im Rahmen der Koalition mit dem Koalitionspartner ein ausreichendes Fundament, um das Düngepaket
letztendlich nicht nur auf den Weg zu bringen, sondern
auch zu verhandeln und zum Erfolg zu führen. Das hoffe
ich jedenfalls .
Mit dem neuen System, das die Bruttobilanzierung
neben der Bedarfsorientierung umfasst, schaffen wir
Transparenz und Vergleichbarkeit . Nicht nur der Bedarf
ist hinterher Grundlage für die Düngung, sondern auch
die Immissionsbetrachtung . Wie viel wird in die Umwelt
freigesetzt, und wo bleibt der Eintrag? Wir wissen alle
um den Zustand vieler Gewässer, vor allem in den Regionen, wo wir eine hohe Veredelung und Verdichtung
haben . Dort gibt es dringenden Handlungsbedarf .
Für die Kontrolle der Verbesserung dieses Zustands
haben wir mit dieser Verordnung und mit der Gesetzgebung in Gänze die Grundlagen gelegt . Wir haben das
justiziabel gemacht; die alten Vorgaben waren das nicht .
Insofern haben wir es möglich gemacht, dass man
zukünftig, wenn wir das Bruttobilanzierungssystem
als Grundlage nehmen, mit der Weiterentwicklung der
Grundlagen, die wir an sich noch gebraucht hätten, die
wir aber im Augenblick nicht haben, einfach Daten aus
der betrieblichen Buchführung für diese Bilanzierungsvorgänge übernimmt, um hinterher Rückschlüsse über
die Fläche und über die Frage, ob der Betrieb mehr oder
weniger als die zulässige Menge an Nährstoffen ausgebracht hat, zu ziehen . Das wird dann einfacher sein, aber
diese Grundlagen haben wir im Augenblick noch nicht .
Deshalb sind die verschiedensten Verstöße noch nicht
durch Bußgelder sanktioniert . Sie führen dazu, dass der
Betrieb eine Beratung in Anspruch nehmen muss . Erst
wenn er das nicht tut, wird gegen ihn ein Bußgeld verhängt . Ich glaube, das ist der richtige Weg . Wir müssen
das, was wir auf die Schiene gesetzt haben, ans Laufen
bekommen .
({2})
Wir haben durchgesetzt, die Biogasanlagen in Gänze
einzubeziehen . Das war vorher nicht der Fall . Wir haben auch durchgesetzt, dass wir die jetzigen Vorgaben
bis zum 31 . Dezember 2022 befristet haben . Das wird
die dann im Amt befindliche Bundesregierung dazu
verpflichten, dieses System, das wir jetzt anschieben,
letztendlich in der Weise zu verfeinern und zu verbessern, dass es ein effizientes und wirksames Instrument
sein wird, um hinterher unsere Umwelt vor übermäßigen
Emissionen zu schützen . Es wird vielleicht auch einen
Beitrag leisten, dass wir der Wasserrahmenrichtlinie, der
NERC-Richtlinie und der Meeresschutzrichtlinie, die wir
noch zu erfüllen haben, entsprechen können .
Ob das ausreichend ist, zweifle ich mit Blick auf die
Größen und die Vorgaben an . Da hätten wir mehr erreichen können . Wir haben nur das Notwendige getan; mehr
war leider nicht machbar . Aber ich glaube: Das ist der
erste Aufschlag . Er muss weiterentwickelt werden - dann
natürlich von Kollegen, die in diesem Hause sind; ich
werde das dann nicht mehr sein .
Aber ich freue mich natürlich heute nicht nur über
den Besuch bei der kleinen Feier, die ich veranstaltet
habe, sondern auch darüber, dass ich in Gänze von allen Fraktionen letztendlich, auch vom Koalitionspartner,
im Wesentlichen vom Kollegen Westermayer und vom
Kollegen Holzenkamp, die entsprechende Unterstützung
erfahren habe, um dieses Paket so zu verhandeln .
Wir waren häufig am Rande des Scheiterns, aber irgendwie haben wir es dann doch zusammenbekommen
in der Erwartung, dass wir der Umwelt natürlich auch
etwas Gutes tun . Zu viel Dünger - das weiß jeder - kostet nur Geld . Die Reduzierung des Düngereinsatzes spart
Ressourcen in den Betrieben . Aber es wird nicht ganz
einfach sein . Das wird viele Betriebe vor allen Dingen in
den Veredelungsregionen an die Grenze ihrer Möglichkeiten führen . Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob alle diese
Grenze letztlich werden ertragen können . Einige werden
das vielleicht nicht können . Das muss man der Ehrlichkeit halber sagen .
Wenn ich meine 15 Jahre im Deutschen Bundestag rekapituliere, erinnere ich mich noch an meine erste Rede
hier . Da saß da vorne Ernst Hinsken . Der machte den ersten Zwischenruf . In der Folge gab es 19 Zwischenrufe
in 7 Minuten Redezeit, aber ich habe die Redezeit um
2 Minuten überzogen .
({3})
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, meinen Dank
richte ich an euch, an Sie alle . Bei den „Agrariern“ hat
man sich im Regelfall immer geduzt, was in anderen
Debatten nicht immer üblich ist . Aber das ist auch ein
vernünftiges Zeichen, wie man miteinander in der Politik umgeht. Ich finde: Geradlinigkeit ist angesagt. Ehrlichkeit ist angesagt . Eine klare Ansprache ist angesagt .
Dann, glaube ich, wird es mit der Agrarpolitik und den
agrarpolitischen Debatten im Deutschen Bundestag auch
in Zukunft die richtigen Ergebnisse und die richtigen Abstimmungen geben .
Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gelegentlich sieht man sich vielleicht auch noch mal wieder
bei anderen Anlässen. Das hoffe ich zumindest. Wir alle
sind ja nicht aus der Welt . Wenn ich in die Runde schaue,
glaube ich schon: Es gibt genug Anlässe, die ich immer
auch gern wahrgenommen habe. Da treffen wir uns dann
und machen noch das eine oder andere obendrauf .
Vielen Dank .
({4})
Vielen Dank, lieber Wilhelm Priesmeier . - Ich kann
mir von hier aus keine agrarpolitische Debatte vorstellen,
an der du nicht teilnimmst und nicht mit uns debattierst .
Aber wir wünschen jedenfalls von hier aus alles Gute
und bedanken uns noch einmal für dein Engagement zum
Wohle der Agrarwirtschaft in Deutschland als jemand,
der immer wieder versucht hat, hier Kompromisse zu
schmieden . Danke schön dafür .
({0})
Nächster Redner ist der Kollege Friedrich Ostendorff
für Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Entschuldigt, dass ich den wehmütigen Geist
der Dankbarkeit für die ausscheidenden Kolleginnen und
Kollegen etwas stören muss . Wer hätte gedacht, dass sich
die Koalitionäre nach monatelangen Grabenkämpfen
doch noch auf einen Entwurf einer Stoffstrombilanzverordnung verständigen? Wie weise, dass wir den Parlamentsvorbehalt eingefügt haben! Wie oft stieg der weiße
Rauch in den letzten Monaten nach Verhandlungen auf,
um dann sofort wieder von CDU und CSU eingefangen
zu werden, weil sich irgendwelche Güllebarone querlegten! Aber am Ende obsiegte die Einsicht, dass nicht alle
Verschärfungen zu verhindern sind, wenn das EU-Vertragsverletzungsverfahren abgewendet werden soll . In
diesem seit 2013 währenden Prozess des Nichtstuns und
Aussitzens
({0})
wurde kurz vor Toresschluss eine halbgare Düngeverordnung beschlossen .
({1})
Dieses verabschiedete Gesamtpaket weist zwar mit
wichtigen Bausteinen wie der Stoffstrombilanz, dem Datenabgleich oder der Hinzurechnung der Gärsubstrate aus
Biogasanlagen zur Obergrenze von 170 Kilogramm N
pro Hektar und Jahr in die richtige Richtung, aber nur
weil die Bundesländer - hier ist besonders Niedersachsen
zu nennen - immer wieder gedrängt haben . Das ganze
Theater, das es hier gegeben hat, ist doch nur veranstaltet
worden, weil der Deutsche Bauernverband, dem Sie von
CDU/CSU stets nachgeben, nicht einverstanden war .
({2})
Für wen, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/
CSU, machen Sie eigentlich Politik? Machen Sie Politik
für die Menschen, die sauberes Trinkwasser wollen, die
wollen, dass unser Gemeingut sauber bleibt?
({3})
Nein, Sie - Frau Connemann vorneweg - machen Politik
für einzelne Tierhalter, die mit viel zu viel Gülle unser
aller Gemeingut Wasser enorm belasten . Das ist Ihre Politik! Reine Klientelpolitik!
({4})
7,7 Millionen Schweine in Niedersachsen und NRW, das
erfordert zielgerichtetes Handeln .
({5})
So wie es jetzt ist, drohen steigende Wasserpreise . Das
sagen selbst Ihre Behörden, Herr Minister; Sie haben
es vernommen . Das Verursacherprinzip, das mit dieser
Novellierung eingeführt wurde, kann wegen geschönter
Zahlen aus der Stoffstrombilanzverordnung nicht richtig
befolgt und die Gülle nicht sachgerecht bilanziert werden . Alle Warnungen der Umwelt- und Wasserverbände
wurden von Ihnen in den Wind geschlagen . Alle Kompromisse, die von den Bundesländern mit viel Aufwand
erarbeitet wurden, wurden von Ihnen immer wieder unterlaufen . Sie verhindern so wieder einmal das so sehr
benötigte Verständnis und die Akzeptanz für die Tierhaltung in unserer Gesellschaft .
({6})
Besonders ärgerlich ist, dass flächenlose Biogasbetriebe ohne Zusammenhang zur Viehhaltung aus der Verordnung wieder herausfallen . Es ist eine absolut unverständliche Entscheidung, warum es nicht dabei geblieben
ist, alle Biogasbetriebe in der Verordnung zu berücksichtigen . Wieso stehen in der Verordnung nicht mehr alle
Biogasbetriebe?
({7})
Die vorhandenen Phosphatüberschüsse - ein großes Thema - bleiben völlig ungeregelt und fallen gänzlich unter
den Tisch . Zusätzlich werden die ohnehin hohen Stickstoffüberschüsse mit einem sogenannten Toleranzfaktor versehen, um Lagerverluste von Gärsubstraten und
Grobfutter zu berücksichtigen . Die auf den Bilanzwert
anrechenbaren Verluste sind zu streichen, damit Anreize
zur Steigerung der Stickstoffeffizienz geschaffen werden.
({8})
Die zusätzliche Anlage 5 - nun Anlage 4 - gehört gestrichen . Ganz nebenbei wurde mit dem Paket ein kaum
administrierbares Bürokratiemonster entworfen, anstatt
die Pflichtberatung für die Problembetriebe massiv zu
stärken . Viele Betriebe könnten dadurch massive Kostenminderungen erreichen .
Wir Grüne stimmen gegen diese unzureichende Stoffstrombilanzverordnung. Hoffentlich werden die Bundesländer noch einmal aktiv werden, um unser aller Wasser
wirksam zu schützen . Wir Grüne machen den Bäuerinnen und Bauern das Angebot, mit uns endlich auf verlässliche, planbare politische Rahmenbedingungen zu
setzen . Schluss damit, dass die Landwirtschaft weiterhin
durch CDU/CSU zum willfährigen Spielball falscher Interessen gemacht wird!
({9})
Vielen Dank . - Jetzt hat Franz-Josef Holzenkamp,
CDU/CSU-Fraktion, das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Wir beschließen heute den
letzten Teil unseres großen Düngepaketes . Wasserschutz
zu gewährleisten, das ist auch unser Anspruch als Union,
auch wenn die Grünen das manchmal infrage stellen . Ich
weiß gar nicht, wie man so etwas infrage stellen kann .
({0})
Wir wollen eben auch für eine ausreichende Ernährung
von Pflanzen sorgen.
Wir werden immer mit den Dänen verglichen . Die Dänen haben einen Fehler gemacht . Sie mussten plötzlich
Qualitätsweizen aus Deutschland oder anderen EU-Mitgliedstaaten importieren,
({1})
weil sie überzogene Düngeauflagen hatten, sodass sie in
Dänemark nicht mehr ausreichend anbauen konnten . Solche Fehler wollen wir nicht machen .
({2})
Bestimmte rot-grüne Länder wollten so etwas mit uns
machen . Doch so einen fachlichen Unsinn lassen wir mit
uns natürlich nicht machen .
Ich freue mich, dass unser Minister heute anwesend
ist . Wilhelm Priesmeier, du hast angesprochen, wie
breit dieses Thema im Umweltministerium verankert
ist . Ich hätte mich sehr gefreut, wenn Umweltministerin
Hendricks, mit der wir viel zusammengesessen haben,
heute Abend dabei gewesen wäre .
({3})
Lieber Kollege Friedrich Ostendorff, du hast hier von
Biogas gesprochen . Biogasbetriebe haben wir in die Verordnung aufgenommen .
({4})
Ihr müsst den Text schon richtig lesen .
({5})
Es sei mir eine Bemerkung gestattet - ich meine es
nicht bösartig; aber ich will darauf hinweisen -: Frau
Künast hat in ihrer Amtszeit in Bezug auf Biogas und
Landwirtschaft von den „Ölscheichs von morgen“ gesprochen . Frau Künast hat durch einseitige Fehlsteuerungen im EEG dafür gesorgt, dass so hohe Investitionen in
diesem Bereich getätigt worden sind .
({6})
Also: Wenn man also im Glashaus sitzt, dann sollte man
nicht mit Steinen werfen .
({7})
Ich will darauf hinweisen, dass wir ein ganzes Paket
schnüren . Wir haben die Düngemenge für jede einzelne
Pflanzenart exakt festgelegt. Wir haben die Sperrzeiten
für die Ausbringung von Wirtschaftsdünger verlängert .
Wir haben die Gewässerabstände ausgeweitet . Wir haben
die Anforderungen an die Ausbringungstechnik erhöht
und damit auch Emissionen reduziert .
({8})
Wir haben für verschärfte Vorgaben für Lagerkapazitäten
gesorgt . Die Landwirte müssen Geld in die Hand nehmen
und mehr Lagerraum schaffen. Ich habe schon darauf
hingewiesen: Die Gärsubstrate der Biogasanlagen wurden berücksichtigt . Wir haben den Bundesländern eine
Ermächtigung erteilt, diese Regelungen noch weiter zu
verschärfen . Außerdem haben wir den Vollzug der Kontrollbehörden wesentlich verbessert . Kommt also bitte
nicht daher, um zu sagen: Das ist alles nichts . - Schaut
euch das lieber einmal richtig an .
({9})
Wir haben ein umfassendes Paket geschnürt . Ich will
hier unterstreichen: Dieses Paket wird für die Landwirtschaft eine riesengroße Kraftanstrengung nach sich ziehen . Das wird den Strukturwandel noch einmal zusätzlich befeuern .
({10})
Auch das muss man sich dabei immer wieder vor Augen
führen .
({11})
Was die Stoffstrombilanz angeht: Es ist kein Geheimnis, dass ich sie immer kritisch gesehen habe . Das Ganze
ist eine Bruttoemissionsbewertung . Darauf haben wir uns
verständigt . Dazu stehe ich natürlich . Das bedeutet letztendlich, dass man alle gasförmigen Emissionen, die die
Pflanzenwurzel nie erreichen, mit einbezieht.
Auch hier sei mir ein Hinweis auf unseren Nachbarstaat Dänemark gestattet . Die Dänen haben so etwas gemacht und anschließend wieder aufgegeben, weil es von
den Behörden verwaltungsmäßig nicht zu bewältigen
war .
Unabhängig davon, lieber Kollege Wilhelm
Priesmeier: Wir haben das so beschlossen . Wir starten
jetzt eine Lernphase, weil das vollkommenes Neuland
ist . Wir rechnen mit Werten, die wir heute noch nicht
beurteilen und nicht bewerten können . Auch deshalb ist
eine Befristung vorhanden . Wir werden in etwa drei Jahren sehen, was diese zusätzliche bürokratische Belastung
bringt . Deshalb war es uns und auch mir persönlich so
wichtig, dass es doch die Anlage 4 gibt;
(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Hab ich gesagt! Anlage 5, heute 4! Hab ich gesagt! Hör einfach zu! Wenn du
zuhören würdest, würdest du auch begreifen!
denn damit kann errechnet werden, wie viele Nährstoffe
bei einer Pflanze tatsächlich ankommen. Wenn Sie sich
einmal mit den Vertretern der Kontrollbehörden unterhalten, werden Sie hören: Ohne dieses Herunterrechnen,
ohne den Bezug auf die Fläche können wir das überhaupt
nicht kontrollieren . - Auch das gehört zur Wahrheit dazu .
({12})
Meine Damen und Herren, uns ist ein guter Kompromiss, glaube ich, für unser Wasser gelungen . Es wird hart
für die Landwirte sein . Wir haben dabei aber immer darauf geachtet, dass unsere Landwirte ihre Pflanzen ausreichend ernähren können .
Meine Damen und Herren, lieber Wilhelm Priesmeier,
dies war auch für mich die allerletzte Rede im Deutschen
Bundestag, weil ich den Bundestag bekanntermaßen
verlassen werde . Ich möchte deshalb diese Gelegenheit
nutzen, Danke schön zu sagen für das viele Miteinander,
auch für die teilweise streitigen Auseinandersetzungen .
Friedrich Ostendorff, wenn wir uns am Rande des Plenums beim Bier fachlich gut und konstruktiv unterhalten, ist das das eigentlich Schöne . Bei allem Wettstreit
um den richtigen Weg, vielleicht auch um die Fraktion
oder Partei, vergessen wir dies nicht . Das haben wir in
unserem Ausschuss immer in besonderer Weise gepflegt.
Dafür bin ich sehr dankbar .
Ich wünsche Ihnen allen eine gute Zeit . Bitte, meine
Damen und Herren, anerkennen wir, was die Landwirtschaft, was die deutschen Landwirte für unsere Gesellschaft leisten, und instrumentalisieren wir die Landwirte
nicht für Wahlkämpfe!
Vielen Dank . Alles Gute!
({13})
Vielen Dank, Herr Kollege Holzenkamp . Ihnen herzlichen Dank für Ihre zwölf Jahre des Engagements hier im
Deutschen Bundestag für die Landwirtinnen und Landwirte! Auch wir wünschen Ihnen alles Gute .
({0})
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zu der Verordnung
des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft über den Umgang mit Nährstoffen im Betrieb
und zur Änderung weiterer Vorschriften . Der Ausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12921, der Verordnung auf Drucksache 18/12731
zuzustimmen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das ist die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Das
ist die Opposition . Wer enthält sich? - Niemand . Damit
ist die Beschlussempfehlung angenommen .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sind heute so
gut aufgestellt, dass ich Sie jetzt guten Herzens vor die
größte Herausforderung des heutigen Abends stelle . Ich
bitte Sie alle, sitzen zu bleiben; denn wir brauchen für die
nächste Zeit Ihre ganze Konzentration .
Wir beginnen mit den Tagesordnungspunkten 35 a,
35 b, 35 d sowie 21 b . Es handelt sich hierbei um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte.
Tagesordnungspunkt 35 a:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine
Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Ausstieg und Umstieg bei dem Bahnprojekt
Stuttgart 21
Drucksache 18/10060
Die Fraktion Die Linke wünscht Abstimmung in der
Sache; die Fraktionen der CDU/CSU und SPD wünschen
Überweisung an den Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur . Wie Sie alle wissen, stimmen wir zuerst
über den Antrag auf Ausschussüberweisung ab . Ich frage
deshalb: Wer stimmt für die beantragte Überweisung? Das ist die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Das ist die
Opposition . Wer enthält sich? - Niemand . Damit ist die
Überweisung so beschlossen, und wir stimmen heute
über den Antrag auf Drucksache 18/10060 nicht in der
Sache ab .
Tagesordnungspunkt 35 b:
Beratung des Antrags der Abgeordneten SvenChristian Kindler, Matthias Gastel, Stephan
Kühn ({1}), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Dialogforum Schiene-Nord ernst nehmen Erweiterten Lärmschutz beim Schienenausbauprojekt „Alpha-E“ vorantreiben
Drucksache 18/12862
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wünscht Abstimmung in der Sache; die Fraktionen der CDU/CSU und
SPD wünschen Überweisung an den Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur . Wir stimmen zuerst über
den Antrag auf Überweisung ab . Ich frage: Wer stimmt
für die beantragte Überweisung? - Das ist die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Das ist die Opposition . Wer
enthält sich? - Niemand . Damit ist die Überweisung so
beschlossen, und wir stimmen heute über den Antrag auf
Drucksache 18/12862 nicht in der Sache ab .
Tagesordnungspunkt 35 d:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Friedrich
Ostendorff, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Umbau der Tierhaltung gestalten und finanzieren
Drucksache 18/12947
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wünscht Abstimmung in der Sache; die Fraktionen der CDU/CSU
und SPD wünschen Überweisung an den Ausschuss für
Ernährung und Landwirtschaft . Wer stimmt für die beantragte Überweisung? - Das ist die Koalition . Wer stimmt
dagegen? - Das ist die Opposition . Wer enthält sich? Niemand . Damit ist die Überweisung so beschlossen, und
wir stimmen über den Antrag auf Drucksache 18/12947
nicht in der Sache ab .
Tagesordnungspunkt 21 b:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Katrin
Werner, Sigrid Hupach, Matthias W . Birkwald,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Wahlrecht für alle Menschen mit Behinderungen garantieren
Drucksache 18/12941
Die Fraktion Die Linke wünscht Abstimmung in der
Sache; die Fraktionen der CDU/CSU und SPD wünschen
Überweisung an den Innenausschuss . Wer stimmt für die
Überweisung? - Das ist die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Das ist die Opposition . Wer enthält sich? - Niemand . Damit ist die Überweisung so beschlossen, und
wir stimmen über den Antrag auf Drucksache 18/12941
nicht in der Sache ab .
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 36 a bis dd, ff bis
pp, rr bis yy, aaa und bbb, eee bis jjj, lll, ooo bis uuu und
35 c sowie Zusatzpunkte 5 a bis 5 q auf . Auch hierbei
handelt es sich um Beschlussfassungen zu Vorlagen, zu
denen keine Aussprache vorgesehen ist .
Tagesordnungspunkt 36 a:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie ({2}) zu der Verordnung der Bundesregierung
Achte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung
Drucksachen 18/12242, 18/12443 Nr. 2.3,
18/12630
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12630, die Aufhebung der Verordnung der Bundesregierung auf Drucksache 18/12242
nicht zu verlangen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? Die Beschlussempfehlung ist bei Enthaltung der Fraktion
Die Linke angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 b:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Kultur und Medien
({3}) zu dem Antrag der Abgeordneten
Sigrid Hupach, Nicole Gohlke, Dr . Rosemarie
Hein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE
Ausstellungsvergütung gesetzlich verankern Gerechtigkeitslücke für bildende Künstlerinnen und Künstler schließen
Drucksachen 18/12094, 18/12910
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12910, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/12094 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das ist die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Das ist die Opposition .
Wer enthält sich? - Niemand . Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen .
Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 36 c:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft ({4})
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Kirsten
Tackmann, Heidrun Bluhm, Karin Binder,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Ausverkauf des Bodens an landwirtschaftsfremde Investoren stoppen - Bodenmarkt
im Interesse der Landwirtschaft strenger
regulieren
- zu dem Antrag der Abgeordneten Friedrich
Ostendorff, Nicole Maisch, Harald Ebner,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Einrichtung eines Bundesprogramms „Zugang zu Land - Chancen für neue Betriebe
ermöglichen“
Drucksachen 18/12551, 18/11601, 18/12878
Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12878 die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12551 mit dem Titel „Ausverkauf des Bodens an
landwirtschaftsfremde Investoren stoppen - Bodenmarkt
im Interesse der Landwirtschaft strenger regulieren“ .
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das ist
die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Das ist die Opposition? Wer enthält sich? - Niemand . Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen .
Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf Drucksache 18/11601 mit dem Titel „Einrichtung eines Bundesprogramms ‚Zugang zu Land - Chancen für
neue Betriebe ermöglichen‘“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das ist die Koalition . Wer stimmt
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
dagegen? - Das ist die Opposition? Wer enthält sich? Niemand . Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 d:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft ({5}) zu dem Antrag der
Abgeordneten Karin Binder, Caren Lay, Herbert
Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE
Lebensmittelretterinnen und Lebensmittelretter entkriminalisieren
Drucksachen 18/12364, 18/12635
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12635, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/12364 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - CDU/CSU
und SPD . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition? Wer
enthält sich? - Niemand . Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 e:
Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Ausschusses für Ernährung und
Landwirtschaft ({6}) zu dem Antrag
der Abgeordneten Birgit Menz, Eva BullingSchröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion DIE LINKE
Tierversuche beenden
Drucksachen 18/11724, 18/12981
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12981, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/11724 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt
dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen
die Stimmen der Opposition angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 f:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und digitale
Infrastruktur ({7}) zu dem Antrag der
Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens,
Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Offenlegung von Gutachten zur Deutschen
Bahn AG
Drucksachen 18/11011, 18/12528
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12528, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/11011 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition . Wer enthält
sich? - Niemand . Damit ist die Beschlussempfehlung
angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 g:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und digitale
Infrastruktur ({8}) zu dem Antrag der
Abgeordneten Matthias Gastel, Cem Özdemir,
Stephan Kühn ({9}), weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kostenentwicklung beim Bahnhofsprojekt
Stuttgart 21 kritisch prüfen
Drucksachen 18/9039, 18/9863
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9863, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/9039 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition .
Wer enthält sich? - Niemand . Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 h:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({10}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae,
Dr . Thomas Gambke, Renate Künast, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Mehr für das Gemeinwohl - Steuerabzug für
Managergehälter deckeln
Drucksachen 18/11176, 18/12627
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12627, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/11176 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Bündnis 90/Die
Grünen . Wer enthält sich? - Die Linke . Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 i:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz ({11}) zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald,
Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE
Managergehälter beschränken
Drucksachen 18/9838, 18/11201
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/11201, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/9838 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition
und Bündnis 90/Die Grünen . Wer stimmt dagegen? - Die
Fraktion Die Linke . Enthaltungen? - Keine . Damit ist die
Beschlussempfehlung angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 j:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
({12}) zu dem Antrag der Abgeordneten
Beate Müller-Gemmeke, Kerstin Andreae, Katja
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Keul, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Unternehmensmitbestimmung stärken Grauzonen schließen
Drucksachen 18/10253, 18/12861
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12861, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10253 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Bündnis 90/Die
Grünen . Wer enthält sich? - Die Linke . Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 k:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
({13}) zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Dr . Konstantin von Notz,
Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Arbeit 4.0 - Arbeitswelt von morgen gestalten
Drucksachen 18/10254, 18/12991
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12991, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10254
abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition . Wer ist dagegen? - Bündnis 90/
Die Grünen . Wer enthält sich? - Die Linke . Damit ist die
Beschlussempfehlung angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 l:
Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales ({14}) zu dem Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Sabine
Zimmermann ({15}), weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE
Kettenbefristungen abschaffen
Drucksachen 18/4098, 18/8457
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/8457, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/4098 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - CDU/CSU,
Bündnis 90/Die Grünen und SPD . Wer stimmt dagegen? - Die Linke . Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 m:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({16}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Lisa Paus, Kordula
Schulz-Asche, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Rechtssicherheit für bürgerschaftliches Engagement - Gemeinnützigkeit braucht klare
Regeln
Drucksachen 18/12559, 18/12973
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12973, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12559 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Gegenprobe! - Bündnis 90/Die Grünen .
Enthaltung? - Die Linke . Die Beschlussempfehlung ist
angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 n:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie ({17}) zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Cem Özdemir, Dr . Thomas
Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Für eine neue Gründungskultur in Deutschland
Drucksachen 18/12369, 18/13005
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/13005, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12369 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Bündnis 90/Die
Grünen . Wer enthält sich? - Die Linke . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 o:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
({18}) zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Kerstin Andreae, Ulle
Schauws, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Rückkehrrecht auf Vollzeit einführen
Drucksachen 18/12794, 18/12984
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12984, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12794 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition .
Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 p:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit ({19}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Peter Meiwald,
Nicole Maisch, Steffi Lemke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Umweltverschmutzung durch Mikroplastikfreisetzung aus Kosmetika und Waschmitteln
beenden
Drucksachen 18/10875, 18/13004
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/13004, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10875 abzuVizepräsidentin Ulla Schmidt
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition .
Wer enthält sich? - Eine Enthaltung bei der Fraktion Die
Linke . Aber trotzdem ist die Beschlussempfehlung angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 q:
Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Ausschusses für Ernährung und
Landwirtschaft ({20}) zu dem Antrag
der Abgeordneten Harald Ebner, Steffi Lemke,
Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Pestizide reduzieren - Mensch und Umwelt
schützen
Drucksachen 18/7240, 18/12980 Buchstabe a
Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12980, den
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/7240 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Bündnis 90/Die Grünen . Wer enthält sich? - Die
Fraktion Die Linke . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 r:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft ({21}) zu dem Antrag der
Abgeordneten Harald Ebner, Nicole Maisch,
Friedrich Ostendorff, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Wege zur Pestizidreduktion in der Landwirtschaft
Drucksachen 18/12382, 18/12980 Buchstabe b
Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12980, den
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12382 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition . Wer enthält sich? - Niemand . Die
Beschlussempfehlung ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 s:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft ({22}) zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Friedrich Ostendorff,
Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Bienengiftige Insektizide vollständig verbieten - Bestäuber, andere Tiere und Umwelt
wirksam schützen
Drucksachen 18/12384, 18/12980 Buchstabe c
Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12980, den
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12384 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Bündnis 90/Die Grünen . Wer enthält sich? - Die
Linke . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 t:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und digitale
Infrastruktur ({23}) zu dem Antrag der
Abgeordneten Stephan Kühn ({24}), Matthias
Gastel, Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Verkehrspolitik auf Klimaschutzziele ausrichten
Drucksachen 18/7887, 18/9819
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9819, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/7887 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition .
Enthaltungen? - Keine . Die Beschlussempfehlung ist
angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 u:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und digitale
Infrastruktur ({25}) zu dem Antrag der
Abgeordneten Stephan Kühn ({26}), Britta
Haßelmann, Matthias Gastel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Fairen Wettbewerb und kommunale Gestaltungsmöglichkeiten im Nahverkehr sicherstellen
Drucksachen 18/10978, 18/12875
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12875, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10978 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition .
Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 v:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses ({27}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic,
Monika Lazar, Volker Beck ({28}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Eine bundesweite Präventionsstrategie gegen
den gewaltbereiten Islamismus
Drucksachen 18/10477, 18/12996
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12996, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10477 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition .
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Wer enthält sich? - Niemand . Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 w:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz ({29})
- zu dem Antrag der Abgeordneten Jan Korte,
Halina Wawzyniak, Karin Binder, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Journalistinnen und Journalisten sowie
Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber vor
Strafverfolgung schützen und Unabhängigkeit der Justiz sicherstellen
- zu dem Antrag der Abgeordneten HansChristian Ströbele, Tabea Rößner, Luise
Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Lehren aus den Ermittlungen hinsichtlich
Landesverrats - Pressefreiheit und Journalistinnen und Journalisten besser schützen
Drucksachen 18/5839, 18/10036, 18/12416
Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/5839 mit dem Titel
„Journalistinnen und Journalisten sowie Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber vor Strafverfolgung schützen und
Unabhängigkeit der Justiz sicherstellen“ . Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition und Bündnis 90/Die Grünen . Wer stimmt dagegen? - Die Linke .
Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .
Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf Drucksache 18/10036 mit dem Titel „Lehren aus den
Ermittlungen hinsichtlich Landesverrats - Pressefreiheit
und Journalistinnen und Journalisten besser schützen“ .
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das ist
die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Das ist die Opposition . Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 x:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz ({30}) zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Katja Keul,
Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Lehren aus den Ermittlungen hinsichtlich
Landesverrats - Stellung des Generalbundesanwaltes rechtsstaatlich reformieren
Drucksachen 18/10037, 18/12637
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12637, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10037 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition .
Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 y:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Katja Keul, Hans-Christian Ströbele, Luise
Amtsberg, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten
Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung
der Verwaltungsgerichtsordnung zum besseren Rechtsschutz bei behördlich geheim gehaltenen Informationen
Drucksache 18/3921
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz ({31})
Drucksache 18/11791
Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/11791, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/3921 abzulehnen .
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen
wollen, um das Handzeichen . - Das sind Bündnis 90/Die
Grünen und die Linke . Wer stimmt dagegen? - Das sind
die Koalitionsfraktionen . Wer enthält sich? - Niemand .
Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung abgelehnt, und es entfällt die dritte Beratung .
Tagesordnungspunkt 36 z:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und digitale
Infrastruktur ({32})
- zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine
Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Die notwendigen Konsequenzen aus dem
Betrugsskandal um Kfz-Abgase ziehen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Stephan
Kühn ({33}), Oliver Krischer, Matthias
Gastel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Zum Schutz der Verbraucher - Unzutreffende Angaben beim Spritverbrauch und
Schadstoffausstoß von PKW beenden
- zu dem Antrag der Abgeordneten Oliver
Krischer, Kerstin Andreae, Stephan Kühn
({34}), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Aus dem Pkw-Abgasskandal Konsequenzen ziehen - Wettbewerbsfähigkeit der Automobilindustrie sichern
Drucksachen 18/6325, 18/6070, 18/6334,
18/7533
Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/6325 mit dem Titel
„Die notwendigen Konsequenzen aus dem BetrugsskanVizepräsidentin Ulla Schmidt
dal um Kfz-Abgase ziehen“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das ist die Koalition . Wer stimmt
dagegen? - Das ist die Linke . Wer enthält sich? - Bündnis 90/Die Grünen . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf Drucksache 18/6070 mit dem Titel „Zum Schutz der
Verbraucher - Unzutreffende Angaben beim Spritverbrauch und Schadstoffausstoß von PKW beenden“. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition . Wer enthält
sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des
Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/6334 mit dem Titel „Aus dem Pkw-Abgasskandal Konsequenzen ziehen - Wettbewerbsfähigkeit der
Automobilindustrie sichern“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das ist die Koalition . Wer stimmt
dagegen? - Bündnis 90/Die Grünen . Wer enthält sich? Die Linke . Trotzdem ist die Beschlussempfehlung angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 aa:
Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Innenausschusses ({35})
zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck
({36}), Monika Lazar, Luise Amtsberg, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Antisemitismus entschlossen bekämpfen
Drucksachen 18/12784, 18/12982
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12982, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12784
abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Koalition . Wer stimmt dagegen? - Opposition .
Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 bb:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses ({37}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Kordula SchulzAsche, Irene Mihalic, Maria Klein-Schmeink,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Das freiwillige und ehrenamtliche Engagement im Bevölkerungsschutz und in der Katastrophenhilfe stärken
Drucksachen 18/12802, 18/12985
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12985, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12802 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition .
Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 cc:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe ({38}) zu dem Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, Annalena
Baerbock, Marieluise Beck ({39}), weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Für den Menschenrechtsschutz in Deutschland - Die Nationale Stelle zur Verhütung von
Folter reformieren und stärken
Drucksachen 18/12544, 18/13006
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/13006, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12544 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Das ist die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition . Wer enthält sich? - Niemand . Damit ist die
Beschlussempfehlung angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 dd:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe ({40}) zu dem Antrag
der Abgeordneten Dr . Frithjof Schmidt, Uwe
Kekeritz, Tom Koenigs, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Südsudan - Hungersnot abwenden, Völkermord verhindern
Drucksachen 18/11732 ({41}), 18/13008
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/13008, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/11732 ({42})
abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition und die Linke . Wer stimmt dagegen? - Bündnis 90/Die Grünen . Enthaltungen? - Keine .
Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 ff:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung ({43})
zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring,
Beate Walter-Rosenheimer, Özcan Mutlu, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Hochschulpakt fortsetzen und aufstocken
Drucksachen 18/1337, 18/4112
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/4112, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/1337 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Bündnis 90/Die
Grünen . Wer enthält sich? - Die Linke . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Tagesordnungspunkt 36 gg:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung ({44})
- zu dem Antrag der Abgeordneten Özcan
Mutlu, Tabea Rößner, Kai Gehring, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Die digitale Welt verstehen und mitgestalten - Lernen und Lehren digitalisieren
- zu dem Antrag der Abgeordneten Özcan Mutlu,
Kai Gehring, Beate Walter-Rosenheimer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Bildungseinrichtungen fit für die digitale
Gesellschaft und die Zukunft machen
Drucksachen 18/6203, 18/10474, 18/12926
Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12926, den
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/6203 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Bündnis 90/Die Grünen . Wer enthält sich? - Die
Linke . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10474 mit dem Titel „Bildungseinrichtungen fit für die digitale Gesellschaft und die
Zukunft machen“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Bündnis 90/Die Grünen . Enthaltung? - Die Fraktion Die Linke . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Wir kommen zu Tagesordnung 36 hh:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung ({45})
zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring,
Dr . Frithjof Schmidt, Claudia Roth ({46}),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Für eine Internationalisierungsstrategie von
Wissenschaft und Forschung, die Pluralität
und Freiheit schützt, Grenzen überwindet und
Zusammenhalt stärkt
Drucksachen 18/10359, 18/12935
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12935, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10359 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition .
Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .
Ich rufe Tagesordnungspunkt 36 ii auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung ({47})
zu dem Antrag der Abgeordneten Özcan Mutlu,
Kai Gehring, Beate Walter-Rosenheimer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Nationaler Bildungsbericht - Bildungsinstitutionen zukunftsfest machen - Für eine gerechte und soziale Gesellschaft
Drucksachen 18/10248, 18/12927
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12927, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10248 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition .
Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 jj:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung ({48})
- zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole
Gohlke, Sigrid Hupach, Dr . Rosemarie Hein,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
BAföG an die Lebenswirklichkeit anpassen - Keine weiteren Nullrunden für die
Studierenden
- zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring,
Özcan Mutlu, Beate Walter-Rosenheimer,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Attraktivitätsverlust stoppen - BAföG
noch 2017 erhöhen
Drucksachen 18/10012, 18/11178, 18/12925
Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12925, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/10012
abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition . Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/11178 mit dem Titel „Attraktivitätsverlust stoppen - BAföG noch 2017 erhöhen“ . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition .
Wer stimmt dagegen? - Die Opposition . Wer enthält
sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 kk:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit ({49})
- zu dem Antrag der Abgeordneten Kathrin
Vogler, Sabine Zimmermann ({50}),
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE
Gute und wohnortnahe Arzneimittelversorgung
- zu dem Antrag der Abgeordneten Kathrin
Vogler, Pia Zimmermann, Sabine
Zimmermann ({51}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Patientinnen und Patienten entlasten - Zuzahlungen bei Arzneimitteln abschaffen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Kordula
Schulz-Asche, Maria Klein-Schmeink,
Dr . Harald Terpe, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Arzneimittelversorgung an Bedürfnissen
der Patientinnen und Patienten orientieren - Heute und in Zukunft
Drucksachen 18/10561, 18/12090, 18/11607,
18/12732
Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/10561 mit dem Titel
„Gute und wohnortnahe Arzneimittelversorgung“ . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition
und Bündnis 90/Die Grünen . Wer stimmt dagegen? - Die
Linke . Wer enthält sich? - Niemand . Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen .
Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12090 mit dem Titel „Patientinnen und Patienten
entlasten - Zuzahlungen bei Arzneimitteln abschaffen“.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Linke . Wer enthält
sich? - Bündnis 90/Die Grünen . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des
Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/11607 mit dem Titel „Arzneimittelversorgung
an Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten orientieren - Heute und in Zukunft“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition und die Linke . Wer
stimmt dagegen? - Die Grünen . Enthaltungen? - Niemand . Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 ll:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend ({52}) zu dem Antrag der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche,
Luise Amtsberg, Monika Lazar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Heute für morgen helfen - Engagement für
Geflüchtete stärken
Drucksachen 18/8221, 18/13011
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/13011, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/8221 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition .
Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .
Ich kann Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen,
dass wir die Hälfte der Abstimmungen hinter uns haben .
Tagesordnungspunkt 36 mm:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend ({53}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Franziska Brantner,
Katja Dörner, Ulle Schauws, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Damit Kinder gut aufwachsen - Kinderschutz
und Prävention ausbauen
Drucksachen 18/9054, 18/11913
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/11913, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/9054 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition .
Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 nn:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend ({54}) zu dem Antrag der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche,
Dr . Konstantin von Notz, Maria Klein-Schmeink,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Freiwilligendienste ausbauen und weiterentwickeln, Engagement anerkennen und attraktiver machen
Drucksachen 18/12804, 18/13012
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/13012, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12804 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition .
Wer enthält sich? - Eine Enthaltung bei der Fraktion Die
Linke . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 oo:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
({55})
- zu dem Antrag der Abgeordneten Katja
Kipping, Sabine Zimmermann ({56}),
Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Programm für soziale Gerechtigkeit - Konsequenzen aus dem Fünften Armuts- und
Reichtumsbericht
- zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine
Zimmermann ({57}), Norbert Müller
({58}), Katja Kipping, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Jedes Kind ist gleich viel wert - Aktionsplan gegen Kinderarmut
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Wolfgang
Strengmann-Kuhn, Kerstin Andreae, Beate
Müller-Gemmeke, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Teilhabe statt Armut - Alle Menschen am
Wohlstand beteiligen
Drucksachen 18/11796, 18/9666, 18/12557,
18/12863
Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/11796 mit dem Titel
„Programm für soziale Gerechtigkeit - Konsequenzen
aus dem Fünften Armuts- und Reichtumsbericht“ . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition
und Bündnis 90/Die Grünen . Wer stimmt dagegen? - Die
Linke . Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/9666 mit dem Titel „Jedes Kind ist gleich viel
wert - Aktionsplan gegen Kinderarmut“ . Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition . Wer
stimmt dagegen? - Die Linke . Wer enthält sich? - Bündnis 90/Die Grünen . Damit ist die Beschlussempfehlung
angenommen .
Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des
Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12557 mit dem Titel „Teilhabe statt Armut Alle Menschen am Wohlstand beteiligen“ . Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition . Wer
stimmt dagegen? - Bündnis 90/Die Grünen . Wer enthält
sich? - Die Fraktion Die Linke . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 pp:
Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({59}) zu dem Antrag der Abgeordneten
Wolfgang Gehrcke, Dr . Alexander S . Neu, Andrej
Hunko, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE
Weichen für eine Europäische Union der
Abrüstung und des Friedens stellen
Drucksachen 18/10629, 18/11028
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/11028, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/10629 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - CDU/CSU,
SPD und Bündnis 90/Die Grünen . Wer stimmt dagegen? - Die Linke . Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 rr:
Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({60}) zu dem Antrag der Abgeordneten
Dr . Alexander S . Neu, Andrej Hunko, Wolfgang
Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE
US- und NATO-Stützpunkt Ramstein unverzüglich schließen
Drucksachen 18/10863, 18/11245
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/11245, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/10863 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - CDU/CSU,
SPD und Bündnis 90/Die Grünen . Wer stimmt dagegen? - Die Linke . Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 ss:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie ({61}) zu dem Antrag der Abgeordneten Katrin Kunert, Wolfgang Gehrcke, Jan van
Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE
Nationales Konversionsprogramm entwickeln - Umwandlung der Militärwirtschaft in
eine Friedenswirtschaft ermöglichen
Drucksachen 18/2883, 18/4115
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/4115, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/2883 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Koalition und
Bündnis 90/Die Grünen . Wer stimmt dagegen? - Die
Linke . Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 tt:
Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Finanzausschusses ({62})
zu dem Antrag der Abgeordneten Susanna
Karawanskij, Dr . Axel Troost, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Zulassungspflicht für Finanzprodukte schaffen - Finanz-TÜV einführen
Drucksachen 18/9709, 18/12823
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12823, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/9709 abzulehnen . Wer
stimmt für die Beschlussempfehlung? - Die Koalition .
Wer stimmt dagegen? - Die Linke . Wer enthält sich? Bündnis 90/Die Grünen . Die Beschlussempfehlung ist
angenommen .
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Tagesordnungspunkt 36 uu:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung ({63})
zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Rosemarie
Hein, Sabine Zimmermann ({64}), Sigrid
Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE
Berufsbildungsgesetz novellieren - Ausbildung verbessern
Drucksachen 18/10281, 18/12928
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12928, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/10281 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition .
Wer stimmt dagegen? - Die Linke . Wer enthält sich? Bündnis 90/Die Grünen . Die Beschlussempfehlung ist
angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 vv:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung ({65})
zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke,
Sigrid Hupach, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Prekäre Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft wirksam bekämpfen
Drucksachen 18/11597, 18/12934
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12934, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/11597 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Koalition und
Bündnis 90/Die Grünen . Wer stimmt dagegen? - Die
Linke . Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 ww:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung ({66})
zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke,
Sigrid Hupach, Dr . Rosemarie Hein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Soziale Durchlässigkeit bei Zugang und Zulassung zu Hochschulen durchsetzen
Drucksachen 18/11418, 18/12929
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12929, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/11418 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition .
Wer stimmt dagegen? - Die Linke . Wer enthält sich? Bündnis 90/Die Grünen . Die Beschlussempfehlung ist
angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 xx:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie ({67}) zu dem Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Niema Movassat, Wolfgang
Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE
Globalabkommen mit Mexiko aussetzen
Drucksachen 18/12548, 18/12986
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12986, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/12548 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition .
Wer stimmt dagegen? - Die Linke . Wer enthält sich? Bündnis 90/Die Grünen . Die Beschlussempfehlung ist
angenommen .
Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 36 yy:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Harald Petzold ({68}), Jan Korte,
Sabine Zimmermann ({69}), weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Diskriminierungen
aufgrund des Gesundheitszustandes
Drucksache 18/3315
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz ({70})
Drucksache 18/10665
Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/10665, den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke
auf Drucksache 18/3315 abzulehnen . Ich bitte diejenigen,
die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen . - Das ist die Linke . Wer stimmt dagegen? - Das
ist die Koalition . Und wer enthält sich? - Bündnis 90/Die
Grünen . Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt, und damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung
die weitere Beratung .
Tagesordnungspunkt 36 aaa:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit ({71}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Birgit Menz, Eva
Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Verbot der Haltung wild lebender Tierarten in
Zirkussen
Drucksachen 18/12088, 18/12908
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12908, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/12088 abzulehnen . Wer
stimmt dafür? - Die Koalition . Wer stimmt dagegen? Die Opposition . Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Tagesordnungspunkt 36 bbb:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit ({72})
- zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus
Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Ausfuhr von Uran-Brennstoffen für den
Betrieb störanfälliger Atomkraftwerke im
Ausland stoppen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia
Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Britta
Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Grenzregionen vor Atomrisiken schützen Export von Brennelementen stoppen
Drucksachen 18/11596, 18/12093, 18/12891
Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12891, den
Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/11596
mit dem Titel „Ausfuhr von Uran‑Brennstoffen für den
Betrieb störanfälliger Atomkraftwerke im Ausland stoppen“ abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die
Linke . Wer enthält sich? - Bündnis 90/Die Grünen . Die
Beschlussempfehlung ist angenommen .
Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung der Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf Drucksache 18/12093 mit dem Titel „Grenzregionen
vor Atomrisiken schützen - Export von Brennelementen
stoppen“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition .
Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 eee:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Katja Keul, Luise Amtsberg, Renate
Künast, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des
Asylgesetzes zur Beschleunigung von Verfahren
Drucksache 18/12360
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({73})
Drucksache 18/12646
Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12646, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12360 abzulehnen . Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen . - Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke . Wer
stimmt dagegen? - Die Koalition . Wer enthält sich? Niemand . Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt, und damit entfällt jede weitere Beratung .
Tagesordnungspunkt 36 fff:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Katja Keul, Luise Amtsberg, Volker Beck
({74}), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Zivilprozessordnung
Drucksache 18/7359
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz ({75})
Drucksache 18/8124
Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/8124, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/7359 abzulehnen .
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen
wollen, um das Handzeichen . - Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen . Wer stimmt dagegen? - CDU/CSU
und SPD . Wer enthält sich? - Niemand . Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt, und damit entfällt
die weitere Beratung .
Tagesordnungspunkt 36 ggg:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
({76}) zu dem Antrag der Abgeordneten
Beate Müller-Gemmeke, Kerstin Andreae, Katja
Keul, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Schutz vor Mobbing am Arbeitsplatz
Drucksachen 18/12097, 18/12990
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12990, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12097 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition .
Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 hhh:
Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({77}) zu dem Antrag der Abgeordneten Tom
Koenigs, Uwe Kekeritz, Kordula Schulz-Asche,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Die Beziehungen zwischen Deutschland und
Namibia stärken und unserer historischen
Verantwortung gerecht werden
Drucksachen 18/5385, 18/6378
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/6378, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/5385 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Das ist die Koalition . Wer stimmt dagegen? - BündVizepräsidentin Ulla Schmidt
nis 90/Die Grünen . Wer enthält sich? - Die Linke . Die
Beschlussempfehlung ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 iii:
Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Finanzausschusses ({78})
zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Gerhard
Schick, Annalena Baerbock, Kerstin Andreae,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Finanzwende einleiten - Öffentliche Gelder
nachhaltig anlegen
Drucksachen 18/12381, 18/12843
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12843, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12381 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition .
Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 jjj:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit ({79})
- zu dem Antrag der Abgeordneten Steffi
Lemke, Dr . Valerie Wilms, Uwe Kekeritz,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Umsetzung des Nachhaltigkeitsziels 14 Meeresschutz
- zu dem Antrag der Abgeordneten Steffi
Lemke, Dr . Valerie Wilms, Peter Meiwald,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Todesfalle Geisternetze - Artenvielfalt im
Meer wirkungsvoll schützen
Drucksachen 18/12380, 18/12109, 18/12899
Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12899, den
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12380 mit dem Titel „Umsetzung des Nachhaltigkeitsziels 14 - Meeresschutz“ abzulehnen . Wer stimmt
dafür? - Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition . Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf der Drucksache 18/12109 mit dem Titel „Todesfalle
Geisternetze - Artenvielfalt im Meer wirkungsvoll schützen“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die
Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition . Wer
enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung ist
angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 lll:
Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Finanzausschusses ({80})
zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Thomas
Gambke, Kerstin Andreae, Dieter Janecek, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Umsatzsteuerbetrug auf Online-Handelsplattformen wirksam bekämpfen - Plattformbetreiber in Haftung nehmen
Drucksachen 18/12556, 18/12963
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12963, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12556 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition .
Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 ooo:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
({81}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn, Kerstin
Andreae, Dr . Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Gesellschaftliche Teilhabe und gute Bildung
für alle Kinder und Jugendlichen sicherstellen
Drucksachen 18/12795, 18/12997
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12997, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12795 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition .
Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 ppp:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz ({82})
Übersicht 10
über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht
Drucksache 18/12977
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Alle .
Wer stimmt dagegen? - Niemand . Wer enthält sich? Auch niemand . Damit ist die Beschlussempfehlung einstimmig angenommen .
Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des
Petitionsausschusses, Tagesordnungspunkte 36 qqq bis
36 uuu .
Tagesordnungspunkt 36 qqq:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({83})
Sammelübersicht 449 zu Petitionen
Drucksache 18/12806
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Wer stimmt dafür? - Alle . Wer stimmt dagegen? Niemand . Wer enthält sich? - Auch niemand . Damit ist
Sammelübersicht 449 angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 rrr:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({84})
Sammelübersicht 450 zu Petitionen
Drucksache 18/12807
Wer stimmt dafür? - Alle . Wer stimmt dagegen? Niemand . Wer enthält sich? - Niemand . Sammelübersicht 450 ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 sss:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({85})
Sammelübersicht 451 zu Petitionen
Drucksache 18/12808
Wer stimmt dafür? - Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Linke . Wer enthält sich? - Bündnis 90/Die
Grünen . Sammelübersicht 451 ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 ttt:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({86})
Sammelübersicht 452 zu Petitionen
Drucksache 18/12809
Wer stimmt dafür? - Alle . Wer stimmt dagegen? Niemand . Wer enthält sich? - Niemand . Sammelübersicht 452 ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 36 uuu:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({87})
Sammelübersicht 453 zu Petitionen
Drucksache 18/12810
Wer stimmt dafür? - Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition . Wer enthält sich? - Niemand .
Sammelübersicht 453 ist angenommen .
Tagesordnungspunkt 35 c:
Beratung des Antrags der Abgeordneten HansChristian Ströbele, Irene Mihalic, Dr . Konstantin
von Notz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Geheimhaltung eines Sondervotums von 1994
zum 1. Untersuchungsausschuss der 12. Wahlperiode zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte ({88}) des Bundestages nach über
zwei Jahrzehnten aufheben
Drucksache 18/12821
Wer stimmt für den Antrag? - Die Opposition . Wer
stimmt dagegen? - Die Koalition . Wer enthält sich? Niemand . Der Antrag ist damit abgelehnt .
Zusatzpunkt 5 a:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung
Drucksache 18/11499
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit ({89})
Drucksache 18/12994
Zu dieser Abstimmung liegt eine Erklärung gemäß
§ 31 unserer Geschäftsordnung vor .1)
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12994, den Gesetzentwurf der
Bundesregierung auf Drucksache 18/11499 in der Aus-
schussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wol-
len, um das Handzeichen . - Die Koalition . Wer stimmt
dagegen? - Die Opposition . Wer enthält sich? - Nie-
mand . Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung
angenommen .
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich von den Plätzen
zu erheben . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? -
Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmenverhält-
nis angenommen .
Abstimmung über den Entschließungsantrag der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 18/13017 .
Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - CDU/
CSU und SPD . Wer stimmt dagegen? - Linke und Bünd-
nis 90/Die Grünen . Wer enthält sich? - Niemand . Der
Entschließungsantrag ist angenommen .
Zusatzpunkt 5 b:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD
Schädliche Umweltwirkungen von Geisternet-
zen und Dolly Ropes verhindern
Drucksache 18/12944
Wer stimmt für diesen Antrag? - Die Koalition . Wer
stimmt dagegen? - Die Opposition . Wer enthält sich? -
Der Antrag ist angenommen . Ich sehe keine Enthaltun-
gen .
Zusatzpunkt 5 c:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD
Bundesfreiwilligendienst inklusiv ausgestalten
und notwendige Assistenz ermöglichen
Drucksache 18/12945
1) Anlage 2
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen .
Zusatzpunkt 5 d:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe ({90}) zu der Unterrichtung durch die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter
Jahresbericht 2016 der Bundesstelle und der
Länderkommission
Drucksachen 18/12444, 18/12641 Nr. 1.2,
18/13007
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/13007, in Kenntnis der Unterrichtung auf Drucksache 18/12444 eine Entschließung
anzunehmen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition . Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Zusatzpunkt 5 e:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit ({91}) zu
der Verordnung der Bundesregierung
Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung
Drucksachen 18/12495, 18/12641 Nr. 2,
18/13003
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/13003, der Verordnung auf
Drucksache 18/12495 zuzustimmen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition . Wer stimmt
dagegen? - Die Opposition . Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Zusatzpunkt 5 f:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie ({92}) zu der Verordnung der Bundesregierung
Verordnung zu Ausschreibungen für
KWK-Anlagen und innovative KWK-Systeme, zu den gemeinsamen Ausschreibungen
für Windenergieanlagen an Land und Solaranlagen sowie zur Änderung weiterer Verordnungen
Drucksachen 18/12375, 18/12443 Nr. 2.4,
18/12987
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12987, der Verordnung auf
Drucksache 18/12375 in der Ausschussfassung zuzustimmen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition .
Wer enthält sich? - Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .
Zusatzpunkt 5 g:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union ({93}) zu dem
Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan
van Aken, Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Neustart für eine friedliche und gerechte Europäische Union
Drucksachen 18/11723, 18/12919
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12919, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/11723 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - CDU/CSU,
SPD und Bündnis 90/Die Grünen . Wer stimmt dagegen? - Die Linke . Wer enthält sich? - Niemand . Damit
ist die Beschlussempfehlung angenommen .
Zusatzpunkt 5 h:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union ({94}) zu dem
Antrag der Abgeordneten Andrej Hunko, Azize
Tank, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE
Neustart der Europäischen Union auf der
Grundlage Sozialer Menschenrechte
Drucksachen 18/12089, 18/12918
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12918, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/12089 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Die Koalition .
Wer stimmt dagegen? - Die Linke . Wer enthält sich? Bündnis 90/Die Grünen . Die Beschlussempfehlung ist
angenommen .
Zusatzpunkt 5 i:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung ({95})
zu dem Antrag der Abgeordneten Beate WalterRosenheimer, Kai Gehring, Özcan Mutlu, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Wege in die Zukunft - Berufsausbildung jetzt
modernisieren
Drucksachen 18/12361, 18/12931
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12931, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12361 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Bündnis 90/Die
Grünen . Wer enthält sich? - Die Linke . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Zusatzpunkte 5 j bis 5 q . Wir kommen zu weiteren Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses .
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Zusatzpunkt 5 j:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({96})
Sammelübersicht 454 zu Petitionen
Drucksache 18/12955
Wer stimmt dafür? - Alle . Wer stimmt dagegen? Niemand . Wer enthält sich? - Niemand . Sammelübersicht 454 ist angenommen .
Zusatzpunkt 5 k:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({97})
Sammelübersicht 455 zu Petitionen
Drucksache 18/12956
Wer stimmt dafür? - Alle . Wer stimmt dagegen? - Niemand . Enthaltungen? - Niemand . Sammelübersicht 455
ist angenommen .
Zusatzpunkt 5 l:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({98})
Sammelübersicht 456 zu Petitionen
Drucksache 18/12957
Wer stimmt dafür? - Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Linke . Wer enthält sich? - Bündnis 90/Die
Grünen . Sammelübersicht 456 ist angenommen .
Zusatzpunkt 5 m:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({99})
Sammelübersicht 457 zu Petitionen
Drucksache 18/12958
Wer stimmt dafür? - Alle . Wer stimmt dagegen? Niemand . Wer enthält sich? - Niemand . Sammelübersicht 457 ist angenommen .
Zusatzpunkt 5 n:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({100})
Sammelübersicht 458 zu Petitionen
Drucksache 18/12959
Wer stimmt dafür? - CDU/CSU, SPD und Linke . Wer
stimmt dagegen? - Bündnis 90/Die Grünen . - Es enthält
sich niemand . Die Sammelübersicht 458 ist angenommen .
Zusatzpunkt 5 o:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({101})
Sammelübersicht 459 zu Petitionen
Drucksache 18/12960
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 459 ist bei Enthaltung der
Linken angenommen .
Zusatzpunkt 5 p:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({102})
Sammelübersicht 460 zu Petitionen
Drucksache 18/12961
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 460 ist gegen die Stimmen
der Fraktion Die Linke angenommen .
Zusatzpunkt 5 q:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({103})
Sammelübersicht 461 zu Petitionen
Drucksache 18/12962
Wer stimmt dafür? - Die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Die Opposition . Wer enthält sich? - Niemand .
Sammelübersicht 461 ist angenommen .
Damit bedanke ich mich bei Ihnen für die Konzentration .
({104})
Ich rufe die Zusatzpunkte 6 a und 6 b auf:
a) Wahlvorschlag der Fraktionen DIE LINKE und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Wahl der vom Deutschen Bundestag zu be-
nennenden Mitglieder des Gemeinsamen par-
lamentarischen Kontrollausschusses von Eu-
ropol
Drucksache 18/13026
b) Wahlvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD
Wahl der vom Deutschen Bundestag zu be-
nennenden Mitglieder des Gemeinsamen par-
lamentarischen Kontrollausschusses von Eu-
ropol
Drucksache 18/13025
Zu dieser Abstimmung liegt eine Erklärung gemäß
§ 31 unserer Geschäftsordnung vor .1)
Zusatzpunkt 6 a . Wir stimmen zunächst über den
Wahlvorschlag der Fraktionen Die Linke und Bünd-
nis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/13026 ab . Wer
stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Das sind die Grünen
und die Linken . Wer stimmt dagegen? - Das ist die Koa-
lition . Enthaltungen? - Niemand . Der Wahlvorschlag ist
abgelehnt .
1) Anlage 3
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Zusatzpunkt 6 b . Wir kommen nun zu dem Wahlvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf
Drucksache 18/13025 . Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - CDU/CSU und SPD . Wer stimmt dagegen? Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke . Wer enthält
sich? - Niemand . Der Wahlvorschlag ist angenommen .
Ich rufe den Zusatzpunkt 7 auf:
Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benennenden Mitglieder des Wissenschaftlichen Beratungsgremiums gemäß § 39a des Stasi-Unterlagen-Gesetzes
Drucksache 18/13002
Wer stimmt für den interfraktionellen Wahlvorschlag
auf Drucksache 18/13002? - Alle . Wer stimmt dagegen? - Niemand . Wer enthält sich? - Auch niemand . Der
Wahlvorschlag ist angenommen .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend ({105}) zu dem An-
trag der Abgeordneten Cornelia Möhring, Katja
Kipping, Karin Binder, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE
Sexismus die Rote Karte zeigen - Für einen
bundesweiten Aktionsplan
Drucksachen 18/8723, 18/12893
Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . - Ich
sehe, Sie sind damit einverstanden .1)
Dann kommen wir zur Abstimmung . Der Ausschuss
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12893, den
Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/8723
abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das ist die Koalition . Wer stimmt dagegen? Das ist die Opposition . Enthaltungen? - Keine . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 34 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit ({106}) zu
der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Baukulturbericht 2016/17 der Bundesstiftung
Baukultur
und Stellungnahme der Bundesregierung
Drucksachen 18/10170, 18/10307 Nr. 9,
18/11384
Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke vor .
1) Anlage 4
Auch hier sollen die Reden zu Protokoll gegeben
werden . - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden .2)
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
auf Drucksache 18/11384. Der Ausschuss empfiehlt, in
Kenntnis der Unterrichtung auf Drucksache 18/10170
eine Entschließung anzunehmen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das ist die Koalition . Wer
stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist bei Enthaltung der Opposition angenommen .
Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12970 . Wer stimmt für
diesen Entschließungsantrag? - Die Linke . Wer stimmt
dagegen? - Die Koalition . Wer enthält sich? - Bündnis 90/Die Grünen . Der Entschließungsantrag ist abgelehnt .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 36 ddd auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Brigitte Pothmer, Volker Beck ({107}),
Kerstin Andreae, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
des Aufenthaltsgesetzes
Drucksache 18/12546
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({108})
Drucksache 18/12838
Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . Sind
Sie damit einverstanden? - Ich sehe, das ist der Fall .3)
Dann kommen wir zur Abstimmung . Der Innenaus-
schuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/12838, den Gesetzentwurf der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12546 abzu-
lehnen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zu-
stimmen wollen, um das Handzeichen . - Die Grünen und
die Linken . Wer stimmt dagegen? - SPD, CDU/CSU .
Wer enthält sich? - Niemand . Der Gesetzentwurf ist in
zweiter Beratung abgelehnt, und damit entfällt die wei-
tere Beratung .
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 22 a und 22 b auf:
a) Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU,
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia
Dignidad
Drucksache 18/12943
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate
Künast, Harald Petzold ({109}) und weiterer
Abgeordneter
Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia
Dignidad und Hilfe für die Opfer
Drucksache 18/11805
2) Anlage 5
3) Anlage 6
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Jetzt sind Sie wieder dran . Denn nach der Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . Auch hier höre ich keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .
Ich eröffne die Aussprache, und das Wort hat
Dr . Stephan Harbarth, CDU/CSU-Fraktion . - Bitte schön .
({110})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer von Santiago de Chile aus Richtung Süden reist, die Ufer des Rio
Maipo überquert, vorbei an Nationalparks in ein Pla teau
unweit des Vulkans Nevado de Longavi gelangt, dem
bietet sich ein wirklich unwirklicher Kontrast . Denn die
Schönheit der Landschaft darf nicht über den Schrecken
des Ortes, darf nicht über den Schrecken der sogenannten
Colonia Dignidad hinwegtäuschen, einer selbst erklärten
Kolonie der Würde, die zum Verlies, Trauma und Schicksal von Hunderten Deutschen und Chilenen wurde . Was
sich auf dem 15 000 Hektar umfassenden Gelände über
einen Zeitraum von Jahrzehnten abspielte, offenbart das
Grauen vieler isolierter, in sich geschlossener Systeme .
Sie tendieren zum Totalen, zur Repression, zur Entrechtung des Einzelnen .
Im Rahmen einer Delegationsreise des Rechtsausschusses begegneten Parlamentarier aus diesem Hause
einigen der im Inneren gebrochenen Menschen, deren Leben bis heute von den Kerben der Schreckensherrschaft
Paul Schäfers geprägt ist . Missbrauch, Folter, Zwangsarbeit, die Liste der Verbrechen der Führungsriege ist
lang und unerträglich . Einige der tiefsten Verletzungen
der Opfer sind für uns nicht sichtbar, aber im persönlichen Gespräch sehr wohl spürbar. Besonders betroffen
macht mich etwa, dass Kinder kurz nach der Geburt von
ihren Eltern getrennt wurden, ein das Urvertrauen zerstörender Akt, der dazu führte, dass für die Betroffenen nie
eine normale Eltern-Kind-Beziehung entstehen konnte .
Darüber hinaus fügt die Zusammenarbeit der Täter mit
dem Pinochet-Regime dem Verbrechen eine politische
Dimension hinzu . Das inszenierte Bild einer vermeintlichen Idylle sollte die Öffentlichkeit davon ablenken, dass
auf dem Areal mit chemischen und biologischen Waffen
experimentiert wurde, Massengräber angelegt und Geheimdienstarchive geführt wurden .
Die Aufarbeitung der Geschehnisse ist bei weitem
nicht abgeschlossen . Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir den Prozess der Aufklärung vorantreiben, Opfer
unterstützen und Bildungsarbeit fördern . Im Rahmen der
deutsch-chilenischen Beziehungen soll eine Kooperationsstrategie erarbeitet werden, die Licht in den Schatten
dieses dunklen Kapitels wirft . Die Förderung von Menschenrechts- und Bildungsprogrammen soll hierbei einen
Schwerpunkt bilden, um die Geschehnisse für nachwachsende Generationen erfahrbar zu halten .
Auch soll die Gedenkkultur auf dem Gelände der
ehemaligen Colonia Dignidad unter Einbeziehung der
Opferverbände eine würdige Form annehmen . Eine Expertenkommission soll den Stand der Aufarbeitung analysieren und Vorschläge für weitere Schritte unterbreiten .
In diesem Kontext trägt unser Antrag der Bundesregierung auf, bis zum 30 . Juni kommenden Jahres die Finanzierung einer Begegnungs- und Gedenkstätte zu prüfen .
Des Weiteren wollen wir die Stärkung der psychosozialen Betreuung beschließen, um die seelische Heilung
der Opfer zu unterstützen und ihnen die Rückkehr in den
gesellschaftlichen Alltag zumindest einen Schritt weit zu
erleichtern .
Als Schlussstein der Unterstützungsmaßnahmen soll
die Einrichtung eines Hilfsfonds durch eine dafür einzurichtende interministerielle und interfraktionelle Kommission geprüft werden, um auch den finanziellen Nöten
der Opfer Rechnung zu tragen . Die Richtlinien werden
unter Beteiligung fachkundiger Nichtregierungsorganisationen und betroffener Opferverbände skizziert. Von
Entschädigung sprechen wir indes nicht; denn die Verbrechen spielten sich auf ausländischem Boden ab . Die
deutsche Diplomatie trifft jedoch eine Mitverantwortung;
denn der Umstand, dass die deutsche Botschaft in Santiago de Chile betroffene und aus der Kolonie geflohene
Staatsbürger abwies und ihre Berichte nicht ernst nahm,
ist ein eklatanter Bruch des Grundsatzes der Schutzverantwortung des Staats für seine Bürgerinnen und Bürger .
Auch das gehört zur Wahrheit der Geschehnisse .
Richard von Weizsäcker sagte einmal: „Wer aber vor
der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für
die Gegenwart .“ Wir wollen mit dem vorliegenden Antrag die Grundlage dafür schaffen, dass die Augen vor
der Vergangenheit weiterhin geöffnet werden, damit den
Opfern eine Zukunft geboten wird . Das sollte Fraktionsgrenzen überwinden, um ein einmütiges Signal aus diesem Hohen Hause an all jene zu senden, die unter diesem
Unrecht litten und nun Hoffnung in uns setzen.
Ich danke Ihnen .
({0})
Vielen Dank, Herr Kollege Harbarth . - Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Sie sehen, gab es einen Wechsel im Vorsitz . Sie und ich, wir werden gemeinsam die
letzten Tagesordnungspunkte beraten . Ich nutze diesen
Hinweis als Überleitung, weil die Kollegin Ulla Schmidt
gerade fast eineinhalb Stunden in einer außerordentlichen Konzentrationsleistung gemeinsam mit Ihnen eine
Vielzahl von Abstimmungen durchgeführt hat . Dafür
wollte ich ihr einfach meine Hochachtung aussprechen .
({0})
Jetzt machen wir weiter . Das Wort hat der Kollege
Harald Petzold für die Fraktion Die Linke .
({1})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und
Kollegen! Im November des vergangenen Jahres hat eine
Delegation des Rechtsausschusses, der Abgeordnete aller
vier Fraktionen angehörten, Argentinien und Chile besucht; der Kollege Harbarth hat gerade darüber berichtet .
Ziel der Reise war unter anderem ein Besuch der Colonia
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Dignidad, eines der berüchtigsten Orte im Hinblick auf
fürchterliche Menschenrechtsverletzungen, Folter und
Mord .
Wir wollten uns selbst ein Bild vom Ort dieses Grauens machen . Wir wollten Opfern von Folter und Mord
gedenken . Wir haben eine „fosa común“ besucht und mit
Hinterbliebenen der Opfer gedacht . Wir wollten Gespräche mit Verbänden sowie Aktivistinnen und Aktivisten
der chilenischen Opfer und deren Hinterbliebenen sowie mit ehemaligen und jetzigen Bewohnerinnen und
Bewohnern der nun „Villa Baviera“ genannten Siedlung
führen .
Das, was wir dort zu sehen und zu hören bekommen
haben, hat mich, aber auch die anderen Mitglieder der
Delegation tief beeindruckt . Dass wir heute auf der
Grundlage von zwei Anträgen über dieses Thema sprechen und abstimmen werden, zeugt von dieser Betroffenheit . Eigentlich hatten wir uns im Nachgang dieser Reise
darauf verständigt, zumindest zu versuchen, hier einen
gemeinsamen Antrag einzubringen . Insofern bedauere
ich es, dass aufgrund der Blockadehaltung der Unionsfraktionsführung, gemeinsam mit meiner Fraktion keine
Anträge einzubringen, ein solcher Antrag der Delegationsmitglieder und ihrer Fraktionen unmöglich gemacht
worden ist .
Gleichzeitig begrüße ich aber, dass die Union mit ihrem Antrag eine Kehrtwende in ihrer Beurteilung der Ereignisse in der Colonia Dignidad und in ihren Schlussfolgerungen vollzogen hat und dass man nach vielen Jahren
des Wegschauens und der Leugnung jeglicher Mitverantwortung jetzt davon spricht, dass in der Colonia Dignidad
über Jahre hinweg systematisch schwerste Menschenrechtsverletzungen begangen worden sind . Auch wenn
sich die Große Koalition gemeinsam mit Bündnis 90/Die
Grünen noch scheut, konkrete Mitverantwortung zu benennen, kommt sie doch zu dem Schluss - ich zitiere -:
Die Colonia Dignidad verfügte auch in der Bundesrepublik über politische Kontakte und Unterstützungsnetzwerke . Es habe eine enge Zusammenarbeit mit der chilenischen Militärdiktatur unter Pinochet gegeben .
Schließlich begrüße ich es auch, dass nach den Erklärungen des Bundestages aus dem Jahr 2002 und von
Exbundesaußenminister Steinmeier jetzt endlich auch
konkrete Maßnahmen unternommen werden sollen, die
den Opfern ein würdiges Gedenken sowie Hilfe und Wiedergutmachung bringen können .
Diese drei Kriterien waren meiner Fraktion in den
letzten Jahren immer sehr wichtig . Deswegen werden wir
heute sowohl für den Gruppenantrag einzelner Abgeordneter meiner Fraktion und der Bündnisgrünen stimmen,
der ursprünglich einmal der gemeinsame Antrag aller
Fraktionen werden sollte und ohne den sich wahrscheinlich in Sachen Beschluss gar nichts bewegt hätte . Deswegen mein herzlicher Dank an die Kollegin Künast, an den
Kollegen Flisek und an den Kollegen Korte,
({0})
die mit mir an diesem gemeinsamen Antrag gearbeitet
haben! Aber wir werden auch dem Antrag der Koalitionsfraktionen und von Bündnis 90/Die Grünen zustimmen, weil er ein wichtiges Signal an alle Opfer der Colonia Dignidad aussendet . Insofern auch den Kollegen
Harbarth, Luczak und Ullrich von der Union und dem
Kollegen Barthel von der SPD herzlichen Dank für diesen Antrag!
({1})
Wir wollen, dass durch ein einheitliches Votum des
Deutschen Bundestages dieses wichtige Signal deutlich
gesetzt wird . Wir kündigen Ihnen aber gleichzeitig an,
dass wir in der kommenden Wahlperiode sehr genau darauf achten werden, dass die in dem Antrag aufgeführten
Zusagen und Prüfaufträge tatsächlich ernst genommen
werden und dass der Antrag nicht wie die Erklärung aus
dem Jahre 2002 in der Versenkung verschwindet . Wir
werden sehr deutlich einfordern, dass dem damaligen Bedauern und den Worten des Exaußenministers Steinmeier
weitere Schritte in Richtung Anerkennung von Mitverantwortung und Schlussfolgerung folgen werden . Das
betrifft insbesondere die Militärdiktaturzeit.
Wir werden weitere Zugänglichmachung von Akten und
Archiven einfordern . Neben dem Auswärtigen Amt betrifft das vor allen Dingen den BND, das Bundeskanzleramt, aber auch die Staatskanzlei in München . Wir
brauchen endlich konsequente Strafverfolgung durch die
Justiz . Dass Hartmut Hopp immer noch frei herumläuft,
ist ein Skandal, finde ich. Wir brauchen auch endlich
wirkungsvolle Hilfe für die Opfer der Colonia Dignidad,
egal an welcher Stelle der Welt sie sich gerade aufhalten .
({2})
Ich will abschließend den Opfern der Colonia Dignidad versichern: Sie haben heute hier im Deutschen
Bundestag Gehör gefunden . Das ist ein wichtiger Erfolg
Ihres jahrzehntelangen Kampfes . Auch wenn die Linke
auf dem heute hier zu beschließenden Antrag „Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad“ nicht mit
draufsteht, haben die Opfer auch in uns eine Partnerin im
Kampf um Gerechtigkeit, um Wahrheit, um Aufklärung
und um Wiedergutmachung .
Vielen Dank .
({3})
Nächster Redner ist der Kollege Christian Flisek für
die Fraktion der SPD .
({0})
Harald Petzold ({1})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Verehrte Vertreter der Betroffenen! Als ich im November
letzten Jahres gemeinsam mit einigen Kolleginnen und
Kollegen des Rechtsausschusses das Gelände der Colonia Dignidad besuchte, war es schwer, an diesem Tag
aufgrund der zahlreichen Berichte nicht die Fassung zu
verlieren. Die Betroffenen, mit denen wir und mit denen
ich in Chile und später auch hier in Berlin sprechen konnten, sind gebrochene Seelen . Einige von ihnen sind heute
hier .
Für mich ist klar: Die Geschichte der Kolonie, aber
insbesondere auch diese persönlichen Lebensgeschichten dürfen nicht vergessen werden . Daher erlaube ich
mir, an dieser Stelle zwei kurze Zitate aus Berichten von
Rainer und Werner Schmidtke vorzulesen . Ich traf beide
Anfang Februar hier in Berlin . Sie wurden in Deutschland geboren und kamen im Kindesalter in die Kolonie .
Rainer Schmidtke berichtet:
Wir Kinder wurden, nachdem wir in der Kolonie
angekommen waren, nach Alter und Geschlecht
sortiert und in Gruppen aufgeteilt . Alles, was man
von zu Hause mitgebracht hatte, wurde einem weggenommen, von der Zahnbürste bis zur gesamten
Kleidung . Mutti war nicht mehr da, das heißt, ich
wurde ihr weggenommen . Ich erinnere mich, wie
ich jahrelang fast täglich vor Angst und Stress in die
Hose machte .
Sein Bruder Werner schildert seine Erlebnisse:
Ich habe wie auch meine Brüder das Allerschlimmste erfahren, dem Tod ins Auge gesehen und überlebt .
Ich war Sklave einer namenlosen Sondergruppe, die
fast zwei Jahrzehnte lang Terror, der Folter und der
Willkür einiger Folterknechte ausgeliefert war, und
das schon im Kindesalter ab etwa acht Jahren . Bei
trocken Brot und Wasser galt es, unter Peitschenhieben Zwangsarbeit zu leisten .
Werner Schmidtke beehrt unsere Debatte heute durch
seine persönliche Anwesenheit im Plenum . Ich möchte
Sie herzlich begrüßen, Herr Schmidtke .
({0})
Dass dieser unglaubliche Missbrauch nicht in Vergessenheit geraten ist, ist in erster Linie den Betroffenen
selbst und ihren Angehörigen zu verdanken, den zahlreichen Menschenrechtsanwälten und -aktivisten und vielen
Organisationen, die seit Jahrzehnten an diesem Thema
arbeiten .
Ich bin sehr dankbar, dass der Rechtsausschuss des
Deutschen Bundestages damals den Vorschlag der
SPD‑Arbeitsgruppe aufgegriffen hat, eine Delegationsreise nach Argentinien und Chile zu unternehmen und bei
der Gelegenheit auch die Colonia Dignidad zu besuchen .
Wir haben als erste Delegation von Bundestagsabgeordneten das Gelände der Kolonie besuchen können, einen
Ort, der so eng verwoben ist mit deutscher und chilenischer Geschichte, mit dem Leid und Leben vieler Deutscher und auch unzähliger Chilenen; denn die Kolonie
war in den Jahren der Militärdiktatur auch ein Ort, an
dem Oppositionelle vom chilenischen Inlandsgeheimdienst auf brutalste Weise gefoltert und ermordet wurden .
Das zeigt die Komplexität .
Uns war klar, dass wir ein System wie das der Colonia Dignidad nicht durch einen Besuch durchdringen
können . Deswegen freue ich mich sehr, dass wir heute
einen überfraktionellen Antrag zur Aufarbeitung der Verbrechen in der Kolonie verabschieden können . In diesem
Antrag fordern wir die Bundesregierung auf, die strafrechtlichen Ermittlungen in Deutschland und Chile voranzutreiben, ein Konzept für die gemeinsame Einrichtung einer nach wissenschaftlichen Kriterien gestalteten
Begegnungsstätte vorzulegen . Besonders wichtig für die
Betroffenen: Wir fordern von der Bundesregierung, ein
Konzept für Hilfsleistungen für die Opfer vorzulegen,
die heute in schwersten sozialen und wirtschaftlichen
Verhältnissen leben .
Sehr geehrte Damen und Herren, meine Kolleginnen
und Kollegen, dies kann nur der Anfang für weitere Aufarbeitung sein . Lassen Sie uns bitte genau hinschauen,
gerade weil die Geschehnisse an einem Ort stattfanden,
der so weit von Deutschland entfernt ist . Ich bin aber sicher, dass unseren Worten heute endlich auch Taten folgen werden .
Herzlichen Dank .
({1})
Die Kollegin Renate Künast hat jetzt für Bündnis 90/
Die Grünen das Wort .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Schmidtke, Herr Wagner, stellvertretend für andere,
die dort waren! Ich habe in meinem Leben schon eine
Menge gesehen und bin eigentlich gar nicht so leicht zu
erschüttern, außer als wir mit sieben Abgeordneten im
letzten November in der ehemaligen Kolonie waren . Ich
war schon vorher erschüttert, weil ich bei den Vorbereitungen gemerkt habe: Da ist so viel Energie drin, so viel
Verletzung, so viel Traumatisierung, so viel Ohnmacht
und so viel Wir-werden-nicht-gehört, dass ich mich, als
wir uns früh morgens auf den Weg zu einer vierstündigen
Busfahrt zur Kolonie gemacht haben, gefragt habe, was
das werden wird .
Ich muss sagen - das habe ich selten erlebt -, dass
alle aus dieser Delegation enorm beeindruckt waren
und es heute noch sind . Der größte Eindruck für mich
ist, dass wir Verantwortung haben und dass wir unserer
Verantwortung bisher nicht gerecht geworden sind . Wir
haben weggesehen . Deutsche Behörden haben weggesehen, und man müsste schon ziemlich viel Tuch über die
Augen legen, um da nichts zu sehen . Kinder sind dorthin entführt worden und wurden missbraucht . Die Eltern sind belogen worden . Dort wurde gemordet . Es gab
Freiheitsberaubung, Zwangsarbeit, Sklavenarbeit, Folter,
Psychopharmaka ohne Indikation - an den Bewohnern,
an den Kindern, die von ihren Eltern getrennt wurden .
Ich weiß noch, dass wir am Anfang in einer Halle waren und uns an verschiedenen Stellen zum Kaffee hingesetzt haben; Sie erinnern sich . Mir ging es so: Ich kam
mit einer Frau ins Gespräch, die dort als Kleinkind hingekommen war und mir mal eben beim Kaffee und beim
ersten Keks - es war wirklich eine klassisch deutsche,
gemütliche Struktur: Berge von Kuchen und Keksen ihr Leben ausgebreitet hat . Da konnte man eigentlich die
Fassung verlieren . Es wurde geschildert, wie Zweijährige behandelt werden . Sie durften ihre Eltern nicht sehen,
sie durften auf der Straße nicht miteinander reden . Es gab
Elektroschocks für die Jungen . Die Frau selber wurde
ebenfalls mit Elektroschocks an den Genitalien behandelt und konnte deshalb keine Kinder mehr bekommen .
Sie hat weiter erzählt, dass ihr Mann, der auch als Kind
dort aufgewachsen ist, später wegen Beihilfe zum Kindesmissbrauch verurteilt wurde, weil er Herrn Schäfer
offensichtlich Jungs zugeführt hat. Daran sieht man das
ganze Drama . Da kann man Täter und Opfer manchmal
nicht auseinanderhalten .
Wir als Deutschland haben nicht hingesehen, nicht
geholfen . In idyllischer Landschaft gelegen mit einem
Zaun, bei dem der Draht nach innen zeigt, damit man
nicht heraus kann, kann die Kolonie keiner in der Botschaft gesehen haben, obwohl es doch ein, zwei Personen
gab, denen aber nicht zugehört wurde, weil sie nicht gemocht wurden . Seit 1966 hätten wir davon wissen können, weil zu dem Zeitpunkt der Erste, der geflohen war,
öffentlich darüber berichtete.
Mein Eindruck ist: Es gibt eine gewisse Traumatisierung und vielleicht auch ein Gar-nicht-gelernt-Haben, in
einer freien Welt zu leben . Sie sind um ihr Leben betrogen worden . Deutschland - ich sage wir, weil wir ja die
Generation sind, die es aufklären muss - hat sich nicht
gekümmert . Sie haben schon als Kinder 7 Tage die Woche, 16 Stunden am Tag auf dem Acker gearbeitet . Keiner hat für sie eingezahlt, und heute sind sie arm . Wir
haben Verantwortung .
({0})
Wir haben auch für eine andere Gruppe Verantwortung; ich habe ein paar Fotos, die mich sehr beeindruckt
haben. Dieses Gelände ist von Paul Schäfer offensichtlich
auch genutzt worden, um vor dem Putsch gegen Allende
Waffen herzustellen. Irgendwelche Leute haben da Unterschlupf gefunden . Während der Militärdiktatur waren
mindestens 350 Chilenen dort . 100 sind wohl ermordet
und dort verscharrt worden . Unser Tag dort hat damit begonnen, dass wir an einem solchen ehemaligen Massengrab, in dem man später Menschen-DNA gefunden hat,
zusammen Blumen niedergelegt haben . Die Opfer sind
an anderen Stellen verscharrt worden . Wir haben sie gefunden, weil Jugendliche das damals gesehen haben und
mit hinfuhren . Es gab eine gemeinsame Gedenkminute
mit den nicht mehr dort lebenden Deutschen und denen,
die noch dort leben . Wahnsinn!
Wenn ich noch eine Minute Redezeit bekomme, Herr
Präsident, würde ich gerne noch sagen, um was es geht:
Wir haben an einem Folterkeller gestanden mit einem
Mann über 50, der draußen lebt und der uns erzählt hat,
dass er über diesem Folterkeller - darüber war einmal
eine Schneiderei - als Junge nachts alleine schlafen
musste - man hat sie immer separiert, sie wurden mit
Elektroschocks behandelt; denn sie sollten nicht miteinander reden, das war Terror - und wie er da oben lag
und unten im Keller die Chilenen gefoltert wurden . Er
hat erzählt, wie das war: Ich lag da alleine, und sie haben
erbärmlich geschrien, und wenn das Schreien aufhörte,
habe ich gedacht, sie sind tot . Und sie waren doch nicht
tot, weil das Schreien wieder da war . - Ich sage noch
einmal: Wir haben Verantwortung . Wir hätten auch als
Deutsche ein Stück mehr mitkriegen müssen .
Um einen großen Bogen zu spannen, möchte ich sagen:
Ich bin dankbar, dass am Ende - wenn auch auf großen
Umwegen; aber es zählt ja das Ergebnis - alle Fraktionen
zustimmen und damit ausgedrückt ist, dass wir jetzt eine
Aufarbeitung wollen . Es war ein langer Weg, auf dem die
Dinge wirklich unmöglich gelaufen sind, einschließlich
das Falles von Paul Schäfer, gegen den es schon 1961
einen Haftbefehl gab, den man in Chile suchte, aber den
man scheinbar nie finden wollte. Vielleicht wollten auch
die Chilenen nicht, dass er gefunden wird . Erst 1996 war
es dann so weit, dass es ein Ermittlungsverfahren gab .
2005 wurde er festgenommen .
Es ist doch schaurig, wenn man bedenkt, dass man das
alles eigentlich nicht übersehen konnte . Wir müssen jetzt
eines tun: Auf der einen Seite müssen wir mit der chilenischen Regierung und dem chilenischen Volk zusammen
Aufarbeitung betreiben, einen Ort des Gedenkens und
des Lernens finden für das, was da an chilenischer Folter
passiert ist . Auf der anderen Seite müssen wir auch den
deutschen Staatsangehörigen gegenüber etwas machen,
aufarbeiten, sagen, was war - man nennt das Oral History -, und am Ende einen Weg für eine Entschädigung
finden.
({1})
Diese Menschen konnten nicht erwerbstätig sein . Sie leben jetzt von sehr wenig .
Ich glaube, dass dies am vorletzten Tag des Plenums
ein großer Arbeitsauftrag für die nächste Legislaturperiode ist, und ich freue mich, dass ich schon bei einigen ahnen kann, dass wir gemeinsam in der nächsten Wahlperiode dranbleiben werden . Das ist ein Auftrag . Insofern
ist der 30 . Juni 2018 auch ein Datum, das in Richtung
Regierung zielt . Sie dürfen schon anfangen, an den Konzepten zu arbeiten .
({2})
Für die CDU/CSU hat jetzt der Kollege Michael
Brand das Wort .
({0})
Alle Kinder mussten da so schlafen, durften nur auf
dem Rücken liegen, die Hände daneben, nackt . Das
Gesicht wurde von diesen Wachleuten zugedeckt,
und es wurde uns nasse Watte in die Ohren gesteckt .
Und dann nachts wurdest du dann mit Strom aus
dem Schlaf gerissen . Das waren immer so Elektrogeräte, die haben die immer in die Genitalien reingehalten .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das berichtete einer der rund 300 Menschen, die in der
streng abgeriegelten Siedlung leben mussten, versklavt,
gefoltert, viele von ihnen sexuell missbraucht von diesem ekelhaften Sadisten Paul Schäfer und seiner Verbrecherclique .
Man hat mir Spritzen, Tabletten gegeben . Und dann
warst du nur - ich weiß gar nicht, wie ich das erklären soll - benebelt . Ich wusste, ich bin gar nicht
mehr ich .
So erinnert sich eine Frau an die Misshandlungen im
Krankenhaus .
Es fällt mir schwer, heute darüber zu sprechen, auch
das auszusprechen . Ich habe mit Anfang 20 in Bosnien in
Massengräber geblickt, habe mich dort im Land in einer
Menschenrechtsorganisation engagiert, vor allem auch
für die überlebenden Frauen aus Srebrenica . Wir haben
dokumentiert, was damals passiert ist . Ich sage das deswegen, weil es mir so geht wie Renate Künast, als ich
dann vor den Opfern und Überlebenden der Colonia hier
gesessen habe . Es sind damals in Bosnien viele Tränen
geflossen. Es waren auch Unverständnis und Wut dabei
über die Täter, über das Wegschauen von denen, die ganz
sicher etwas hätten tun können . In der Zeit habe ich erfahren, vielleicht auch nur erahnt, was es heißt, mit einer
Traumatisierung leben zu müssen . Als ich dann vor zwei
Jahren als Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses
Opfer zum Gespräch eingeladen habe, dachte ich, das
Thema der sogenannten „Colonia Dignidad“ spiele sich
in der Vergangenheit ab . Nein, ich bin eines Besseren belehrt worden . Ich muss zugeben: Ich war wirklich sprachlos, als ich im Kreise mit ihnen zusammengesessen habe .
Es war entsetzlich, was berichtet worden ist .
Es bewegt mich, dass heute Überlebende aus der „würdelosen Kolonie“ bei uns sind . Es ist uns eine Ehre, dass
Sie heute den Weg in den Deutschen Bundestag gefunden
haben; denn Sie ehren das Hohe Haus mit Ihrem Besuch .
({0})
Ich möchte mich - das hört sich pathetisch an; aber es
ist genau so gemeint, wie ich es sage - vor Ihnen verneigen . Ich möchte meinen tiefen Respekt dafür ausdrücken,
dass Sie nicht gebrochen sind, dass Sie nicht verbittert
sind . Sie haben meinen tiefen Respekt, dass Sie das alles ertragen haben und dass Sie heute dafür sorgen, dass
erlittenes Unrecht nicht vergessen wird, dass Sie dafür
kämpfen, dass den Opfern Gerechtigkeit widerfährt, dass
die Vergangenheit aufgearbeitet wird und dass die Täter
zur Rechenschaft gezogen werden .
Ja, es ist eine schreiende Ungerechtigkeit, die ich bei
unserem Treffen wahrgenommen habe, dass eine 70‑jährige Frau, die in dieser Kolonie ein Opfer war, ihr Leben lang Zwangsarbeit geleistet hat und heute eine Rente
von 112 Euro erhält, während Täter wie der frühere Arzt
Hopp, der heute in Krefeld lebt, mit allen Raffinessen
ausgestattet, vermutlich über Finanzquellen aus dem
damaligen Unrecht verfügen . Es ist ein hochkomplexes
System, in dem Verbrecher versuchen, ihre Taten zu verschleiern und ihren Profit daraus zu ziehen. Deswegen
braucht es endlich mehr Licht im Dunkeln . Wir dürfen
nicht zulassen, dass die Täter in Deutschland weitgehend
unbehelligt leben und die Opfer in die Röhre schauen .
Lange war Gras über die schlimmsten Verbrechen gewachsen, die Opfer auch weitgehend vergessen . Damit
muss Schluss sein . Das sind wir als Deutscher Bundestag
den Überlebenden schuldig .
({1})
Chile trägt Verantwortung für die Verbrechen, die
während der Zeit der Militärdiktatur begangen wurden,
aber Deutschland trägt eine moralische und auch politische Mitverantwortung . Deutsche Diplomaten haben sich
mitschuldig gemacht . Ignoranz bedeutet auch Schuld .
Den Opfern eine Stimme geben, konkrete Unterstützung für sie, Aufarbeitung der Verbrechen und eine bessere Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung auf der
deutschen und auf der chilenischen Seite sind die wichtigsten Ziele dieses fraktionsübergreifenden Antrags . Ich
möchte von Herzen allen danken, die mit Energie und
Empathie dabei mitgeholfen haben . Ich danke Renate
Künast, Christian Flisek, Stephan Harbarth, Volker
Ullrich, Klaus Barthel und vielen mehr, die ihren Beitrag
geleistet haben . Es war kein einfacher Weg bis hierher .
Deswegen bin auch ich froh, dass wir über diese Frage
doch noch, einen Tag bevor die letzte Sitzungswoche
in dieser Wahlperiode endet, entscheiden können . Es ist
aus meiner Sicht ein politisch starkes Signal, das wir mit
diesem fraktionsübergreifenden Antrag setzen, versehen
mit einer Frist, um die konkreten Maßnahmen der Bundesregierung einzufordern . Das Thema darf nicht auf die
lange Bank geschoben werden . Die Überlebenden sind
nicht mehr in jungen Jahren . Wer es jetzt auf die lange
Bank schiebt, macht sich ein zweites Mal schuldig . Der
erste Schritt wird heute getan . Aber helfen Sie bitte alle
mit . Das ist schon die Ankündigung, eine Drohung, dass
wir in den Monaten nach der Wahl dieses Thema aktiv
begleiten werden . Wir wollen ein Ergebnis haben, und
wir werden nicht ruhen, bis wir ein ordentliches konkretes Ergebnis haben . Auch das sind wir den Überlebenden
schuldig .
Ich sage noch einmal: Es ist schön, dass Sie heute gekommen sind . Es ist für uns eine besondere Stunde und
Ehre .
Vielen Dank .
({2})
Zum Abschluss dieser Aussprache hat der Kollege
Klaus Barthel für die SPD das Wort .
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und
Herren! Ich glaube, die bisherigen Reden haben gezeigt,
warum es notwendig war, dass wir gemeinsam darauf bestanden haben, dass auch zu so einer späten Stunde, um
halb zwölf in der Nacht, zu diesem Tagesordnungspunkt
noch geredet wird und die Reden nicht zu Protokoll gehen .
({0})
Ich denke, das sind wir den Opfern, die heute da sind,
und ihren Vertreterinnen und Vertretern schuldig, all denen, die sich in der letzten Zeit auch journalistisch und
wissenschaftlich mit dieser Frage beschäftigt haben, den
Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen . Sie haben
ja gehört: Eigentlich geben die Reden Bausteine wieder,
die sich überhaupt nicht widersprechen . Sie sehen daran
auch - ich glaube, das ist ein wichtiges Zeichen an die
Öffentlichkeit -, wie intensiv wir uns gemeinsam mit dieser Geschichte beschäftigt haben .
Ich will an einer Stelle bitten, den Sprachgebrauch zu
ändern . Ich glaube, wir sollten nicht ohne Anführungszeichen von der „Colonia Dignidad“ reden; denn es hat
nichts mit „Würde“ zu tun, und es ist die Tätersprache .
Ich rede dann immer lieber nur von der „Kolonie“ .
Ich bedauere es auch, dass die Linksfraktion nicht mit
in der Kopfzeile stehen darf . Denn auch Sie von der Linken haben mit vielen Anfragen dazu beigetragen, dass
das Thema nicht vergessen wurde, und wir haben uns
über unser weiteres Vorgehen abgestimmt .
({1})
Ich glaube, in einer künftigen Legislaturperiode muss
diese Ausgrenzeritis auch mal ein Ende haben,
({2})
weil sie der Sache nicht gerecht wird, gerade auch bei
solchen Fragen, bei denen es ganz wichtig ist, dass ein
gemeinsames Signal vom Deutschen Bundestag ausgeht .
Auch ich will sagen, dass es mich schon überrascht
hat, dass nach so vielen Jahren - die Geschichte fing ja in
den 60er-Jahren an - durchaus immer noch relativ starke,
wirksame Kräfte unterwegs sind, die so einer parlamentarischen Initiative ihren Widerstand entgegensetzen,
und dass es da schon irgendwie noch alte Mächte geben
muss - sowohl in Chile als auch hier bei uns ist das zu
spüren . Ich will es nicht im Detail ausführen . Aber dass
es über ein Jahr gedauert hat, bis wir uns hier - in der
letzten Sitzungswoche - mit dem Antrag befassen, ist
schon ein Zeichen dafür, dass die Vertuscher und Verschweiger noch unterwegs sind, ebenso die Tatsache, die
Herr Brand gerade angesprochen hat, nämlich, dass Täter
wie Herr Hopp heute noch frei herumlaufen und mit viel
Geld und guten Anwälten unterwegs sind, während wir
es auf der anderen Seite mit Opfern zu tun haben, die
heute von Hartz IV leben müssen, obwohl sie ihr Leben
lang Sklavenarbeit geleistet haben, und wir heute darüber streiten müssen, ob es sich um Entschädigung oder
um Hilfe handelt . Und dann kommt noch der Haushaltsvorbehalt und, und, und . Aber es ist gut, dass jetzt im
Antrag alles so formuliert ist, dass es ein hohes Maß an
Verbindlichkeit gibt .
Es ist höchste Zeit, aufzuarbeiten, und es ist deutlich
zu machen, dass es in dieser Frage politische Verantwortung gibt, auch wenn die Sekte eine Sekte oder eigentlich
ein privates Wirtschaftsunternehmen war . Ich glaube, es
wird ganz deutlich, dass wir alle, in allen Parteien und
Fraktionen, die hier heute vertreten sind, Verantwortung
zu tragen haben . Denn die Geschichte läuft schon länger: Den ersten Antrag zur Kolonie gab es zu rot-grünen
Zeiten .
({3})
- Nein, 2002 . Da hätten wir noch drei Jahre Zeit gehabt . Da haben sich also alle nicht mit Ruhm bekleckert .
Umso notwendiger war es, dass Frank-Walter
Steinmeier vor einem Jahr das Signal gegeben hat, dass
wir die Verantwortung übernehmen, sodass wir jetzt einen klaren Auftrag formulieren konnten . Insofern ist es
auch gut, dass Staatsminister Michael Roth und Staatssekretär Meister aus den verantwortlichen Ministerien da
sind. Ich hoffe, dass der kommende Deutsche Bundestag
diesem Antrag Nachdruck verschaffen wird und mithelfen wird, zusammen mit den Ministerien das umzusetzen, was wir hier gemeinsam formulieren .
({4})
Herr Kollege Barthel, vielen Dank . Das war gleichzeitig auch Ihre letzte Rede im Bundestag, wenn ich richtig
informiert bin .
({0})
Sie haben dem Deutschen Bundestag sechs Legislaturperioden angehört und dabei viele entscheidende Funktionen ausgeübt . Sie haben aber auch den Deutschen
Bundestag in Organisationen und Institutionen vertreten,
beispielsweise in der Bundesnetzagentur, in der wir gemeinsam gearbeitet haben . Ich möchte Ihnen dafür herzlich danken .
({1})
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag
der Fraktionen CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die
Grünen auf Drucksache 18/12943 mit dem Titel „Aufar-
beitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad“ .
Dazu liegt mir eine Stellungnahme nach § 31 unserer
Geschäftsordnung vor .1)
Wir kommen jetzt zur Abstimmung . Wer für diesen
Antrag stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen . - Gibt
es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist nicht der
Fall . Der Antrag ist damit mit allen Stimmen des Hohen
Hauses angenommen .
({2})
Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 22 b .
Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Harald Petzold
und weiterer Abgeordneter auf der Drucksache 18/11805
mit dem Titel „Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad und Hilfe für die Opfer“ . Wer für diesen
Antrag stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen . - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist damit mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion
Die Linke abgelehnt .
Damit verlassen wir diesen Tagesordnungspunkt . Ich
darf auch von dieser Seite die anwesenden Opfer der
sogenannten Colonia Dignidad herzlich begrüßen und
Ihnen danken, dass Sie an dieser Debatte teilgenommen
haben .
({3})
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 23 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr . Gesine Lötzsch, Caren Lay, Herbert
Behrens, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines
... Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung
Drucksache 18/9125
Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({4})
Drucksache 18/12839
Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . -
Widerspruch dagegen erhebt sich nicht .2)
Wir kommen deshalb sofort zur Abstimmung . Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 18/12839, den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/9125 abzulehnen . Ich
bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer
enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung
von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt . Damit entfällt
nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung .
Deshalb kann ich unmittelbar darauf den Tagesordnungspunkt 24 aufrufen:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Umsetzung der Richtlinie ({5}) 2016/97
1) Anlage 7
2) Anlage 8
des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb und zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes
Drucksache 18/11627
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie ({6})
Drucksache 18/13009
Hierzu liegt ein Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen vor .
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . - Widerspruch
sehe ich nicht . Dann haben wir das so beschlossen .
Deshalb kann ich die Aussprache sofort eröffnen. Ich
kann als erstem Redner dem Kollegen Marcus Held für
die SPD-Fraktion das Wort erteilen . Da der Kollege nicht anwesend ist,
({7})
erteile ich als erster Rednerin Barbara Lanzinger für die
CDU/CSU das Wort .
({8})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach dem sehr nachdenklichen Tagesordnungspunkt diskutieren wir jetzt zu später Stunde
über einen nicht weniger wichtigen, aber sicherlich nicht
so wesentlichen Tagesordnungspunkt .
Wir bringen heute die nationale Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie zu einem guten Abschluss .
Das war mir und auch unserer Fraktion in dieser Legislatur ein großes Anliegen, aber - das sage ich sehr bestimmt - nicht um jeden Preis . Wir haben das Gesetz im
parlamentarischen Verfahren daher maßgeblich verändert . Das war ordnungspolitisch sinnvoll und wirtschaftsund verbraucherschutzpolitisch notwendig .
Mein Ziel war, wirklich nur das Notwendige gesetzlich zu regeln, den Verbraucherschutz durchaus zu stärken, jedoch auch, dass der mündige Bürger selber entscheiden kann und dass der Wirtschaft keine unnötigen
Regularien aufgebürdet werden . Wir haben daher auf
eine möglichst weitgehende Eins-zu-eins-Umsetzung der
Versicherungsvertriebsrichtlinie gedrungen, die ja generell als sehr positiv bewertet wird .
Wir haben den vorliegenden Gesetzentwurf grundlegend verändert, zuvorderst die Vergütungsregelungen
für Versicherungsmakler und -berater . Der ursprüngliche
Vorschlag wäre weit über die Richtlinie hinausgegangen
und hätte unnötig in den Tätigkeitsbereich der Makler
eingegriffen. Diese hätten sich nur noch vom Versicherungsunternehmen vergüten lassen dürfen, Berater nur
noch vom Kunden . Das Provisionsgebot stand dem Provisionsverbot gegenüber . Das wäre unverhältnismäßig
gewesen und hätte für den Verbraucherschutz rein gar
nichts gebracht .
Vizepräsident Johannes Singhammer
Zahlen und Daten über Missstände liegen nicht vor . Es
gibt aktuell etwa 48 000 Makler gegenüber circa 300 Beratern . Es gibt keine große Nachfrage nach Beratern .
Der einfache Bürger wäre der Leidtragende gewesen . Es
bleibt deshalb so, wie es war: Der Versicherungsmakler
darf sich gegen Honorar und Provision vergüten lassen,
so wie es die Richtlinie vorsieht .
Wir setzen auch auf die Weiterbildungspflicht mit Augenmaß . Die Richtlinie legt fest, dass die maßgeblichen
Personen der Leitungsstruktur und des Versicherungsvertriebs sich 15 Stunden pro Jahr fortbilden müssen . Das ist
gut und sinnvoll . Darüber hinaus jedoch sollen und werden die Regelungen nicht gehen . Wir haben festgelegt,
dass sich nur die relevanten Personen fortbilden müssen
und dass das möglichst ohne Verwaltungsaufwand umgesetzt wird . Das ist im Sinn unseres Mittelstands und
der Verbraucher . Für die Details wird eine Verordnung
erstellt, der der Bundestag zustimmen muss .
Wir schaffen mehr Transparenz und Informationspflichten bei der sogenannten Restschuldversicherung.
Dieser Bereich ist teilweise undurchsichtig, und es bestehen durchaus Fehlanreize beim Verkauf . Restschuldversicherungen sind nicht per se schlecht, aber der Kunde
muss wissen, welches Produkt er kauft, welche Kosten
entstehen und welche Widerrufsrechte er hat . Dafür sorgen wir durch erweiterte Informationspflichten für Unternehmen durch ein Produktinformationsblatt, welches
bei Vertragsabschluss herausgegeben werden muss . Nach
einer Woche muss noch einmal daran erinnert werden,
dass der Kunde die Möglichkeit hat, zu kündigen .
Vieles mehr haben wir verbessern können . Wir haben
aktiv gestaltet . Sehr herzlich bedanke ich mich dafür bei
meinen Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion, vor allem bei meiner Kollegin Astrid Grotelüschen
und beim Kollegen Klaus-Peter Flosbach und auch allen
anderen für die kluge und ergebnisorientierte Zusammenarbeit hierbei und in der gesamten Wahlperiode; die
möchte ich einschließen .
({0})
Lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas Grundsätzliches zu dieser Wahlperiode anmerken: Mich und
meine Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion hat bei der
wirtschaftspolitischen Arbeit ein ordnungspolitischer
Grundgedanke geleitet: so viel wie nötig und so wenig
wie möglich zu regulieren . Da wir im Bund in dieser Legislatur auf einen Koalitionspartner angewiesen waren,
wurde hier leider zu wenig in diese Richtung entschieden . Es ist nicht unsere Aufgabe, alles zu regeln und alles
vorzuschreiben . Nicht alles, was geregelt werden kann,
muss auch gesetzlich geregelt werden .
({1})
Es geht um das Wesentliche .
Mir ist ein Satz sehr wichtig: Das Wesentliche unseres
Handelns für unsere Menschen muss sein, dass das Wesentliche auch wesentlich bleibt .
({2})
Bürgerinnen und Bürger brauchen solide Grundlagen
und Informationen . Die Zauberworte heißen „Selbstverantwortung“ und „mündiger Verbraucher“ . Thomas von
Aquin hat gesagt:
Für Wunder muß man beten, für Veränderungen
muß man arbeiten .
Wir haben viel erreicht . Ihnen und euch allen danke .
Alles Gute, und bedenken Sie: Politische Tageserfolge
können im Bewusstsein verblassen, was aber bleibt und
weiterwirkt, ist die Kraft und die Geschlossenheit einer
Haltung, hinter der eine Idee steht . Alles Gute!
Danke schön .
({3})
Liebe Kollegin Lanzinger, das war Ihre letzte Rede .
Ich möchte Ihnen für Ihre Tätigkeit als Abgeordnete hier
im Hohen Hause herzlich danken, für die wichtigen Impulse und die Anstöße, die Sie gegeben haben . Ich möchte nur den Hospizbereich erwähnen . Dafür einen herzlichen Dank .
({0})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Susanne
Karawanskij für die Fraktion Die Linke .
({1})
Sehr geehrter Herr Präsident, ich korrigiere Sie nur
ungern, aber auf das „a“ in Susanna bestehe ich wirklich . - Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Die Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD
ist auf viel Resonanz gestoßen . Diese Resonanz aus der
Branche hat sich vor allen Dingen in Stellungnahmen
niedergeschlagen . Ich selber habe über 200 Zuschriften
bekommen . Das zeigt, wie wichtig diese Richtlinie ist,
und vor allen Dingen, wie viel Aufmerksamkeit ihr gebührt .
Deshalb komme ich nicht darum herum, festzustellen,
dass die schwarz-rote Bundesregierung zum Abschluss
dieser Wahlperiode etwas wiederholt hat, was sie schon
am Anfang dieser Wahlperiode gemacht hat: Sie ist wieder einmal vor der Versicherungslobby eingeknickt . In
letzter Sekunde gab es durchaus weitreichende Änderungen an dem Gesetzentwurf zur Umsetzung der Versicherungsrichtlinie IDD, die eines zeigen: Der Koalitionsvertrag ist nun de facto bzw . endgültig Makulatur .
({0})
In Ihrem Koalitionsvertrag steht, dass die Honorarberatung bzw . die unabhängige Beratung gestärkt werden
soll . Diesem Anspruch sind Sie mit diesem Gesetzentwurf nicht nachgekommen .
Meine Damen und Herren, es gibt eine Diskrepanz,
die nicht ohne Weiteres aufzulösen ist, nämlich einen
Interessenskonflikt zwischen dem Interesse des Kunden,
der vor allen Dingen eine bedarfsgerechte Versicherung
haben möchte, und dem Vergütungsinteresse des Vermittlers, der für den Abschluss einer bestimmten Versicherung eine Provision bekommt . Will man diesen Interessenskonflikt tatsächlich entschärfen, muss man die
unabhängige Beratung deutlich stärken .
({1})
Gleiche Augenhöhe zwischen Honorarberatern und
Provisionsvermittlern wäre ein erster Schritt zu einer
tatsächlich verbraucherfreundlicheren Beratung gewesen . Diesen Schritt machen Sie aber nicht . Er wurde
von der Großen Koalition im Gesetzgebungsverfahren
immer wieder bewusst unterlaufen . Ein Beispiel dafür ist die von Ihnen aufgeführte Scheinargumentation,
dass Honorarversicherungsberater - wir haben es gerade
wieder gehört - nicht gestärkt werden können, weil es
nur wenige von ihnen gibt . Also setzen Sie nicht auf die
unabhängige Beratung, sondern bleiben stattdessen dem
Provisionssystem treu . Über kurz oder lang brauchen wir
allerdings - mit entsprechenden Übergangsfristen - eine
Trennung von Provision und Honorarvergütung .
Ein anderes Beispiel ist, dass Sie das geplante Honorarannahmeverbot für Versicherungsmakler aufgehoben
haben . Damit ermöglichen Sie weiterhin Mischmodelle,
die für die Verbraucherinnen und Verbraucher weniger
Transparenz und vor allen Dingen Unklarheit bedeuten .
Da die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht erkennen können, nach welchem Vergütungsmodell sie gerade
beraten werden, können sie das Vorgehen des Versicherungsmaklers schlicht und ergreifend nicht nachvollziehen . Das ist unerhört . Das wird deutlich, wenn man
sich vor Augen führt, dass die Folgen von Falsch- und
Fehlberatung im Finanz- und Versicherungsbereich in
Deutschland bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern Schätzungen zufolge Schäden in Höhe von 30 bis
98 Milliarden Euro verursachen .
In der Kürze der Zeit möchte ich noch auf weitere Kritikpunkte eingehen . Zunächst komme ich zum Stichwort
„Provisionsdurchleitungsgebot“ . Da bleibt das Prämienkonto für die Versicherten eine Blackbox . Es ist willkürlich und überhaupt nicht nachvollziehbar, dass Verbraucher nur 80 Prozent der kalkulierten Zuwendungen
an Dritte erhalten sollen . Dieser 20-prozentige pauschale
Abzug wäre nur eine Zwischenstufe auf dem Weg zu einem Nettopreissystem .
Weiter nenne ich das Versäumnis, dass das Provisionsabgabeverbot nicht abgeschafft wurde. Auch das wäre
ein wichtiger Schritt zur Herstellung von Augenhöhe für
die Honorarberatung gewesen .
({2})
Im Hinblick auf das Problem der Restschuldversicherung fordern wir Linke, dass diese zeitlich getrennt von
der Kreditvergabe - also von dem Abschluss von Kreditverträgen - mit einer umfangreichen Verbraucherinformation bzw . -beratung einhergehen muss,
({3})
damit Kopplungsgeschäfte ausgeschlossen werden können .
Gleichzeitig fordern wir, dass sämtliche Vermittler
von Restschuldversicherungen, die das im Nebengeschäft tun, einer Zulassungsverpflichtung unterliegen
oder zumindest produktbezogene Kenntnisse vorweisen
müssen .
An dieser Stelle muss ich zum Schluss noch sagen: Es
wurde leider auch versäumt, im Rahmen dieses Schrittes - die CDU/CSU-Fraktion und auch die SPD-Fraktion
haben das verpasst - die verbraucherpolitischen Leerstellen im Versicherungsbetrieb zu schließen . Deshalb werden wir das ablehnen .
Vielen Dank .
({4})
Das Wort hat jetzt der schon angekündigte Kollege
Marcus Held für die SPD .
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die äußeren Umstände lassen es heute Abend nicht
zu, dass jeder pünktlich zum Reichstag kommen kann .
Aber jetzt bin ich da, um für die SPD-Fraktion zu der
wichtigen Versicherungsrichtlinie, zur sogenannten IDD,
zu sprechen . Das ist heute Abend ein wichtiges Thema .
Wir wollen das noch in dieser Wahlperiode verabschieden, bevor es dann morgen noch zum Höhepunkt kommen wird .
Wir haben uns, was die IDD betrifft, sehr intensiv beraten . Seitdem uns der Entwurf der Europäischen Union
am 20 . Januar 2016 zugegangen ist, haben wir uns über
ein Jahr Zeit gelassen . Wir haben erhebliche, intensive
Prüfungen vorgenommen und Gespräche mit allen Beteiligten geführt - eben nicht nur, wie gerade behauptet
worden ist, mit der Branche, sondern auch und vor allem mit den Verbraucherschützern und den Verbraucherschutzverbänden . Darauf werde ich aber noch im Einzelnen kommen .
Uns ist - deshalb freue ich mich, dass das Gesetz jetzt
so zur Umsetzung kommt - die Weiterbildungspflicht
wichtig . Denn wir wollen mehr Qualität bei den Versicherern - und damit beim Verbraucher - haben . Für
Gewerbetreibende und die unmittelbar bei der Vermittlung und Beratung mitwirkenden Beschäftigten haben
wir eingeführt, dass es pro Jahr mindestens 15 Stunden
Weiterbildung geben muss. Diese Pflicht ist hier auch
entsprechend aufgenommen worden . Das Nähere wird
eine Verordnung regeln, die wir mit einem entsprechenden Parlamentsvorbehalt versehen haben, sodass sich das
Hohe Haus in der kommenden Wahlperiode mit den Details der Weiterbildung zu befassen hat .
Wir haben auch dadurch für mehr Verbraucherschutz
gesorgt, dass wir mit diesem Gesetz die Beratungspflicht
verschärft haben . Künftig ist die Beratung auch für den
Fall notwendig, dass der Vertrag im Rahmen eines sogenannten Fernabsatzes geschlossen wird . Also auch im
Onlinegeschäft gibt es künftig keine Privilegierungen
gegenüber den normalen Versicherungsvermittlern und
Versicherungsmaklern . Das war uns sehr wichtig .
Wir haben entgegen dem, was ursprünglich in der Diskussion behandelt wurde, eine neue Situation . Im Ergebnis haben wir jetzt nämlich gesagt: Die Versicherungsvermittler sollen weiterhin gegenüber Privatkunden sowohl
auf Honorarbasis als auch auf der Basis von Provisionen
arbeiten können . Hier hat der ursprüngliche Entwurf der
Bundesregierung noch eine strikte Trennung vorgesehen .
Wir sind aber der Meinung: Honorarversicherungsberater sollen künftig im Umkehrschluss nicht nur beraten,
sondern auch Versicherungen vermitteln dürfen . Sie sollen für ihre Leistungen ausschließlich von den Kunden,
nicht aber von den Versicherungen bezahlt werden . Wir
schaffen mit diesem Gesetzentwurf also alle Flexibilität
in alle Richtungen und nehmen hier keine scharfe Trennung vor, wie das ursprünglich vorgesehen war .
Das Thema der letzten Tage und Wochen war die Restschuldversicherung . Man hätte fast den Eindruck gewinnen können, dass es bei der IDD nur um die Restschuldversicherung gegangen ist . Es war ganz im Gegenteil,
aber dieses Thema hat uns in der öffentlichen Diskussion
noch einmal sehr beherrscht .
Deshalb haben wir gesagt: In diesen Gesetzentwurf
werden besondere Regelungen zur Restschuldversicherung aufgenommen . Anlass dafür war vor allem, dass
bei Verbrauchern in vielen Fällen der falsche Eindruck
erweckt worden war, ein Darlehen nur dann zu erhalten,
wenn auch eine Restschuldversicherung abgeschlossen
wird .
Gleichzeitig sind sich viele Verbraucher nicht bewusst,
welche Risiken eine Restschuldversicherung tatsächlich
abdeckt und welche Kosten damit verbunden sind . Die
Verbraucher sollen daher losgelöst von der konkreten
Verkaufssituation im Abstand von einer Woche nochmals
besonders darauf aufmerksam gemacht werden, dass der
Vertrag zur Restschuldversicherung widerrufen werden
kann, ohne dass damit verbunden auch der Darlehensvertrag gefährdet würde .
Dabei muss auch das vollständige Produktinformationsblatt mit übermittelt werden, damit die Betroffenen
künftig nochmals die Gelegenheit bekommen, den Abschluss der Restschuldversicherung zu überprüfen und
zu überdenken . Insofern sind wir auf die Forderung nach
der zeitlichen Trennung, die eben auch von der Kollegin
genannt worden ist, sehr wohl eingegangen .
Es freut mich ebenfalls, dass wir den § 155 ins VVG
aufnehmen konnten, nämlich die Verpflichtung, dass
künftig Versicherungsnehmer bei Versicherungen mit
Überschussbeteiligung jährlich in Textform über die
Entwicklung der Ansprüche unterrichtet werden müssen . Dies ist bisher nicht ganzheitlich geregelt, und das
ist auch eine Verbesserung, die vom Verbraucherschutz
gefordert worden ist .
Ich möchte mich zum Schluss ganz herzlich für die
gute Zusammenarbeit und die konstruktiven Diskussionen bedanken, die wir insbesondere auch in der Koalition
zu diesem Thema führen durften .
Ich möchte mich an dieser Stelle auch noch einmal
ganz herzlich bei Frau Lanzinger bedanken, die eben
schon verabschiedet worden ist . Frau Lanzinger, die roten Nelken werden wir Ihnen noch nachschicken . Es hat
immer viel Spaß gemacht mit Ihnen, und ich hoffe, dass
Sie noch an die Weißwurst denken, die wir gemeinsam
verzehren wollen .
({0})
Ganz herzlichen Dank für die Zusammenarbeit an dieser Stelle genauso an den Kollegen Flosbach, der heute
Abend ja auch seine letzte Rede hier im Hohen Hause
halten wird .
Ein Dankeschön aber auch an alle, die bei der öffentlichen Anhörung mit dabei waren; denn diese öffentliche
Anhörung hat uns tatsächlich zu einem Umdenken in
vielen Bereichen veranlasst . Deshalb ist es, glaube ich,
ganz wichtig, darauf hinzuweisen, dass das Struck’sche
Gesetz hier in besonderem Maße Geltung hat und dass
solche öffentlichen Anhörungen kein Schaulaufen sind
und von den Fraktionen nicht für Demonstrationen und
die Vermittlung ihrer Auffassungen genutzt werden, wie
immer wieder behauptet wird . Nein, hier war es im Gegenteil so, dass wir uns tatsächlich von den fachlichen
Aussagen und von den Aussagen der Branche sowie vor
allem auch der Verbraucherschutzverbände haben leiten
lassen . Darauf sind wir im Ergebnis ganz besonders eingegangen .
Ich denke, die Kriterien Verbraucherschutz und Qualitätsverbesserung stehen im Mittelpunkt dieses Gesetzentwurfes . Deshalb freue ich mich, dass wir zum Abschluss der Wahlperiode die wichtige IDD in dieser Form
umsetzen können .
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit .
({1})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Nicole Maisch für
Bündnis 90/Die Grünen .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der
vorherigen Debatte über Folter und Unrecht kann man
eigentlich nur ohne Ironie sagen: Was für ein Glück, dass
wir hier jetzt frei über Provisionsdurchleitungen diskutieren können . Ist es nicht ein glückliches Land, das über
so etwas diskutieren kann und bestimmte andere Probleme eben nicht hat?
({0})
Meine Damen und Herren, ich finde aber, das sollte
kein Grund für bräsige Selbstzufriedenheit sein . Gerade
beim Thema „Finanzieller Verbraucherschutz“ ist sie am
allerwenigsten angesagt .
Wenn man sich diesen Gesetzentwurf anschaut, dann
sieht man, dass er das Ende einer langen Kette von Gesetzen ist, mit denen Sie Politik für die Anbieterseite für die Sparkassen, die Banken und die Versicherungen und gegen die Interessen der Kunden gemacht haben .
({1})
Ich finde, die Union ist wenigstens ehrlich. Frau
Lanzinger hat es vorgetragen: Man will eigentlich gar
nicht so viel regeln . Das sollen die Verbraucher alles selber mit sich ausmachen .
Der Kanzlerkandidat der SPD hat dagegen beim Deutschen Verbrauchertag Versprechungen gemacht und sich
dafür feiern lassen, was man alles für die Kundinnen und
Kunden der Versicherungen und der Banken macht .
({2})
Das, was Sie hier vorgelegt haben, ist dagegen ziemlich
kleines Karo .
({3})
Ich gebe Ihnen ein paar Beispiele . Sie haben es nicht
geschafft, eine klare Trennung zwischen einer Beratung
auf Provisionsbasis und einer Honorarberatung zu machen .
({4})
Sie haben dem Druck der Maklerlobby nachgegeben und
dem doppelten Abkassieren und dem Verschleiern Tür
und Tor geöffnet. In Zukunft kann man nämlich sowohl
Provision als auch Honorar kassieren . Wer zahlt es am
Ende? Die Kunden . Das ist Ihr Versäumnis bei diesem
schlechten Gesetz .
({5})
Wir hätten eine klare Pflicht zum Angebot von Nettotarifen gebraucht. Das haben Sie nicht geschafft. Das
finde ich in diesem Gesetz ziemlich schlecht.
({6})
Sie haben es auch nicht geschafft, das Provisionsabgabeverbot abzuschaffen. Das wäre für den Wettbewerb auf
dem Versicherungsmarkt gut gewesen .
Aber kommen wir zum größten Problem bzw . zu einem, das wir, wie ich finde, dringend hätten regeln müssen, das Thema Restschuldversicherung . Da haben Sie
sich ganz schnell ganz flach in die Furche gelegt. Wir
haben doch in den Anhörungen selbst von Kollegen der
CDU gehört: Das wollen wir dringend regeln . Es kann so
nicht weitergehen, dass in vielen Fällen völlig überteuerte und überflüssige Produkte mit unanständig hohen Provisionen an die Kundinnen und Kunden vertickt werden .
In über der Hälfte der Fälle - das sagt die BaFin;
das kommt nicht von den Grünen oder den Verbraucherschutzverbänden - kassieren die Banken mehr als
50 Prozent der Versicherungsprämie als Provision . Ich
finde, das ist legale Beutelschneiderei. Das geht überhaupt nicht . Damit hätten Sie Schluss machen sollen .
({7})
Aber was machen Sie? Sie erweitern den Widerruf . Das,
finde ich, ist ein schlechter Scherz. Das wird die Abzocke
nicht beenden . Das ist wirklich keine besonders erfolgreiche Vorstellung .
Wir fordern ein zweites Preisschild auf dem Produkt,
sodass der Effektivzinssatz einmal mit und einmal ohne
Restschuldversicherung ausgewiesen wird . Dann hätten
es die Kunden schwarz auf weiß, wie ihnen das Geld
aus der Tasche gezogen wird . Die allermeisten würden
zu ihrer Bank sagen: Danke schön, das möchte ich nicht
haben . - Das wäre echter Verbraucherschutz gewesen .
({8})
Noch ein Punkt . Ein Blick auf dieses Finanzmarktgesetz zeigt: Das Thema Nachhaltigkeit kommt überhaupt
nicht vor . Das zieht sich durch alle SPD-Ministerien: Sie
haben sich um alles Mögliche gekümmert, aber die Ökologie gehört nicht dazu . Dabei wollen Verbraucherinnen
und Verbraucher, wenn sie Finanzprodukte kaufen, informiert werden: Wie nachhaltig, wie ethisch, wie grün, wie
fair ist dieses Produkt? Hier haben Sie versagt . Aber das
ist bei SPD und Öko in dieser Legislatur eigentlich das
gängige Muster gewesen .
({9})
Sie haben Kleinigkeiten verbessert . Wir glauben, dass
dieses Gesetz den Missstand im Versicherungsvertrieb
nicht beheben wird . Deshalb ist dieses Gesetz heute
Abend auf jeden Fall abzulehnen .
({10})
Meine Damen und Herren, nach über zehn Jahren war
dies meine vorerst letzte ungehaltene Rede in diesem Hohen Haus . Es war mir immer eine Freude, mich mit Ihnen
zu streiten, jedenfalls bei den meisten Themen . Es war
mir eine große Ehre, hier in diesem Haus ein bisschen etwas zu dem beizutragen, was das Funktionieren unserer
Demokratie ausmacht .
Jetzt wünsche ich Ihnen - hoffentlich bald - eine angenehme Berliner Nacht . Das Wetter ist schlecht, aber
die Nächte sind sicher schön .
Vielen Dank .
({11})
Frau Kollegin Maisch, das war nach drei Legislaturperioden, die Sie dem Deutschen Bundestag angehört
haben und in denen Sie wichtige Impulse gesetzt haben,
Ihre letzte Rede . Ich möchte Ihnen dafür herzlich danken
und Ihnen für Ihre weiteren Pläne alles Gute wünschen .
Wir kommen jetzt zum letzten Redner dieser Debatte .
Das Wort hat der Kollege Klaus-Peter Flosbach für die
CDU/CSU .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu
später Stunde diskutieren wir in der Tat ein sehr wichtiges Wirtschaftsgesetz . Es geht um die Neuordnung des
gesamten Verkaufes, der Beratung, der Regelung für Versicherungsunternehmen im sogenannten Versicherungsvertrieb .
Uns in der Koalition war es sehr wichtig, dass wir
funktionierende Versicherungsmärkte haben und dass
wir einen vernünftigen Wettbewerb haben . Zwei Dinge, Frau Maisch, waren uns besonders wichtig: Das eine
war, dass die Honorarberatung gestärkt wird . Das andere
war, dass der Versicherungsschutz dramatisch verbessert
wird . Genau das haben wir mit diesem Gesetz gemacht .
Das ist uns hervorragend gelungen .
({0})
Frau Maisch, es gibt Situationen, in denen Menschen
schlecht beraten werden . Das Schlimmste für die Menschen ist aber, wenn sie gar nicht beraten werden . Wenn
wir Ihrem Ansatz gefolgt worden wären, wären wir in
der Situation, dass Menschen nicht mehr beraten werden .
Aber wenn jemand den Versicherungsschutz nicht mehr
einkauft, sondern sich letztendlich auf den Staat verlässt,
dann ist die Folge, dass Kosten auf den Staat zukommen .
Wir wollen nicht, dass die Menschen ihre Risiken beim
Staat abladen und wir als Staat für die Risiken eines jeden Einzelnen zuständig sind .
({1})
Deswegen möchte ich auf die Gefahr, die sich aus dem
Entschließungsantrag der Grünen ergibt, sehr intensiv
eingehen .
Der Gesetzentwurf will eine Stärkung der Honorarberatung erreichen . Im ersten Entwurf ging man wie Sie
noch davon aus, dass in Zukunft nur noch Versicherungsberater gegen Honorar beraten dürfen . Es gibt in der Tat
derzeit 318 Versicherungsberater in Deutschland . Deren
Zahl ist in den letzten Jahren um etwa 10 bis 15 Personen
pro Jahr gestiegen . Diese Versicherungsberater sollen
in Zukunft alleine Versicherungsberatung durchführen
können . Aber von diesen 318 bieten sich - das ist das
Besondere - nach Aussage des Verbandes nur 89 überhaupt privaten Personen als Berater an . Diejenigen, die
seit Jahren, um nicht zu sagen: seit Jahrhunderten, auf
dem Beratungsmarkt tätig sind, sind die Versicherungsmakler . Denen wollten Sie aber in Zukunft die Beratung
untersagen und sie stattdessen als Abhängige von Versicherungsunternehmen darstellen . Das wollten wir nicht .
({2})
Wir wollen Versicherungsmakler nicht zu Abhängigen machen . Versicherungsmakler sind nicht, wie in
Ihrem Antrag, Frau Maisch, irgendwelche Maklerinnen
und Makler . Wir haben in Deutschland 48 000 Versicherungsmakler . Sie arbeiten zum großen Teil in Versicherungsmaklerunternehmen mit 1 000 Beschäftigten, übrigens alle als Angestellte, die nicht auf Provisionsbasis
arbeiten . Und der Verband Deutscher Versicherungsmakler vertritt 600 Maklerunternehmen, die im Durchschnitt
20 Angestellte haben . Hier geht es nicht um Einzelne, die
auf Provisionsbasis Versicherungen verkaufen wollen .
Makler übernehmen vielmehr das gesamte Beratungsgeschäft beim Kunden . Das heißt, sie analysieren, sie entwickeln Deckungskonzepte, sie vermitteln, sie betreuen,
sie beraten, aber sie regeln auch die gesamte Schadenabwicklung . Damit ist Ihr Ansatz völlig daneben; denn
Sie sagen: Denjenigen, die wirklich in der Beratung tätig
sind, wollen wir die Möglichkeit dazu nehmen .
Unser Ansatz war ein anderer; wir haben deswegen
gesagt: Wir wollen in Zukunft die Honorarberatung stärken . Das geht ausschließlich über die Versicherungsmakler, und das haben wir jetzt mit dem Gesetzentwurf in der
Ausschussfassung geregelt .
({3})
Ich will dennoch ein zweites Thema ansprechen, mit
dem ich überhaupt nicht zufrieden war, nämlich die
Restschuldversicherung . Sie haben dieses Thema angesprochen . Ich habe auch das Gutachten der BaFin sehr
aufmerksam gelesen . Die Kollegin der Linken hat eben
vorgeschlagen, das Problem dadurch zu lösen, dass zunächst ein Darlehensvertrag abgeschlossen wird und eine
Woche später dann der Versicherungsvertrag . Wenn aber
der Versicherungsvertrag nicht gut ist, dann hat es auch
keinen Sinn, ihn eine Woche später abzuschließen . Wir
müssen die Regeln stattdessen so setzen, wie wir sie über
die Jahre am Finanzmarkt insgesamt gesetzt haben . Das
heißt, wir wollen Aufklärung für den Verbraucher, wir
wollen eine Beratungspflicht, und wir wollen vor allen
Dingen Transparenz . Das haben wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erreicht . Denn in Zukunft wird die
versicherte Person, die einen solchen Vertrag abschließt,
so gestellt, als wenn sie der Versicherungsinhaber wäre .
Das Problem bei diesen Verträgen ist: Die versicherte
Person muss beispielsweise beim Autokauf einem Vertrag beitreten, der zwischen Bank und Versicherungsgesellschaft abgeschlossen ist . Dadurch hat sie nicht die
Rechte eines normalen Verbrauchers . Wir regeln das
heute so, dass der Kunde so gestellt wird, als wäre er der
Versicherungsnehmer selbst . Das heißt, es gibt eine Beratungspflicht, eine Informationspflicht und eine Dokumentation . Es müssen alle Ausschlüsse und Leistungen
dargestellt werden, und vor allem müssen der Widerruf
und die Kündigungsmöglichkeiten dargestellt werden .
Das hatten wir bisher noch nicht, und damit erfüllen wir
unseren Anspruch, mit diesem Gesetz in der Tat die Verbraucherrechte in Deutschland zu stärken .
({4})
Der Kollege Held hat darauf hingewiesen, dass nach
einer Woche noch ein zusätzliches Schreiben der Versicherung kommen muss, um das alles abzusichern .
Ich sehe, der Präsident gibt mir schon Zeichen . Er
weiß, dass es meine letzte Rede ist . Ich möchte damit
zum Schluss kommen und mich ganz herzlich bei allen
bedanken . Ich durfte diesem Hohen Haus 15 Jahre angehören . Mein Hauptthema war die Finanzmarktregulierung . Wir haben uns in dieser Frage in diesem Haus
sehr intensiv gestritten; aber wir sind ja auch noch einige
Monate hier . Am 11 . September ist es genau zehn Jahre her, dass die IKB‑Krise bei uns anfing, wodurch im
Grunde die Finanzkrise begann - man kann sozusagen
ein negatives Jubiläum feiern -, und wir hatten mit den
Gesetzen zur Finanzmarkregulierung sehr viel zu tun . Es
waren insgesamt über 40 große Gesetze, die wir zur Regulierung verabschiedet haben .
Ich habe die Arbeit gerade im Finanzausschuss immer
als sehr kollegial empfunden . Wir haben uns gestritten;
das gehört zur Demokratie . Aber es war eine gute Zeit
hier im Deutschen Bundestag . Es hat mir sehr viel Spaß
gemacht . Ich wünsche allen, die kandidieren, dass persönliche Wünsche erfüllt werden . Meinen Kollegen aus
der CDU/CSU-Fraktion wünsche ich natürlich entsprechend mehr . Das muss jeder verstehen .
Ich danke allen für die Zusammenarbeit und wünsche
allen persönlich alles Gute für die Zukunft .
Danke schön .
({5})
Herr Kollege Flosbach, das war Ihre letzte Rede im
Deutschen Bundestag . Sie haben dem Hohen Hause vier
Legislaturperioden angehört und sich dabei mit ganz besonderer Leidenschaft der Finanzpolitik gewidmet . Dafür möchte ich Ihnen herzlich danken .
Damit schließe ich die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt .
Wir kommen zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie ({0}) 2016/97 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 20 . Januar 2016 über
Versicherungsvertrieb und zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes . Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/13009, den Gesetzentwurf der Bundesregierung
auf Drucksache 18/11627 in der Ausschussfassung anzunehmen . Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um
das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung
mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktion Die Linke und von Bündnis 90/
Die Grünen angenommen .
Wir kommen jetzt zur
dritten Beratung
und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen sehe ich keine . Der
Gesetzentwurf ist damit mit den Stimmen von SPD und
CDU/CSU gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke
und von Bündnis 90/Die Grünen angenommen .
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf der Drucksache 18/13021 . Wer für diesen Entschließungsantrag stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen . Wer stimmt dagegen? - Der Entschließungsantrag ist damit mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktion Die Linke und von Bündnis 90/
Die Grünen abgelehnt .
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 25 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen
({1})
Drucksachen 18/12330, 18/12730, 18/12879
Nr. 1.9
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
({2})
Drucksachen 18/12946, 18/12952
Hierzu liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor .
Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . - Ich
sehe, dass alle damit einverstanden sind .1)
Deshalb kommen wir sofort zur Abstimmung . Der
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sachen 18/12946 und 18/12952, den Gesetzentwurf
der Bundesregierung auf Drucksachen 18/12330 und
18/12730 in der Ausschussfassung anzunehmen . Ich
bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um ein Handzei-
chen . - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen gibt es kei-
ne . Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit
den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stim-
men von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die
Linke angenommen .
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlussabstimmung . Ich bitte jetzt diejenigen, die
dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe-
ben . - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen gibt es kei-
ne . Der Gesetzentwurf ist damit mit den Stimmen von
1) Anlage 9
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die
Linke und von Bündnis 90/Die Grünen angenommen .
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Entschließungsanträge, zunächst über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12974 .
Wer für diesen Entschließungsantrag stimmt, den bitte
ich um ein Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer
enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist damit mit
den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt .
Wir kommen jetzt zum Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12975 .
Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer
stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist damit mit den Stimmen von CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke abgelehnt .
Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 26 sowie den Zusatzpunkt 8 auf:
26 . Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement und
zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften
Drucksachen 18/11506, 18/11937, 18/12181
Nr. 1.11
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz ({3})
Drucksache 18/12998
ZP 8 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie
({4}) zu dem Antrag der Abgeordneten
Dieter Janecek, Kerstin Andreae, Dr . Thomas
Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Share Economy - Ökologische Chancen nut-
zen und Teilen statt Besitzen unterstützen
Drucksachen 18/11411, 18/12870
Zu dem Gesetzentwurf liegen ein Änderungsantrag
der Fraktion Die Linke und ein Entschließungsantrag von
Bündnis 90/Die Grünen vor .
Die Reden sollen auch hier zu Protokoll gegeben
werden . - Widerspruch erhebt sich nicht . Dann verfahren
wir so .1)
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den von
der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur
Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürger-
schaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei
Genossenschaften . Der Ausschuss für Recht und Ver-
braucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 18/12998, den Gesetzentwurf der Bun-
1) Anlage 10
desregierung auf Drucksachen 18/11506 und 18/11937 in
der Ausschussfassung anzunehmen .
Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die
Linke auf Drucksache 18/13018 vor, über den wir zuerst
abstimmen . Wer stimmt für diesen Änderungsantrag der
Fraktion Die Linke? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt mit
den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen .
Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der
Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen mit den Stimmen der CDU/CSU und der SPD bei
Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion
Die Linke .
Jetzt kommen wir zur
dritten Beratung
und Schlussabstimmung . Ich bitte jetzt diejenigen, die
dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der
Gesetzentwurf ist damit in dritter Beratung und Schlussabstimmung angenommen mit den Stimmen von CDU/
CSU und SPD bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und
von Bündnis 90/Die Grünen .
Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf der Drucksache 18/13019 . Wer für diesen Entschließungsantrag stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen . Gegenprobe! - Enthaltungen? - Keine . Der Entschließungsantrag ist damit abgelehnt mit den Stimmen von
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/
Die Grünen und der Fraktion Die Linke .
Wir kommen jetzt zum Zusatzpunkt 8 . Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu
dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem
Titel „Share Economy - Ökologische Chancen nutzen
und Teilen statt Besitzen unterstützen“ . Der Ausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12870, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen auf Drucksache 18/11411 abzulehnen . Wer für
diese Beschlussempfehlung des Ausschusses stimmt, den
bitte ich um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen gibt es keine . Die Beschlussempfehlung
ist damit angenommen mit den Stimmen von CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke .
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 27 auf:
- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Einführung eines familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehaltes für
freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern
Drucksache 18/11278
Vizepräsident Johannes Singhammer
- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Corinna Rüffer, Katja Keul, Katja
Dörner, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur
Einführung eines gerichtlichen Genehmigungserfordernisses bei freiheitsbeschränkenden Maßnahmen gegenüber Kindern
Drucksache 18/9804
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz ({5})
Drucksache 18/12938
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
diese Aussprache 25 Minuten vorgesehen . - Dagegen erhebt sich keinerlei Widerspruch . Dann sind wir uns darin
einig .
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin Sonja Steffen für die SPD‑Fraktion das Wort.
({6})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir reden heute und leider zu sehr später
Stunde über ein Thema, das schwierig ist und das auch
einen abschreckenden Titel trägt . Es geht nämlich um
freiheitsentziehende Maßnahmen bei Minderjährigen .
Schon dieser Titel erzeugt automatisch Bilder im Kopf,
die man nicht haben will . Man denkt an Kinder, die zum
Einschlafen im Bett fixiert werden, man denkt an sogenannte Time-out-Räume, und man denkt an Kinder, die
an Stühlen festgebunden sind . In einigen Kinderheimen
in Deutschland haben sich in den letzten Jahren tatsächlich derartige Bilder auf traurige Weise bewahrheitet .
2013 hat der BGH zu diesem Thema ein bedeutendes
Urteil erlassen . Es ging damals um ein geistig behindertes Kind, das in einer Einrichtung lebte, sehr unruhig
war und extreme Weglauftendenzen zeigte . Zu seinem
eigenen Schutz und zum Schutz anderer Kinder war es
nötig, mit Einwilligung der Eltern dieses Kind nachts
zu fixieren, mit Gurten oder einem Schlafsack ans Bett
festzubinden . Der Verfahrensbeistand des Kindes wollte
damals erreichen, dass ein Familiengericht der Verlängerung der Maßnahme zustimmen sollte; denn die Eltern
waren mit dieser Entscheidung überfordert . Ich denke,
jeder von uns kann diese Eltern gut verstehen; denn es ist
verdammt schwierig, darüber zu entscheiden, ob das eigene Kind zu seinem eigenen Schutz festgebunden werden soll oder nicht . Der BGH hat damals entschieden,
dass eine Genehmigung des Gerichts zu dieser Maßnahme nicht erforderlich ist und auch nicht eingeholt werden kann; denn hierfür fehlt schlichtweg die gesetzliche
Grundlage .
Eltern können und müssen gegenwärtig also allein darüber entscheiden, ob für ihr Kind eine freiheitsentziehende Maßnahme fortgesetzt oder überhaupt durchgeführt werden soll, auch wenn es in einer Einrichtung lebt .
Was bedeutet das aber in der Praxis? Ich möchte dies
anhand eines Beispiels kurz verdeutlichen .
Der 17-jährige Sven ist Autist, und Kleinigkeiten können ihn aus der Bahn werfen . Auch seine Mutter weiß,
dass er manchmal aggressiv ist, dass er sich auf den
Boden wirft, dass er schreit und um sich schlägt . Vielen
Autisten hilft es, wenn man den Alltag für sie strukturiert . Die Mutter von Sven ist aber inzwischen mit dieser Strukturierung so überfordert, dass sie sich schweren
Herzens entschließt, ihn in einer Einrichtung unterzubringen . Doch dann kam der Schock; denn in allen Einrichtungen, die sie sich anschaute, sollte sie die Erlaubnis unterschreiben, dass ihr Sohn eingesperrt bzw. fixiert
werden darf, nach dem Motto „Ohne Unterschrift kein
Heimplatz“ . Für die Mutter war das verstörend; aber am
Ende stimmte sie zu . Mit ihrer einmaligen Unterschrift
besiegelte sie freiheitsbeschränkende Maßnahmen für
ihren Sohn .
Im Moment sieht die Situation also so aus, dass bei
Minderjährigen lediglich die Zustimmung der Eltern benötigt wird, wenn es um freiheitsentziehende Maßnahmen geht, während Erwachsene nur nach richterlicher
Genehmigung freiheitsentziehenden Maßnahmen unterzogen werden dürfen . Wir meinen, dass gerade bei Kindern das Gleiche gelten muss wie bei Erwachsenen .
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir die
Rechte der Kinder und Jugendlichen unter Kindeswohlgesichtspunkten stärken . Die freiheitsentziehende Maßnahme muss die Ultima Ratio sein, das letzte Mittel, wenn
ohne diese Maßnahme eine akute Selbstgefährdung oder
Fremdgefährdung höchstwahrscheinlich eintreten würde .
Hier ist eine sorgfältige Abwägung erforderlich .
Zukünftig überlassen wir diese Entscheidung nicht
mehr den Eltern allein und auch nicht der Einrichtung .
Die Entscheidung treffen zukünftig die Familiengerichte . Die Gerichte haben als Entscheidungsgrundlage
ein ärztliches Zeugnis - das wird also zunächst einmal
benötigt -, und sie erhalten Hilfe durch die zwingende
Bestellung eines Verfahrensbeistandes . Ein Verfahrensbeistand ist, wie die Rechtspolitiker wissen, der Anwalt
des Kindes . Er oder sie hat also die Aufgabe, sich anhand
von Gesprächen, anhand von Vor-Ort-Terminen, anhand
von Gesprächen in der Einrichtung zu informieren und
herauszufinden, was das Beste für den jungen Menschen
ist . Auch der Bericht des Verfahrensbeistandes wird dann
Grundlage der familiengerichtlichen Entscheidung sein .
Damit schützen wir das Kind, und wir entlasten die Eltern von ihrer alleinigen Verantwortung .
Wir hatten zu diesem Thema im April ein erweitertes Berichterstattergespräch mit externen Expertinnen
und Experten im Deutschen Bundestag . Ich möchte zur
Verdeutlichung gern aus der Stellungnahme von Frau
Dr . Götz zitieren . Sie sagte:
Auch wenn es wünschenswert wäre, dass Kinder in
Einrichtungen keinerlei freiheitsentziehenden Maßnahmen ausgesetzt werden, so sind diese nach derzeitigem Sachstand jedenfalls nicht völlig verzichtbar . Auch wenn keine detaillierten Zahlen über die
tatsächliche Anwendung derartiger Maßnahmen aktuell vorliegen, genügt bereits eine kleine Zahl von
Vizepräsident Johannes Singhammer
betroffenen Kindern für das Bedürfnis nach einem
gerichtlichen Genehmigungsvorbehalt in diesem
besonders grundrechtssensiblen Bereich .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur der Deutsche Bundestag beschäftigt sich mit diesem Thema,
sondern auch der Deutsche Ethikrat tut dies . Er hat das
Thema unter dem Begriff „wohltätiger Zwang“ auf seiner
Tagesordnung und wird dazu im Laufe des Jahres 2018
eine Stellungnahme vorlegen . Aber so lange können und
wollen wir nicht warten . Aus fachlicher Sicht ist ein gerichtliches Genehmigungserfordernis in jedem Fall ein
dringend notwendiger erster Schritt, um die betroffenen
Kinder und Jugendlichen besser zu schützen .
Warum ist es nur ein erster Schritt? Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir bzw . die Mitglieder des nächsten
Bundestages müssen unbedingt darüber reden, ob freiheitsentziehende Maßnahmen insbesondere im Jugendhilfebereich überhaupt notwendig sind . Werden hier
tatsächlich alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft?
Müsste man nicht Konflikte und Probleme von Kindern
und Jugendlichen pädagogisch lösen können? Die Ergebnisse des Ethikrates werden uns hier hoffentlich weiteren
Aufschluss geben können .
Ein grundsätzliches Problem ist aus Sicht der
SPD-Fraktion, dass bislang keinerlei Daten über die
Praxis und die Anwendung dieser freiheitsentziehenden
Maßnahmen vorliegen, übrigens auch, weil es bislang
eben keine richterliche Genehmigung gab . Wir wollen
deshalb das Gesetz mit einer Evaluierung verknüpfen;
das heißt, nach Ablauf von fünf Jahren werden wir anhand der Genehmigungsverfahren, die dann bestehen,
schauen, wie sich die Neuregelung in der Praxis auswirkt
und wie sie sich bewährt hat .
Abschließend möchte ich sagen: Ich hoffe, dass dies
nicht meine letzte Rede in diesem Parlament sein wird,
wohl aber meine letzte Rede zu dieser nächtlichen Zeit .
Ich hoffe insbesondere, dass gerade auch rechtspolitische
Debatten zukünftig eine prominentere Sitzungszeit erhalten werden .
Vielen Dank .
({0})
Nächster Redner ist der Kollege Jörn Wunderlich für
die Fraktion Die Linke .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Doch, wir hätten vielleicht warten sollen bis zur Stellungnahme des Ethikrates; denn ich halte dieses Gesetz
nicht für entscheidungsreif . In der ersten Lesung gingen
die Reden dazu noch zu Protokoll, und im Schatten der
SGB-VIII-Reform sollte es hier ohne Beteiligung der Jugendhilfe beschlossen werden .
Mit diesem Gesetzesvorhaben soll das unbestreitbar
bestehende Problem behoben werden, dass, wie geschildert, im Kindschaftsrecht - anders als im Betreuungsrecht für Volljährige - nicht vorgesehen ist, freiheitsentziehende Maßnahmen bei Minderjährigen richterlich zu
genehmigen .
Das klingt zunächst vernünftig; es ist von der Kollegin
Steffen ja sehr schön dargestellt worden. Die Regelungen bedeuten aber auch, dass freiheitsentziehende Maßnahmen grundsätzlich dann zulässig sein sollen, wenn
sie zum Wohl des Kindes, insbesondere zur Abwendung
einer erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung, erforderlich sind. Der weit gefasste Begriff des Kindeswohls
könnte dabei allerdings das Tor für eine Vielzahl von
Fallkonstellationen für freiheitsentziehende Maßnahmen
öffnen.
Unabhängig von der Frage, ob solche Methoden der
Behandlung unabdingbar sind, ist eine neben das Elternrecht tretende weitere Kontrollinstanz zunächst
offensichtlich zu begrüßen, zumal die Wirkung von Fixierungen, also das Anschnallen auf Liegen, oder auch
von Sedierung - Medikamente spielen in dem Umfeld
auch eine Rolle - bei Kindern gravierender und traumatisierender sein kann als eine Unterbringung an sich . Es
überrascht schon, dass im Vorfeld keine Beteiligung der
Jugendhilfe vorgesehen ist .
Nachdem der Gesetzentwurf in einem Berichterstattergespräch des Rechtsausschusses einvernehmlich besprochen, beraten und erörtert worden war und etliche
Beteiligte Bedenken hatten, hatte ich die stille Hoffnung,
es käme doch noch zu einer Anhörung, zumal alle Sachverständigen die Gewaltfreiheit gerade in der Jugendhilfe als ein hohes Gut bezeichneten . Nachdem es in dieser
Woche wieder auf der Tagesordnung erschien, hatte mein
Antrag auf Durchführung einer Anhörung mit eventueller Sondersitzung keine Aussicht auf Erfolg; er wurde
abgelehnt .
Ich sage nach wie vor: Die entsprechenden Fachbereiche und die Jugendhilfe sind finanziell und personell so
auszustatten, dass es möglichst nicht zu genehmigungspflichtigen Maßnahmen kommt.
({0})
Insbesondere die vorgelagerten Systeme der Jugendhilfe,
welche unterstützen und helfen können, sind hierbei besonders zu beachten .
Ich möchte nochmals Wolfgang Hammer und
Friedhelm Peters zitieren, welche sich zum Gesetz wie
folgt geäußert haben: „Was hier als Kinderschutz gedacht
ist, wird zum Einfallstor für Freiheitsentzug als pädagogischem Mittel, wo immer Eltern und Einrichtungen sich
überfordert sehen“ bzw . „Und Fixierungen mit Gurten
auf einer Liege sind ein No-Go in der Jugendhilfe“ .
({1})
Es bleibt dabei: Bei allen guten Absichten müssen der
Schutz und die Rechte des Kindes, muss das Recht auf
gewaltfreie Erziehung im Vordergrund stehen .
({2})
Es ist Aufgabe der Jugendhilfe, dies zu gewährleisten .
Zwangsmaßnahmen sind kein Mittel der Jugendhilfe,
sondern Vertrauen und Zuwendung .
Dass freiheitsentziehende Maßnahmen in der Jugendhilfe menschenrechtsverletzende Praktiken sind,
hat uns nicht nur die schwarze Pädagogik der 50er- und
60er-Jahre gezeigt, sondern auch die jüngsten Heimskandale haben es bewiesen . Das schmerzhafte, langandauernde Festhalten von jungen Menschen durch mehrere
Personen und das Fixieren auf Liegen - solche Maßnahmen führen zu Traumatisierungen und können kaum von
außen kontrolliert werden . Daran wird auch ein Richtervorbehalt nichts ändern . Es besteht nach meiner Überzeugung die Gefahr, dass das Gegenteil eintritt .
Bisher geschah dies in einem Graubereich . Das wird
nun geregelt . Wenn sich ein jugendlicher Bewohner dann
über eine solche Behandlung beschwert, wird es keine
Heimskandale mehr geben; denn es gibt ja die gerichtliche Genehmigung . Da kann die Heimaufsicht nichts monieren . Ich sage: Solche Praktiken gehören strafrechtlich
bewehrt und dürfen keinesfalls aus pädagogischen Gründen zur Anwendung kommen .
({3})
Ich möchte abschließend aus der Stellungnahme „Kein
Fesseln auf Antrag in der Kinder- und Jugendhilfe“, die
uns allen vorliegt, zitieren:
Daher sollte der gesetzgeberische Impuls die
schrecklichen Erfahrungen der vergangenen Jahre
nicht legalisieren, sondern dahin gehend aufgreifen, diese Maßnahmen in der Jugendhilfe vollständig zu unterbinden . Auch dieses Ziel wird in der
Begründung des Regierungsentwurfs zwar angesprochen …, durch diesen selbst jedoch nicht sichergestellt . Das eigentliche Thema aus Sicht der
Jugendhilfe ist also nicht das Fehlen eines Genehmigungsvorbehaltes, sondern das Fehlen des Verbots freiheitsentziehender Maßnahmen in der Jugendhilfe …
Da dies möglicherweise - hoffentlich nicht, aber möglicherweise - auch meine letzte Rede von diesem Pult aus
ist, möchte ich als letzten Appell an dieses Hohe Haus
sagen: Staatlich genehmigtes Fesseln in der Jugendhilfe
darf es nicht geben . Lehnen Sie dieses Gesetz bitte ab!
({4})
Herr Kollege Wunderlich, falls es Ihre letzte Rede
war, möchte ich Ihnen danken . Sie haben dem Hohen
Hause drei Legislaturperioden angehört und einen klaren
Schwerpunkt in der Familien- und Jugendpolitik gesetzt .
Herzlichen Dank dafür!
({0})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Elisabeth
Winkelmeier-Becker für die Fraktion der Union .
({1})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen, die zu dieser späten Stunde hier noch über
wichtige Dinge debattieren; das kann man sicherlich
nicht infrage stellen . Wir haben in den Reden bereits gehört, um was es geht: um freiheitsentziehende Maßnahmen durch mechanische Vorrichtungen, aber auch durch
Medikamente. Das sind gravierende Eingriffe für die betroffenen Kinder und Jugendlichen. Da gibt es überhaupt
kein Vertun .
Nur ist aus meiner Sicht nicht klar, weshalb man es
nicht begrüßt, wenn eine zusätzliche Hürde aufgebaut
wird, bevor zu solchen Maßnahmen gegriffen werden
kann; das ist mir nicht ganz einleuchtend gewesen . Ich
finde, genau diese Erwägung, dass solche Maßnahmen
nur Ultima Ratio sein dürfen, spricht doch gerade dafür,
hier eine neutrale Instanz, nämlich das Gericht, mit ins
Spiel zu bringen und solche Maßnahmen von der zusätzlichen Genehmigung des Richters abhängig zu machen .
({0})
Das ist bisher nicht der Fall .
Im Unterschied zu den Erwachsenen haben wir bei
den Kindern und Jugendlichen dieses Erfordernis nicht .
Mir geht es da genauso wie Kollegin Steffen: Ich finde
das etwas widersprüchlich . Gerade bei Kindern kann eine
solche Maßnahme viel traumatischer wirken und von einem Kind als besonders gravierend empfunden werden .
Deshalb müsste man im Wege des Erst-Recht-Schlusses
dazu kommen, dass gerade das, was bei Erwachsenen an
der Tagesordnung ist, auch bei Kindern gelten muss .
Dass die bisherige Rechtslage das nicht vorsah, hat
uns der BGH bestätigt . Er hat aber auch gesagt, dass der
Gesetzgeber natürlich befugt ist, das anders zu regeln .
Ich glaube, es ist eine gute Entscheidung, das heute zu
tun .
Was soll sich jetzt ändern? Wir haben gesagt bekommen - was Herr Wunderlich ansprach, bestätigt das -,
dass die Verhältnisse in den Kliniken noch nicht so sind,
wie wir uns das alle wünschen . Es gibt vielmehr Berichte, dass dort teilweise aufgrund einer pauschal gegebenen
Einwilligung bisher an der einen oder anderen Stelle geradezu leichtfertig mit diesen Befugnissen umgegangen
wird . Das wollen wir ändern .
Allerdings haben wir noch nicht einmal Zahlen . Es
wird der erste gute Effekt dieses Gesetzes sein, überhaupt einmal Licht in die ganze Situation zu bringen und
an belastbare Fakten zu kommen . Ebenfalls verspreche
ich mir, dass es auf die Einrichtungen einen gewissen
Druck ausübt, wirklich zu schauen: Ist es nötig? Wenn
man diesen zusätzlichen Aufwand machen muss und einen Richter kommen lassen muss, dann hat das auf jeden
Fall eher disziplinierende Effekte; das ist gut in diesem
Zusammenhang .
Was bewirkt das für die Eltern? Die Eltern tragen eine
große Verantwortung . Ich glaube, es ist sehr schwer, daJörn Wunderlich
mit umzugehen, wenn man einwilligen muss, sein Kind
in einer schwierigen Situation fixieren zu lassen.
({1})
Hier entlasten wir die Eltern in ihrer Verantwortung . Es
ist kein Generalverdacht, unter den die Eltern gestellt
werden in dem Sinne, dass man ihnen das nicht zutraut,
sondern es soll ihnen hier ein Stück weit geholfen werden .
Mit Blick auf die Jugendlichen denke ich, dass sich
die eine oder andere Maßnahme vermeiden lässt . Es
gibt aber noch einen anderen Effekt: Ich glaube, da, wo
Maßnahmen nötig sind, ist es für die Jugendlichen beruhigend, zu wissen: Ich bin hier nicht nur von der Einrichtung und meinen Eltern abhängig, sondern es kommt
noch jemand, der mit unserem sonstigen Konflikt in der
Familie nichts zu tun hat, der ganz objektiv und unabhängig ist, der hierherkommt und für mich ansprechbar
ist . Deshalb glaube ich, dass es für die Jugendlichen eine
sehr gute Maßnahme ist, die ihnen ein Stück weit Vertrauen in den Rechtsstaat gibt und darin, nicht in einer
Einrichtung festzuhängen .
Es ist eine sehr gute gesetzliche Regelung, die wir hier
auf den Weg bringen . Die Sachverständigen haben sie
in dem erweiterten Berichterstattergespräch durchweg
begrüßt . Wir schauen uns das nach einiger Zeit in der
Evaluation noch einmal an . Ich denke, das ist in dieser
Weise ein gutes Paket . Ich bitte um Zustimmung .
Danke schön .
({2})
Als nächste Rednerin hat die Kollegin Katja Keul für
Bündnis 90/Die Grünen das Wort .
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Mit dem heutigen Gesetz soll eine Schlechterstellung von Minderjährigen beim Schutz vor freiheitsbeschränkenden Maßnahmen gegenüber Volljährigen
beendet werden, und das ist gut so .
({0})
Bei Senioren in Pflegeheimen bedarf es für jede
Zwangsmaßnahme eines richterlichen Beschlusses, und
das muss künftig auch bei Minderjährigen so sein . Durch
diesen Richtervorbehalt werden auch die Sorgeberechtigten nicht in ihren Rechten beschränkt, sondern vielmehr gestärkt; denn die Zustimmung der Sorgeberechtigten ist nach wie vor unabdingbare Voraussetzung für
jede genehmigungspflichtige Maßnahme. Bislang aber
machen einige Einrichtungen die Aufnahme der Kinder
von einem vorab erteilten generellen Einverständnis zu
freiheitsentziehenden Maßnahmen abhängig . Das geht
von Fixierungen mittels Bauch- oder Fußgurt über die
Gabe von sedierenden Medikamenten und Zimmereinschlüssen bis zum stundenlangen Aufenthalt in sogenannten Time-out-Räumen . Die Eltern stehen dabei unter Druck, weil die Kinder andernfalls vielleicht keinen
Heimplatz bekommen und stimmen so Maßnahmen zu,
die sie selbst eigentlich nicht befürworten .
({1})
Diese Rechtslage führt zu unerträglichen Zuständen,
wie sie in dem viel beachteten Bericht des Bayerischen
Rundfunks im letzten Jahr mit dem Titel „Blackbox
Heim“ aufgedeckt wurden . Die Erkenntnisse aus diesen
Recherchen haben seinerzeit auch uns Grüne dazu veranlasst, hierzu einen Gesetzentwurf vorzulegen . Da auch
der Regierungsentwurf jetzt trotz einiger unterschiedlicher Formulierungen den von uns befürworteten Richtervorbehalt einführt, werden wir diesem zustimmen und
unseren Entwurf für erledigt erklären .
({2})
Eines muss dabei jedoch in aller Deutlichkeit klargestellt werden: Unser aller Ziel muss es sein, Zwangsbehandlungen bei Kindern insgesamt zu reduzieren und
nach Möglichkeit ganz zu vermeiden .
({3})
Dies setzt voraus, dass die Unterstützungs- und Hilfesysteme der Kinder- und Jugendhilfe mit ausreichenden
finanziellen und personellen Mitteln ausgestattet werden.
Schon heute gibt es Einrichtungen, die gänzlich auf freiheitsentziehende Maßnahmen verzichten . Diese alternativen Konzepte sind zeit- und personalaufwendig . Es
kann aber nicht sein, dass die Einrichtungen aus Personal- oder Kostengründen diese Konzepte nicht anwenden
und auf freiheitsentziehende Maßnahmen zurückgreifen .
({4})
Hier sind wir alle gefordert, bestmöglich Unterstützung
zu leisten . Darauf machten auch die Vertreter der Jugendhilfe in ihrem Schreiben