Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/28/2017

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie zu unserer Plenarsitzung . Bevor wir in die Regierungsbefragung eintreten, möchte ich Sie auf die interfraktionelle Vereinbarung aufmerksam machen, den Tagesordnungspunkt 18 - da geht es um den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung - nach dem Tagesordnungspunkt 2 mit einer Debattenzeit von 60 Minuten aufzurufen . Darf ich dazu Ihr Einvernehmen feststellen? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann können wir nachher so verfahren . Ich rufe jetzt unseren Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Bericht der Bundesregierung zur internationalen Kooperation in Bildung, Wissenschaft und Forschung 2014 - 2016. Dafür erhält wie üblich das Wort für einen einleitenden fünfminütigen Bericht die zuständige Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Dr . Wanka . Falls es, unabhängig vom Bericht, schon feste Wortmeldungsabsichten gibt, bitte ich, mir diese anzuzeigen; dann kann ich schon einmal mit dem Sortieren der Fragen beginnen . - Bitte schön, Frau Wanka .

Johanna Wanka (Minister:in)

Politiker ID: 11005317

Vielen Dank . - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Wir hatten heute im Kabinett den Bericht der Bundesregierung zur internationalen Kooperation in den Themenfeldern Bildung, Wissenschaft und Forschung . Das ist der erste Bericht dieser Art . Wir werden ihn auf Wunsch des Bundestages alle zwei Jahre erstellen. Ich finde das sehr gut . In diesem Bericht ziehen wir Bilanz über die Jahre 2014 bis 2016 . Es gibt bereits - vom Deutschen Akademischen Austauschdienst - einen jährlichen Bericht über die Auslandsmobilität . Der vorliegende Bericht zur internationalen Kooperation beinhaltet weitere Punkte . Ich glaube, dass dieser Bericht sehr informativ ist für alle, die wissen wollen, was in der Bundesregierung - nicht nur in unserem Ressort, sondern auch im BMZ und im Auswärtigen Amt - für die internationale Kooperation in Wissenschaft und Forschung getan wird . Ich nenne im Folgenden die vier Punkte, die für uns ganz entscheidend sind: Das ist erstens das Thema Mobilität, das wir hier schon vertieft behandelt haben . Das sind zweitens - ein Punkt, der in den letzten Jahren sehr an Intensität gewonnen hat - die internationalen Kooperationen zu Forschungsfragen, die global eine Rolle spielen, zum Beispiel in Bezug auf die Klimaanpassung . Dabei geht es nicht nur um Konsortien, sondern auch um Resultate . Hinsichtlich Landnutzung und Klimaanpassung finden Sie in dem Bericht Informationen über unsere zwei großen Zentren WASCAL und SASSCAL in Afrika . In diesen Zentren geht es nicht nur darum, zu erforschen, wie man Land nutzen und Wasser sparen kann, sondern es geht auch um die Schulung der Bauern und anderer Betroffener. Der dritte Punkt ist der gemeinsame Betrieb von Großforschungsanlagen . Das wird zunehmend wichtiger, weil auch starke Forschungsnationen wie Deutschland nicht mehr ohne Weiteres in der Lage sind, solche großen Anlagen alleine zu betreiben . Der Betrieb und der Bau solcher Anlagen sind sehr ambitionierte Vorhaben, die durch die internationale Beteiligung nicht immer einfach zu koordinieren sind . Das war ein Grund für uns, diesen Punkt auf der G-7-Wissenschaftsministertagung, die vor zwei Jahren hier in Berlin stattfand, zu thematisieren und zu versuchen, ihn gemeinsam anzugehen . Der vierte wichtige Punkt ist das Thema berufliche Bildung. Hier finden Sie Angaben und Aussagen zum Berufsbildungsexport und darüber, wie wir im Bereich der beruflichen Bildung Länder entsprechend beraten und unterstützen und welche Pilotvorhaben wir durchführen . Wir setzen uns in diesem Bericht, der alle zwei Jahre vorgelegt wird, auch einen Schwerpunkt . Der Schwerpunkt in diesem Jahr ist der Europäische Forschungsraum, bei dem für mich drei Punkte außerordentlich wichtig sind - dazu finden Sie hier auch Informationen -: Erstens . Wenn es um die Forschung, um Forschungsrahmenprogramme und um Exzellenz geht, setzen wir in Europa ganz oben an, weil wir uns nur mit Exzellenz und exzellenten Ergebnissen im internationalen Wettbewerb behaupten können . Deswegen machen wir keine Abstriche bei diesem Prinzip . Zweitens . Wir haben in Europa sehr forschungsstarke Nationen, die große Beträge aus Horizon 2020, also aus dem EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, erhalten . Die EU-13-Länder haben dagegen bisher nur einen sehr kleinen Teil aus diesem Forschungsrahmenprogramm bekommen . Es geht nicht darum, hier etwas mit der Gießkanne zu verteilen oder Strukturförderung zu betreiben, sondern um Antworten auf die Fragen: Wie kann man diese Länder unterstützen? Welche neuen Instrumente können wir nutzen, um Exzellenz, exzellente Forschung und auch Spitzenforschung in diesen Ländern zu ermöglichen? Drittens . Wir in Europa sind in der Lage, uns in Bezug auf Grundlagenforschung, unsere Ideen, weltmarktrelevante Patente und andere Bereiche mit wirklich jedem zu messen . Es geht aber auch um die Überführung von Ideen in Produkte und um die Übersetzung in Produktionszyklen - nicht nur in einem Land, sondern in ganz Europa -, sodass es einen Mehrwert gibt . Deswegen bin ich ein sehr starker Verfechter der neuen Idee, die auch von deutscher Seite transportiert wurde, nämlich nicht nur einen Europäischen Forschungsrat, sondern auch einen Europäischen Innovationsrat zu installieren . Wir alle wissen, dass sich die internationalen Bedingungen verändern, ob nun durch den Brexit, die neue Situation in den USA oder an anderer Stelle . Ich habe mir gerade angeschaut, welche Summen in den USA nach den Planungen 2018 gekürzt werden sollen . Das sind zum Beispiel über 7 Milliarden Euro bei den National Institutes of Health und weitere Milliarden an anderen Stellen . Seit 2005 ist der Wissenschaftsstandort Deutschland wesentlich sichtbarer geworden . Das hat sich auch dadurch bemerkbar gemacht, dass wir bei der Anzahl der ausländischen Studierenden und beim Wissenschaftleraustausch jetzt zu den stärksten Nationen gehören . Ich glaube, diese Tendenzen werden sich noch verstärken . Wir sagen: Wir sind für Toleranz . Wir brauchen Köpfe, die frei denken können . - Das ist immer das Pfund der Wissenschaft . Dass wir keine Abwerbestrategie betreiben, halte ich auch im internationalen Kontext für richtig . Wir machen aber deutlich, dass wir Wissenschaftler und Forscher einladen möchten, zu uns zu kommen - wenn auch eventuell nur temporär -, wenn sie das möchten . Auch unter diesem Aspekt ist es, glaube ich, gut, dass wir einen solchen Bericht haben . So können wir gegenüber dem Bundestag und der gesamten Öffentlichkeit demonstrieren, was wir in der Bundesregierung in diesem Bereich tun . Danke .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Vielen Dank . - Ich habe mir 13 Wortmeldungen notiert . Wenn wir sie jeweils mit einer Minute Frage und Antwort bewältigt bekommen, dann sind wir genau in der Zeit, die wir für die Regierungsbefragung eigentlich vorgesehen haben . - Wir fangen mit dem Kollegen Lenkert an .

Ralph Lenkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004091, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Frau Ministerin, weltweit gibt es Flüchtlingsströme und Flüchtlingslager . Die Bundesrepublik Deutschland gibt nicht einmal 2 Prozent ihrer Mittel in der Flüchtlingshilfe für Bildung aus . Wir sind uns ja einig, dass es gerade in Krisenregionen ausgesprochen wichtig ist, in Bildung zu investieren, damit in friedlichen Zeiten der Bildungsstandard so hoch ist, um einen Wiederaufbau zu ermöglichen . Welche Möglichkeiten sehen Sie in Ihrem Ministerium, an dieser Stelle entscheidend voranzukommen, um damit zur Konfliktlösung beizutragen, aber eben auch für Perspektiven und Chancen der Menschen in ihren Heimatländern zu sorgen und im Prinzip eine humanitäre Gesellschaft voranzubringen? In Ihrem Vortrag habe ich nichts davon gehört, wie Sie an dieser Stelle vorankommen wollen, um von Chancengleichheit eben nicht nur zu reden, sondern sie auch zu erreichen .

Johanna Wanka (Minister:in)

Politiker ID: 11005317

In fünf Minuten kann man nicht alles sagen; klar . Zu dem Thema Unterstützung der Menschen in ihren Ländern findet man in dem Bericht viel. Es ist eine irrige Annahme, dass die Förderung von Bildung in einem Land automatisch dazu führt, dass weniger Flüchtlinge zu uns kommen . Die wissenschaftlichen Erkenntnisse besagen, dass dann dafür in der Regel andere Menschen ihr Land verlassen . Nichtsdestotrotz ist uns ganz wichtig, in diesen Ländern Bildung zu stärken . Das geschieht auf vielfältige Art und Weise, unterschiedlich in den einzelnen Ländern, zum Beispiel durch die Etablierung von beruflicher Bildung - das bietet den jungen Leuten, die von hoher Jugendarbeitslosigkeit betroffen sind, an vielen Stellen Chancen -, durch den Aufbau einer Reihe von Institutionen, also Universitäten, die bilateral betrieben werden, oder durch Kooperationen mit Fachhochschulen wie beispielsweise bei der Deutsch-Jordanischen Universität . Durch die Forschungskooperationen wird deutlich gemacht, wie das Leben in diesen Ländern verbessert werden kann . Ich denke dabei - das ist ein Forschungsschwerpunkt in Deutschland - an das Thema „Sauberes Wasser“ . In diesem Bereich sind wir in vielen Staaten der Welt unterwegs . Das sind alles Möglichkeiten, um die Lebensbedingungen vor Ort zu verändern und für Generationen Chancen zu schaffen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Stefan Kaufmann .

Dr. Stefan Kaufmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004065, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, wir diskutieren im Rahmen von Horizon 2020 intensiv über die Frage, wie wir die EU13-Staaten - Sie haben das angesprochen - über Widening Participation teilhaben lassen können . Sie haben in diesem Zusammenhang auch für die Bundesregierung gesprochen . Was ist die Strategie der Bundesregierung, um die Forschungs- und Innovationslücke zu den EU13-Staaten, also den mittel- und osteuropäischen Staaten, zu schließen? ({0})

Johanna Wanka (Minister:in)

Politiker ID: 11005317

Es ist in der Diskussion, im Rahmen der EU dafür zu werben, diese Lücke zu schließen . Es darf nicht das Gesetz des Stärkeren gelten . Wir haben bei uns Instrumente geschaffen, die es uns ermöglichen, dass wir zum Beispiel Forschungsmanager aus diesen Ländern zu uns einladen, damit sie hier - in Anführungszeichen - „geschult“ werden, um dann gemeinsam mit anderen in größerem Rahmen Projektanträge bei der EU einzureichen . Es geht also um eine Schulung derer, die in der Lage sein müssen, Gelder zu akquirieren . Auch überlegen wir völlig unabhängig davon, ob ein Instrument wie Spitzencluster, das in Deutschland exzellent funktioniert hat - dies führt auch zu einer Internationalisierung -, in Form eines Spitzenclusterwettbewerbs auf europäischer Ebene dazu führen würde, dass auch kleine Partner mit Spezialkenntnissen eingebunden und dadurch in ihrer Leistungskraft gestärkt werden .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Gehring .

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Ministerin . Danke auch, dass wir den Bericht um 12 .23 Uhr erhalten haben . - Ich habe die Frage, welche Rolle Forschung und Wissenschaft im Rahmen der G-20-Präsidentschaft und auf dem G-20-Gipfel in Deutschland spielen werden . Was speisen Sie dort ein? Damit im Zusammenhang steht auch: Werden Sie denn den Marshallplan mit Afrika in den Punkten Wissenschaft und Forschung nachbessern und ergänzen? Das BMZ hat diese Bereiche offensichtlich gänzlich vergessen. Das passt nicht zur Strategie der Bundesregierung . Also, einmal eine Frage zu G 20 und einmal zum Marshall plan mit Afrika: Werden Sie dort tätig oder nicht?

Johanna Wanka (Minister:in)

Politiker ID: 11005317

Innerhalb der Bundesregierung versuchen wir immer - ich sage das mit Blick auf die Landnutzungszentren in Afrika oder auf die Gesundheitsnetzwerke in Subsahara-Afrika -, Wissenschaft und Forschung mit konkreter Umsetzung zu verbinden . Diese Dinge werden dann nicht aus unserem Haus finanziert, sondern von der GIZ oder vom BMZ . Da haben wir die Kooperation in den letzten Jahren verstärkt . Aber wir haben noch Luft nach oben, Herr Gehring . ({0}) In dem Marshallplan ist - ich denke, Sie haben die Orientierung gelesen - vor allen Dingen die Aktivierung von viel privatem Kapital vorgesehen . Wir müssen also nicht nur die öffentliche Hand für Entwicklungsprojekte begeistern . Diese Linie unterstütze ich sehr, und ich begrüße es, dass wir dort nicht gegeneinander arbeiten, sondern manches komplementär machen, zum Beispiel wenn wir uns im Zusammenhang mit Tunesien mit der Frage befassen, ob wir dort eine Uni oder eine Fachhochschule aufbauen oder ob wir eher auf berufliche Bildung setzen, und in welcher Größenordnung wir das angehen . In diesen Fragen versuchen wir, noch besser als in den letzten Jahren zusammenzuarbeiten . Was die G 20 angeht, sind die entscheidenden Papiere zum Beispiel im Bereich globale Gesundheit, etwa zum Thema Antibiotika, selbstverständlich durch die Gruppe der Akademien wissenschaftlich erarbeitet worden . Dabei ist die Leopoldina federführend . Wissenschaftlichen Input gibt es aber auch zum Thema „Bekämpfung des Hungers“ als einem der wichtigsten Nachhaltigkeitsziele der UN oder zum Thema „Sauberkeit der Meere“ . All diese Themen sind ohne wissenschaftliche Vorbereitung und Begleitung nicht denkbar .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Diaby .

Dr. Karamba Diaby (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004259, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, im internationalen Zusammenhang geht es vor allem um das Thema Solidarität mit Menschen, die geflüchtet sind. Wir sind eines der beliebtesten Länder, wenn es um internationale Mobilität von erfolgreichen Forscherinnen und Forschern geht . Die Philipp-Schwartz-Initiative ist eine der erfolgreichsten Initiativen, die wir momentan in diesem Bereich haben . Deshalb ist meine Frage: Welche Strategie verfolgt die Bundesregierung, um diese Initiative zu stärken? Denn die Nachfrage ist sehr viel größer, als Plätze verfügbar sind, und die Krisen sind vielfältiger . Deshalb frage ich Sie nach der Strategie und der zukünftigen Ausrichtung dieser Initiative und anderen .

Johanna Wanka (Minister:in)

Politiker ID: 11005317

Die Philipp-Schwartz-Initiative ist eine kluge Möglichkeit, um Wissenschaftler in bedrohten Ländern zu unterstützen, und die Arbeitsteilung in der Bundesregierung sieht folgendermaßen aus: Wir finanzieren vor allem Ausgaben in Zusammenhang mit dem Aufenthalt der Wissenschaftler bei uns, und bei den Instrumenten, die im Ausland eingesetzt werden, ist das Auswärtige Amt federführend . Ich glaube, dass wir - damit beziehe ich auch den Außenminister mit ein - gegebenenfalls sehr wohl in der Lage wären, das auszuweiten bzw . mehr Mittel zur Verfügung zu stellen . Die Alexander-von- HumboldtStiftung ist gut ausgestattet . Sie hat in den letzten Jahren hohe Steigerungsraten verzeichnet, und ich kann sie nur loben: Sie setzt das Geld klug und geschickt ein .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Gohlke .

Nicole Gohlke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004041, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank . - Die 21 . Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, die wir gestern präsentiert bekommen haben, stellt einen Rückgang der Auslandsmobilität bei Studierenden höherer Semester fest . Als Barrieren werden finanzielle Mehrbelastungen, Verlängerung der Studienzeit und Wegfall von Verdienstmöglichkeiten genannt . Wie will die Bundesregierung künftig darauf reagieren, und welche Konsequenzen zieht sie daraus?

Johanna Wanka (Minister:in)

Politiker ID: 11005317

Ein Blick auf die Auslandsmobilität zeigt, dass es durchaus Unterschiede gibt . In der Promotionsphase zum Beispiel zeigt sich eine größere Zurückhaltung, dafür nimmt sie in der Postdoc-Phase zu . Unterschiede gibt es auch bei den Studierenden . Wir können nicht in die Lebensplanung der einzelnen Studierenden eingreifen, die vielleicht erst einmal ihren Master vor Ort machen wollen . Durch das Auslands-BAföG und die großzügige Auslegung des Erasmus-Programms wie auch durch vielfältige internationale Forschungskooperationen ermöglichen wir diesen jungen Leuten, temporär im Ausland zu arbeiten und zu forschen . Wir haben also ein sehr breites Portfolio an Möglichkeiten, wie wir sie unterstützen können . Ich glaube - das möchte ich an dieser Stelle noch einmal sagen -, dass wir, was Auslandsmobilität betrifft, inzwischen einen Spitzenplatz einnehmen . Es gab Jahre, in denen nur wenige Ausland wollten . Jetzt gehen 36 oder 37 Prozent der Studierenden temporär ins Ausland . Das ist im Vergleich zu den USA oder den Niederlanden ein sehr hoher Wert . Wir wollen, dass die Zahl weiter zunimmt, aber nicht, indem wir die jungen Menschen zwingen, sondern indem wir attraktive Angebote machen .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Giousouf .

Cemile Giousouf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004279, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, Deutschland befindet sich im internationalen Wettbewerb um die besten Ideen und die klügsten Köpfe . Wie wollen Sie - Stichwort „Fachkräftemangel“ - diesen Balanceakt zwischen internationaler Kooperation und unseren eigenen Interessen schaffen?

Johanna Wanka (Minister:in)

Politiker ID: 11005317

Internationale Kooperation ist ein wichtiges Mittel, um die eigene Leistungsfähigkeit zu stärken . Wir versuchen, die weltweit Besten zu den jeweiligen Themenbereichen zu uns zu holen oder mit ihnen gemeinsam zu arbeiten . Viel Geld für eine exzellente Spitzenforschung bedeutet auch, dass man internationale Kapazitäten mit einbeziehen kann und dass man durch diese Kooperationen bzw . durch Forschungsverbünde bessere Ergebnisse erzielen kann, was aufgrund globaler Herausforderungen wichtig ist . Dies kann auch ein wichtiges Instrument sein, um etwas gegen den Fachkräftemangel in Deutschland zu tun . Ich habe schon mehrfach gesagt: Da wir jetzt einen Spitzenplatz hinsichtlich der Studierenden, die aus aller Welt zu uns kommen, haben - es sind über 300 000; das gab es noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik -, plädiere ich dafür, dass wir es wie in den USA handhaben . Wenn die Studierenden hier in Deutschland fünf Jahre studiert und beispielsweise einen Ingenieurabschluss gemacht haben, dann soll sich unsere eigene Wirtschaft darum bemühen können, dass diese Leute für einige Zeit - es muss nicht für immer sein - hier in Deutschland arbeiten . Damit würde die Fachkräftesituation ein Stück weit entspannt werden . Das ist ein Beispiel . Wir machen aber noch weitere Schritte, zum Beispiel mit dem Anerkennungsgesetz, um für Deutschland als Arbeitsstandort zu werben .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Mutlu .

Özcan Mutlu (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004360, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Präsident . - Frau Ministerin, ich habe eine Frage zu der konkreten Lage der sogenannten Exilwissenschaftlerinnen und Exilwissenschaftler aus der Türkei, die zurzeit in unserem Land leben . Zur internationalen Kooperation gehört auch, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die aufgrund von Bedrohung der Wissenschaftsfreiheit oder der persönlichen Freiheit in ihrem Heimatland nicht arbeiten können, in Deutschland eine Chance bekommen, in Sicherheit und Freiheit zu leben . In diesem Zusammenhang möchte ich gerne von Ihnen wissen, was die Bundesregierung in den letzten zwölf Monaten konkret getan hat, um drei zentrale Probleme von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der Türkei, die in Deutschland Zuflucht gesucht haben, zu lösen . Erstens: aufenthaltsrechtlicher Status . Was haben Sie gemacht, um den unsicheren Status von diesen betroffenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu beenden? Zweitens: Eine Arbeitsaufnahme in Deutschland ist oft nicht erlaubt . Was haben Sie getan, damit deren Lebensunterhalt gesichert ist? Drittens: Was haben Sie getan, um die Unsicherheit, wie diese Wissenschaftler ihre Forschungsarbeit in unserem Land fortsetzen können, zu beenden?

Johanna Wanka (Minister:in)

Politiker ID: 11005317

Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Aufenthaltsrecht müssen die entsprechenden Institutionen im Einzelfall treffen. Da gibt es keine pauschale Regelung. Das ist Ihnen so klar wie mir . Wir haben für diejenigen, die zum Beispiel ein Studium unterbrechen, weil sie die Türkei verlassen müssen, und in Deutschland weiterstudieren wollen, in den letzten zwölf Monaten und auch schon davor viele Programme aufgelegt, damit sie bei uns an den Hochschulen für das Studium in Deutschland fit gemacht werden können, was Sprache und andere Qualifikationen anbetrifft. Das richtet sich an die Geflüchteten und auch an die Betroffenen aus der Türkei. Unsere großen Forschungsinstitutionen haben Programme, die besonders attraktiv sind. Das betrifft die Max-Planck-Gesellschaft und andere . Sie machen Wissenschaftlern, die schon wissenschaftlich arbeiten, Angebote, ihre Forschungsarbeiten an den Institutionen in Deutschland temporär weiterzuführen . Das sind ein, zwei Beispiele dafür, was gemacht wurde, aber der Katalog ist noch umfangreicher .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Rossmann .

Dr. Ernst Dieter Rossmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003211, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich knüpfe an die Frage von Herrn Kaufmann an, was die europäische Entwicklung angeht . Deutschland ist stolz darauf, 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Entwicklung auszugeben, Griechenland gibt 0,6 Prozent aus . Unser Eindruck ist, dass die Europäische Kommission die Forschung nicht an die erste Stelle ihrer Agenda, was das Zukunftsbild Europa 2025 betrifft, setzt. Meine Frage lautet: Teilt die Bundesregierung diese Einschätzung? Was haben Sie als Erklärung dafür, dass andere Fragen der Europäischen Kommission wichtiger sind? Was unternimmt die Bundesregierung, um Forschung und Entwicklung ganz oben auf die Prioritätenliste der Europa-Agenda 2025 zu setzen?

Johanna Wanka (Minister:in)

Politiker ID: 11005317

Wir haben in Europa das Ziel, dass bis 2020 jede Nation 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung ausgibt . Das ist bei uns natürlich viel Geld, weil wir ein hohes Bruttoinlandsprodukt haben . Wir haben große Unterschiede in Europa; Sie haben das Beispiel Griechenland genannt . Hier greifen zum Beispiel die Strukturfondsmittel, die wir in Europa haben . Wir haben sie in Deutschland in manchen Bundesländern genutzt, um zum Beispiel mit EFRE Forschungsstrukturen aufzubauen . Diese Möglichkeit besteht auch dort . Es liegt aber in der Entscheidung der Länder, ob man die Mittel für ein Gewerbegebiet oder zum Aufbau von Forschungsstrukturen einsetzt . Ich bin der Meinung, dass wir gemeinsam dafür kämpfen müssen, dass im Rahmen der Europäischen Union Forschung und Entwicklung eine höhere Priorität in der Wahrnehmung haben . Ich erinnere mich an das erste Juncker- Programm . Da wurde ein Milliardenbetrag aus dem Programm Horizon 2020 genommen, ausgerechnet aus dem Programm mit der größten Hebelwirkung . Deswegen engagiere ich mich dafür und werbe auf den Wegen, die mir offenstehen, und mithilfe der Kanzlerin dafür, den Blick darauf zu richten, dass für die Zukunft Europas Forschung das Entscheidende ist . Da sind wir ganz nahe beieinander .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Lengsfeld .

Dr. Philipp Lengsfeld (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004338, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, ich schließe da unmittelbar an . Beim Thema „Internationale Kooperation“ geht es ja auch immer um die kontinuierliche Steigerung der Attraktivität des Innovationsstandortes Deutschland . Als Forschungsund Innovationspolitiker diskutieren wir jetzt sehr intensiv die Einführung einer steuerlichen Forschungs- und Entwicklungsförderung . ({0}) Wie würden Sie es einschätzen: Würde das die Attraktivität des Innovationsstandorts Deutschland steigern? Und wenn ja: Wie müssen wir die Förderung ausgestalten, damit die Attraktivitätssteigerung möglichst effektiv ist?

Johanna Wanka (Minister:in)

Politiker ID: 11005317

Steuerliche FuE-Förderung gibt es in verschiedenen Ländern . Sie ist nicht per se gut oder schlecht . Man macht sie entweder schlecht wie in Frankreich, wo nämlich die Projektförderung praktisch auf null reduziert wurde und nur steuerliche FuE-Förderung gemacht wird, oder man kann sie auch gut machen . Wir haben jetzt entschieden: Wir wollen die steuerliche Absetzbarkeit von Forschungs- und Entwicklungsausgaben . Jetzt kommt es darauf an, das so zu gestalten, dass es für Deutschland passt . Meine Zielsetzung ist, dass viele kleinere Unternehmen, die bis jetzt nichts im Bereich FuE tun, weil sie das gar nicht schaffen, dadurch angeregt werden, die Möglichkeiten, die wir über Fraunhofer- Institute, Fachhochschulen etc . haben, zu nutzen . Das heißt dann, nicht nur die Absetzbarkeit von Personalkosten zu ermöglichen, sondern auch dafür zu sorgen - das ist für mich wichtig -, dass Unternehmen wie Start-ups, die noch keine Gewinne machen und die daher von der Absetzbarkeit von bestimmten Kosten nicht profitieren, gefördert werden. Ich glaube: Es ist gut, nicht eine Schranke in Form einer bestimmten Anzahl von Beschäftigten einzuführen, sondern eine finanzielle Schranke, um die ganze Sache handhabbar zu machen . Aber ganz entscheidend ist, dass wir uns die Ausgestaltung von steuerlicher FuE-Förderung in Deutschland genau überlegen . Ansonsten besteht die Gefahr, dass wir es falsch machen . ({0}) - Sie sind ja gar nicht auf die Idee gekommen, Herr Gehring . ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollegin Hein, bitte .

Dr. Rosemarie Hein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004053, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Frau Ministerin, Sie haben vorhin in Ihrem Eingangsstatement die duale Ausbildung als einen Punkt der internationalen Kooperation angemahnt, der Ihnen sehr wichtig sei . Nun wissen wir seit der Kleinen Anfrage der Grünen, dass im Rahmen dieser internationalen Kooperation zur dualen Ausbildung nur relativ wenige Ausbildungsplätze entstanden sind und sich einige Länder auch schon zurückgezogen haben . Das deutet darauf hin, dass die Passfähigkeit im Hinblick auf die Wirtschaftssysteme der Länder, die sich bei uns danach erkundigt haben, wie duale Ausbildung geht, offensichtlich doch nicht so groß ist. Ich frage Sie daher, welche Konsequenzen und welche Einsichten daraus erwachsen sind . Müssen wir vielleicht anders vorgehen? Welche anderen Schwerpunkte setzen Sie, um in der beruflichen Bildung Kooperationen zu befördern?

Johanna Wanka (Minister:in)

Politiker ID: 11005317

Man kann keine Pauschalregel machen . Man kann vor allen Dingen das System, das wir in Deutschland haben, nicht eins zu eins irgendwohin übertragen . Viele Länder schauen auf Deutschland: auf unsere geringe Jugendarbeitslosigkeit und auf unsere hohe Wirtschaftskraft . Sie möchten duale Ausbildung, haben aber zum Teil ganz andere Vorstellungen . Beispiel Indien . Der indische Premierminister Modi wollte flächendeckend in Indien - da geht es gleich um Hunderte Millionen von Menschen - die schulische Seite der dualen Ausbildung einführen . Das ist natürlich keine duale Ausbildung . Deutschland kann vor Ort die Ausbildungsplätze nicht schaffen; das ist nicht unsere Aufgabe. Aber wir haben zum Beispiel in Indien - ich erläutere das nur an diesem einzigen Beispiel - einen großen Versuch gemacht für die Branche der Mechatroniker oder Installateure in Pune . Dort haben wir mit vielen kleinen Unternehmen wirklich einmal duale Ausbildung durchexerziert und gezeigt, wie es in Indien vor Ort funktionieren kann. Jetzt gibt es den schönen Effekt, dass die Weltbank der indischen Regierung über 170 Millionen Euro gibt, damit dieses Element, das im Pilotversuch funktioniert hat, jetzt in der Fläche in Indien ausprobiert wird .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Lücking-Michel .

Dr. Claudia Lücking-Michel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004345, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank . - Frau Ministerin, ich will ein Thema ansprechen, das im Bericht breiten Raum einnimmt: Erasmus+ . Wir haben vor kurzem ein Jubiläum gefeiert und uns über das erfolgreiche Projekt gefreut . Meine Frage lautet: Was ist aus Ihrer Sicht das Spezifische an diesem Programm? Und vor allen Dingen: Was kann man aus den guten Erfahrungen lernen, um es vielleicht in die Zukunft fortzuschreiben als Programm mit dem jetzigen Zuschnitt oder mit Blick auf neue Herkunfts- und Zielländer? Kann man es auch auf Austauschprogramme mit Afrika anwenden?

Johanna Wanka (Minister:in)

Politiker ID: 11005317

Da muss man über die Finanzierung nachdenken und genau wissen, was man will. Für Afrika müssen spezifische Instrumente gefunden werden . Mit Erasmus haben wir in der Europäischen Union ein Erfolgsprojekt . Über 10 Millionen Menschen haben im Rahmen dieses Programms unterschiedliche europäische Länder kennengelernt . Der Punkt, der mir besonders am Herzen liegt und wo ich unbedingt Verbesserungsbedarf sehe, ist, die vorhandenen Mittel für die berufliche Bildung einzusetzen; dafür ist beispielsweise eine verstärkte Werbung erforderlich . Jemand, der beispielsweise Koch oder Bäcker lernt, sollte die Möglichkeit haben, einen Monat oder sogar ein halbes Jahr in Italien zu verbringen . Das macht die berufliche Ausbildung attraktiver. Die Gelder sind vorhanden, werden aber nicht in ausreichendem Maße genutzt . Das ist ein ganz konkretes Projekt . Ansonsten müssen wir dafür kämpfen, dass Erasmus weiterhin attraktiv bleibt . Wir wissen allerdings noch nicht, wie sich die britische Regierung entscheidet . Im Moment kann man im Rahmen von Erasmus in Großbritannien ohne Studiengebühren studieren . Wir wissen aber nicht, ob das so bleibt . Das sind wichtige Punkte . Die entscheidende Frage lautet: Wie können wir die Attraktivität sichern, auch wenn sich die internationalen Gegebenheiten verändern?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Walter-Rosenheimer .

Beate Walter-Rosenheimer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004221, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin, die Umsetzung der europäischen Jugendgarantie war in den vergangenen Jahren immer wieder von Problemen geprägt . So wurden zum Beispiel die Mittel für die Beschäftigungsinitiative in geringerem Umfang abgerufen . Sieht die Bundesregierung da Fehler? Würden Sie das anders aufstellen? Können Sie mir dazu etwas sagen, bitte?

Johanna Wanka (Minister:in)

Politiker ID: 11005317

Dieses Thema beschäftigt die Arbeitsministerin sehr . Ich kann mich an die Diskussionen hier im Parlament erinnern, als die Jugendgarantie beschlossen wurde . Damals kamen aus gewissen Richtungen Redebeiträge mit dem Tenor, das sei viel zu wenig Geld und reiche überhaupt nicht. Aber dann ist der Effekt eingetreten, dass das Geld nicht genutzt und nicht abgerufen wird . Deshalb besteht eine Aktivität des Arbeitsministeriums darin, vor Ort zu unterstützen und zu werben sowie Möglichkeiten zu schaffen, dass die Gelder dort eingesetzt werden. Dabei spielt aber auch die Frage eine Rolle, ob es nicht besser ist, dass manches eher in Deutschland passiert als vor Ort, um die Jugendgarantie langfristig umzusetzen .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Thomas Feist .

Dr. Thomas Feist (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004032, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Ministerin, dass Sie in Ihrer Erklärung auf die berufliche Bildung explizit abgehoben haben. Internationalisierung und berufliche Bildung gehörten vor einigen Jahren noch nicht so selbstverständlich dazu . Nun haben wir heute im Ausschuss über Forschung und Innovation und auch darüber diskutiert, inwiefern Menschen mit einem höheren Berufsabschluss im Rahmen der beruflichen Aus- und Weiterbildung einen wichtigen Beitrag zu Innovationen leisten . Sie haben Ihre Idee der europäischen Innovationszentren dargelegt . Welche Rolle müssten dort diejenigen spielen, die in Deutschland beispielsweise als Meister, Techniker und Fachwirte tätig sind? Wie könnten sich Technologie und Forschung in diesem Bereich befruchten?

Johanna Wanka (Minister:in)

Politiker ID: 11005317

Es ist schwierig, diese Frage zu beantworten, weil wir uns noch auf dem Weg befinden. Wie kann ein Europäischer Innovationsrat aussehen? Was kann er leisten? Welche Struktur ist vorstellbar? Dazu hat Kommissar Moedas im April einen ersten Vorschlag gemacht . Darüber wird nun in den Ausschüssen diskutiert . Der von Ihnen angesprochene Aspekt, wie sich das zum Beispiel mit dem Erfahrungswissen der Meister und Meisterinnen verbinden lässt, ist dort noch kein Thema . Ich greife das aber gerne als Anregung auf .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Gehring .

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank . - Frau Ministerin, die EU-Kommission hat am 7 . Juni sehr zum Bedauern von uns Grünen im Bundestag und im Europäischen Parlament vorgeschlagen, dass im nächsten EU-Haushalt 500 Millionen Euro jährlich bis 2020 für Militärforschung veranschlagt werden sollen . Die Staats- und Regierungschefs begrüßten diesen Vorstoß am 22 . und 23 . Juni einhellig . Auch Frau Merkel ist für diese zusätzlichen Unsummen für die Militärforschung . Nun möchten wir von Ihnen gerne wissen, wie Sie sicherstellen wollen, dass wichtige zivile Forschungsprojekte nicht unter mehr EU-Geldern für die Verteidigungsforschung in finanzieller Hinsicht leiden. Wir jedenfalls sind der Meinung, dass Friedensforschung und Forschung zugunsten von Konfliktprävention viel bedeutsamer und wichtiger sind . Wie wollen Sie sicherstellen, dass das nicht zulasten dieser Forschung geht?

Johanna Wanka (Minister:in)

Politiker ID: 11005317

Wenn ich es alleine machen könnte, könnte ich gleich antworten . Ansonsten sage ich: Ich bin sehr dafür, dass mit 500 Millionen Euro eine militärische Forschung in Europa etabliert wird . Das halte ich für zwingend notwendig und richtig . Ich würde außerdem die Friedensund Konfliktforschung nicht im Kontrast dazu sehen. ({0}) Wir fördern diese Forschung in meinem Haus sehr intensiv . Ursula von der Leyen und ich haben uns positioniert . Wir erwarten - das ist zwingend notwendig - eine klare Abgrenzung der zivilen Forschung von der militärischen Forschung; sonst kommen wir in riesige Problemlagen . Horizon 2020 muss ein nichtmilitärisches Programm bleiben . Wir müssen gemeinsam dafür kämpfen, dass nicht der bequeme Weg gegangen wird und ein Teil der Forschungsausgaben dort hineinfließt. Die Gefahr ist nicht ganz von der Hand zu weisen . ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Mutlu .

Özcan Mutlu (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004360, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Präsident . - Ich möchte an meine Frage von vorhin anknüpfen und fragen: Frau Ministerin, was hat die Bundesregierung konkret getan im Gespräch mit dem NATO-Partner und engen Freund Deutschlands Türkei, um sich über die Lage der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, der Akademikerinnen und Akademiker auszutauschen, insbesondere hinsichtlich der Gefährdung der Freiheit der Lehre und der Wissenschaft und der Tatsache, dass etliche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die vor circa einem Jahr einen Friedensappell unterzeichnet haben, fast alle jetzt arbeitslos sind? Viele von ihnen sind sogar im Gefängnis . Haben Sie diesbezüglich Gespräche mit Ankara und mit Ihrem Konterpart in der Türkei geführt?

Johanna Wanka (Minister:in)

Politiker ID: 11005317

Natürlich habe ich mich sofort, als in der Türkei die Verfolgung von Wissenschaftlern, die Entlassung von Dekanen und anderes begannen und wir davon gehört haben, öffentlich positioniert und klargestellt, wie wichtig Wissenschaftsfreiheit ist und was die Erwartung aus deutscher Sicht ist . Wir sind mit dem Auswärtigen Amt, das dort die engsten Beziehungen hat, aber auch mit dem deutschen Botschafter in der Türkei in Kontakt . Wir haben darüber hinaus direkte Gespräche zum Beispiel mit dem YÖK-Präsidenten über diese Themen geführt, wobei das nicht - ich glaube, das werden Sie mir bestätigen - sehr einfach war .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Wenn ich jetzt niemanden übersehen habe, gibt es zu diesem Themenkomplex keine weiteren Fragen mehr . Dann schließe ich diesen Teil der Regierungsbefragung . - Vielen Dank, Frau Ministerin . Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Das ist nicht der Fall . Gibt es sonstige Fragen an die Bundesregierung? Das ist der Fall . Volker Beck, bitte .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Meine Damen und Herren, ich komme zurück auf eine Frage, die ich der Bundesregierung schon am 31 . Mai 2017 in der Regierungsbefragung gestellt habe . Es ist eine Frage zu einer Konferenz im Auswärtigen Amt zur Friedensverantwortung der Religionen . Ich habe nach Herrn Torabi vom Islamischen Zentrum in Hamburg gefragt, einem regelmäßigen Teilnehmer an den Al-Quds-Demonstrationen . Staatsminister Michael Roth antwortete damals: Es war eine Einladung zum Dialog, und dieser Einladung zum Dialog haben viele Folge geleistet, aber nicht Herr Torabi . In der taz sagte Herr Torabi am 5 . Juni 2017: Und es ist wahr, dass ich an dieser Friedenskonferenz teilgenommen habe . Auf Nachfrage in der letzten Sitzungswoche antwortete mir das Auswärtige Amt: Bei der eigentlichen Konferenz von 100 Religionsvertretern vom 21 . bis 23 . Mai war Herr Dr . Torabi nicht präsent . Der Bild-Zeitung sagte das Auswärtige Amt am 13 . Juni 2017: Herr Torabi hatte keine Einladung zu dieser Konferenz . Vor diesem Hintergrund, Herr Roth, frage ich Sie: Welcher Einladung, die Herr Torabi erhalten hat, hat Herr Torabi nicht Folge geleistet? Wie bewerten Sie diesen Vorgang?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Frage richtet sich natürlich an die Bundesregierung . Möglicherweise kann Staatsminister Roth sie für dieselbe beantworten . - Bitte schön .

Not found (Gast)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Kollege Beck, ich bin verpflichtet, Fragen aus der Mitte des Deutschen Bundestages nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten . Ich habe auf Ihre sicherlich nicht ganz spontane Frage in der Regierungsbefragung bestmöglich zu antworten versucht . Gestatten Sie mir diesen persönlichen Hinweis: Daher zu insinuieren, dass ich nicht zutreffend geantwortet hätte, weise ich in aller Schärfe von mir . Ich habe über mein Haus eine Präzisierung meiner damaligen Antwort auf Ihre Frage, über die ich ja vorher nicht informiert worden bin, zu leisten versucht, und ich will jetzt noch einmal klarstellen, dass die Konferenz zur Friedensverantwortung der Religionen, zu der mein Haus eingeladen hat, aus zwei Veranstaltungselementen bestand: aus einem öffentlichen Teil, zu dem wir insgesamt 1 000 Gäste eingeladen haben, und aus einem internen Teil, der sich an 100 religiöse Führerinnen und Führer aller Weltreligionen richtete . Eine Einladung an Herrn Torabi für den öffentlichen Teil der Veranstaltung wurde ausgesprochen . Dies sehe ich auch als eine Einladung zum Dialog . Diese Einladung hat er auch wahrgenommen . Aber es ist keine Einladung ausgesprochen worden für den internen Teil . Dies haben wir schon präzisiert . Ich bin dankbar dafür, dies hier im Bundestag noch einmal so beantworten zu können .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage, Herr Beck .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich will Sie nicht interpretieren; deshalb will ich es einfach fragen . Also, hat Herr Torabi eine Einladung erhalten, der er nicht Folge geleistet hat, wie Sie in der Antwort gesagt haben? Ich will gar nicht zum Ausdruck bringen, dass Sie da irgendwie vorsätzlich etwas Falsches gesagt haben; ich möchte bloß wissen: War der Satz als umfassende Information des Parlaments damals richtig oder falsch? Hat Herr Torabi eine Einladung erhalten, der er nicht Folge geleistet hat, oder war die Aussage von Ihnen in der Befragung einfach ein Versehen, was ich vollständig akzeptieren würde? Ich möchte zu diesem Vorgang bloß endlich eine wahrheitsgemäße Antwort bekommen .

Not found (Gast)

Herr Präsident! Herr Kollege Beck, Sie insinuieren, dass wir nicht wahrheitsgemäß geantwortet haben . Selbstverständlich haben wir dies getan . ({0}) Ich habe darauf hingewiesen, dass Herr Torabi zu dem öffentlichen Teil der Veranstaltung eine Einladung erhalten hat. Dieser Einladung zu einer öffentlichen Veranstaltung hat er Folge geleistet; er hat daran teilgenommen . Eine Einladung zum Dialog, die sich auf die interne Veranstaltung bezieht, hat Herr Torabi nicht bekommen . Er konnte einer solchen Einladung überhaupt nicht Folge leisten, weil er gar nicht eingeladen war . ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich finde das jetzt eigentlich hinreichend übersichtlich . Die nächste Frage hat die Kollegin Dröge .

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Wir haben in den letzten Tagen den Medien einige handelspolitische Neuigkeiten entnehmen dürfen . Einmal haben die Süddeutsche Präsident Dr. Norbert Lammert Zeitung und die Tagesschau über Verhandlungsdokumente zu dem geplanten EU-Japan-Abkommen berichtet . Zum anderen hat sich Frau Merkel gestern gemeinsam mit dem amerikanischen Handelsminister, Herrn Ross, für eine Fortsetzung der Verhandlungen zum geplanten TTIP-Abkommen ausgesprochen . Aus diesem Grunde frage ich die Bundesregierung: Die erste Frage: Über das EU-Japan-Abkommen soll es auf dem EU-Japan-Gipfel am 6 . Juli eine politische Einigung geben . Kann die Bundesregierung bestätigen, dass es bislang keine abgeschlossenen Verhandlungsdokumente zu diesem Abkommen gibt? Die zweite Frage: Wäre es aus Sicht der Bundesregierung denkbar, ein solches Abkommen ohne Schiedsgerichte - ISDS oder ICS - abzuschließen? Die dritte Frage: Kann die Bundesregierung darlegen, wie die Gremien zur regulatorischen Kooperation in diesem EU-Japan-Abkommen ausgestaltet sein sollen? Also: Wer ist in diesen Gremien, und wie sind die Parlamente an der Fortentwicklung des Vertragstextes beteiligt? ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bitte schön, Frau Gleicke .

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Liebe Kollegin Dröge, wie heute Vormittag im Ausschuss schon länger vorgetragen, ist es so, dass die Verhandlungen mit Japan noch nicht abgeschlossen sind, sondern weiterlaufen . Am 6 . Juli soll es eine Einigung in groben Zügen geben . Verhandlungen sind jedoch auf jeden Fall bis zum Ende des Jahres angesetzt . Ob es ein Kapitel zu Schiedsgerichten gibt, ist noch nicht geklärt . Wir setzen uns als Bundesregierung dafür ein, dass Investor-Staat-Streitigkeiten durch einen unabhängigen, transparenten Investitionsgerichtshof mit öffentlich ernannten Richtern und einem Berufungsmechanismus - vergleichbar dem, was wir bei CETA haben - entschieden werden . Das hätte den Vorteil, dass wir das dann in mehreren Abkommen verabredet hätten . Ansonsten verweise ich gern auf Ihre 39 Fragen umfassende Kleine Anfrage, die wir am Montag auf 17 Seiten hinlänglich beantwortet haben .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Es gibt noch eine Nachfrage . - Bitte schön .

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank . - Ich möchte noch einmal nach den Gremien fragen, die es nach JEFTA geben soll, weil Sie das jetzt nicht beantwortet haben, weil das in der Antwort auf die Kleine Anfrage nicht beantwortet wurde und weil das auch schon in CETA eine offene Frage war. Wer soll in diesen Gremien sitzen, etwa im Joint Committee, das nach Vorstellung der Bundesregierung den Vertragstext weiterentwickelt, und welche Kompetenzen sollen diese Gremien bei der Fortentwicklung des Abkommens haben? Dazu muss die Bundesregierung ja eine Haltung haben . Und: Wie sollen die Parlamente, sowohl das Europaparlament als auch der Deutsche Bundestag, bei der Fortentwicklung des Abkommens eingebunden werden? Bei CETA entscheidet über diese Fragen jetzt das Bundesverfassungsgericht, weil sie nicht ausreichend geklärt sind . Das könnten Sie bei JEFTA besser machen, wenn Sie eine Haltung dazu hätten .

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Frau Kollegin Dröge, die Bundesregierung hat eine Haltung . Die Europäische Union verhandelt mit Japan dieses Abkommen . Wir nehmen im Rahmen unserer mitgliedstaatlichen Treffen Einfluss auf diese Verhandlungen . Der Bundestag bekommt die Informationen über EuDoX. Dort findet man die Dokumente, die dem Parlament regelmäßig zur Verfügung gestellt werden . Es liegt in der Natur der Sache, dort jetzt noch keine endgültigen Papiere vorzufinden, da die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind . Deswegen können wir Ihre Frage bezüglich der Mechanismen nicht beantworten . Wir halten Sie gerne über das weitere Verfahren auf dem Laufenden . Es ist nicht der Unwille der Bundesregierung, aber es gibt noch keine Ergebnisse .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Lenkert .

Ralph Lenkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004091, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Es geht um dasselbe Thema . Wie aus Dokumenten bekannt wurde, ist das Verhandlungsmandat von 2012 . Die Verhandlungen zwischen Japan und der EU sind weit fortgeschritten, zumindest wenn man den geliebten Dokumenten Glauben schenken darf . Die Fragen, die mich bewegen, lauten: Wann beabsichtigt die Bundesregierung, den Deutschen Bundestag über das Verhandlungsmandat, das der EU übertragen worden ist, zu informieren? Wie wird den Bundestagsabgeordneten ermöglicht, Zwischenstände so wie bei TTIP, den Verhandlungen mit den USA - zu erfahren? Kann die Bundesregierung heute sagen, ob es ein reines EU-Handelsabkommen - das behauptet die EU-Kommission - oder ein gemischtes Abkommen ist? Diese Fragen bewegen mich so wie auch die folgende Frage: Inwieweit hat die Bundesregierung darauf gedrungen, dass auch Sozial-, Umwelt- sowie Gesundheitsschutzstandards in das Abkommen aufgenommen werden und nicht nur die Interessen von Investoren verteidigt werden?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Auf Ihre Fragen antworte ich Ihnen gerne . Das Verhandlungsmandat würden wir gerne veröffentlichen. Unterdessen haben wir auch die EU-Kommission davon überzeugen können, allerdings liegt noch nicht die Zustimmung aller Mitgliedstaaten vor . Sie wissen, dass das ein EU-Verhandlungsmandat ist . Aber wir bemühen uns darum . Zum Zweiten würde ich Ihnen gerne vorschlagen, so wie Frau Dröge, in EuDoX nachzusehen . Das ist die Dokumentationssammlung des Deutschen Bundestages, in der wir den Bundestagsabgeordneten die zur Verfügung stehenden Informationen immer bereitstellen . Die Bundesregierung setzt sich bei allen Verhandlungen zu Freihandelsabkommen für ein starkes Nachhaltigkeitskapitel ein . Wir wollen dort zum Beispiel die Ratifizierung der ILO-Kernarbeitsnormen und auch die Themen Umweltschutz, Klimaschutz und viele andere mehr verankern . Das ist unser Ziel . Ob es sich um ein gemischtes oder ein EU-only-Abkommen handelt, wird dann zu beantworten sein, wenn uns alle Verhandlungsergebnisse zur Verfügung stehen .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Noch eine Zusatzfrage?

Ralph Lenkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004091, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja . - In EuDoX sind keine Verhandlungsprotokolle, keine Dokumente und keine Vertragstexte zu finden. Insofern fällt es einem Bundestagsabgeordneten ausgesprochen schwer, den Stand nachvollziehen zu können . Wir sollen aber darüber beschließen . Die nächste Nachfrage: Haben Sie sich im Rahmen dieser Verhandlungen zumindest dafür eingesetzt, dass der kommerzielle Walfang von Japan eingestellt wird? Oder ist auch das für Sie kein Thema?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Kollege Lenkert, ich habe Ihnen schon gesagt, dass die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind und es daher noch keine entsprechenden Ergebnisse gibt . Die können sich demzufolge auch nicht in EuDoX befinden . Sie fragten explizit nach Zwischenergebnissen . Da werden Sie sicher bei EuDoX fündig werden . ({0}) Zur Frage des Walfangs ist ganz klar: Walfang und die Einfuhr von Walfleisch in die EU sind verboten. Daran wird auch durch dieses Abkommen nichts geändert . Das Thema Nachhaltigkeitskapitel habe ich Ihnen eben schon erläutert .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Mutlu .

Özcan Mutlu (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004360, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident, ich habe auch eine Frage an die Bundesregierung . Es gibt erneut Medienberichterstattungen darüber, dass Mitglieder dieses Hauses, also Bundestagsabgeordnete, vom türkischen Geheimdienst in Deutschland ausgespäht werden . Das ist nach Februar bereits das zweite Mal, dass das veröffentlicht wird. Ich würde gerne von der Bundesregierung wissen, ob seit dem ersten Vorfall oder den entsprechenden Berichterstattungen und Nachweisen diesbezüglich Gespräche mit der türkischen Regierung stattgefunden haben, dass es sich nicht gehört, Abgeordnete hier oder drüben vom Nachrichtendienst des jeweiligen Partnerlandes abzuhören oder zu observieren .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich nehme einmal an, dass das Innenministerium antworten will . Oder das Außenministerium? Verständigen Sie sich bitte .

Not found (Gast)

Herr Präsident! Herr Kollege Mutlu, in aller Klarheit: Ja, das haben wir immer wieder deutlich angesprochen, haben auch auf die Konsequenzen hingewiesen und unserer größten Sorge darüber Ausdruck verliehen . Dem kann ich nichts weiter hinzufügen . ({0})

Özcan Mutlu (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004360, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dann frage ich nach: Welche Konsequenzen ziehen Sie jetzt aus den jüngsten Vorfällen? Was werden Sie jetzt konkret tun, damit unser Partnerland und der EU-Beitrittskandidat Türkei Ihren Wünschen endlich Gehör schenkt?

Not found (Gast)

Eine der Konsequenzen, Herr Präsident, Herr Kollege Mutlu, ist sicherlich, dass dies alles andere als vertrauensbildend ist und dass das auch die notwendigen Gespräche zwischen Deutschland und der Türkei nicht befördert; das Gegenteil ist eher der Fall . Trotzdem bleiben wir weiter in dem Dialog, und wir werden dies abermals in aller Deutlichkeit zur Sprache bringen . Wenn ich von uns rede, meine ich nicht alleine das Auswärtige Amt, sondern da beziehe ich natürlich die verschiedenen Ressorts inklusive des Kanzleramtes mit ein .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Fragen an die Bundesregierung sehe ich nicht . Ich beende damit die Regierungsbefragung . Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde Drucksache 18/12876 Hier werden die Fragen, wie üblich, in der Ihnen bekanntgegebenen Reihenfolge der Ressorts aufgerufen . Wir beginnen heute mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend . Für die Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Caren Marks zur Verfügung . Ich rufe zunächst die Frage 1 der Kollegin Corinna Rüffer auf: Warum ist die für die Conterganstiftung zuständige Datenschutzbeauftragte nur für die Geschäftsstelle der Stiftung zuständig, ausdrücklich aber nicht für andere Organe der Stiftung, wie zum Beispiel Vorstand oder medizinische KommisParl. Staatssekretärin Iris Gleicke sion, obwohl nach § 4f des Bundesdatenschutzgesetzes für alle Organe und Bereiche der Stiftung ein interner Datenschutzbeauftragter bestellt sein müsste ({0}), und wann wird die Bundesregierung diesen Zustand ändern?

Caren Marks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003587

Vielen Dank, Herr Präsident . - Liebe Frau Kollegin Rüffer, gerne beantworte ich Ihre Frage wie folgt: Die für die beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben angesiedelte Geschäftsstelle der Conterganstiftung zuständige Datenschutzbeauftragte ist zugleich Beauftragte für den Datenschutz des BAFzA . Sie hat dem Vorstand der Conterganstiftung mitgeteilt, dass sie nur für Angelegenheiten der Geschäftsstelle, nicht aber für die gesamte Stiftung zuständig ist . Die Bemühungen des Vorstandes um eine Datenschutzbeauftragte oder einen Datenschutzbeauftragten für die gesamte Stiftung, sehr geehrte Frau Kollegin, sind noch nicht abgeschlossen . Für uns, für die Bundesregierung, war es bisher nicht geboten, tätig zu werden, da der Vorstand der Conterganstiftung sich im Einvernehmen mit der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit aktiv um eine Lösung bemüht . Im Auftrag des Vorstandes der Stiftung werden zudem derzeit Datenschutzrichtlinien für den Umgang mit Daten und auch Akten der Conterganstiftung erarbeitet .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage?

Corinna Rüffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004390, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja . - Vielen Dank für die Beantwortung der Frage bis hierhin . Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit hat in ihrem 26 . Tätigkeitsbericht vom Mai 2017 - er ist also wenige Wochen alt festgestellt, dass die Conterganstiftung erstens - ich zitiere - „sehr sensible Gesundheitsdaten“ verarbeitet und dass es zweitens - ich zitiere wiederum - „ungewöhnlich“ ist, dass die Bestellung der Datenschutzbeauftragten „sich nicht auf die ganze Conterganstiftung erstreckte, sondern ausschließlich auf ihre Geschäftsstelle“, nicht eben auf andere Organe wie den Vorstand . Sie zog daraus den Schluss, die Stiftung explizit darauf hinzuweisen, dass die Conterganstiftung einen Datenschutzbeauftragten braucht, der für alle Organe und Bereiche zuständig ist . Das lässt an Deutlichkeit nichts vermissen . Die Frage ist: Warum wird das nicht zügig umgesetzt?

Caren Marks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003587

Sehr geehrte Frau Kollegin, in Bezug auf Ihre Nachfrage kann ich nur noch einmal unterstreichen: Erstens ist die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit da entsprechend eingebunden . Zweitens geht es, wie ich schon ausführte, darum, eine Lösung für die gesamte Stiftung zu finden, weil es grundsätzlich als notwendig angesehen wird . Es gibt dafür noch keine Lösung, aber das liegt nicht daran, dass man nicht willens ist, es schnellstmöglich umzusetzen, sondern daran - darauf bezieht sich Ihre nächste Frage, die ich gleich beantworte -, dass man noch kein entsprechendes Personal gefunden hat .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 2 der Kollegin Corinna Rüffer auf: Welche Datenschutzverstöße und -probleme durch die Conterganstiftung sind der Bundesregierung bekannt, und was wird sie unternehmen, um Datenschutzverstöße durch die Conterganstiftung künftig zu verhindern?

Caren Marks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003587

Liebe Frau Kollegin Rüffer, Ihre Nachfrage geht im Prinzip in Ihre zweite Frage über . Uns als Bundesregierung ist sehr wohl bekannt, dass es über die Fragen des Datenschutzes unterschiedliche Meinungen zwischen dem Vorstand und einem Stiftungsratsmitglied sowie zwischen der Stiftung und einer Betroffenen gibt. Die Meinungsverschiedenheiten werden derzeit vor Gericht ausgetragen . Ich will an dieser Stelle deutlich machen, dass derzeit erstens entsprechende Datenschutzrichtlinien erarbeitet werden und zweitens die Conterganstiftung so schnell wie möglich eine Beauftragte für den Datenschutz bekommen soll . Ich möchte noch darauf hinweisen: Der Stiftungsvorstand hat bei Datenschutzbeauftragten anderer Ministerien nachgefragt, ob die Bereitschaft vorhanden ist, das Amt der Datenschutzbeauftragten in der Conterganstiftung zu übernehmen; denn dem Vorstand ist natürlich daran gelegen, eine Datenschutzbeauftragte für die gesamte Stiftung zu bekommen . Leider hat der Stiftungsvorstand bisher nur Absagen bekommen . Es liegt also nicht daran, dass der Stiftungsvorstand nicht aktiv ist, sondern daran, dass es auf Nachfragen bisher leider nur Absagen gegeben hat . Die Juristen der Geschäftsstelle der Conterganstiftung sind leider nicht bereit, die Fortbildungen, die für dieses Amt notwendig sind, zu beginnen . Ich möchte deutlich machen, dass es ein ganz aktives Bemühen gibt und sich alle einig sind, dass eine Datenschutzbeauftragte für die Conterganstiftung notwendig ist . Auch ich hoffe, dass die Stelle schnell besetzt wird .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Rüffer.

Corinna Rüffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004390, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie sprechen von Meinungsverschiedenheiten . Allen, die sich mit der Stiftung auskennen, sind diese hinlänglich bekannt, aber sie betreffen nicht nur den Datenschutz. In diesem Fall ist es so, dass die Bundesdatenschutzbeauftragte in dem genannten Bericht schreibt: Bei einem Besuch der Conterganstiftung zeigten sich verschiedene datenschutzrechtliche Probleme, von denen einige ungewöhnlich … waren . Nun gehe ich davon aus, dass Sie sich im Ministerium mit diesen Fällen beschäftigt haben . Vielleicht können Sie uns etwas zu den Verstößen sagen und dazu, was Sie Präsident Dr. Norbert Lammert konkret dagegen zu tun gedenken . Es scheint ja mehr zu sein als eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Akteuren . Ansonsten hätte sich die Datenschutzbeauftragte nicht in dieser Weise geäußert .

Caren Marks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003587

Sehr geehrte Frau Kollegin Rüffer, man kann die Stellungnahme der Datenschutzbeauftragten so bewerten, wie Sie es getan haben . Man kann sie auch so bewerten, dass es aufgrund der Einlassungen der Datenschutzbeauftragten notwendig ist, dass die gesamte Stiftung eine Datenschutzbeauftragte bekommt . Die Personalsuche wird aktiv angegangen . Sie stellen für sich fest, dass Verstöße vorliegen . Ich kann nur wiederholen: Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, ob es sich um Verstöße handelt . Die Meinungsverschiedenheiten werden derzeit vor Gericht ausgetragen . Ich bitte um Verständnis, dass ich mich nicht - so ist es üblich - zu laufenden Gerichtsverhandlungen äußern werde .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfrage .

Corinna Rüffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004390, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dann würde ich mich gerne dazu äußern . In der 102 . Stiftungsratssitzung - das war am 15 . Juni 2016 hat ein Betroffenenvertreter berichtet, dass sämtliche beantragten und bewilligten spezifischen Bedarfe aller Conterganopfer unter Angaben des jeweiligen Aktenzeichens und der Schadenspunkte unverschlüsselt und ungesichert per Rundmail an einen größeren Verteiler verschickt wurden . Jetzt würde mich interessieren: Stellen Sie diesen Fakt infrage? Wenn Sie das nicht tun, dann ist klar, dass hier offensichtlich ein Problem besteht. Ich möchte auch wissen: Wie soll das Problem zukünftig gelöst werden?

Caren Marks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003587

Gelöst wird es im Prinzip dadurch, dass derzeit Richtlinien zum Umgang mit Daten und Akten innerhalb der Stiftung erarbeitet werden; das habe ich in der Antwort auf Ihre erste Frage schon deutlich formuliert . Zum anderen soll eine Datenschutzbeauftragte bestellt werden, die für die gesamte Stiftung zuständig ist . Die Reibungen und unterschiedlichen Meinungen zeigen, dass klar geregelt werden muss, wie der Umgang mit sensiblen Daten gehandhabt wird .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Da es zu diesem Geschäftsbereich keine weiteren Fragen gibt, gehe ich zum nächsten Geschäftsbereich, zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, über . Hier übernimmt der Parlamentarische Staatssekretär Herr Ferlemann die Beantwortung der Fragen . Ich rufe zunächst die Frage 3 des Abgeordneten Matthias Gastel auf: Welche Konsequenzen für die Vorbereitung einer neuen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung ({0}) zieht die Bundesregierung aus den Tatsachen, dass das Durchschnittsalter der Eisenbahnbrücken in Deutschland in der Laufzeit der LuFV I und LuFV II weiter angestiegen ist und die notwendige Anzahl der zu erneuernden Bahnbrücken für den Ausschluss eines weiteren Substanzverfalls bei weitem nicht erreicht wurde ({1}), und auf welche Weise möchte die Bundesregierung angesichts der notwendigerweise steigenden Anzahl von Baumaßnahmen an den für die Aufrechterhaltung eines verlässlichen Schienenverkehrs sensiblen Ingenieurbauwerken ({2}) die Begrenzung negativer Auswirkungen auf den Schienenverkehr beispielsweise in der LuFV III steuern? Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort .

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Herzlichen Dank . - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich beantworte die Frage wie folgt: Der Bund stellte im Rahmen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung auch für die Eisenbahnüberführungen bedarfsgerecht Bundesmittel für Ersatzinvestitionen zur Verfügung . Der Einsatz der Mittel ist Aufgabe der DB Netz AG .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Gastel .

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das, lieber Herr Staatssekretär, hätte ich jetzt nicht gewusst . Deswegen vielen Dank für diese aufschlussreiche Information . - Wir haben ja die Situation, dass wir rein rechnerisch - wenn man einmal von der durchschnittlichen Lebenszeit einer Brücke von 100 Jahren ausgeht und die Gesamtzahl der Brücken berücksichtigt - pro Jahr 257 Brücken sanieren bzw . ersetzen müssten . Derzeit ist dies bei nicht einmal der Hälfte der Brücken, nämlich bei 115, der Fall . Damit ist aber das Ziel nicht erreichbar, hier tatsächlich nachhaltig eine Verbesserung der baulichen Substanz herzustellen . Ich möchte gerne - weil Sie sich ja in der Verhandlung über die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III befinden - wissen, inwiefern Sie hier bei der Planungskapazität bei der Deutschen Bahn ansetzen wollen . Gibt es da Kriterien, diese zu bewerten, damit es dann vorangehen kann? Und gibt es die Absicht und auch die Möglichkeit, die Mittel dann so einzusetzen, dass die Deutsche Bahn ihr Planungspersonal einer Verstetigung der Mittel anpassen kann?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Herr Kollege, wir befinden uns noch nicht in den Verhandlungen zu LuFV III . Die werden erst im Herbst dieses Jahres beginnen . Gleichwohl bereiten wir uns auf die Verhandlungen zu der neuen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung vor . Das haben wir in der Weise gemacht, dass wir im Hinblick auf die künftig notwendige Mittelausstattung der LuFV III sowie auf die daraus resultierende Bemessung des Bundesbeitrages ein Gutachten in Auftrag gegeben haben, worin auch die sogenannten Eisenbahnüberführungen Bestandteil sind . Das heißt, wir wissen sehr genau, wie viele Brücken in dem anstehenden Fünfjahreszeitraum zusätzlich saniert werden sollen und welche Mittel - die man dann in der LuFV wiederfinden kann - wir dafür aufwenden müssen. Die Messung erfolgt über die Qualitätskennzahlen . Im Übrigen läuft die jetzige Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung noch bis einschließlich 2019 . Sie wissen, dass 875 Brücken zu sanieren sind . Ich gehe davon aus, dass die Bahn diese Qualitätskennzahl auch einhalten wird .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Gastel .

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank . - Herr Ferlemann, damit haben Sie mir schon das Stichwort für meine zweite Nachfrage gegeben . In der derzeit gültigen LuFV II sind 875 Eisenbahnbrücken erfasst . Wir haben aber über 25 000 Brücken . Sie haben gerade darauf hingewiesen, dass Sie sich in Vorgesprächen befinden. Das heißt, Sie überlegen sich auch seitens der Bundesregierung: Was muss bei der LuFV III anders werden? Deswegen schließe ich da die Frage an: Diskutieren Sie auch darüber, die Anzahl der erfassten Brücken zu erhöhen und es nicht nur bei den 875 von insgesamt 25 000 Brücken zu belassen? Beabsichtigen Sie vielleicht auch, alle Brücken in die LuFV III mit hineinzunehmen?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ich muss die Frage schon ein bisschen interpretieren, sonst könnte ich sie gar nicht beantworten . Deswegen drücke ich es einmal so aus: Wir erfassen alle Brücken, Herr Gastel, nicht nur die 875 Brücken aus der LuFV II . Wir haben alle Brücken in dem 34 000 Kilometer umfassenden Netz der DB Netz AG erfasst . Wir überprüfen, in welchem Zustand sich die einzelnen Brücken befinden. Das wird in einem festgelegten Abstand für jede einzelne Brücke gemacht . Daraus ergeben sich Zustandsklassen . Logischerweise brauchen wir bei den Brücken, die sich in den Zustandsklassen I oder II befinden, überhaupt keine weiteren Maßnahmen vorzunehmen . Bei Brücken in der Zustandsklasse III haben wir in der Regel etwas größere Überwachungsfristen . Wir gucken lediglich dort genauer nach, wo die Brücken in ihrem Bestand gefährdet sind . Bei diesen Brücken werden Maßnahmen vorgesehen, und dabei wird wiederum abgeschichtet: Welche müssen zwingend notwendig in der nächsten Zeit saniert werden? Wo sind kleinere und wo größere Maßnahmen notwendig? Das wird dann im Einzelnen festgelegt . Dafür werden auch Mittel hinterlegt . Diese werden über die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zur Verfügung gestellt . Dann kommt es zur Ausführung . Die nimmt in dem Fall für uns die DB Netz AG vor . Insofern kennen wir den Zustand der Brücken sehr genau . Sie kennen ihn übrigens auch sehr genau, weil Sie mich nach dem Zustand jeder einzelnen Brücke in Deutschland gefragt haben und Sie von mir bezogen auf jede Brücke in Deutschland eine explizite Auskunft bekommen haben . So etwas hat es bisher im Deutschen Bundestag noch nie gegeben . Sie sollten dankbar sein, dass wir bereit sind, Ihnen diese Daten zu geben .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Die Frage 4 des Abgeordneten Stephan Kühn wird schriftlich beantwortet . Damit leite ich über zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit . Die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Schwarzelühr-Sutter übernimmt die Beantwortung . Die Frage 5 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl wird schriftlich beantwortet . Ich rufe die Frage 6 der Abgeordneten Rita Stockhofe auf: Wann ist mit der Ausschreibung für weitere Labore als das Senckenberg-Institut für Wolfsgenetik zu rechnen, von denen der Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Jochen Flasbarth in seinem Interview mit der taz.die tageszeitung vom 17 . Juni 2017 spricht? Frau Staatssekretärin . Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sehr geehrte Frau Stockhofe, das Senckenberg-Forschungsinstitut, Außenstelle Gelnhausen, ist auf Empfehlung des Ständigen Ausschusses „Arten- und Biotopschutz“ der Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung, kurz LANA genannt, im Oktober des Jahres 2009 das nationale Referenzzentrum für populationsgenetische Untersuchungen bei Wolf und Luchs geworden . Im Interview mit der taz sagte Staatssekretär Flasbarth wörtlich in Bezug auf die Notwendigkeit, weitere Labore zu beauftragen: Wenn die genetische Untersuchung von Rissen ein Engpass ist, muss man gucken, ob das nicht auch andere machen können . Darüber reden wir mit den Ländern . Derzeit gibt es allerdings keinen Engpass bei der genetischen Bearbeitung von Rissproben . Die reine Bearbeitungszeit liegt bei zehn Werktagen . Daher ist derzeit eine Beauftragung weiterer Laboratorien im Hinblick auf populationsgenetische Analysen zum Wolf inklusive Nutztierrissanalysen nicht erforderlich und auch nicht geplant .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Stockhofe, haben Sie eine Nachfrage?

Rita Stockhofe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004419, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bei welcher Bearbeitungsdauer wäre denn ein „Engpass“ erreicht? Sie haben gerade von einem Durchschnitt gesprochen . Wir haben Erfahrungsberichte von Praktikern, in denen von einer längeren Zeitspanne gesprochen wird . Hat das Senckenberg-Institut festgestellt, dass es sich bei den eingereichten Proben häufiger um Proben von Hybriden, also weder Wolf noch Hund, handelte? Andere Institute, die solche Proben untersucht haben, haben hiervon berichtet und auf ihre Nachfrage beim SenckenbergInstitut eine sehr unfreundliche Antwort erhalten . Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Das Senckenberg-Institut hat sich natürlich im Laufe der Zeit weiter darauf eingestellt und die Technik modernisiert . Das ist ein sehr etabliertes Institut . Das Institut führt Nutztierrissanalysen durch und bestimmt, zu welcher Population die Wölfe gehören . Das SenckenbergInstitut erkennt sicherlich auch, ob es Hybride gibt oder nicht . ({0}) - Zur Anzahl der gefundenen Hybriden kann ich im Moment keine Auskunft geben .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Oliver Grundmann auf: Wodurch qualifiziert sich das Senckenberg-Institut - laut Bundesregierung ({0}) - als nationales Referenzinstitut für Wolfsgenetik in Deutschland? Frau Staatssekretärin . Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Frau Präsidentin! Herr Kollege Grundmann, im Forschungs- und Entwicklungsvorhaben des Bundesamtes für Naturschutz „Rahmenplan Wolf“ wurde im Jahr 2009 eine konkrete Bewertung von potenziellen Laboren vorgenommen, welche als nationales Referenzzentrum für genetische Untersuchungen von Großraubtieren infrage kommen . Hierbei wurde das Aufgabenspektrum sowie die Fragestellung, die mittels der genetischen Analysen beantwortet werden sollten, den einzelnen Laboren vorgestellt und um Abgabe eines Angebots gebeten . Hierbei qualifizierte sich das Senckenberg-Institut durch die Verwendung von aktuellen Methoden sowie eine große Erfahrung bei der Bearbeitung von nicht invasiv gesammeltem Probenmaterial . Dies umfasst zum Beispiel Kot-, Urin- und Haarproben, also nicht nur Rissproben . Zusätzlich zu der umfangreichen Erfahrung im Hinblick auf molekulargenetische Methoden konnte es auch Erfahrungen als Servicedienstleister vorweisen . Hinzu kam die weithin anerkannte wissenschaftliche Reputation .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Grundmann, möchten Sie eine Nachfrage stellen?

Oliver Grundmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004283, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, vielen Dank für die Beantwortung der Frage . - In meinem Wahlkreis häufen sich mittlerweile Wolfssichtungen; wir haben außerdem eine starke Zunahme von Nutztierrissen . Gerade letzte Woche war in der Zeitung nachzulesen: Die Wölfe spazieren mittlerweile über die Höfe . In der letzten Woche ist ein Wolf sehr interessiert und neugierig mehrere Hundert Meter einem Schlepper hinterhergelaufen und hat überhaupt keine Scheu gezeigt . Ich habe schon mehrfach von Tierhaltern gehört, dass ihre Anfragen an das Senckenberg-Institut zur genetischen Bestimmung von Wolfsverdachtsfällen abgelehnt wurden - ganz entgegen Ihrer Beantwortung, die Sie eben ausgeführt haben . Die Ablehnung erfolgte mit der Begründung - das kann ich auch zitieren -, dass die dafür notwendigen Abstimmungen, inklusive Vergabe neuer Aufträge, Rechnungsadressen und der nicht immer einfachen Kommunikation, eine erhebliche Mehrarbeit darstellen und als nicht sinnvoll erachtet werden . - Das war eine Kommunikation vom Senckenberg-Institut . In Kurzform dargestellt: Der Aufwand lohnt nicht, es entstehen zu hohe Kosten und eine aufwendige Bürokratie . Meine Frage: Ist der Bundesregierung bekannt, dass das Senckenberg-Institut die Annahme von DNA-Proben verweigert? Und was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, damit künftig Anfragen service- und kundenorientiert umfänglich bearbeitet werden? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Grundmann, dieser Vorgang ist uns nicht bekannt . Wir werden dem nachgehen .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Haben Sie eine zweite Frage? Bitte halten Sie sich an die Zeit .

Oliver Grundmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004283, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe noch eine Frage zum günstigen Erhaltungszustand der Wolfspopulation, die Sie letztes Mal nicht ausreichend beantwortet haben . Das Umweltministerium schreibt, dass eine Neubewertung der Erhaltungspopulation erst im Rahmen der turnusmäßigen EU-Berichtspflicht im Jahr 2019 erfolgen soll. Meine Frage: Hält die Bundesregierung an einer früheren Bewertung fest bzw . wird eine Neubewertung als erforderlich angesehen, wenn wir ein jährliches Wachstum von Wolfspopulationen von mehr als 30 Prozent haben? Ich frage vor allen Dingen deshalb, weil Wölfe mittlerweile in unmittelbarer Nähe zu Wohngebieten auftauchen; dort herrscht ein sehr starkes Annäherungsverhalten vor, und es besteht keine Scheu mehr . http://www.taz.de Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Grundmann, Stichwort „Monitoring“ . Es gibt einen Bericht von 2015/2016 über ein Monitoring . Dort ist ganz genau festgelegt, wie die Populationsgröße festgestellt wird . Ich weiß nicht, woher Sie wissen, dass die Wolfspopulation um mehr als 30 Prozent angewachsen ist; das Verfahren wird beim BfN wissenschaftlich vorgenommen und ausgewertet . Es gibt also das Wolfs-Monitoring 2015/2016 . Wir sind bei den Vorbereitungen für die Auswertungen des nächsten Monitorings 2016/2017 . Das werden wir natürlich - so wie es immer war - durchführen . Im Übrigen darf ich eines noch ergänzen: Sie haben im Nachgang durchaus noch ausführlich Informationen zu der Frage, die ich auf Anhieb nicht beantworten konnte, erhalten; das will ich einfach festhalten .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Ich rufe jetzt die Frage 8 des Abgeordneten Albert Weiler auf: Mit welchen Laboren arbeitet nach Kenntnis der Bundesregierung das Senckenberg-Institut als nationales Referenzinstitut für Wolfsgenetik in Deutschland zwecks methodischer Standardisierung der Auswertung von Wolfsspuren zusammen? Frau Staatssekretärin . Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Herr Weiler, das Senckenberg-Forschungsinstitut, Standort Gelnhausen, ist Mitgründer des „CEwolf“-Konsortiums . Dieses Konsortium wurde im Jahr 2014 gegründet und widmet sich der Erforschung der europäischen Wolfspopulation und deren Populations- und Ausbreitungsdynamik . Seit dem Jahr 2000 breiten sich Wölfe in Mittel- und Westeuropa weiter aus und besiedeln neue Gebiete, wie etwa Dänemark, Tschechien und die Niederlande . Durch das Konsortium soll die Vereinheitlichung von Labor- und Auswertungsstandards erreicht werden, um so der Ausbreitungsdynamik des Wolfes Rechnung zu tragen . Bislang sind vier Mitgliedsländer in diesem Konsortium vertreten . Das ist Dänemark mit dem Department of Bioscience an der Aarhus University; es ist Deutschland mit dem Fachgebiet Naturschutzgenetik, SenckenbergForschungsinstitut; es sind die Niederlande mit dem Animal Ecology Team an der Alterra-Wageningen University und Polen mit dem Institute of Genetics and Biotechnology an der University of Warsaw . Mittels der Harmonisierung der Labor- und Auswertungsstandards können zukünftig grenzüberschreitende Individuen sicher den Quellpopulationen zugeordnet werden . Auch mit zusätzlichen Institutionen sowie Laboren im Ausland wie etwa in Frankreich, Italien oder der Schweiz werden Proben ausgetauscht und analysiert .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Weiler, wünschen Sie eine Nachfrage?

Albert Weiler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004439, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja . - Vielen Dank, Frau Staatssekretärin . Gibt es auch schon Untersuchungen vom Senckenberg-Forschungsinstitut oder von anderen Instituten, wie man der Wolfspopulation Herr werden will, wenn sie zu groß wird? Ich weiß, dass die Menschen in meinem Wahlkreis schon jetzt Bedenken haben, ihre Kinder in den Wald zu schicken, wenn es Wölfe gibt . ({0}) Ich weiß, dass das von dem einen oder anderen belächelt wird, wie ich sehe, auch von Herrn Lenkert von der Linken . Aber es ist nun einmal so, dass - ich will jetzt nicht in die Märchenwelt von Rotkäppchen gehen - die Angst begründet ist . Der Wolf hat eine Rückenhöhe von bis zu 1 Meter, vielleicht sogar noch mehr . Da besteht schon die Angst, dass man als Kind oder als Erwachsener, insbesondere als Frau, angefallen wird . Gibt es zum zukünftigen Vorgehen schon Vorschläge? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Weiler, wir nehmen die Ängste durchaus ernst . Wir haben darauf reagiert und mit den Ländern einen runden Tisch eingerichtet . Wir haben die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf geschaffen. Wir haben den günstigen Erhaltungszustand noch nicht erreicht . Ich will aber auch festhalten, dass wir in Europa keine Fälle beobachten wie in Alaska . Der Wolf ist ein wildes Tier, ein Raubtier . Man muss aber nicht in Panik ausbrechen . Uns liegen bisher keine Vorfälle mit Wölfen vor . Wenn ein Wolf allerdings dabei beobachtet wird, wie er im Abfall gräbt, sollte man ihn vertreiben. Wenn es sich um einen verhaltensauffälligen Wolf handelt, dann kann er trotz Schutz durch die FFH-Richtlinie der Europäischen Union entfernt werden, wie es bei MT6, also Problemwolf Kurti, der Fall war .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Beermann auf: Liegen der Bundesregierung Informationen vor, durch welche Qualitätsmanagementsysteme das Senckenberg-Institut für Wolfsgenetik die Qualität seiner DNA-Analysen sicherstellt? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Beermann, auch Sie interessieren sich für den Wolf . In der genetischen Wildtierforschung gibt es keine Normierung von Qualitätsmanagementsystemen . Durch die Implementierung von Negativ- sowie Positivproben in allen Laborschritten und die zusätzliche Amplifizierung von mehreren Replikaten führt das Senckenberg- Institut ein eigen entwickeltes Kontrollsystem durch . Speziell die Analyse von Proben mit geringem DNA-Gehalt wie etwa Rissproben und Kotproben bedarf spezieller räumlicher und arbeitstechnischer Anpassungen, um die Kontaminationsgefahr möglichst gering zu halten . Hierbei spielt die langjährige Erfahrung des Senckenberg-Instituts eine besondere Rolle . In den vergangenen Jahren konnten mehr als 10 000 nicht invasiv gesammelte Proben von diversen Wildtieren bearbeitet werden . Hierbei wurde die laborinterne Qualitätssicherung weiterentwickelt . Zusätzliche Ring- sowie Blindtests werden regelmäßig mit den Mitgliedern des CEwolf-Konsortiums durchgeführt und die Ergebnisse protokolliert .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Beermann .

Maik Beermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004250, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung . - Natürlich interessiere ich mich als Niedersachse für den Wolf . Er ist bei uns aktuell ein großes Thema, gerade auch in der Landwirtschaft . Mich würde daher interessieren, ob der Bundesregierung möglicherweise bekannt ist, welche molekulare Methodik das Senckenberg- Institut zur DNA-Analyse von Wolfsspuren bei Nutztierrissen verwendet und ob die DNA durch andere Labore reproduzierbar ist . Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Das Senckenberg-Institut ist sehr etabliert und hat international weit über 30 Publikationen auf den Weg gebracht . Ich denke, gerade was die Methode angeht, ist das Senckenberg-Institut innovativ . Es hat eine neue Methode auf den Weg gebracht, nämlich die Single-Nucleotide-Polymorphismus-Methode . - Das Bundesministerium für Forschung stimmt nickend zu . - Es ist ein etabliertes, renommiertes Institut, und die Wissenschaftler sind weltweit anerkannt . Insofern ist, glaube ich, bestätigt, dass das Institut eine wertvolle Arbeit verrichtet .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Beermann, wünschen Sie eine zweite Nachfrage? - Nein . Dann hat Frau Keul zu diesem Themenkomplex noch eine Frage .

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, können Sie sich erklären, warum die Unionsabgeordneten, die vier Jahre lang in der Fragestunde kaum Fragen gestellt haben, jetzt ein so intensives Interesse am Wolf zeigen? Halten Sie diese Angst der Union vor dem Wolf vor dem Hintergrund, dass es bisher noch keinen Schaden zulasten eines Menschen gegeben hat, während die statistische Wahrscheinlichkeit, durch den Hund eines unverantwortlichen Hundehalters, von denen es in dieser Republik ja genug gibt, angegriffen und verletzt zu werden und damit zu Schaden zu kommen, um ein Tausendfaches höher ist, für nachvollziehbar? ({0}) Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Ich will jetzt einmal für meine Kolleginnen und Kollegen insgesamt sprechen . Sie haben sich im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit sehr intensiv mit dieser Frage beschäftigt . Wir haben auch einen sehr dicken Bericht dazu vorgelegt, weil es natürlich durchaus Ängste und auch Zielkonflikte mit den Nutztierhaltern gibt . Diese nehmen wir ernst, und deswegen muss man sich miteinander entsprechend austauschen und darüber reden, wie weit sich die Populationen in Mitteleuropa weiter ausbreiten . Es ist natürlich auch wichtig, zu wissen, wie sich die Anzahl der Rudel entwickelt . Es gibt ganz viele, die genau wissen, wie der Bestand ist . Wie das ermittelt wurde, weiß man wiederum nicht . Damit meine ich nicht unbedingt die Kollegen . In den Medien - vor allem in den sozialen Medien - gibt es durchaus ein breites Interesse daran . Warum das Interesse genau jetzt so hoch ist? Das würde ich gar nicht in irgendeinen Zusammenhang stellen, sondern das ist sozusagen die Fortführung unserer letzten Fragestunde zum Thema Wolf vor ein paar Wochen, und es wird auch nicht die letzte Fragestunde sein, in der der Wolf ein Thema ist . ({1}) - Es wird sicherlich auch nicht die letzte für die nächsten Jahre sein .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Aber für heute . - Wir kommen nun zu einem anderen Geschäftsbereich, nämlich zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung . Der Parlamentarische Staatssekretär Stefan Müller übernimmt die Beantwortung . Ich rufe zunächst die Frage 10 der Abgeordneten Dr . Daniela De Ridder auf: In welcher Höhe sind finanzielle Mittel im Bundeshaushalt 2017 für die „EU-Strategie-FH“ sowie „FH-Sozial“ ({0}) hinterlegt, bzw . was sieht das Bundesministerium für Bildung und Forschung für die Folgehaushalte bis 2020 potenziell vor? Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort .

Stefan Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003597

Frau Präsidentin! Liebe Frau Kollegin De Ridder, ich beantworte Ihre Frage gerne: Für die Fördermaßnahme „EU-Strategie-FH“ - und ich möchte gerne ergänzen: Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter und für die Fördermaßnahme „EU-Antrag-FH“ - sind im Bundeshaushalt ab 2017 folgende Mittel hinterlegt: für das Jahr 2017 750 000 Euro, für das Jahr 2018 2 200 000 Euro, für das Jahr 2019 1 500 000 Euro und für das Jahr 2020 1 500 000 Euro . Für die Förderrichtlinie „Lebensqualität durch soziale Innovationen“ - kurz: „FH-Sozial“ - im Programm „Forschung an Fachhochschulen“ sind im Bundeshaushalt ab 2017 hinterlegt: für 2017 4 Millionen Euro, für 2018 5 Millionen Euro, für 2019 5 Millionen Euro und für 2020 ebenfalls 5 Millionen Euro .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Dr . De Ridder, wünschen Sie eine Nachfrage?

Dr. Daniela De Ridder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004386, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, sehr gerne, Frau Präsidentin . - Vielen Dank für die Ausführungen, Herr Staatssekretär . Das ist ja ein Programm zur Stärkung der sogenannten SAGE-Fächer, also der Fächer Soziale Arbeit, Gesundheit und Erziehung . Wir wissen, dass das im Kontrast zu MINT-Programmen steht . Ich würde Sie gerne fragen: Wie schätzen Sie das Volumen an den Fachhochschulen im Vergleich zu den Förderungen ein, die Sie im MINT-Bereich vornehmen? Ist das üppig? Ist das weniger üppig? Ist das bescheiden?

Stefan Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003597

Wir haben in den vergangenen Jahren ja gemeinsam sehr viel Wert darauf gelegt, dass unser Innovationsbegriff sehr breit gefasst ist. Heute Vormittag haben wir im Ausschuss auch über die Hightech-Strategie gesprochen, und ich glaube, wir können gemeinsam stolz darauf sein, Frau Kollegin, dass wir als Koalition in dieser Wahlperiode erreicht haben, dass der Begriff „Innovation“ eben nicht nur technologisch ausgelegt wird, sondern dass auch soziale Innovationen darunter verstanden werden . Das ist ja auch der Grund, weswegen es in diesen Programmen entsprechende Veränderungen gegeben hat . ({0}) Es bleibt dem neuen Deutschen Bundestag aber natürlich unbenommen, hier noch weitere Schwerpunkte zu setzen . Ich persönlich bin der Meinung, dass wir bei den Fächern der Geistes- und Sozialwissenschaften im Vergleich zu den MINT-Fächern durchaus noch weiteres Potenzial haben .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Dr . De Ridder, wünschen Sie eine zweite Nachfrage?

Dr. Daniela De Ridder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004386, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gerne . Vielen Dank dafür, dass Sie sie zulassen . Sie sehen mich hier, werter Herr Kollege, mit stolzgeschwellter Brust stehen, gerade was die Förderung der Fachhochschulen insgesamt angeht . Ich möchte aber gerne dezidiert nachfragen, ob Sie das auch vor dem Hintergrund der Genderkonzepte so einordnen . Können Sie einmal sagen, wie sich hier die eben beschriebenen und finanzierten Programme einordnen lassen? Welche Effekte erwarten Sie in Bezug auf die Chancengleichheit von Frauen, die gerade in den sogenannten SAGE-Fächern überproportional vertreten sind? Welche Chancen sehen Sie hier für die Rekrutierung junger Männer für das Studium, aber auch von etablierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern für die Professuren in Bezug auf das Genderverhältnis?

Stefan Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003597

Nun glaube ich, dass mit den genannten Fördermaßnahmen - das wissen auch Sie - nicht primär das Ziel verfolgt wird, besonders die Gendergesichtspunkte herauszuarbeiten, wenngleich einzelne Projekte Genderfragen selbstverständlich mit aufnehmen . Wir haben gemeinsam vereinbart, den Fokus auf dieses Thema zu setzen, was wir im Übrigen in dieser Wahlperiode bereits gemacht haben . Ich glaube, dass das, wenn ich die Dynamik des Themas richtig einschätze, für die kommende Wahlperiode ein Handlungsfeld ist, in dem weitere Schwerpunkte gesetzt werden .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Lenkert wünscht eine Nachfrage zu diesem Thema .

Ralph Lenkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004091, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, vielen Dank für Ihre Ausführungen. - Ich hoffe sehr, dass Sie gerade die Fachhochschulen, die in ländlichen und strukturschwachen Räumen vertreten sind, deutlich stärker fördern . Als Vergleichsmaßstab nehme ich einmal die Exzellenzinitiative, die auf wenige Standorte konzentriert ist und die Ihnen mehrere 100 Millionen Euro pro Jahr wert ist . Im Zusammenhang mit den Fachhochschulen reden wir von Beträgen von 750 000 Euro, 2,2 Millionen Euro und 1,5 Millionen Euro pro Jahr. Diese Differenzierung ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar . Ich frage Sie deswegen: Haben Sie zumindest in der mittelfristigen Planung eine deutliche Aufstockung der Mittel für diese Programme vorgesehen, damit sie annähernd in eine Relation zu dem kommen, was Sie im Rahmen der Exzellenzinitiative, die natürlich nicht in den ländlichen Räumen stattfindet, auf wenige Standorte dauerhaft fixieren?

Stefan Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003597

Herr Kollege Lenkert, Sie sind ja zu klug, um nicht zu wissen, dass sich die Förderung der Fachhochschulen im Bereich der Forschung nicht auf 750 000 Euro in einer in einer! - Förderlinie reduzieren lässt . Die Mittel für das Programm „Forschung an Fachhochschulen“ umfassen, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, 55 Millionen Euro allein in 2017 . Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass wir in der kommenden Woche die Namen der erParl. Staatssekretär Stefan Müller folgreichen Hochschulen, die sich für die Förderinitiative „Innovative Hochschule“ von Bund und Ländern beworben haben und in den nächsten fünf Jahren Fördermittel bekommen werden, bekannt geben werden . Wir reden hier über ein Programm, das sich insbesondere an Fachhochschulen sowie kleine und mittlere Universitäten richtet . Mindestens die Hälfte dessen, was an Fördermitteln ausbezahlt wird, geht an die Fachhochschulen . Wir reden für die gesamte Initiative in der Summe über eine Größenordnung von 550 Millionen Euro, Herr Kollege .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Damit rufe ich jetzt die Frage 11 ebenfalls der Abgeordneten Dr . Daniela De Ridder auf: Warum wird mit „FH-Sozial“ eine in Teilen konkurrierende Förderlinie zur bereits bestehenden Linie „Soziale Innovationen für Lebensqualität im Alter“ ({0}) aufgelegt, obwohl nach der Veröffentlichung der Empfehlungen des Wissenschaftsrates von Oktober 2016 das Problem des mangelnden professoralen Nachwuchses als prioritär anzusehen ist? Herr Staatssekretär .

Stefan Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003597

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Frau Kollegin De Ridder, ich möchte Ihnen gerne antworten, dass es sich bei der Förderlinie „Lebensqualität durch soziale Innovationen“, kurz: „FH-Sozial“, nicht um eine zur SILQUA-FH konkurrierende Förderlinie handelt . Die Förderlinie SILQUA-FH wurde 2015/2016 evaluiert, und daraus resultierend wurde als Nachfolgeförderlinie oder -initiative „FH-Sozial“ konzipiert . Selbstverständlich werden im Rahmen der auslaufenden Projekte aus SILQUA-FH alle bereits bewilligten Projekte bis zum Abschluss weiter finanziert und gefördert.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Kollegin, wünschen Sie eine Nachfrage?

Dr. Daniela De Ridder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004386, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, sehr gerne . Vielen Dank, dass Sie diese zulassen . In diesem Kontext möchte ich gerne wissen, ob Sie im Rahmen der angesprochenen Förderung Chancen sehen, den wissenschaftlichen Nachwuchs an Fachhochschulen gerade in den eben aufgeführten Fächern der sogenannten SAGE-Disziplinen zu stärken . Hier interessiert mich, wie Sie diese Linie insgesamt in die Nachwuchsförderung einbetten, die die Bundesregierung für Fachhochschulen - da hätten wir vielleicht ein bisschen mehr tun können - auflegt.

Stefan Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003597

Frau Kollegin, ich möchte hier keine Konkurrenz zwischen den Programmen aufmachen, die wir explizit für soziale Innovationen aufgelegt haben, und der Frage: Wie gehen wir mit der, wie ich finde, berechtigten Forderung um, Personalgewinnung und -entwicklung an Fachhochschulen zu unterstützen? Das eine ist für mich, ehrlich gesagt, unabhängig von dem anderen, weil wir beides brauchen und weil wir beides machen müssen . Demzufolge möchte ich Ihnen antworten, dass, jedenfalls unabhängig von der Förderung von Forschung an Fachhochschulen, wir als Ministerium ein Interesse daran haben, zusammen mit der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz hier voranzukommen . Am 7 . April hat die GWK beschlossen, Eckpunkte für ein mögliches Bund-Länder-Programm vorzulegen bzw . zunächst einmal zu diskutieren . Das wird bei der nächsten Sitzung der GWK im November 2017 der Fall sein . Zur Vorbereitung dieser Sitzung wurde auch unter Zugrundelegung der Analyse der Wissenschaftsratsempfehlungen eine Facharbeitsgruppe zwischen Bund und Ländern ins Leben gerufen, die derzeit Vorschläge für die Sitzung der Wissenschaftskonferenz im November erarbeitet .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Wünschen Sie eine weitere Nachfrage?

Dr. Daniela De Ridder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004386, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, davon würde ich gerne Gebrauch machen . Danke schon jetzt für die Beantwortung . - Ich würde von Herrn Staatssekretär Müller gerne wissen, warum es nicht schon eher gelungen ist, gerade bei den Professuren zwischen Universitäten und Fachhochschulen eine Analogie zu schaffen. Wir kennen das Problem seit längerem und wissen, wie sehr und wie hart die Fachhochschulen bei der Rekrutierung um professoralen Nachwuchs kämpfen . Insofern wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie noch einmal kurz zusammenfassen könnten, welche Investitionen in den wissenschaftlichen Nachwuchs bzw . in die Karrierepfade und -wege einer FH-Professur Sie getätigt haben . Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das auch unter Gendergesichtspunkten deutlich machen könnten .

Stefan Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003597

Frau Kollegin, wir haben uns sowohl zwischen Bund und Ländern, aber übrigens auch in unserer gemeinsamen Koalition darauf verständigt, dass wir die Frage der Personalgewinnung und -entwicklung an Fachhochschulen diskutieren, sobald der Wissenschaftsrat zu entsprechenden Empfehlungen kommt . Diese Empfehlungen liegen inzwischen vor . Meines Wissens hat es auch zwischen den Regierungsfraktionen eine Verständigung darüber gegeben, dass man erst ab diesem Zeitpunkt darüber sprechen kann, dass wir die Vorschläge des Wissenschaftsrates dann prüfen und dass wir, jedenfalls was die Bundesregierung angeht, uns mit den Ländern ins Benehmen setzen, wie wir unter Berücksichtigung all der Fragen, die auch Sie eben aufgeworfen haben, damit umgehen . Ich fürchte, Frau Kollegin, ich muss Sie noch um Geduld bitten, bis die Bund-Länder-Arbeitsgruppe hier zu einem Ergebnis kommt und wir im November nach der GWK-Sitzung auch gemeinsam mit den Ländern zu einer Verständigung darüber kommen, was Inhalt eines gemeinsamen Bund-Länder-Programms sein könnte .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit gehen wir über zum nächsten Geschäftsbereich, dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung . Hier übernimmt der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel die Beantwortung der Fragen . Zunächst rufe ich die Frage 12 des Abgeordneten Kekeritz auf: Wie schätzt die Bundesregierung die Folgen der von der Trump-Administration geplanten Aufkündigung des DoddFrank Act hinsichtlich des Abbaus von Konfliktmineralien im Kongo ein ({0}), und gedenkt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Misereor-Studie „Globale Energiewirtschaft und Menschenrechte“, die eklatante Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung auch durch deutsche Energieunternehmen offenlegte ({1}), gesetzliche menschenrechtliche Sorgfaltspflichten einzuführen? Hans-Joachim Fuchtel, Parl . Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Der Dodd-Frank Act ist eine US-amerikanische Rechtsvorschrift, nach der börsennotierte US-Unternehmen gehalten sind, öffentlich darzulegen, ob sie bei ihrer Produktion Konfliktmaterialien aus Ländern Afrikas benutzen . Diese Vorschrift besteht seit sechs Jahren, und wir sehen, dass seit der Verabschiedung ein robuster Trend zu mehr Verantwortung im Rohstoffbereich entlang der gesamten Lieferkette entstanden ist . Konsequenzen einer temporären Aussetzung bzw . Aufkündigung dieser Vorschrift für das Engagement der USA und amerikanischer Unternehmen insbesondere in der Demokratischen Republik Kongo und ihren Nachbarstaaten zur Einhaltung von Sorgfaltspflichten sind derzeit noch nicht abzusehen . Es bleibt abzuwarten, ob und gegebenenfalls wie führende US-Unternehmen, welche den Dodd-Frank Act und andere internationale Prozesse aktiv unterstützen, diese Vorschriften freiwillig weiter anwenden . Unabhängig davon wurde bekanntlich am 17 . Mai 2017 die neue EU-Verordnung zu Konfliktmineralien verabschiedet . Die ist davon natürlich unabhängig . Sie bietet die Basis dafür, dass wir diese Problematik stärker ins Auge fassen können .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Kekeritz, wünschen Sie eine Nachfrage?

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja . - Herr Staatssekretär, herzlichen Dank für die Antwort . Vor allen Dingen ist die Botschaft, die Sie mit der Antwort gegeben haben, sehr positiv . Der Dodd-Frank Act hat sehr positiv gewirkt. Auch die EU-Konfliktmineralienverordnung wird positiv wirken . Nur, wenn es tatsächlich zur Aufkündigung des Dodd-Frank Acts kommt, würden positive Entwicklungen rückgängig gemacht . Die Milizen, die die Gegend verlassen haben, würden wieder zurückkommen und die Minen wieder besetzen und ihr Geschäft weiterbetreiben . Deswegen wäre es nach unserer Meinung sinnvoll, dass die EU-Konfliktmineralienverordnung relativ zügig umgesetzt wird . So, wie es geplant ist, dauert es noch sehr lange, bis sie Wirkung erzeugt . Wären Sie als Bundesregierung denn bereit, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass diese Konfliktmineralienverordnung früher und schneller umgesetzt wird? Hans-Joachim Fuchtel, Parl . Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Die Bundesregierung hätte sehr gerne eine kürzere Übergangsfrist, Herr Kollege . Wir werden das auch unter dem Gesichtspunkt dieser Entwicklung weiter betreiben . Wir müssen jedoch anerkennen, dass einige Mitgliedstaaten erst die zuständigen Behörden aufbauen müssen, um entsprechend mitwirken zu können . Das kostet einfach Zeit . Unter diesen Gesichtspunkten ist es bei der Anwendung des sogenannten Trilogverfahrens gar nicht so einfach, den bisher gefundenen Kompromiss zwischen dem Europäischen Parlament, dem Europäischen Rat und der Europäischen Kommission zu verändern .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Kekeritz, wünschen Sie eine zweite Nachfrage?

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. - Grundsätzlich geht es ja um Sorgfaltspflichten. Das ist sicherlich nicht auf Konfliktmineralien beschränkt . Es geht auch um Bergwerke, um Plantagen, um Fischerei und letztendlich um sämtliche Investitionen, auch im Textilbereich . Nun hat Minister Müller neulich deutlich gesagt, dass er sich von der Textilindustrie zum Teil hinters Licht geführt gefühlt habe . Er werde sich deshalb verbindliche Regelungen überlegen . Das ist eine großartige Sache . Er hat hierfür volle Unterstützung von unserer Seite . Nur, das Problem mit Herrn Minister Müller ist, dass er oft etwas verkündet, das aber in keinster Weise mit dem Kabinett abspricht . Solche Regelungen müssten natürlich auch juristisch fundiert formuliert werden . Da ist das Justizministerium verantwortlich, da ist das Wirtschaftsministerium verantwortlich . Sind denn die Aussagen, die Minister Müller hier öffentlich tätigt, tatsächlich schon im Kabinett abgesprochen? Kann man davon ausgehen, dass das tatsächlich irgendwann zur Kabinettsmeinung wird? Hans-Joachim Fuchtel, Parl . Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege, Minister Müller war der Allererste, der sich auf den Weg gemacht hat, hier überhaupt erst einmal Grundlagen zu schaffen und diese Probleme in Angriff zu nehmen. Wir haben mit dem Textilbündnis auf freiwilliger Basis immerhin erreicht, dass sich Firmen, http://www.nytimes.com/aponline/2017/06/07/world/africa/ap-af-africa-conflict-minerals.html?smid=tw-share&_r=0 http://www.nytimes.com/aponline/2017/06/07/world/africa/ap-af-africa-conflict-minerals.html?smid=tw-share&_r=0 http://www.nytimes.com/aponline/2017/06/07/world/africa/ap-af-africa-conflict-minerals.html?smid=tw-share&_r=0 http://www.misereor.de/fileadmin/user_upload/Energie-und-Menschenrechte-Bericht-2017.pdf http://www.misereor.de/fileadmin/user_upload/Energie-und-Menschenrechte-Bericht-2017.pdf die circa 45 bis 55 Prozent des Marktanteils im Textilbereich haben, zwischenzeitlich den Prinzipien verpflichtet haben . Das ist, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten, doch mehr als null . Es wäre denkbar gewesen, dass das politische Kräfte vor uns begonnen hätten; denn die Probleme gab es auch schon damals . Daher sollten Sie durchaus dem Minister einen Vertrauensvorschuss geben . Zunächst sollen diese Maßnahmen freiwillig weitergeführt werden . Wir müssen dann prüfen, was daraus wird, bevor wir weitere Aussagen treffen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Ich komme zur Frage 13 des Kollegen Uwe Kekeritz: Was genau meint die Bundeskanzlerin Dr . Angela Merkel, wenn sie die Handelsverträge der EU mit Afrika teilweise als „unfair“ bzw . „nicht richtig“ bezeichnet ({0}), und welche konkreten Anpassungen in den Handelsbeziehungen der EU mit Afrika will die Bundesregierung nach der Ankündigung der Bundeskanzlerin Dr . Angela Merkel, die Handelsbeziehungen auf dem nächsten EU-Afrika-Gipfel im November dieses Jahres neu verhandeln zu wollen, erreichen? Herr Staatssekretär . Hans-Joachim Fuchtel, Parl . Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Sie beziehen sich auf die Reuters-Meldung . Ich möchte konkret sagen, dass Frau Bundeskanzlerin Dr . Merkel sich zweimal geäußert hat . Am 19 . Juni hat sie beim Civil20-Dialogforum eine Rede gehalten und mit den Vertretern der Zivilgesellschaft über den anstehenden G-20-Gipfel in Hamburg diskutiert . Am gleichen Tag hat die Bundeskanzlerin beim Verbrauchertag des Verbraucherzentrale Bundesverbandes eine Rede gehalten . Ich gebe Ihnen gern die originalen Redetexte, damit Sie das nachvollziehen können . Bei ihren Ausführungen zu den Handelsverträgen der EU mit Afrika ging es der Kanzlerin darum, auf die Diskrepanz bei den Rahmenbedingungen für Handel zwischen den ärmsten Ländern und den sogenannten Schwellenländern, also den Mitteleinkommensländern, hinzuweisen . Die Kanzlerin hatte bereits vorher - es ist also keine ganz so große Neuigkeit an diesem Tag passiert - bei der Afrika-Konferenz am 12 . und 13 . Juni in Berlin betont, dass die Handelsbeziehungen mit Afrika fair ausgestaltet werden müssen . „Fair“ bedeutet, dass Wertschöpfung auch in Afrika stattfindet und dort Jobs entstehen können . Sie hat in der weiteren Perspektive dargestellt, dass diese politischen Fragen in den anstehenden politischen Prozessen weiter bearbeitet werden müssen: Das ist der EU-Afrika-Gipfel im November dieses Jahres, und das ist der Post-Cotonou-Prozess, der, wie Sie auch wissen, zu weiteren Ergebnissen im Jahr 2020 geführt werden muss .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Kollege Kekeritz, wünschen Sie hierzu eine Nachfrage?

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja . - Herzlichen Dank . - Ich freue mich, wenn Sie mir die Rede zur Verfügung stellen . Soweit ich informiert bin, hat sich die Kanzlerin ganz konkret auf die EU-Handelsverträge mit Afrika bezogen . Dabei kann es sich aus meiner Sicht nur um die sogenannten EPAs handeln, die 2014/2015 auf Brüsseler Ebene abgeschlossen worden sind und sehr viele Mängel aufweisen . Insofern wäre es sehr konsequent und sehr gut, wenn die Kanzlerin jetzt sagt: Da müssen Änderungen vollzogen werden . Natürlich ist die Zivilgesellschaft C20 im Rahmen der G-20-Veranstaltung eine interessante Plattform, aber sie ist keine Plattform, die irgendetwas ändern kann . Ändern muss man das in Brüssel . Was wird denn ganz konkret geplant von der Regierung oder von Ihrer Seite aus, um eine Nachbesserung dieser Verträge zu erreichen? Hans-Joachim Fuchtel, Parl . Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Niemand hat je behauptet, dass die EPAs der letzte Schritt in der Entwicklung der europäisch-afrikanischen Handelsbeziehungen sind . Wir alle wissen, dass diese EPAs immer nur bestimmte Räume in Afrika herausgreifen und dass sie auch dort nicht von allen Ländern in gleichem Maße vorangebracht werden . Das führt automatisch dazu, dass natürlich nicht alles, was man sich hier vorgenommen hat, schon so in bester Form wirkt . Daher ist es doch konsequent, dass die Politik weiter prüft, was getan werden kann und muss, um sowohl in der Beziehung zwischen Afrika und Europa als auch in Afrika selbst Verbesserungen zu erreichen . Ich möchte ein kleines Beispiel nennen . Wir haben zwar neue Möglichkeiten, dass die Länder Waren nach Europa ausführen . Wenn aber die Produkte nicht die geforderte Qualität haben oder nicht zertifiziert sind, dann steht das zwar auf dem Papier, ist aber in der Realität sehr schwierig . Deswegen ist auch eine der Aufgaben, dass wir zum Beispiel Zertifizierungsverfahren entwickeln und entwickeln helfen, damit das, was in den EPAs bis jetzt auf dem Papier steht, auch in der Praxis stattfinden kann .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Kekeritz .

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön . - Sie haben richtig gesagt: Es ist konsequent, an diesen Verträgen weiterzuarbeiten . - Meine Frage war dahin gehend: Was machen Sie denn jetzt ganz konkret? Als zweite Frage interessiert mich jetzt, wie Sie mit den sogenannten Interimsverträgen umgehen, die mit der Elfenbeinküste und mit Ghana abgeschlossen wurden . Hauptziel dieser EPAs war die regionale IntegratiParl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel on zum Beispiel der ECOWAS . Inzwischen sind Sie so weit, dass Sie mit einzelnen Ländern, die Sie sich herauspicken, Interims-EPAs abschließen . Damit stören Sie ganz massiv die regionale Integration dieser Länder . Was wollen Sie dagegen tun? Und wann stoppen Sie diese Interims-EPAs? Hans-Joachim Fuchtel, Parl . Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Es handelt sich ja immer um zwei Seiten, Herr Kollege Kekeritz . Dazu gehört auch ein starker Wille der betreffenden Länder, die vorankommen und die in den EPAs vom Grundsatz her formulierten Möglichkeiten nutzen möchten . Auf diese Art und Weise entstehen Aktivitäten, die von der EU akzeptiert werden . Das kann bei guter Wirksamkeit dazu beitragen, dass andere merken, dass solche EPAs insgesamt mehr Qualität haben . Außerdem sollten wir erst einmal abwarten, wie sie wirken; denn wir reden bisher über Dinge, die wir in ihrer vollen Ausgestaltung in der Praxis noch gar nicht erlebt haben .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Hänsel .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Frau Präsidentin . - Ich möchte nachhaken, Herr Staatssekretär Fuchtel . Bei Ihren Antworten ist nicht deutlich geworden, ob die Kanzlerin die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Afrika meint, wenn sie kritisiert, dass es unfaire Verträge gibt . Wenn dem so ist, dann frage ich Sie: Wieso kommt die Kanzlerin denn jetzt, am Ende der Legislatur, darauf? Wir diskutieren diese Wirtschaftspartnerschaftsabkommen seit vier Jahren . Die Kanzlerin hat vor zwei Jahren mit ihrem Afrikabeauftragten, Herrn Nooke, der diese Abkommen schon seit Jahren kritisiert, an Diskussionen in unserem Ausschuss teilgenommen . Ich persönlich habe die Kanzlerin darauf angesprochen, ob sie denn allen Ernstes die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Afrika in dieser Form verantworten kann, obwohl sie ungerecht sind und die Fluchtursachen verstärken . Daraufhin sagte sie, nein, ich würde übertreiben und sie sehe es nicht so . Sie konnte auch nicht verstehen, dass ihr Afrikabeauftragter diese Abkommen kritisiert . Wie kommt die Kanzlerin jetzt dazu, die Abkommen zu kritisieren? Woher kommt der Sinneswandel kurz vor der Wahl? Hans-Joachim Fuchtel, Parl . Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Das hat nichts damit zu tun, dass wir kurz vor der Wahl stehen . ({0}) Erstens . Es ist ein großes Verdienst der Bundeskanzlerin, dass sie dafür gesorgt hat, dass Afrika in der Gesamtdiskussion einen ganz neuen Stellenwert bekommen hat . Zweitens . Wir stehen zu den bisherigen EPAs . Sie sind für uns Vereinbarungen, die so lange wirken, bis es Besseres gibt . Es ist gar nicht so leicht, Besseres zu schaffen, weil die WTO mit ihren 164 Mitgliedstaaten noch ein Wörtchen mitzureden hat . Deswegen gibt es gar keinen anderen Weg, als nun - im Herbst findet eine große gemeinsame Konferenz zwischen Afrika und Europa statt - diese Fragen aufzuwerfen und entsprechend zu analysieren . Es ist doch nicht verboten, nach Besserem zu suchen . Auch die Kanzlerin hat den Anspruch, das in die Diskussion einzubringen .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Ich will nur kurz darauf hinweisen, dass die Fragestunde um 15 .30 Uhr endet . Herr Movassat hat zu diesem Komplex noch eine Nachfrage .

Niema Movassat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004114, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke . - Herr Staatssekretär, wir freuen uns, dass die Bundeskanzlerin nach zwölf Jahren Kanzlerschaft die Kritik an den Handelsabkommen anerkennt und sich für einen fairen Handel ausspricht . Auch Ihr Minister Müller hat sich kritisch zu den Handelsabkommen geäußert; das war in vielen Pressemeldungen zu lesen . Nichtsdestotrotz hat er 2014 die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den westafrikanischen Staaten unterschrieben . Mich interessiert, ob Herr Müller angesichts seiner aktuellen Kritik und der Kritik der Kanzlerin diese Abkommen erneut unterschreiben würde, ja oder nein? Hans-Joachim Fuchtel, Parl . Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Es geht um einen etwas anderen Sachverhalt als den, den Sie versuchen darzulegen . Der Sachverhalt ist, dass die EPAs einen Schritt darstellen, um vor allem den Schwellenländern die Problematik zu ersparen, plötzlich unter die Gesamtregularien der WTO zu fallen; das ist sehr wichtig . ({0}) Aber das blenden Sie in Ihren Überlegungen einfach aus . Wer solche Fragen stellt, sollte wagen, auch darauf eine Antwort zu geben . ({1}) Was jetzt geschieht, baut auf dem auf, was bisher geschaffen wurde: Es werden weitere Überlegungen angestellt, die auf etwas Großräumigeres abzielen . Warum braucht man diese Großräumigkeit? Es ist ganz klar: Solange diese Kleinräumigkeit besteht und der Raum der Gültigkeit solcher Abkommen nur beschränkt ist, so lange ist es umso schwerer, die Wirtschaft im größeren Umfang nach Afrika zu bekommen; denn die Unternehmer möchten natürlich einen Wirtschaftsraum von einer gewissen Größe vorfinden, in dem sie ihre Produkte absetzen können . Wenn dieser Raum - auch durch die AusgeUwe Kekeritz staltung von Zollregelungen - sehr kleinräumig und sehr disponibel ist, dann ist das eine Riesenerschwernis, um einen Gesamtimpuls zu geben . Auch das ist ein wichtiges Argument, wenn man in der jetzigen Zeit diese Fragen voranbringen will .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der weiteren Fragen steht Ihnen immer nur eine Minute zur Verfügung, nicht zwei Minuten . Hans-Joachim Fuchtel, Parl . Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Ich kann das Lichtsignal hier vorne nicht immer so gut sehen .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Ach . Das ist schon sehr deutlich . Aber ich habe es ja deshalb noch einmal gesagt . Frau Keul hat eine Nachfrage zu dem gleichen Komplex .

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank . - Nur eine ganz kurze Frage . Herr Staatssekretär, was meinen Sie eigentlich mit „Schwellenländern“? Nach meiner Kenntnis befindet sich unter den ECOWAS-Staaten kein Schwellenland . Hans-Joachim Fuchtel, Parl . Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Ich meinte damit Mitteleinkommensländer - wenn Sie das bitte konkretisiert so zur Kenntnis nehmen wollen .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Jetzt rufe ich Frage 14 des Abgeordneten Niema Movassat auf: Zu welchen Schlussfolgerungen kommt der Bundesminister Dr . Gerd Müller nach der Überprüfung des auch aus deutschen Haushaltsmitteln finanzierten Africa Agriculture and Trade Investment Fund ({0}), die er in der Arte-Doku „Konzerne als Retter?“ ({1}) zusagte, hinsichtlich des Modells des Fonds ({2}), und welche möglichen Änderungen der Fondsstrukturen plant die Bundesregierung? Herr Staatssekretär, bitte . Hans-Joachim Fuchtel, Parl . Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Zur Beantwortung dieser Frage haben wir die Dinge sehr genau untersucht . Wir weichen nicht davon ab, dass Fonds eine gute Lösung sind, um Problematiken, wie wir sie hier haben - es geht um Schwierigkeiten, mehr mittelständisches Wirtschaften nach Afrika zu bringen -, zu bewältigen . Das ist trotz dieser Überprüfung nach wie vor unsere Position . Wir sind ferner der Meinung, dass Luxemburg ein guter Standort ist, und zwar deswegen, weil dort die notwendigen Grundlagen gegeben sind, um einen solchen Fonds effektiv zu fahren. Außerdem sind wir für diese Konstruktionen, weil wir einfach viel mehr Geld auf den Markt bringen müssen, um all die Aufgaben anzugehen, die hier anzugehen sind . Schließlich werden durch die ODA-Quote gerade einmal 15 Prozent des Kapitalzuflusses in die Entwicklungsländer erbracht; 85 Prozent kommen vom Privatsektor . Wenn dem so ist, muss man Konstruktionen finden, durch die man diese Entwicklung verstärken kann, wenn man mehr Geld auf dem Markt haben möchte . Das geschieht mit den vorhandenen Konstruktionen; denn man muss Lösungen finden, die es für das private Kapital interessant machen, sich dort zu engagieren .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Movassat .

Niema Movassat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004114, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke, Herr Staatssekretär . - Ich habe mir angeschaut, welche Unternehmen im Rahmen des AATIF finanziert worden sind. Eins der so finanzierten Unternehmen ist der Finanzinvestor Agrivision . Agrivision hat seinen Sitz im Steuerparadies Mauritius und ist in Sambia tätig; es ist kein mittelständisches Unternehmen . Vor kurzem wurde die Finanzierung von Agrivision in Sambia um fünf weitere Jahre verlängert . Mich würde jetzt interessieren, warum Agrivision aus Sicht der Bundesregierung ein Erfolgsmodell ist? Inwiefern werden damit entwicklungspolitische Ziele wie Bekämpfung der Armut, Schaffung von mehr Arbeitsplätzen, Zahlung besserer Löhne erreicht? Hans-Joachim Fuchtel, Parl . Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: So etwas wird sehr wohl erreicht . Ich bin auch Aufsichtsratsvorsitzender der DEG, die für den Privatsektor innerhalb der KfW zuständig ist . Ich kann Ihnen sagen, dass die Zahl der Arbeitsplätze, die durch solche Konstruktionen geschaffen oder erhalten werden, wodurch in den Ländern dann auch Steuern gezahlt werden, eine sehr erfreuliche Entwicklung genommen hat und sich auf eine Größenordnung zubewegt, die uns veranlassen sollte, all den Finanzierungsinstrumenten noch mehr Aufmerksamkeit zu geben .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Movassat .

Niema Movassat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004114, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke . - Herr Staatssekretär, dass Sie zu dem konkreten Finanzierungsmodell der Agrivision leider keine Angabe machen konnten, ist bedauerlich . Sie sagen: Es ist alles sehr erfolgreich . - In der Tat, in dem Eckpunktepapier „Wirtschaftliche Entwicklung Afrikas - Herausforderungen und Optionen“ vom 7 . Juni bezeichnet die Bundesregierung AATIF als ein innovatives Modell zur Mobilisierung privaten Kapitals und hebt es als Positivbeispiel hervor, wie Sie es jetzt auch getan haben . Mich Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel http://www.arte.tv/de/videos/059525-000-A/konzerne-als-retter http://www.arte.tv/de/videos/059525-000-A/konzerne-als-retter interessiert: Auf welcher Grundlage kommen Sie zu Ihrer Einschätzung? Also: Wurden bestimmte Projekte, die durch AATIF finanziert werden, evaluiert? Wenn es eine Evaluation gab: Zu welchem Ergebnis kam diese? Hans-Joachim Fuchtel, Parl . Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Die DEG ({0}) - AATIF, der Fonds, hängt mit der DEG zusammen geht grundsätzlich so vor: Überall dort, wo sie an einem Fonds beteiligt ist, aus dem Unternehmen entwickelt oder gestützt werden, führt sie Monitoringverfahren durch und weiß durchaus sehr gut, zeitversetzt, welche Entwicklung ausgelöst wurde und was dabei herausgekommen ist .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Kekeritz .

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich wundere mich jetzt über Ihre Detailkenntnisse . Im Vertrag steht, dass dieses Projekt erst im Jahr 2020/21 gemonitort wird . Das heißt, es sind zehn Jahre, die nicht gemonitort werden . Arbeitsplätze das haben Sie angesprochen - sollen geschaffen werden. 1 600 wurden in Sambia versprochen . Realisiert wurden 208 - immerhin: 208 Arbeitsplätze . In der Kalkulation vergessen Sie aber immer, zu sagen, wie viele Existenzen Sie durch diese Landraubprojekte vernichten . Man muss wissen, dass ungefähr 20 000 Familien dort gelebt haben und auch leben konnten, was sie jetzt nicht mehr können . Dazu meine Frage . Es ist bekannt geworden, dass im Jahr 2016 Zinsen in Höhe von 6,1 Millionen US-Dollar aus Afrika in diesen Fonds nach Luxemburg geflossen sind . Für die gesamte Zeit, also von 2011 bis 2016, wurden aber nur Dividenden in Höhe von 3,2 Millionen US-Dollar ausgezahlt . Natürlich ist es so, dass die Privaten höhere Dividendenansprüche haben als die staatlichen Stellen. Aber wie wird eigentlich die Differenz zwischen Dividendenauszahlung und Zinseinnahmen verwaltet? Wie werden diese Überschüsse verrechnet? Oder werden davon Kosten beglichen, die dieser Fonds hat? Wenn das so ist, dann muss dieser Fonds extrem gut bezahlte Jobs haben . Hans-Joachim Fuchtel, Parl . Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege, das kann ich Ihnen jetzt aus dem Stand beim besten Willen nicht in jedem Detail beantworten; ({0}) das muss ich Ihnen schriftlich nachliefern, was ich gern tue . Ich könnte Ihnen jetzt noch die Proportionen zwischen der privaten Seite und der öffentlichen aufzeigen, aber das tue ich dann auch im Zusammenhang mit meiner schriftlichen Mitteilung . ({1})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Der Staatssekretär hat zugesagt, dass die Antwort schriftlich nachgeliefert wird . Damit, liebe Kollegen, verlassen wir diesen Geschäftsbereich und gehen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes über . Hier übernimmt die Beantwortung der Fragen die Staatsministerin Professor Monika Grütters . Ich rufe die Frage 15 der Abgeordneten Tabea Rößner auf: Wann wird die Bundesregierung den laut Beschlusslage des Deutschen Bundestages alle vier Jahre vorzulegenden und seit dem Jahr 2008 nicht mehr vorgelegten Medien- und Kommunikationsbericht vorlegen, damit noch in dieser Wahlperiode parlamentarisch über die Situation der Medienlandschaft beraten werden kann, und falls dieser Bericht nicht mehr bis zum Beginn der parlamentarischen Sommerpause vorgelegt werden kann, was sind die Gründe für den Verzug? Frau Staatsministerin .

Not found (Gast)

So wie sich eben die grüne Kollegin Keul über das Unionsinteresse an Wölfen gewundert hat, bin ich ein bisschen erstaunt darüber, liebe Frau Kollegin Rößner, dass Sie ausgerechnet die Gelegenheit der letzten Fragestunde dieser Legislaturperiode nutzen, um sich nach dem Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung zu erkundigen, weil Ihre Fraktion bisher wenig Interesse daran gezeigt hat; zumindest war ein solches Interesse für mich nicht erkennbar . ({0}) Aber gerade heute, wo das Thema jetzt, um 15 Uhr, auf der Tagesordnung des Kulturausschusses steht, freue ich mich natürlich über Ihr hiesiges vorgelagertes Interesse . Zur Sache: Die Zeitspanne zwischen den Medienberichten variiert stark, und das hat gute Gründe . Der letzte Bericht stammt aus dem Jahr 2008 . In der 17 . Legislaturperiode hat es die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ gegeben . Deshalb hat der Bundestag damals auf einen eigenen Medien- und Kommunikationsbericht verzichtet, aber als Ergebnis der EnqueteKommission eine Bund-Länder-Medienkommission zur Medienkonvergenz eingesetzt . Diese hat von 2015 bis 2016 getagt . Wir hielten es - übrigens in Abstimmung mit den MdB - für richtig, für inhaltlich ergiebig und aus Respekt vor den Ergebnissen der Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz auch für geboten, den Medien- und Kommunikationsbericht erst fertigzustellen, wenn die Ergebnisse dieser Kommission vorliegen . Der Abschlussbericht der Kommission, der schon im Herbst 2016 vorgelegt wurde und der Leitlinien für die Weiterentwicklung der Medienordnung in Deutschland aufzeigt, rechtfertigt meines Erachtens dieses Vorgehen und erfüllt die hohen Erwartungen, die mit der Einsetzung der Kommission von Bund und Ländern einhergingen . Übrigens war daran Baden-Württemberg - und damit auch die Grünen - beteiligt . Wir haben die, wie Sie wissen, erforderliche Ausschreibung für das Gutachten, das wie üblich die wissenschaftliche Basis für den Medien- und Kommunikationsbericht ist, im Lichte der Ergebnisse der Bund-Länder-Kommission formuliert . Dies haben wir ohne Zeitverlust bewerkstelligt, allerdings wohlwissend, dass die Vorlage mit dem Ende der Legislaturperiode kollidiert . Die Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz hat übrigens 2015 ihre Arbeit aufgenommen . Es wäre gut gewesen, im Ausschuss oder auch an dieser Stelle einmal die Frage zu erörtern: Was erwarten wir von den Ergebnissen der Kommission für den Bericht?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Kollegin, Sie haben das Wort .

Tabea Rößner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004138, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin Grütters . Ich halte Ihre Vorbemerkung vonseiten der Bundesregierung für nicht angemessen, was ich hier anmerken möchte; denn schließlich gab es verschiedene Anfragen von verschiedenen Fraktionen, auch von unserer parlamentarischen Geschäftsführung bereits vor zwei Jahren, wann dieser Bericht vorgelegt wird . Wir haben in der Obleuterunde des Kultur- und Medienausschusses seit Anfang des Jahres immer wieder darüber gesprochen - im Übrigen von Kollegen Ihrer Fraktion -, dass er noch vor der Sommerpause vorliegen und besprochen werden soll . Deshalb verstehe ich Ihre Vorbemerkung nicht . Der angemahnte Bericht unterscheidet sich von dem der Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz, weil es darum geht, eine Bewertung abzugeben über die zunehmende Medienkonzentration, über die Medienlandschaft, über die Medienvielfalt in diesem Land, was für unseren demokratisch-freiheitlichen Diskursprozess und Meinungsbildungsprozess von essenzieller Bedeutung ist . Ich verstehe nicht ganz, warum Sie sich über den Beschluss des Bundestages, alle vier Jahre einen solchen Bericht vorzulegen, hinwegsetzen . Daher die Frage: In welchem Stadium befindet sich der Bericht, und können nicht bereits fertiggestellte Teile, die über das genannte Gutachten des Hans-Bredow-Instituts hinausgehen, noch vorgelegt werden?

Not found (Gast)

Wie gesagt, das von der Bundesregierung beauftragte wissenschaftliche Gutachten des Hans-Bredow-Institutes ist die Grundlage . Jetzt wird das Gutachten ausgewertet . Uns ist dabei wichtig, dass das nicht einseitig durch BKM geschieht, sondern im Austausch mit Ihnen . Wie Sie wissen, liegt das Gutachten seit April 2017 vor . Wir haben es am 6 . Juni an den Kulturausschuss gesandt, versehen mit einer fünfseitigen aus unserer Sicht ersten Auswertung und politischen Bewertung . Seit dem 27 . Juni, also seit gestern, ist das Gutachten online . Wir wollen diese Themen gemeinsam mit dem Bundestag erörtern . Wir können natürlich auch eine einseitige, regierungsseitige politische Bewertung vornehmen . Das war aber bislang unüblich und soll es auch künftig sein . Es ist klar: Das fällt in die Diskontinuität dieser Legislaturperiode . Eine gemeinsame Erörterung erscheint uns aber wichtiger, als allein eine regierungsamtliche politische Bewertung vorzunehmen . Das ist im Übrigen auch der Grund, warum das Thema jetzt im Kulturausschuss des Deutschen Bundestages behandelt wird . Die SPD-Fraktion macht übrigens auch einen Medienpolitischen Dialog dazu; das durfte ich wohl weitersagen . Die Einordnung des Themas war, denke ich, notwendig . Ich hätte es überhaupt nicht nachvollziehen können, wenn wir die Ergebnisse der Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz in keiner Weise in diesem Bericht gewürdigt hätten .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Rößner .

Tabea Rößner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004138, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe die Nachfrage, wann Sie zu der Erkenntnis gekommen sind, dass Sie diesen Bericht in diesem Jahr nicht mehr vorlegen, nachdem es in der Vergangenheit in entsprechenden Antworten immer wieder Vertröstungen gab, dass der Bericht noch kommen wird, und wir im Kultur- und Medienausschuss fest damit gerechnet haben, den Bericht noch vor der Sommerpause diskutieren zu können .

Not found (Gast)

Wenn die wissenschaftliche Grundlage erst im April vorliegt, dann kann sich jeder, der mitreden will, ausrechnen, dass das bis zur Sommerpause nur in dem Maße geht . Sie haben das Thema auch nicht eher auf die Tagesordnung des Kulturausschusses gesetzt . ({0}) - Ja . Wir haben eine erste fünfseitige Einordnung vorgenommen; die liegt Ihnen seit dem 6 . Juni vor . ({1}) Ich denke, schneller war es nicht möglich . Ich habe Ihnen im Übrigen die drei großen Themenblöcke genannt, die aus unserer Sicht wichtig sind: Regulierung sozialer Netzwerke sowie Maßnahmen gegen Hasskriminalität, zukünftige Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Grundversorgung, Sicherung vielfältiger Angebote von Qualitätsmedien . All das ist dem Ausschuss und seinen Mitgliedern am 6 . Juni auf mehreren Seiten zugegangen . Wie gesagt, das wissenschaftliche Gutachten liegt Ihnen auch vor . ({2}) - Wir können den Bericht natürlich auch ohne Einbeziehung des Deutschen Bundestages erstellen . Ich glaube aber, dass das wesentlich unwürdiger gewesen wäre .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Liebe Kollegin, Ihre Fragen sind damit beantwortet . Die Frage 16 der Abgeordneten Martina Renner wird schriftlich beantwortet . Ich leite dann zum nächsten Geschäftsbereich über, nämlich zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts . Hier übernimmt der Staatsminister Michael Roth die Beantwortung der Fragen . Die Fragen 17 und 18 des Abgeordneten Özcan Mutlu, die Frage 19 der Abgeordneten Erika Steinbach und die Frage 20 des Abgeordneten Andrej Hunko werden schriftlich beantwortet . Ich rufe Frage 21 der Abgeordneten Heike Hänsel auf: Über welche eigenen ({0}) oder auch im Rahmen der NATO erhaltenen Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung über den Abschuss eines Kampfflugzeuges der syrischen Luftwaffe durch das US-Militär nahe Rakka?

Not found (Gast)

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Frau Kollegin Hänsel, der Bundesregierung liegen über den Abschuss eines syrischen Kampfflugzeugs durch die Vereinigten Staaten von Amerika keine eigenen Erkenntnisse und auch keine Erkenntnisse im Rahmen der NATO, die wir möglicherweise erhalten haben könnten, vor . Die Informationen, die uns zur Verfügung stehen, sind jene, zu denen auch Sie Zugang haben. Sie finden sich nämlich in der auf einer Website veröffentlichten Stellungnahme der Anti-IS-Koalition . Die sogenannte Combined Joint Task Force der Operation Inherent Resolve hat sich nach dem Vorfall öffentlich dazu geäußert und Stellung bezogen . Wie gesagt, Sie können diese Stellungnahme lesen; sie ist relativ ausführlich . Demnach erfolgte der Abschuss des Kampfjets, nachdem dieser Kampfjet Einheiten der von der Anti-IS-Koalition unterstützten Syrian Democratic Forces angegriffen haben soll.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Hänsel .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön . - Herr Staatsminister, die NATO ist ja mittlerweile Teil der Anti-IS-Koalition . Im Rahmen dessen muss es ja einen Informationsaustausch geben . Die Bundeswehr hat ja, wie wir alle wissen, bisher Tornados in Incirlik stationiert - sie werden jetzt nach Jordanien verlegt -, die Aufklärung betreiben . Insofern möchte ich nachhaken . Es kann ja wohl nicht der Ernst sein, dass die Bundesregierung über keine umfassenderen Erkenntnisse verfügt als jene, die auf dieser Website zu finden sind; es erschreckt mich eigentlich schon . In diesem Zusammenhang möchte ich festhalten, dass es dazu widerstreitende Darstellungen gibt . Die syrische Luftwaffe sagt, dass sie nicht SDF-Kämpfer bombardiert, sondern die IS-Stellung bei al-Rusafa angegriffen haben . Ist Ihnen darüber etwas bekannt?

Not found (Gast)

Liebe Frau Kollegin Hänsel, Ihre Nachfrage gibt mir Gelegenheit, klarzustellen, dass die deutschen Tornados vom 19. bis zum 22. Juni keine Aufklärungsflüge durchgeführt haben . Insofern liegen uns logischerweise keine eigenen Erkenntnisse vor . Das war auch ein Beitrag zur Deeskalation . Wir haben die Flugzeuge erst wieder seit dem 24 . Juni eingesetzt ({0}) - Entschuldigung, seit dem 23 . Juni - und seit dem 24 . Juni auch über dem östlichen Teil Syriens .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Hänsel .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich habe noch eine generelle Frage zu dem Abschuss des syrischen Kampfflugzeugs und auch iranischer Drohnen durch das US-Militär in Syrien . Das ist ja eine äußerst gefährliche Situation und Zuspitzung, zumal die russische Seite die Kooperation mit den USA aufgekündigt hat . Im Rahmen des Memorandums zur Flugsicherheit soll solchen Vorfällen vorgebeugt und sich umfassend über die Flugbewegungen ausgetauscht werden . Russland wirft den USA vor, das Memorandum gebrochen zu haben, indem sie den Angriff vorher nicht angekündigt, sondern sofort reagiert haben . Was macht die Bundesregierung ganz konkret, um eine weitere Zuspitzung in dieser Region - womöglich greifen sich russische und US-amerikanische Kampfflugzeuge gegenseitig an oder das russische und das US-amerikanische Militär geraten in eine direkte militärische Auseinandersetzung mit weitreichenden Folgen - im Rahmen der NATO zu verhindern?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Hänsel, der Zwischenfall zeigt erneut, wie schwierig und komplex die Lage ist und wie schwierig auch der notwendige Kampf gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ ist . Ich will noch einmal klarstellen: Wir führen eine militärische Auseinandersetzung gegen eine Terrororganisation, aber nicht gegen einen Staat und auch nicht gegen demokratische Kräfte, die in den sogenannten Syrian Democratic Forces zusammengefasst werden . Sie haben darüber hinaus darauf hingewiesen, dass Russland infolge des Abschusses des Flugzeuges öffentlich erklärt hat, das sogenannte Deconflicting einzustellen . Wir fühlen uns - und damit meine ich die gesamte Anti-IS-Koalition - weiterhin dem Prinzip von DeconStaatsministerin Monika Grütters flicting verpflichtet. Ich habe auch den Eindruck, dass das nach wie vor im Interesse aller Beteiligten und aller Parteien ist .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit sind die Fragen zu diesem Geschäftsbereich abgeschlossen . Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern . Hier übernimmt die Beantwortung der Fragen der Parlamentarische Staatssekretär Dr . Günter Krings . Die Frage 22 des Kollegen Oliver Krischer wird schriftlich beantwortet . Ich rufe die Frage 23 des Kollegen Volker Beck auf: Welche straf- und dienstrechtlichen Maßnahmen prüft bzw . ergreift die Bundespolizeidirektion in Pirna im Zusammenhang mit dem an die Öffentlichkeit gelangten Protokoll der WhatsApp-Gruppe der AfD Sachsen-Anhalt, ausweislich dessen mindestens ein mutmaßlicher Bundespolizist Äußerungen, die der freiheitlichen demokratischen Ordnung zuwiderlaufen ({0}), getätigt haben soll ({1}), und inwiefern plant bzw . ergreift die Bundesregierung Maßnahmen, um auf die verfassungswidrigen Äußerungen mutmaßlicher Bundespolizisten, die im Netz veröffentlicht worden sind ({2}), zu reagieren? Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Vielen Dank . - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Beck, die Bundespolizeidirektion Pirna hat unmittelbar nach Bekanntwerden des inkriminierten Chatverlaufs gegen einen Beamten der Bundespolizei wegen möglicher Verstöße gegen die politische Neutralitäts- und Mäßigungspflicht, gegen die Pflicht zum Bekenntnis zur und zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung sowie die Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes ein Disziplinarverfahren eingeleitet . In diesem Zusammenhang wird allerdings darauf hingewiesen, dass nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen zu den 221 Seiten umfassenden Protokoll des WhatsApp-Chatverlaufes unter Beteiligung unterschiedlicher Personen die beispielhaft zitierte Äußerung „Nach der Machtübernahme Journalisten sieben“ - wir kennen sie aus der Presse - nicht von diesem Teilnehmer des WhatsApp-Chats stammt, der nach derzeitigen Erkenntnissen der Bundespolizei angehören könnte . Über den Einzelfall hinaus bleibt festzuhalten - das ist mir besonders wichtig, Herr Kollege Beck -, dass weder die Bundespolizei noch das innerhalb der Bundesregierung für die Bundespolizei zuständige Bundesinnenministerium verfassungswidrige Äußerungen oder Verstöße gegen die politische Neutralitäts- und Mäßigungspflicht oder andere Pflichtverstöße ihrer Beamten tolerieren. Werden mögliche Verstöße bekannt, so werden - wie auch dieser Einzelfall zeigt - aufgrund sofort aufgenommener Ermittlungen etwaige disziplinarrechtliche Maßnahmen geprüft und gegebenenfalls Disziplinarverfahren eingeleitet . Weiter gehende Maßnahmen der Strafverfolgung obliegen den zuständigen Strafverfolgungsbehörden .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Beck .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Können Sie denn eine Aussage darüber treffen, wem diese Aussage zuzuordnen ist? Im wiederstand sind wir schon lange alle, aber wir haben uns bis jetzt klein und unauffällig gemacht, vor allem um uns und unsere familien und soziale Kontakte zu schützen . . . Aber es wird sich zunehmend ändern und irgendwann nicht mehr so weitergehen . Ich hab schon lange keine lust mehr mich zu verstecken! Dasselbe gilt für die Äußerung, die Sie teilweise zitiert haben und die ja nach dem „sieben“ wie folgt weiter geht: „Chefs sofort entlassen, volksfeindliche Medien verbieten“ . Diese Äußerung ist von der Intention her ausdrücklich darauf ausgerichtet, die freiheitlich-demokratische Grundordnung, zu der die freie Presse gehört, zu untergraben . Wird das Bundespolizisten zugeordnet oder welchen anderen Personen, die sich ja auch in dem Chat befanden? Man muss ja fragen: Hätten die das nicht aus dienstlichen Gründen melden bzw . anzeigen müssen? Denn hier besteht doch schon die Gefahr, dass das auf Strafbzw . Gewalttaten ausgerichtet ist .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Also, wir können bisher nur bestätigen, dass es sich um einen Bundespolizisten - das betrifft den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern - handeln könnte oder wahrscheinlich handelt . Ich will das mit aller Vorsicht formulieren . Gegen den gibt es ein Disziplinarverfahren . Ich kenne jetzt nicht den gesamten Chatverlauf und kann nicht alle Äußerungen hier auswendig zuordnen . Deshalb kann ich nicht sagen, ob auch das Äußerungen von ihm sind . Das mag sein; ich kann das jetzt nicht nachvollziehen . Jedenfalls wird all das dezidiert im Disziplinarverfahren eine Rolle spielen . Wir nehmen diesen Sachverhalt nicht leicht .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das nachreichen könnten . Ich habe noch eine Nachfrage . Der gesamte Chatverlauf liegt ja jetzt den Behörden vor . Weil auch der Vorsitzende der sachsen-anhaltinischen AfD, Poggenburg, Mitglied dieser Chatgruppe war, möchte ich fragen, ob das nicht ein Grund ist, zu überprüfen, ob nicht zumindest Gliederungen der AfD vom Bundesamt für VerfasStaatsminister Michael Roth http://www.morgenpost.de/politik/article2l0986363/Bundespolizei-prueft-nach-AfD-Leak-Konsequenzen-fuer-Beamte.html http://www.morgenpost.de/politik/article2l0986363/Bundespolizei-prueft-nach-AfD-Leak-Konsequenzen-fuer-Beamte.html http://www.morgenpost.de/politik/article2l0986363/Bundespolizei-prueft-nach-AfD-Leak-Konsequenzen-fuer-Beamte.html https://twitter.com/LarsWienand https://linksunten.indymedia.org/de/node/215841 sungsschutz nach dem geltenden Recht beobachtet werden müssten .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Es geht jetzt erst einmal um dieses Disziplinarverfahren . Natürlich kann ich nicht ausschließen - das will ich auch gar nicht -, dass daraus weitere Erkenntnisse gewonnen und Schlussfolgerungen gezogen werden können . Zum jetzigen Zeitpunkt würde ich es für verfrüht halten, damit sofort Maßnahmen des Verfassungsschutzes zu verbinden . Aber natürlich muss man diese Erkenntnisse - wie vieles andere auch - auswerten und schauen, ob weitere Konsequenzen zu ziehen sind . ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Dann rufe ich jetzt die Frage 24 auf, ebenfalls vom Kollegen Beck: Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den ({0})Drohungen im Zusammenhang mit der Eröffnung der liberalen Moschee in Berlin ({1}), und welche Auswirkungen hat es nach ihrer Auffassung, dass die Eröffnung dieser Moschee fälschlicherweise mit der Gülen-Bewegung in Zusammenhang gebracht wurde, auf die Beziehungen zu der türkischen Regierung sowie den der türkischen Regierung rechtlich oder faktisch zugeordneten Stellen in Deutschland, insbesondere der DITIB ({2})? Herr Staatssekretär .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Beck, die Bundesregierung verfolgt die Reaktionen auf die Eröffnung der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin natürlich sehr aufmerksam. Das betrifft sowohl die nationalen als auch die internationalen Reaktionen, die uns bekannt geworden sind . Für die Durchführung von gegebenenfalls erforderlichen Gefährdetenansprachen bzw . Sensibilisierungsgesprächen sowie für die Ergreifung gegebenenfalls erforderlicher polizeilicher Schutzmaßnahmen sind natürlich originär die Länder, also hier das Land Berlin, zuständig . Sie wissen das wahrscheinlich; ich betone es aber noch einmal für die Kollegen: Die Sprecher des Auswärtigen Amtes und unseres Ministeriums, des BMI, haben am vergangenen Freitag in der Pressekonferenz der Bundesregierung in Reaktion insbesondere auf Stellungnahmen der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet und auch der staatlichen ägyptischen sogenannten Fatwah-Behörde Dar al-Ifta in aller Klarheit Äußerungen zurückgewiesen, die offensichtlich darauf abzielen, Menschen in Deutschland das Recht zur freien Ausübung ihrer Religionsfreiheit abzusprechen bzw . das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken . Deutschland ist ein Staat, der weltanschaulich und religiös neutral ist und in dem das Grundrecht der individuellen und kollektiven Religionsfreiheit gilt . Religiöse Gemeinschaften haben das Recht, ihre Angelegenheiten selbst zu bestimmen . Insbesondere Äußerungen, die diese Rechte infrage stellen oder gar geeignet sein könnten, den öffentlichen Frieden zu stören, sind nicht hinnehmbar . Es wurde angekündigt, dies im Rahmen der bilateralen Beziehungen mit den betroffenen Staaten zur Sprache zu bringen .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Beck .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dieser Vorgang bietet erheblichen Anlass zur Sorge, zum einen, weil türkische Medien fälschlicherweise behauptet haben, ein gewisser Herr Karakoyun von der Stiftung Dialog und Bildung - das ist eine Gülen-nahe Organisation - habe mit dieser Moschee etwas zu tun und dieser daraufhin mehrere Morddrohungen erhalten hat . Das zeigt, dass man wieder versucht, alles in die Gülen-Ecke zu schieben, obwohl diese Moschee vollkommen unverdächtig ist . Zum anderen darf man natürlich auch nicht einen Gülen-Anhänger mit Morddrohungen überziehen . Deshalb möchte ich wissen: Wie schätzen Sie die Sicherheitslage sowohl für die liberale Moschee als auch von Mitgliedern der Stiftung Dialog und Bildung ein, die ein ganz anderes Islamverständnis haben, als es bei dieser liberalen Moschee der Fall ist?

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Lieber Kollege Beck, ich habe ja gesagt, dass wir das sehr ernst nehmen, was unseren Zuständigkeitsbereich anbelangt . Wir würden aber, glaube ich, nicht fachgerecht handeln, wenn wir die konkrete Gefährdungseinschätzung vor Ort den Berliner Behörden abnehmen würden . Das müssen die Berliner Behörden tun . Ich habe auch keinen Grund, anzunehmen, dass sie das bei beiden Sachverhalten nicht in aller Sorgfältigkeit und Ernsthaftigkeit tun .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dann noch eine eher religionspolitische Frage . Die vier Verbände im Koordinierungsrat für Muslime sind auch Teil der Deutschen Islam Konferenz . Diese Verbände haben jeweils sicher ein anderes Verständnis vom Islam als Frau Ates . Es ist beiden Seiten gleichermaßen unbenommen, ihre Religion so unterschiedlich zu interpretieren, wie wir das auch im Christentum und im Judentum zu tun pflegen. ({0}) Aber wäre es nicht überlegenswert, diese Verbände durch eine Anregung des Bundesinnenministers dazu zu bekommen, sich gemeinsam vor die Pluralität zu stellen und zu sagen: „Unabhängig davon, für wie islamisch wir das halten, ist das von der Religionsfreiheit gedeckt . So, wie wir unser konservatives Verständnis von der RechtsVolker Beck ({1}) http://www.welt.de/vermischtes/article165722820/Morddrohungen-wegen-Eroeffnung-von-liberaler-Moschee-in-Berlin.html http://www.welt.de/vermischtes/article165722820/Morddrohungen-wegen-Eroeffnung-von-liberaler-Moschee-in-Berlin.html http://www.welt.de/vermischtes/article165722820/Morddrohungen-wegen-Eroeffnung-von-liberaler-Moschee-in-Berlin.html ordnung respektiert wissen wollen, verlangen wir, dass auch andere Verständnisse respektiert werden“? Wir reden hier über Morddrohungen und über Äußerungen von Diyanet, die ja zum Beispiel die Aufsichtsbehörde der DITIB ist .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Kollege Beck, eine Bemerkung zum Schluss: DITIB jedenfalls hat sich hierzu nicht geäußert . Das ist vielleicht einer der wenigen positiven Punkte, die man in letzter Zeit über DITIB berichten konnte . ({0}) Sie haben zunächst einmal vollkommen recht: Als Innenministerium ist es uns ein Anliegen - das haben wir über diesen Fall hinaus gezeigt -, diese Verbände zusammenzubringen und sie zu gemeinsamen Äußerungen zu bewegen, sich auch abzugrenzen von Äußerungen, die nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung übereinstimmen und nicht auf der Akzeptanz der Religionsfreiheit basieren . Das wäre an dieser Stelle sicher auch ein Ansatz . Zum Thema Diyanet will ich ganz klar sagen: Der Äußerung, die die Grundlage Ihrer Frage bildet, liegt offenbar ein vollkommen anderes Verständnis von Religionsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit zugrunde . Man darf dieses Verständnis äußern . Das ist aber nicht das gemeinhin europäische Verständnis von Religionsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit . ({1}) - Ich werde diese Anregung ins Haus mitnehmen . Wir werden schauen, in welcher Form wir diesen Fall weiterverfolgen . ({2})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Ich rufe die Frage 25 der Kollegin Tabea Rößner auf: Unter welchen Umständen kann die Einreisesperre bei einer trotz Ausbildungsduldung erfolgten Abschiebung aufgehoben werden, und wie kann es der abgeschobenen Armenierin Marine Nikoghosyan ermöglicht werden, ihre Ausbildung in Mainz fortzusetzen ({0})? Herr Staatssekretär .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin, ich muss Ihnen sagen: Die Entscheidung über die Aufhebung oder Verkürzung einer Einreisesperre, worum es bei diesem ganz konkreten Fall geht, liegt allein bei der zuständigen Ausländerbehörde . Ich weise darauf hin, dass der von Ihnen zitierte Sachverhalt aus unserer Sicht eine Reihe ungeklärter Fragen aufweist, zu denen aktuell ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Koblenz anhängig ist . Von hier aus ist es uns daher leider nicht möglich, alle Einzelheiten des Falles abschließend juristisch zu bewerten .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Rößner .

Tabea Rößner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004138, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wir haben gehört, dass das kein Einzelfall ist und so etwas öfter vorkommt . Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben natürlich ein Interesse daran, dass diejenigen, die sie ausbilden, bleiben können und es eine Sicherheit gibt . Was unternimmt denn die Bundesregierung, damit es nicht zu Abschiebungen während der Ausbildung kommt, und wie steht die Bundesregierung zu einer Verlängerung der Duldung auf fünf Jahre, also während der Ausbildungszeit und darüber hinaus?

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Frau Kollegin, ich habe das vorhin so betont, weil Sie einen konkreten Fall genannt haben . Wenn ich mich im Einzelnen dazu äußern soll, will ich dabei nicht in diesen Rechtsstreit eingreifen . Uns liegen einfach nicht alle Fakten vor . Ich habe Informationen - das sage ich mit aller Vorsicht -, dass in diesem Fall ein Problem darin bestand, dass das Bleiberecht wegen einer Ausbildung zwar gewollt war, die Ausbildung, jedenfalls die ursprüngliche, aber abgebrochen worden ist, was eine weitere Verkomplizierung darstellt . Ich will gar nicht abschließend bewerten, ob es trotzdem eine Möglichkeit gibt . Ich will nur sagen: Was die Bundesregierung machen kann und auch macht, ist, dem Deutschen Bundestag Gesetzentwürfe vorzulegen . Er hat Folgendes verabschiedet: Nach § 11 Absatz 4 des Aufenthaltsgesetzes gibt es grundsätzlich Möglichkeiten - danach haben Sie gefragt -, Einreisesperren zu verkürzen . In § 17 des Aufenthaltsgesetzes wird eine Ausbildung als mögliche Voraussetzung für ein Visum angesehen . Das liegt aber immer im pflichtgemäßen Ermessen der örtlichen Ausländerbehörde, zum Teil auch der Bundesagentur für Arbeit .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Rößner .

Tabea Rößner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004138, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Eine konkrete Nachfrage: Wenn ich abgeschoben worden bin und mich im Ausland befinde und es eine Einreisesperre gibt, unter welchen Umständen kann ich diese umgehen, um zurückzukommen? Alle Beteiligten wollen ja, dass die Ausbildung fortgesetzt wird . Volker Beck ({0}) http://www.allgemeine-zeitung.de/politik/rheinland-pfalz/neue-fragen-im-fall-der-nach-armenien-abgeschobenen-marine-nikoghosyan_17917975.htm http://www.allgemeine-zeitung.de/politik/rheinland-pfalz/neue-fragen-im-fall-der-nach-armenien-abgeschobenen-marine-nikoghosyan_17917975.htm http://www.allgemeine-zeitung.de/politik/rheinland-pfalz/neue-fragen-im-fall-der-nach-armenien-abgeschobenen-marine-nikoghosyan_17917975.htm http://www.allgemeine-zeitung.de/politik/rheinland-pfalz/mainz-kreuznach-armenierin-ministerium-abschiebung-ministerium_17927000.htm http://www.allgemeine-zeitung.de/politik/rheinland-pfalz/mainz-kreuznach-armenierin-ministerium-abschiebung-ministerium_17927000.htm http://www.allgemeine-zeitung.de/politik/rheinland-pfalz/mainz-kreuznach-armenierin-ministerium-abschiebung-ministerium_17927000.htm

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Ich will noch einmal betonen, dass ich mich nicht zu dem Fall äußern möchte . Generell gibt es natürlich nicht die Möglichkeit, Einreisesperren zu umgehen . Ich weiß nicht, ob es sie faktisch gibt, aber als Vertreter des Bundesinnenministeriums würde ich dringend davon abraten, geltendes Recht, das der Deutsche Bundestag beschlossen hat und worüber Sie alle mehrheitlich abgestimmt haben, zu umgehen . Aber es gibt die Möglichkeit, Einreisesperren zu verkürzen. Das wiederum steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde . Dazu gibt es bestimmte Anforderungen, die ich im Einzelfall jetzt nicht nennen kann . Diese Möglichkeiten sieht das Gesetz natürlich vor, wie ein Blick in § 11 des Aufenthaltsgesetzes zeigt .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Die Fragen 26 und 27 der Kollegin Ulla Jelpke aus diesem Geschäftsbereich werden schriftlich beantwortet . Damit kommen wir zu Frage 28 der Kollegin Luise Amtsberg, die ich aber nicht sehe . ({0}) Daher wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen . ({1}) Das gilt dann auch für die Frage 29 der Kollegin Luise Amtsberg . Damit kommen wir zu Frage 30 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu der ({2})Kontaktperson des Attentäters Anis Amri, welche er in den letzten Wochen vor seinem Attentat durch intensive Kommunikation etwa in Chats im Detail hierzu anleitete, vor allem zu Identität und Aufenthalt dieser Person Ende 2016 sowie zu dessen etwaiger Tötung durch den US-Bombenangriff am 18./19. Januar 2017 in Libyen, und wie trug das Bundesamt für Verfassungsschutz seit dem Jahr 2015 zur Beobachtung und möglichen Sistierung des Gefährders Anis Amri, insbesondere durch ({3}) pflichtgemäße Koordinierung und „zentrale Auswertung“ der Erkenntnisse über dessen bundesländerübergreifende Aktivitäten, bei? Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Vielen Dank . - Dass Frau Amtsberg nicht da ist, bedaure ich ausdrücklich, aber in der letzten Sitzungswoche habe ich für vieles Verständnis; das ist eine anspruchsvolle letzte Sitzungswoche . Grüßen Sie sie herzlich . ({0}) Ich wende mich jetzt aber Herrn Ströbele zu . Es ist wahrscheinlich die letzte Frage von Ihnen, die ich hier in der Fragestunde beantworten darf . Wir haben schon mehrfach die Gelegenheit gehabt . Ich fürchte, dass ich auch diesmal nicht zu Ihrer vollumfänglichen Zufriedenheit antworten kann, weil Sie, wie so oft, neuralgische und sensible Themen ansprechen . Ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten: Die Auswertung der Kommunikation des Anis Amri und die Identität seiner Kontaktpersonen sind Gegenstand laufender Ermittlungen . Deshalb müssen Auskünfte zum ersten Teil Ihrer eigentlich zweiteiligen Fragestellung leider unterbleiben . Trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, tritt hier nach sorgfältiger Abwägung der betroffenen Belange im Einzelfall das Informationsinteresse des Parlaments hinter das berechtigte Geheimhaltungsinteresse zurück . Eine Auskunft zu Erkenntnissen aus dem Ermittlungsverfahren würde konkret weiter gehende Ermittlungsmaßnahmen erschweren oder gar vereiteln, weshalb aus dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit folgt, dass hier das betroffene Interesse der Allgemeinheit an der Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und Strafverfolgung Vorrang vor dem Informationsinteresse hat . Vielleicht kann ich Sie mit dem Hinweis auf die Strafrechtspflege eher überzeugen als mit meinen Versuchen, Ihnen in anderen Zusammenhängen die Arbeit der Nachrichtendienste als schutzwürdig nahezubringen . Ich würde gerne zum zweiten Teil Ihrer Frage ausführen, dass im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenerfüllung des BfV, des Bundesamts für Verfassungsschutz, die Person Amri seit Bekanntwerden Anfang 2016 durch das BfV bearbeitet, Erkenntnisse zu Amri be- und ausgewertet sowie im Rahmen des GTAZ erörtert wurden . Dabei weise ich erneut darauf hin, dass der Fall Amri von Beginn an durch die Polizeibehörden der Länder Nordrhein-Westfalen und Berlin federführend bearbeitet wurde . Die wesentlichen Erkenntnisse sind damit durch die Strafverfolgungsbehörden erhoben worden . Eine eigene Überwachung Amris durch das BfV mit nachrichtendienstlichen Mitteln fand zu keiner Zeit statt .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Ströbele .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, das war ja nicht sehr nett .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Aber leider notwendig .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Den ersten Teil Ihrer Antwort kann ich schon fast auswendig, weil der immer gleichlautend ist .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Ich habe ein bisschen variiert heute .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ein bisschen variiert war es nicht . Ich frage Sie noch einmal ganz konkret; denn wenn das in der Zeitung steht, hat doch der Abgeordnete das Bedürfnis, zu erfahren, ob da was dran ist, gerade in einem so wichtigen Fall wie Amri . Am 21 . Juni 2017 steht in der Welt sogar der Kampfname: Abu Baraa al-Iraqi . Das soll der Chatpartner, der Telefonpartner von Amri in Libyen gewesen sein . Wir wissen ja, dass bei Amri libysche Telefonnummern festgestellt worden sind, bei denen er sich gemeldet und darum gebeten hat, ihm Hinweise zu geben, wie er einen Anschlag durchführen kann . Könnte das diese Person sein, bzw . gibt es - ich sage es noch einmal allgemeiner - überhaupt eine Person, die inzwischen ermittelt ist, mit der er Anschlagspläne in Syrien erörtert hat?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Ja, Frau Präsidentin . - Ich habe eben ausgeführt, dass es sich um laufende Ermittlungen handelt. Offenbar lesen wir auch nicht dieselben Zeitungen . Ich hätte Sie eher für eine andere Zeitung in Verdacht gehabt. Aber offenbar lesen Sie die Welt ausführlicher und intensiver, als ich das tue . Ich kenne diesen Artikel nicht . Ich will auch nicht ausschließen, dass dort Namen genannt worden sind . Aber es ist immer noch etwas anderes, ob eine Zeitung, aus welchen Quellen auch immer, bestimmte angebliche Informationen oder Behauptungen niederschreibt oder ob ich hier etwas dementiere oder bestätige, also ob sozusagen regierungsamtlich etwas verlautbart wird . Das hat nach wie vor Konsequenzen für laufende Ermittlungen, die ich bitte sehr ernst zu nehmen . Es geht hier auch um den Schutz der Strafrechtspflege.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Liebe Kollegen, es tut mir leid, aber ich muss die Fragestunde an dieser Stelle beenden . ({0}) - Herr Ströbele, Sie können Ihre Frage noch stellen .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dann frage ich Sie nach einer zweiten Person, und zwar heißt die Ben Ammar . Das ist die Person, die - öffentlich bekannt, auch in offiziellen Berichten stehend mit Herrn Amri kurz vor dem schrecklichen Anschlag in Berlin abends zusammen in einer Kneipe gewesen ist und gegessen hat . Diese Person ist dann festgenommen und nach Tunesien abgeschoben worden, sodass man von ihr keine Informationen mehr bekommen kann . Können Sie sagen, welche Verdachtsmomente zu dieser Person, deren Name auch offiziell bekannt gegeben worden ist, im Fall Amri bestehen?

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Ich kann die ganzen Fakten, Frau Präsidentin, jetzt nicht im Detail berichten . Aber ich kann versprechen, dass wir das nachliefern, wenn Sie dazu konkrete Nachfragen haben . Ich kann aus meiner Erinnerung heraus nur sagen, dass natürlich eine Abschiebung erfolgt ist, aber erst nachdem sich die Sicherheitsbehörden mit dieser Person beschäftigt hatten . Die Abschiebung hat also nicht dazu geführt, dass keine Erkenntnisse erlangt werden konnten, die man sonst hätte erlangen können . Erst haben die Sicherheitsbehörden ihre Arbeit gemacht, und dann wurde entschieden, ihn abzuschieben . Das ist übrigens auch die Politik der Bundesregierung: dass wir die Menschen, die wir für Gefährder, für gefährlich halten und die keinen Aufenthaltsstatus haben, lieber nicht in unserem Land haben wollen . Wenn Sie dazu noch konkrete Fragen haben, bin ich gerne bereit, dem noch einmal nachzugehen . Ich lade Sie ein, mir das noch einmal schriftlich zu geben . ({0}) - Wir haben noch den ganzen Sommer . Seien Sie im Übrigen weiterhin meiner Wertschätzung versichert . ({1}) - Das hoffe ich doch. ({2})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Kollege Ströbele, wir haben jetzt noch drei Minuten . Sie müssten mir sagen, ob Sie zu Ihrer nächsten Frage - Europarechtswidrigkeit der Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten - lieber eine schriftliche Antwort haben wollen oder ob Sie die Frage mündlich beantwortet haben möchten .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dazu hätte ich gerne eine schriftliche Antwort, obwohl ich den Medien entnommen habe - man soll sich ja immer gut in den Medien informieren -, dass offenbar meinem Wunsch, den ich in dieser Frage geäußert habe, nämlich die Vorratsdatenspeicherung mindestens auszusetzen, inzwischen stattgegeben worden ist . Wenn mir das noch offiziell bestätigt wird, wäre ich sehr zufrieden . - Danke sehr .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz auf . - Herr Staatssekretär Lange .

Christian Lange (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003168

Frau Präsidentin, ich kann nach unserer Geschäftsordnung nur auf die schriftlich eingereichte Frage des Kollegen antworten . ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Dann rufe ich jetzt die Frage 31 des Kollegen Ströbele auf: Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 22 . Juni 2017 ({0}), wonach die auf Initiative der Bundesregierung im Dezember 2015 durch die Koalitionsmehrheit im Bundestag beschlossene und ab dem 1 . Juli 2017 in Kraft tretende Pflicht von Telekomanbietern gemäß § 113b TKG zur pauschalen, anlasslosen Vorratsspeicherung von Verkehrsund Standortdaten ihrer Nutzer europarechtswidrig sei, nämlich die EU-Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation 2002/58/EG vom 12 . Juli 2002 verletze, und wird die Bundesregierung nun jene Gesetzespflicht wenigstens rasch aussetzen lassen oder - wie vom Provider-Branchenverband eco verlangt - mit „einer Grundsatzentscheidung … die Vorratsdatenspeicherung endgültig … stoppen“, damit die Unternehmen kein „europarechts- und verfassungswidriges Gesetz umsetzen … müssen und damit Gelder in Millionenhöhe in den Sand … setzen“ ({1})?

Christian Lange (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003168

Ich will die Frage gerne beantworten . Wenn es dazu eine Nachfrage geben sollte, werde ich auch die gerne beantworten . Aber zunächst einmal zu Ihrer Frage . Ich beantworte die Frage wie folgt: Die zitierte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster ist am vergangenen Donnerstag in einem Eilverfahren ergangen . Die Bundesregierung wird zunächst die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in der Hauptsache und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Hauptsache über die dort gegen das Gesetz anhängigen Klagen abwarten . In diesem Zusammenhang weist die Bundesregierung darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht bereits zwei Eilanträge zu dem Gesetz abgelehnt hat .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Ströbele, haben Sie dazu eine Nachfrage?

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Also stimmt es nicht, dass die Bundesregierung veranlasst hat, dass die Vorratsdatenspeicherung so lange nicht praktiziert wird? Das soll die Regierung beschlossen haben .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär .

Christian Lange (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003168

Herr Kollege Ströbele, Ihre Nachfrage beantworte ich wie folgt: Für die Durchsetzung der Speicherpflicht ist die Bundesnetzagentur zuständig . Hierbei handelt es sich um eine nachgeordnete Behörde des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie . Sie sprechen die heute auf der Homepage der Bundesnetzagentur veröffentlichte Presseerklärung an . In dieser Presseerklärung der nachgeordneten Behörde des Bundeswirtschaftsministeriums heißt es - ich darf zwei Sätze daraus zitieren -: Aufgrund dieser Entscheidung und ihrer über den Einzelfall hinausgehenden Begründung sieht die Bundesnetzagentur bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens von Anordnungen und sonstigen Maßnahmen zur Durchsetzung der in § 113b TKG geregelten Speicherverpflichtungen gegenüber allen verpflichteten Unternehmen ab . Bis dahin werden auch keine Bußgeldverfahren wegen einer nicht erfolgten Umsetzung gegen die verpflichteten Unternehmen eingeleitet. So weit aus der Presseerklärung der Bundesnetzagentur .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Damit ist die Fragestunde beendet . - Die Fragen, die jetzt nicht beantwortet werden können, werden schriftlich beantwortet . Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 18: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Lebenslagen in Deutschland - Fünfter Armuts- und Reichtumsbericht Drucksache 18/11980 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales ({0}) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Tourismus Vereinbart ist eine Debattenzeit von 60 Minuten . - Sie sind damit einverstanden . Einen Moment, bitte . Wenn ich das einmal so sagen darf: Wir haben hier ein kleines Chaos . Ich eröffne die Aussprache. Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Frau Nahles, eröffnet die Debatte. Frau Nahles, Sie haben das Wort . ({1}) http://bit.ly/2rVus57

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Es hat ein paar Tage gedauert, bis der Armuts- und Reichtumsbericht fertig war . Warum sollten wir also nicht auch an dieser Stelle eine kleine Verzögerung haben? Deutschland geht es gut . Wir haben ein über Jahre anhaltendes Wachstum, wir haben solide Haushalte von Staat und Sozialversicherungen, wir haben eine Rekordbeschäftigung, und die Arbeitslosigkeit ist auf dem niedrigsten Stand seit Jahrzehnten . ({0}) Wir können uns also über gute Zahlen freuen, und ich finde, das sollten wir auch tun. ({1}) Allerdings gibt es eben auch noch eine differenziertere Sicht; denn dass die Löhne im unteren Bereich von der Mitte abgekoppelt sind und real stagnieren, dass hohe Vermögen immer weniger durch eigene Leistung gebildet werden, sondern vererbt oder geschenkt sind und dass Aufstiege immer seltener werden, ist eben auch gesellschaftliche Realität . ({2}) Ich meine, auch dazu muss die Bundesregierung Stellung beziehen, und das tun wir mit diesem Armuts- und Reichtumsbericht . Wir können es uns als Bundesregierung auch nicht vorstellen, dass wir das auslagern und an Experten delegieren . Das ist eine eminent politische Frage . ({3}) Daher ist und bleibt der Armuts- und Reichtumsbericht wichtig, und zwar als Bericht der Regierung . ({4}) Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich hervorheben, dass wir die Forschung dazu in einem sehr transparenten Verfahren ausgewertet haben . Alles, was wir gemacht haben, haben wir öffentlich zugänglich gemacht. Studien, Indikatoren, Ergebnisse: Alles liegt offen, nichts ist unter Verschluss . Jeder kann darauf zugreifen . Das macht eine informierte und fundierte Debatte in der Gesellschaft überhaupt erst möglich . Was sind nun die Schlussfolgerungen, die ich aus einem differenzierten Bericht ziehen will, der weder alles schwarzmalt noch die Situation beschönigt? Mein zentraler Befund ist: Für viele Menschen sind die Versprechen der sozialen Marktwirtschaft brüchig geworden . Trotz bester Arbeitsmarktsituation entsteht bei vielen Menschen der Eindruck, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergeht . ({5}) Die Berichterstattung über riesige Managergehälter auf der einen und vermeintlich zu erwartende Altersarmut auf der anderen Seite trägt mit dazu bei . Es gibt aber auch ganz reale Anknüpfungspunkte, zum Beispiel die Tatsache, dass trotz der guten Wirtschaftslage die Löhne in den unteren Lohngruppen im langfristigen Vergleich real sogar gesunken sind; bei den unteren 40 Prozent der Löhne ist das der Fall . Oder ein anderer Punkt ist die Tatsache, dass in den letzten Jahren vor allem Jüngere stark von Leiharbeit und befristeter Beschäftigung betroffen gewesen sind. Damit ist unmittelbar unser Verständnis von Armut angesprochen . Wir, die Bundesregierung, nutzen ganz klar einen relativen Armutsbegriff, der darauf abstellt, was in der Mitte der Gesellschaft normal ist . ({6}) In der öffentlichen Debatte wird häufig verkürzt auf Einkommensarmut geschaut, oder es werden ausschließlich Armutsrisikoquoten bemüht . Wir als Bundesregierung versuchen, einen relativen Armutsbericht zu etablieren . Selbstverständlich: Einkommen, insbesondere Erwerbseinkommen, sind zentrale Voraussetzung, ein normales Leben zu führen . Aber ein gleich hohes Einkommen kann für zwei Personen völlig unterschiedliche Teilhabechancen zur Folge haben . Ich will es einmal beschreiben: Welche Bildung habe ich? Bin ich nur kurzfristig in einem bestimmten Bereich oder über viele Jahre in einem Niedriglohnbereich tätig? All das macht einen Riesenunterschied in der Antwort auf die Frage: Wie sind die Teilhabechancen eines Menschen? Jede und jeder weiß und erlebt es doch selbst: Nicht das Erreichen von Mindeststandards bestimmt, ob Menschen das Gefühl haben, am gesellschaftlichen Leben gerecht teilhaben zu können, am Wohlstand, den wir in unserem Land gemeinsam erwirtschaften; ob Menschen das Gefühl haben, voranzukommen, sozial aufsteigen zu können, wenn sie sich anstrengen . Menschen sehen, wie es anderen geht . Sie vergleichen sich; das ist eine ganz normale menschliche Regung . Sie fühlen sich integriert oder ausgegrenzt . Es geht um die Relation, um die Beziehung zu anderen, zur Gesellschaft . Aufgrund meiner begrenzten Redezeit möchte ich einen Punkt herausgreifen: die Kinderarmut . Die wichtigste Maßnahme zum Abbau der Kinderarmut ist die Beschäftigung der Eltern . In Familien, in denen kein Elternteil beschäftigt ist, liegt das Armutsrisiko der Kinder bei über 60 Prozent . Schon bei einem Elternteil in Vollzeit sinkt diese Quote auf 15 Prozent . Arbeiten beide, liegt das Risiko bei 3 Prozent, unterhalb der allgemeinen Armutsrisikoquote . Was jetzt gerade wichtig ist, ist der Blick auf Alleinerziehende . Damit diese einer Erwerbstätigkeit überhaupt nachgehen können, brauchen wir weitere Verbesserungen bei der Kinderbetreuung . ({7}) Ich spreche hier ausdrücklich das Thema Betreuung in Randzeiten an . 26 Prozent der deutschen Beschäftigten arbeiten zwischen 18 und 23 Uhr . Nun muss man einmal gucken, wie die Öffnungszeiten von Kitas und Schulen sind. Von diesen Arbeitszeiten betroffen sind viele Berufe im Bereich Handel, aber auch in der Altenpflege. Wir haben nachgefragt: Was stellen sich Alleinerziehende vor? Was sind das für Berufe? Sind das typische Frauenberufe? Die Antwort war: Ja, das sind Berufe im Handel und in der Pflege; das können sie sich vorstellen. Dann gucken Sie sich die Arbeitszeit in diesen Bereichen und die Möglichkeiten der Betreuung für Kinder an . Dann erkennen wir an dieser Stelle ein entscheidendes Problem . Wir können also etwas verändern . Das sollte uns anspornen, weiterhin alles für eine hohe Beschäftigung, gute Löhne und eine gute Vermittlung zu tun, damit die Eltern in Arbeit und die Kinder raus aus der Armut kommen . Das ist ein ganz zentraler Punkt . ({8}) Wir müssen in gute Betreuung investieren, gerade auch, wie ich sagte, in Randzeiten, auch nach der Kitazeit . Meine Tochter wird jetzt eingeschult . Damit ist die Betreuung auf einmal schwieriger geworden . Das ist genau das, was wir überall in Deutschland erleben: Es geht also auch um Ganztagsschulen . Wir müssen auch dafür sorgen, dass Alleinerziehende nicht in Niedriglohnjobs, vor allem auch in Minijobs und Teilzeitjobs, stecken bleiben, da diese kein eigenständiges Einkommen ermöglichen, von dem man außerhalb der Armutszone leben kann . Das haben wir mit der Forderung nach einem Recht auf Rückkehr in Vollzeit zu befördern versucht, was leider nicht gelungen ist . ({9}) Wir müssen uns um einen Pakt für anständige Löhne bemühen . Ich hatte dazu für den 19 . Juni dieses Jahres zu einem Spitzengespräch mit allen relevanten Gruppen in der Gesellschaft eingeladen . Bei allen Unterschieden, die dabei deutlich geworden sind, waren wir uns sehr einig, dass es tatsächlich wichtig und richtig war, in dieser Legislaturperiode den Mindestlohn einzuführen . Aber der Mindestlohn ist kein guter Lohn . Der Mindestlohn reicht, über ein ganzes Leben betrachtet, nicht für ein gutes Einkommen bzw . eine gute Rente . ({10}) Deswegen müssen wir genau da ansetzen und dafür Sorge tragen, dass die Tarifstrukturen gestärkt werden und auch im Dienstleistungsbereich, gerade in der Arbeit von Mensch zu Mensch, wo die Löhne besonders schlecht sind, im Logistikbereich und in verschiedenen anderen Bereichen und Branchen anständige Löhne gezahlt werden . ({11}) Hier hat übrigens jeder Verantwortung, zuallererst natürlich die Tarifpartner, die Sozialpartner, aber eben auch Kirchen - im Bereich Pflege - oder die Zivilgesellschaft und nicht zuletzt die Politik . Ich denke, es gibt noch viel zu tun . Wir haben in dieser Legislatur sehr viel geschafft - dafür möchte ich mich bedanken; das ist heute meine letzte Rede an dieser Stelle in dieser Legislatur -, aber es ist noch genug zu tun . Wenn es dafür eines Beweises bedurft hätte, dann ist das der Armuts- und Reichtumsbericht . Vielen Dank . ({12})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Katja Kipping für die Fraktion Die Linke . ({0})

Katja Kipping (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003786, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute über den Armuts- und Reichtumsbericht . Die CDU/CSU-Fraktion hat ursprünglich gar nicht vorgehabt, diesen Bericht hier im Bundestag zu behandeln . ({0}) Erst die gezielte Nachfrage des linken Rentenexperten Matthias W. Birkwald in einer öffentlichen Anhörung hat Bewegung in die Sache gebracht . Hier zeigt sich wieder einmal: Links wirkt . ({1}) Laut diesem Bericht leben hierzulande 13 Millionen Menschen in Armut; das ist jeder Sechste . Die Zahl der Menschen in verfestigter Armut - das heißt über viele Jahre hinweg - hat sich verdoppelt . Auch das gehört zur Bilanz der Regierung Merkel . Inzwischen wissen wir - der Bericht bestätigt das auch -: Es geht ein Riss durch die Gesellschaft . Denn je ärmer die Menschen sind und je geringer das Einkommen in einem Viertel ist, desto geringer sind die politische Teilhabe und die Wahlbeteiligung . ({2}) Das heißt, die soziale Spaltung gefährdet die Demokratie. Auch deshalb werden wir uns niemals damit abfinden, dass Menschen hierzulande in Armut leben müssen . ({3}) Armut wird auch am gesellschaftlichen Standard gemessen . Armut bedeutet aber auch ganz konkret, wenn der Kühlschrank kaputtgeht, nicht zu wissen, wie man einen neuen finanzieren soll. Armut bedeutet, wenn am Ende des Geldes leider oft noch viel vom Monat übrig ist . Armut bedeutet, dass, wenn ein runder Familiengeburtstag in einer anderen Stadt stattfindet, manche überlegen müssen: Kann ich mir überhaupt das Fahrgeld und ein kleines Geschenk leisten, oder muss ich mit irgendwelchen vorgetäuschten Ausreden absagen? Armut bedeutet für Millionen Eltern in diesem Land, im Sommer den Kindern erklären zu müssen, dass man sich den Besuch im Schwimmbad eigentlich gar nicht oder wenn, dann nur ganz selten leisten kann . Versuchen Sie einmal, das einem Kind zu erklären, wenn die Kitafreunde alle dort hingehen . 19,9 Prozent der Familien mit Kindern in diesem Land, also jeder Fünfte, kann sich nicht einmal eine Woche Familienurlaub leisten . Das heißt, wenn die Kinder nach den Ferien alle wieder in der Schule zusammenkommen und von ihrem Urlaub berichten, haben diese Kinder keine Geschichte beizusteuern . Auch das ist eine Form von Armut und Ausgrenzung, mit der ich mich niemals abfinden werde. ({4}) Ich bin überzeugt: Kinderarmut erschwert den Start ins Leben . Deswegen müssen wir jedes Kind und jeden Jugendlichen vor Armut schützen . Deswegen machen wir mit einem breiten Bündnis Druck für eine Kindergrundsicherung in Höhe von rund 570 Euro . Denn jedes Kind hat das Recht auf einen guten Start ins Leben . ({5}) Leider werden auch die Bildungschancen vom Einkommensstatus der Eltern beeinflusst. Der Armutsbericht macht das ganz deutlich . Aus den armen Haushalten geht gerade einmal jedes vierte Kind aufs Gymnasium, aus nichtarmen Haushalten immerhin jedes zweite . Nun ist mir als Mutter einer Tochter bewusst: Nicht jedes Kind muss aufs Gymnasium gehen . Auch ein anderer Schulabschluss mit einer anschließenden Berufsausbildung kann eine tolle Ausbildung sein. Aber ich finde, es ist ungerecht, wenn der Bildungsweg durch das Portemonnaie und den Kontostand der Eltern vorgeprägt wird . Das muss sich ändern . ({6}) Um dies zu ändern, brauchen wir Kitas und Schulen, in denen die Erzieher und Lehrkräfte für die einzelnen Kinder Zeit haben, auch für die, die vom Elternhaus nicht so viel Bildungskapital mitbringen . Um das zu ändern, brauchen wir schlichtweg längeres gemeinsames Lernen . ({7}) Der Armuts- und Reichtumsbericht hat auch Schwächen, zum Beispiel, wenn behauptet wird, der Hartz-IV-Regelsatz würde das soziokulturelle Existenzminium abdecken . Hier widerspricht die Linke ganz entschieden . Der Hartz-IV-Regelsatz ist immer wieder von allen Vorgängerregierungen gezielt kleingerechnet worden, leider unter Schwarz-Rot . Wir Linke sagen ganz klar: Der Regelsatz für einen Erwachsenen müsste mindestens 150 Euro höher ausfallen . ({8}) Wer nun meint: „Hartz IV sind nur die anderen; das hat nichts mit meinem Leben zu tun“, der irrt . Denn Hartz IV befördert Existenzängste und Abstiegsängste . Wer Angst hat, der sagt eher Ja zu niedrigen Löhnen oder zu ungesunden Arbeitszeiten . Wer Angst hat, ist weniger bereit, zu teilen . Deswegen fällt der lange Schatten von Hartz IV bereits jetzt auf die gesamte Gesellschaft . Auch deswegen werden wir immer sagen: Dieses System gehört abgeschafft. Wir wollen es durch gute Arbeit und eine sanktionsfreie Mindestsicherung in Höhe von 1 050 Euro ersetzen . ({9}) Der Bericht heißt Armuts- und Reichtumsbericht . Ich finde es gut, dass der Bericht versucht, einmal die Situation der Hochvermögenden zu beschreiben und mehr Licht in deren Situation zu bringen . Zwei Drittel der Hochvermögenden geben an, dass für ihren Reichtum auch Schenkungen und Erbschaften relevant waren, also sicherlich eher Schenkungen innerhalb der Familie . Rufen wir uns in Erinnerung: Die Kinder, die in armen Familien geboren werden, haben geringere Chancen, auf ein Gymnasium zu gehen . Der Lebensweg wird also ganz stark davon geprägt, in welche Familien Kinder hineingeboren werden . Frau Klatten und ihr Bruder, die Erben des BMW-Aktienpakets, sind auf der Sonnenseite geboren worden . Sie bekommen pro Jahr, ohne einen Finger krumm machen zu müssen, 1 Milliarde Euro allein durch das Aktienpaket. Ich finde, hier müssen wir über eine ordentliche Millionärssteuer Ausgleich schaffen. ({10}) Ich komme zum Schluss . Auch deswegen ist es so ärgerlich, dass man beim Thema Reichtumsbesteuerung die SPD so zum Jagen tragen muss . Wir brauchen die Einnahmen aus einer Vermögensteuer, damit wir mehr Geld in Bildungsgerechtigkeit stecken können . Die Probleme von Armut und von Bildungsungerechtigkeit sind so groß, dass wir nicht einfach so weitermachen können wie bisher . Die Menschen hierzulande brauchen einen Aufbruch hin zur Sanktionsfreiheit, hin zu einer Gesellschaft, die frei von Armut ist, und hin zu sozialer Gerechtigkeit für alle . Vielen Dank . ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Kai Whittaker für die CDU/ CSU-Fraktion . ({0})

Kai Whittaker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004443, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Das Ziel des Armuts- und Reichtumsberichts ist es, dass wir die Lebenslagen von Millionen von Menschen in Deutschland besprechen. Ich finde, insbesondere die Menschen, die in Armut leben, hätten es verdient, dass wir sie besonders in den Blick nehmen; denn sie haben keine Lobby, und sie hoffen darauf, dass wir als Politiker ihnen zuhören und ihre Situation verstehen, wissend, vor welchen Herausforderungen sie stehen, und wir ihnen mit unseren Konzepten helfen . Aber, Frau Kollegin Kipping, stattdessen haben Sie sich mal wieder dafür entschieden, eine billige Dreigroschenoper aufzuführen . ({0}) Im ersten Akt rücken Sie das Land nahe an den sozialen Abgrund . ({1}) Im zweiten Akt werfen Sie der Regierung Untätigkeit vor, und im dritten Akt kommen Sie mit Lösungskonzepten um die Ecke, die niemandem, insbesondere nicht den Armen, helfen . Ich weiß nicht, wie ich das bezeichnen soll, ob es eine Tragödie oder eine Komödie ist . Ich fürchte bloß, dass das, was Sie hier aufführen, nicht einmal drei Groschen wert ist . ({2}) Ich habe Verständnis dafür, wenn Sie die soziale Ungerechtigkeit in diesem Land anprangern, wenn Sie die Spaltung unseres Landes beklagen . Das ist Ihr Geschäftsmodell . Darauf basiert Ihr politisches Modell . Ohne Armut hätten Sie keinen politischen Auftrag in diesem Land . ({3}) Aber die Fakten sprechen eine andere Sprache . Ich weiß, dass Sie das nicht gerne hören . Aber ich kann Ihnen das nicht ersparen . Fakt ist, dass wir 4 Millionen Menschen seit 2005 mehr in Arbeit haben . ({4}) Fakt ist: Im Berichtszeitraum dieses Armuts- und Reichtumsberichts sind die Löhne stärker gestiegen als die Einkommen aus Vermögen und Unternehmen . ({5}) Fakt ist, dass die Mittelschicht in Deutschland nicht schrumpft, sondern nach wie vor zwei von drei Deutschen ihr angehören . Fakt ist, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen, seitdem wir regieren, halbiert worden ist . Fakt ist, dass die Einkommen zwischen der reicheren und der ärmeren Hälfte in Deutschland seit zehn Jahren stabil gleich verteilt sind. Fakt ist, dass der Gini-Koeffizient, ein internationales Maß, ({6}) in ganz Deutschland seit 2005 konstant um die 0,3 liegt . Das ist einer der niedrigsten Werte, den es in der OECD gibt . ({7}) Fakt ist, dass die absolute Armut in diesem Land um circa 20 Prozent in den letzten zwei Jahren gesunken ist . Fakt ist, dass seit 2005 die Zahl der sogenannten Working Poor, also derer, die von ihrem Gehalt nicht leben können, konstant niedrig ist . ({8}) Fakt ist, dass die Zahl der SGB-II-Empfänger seit Einführung um fast 20 Prozent zurückgegangen ist . Und Fakt ist, dass über 70 Prozent der Menschen in diesem Land sagen, ihnen ginge es noch nie so gut wie heute . ({9}) Genau deshalb funktioniert diese Ungerechtigkeitsdebatte nicht . Ihre Wirklichkeit existiert nur hier in diesem Plenum . In Deutschland sieht es wesentlich besser aus, als Sie es wahrhaben wollen . ({10}) Ich möchte in diesem Punkt auch einige Worte an die SPD richten: Ihre innere Zerrissenheit macht mich manchmal schon fassungslos . Sie müssen sich entscheiden: Entweder Sie sind stolz auf diese Entwicklungen, die wir gemeinsam in dieser Bundesregierung erreicht haben; ({11}) dann hören Sie aber im Wahlkampf bitte mit dieser Jammerei auf . Oder Sie beklagen wortreich diese angeblichen Ungerechtigkeiten . Aber dann haben Sie eine Mitschuld daran . Dann gehören Sie in die Opposition und nicht ins Kanzleramt . ({12}) Ihr Problem ist auch, dass Sie alles sehr statisch sehen . ({13}) Die Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft enthält zur Einkommensungleichheit Folgendes - ich zitiere -: Es liegt nahe, „dass die Alterszusammensetzung eine entscheidende Rolle für Ungleichheitsanalysen spielt . Insbesondere bei der Interpretation jährlicher Einkommensungleichheit im Bevölkerungsquerschnitt sollte dies beachtet werden: Die Ungleichheit ist in einer Gesellschaft mit relativ vielen älteren Erwerbstätigen höher als in einer Gesellschaft mit vielen 30-Jährigen .“

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Kollege Whittaker, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung aus den Reihen Ihres Koalitionspartners? ({0})

Kai Whittaker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004443, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wer genau? ({0}) - Herr Rosemann, auf diese Gelegenheit habe ich vier Jahre lang warten müssen . ({1})

Dr. Martin Rosemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004389, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Whittaker, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage gestatten . - Wenn ich gewusst hätte, dass Sie so scharf darauf sind, dass ich Ihnen eine Zwischenfrage stelle, hätte ich das bestimmt früher gemacht . Aber ich verspreche Ihnen: In der nächsten Legislaturperiode stelle ich Ihnen früher eine Zwischenfrage . Ich würde Ihnen gern zwei Fragen stellen . Die erste Frage lautet: Herr Whittaker, sind Sie vielleicht auch der Auffassung, dass es die Aufgabe verantwortungsvoller Politik ist, dass wir einerseits auf die Dinge, die wir geleistet haben, stolz sind und auch immer wieder deutlich machen, wo die Erfolge von politischem Handeln liegen, dass wir auf der anderen Seite immer aufgerufen sind, nicht blauäugig durch diese Welt zu laufen, sondern dort, wo es Probleme gibt, diese zu erkennen, zu benennen und nach Lösungen zu suchen, ({0}) anstatt sich nur auf den Lorbeeren der Vergangenheit auszuruhen? ({1}) Eine zweite Frage möchte ich Ihnen stellen, nachdem Sie die Erfolge seit 2005 hier aufgezählt haben, die anscheinend wundersamerweise dadurch entstanden sind, dass Frau Dr . Merkel zur Bundeskanzlerin gewählt worden ist . ({2}) Können Sie mir eigentlich mal erklären, welchen Beitrag Frau Dr . Merkel und die von ihr geführten Bundesregierungen sowie die CDU/CSU eigentlich dazu geleistet haben, nachdem 16 Jahre lang Reformen in diesem Land durch die Regierung von CDU/CSU und FDP verschlafen worden sind und die großen Reformen am Arbeitsmarkt und in den Sozialsystemen in den sieben Jahren von Rot-Grün durch Gerhard Schröder und seine Bundesregierung vorgenommen worden sind? ({3}) Erklären Sie mir und diesem Hohen Haus doch mal, welchen Anteil denn Sie und Ihre Fraktion daran haben und welchen Beitrag Sie geleistet haben .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Kollege .

Kai Whittaker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004443, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Rosemann, ich bin ja schon fast überrascht über so eine Frage . Denn wenn ich die Geschichtsschreibung richtig in Erinnerung habe, war es nicht die schwarz-gelbe Bundesregierung von 1994 bis 1998, die Reformen verschlafen hat, sondern eine rot-grüne Mehrheit im Bundesrat hat sämtliche Sozialreformen und andere Reformen, die wir im Bundestag vorhatten, blockiert . Das ist genau der Unterschied, den wir damals unter Ihrer Bundesregierung gemacht haben, als Sie die Agenda 2010 eingeführt haben . Wir haben die Partei hintangestellt und die Verantwortung für dieses Land übernommen und im Bundesrat zugestimmt, damit die Agenda 2010 durchgeht . ({0}) Mit Blick auf diese Bundesregierung sind wir offensichtlich die einzige regierungstragende Fraktion, die dieses Erbe noch verteidigt . ({1}) Ich komme gerade von einer Podiumsdiskussion mit Ihrer Ministerpräsidentin Dreyer, die gut und gerne das gesamte Hartz-IV-System abschaffen möchte. ({2}) Ich sehe nicht, dass die SPD noch zu der Reform steht, die Sie eben lobpreisend dargestellt haben . Helfen Sie mir auf die Sprünge, Herr Rosemann, wie die erste Frage, die Sie gestellt haben, lautete? ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich bitte um Unterstützung, indem die erste Frage noch einmal kurz umrissen wird .

Dr. Martin Rosemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004389, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist es denn nicht Aufgabe verantwortungsvoller Politik, sich nicht nur auf den Lorbeeren der Vergangenheit auszuruhen und die eigenen Erfolge abzufeiern, sondern immer wieder auch zu schauen, wo Probleme bestehen, sie zu benennen und dann Lösungen aufzuzeichnen?

Kai Whittaker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004443, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Richtig, Herr Rosemann, damit habe ich überhaupt kein Problem . Ich muss Sie da nur um etwas Geduld bitten; denn das kommt am Ende meiner Rede . ({0}) Also, Deutschland - da war ich stehen geblieben - ist ein Land, das schneller altert . Und es ist ganz klar: Ältere Menschen verdienen mehr als jüngere . Deshalb können Sie die heutige Situation nicht mit der Situation von vor 20 oder 30 Jahren vergleichen, wenn Sie Ungleichheit bewerten wollen . Ich finde auch, dass Sie unredlich vorgehen. Sie unterschlagen beispielsweise die Bedeutung der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Vermögensbetrachtung . Wenn man sich die vielen Vermögensungleichheitsstudien anschaut, dann stellt man fest, dass die gesetzliche Rente nicht berücksichtigt wird . Würde man das tun, dann würde man feststellen, dass 40 Prozent des deutschen Gesamtvermögens in der gesetzlichen Rentenversicherung sind . Obwohl Sie sonst die gesetzliche Rentenversicherung hier immer hochhalten, unterschlagen Sie deren Stellenwert in diesem Punkt . ({1}) Wenn man die gesetzliche Rentenversicherung einbezieht, dann sinkt der Gini-Koeffizient um ein Drittel. Aber ich weiß, dass nach Ihrem Dafürhalten die Union an allem schuld ist . Das ist ein beliebtes Spiel . Ich rate nur, einen Blick in den Haushalt zu werfen . Dort haben wir in dieser Legislaturperiode den Anteil der Ausgaben für Soziales von 53 auf 56 Prozent gesteigert . Das sind immerhin 16 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich . Was haben wir damit gemacht? Der Bund bezahlt nun für die Betriebskosten der Kitas über 6 Milliarden Euro . Der Bund hat einen Rechtsanspruch auf frühkindliche Bildung geschaffen. Der Bund hat die Bildungsausgaben um die Hälfte gesteigert . Der Bund hat das BAföG erhöht . Der Bund hat 20 Milliarden Euro für den Hochschulpakt lockergemacht. Der Bund hat die berufliche Weiterbildung insbesondere für Ältere und Langzeitarbeitslose gestärkt . Die Reallöhne sind überproportional gestiegen, insbesondere bei Geringqualifizierten, Teilzeitbeschäftigten und Frauen . Der Bund hat die Rente verbessert, insbesondere die Erwerbsminderungsrente . Das haben wir sogar zweimal in dieser Legislaturperiode gemacht . ({2}) Der Bund hat den Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende ausgeweitet . Sie können der Bundesregierung nun vorwerfen, dass nicht jeden Tag die Sonne über Deutschland scheint . Aber im Bereich „Arbeit und Soziales“ sowie für Alleinerziehende und Geringqualifizierte haben wir mehr gemacht als jede Bundesregierung zuvor seit der deutschen Wiedervereinigung . ({3}) Wir brauchen definitiv keine Belehrungen darüber, wie Wohlstand in diesem Land funktioniert . Wir können Wohlstand sehr wohl . ({4}) Unser Ziel ist deshalb klar . Es geht nicht um das Verteilen von Almosen . Die Würde des Menschen bemisst sich nicht nach der Höhe des Sozialtransfers, sondern danach, ob er mit seiner eigenen Hände Arbeit sein Leben bestreiten und auf den eigenen Beinen stehen kann . Das ist unser Anspruch als Christdemokraten . ({5}) Auch Ihre Schlussfolgerung, dass wir in Deutschland mehr Umverteilung brauchen, ist falsch . Sie wollen Hartz IV erhöhen, die Sanktionen abschaffen und das Rentenniveau allgemein steigern . Sie vergessen zum einen, dass die Umverteilung schon sehr gut funktioniert . Die oberen 10 Prozent sorgen für mehr als die Hälfte des gesamten Steueraufkommens . ({6}) Die untere Hälfte trägt nur zu 7 Prozent zum Steueraufkommen bei . ({7}) Zum anderen ist den Armen mit Ihren Vorschlägen nicht geholfen . Auf die sollten Sie einmal Ihren Blick richten . Nehmen wir nur einmal alleinerziehende Frauen, bei denen die Armutsquote am höchsten ist . Was nutzt diesen Frauen ein höherer Hartz-IV-Satz, wenn sie keinen Anspruch auf einen Ganztagsplatz in der Kita oder der Grundschule haben? ({8}) Was nutzt Menschen ohne Berufsabschluss ein höherer Hartz-IV-Satz, wenn sie in einem Hochtechnologieland wie Deutschland keine Chance haben, einen Berufsabschluss zu erwerben? Was nutzt Migranten ein höherer Hartz-IV-Satz, wenn es keine Sprachkurse gibt und sie kein Deutsch lernen können? ({9}) Was nutzt Langzeitarbeitslosen ein höherer Hartz-IVSatz, wenn wir uns um sie nicht intensiver kümmern? ({10}) Was nutzt insbesondere Kindern aus Hartz-IV-Familien - die Ministerin hat das angesprochen - ein höherer Hartz-IV-Satz, wenn ihnen nicht vorgelebt wird, wie man seinen Lebensunterhalt durch Arbeit bestreitet? ({11}) Nebenbei bemerkt, liebe Kollegen von der SPD, auch ein höheres Rentenniveau hilft den Gruppen, die von Armut betroffen sind, nicht. ({12}) Ich zitiere die Forscher der Bertelsmann-Studie: Die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 46 Prozent zielt nicht direkt auf Haushalte an der Armutsschwelle ab . ({13}) Es bekümmert mich schon, dass Sie da nicht die Armen in diesem Land im Blick haben . Unser Ziel ist ganz klar: Wir orientieren uns am Menschen . Unser oberstes Ziel bleibt, die Wirtschaft auf Kurs zu halten . Arbeit ist - die Ministerin hat da recht - das beste Mittel, um Armut zu bekämpfen . Wir brauchen keine unnötigen Steuererhöhungsdebatten, die die Leute verunsichern, sondern wir müssen die Steuern senken, insbesondere für die Familien . ({14}) Wir brauchen eine Ganztagsbetreuung auch in Grundschulen . Wir müssen alles dafür tun, dass die Menschen von ihrem Geld wieder etwas aufbauen können, dass sie ihr eigenes Häuschen kaufen können, dass sie Vermögen ansparen können . ({15}) Wir sind wild dazu entschlossen, das Versprechen von Ludwig Erhard einzuhalten, dass Wohlstand für alle in diesem Land möglich ist . Deshalb wollen wir auch - an diesem Ziel halten wir fest - das Ziel der Vollbeschäftigung in den Blick nehmen . Dazu brauchen wir Anreize für lebenslange Weiterbildung . Das heißt auch, dass wir gerade im Bereich der Langzeitarbeitslosen dringend eine bessere und engere Betreuung brauchen . Wir müssen konsequent auf Sprachkurse setzen und Ausbildungsberufe in den Vordergrund stellen . Insofern ziehen wir als Union frohen Mutes in den Wahlkampf . Ich glaube, die Alternativen liegen deutlich auf dem Tisch . ({16}) Wir wollen, dass sich die Menschen hocharbeiten können . Wir wollen, dass sie ein freies und selbstbestimmtes Leben führen können . Wir wollen Chancen und Möglichkeiten für die Menschen eröffnen, damit sie sagen können: Die Union steht für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben . Herzlichen Dank . ({17})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Dr . Wolfgang StrengmannKuhn für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003888, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Helmut Kohl hat einmal gesagt: Wichtig ist, was am Ende rauskommt . ({0}) Was am Ende rauskommt, das steht hier in diesem Armuts- und Reichtumsbericht . Sie können noch so viel darauf verweisen, was die Bundesregierung alles gemacht hat - fleißig waren Sie, ja -: Hier steht aber drin, was rausgekommen ist, und zwar, wenn es um Armut in Deutschland geht . Wir können uns die Zahlen einmal anschauen: Die Armutsquote ist trotz guter ökonomischer Situation in diesem Land gestiegen . ({1}) Meine Kollegin Katja Kipping hat die Zahl eben schon einmal genannt: 13 Millionen Menschen in Deutschland leben in Armut . 13 Millionen Menschen in Deutschland leben auf Hartz-IV-Niveau oder sogar darunter . Die Zahlen müssen Sie sich einmal anschauen und das zur Kenntnis nehmen . 2,5 Millionen Kinder in Deutschland leben in Armut; das ist jedes fünfte Kind . ({2}) Das ist angesichts der ökonomischen Lage ein Skandal, und der gehört beendet . ({3}) Sie haben gesagt, Ihr Ziel sei es, dass man von seiner Hände Arbeit leben kann . Wenn man sich die vorliegenden Zahlen anschaut, stellt man fest: Es ist viel schlimmer geworden . Die Zahl derjenigen, die trotz Erwerbstätigkeit in Armut leben, also der Working Poor, ist deutlich angestiegen, seit die CDU regiert . Es sind mittlerweile über 9 Prozent . Das klingt erstmal nicht viel . Aber 9 Prozent von 43 Millionen Menschen bedeutet, dass 4 Millionen Erwerbstätige von ihrer Hände Arbeit nicht leben können . Auch das ist ein Skandal, der beendet gehört . ({4}) Wir haben eben gehört, wie hoch die Armutsquote bei denjenigen ist, bei denen eine Person Vollzeit erwerbstätig ist: Da beträgt die Armutsquote 15 Prozent . Das heißt, bei jeder sechsten Familie, in der eine Person Vollzeit erwerbstätig ist, reicht das Einkommen nicht aus . Auch das müssen wir angehen und beenden . Diese Situation ist also alles andere als dazu geeignet, sie schönzureden . Wir haben ein Ungleichheitsniveau, das auf Rekordmaß liegt und trotz guter ökonomischer Situation nicht gesunken ist . Wir haben jetzt schon seit weit über zehn Jahren ein Rekordmaß an Armut auf weitgehend konstantem Niveau . Es ist der CDU-geführten Regierung in den fast acht Jahren, in denen sie zusammen mit der SPD regiert hat, nicht gelungen, diese Armutsquote zu senken . Wir müssen uns aber daranmachen, die Armutsquote in Deutschland zu senken . ({5}) Wir haben hier ja sogar im Rahmen der sogenannten SDGs, der Nachhaltigkeitsziele, die auch für Deutschland gelten, gemeinsam beschlossen, dass wir bis 2030 die Armut in Deutschland halbieren wollen . Das steht da drin . Da sind Sie aber keinen Zentimeter vorangekommen . Deswegen ist dieser Armuts- und Reichtumsbericht eigentlich einmal ein Anlass, darüber zu diskutieren, wie wir Armut in Deutschland senken wollen . Wir als Grüne haben dazu Vorschläge gemacht . Ich will nur drei Punkte herauspicken, weil ich relativ wenig Zeit habe . Das Erste ist: Wir brauchen eine Grundsicherung, die tatsächlich vor Armut schützt ({6}) nicht mit Regelsätzen, für deren Ermittlung die Vergleichsgruppe arme Menschen sind und wobei das Ergebnis noch um 25 Prozent heruntergerechnet wird . Das kann nicht vor Armut schützen . Wir brauchen eine Grundsicherung, die tatsächlich bei den Menschen ankommt, die unbürokratisch ist, die vereinfacht ist, die nicht mit solchen Hürden versehen ist, wie wir sie jetzt haben . Die sogenannte Rechtsvereinfachung, die im letzten Jahr von der Großen Koalition verabschiedet worden ist, war ein Rohrkrepierer . Sie hat nichts genützt . Wir brauchen eine einfache Grundsicherung . ({7}) Und wir brauchen eine Grundsicherung, die ohne Sanktionen ist . ({8}) Denn das Existenzminimum ist ein Grundrecht; so hat uns das Bundesverfassungsgericht gesagt . Punkt zwei: Kinderarmut . Ich habe gesagt: 2,5 Millionen Kinder in Armut . Das muss für uns Mahnung sein, endlich da ranzugehen . Wir brauchen eine Kindergrundsicherung, die endlich die Ungerechtigkeit beseitigt, dass Menschen mit hohem Einkommen - wie wir Bundestagsabgeordnete - für ihre Kinder mehr bekommen als Leute, die Kindergeld erhalten . ({9}) Wir brauchen eine Kindergrundsicherung in der Größenordnung von 300 Euro pro Monat, einkommensunabhängig . Für die Einkommensschwachen reicht das nicht aus . Für sie brauchen wir einen Kindergeldbonus - so nennen wir Grünen das -, der zusammen mit dem Kindergeld oder der Kindergrundsicherung ausgezahlt wird, damit bei Menschen mit geringem Einkommen das Existenzminimum der Kinder unbürokratisch gedeckt wird . Das wären Maßnahmen, mit denen wir Kinderarmut effektiv verringern könnten . ({10}) Der dritte Punkt betrifft die Rente. Die Altersarmut steigt an . Die Altersgruppe der Rentner ist diejenige, in der die Armutsquoten am stärksten steigen . ({11}) Es ist zwar so, dass bei ihnen die Altersarmutsquote nur durchschnittlich ist, aber sie war lange Zeit unterdurchschnittlich, und sie steigt stark an . Es ist - Sie haben den demografischen Wandel angesprochen - eine größer werdende Gruppe, die Angst vor Altersarmut greift um sich, und auch die faktische Altersarmut erhöht sich . Gehen Sie doch mal raus auf die Straße, und schauen sich an, wie viele alte Menschen in den Mülleimern nach Pfandflaschen suchen! ({12}) Es sind zunehmend auch Leute, die nicht obdachlos sind, sondern die ordentlich gekleidet sind, bei denen aber ganz offensichtlich die Rente einfach zu gering ist. Deswegen geht unser Vorschlag in die Richtung: Die Rente muss zum Leben reichen - die Rente! -, ({13}) und zwar ohne Bedürftigkeitsprüfung . Wenn man in der Rentenversicherung versichert war, muss am Ende eine Garantierente herauskommen, die über dem Grundsicherungsniveau liegt ({14}) und bei der eben nicht auf Bedürftigkeit geprüft wird wie beim Modell der Linken oder beim SPD-Modell . Wir wollen eine solche Rente ohne Bedürftigkeitsprüfung, für die das Ersparte nicht offengelegt werden muss, für die nicht der Partner oder die Partnerin gefragt werden muss, sondern bei der betriebliche Altersvorsorge und private Altersvorsorge obendrauf kommt . Das erhöht die Akzeptanz der Rentenversicherung und ist ein Riegel vor steigender Altersarmut . ({15}) Ich will in den letzten paar Sekunden noch einen wichtigen Punkt ansprechen . Ich habe eben schon gesagt: Wenn man mal rausgeht, bemerkt man die Menschen, die auf der Straße leben müssen . Falls Sie mit der U-Bahn fahren, sehen Sie: An der Friedrichstraße sitzen immer die gleichen Leute . - Die Bundesregierung hat es nicht mal geschafft, dazu eine Statistik zu veröffentlichen. ({16}) Das kommt zu den Zahlen, die im Armuts- und Reichtumsbericht stehen, noch dazu . Diese Menschen sind in den 15 Prozent, den 13 Millionen, noch gar nicht enthalten . ({17}) Es sind in etwa 300 000 . Das ist keine amtliche Statistik, sondern das sind Schätzungen von Wohnungsloseninitiativen . Auch das ist noch ein wichtiger Punkt für den nächsten Armuts- und Reichtumsbericht: Wir brauchen dazu ordentliche Zahlen . Wir brauchen aber natürlich auch Maßnahmen . Wir brauchen ein nationales Programm gegen Obdachlosigkeit; denn es ist eine Schande, dass bei uns Menschen auf der Straße leben müssen . Das müssen wir verhindern; denn auch Wohnen ist ein Grundrecht . ({18}) Es gibt noch viel mehr, was zu tun ist; das haben wir in einem Antrag beschrieben . Ich habe jetzt vor allen Dingen über finanzielle Leistungen geredet, die das Existenzminimum absichern . Aber wir brauchen natürlich noch mehr . Wir brauchen einen inklusiven Arbeitsmarkt . Wir brauchen inklusive Bildung . ({19}) Wir brauchen einen sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose . Wir brauchen ein Gesundheitssystem, mit dem alle vernünftig abgesichert sind . Wir müssen beim Wohnen mehr machen, damit Wohnen nicht zu Armut führt . All das passiert bei der Großen Koalition viel zu wenig . Wir sehen: Die Armut sinkt nicht . Deswegen ist es wichtig, in den nächsten Wochen und Monaten vor der Bundestagswahl darüber zu streiten, wer die besseren Konzepte hat, um Armut in Deutschland tatsächlich zu verringern . Vielen Dank . ({20})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Daniela Kolbe für die SPD-Fraktion . ({0})

Daniela Kolbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004079, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will in meiner Rede zum Armuts- und Reichtumsbericht mit viel Positivem beginnen . ({0}) Ich freue mich zunächst einmal, dass dieser Tagesordnungspunkt heute, trotz pickepackevoller Tagesordnung, doch zu einer sehr prominenten Zeit mit aufgesetzt und ausreichend Redezeit vorgesehen wurde . Klar, wir könnten noch viel mehr Zeit damit füllen . Auf alle Fälle wird das aber dem Thema gerecht . Darüber freue ich mich sehr . ({1}) Dieser Armuts- und Reichtumsbericht unterliegt nicht der Diskontinuität, das heißt, auch nach den Wahlen ist er noch aktuell . ({2}) Viele Erkenntnisse aus diesem Bericht gehören in den nächsten Koalitionsvertrag . Wir als SPD-Fraktion werden uns dafür einsetzen, dass viele der Erkenntnisse dort einfließen. ({3}) Wenn man mit den Menschen spricht, die an der Entstehung des Berichts beteiligt waren, nimmt man zudem eine große Zufriedenheit wahr . Überall wird die Transparenz gelobt, die Beteiligung gelobt, die Website gelobt, in der man jede Studie, jede Zahl findet. Ich will dieses Lob auch Andrea Nahles und ihrem Haus aussprechen . Es war eine harte, eine intensive, vor allem eine gute und transparente Arbeit, die da geleistet worden ist . ({4}) Ich stimme auch zu, dass es sich auszahlt, dass es sich um einen Regierungsbericht handelt . Bei aller Kritik ist das immer eine Abwägungsfrage, aber kaum ein Bericht hat eine so große Prominenz und Öffentlichkeit wie unser Armuts- und Reichtumsbericht . Das liegt auch daran, dass darüber, wenn es einmal Unstimmigkeiten in der Regierung gibt, öffentlich verhandelt wird und dass Ministerinnen und Minister diesen Bericht vorstellen und hinter diesem Bericht stehen. Ich finde, das sollte so bleiben . ({5}) Das war es jetzt aber mit der unumwundenen Freude und Zufriedenheit . Wenn ich in diesen Bericht schaue, dann stelle ich fest: Sein Inhalt lädt eher zu Nachdenklichkeit ein und fordert heraus, und zwar zum Handeln . Bei aller Freude über die guten Arbeitsmarktzahlen - und die Freude gehört dazu -: Die Schere zwischen Arm und Reich ist in unserem Land zu weit auseinandergegangen . Ja, sie mag nicht weiter auseinandergehen, aber sie ist zu weit auseinander. Ich finde, das muss man zunächst einmal offen ansprechen. Herr Whittaker, es liegt auf dem Tisch, dass wir sehr unterschiedliche Ansätze haben, mit dem Thema Armut und Reichtum umzugehen . Sie versuchen, mit doch sehr kruden Ansätzen zu erklären, warum die Schere so weit auseinander ist und warum das okay ist . ({6}) Wir sagen: Nein, wir wollen das ändern . Wir wollen zu einer anderen Verteilung in diesem Land kommen . ({7}) Sie umschiffen das Thema Kinderarmut und wollen am liebsten nicht darüber reden . ({8}) Wir sagen: Wir müssen genau hinschauen, wie es den Kindern in unserem Land geht . Jedes Kind, das in Armut aufwächst, ist ein Kind zu viel . ({9}) Auch deshalb, weil es uns um Verteilungsgerechtigkeit geht, haben wir ein gutes und ausgewogenes Steuerkonzept vorgelegt . Das stellen wir zur Wahl, und die Menschen werden im September auch darüber abstimmen, ob kleine und mittlere Einkommen entlastet werden, ob Familien entlastet werden und ob höhere und höchste Einkommen stärker belastet werden . Das ist ein richtiger Schritt hin zu mehr Verteilungsgerechtigkeit . ({10}) Wer den Bericht und die Studien liest, stellt auch fest: Wir haben eine Herausforderung im Bereich der atypischen Beschäftigung . Wenn man sich die Zahlen und Kohorten ansieht, dann stellt man fest, dass die jüngeren Menschen regelhaft beim Berufseinstieg mit Befristungen konfrontiert sind; das ist offenbar mittlerweile normal . Wir sagen: Das ist nicht normal . Wir wollen, dass unbefristete Beschäftigung der Regelfall ist . Deswegen bedauern wir es, dass die sachgrundlose Befristung in dieser Legislatur nicht abgeschafft werden konnte. Aber wir haben uns fest vorgenommen, die sachgrundlose Befristung nach der Wahl abzuschaffen. ({11}) Herr Whittaker, es geht natürlich nicht nur um die Höhe von Sozialleistungen . Darin sind wir uns einig . Es muss auch um Integrationskurse gehen und um Teilhabe für Langzeitarbeitslose . Aber an einer Stelle widerspreche ich Ihnen komplett, nämlich im Bereich der Altersarmut . Wir laufen hier sehenden Auges in ein massives Problem hinein . Das hat auch mit der Höhe von Sozialleistungen zu tun . ({12}) Ich habe vor kurzem eine Friseurin aus meinem Wahlkreis kennengelernt, die 51 Jahre lang Haare geschnitten hat und auf ihrem Rentenkonto 20 Rentenpunkte angesammelt hat . Sie bekommt 650 Euro Rente . ({13}) Wenn sie in den nächsten Monaten in Rente geht, kommen wir mit einer Lösung vielleicht zu spät . Vielleicht wäre es gut gewesen, wenn schon diese Regierung hier etwas Vernünftiges hinbekommen hätte, ganz konkret für diese Menschen . ({14}) Natürlich müssen wir, weil es um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe geht, Steuergelder in die Hand nehmen, um dieses Thema anzugehen . Das heißt, wir brauchen eine Solidarrente für Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet haben - besser heute als morgen, so schnell wie möglich . ({15}) 650 Seiten haben wir hier vorgelegt bekommen, und es gibt schon viele Ideen, was alles im sechsten Armutsund Reichtumsbericht, der hoffentlich kommen wird und ein guter und spannender Bericht sein wird, drinstehen soll; es wird kaum ein weniger dicker Bericht sein . Ich finde, es sind 650 Seiten Argumente für sozialdemokratische Politik, für eine Politik für mehr Gerechtigkeit . In diesem Sinne: Wir Sozialdemokraten nehmen uns diesen guten Bericht zu Herzen, nehmen ihn mit und wollen versuchen, viele Anregungen daraus in reale Politik umzusetzen . Vielen Dank fürs Zuhören . ({16})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Matthias W . Birkwald für die Fraktion Die Linke . ({0})

Matthias W. Birkwald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004012, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zwischen 2002 und 2013 stieg die Zahl der EinDaniela Kolbe kommensmillionärinnen und -millionäre von 9 462 auf 17 400, und seit Jahren senken Union und SPD die Steuern auf große Vermögen, auf hohe Einkommen und Gewinne . Herr Schäuble lässt zu, dass sich Amazon, IKEA und andere große Konzerne notorisch davor drücken, Steuern zu zahlen . ({0}) Millionen Euro fließen so jedes Jahr in die Kassen der Unternehmen und die Geldbeutel der Reichen . Gleichzeitig heben Sie den Regelsatz für Menschen, die von Hartz IV oder von der Grundsicherung im Alter leben müssen, nur um mickrige 5 Euro an . Das ist ungerecht und schlicht eine Frechheit . ({1}) Ihr Fünfter Armuts- und Reichtumsbericht zeigt deutlich: Von 1995 bis 2014 ist die Armutsquote, Herr Whittaker, drastisch gestiegen, und die soziale Ungleichheit hat deutlich zugenommen . Auf Deutsch - Faktencheck -: Die Reichen wurden immer reicher, und die Armen immer zahlreicher . - Darum wollte die CDU/CSU wohl so lange wie möglich vermeiden, dass wir heute hier im Plenum über den Bericht debattieren . Kein Wunder: Ihr Bericht beschreibt manches, aber er drückt sich um die Kritik . Meine Damen und Herren, Armut und Reichtum nehmen gleichermaßen zu oder, wie es der renommierte Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge ausdrückt: „Während die einen nach oben fahren, fahren die anderen nach unten .“ Professor Butterwegge nennt das Paternoster-Effekt. Meine Damen und Herren von der Koalition, es wäre gut, wenn Sie diesen Paternoster-Effekt kritisierten. Das tun Sie aber nicht . Im Gegenteil: Sie ignorieren, dass hier in Deutschland, in der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt, das oberste Prozent der Einkommensbeziehenden über 400 000 Euro im Jahr hat und gleichzeitig immer mehr Menschen in Mülltonnen nach leeren Flaschen wühlen müssen, weil sie zu arm sind . Das können Sie, Herr Whittaker, übrigens auch hier im Regierungsviertel sehen . Wir Linken sagen: Das ist beschämend, und das muss unbedingt ein Ende haben . ({2}) Ihr Armuts- und Reichtumsbericht zeigt uns einen Teil der beschämenden Zustände von heute, zum Beispiel, dass immer mehr Menschen auf die Grundsicherung im Alter, also auf das Rentner-Hartz-IV, angewiesen sind, und zwar absolut und relativ . Aber Ihr Bericht verschweigt, dass nach den Zahlen der Europäischen Union schon heute 2,7 Millionen Menschen in unserer reichen Gesellschaft in Altersarmut leben . In keiner Altersgruppe wächst die Armut so schnell wie bei den Seniorinnen und Senioren; Kollege Strengmann-Kuhn hat es schon gesagt . Meine Damen und Herren, die vorgestern erschienene Studie von Bertelsmann-Stiftung und DIW zur Altersarmut schaut in die Zukunft . Die Zukunft wird noch düsterer werden . Wenn wir jetzt nicht handeln, ({3}) dann wird sich die Anzahl der armen Rentnerinnen und Rentner in Ostdeutschland bis 2030 verdoppeln, dann wird bis 2030 im Osten jeder Dritte im Alter in Armut leben müssen, in Deutschland jeder Fünfte . Mit anderen Worten: In wenigen Jahren werden 20 Prozent der älteren Menschen in Deutschland in Armut leben . Besonders gefährdet sind heute und in Zukunft alleinstehende Frauen . Besonders gefährdet sind Langzeiterwerbslose sowie Migrantinnen und Migranten . Ich frage Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union: Wann wachen Sie eigentlich endlich einmal auf? ({4}) Meine Damen und Herren, in der Bertelsmann-Studie heißt es - Zitat -: Es lässt sich aber festhalten, dass eine Abschaffung der Abschläge - bei Erwerbsminderungsrenten zu einer deutlichen Reduktion der Altersarmut für die betroffene Gruppe führen würde. Das fordern die Linke, Gewerkschaften, Sozialverbände und Bündnis 90/Die Grünen, und bis 2013 forderte das auch die SPD . Aber genau das machen Sie nicht . Sie lassen die heutigen Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner im Regen stehen . Sie bestrafen Menschen, die zu krank zum Arbeiten sind, weiter mit systemwidrigen Abschlägen . Niemand wird freiwillig krank . Ich fordere Sie auf: Schaffen Sie die Abschläge für Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner ab, ({5}) für die 1,8 Millionen, die schon heute im Schnitt nur 711 Euro erhalten, und für die, die künftig auf so eine Rente angewiesen sein werden! Das muss doch drin sein . ({6}) Meine Damen und Herren, wir müssen endlich dafür sorgen, dass in unserem reichen Land niemand mehr in Armut lebt und dass niemand mehr von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen wird . Ob Kino oder Theater, ob gesundes Essen, Tickets für Busse und Bahnen, ein Schulranzen oder ein Kaffee oder ein Bier mit Freundinnen und Freunden: Das alles muss auch von armen Menschen bezahlt werden können . Deshalb sagt die Linke: Niemand soll in unserer Gesellschaft von weniger als 1 050 Euro im Monat leben müssen - keine Alleinerziehende, kein Erwerbsloser, kein Erwerbsminderungsrentner und keine Rentnerin . Warum 1 050 Euro? Nun, weil das DIW festgestellt hat, dass alle Einpersonenhaushalte, die weniger als 1 050 Euro zur Verfügung haben, schlicht arm sind . Und darum sage ich Ihnen ganz zum Schluss: Hören Sie endlich auf, die Armut wegzudefinieren! Allen, die behaupten, die relative Armutsgrenze von 60 Prozent des Durchschnittseinkommens, also 1 050 Euro für einen Single, sei nur eine relative Größe,

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Birkwald .

Matthias W. Birkwald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004012, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

- die zwar die Spreizung der Einkommen zeige, aber nicht die absolute Armut, ({0}) sage ich zum Schluss: Es geht nicht nur darum, die absolute Armut mit Sozialhilfe zu bekämpfen, es geht nicht nur darum, Elend zu bekämpfen, sondern es geht auch darum, alle Menschen in Würde an unserer Gesellschaft teilhaben zu lassen . Danke schön . ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Stephan Stracke hat für die CDU/ CSU-Fraktion das Wort . ({0})

Stephan Stracke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004169, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Grüß Gott, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Ihnen dankbar, lieber Herr Kollege Birkwald, dass Sie die Bertelsmann-Studie, die vor kurzem veröffentlicht wurde, erwähnt haben . Das gibt Gelegenheit, diese herauszugreifen und zu beleuchten . Zum einen: Grundsicherung im Alter zu erhalten, ist nicht gleichzusetzen mit Altersarmut, sondern die Grundsicherung ist zunächst einmal ein Instrument, um vor Altersarmut zu schützen . Das ist das Entscheidende in dem Bereich . ({0}) Dazu haben wir sie im Jahr 2003 eingeführt . Verschämte Altersarmut wollten wir dadurch beseitigen, und das ist uns auch in großem Maße gelungen . ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Stracke, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Birkwald?

Stephan Stracke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004169, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, geht ja gut los . Herr Kollege Birkwald, bitte schön .

Matthias W. Birkwald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004012, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin, vielen Dank, Kollege Stracke, dass Sie die Frage zulassen . Zunächst einmal wollen wir festhalten: Auf den Seiten 549 ff. Ihres Armuts- und Reichtumsberichtes sind vier Institute genannt, die eine Armutsquote messen, und da sind auch die Armutsquoten für Rentnerinnen und Rentner und Pensionäre ausgewiesen . Ich sage Ihnen: Bei allen vier Instituten sind die Zahlen zwischen 1995 und 2014 deutlich gestiegen, und bei drei von vier Instituten liegen die Armutsquoten von Rentnern mit 17 Prozent, 15,9 Prozent oder 20,2 Prozent signifikant über den Armutsquoten aller . Jetzt kommt meine Frage: Meinen Sie wirklich, dass man bei einem bundesweit einheitlichen durchschnittlichen Bruttogesamtbedarf - so heißt der Fachbegriff - bei der Grundsicherung im Alter von 804 Euro nicht von Armut reden kann? 804 Euro! Davon müssen die Menschen alles bezahlen: Essen, Trinken, Miete, Heizung, Strom, Warmwasser und auch noch das, was wir hier gesellschaftliche Teilhabe nennen . Die Menschen draußen nennen es Kaffee, Wasser, Bier, Theater, Kino, Oper oder von mir aus auch Schwarzwälder Kirschtorte . Das kann man nicht von 804 Euro bezahlen . Diese Menschen sind arm . Sehen Sie das nicht genauso? ({0})

Stephan Stracke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004169, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lieber Herr Kollege Birkwald, das Instrument der Grundsicherung im Alter soll wie sämtliche Grundsicherungssysteme Menschen ja gerade dann schützen, wenn sie in die genannte Situation kommen . Deswegen gibt es vonseiten des Staates entsprechende Unterstützungssysteme wie eben die Grundsicherung im Alter, die gerade vor Altersarmut schützen soll . ({0}) Genau deswegen haben wir dieses Instrument geschaffen . Die Armut betrifft im Übrigen ältere Menschen weitaus weniger als Menschen, die noch im Erwerbsleben stehen . Das zeigen auch die Berichte auf, die uns vorliegen . Die Bezieher kleinerer Renten sind im Regelfall auch nicht auf Grundsicherung angewiesen . Vielmehr gilt: Altersarmut ist in der Regel nicht das Thema, sie ist vielmehr die relativ seltene Ausnahme . ({1}) So ist es: Altersarmut ist die relativ seltene Ausnahme . ({2}) Ich will Ihnen, weil hier alle sehr aufgeregt sind, dafür einmal ein Beispiel nennen . Bei jemandem, der eine gesetzliche Rente von weniger als 600 Euro bezieht, würden Sie davon ausgehen, dass er in der Grundsicherung ist. Tatsächlich befinden sich aber nur 6 Prozent unserer Rentnerinnen und Rentner in der Grundsicherung . Das zeigt doch, dass Altersarmut Gott sei Dank in dieser GeMatthias W. Birkwald sellschaft nicht die Regel ist, sondern die relativ seltene Ausnahme . Wir sollten uns aber natürlich auch daran messen lassen, das zu verbessern, meine sehr geehrten Damen und Herren . ({3}) Ich nehme die Wortmeldung des Herrn Kollegen Birkwald zum Thema Bertelsmann-Studie auf . Die beste Politik für ein gutes Leben in Deutschland ist natürlich eine gute Arbeitsmarktpolitik bzw . eine gute Bildungspolitik . Und Altersarmut lässt sich eben am sinnvollsten präventiv durch sichere und ordentlich bezahlte Beschäftigung bekämpfen . Dafür haben wir in dieser Wahlperiode - auch mit dem Mindestlohn, mit der Stärkung der Sozialpartnerschaft und mit vielem mehr - eine Menge getan . Es geht vor allem darum, Reparaturmaßnahmen zu vermeiden . Diese sind nämlich nicht vordringlich . Jetzt geht es darum, dass wir beim Arbeitsmarkt auch darauf achten, den Rahmen weiterhin hochzuhalten . Wir sollten keine Steuererhöhungen machen, wie es jetzt beispielsweise die SPD vorgeschlagen hat, sondern ganz im Gegenteil: Jetzt ist Zeit für Steuerentlastungen für alle . ({4}) Und dafür ist auch der entsprechende Rahmen vorhanden, meine sehr verehrten Damen und Herren . ({5}) Seit 2005 sind - der Kollege hatte bereits darauf hingewiesen - die Arbeitnehmerentgelte stärker als die Gewinneinkommen gestiegen . Auch die Reallöhne sind im Übrigen spürbar gestiegen . Die Ministerin hat darauf hingewiesen, dass die gemessen am Gehalt unteren 40 Prozent der Beschäftigten 2015 real weniger verdient haben als Mitte der 90er-Jahre . Auch da lohnt es sich, einen genauen Blick auf die Zahlen zu werfen . Tatsache ist, dass diese Senkungen und Einbußen im Reallohnbereich im Zeitraum zwischen 1993 und 2007 stattgefunden haben, also zu einer Zeit, in der im Wesentlichen die SPD regierte . Seit 2009 sind die Reallöhne kräftig gestiegen . ({6}) Das zeigt: Politik muss man richtig machen . Und wir vonseiten der Union tun das auch . Erstmals seit dem Jahr 1993 ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen unter die Marke von 1 Million gesunken . Auch dazu können wir sagen: In diesem Bereich haben wir richtig gehandelt . Ja, es ist unser gemeinsames Ziel, die Altersarmut von Rentnerinnen und Rentnern zu verhindern . Auch in diesem Zusammenhang ist ein Blick auf die Rentensteigerungen gut: In den letzten zehn Jahren sind die Renten in Westdeutschland um 15,9 Prozent und im Osten sogar um 24,1 Prozent gestiegen . ({7}) Das heißt, die Renten sind gut gestiegen . Trotz eines um 6,4 Prozent gesunkenen Rentenniveaus haben wir in Ostdeutschland eine Rentensteigerung um 24,1 Prozent . Das zeigt: Auch hier ist die Situation anders, als es in diesem Land oft behauptet wird . ({8}) Die Renten steigen, und das ist gut . Das kommt bei den Rentnerinnen und Rentnern in diesem Land an . ({9}) Altersarmut sollten wir am besten zielgenau bekämpfen; darauf habe ich bereits hingewiesen . Drei Viertel derer, die ab Erreichen der Regelaltersgrenze Grundsicherung im Alter beziehen, waren unmittelbar vor Eintritt in das Rentenalter bereits Empfänger von Grundsicherungsleistungen, sei es ALG II, Erwerbsminderungsrente oder Sozialhilfe . Das bedeutet: Die Ursachen liegen offensichtlich weit vor dem Renteneintritt . Deswegen müssen wir bei diesen Themen sehr zielgenau arbeiten . Ich meine den Übergang von Schule in Beruf sowie die betriebliche Weiterbildung . Außerdem müssen wir die gesamten Bedarfsgemeinschaften verstärkt in den Blick nehmen . In Bayern gibt es ein hervorragendes, funktionierendes Modellprojekt - Tandem -, bei dem zusammen mit den Kommunen versucht wird, die gesamte Bedarfsgemeinschaft in den Blick zu nehmen und gute Lösungswege aufzuzeigen . Genau diese Ansätze sollten wir verstetigen . Herr Birkwald, Sie haben sich im Zusammenhang mit der Bertelsmann-Studie zwar auf die Erwerbsgeminderten bezogen - da haben wir in dieser Legislaturperiode viel getan -, Sie haben aber ausgeblendet, dass ein höheres Rentenniveau für alle, was vor allem Sie, aber auch die SPD fordern, kein taugliches Mittel zur Vermeidung von Altersarmut ist . Das ist der entscheidende Befund der Bertelsmann-Studie in diesem Bereich . Das hätte einen symbolischen Wert, wäre aber Politik mit der Gießkanne. So kann man Altersarmut nicht treffsicher bekämpfen . Außerdem kostet das unglaublich viel: Die kumulierten Kosten dafür beliefen sich auf mindestens 100 Milliarden Euro . Schauen wir uns einmal die 530 000 Menschen, die Grundsicherung im Alter beziehen, an: 25 Prozent davon haben keinerlei Rentenansprüche, und 40 Prozent beziehen eine Rente von unter 400 Euro . ({10}) Diese Menschen haben nichts, aber auch gar nichts von den Rentenplänen von Martin Schulz . ({11}) Tatsächlich würden diejenigen profitieren, die lange gearbeitet haben und gut verdient haben . Aber die haben in der Regel nichts mit Altersarmut zu tun . ({12}) Ich würde sagen: Die Vorschläge gehen am Thema vorbei . Das ist nichts anderes als bei der Rente mit 63 . ({13}) Auch zu den Vorschlägen zur Solidarrente, die hier unterbreitet wurden, lautet der Befund der Bertelsmann-Stiftung: Nicht zielführend . ({14}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Zahlen lügen nicht: Deutschland geht es so gut wie nie . Die Wirtschaft brummt, und die Löhne steigen . Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat sich insgesamt um 6 Millionen erhöht . Besonders erfreulich ist, dass sich die Zahl der Arbeitslosen halbiert hat, die Zahl der jugendlichen Arbeitslosen sogar um 60 Prozent . Die Einkommensungleichheit hat seit 2005 nicht mehr zugenommen. Die Vermögensungleichheit ist rückläufig, und die Mittelschicht ist stabil . Vor allem wichtig ist: Menschen, die die Unterstützung des Staates brauchen, erhalten sie . Soziale Transferleistungen wie Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe und Grundsicherung im Alter senken das Armutsrisiko für die Menschen . Das ist der zentrale Befund des Fünften Armuts- und Reichtumsberichts . Das heißt, der Sozialstaat in Deutschland wirkt . ({15}) Das Volumen der sozialen Leistungen in Deutschland liegt mittlerweile bei über 888 Milliarden Euro pro Jahr . Die Sozialausgaben des Bundes sind von rund 145 Milliarden Euro im Jahr 2013 auf über 170 Milliarden Euro in diesem Jahr gestiegen . Jetzt hat das Bundeskabinett den Bundeshaushalt für 2018 und die Finanzplanung bis 2021 beschlossen . Hierbei sieht man eine weitere Steigerung der Sozialausgaben: 2021 werden diese bei 186 Milliarden Euro liegen . Das heißt, von den Gesamtausgaben des Bundes fließen über 52 Prozent in den Bereich des Sozialen . Das zeigt: Wir sind ein leistungsfähiger Sozialstaat in all diesen Bereichen . Entscheidend ist auch: In den letzten zwölf Jahren, in denen die Union regiert hat, haben wir alle wirtschaftlichen Prognosen immer wieder nach oben korrigiert das sei all denjenigen gesagt, die sich auf die Prognosen verlassen . Wenn man sich die Prognosen anschaut, stellt man fest, dass wir beim Beitragssatz deutlich besser sind . Wir haben beispielsweise ein deutlich besseres Rentenniveau; das steigt nämlich wieder . Eine gute Wirtschaftspolitik ist letztendlich eine gute Sozialpolitik . Daran wollen wir unter Führung der Christlich-Sozialen Union und unter Führung der CDU festhalten . In diesem Sinne freue ich mich darauf, dass wir uns um eine Vertragsverlängerung für die nächste Wahlperiode bemühen, damit wir erneut eine unionsgeführte Bundesregierung stellen können, die die besseren Konzepte für Deutschland hat . Ein herzliches Dankeschön . ({16})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Markus Kurth hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Stracke, angesichts dessen, was Sie gerade abgeliefert haben, frage ich mich wirklich: Machen Sie das eigentlich absichtlich, um sozusagen alles zu vernebeln und die Leute zu verwirren, oder glauben Sie das, was Sie da erzählt haben, wirklich? ({0}) Es ist doch nicht zu fassen, dass Sie nach vier Jahren im Ausschuss für Arbeit und Soziales immer noch nicht den Unterschied kennen zwischen dem Existenzminimum, das die Grundsicherung darstellt, und der Armutsschwelle, die oberhalb des Existenzminimums liegt . ({1}) Das ist das kleine Einmaleins des Sozialpolitikers . Ich muss wirklich sagen: Dass Sie Altersarmut hier zum Randphänomen erklären, zeigt, dass Sie nicht einen Blick in diesen Bericht geworfen haben; dort können Sie doch alles nachlesen . Die Altersarmutsrisikoquote steigt seit Jahren an . Tatsächlich war vor mehreren Jahren Altersarmut im Vergleich zu Kinderarmut eher nachrangig . Aber die Entwicklung ist dramatisch, und sie ist rasant . Wenn Sie davon reden, dass Altersarmut zielgerichtet bekämpften werden soll, dann müssen Sie sich auch der Erwerbssituation von Frauen zuwenden . ({2}) Denn das zeigt die Bertelsmann-Studie ganz deutlich: Gerade alleinstehende und/oder alleinerziehende Frauen haben aktuell in der Erwerbsphase und - noch sehr viel schlimmer - in Zukunft ein wirklich exorbitantes Armutsrisiko . Ich will nicht mit zu vielen Zahlen herumwerfen, aber das will ich doch einmal aus dieser Studie zitieren: Es wird damit gerechnet, dass im Jahr 2030 mehr als die Hälfe der alleinstehenden Frauen arm sein wird und sogar 28 Prozent von ihnen Grundsicherung beStephan Stracke ziehen werden . Das ist etwas, was einem wirklich einen Schrecken einjagen kann . ({3}) Wenn wir uns den Hintergrund anschauen, sehen wir, dass 90 Prozent der Alleinerziehenden Frauen sind . 80 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten sind weiblich . Wir haben die geschlechtsspezifische Lohnlücke, und wir haben die schlechte Bezahlung von Frauenberufen . Das erklärt die dramatischen Aussichten auf das Jahr 2030 und darüber hinaus . In diesem Zusammenhang haben wir als Bündnis 90/ Die Grünen - die Kollegin Brigitte Pothmer und andere gute Vorschläge vorgelegt . Erst heute haben wir im Ausschuss wieder das Rückkehrrecht in Vollzeit beraten Fehlanzeige bei der Großen Koalition . Wir haben erst heute im Ausschuss wieder - abgelehnt von der Großen Koalition - ein Arbeitszeitwahlrecht im Vollzeitkorridor beraten, was eine gerechtere Aufteilung der Arbeitszeit zwischen den Geschlechtern ermöglichen würde . Und wir haben Vorschläge zur Garantierente vorgelegt, die wesentlich niedrigschwelliger ist als die sogenannte Solidarrente und von der zu 85 Prozent Frauen profitieren würden . Wenn Sie also zielgerichtete Vorschläge suchen, schauen Sie ins Wahlprogramm und in die Beschlüsse von Bündnis 90/Die Grünen . Vielen Dank . ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Dagmar Schmidt für die SPD-Fraktion . ({0})

Dagmar Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004401, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Fünfte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hat es erneut gezeigt - und ich bin froh darüber, dass das Thema heute von so prominenter Seite vorgetragen wurde -: In unserem Land gibt es viel zu viele arme Kinder, und diese armen Kinder haben es besonders schwer, vor allem dann, wenn es um ihre Teilhabe und Bildungschancen geht . Arme Kinder haben es schwer, weil es in Deutschland immer noch so ist, dass die Herkunft und nicht Intelligenz und Fleiß eines Kindes über seine Zukunft entscheiden . Arme Kinder haben es schwer, weil ihre Familien oftmals besonders problembeladen sind - durch Existenz- und Zukunftsängste, Hoffnungslosigkeit und häufig das Gefühl der Überforderung, gerade bei der Erziehung der Kinder . Um eines klarzustellen: Arme Eltern lieben ihre Kinder genauso wie alle anderen Eltern . Sie wollen genau wie alle anderen Eltern das Beste für ihre Kinder . Und arme Kinder werden genauso klug, neugierig, lernbereit und offen geboren wie alle anderen Kinder auch, und sie werden mit den gleichen Rechten auf ein gutes Leben geboren . ({0}) Aber es werden ihnen schon früh dicke Steine in den Weg gelegt, und es ist unsere Aufgabe, diese dicken Steine wegzuräumen . Alle Kinder brauchen eine ausreichende Existenzsicherung und gleichen Zugang zu Bildung und sozialer Teilhabe . ({1}) Wir haben schon vieles getan . Unser Sozialstaat verbessert durch Kinder- und Familienleistungen die Situation von Kindern deutlich . Unser Kindergeld beträgt aktuell mehr als 190 Euro . Der Kinderzuschlag wurde um 30 Euro auf 170 Euro pro Kind und Monat erhöht . Durch die Reform des Unterhaltsvorschusses gilt in wenigen Tagen, dass dieser unbegrenzt bis zum 18 . Lebensjahr eines Kindes gewährt wird und bis zu 268 Euro pro Monat betragen kann . Um die Eltern in gute Arbeit zu bringen, haben wir ebenfalls vieles getan: mit der Hilfe für langzeitarbeitslose Eltern, der Möglichkeit, eine Ausbildung zu machen und dabei Grundsicherungsleistungen zu bekommen, ({2}) und den deutlichen Verbesserungen bei der Kinderbetreuung . Wir haben allein 2,2 Milliarden Euro in den Betreuungsausbau investiert und uns mit 6 Milliarden Euro an den Kitabetriebskosten beteiligt . Wir haben die frühkindliche Sprachentwicklung in den Kitas gefördert sowie die Ausweitung der Betreuungszeiten und die Kindertagespflege unterstützt. Das alles kann sich wirklich sehen lassen . ({3}) Eltern in Arbeit zu bringen, ist wichtig; aber es reicht nicht aus . Wir müssen Politik für Kinder auch vom Kind aus denken . Da gibt es noch viel zu tun . Bei alledem, was wir tun, müssen das Kindeswohl und das Recht auf gleiche Chancen und Möglichkeiten im Mittelpunkt stehen . Wir brauchen eine eigenständige Existenzsicherung . Die Frage der fairen Berechnung des Existenzminimums für Kinder muss wieder auf die Tagesordnung . Wir brauchen Ganztagsschulen, Schulen, die es nicht notwendig machen, dass Eltern bei den Hausaufgaben helfen können müssen . ({4}) Wir wollen die Kinder nicht vergessen, die nicht in ihrer Ursprungsfamilie bleiben können, und auch die Familien, die Pflegekinder bei sich aufnehmen, mit ihnen eine eigene Familie gründen und ihnen Sicherheit und Geborgenheit geben . Diese Familien und diese Kinder müssen wir besonders schützen . ({5}) Jedes Kind ist uns gleich viel wert, und niemand darf wegen seiner Kinder arm werden . Deswegen werden wir ein gerechteres Kindergeld einführen und dies mit dem Kinderzuschlag als Regelleistung zusammenführen . Wir werden die Rechte von Kindern und Familien im Kinderund Jugendhilfegesetz stärken und die Kommunen bei der Umsetzung unterstützen . Wir werden mit einem Umgangsmehrbedarf und mehr Teilzeitausbildung die Situation für Alleinerziehende erleichtern . Und wir werden die Kitagebühren abschaffen und einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter einführen . ({6}) Kinder sind unsere Zukunft . Wer zu geizig ist, in diese Zukunft zu investieren, wer es scheut, dafür zu sorgen, dass alle Kinder die gleichen Chancen auf ein gutes Leben haben, und wer mehr als 6 Milliarden Euro Brennelementesteuer für die Energiekonzerne aus dem Haushalt zaubert, aber das Geld nicht hatte, als es um das Bildungs- und Teilhabepaket ging und um die Frage, ob man die Nachhilfe für arme Kinder finanziert, die die Chance und das Potenzial haben, in der Schule aufzusteigen, den kann man am 24 . September aus dem Kanzleramt und dem Finanzministerium abwählen . In diesem Sinne: Glück auf! ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Dr . Kristina Schröder für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Dr. Kristina Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es um Armut und Reichtum geht, dann gibt es eine Aussage, die in der Debatte so allgegenwärtig ist, dass sie eigentlich schon gar nicht mehr richtig auffällt: Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander . - Wenn Sie das sagen, dann ernten Sie in jeder Podiumsdiskussion und in jeder Talkshow Nicken und Betroffenheit. Praktisch niemand fragt aber, ob das empirisch überhaupt stimmt . ({0}) Zwar hatte sich in Deutschland die Einkommensungleichheit zwischen Ende der 90er-Jahre und 2005 merklich erhöht, wie in den meisten anderen Industrienationen auch, seitdem aber nicht mehr . Die verfügbaren Realeinkommen der oberen 10 Prozent sind in diesem Zeitraum weniger stark gestiegen als die der unteren 10 Prozent . Auch der Gini-Koeffizient, das internationale sozialwissenschaftliche Maß zur Messung von Ungleichheit, spricht eine andere Sprache . Betrachtet man nur die Markteinkommen, also das, was vor Steuern und Abgaben verdient wird, dann liegt Deutschland unter den 28 EU-Ländern in der Tat im oberen Mittelfeld . Die Markteinkommen sind in Deutschland also ungleicher verteilt als in der Mehrzahl der EU-Länder . Anders ist es aber bei der Betrachtung der Nettoeinkommen, also dem, was nach Steuern und Abgaben herauskommt . Unter den 28 EU-Ländern gibt es nur 8, deren Nettoeinkommen deutlich gleicher verteilt sind als die Nettoeinkommen in Deutschland . Wir liegen hier also eindeutig unter dem EU-Schnitt, und daran hat sich in den letzten Jahren auch nichts geändert . ({1}) Das heißt also, die staatliche Umverteilung wirkt . Die Steuergesetzgebung, die wir maßgeblich hier in diesem Haus machen, sorgt dafür, dass Wohlhabende in Deutschland auch viel Steuern zahlen . Die wohlhabendsten 10 Prozent unserer Einkommensteuerpflichtigen zahlen 55 Prozent der Einkommensteuer. Damit finanzieren sie maßgeblich unser soziales Netz, das weltweit zu den stärksten gehört . ({2}) Daher habe ich, ehrlich gesagt, auch nie verstanden, warum der Bericht, den wir heute diskutieren, Armutsund Reichtumsbericht heißt . Armut und Reichtum werden also in einem Atemzug genannt . Armut ist ein Übel, das reduziert werden muss . Darauf können wir uns sofort verständigen . Aber auch Reichtum? Ist Reichtum wirklich ein Übel, das reduziert werden sollte? ({3}) Ich bin der Überzeugung - und die Union auch -, dass ein Land froh sein kann, wenn in ihm viele gut verdienende Menschen leben, wenn dort zum Beispiel auch Menschen leben, die den Mut und das Geschick zum Unternehmertum haben; denn genau diese Menschen finanzieren maßgeblich den Wohlstand und das soziale Netz unseres Landes . ({4}) Im Übrigen haben auch die Armen nichts davon, wenn man den Wohlhabenden einfach etwas nimmt, nur um mehr Gleichheit herzustellen . ({5}) Ich möchte auch noch eine Bemerkung als ehemalige Familienministerin machen . ({6}) Wir hören in der Debatte immer wieder, dass es zur Bekämpfung von Armut wichtig sei, dass die Menschen durchgehende Erwerbsbiografien möglichst in Vollzeit haben . Es stimmt ja auch: Jeder, der arbeiten will, sollte auch arbeiten können . Ich sehe es allerdings mit einer gewissen Sorge, dass sich die Erwartungshaltung, mit möglichst wenigen Unterbrechungen und möglichst Vollzeit zu arbeiten, immer stärker auch an Mütter sehr kleiner Kinder richtet . Das wird immer wieder auch von der Politik befeuert . Andere Lebensentwürfe werden gerne als Dagmar Schmidt ({7}) überholtes Rollenmodell verunglimpft, oder den Müttern wird attestiert, wie ein kleines Dummchen in die Teilzeitfalle getappt zu sein . ({8}) Auch die Pläne von SPD, Grünen und Linken, nach der Bundestagswahl das Ehegattensplitting abzuschaffen, um dieses Lebensmodell für breite Schichten unerschwinglich zu machen, gehen in genau diese Richtung . Ich denke, ein so wohlhabendes Land wie Deutschland muss es sich leisten können, jungen Familien finanziell zu ermöglichen, dass einer der Elternteile eine Zeit lang zu Hause bleibt, um sich um die Betreuung der Kinder zu kümmern . ({9}) Wer will, soll sehr früh wieder einsteigen können . Dafür braucht er bestmögliche Krippen und Kitas . Wer aber die Betreuung in den ersten Lebensjahren komplett zu Hause organisieren möchte, der muss das genauso können . ({10}) Solchen Familien dürfen weder durch die Abschaffung des Ehegattensplittings finanziell die Daumenschrauben angelegt werden, ({11}) noch hat der Staat das Recht, sie anmaßend zu belehren, sie lebten ein veraltetes Rollenmodell . Solche Familien verdienen genauso unseren Respekt und unsere Unterstützung . ({12}) Liebe Kolleginnen und Kollegen gerade auch von der Opposition und von unserem geschätzten Koalitionspartner, Sie haben sich gerade ein bisschen aufgeregt . Vielleicht ist es daher für Sie eine gute Nachricht, dass dies meine letzte Rede als Bundestagsabgeordnete ist . Ich verstehe unser Parlament, ich verstehe dieses Rednerpult hier als den Ort der weltanschaulichen Auseinandersetzungen in Deutschland . ({13}) Hier bekennen die einen, dass sie sich letztlich eher der Gleichheit verpflichtet fühlen, und die anderen, dass es ihnen im Kern um die Freiheit geht . Das ist das Wesen des Politischen . Das sind genau die Wertaxiome, die Max Weber beschrieben hat, zu denen sich jeder von uns hier an diesem Rednerpult bekennen kann und damit vor seine Wähler treten muss . Wenn diese Wertaxiome, die in diesem Haus von uns vertreten werden, sehr unterschiedlich sind, dann ist es gut so; ({14}) denn dann hat der Wähler eine Wahl . Gefährlich für unsere parlamentarische Demokratie wird es nur, wenn so getan wird, als ließen sich diese letzten Wertaxiome irgendwie objektiv herleiten, sei es als vermeintlicher gemeiner Wille des Volkes im Sinne Rousseaus, sei es als technisches Erfordernis, sei es als vermeintlich zwingender Verlauf der Geschichte . All diese Versuche, das moralisch Richtige objektiv zu begründen, verbrämen immer nur den subjektiven Willen desjenigen, der das versucht . Hier im Parlament entscheiden wir nach einem anderen Modus: nach Mehrheit . Damit erheben wir nicht den Anspruch auf Wahrheit, sondern den wesentlich bescheideneren Anspruch auf Geltung . Dafür brauchen wir weiter - vielleicht auch etwas breiter als in der zu Ende gehenden Legislaturperiode - die weltanschauliche Debatte hier in diesem Haus . Dass ich daran 15 Jahre lang mitwirken durfte, das war mir eine Ehre . ({15})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Mit diesem letzten Redebeitrag und diesem Applaus endet auch dieser Tagesordnungspunkt . - Kollegin Schröder, alles Gute für Sie . Ich schließe die Aussprache . Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/11980 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor- geschlagen . Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung so beschlossen . Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b auf: a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU und SPD Östliche Partnerschaft der Europäischen Union entschlossen gestalten und konsequent fortsetzen Drucksache 18/12942 b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Östliche Partnerschaft für Frieden und Zusammenarbeit in ganz Europa nutzen Drucksache 18/12937 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen . Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die uns jetzt verlassen müssen ({0}) Dr. Kristina Schröder ({1}) - oder wollen -, dies so zu tun, dass wir trotzdem die Aussprache eröffnen und den Rednerinnen und Rednern auch folgen können . Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Franz Thönnes für die SPD-Fraktion . ({2})

Franz Thönnes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002818, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Europäische Union ist das größte Friedensprojekt des 20 . Jahrhunderts auf unserem Kontinent . Generationen wie die meine konnten erstmalig auf deutschem Boden über so eine lange Phase ohne Krieg leben und aufwachsen . Das ist ein politischer Erfolg, der uns immer wieder mahnen muss, sich für die Stabilität und die Weiterentwicklung der Europäischen Union einzusetzen . Politik für ein starkes und einiges Europa ist aktive Friedenspolitik . ({0}) Die Wurzeln für die Östliche Partnerschaft der Europäischen Union liegen in Artikel 8 ihres Vertragswerks . Dieser verpflichtet, besondere Beziehungen zu den Nachbarn der EU zu entwickeln, „um einen Raum des Wohlstandes und der guten Nachbarschaft zu schaffen, der auf den Werten der Union aufbaut und sich durch enge, friedliche Beziehungen auf der Grundlage der Zusammenarbeit auszeichnet“ . Integriert ist sie in die europäische Nachbarschaftspolitik, die mit dazu beitragen soll, dass ein stabiles und prosperierendes Umfeld von Nachbarstaaten rund um die Europäische Union entstehen soll . Dazu sollen Hilfen für Transformation, Modernisierung und Demokratisierung gegeben werden, ohne eine Beitrittsperspektive zu beinhalten . Es ging und geht hier um die Länder Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau und die Ukraine . Die unabhängig gewordenen postsowjetischen Länder verfügen erfreulicherweise über differenziert ausgeprägte zivilgesellschaftliche Bewegungen sowie Reformkräfte . Gleichzeitig zeichnen sie sich ebenso dadurch aus, dass in Bezug auf die notwendigen Transformationsprozesse unterschiedliche, aber doch gewisse starke Beharrungsvermögen existieren . So gibt es partiell mangelnden politischen Willen, die Reform anzugehen . Zu sehr sind manche Gesellschaften durch ihre geschichtliche Entwicklung immer noch von egozentrischen Geschäftsund Machtinteressen beeinflusst, und zu gering sind die Kapazitäten zur Konsens- und Kompromissfindung, zur Schaffung von Demokratie und zur Versöhnung ausgeprägt . Es bestehen unterschiedliche außenpolitische Ziele, und wahrscheinlich war es auch ein Fehler seitens der EU, am Anfang eine Politik des „One size fits all“ - also ein Maß passt für alle - zu praktizieren . ({1}) Während die westliche Staatengemeinschaft nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und nach der Pariser Charta von festen Grenzen in Europa ausging, betrachteten die Regierenden in Russland diese Bereiche als ihre Einflusssphäre. Das führte zunehmend zu den Spannungen und Auseinandersetzungen, die wir heute erleben . In Brüssel und der politischen Klasse scheint einiges an Realitäten bei der Östlichen Partnerschaft ausgeblendet worden zu sein . Die Länder der Östlichen Partnerschaft sind nicht nur die Nachbarn Europas; sie sind auch die Nachbarn Russlands, und Russland ist Europas größter Nachbar . Wer gute Nachbarschaft will, hat dies bei der Entwicklung und Umsetzung der Östlichen Partnerschaft zu berücksichtigen . Das gilt umgekehrt aber auch für das Selbstbestimmungsrecht der freigewordenen Völker und Staaten . Was sind diese Realitäten? Da ist einmal die hohe Zahl der Gastarbeiter aus den sechs Partnerschaftsländern in Russland . Je nach Land handelt es sich dabei um 200 000 bis über 2 Millionen Menschen, die mit einem erheblichen Teil ihrer Rücküberweisungen in ihre Heimatländer zu deren Bruttoinlandsprodukt und Wirtschaftsleistung beitragen. Häufig ist Russland zentraler Handelspartner. Manchmal sind nicht zu unterschätzende Investitionen von Firmen in Schlüsselindustrien in diesen Ländern vorhanden . Hinzu kommen ungelöste Konflikte wie zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach, in Georgien mit Abchasien und Südossetien, in Moldau mit Transnistrien und im Osten der Ukraine sowie mit der Krim . Auch gilt es die unterschiedliche Präsenz von 1 400 über 8 000 bis zu 10 000 russischen Soldaten in einigen dieser Länder zu sehen . Armenien und Belarus sind inzwischen Mitglied der Eurasischen Wirtschaftsunion . Aserbaidschan hat einen derartigen Beitritt abgelehnt, will aber auch kein Assoziierungsabkommen mit der EU . Belarus dagegen betont ein Interesse an einem Rahmenvertrag mit der EU. Bisherige Treffen und Verabredungen zu einzelnen Reformprozessen im Wahlrecht und bei den Menschenrechten sind ohne größeren Erfolg geblieben . Die Frühjahrsproteste, die in Belarus gegen das sogenannte Schmarotzergesetz stattgefunden haben, sind mit Repressionen beantwortet worden . Nach wie vor werden Todesurteile vollstreckt, sodass es erneut von dieser Stelle aus gilt, Staatspräsident Lukaschenko zuzurufen: Entfernen Sie die Todesstrafe aus Ihren Gesetzen! Nehmen Sie Abstand von dieser Unmenschlichkeit inmitten Europas! ({2}) Georgien, Moldau und die Ukraine haben inzwischen Assoziierungsabkommen mit einer vertieften und umfassenden Freihandelszone mit der EU geschlossen . Inzwischen gilt auch die Visaliberalisierung . Vizepräsidentin Petra Pau Georgien scheint bei Wahlen, Pressefreiheit, Minderheitenrechten und bei der demokratischen Konsolidierung auf einem guten Weg zu sein . Pragmatisch stabilisiert es die Handelsbeziehungen mit Russland und führt den humanitären Dialog . Moldau wurde durch einen 1 Milliarde Euro schweren Bankenskandal 2014 erheblich erschüttert . Hinzu kommt eine politische Elite, die sich zum europäischen Reformkurs bekennt, es jedoch an konkreter Umsetzung mangeln lässt und eher Einzelinteressen bedient . Dann ist das Land von einem proeuropäischen Kurs der Regierung gekennzeichnet und einem Kurs des mit knapper Mehrheit gewählten Staatspräsidenten, der eher die Kooperation mit Russland sucht und Moldau zu einem unabhängigen, neutralen Land mit guten Beziehungen zu Ost und West machen will . In der Ukraine hat die Revolution der Würde vom Frühjahr 2014 zu einer politischen und gesellschaftlichen Neuorientierung geführt . Die völkerrechtswidrige Krim-Annexion und die russische Unterstützung der Separatisten im Donbass verschlechtern aber die Bedingungen für die Reformarbeit erheblich . Die politischen Kräfte sind gezwungen, viele Prozesse gleichzeitig zu bewältigen . Dazu gehören die Reformschritte im Banken- und Energiesektor, im Justizwesen, beim Abbau der Schattenwirtschaft, bei Renten und Steuern sowie bei der Intensivierung der Bekämpfung der Korruption . Sie müssen konsequent zu Ende gebracht werden und dürfen nicht im Gestrüpp von Oligarcheninteressen und Korruption am Ende stecken bleiben . Die Visaliberalisierung, die eingeführt wurde, sollte Mut machen, am Reformkurs festzuhalten . Aber ich will angesichts von Überlegungen, die Visapflicht für russische Staatsbürger einzuführen, schon sagen, dass ich das aus Sicherheitsinteressen verstehen kann . Aber, ich glaube, man sollte ernsthaft darüber nachdenken, ob es nicht besser ist, wenn die Menschen die gegenseitigen Realitäten in den Ländern sehen und begreifen können und nicht auf Fake News und Propaganda hereinfallen . Ich glaube auch, dass es gut wäre, wenn keine neuen Mauern, auch keine virtuellen, in Europa aufgebaut würden . ({3}) Nach der erfolgten stärkeren Öffnung ist es nicht gut, wenn es zu neuer Abschottung kommt . Diese Realitäten bedingen die Umsetzung der Politik der guten Nachbarschaft, der Östlichen Partnerschaft in Europa . Wenn wir heute darüber sprechen, wie Europa weiter stabilisiert werden kann, dann ist es notwendig, dass wir die Brückenfunktionen, die die osteuropäischen Länder einnehmen können, gerade vielleicht auch Armenien und Belarus, für ein stabiles, großes Gemeinwesen nutzen können . Die Minsker Abkommen haben viele Länder unterzeichnet; insofern kann man von einem gemeinsamen humanitären Raum in Europa auf der Basis der Prinzipien der OSZE sprechen . Dies sollten wir nutzen, um eine Verzahnung mit der „One Belt, One Road“-Strategie von China herbeizuführen; wir sollten nicht neue Spaltungen organisieren . Es darf nicht zu einer Blockbildung zwischen Europäischer Union und Eurasischer Union kommen, sondern Zusammenarbeit muss eigentlich unser Ziel sein . ({4}) Gerade deshalb brauchen wir eine offensive Nutzung aller Möglichkeiten des Dialogs, auch des Dialogs bei der Umsetzung der Minsker Abkommen . Wir müssen verlorengegangenes Vertrauen wieder zurückgewinnen . Meiner Ansicht nach sollten die Zivilgesellschaften hüben wie drüben in diesen Prozess viel stärker einbezogen werden als bisher . Was wir allerdings als Letztes brauchen, ist ein globaler Rüstungswettlauf . Das Geld, das dafür ausgegeben wird, ist besser in Bildung, Forschung und Friedensarbeit zu investieren . ({5}) Politik der Östlichen Partnerschaft muss immer das Interesse haben, die Ziele von Prosperität, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in einem geordneten Rahmen von Entspannung und Sicherheit, am besten in einer gemeinsamen Sicherheitsarchitektur, zu gestalten . Auch gilt es, die Sozialpartner über den sozialen Dialog einzubeziehen, wenn es darum geht, die großen Transformationen vorzunehmen; denn der äußere Friede nützt wenig, wenn der innere, der soziale Friede aufgrund der Transformationen aufs Spiel gesetzt wird . Werte Kolleginnen und Kollegen, mit Marieluise Beck, Karl-Georg Wellmann, Wolfgang Gehrcke, Gernot Erler, mit diesen geschätzten Kolleginnen und Kollegen aus dem Auswärtigen Ausschuss verlässt jetzt ein Großteil an osteuropäischer Expertise das Parlament . Zu früh sind unsere Kollegen Andreas Schockenhoff und Philipp Mißfelder von uns gegangen . Ich denke gern an die Arbeit mit Philipp Mißfelder und unsere gemeinsamen Versuche, zu einer Visaliberalisierung mit Russland zu kommen, zurück . ({6}) Ich bin auch immer noch davon überzeugt: Vielleicht wäre es heute sogar eine gute Idee, diese Arbeit offensiv fortzusetzen, damit die Menschen davor bewahrt werden, auf Fake News, auf Propaganda und neu aufgebaute Feindbilder hereinzufallen, damit sie die Realitäten auf beiden Seiten sehen und erkennen können . Ich glaube, dass das der beste Schutz dagegen ist, dass sich Menschen zunehmend voneinander entfremden und sich damit auch Nationen entfremden . ({7}) Außenpolitik wird durch die internationale Arbeit des Deutschen Bundestages beeinflusst. Vier Legislaturperioden durfte ich die sehr aktive Parlamentariergruppe des Nordens führen, die Deutsch-Nordische ParlamentariFranz Thönnes ergruppe, aber ebenso auch die Delegationen des Deutschen Bundestages in der Ostseeparlamentarierkonferenz - und das in großartiger gemeinsamer Kollegialität . In meiner letzten Rede im Deutschen Bundestag heute denke ich nach 23 Jahren parlamentarischer Arbeit, auch als Parlamentarischer Staatssekretär, zuerst an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen ich danken will: hier in den Büros in Berlin, aber auch im Wahlkreisbüro, in der Fraktion, in den Ministerien, im Deutschen Bundestag - von Saaldienern und Verwaltung, über den Raum- und Pförtnerservice bis hin zu den Fahrern, die unser Leben stets in guten Händen hatten . Natürlich gebührt ein großer Dank auch meiner Frau für ihre Unterstützung in dieser Zeit . Danke sage ich allen Kolleginnen und Kollegen im Parlament, in den Ausschüssen für das Diskutieren, Streiten und Ringen um den richtigen Weg - inhaltlich klar, manchmal in Übereinstimmung, manchmal kontrovers, aber immer menschlich und - wie sollte es anders sein im Auswärtigen Ausschuss - friedliche Lösungen suchend . Das alles macht es immer wieder möglich, dass das kollegiale Du nicht nur auf Mitglieder der eigenen Fraktion beschränkt bleibt . Damit ist klar: Der Umgang im Parlament hängt nicht so sehr von unseren unterschiedlichen Parteimitgliedschaften ab, sondern im Kern eigentlich von unseren Charakteren, mit denen wir hier versammelt sind . Im Norden sagt man Tschüs, und von Island bis Finnland ruft man sich zu: Bless! Ha det bra! Vi ses! Hej då! Heippa! Achten Sie auf sich, bleiben Sie gesund! ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Achten Sie auf sich . - Das Wort hat Andrej Hunko für die Fraktion Die Linke . ({0})

Andrej Hunko (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004060, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir reden heute über die Östliche Partnerschaft der Europäischen Union anlässlich des Gipfels, der im November stattfinden wird. Zur Östlichen Partnerschaft liegen ein Antrag auch der CDU/CSU und ein Antrag der Linken vor . Ich erinnere mich sehr gut, wie wir hier vor gut zwei Jahren die drei Assoziierungsabkommen mit der Ukraine, Georgien und Moldawien diskutiert haben . Wir haben als Linke dagegengestimmt, Sie haben zugestimmt . Das war eine Inszenierung, eine Veranstaltung mit den Botschaftern dieser Länder, mit den Parlamentspräsidenten . Es war eine Feierstimmung . Wenn ich das mit dem jetzt vorliegenden Antrag der Großen Koalition vergleiche, muss ich sagen: Hier ist doch sehr viel Realismus eingekehrt, und hier ist auch ein Stück weit Selbstkritik eingekehrt . Das begrüßen wir als Linke außerordentlich . ({0}) Die Östliche Partnerschaft mit den Ländern Moldawien, Ukraine, Georgien, Belarus, Aserbaidschan und Armenien hatte aus meiner Sicht zum Ziel, diese Länder in den Einflussbereich der Europäischen Union zu bringen. Ziel war nicht, eine Beitrittsperspektive zu eröffnen, sondern, diese Länder insbesondere durch Assoziierungsabkommen an die Europäische Union heranzuführen . Diese Assoziierungsabkommen waren im Kern Freihandelsabkommen, die zum Beispiel auf Absenkung der Zölle und Liberalisierung der Dienstleistungen abzielten . Das war ein Grund, warum wir diese Abkommen kritisch gesehen haben . Ein weiterer und vielleicht wichtigerer Grund war, dass diese Abkommen die betreffenden Länder, insbesondere die Ukraine und Moldawien, vor die Alternative „EU oder Russland“ gestellt und damit ein Stück weit zerrissen haben . In der Ukraine war 2013 etwa die Hälfte der Bevölkerung dagegen und eher prorussisch orientiert . ({1}) Auch in Moldawien gab es eine leichte Mehrheit für die prorussische Orientierung . Das hat die Länder natürlich vor große Probleme gestellt . In der Ukraine kam es zu Protesten, den blutigen Unruhen auf dem Maidan und schließlich zum verfassungswidrigen Sturz des Präsidenten Janukowytsch . Das ist auch auf die Konzeption der Östlichen Partnerschaft zurückzuführen . Das ist sicherlich nicht der einzige Faktor . Auch die NATO-Osterweiterung spielte hier eine sehr große Rolle . ({2}) Ich bin sehr froh, dass Sie in Ihrem Antrag - kritisch rückblickend - schreiben: Bei kritischer Bilanzierung der zurückliegenden Jahre zeigt sich, dass das erklärte Ziel der ÖP, den östlichen Nachbarstaaten der EU . . . Möglichkeiten zu eröffnen, sich zu einer stabilen und wirtschaftlich prosperierenden Umgebung zu entwickeln, bisher nicht oder nur in Ansätzen erreicht wurde . Oder um es deutlicher zu formulieren: Die Politik der Östlichen Partnerschaft der Europäischen Union ist ein Scherbenhaufen . Das wird inzwischen hinter vorgehaltener Hand so ausgedrückt . Im vorliegenden Antrag der Koalition wird es etwas besser umschrieben . Wir brauchen aus unserer Sicht eine Neuausrichtung der Östlichen Partnerschaft . Sie muss sich an einer Kooperation mit den sogenannten Zwischenländern, aber auch mit Russland orientieren . Bei dieser Kooperation sollten keine neoliberalen Freihandelskriterien, sondern die wirtschaftliche und die soziale Entwicklung im Vordergrund stehen . ({3}) Sie schreiben mit Blick auf den Gipfel, der im kommenden November stattfinden und für die Zukunft der Ostpolitik wichtig sein wird - ich zitiere Ihre Forderungen an die Bundesregierung -, „sich dafür einzusetzen, dass im Rahmen der Weiterentwicklung der ÖP-Politik der EU die bestehenden ökonomischen sowie gesellschaftlichen Verflechtungen zu den jeweiligen Nachbarn stärker als bisher berücksichtigt werden . Die Nachbarn der EU sind auch Russlands Nachbarn .“ Das können wir nur ausdrücklich unterstützen . Wir hätten uns gewünscht, dass das schon vor einigen Jahren so formuliert worden wäre . ({4}) Ich werde nicht zu allen Punkten etwas sagen . Nur noch so viel: Wir brauchen eine Neuausrichtung . Wir haben eine Reihe konkreter Vorschläge in unserem Antrag gemacht . Der Antrag der Koalition geht, verglichen mit dem, was bisher gesagt wurde, in die richtige Richtung . Es gibt allerdings viele Punkte, die wir kritisch sehen . Deswegen können wir ihm nicht zustimmen . Ich bitte Sie daher, dem Antrag der Linken zuzustimmen . Vielen Dank . ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Dr . Christoph Bergner für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hunko, auch ich erinnere mich an die Situation am 26 . März 2015, als wir die Assoziierungsverträge mit Georgien, Ukraine und der Republik Moldau hier ratifizierten. Ich habe es weniger als eine besondere Feierstimmung in Erinnerung; vielmehr standen wir alle unter dem Eindruck der Euromaidan-Bewegung, der Revolution der Würde, im Jahre zuvor, der Annexion der Krim durch Russland und der hybriden Kriegsführung Russlands in der Ostukraine . Dies hat dieser Diskussion eine besondere Spannung gegeben und hat uns alle auch zu besonderen Emotionen herausgefordert, Emotionen, die zum einen zum Ausdruck brachten: „Wir stehen zur souveränen Entscheidung dieser unserer Nachbarstaaten der EU, ihren eigenen Weg zu gehen und dabei das Leitbild der europäischen Nachbarschaftspolitik als Orientierungsrahmen zu nehmen“, und zum anderen: Wir sind bereit zur Solidarität angesichts immenser Probleme, mit denen sie sich auseinanderzusetzen hatten . ({0}) Ich hatte mir damals bei dieser Debatte eigentlich vorgenommen, dass wir uns im Verlauf der Legislatur mit jedem dieser Länder in einer eigenen Parlamentsdebatte darüber auseinandersetzen, wie der Stand ist und wie die Probleme aussehen . Das ist leider nicht möglich gewesen . Nun haben wir einen Sammelantrag vorgelegt, ({1}) der zwangsläufig unterschiedliche Aspekte miteinander vereinigen muss, der aber gleichwohl die Gelegenheit gibt, die Grundsatzfragen, die damit verbunden sind, zu erörtern . ({2}) Nur um für mich eine Bilanz zu ziehen: Herr Hunko, die Politik der Östlichen Partnerschaft ist nicht gescheitert. Mir scheint, als ob Sie ein bisschen den Begriff der Nachbarschaft mit dem Begriff des Vasallentums verwechseln . ({3}) Sie sprechen von Einflussbereichen. Wir sprechen von Nachbarschaft, bei der das gemeinsame, staatenübergreifende Interesse und das staatenübergreifende Gemeinwohl gesucht werden . Das ist das Prinzip der EU . Wenn Sie Europapolitiker sein wollen, sollten Sie sich mit diesen Prinzipien auseinandersetzen . ({4}) Wir unterstützen deshalb mit diesem Antrag ausdrücklich die Kontinuität und Fortsetzung der Politik der Östlichen Partnerschaft . Wir unterstützen auch das Bemühen der Kommission, neben den Assoziierungsländern für Weißrussland, Armenien und Aserbaidschan spezifische Formate der Kooperation zu finden. Wir hoffen, dass auf dem Gipfel der Östlichen Partnerschaft am 24 . November dieses Jahres die mühsam getroffene Vereinbarung mit Armenien unterzeichnet und nachfolgend auch ratifiziert werden kann. Da dies die letzte Rede ist, die ich von diesem Pult aus halten darf, möchte ich sie gerne dafür nutzen, um über diese Frage mit Ihnen aus meiner persönlichen Sicht nachzudenken, die eigentlich die gesamte Politik der Östlichen Partnerschaft überschattet und die das Hintergrundproblem dieser Partnerschaftspolitik ausmacht: Das ist die Entfremdung Russlands von Europa, und das ist der offene Versuch Russlands, die Länder, die sich in der östlichen Nachbarschaft der Europäischen Union befinden, mit hybrider Kriegsführung zu stören. Wo können die Ursachen liegen? Als ich vor 27 Jahren, im Herbst 1990, erstmals für ein Abgeordnetenmandat kandidierte und in den Landtag von Sachsen-Anhalt gewählt wurde, gab es viel unmittelbaren Anlass zu politischer Zuversicht: Der Eiserne Vorhang war gefallen, die Ära der Blockkonfrontation schien überwunden, die staatliche Einheit Deutschlands war gerade wiederhergeAndrej Hunko stellt . Auch international hing, wenn man es so nennen darf, der politische Himmel voller Geigen . ({5}) Alle Mitgliedstaaten der KSZE von Vancouver bis Wladiwostok waren sich damals einig über das Leitbild ihrer zukünftigen Entwicklung: Demokratie, Pluralismus, Rechtsstaat, Marktwirtschaft, offene Gesellschaft. Das ist alles nachzulesen in der Charta von Paris für ein neues Europa. Die reale Situation, die wir heute - abgesehen von den baltischen Staaten - auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion finden, ist leider eine andere. Es stellt sich die Frage: Wo liegen die Ursachen? Das Leitbild der Charta von Paris war mit der Notwendigkeit von staatlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Transformationen verbunden . Diese Transformationen waren für alle die Staaten, die sich früher einmal „sozialistisch“ nannten, nicht einfach zu leisten . Die Transformation verlief widersprüchlich, konfliktreich, und sie war schwierig. Außer im Baltikum ist sie auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion gescheitert, und es lohnt sich, dieses Scheitern im Zusammenhang mit der Östlichen Partnerschaft noch einmal aufzugreifen und darüber nachzudenken . Es beginnt mit dem Zerfall der Sowjetunion - für Putin die größte geopolitische Katastrophe des 20 . Jahrhunderts . Es ist aber bei genauerem Hinschauen ein Ergebnis der eingetretenen Freiheit . Was Jahrhunderte mit Gewalt zusammengehalten wurde, brach auseinander, nachdem die Gewalt weg war und Freiheit Einzug halten konnte . Dennoch waren die nach dem Zerfall notwendigen Transformationsprozesse mit vielfältigen Irritationen und strukturellen Verwerfungen verbunden . Sie wurden zu einer Hypothek der Transformation für den postsowjetischen Raum . Der zweite Punkt: gescheiterte Privatisierungen . Es ist hier nicht die Zeit, über die Privatisierungsmodelle der früheren Sowjetunion zu reden; sie haben in die Oligarchenwirtschaft geführt, die Nährboden von Korruption und Vetternwirtschaft wurde . Der dritte Punkt: interne Konflikte wie der Tschetschenien-Konflikt, die autoritäre Machteliten insbesondere in Russland stärkten . Der vierte Punkt . Die Aufarbeitung der totalitären Vergangenheit blieb auf der Strecke - mit dem Ergebnis, dass die Leitbilder des Herbstes 1990 auch an den Resten der totalitären Strukturen der Vergangenheit scheiterten . Wir haben also prekäre gesellschaftliche und wirtschaftliche Situationen . Wladimir Putin hat diese prekären Situationen durch Macht und Totalitarismus zu stabilisieren versucht, und er hat damit ein neues Werteverständnis entwickelt, das sich bedauerlicherweise von den Grundsätzen der Charta von Paris unterscheidet . Aber wir könnten respektvoll mit diesem anderen Werteverständnis umgehen, wenn nicht ein anderer Punkt wichtig würde: Mit Blick auf die anderen postsowjetischen Staaten, die sich dem Werteverständnis der Europäischen Union, dem Werteverständnis der Charta von Paris verschreiben wollen, wird gefürchtet, sie könnten für Russland falsche Vorbilder geben . Deshalb haben wir diesen bedauerlichen und unsäglichen Einfluss, den wir im Ukraine-Konflikt so schmerzlich erleben müssen. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Bergner, bei allem Verständnis für die Situation, dass das für Sie die letzte Gelegenheit ist, sich von diesem Platz aus einzumischen, muss ich Sie jetzt bitten, zum Schluss zu kommen .

Dr. Christoph Bergner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003505, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, ich folge Ihrem Hinweis . - Ich will mich herzlich bedanken . Ich will mich bedanken für die Möglichkeiten der Debatte und der Auseinandersetzung, für viele Gelegenheiten, zu lernen, die ich im Parlament, im Deutschen Bundestag, während der 15 Jahre gefunden habe . Ich möchte mich bedanken bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern . Ich möchte mich bedanken bei meiner Frau und meiner Familie . Es war für mich eine sehr wertvolle Zeit . Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft . Halten Sie Europa zusammen, und versuchen Sie, Verständnis für die Probleme des Ostens zu bewahren! Herzlichen Dank . ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

In dieser Woche ist es manchmal eine undankbare Aufgabe, hier vorn zu sitzen . Das Wort hat die Kollegin Marieluise Beck für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Marieluise Beck-Oberdorf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002624, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine kleine Vorbemerkung, die man bei uns im Westen immer wieder betonen muss, auch bei unseren Leuten, wenn wir über Europa sprechen: Die Europäische Union wird häufig gleichgesetzt mit Europa, aber Europa ist größer . ({0}) Ich möchte einmal an den Artikel 49 des EU-Vertrages erinnern, der sagt: Jeder europäische Staat, der die in Artikel 2 genannten Werte achtet und sich für ihre Förderung einsetzt, kann beantragen, Mitglied der Union zu werden . Das ist der Grundsatz der Europäischen Union . Es ist nicht davon die Rede, dass wir Pläne und Programme machen, um Länder, europäische Länder draußen zu halten . ({1}) 1945 wurde Europa auf der Krim geteilt. Ich empfinde es als schmerzlich, dass die große historische Chance nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und die Überwindung dieser langandauernden Teilung vielleicht nicht ausreichend genutzt worden ist . Die Charta von Paris sie wurde eben schon erwähnt - hatte die historische Vision eines wieder vollständigen europäischen Kontinents aufgenommen . Ihr Kern muss uns heute wie 1990 leiten, nämlich die Selbstverpflichtung der Staaten auf Freiheit und Demokratie und das souveräne Recht, Herr Hunko, über die eigene Zukunft zu entscheiden . Das heißt natürlich auch Bündnisfreiheit. Doch das Denken in Einflusssphären kehrte in die europäische Politik zurück, übrigens nicht nur mit der Annexion der Krim und dem Krieg gegen die Ukraine . Auch im Westen schleicht sich dieses Denken in unzulässiger Weise wieder ein . Stimmen im Westen formulieren das so: Hätte man einen Assoziationsvertrag nicht vorher mit Moskau glattziehen müssen? Müssen wir nicht deutlich eine EU-Perspektive für die Länder im Osten ausschließen, um den Kreml nicht zu reizen? Muss nicht dringend Georgien und der Ukraine die Neutralität verordnet werden, um Russlands imperialen Amputationsschmerz zu lindern? Auch der Begriff von der Brückenfunktion ist ziemlich heikel, weil auch er eine Zuweisung vornimmt, die uns hier nicht zusteht . ({2}) Der Historiker Timothy Snyder hat hier in Berlin in der vergangenen Woche eindrucksvoll auf die dunklen Seiten der deutsch-russischen Geschichte hingewiesen . Deutschland und Russland waren lange Zeit Hegemonialmächte in Europa, die ihre kolonialen Interessen innerhalb Europas verfolgt haben . Die Länder zwischen diesen beiden Imperien wurden dabei zum Opfer dieser imperialen Politik . Was bedeutet das, wenn wir in Deutschland über die Östliche Partnerschaft sprechen? Erstens . Eine Achse Berlin-Moskau, mag sie noch so wohlmeinend sein, ist historisch unstatthaft und führt zu berechtigtem Unbehagen der Länder zwischen uns . Sie verletzt zudem die von uns reklamierten Werte der OSZE wie Selbstbestimmung, Souveränität und freie Bündniswahl . Zweitens . Eine direkte Versorgungslinie zwischen Russland und Deutschland wie Nord Stream 2, die im Krisenfall die Zwischenländer umgehen könnte, ist mehr als ein harmloses wirtschaftliches Projekt . Es zeugt von unzureichender Auseinandersetzung mit der Geschichte, ({3}) den beunruhigten Blick der östlichen Nachbarn als Hysterie abzutun . Drittens . Der Dialog mit Russland muss immer mit Blick auf diese sogenannten Zwischenländer geführt werden, die sich erst spät aus der Neokolonialumklammerung der Sowjetunion befreien konnten . Diese Länder bezahlten mit ihrer Freiheit für den Zweiten Weltkrieg, der von Deutschland zu verantworten ist . In Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen, steht viel Gutes, aber die notwendige Klarheit, dass eine deutsche Ostpolitik sich fest auf dem Boden dieses historischen Wissens bewegen muss, wird durch allzu viele Worte verschleiert . Könnte es sein, dass sich hinter den wortreichen, langatmigen und oft technokratisch formulierten Selbstverständlichkeiten eine politische Differenz in der Koalition verbirgt? ({4}) Mit dem Brexit bekommt Deutschland eine noch stärkere Rolle innerhalb der Europäischen Union . Wir sollten mit dieser Rolle sehr bewusst und sehr vorsichtig umgehen, immer mit Blick auf die historische Verantwortung für ebendiese Zwischenländer, die ein hohes Maß an Vorsicht, Umsicht und Besonnenheit verdient haben . Europa bedeutet auch Russland, und ich würde mir wünschen, dass wir den Tag erleben, an dem Europa so weit zusammengewachsen ist, dass auch Russland dazugehört - aber ohne jegliche imperiale Ansprüche . Denn die Europäische Union bedeutet Gleichheit aller, egal wie klein oder wie groß - das ist der Gedanke der Europäischen Union . Schönen Dank . ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Karl-Georg Wellmann für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Karl Georg Wellmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003862, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Präsidentin ist schon gequält, weil es heute so viele letzte Reden gibt - meine auch . Insofern will ich mal mit etwas Positivem anfangen. Ich kann definitiv letzte Zweifel zerstreuen: Die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages ist durch das Ausscheiden von Christoph Bergner, von Franz Thönnes, von Gernot Erler, von Marieluise Beck und von mir nicht beeinträchtigt . ({0}) Insofern kann ich alle beruhigen . Ich will diese Gelegenheit nutzen, um mich bei allen Kollegen für die gute Zusammenarbeit zu bedanken . Anders, als mancher draußen glaubt, ist die parlamentarische Arbeit vor allem im Ausschuss keine Arena für parteipolitisches Gezänk oder für Grabenkämpfe . Ich habe die Arbeit als außerordentlich sachlich, gelegentlich sogar sachkundig erlebt . ({1}) Es gab einen breiten Konsens, was die wesentlichen Prinzipien unserer Außenpolitik angeht: das Verhältnis zu Israel, die Westbindung, die europäische Integration, seit Willy Brandt und Egon Bahr auch der Ausgleich mit dem Osten, mit Russland . Marieluise Beck ({2}) Ich bedanke mich auch beim Genossen Gehrcke, der sich gelegentlich an diesem Konsens abgearbeitet hat . Wolfgang Gehrcke, du wirst weiter für die Herbeiführung des Staatssozialismus arbeiten; das ist in Ordnung . ({3}) Es ist besser, du machst das hier, als wenn du zu Hause deine Frau nervst . Der Staatssozialismus wird nicht kommen, aber das ist in Ordnung . ({4}) Damit wären wir beim heutigen Thema: Östliche Partnerschaft . Gerade in dieser Woche und bei diesem Thema muss man an den alten Kohl und seine Begründung erinnern, warum wir damals, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, den östlichen Staaten eine europäische Perspektive gegeben haben . Er hat gesagt: Die europäische Systematik ist die beste Gewähr für Frieden, Sicherheit und Wohlstand . - Weil alles andere nur Armut, Unsicherheit und Instabilität erzeugt, müssen wir den östlichen Staaten eine europäische Perspektive geben . Es ist im ureigenen deutschen Interesse, dass Polen, die baltischen und all die anderen Staaten Mitglied der europäischen Familie werden und dass es keine Zwischenzonen gibt . Nun gibt es die Länder der Östlichen Partnerschaft, die bisher draußen geblieben sind . Es gibt die Ukraine, mit der es eine Assoziierung gibt; aber die Ukraine ist noch nicht über den Berg . Die geopolitischen und vor allem sozialen Folgen wären fatal, wenn der europäische Weg der Ukraine scheiterte . ({5}) Deshalb bedarf es aller Anstrengungen, damit die Ukraine den Weg in die europäische Normalität schafft. Ich wünsche mir dabei manchmal mehr Realitätssinn und dass wir weniger Luftschlösser bauen, etwas weniger die Dinge schönreden und anderen gegenüber etwas weniger Wertepädagogik betreiben . ({6}) Bitte nicht wieder „Am deutschen Wesen mag die Welt genesen“! Übrigens gilt das in der Tat auch für Nord Stream 2 . Wir brauchen mehr Mut, sonst geht das schief . Bei Griechenland haben wir gezeigt, dass es vielleicht gehen kann, wenn wir uns anstrengen . Das politische Kunststück besteht darin, das alles mit Russland zu besprechen, damit dort die alten Ängste und Gelüste nicht wieder aufkommen . Auch hier erinnere ich an den alten Kohl, der immer gesagt hat: Man muss die Sorgen und Probleme der anderen, des Gegenübers, mitdenken . - Ich habe den Eindruck, dass dies in den letzten zehn Jahren nicht wirklich vollständig gelungen ist . Deshalb müssen wir weiter intensiv an diesem Thema arbeiten . Das spricht die russische Außenpolitik übrigens in keiner Weise frei . Die russische Westpolitik ist bei Licht betrachtet grandios gescheitert, aber das ist nichts, was bei uns Genugtuung hervorrufen kann . Vergesst mir Osteuropa nicht! Denkt an die Worte des klugen Karl Schlögel, der gesagt hat: Die Mitte Europas ist nach Osten gerückt . - Das hat politische und kulturelle Konsequenzen . Ich habe den Eindruck: Manch einer bei uns hat das noch nicht so richtig verstanden . Es gibt so viele Konflikte draußen in der Welt, aber Deutschland ist keine Weltmacht . Nicht nur Warschau, Vilnius und Riga sind europäische Metropolen, sondern auch Moskau, Kiew und Minsk . Diese Städte sind Teil Europas . Sie liegen sozusagen politisch in unserem Vorgarten . Sie dürfen nicht in den Windschatten der großen Probleme und Krisen geraten; ich denke an den in Brand gesteckten Nahen Osten, die Flüchtlingskrise, den Brexit und an den amerikanischen Präsidenten . Das ist das, was ich denen, die hier weitermachen, mit auf den Weg geben möchte . Ich kündige übrigens an, dass ich auch außerhalb des Mandats weiterhin in Osteuropa aktiv sein werde, selbst wenn der eine oder die andere das als Bedrohung empfinden mag . Es würde mich freuen, wenn wir uns gelegentlich begegnen und austauschen würden . Ich danke ein letztes Mal dafür, dass Sie mir zugehört haben . Vielen Dank . ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Dr . Bernd Fabritius hat für die CDU/ CSU-Fraktion das Wort .

Dr. Dr. h. c. Bernd Fabritius (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004268, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorletzte Gipfel der Östlichen Partnerschaft im November 2013 endete mit der überraschenden Nichtunterzeichnung des Assoziierungsabkommens durch den damaligen ukrainischen Präsidenten Janukowytsch . Das löste letztlich die Massenproteste auf dem Maidan aus . Der letzte Gipfel im Mai 2015 markierte noch eine Zeit des Übergangs für die künftige Ausgestaltung der Östlichen Partnerschaft, die erst mit der Neuausrichtung der Nachbarschaftspolitik Ende desselben Jahres langsam zu Ende ging . Es ist deswegen ganz besonders wichtig, dass die Europäische Union mit klaren Grundsätzen und realistischen Angeboten in den nächsten Gipfel der Östlichen Partnerschaft im November 2017 geht . Der vorliegende Antrag ist diesem Ziel unbedingt dienlich . Ich danke ganz besonders unserem Kollegen Dr . Christoph Bergner für die engagierte Arbeit, auch bei der Erarbeitung dieses Antrags . ({0}) Wir müssen uns vor Augen halten, dass sich die Lage der Europäischen Union der Jahre 2008/2009, also der Jahre, in denen die Östliche Partnerschaft erdacht und dann ins Leben gerufen wurde, grundlegend geändert hat . Das gilt gerade in der Östlichen Nachbarschaft . Eine wesentliche Veränderung stellt die Bedrohung der Partnerländer von außen durch russische HegemonialansprüKarl-Georg Wellmann che dar . Eine Neuausrichtung der Östlichen Partnerschaft war nach der Annexion der Krim und dem Beginn des Krieges um die Ostukraine unausweichlich . Und, Herr Kollege Hunko, dass Sie die Polarisierung durch Russland nun gerade der Europäischen Union vorwerfen, ist gediegen abwegig . Sie, Herr Kollege, verfolgen offenkundig die Breschnew-Doktrin, und die ist mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker gar nicht vereinbar . ({1}) Zahlreiche Krisen stellen den europäischen Gemeinschaftsgeist auf ganz harte Proben . Vor der Euro- und vor der Flüchtlingskrise hatten antieuropäische Kräfte in den jeweiligen Ländern wesentlich weniger Ansätze für ihre destruktiven Botschaften . Wir müssen uns eingestehen, dass die derzeitige Situation diesen antieuropäischen Kräften in die Hände spielt . Die Europäische Nachbarschaftspolitik und die Östliche Partnerschaft gründen auf der Überzeugung, dass stabile Nachbarschaftsbeziehungen nur auf einem gemeinsamen Wertefundament bestehen können . Über diese Wertegrundlage scheint sich die EU aber selbst uneinig zu sein . Das erschwert die Unterbreitung von aus sich heraus überzeugenden Angeboten an die Länder der Östlichen Partnerschaft . Mit Großbritannien will erstmals ein Mitglied die Union verlassen . Einige östliche Mitgliedsländer haben sich in Krisensituationen, als es etwa um die Umverteilung von Flüchtlingen ging, ganz offensichtlich von anderen Wertevorstellungen leiten lassen und unsere Position als Bevormundung wahrgenommen . Mindestens genauso wichtig wie die im vorliegenden Antrag formulierte entschlossene Fortsetzung der Östlichen Partnerschaft ist daher die Konsolidierung der gemeinsamen Wertevorstellungen in Europa . Handlungsdefizite gibt es auch in den Ländern der Östlichen Partnerschaft . Dort müssen endlich konsequent Reformen vorangetrieben und klare Wertepositionierungen in die eigene Zivilgesellschaft hinein transportiert werden . Die Korruptionsbekämpfung in der Ukraine geht weiterhin nur schleppend voran . Der Kurs der Republik Moldau ist seit der Wahl des dezidiert prorussischen Kandidaten Dodon zum Präsidenten mehr als unklar . Auch dort ist die Rechtsstaatlichkeit durch Korruption und Vetternwirtschaft längst geschädigt . Aus dem Gesagten ergeben sich für mich zwei wesentliche Schlussfolgerungen . Erstens sollten die Maßnahmen zur Unterstützung der Zivilgesellschaft in den Ländern der Östlichen Partnerschaft ausgeweitet werden . Starke Zivilgesellschaften sind der Motor für den notwendigen Reformdruck . Es sind daher gerade die Bevölkerungen dieser Länder der Östlichen Partnerschaft, die spürbare Ergebnisse der Annäherungspolitik selbst erfahren müssen . Zweitens sollten wir bei künftigen Maßnahmen stärker als bisher eine Konditionalität vereinbaren . Wenn angestrebte Reformen nicht im notwendigen Maße umgesetzt werden, dann müssen auch weitere Annäherungsschritte ausgesetzt werden . ({2}) Meine Damen und Herren, mit dem Fokus auf die Zivilgesellschaft und mit einer stärkeren Konditionalität hinsichtlich der vereinbarten Reformen und einer vertieften Zusammenarbeit kann und wird die Östliche Partnerschaft ein wirksames Instrument der Europäischen Nachbarschaftspolitik sein und bleiben . Danke . ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache . Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Drucksache 18/12942 mit dem Titel „Östliche Partnerschaft der Europäischen Union entschlossen gestalten und konsequent fortsetzen“ . Wer stimmt für den Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen angenommen . Tagesordnungspunkt 3 b . Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12937 mit dem Titel „Östliche Partnerschaft für Frieden und Zusammenarbeit in ganz Europa nutzen“ . Wer stimmt für den Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes Drucksache 18/12850 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen . Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Professor Dr . Patrick Sensburg für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Prof. Dr. Patrick Sensburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004155, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frage, ob Edward Snowden den Friedensnobelpreis verdient hat oder ob er in Amerika wegen Landesverrats in einer Gefängniszelle sitzen sollte, kann ich nicht beantworten . ({0}) Aber Edward Snowden hat uns eine Debatte gebracht, die ohne ihn, die ohne seine Veröffentlichungen im Sommer 2013 nicht entstanden wäre, die wichtig ist, wichtig für uns alle . Es geht um das Thema Privatheit, um die Frage: Wie gehen wir mit unseren Daten um? Es geht aber auch um die Frage: Wie geht zum Beispiel die mittelständische Wirtschaft mit ihren Daten, ihren Erkenntnissen, ihrem Know-how um? Von daher ist es gut, dass wir seit Sommer 2013 diese Diskussion führen . Als im Sommer 2013 die Neuigkeiten über die Ticker, über die Bildschirme liefen, gab es die intensivste Diskussion, auch hier bei uns in Deutschland: mit Anfragen im Deutschen Bundestag und einer hitzigen Debatte . Es war nachvollziehbar und logisch, dass auch der aktuelle Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Gegenstand hatte . ({1}) Im März 2014, nach einer intensiven Debatte über die Reichweite des Beschlusses zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses, ist dieser Einsetzungsbeschluss gefasst worden . Der Untersuchungsausschuss nahm kurze Zeit später seine Arbeit auf . Am Anfang wurde es gleich etwas strittig, beim ersten Beweisbeschluss, Z-1, mit der Ladung des Zeugen Edward Snowden . Das wurde konsensual mit den Stimmen aller Fraktionen beschlossen . Danach wurde fast dreieinhalb Jahre lang intensiv, aber auch weitestgehend sehr konsensual zusammengearbeitet . Es ist unheimlich viel herausgekommen . Das sieht man am Abschlussbericht . Dieser Abschlussbericht hat im Feststellungsteil etwa 1 300 Seiten, die konsensual beschlossen worden sind . Ein großer Teil der Erkenntnisse ist also gemeinsam herausgearbeitet worden . Die meisten Beweisbeschlüsse sind gemeinsam gestellt worden . Im Großen und Ganzen war das also, auch wenn der Eindruck draußen manchmal ein anderer war, eine gute Zusammenarbeit . Die Zahl der durchgeführten Sitzungen beläuft sich auf insgesamt 153 Sitzungen, davon 62 Sitzungen mit Beweisaufnahmen durch Zeugenvernehmungen und 72 Beratungssitzungen . 89 Zeugen wurden vernommen . Die Dauer der Zeugenvernehmungen beläuft sich auf insgesamt 581 Stunden und 21 Minuten . Daran sieht man, glaube ich, wie intensiv und hart dieser Untersuchungsausschuss gearbeitet hat . Sachverständigengutachten wurden eingeholt und Sachverständige angehört: 37 Sachverständigengutachten wurden eingeholt, und 32 Sachverständige wurden in insgesamt 32 Stunden und 3 Minuten angehört . Die Zahl der Akten, die dieser Untersuchungsausschuss zu bewältigen hatte, beläuft sich bis zum Schluss auf 2 401 Akten, dick gefüllt mit Informationen der Bundesregierung und der Nachrichtendienste, Sachverständigengutachten etc . 561 dieser Akten sind eingestuft als VS-NfD und höher . Das war also eine intensive Arbeit . Als Abschlussbericht werden 1 822 Seiten vorgelegt, von denen man sagen muss: Dieser Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses enthält, wie ausländische Nachrichtendienste bei uns spionieren, wie sie uns ausforschen und wie der Bundesnachrichtendienst und unsere anderen Dienste mit ihnen zusammenarbeiten; er enthält die Erkenntnisse dieses Untersuchungsausschusses . ({2}) Es ist gut, dass der Untersuchungsausschuss jetzt seinen Abschlussbericht vorlegt . Ergänzend zu diesen Seiten kommen hinzu die Stellungnahmen zum rechtlichen Gehör der Zeugen und weitere Materialien, die dem Bericht angefügt werden . Das, was dieser Untersuchungsausschuss vollbracht hat, ist wirklich eine Leistung, und diese in einem wirklich nicht leichten Umfeld . Dass es zum Schluss noch die eine oder andere Diskussion gegeben hat, ist schade, weil viele der Erkenntnisse wirklich gemeinsam erarbeitet worden sind . Der Untersuchungsausschuss - das ist zumindest meine Bewertung - ist von einem NSA-Untersuchungsausschuss ein bisschen zu einem BND-Untersuchungsausschuss geworden . Das mag damit zusammenhängen, dass Dokumente, dass Akten von einem der Five Eyes, wozu die USA mit dem Nachrichtendienst NSA gehören, aber auch Großbritannien, Kanada, Neuseeland und Australien, schwerer zu bekommen sind . Die amerikanischen Stellen und Behörden haben sich noch relativ kooperativ gezeigt, während es uns weitestgehend gar nicht möglich war, an Dokumente der Briten heranzukommen . Ich bedauere das sehr . Ich hätte mir gewünscht, dass man in Europa gemeinsam über Dinge diskutieren kann . Weil wir einen europäischen Rechtsraum und eine europäische Rechtsprechung zur Vorratsdatenspeicherung haben, hätte ich mir gewünscht, dass man auch bei Nachrichtendiensten einen gewissen gemeinsamen Konsens erreichen kann . Deswegen wäre mir der Dialog, gerade mit den Briten, wichtig gewesen; aber der hat weitestgehend leider nicht stattgefunden . Der Dialog wäre aber auch wichtig gewesen, weil dieser Untersuchungsausschuss technische und organisatorische Mängel, Versäumnisse und Fehler beim Bundesnachrichtendienst festgestellt hat . Das hat die Bundesregierung bestätigt, das hat in Zeugenaussagen auch der damalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Herr Schindler, bestätigt . So muss man sagen: Ein Hauptthema dieses Untersuchungsausschusses ist das ganze Themenfeld der Selektoren, der Suchbegriffe geworden. Es hat beim Einsatz dieser Suchbegriffe Fehler gegeben - Stichwort: nichtakzeptable Steuerung von Suchbegriffen. Von daher: Es sind Mängel aufgetreten, die so nicht haltbar waren . Es gab weitere Versäumnisse: fehlende Dateianordnung im Bundesnachrichtendienst, die mangelnde bzw . nicht stattgefundene Kommunikation von der Ebene der Unterabteilung hin zum Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes und eine Nicht-Inkenntnissetzung des Bundeskanzleramtes . All diese Dinge müssen abgestellt werden . Es ist aufgrund der Erkenntnisse dieses Untersuchungsausschusses aber auch reagiert worden . Deswegen ist es gut, dass es bereits laufend Reformen gegeben hat, beispielsweise zum Bundesnachrichtendienstgesetz . Uns haben die Sachverständigen gesagt, dass bei der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung die gesetzlichen Grundlagen des BND-Gesetzes nicht ausreichend sind, und dieses Parlament hat reagiert: Es hat eine BND-Reform vorgelegt - mit rechtlichen Grundlagen für die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung und mit klaren Regelungen, wer die anordnen muss . Damit haben wir demnächst schriftliche Anordnungen des BND-Präsidenten, die auch im Kanzleramt bestätigt werden müssen . Damit haben wir die Verantwortlichkeiten, die wir in den Untersuchungsausschüssen ja immer suchen . Wer hat davon gewusst? Dann haben wir die schriftliche Bestätigung . Es ist ein gutes Gesetz, was sich übrigens in anderen Ländern in Europa so nicht findet. Ich halte dieses Gesetz für einen Nachrichtendienst für vorbildlich, auch in der europäischen und internationalen Diskussion . ({3}) Wir haben festgestellt, dass die parlamentarische Kontrolle verbessert werden muss . Herr Ströbele, Sie haben ja oft gefragt: Wie sieht das aus? - Waren Sie nicht lange im Parlamentarischen Kontrollgremium? Hätten Sie das nicht wissen müssen? Aber wenn Sie die Informationen nicht kriegen, können Sie es ja gar nicht wissen . ({4}) Deswegen haben wir gesagt: Wir müssen das Parlamentarische Kontrollgremium stärken . Wir müssen ihm eigene Kompetenzen zubilligen, auch mit einem Stab von Personen, die kontinuierlich recherchieren können . Deswegen ist die Erweiterung des Kontrollgremiumgesetzes so wichtig gewesen. Es eröffnet uns viel bessere Möglichkeiten der parlamentarischen Kontrolle . Der neue BND-Präsident wird sich auch die Abteilung TA, Technische Aufklärung, genau anschauen müssen, um zu klären, warum es diese Versäumnisse gegeben hat . Aber wir müssen den Bundesnachrichtendienst personell und finanziell auch so aufstellen, dass er seine Arbeit machen kann . Wir sind zwar am Ende dieses Untersuchungsausschusses, aber die Kontrolle muss weitergehen . Deswegen waren diese Reformen so wichtig . Aber es werden nicht die letzten Reformen bleiben . Wir bewegen uns in einer digitalen Welt und werden die Kompetenzen unserer Dienste kontinuierlich ausbauen müssen . Deshalb muss auch die Verantwortung der Kontrolle ausgebaut und im Hinblick auf eine digitale Welt verändert werden . Das sind Aufgaben, die uns in Zukunft weiter bewegen und weiter zu Diskussionen führen werden . Ich möchte zum Abschluss für die Zusammenarbeit danken . Die überwiegende Arbeit - ich wiederhole das verlief im Konsens; wir haben viele Punkte kollegial beschlossen . Deswegen danke ich zuerst den Kolleginnen und Kollegen im Untersuchungsausschuss für die Teilnahme an den langen Sitzungen . Teilweise haben wir donnerstags bis 24 Uhr in Zeugenvernehmungen zusammengesessen . Das war intensive Arbeit, die uns aber hoffentlich auch ein bisschen näher zusammengebracht hat . Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen und der Abgeordneten, die eine Vielzahl der Akten gelesen haben und teilweise wirklich jede Passage wiedergeben konnten, und vielen in der Bundestagsverwaltung, insbesondere dem Stenografischen Dienst, der die Sitzungen bis in die Nacht immer protokolliert hat . Ich danke den Vertretern der Bundesregierung, deren Interessen sich oft von unseren unterschieden - dort bestand ein Geheimhaltungsinteresse, bei uns das grundrechtlich zugesicherte Aufklärungsinteresse . Wir haben es aber zum Beispiel beim Thema Schwärzungen geschafft, uns, auch wenn es lange gedauert hat, zu einigen . Bei der Übergabe des Berichtes an den Bundestagspräsidenten hat er darauf hingewiesen: Das müssen wir in Zukunft besser machen und eine Art Clearingstelle einrichten, damit das Recht der Untersuchungsausschüsse besser verwirklicht werden kann und uns das Thema Schwärzungen nicht immer wieder belastet . Last, but not least: Besonderer Dank dem Sekretariat des Untersuchungsausschusses für die viele Arbeit, so einen Bericht aus 2 400 Akten und vielen Zeugenvernehmungen zustande zu bringen! Das war wirklich gut . ({5}) Ich wünsche uns abschließend, dass wir erkennen, dass wir unsere Nachrichtendienste brauchen, dass sie sich aber im Rahmen von Recht und Gesetz, von den Gesetzen, die wir beschlossen haben, bewegen müssen, dass wir sie in einer digitalen Welt mit den richtigen rechtlichen Instrumenten ausstatten müssen, personell und finanziell gut, dass aber dadurch dann das Gleichgewicht von Privatheit und Sicherheit gewahrt werden kann . Wenn dazu dieser Untersuchungsausschuss in fast dreieinhalb Jahren beigetragen hat, dann haben sich der ganze Aufwand und die Arbeit wirklich gelohnt . Ich glaube das, und ich danke für die gute Zusammenarbeit . ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Martina Renner für die Fraktion Die Linke . ({0})

Martina Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004385, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der NSA-Untersuchungsausschuss war richtig, er war wichtig, und er war erfolgreich, obwohl einige wirklich alles darangesetzt haben, die Arbeit zu behindern: sinnfreie Schwärzungen, beeinflusste Zeugen, Drohungen und manches, was sich nur im Geheimen abspielte . Und doch kam vieles heraus . Milliarden Daten unbescholtener Bürger und Bürgerinnen flossen an die NSA. Der BND war willfähriger Helfer der US-Spionage in Europa und übernahm unhinterfragt Millionen von Suchbegriffen, die die NSA ihm übergab. Er stand der NSA in nichts nach und hörte auch selbst Presse, ZivilgesellDr. Patrick Sensburg schaft und Parlamente ab . Vermutlich tut er das noch heute . Das Parlamentarische Kontrollgremium und die G 10-Kommission wurden ignoriert und belogen . Das belegen die Feststellungen zu den Operationen „Eikonal“ und „Glotaic“ . Die Bundesregierung trägt Mitverantwortung an den vielen Drohnentoten im geheimen Krieg . Ohne die Duldung der US-Basis Ramstein könnten die Drohnen nicht fliegen. 900 zivile Opfer, darunter 200 Kinder, Angst und Schrecken in den betroffenen Regionen - Deutschland darf nicht länger Baustein im geheimen Krieg sein . Frau Merkel, schließen Sie Ramstein! ({0}) Die Arbeit des Untersuchungsausschusses hat Verantwortlichkeiten aufgedeckt . Hartmut Pauland, der ehemalige Leiter der Abteilung „Technische Aufklärung“ im BND, genießt die Sonne Floridas, obwohl er für den Bruch des Fernmeldegeheimnisses in unzähligen Fällen die Verantwortung trägt . ({1}) Günter Heiß, im Kanzleramt zuständig für die Nichtkontrolle der Nachrichtendienste, wurde ebenfalls nicht belangt . Staatssekretär Fritsche hat dafür gesorgt, dass das Parlament möglichst nicht stört, wenn Dienste illegal überwachen . Die Entdeckung der rechtswidrigen NSAund BND-Selektoren konnte er jedoch nicht verhindern . Doch verantwortlich ist auch die Bundeskanzlerin . Abhören unter Freunden, das ging 2013, als ihr Handy abgehört wurde, und das geht bis heute . Sie hätten es wissen müssen, Frau Merkel; doch Sie lassen sich von den Geheimdiensten auf der Nase herumtanzen . Richtige, zielführende Konsequenzen - bis heute keine . Der BND ist aktiver Teil der globalen Überwachungsarchitektur der Geheimdienste . Er liefert Kontaktlisten, Gesichtserkennung, persönliche Vorlieben, politische Einstellungen - nicht nur von Terroristen, sondern von uns allen . Selbst die Telekom äußerte Zweifel, als der BND im Inland ihre Kabel anzapfte . Doch das Kanzleramt sprang in die Bresche und schrieb der Telekom einen Brief - alles sei in Ordnung . Meine Vorstellung von einem funktionierenden Rechtsstaat ist das nicht . ({2}) Aufzuklären bleibt, ob diese illegale Praxis bis heute andauert und der Abgriff an den Kabeln unter Beteiligung der NSA unter den neuen Operationsnamen „Wharpdrive“ und „Emerald“ fortgesetzt wird . Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Klagen von Menschen, die sich gegen die illegalen Machenschaften der Dienste wehren, machen Hoffnung. Für diese Menschen haben wir Verantwortung . Sie verdienen es, dass wir rechtsfreie Räume im BND schließen, dass wir uns nicht länger mit Lügen abspeisen lassen und dass wir uns nicht den Interessen der Geheimdienste beugen . Wir sind dazu bereit . Die Regierung stellt sich weiter vor die Dienste und tritt die Rechte der Opposition mit Füßen . Das hat sie dieser Tage wieder unter Beweis gestellt . Noch nie hat ein Ausschussvorsitzender so selbstherrlich und willkürlich versucht, die Opposition in einem Untersuchungsausschuss zum Schweigen zu bringen . ({3}) Ein Wort an die SPD: Ihre Heuchelei ist unübertroffen. ({4}) Während Sie drei Jahre lang in jedes Mikrofon sprachen, wie wichtig Ihnen die Aufklärung sei, haben Sie in unseren Beratungssitzungen hinter verschlossenen Türen jedes Mal mit die Hand für die Vertuschung gehoben . ({5}) Als Opposition und als Linke haben wir uns in diesem Ausschuss stellvertretend für das Parlament gegen die Geheimdienste und die Regierung behauptet . Das konnten wir mit Unterstützung der mutigen Whistleblower, der engagierten Zivilgesellschaft und kompetenter Journalisten und Journalistinnen . Wir danken deshalb Edward Snowden, Brandon Bryant und Chelsea Manning . ({6}) Wir danken den Bürgern, den Datenschützern und Datenschützerinnen, dem Chaos Computer Club und den vielen anderen, die auf den unbequemen Stühlen die Sitzungen mitverfolgt haben . Mit ihnen teilen wir die Überzeugung, dass Freiheit und Demokratie nicht von Geheimdiensten verteidigt werden müssen, sondern gegen sie . Danke schön . ({7})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Christian Flisek . ({0})

Christian Flisek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004274, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Als der Untersuchungsausschuss eingesetzt worden ist - ich kann mich noch sehr gut daran erinnern -, hatten wir unsere ersten Pressekontakte . Man hat mich damals gefragt: Herr Flisek, sind Sie eigentlich der Überzeugung, dass dieser Ausschuss irgendetwas herausfinden kann? Dieser Ausschuss ist doch von Anfang dazu verurteilt, erfolglos zu sein . Heute wird der Abschlussbericht vorgelegt, und wir haben wieder viele Pressetermine . Jetzt ist die Fragestellung schon etwas anders . Ich wurde gefragt: Herr Flisek, was, glauben Sie denn, ist der größte Erfolg dieses Ausschusses? Diese Frage insinuiert schon einmal zweierlei: erstens, dass er überhaupt erfolgreich war, und zweitens, dass es im Zweifel auch mehrere Erfolge gab, von denen einige die größeren sein können . Ich bin der Überzeugung, dass wir mit dieser Ausschussarbeit sehr viele Erfolge hatten . Ich will Ihnen auch sagen, was ich für den größten Erfolg halte . Ich glaube, dass dieser Ausschuss das sehr pikante Thema „nachrichtendienstliche Operationen und Kooperationen“ mit einer Transparenz verhandelt hat, die im internationalen Maßstab eigentlich einzigartig ist . Kein Ausschuss - ich würde mich vielleicht sogar trauen, zu sagen: bisher auch kein anderes Gremium dieses Hauses - ist so tief in die Arbeit von SIGINT - Signals Intelligence, elektronische Kommunikationsüberwachung - vorgedrungen wie dieser Ausschuss . Man könnte vielleicht sogar eine historische Anleihe finden und sagen, dass es seit den Untersuchungen des sogenannten Church Committee im US-Senat Mitte der 1970er-Jahre weltweit keine so offene und schonungslose Untersuchung nachrichtendienstlicher Tätigkeit gab . Meine Damen und Herren, der Ausschuss hat gemeinsam - gemeinsam - nicht nur meterweise geheime und streng geheime Unterlagen gesichtet, sondern wir haben auch Zeugen gehört - bis hinunter auf die operativ tätige Sachbearbeiterebene in den Nachrichtendiensten . In öffentlicher Sitzung wurden auch nachrichtendienstliche Methoden erörtert, die bis dato nur Eingeweihte kannten . Eines muss man auch sagen - diejenigen, die schon öfters mit Untersuchungsausschüssen zu Nachrichtendiensten zu tun hatten, wissen das -: Nachrichtendienstliche Erkenntnisse in Untersuchungsausschüssen zu gewinnen, ist für Abgeordnete oft Schwerstarbeit . So ist es auch in diesem Ausschuss gewesen . Die Bundesregierung hat es uns nicht immer leicht gemacht . Ich habe das Verhältnis zur Bundesregierung einmal als ein sportliches Verhältnis bezeichnet . Aber zum Sport gehört auch Fairness, und so war es auch hier, zwar nicht immer, aber in weiten Teilen; das muss ich auch sagen . Trotz der freundlichen Zusicherung vonseiten der Bundesregierung, man werde im Parlament alles offenlegen, taten sich in der Praxis dennoch schwarze Löcher und viele formale Hürden auf . Ich erwähne hier nur einmal Verschlusssachenanweisungen, Geheimschutzabkommen, Aussagegenehmigungen. All diese Begriffe haben uns über viele Sitzungen hinweg gequält, Begriffe, die umschreiben, dass wir etwas nicht erfahren können oder sollen . Am Ende ist natürlich auch der Umstand, dass im Kanzleramt selbst Dinge nicht bekannt waren, die das Kanzleramt als Aufsichtsbehörde eigentlich hätte wissen müssen, als schwarzes Loch zu bezeichnen . Die SPD hatte in diesem Ausschuss sicherlich keine leichte, aber doch eine ambitionierte Position . Wir hatten es mit einem Koalitionspartner zu tun, mit dem wir über weite Strecken fair und gut zusammengearbeitet haben, der aber auch - das muss ich sagen; das hätte ich mir gewünscht - manchmal etwas mehr Initiative hätte zeigen können, um auch die heißen Eisen unseres Einsetzungsauftrages anzupacken . Vorrangig ging es der Union teilweise doch nur darum, die eigenen Minister und vor allen Dingen die Bundeskanzlerin aus der Schusslinie zu halten und die Sicherheitsbehörden nicht zu verärgern . „Der Laden läuft ja irgendwie . Bitte nicht stören!“, das war die Devise . Andererseits hatten wir es mit einer Opposition zu tun, die an substanzieller Aufklärung nur in Maßen interessiert war . Man arbeitete ergebnisorientiert, aber leider stand das Ergebnis allzu oft schon vorher fest, meine Damen und Herren . Solange man BND-Zusammenarbeit mit anderen Nachrichtendiensten insgesamt als Teufelszeug abtut, kommen wir, glaube ich, nicht wirklich weiter . ({0}) „Man sollte so nicht arbeiten“, das möchte ich Ihnen zurufen, weil ein solches Arbeiten das Vertrauen in unsere Sicherheitsbehörden untergräbt . ({1}) Die Linke hat in ihrem Parteiprogramm die Forderung stehen, die Nachrichtendienste abzuschaffen. Das ist allerdings in diesen Zeiten ein fatales Zeichen . Wir sollten uns bemühen, kein Wasser auf die Mühlen solcher Forderungen zu gießen . ({2}) Für uns als SPD steht fest: Wir brauchen gerade in diesen Zeiten Nachrichtendienste zur Gewährleistung unserer Sicherheit . Wir brauchen Dienste, die international kooperieren . ({3}) Für uns steht aber auch fest, dass solche Dienste nur auf der Grundlage klarer rechtsstaatlicher Regeln arbeiten können und dass ihnen auch Grenzen aufgezeigt werden müssen . Damit dies durchgesetzt werden kann - wir haben keine Gerichte, die so etwas kontrollieren -, bedarf es einer effizienten parlamentarischen Kontrolle. Nur dann schaffen wir Legitimation. Nur mit Legitimation ist so etwas wie ein Nachrichtendienst in einer Demokratie und in einem Rechtsstaat überhaupt denkbar . Wir - da bin ich stolz auf meine Fraktion - haben es uns nicht leicht gemacht . Wir haben es, denke ich, auch der Regierung nicht leicht gemacht . Die SPD hat mit ihrer Arbeit fortwährend und nachhaltig auf Aufklärung gedrängt und auf Transparenz gepocht . Mit Hunderten Beweisanträgen und Zeugenvernehmungen bis tief in die Nacht haben insgesamt alle Fraktionen nach und nach Dinge aufgedeckt, die die Bundesregierung mit Sicherheit lieber für sich behalten hätte . Die Kooperation mit US-Diensten ist hier zu erwähnen, die ohne eine ausreichende Rechtsgrundlage erfolgt ist . Uns allen schallt noch die Weltraumtheorie im Ohr . Teilweise wurden hier abstruse Rechtsansichten vorgebracht, um die Anwendung deutschen Rechts auszuhebeln . Auch die Verwendung unzulässiger Selektoren im NSA-Portfolio und im eigenen Portfolio haben wir aufgedeckt . Das Bundeskanzleramt hat erst durch unsere Arbeit davon erfahren; darauf können wir stolz sein . Wir haben eklatante Organisationsmängel beim BND festgestellt: von der Spitze bis hin zur letzten Außenstelle . Meine Damen und Herren, ich muss es auch sagen: Politisch betrachtet hat das Bundeskanzleramt - ich sage hier: auch die Bundeskanzlerin - bei der Bewältigung der NSA-Affäre versagt. Wer moralisch auf einem hohen Ross reitet und fröhlich davon trällert, Abhören unter Freunden ginge gar nicht, aber gleichzeitig eine Haltung an den Tag legt, die deutlich macht: „Am liebsten möchte ich von diesen Themen überhaupt nichts wissen“, wer sich bei diesen Themen einmauert, wer sich von allen Informationsflüssen sozusagen abschneidet - wir haben selbst nach acht Stunden Vernehmung der Bundeskanzlerin nicht herausfinden können, was sie mit diesem Satz meint -, der zeigt deutlich, dass im System etwas nicht funktioniert . Meine Damen und Herren, ein Kanzleramtsminister, der unbesonnen und nebulös von einem No-Spy-Abkommen schwadroniert und die NSA-Affäre für abgeschlossen und beendet erklärt, bevor sie überhaupt losgegangen ist, der leistet keinen Beitrag zur Aufklärung, ebenso wenig wie der Präsident des Bundesverfassungsschutzes, der sich hoffnungslos in die These verrannt hat, Edward Snowden sei ein Moskauer Agent gewesen . Kein Wunder bei einer Spionageabwehr, die im Kalten Krieg stecken geblieben ist . Ich glaube, das sind existenzielle Themen, die uns auch in der nächsten Legislaturperiode werden beschäftigen müssen . ({4}) Meine Damen und Herren, ich möchte aber auch deutlich sagen: Der BND ist keine kriminelle Organisation, der die Daten braver Bürger an die maßlosen Datenstaubsauger aus dem Ausland verhökert . Nein, der BND ist eine normale Behörde mit einem besonderen Auftrag . Dort arbeiten ganz normale Menschen, die ihren Job machen, die ihren Job gut machen wollen, die sich an Gesetze halten und auch an ihre Pensionen denken; das muss man mal einfach auch so sagen . ({5}) Deswegen konnten wir in unserer Arbeit den behaupteten millionenfachen Grundrechtsbruch, begangen an deutschen Staatsbürgern durch deutsche Dienste, nicht feststellen . Es gab allerdings auch Einzelfälle, und jeder Einzelfall zählt . Wir werden bei der parlamentarischen Kontrolle unser Augenmerk darauf richten müssen, damit es in Zukunft nicht mehr zu diesen Einzelfällen kommen wird . Ich möchte noch ein Wort zu den Internetfirmen sagen - Google und Co -, die sich durch ein Schweigekartell einer offenen Auseinandersetzung entzogen haben. Ich finde, dass das ein ganz schräges Licht auf diese Unternehmen wirft, und sie müssen selber wissen, wie sie damit umgehen . Unsere Aufgabe als Parlamentarier ist es, in einer solchen Debatte offen anzusprechen, dass dies kein Umgang mit einem deutschen Parlament ist . ({6}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss eines sagen: Ich finde es nicht gut, dass Herr Sensburg, der Vorsitzende des Ausschusses, schon vor dieser Debatte und dem Abschlussbericht ein Buch veröffentlicht hat, in dem er viele Dinge vorwegnimmt und in dem er in einer Weise - das kann Ihre Meinung sein; die gestehe ich Ihnen zu - auf Zeugen dieses Ausschusses eingeht, die in Teilen ein Diskreditieren ist. Ich finde es auch nicht gut, dass Sie selber damit werben, dass das aus den Akten des Untersuchungsausschusses sei . Ich sage ganz offen: Das ist, finde ich, kein guter kollegialer parlamentarischer Stil . Ich richte das auch an Sie: Überlegen Sie sich das bitte einmal . Ich fände es gut, wenn andere in Zukunft von solchen Maßnahmen Abstand nehmen . Mein Fazit ist: Dreieinhalb anstrengende Jahre in diesem Ausschuss - jede Minute - haben sich gelohnt . Ich danke allen Kollegen für die trotz allen Dissenses faire Zusammenarbeit . Herzlichen Dank . ({7})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Hans-Christian Ströbele das Wort .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Es ist einfach wahr: Edward Snowden hat recht . Wir haben in dem Untersuchungsausschuss belegt: Nicht nur in den USA und weltweit, sondern auch in Deutschland hat die NSA massenhaft und anlasslos Datenausspähung betrieben, ({0}) und zwar millionenfach: in Deutschland, von Deutschland aus, und betroffen waren auch deutsche Staatsbürger . Insoweit hat sich in vollem Umfange bewahrheitet, was Edward Snowden gesagt hat . Diese massenhafte Datenüberwachung war nicht nur in den USA ein Verstoß gegen die Verfassung, sondern sie war auch in Deutschland ohne jede rechtliche Grundlage, und sie verstieß gegen das Grundgesetz . ({1}) Sie verstieß gegen Grundrechte, die hier in Deutschland gelten . Und wer trägt die Verantwortung dafür? Die politische Verantwortung dafür trägt das Kanzleramt . Das Kanzleramt hat in der Kette der Aufsicht versagt . Das Kanzleramt wusste, was „Eikonal“ ist . Das Kanzleramt wusste, was der BND treibt . Das Kanzleramt hat das alles gedeckt . Der schlimmste Augenblick in meinem Aktenstudium, in der jahrelangen Aufklärungsarbeit, war, als ich lesen musste, dass der BND selber der Auffassung war, dass das, was er dort treibt, auf gar keinen Fall dem deutschen Parlament und dem dafür berufenen Parlamentarischen Kontrollgremium mitgeteilt werden darf . Schlimmer geht es nicht . ({2}) Das war die Katastrophe, die der BND selbst befürchtete . Schon da hätte man eigentlich aufhören können . Schon daraus ergibt sich, dass selbst der BND der Auffassung gewesen ist: Er tut unrecht . So einfach ist das . ({3}) Falsch war auch, was die Gewaltigen in den USA bis hin zum Präsidenten immer wieder beteuert haben: Wir halten uns in Deutschland an Recht und Gesetz . - Das ist nicht richtig . Auch das wusste der BND . Das wussten die Verantwortlichen des BND, die in die USA gefahren sind, und das wusste auch das Kanzleramt . Denn wo steht im deutschen Gesetz geschrieben, dass das Handy der Kanzlerin abgehört werden darf? Wo steht im deutschen Gesetz geschrieben, dass beispielsweise Markus R . in Deutschland spionieren und selbst den Bundesnachrichtendienst ausspionieren darf? Dafür ist er zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden . Welchen Beweis brauchten Sie noch dafür, dass die NSA-Gewaltigen bzw . Geheimdienstgewaltigen in den USA die Unwahrheit sagen? Wenn Herr Clapper, der Anführer der Geheimdienste in den USA, vor dem US-Kongress gelogen und das anschließend sogar zugegeben hat, dann können Sie doch nicht nach Deutschland zurückkommen und sagen: „Die NSA sagt, sie richtet sich nach deutschem Recht und Gesetz“, wenn Sie es besser wissen . Sie haben die deutsche Bevölkerung irregeführt . ({4}) Sie haben die deutsche Bevölkerung auch hinsichtlich des Militärstützpunkts Ramstein irregeführt . Selbstverständlich war auch der Bundesregierung aus vielen Zeitungsmeldungen und auch aus Informationen aus den Diensten selber - davon gehe ich aus - bekannt, dass von Ramstein die Killerdrohnen zwar nicht losfliegen und auch nicht von dort direkt gesteuert werden, sie aber über Ramstein gesteuert worden sind . Sie haben zu all den Fragen, die aus dem deutschen Parlament dazu gestellt wurden, immer die Unwahrheit gesagt . Sie haben gesagt: Dem ist nicht so . Die USA haben uns versichert, dass das nicht stimmt . - Der Untersuchungsausschuss konnte ganz zum Abschluss klären, dass diese Aussage nicht stimmt, dass sehr wohl über Ramstein - damit macht sich Deutschland mitschuldig - die Drohnenangriffe in Afrika gesteuert werden . Ein letzter Satz . Herr Pofalla in Person und die Bundesregierung haben sich im August 2013 die günstigen Voraussetzungen für den Wahlkampf und für die Wahl 2013 erschlichen . Herr Pofalla hat getäuscht und getrickst . ({5}) Er hat der deutschen Bevölkerung erklärt, es sei alles gut, es sei alles vom Tisch . Ein No-Spy-Abkommen sei angeboten worden . Nichts davon war wahr . Das Weiße Haus hat drei Monate später gesagt: Von einem No-Spy-Abkommen war nie die Rede . - Das hat die deutsche Regierung, das hat Herr Pofalla erfunden . Wie wären die Wahlen 2013 ausgegangen, wenn all das, was wir jetzt wissen und was in dem dicken Bericht steht, bekannt geworden wäre? Ich bin der Auffassung: Damit haben Sie die Wählerinnen und Wähler und die deutsche Öffentlichkeit irregeführt. Das darf nie wieder passieren . Daraus müssen Schlussfolgerungen gezogen werden . ({6})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Kollege Ströbele, danke schön . - Für die CDU/ CSU-Fraktion hat jetzt Nina Warken das Wort . ({0})

Nina Warken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004437, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Untersuchungsausschuss war ein Erfolg . Der Ausschuss war schon alleine deshalb ein Erfolg, weil er die Gesellschaft für die vielen Herausforderungen im digitalen Zeitalter sensibilisiert hat . Das Spannungsfeld zwischen dem Schutz der Privatsphäre des Einzelnen und der doch so notwendigen Tätigkeit der Sicherheitsbehörden wurde selten so intensiv in der Gesellschaft diskutiert . Er war aber auch ein Erfolg, weil wir bestehende organisatorische Defizite erkennen und abstellen konnten und weil wir im Ergebnis nicht nur die parlamentarische Kontrolle, sondern auch die Sicherheit unserer Bürger gestärkt haben . Die innere Sicherheit in einer freiheitlichen Gesellschaft zu gewährleisten, ist schon immer ein Kernanliegen von CDU und CSU gewesen . Deshalb war für uns auch ganz klar, dass dort, wo Fehler geschehen sind, auch die gebotenen Konsequenzen gezogen werden müssen . Aber Konsequenzen ziehen bedeutet für uns eben nicht, Nachrichtendienste pauschal zu diffamieren oder sogar abschaffen zu wollen, sondern Konsequenzen ziehen bedeutet für uns, Fehler zu beheben und gemeinsam daran zu arbeiten, dass sie sich nicht wiederholen . ({0}) Deshalb war es richtig und wichtig, dass etwa im BND die Weisungslage zur Fernmeldeaufklärung konkretisiert wurde, dass Arbeitsabläufe verbessert wurden und dass wir als Deutscher Bundestag mit der Reform des BND-Gesetzes die gesetzlichen Grundlagen verbessert haben . Europa und Deutschland stehen im Fokus des internationalen Terrorismus . Das Letzte, was wir zurzeit brauchen können, ist eine politisch motivierte Kampagne gegen unsere Sicherheitsbehörden . Nein, wir müssen gemeinsam mit unseren internationalen Freunden und Partnern geschlossen gegen diejenigen vorgehen, die unsere freiheitlichen Gesellschaften zerstören wollen . ({1}) Mit „Freunden und Partnern“ meine ich ausdrücklich nicht nur unsere europäischen Nachbarn, sondern auch ganz bewusst die USA. Denn bei allen politischen Differenzen, die wir manchmal haben, und bei allem, was in letzter Zeit aus dem Weißen Haus getwittert wird, sollten wir eines nicht vergessen: Unser Gegner befindet sich nicht jenseits des Atlantiks, sondern unsere gemeinsamen Gegner sind all jene, die unsere Freiheit und Sicherheit angreifen, und diese Gegner können wir nur gemeinsam bezwingen . ({2}) Bei aller gebotenen Kritik an der NSA und ihren Aktivitäten dürfen wir Maß und Mitte nicht verlieren . Ja, es gab Fehler . Und ja, die Tätigkeit der NSA entspricht in Art und Umfang nicht dem, was wir uns für unsere Dienste wünschen . Aber lassen Sie uns ehrlich sein: Dank der Hilfe amerikanischer Sicherheitsbehörden konnten wir bereits mehr als einmal Schlimmeres in unserem Land verhindern . Deswegen finde ich bedauerlich, dass manche Medien nur zu gern Spekulationen verbreitet haben, die sich zwar gut verkauft haben, von denen wir aber heute längst wissen, dass sie mit der Realität nicht viel zu tun haben . So wurde etwa in der ursprünglichen Berichterstattung über die Snowden-Dokumente mehrfach unterstellt - heute wurde es von Kollegen wiederholt -, die Bundesregierung leite monatliche mehrere 100 Millionen Metadaten über deutsche Staatsbürger an die NSA weiter . Heute wissen wir, dass es sich dabei um Metadaten handelt, die der BND im Rahmen des Antiterrorkampfes und zum Schutz unserer Soldaten in Afghanistan erhoben hat . ({3}) Es wurde auch behauptet, das Bundesamt für Verfassungsschutz beteilige sich mit dem Programm XKeyscore an einer weltweiten Datensammlung der NSA . Mittlerweile wissen wir, dass es einen solchen Austausch nie gegeben hat . Das Bundesamt benutzte das Programm lediglich testweise und nur zur rein internen Auswertung von Daten, die völlig rechtmäßig erhoben wurden . ({4}) Nicht weniger unangebracht erscheint mir im Übrigen, dass Teile der Opposition, wie es hier gerade wieder deutlich wird, vor allem Kolleginnen und Kollegen, die ich noch nicht im Ausschuss gesehen habe - daher weiß ich auch nicht, woher man sich da so sicher sein kann -, bei diesem Spiel mitspielen und der Bundesregierung wiederholt Rechts- und Verfassungsbruch vorgeworfen haben . Ich kann nur davor warnen, mit solchen staatstragenden Begriffen leichtfertig umzugehen. Ebenso wenig wurde auch die Aufklärung durch die Bundesregierung hintertrieben, wie es immer wieder hier heißt . Tatsache ist: Noch nie hat es in der fast 70-jährigen Geschichte dieses Hauses einen Untersuchungsausschuss gegeben, der dermaßen umfassende und tiefe Einblicke in die Tätigkeit der Nachrichtendienste erhalten hat wie der unsere . Knapp 90 Zeugen, vom BND-Sachbearbeiter bis hin zur Bundeskanzlerin, wurden gehört . Ganze Regalwände teils streng geheimer Akten waren ein wohl beispielloses Aufgebot an Beweismitteln . An diesen Fakten kann man auch dann nicht vorbeireden, wenn man die Ergebnisse der Beweisaufnahme unterschiedlich bewertet . ({5}) Tatsache ist eben auch, dass Grüne und Linke sowohl vor dem Bundesgerichtshof als auch vor dem Bundesverfassungsgericht mit allen ihren Klagen gescheitert sind . Liebe Kollegen, eines möchte ich auch noch erwähnen: Wir dürfen bei allem politischen Streit nicht vergessen, dass in unseren Sicherheitsbehörden Zigtausende Mitarbeiter unter schwierigen Bedingungen hervorragende Arbeit leisten, um uns alle und unser freiheitliches Gemeinwesen zu schützen . Politische Auseinandersetzungen gehören in den politischen Raum, gehören hierher in den Deutschen Bundestag und sollten nicht im Rahmen von Zeugenvernehmungen auf dem Rücken von einzelnen Sachbearbeitern ausgetragen werden, wie es leider oft stattgefunden hat . Kommen wir zum Thema Snowden . Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir als Koalition, die CDU, die CSU, aber auch die SPD, haben uns dafür eingesetzt, dass Edward Snowden dem Ausschuss seine Sicht der Dinge darlegen kann . Wir haben Herrn Snowden zum Beispiel angeboten, dass wir ihn per Videokonferenz zu uns in den Ausschuss schalten, damit er uns von seinen Erkenntnissen berichten kann . Herr Snowden hat das abgelehnt, obwohl er das in den vergangenen Monaten und Jahren dutzendfach bei Tagungen und Kongressen gemacht hat . Wir haben Herrn Snowden angeboten, dass wir ihn in Moskau besuchen und uns dort mit ihm austauschen . Auch das hat Herr Snowden abgelehnt, obwohl er - das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen - sogar die Gastgeber amerikanischer Comedyshows in Moskau empfangen und ihnen dort Interviews gegeben hat . Sich dann hinzustellen, wie es die Opposition getan hat und auch heute wieder tut, und der Bundesregierung zu unterstellen, sie wolle eine Vernehmung Snowdens hintertreiben, ist eine absurde Verdrehung der Tatsachen . ({6}) - Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat sie systematisch hintertrieben! Systematisch hintertrieben!) Wir haben immer gesagt: Vernehmung? Ja, aber nicht um jeden Preis . - Den Preis hat Herr Snowden selbst genannt, nämlich politisches Asyl oder zumindest AbschieNina Warken beschutz . Diesen Preis konnten und wollten wir nicht zahlen . ({7}) Das Staatswohl, die Sicherheitsinteressen und auch die außenpolitischen Beziehungen obliegen nicht nur der Bundesregierung, sondern auch uns als Parlament . Deswegen haben wir das Vorgehen der Bundesregierung mitgetragen und gesagt: Um jeden Preis wollen wir Herrn Snowden nicht hören, wenn er schon alle unsere Angebote ablehnt . Das, was einige Kollegen zum Thema No-Spy-Abkommen geäußert haben, ist ebenfalls eine Verdrehung der Tatsachen . Der Untersuchungsausschuss hat gezeigt, dass im Sommer 2013 auf allen Ebenen intensive Verhandlungen zum No-Spy-Abkommen geführt wurden . Wenn jetzt behauptet wird, die Bundesregierung habe das deutsche Volk bewusst darüber getäuscht, dann ist das schlicht eine Unverschämtheit . ({8}) Es empfiehlt sich, in den Protokollen der Ausschusssitzungen nachzulesen . Der Zeuge und damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte in seiner Vernehmung deutlich: „Nein, die Verhandlungen waren keine Erfindung. Die haben stattgefunden; das ist gar keine Frage .“ Das muss man in allen Fraktionen zur Kenntnis nehmen . Es gab keine Nebelkerze im Wahlkampf . ({9})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Kollegin, denken Sie an die Zeit .

Nina Warken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004437, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Zu den sonstigen Anwürfen, die die Kollegen hier vorgebracht haben, verweise ich gerne auf den gemeinsamen Bewertungsteil der Koalitionsfraktionen . Dort kann man vieles nachlesen und sehen, dass sich die Kollegin Renner und der Kollege Ströbele eher in einer Märchenstunde oder in einem anderen Untersuchungsausschuss befunden haben . ({0}) Als Deutscher Bundestag nehmen wir den Schutz der Grundrechte sehr ernst . Gerade deshalb haben wir im vergangenen Jahr die parlamentarische Kontrolle unserer Nachrichtendienste deutlich verstärkt . Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir da eine gute Grundlage für die zukünftige Arbeit geschaffen haben. ({1})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Kollegin Warken, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen .

Nina Warken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004437, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Diese Reform umzusetzen und mit Leben zu erfüllen, dazu darf ich Sie herzlich einladen . Vielen Dank . ({0})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Ich darf noch einmal alle Kolleginnen und Kollegen darum bitten, sich an die vereinbarte Redezeit zu halten . ({0}) - Wir können das aufrechnen; das sähe aber schlecht für euch aus . Für die Fraktion Die Linke redet jetzt der Kollege Dr . André Hahn . ({1})

Dr. André Hahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004288, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe leider nicht genug Redezeit, um den ganzen Unfug zu korrigieren, den Frau Warken eben gesagt hat . Fakt ist: Ohne diesen Untersuchungsausschuss hätte die Öffentlichkeit nie erfahren, dass nicht nur die NSA, sondern auch der BND in nennenswerten Größenordnungen europäische Partner und Verbündete ausspioniert hat. Ich verweise diesbezüglich auf die öffentliche Erklärung des Parlamentarischen Kontrollgremiums vom 16 . Dezember 2015 . Wenn darin davon gesprochen wird, dass lediglich bei einem Drittel der vom Kontrollgremium untersuchten Selektoren, also der zu Abhörzwecken verwendeten Suchbegriffe, die beim BND im Einsatz waren, ein klarer Bezug zum Auftragsprofil der Bundesregierung erkennbar war, dann bedeutet das zugleich, dass rund zwei Drittel, also mehrere Tausend Suchbegriffe, mindestens umstritten und unverhältnismäßig - viele davon auch klar rechtswidrig - waren . In den Abhöranlagen des BND liefen zu Hoch-Zeiten mehr als 13 Millionen Suchbegriffe der NSA, also Namen, Telefonnummern, E-Mail-Adressen usw . Dass es so viele Terroristen oder Waffenschieber gibt, glaubt wohl nicht einmal die Bundeskanzlerin . ({0}) Aufgrund der Geheimhaltungsregeln darf ich zum Umfang und zu den konkret Betroffenen der Abhörmaßnahmen leider nichts Konkretes sagen . Aber ich wiederNina Warken hole meine Frage an die Bundesregierung, ob es überhaupt ein Land in der Europäischen Union gibt, dessen Regierung der BND nicht ausspioniert hat . Hier ist über Jahre hinweg vieles völlig aus dem Ruder gelaufen . Ich bedauere sehr, dass auch das neue BND-Gesetz dieser Entwicklung keinen klaren Riegel vorgeschoben hat . ({1}) Massive Kritik an der Arbeit des BND kam übrigens nicht nur von der Opposition, sondern auch von der Bundesdatenschutzbeauftragten . Der entsprechende Bericht ist bis heute als Geheim eingestuft, jedoch auf netzpolitik .org nachzulesen . Völlig unzureichend sind die personellen Konsequenzen aus dem NSA/BND-Skandal . Koalition und Bundesregierung haben sich am Ende darauf geeinigt, dass es zwei Schuldige für die gesamte Misere gibt, nämlich den ehemaligen BND-Präsidenten Schindler und den früheren Kanzleramtschef Pofalla . Das ist sehr praktisch und bequem; denn beide sind nicht mehr im Amt . Schuld am offenkundigen Versagen haben aber viel mehr Zuständige, die ihrer Kontrollpflicht nicht einmal ansatzweise nachgekommen sind. Dies betrifft insbesondere die Dienst- und Fachaufsicht im Bundeskanzleramt . Dort sitzen alle Leute noch auf ihren Posten, angefangen von der Kanzlerin über den Staatssekretär bis zum Abteilungsleiter, obwohl sie sträflich versagt haben. Hier muss es dringend Veränderungen geben, spätestens nach der anstehenden Bundestagswahl . ({2}) Noch eine letzte Bemerkung . Ich bin jetzt seit 23 Jahren Abgeordneter, zunächst im Landtag, jetzt im Bundestag . Mehr als elf Jahre davon war ich in diversen Untersuchungsausschüssen tätig und habe dort vieles erlebt . Noch nie jedoch hatte ich einen Ausschussvorsitzenden wie Patrick Sensburg, einen Mann, der derart arrogant und ignorant agiert, der sich über demokratische Gepflogenheiten hinwegsetzt und Oppositionsrechte missachtet, ({3}) der vor dem Abschlussbericht in einem Buch aus Akten berichtet und Zeugen verunglimpft . Ein solcher Mann sollte nie wieder einen Ausschuss in diesem Haus leiten dürfen . Herzlichen Dank . ({4})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Susanne Mittag das Wort . ({0})

Susanne Mittag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004355, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach nunmehr dreieinhalb Jahren kommen wir heute mit dieser Debatte - sie ist ja schon richtig schwungvoll zum Abschluss des Untersuchungsausschusses . Auch wenn die letzten Meldungen aus dem Ausschuss etwas konfliktreich waren, so haben wir doch insgesamt - es ist schon erwähnt worden - über 581 Stunden, die der Ausschuss getagt hat, zusammengearbeitet, und zwar ziemlich gut und manchmal sogar sehr gut; nicht dass das in Vergessenheit gerät . ({0}) - Danke . Bei allen unterschiedlichen Sichtweisen und Bewertungen war unser Ziel immer, aufzuklären, auch wenn sich die Vorgehensweise manchmal unterschied . Aber am Ende muss man sagen: Wir haben mehr über die Arbeit unserer Nachrichtendienste erfahren als über die Arbeit der Five Eyes . Dies gilt besonders für den Namensgeber des Ausschusses - diesen Namen konnten wir leider nicht mehr ändern; er hatte sich schon geprägt - oder den britischen Geheimdienst . Dort gab es regierungsseitig so gut wie gar keinen Willen zur Zusammenarbeit . Ebenfalls keine Kooperationsbereitschaft zeigten in diesem Zusammenhang allerdings die angeblich sehr kooperativen Firmen wie Facebook, Apple, Microsoft oder Google . Es sollte die Frage geklärt werden, in welchem Rahmen sie den US-Geheimdiensten zuarbeiten oder sogenannte Backdoors zur Verfügung stellen . Nachdem wir die Vorstandsvorsitzenden dieser Firmen als Zeugen vor den Ausschuss geladen hatten, wurden die Zusagen zum Erscheinen immer vager . Zum Schluss wollten sie nur noch einem gemeinsamen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindenden einstündigen Informationsgespräch zustimmen . Das ist aber keine verwertbare Zeu gen aussage, das ist ein Kaffeekränzchen, und darauf haben wir verzichtet . ({1}) Wir können als Untersuchungsausschuss ausländische Zeugen leider nicht zu einer Aussage in Deutschland zwingen oder herzitieren; aber jeder kann jetzt seine eigenen Schlüsse daraus ziehen, was das zu bedeuten hat . Doch zurück zu unseren Diensten . Eine der großen Überraschungen war hierbei für uns, dass der sogenannte 360-Grad-Blick der Spionageabwehr, der sich verfestigt hatte, bis zu den Snowden-Veröffentlichungen so gut wie gar nicht praktiziert wurde . Russland, China und noch einige andere einschlägige Länder standen bis vor kurzem mit weitem Abstand im Zentrum der Arbeit der zuständigen Abteilung; das ist auch völlig richtig und soll überhaupt nicht geändert werden . Aber für den Rest der Welt, circa 155 Staaten, war nur ein einziges Referat zuständig . Das heißt, nur wenige Mitarbeiter warfen ein Auge auf die Aktivitäten unserer Partner, auch aus den sogenannten Five-Eyes-Staaten . Das bedeutet für die Praxis, dass sich kaum jemand aktiv um Aufklärung bemühen konnte, sondern dass man sich darauf beschränkte, Hinweisen Dritter, anderer Bundesbehörden oder ausländischer Partner auf verdächtige Aktivitäten nachzugehen . Das war aber bei der Personaldecke nur begrenzt möglich . Der ehemalige Präsident des BND, Herr Schindler, hat recht eindrücklich geschildert, dass auch die NachrichDr. André Hahn http://www.netzpolitik.org http://www.netzpolitik.org tendienste befreundeter Staaten ihre eigenen nationalen Interessen verfolgen . Sie sind keine Freunde, sondern Partner, und auch auf die muss ein wachsames Auge geworfen werden; das war allen klar . Ich sage extra: Allen war das die ganze Zeit klar . Ein weiteres Problem im BND, das immer wieder auftauchte, waren eklatante Mängel bei den Dienst- und Meldewegen . Das hört sich ein bisschen dröge an, ist aber ziemlich wichtig . Teilweise hatten wir den Eindruck, dass es eine gläserne Decke gibt, durch die Informationen nach oben überhaupt nicht durchdringen . Als zum Beispiel Sachbearbeiter richtigerweise erkannten, dass NSA-Selektoren problematisch sind, versickerte die Warnung in der Hierarchie, zwar nicht ungehört, aber ohne Konsequenzen . Die Information gelangte wohl nie bis zur Hausleitung und schon gar nicht ins zuständige Kanzleramt . Umgekehrt fragten aber auch Kanzleramt oder Minister niemals proaktiv nach . Das hätte aber zur Dienst- und Fachaufsicht gehört, auch auf diesen Entscheidungsebenen . ({2}) Deutlich wurde weiter, dass es bei den NSA-Selektoren oft an einer Dokumentation über deren Herkunft und Zweck fehlte . Auch die Datenübermittlung an andere Nachrichtendienste wurde nicht ausreichend dokumentiert . Bei entsprechenden Nachfragen in der Zeit des Untersuchungsausschusses wurde von der NSA eine große Anzahl der Selektoren kommentarlos zurückgezogen - erst in der Zeit des Untersuchungsausschusses! Die rechtlichen Voraussetzungen fehlten offenbar. Kaum vorstellbar ist, dass der Abteilungsleiter und der Präsident des BND erst durch den Beweisbeschluss des Untersuchungsausschusses im März 2015 über umfangreiche Deaktivierungen problematischer NSA-Selektoren informiert wurden . Das ist ein klassischer Fall fehlender Kultur, zu remonstrieren . Offenbar wurde die Möglichkeit, dass das bekannt wird und in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss landet, nicht ansatzweise in Betracht gezogen . Dabei geht es nicht um die Schuldfrage bei Sachbearbeitern, sondern um den Führungsstil und die Gesamtverantwortlichkeit der Leitungsebene des BND . Immer wieder hörten wir die Aussage von Zeugen, dass sie den Eindruck hatten, dass Hinweise und Problemmeldungen offenbar nicht gewollt waren bzw. dass nach Hinweisen nichts passierte . Dieses Abschotten von Problemlagen setzte sich über alle Führungsebenen hinweg bis ins Kanzleramt fort . Bei sich abrupt ändernden Weltlagen, sich rasant entwickelnden technischen Möglichkeiten und neuen Bedrohungen sind eine schnelle Anpassung und Reaktion des BND und anderer Behörden unter Beachtung von Grundrechten jedoch von entscheidender Bedeutung für unsere Sicherheit . Das Potenzial zur Aufgabenerfüllung ist da . Im Bereich der Struktur und der sogenannten Unternehmenskultur gibt es da aber noch richtig viel Luft nach oben . Herzlichen Dank . ({3})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Dr . Konstantin von Notz das Wort .

Dr. Konstantin Notz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004123, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was wir als Untersuchungsausschuss betrachtet haben, war ein Ausschnitt, ein Ausschnitt dessen, was deutsche Dienste machen, ein Ausschnitt dessen, was international passiert . Man muss sich schon sehr dumm stellen, wenn man nicht erkennen können will: Was in Bad Aibling und in Frankfurt auf der Glasfaser passiert, der Abgriff von Milliarden Verkehrsdaten und Inhaltsdaten, passiert an Dutzenden, vielleicht an Hunderten anderer Kabelansätze weltweit durch die Five Eyes . Was, bitte schön, soll das anderes sein als anlasslose Massenüberwachung, meine Damen und Herren? ({0}) Dass Sie das hier heute noch schönzureden versuchen, Frau Kollegin Warken, zeigt, dass die Große Koalition bei dem sensiblen Thema „Privatsphäre in der digitalen Welt“ ({1}) nicht Teil der Lösung, sondern leider Teil des Problems ist . ({2}) Der BND und frühere Bundesregierungen haben sich rechtswidrig verhalten . Sie haben massiv gegen die Verfassung, nämlich gegen Artikel 10, verstoßen . Sie haben illegale Datenbanken errichtet und diese genutzt . Sie haben die Schutzpflicht des Staates gegenüber den Bürgern und den deutschen Unternehmen verletzt . Sie haben systematisch die parlamentarische Kontrolle hintergangen . Das alles sind keine Kavaliersdelikte, sondern schwerwiegende Verstöße . Sie wurden nicht fahrlässig, sondern vorsätzlich begangen . Denn die Akten zeigen: Es gab durchaus intern, auch im BND und auch im Bundeskanzleramt, sehr kritische Stimmen, die aber einfach ignoriert wurden . ({3}) So viel wir hier an diesem Tag auch kritisieren, will ich an dieser Stelle mit Blick auf diese kritischen Stimmen einmal klipp und klar sagen: Herzlichen Dank denjenigen, die die Bedenken vorgetragen haben! ({4}) Die Bedenken wurden nur leider vom Tisch gewischt . Ihre „Alles ist gut“-Attitüde, die hier latent rüberkommt, ist gänzlich fehl am Platz; das will ich an einem Beispiel deutlich machen, nämlich am Bericht der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit . Die Datenschutzbeauftragte als zuständige Kontrollbehörde hat nach Snowden den BND geprüft, mehrere Monate gegen massivste Widerstände . Sie hat einen verheerenden Bericht geschrieben: Verfassungsverstöße, illegale Datenbanken, grobe Rechtswidrigkeiten - alles allein in Bad Aibling . Die großkoalitionäre Bundesregierung hat sich nicht entblödet, diesen Bericht einfach als Geheim einzustufen und ihn bis heute zu igno rieren, statt diese Dinge anzunehmen und zu sagen: Wir haben verstanden, wir korrigieren . - So geht es nicht in einem Rechtsstaat, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({5}) Der Ausschuss war wichtig, und er hat sich gelohnt . Snowdens Veröffentlichungen haben sich - der Kollege Ströbele hat das gesagt - vollumfänglich bestätigt . Wir haben aufgeklärt, dass der BND Teil der globalen Massenüberwachungsmaschinerie ist . Auch das hochproblematische Geschäft mit den Selektoren wäre mit all seinen rechtlichen Problemen niemandem außerhalb des Dienstes bekannt, hätte unser Ausschuss nicht so gut gearbeitet . Ihr Trostpflaster, liebe Große Koalition, die vermeintlich bahnrechende Reform des BND-Gesetzes, ist nichts anderes als der klägliche Versuch der nachträglichen Legalisierung der abgründigen Praxis der Fernmeldeaufklärung und des Ausspähens unter Freunden der letzten Jahre . ({6}) Diese Reform ist offenkundig verfassungswidrig und legalisiert genau das, von dem Sie sagen, dass es nie stattgefunden hat, nämlich die anlasslose Massendatenerfassung . Das wird nicht durchtragen . Ich sage Ihnen, Herr Fritsche: So ist der nächste Skandal vorprogrammiert . ({7}) Ich komme zum Schluss . Demokratien zeichnen sich dadurch aus, dass Parlamente Fehlentwicklungen korrigieren . Diese Korrektur sind Sie unserem Land bis heute schuldig . Dabei geht es um nicht mehr und nicht weniger als die Privatsphäre und die Vertraulichkeit der Kommunikation im digitalen Raum . Die Debatte hat Edward Snowden angestoßen, wir haben sie weiter vorangebracht, aber sie ist noch lange nicht zu Ende . Ganz herzlichen Dank . ({8})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Tankred Schipanski . ({0})

Tankred Schipanski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Konstantin von Notz, zunächst einmal will ich mich gegen den Begriff verwahren, dass wir als Große Koalition „entblödet“ sind in Bezug auf den Bericht der Datenschutzbeauftragten . ({0}) Man kann juristische Sachverhalte unterschiedlich einschätzen . Man hat dazu auch unterschiedliche juristische Auffassungen. Das haben wir in der Tat; aber das hat nichts mit „entblödet“ zu tun . ({1}) Das Nächste sind die Vorwürfe von Herrn Hahn gegenüber dem Ausschussvorsitzenden . ({2}) Das finde ich unmöglich, und das ist überhaupt nicht richtig . Es war eine neutrale und angemessene Ausschussleitung über viele Jahre . Lieber Patrick, vielen Dank dafür . ({3}) Ich möchte zunächst auf das Verfahren eingehen . In der letzten Legislatur war ich im NSU-Untersuchungsausschuss . Ich muss sagen: Es gab dort einen gemeinsamen Aufklärungswillen, eine ganze Menge Kollegialität, einstimmige Beschlüsse, konstruktive Zeugenvernehmungen . Das habe ich in diesem Ausschuss ein ganzes Stück vermisst . ({4}) Bei der ersten Sitzung dieses Ausschusses wurde schnell klar, dass ein konstruktives und strukturiertes Zusammenwirken von Opposition und Koalition nicht gewollt ist . Von Anfang an war es Konfrontation, Misstrauen, Verschwörung aufseiten der Opposition, angeheizt durch diverse Veröffentlichungen nicht nur via Zeitungen und Zeitschriften, sondern auch via Buchveröffentlichungen wie Geheimer Krieg oder Der NSA-Komplex, allesamt Veröffentlichungen, welche die Snowden-Veröffentlichungen ungeprüft zur Grundlage ihrer Berichterstattung gemacht haben . Das ist im Übrigen ein ganz klarer Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht, lieber Herr Ströbele . ({5}) Diesen Denkfehler machte die Mehrheit der Ausschussmitglieder nicht. Wir hinterfragten veröffentlichte Skizzen und Papiere nach Plausibilität . Wir nutzten verschiedene Arten von Beweismitteln, ob Zeugen, Sachverständige, Urkunden . Dabei gab es immer eine intensive Zusammenarbeit mit der Bundesregierung . Eine Blockadehaltung konnte ich nicht feststellen . Wenn man Material von Diensten haben will - das haben Sie auch schon in anderen Untersuchungsausschüssen erlebt -, dann wird bei eingestuftem Material selbstverständlich geschwärzt . Wir haben festgestellt, dass die in den Snowden-DokuDr. Konstantin von Notz menten beschriebenen Methoden und Programme wie Tempora und Prism nach Expertenmeinung zwar grundsätzlich technisch nachvollziehbar sind . Aber ihre Funktionalität konnten wir aufgrund des fragmentarischen Charakters der Dokumente nicht als seriös bewerten . Der Vorwurf der Wirtschaftsspionage wurde ausgeräumt . Der Vorwurf des Ringtausches wurde ausgeräumt . Der Vorwurf, der hier im Raum stand, das No-Spy-Abkommen habe es nie gegeben, wurde ausgeräumt . Der Vorwurf eines geheimen Krieges wurde ausgeräumt . ({6}) Die Kollegin Warken hat auf die falsche Berichterstattung des Spiegel mit den 500 Millionen Metadaten im Jahr 2013 hingewiesen . Sie haben es richtiggestellt, Frau Kollegin Warken . Ich kann nur sagen: Der Spiegel war nicht das einzige Medium, das hier nicht korrekt berichtet hat . ({7}) Meine Damen und Herren, das alles sind Fakten, die wir aufgeklärt haben, und Fakten sind keine Skandale . Aber bis zur letzten Minute - wir erleben das heute wird von Linken und Grünen nur skandalisiert . Sinn und Zweck eines Untersuchungsausschusses ist es aber nicht, sich in Parallelwelten zurückzuziehen, Verschwörungstheorien aufzubauen und grundsätzlich allen Leuten zu misstrauen . Sinn und Zweck war es, die Vorwürfe von Edward Snowden zu prüfen . Insbesondere der Vorwurf der massenhaften, anlasslosen Überwachung deutscher Staatsbürger durch Nachrichtendienste der sogenannten Five Eyes war und ist falsch . ({8}) Gleiches gilt für die behauptete massenhafte, anlasslose Überwachung durch den BND . Auch die Zusammenarbeit des BND mit anderen Nachrichtendiensten auf Basis einer Rechtsgrundlage ist zulässig und geboten und ist kein Skandal . Ich bin erschrocken, dass Linke und Grüne ganz bewusst fehlinterpretieren und verzerren und so gemeinsam mit manchen Medienvertretern die Menschen bewusst in die Irre führen, ({9}) verunsichern und Misstrauen säen . Das erleben wir auch heute wieder in dieser Debatte . Nachrichtendienste haben eine wichtige Aufgabe in unserem Interesse, nämlich die Gewährleistung von Sicherheit . Wir sollten die Nachrichtendienste dabei unterstützen und ihnen gerade in Zeiten terroristischer Bedrohungen die notwendigen politischen Rahmenbedingungen geben . Mich hat insbesondere der Umgang mit eingestuftem Material besorgt, das ständige Durchstechen, insbesondere auch bei der Problematik der Selektoren . Hier war es kein Skandal, eine unabhängige sachverständige Vertrauensperson einzuführen . Das hatten wir in ähnlicher Art und Weise bereits im NSU-Ausschuss; es war das sogenannte Auge des Ausschusses . Nina Warken hat auf die Posse um die Snowden-Ladung hingewiesen . Wir waren bereit, den Zeugen zu hören . Der Zeuge hat den Ausschuss missachtet . Er ist nicht gekommen . ({10}) Er lässt sich auf die CeBIT und überallhin schalten, nur mit uns wollte er nicht sprechen . Lieber Konstantin von Notz, dem Geschrei von Linken und Grünen bezogen auf mutmaßliche Rechtswidrigkeit in dem Zusammenhang haben das Bundesverfassungsgericht und der BGH eine ganz klare Absage erteilt . Viermal hat die Opposition vor den höchsten deutschen Gerichten verloren . Die Drohgebärden nach dem Motto „Wir gehen nach Karlsruhe, alles rechtswidrig, alles schlimm“ sind pure Show, um Aufmerksamkeit zu erlangen, und bedeuten eine nicht gerechtfertigte Skandalisierung . ({11}) Ich will Sie ermuntern, diesen Bericht zu lesen . Ich möchte Sie ermutigen, weiterhin die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zu wahren . Ich möchte zum Abschluss auch Danke sagen an die Mitarbeiter unserer Nachrichtendienste, die eine gute Arbeit im Interesse einer hohen Sicherheit leisten . ({12}) Vielen Dank . ({13})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Für die SPD-Fraktion hat jetzt Jens Zimmermann das Wort . ({0})

Dr. Jens Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004603, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach der Rede meines Vorredners könnte man den Eindruck gewinnen: Alles super, alles dufte! Der Ausschuss hat gut gearbeitet . Wir haben vor allem herausbekommen, dass alles richtig gemacht wurde und nichts passiert ist . Warum eigentlich die ganze Aufregung? ({0}) Ich glaube, das wäre ein falscher Eindruck . Wir haben viel gearbeitet, wir haben viel aufgeklärt, aber wir haben auch festgestellt, dass nicht alles gut gelaufen ist . Was man an der Rede merken kann, ist, dass uns in der Ausschussarbeit bisher ein Aspekt gefehlt hat, nämlich nachempfinden zu können, wie das so war im SpätsomTankred Schipanski mer 2013, wie die Atmosphäre ist, wenn eine solche Krise auftaucht, während man mitten im Wahlkampf ist . In dieser Woche haben wir das, glaube ich, gut spüren können . Insofern will ich einmal auf die politische Dimension unserer Arbeit eingehen . Da ist die Aussage der Kanzlerin, die wir immer wieder gehört haben: „Abhören unter Freunden, das geht gar nicht“, und da ist die Frage, was da eigentlich so gelaufen ist . Wir haben es heute in der Debatte schon gehört: Wir haben auch herausgefunden, dass es eine Strategie ist, die politisch Verantwortlichen nach Möglichkeit gar nicht erst zu informieren; denn was man nicht weiß, macht einen nicht heiß . Am Ende kann man dann glaubhaft dementieren, irgendetwas gewusst zu haben . Das ist aber keine effektive Kontrolle der Geheimdienste. Wenn wir der Meinung sind, dass wir in Deutschland Nachrichtendienste benötigen - und wir sind dieser Meinung -, dann müssen wir auch der politischen Kontrolle nachkommen . ({1}) Ich denke an eine denkwürdige Ausschusssitzung, zu der der damalige Kanzleramtschef Pofalla als Zeuge geladen war, der seine Zeit vor allem damit verbrachte, Mitglieder des Ausschusses von vorne bis hinten zu beschimpfen, aber nicht wirklich zur Aufklärung beitragen konnte . ({2}) - Ja, das Protokoll hebe ich mir auf, Herr Kollege; denn das ist wirklich ein Beispiel dafür, wie man es nicht macht . ({3}) Der Volksmund sagt: „Hunde, die bellen, beißen nicht“; aber Herrn Pofalla haben wir irgendwie auf dem falschen Fuß erwischt . Ich erinnere an eine andere denkwürdige Sitzung im PKGr in der Wahlkampfzeit, nach der sich Herr Pofalla hingestellt und den ganzen Skandal für beendet erklärt hatte . Jetzt stellen wir vier Jahre später hier im Deutschen Bundestag fest, dass es doch einen Skandal gab . ({4}) Das ist die politische Dimension dieses Untersuchungsausschusses, die sich nicht einfach so vom Tisch wischen lässt, wie Sie das eben versucht haben . ({5}) Wir als SPD - und das wiederhole ich gerne - ziehen folgende politische Lehre aus den Vorkommnissen: Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass wir Nachrichtendienste brauchen, um unser Land zu schützen, dann ist es Aufgabe des Parlaments und Aufgabe der Regierung, die Nachrichtendienste effektiv zu kontrollieren. Das müssen wir dem kommenden Deutschen Bundestag und der kommenden Bundesregierung mit auf den Weg geben . Vielen Dank . ({6})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Nächster Redner ist Dr . Tim Ostermann für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Dr. Tim Ostermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004367, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Abschluss der Arbeit des 1 . Untersuchungsausschusses ist viel Staub aufgewirbelt worden, auch in der heutigen Debatte . Wir sollten aber den Blick auf die erzielten Ergebnisse richten und uns diesen Blick nicht vernebeln lassen . Darum möchte ich mich bei meinen Ausführungen als elfter und letzter Redner auf einige Maßnahmen konzentrieren, die der Ausschuss empfiehlt bzw. überwiegend schon angestoßen hat . Als Konsequenz aus der Arbeit des Untersuchungsausschusses fand eine intensive Auseinandersetzung über technische, personelle und rechtliche Rahmenbedingungen für die Arbeit unserer Nachrichtendienste statt . Die Koalition hat umfassende Reformen beschlossen, vor allem die des Bundesnachrichtendienstgesetzes . Ich will noch einmal daran erinnern: Bis zum Inkrafttreten der Novelle gab es keine gesetzliche Spezialregelung für die Überwachung der Telekommunikation von Ausländern im Ausland durch den BND . Jetzt ist auch gesetzlich geklärt, dass dem BND eine Erhebung solcher Daten unter bestimmten Voraussetzungen gestattet ist: Die Erhebung muss verhältnismäßig sein und dem Auftragsprofil der Bundesregierung entsprechen. Für Suchbegriffe mit EU-Bezug gelten hohe Hürden. BND-Spitze und Bundeskanzleramt werden in die Verantwortung genommen . Für alle Erhebungen ist eine Anordnung des Bundeskanzleramtes notwendig, und diese Anordnungen müssen dann auch noch von einem neu eingerichteten Kontrollgremium, dem sogenannten Unabhängigen Gremium, genehmigt werden . Mit der Reform wurde auch für die Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes Rechtssicherheit geschaffen. Mir ist wichtig, zu sagen: Die Mitarbeiter der Nachrichtendienste sind ein ganz entscheidender Faktor . Ohne Frage: Es gab gerade beim BND Fehlverhalten, das abgestellt werden musste und auch abgestellt wurde . Dies rechtfertigt aber nicht, die Mitarbeiter unserer Nachrichtendienste in ein bestimmtes Licht zu rücken . Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir als Union stehen hinter unseren Nachrichtendiensten und ihren Mitarbeitern; denn wir sind für die schwierige Arbeit, die sie für uns alle leisten, außerordentlich dankbar . ({0}) Die Spionageabwehr wurde neu ausgerichtet . Eine Privilegierung von bestimmten Nachrichtendiensten findet nicht mehr statt . Wir schauen nun grundsätzlich allen auf die Finger . Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die personelle Aufstockung zwar erfolgt ist, sie aber vermutlich nicht ausreichen wird, um dauerhaft einen 360-Grad-Blick zu gewährleisten . Wenn wir dies wünschen - und ich nehme an, das wünschen wir uns alle -, brauchen wir wohl eine weitere Aufstockung . Angesichts der derzeit noch begrenzten Ressourcen liegen daher die Schwerpunkte der Spionageabwehr weiterhin nicht bei den Five-Eyes-Staaten; die Schwerpunkte liegen vielmehr bei Russland, China, Nordkorea, der Türkei, dem Iran und anderen Staaten des Nahen und Mittleren Ostens, und das ist auch richtig so, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({1}) Ausspähen unter Freunden ist höchst problematisch . Ausspähaktivitäten von nicht befreundeten Staaten bringen aber weit höhere Risiken mit sich . ({2}) Darum wird uns vonseiten der Opposition ein schiefes Bild präsentiert, wenn mit dem Finger vor allem in Richtung der USA und der anderen Five-Eyes-Staaten gezeigt wird . Die Aktivitäten der von mir eben genannten Staaten müssen uns weitaus größere Sorgen bereiten . Zuletzt möchte ich erwähnen, dass die Koalition auch die parlamentarische Kontrolle effektiver gemacht hat. Das Parlamentarische Kontrollgremium wird durch einen Ständigen Bevollmächtigten und einen entsprechenden administrativen Unterbau gestärkt . Wir sind davon überzeugt, dass die Kontrollarbeit des Gremiums durch diese qualifizierte Zuarbeit - und jetzt zitiere ich den Abschlussbericht - „aktiver, systematischer und schlagkräftiger“ wird . Ich finde, wir haben aus der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses die richtigen Schlüsse gezogen . Wir haben die notwendigen Reformen unserer Nachrichtendienste durchgesetzt . Daneben haben wir auch die Kontrolle der Dienste reformiert . Und wir haben die Gefahren in den Blick genommen, die durch Spionageaktivitäten für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft entstehen . Gleichzeitig sind wir der Dämonisierung der Nachrichtendienste durch die Opposition durch eine konsequente, aber an der Sache orientierte Aufarbeitung entgegengetreten . ({3}) Alles in allem ist das ein Ergebnis, mit dem man zufrieden sein kann . Und wir, die Union - das darf ich abschließend sagen -, sind mit dem Ergebnis zufrieden . Herzlichen Dank . ({4})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Damit schließe ich die Aussprache . Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des 1 . Untersuchungsausschusses auf Druck sache 18/12850. Der Ausschuss empfiehlt, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen . Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5: Beratung des Antrags der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Katja Keul, Dr . Tobias Lindner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Rüstungsexporte endlich reduzieren - Frieden, Sicherheit und Menschenrechte bei den Entscheidungen stärken Drucksache 18/12825 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . Gibt es dagegen Widerspruch? - Ich sehe, das ist nicht der Fall . Dann darf ich Sie bitten, die Plätze einzunehmen . Ich eröffne die Aussprache, und das Wort hat Katja Keul für Bündnis 90/Die Grünen .

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kriegswaffenexporte in Spannungsgebiete gefährden die deutschen Sicherheitsinteressen und befördern die Eskalation bewaffneter Konflikte. Die Grundsätze der Bundesregierung sind nicht geeignet, diese zu unterbinden . Ich will Ihnen dies anhand von drei aktuellen Beispielen vor Augen führen . Erstes Beispiel: Als wir in der letzten Legislatur den geplanten Export der Kriegsschiffe der Firma Lürssen an Saudi-Arabien kritisierten, haben CDU und FDP immer abgewiegelt . Das seien doch nur harmlose Patrouillenboote, die zur Küstenwache eingesetzt würden . Heute sterben Tausende von Menschen - vor allem Kinder und Alte - im Jemen an Hunger und Cholera, weil Saudi-Arabien das Land nicht nur bombardiert, sondern auch von der Seeseite her blockiert, sodass keine Medikamente und Lebensmittel die Menschen mehr erreichen . Die Lage ist unerträglich, und sie belegt, dass das Genscher-Zitat „Alles was schwimmt, geht“ falsch ist . ({0}) Die Kriegsschiffe wurden in dieser Legislatur genehmigt, und zwar von Wirtschaftsminister Gabriel, der angetreten war, Rüstungsexporte restriktiver zu handhaben . Das zweite Beispiel ist Katar . Seit Wochen erleben wir eine Eskalation zwischen den Staaten der Arabischen Halbinsel mit der totalen Blockade von Katar durch die Nachbarländer, die ja nach Presseberichten sogar eine Invasion der Halbinsel planten . Außenminister Gabriel warnt vor einem Krieg in der Region. Als wir ihn aber vor zwei Jahren aufforderten, die Genehmigung für 62 Leopard-Kampfpanzer nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz zu widerrufen, die SchwarzGelb vor der Bundestagswahl 2013 noch schnell erteilt hatte, weigerte er sich . Er begründete dies damals ausdrücklich nicht mit drohenden SchadensersatzansprüDr. Tim Ostermann chen der Rüstungsindustrie, sondern ausschließlich mit der sicherheitspolitischen Lage . Da kann man mal sehen, wie schnell sich die Sicherheitslage ändern kann . ({1}) Um ein Haar hätten sich letzte Woche saudische Kriegsschiffe, made by Lürssen, und katarische Panzer, made by Krauss-Maffei Wegmann, gegenübergestanden. Einmal mehr ist bewiesen: Deutsches Kriegsgerät hat in Drittstaaten nichts zu suchen . ({2}) Aber auch innerhalb des NATO-Bündnisses gibt es gefährliche Entwicklungen, weshalb auch die Türkei deutsche Panzer immer nur mit Auflagen bekommen hat. Nun will Erdogan endlich eigene Panzer bauen, die er nach Gutdünken auch gegen die eigene Bevölkerung einsetzen kann . Dafür braucht er Geld und technische Unterstützung . Beides bekommt er: das Geld aus Katar und die technische Unterstützung von Rheinmetall . Die Bundesregierung meint, das ginge sie alles nichts an, weil Rheinmetall weder Schrauben noch Blaupausen exportiert, sondern nur eigenes Personal . Und tatsächlich hat das deutsche Kontrollregime da eine Lücke, so groß wie ein Scheunentor . Wir Grüne fordern ein Rüstungsexportkontrollgesetz; dieses muss auch Dienstleistungen im Rüstungs- und Entwicklungsbereich erfassen . ({3}) Der Export von sensiblem Know-how kann nicht allen Ernstes unreguliert bleiben . Gabriel hat zwar immerhin eine Kommission eingesetzt, doch auf ein Rüstungskontrollgesetz warten wir immer noch . Als Wirtschaftsminister hat er unsere Forderung unterstützt, die Zuständigkeit für Rüstungsexporte auf das Auswärtige Amt zu verlagern . Unterstützt er das als Außenminister eigentlich immer noch? Man hört dazu gar nichts mehr . Stattdessen fordert er jetzt, dass künftig bei einzelnen Genehmigungen Parlamentsbeschlüsse gefasst werden . Aber so einfach entlassen wir die Exekutive und den Minister selbst nicht aus der Verantwortung . ({4}) Wir wollen die Menschenrechtslage zum gesetzlichen Kriterium erheben, und wir wollen eine gesetzliche Begründungspflicht für Rüstungsexporte. Die Exekutive soll sich gegenüber dem Parlament und im Ernstfall auch gegenüber einem Gericht rechtfertigen . Die über Jahre gestreckte Dreiteilung des Verfahrens in Vorbescheid, Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz verschleiert die Verantwortlichkeiten nach dem Motto: Den Letzten beißen die Hunde . Wir wollen nicht nur die gesetzlichen Grundlagen verschärfen und ein Verbandsklagerecht einführen, sondern auch ein parlamentarisches Kontrollgremium einsetzen, das frühzeitig über anstehende Genehmigungen informiert wird und dazu Stellung nehmen kann . Kriegswaffenexporte in Drittstaaten dürfen nicht länger die Regel bleiben; denn sie destabilisieren ganze Regionen und gefährden damit auch deutsche Sicherheitsinteressen . Wer auch immer die nächste Bundesregierung stellen will, muss hier regulierend eingreifen - in unser aller Interesse . Vielen Dank . ({5})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Klaus-Peter Willsch . ({0})

Klaus Peter Willsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kollegin von den Grünen, wenn wir auf diese Legislaturperiode zurückschauen, ({0}) müssen wir doch feststellen, dass wir wirklich keinen Mangel an Diskussionen über Rüstungsexporte und Rüstungskontrolle in diesem Hause hatten . Durch das neue Regularium, das diese Koalition vereinbart hat - mit Vorabinformationen, mit vorgezogenen Berichten -, haben wir eine große Dichte an Debatten . Über den gleichen Panzer wird drei Mal gesprochen, sodass das Publikum wahrscheinlich langsam gelangweilt ist . ({1}) Sie versuchen, hier so zu tun, als ob Sie bereit seien, Verantwortung in der Welt zu übernehmen; Sie machen sich aber einen schlanken Fuß, wenn es ernst wird . Das ist das Problem, das Sie haben . ({2}) Sie wollen das weiter theoretisieren und diskutieren . Das führt uns aber kein Stück weiter . ({3}) Sie tun systematisch so - Herr van Aken wird gleich die Fortsetzung dazu liefern -, als ob es in Deutschland Waffen quasi auf dem Flohmarkt zu kaufen gäbe. Sie wissen, dass das reguliert ist . ({4}) Im Wesentlichen herrscht außenpolitisch breites Einvernehmen . Schon zu Zeiten der rot-grünen Regierung unter Fischer und Schröder wurden die Grundlagen festgelegt, auf denen noch heute weitgehend gearbeitet wird . Hier sind keine Hasardeure am Werk . Wenn man in der Welt helfen will und wenn man deutsche Sicherheitsinteressen in der Welt sichern will, ({5}) dann muss man Ländern, die nicht in der Lage sind, ihre Grenzen zu schützen, unter Umständen helfen, zum Beispiel einen Küstenschutz aufzubauen . Genau das haben wir im Fall der Küstenschutzboote getan . ({6}) Natürlich können sich die Dinge ändern . Deswegen gibt es ein enges Monitoring der Bereiche, in die Waffen ausnahmsweise geliefert werden; Sie wissen sehr wohl, dass das nur „ausnahmsweise“ geschieht . Aber natürlich gibt es immer Entwicklungen, die man nicht hundertprozentig vorhersehen kann . Vielleicht wird Ihnen das ein bisschen bewusster, nachdem ich Ihnen Folgendes gesagt habe: Dieser Tage wurde ein Urteil im Fall Srebrenica gesprochen . 1995: Massaker von Srebrenica, die serbischen Aggressionskriege Milosevic’ gegen seinen Nachbarn . ({7}) Da sind wir mit Blauhelmen und ohne richtige Bewaffnung reingegangen; da waren wir nicht massiv genug . Das Gleiche hätten wir schon vorher machen müssen in Kroatien beim Massaker von Vukovar . ({8}) Ich sage Ihnen das noch einmal: Sie wollen mit allgemeinen Erklärungen Ihre Wohlfühlatmosphäre, dass Sie die Friedensretter in der Welt sind, erhalten . ({9}) Aber die Welt ist nun mal so, wie sie ist . Da muss man gegebenenfalls die Fähigkeiten verstärken, damit robust vorgegangen werden kann . ({10}) Das gilt für uns, wenn wir daran denken, wie unsere vitalen Interessen in der Welt gesichert werden, das gilt aber auch für die konkrete Einsatzsituation . Ich weiß noch - das hat mir gut gefallen -, dass Cem Özdemir damals - da haben wir mitten in die Krise hineingeliefert - gesagt hat: Mit den MILAN-Abwehrraketen an die Kurden, an die Peschmerga haben wir den einzig wirksamen Gegenpool zum IS und zu al-Qaida aufgebaut . - Damals hat sogar Ihr Parteivorsitzender die Erkenntnis gehabt, dass man denen wahrscheinlich nicht mit dem Stuhlkreis beikommt . Manchmal ist es so, dass man nicht mit dem Stuhlkreis beikommt . In so einer Situation muss man dann helfen . Keinem der Freiheitskämpfer, die sich dort dem IS entgegengestellt haben, hätte es geholfen, Ihre wohlfeilen Worte hier anzuhören . Im Zweifelsfalle zählt die Tat . Hören Sie bitte damit auf, in den Diskussionen, die Sie immer wieder führen, den Eindruck zu erwecken, dass hier sehr freihändig mit Waffenexporten umgegangen wird. Schauen Sie sich die Berichte der Fachleute an, lesen Sie den SIPRI-Bericht, schauen Sie sich an, wie hoch unser Anteil am Handel in der Welt ist und wie klein er dagegen im Rüstungsbereich ist, weil wir zurückhaltend sind in unserer Exportpolitik, ({11}) schauen Sie sich die Wirklichkeit an, und versuchen Sie, sie zur Kenntnis zu nehmen . Wir wollen, dass unsere Soldaten in hochgefährlichen Situationen erfolgreich unsere Freiheit und unsere Interessen verteidigen . ({12}) Dazu müssen sie mit bestem Gerät ausgestattet sein . ({13}) Wenn wir ein gutes Gerät haben, das auch andere haben wollen, und wir das nach sorgfältiger Prüfung dorthin verkaufen, ist das eine logische und richtige Politik; das wollen wir gerne so weitermachen . ({14}) Deshalb werden wir, liebe Frau Keul, Ihren Antrag ablehnen . Wir können uns dem nicht anschließen, sondern machen weiter eine verantwortungsbewusste, an unseren Interessen, an den Interessen der betroffenen Völker orientierte Politik, die Sicherheitsinteressen nicht aus den Augen verliert, sondern die Sicherheit von uns, unseren Verbündeten, von befreundeten und nützlichen Nationen, die uns bei Aufgaben helfen, im Blick behält . ({15}) Wir tun weiterhin das, was wir für richtig halten . ({16}) Das wird hier jedes Mal diskutiert; wir rechtfertigen das alles . Aber hören Sie auf, den Eindruck zu erwecken, als ob es keine parlamentarische Kontrolle gäbe . Der Antrag ist völlig überflüssig. Vielen Dank . ({17})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Für die Linke spricht jetzt Jan van Aken . ({0})

Jan Aken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004001, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin, ehe die Uhr anfängt, zu laufen, habe ich eine Frage: Darf Herr Jung eigentlich hier sitzen? Ist es mit der Geschäftsordnung vereinbar, dass jemand, der in seinem neuen Job Aufsichtsrat in der Rüstungsschmiede ist, an einer Debatte teilnehmen kann, bei der es um Rüstungsexporte geht? Ich kenne mich mit der Geschäftsordnung nicht so genau aus .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Dann würde ich Ihnen empfehlen, sie zu studieren . Jeder Abgeordnete darf hier in diesem Saal Platz nehmen; wer nicht Abgeordneter ist, nicht .

Jan Aken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004001, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich finde es falsch, aber dann ist es so. - Ich finde es auch deswegen falsch, weil mir in den letzten Tagen immer ein Bild vor Augen kommt, das mich überhaupt nicht mehr loslässt: Ich stelle mir vor, dass, wenn der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Katar weiter eskaliert, es tatsächlich zum Krieg kommt, und dass es dann deutsche Kampfbomber sind, die deutsche Leopard-Panzer bombardieren .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr van Aken, darf ich Sie kurz unterbrechen, auch nach Geschäftsordnung? Der Kollege Willsch hätte gerne die Gelegenheit, Ihnen eine Frage zu stellen oder eine Zwischenbemerkung zu machen .

Jan Aken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004001, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Bitte schön .

Klaus Peter Willsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr van Aken, wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass der Kollege Jung erst nach Ende seines Mandates eine neue Beschäftigung annehmen wird? Sind Sie vielleicht so freundlich - Sie hören ja auch auf -, uns zu sagen, bei wem Sie jetzt anfangen zu arbeiten, damit wir überprüfen können, ob auch Sie vielleicht irgendwelche Interessenkonflikte haben?

Jan Aken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004001, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich habe das, glaube ich, sehr präzise ausgedrückt: Sein neuer Job ist Aufsichtsrat bei Rheinmetall . Das ist eine Waffenschmiede, der größte deutsche Rüstungshersteller . Ich habe nicht gesagt, dass er da schon angefangen hat . Aber er weiß, dass er diesen Job schon hat . Er weiß, dass er mit den deutschen Waffenexporten sehr viel Geld verdienen wird . Trotzdem setzt er sich hierhin und hat die Chuzpe, an so einer Debatte teilzunehmen . Ich finde das einfach falsch. Zu meinem Job kann ich Ihnen sagen: Ich werde ein Jahr als freier Mitarbeiter für NGOs arbeiten . ({0}) Ich hoffe, dass mir eine Organisation, zum Beispiel Greenpeace, oder eine Stiftung im nächsten Jahr den einen oder anderen Job gibt . Das habe ich vorher auch gemacht; ich war drei Jahre bei Greenpeace International . Deswegen kann ich Ihnen schon an dieser Stelle sagen: Ich bin vielleicht das letzte Mal im Bundestag, aber Sie sind mich nicht los . ({1}) Um zurückzukommen zu Saudi-Arabien und Katar: Es waren deutsche Waffenschmieden, die beide Seiten gleichzeitig bis an die Zähne bewaffnet haben. In den letzten Jahren wurden Waffenexporte in diese beiden Länder in Höhe von 6 Milliarden Euro genehmigt . Wenn Sie von der CDU/CSU oder auch von der SPD jetzt sagen, das hätten Sie doch nicht ahnen können, als Sie das genehmigt haben, dann kann ich Ihnen nur sagen: Das hätten Sie nicht nur ahnen können, Sie hätten es wissen können. Denn Waffen werden gekauft, um Kriege zu führen, aus keinem anderen Grund . ({2}) Wissen Sie, ich sitze jetzt seit acht Jahren im Bundestag und habe mir von Anfang an vorgenommen, die Folgen der deutschen Waffenexporte zu dokumentieren. Seit acht Jahren schauen wir immer, wenn irgendwo auf der Welt geschossen wird, ob nicht auch deutsche Waffen mit dabei sind . Wir schauen uns die verwackelten Al-Jazeera-Videos, die Medienberichte und die Fotos an, und in fast jedem einzelnen Fall sind wir fündig geworden . In fast jedem einzelnen Fall waren deutsche Waffen mit dabei . Ich habe fünf Beispiele mitgebracht: In Mexiko schießen staatliche Sicherheitskräfte mit deutschen G36-Sturmgewehren auf Studierende . Sie alle erinnern noch den Fall der verschwundenen 43 Studierenden, die brutal ermordet worden sind . Nehmen wir Syrien . Ich selbst habe im Norden Syriens das Abschussrohr einer MILAN-Rakete gefunden, die zur Hälfte in Deutschland produziert wird . Damit haben die Menschenfeinde vom sogenannten „Islamischen Staat“ gekämpft - mit deutschen Waffen auf syrischem Boden. Ich jedenfalls finde diese Vorstellung grauenvoll. ({3}) Nehmen wir die Türkei . Wir alle haben die Bilder gesehen, wie die Türkei in Syrien einmarschiert ist, eine ganze Kolonne von deutschen Leopard-Panzern fuhr mit . Und dann gab es diese Bilder - Herr Jung, Leopard ist doch Ihr Modell -, wie islamistische Kämpfer von Ahrar al-Scham vor den deutschen Panzern posieren . Ahrar al-Scham gilt hier in Deutschland als Terrororganisation . Die Türkei kämpft mit denen gemeinsam gegen die Kurden in Syrien mit deutschen Panzern. Ich finde das falsch. ({4}) Nehmen wir Saudi-Arabien; dazu ist eben schon viel gesagt worden . Saudi-Arabien bombardiert den Jemen gerade zurück in die Steinzeit . Das tun sie auch mit deutschen Kampfflugzeugen, und das tun sie auch mit Bomben, die von der deutschen Waffenschmiede Rheinmetall in Italien produziert worden sind . Die werden in Sanaa, in der Hauptstadt, gefunden, und wenn sie nicht explodieren, dann kann man sehen: direkt aus der Rheinmetall-Fabrik auf Sardinien nach Saudi-Arabien geliefert und im Krieg im Jemen eingesetzt . Das ist ein schmutziges Geschäft, das Sie zu verantworten haben, Herr Jung . ({5}) Dann gibt es natürlich noch die Waffenlieferungen an die Peschmerga im Nordirak. Die Waffen wurden den Peschmerga geschenkt, damit sie die Jesiden beschützen . Jetzt sehen wir die Bilder, wie genau diese Peschmerga mit genau diesen deutschen Waffen die Jesiden angreifen, statt sie zu verteidigen . Ich sage Ihnen: Waffenlieferungen gehen immer nach hinten los . ({6}) Das waren nur ein paar Beispiele; ich könnte Ihnen noch Dutzende weitere aufzählen und Ihnen viele Bilder zeigen . Denn seit Jahrzehnten exportiert Deutschland Waffen in alle Welt, und seit Jahrzehnten wird überall auf der Welt mit diesen Waffen getötet. Wenn ich in die Reihen von SPD und Union schaue, frage ich mich eigentlich jedes Mal, wenn ich hier stehe, ob irgendwer von Ihnen eigentlich ein schlechtes Gewissen hat . ({7}) - Nein, Sie beide saßen in all den Jahren an den Hebeln der Macht . - Es sind Ihre Exporte, die Sie zu verantworten haben . Aber die gute Nachricht ist: Sie können sie auch stoppen . Wer auch immer im September die Wahl gewinnt, wer auch immer in der nächsten Legislaturperiode die Koalition stellt, hat die Möglichkeit, endlich das zu machen, was 83 Prozent der Menschen in Deutschland wollen: Stoppen Sie endlich die Waffenexporte! ({8}) Das Dringendste - das wissen Sie auch, und damit komme ich zum Schluss - ist natürlich das Verbot von Kleinwaffenexporten ohne jede Ausnahme. Das sind einfach die mörderischsten aller Waffen. Ich verstehe bis heute nicht, warum Sie sich bisher dazu nicht durchringen können .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Aber Sie kommen zum Schluss .

Jan Aken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004001, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Das habe ich gerade gesagt, und das tue ich jetzt auch . - Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland überhaupt keine Waffen exportieren sollte. ({0}) Und wissen Sie was? Das werden wir auch gewinnen einfach weil es richtig ist . ({1})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Ulrich Hampel das Wort . ({0})

Ulrich Hampel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004290, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Grünen mit dem Titel „Rüstungsexporte endlich reduzieren“ eröffnet mir die Gelegenheit, einmal darzulegen, wie die SPD - auch gemeinsam mit den Grünen, sehr geehrte Frau Keul - eine restriktive und transparente Rüstungsexportpolitik auf den Weg gebracht hat . Es war schließlich die rot-grüne Koalition, die im Jahre 2000 die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern neu formuliert hat . Seitdem wird der Beachtung der Menschenrechte besonderes Gewicht beigemessen . Wir haben dort gemeinsam verankert, dass die Bundesregierung jährlich einen Rüstungsexportbericht vorzulegen hat . Sigmar Gabriel hat zu Beginn der Legislaturperiode darüber hinaus dafür gesorgt, dass zusätzlich zum jährlichen Rüstungsexportbericht ein halbjährlicher Bericht vorzulegen ist . Zudem werden die abschließenden Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates offengelegt und innerhalb von zwei Wochen dem Bundestag zugeleitet . Das alles sind Maßnahmen, die die Transparenz von exportkontrollpolitischen Entscheidungen der Bundesregierung erhöhen . Gemeinsam mit dem Kriegswaffenkontrollgesetz, dem Außenwirtschaftsgesetz, der Außenwirtschaftsverordnung, dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates der EU und dem Vertrag über den Waffenhandel, ATT, haben wir heute einen rechtlichen Rahmen, der eine gute Grundlage für Genehmigungen bzw . Ablehnungen im Einzelfall und nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung der außen- und sicherheitspolitischen Erwägungen bietet . Ich sage bewusst: Wir haben eine gute Grundlage . Denn es ist natürlich der Anspruch meiner Fraktion, fortlaufend zu prüfen, ob die Mechanismen für eine restriktive und transparente Rüstungsexportpolitik verbessert werden können . Der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat in seiner Amtszeit hierzu einen Konsultationsprozess zur Zukunft der RüstungsexportJan van Aken politik initiiert . In diesem Prozess wurde das System der Rüstungsexportkontrolle in Deutschland insgesamt in den Blick genommen und eine breite Diskussion mit Vertretern der Kirchen, der Zivilgesellschaft, der Industrie, der Gewerkschaften, der Forschungseinrichtungen und der Rechtswissenschaften geführt . Derzeit werden die Ergebnisse der Diskussion ausgewertet . Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass als Ergebnis des Konsultationsprozesses die Forderung nach einem Rüstungsexportgesetz steht, wie wir es im Übrigen auch in unserem Wahlprogramm fordern . ({0}) In den weltweiten Konflikten werden die meisten Opfer durch den Einsatz von kleinen und leichten Waffen verursacht . Deshalb haben wir in dieser Legislaturperiode unser besonderes Augenmerk auf die Reduzierung der Kleinwaffenexporte an Drittländer und die Einführung von Post-Shipment-Kontrollen gelegt . Die neuen deutschen Kleinwaffengrundsätze vom 18 . Mai 2015 sind ein richtungsweisender Leitfaden für eine restriktivere Handhabung von Rüstungsexportanfragen bezüglich Kleinwaffen. Mit diesen Grundsätzen nimmt Deutschland eine führende Rolle ein . Laut dem Rüstungsexportbericht für 2016 belief sich der Gesamtwert der Exporte von Kleinwaffen an Drittländer auf 16,4 Millionen Euro . 2013 lag dieser Wert noch bei 42,23 Millionen Euro . Das ist ein deutlicher Rückgang, der eindeutig auf das SPD-geführte Wirtschaftsressort zurückzuführen ist . ({1}) Das reicht uns aber nicht . Wir wollen ein Verbot von Kleinwaffenexporten an Drittländer. ({2}) Diese Forderung haben wir in unserem Wahlprogramm verankert, und mit dieser Forderung werden wir in den nächsten Monaten auch in die politische Auseinandersetzung gehen . Liebe Kolleginnen und Kollegen, die SPD steht für eine transparente und restriktive Rüstungsexportpolitik . Wir haben dafür gesorgt, dass die exzessive Rüstungsexportpolitik der schwarz-gelben Vorgängerregierung beendet wurde und die Exporte - insbesondere von Kleinwaffen - deutlich zurückgegangen sind. ({3}) Wir gehen mit der Forderung nach einem Verbot von Kleinwaffenexporten an Drittländer, einer gesetzlichen Fixierung der Politischen Grundsätze und damit einer stärkeren Beteiligung des Bundestages in den Bundestagswahlkampf . Die Grünen wollen in ihrem vorliegenden Antrag, den wir im Übrigen ablehnen werden, dagegen auch in Zukunft Kleinwaffenexporte an Drittstaaten erlauben, sofern diese nach Beurteilung der außen- und sicherheitspolitischen Gesichtspunkte durch die Bundesregierung begründet sind . Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, da sind wir schon ein Stückchen weiter . Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit . ({4})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist Julia Obermeier, CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Julia Bartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004249, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man den Antrag der Grünen liest, bekommt man fast den Eindruck, Sie kennen die SIPRI-Studie nicht; denn die schwedischen Friedensforscher stellen fest: Im globalen Vergleich sind die Rüstungsexporte Deutschlands in den vergangenen vier Jahren um 36 Prozent zurückgegangen, ({0}) obwohl das weltweite Rüstungsexportvolumen insgesamt um 8,4 Prozent zugenommen hat . Deutschland hat sogar den größten Rückgang der Exporte unter den 20 größten Exporteuren zu verzeichnen . ({1}) Der Anteil deutscher Exporte auf dem Rüstungsmarkt ist von 9,4 Prozent auf 5,6 Prozent gesunken . Sie sehen also: Die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung ist bereits sehr restriktiv und äußerst zurückhaltend . Es wird vergleichsweise wenig an Rüstungsgütern exportiert . Und jede Ausfuhr wird im Einzelfall sorgfältig geprüft . Meine Damen und Herren, die Bundesregierung informiert das Parlament transparent über die Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates in regelmäßig erscheinenden Berichten . Wer allerdings beim Lesen dieser Berichte pauschal auf die Höhe der Summe zeigt und „Skandal“ ruft, der macht es sich zu einfach . Das Finanzvolumen allein spiegelt noch nicht wider, wie restriktiv die Entscheidungen des Bundessicherheitsrates sind . Schauen wir uns einmal die Exporte der ersten vier Monate im Jahr 2017 an . Fast zwei Drittel der gesamten Genehmigungswerte für Drittländer entfallen auf die Ausfuhr einer Fregatte nach Algerien . Eine Fregatte mit entsprechender Ausstattung zum Küstenschutz Algeriens im Rahmen der Modernisierung der örtlichen Küstenwache schlägt mit 1,31 Milliarden Euro zu Buche . Das aber jetzt den 59 Millionen Euro für Gewehre, Maschinenpistolen, Munition und Kleinwaffen, die 2004 unter Rot-Grün an Saudi-Arabien exportiert wurden, gegenüberzustellen, wäre ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen . Wenn man also die Entscheidungen der jeweiligen Bundesregierung bewertet, dann darf man das nicht allein von der Summe abhängig machen, sondern es gilt immer, den kritischen Blick auf den jeweiligen Einzelfall zu richten . Dass auch die aktuelle Bundesregierung jeden Einzelfall kritisch prüft, sieht man zum Beispiel daran, dass seit Anfang 2006 bereits elf Rüstungsexporte in die Türkei abgelehnt wurden .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Kollegin Obermeier, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Keul?

Julia Bartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004249, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich möchte lieber fortfahren . ({0}) Denn es gelten nach wie vor die strengen Exportrichtlinien aus der Zeit der rot-grünen Koalition . Die Grünen kritisieren in ihrem Antrag auch die Zusammenarbeit der deutschen Wehrtechnik mit türkischen Unternehmen . Die Türkei ist seit 1952 Mitglied der NATO . Waren es nicht die Grünen, die über viele Jahre und sogar noch bis vor kurzem für einen EU-Beitritt der Türkei geworben haben? ({1}) Ja, die Entwicklungen in der Türkei sind überaus besorgniserregend . ({2}) Ja, in der Frage von Rüstungsexporten haben wir generell eine große Verantwortung für Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Welt . Aber wir haben auch eine große Verantwortung für die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr . ({3}) Wenn wir hier im Hohen Haus entscheiden, unsere Männer und Frauen in Auslandseinsätze zu schicken, dann müssen wir auch für ihren Schutz Sorge tragen . Solange unsere Bundeswehr in NATO-Missionen wie im Kosovo oder in Afghanistan gemeinsam mit türkischen Kameraden Seite an Seite im Einsatz ist, so lange gilt es, bei jeder Exportanfrage aus der Türkei den Blick auch auf die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr zu richten . Auch wenn ich das nach der heutigen Sitzung des Verteidigungsausschusses leider nicht mehr für alle Teile der Koalition sagen kann: Für die CDU/CSU-Fraktion und für mich persönlich hat der Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten oberste Priorität . Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen . Vielen Dank . ({4})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Wir kommen damit zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12825 . ({0}) - Die war nicht angemeldet . ({1}) Dann jetzt Frau Kollegin Keul .

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank . - Ich entschuldige mich, dass ich diese Debatte noch verlängere, aber so viele falsche Fakten kann ich nicht einfach unkommentiert stehen lassen . - Es ist völlig richtig, dass es nicht allein auf den Gesamtwert in Euro ankommt, sondern man auch sehen muss, was wohin geliefert wird; und das haben wir immer im Blick . Der Gesamtwert für 2016 ist nach dem jetzigen Bericht in der Tat nur der zweithöchste seit 2011 . Aber schauen wir doch einmal konkret, was besonders gefährlich ist - das sind die Kriegswaffen -, und schauen wir, wo die hingehen . Die tatsächliche Ausfuhr von Kriegswaffen in 2016 erreicht die historisch einmalige - die höchste jemals erreichte - Summe von 2,5 Milliarden Euro . Dann müssen wir uns noch fragen, wohin die Ausfuhren gegangen sind . Eigentlich sollten sie in der Regel nur in NATO- und EU-Staaten gehen und nur im Ausnahmefall an Drittstaaten . Dass dieses Verhältnis sich Jahr für Jahr umdreht, haben wir immer kritisiert . Jetzt haben wir den einmaligen Rekordwert, dass 92,5 Prozent der Exporte an Drittstaaten gehen, und nur 184 Millionen Euro - das sind gerade einmal 7,5 Prozent - gehen an NATO- bzw. EU-Staaten. Wenn wir differenzieren wollen, dann können wir das gerne tun . Aber die beiden letztgenannten Werte sind die höchsten Werte, die in diesen Bereichen jemals erzielt wurden, und zwar im Jahr 2016 . ({0})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank, Frau Kollegin . - Frau Kollegin Obermeier möchte nicht antworten . ({0}) Dann kommen wir jetzt zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Rüstungsexporte endlich reduzieren - Frieden, Sicherheit und Menschenrechte bei den Entscheidungen stärken“ auf Drucksache 18/12825 . Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wünscht Abstimmung in der Sache . Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD wünschen Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft und Energie . Wir haben dazu eine ständige Übung; nach der stimmen wir zuerst über den Antrag auf Ausschussüberweisung ab . Wer stimmt für die beantragte Überweisung? - Das ist die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Das ist die Opposition . Wer entJulia Obermeier hält sich? - Niemand . Damit ist die Ausschussüberweisung beschlossen . ({1}) Damit stimmen wir heute über den Antrag auf Drucksa- che 18/12825 nicht in der Sache ab . Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a und 6 b auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald Weinberg, Pia Zimmermann, Sabine Zimmermann ({2}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Solidarische Gesundheits- und Pflegeversiche- rung einführen Drucksache 18/12939 b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit ({3}) zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Weinberg, Pia Zimmermann, Sabine Zimmermann ({4}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Solidarische und gerechte Finanzierung von Gesundheit und Pflege Drucksachen 18/11722, 18/12932 Auch hier wurde zwischen den Fraktionen vereinbart, dass für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen werden sollen . - Ich sehe dazu keine weiteren Vorschläge . Dann ist so beschlossen . Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die Fraktion Die Linke Kathrin Vogler . ({5})

Kathrin Vogler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004181, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sind jetzt am Ende der Legislaturperiode, und die Große Koalition hat eine ganze Menge Gesetze in der Gesundheitspolitik beschließen lassen . ({0}) Da ist es Zeit, dass man sich einmal fragt: Was fehlt eigentlich? Dazu muss ich Ihnen sagen, meine Damen und Herren: Meiner Ansicht nach fehlt dringend ein Gerechtigkeitsstärkungsgesetz . ({1}) Denn viele Menschen haben das Gefühl, dass es im Gesundheitswesen in unserem Land nicht ganz gerecht zugeht . Nicht gerecht ist es zum Beispiel, wenn ich als gesetzlich Versicherte länger auf einen Facharzttermin oder eine Behandlung warten muss als jemand, der privat versichert ist . ({2}) Nicht gerecht ist es auch, wenn Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen einen höheren Anteil dieses Einkommens für die Krankenversicherung aufwenden müssen als Menschen mit einem hohen oder mit höchsten Einkommen . Und, meine Damen und Herren, zutiefst ungerecht ist es, wenn Kranke durch Zuzahlungen für ihr Kranksein bestraft werden - in der Apotheke, im Krankenhaus, in der Reha oder beim Zahnersatz . Ich bekam letztens einen Brief von einem Rentner aus Finsterwalde . Er sollte für einen notwendigen Zahnersatz, den er braucht, um wieder ordentlich essen zu können, 3 200 Euro zuzahlen . Bei 800 Euro Rente vollkommen illusorisch! Für mich heißt Solidarität, dass Schwache sich darauf verlassen können, dass Starke für sie einstehen, dass Kranke sich darauf verlassen können, dass sie im Fall von Krankheit und Pflegebedarf nicht arm werden . Da müssen wir doch wieder hinkommen . ({3}) Wir als Linke sagen: Eine solidarische, eine gerechte und eine nachhaltige Finanzierung unseres Gesundheitswesens ist möglich . Und wir sagen Ihnen auch, wie . Wir fordern eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung . Wie sieht die aus? Alle Menschen in Deutschland werden Mitglied der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. ({4}) Der Beitrag bemisst sich nach dem Einkommen, und zwar nach allen Einkommen, nicht nur nach Einkommen aus Erwerbsarbeit . Er bemisst sich auch nicht nur an Einkommen unterhalb von 4 350 Euro . Und die Arbeitgeber und die Rentenkassen übernehmen wieder die Hälfte . Wir stellen also die Parität wieder her . ({5}) Damit könnten wir den Krankenkassenbeitrag um fast ein Drittel senken . 90 Prozent der Menschen in diesem Land hätten mehr Geld in der Tasche, eine Supermarktkassiererin zum Beispiel am Ende des Jahres ungefähr 440 Euro mehr. In der Pflegeversicherung könnten wir die Mehreinnahmen für bessere Leistungen nutzen . ({6}) Menschen mit Pflegebedarf und ihre Angehörigen müssen wir entlasten, und wir müssen bessere Bedingungen für Pflegekräfte in diesem Land schaffen. ({7}) Wir könnten in der Krankenversicherung alle Zuzahlungen abschaffen und auch zum Beispiel die Kosten für Brillen und Zahnersatz wieder erstatten lassen . Das würde dem Rentner in Finsterwalde unglaublich helfen und auch vielen anderen Menschen in diesem Land . Wir würden endlich die unerträgliche Situation beenden, dass immer mehr kleine Selbstständige in diesem Land nicht in der Lage sind, ihren Krankenversicherungsbeitrag aufVizepräsidentin Ulla Schmidt zubringen, dass sie sich verschulden oder dass sie keinen Anspruch mehr auf vollständige Leistungen haben . All das könnten wir beenden; denn wir sind der Auffassung: Niemand soll in diesem reichen Land Angst haben, durch Krankheit oder durch Pflegebedarf in Existenznot zu geraten . Das ist unsere Vorstellung von Solidarität . So geht Gerechtigkeit . ({8})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Für die CDU/CSU spricht jetzt die Kollegin Maria Michalk . ({0})

Maria Michalk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja - wir haben es gerade wieder gehört; Frau Vogler hat es vorgetragen -, Kern der beiden Anträge der Linken ist es, auf alle Einkommen Beiträge zu erheben, ({0}) keine Beitragsbemessungsgrenze vorzusehen . ({1}) Außerdem steht darin: Private Krankenkassen werden abgeschafft, ({2}) Parität muss wiederkehren, Zuzahlungen fallen weg, Ziel ist eine Einwohnerversicherung . ({3}) Ihre Bürgerversicherung, die Sie jetzt beschrieben haben, klingt herrlich, klingt wirklich verlockend . ({4}) - Sie ist nicht gut . Dabei gibt es ganz viele Fallstricke . Die werde ich jetzt aufzählen . - Wir jedenfalls wollen diese sogenannte Einheitsversicherung nicht . Das erinnert uns an den Sozialismus . Der Sozialismus lässt grüßen . ({5}) Sie wissen ganz genau, dass dahinter auch nicht die Mehrheit in unserem Land steht, weder die Versicherten noch die Leistungserbringer . Das haben in der Anhörung ganz deutlich die Stellungnahmen, die zu Ihren Anträgen gekommen sind, gezeigt . ({6}) Dennoch setzen wir uns mit Ihren Argumenten auseinander . Liebe Frau Vogler, Sie sind eine nette Kollegin, aber wir müssen uns mit Ihren Argumenten auseinandersetzen . Deshalb die erste Frage von mir: Was hat denn unser jetziges System eigentlich bewirkt? Wo stehen wir denn? Das dürfen Sie ja hier nicht so einfach wegwischen . Deutschland hat im internationalen Vergleich ein sehr leistungsstarkes, eigentlich das leistungsstärkste Gesundheitssystem . 85 Prozent der Menschen in unserem Land sind sehr zufrieden . Das heißt nicht, dass es nicht Einzelbeispiele gibt, bei denen man nachbessern muss . Darauf komme ich gleich zu sprechen . Jedenfalls haben wir einen hohen Standard . Alle haben den Zugang - flächendeckend - zu einer guten Krankenhausversorgung sowie zu einer Versorgung mit Haus-, Fach- und Zahnärzten sowie mit Angehörigen weiterer Berufe aus dem Gesundheitswesen . Wir haben einen internationalen Spitzenplatz und schnellen Zugang für jeden zu allen Innovationen . Da wird niemand aussortiert . ({7}) Wenn er zum Beispiel in eine Notfallbehandlung kommt, bekommt er komplett das gesamte Spektrum, das zur Verfügung steht . Die Zugangshürden sind nämlich sehr gering . Das ist nicht einfach so wegzuwischen . Jeder Bürger ist auch versichert, und jedem wird geholfen . Wir haben de facto, wenn Sie so wollen, ({8}) nach meinem Verständnis von Bürgerversicherung diese schon . Denn jeder Bürger bekommt die Leistung, die er braucht . ({9}) Damit das so bleibt, haben wir in dieser Wahlperiode - das haben Sie anerkannt - viele Schritte vollzogen, die aus Sicht der Bürgerschaft wirklich wichtig sind, und genau auf die Bedingungen reagiert, die sich in unserer Gesellschaft vollziehen, nämlich auf die demografische Entwicklung, den medizinischen Fortschritt, den wir alle wünschen, und viele andere Dinge . Die Rahmenbedingungen haben wir tatsächlich verbessert . Klar: Wir bekämpfen vor Ort immer wieder Situationen . Wir sind uns einig, dass es durchaus Fälle gibt, in denen eine Hausarztpraxis auf dem Land nicht neu- oder wiederbesetzt werden kann . Dafür haben wir die Möglichkeit für MVZ geschaffen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen geben Unterstützung . Wir haben das Medizinstudium reformiert . Jetzt kommt es darauf an, dass wir das alles umsetzen . Deshalb glaube ich, dass wir in dieser Wahlperiode genau die richtigen Akzente gesetzt haben . ({10}) Bitte nehmen Sie zur Kenntnis - jetzt sage ich ein paar Zahlen -, dass im ersten Quartal des laufenden Jahres 2017 durch die Rahmenbedingungen, die wir in unserem Land haben, das GKV-System stabil ist . Wir haben einen Überschuss von 612 Millionen Euro, 58,2 Milliarden Euro Einnahmen, 57,6 Milliarden Euro Ausgaben . Die Steigerung der Einnahmen um 4,2 Prozent liegt höher als die der Ausgaben mit 3,9 Prozent . ({11}) Das können Sie nicht wegwischen . Klar sind das vorläufige Zahlen. Aber die Finanzreserven der Krankenkassen - das kann man auch nicht wegwischen - stiegen auf 16,7 Milliarden Euro . Und im Gesundheitsfonds haben wir eine Reserve in Höhe von 9,1 Milliarden Euro . Deshalb sage ich Ihnen: Unser Gesundheitswesen steht auf sehr stabilen Füßen . ({12}) Man muss auch einmal erwähnen: Die Wertschöpfung durch die deutsche Gesundheitswirtschaft bezogen auf das BIP - Sie alle wissen, dass wir ganz viele Gesundheitsbetriebe haben, die übrigens fast 7 Millionen Arbeitsplätze sichern - liegt bei 12 Prozent . Im Vergleich zu anderen Branchen ist das enorm . Des Weiteren sage ich Ihnen auch: Die Gesundheitswirtschaft hat einen Anteil an den gesamtdeutschen Exporten von 8,2 Prozent . Was heißt das? Das bedeutet, dass unsere Produkte und unsere Innovationen im Grunde genommen auch in anderen Ländern sehr gewünscht sind . Das ist doch ein Beweis, dass wir hier gut gewirtschaftet haben . Man könnte sich zweitens fragen: Wenn wir so gut finanziell dastehen - das haben Sie ja richtigerweise auch gefragt -, warum geben wir nicht mehr aus? Unsere Antwort: Bitte keine Experimente! Wir haben die Einheitsversicherung vor 25 Jahren abgeschafft und haben auch noch in Erinnerung, was das alles bewirkt hat . Ich gehe jetzt beispielhaft auf vier Einzelpunkte ein . Die Lohnnebenkosten sind stabil . Sie für die Unternehmen kalkulierbar zu halten, ist ein echtes Wirtschaftsthema, das aber auch uns Gesundheitspolitiker interessiert. Denn wenn die Wirtschaft floriert, haben wir mehr Beitragseinnahmen in unserem Krankenversicherungssystem . Diesen Zusammenhang müssen wir als Gesundheitspolitiker sehen . Ich weiß, dass Sie das nicht sehen; wir tun das aber . Vor diesem Hintergrund müssen wir die Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Tätigkeit in unserem Land ausgewogen halten . Zweiter Punkt . Das duale Versicherungssystem aus GKV und PKV, das Sie abschaffen wollen, ({13}) ist ein echter Innovationsfaktor, weil der Wettbewerb zwischen beiden Systemen bewirkt, dass sie sich miteinander vergleichen . Dadurch entsteht ein aktueller Leistungskatalog für Versorgungs- und Therapieangebote . Wenn ein System vorlegt, gerät das andere in Verzug und umgekehrt . Sie befruchten sich also gegenseitig . ({14}) Die Vergleichbarkeit nutzt auch den Versicherten; denn wenn es keine Vergleichbarkeit gäbe, wäre der Leistungskatalog der GKV vornehmlich auf die Grundversorgung beschränkt . Erst so kämen wir zu einer Zweiklassenmedizin; das führte nämlich vielleicht dazu, dass sich nur die Gutbetuchten eine Zusatzversicherung leisten können, um sich weitere Leistungen zu kaufen . Das duale Versicherungssystem liegt also im Sinne der Versicherten und stellt kein Problem dar, sondern wirkt als stabilisierender Faktor . Auf die verfassungsrechtlichen Aspekte Ihres Vorschlags will ich erst gar nicht eingehen . Ich habe noch keine Berechnung gesehen, die Ihre Behauptung, die Sie gerade aufgestellt haben, belegt, dass, wenn alle den gleichen Beitrag zahlen und wir eine Einheitskasse haben, die Beiträge wirklich sinken und Mehrausgaben getätigt werden können . Eine solche Berechnung haben Sie nicht vorgelegt . ({15}) Die IGel-Studie hat außerdem bewiesen, dass neben einem erneuten Aufbau von Bürokratie viele Arbeitsplätze verloren gehen würden . ({16}) Drittens. Zur Parität, die Sie abschaffen wollen, ({17}) sage ich Folgendes: Dahinter steht die Befürchtung, dass sich der kassenindividuelle Zusatzbeitrag für Arbeitnehmer exorbitant entwickeln wird . Im Sommer vor einem Jahr wurde prophezeit, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag von 1,1 Prozent exorbitant steigen wird . Verrückte Zahlen waren in der Welt . In Wahrheit ist der Beitrag stabil geblieben . Natürlich müssen die einzelnen Kassen individuell reagieren . Aber im Grunde genommen ergibt sich aus dem vorhandenen Prinzip, dass der Schätzerkreis die wirtschaftliche Situation bewertet und darauf basierende Empfehlungen ausspricht, verbunden mit der Autonomie der Krankenkassen ein gutes System, was auch mehr Transparenz für die Versicherten ermöglicht . Als vierten Punkt nenne ich die Bemessungsgrenze . Ja, das ist ein Thema . Richtig ist die Feststellung, dass der derzeitige Mindestbeitrag für Selbstständige zu überprüfen ist . Wir wissen, dass manche durch die derzeitige Regelung überfordert sind . Sie dürfen aber nicht verkennen, dass wir eine Regelung beschlossen haben, die analog zum Lohnsteuerausgleich - die Vorläufigkeit der Beiträge regelt . Das ist eine echte Erleichterung . Über die Bemessungsgrenze werden wir aber in der nächsten Legislaturperiode tatsächlich noch einmal diskutieren müssen . Wo soll eigentlich diese Grenze liegen? Auf null können wir sie nicht senken . Die Anhörung hat gezeigt, dass es viele Vorschläge gibt und die Spanne von 400 bis zu 1 200 Euro reicht . Wir müssen nur darauf achten, dass bei den freiwillig gesetzlich Versicherten im Vergleich zu den Solo-Selbstständigen in der privaten Versicherung keine neuen Widersprüche auftreten . Das ist mir wichtig . Man könnte jetzt die Frage stellen: Wo besteht eigentlich Änderungsbedarf? Diese Frage stelle ich jetzt nicht . Wir sagen nämlich: Unser System ist in Ordnung . Wir müssen auf aktuelle Entwicklungen maßvoll reagieren, Anpassungen vornehmen und dürfen nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, wie Sie es vorhaben . Wir würden uns sonst an der kommenden Generation versündigen; und das geht mit der Union überhaupt nicht . ({18}) Die künftige Generation ist von nun an mein Thema . Das war meine letzte Rede im Deutschen Bundestag . Ich werde mich der künftigen Generation mehr widmen . Ich bedanke mich bei allen, die mich in all den Jahren im Gesundheitsausschuss, aber auch in den anderen Ausschüssen begleitet haben . Es war eine sehr konstruktive und arbeitsintensive Zeit . Sie alle waren nette Kollegen, und ich werde Sie in guter Erinnerung behalten . Ich wünsche allen, die erneut kandidieren, viel Erfolg . Vor allen Dingen möchte ich mich bei meiner Arbeitsgruppe bedanken, bei den Mitarbeitern im Ministerium und natürlich bei den Mitarbeitern hier im Haus . Frau Präsidentin, wenn ich das noch sagen darf: Sie waren die Erste, der ich als junge Abgeordnete eine schriftliche Frage zu Versorgungslücken in der ambulanten Versorgung - Sie waren damals Gesundheitsministerin - gestellt habe . Dass ich meine letzte Rede jetzt unter Ihrem Vorsitz halten darf, ist ein gutes Omen . Danke schön . Wir kommen vorwärts . Vielen Dank . ({19})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank, Frau Kollegin, auch im Namen des gesamten Hauses für Ihr Engagement in all den Jahren . Ich gehe natürlich davon aus, dass meine Antwort Sie damals sehr zufrieden gestellt hat . Ich freue mich auch, dass ich Ihnen jetzt hier für alle Abgeordneten alles Gute für den weiteren Lebensweg und hoffentlich ein bisschen mehr Zeit für das, was Ihnen Spaß macht, wünschen kann . Herzlichen Dank! ({0}) Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Maria KleinSchmeink .

Maria Klein-Schmeink (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004072, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine liebe Namensvetterin Maria Michalk, auch von meiner Seite ein herzliches Dankeschön für die Zusammenarbeit . In unseren Funktionen als gesundheitspolitische Sprecherinnen haben wir zusammen zum Schluss durchaus einiges interfraktionell zustande gebracht . Es gab also nicht nur den politischen Streit, sondern tatsächlich auch Zusammenarbeit, und dafür bedanke ich mich . Ich möchte Ihnen alles Gute für Ihren weiteren Weg wünschen . ({0}) Kommen wir nun zum politischen Streit . Dazu muss ich vorweg sagen: Wir haben zehn Minuten hören können, wie Sie die Vorzüge des deutschen Gesundheitssystems beschworen und zu Recht auch beschrieben haben . Ja, es ist so: Heute kann jeder unabhängig von seinem Einkommen sicher sein, dass er Zugang zu einer guten gesundheitlichen Versorgung hat . Nicht immer ist alles schon gut; aber im Wesentlichen ist es eine verlässliche Versorgung, und zwar auf hohem Niveau, und das, Frau Michalk, ist tatsächlich Resultat der gesetzlichen Krankenversicherung, die auf dem Prinzip der Solidarität beruht und genau diese gute Versorgung möglich macht . ({1}) Knapp 90 Prozent der Bevölkerung sind gesetzlich versichert . Alle Umfragen zeigen, dass sie sehr zufrieden sind mit dieser Versicherung . Nur knapp 10 Prozent sind privat versichert, und davon sind wiederum auch noch fast die Hälfte Beamte . Wer also den Systemwettbewerb zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung als Geheimnis der guten Versorgung in Deutschland beschwört, der liegt daneben . ({2}) Im Gegenteil: Die gute Versorgung ist gerade ein Resultat der solidarischen Finanzierung in der gesetzlichen Krankenversicherung . ({3}) Wenn wir darüber reden, dann müssen wir natürlich auch darüber reden, dass das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung in der Tat nicht förderlich ist für ein gutes System . ({4}) Es ist nicht nur eine Gerechtigkeitsfrage, sondern es ist auch eine Versorgungfrage . ({5}) Deshalb ist es so wichtig, dass wir aus Gerechtigkeitsgründen, aber auch aus Versorgungsgründen da endlich zu einer Weiterentwicklung unseres Gesundheitssystems und der Finanzierung unserer Gesundheits- und Pflegekosten kommen . ({6}) Das ist doch der eigentliche Punkt . Wer sagt: „Es ist doch alles gut; dann lass uns doch alles so lassen, wie es ist“, der begreift eben nicht, dass nichts so bleibt, wenn wir uns den Veränderungen und den Herausforderungen nicht stellen . Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir an diese Baustelle gehen . ({7}) Insofern kann man ganz klar sagen: Wir haben ein gemeinsames Ziel mit den Linken und auch mit der SPD, nämlich dass wir die solidarische Kranken- und Pflegeversicherung weiterentwickeln hin zu einem integrierten Krankenversicherungssystem, in dem es eben nicht mehr das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Versicherung gibt . Es hat wichtige Vorteile, wenn wir dieses Thema anpacken . Das hat einmal den Vorteil, dass wir auch in Zukunft tatsächlich eine nachhaltige und verlässliche Finanzierung zustande bringen . Die Zeiten, in denen Rückstellungen und der Aufbau von Rücklagen möglich waren, sind bald vorbei, und dann müssen wir uns fragen: Sind wir wirklich für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet? Wir meinen, nein; vielmehr brauchen wir endlich eine Erweiterung der Einnahmebasis für die gesetzliche Krankenversicherung und auch für die Pflegeversicherung, indem wir alle Einkommensgruppen und alle Bevölkerungsgruppen einbeziehen . ({8}) Es ist doch ein Witz, dass nun ausgerechnet diese besonders gute Versorgung und Finanzierung nur von den kleinen Einkommen und den mittleren Einkommen gestemmt werden muss und nicht von den hohen Einkommen, gerade nicht von den Bevölkerungs- und Berufsgruppen, die viel verdienen, die eigentlich viel mehr beitragen können, aber trotzdem von diesem guten System profitieren. Deshalb müssen wir dieses Thema angehen . ({9}) Aber wir müssen es auch aus Versorgungsgründen angehen . Wir müssen feststellen, dass es heute gerade im ländlichen Raum immer schwieriger wird, die fachärztliche Versorgung sicherzustellen . Das hat damit zu tun, dass wir Fehlanreize im System haben . Ein Fehlanreiz ist, dass sich Fachärzte genau da niederlassen, wo viele Privatversicherte sind, weil man für die Behandlung von Privatversicherten mehr Honorar erhält . Aufgrund dieses Fehlanreizes wird sich die Versorgung im ländlichen Raum, in den strukturschwachen Räumen in Zukunft ganz schwierig gestalten . Deshalb müssen wir gegensteuern ({10}) und dafür sorgen, dass dieses unsolidarische, aber auch unsinnige Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung abgelöst wird .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Das war jetzt ein schönes Schlusswort, Frau KleinSchmeink .

Maria Klein-Schmeink (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004072, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ansonsten werbe ich dafür, dass wir morgen diese Diskussion engagiert fortsetzen . Dann werden wir nämlich über den Antrag der Grünen zur Bürgerversicherung reden . Einen Nachteil haben die Anträge der Linken nun wirklich: Sie schießen über das Ziel hinaus . Eine Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze in der Form, wie Sie das fordern, wird verfassungsrechtlich nicht bestehen . Sie beschädigen mit solch überzogenen Forderungen unser eigentlich gemeinsames Projekt .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Das ist jetzt aber das letzte Wort .

Maria Klein-Schmeink (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004072, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Da wünsche ich mir auch bei Ihnen noch einmal viel Nachdenken . Danke schön für Ihr Zuhören . ({0})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Danke . - Jetzt hat Helga Kühn-Mengel für die SPD-Fraktion das Wort . ({0})

Helga Kühn-Mengel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003010, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher! Frau Kollegin Michalk, wir sind zwar Koalitionspartner, aber ein bisschen kritisch kommentieren muss ich das schon . Wir haben ein sehr gutes Gesundheitssystem, aber ich glaube nicht, dass wir an der Spitze liegen . Andere Länder sind in Sachen Qualität und auch bei der Lebenserwartung weiter als wir . Wir investieren sehr viel in unser System, aber nicht überall sind - trotz aller Anstrengungen, die wir unternommen haben - die Resultate entsprechend . Wenn Sie sagen: „Wir haben viele Reserven und Innovationen“, dann dazu Folgendes: Die Reserven sind in den letzten Jahren nicht zuletzt durch die hinter mir sitzende Präsidentin in Zeiten, als sie noch Gesundheitsministerin war, angelegt worden, und dafür hat sie sehr viel Kritik bekommen . Innovationen - das Stichwort ist auch gefallen - verbinde ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem System der gesetzlichen Krankenversicherung . ({0}) Kein System hat so viel für Qualität, für Patientenschutz und für Innovation getan wie das gesetzliche . Hier muss man bei der Wahrheit bleiben . Es wird seit vielen Jahren diskutiert, ob es sinnvoll ist - Kollegin Klein-Schmeink erwähnte es -, zwei Versicherungssysteme nebeneinander vorzuhalten . Ein Versicherungssystem mit einer Vollversicherung auch im privaten Bereich gibt es nur bei uns . Die Niederlande haben ihres vor einiger Zeit abgeschafft, und zwar, so kann man sagen, mit gutem Erfolg und großer Akzeptanz . Die Bürgerversicherung ist deshalb ein Thema, weil wir im Zusammenhang mit dem Gesundheitssystem immer über die Finanzierung, über Strukturen, über VerMaria Klein-Schmeink sorgung, über Gerechtigkeit und nicht zuletzt auch über Zukunftsfähigkeit reden müssen . Es gab in den letzten Jahren auch Entscheidungen, die vielleicht, wie die Mediziner immer sagen, suboptimal waren, die nämlich unter dem Vorwand getroffen wurden, das System für die Zukunft abzufedern . Das führte nicht nur zur Einführung bzw . Erhöhung von Zuzahlungen und zur Ausgliederung von Leistungen, sondern auch zu einem Sonderbeitrag für die Versicherten in Höhe von 0,9 Prozentpunkten . Mit dem GKV-Finanzierungsgesetz im Jahr 2010 wurde der Arbeitgeberbeitrag schließlich bei 7,3 Prozent festgeschrieben . Was bedeutet diese Festschreibung? Alle Gesetze, die wir hier in dieser Legislatur erarbeitet und beschlossen haben, sind wirklich gute Instrumente . Aber die höheren Kosten, die sich daraus ergeben, werden nur noch von den gesetzlich Versicherten finanziert. Ich nenne einige Beispiele: die Verbesserung in der ambulanten und stationären Versorgung, die strukturellen, finanziellen und personellen Verbesserungen in der Pflege, die Verbesserung in der Prävention . Also, die weniger Einkommensstarken zahlen die Gesundheitsförderung und die Verbesserungen bei der Behandlung gesundheitlicher Beeinträchtigungen ganz allein . Die Verbesserung in der Hospizarbeit, das E-HealthGesetz, die Überprüfung der Qualität, die wir Gott sei Dank auf den Weg gebracht haben, Innovationsfonds, Versorgungsforschung - das alles sind wichtige Sachen, die in den kommenden Jahren zu weiter steigenden Belastungen führen werden . Nicht nur die Einseitigkeit wird als ungerecht empfunden, sondern auch die Tatsache davon bin ich wie die gesamte SPD fest überzeugt -, dass unter diesen Umständen für die Arbeitgeber keine Motivation besteht, gute Strukturen im Gesundheitssystem weiter zu verbessern, auf die Qualität zu achten oder Beitragssätze stabil zu halten . ({1}) Deswegen sagen auch wir: Das Ziel ist die paritätische Bürgerversicherung . Parität bedeutet, Arbeitgeber und Versicherte sollen den gleichen Anteil am Versicherungsbeitrag zahlen . Im Übrigen muss man sagen, dass eine Erhöhung des Arbeitgeberanteils von jetzt 7,3 Prozent auf paritätische 7,85 Prozent nicht den Untergang des Landes bewirken würde . Es gibt dazu ganz eindeutige Zahlen . Eine Handwerkerstunde kostet im Durchschnitt 56,73 Euro . Hier würde die Parität zu einer Erhöhung von 8 Cent führen . Das hat nicht die deutsche Sozialdemokratie berechnet, sondern die Handwerkskammer in der Region Stuttgart . Das sind wirklich interessante Zahlen . Die Höhe der Beitragsbemessungsgrenze ist immer wieder in der Diskussion . Sie ist in der Krankenversicherung deutlich niedriger als in der Rentenversicherung . Deswegen sagen wir: Es wäre ein Zeichen von Gerechtigkeit, hier moderat anzugleichen . Das würde viel bringen und auch dazu führen, dass wieder mehr Menschen eine bessere Versorgung erleben . Es wird als ungerecht empfunden, dass nur bis zu dieser Beitragsbemessungsgrenze, die bei 4 237,50 Euro liegt, verbeitragt wird . Diejenigen, die darüber hinaus verdienen, also die mit den starken Schultern, zahlen relativ gesehen weniger . Das kann man ändern . ({2}) Ökonomisch gesehen ist das Nebeneinander von privater und gesetzlicher Krankenversicherung nicht begründbar . Ich sage immer: Die Privatversicherten können auch Leistungen ausschließen und sich sozusagen die Rosinen herauspicken; Cherry Picking heißt das . ({3}) - Natürlich machen die das . Ich kann Ihnen viele Briefe zeigen . Man muss sich auch einmal anschauen, was dort überflüssigerweise an Eingriffen erfolgt. Wenn die private Versicherung nicht so gut ist wie die gesetzliche, fragt man sich: Warum muss sie es geben? Wenn sie wirklich besser ist, muss man fragen: Warum haben es die anderen nicht auch? ({4})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Ich weiß nicht, ob das heute - es schien schon letzte Woche der Fall zu sein - Ihre endgültig letzte Rede war, Frau Kühn-Mengel . Von dieser Stelle herzlichen Dank für Ihr Engagement . ({0}) Wir kommen dann zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12939 mit dem Titel „Solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung einführen“ . Wer stimmt für diesen Antrag? - Die Linke . Wer stimmt dagegen? - Die Koalition . Wer enthält sich? - Die Grünen . Damit ist der Antrag abgelehnt . Damit kommen wir zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Solidarische und gerechte Finanzierung von Gesundheit und Pflege“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12932, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/11722 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen . Liebe Kolleginnen und Kollegen, das war eben nicht nur die letzte Rede von Frau Kühn-Mengel, sondern auch die letzte Rede der heutigen Debatte . Damit sind wir am Schluss der heutigen Tagesordnung angekommen . Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 29 . Juni 2017, 9 Uhr, ein . Die Sitzung ist geschlossen . Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Abend .