Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/21/2017

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Einen schönen guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die Sitzung . Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich Ihnen noch einige Mitteilungen zu machen: Interfraktionell ist vereinbart worden, die Fragestunde zu verkürzen - ich hoffe, das ist in Ihrem Sinn - und den Tagesordnungspunkt 3 - das ist der Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus - in verbundener Beratung mit dem Antrag „Antisemitismus entschlossen bekämpfen“ und unter Beibehaltung der Debattenzeit von 60 Minuten um 14 .35 Uhr aufzurufen . Danach soll die von der Fraktion Die Linke verlangte Aktuelle Stunde mit dem Titel „Kindern das Schwimmenlernen ermöglichen Auswirkungen von Privatisierungen und Schwimmbadschließungen“ folgen . Nach der Antisemitismusdebatte kommt also die Aktuelle Stunde . Der Antrag mit dem Titel „Verlegung des Bundeswehrkontingents von Incirlik nach Al Azraq zügig durchführen“ soll unter Beibehaltung der Debattenzeit von 25 Minuten zusammen mit dem Tagesordnungspunkt 4 beraten werden . Sie wissen, dass wir dazu namentliche Abstimmungen haben . Des Weiteren soll der Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung ({0}) Nr . 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23 . Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG auf der Drucksache 18/12494 dem Innenausschuss zur Mitberatung überwiesen werden . Ebenso soll die Unterrichtung der Bundesregierung über die Stellungnahme des Bundesrates auf der Drucksache 18/12716 zu dem bereits überwiesenen Entwurf eines Gesetzes zu der am 19 . Juni 1997 beschlossenen Urkunde zur Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation dem federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen werden . Schließlich soll die Unterrichtung der Bundesregierung über die Stellungnahme des Bundesrates auf der Drucksache 18/12717 zu dem bereits überwiesenen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr vom 9 . Mai 1980 dem federführenden Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur überwiesen werden . Ich gehe davon aus, dass Sie mit diesen Vorschlägen einverstanden sind, weil ich keinen Widerspruch sehe und höre . Dann ist das so beschlossen . - Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen . Dann rufe ich den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Stellungnahme der Bundesregierung zum Gutachten der Sachverständigenkommission zum Zweiten Gleichstellungsbericht „Erwerbs- und Sorgearbeit gemeinsam neu gestalten“. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Frau Dr . Katarina Barley, die ich in dieser Funktion zum ersten Mal begrüßen darf, und das tue ich mit großer Freude . - Sie haben das Wort, liebe Kollegin .

Dr. Katarina Barley (Minister:in)

Politiker ID: 11004247

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin . - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute sind der Zweite Gleichstellungsbericht und die Stellungnahme der Bundesregierung zum entsprechenden Gutachten im Bundeskabinett beschlossen und dem Deutschen Bundestag zugeleitet worden . Die Sachverständigen beschreiben die Leitidee ihres Gutachtens so: Wir streben eine Gesellschaft mit gleichen Verwirklichungschancen von Frauen und Männern an, in der die Chancen und Risiken im Lebensverlauf gleich verteilt sind . Es geht also nicht darum, Vorgaben für ein gelingendes Leben zu machen, sondern es geht darum, dass jeder und jede die Chance hat, die eigenen Vorstellungen zu verwirklichen . Die Sachverständigen sagen gleich am Anfang ihres Gutachtens ganz deutlich: Wir leben derzeit nicht in einer Gesellschaft, in der Frauen und Männer die gleichen Chancen haben . - In den letzten dreieinhalb Jahren hat sich viel verbessert; aber die Gleichstellung der Geschlechter ist noch nicht erreicht . Der Gleichstellungsbericht gibt konkrete Handlungsempfehlungen, wie wir das ändern können . Dafür gilt den Sachverständigen mein ausdrücklicher Dank . Der Erste Gleichstellungsbericht war mit seinen Empfehlungen Grundlage der Gleichstellungspolitik dieser Bundesregierung, und die Ergebnisse können sich tatsächlich sehen lassen . Das zeigt die Bilanz des Ersten Gleichstellungsberichts, die wir der Stellungnahme zum Zweiten Gleichstellungsbericht hinzugefügt haben . Wir haben eine Mindestquote von 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten großer Unternehmen, wir haben ein Entgelttransparenzgesetz, das das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ besser zur Geltung bringt, wir bauen kontinuierlich die Kinderbetreuung aus und haben das Elterngeld Plus eingeführt, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern - das nur beispielhaft . Der Zweite Gleichstellungsbericht erkennt diese Verbesserungen an . Gleichzeitig sagt er: Wir müssen mehr tun . - Das betrifft natürlich vor allem das Schließen der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen von immer noch 21 Prozent, den sogenannten Gender Pay Gap . Der Zweite Gleichstellungsbericht hat aber einen weiteren Unterschied ausgemacht . Die Sachverständigen haben nämlich gefragt: Wie viel Zeit verbringen Frauen und Männer mit unbezahlten Tätigkeiten für andere, mit der Erziehung von Kindern, mit der Pflege von Angehörigen, mit Ehrenämtern und auch mit der Arbeit im Haushalt? Die Fachleute haben dies als Gender Care Gap bezeichnet . Die Antwort: Männer verwenden täglich 2 Stunden 46 Minuten für unbezahlte Sorgearbeit, Frauen 4 Stunden 13 Minuten, das heißt anderthalb Stunden täglich mehr . Frauen sind damit täglich 52,4 Prozent länger mit solchen Arbeiten beschäftigt als Männer . Eine Konsequenz daraus ist: Wir müssen diese unbezahlte Arbeit gerechter teilen . Das wollen nicht nur viele Frauen, das wollen auch viele Männer . Viele Männer, vor allen Dingen junge, wollen mehr Zeit für ihre Kinder haben und sie nicht erst sehen, wenn sie schon schlafen . Viele Männer wünschen sich insgesamt mehr Zeit für die Familie, und Geschlechterrollen ändern sich . ({0}) Aber warum sieht die Lebenswirklichkeit oft doch wieder so aus, dass die Frau die Arbeitszeit reduziert, wenn ein Kind kommt, und der Mann ganz normal weiterarbeitet? Der Zweite Gleichstellungsbericht sagt: auch weil strukturelle Rahmenbedingungen sie daran hindern - zu wenig Kinderbetreuung, zu starre Arbeitszeitmodelle, niedrigere Bezahlung und ein Steuersystem, das falsche Anreize setzt . - Das müssen wir ändern . Eine zweite Konsequenz aus dem Gender Care Gap ist: Wir werten die bezahlte Sorgearbeit auf . Auch Erzieherinnen und Erzieher, Altenpflegerinnen und Altenpfleger kümmern sich um andere Menschen. In den sozialen Berufen sind überwiegend Frauen beschäftigt . Sie arbeiten nicht unbezahlt; aber die Entlohnung in diesen frauendominierten Berufen ist meist schlechter als in den klassischen Männerberufen . Ehrlich gesagt: Mir hat nie eingeleuchtet, warum ich jemandem, dem ich mein Kind oder meinen pflegebedürftigen Angehörigen anvertraue, weniger Geld zahlen sollte als jemandem, dem ich mein Auto oder meine Waschmaschine anvertraue . ({1}) Morgen wird im Deutschen Bundestag ein Gesetz beraten, mit dem wir die Pflegeberufe aufwerten. Wir sorgen für eine moderne Ausbildung . Es muss auch kein Schulgeld mehr bezahlt werden; es ist, glaube ich, nur in typischen Frauenberufen so, dass man für die Ausbildung noch Geld mitbringen muss. Wir sorgen für flexiblere Einsatzmöglichkeiten und stellen eine angemessene Ausbildungsvergütung sicher . Das ist der Weg, den wir in den sozialen Berufen insgesamt gehen müssen . Der Zweite Gleichstellungsbericht sagt: Das ist der richtige Weg, auch für die Gleichstellung . Gehen wir diesen Weg gemeinsam weiter! Die Vorschläge dafür liegen auf dem Tisch . Vielen Dank .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Frau Dr . Barley . - Sie kennen die Regeln: Es werden zunächst Fragen zu dem Themenbereich gestellt, über den die Ministerin berichtet hat . Sieben Kolleginnen haben sich gemeldet . Die erste Fragestellerin ist Ulle Schauws für Bündnis 90/Die Grünen .

Ulle Schauws (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004395, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank . - Frau Ministerin, auch von uns an dieser Stelle noch einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen Amt . Es passt gut, dass die erste Regierungsbefragung ein frauenpolitisches Thema zum Inhalt hat . Das Gutachten liegt seit dem 8 . März vor . Warum hat es vier Monate gedauert, bis Sie vonseiten der Bundesregierung Ihre Stellungnahme zu diesem Gutachten abgegeben haben? Sie haben sich dahin gehend geäußert, dass es im Gleichstellungsbericht noch etliche Punkte gibt, die man dringend angehen muss . Deswegen meine zweite Frage: Welche der Punkte werden Sie in den verbleibenden Monaten Ihrer Amtszeit noch in Angriff nehmen bzw . umsetzen?

Dr. Katarina Barley (Minister:in)

Politiker ID: 11004247

Vielen Dank für die Frage und auch für die Glückwünsche . - Der Gleichstellungsbericht wurde im Mai 2015 in Auftrag gegeben, im Januar fertiggestellt, vorgestellt und dann an die Ressorts zur Abstimmung weitergeleitet . In der Zielsetzung ist sich die Bundesregierung in vielen Punkten einig, nämlich dass die Erwerbstätigenquote von Frauen erhöht und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert werden muss . Es gibt weitere PunkBundesministerin Dr. Katarina Barley te, bei denen wir durchaus einer Meinung sind . Wir sind nicht immer einer Meinung gewesen, und das wird, was die konkreten Maßnahmen betrifft, wahrscheinlich auch in Zukunft so sein. Aber ich finde, die Beratungszeit war angemessen, um eine gemeinsame Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Thema zu erarbeiten .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank .

Dr. Katarina Barley (Minister:in)

Politiker ID: 11004247

Ich möchte noch etwas zum zweiten Teil der Frage sagen . Ich glaube, ich hatte noch zehn Sekunden .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Es hat sich so angehört, als wären Sie mit der Antwort fertig .

Dr. Katarina Barley (Minister:in)

Politiker ID: 11004247

Ja, mit dem ersten Teil . - Zum zweiten Teil der Frage: In dieser Legislaturperiode können natürlich keine Gesetzesvorhaben mehr verabschiedet werden; mit der morgigen Verabschiedung des Pflegeberufereformgesetzes bringen wir ein wichtiges Projekt zum Abschluss . In der verbleibenden Zeit geht es darum, die Linie weiterzuführen und Bewusstsein dafür zu bilden, dass weniger Erwerbstätigkeit und weniger Erwerbseinkommen gerade in Zeiten, in denen jede dritte Ehe geschieden wird, nicht zu einer gesicherten Rente führen und auch nicht zu einem sicheren ökonomischen Standbein im Erwerbsleben . Die Bereiche Bewusstseinsbildung, Dialog und Netzwerken können wir sehr wohl weiterführen . Und ich hoffe, es bleibt nicht bei den vier Monaten; es können ja noch weitere vier Jahre werden . ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Nächste Fragestellerin: Pia Zimmermann für die Linke .

Pia Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004454, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank . - Eigentlich hätten der Bundesregierung angesichts der Diskussion über diesen Bericht doch die Ohren klingen müssen. Insbesondere im Pflegebereich ist es doch so, dass fast alle Reformen der letzten Jahre ein Ungenügend bekommen haben . Meine Frage lautet: Inwiefern folgt die Bundesregierung der Position der Sachverständigenkommission, grundlegend umzudenken, zum Beispiel eine ressortübergreifende Politik für die sozialen Berufe zu entwickeln, Sorgearbeit als Arbeitsbereich der Zukunft zu fördern oder den Pflegebereich nach skandinavischem Vorbild umzubauen: weg vom familienbasierten, hin zum servicebasierten Pflegesystem?

Dr. Katarina Barley (Minister:in)

Politiker ID: 11004247

Ich kann Ihre Kritik an der Bundesregierung gerade in Bezug auf den Pflegebereich nicht nachvollziehen. In dieser Legislaturperiode ist im Pflegebereich so viel geschehen wie lange nicht . Das betrifft sowohl die Familienpflege, zum Beispiel mit der zehntägigen Freistellung von Angehörigen, wenn der Pflegefall eintritt, als auch die Möglichkeit, danach eine Pflegeauszeit zu nehmen. Insgesamt ist viel auf den Weg gebracht worden: die Pflegereform, die Anerkennung einer Pflegestufe bei Demenz. Was die bezahlte Pflegearbeit angeht, bringen wir morgen das Pflegeberufereformgesetz auf den Weg. Es ist ein Quantensprung, dass der Gesetzgeber mit eigenen Maßnahmen unterstützend tätig wird, damit die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen von Pflegekräften deutlich verbessert werden . Die ressortübergreifende Zusammenarbeit mit dem Bundesgesundheitsministerium hat im Übrigen ausgesprochen gut geklappt . Dafür an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Die nächste Fragestellerin ist die Kollegin Petra Crone für die SPD-Fraktion .

Petra Crone (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich schließe mich den Glückwünschen an, obwohl ich sie natürlich schon persönlich übermittelt habe . Ich wünsche für die restliche Zeit eine glückliche Hand . In dem Gutachten stehen sehr viele Empfehlungen . Ich möchte gerne wissen, welche Ihnen ganz besonders wichtig sind .

Dr. Katarina Barley (Minister:in)

Politiker ID: 11004247

Es ist schwer, welche herauszugreifen . Das Gutachten insgesamt ist ausgesprochen ergiebig . ({0}) Ich kann nur allen empfehlen, das Gutachten zu lesen . Einen Schwerpunkt habe ich schon herausgestellt: die Sorgearbeit, also die sozialen Berufe insgesamt . Das hat auch viel mit Wertschätzung zu tun . Menschen, die Dienst am Menschen leisten, fühlen sich oft nicht nur aufgrund der schlechteren Bezahlung zurückgesetzt, sondern auch dadurch, dass sie schlechtere Arbeitsbedingungen haben, häufig sehr unter Druck stehen und während der Ausbildung zum Teil Schulgeld zahlen müssen . Deswegen ist der Bereich der sozialen Berufe für mich ganz wichtig . Ein weiteres Thema, das mir ganz wichtig ist, ist die wirtschaftliche Eigenständigkeit von Frauen; ich habe das eingangs schon angedeutet . Immer noch verlassen sich zu viele Frauen darauf, mitversorgt zu werden . Das war schon immer eine nicht unheikle Kalkulation . In heutiger Zeit ist das aber noch schwerwiegender, insbesondere seit sich die Rechtsprechung zur Wiederaufnahme der Berufstätigkeit im Falle einer Trennung geändert hat . Daher muss Vätern und Müttern die Möglichkeit geBundesministerin Dr. Katarina Barley geben werden, berufstätig zu sein und auf eigenen Füßen zu stehen . Dabei hilft zum Beispiel der Ausbau der Kinderbetreuung . Auf diesem Gebiet hat der Bund in dieser Legislaturperiode große Anstrengungen unternommen, und das wird er auch weiterhin tun .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank . - Die nächste Fragestellerin ist die Kollegin Katja Dörner für Bündnis 90/Die Grünen .

Katja Dörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004030, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Ministerin, für den Bericht . Natürlich auch von meiner Seite herzlichen Glückwunsch zum neuen Amt! Ich wünsche Ihnen ein glückliches Händchen bei den Themen, die uns allen sehr am Herzen liegen . Das Gutachten hat den Begriff „Gender Care Gap“ in die Diskussion eingebracht bzw . prominent gemacht; Sie haben sich dazu geäußert . Ihre Vorgängerin im Ministerinnenamt hat häufig medial einen Gesetzentwurf zur Familienarbeitszeit angekündigt . Sie haben gerade gesagt, dass wir in dieser Legislaturperiode nicht mehr mit Gesetzentwürfen rechnen können . Das ist wohl so . Ich will aber doch fragen, welche gesetzgeberischen Notwendigkeiten aus Ihrer Sicht ganz konkret bestehen, um dem Gender Care Gap entgegenwirken zu können .

Dr. Katarina Barley (Minister:in)

Politiker ID: 11004247

Vielen Dank . - In dieser Legislaturperiode haben wir diesbezüglich mit dem Elterngeld und dem Elterngeld Plus Fortschritte gemacht . Dadurch haben wir der Partnerschaftlichkeit im Rahmen der Erwerbs- und Sorgearbeit mehr Nachdruck verliehen . Die Mehrheit der Sachverständigen für den Zweiten Gleichstellungsbericht empfiehlt die Familienarbeitszeit. Das ist auch die Position meines Hauses; das ist ja bekannt . Wir sind nicht der Auffassung, dass es besser ist, wenn der besserverdienende Elternteil - meistens ist das der Mann - Vollzeit arbeitet und der andere Elternteil in Teilzeit, sondern wir sind der Auffassung, dass sich beide Elternteile bei der beruflichen und familiären Arbeitszeitverteilung annähern sollten und der Staat dies unterstützen muss . In dieser Legislaturperiode haben wir uns nicht darauf verständigen können . Insofern nehme ich die Stellungnahme der Sachverständigen als Auftrag mit in die nächste Legislaturperiode . Damit werden sich die neuen Mehrheiten befassen müssen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank . - Nächste Fragestellerin: Cornelia Möhring für die Linke .

Cornelia Möhring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004111, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank . - Ich will vorausschicken, dass auch ich es befremdlich finde, dass die Ressortabstimmung so viele Monate in Anspruch genommen hat und die Stellungnahme hier erst in der vorletzten Sitzungswoche präsentiert wird . Aber zu meiner Frage . Das Gutachten der Sachverständigenkommission bestätigt die Kritik der Opposition am Entgelttransparenzgesetz, indem festgestellt wird, dass für tatsächliche Transparenz und Offenlegung der Entgeltstrukturen eigentlich verbindliche Prüfverfahren nötig sind . Im Gesetz sind nur „Bitte-bitte-Regelungen“ enthalten, also Aufforderungen an die Betriebe, diese Prüfverfahren freiwillig einzusetzen . Ein Vertrösten auf die nächste Wahlperiode würde mir da, ehrlich gesagt, nicht reichen . Ich frage Sie daher, ob die Bundesregierung nach diesem Sachverständigenbericht mehr Handlungsbedarf sieht, Prüfverfahren einzuführen und regierungsseitig Maßnahmen einzuleiten, die die Verankerung von Prüfverfahren verbindlicher regeln .

Dr. Katarina Barley (Minister:in)

Politiker ID: 11004247

Sie wissen es so gut wie ich: Gleichstellungspolitik ist kein Sprint, das ist ein Marathon, und manchmal sind die Schritte, die man macht, größer, manchmal sind sie kleiner. Ich finde, der Schritt Entgeltgleichheitsgesetz ist ein großer Schritt; denn zum ersten Mal überhaupt bricht man mit dem Tabu, über Gehalt zu reden, und entwickelt einen Auskunftsanspruch . Das ist ein großer Schritt, dem natürlich weitere folgen sollten . Sie wissen, dass es in der Regierung unterschiedliche Auffassungen zu diesem Thema gegeben hat und dass das, was wir dazu verabschiedet haben, ein Kompromiss ist . So ist es meistens in Regierungen . Nächste Schritte machen wir, indem wir evaluieren, wie sich dieser Fortschritt in der Praxis auswirkt . Ich kenne persönlich einige Frauen, die darauf gewartet haben, dass dieses Gesetz endlich in Kraft tritt, um sich erkundigen zu können, wie die Jungs um sie herum an ihnen vorbeigezogen sind, während sie sich nach der Elternzeit mühsam in Teilzeit wieder in den Hierarchien nach oben arbeiten mussten . Es wird jetzt der erste Schritt sein, zu sehen, wie sich dieses Gesetz in der Praxis ausgewirkt hat .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke schön . - Angelika Glöckner wäre die Nächste . Wo ist sie? ({0}) - Dann ist uns das falsch gemeldet worden . Sorry, das kann schon einmal vorkommen . Dann folgt jetzt Daniela De Ridder .

Dr. Daniela De Ridder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004386, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herzlichen Dank, liebe Frau Ministerin . Auch meinerseits herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen Amt! Auch ich wünsche Ihnen eine gute Hand, vor allem aber weise Beschlüsse . Ich bin Angehörige der Generation der Babyboomerinnen, und wir haben vielfach die Erfahrung gemacht, dass wir Frauen aus der Fürsorge für die Kinder unmittelbar in die Fürsorge für Mütter, Väter, Schwiegermütter, Schwiegerväter geraten . Mich würde interessieren, Frau Ministerin, ob Sie in der Ihnen verbleibenden Zeit, aber auch gern in der nächsten Legislaturperiode noch ChanBundesministerin Dr. Katarina Barley cen sehen, auch die Väter und die Männer mehr zu adressieren, diese Aufgaben zu übernehmen . Ihre Vorgängerin hatte ja das Elterngeld Plus sehr stark gemacht . Welche Chancen sehen Sie, das noch einmal stärker und deutlicher zu unterstützen, und welche Expertise werden Sie möglicherweise dazu heranziehen?

Dr. Katarina Barley (Minister:in)

Politiker ID: 11004247

Vielen Dank . - Wie gesagt, wird es in dieser Legislaturperiode keine Einleitung eines neuen Gesetzgebungsverfahrens mehr geben können; aber zum Beispiel die Implementierung von neuen Formen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Praxis kann man sehr wohl noch fördern. Ich war gerade gestern bei der Zertifikatsverleihung der Hertie-Stiftung zum audit berufundfamilie; denn wir brauchen die Unternehmer und die Unternehmerinnen, die Arbeitgeber und die Arbeitgeberinnen mit an Bord . Wir haben jetzt mit dem Elterngeld Plus einen großen Schritt gemacht . Die Familienarbeitszeit sieht das Sachverständigengutachten als guten nächsten Schritt vor . Ob es dazu kommt oder nicht, das müssen wir nach der Bundestagswahl sehen . Ich will jetzt nicht spekulieren, ob ich im nächsten Kabinett die Möglichkeit haben werde, das umzusetzen . Ich hätte nichts dagegen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Die Nächste ist jetzt die Kollegin Dr . Dorothee Schlegel .

Dr. Dorothee Schlegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004399, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herzlichen Dank . - Frau Ministerin, auch ich wünsche Ihnen für den Marathon, den wir Frauen insgesamt vor uns haben, natürlich ein glückliches Händchen und vor allem Durchhaltevermögen . Zu meiner Frage . Sie haben den Gender Care Gap in Höhe von 52 Prozent erwähnt . Es gibt ja auch den Gender Pension Gap, der ungefähr 53 Prozent beträgt, bei uns in Baden-Württemberg sogar weit über 60 Prozent . Gibt es aus Ihrer Sicht einen Zusammenhang zwischen dem Sorge- und dem Renten-Gap und, wenn ja, welchen?

Dr. Katarina Barley (Minister:in)

Politiker ID: 11004247

Ich glaube, in der Gleichstellungspolitik gilt vielleicht noch mehr als in anderen Politikbereichen, dass alles mit allem zusammenhängt . Wenn man sich den Ersten Gleichstellungsbericht vornimmt, stellt man fest: Er beschäftigt sich sehr ausführlich mit den Knackpunkten in Lebensverläufen und damit, an welchen Stellen sich entscheidet, ob Ungleichheiten entstehen . Da gibt es im Leben von Männern und Frauen eine ganze Reihe . Dazu gehören die Berufswahl, der Umstand, dass Kinder auf die Welt kommen, und der Bereich der Weiterbildung; es sind ganz viele einzelne Punkte . Wenn man aufgrund von Sorgearbeit - ich bin mit diesem Begriff nur bedingt glücklich, weil er etwas von „Ich mache mir Sorgen“ hat -, also durch die Fürsorge für andere, zeitlich sehr gebunden ist, dann bleibt einem natürlich weniger Zeit, um erwerbstätig zu sein . Wenn man beides partnerschaftlicher aufteilen könnte, wäre beiden geholfen . Es geht also tatsächlich um die Zeit, die man investiert . Aber wir müssen auch bei den Lohnhöhen ansetzen . Solange frauendominierte Berufe so viel schlechter bezahlt werden als andere, werden wir das Problem des Gender Pension Gap nicht vollständig lösen können .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Birgit Kömpel ist die Nächste .

Birgit Kömpel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004330, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, auch von mir herzlichen Glückwunsch, alles, alles Gute und Durchhaltekraft für die nächsten Monate und, wie ich natürlich hoffe, auch darüber hinaus . Als Berichterstatterinnen für die Frauenquote merken wir - das habe ich und das haben sicherlich auch Sie verfolgt -, wie sie wirkt . Wir stellen fest: Die Frauenquote wirkt tatsächlich . Trotzdem würde ich gerne von Ihnen erfahren: Welche weiteren Maßnahmen würden Sie uns Parlamentariern für die nächste Legislaturperiode und darüber hinaus empfehlen, und was würden Sie uns im Hinblick auf die Quote nicht nur bei Führungskräften, sondern auch bei Frauen und Männern empfehlen? Oder glauben Sie, dass das, was wir bisher gemacht haben, erst einmal ausreicht?

Dr. Katarina Barley (Minister:in)

Politiker ID: 11004247

Da muss ich gar keine Empfehlungen aussprechen . Das tut die Sachverständigenkommission, die ganz klar feststellt, dass die Quote wirkt . Wir hatten eine lange Phase der freiwilligen Selbstverpflichtung, in der sich gar nichts bewegt hat . Wir haben gesehen, dass in allen Unternehmen, in denen die 30-prozentige Quote jetzt zur Anwendung kam, die Besetzung mit einer Frau gelungen ist . Wenn ich es etwas ketzerisch sagen darf: Danach ist, glaube ich, in keinem Unternehmen ein dramatischer Kurseinbruch festzustellen gewesen; aber das nur am Rande . Die Sanktion eines leeren Stuhls, wenn man keine geeignete Frau findet, musste nirgendwo greifen, weil es natürlich genug qualifizierte Frauen gibt. Es ging, glaube ich, um eine Größenordnung von etwa 170 Personen, die in ganz Deutschland gefunden werden mussten . Dazu, wie mit diesem Thema weiter umzugehen ist, gibt es in der Bundesregierung keine einheitliche Meinung; ich stehe ja hier als Vertreterin der Bundesregierung . Insofern gibt es dazu auch in der Stellungnahme keine ausdrückliche Empfehlung . Ich kann nur noch einmal sagen: Der Sachverständigenrat empfiehlt, diese Regelung durchaus auszuweiten .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ich muss ein bisschen auf die Zeit achten . Es gibt noch vier Kolleginnen, die eine zweite Frage zu diesem Bericht stellen wollen . Weil es auch noch Fragen zu weiteren Themen der Kabinettssitzung gibt, lasse ich diese vier Fragen noch zu, aber dann keine weiteren mehr . Die Erste ist Ulle Schauws .

Ulle Schauws (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004395, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Zentrale Punkte, die die Gleichstellung behindern - das ist nicht neu und kommt nicht nur im Zweiten Gleichstellungsbericht, sondern auch im Ersten Gleichstellungsbericht und in vielen weiteren Erkenntnissen, die wir haben, zum Ausdruck -, sind das Ehegattensplitting, die kostenlose Mitversicherung, aber vor allen Dingen auch die Minijobs . Wie wir gerade gehört haben, wurde Ihnen von Ihren Kolleginnen für Ihre Arbeit in den nächsten Monaten alles Gute gewünscht . Insofern noch einmal die Frage an Sie - auch wenn Sie keinen Gesetzentwurf mehr auf den Weg bringen werden -: Was wollen Sie im Hinblick auf diese wirklich großen Themenblöcke in Ihrem Ministerium noch voranbringen? Was muss sich hier ändern? Was muss sich zeitnah und insbesondere mit dem Fokus auf Minijobs ändern? Wie lautet Ihr Vorschlag dazu?

Dr. Katarina Barley (Minister:in)

Politiker ID: 11004247

Die Aussage der Sachverständigenkommission dazu ist recht klar: dass nämlich die Anreize im Steuersystem, die Frauen an einer Erwerbstätigkeit hindern, möglichst aufzugeben sind . Hier gibt es sehr unterschiedliche Ansatzpunkte . Im Koalitionsvertrag gab es eine Vereinbarung darüber, dass Maßnahmen dafür ergriffen werden sollten, Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu überführen . Darüber konnte im Laufe dieser Legislaturperiode keine Einigung erzielt werden . Insofern haben wir hier keine Maßnahmen vorzuweisen . Auf dieses ganze komplexe Themenfeld muss sich tatsächlich die nächste Regierung verständigen . Die Aussagen der Sachverständigenkommission sind hier aber absolut klar .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank . - Pia Zimmermann .

Pia Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004454, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Frau Ministerin Barley, im Gutachten wird zum Fachkräftemangel in der Pflege deutlich gemacht, dass die normalen Marktmechanismen von Angebot und Nachfrage einfach nicht funktionieren . Meine Frage ist, welche strukturellen Veränderungen Sie sich vorstellen können und welche Maßnahmen Ihrer Meinung nach nötig sind, um diesem Fachkräftemangel wirklich wirksam entgegenzutreten .

Dr. Katarina Barley (Minister:in)

Politiker ID: 11004247

Im Gesamtkomplex Arbeitswelt gibt es auf der einen Seite natürlich die Maßnahmen, die der Gesetzgeber treffen kann, und auf der anderen Seite die Maßnahmen im tariflichen Bereich. Sie wissen, dass unser Ressort bei den Pflegeberufen schon einen großen Schritt gegangen ist . Bei den anderen sozialen Berufen sind wir noch nicht so weit . Wenn Sie mich jetzt persönlich fragen, dann sage ich: Ich glaube, dass ein Tarifvertrag für die sozialen Berufe notwendig ist . Das hat ja auch schon die Bundesarbeitsministerin erwähnt . Das ist aber eben kein Vorhaben, das im Rahmen dieser Bundesregierung umzusetzen gewesen wäre .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank . - Katja Dörner, bitte .

Katja Dörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004030, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank . - Ich würde gerne zum Komplex „Alterssicherung und Altersarmut von Frauen“ fragen . Uns ist hinlänglich bekannt - das Gutachten belegt das ja auch erneut -, dass der Gender Pay Gap quasi automatisch in den Gender Pension Gap führt, und es ist uns, glaube ich, auch allen klar, dass die Rentenversicherung das nicht ausgleichen kann . Deshalb würde ich von Ihnen gerne wissen, Frau Ministerin: Was sind nach Ihrer Analyse die zentralen Elemente, die man angehen müsste, um der Altersarmut von Frauen zukünftig wirksam entgegentreten zu können?

Dr. Katarina Barley (Minister:in)

Politiker ID: 11004247

Man muss hier zwischen den Generationen differenzieren: Die Frauen, die noch am Beginn ihres Erwerbslebens stehen, haben natürlich deutlich mehr Möglichkeiten, ihr Leben so zu gestalten, dass Altersarmut sie nicht betreffen wird . Das beginnt bei der Berufswahl . Ich denke, dass die Beratung darüber, welche Berufe man anstreben kann, mit der Beratung darüber einhergehen muss, was man dabei verdient und was für eine Rentenerwartung man dadurch haben wird . Es muss also ein frühzeitiges Bewusstsein geschaffen werden . Für diejenigen, die mitten im Berufsleben stehen, kommt es darauf an, dass wir vor allen Dingen die Möglichkeit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter verbessern . Hier sind wir auf einem guten Weg - insbesondere hinsichtlich der Kinderbetreuung . Bei denjenigen, die jetzt schon kurz vor dem Renteneintritt stehen, greifen diese Maßnahmen natürlich nicht mehr . Für sie müssen Maßnahmen im rentenpolitischen Bereich ergriffen werden .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank . - Die letzte Fragestellerin zu diesem Thema ist Cornelia Möhring .

Cornelia Möhring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004111, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank . - Ich will versuchen, eine Abschlussfrage zu stellen . Das Gutachten listet, wie wir eben schon gehört haben, eine ganze Reihe von Handlungsempfehlungen auf . Mich würde interessieren, welche Schwerpunktsetzung beim Abarbeiten Sie vorschlagen würden, wenn Sie jetzt priorisieren müssten . Vizepräsidentin Claudia Roth

Dr. Katarina Barley (Minister:in)

Politiker ID: 11004247

Wie gesagt, ich glaube, dass die Höherbewertung von frauendominierten Berufen und die Maßnahmen zur Erleichterung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ganz oben stehen müssen . Diese beiden Bereiche sind für mich absolut prioritär . Was den Ausbau der Kinderbetreuung betrifft, kann ich sagen: Zwischen 2007 und 2020 werden es über 14 Milliarden Euro sein, die der Bund für diesen Bereich zur Verfügung stellt . Dieser Bereich liegt normalerweise hauptsächlich in der Verantwortung der Länder und Kommunen . Der Bund tut da bereits viel . Aber wir müssen da auch viel tun, vor allen Dingen in der Qualität . Wie Sie wissen, gibt es ein Eckpunktepapier der Jugend- und Familienministerkonferenz zur Qualitätsentwicklung in der Kinderbetreuung . Auch diesen Punkt muss man weiter vorantreiben, sowohl was die personelle Ausstattung als auch was die Randzeitenbetreuung betrifft . Das sind aus meiner Sicht wichtige Projekte .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Frau Ministerin . - Dann kommen wir jetzt zum zweiten Teil: Themen der heutigen Kabinettssitzung außerhalb dessen, was Sie gerade ausgeführt haben . Dazu hat sich Harald Petzold gemeldet .

Harald Petzold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004374, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Auch ich möchte mich den Glückwünschen an die Ministerin für die neue Aufgabe und das neue Amt anschließen . Ich möchte Sie zum Komplex „Öffnung der Ehe für alle“ fragen . Bedauerlicherweise hat das Bundesverfassungsgericht den Eilantrag von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt, den Rechtsausschuss damit zu beauftragen, noch in dieser Wahlperiode eine Beschlussempfehlung abzugeben, weil dazu im Ausschuss drei Gesetzentwürfe zur Beratung vorliegen . Heute ist von der SPD-Fraktion erneut die Vertagung mit der Begründung beantragt worden, dass die Bundesregierung und die Große Koalition noch in Verhandlungen seien . Deswegen möchte ich gerne von Ihnen wissen, welchen Stand diese Verhandlungen inzwischen erreicht haben und ob dies Thema der heutigen Sitzung war und, wenn ja, welche Inhalte dazu verhandelt worden sind, zumal im Koalitionsvertrag steht, dass bis zum Ende der Wahlperiode alle rechtlichen Ungleichbehandlungen von eingetragenen Lebenspartnerschaften abgebaut werden sollen .

Dr. Katarina Barley (Minister:in)

Politiker ID: 11004247

Das Thema war heute nicht auf der Tagesordnung der Kabinettssitzung und ist auch nicht behandelt worden . Ich muss ergänzen: Es gibt zwar diesen Satz im Koalitionsvertrag, wonach alle rechtlichen Ungleichbehandlungen beseitigt werden sollen, aber leider gibt es zwei Ausnahmen: Das sind die Volladoption und die Öffnung der Ehe . Sie kennen dazu meine persönliche Meinung . Aber Koalitionsverträge sind, wie sie sind . Daran sind wir gebunden . Pacta sunt servanda, sagen die Juristen . Ich hoffe, dass es bald eine Möglichkeit geben wird, diesen Zustand zu ändern .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank . - Dann kommen wir zu den sonstigen Fragen an die Bundesregierung . Dazu haben sich zwei Kollegen und Kolleginnen gemeldet . Der Erste war Özcan Mutlu .

Özcan Mutlu (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004360, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin, danke sehr . - Ich habe eine Frage an die Bundesregierung . Das Bundessportministerium hat mit dem Deutschen Olympischen Sportbund über zwei Jahre lang hinter verschlossenen Türen die größte Reform des deutschen Spitzensports beschlossen und hat sich in diesem Zusammenhang, was Transparenz und Ähnliches anbetrifft, nicht gerade mit Ruhm bekleckert . Weil sich der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds nun über die Presse äußert und vom Scheitern dieser Reform redet und davor warnt, dass ein gesamter Olympiazyklus verloren gehen könnte, möchte ich von der Bundesregierung wissen, wie sie diesen neuen Zustand bewertet und wie sie diesen Missstand beheben möchte .

Dr. Katarina Barley (Minister:in)

Politiker ID: 11004247

Das war heute nicht Thema . Deswegen möchte ich an den zuständigen Kollegen verweisen, wenn das geht .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

An den uns wohlbekannten Staatssekretär . Bitte, Herr Dr . Schröder .

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Ich beantworte diese Frage sehr gerne . Wir haben diese Spitzensportreform zusammen mit dem Deutschen Olympischen Sportbund auf den Weg gebracht . Dazu haben wir eine Arbeitsstruktur etabliert, in der wir dieses Konzept in Arbeitsgruppen gemeinsam entwickelt haben . Das heißt: Nicht das Bundesministerium des Innern hat dieses Konzept erarbeitet, sondern wir haben das zusammen mit dem DOSB gemacht . Die Mitglieder des DOSB haben dieses Konzept in einer Mitgliederversammlung - soweit ich mich erinnern kann, war das Ergebnis einstimmig - unterstützt . Dieses Konzept wird dazu führen, dass wir - anders als in der Vergangenheit, wo es ja darum ging, welche Medaillen in der Vergangenheit gewonnen worden sind, und danach wurde dann die Förderung mehr oder weniger nach dem Gießkannenprinzip auf die unterschiedlichen Verbände verteilt - die Potenziale der Sportler optimal nutzen . Das ist ein gemeinsames Anliegen von DOSB, Innenministerium und auch der gesamten Bundesregierung . Denn diese Konzeption ist im Kabinett behandelt worden, und wir werden auch im Deutschen Bundestag noch einmal darüber sprechen . Von daher sind wir sehr froh darüber, dass wir dieses Konzept gemeinsam auf den Weg gebracht haben . Es ist ein großartiger Erfolg, dass wir das zusammen mit dem DOSB geschafft haben . Selbstverständlich ist nachvollziehbar, dass der DOSB sich noch mehr Geld aus dem Haushalt wünscht, der demnächst im Deutschen Bundestag zumindest noch beraten wird . Wir hätten uns das als Innenministerium auch vorstellen können, aber das gemeinsame Kabinett hat gemäß der Haushaltsordnung entschieden, dass nur die Summe in den Haushalt gestellt werden kann, die etatreif ist . Gerade dafür haben wir jetzt diese Potenzialanalyse, die die unterschiedlichen Verbände analysieren soll . Dann soll entschieden werden, ob noch mehr Geld notwendig ist, und dann wird selbstverständlich auch mehr Geld fließen. ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Dr . Schröder . - Dann gibt es jetzt weitere Fragen an die Frau Ministerin . Es gibt noch eine Kollegin und einen Kollegen, die in dieser Befragung eine Frage an die Bundesregierung haben . Das ist als Erste Sevim Dağdelen.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Frau Ministerin, aus Eilmeldungen der Deutschen Presse-Agentur, dpa, auch die Dortmunder Ruhr Nachrichten schreiben das geht hervor, dass es eine Veranstaltungsanfrage für die Dortmunder Westfalenhallen gibt, wo der türkische Staatspräsident Erdogan im Anschluss an den G-20-Gipfel am 9 . Juli einen Auftritt vor 13 000 Menschen absolvieren soll . Laut OVG Münster, bestätigt durch das Bundesverfassungsgericht im Sommer 2016 und dann nochmals durch Rechtsprechung in diesem Frühjahr, sind Auftritte von ausländischen Staatsoberhäuptern im öffentlichen Raum im Bundesgebiet Sache der Außenpolitik und damit der Bundesregierung . Deshalb möchte ich die Bundesregierung hiermit fragen: Ist die Bundesregierung gewillt, diesen geplanten öffentlichen Auftritt des türkischen Staatspräsidenten Erdogan in Deutschland zu untersagen, was sie rechtlich kann und was auch in politischer Hinsicht am besten wäre?

Dr. Katarina Barley (Minister:in)

Politiker ID: 11004247

Auch das war heute nicht Thema im Kabinett . Auch da würde ich darum bitten, dass das zuständige Ministerium antwortet .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Das ist aber die Regel bei der Befragung der Bundesregierung . Es gibt erst einmal Fragen zu Ihrem Tagesordnungspunkt, Dr. Katarina Barley, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich weiß das .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

- und dann gibt es eben auch weitere Fragen an die Bundesregierung, auch wenn es nicht im Kabinett behandelt wurde .

Dr. Katarina Barley (Minister:in)

Politiker ID: 11004247

Gut . - Dann kann ich dazu nur sagen, dass mir davon nichts bekannt ist und dass wir das prüfen werden .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Dann hat als Letzter der Kollege Christian Ströbele eine Frage an Sie, Frau Barley .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin . - Ich bin in Sorge und habe deshalb eine Frage an die Bundesregierung . War heute im Bundeskabinett Thema, dass die Vereinigten Staaten in Syrien ein syrisches Regierungsflugzeug abgeschossen haben und dass anschließend Russland erklärt hat, in Zukunft sei jeder Flugkörper, der sich in dieser Zone bewegt, wo dieses Flugzeug abgeschossen worden ist, ein Ziel für die russische Luftwaffe und Flugabwehr? Ist darüber gesprochen worden und, wenn ja, in welchem Sinne? Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus? Und zieht die Bundesregierung daraus insbesondere den Schluss, mit Herrn Trump Tacheles zu reden und ihm zu sagen, dass, wenn er dort einen Krieg anfängt, die NATO und wir nicht dabei sind?

Dr. Katarina Barley (Minister:in)

Politiker ID: 11004247

Die Lage im Nahen Osten insgesamt war heute Thema in der Kabinettsbefassung . Der Außenminister hat sehr ausführlich über die Lage und seine Kenntnisse informiert . Er hat auch darüber informiert, dass er mit dem US-amerikanischen Außenminister dazu in Kontakt steht . Aber konkrete Maßnahmen sind dort nicht beschlossen worden .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ich beende die Befragung und bedanke mich bei Katarina Barley . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde Drucksache 18/12749 Dieser Tagesordnungspunkt ist heute kürzer als sonst . Ich rufe die Fragen in der üblichen Reihenfolge auf . Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz . Ich begrüße Herrn Staatssekretär Christian Lange zur Beantwortung der Fragen . Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Gehring auf: Inwiefern strebt die Bundesregierung weiterhin an, dass das Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz ({0}) nach abschließender Beratung durch den Bundestag in der 26 . Kalenderwoche in Kraft tritt?

Christian Lange (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003168

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Lieber Kollege Gehring, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Das Bundeskabinett hat am 12 . April dieses Jahres den Regierungsentwurf für ein Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz beschlossen . Die Bundesregierung würde es begrüßen, wenn der Deutsche Bundestag und der Bundesrat dieses Reformvorhaben noch in dieser Wahlperiode abschließen würden .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Kai Gehring, bitte .

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär . - Diesem Begrüßen kann ich mich nur anschließen . Zur Einordnung in die Debatte ist es, glaube ich, wichtig, zu erwähnen, dass ein wissenschaftsfreundliches Urheberrecht seit vielen Jahren diskutiert wird . Wir Grüne haben im Bundestag eine umfassende Wissenschaftsschranke im Urheberrecht mehrfach beantragt . Im Regierungsentwurf wird jetzt mit sieben Schrankenregelungen gearbeitet . Das ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung . Dieses Bemühen darf aber nicht weiter verwässert werden . Die Kabinettsmitglieder Maas und Wanka sind offenkundig dafür, die Wissenschaftspolitiker sind alle dafür, und die Allianz der Wissenschaftsorganisationen ist dafür . Plötzlich sind aber Herr Kauder als Fraktionsvorsitzender der Union und einige Rechtspolitiker der Unionsfraktion dagegen . Deshalb möchte ich Sie fragen: Wie sieht jetzt der weitere Verhandlungsprozess auf Spitzenebene der Koalition aus, damit der Gesetzentwurf tatsächlich noch kommt? Mit welchem Ergebnis rechnen Sie? Bis wann kommen Sie zu einem Abschluss? Kommen Sie in dieser Wahlperiode noch zu Potte und damit zu einem Zwischenschritt nach einer jahrelangen Diskussion?

Christian Lange (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003168

Zunächst, Herr Kollege Gehring, freue ich mich darüber, dass Bündnis 90/Die Grünen den Entwurf der Bundesregierung unterstützt, und will mich dafür herzlich bedanken . Im Übrigen obliegt es im Augenblick den Koalitionsfraktionen und damit dem Deutschen Bundestag, das weitere Verfahren voranzutreiben . Dabei unterstützen wir alle Fraktionen sehr . Wir hoffen darauf, dass dies in nächster Zeit - Sie wissen alle, dass sich die Wahlperiode dem Ende zuneigt - zu einem erfolgreichen Ergebnis führen wird .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Zweite Frage: Kai Gehring .

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich hoffe, dass Ihre Hoffnung eintritt und Teile der Unionsfraktion ihre Blockade aufgeben . Ich möchte folgende Frage anschließen: Warum dürfen für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung laut Regierungsentwurf nur noch 15 Prozent statt 25 Prozent eines Werks, wie im ursprünglichen Referentenentwurf vorgesehen war, genehmigungsfrei genutzt werden? Für uns ist das nicht nachvollziehbar . Für die Wissenschaftscommunity ist das eine Verschlechterung . Wieso ist die erfolgt? Gibt es Chancen auf eine Rückänderung?

Christian Lange (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003168

Herr Kollege Gehring, all dies ist Gegenstand der Gespräche, die die Koalitionsfraktionen führen . Dem wollen wir nicht vorgreifen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank . - Wir kommen zur Frage 2 des Kollegen Gehring: Welche konkreten Auswirkungen hätte nach Auffassung der Bundesregierung eine Nichtverabschiedung des Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes ({0}) auf Lehrende, Studierende, Schülerinnen und Schüler?

Christian Lange (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003168

Die Frage 2 beantworte ich wie folgt: Das geltende Urheberrechtsgesetz enthält bereits gesetzliche Erlaubnisse für Bildung und Wissenschaft, die allerdings wegen der komplexen Regelungstechnik und unbestimmter Rechtsbegriffe teilweise mit Unsicherheiten behaftet sind . Die genannten Beteiligten müssten weiterhin mit diesen Bestimmungen arbeiten .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Kai Gehring, bitte .

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank . - Mich würde interessieren, wie sich die Bundesregierung insgesamt hinsichtlich der Kritik am Vorrang der Pauschalvergütung im Gesetzentwurf gegenüber der Individualvergütung positioniert . Da hört man doch unterschiedliche Stimmen .

Christian Lange (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003168

Herr Kollege, sprechen Sie damit die Kritik der Presseverleger an?

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, unter anderem .

Christian Lange (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003168

Dann will ich Ihnen etwas ausführlicher antworten . Die Bundesregierung ist sich der konstitutiven Bedeutung der Presse und der journalistischen Vielfalt für den Vizepräsidentin Claudia Roth demokratischen Willensbildungsprozess und für die Information der Bürgerinnen und Bürger bewusst . Eine Anpassung des bisherigen Gesellschaftsmodells der Presseverlage an die Herausforderungen von Digitalisierung und Vernetzung ist unabhängig davon geboten . Elektronische Zeitungs- und Zeitschriftenarchive können eine Chance bieten, Einnahmerückgänge im Printbereich zu kompensieren . Die Bundesregierung versteht daher die Sorge um die Tragfähigkeit dieser Dienstleistung . Der Regierungsentwurf des Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes stellt elektronische Archive aber weder infrage, noch erlaubt er der Deutschen Nationalbibliothek, ein per Internet zugängliches Zeitungs- und Zeitschriftenarchiv aufzubauen . Die Nutzung einzelner Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträge ist im Übrigen bereits nach geltendem Recht auf gesetzlicher Grundlage zulässig .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Gehring .

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe eine weitere Frage, die sich aus der sehr guten Anhörung des Rechtsausschusses zum Regierungsentwurf ergibt . Unter anderem dort ist der Vorschlag gemacht worden, die Nutzungserlaubnisse um eine Öffnungsklausel zu ergänzen, und zwar zur Lösung solcher Fälle, die im Grunde mit den gesetzlich geregelten Fällen vergleichbar sind, die aber knapp an den geltenden Schrankenregelungen, den sehr strikten Voraussetzungen der Einzeltatbestände, entlangschrammen . Wollen Sie eine solche Öffnungsklausel in Ihren Entwurf noch aufnehmen? Wie stehen Sie zu der in der Anhörung des Rechtsausschusses geforderten Öffnungsklausel?

Christian Lange (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003168

Die Beantwortung dieser Frage obliegt im Augenblick der Diskussion der Koalitionsfraktionen . Wir sind einigermaßen zuversichtlich, dass wir zu einem Ergebnis kommen . Allerdings kann ich diesen Beratungen nicht vorweggreifen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Christian Lange . Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie . Ich begrüße den Staatssekretär Uwe Beckmeyer . Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Hubertus Zdebel auf: Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus Medienberichten ({0}), wonach die der zivilen Atomenergienutzung verpflichtete Urenco mit dem US-amerikanischen AKW-Betreiber Tennessee Valley Authority ({1}) einen Vertrag abgeschlossen hat, in dem es um die Lieferungen von angereichertem Uran zur Herstellung und zum Einsatz von Brennelementen in vier Atomreaktoren ({2}) geht, welche für das US-Atomwaffenprogramm Tritium zur Sprengkraftverstärkung von Atomsprengköpfen produzieren sollen, und in welcher Weise wird die Bundesregierung, zum Beispiel im Rahmen ihrer Mitgliedschaft des im Vertrag von Almelo als Kontrollorgan eingerichteten Joint Committee, darauf hinwirken, dass diese Verträge zwischen Urenco und TVA umgehend beendet werden und damit Deutschland nicht direkt oder indirekt Unterstützerin des US-Atomwaffenprogramms wird? Herr Staatssekretär Beckmeyer, ich bitte Sie, diese Frage zu beantworten .

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Frau Präsidentin, ich beantworte die Frage von Herrn Zdebel wie folgt: Auf der Grundlage des Vertrages über die Nichtverbreitung von Nuklearwaffen, des Vertrages von Almelo und des Vertrages von Washington stellt die Bundesregierung sicher, dass seitens der Urenco-Gruppe für den US-Markt angereichertes Uran ausschließlich zivilen Zwecken zugeführt wird . Dazu werden die Kernkraftwerke der Tennessee Valley Authority als mögliche Empfänger von Urenco-Material der Kontrolle und der Verifikation der Internationalen Atomenergieorganisation unterworfen. Die Überwachung und die Berichtspflicht der IAEO stellt sicher, dass von ihr kontrollierte Anlagen nur für zivile, friedliche Zwecke eingesetzt werden . Für die Kündigung kommerzieller Verträge von Urenco in den USA sieht die Bundesregierung keinen Anlass .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Beckmeyer . - Hubertus Zdebel, eine Nachfrage .

Hubertus Zdebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004449, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke, Frau Präsidentin . - Herr Beckmeyer, um den Vorgang für diejenigen, die nicht so tief in der Thematik drinstecken, ein bisschen zu präzisieren: Die USA stellen das für Atomwaffen erforderliche Tritium in kommerziellen Atomreaktoren des Betreibers Tennessee Valley Authority her . Dafür soll künftig in vier Reaktoren angereichertes Uran der auf die friedliche Atomenergienutzung festgelegten Firma Urenco eingesetzt werden . Entsprechende Verträge im Wert von rund 600 Millionen Dollar hat der Betreiber mit Urenco abgeschlossen . Urenco würde damit - zumindest nach meiner Auffassung - direkt das US-Atomwaffenprogramm unterstützen, allein aufgrund der Tatsache, dass Tritium hergestellt wird . Urenco kann derartige Verträge nach meinem Verständnis nur mit Zustimmung des Gemeinsamen Ausschusses - das ist das Kontrollgremium für die Aktivitäten von Urenco - im Rahmen des Vertrags von Almelo abschließen . Dort hat die Bundesregierung ein Vetorecht . Vor diesem Hintergrund stellt sich für mich die Frage, ob die Genehmigung des Einstiegs von Urenco, das nun Uran für eine Firma liefert, die am Atomwaffenprogramm der USA beteiligt ist, mit Zustimmung des Gemeinsamen Ausschusses erteilt wurde oder nicht . Meine klare Frage lautet: Hat die Bundesregierung im Gemeinsamen Ausschuss im Rahmen des Vertrags von Almelo oder anderer Urenco-Kontrollverträge der Lieferung von angereichertem Uran für den Einsatz in Atomkraftwerken zur Tritiumerzeugung für die US-Atomwaffen zugestimmt, ja oder nein? http://www.tagesschau.de/wirtschaft/uran-usa-deutschland-103.html http://www.tagesschau.de/wirtschaft/uran-usa-deutschland-103.html

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Beckmeyer .

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Herr Zdebel, Sie haben soeben eine Frage wiederholt, die wir Ihnen aufgrund der Sitzungen des letzten Deutschen Bundestages bereits schriftlich beantwortet haben . ({0}) Ich sage für die Bundesregierung noch einmal eindeutig: Es ist ständige Politik der Bundesregierung, entsprechend den Buchstaben und dem Geist des Atomwaffensperrvertrages die Verbreitung und den Missbrauch nuklearen Materials zu verhindern . Die entsprechende Aufsichtsbehörde ist die Internationale Atomenergie-Organisation in Wien, die ebenfalls regelmäßig berichtet . Sie wird gerade in den USA anlagenbezogen tätig . Insofern sind Anfragen bzw . in Medien zitierte Informationen aus unserer Sicht nicht nachzuvollziehen . Der IAEO-Generaldirektor berichtet regelmäßig dem Gouverneursrat in Wien . Deutschland ist dort mit ständigem Sitz vertreten . Das Bundeswirtschaftsministerium befindet sich in enger Abstimmung mit dem Außenministerium . Wir nehmen an der Erfüllung dieser Kontrollaufgaben weltweit teil . Ich kann Ihnen zusichern, dass dem Gouverneursrat irgendwelche Auffälligkeiten oder Rechtsverstöße nicht gemeldet worden sind .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Zweite Zusatzfrage, Herr Zdebel? - Bitte schön .

Hubertus Zdebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004449, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke, Frau Präsidentin . - Herr Beckmeyer, meines Erachtens weichen Sie hier klipp und klar aus . Wir haben ganz klar dargelegt - darüber gibt es entsprechende Presseberichterstattungen; es gibt sogar Berichte der amerikanischen Regierung darüber, und es gibt auch öffentlich gewordene, nachlesbare Stellungnahmen des UN-Energieministeriums, wo darauf hingewiesen wird -, dass Tritium in diesen Anlagen hergestellt wird und dass es Lieferverträge zwischen der Tennessee Valley Authority und der Urenco-Tochtergesellschaft in den USA gibt . Vor diesem Hintergrund ist es doch klar: Wenn dort Tritium hergestellt wird, dann muss dieses Thema die Bundesregierung doch alarmieren . Denn eine Firma, die die Bundesrepublik Deutschland gemeinsam mit Großbritannien und den Niederlanden kontrolliert, stellt offensichtlich angereichertes Uran her, das in amerikanischen Atomkraftwerken zum Einsatz gebracht wird, um damit quasi ein Produkt zu erzeugen, das dem US-Atomwaffenprogramm zugutekommt . Deswegen noch einmal die Frage an Sie: Sind die Berichte über diese Zusammenhänge - insbesondere des US-Energieministeriums -, die der Bundesregierung bekannt sind, Ihrer Meinung nach zutreffend, ja oder nein?

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat keine Anhaltspunkte, dass in den USA oder in anderen Staaten von Urenco angereichertes Uran zweckwidrig für nicht friedliche Zwecke eingesetzt wurde oder wird . Dies gilt auch für die vom Fragesteller erwogene Verwendung des bei der Nutzung des Urans anfallenden Tritiums .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank . - Dann hat sich Frau Kotting-Uhl zu einer Zusatzfrage gemeldet .

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Beckmeyer, die Frage stellt sich andersherum . Die Frage ist nicht, ob Sie keine Anhaltspunkte haben, sondern ob Sie ausschließen können, dass es Anhaltspunkte gibt . Deutschland ist Mitglied des Kontrollorgans auf der Grundlage des Vertrags von Almelo und hat damit die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass eine missbräuchliche Verwendung ausgeschlossen wird . Können Sie also ausschließen, dass von Urenco angereichertes Uran in die besagten vier Atomkraftwerke in den USA geliefert wird, um dort mithilfe dieses Urans Tritium für Atomsprengköpfe zu produzieren?

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Werte Abgeordnete, ich sage einmal in einer klaren Sprache noch ein zweites Mal: Die Anlagen in den USA werden von der Internationalen Atomenergie-Organisation in Wien kontrolliert - anlagenbezogen . Das ist die Instanz, die dort tätig ist - nicht die Bundesregierung . Dort werden auch entsprechende Berichte für den Gouverneursrat erstellt . Diese Berichte haben uns in gar keiner Weise Anlass gegeben, und sie geben auch aktuell keinen Anlass, zu glauben, dass es dort in irgendeiner Weise zu einer anderen - rechtswidrigen - Verwendung des von Urenco dorthin gelieferten Urans gekommen ist .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Bitte schön, Herr Wunderlich . Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage .

Jörn Wunderlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003867, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Also können Sie es ausschließen?

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Ich sage es Ihnen noch einmal: Wir haben keinen Anlass - ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Beckmeyer ist jetzt dran zur Beantwortung . ({0}) - Herr Beckmeyer hat eine Frage gestellt bekommen, und jetzt will er sie gern beantworten .

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Genau . - Ich werde das noch einmal sagen, Herr Abgeordneter: Wir haben dafür in Europa und in der Welt klare Spielregeln, und es gibt eine Institution, die anlagenbezogen prüft . Das ist die Internationale Atomenergie-Organisation in Wien . Diese hat dort anlagenbezogen geprüft und hätte, wenn Auffälligkeiten erkennbar gewesen wären, diese ebenfalls dem Gouverneursrat mitzuteilen gehabt . Das ist nicht geschehen . Darum gibt es auch keine Erkenntnisse unsererseits, dass dort vertragswidrig etwas anderes gemacht worden ist, als uns zugesichert worden ist .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Beckmeyer . - Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales . Das hat aber frei; denn die Frage 4 der Kollegin Höger wird schriftlich beantwortet werden . Dann kommt der Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft . Dazu begrüße ich Peter Bleser . Er antwortet allerdings nicht auf die Frage 5 des Kollegen Krischer, weil auch hierzu die Antwort schriftlich erfolgen wird . Wir kommen jetzt zur Frage 6 des Kollegen Ebner: Teilt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft die Meinung des Bundesinstituts für Risikobewertung ({0}), wonach die jüngste Analyse von Professor Christopher Portier zu übersehenen Tumorbefunden in den Glyphosat-Studien den Herstellern schon lange bekannt sei und nichts Neues enthalte ({1})? Herr Bleser, bitte .

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Frau Präsidentin! Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft nimmt keinen Einfluss auf die fachliche Risikobewertung des Bundesinstituts für Risikobewertung, BfR . Das Institut arbeitet herausragend und ist auch international hochgradig anerkannt . Darüber hinaus wird die Risikobewertung des BfR zu Glyphosat sowohl durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, EFSA, als auch durch die Europäische Chemikalienagentur, ECHA, bestätigt . Die ECHA kommt auch unter Berücksichtigung der auf den Anhörungen von Herrn Christopher Portier vorgetragenen Ergebnisse sowie aller anderen Hinweise zur Abschätzung des kanzerogenen Potenzials zu dem Ergebnis, dass es keine Anhaltspunkte für eine krebsauslösende Wirkung von Glyphosat gibt .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Ebner, bitte .

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin . - Herr Staatssekretär, ich hatte Sie auch gar nicht danach gefragt - zumindest nicht in dieser Frage -, ob Sie dem BfR irgendwelche Weisungen erteilen, sondern ob das BMEL die Meinung des BfR teilt, wonach die jüngste Analyse von Professor Portier zu den übersehenen Tumorbefunden schon lange bekannt sei und nichts Neues enthalte . Ich entnehme jetzt Ihrer Antwort, dass Sie dazu offenbar nichts zu sagen haben und dass Sie insofern auch der Position des BfR zustimmen . Deshalb frage ich Sie, wie es denn sein kann, dass das BfR sagt, man wisse ja schon lange, was der Professor Portier da sagt . Denn derselbige hat die Daten erst im Dezember 2016 bei der EFSA einsehen können . Wie bewertet denn dann das BMEL, dass die in der BfR-Mitteilung 08/2017 gemachte Aussage, dass die Daten bekannt seien, ganz offensichtlich falsch ist? Herr Portier hatte die Daten ja vorher nicht zur Verfügung . Somit kann man sich auch nicht auf Vorträge aus dem Sommer 2016 beziehen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Bleser, bitte .

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Herr Ebner, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen: Das BfR hat am 30 . Mai dieses Jahres in einer Pressemitteilung zu den Vorwürfen Stellung bezogen und kommt zu folgenden Schlussfolgerungen: Die statistischen Berechnungen von Herrn Portier waren dem BfR und der ECHA bereits in verschiedenen Vorträgen aus dem Jahr 2016 bekannt . Die statistischen Berechnungen von Herrn Portier wurden von den Experten der ECHA diskutiert und bei deren Entscheidung, Glyphosat nicht als krebserregend einzustufen, berücksichtigt . Alle von Herrn Portier zitierten Originalstudien wurden entsprechend ihrer Verlässlichkeit und Relevanz in den Bewertungen der europäischen Behörden berücksichtigt . Die von Herrn Portier berichtete statistische Signifikanz ist nach dem technischen Leitfaden der OECD nicht mit einer biologischen Relevanz gleichzusetzen . Vielmehr ist es erforderlich, die vorliegenden Studien in ihrer Gesamtheit und unter Berücksichtigung der harmonisierten Leitlinien zu bewerten . Die statistischen Berechnungen von Herrn Portier sind für die Öffentlichkeit nicht zugänglich und weder Peer-reviewed noch in einer Fachzeitschrift veröffentlicht . Das BfR kommt zu dem Schluss, dass Herr Portier keine neuen Erkenntnisse für die Risikobewertung von Glyphosat vorgelegt hat .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Eine Rückfrage von Herrn Ebner . Vizepräsidentin Claudia Roth http://www.bfr.bund.de/cm/343/keine-neuen-erkenntnisse-bei-der-risikobewertung-von-glyphosat.pdf http://www.bfr.bund.de/cm/343/keine-neuen-erkenntnisse-bei-der-risikobewertung-von-glyphosat.pdf

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es ist nicht immer ganz einfach, den Staatssekretär zu verstehen, wenn er Begriffe nicht richtig vorliest . Nichtsdestotrotz: Herr Staatssekretär, Sie beziehen sich jetzt darauf, dass das BfR sagt, dass das, was Portier analysiert hat, schon aus diversen Vorträgen von ihm bekannt war . Diese diversen Vorträge fanden im Sommer 2016 statt . Portier hat aber - ich sage es noch einmal - Einsicht in die Daten erst im Dezember 2016 bekommen . Also kann dem BfR doch gar nicht bekannt gewesen sein, was Portier da analysiert und welche Schlussfolgerungen er zieht . Insoweit ist es schon seltsam . Ich finde es auch seltsam, dass das BfR flapsige Statements von sich gibt wie: Das BfR empfiehlt, die Berechnungen von Herrn Professor Portier wissenschaftlich zu veröffentlichen, um diese dem wissenschaftlichen Diskurs zuzuführen . Dabei hat doch Portier schon in seinem offenen Brief es so dargestellt, dass das BfR das verstehen muss, weil es selber die Daten zur Verfügung hat . Nur die Öffentlichkeit hat sie nicht, weil ihm untersagt worden ist, die Daten, in die er Einsicht bekommen hat, zu veröffentlichen, weil sie Betriebsgeheimnis seien . Trotzdem hat er jetzt über seine Analyse eine Peer-reviewed-Veröffentlichung - hier gebe ich Ihnen noch einmal eine Aussprechhilfe - auf den Weg gebracht, die Mitte Juni veröffentlicht wurde . Deshalb ist tatsächlich die Frage: Springt das BfR jetzt? Prüft es diese Analyse noch einmal? Denn jetzt ist sie veröffentlicht .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Bleser, bitte .

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Es ändert sich nichts an der Feststellung, die ich getroffen habe: Das BfR bewertet im Auftrag der Bundesregierung die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Seine Ergebnisse sind von uns nicht nur akzeptiert, sondern sie sind wissenschaftlich verlässlich . Zu den Aussagen, die ich hier vorgetragen habe, gibt es keine weiteren Erläuterungsnotwendigkeiten .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Bleser . Dann kommen wir zur Frage 7 des Kollegen Ebner: Welches Bundesministerium oder welches Bundesorgan hat die Dienstaufsicht über das BfR, wenn nicht das BMEL ({0})?

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Jetzt kommen wir noch einmal zu dem Thema: Die Dienstaufsicht über die Beamtinnen und Beamten des Bundesinstituts für Risikobewertung, BfR, wird - unter Ausnahme des Präsidenten - durch den Präsidenten des BfR ausgeübt . Die Dienstaufsicht über den Präsidenten hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Ebner .

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, an der Stelle möchte ich schon noch einmal nachfragen. Es gibt also auch eine Verpflichtung des BMEL, zu schauen, was das BfR, zumindest stellvertretend sein Chef, so macht . Jetzt komme ich zurück zu den Tumorauffälligkeiten, die nach Professor Portier in den Studien von den Behörden übersehen wurden . Wir lesen auch von spannenden Praktiken von Monsanto im Umgang mit Studien zur Risikobewertung . Wir haben 1 Million Unterschriften aus ganz Europa für die Europäische Bürgerinitiative gegen die Neuzulassung von Glyphosat . Halten Sie es in dieser Situation, in der sozusagen zivilgesellschaftlich - allen Hindernissen zum Trotz neue Erkenntnisse gewonnen werden, immer noch für vernünftig und angebracht, keine Überprüfung dieser Daten von Professor Portier zu veranlassen und auch keine Konsequenzen aus den ganz offensichtlichen Falschaussagen des BfR in der auch von Ihnen zitierten Mitteilung zu ziehen? Da steht wirklich definitiv, dass das BfR alles, was Herr Portier in seinem offenen Brief benannt hat, schon in Vorträgen im Sommer 2016 bekannt gegeben habe. Das ist definitiv falsch. Sie müssen doch Konsequenzen ziehen, wenn eine Bundesbehörde solche falschen Aussagen veröffentlicht .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Bleser, bitte .

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Herr Kollege Ebner, ich kann mich nur wiederholen . Ich habe vorhin schon berichtet, dass das BfR, aber auch andere Institutionen wie EFSA und ECHA eine Bewertung auf wissenschaftlicher Basis vorgenommen haben . Sie werden verstehen, dass sich die Bundesregierung bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln nicht auf Umfragen oder sonstige öffentliche Meinungsäußerungen verlässt .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Zweite Frage .

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dem entnehme ich, dass Sie sich den wissenschaftlichen Bewertungen, auf die Sie sich beziehen, vollumfänglich und komplett anschließen . Deshalb die Frage: Wie steht das BMEL vor diesem Hintergrund jetzt dazu, Glyphosat tatsächlich noch in diesem Jahr neu zuzulassen? Im Raum stehen 10 statt wie geplant 15 Jahre . http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/glyphosat-gefaehrliche-verbindungen-1.3537185 http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/glyphosat-gefaehrliche-verbindungen-1.3537185 http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/glyphosat-gefaehrliche-verbindungen-1.3537185 Werden Sie also einer Wiederzulassung zustimmen, sich enthalten oder sie ablehnen? Von welchen Kriterien bzw . konkreten Punkten machen Sie Ihre Positionierung dazu abhängig?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Bleser, bitte .

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Ich verweise noch einmal auf die wissenschaftliche Grundlage . ({0}) Auf europäischer Ebene steht in diesen Tagen eine Entscheidung des SCoPAFF an; bisher haben wir noch keine Ergebnisse . Dort wird entschieden, ob auf dieser wissenschaftlichen Grundlage und aufgrund entsprechender Berichte der zuständigen Einrichtungen eine Verlängerung der Zulassung ausgesprochen werden kann .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank . - Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung . Ich begrüße Dr . Brauksiepe, der die Fragen beantworten wird . Zuerst kommen wir zur Frage 8 der Kollegin Katja Keul: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zwischenzeitlich über die Luftangriffe der gemeinsamen Koalition am 26 . Mai 2017 auf die syrische Stadt al-Majadin, bei denen mindestens 80 Zivilisten, darunter über 30 Kinder, getötet wurden ({0}), in Erfahrung bringen können, und welche möglichen Konsequenzen zieht sie angesichts der im Rahmen der Operation Inherent Resolve immer weiter steigenden Zahl getöteter Zivilisten ({1})? Herr Brauksiepe, bitte .

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Frau Kollegin Keul, der Bundesregierung liegen keine eigenen Erkenntnisse zu den Details des Luftangriffs mit möglichen zivilen Opfern in der Nacht vom 25 . auf den 26 . Mai 2017 in Majadin vor . Für Einsätze von Operation Inherent Resolve, OIR, gilt, dass grundsätzlich alle Vorfälle, bei denen Zivilisten mutmaßlich zu Schaden gekommen sind, durch das für OIR zuständige Hauptquartier Combined Joint Task Force, CJTF OIR, untersucht und die Ergebnisse monatlich auf der Webseite der OIR veröffentlicht werden . Die Bundesregierung setzt als Mitglied der Anti-IS-Koalition die ihr zur Verfügung stehenden Mittel ein, um zivile Opfer zu vermeiden . Angesichts der zynischen und menschenverachtenden Taktik der Terrororganisation IS, Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen und sogar zivile Opfer zu provozieren, ist dies für die Koalition mit besonderen Anstrengungen verbunden .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Dr . Brauksiepe . - Frau Keul, bitte .

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank . - Herr Staatssekretär, es ist leider nicht das erste Mal, dass ich hier nach schweren zivilen Opfern unserer Koalition der Willigen fragen muss . Ich frage mich, warum Sie jetzt sagen, dass die Bundesregierung keine Erkenntnisse hat . Bei der Frage musste ich die Quellen extra noch mitschicken; es handelt sich ja nicht um ominöse Quellen . Sie selbst haben auf die Homepage verwiesen, auf der ich nach Ihrer letzten Antwort selbstverständlich nachgeguckt habe . Ich jedenfalls konnte keine Aufklärungsergebnisse für die zivilen Opfer seit März dieses Jahres finden. Das ist aber der Zeitpunkt, seit dem die Zahl ziviler Opfer extrem angestiegen ist . Es geht nicht nur um den Vorfall vom 26 . Mai 2017, es gab danach auch weitere . Ich erinnere nur an den 6 . Juni 2017, an dem 21 Zivilisten, die vor dem IS in einem Boot über den Euphrat flüchten wollten, getötet wurden. Deswegen frage ich jetzt noch einmal: Haben Sie als Bundesregierung irgendetwas gegenüber dem Bündnispartner getan oder wenigstens einmal nachgefragt, wie es zu diesem massiven Anstieg ziviler Opfer gekommen ist?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Brauksiepe .

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Frau Kollegin, ich wiederhole meinen Hinweis: Ich kann nicht für andere Kräfte, die dort im Einsatz sind, sprechen . Ich bin nicht sicher, ob alle ihr Vorgehen so transparent darlegen wie die Koalition im Rahmen der Operation Inherent Resolve . Ich kann nur noch einmal darauf hinweisen, dass es nach jedem möglichen Vorfall mit zivilen Opfern eine entsprechende Untersuchung gibt und dass die Untersuchungsergebnisse veröffentlicht werden, beispielsweise die Zahl von ums Leben gekommenen Zivilisten . Der neueste Stand, der dort nach meiner Kenntnis veröffentlicht wurde, ist vom 2 . Juni .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Keul, eine Rückfrage?

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nach dem neusten Stand sprechen die USA selbst von 500 zivilen Toten seit 2014 . Ich weiß aber nicht, ab welchem Zeitpunkt sie aufgehört haben, zu zählen; denn seit März kommen wir schon auf über 300 Tote . Allein vom 23 . April bis zum 23 . Mai gab es 225 zivile Tote . http://www.rp-online.de/politik/ausland/syrien-anti-terror-koalition-toetet-80-angehoerige-von-is-kaempfern-in-majadin-aid-1.6844773 http://www.rp-online.de/politik/ausland/syrien-anti-terror-koalition-toetet-80-angehoerige-von-is-kaempfern-in-majadin-aid-1.6844773 http://www.rp-online.de/politik/ausland/syrien-anti-terror-koalition-toetet-80-angehoerige-von-is-kaempfern-in-majadin-aid-1.6844773 http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-03/us-armee-irak-syrien-kriegsfolgen-todesopfer-zivilisten http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-03/us-armee-irak-syrien-kriegsfolgen-todesopfer-zivilisten http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-03/us-armee-irak-syrien-kriegsfolgen-todesopfer-zivilisten http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-05/syrien-us-luftangriff-islamischer-staat http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-05/syrien-us-luftangriff-islamischer-staat http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-05/syrien-us-luftangriff-islamischer-staat Ich frage die Bundesregierung: Hält sie es eigentlich für angemessen, dass sie von einem Bündnispartner hinsichtlich der Folgen des multilateralen Einsatzes auf eine Website verwiesen wird, auf der sie dann nachgucken kann? Ist das der angemessene Umgang zwischen Bündnispartnern?

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Ja . ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Kollege Ströbele hat zu Frage 8 eine Rückfrage . Herr Ströbele, bitte . ({0}) - Entschuldigung . Was ist los? Ich habe es nicht mitbekommen . ({1}) Bevor alle sprechen: Jetzt hat Christian Ströbele eine Frage an Herrn Dr . Brauksiepe .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich habe zu diesem Thema eine ganze Reihe von Fragen gestellt, die ähnlich wie die letzte Frage beantwortet wurden . Ich frage Sie noch einmal: Es handelt sich ja hier um ein Bündnis, von dem gemeinsam - die einen leisten dies, die anderen leisten das - Operationen durchgeführt werden . Die Bundeswehr leistet Hilfe durch Fotoaufnahmen, Filmaufnahmen und Ähnliches . Will die Bundesregierung nicht endlich einmal gegenüber den Partnern, insbesondere gegenüber den USA, klarmachen, dass eine Unterstützung ohne vollständige Information, was aus dieser Unterstützung wird, insbesondere, wie viele Zivilisten getötet werden, eingestellt werden muss? Das können Sie doch gegenüber dem deutschen Parlament nicht länger rechtfertigen . Und das müssen Sie den US-Streitkräften auch einmal in der nötigen Konsequenz klarmachen . ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Brauksiepe .

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Zunächst einmal, Kolleginnen und Kollegen - ich beziehe das nicht ausschließlich auf Sie, Herr Kollege Ströbele -, müssen Sie als Abgeordnete generell damit rechnen, wenn Sie der Bundesregierung eine Ja-NeinFrage stellen, dass Sie ein Ja oder ein Nein als Antwort bekommen . Im Zusammenhang mit einer vorher gestellten Frage gab es Zwischenrufe - diese sind sicherlich im Protokoll nachzulesen -, in denen gefordert wurde, mit Ja oder Nein zu antworten . Ich bitte um Verständnis, wenn ich solchen Forderungen dann für die Bundesregierung auch einmal nachkomme . ({0}) Es gibt in diesem Zusammenhang, Herr Kollege Ströbele - das wissen Sie -, ein etabliertes Verfahren . Und es ist - ich sage das noch einmal - ganz selbstverständlich, dass alle Mitglieder der Koalition das ihnen Mögliche tun, um zivile Opfer zu vermeiden . Wir haben es jedoch - ich sage auch das noch einmal - mit einer zynischen, menschenverachtenden Taktik des IS zu tun, die genau das Gegenteil zu erreichen versucht . Den Berichten über die Kämpfe in Mosul, in Rakka können Sie entnehmen, dass Zivilisten versuchen, diese Kampfgebiete zu verlassen, dass aber jeder, der das versucht, damit rechnen muss, wenn der IS es bemerkt, vom IS umgebracht zu werden . In Mosul werden noch ungefähr 4 Quadratkilometer von den IS-Terroristen gehalten . Die irakischen Streitkräfte kämpfen unter großen Opfern und Risiken um die Befreiung von Mosul, weil sie versuchen, zivile Opfer zu vermeiden, während der IS sie zu provozieren sucht . Ich verwahre mich hier gegen Unterstellungen, als wäre es andersherum . Die gesamte Koalition, alle dort beteiligten 65 Staaten, die Europäische Union, die NATO, die Arabische Liga tun das ihnen Mögliche, um zivile Opfer zu vermeiden . Jede anderslautende Unterstellung weise ich namens der Bundesregierung mit Entschiedenheit zurück . ({1})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ich rufe Frage 9 der Abgeordneten Katja Keul auf: Inwiefern finden nach dem Beschluss über den NATO-Eintritt in die Anti-IS-Koalition ({0}) die Targeting-Richtlinien der NATO Anwendung, und sollten sie keine Anwendung finden, welche anderen Wirkungen und Konsequenzen für die Operation Inherent Resolve folgen aus diesem Beschluss? Herr Brauksiepe .

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Frau Kollegin Keul, die Staats- und Regierungschefs der NATO haben bei ihrem Treffen am 25 . Mai 2017 in Brüssel den Beschluss des Nordatlantikrats vom 24 . Mai 2017 zum formellen Beitritt der Allianz zur internationalen Anti-IS-Koalition indossiert . Die Mitgliedschaft ermöglicht der Allianz die aktive Teilnahme an den politischen Beratungen im Rahmen der internationalen Anti-IS-Koalition . Auch nach dem formellen Beitritt der NATO zur internationalen Anti-IS-Koalition findet die NATO-Targeting-Richtlinie im Rahmen des Beitrags der Allianz zur Anti-IS-Koalition keine Anwendung, da die NATO-Unterstützung mit AWACS-Flugzeugen ausKatja Keul http://www.n-tv.de/politik/Stoltenberg-begruesst-klares-Signal-article19859553.html http://www.n-tv.de/politik/Stoltenberg-begruesst-klares-Signal-article19859553.html drücklich keine Beteiligung an der Zielzuweisung oder an einer Feuerleitfunktion beinhaltet .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Keul .

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Bevor ich meine Nachfrage stelle, möchte ich klarstellen, dass ich unverdächtig bin, NATO-Einsätze für generell gutzuheißen, aber immerhin gibt es im Rahmen eines NATO-Einsatzes die entsprechenden Targeting-Richtlinien, die untereinander die Verantwortung im Rahmen eines Battle Damage Assessments aufklären und zuordnen . Jetzt müssen wir feststellen: Es sind alle NATO-Partner beteiligt . Es gibt einen politischen Beschluss, der besagt: „Wir treten formell bei“ - was auch immer das heißt . Aber bei der Verantwortung für die Auswirkungen des militärischen Handelns am Boden schleicht man sich im Kern heraus und lässt genau an dieser Stelle die NATO-Targeting-Richtlinien nicht zur Anwendung kommen . Das soll mir mal einer erklären! Warum hält die Bundesregierung das für angemessen? Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Targeting-Richtlinien künftig auch im Rahmen dieses sehr großen und sehr auswirkungsreichen Einsatzes beachtet werden?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Brauksiepe .

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Frau Kollegin Keul, ich betone noch einmal, dass sich die NATO-Beteiligung insbesondere auf die Unterstützung der Koalition mit AWACS-Flugzeugen bezieht, die sich an der Zielzuweisung nicht beteiligen; diese Unterstützung beinhaltet auch keine Feuerleitfunktion . Das heißt ja nicht, dass es für die Staaten, die in dem Gebiet gegen den IS operieren, keine Regeln, keine Richtlinien für den Einsatz gibt . Die Richtlinien, die für die OIR-Mitgliedstaaten, für die an dieser Koalition Beteiligten gelten, unterscheiden sich materiell nicht besonders von den Richtlinien der NATO oder den Verpflichtungen, die sich jeder einzelne Mitgliedstaat auferlegt hat . Alle Koalitionäre der Anti-IS-Koalition sind ja in diese Koalition gegangen, um das barbarische, menschenrechtswidrige Verhalten des IS zu stoppen und ausdrücklich das Völkerrecht einzuhalten . Das ist das klare Ziel jedes Koalitionsmitglieds, das ist das klare Ziel der Koalition als Ganze, und das ist natürlich auch das klare Ziel der NATO und der Europäischen Union, soweit sie als Bündnisse auch Teil dieser Koalition sind . Noch einmal: Die NATO-Targeting-Richtlinien brauchen hier keine Anwendung zu finden, weil sich die eigentliche Unterstützung der NATO auf den Einsatz der AWACS-Flugzeuge bezieht . Sie haben in Ihrer Frage nicht zu Unrecht deutlich gemacht: Es ist nicht zuletzt eine politische Entscheidung, dass sich die NATO hier als solche beteiligt . Es hat jedoch keine unmittelbaren militärischen Konsequenzen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank . - Rückfrage? - Gut . Frau Keul, bitte .

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich finde es immerhin beruhigend, zu hören, dass es bei OIR überhaupt Targeting-Richtlinien gibt . Ich weiß nicht, inwieweit sie uns Parlamentariern zur Verfügung gestellt werden können, gegebenenfalls vielleicht in der Geheimschutzstelle . Dass sie sich nicht so sehr unterscheiden sollen, wundert mich jedoch ein bisschen; denn ich habe noch nie erlebt, dass im Rahmen eines NATO-Einsatzes jeder Bündnispartner für sich sagt: Ich habe keine Ahnung, was die anderen machen; damit habe ich nichts zu tun . - Dass jeder hier sich sozusagen selbst der Nächste ist, das scheint mir doch ein ganz gravierender Unterschied zu einem NATO-Einsatz zu sein . Bei meiner zweiten Frage möchte ich auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes Bezug nehmen, das wir zur Frage der Verantwortung Deutschlands im Hinblick auf das humanitäre Völkerrecht beim Einsatz in Syrien angefragt hatten . Da heißt es in der Schlussfolgerung, bei den Empfehlungen und Vorschlägen auch für die Bundesregierung: In der Praxis könnte sich Deutschland etwa mittels einer Beobachterrolle in den targeting-Prozess einschalten, um sich etwa über die Verwendung der Aufnahmen beim targeting zu informieren und sich dabei von der Einhaltung der Vorsichtsmaßnahmen nach Art. 57 ZP 1 GK - in diesem Artikel des Zusatzprotokolls zu der Genfer Konvention geht es bekanntermaßen um die Vermeidung ziviler Opfer zu überzeugen. Letztlich könnte Deutschland rechtlich gehalten sein, die weitere Aufklärungsunterstützung für die Operation „Inherent Resolve“ unter einen entsprechenden Vorbehalt zu stellen. Meine Frage wäre jetzt: Wie viele weitere Eskalationen wollen wir noch abwarten, bevor wir hier über einen solchen Vorbehalt diskutieren?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Dr . Brauksiepe, bitte .

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Frau Kollegin, ich weise die Unterstellung, es gäbe hier weitere Eskalationen, deutlich zurück . Ich sage noch einmal in Bezug auf die Targeting-Richtlinien: Dies ist eben kein NATO-Einsatz, sondern der Einsatz der Anti-IS-Koalition. Ein NATO-Einsatz findet zum Beispiel in Afghanistan oder im Kosovo statt . Dies ist aber kein NATO-Einsatz, sondern die NATO ist dieser Koalition beigetreten . - Das zur Relevanz von NATO-Targeting-Richtlinien . Zu dem Gutachten will ich deutlich feststellen: Das Gutachten unterstellt der Bundesregierung keinesfalls eine Rechtsverletzung . Im Ergebnis geht es darum: Wenn die Bundesregierung davon ausgehen müsste, dass sich ihre Partner hier völkerrechtswidrig verhielten, dann wäre sie natürlich auch in der Verantwortung, das ihr Mögliche zu tun, um völkerrechtswidriges Verhalten zu unterbinden . Aber ich sage noch einmal in aller Deutlichkeit: Wir haben nicht den geringsten Anhaltspunkt, zu vermuten, dass sich einer unserer Partner in völkerrechtswidriger Weise verhält . Da ich aufgrund Ihrer öffentlichen Äußerungen mit dieser Nachfrage rechnen konnte, darf auch ich aus dem Gutachten zitieren . Es wird auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes verwiesen - ich zitiere -, in welchem er eine Zurechnung völkerrechtswidriger unerlaubter Handlungen eines anderen Bündnispartners grundsätzlich verneinte und eine deutsche Amtshaftung für Kriegsschäden aus eben diesem Grund ablehnte . An späterer Stelle heißt es im Zusammenhang mit notwendigen Maßnahmen, die ein Bündnispartner zu leisten hat - in diesem Fall die Bundesrepublik Deutschland -: Ein abstraktes Wissen um das allgemeine Risiko, dass bei Militäreinsätzen auch „etwas schiefgehen“ und dabei Zivilisten ums Leben kommen können, vermag eine Mitverantwortung des Unterstützerstaats gegenüber den Folgen der Militäroperation nicht zu begründen. Also noch einmal: Die Bundesregierung trifft hier keinerlei Versäumnis in formaler Weise, und es gibt überhaupt keinen Grund zu der Annahme, dass sich hier irgendein Koalitionspartner völkerrechtswidrig verhält . Die Bundesregierung und die gesamte Anti-IS-Koalition bedauern jedes zivile Opfer . Ich sage noch einmal: Es ist die Terrororganisation IS, die durch ihr Verhalten zivile Opfer provoziert .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ich darf die Kollegen auf allen Bänken bitten, sich an die Regeln zu halten, und die Regel lautet: eine Minute . Jetzt hat sich noch Kollege Kekeritz zu einer Zusatzfrage gemeldet, und dann kommen noch zwei Kollegen von der Linken .

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich bin etwas erschrocken ob Ihrer diversen Aussagen . Ich möchte Sie insbesondere fragen: Was verstehen Sie unter „Eskalation“? Wenn wir heute hören, dass bereits bis zu 500 Tote zu verzeichnen sind, Sie aber sagen: „Das ist noch keine Stufe der Eskalation, die ein entsprechendes Verhalten der Bundesregierung nach sich ziehen müsste“, dann frage ich mich: Wann ist eigentlich die Schwelle erreicht, dass Sie tatsächlich nachfragen? Außerdem halte ich es schon irgendwie für zynisch, dass Sie das Verhalten des IS verwenden, um von der eigentlichen Problematik abzulenken, die von meinen Kolleginnen und Kollegen vorgetragen wurde . Sie können doch das eine nicht mit dem anderen aufrechnen . ({0}) Wir sind sehr wohl der Meinung, dass der IS sich menschenunwürdig verhält und dass das absolut zu kritisieren ist; aber daraus die Legitimation abzuleiten, nichts hinsichtlich der 500 zivilen Toten, die durch die Luftbombardements zu verzeichnen sind, zu unternehmen, das halte ich für absolut daneben . Mich würde im Übrigen interessieren, inwieweit Sie tatsächlich glauben, dass die Bombardements zu einer Stabilisierung in diesem Gebiet beitragen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Brauksiepe .

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Herr Kollege, nach den mir vorliegenden Informationen sind, wie auf der Internetseite der Operation Inherent Resolve mit Stand 2 . Juni nachzulesen ist, mindestens 484 tote Zivilisten zu beklagen . Mein Zweifel, das als Eskalation zu bezeichnen, hat etwas damit zu tun, dass ich nicht bestätigen kann - dann könnte man mit Recht von Eskalation sprechen -, dass es beispielsweise jahrelang überhaupt keine Toten gegeben hat und nun auf einmal sehr viele zivile Opfer gibt . Ich wiederhole noch einmal: Es gibt das Battle Damage Assessment, das die Koalition durchführt, um festzustellen, ob es zivile Opfer gegeben hat . Das wird untersucht in jedem Fall, bei dem diese Gefahr besteht . Die Untersuchungen sind in vielen Fällen eben noch nicht abgeschlossen . Sie dauern meines Wissens rund 30 Tage . So ist beispielsweise die Untersuchung zu dem in der vorherigen Frage angesprochenen Vorfall nach meiner Kenntnis noch nicht abgeschlossen . Von daher kann ich das, was hier als Eskalation bezeichnet worden ist, so nicht bestätigen . Ich sage noch einmal: Wir bedauern jedes zivile Opfer, wir bedauern unter anderem aber auch alle zivilen Opfer, die es durch das barbarische Verhalten des IS gegeben hat, bevor sich die Koalition gebildet hat .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Eine Minute! Das gilt auch bitte für Sie, Herr Dr . Brauksiepe, außer bei der Beantwortung der schriftlich gestellten Frage; da stehen Ihnen zwei Minuten zur Verfügung . Ich rufe die Frage 10 der Kollegin Christine Buchholz auf: Wie erklärt die Bundesregierung den Widerspruch, dass das Bundesverteidigungsministerium in der Antwort vom 17 . Mai 2017 auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke über „Luftangriffe der US-geführten Koalition in Syrien und im Irak“ ({0}) erklärt, es lägen „keine eigenen Erkenntnisse zur Anzahl durch Luftangriffe der internationalen Anti-IS-Koalition ums Leben gekommenen Kämpfer der Terrororganisation Islamischer Staat vor“, das Auswärtige Amt hingegen in der Antwort vom 18 . Mai 2017 auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke über „Hintergründe zum Einsatz von Minen und Sprengfallen im Krieg im Irak und in Syrien“ ({1}) eine exakte Angabe in vierstelliger Höhe über die Zahl der „im Rahmen der Bombardierung und Erstürmung der irakischen Stadt Mossul im Jahr 2017“ getöteten Kombattanten in der Geheimschutzstelle den Abgeordneten zur Einsicht vorlegen kann?

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Frau Kollegin, nach Auffassung der Bundesregierung liegt hier kein Widerspruch vor . Die beiden Fragestellungen unterscheiden sich erheblich, sowohl in ihrem Zeithorizont als auch in ihrem geografischen Schwerpunkt. Frage 14 der Kleinen Anfrage zu den Hintergründen zum Einsatz von Minen- und Sprengfallen im Irak und in Syrien behandelt die Anzahl der - ich zitiere - „im Rahmen der Bombardierung und Erstürmung der irakischen Stadt Mossul im Jahr 2017“ ums Leben gekommenen Kombattanten . In Frage 16 der Kleinen Anfrage zu den Luftangriffen der US-geführten Koalition wird die Anzahl der infolge von Luftangriffen der US-geführten Koalition in Syrien und im Irak bis zum 1 . April 2017 getöteten Kämpfer des „Islamischen Staates“, IS, erfragt . Lediglich zur ersten, deutlich enger gefassten Frage, der Frage 14, lagen der Bundesregierung entsprechende nachrichtendienstliche Informationen vor . Diese Informationen wurden aus Gründen des Staatswohls als Geheim eingestuft und für die Abgeordneten in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Brauksiepe . - Frau Buchholz .

Christine Buchholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004022, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich möchte noch einmal nachfragen . Der Kern der Frage ist ja, dass es offensichtlich unterschiedliche Einschätzungen im BMVg und im Auswärtigen Amt darüber gibt, wie viele Kombattanten im Rahmen dieses Krieges, dieser Operation getötet werden . Das ist ja wichtig für die politische Einschätzung, auch bezogen auf die Wirkung der Operation . Die USA sind 2014 von 3 000 bis 5 000 IS-Kämpfern ausgegangen . In seiner Abschiedsrede sprach Obama aber von Zehntausenden . Man muss sich doch die Frage stellen, wie viele Kombattanten bei der Operation, an der auch die Bundeswehr beteiligt ist, getötet wurden und wie sich die Zahl entwickelt . Auf diesen Widerspruch zielt diese Frage . Ich frage Sie hier: Wie erklären Sie sich, dass die Zahl nach mehreren Jahren dieser Operation offensichtlich erheblich ist, und welche Konsequenzen hat das für die Beteiligung Deutschlands an der Operation Inherent Resolve?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Brauksiepe, bitte .

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Frau Kollegin, ich kann mich nur wiederholen: Die Bundesregierung sieht diesen Widerspruch nicht . Es gibt hier keinen Widerspruch zwischen Auswärtigem Amt und Bundesministerium der Verteidigung . Ich darf zum besseren Verständnis die beiden Fragen, um die es hier geht, vorlesen . Die eine Frage lautete: Wie viele Kombattanten sind im Rahmen der Bombardierung und Erstürmung der irakischen Stadt Mossul im Jahr 2017 nach Kenntnissen der Bundesregierung ums Leben gekommen? Die andere Frage lautete: Wie viele Kämpfer des „Islamischen Staats“ ({0}) sind nach Kenntnis der Bundesregierung infolge von Luftangriffen der US-geführten Koalition bis zum 1 . April 2017 getötet worden ({1})? Da gibt es also beispielsweise keine regionale Konzentration auf Mossul wie in der anderen Frage . Nur insoweit die Bundesregierung über nachrichtendienstliche Erkenntnisse verfügt, haben wir geantwortet . Die Antwort haben wir in der Geheimschutzstelle hinterlegt . Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich zu dem, was dort als Geheim eingestuft hinterlegt ist, hier nicht öffentlich Stellung nehme .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Buchholz, haben Sie eine Rückfrage?

Christine Buchholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004022, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja . - Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie auf meine Frage, wie es zu unterschiedlichen Einschätzungen in den beiden Ministerien kommt, nicht antworten wollen . Ich will noch eine aktuelle Frage hinzufügen, die für die Einschätzung insgesamt wichtig ist: Die russische Regierung hat kürzlich erklärt, dass alle Flüge der US-geführten Koalition westlich des Euphrats - dazu gehört auch das Mandatsgebiet der Operation Counter Daesh - als feindliche Flugbewegung eingestuft werden . Die australische Luftwaffe hat ihren Einsatz daraufhin eingestellt . Wird diese Entwicklung auch Konsequenzen für die Aufklärungs- und Betankungsflüge der deutschen Luftwaffe haben?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Brauksiepe .

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Frau Kollegin, ich wiederhole es noch einmal: Ich kann zu Meinungsunterschieden, die es nicht gibt, keine Stellung nehmen . Deswegen weise ich die Unterstellung, ich hätte Ihre Frage nicht beantwortet, zurück . Es gibt diese Meinungsunterschiede nicht . Was die von Ihnen angesprochene aktuelle Entwicklung angeht, sage ich: Die Bundesregierung ist sehr daran Vizepräsidentin Claudia Roth interessiert, dass ein Deconflicting weiterhin stattfindet. Die Bundesregierung ist fest davon überzeugt, dass dies nicht nur im gemeinsamen Interesse der Anti-IS-Koalition ist, sondern auch im Interesse Russlands . Zum jetzigen Zeitpunkt ist mir von Konsequenzen für das Verhalten der mandatierten deutschen Soldaten nichts bekannt .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Die letzte Frage in dieser Fragestunde stellt Frau Keul zu der Frage von Frau Buchholz .

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe nur eine ganz kurze Nachfrage: Fliegen die Tornados auch östlich des Euphrat?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Brauksiepe .

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Frau Kollegin, die Tornados fliegen über dem IS-Gebiet . Das ist das mandatierte Gebiet . Ich bitte um Entschuldigung, dass ich jetzt die Lage verschiedener Flüsse im Verhältnis dazu nicht im Kopf habe, aber das kann ich gerne nachreichen . Ich habe jetzt die Karten nicht hier .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Damit schließe ich die Fragestunde . Alle weiteren Fragen werden schriftlich beantwortet . Ich bedanke mich bei Ihnen und übergebe mit großer Freude an unseren Präsidenten .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Meine Damen und Herren, ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 3 sowie den Zusatzpunkt 1 auf: 3 . Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus Drucksache 18/11970 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({0}) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik folgenabschätzung Ausschuss für Kultur und Medien ZP 1 Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker Beck ({1}), Monika Lazar, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Antisemitismus entschlossen bekämpfen Drucksache 18/12784 Ich möchte auf der Ehrentribüne zu diesem Tagesordnungspunkt im Namen des ganzen Hauses sehr herzlich die Mitglieder des Unabhängigen Expertenkreises begrüßen . Ich freue mich, dass Sie dieser Aussprache beiwohnen . ({2}) Insbesondere danke ich Ihnen natürlich für Ihre Mitwirkung am Zustandekommen dieses Berichts . Mit der Einladung an Sie möchten wir auch deutlich machen: Das ist in der Abfolge der vielen Tagesordnungspunkte der zweitletzten Sitzungswoche des Bundestages in der laufenden Legislaturperiode auf den ersten Blick natürlich einer von vielen Beratungspunkten; aber es ist nicht irgendeiner . Diesem Parlament ist das Thema Antisemitismus aus nicht weiter erläuterungsbedürftigen Gründen ein dauerndes und besonders ernsthaftes Anliegen . Wir haben gerade in dieser Legislaturperiode mehrfach - nicht nur durch die Beschäftigung dieser Kommission, sondern auch durch die Organisation internationaler Konferenzen hier in Berlin und anderswo - deutlich gemacht, welchen Stellenwert diese Frage für uns hat . Deswegen danke ich an dieser Stelle - ich möchte das nicht im Laufe der Debatte jeweils einzeln tun - den Kolleginnen und Kollegen ganz besonders herzlich, die sich diesem Thema mit einer bewundernswürdigen Konsequenz nun über viele Jahre widmen . ({3}) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . - Das ist offensichtlich einvernehmlich . Dann können wir so verfahren . Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst für die Bundesregierung dem Parlamentarischen Staatssekretär Günter Krings .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Auch ich begrüße die anwesenden Mitglieder des Expertengremiums sehr herzlich . Die Bekämpfung des Antisemitismus in all seinen Facetten ist unstreitig Konsens unter allen demokratischen Kräften in Deutschland, und es ist gut, wenn dies im Übrigen für alle Formen des Extremismus gilt . Der gemeinsame Kampf gegen Antisemitismus und Extremismus ist eine Selbstverständlichkeit und sollte es auch immer sein . Ja, ich würde sogar so weit gehen, zu sagen: Gerade der Kampf gegen Antisemitismus gehört zur Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland . ({0}) Der aktuelle Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus, den wir heute diskutieren, weist uns darauf hin, wie vielfältig und leider auch wie verbreitet das Phänomen Antisemitismus nach wie vor ist . Antisemitismus findet sich quer durch alle Gesellschaftsschichten und ist ein zentrales Merkmal des rechtsextremistischen Spektrums, aber eben nicht nur . Prävention und Interventionsmaßnahmen müssen sich darauf noch stärker einstellen . Eine wichtige Grundlage für solche Maßnahmen bildet der Expertenkreis Antisemitismus mit seinem nunmehr vorgelegten umfangreichen Bericht . Eingerichtet wurde er durch den Bundesminister des Innern aufgrund eines fraktionsübergreifenden Bundestagsbeschlusses in Abstimmung mit allen im Bundestag vertretenen Fraktionen . Die Konstituierung des Expertenkreises erfolgte im Januar 2015 mit logistischer und finanzieller Unterstützung des Bundesinnenministeriums . Der Großteil der eingesetzten finanziellen Mittel ist dabei in die Erstellung empirischer Expertisen geflossen, und genau da ist das Geld, wie ich meine, auch gut und richtig investiert . Für ihre Arbeit möchte ich den Expertinnen und Experten an dieser Stelle im Namen der Bundesregierung ausdrücklich danken . ({1}) Von besonderer Bedeutung sind für mich die Ausführungen des Berichts zu den Wahrnehmungen und Perspektiven der jüdischen Bevölkerung im Umgang mit Antisemitismus . Diese Erfahrungen mit Antisemitismus sind bitter und einer offenen Gesellschaft unwürdig ganz besonders unwürdig einer deutschen offenen Gesellschaft . Daher halte ich unter anderem die Handlungsempfehlung für wichtig, zukünftig jüdische Perspektiven und Expertisen in die verschiedenen Förderprogramme der Antisemitismusprävention und der politischen Bildung noch stärker einzubeziehen . Für das Bundesinnenministerium ist politische Bildung ohnehin ein ganz wesentliches Element der Prävention auch in diesem Bereich . Politische Bildung muss daher bereits dort ansetzen, wo es nicht um manifeste antisemitische Weltbilder, Handlungen oder gar Straftaten geht, sondern zunächst um Unwissenheit, Verunsicherung oder unreflektiertes Übernehmen von schlimmen Vorurteilen . Politische Bildung kann dann im besten Falle Einstellungsänderungen erzielen und Wertorientierungen vermitteln . Ihre Stärke liegt aber vor allem im Bereich der Vermittlung von Wissen und in der argumentativen Auseinandersetzung mit antisemitischen Denkmustern . Darin besteht ein wichtiger Teil von Prävention . Es gilt beständig: Antisemitismus geht uns alle an, die sogenannte Mehrheitsgesellschaft - oder wie immer man das umschreiben will - ebenso wie Zuwanderer und Flüchtlinge; er ist eben kein Thema nur für die Betroffenen . Überall dort, wo er auftritt, darf er nicht unwidersprochen bleiben; auch das ist ein wichtiger Punkt politischer Bildung . Politische Bildung als solche kann Zivilcourage nicht ersetzen - Zivilcourage ist nötig, wenn es um das Widersprechen geht -, aber politische Bildung kann das Rüstzeug dafür geben, dass man die Argumente hat, um mit Zivilcourage gegen antisemitische Thesen und Beleidigungen vorzugehen . Ein weiterer Punkt im Bericht des Expertenkreises ist die Forderung nach konsequenter Erfassung und Ahndung antisemitischer Straftaten . Antisemitismus ist immer auch ein Angriff auf die Grundwerte unserer demokratischen Ordnung und unserer offenen, pluralistischen Gesellschaft . Deshalb sind die Bekämpfung des Antisemitismus und die konsequente Verfolgung antisemitischer Straf- und Gewalttaten für den demokratischen Rechtsstaat Verpflichtung aus eigenem Anspruch. Dabei werden wir alle zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen . Auch wenn die Rechtsextremisten öffentlich heute hauptsächlich gegen Flüchtlinge agitieren, bleibt der Antisemitismus leider fester Bestandteil ihrer rechtsextremistischen Hetze . Aber es gibt auch einen islamistischen Antisemitismus, der das Existenzrecht Israels bestreitet und die Vernichtung Israels, je nach Ausrichtung und Radikalität, sogar offen fordert . Schließlich kommen auch in Kampagnen von Linksextremisten antisemitische Einstellungen vor, häufig unter der Überschrift „Israel-Kritik“, die berechtigt sein kann, teilweise aber nur als Deckmantel dient . Die Zahl der antisemitischen Straftaten ist nach einem Rückgang im Jahre 2015 im Jahre 2016 wieder angestiegen . Nach wie vor wird die weit überwiegende Zahl der antisemitischen Straftaten der politisch motivierten Kriminalität, PMK-rechts, zugeordnet . Wenn wir uns überlegen, was wir mit den empirischen Erkenntnissen, die wir, was die Daten und den Bericht anbelangt, zum Teil schon vorher hatten, machen, dann ist natürlich klar: Am Ende der Legislaturperiode ist dieser Bericht vor allem ein Hausaufgabenheft für den neuen, den 19 . Deutschen Bundestag und für die neue Bundesregierung . Zu Forderungen und Empfehlungen, die auf neue staatliche Funktionen und Strukturen abzielen, wird nach den Bundestagswahlen die neue Bundesregierung unter Berücksichtigung der Ergebnisse der parlamentarischen Debatte die notwendigen Entscheidungen treffen . So viel aber können wir schon jetzt sagen: Wir haben aufgrund unserer Geschichte in Deutschland eine ganz besondere Verantwortung gegenüber unserer jüdischen Bevölkerung . Die politischen Gefahren des Antisemitismus gehen nicht nur die jüdischen Menschen als unmittelbar Betroffene an, sondern auch die demokratische, freiheitliche Gesellschaft im Ganzen, meine Damen und Herren . Deshalb zielen unsere Präventionsmaßnahmen auch auf die gesamte Gesellschaft, und sie beziehen die Gesellschaft und die Zivilgesellschaft als wichtige Akteure mit ein . Der Bericht des unabhängigen Expertenkreises weist in diesem Sinne den richtigen Weg . Deshalb will ich zum Schluss nochmals seinen Autoren Dank sagen . Ich will aber auch den Berichterstattern aus allen Bundestagsfraktionen, die die Arbeit der Expertenkommission parlamentarisch begleitet haben, Dank sagen . Vielen Dank . ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Petra Pau ist die nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke . ({0})

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Expertinnen und Experten! Ein Satz vorab: Wir reden über Artikel 1 Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar .“ Wohlgemerkt: aller Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Kultur oder ihrer Religion . ({0}) So weit das Gebot. Im Alltag sieht es häufig anders aus - viel zu häufig. Angriffe gegen Jüdinnen und Juden, verbal und tätlich, gehören dazu . Umso wichtiger ist diese Plenardebatte, und umso weniger darf sie folgenlos bleiben . ({1}) Antisemitismus ist eine menschenverachtende Ideologie . Sie erniedrigt Menschen nur, weil sie Jüdinnen und Juden sind . Die Nazis trieben sie zum Exzess, zum Völkermord, zum Holocaust . Ein Mahnmal unweit von unserem Parlament erinnert an diese deutsche Schande zu Recht, zumal der Antisemitismus nicht aus der Welt ist, auch hierzulande nicht . Es gibt ihn am rechten Rand, aber auch inmitten der Gesellschaft . Das wollen und dürfen wir nicht hinnehmen . Ich habe mich auch an die Vorgeschichte unserer heutigen Debatte erinnert . Im Jahr 2008 begingen wir den 70 . Jahrestag der Reichspogromnacht, und es hatte sich eine interfraktionelle Arbeitsgruppe mit Vertretern aller Fraktionen zusammengefunden, weil wir von dem schlimmen Befund alarmiert waren, dass in der Bundesrepublik wöchentlich ein jüdischer Friedhof geschändet wurde . Wir waren uns einig, dass der Kampf gegen Antisemitismus keine parteipolitischen Scharmützel verträgt . Damals gab es sie dennoch . Sie haben niemandem genutzt . Umso mehr freue ich mich - und dafür plädiere ich heute auch noch einmal - über die jetzige Weitsicht, Vernunft und Gemeinsamkeit in dieser Frage . Ein Ergebnis der damaligen Debatten war, dass der erste Bericht zu diesem Thema bei einer Expertenkommission in Auftrag gegeben wurde . Heute reden wir über den zweiten Bericht . Nach ihm folgen 24 bis 40 Prozent aller Bürgerinnen und Bürger - je nachdem, ob man die klassischen Klischees oder den Antisemitismus anlegt, der sich auf Israel bezieht - antisemitischen Positionen . Deshalb möchte ich hier noch einmal betonen: Unter dem Strich ist es egal, ob Jüdinnen und Juden als Weltverderber denunziert oder für die Politik Israels in Haft genommen werden . Beides ist nicht hinnehmbar . ({2}) Es gibt aber beides . Übrigens: Kein anderes Volk, keine andere Kultur und keine andere Religion unterliegt einer solchen Pauschalnegation wie die Jüdinnen und Juden durch den Antisemitismus . Das ist irrational, und die Folgen sind fatal . Gleichwohl muss ich einfügen: Dieser furchtbaren Pauschalablehnung droht aktuell eine ebenso schlimme Kopie, nämlich die Ablehnung gegenüber den Musliminnen und Muslimen, deren Herkunft, Kultur und Religion . Insofern reden wir heute umso drängender darüber, ob und wie Artikel 1 des Grundgesetzes Bestand haben kann . ({3}) Heute wird natürlich jede Fraktion den Bericht loben . So weit, so gut . Ob das bei den Forderungen, die Sie erheben, ebenso ist, wird sich zeigen . Ich möchte hier auf fünf Vorschläge eingehen . Erstens . Der Expertenkreis plädiert für einen Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung . Er soll im und aus dem Bundeskanzleramt ein Gesamtkonzept gegen Antisemitismus befördern, die nötigen Initiativen zwischen den verschiedenen Ministerien und die Aktivitäten zwischen dem Bund und den Ländern koordinieren . Die Linke stimmt diesem Vorschlag zu . Allerdings füge ich an: Meine Vorstellungen gehen weiter . Spätestens aus der NSU-Nazimordserie und dem dazugehörigen Versagen nicht nur des Staates wissen wir: Wir haben in der Bundesrepublik ein grundsätzliches Problem mit Rechtsextremismus, mit Rassismus und Antisemitismus . Deshalb plädiere ich seit längerem für eine Beauftragte des Bundestages für Demokratie und Bürgerrechte, ({4}) zumal es schwer einsehbar ist, dass wir einen Beauftragten für Menschenrechte haben, der weltweit unterwegs ist, aber zu Hause, wo die Probleme zunehmen, eine gefährliche Leerstelle lassen . Zweitens . Es wird eine ehrliche und transparente Erfassung aller antisemitischen Vorfälle und deren juristischer Ahndung, soweit das strafrechtlich geboten ist, gefordert . Was so selbstverständlich klingt, beschreibt ein anhaltendes Problem: Die offiziellen Statistiken stapeln noch immer tief, sowohl bei rechtsextremen und rassistischen als auch bei antisemitischen Straf- und Gewalttaten . Drittens . Es gibt zahlreiche zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich vor Ort und in ihrer Region für Demokratie und Toleranz und gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus engagieren; das wird auch vom Expertenkreis gewürdigt . Zugleich machen sie auf ein bekanntes Problem aufmerksam: Die Fördermittel wurden zwar finanziell aufgestockt, aber sie gelten eben immer noch in Jahresscheiben . Das ist kurzsichtig; denn im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus braucht es einen langen Atem . Viertens . Es wird eine ständige Bund-Länder-Kommission vorgeschlagen, die sich mit diesem Problem befasst . Ich höre es schon wieder: Wenn du nicht mehr weiterweißt, bilde einen Arbeitskreis . - Aber ich glaube, das ist zu kurz gedacht . Noch immer werden Rechtsextremismus und Rassismus offiziell kleingeschwiegen. Zu allen möglichen Problemen gibt es ad hoc Kanzlergipfel, Krisentreffen und anderes . Aber in dieser Frage stehen Menschen- und Bürgerrechte auf dem Prüfstand . Das ist wichtiger . Fünftens. Ich finde, die Expertenkommission sollte ermutigt werden und sie sollte verstetigt werden, zumal sich neue Probleme zeigen . Ich will nur eins andeuten: Etliche Geflüchtete kommen aus Ländern, in denen Judenhass Staatsdoktrin ist . Sie wurden zu Antisemiten erzogen und haben vom Holocaust oft noch nie etwas gehört . Überhaupt rückt die Nazizeit für die nachwachsenden Generationen in weite Ferne . Dazu bedarf es nicht nur wissenschaftlicher Untersuchungen, sondern auch Empfehlungen . ({5}) Wir diskutieren - der Präsident hat darauf aufmerksam gemacht - diesen Bericht, wohl wissend, dass sich die Legislaturperiode dem Ende zuneigt. Aber ich finde, niemand hindert die Bundesregierung daran, die drängenden Empfehlungen der Kommission schon jetzt umzusetzen . Das gilt übrigens auch für Landesregierungen; denn eines bleibt: Wird eine Gruppe ihrer Würde beraubt, dann kann das alle treffen, und dann ist alles Gerede von unseren Werten hohl . Das will ich nicht . Ich denke, das wollen wir alle nicht . Deshalb sollten wir uns wehren . ({6}) Gestatten Sie mir noch einen Satz zum Schluss . Wir sprechen hier im Bundestag über Jüdinnen und Juden oft nur dann, wenn es um Handlungen gegen sie geht, wie das heute beim Thema Antisemitismus der Fall ist . Aber trotz Holocaust und trotz aktueller Probleme: Wir haben ein vielfältiges jüdisches Leben . Das bereichert uns alle . Das sage ich aus aktuellem Anlass . Volker Beck und ich durften am letzten Sonntag erleben, wie hier in Berlin eine deutsche Jüdin zur „konservativen“, wie sie sich selbst nennt, Rabbinerin ordiniert wurde . Ein wunderbares Ereignis - nicht nur für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland, sondern, wie ich denke, für uns alle . Danke . ({7})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Edelgard Bulmahn das Wort . ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000305, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Eine breite Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land lehnt Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus ab . Sie treten ein für Achtung und Toleranz gegenüber Menschen unterschiedlicher Überzeugung, unterschiedlicher Religion, unterschiedlicher kultureller Traditionen und unterschiedlicher Herkunft . Und welch ein Glück: Jüdisches Leben blüht wieder in Deutschland . ({0}) Synagogen werden eröffnet . Jüdische Kindergärten und jüdische Schulen werden eröffnet . Für viele ist Deutschland inzwischen wieder ein Magnet geworden . In Berlin leben Tausende von jungen Israelis . Sie kommen zum Studieren, zum Arbeiten, zum Leben in diese Stadt . Und welche Bereicherung ist das für uns alle! ({1}) Dennoch, liebe Kolleginnen und Kollegen: Antisemitismus, antisemitische Einstellungen und Überzeugungen sind in unserem Land, im Land der Täter, im Land der planmäßigen Auslöschung jeglichen jüdischen Lebens, noch immer verbreitet . Das hat der aktuelle Bericht des Expertenkreises Antisemitismus noch einmal ganz eindringlich vor Augen geführt . Ich möchte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den Sachverständigen ganz ausdrücklich für diesen wirklich hervorragenden Bericht danken . ({2}) Er zeigt, dass auch heute, 72 Jahre nach der Zerschlagung der NS-Diktatur, der Antisemitismus in Deutschland noch nicht überwunden ist . Die meisten von uns spüren das kaum, da sie persönlich nicht betroffen sind . Sie sind nicht Zeuge eines offenkundigen Antisemitismus oder versteckter Andeutungen, vermeintlicher Scherze . Der Antisemitismus liegt oft außerhalb unserer eigenen Erfahrungswelt, und doch ist er allgegenwärtig für Menschen jüdischen Glaubens . In unserem Land jüdisch zu sein, bedeutet, damit rechnen zu müssen, angepöbelt zu werden, beleidigt, geschmäht zu werden; es bedeutet, schon aufgrund seines Namens damit rechnen zu müssen, unflätige Telefonanrufe und Hass-E-Mails zu erhalten . Und jüdisch zu sein, kann in Deutschland auch bedeuten, in der Schule und unter Jugendlichen ausgegrenzt zu werden, gedemütigt zu werden oder sogar körperlich bedroht zu werden . Das alles erfährt man nicht nur aus den Gesprächen mit Betroffenen, sondern das bestätigen und unterstreichen sämtliche empirische Studien der letzten Jahre . 61 Prozent der Befragten, so eine Studie, geben an, dass der Antisemitismus für sie ein großes, ja sogar ein ziemlich großes Problem sei . Kein Zweifel: Der Antisemitismus in Deutschland ist für die jüdischen Deutschen ein Problem . Er ist aber kein Problem der jüdischen Bevölkerung . ({3}) Er ist das Problem unserer Gesellschaft und damit unser aller Problem . Wenn mit antisemitischen Ressentiments politische Stimmung gemacht wird, so wie das in einigen Parteien, zum Beispiel der AfD, geschieht, wenn Menschen beleidigt oder sogar angegriffen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann darf niemand wegschauen, dann darf niemand schweigen, und dann darf niemand so tun, als wenn Antisemitismus in unserem Land überwunden wäre . ({4}) Jede einzelne Tat und jeden einzelnen Vorfall sollten wir als das begreifen, was es ist: Sie sind ein Angriff auf unsere Demokratie, auf elementare Menschenrechte, auf unsere freiheitliche Gesellschaft und damit auch auf unsere Art, zu leben . ({5}) Wie wir damit umgehen, wie wir unsere Minderheiten, wie wir unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger schützen, das ist ein Gradmesser, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie ernst wir es mit der Verteidigung unserer werteorientierten Demokratie meinen und wie wichtig uns diese ist . ({6}) Es darf auch keine Entschuldigung geben mit dem Verweis darauf, dass in vielen Fällen Flüchtlinge, Menschen mit Migrationshintergrund oder Menschen, die zum Antisemitismus erzogen worden sind, verantwortlich seien . Unsere Verfassung gebietet es, die Würde aller Menschen in unserem Land zu schützen, gleich von wem oder wie sie bedroht wird . Vor allen Dingen dürfen wir mit dem Verweis auf diese Tätergruppen nicht über den erstarkenden Rechtspopulismus oder auch den Rechtsextremismus hinwegschauen, der vom gesellschaftlichen Rand in die Mitte der bürgerlichen Schichten hineinzusickern droht . Forderungen nach einer - Zitat - „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“ oder Aussagen, dass man die politische Korrektheit auf den Müllhaufen der Geschichte werfen sollte, sollten uns alle wachrütteln . ({7}) Sicherlich ist die Öffentlichkeit jedes Mal entrüstet, wenn Übergriffe bekannt werden, genauso wie wir jedes Mal eine Welle der Empörung über solche unsäglichen Beiträge der Höckes, Gedeons oder Weidels erleben . Aber ich frage mich immer wieder: Reicht das? Ich glaube, nicht; denn allzu oft erleben wir leider auch, dass das öffentliche Interesse nach kurzer Zeit wieder erlahmt . Das ist ein Problem . Diese Zyklen medialer Aufmerksamkeit gilt es zu durchbrechen; denn Antisemitismus ist kein historisches, kein punktuelles, sondern ein anhaltendes und ein aktuelles Problem . ({8}) Dabei geht es nicht nur um den traditionellen Antisemitismus - ich nenne ihn einmal so -, den Antisemitismus, den wir alle kennen, der religiös, rassistisch oder auch mit Verschwörungstheorien arbeitet . Der Antisemitismus ist heute vielschichtiger geworden . Er ist vielfach eng verknüpft mit anderen Diskriminierungsformen, auch mit gruppenspezifischem Rassismus, zum Beispiel dem, der sich gegen Muslime wendet . Er wird zudem stark durch den Konflikt Israels mit der arabischen Welt beeinflusst. Das erschwert auch die politische Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus der Gegenwart . Umso wichtiger ist heute diese Auseinandersetzung . Sicher, ich bestreite überhaupt nicht, dass Kritik an der Politik einer Regierung, sei es einer israelischen, einer palästinensischen oder einer deutschen, in einer Demokratie immer gerechtfertigt ist . Die ist nicht nur zulässig, die ist sogar notwendig . Aber wenn diese Kritik mit Diffamierung, mit Ausgrenzung und Angriffen auf einen ganzen Staat, eine ganze Bevölkerungsgruppe oder eine Bevölkerung einhergeht, dann ist das nicht mehr zulässig . ({9}) Antisemitische Einstellungen lassen sich allerdings nicht - das macht es so schwer - per Gesetz verbieten . Sie sind in den Köpfen der Menschen . Wenn wir den Antisemitismus nachhaltig bekämpfen wollen, dann müssen wir wissen, was Menschen für die dumpfen Parolen des Antisemitismus empfänglich macht . Wir müssen verstehen, wie der Boden für diese Einstellungsmuster bereitet wird, emotional, semantisch, symbolisch und mental . Wir müssen die Erscheinungsformen, die Strukturen, die Mechanismen und die Wirkungsweisen antisemitischer Einstellungen besser verstehen lernen, um sie besser bekämpfen zu können . Deshalb danke ich dem Expertenkreis ganz ausdrücklich, dass er uns den Handlungsauftrag gibt, mehr zu tun, mehr Forschung zu leisten, aber auch mehr in der Umsetzung zu erproben . ({10}) Wir brauchen ausreichendes Wissen über diese Zusammenhänge, wir brauchen aber auch eine kontinuierliche Berichterstattung, eine kontinuierliche Beobachtung, die systematisch ist . Auch das ist eine wichtige Empfehlung . Es zeichnet im Übrigen diesen Bericht aus, dass er nicht nur eine wissenschaftliche Analyse darstellt, sondern dass er ganz konkrete Handlungsempfehlungen an die Politik und an die Gesellschaft gibt . Ich kann für die SPD-Fraktion sagen, dass wir diese Handlungsempfehlungen ausdrücklich unterstreichen . Wir wollen, dass diese Handlungsempfehlungen zügig und sehr konkret umgesetzt werden . ({11}) Das ist nämlich ein Handlungsauftrag nicht nur für diese Legislaturperiode, sondern auch für die nächste . Erlauben Sie mir, dass ich auf einen Punkt noch ganz kurz eingehe, der sich quer durch die Empfehlungen zieht . Der Expertenkreis weist zu Recht auf ein Grundproblem unserer Aktivitäten zur Bekämpfung des Antisemitismus hin, nämlich auf die mangelnde Kontinuität unserer Anstrengungen . Die Bekämpfung des Antisemitismus ist eine dauerhafte Aufgabe . Dem tragen die bestehenden Strukturen nicht ausreichend Rechnung . Wir müssen deshalb endlich eine dauerhafte Grundlage für eine zuverlässige und sichere Finanzierung dieser so wichtigen Arbeit erreichen, zum Beispiel mithilfe eines Demokratiefördergesetzes oder der Einrichtung einer Organisation, wie wir sie beispielsweise im Zusammenhang mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft geschaffen haben . Wir brauchen einen Weg, der die Zuverlässigkeit sicherstellt . Das ist zwingend geboten . ({12}) Als ich vor mehr als 30 Jahren, im Jahr 1987 - so lange ist das her -, zum ersten Mal in den Deutschen Bundestag gewählt wurde, da war es gerade einmal zwei Jahre her, dass der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker den 8 . Mai 1945 als Tag der Befreiung vom menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft würdigte . In dieser Rede wies er zugleich auf die historische Verantwortung der heute und künftig in Deutschland Lebenden hin, damit nie wieder geschieht, was niemals hätte geschehen dürfen . Den heutigen Feinden der Demokratie, der Freiheit, des Rechtes und des Gesetzes entschlossen und wirksam und vor allem rechtzeitig entgegenzutreten, das sind wir den Millionen Opfern des nationalsozialistischen Regimes und der Gewaltherrschaft schuldig . Das sind wir aber auch uns und den künftigen Generationen schuldig . ({13}) Als Demokraten in einer demokratischen Gesellschaft tragen wir heute die Verantwortung dafür, dass unsere Demokratie blüht, dass sie sich fortentwickelt . Wir müssen sie gegen Angriffe verteidigen . Der Antisemitismus ist eine Kampfansage an uns alle, an unsere Werte, an unsere Demokratie und an unsere Freiheit . Es ist unsere Verantwortung, dafür zu sorgen, dass Deutschland ein weltoffenes Land bleibt, in dem Menschen unterschiedlicher Herkunft sowie unterschiedlicher religiöser und politischer Überzeugungen friedlich zusammenleben können . Deshalb, liebe Experten, ist dieser Bericht auch ein Handlungsauftrag für uns alle . Vielen Dank . ({14})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Liebe Kollegin Bulmahn, das könnte Ihre letzte Rede im Deutschen Bundestag gewesen sein, was auch deswegen besondere Erwähnung verdient, weil Sie am Ende dieser Legislaturperiode stolze 30 Jahre diesem Haus angehören . Das ist eine gute Gelegenheit, Ihnen für die vielfältige und vielseitige Arbeit zu danken, die Sie in ganz unterschiedlichen Funktionen über einen so langen Zeitraum wahrgenommen haben: in der Fraktion, im Parlament, als Vorsitzende und stellvertretende Vorsitzende von Fachausschüssen, als Ministerin in der Bundesregierung und zuletzt im Präsidium des Deutschen Bundestages . Ich möchte mich im Namen des Hauses, aber auch persönlich herzlich für die gute Zusammenarbeit bedanken und Ihnen alles Gute für die nächsten Jahre wünschen . ({0}) Volker Beck ist der nächste Redner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Der Antisemitismus ist das Gerücht über die Juden“, sagt Theodor Adorno . Dieses Gerücht ist weiter verbreitet, als viele wahrhaben wollen . Julius Schoeps schreibt: „Der Antisemitismus ist integraler Bestandteil der deutschen Kultur .“ Weiter sagt er: „Das Problem ist, dass in bestimmten Situationen antijüdische Bildvorstellungen aufbrechen und manifest werden .“ Das christliche Abendland hat seine antijüdischen Wurzeln in der christlichen Überwindungstheologie, die letztlich auf den Schultern des Apostels Paulus steht . Die Judensau an den mittelalterlichen Kirchen, so am Kölner Dom, die blinde Synagoge mit zerbrochenem Speer neben der Ecclesia triumphans am Straßburger Münster das Mittelalter ist voller kunsthistorischer Dokumente der Judenfeindschaft und der Substitutionstheologie, eine Abwertung des jüdischen Glaubens und Volkes . Und: Die deutsche Geistes- und Kulturgeschichte kennt viele antisemitische Größen: Luther, Kant, Wagner, Heidegger bis hin zum Hof- und Domprediger Adolf Stoecker am Berliner Dom und am Hofe des Kaisers . Deshalb hat Schoeps recht, und wir beginnen am besten damit, uns einzugestehen: Antisemitismus gehört zu unserem kulturellen Gepäck . - Wir werden den Dämon nur bändigen, wenn wir mit Reflexion, Aufklärung und Kritik aktiv gegen antisemitisches Denken, Reden und Handeln vorgehen . ({0}) Alle Bundestagsparteien haben dieses Problem mehr oder minder erkannt . Allein die AfD hat sich auf Anfragen der Expertenkommission nicht zurückgemeldet, und das bei einer Partei, die wie 1933 das Schächtverbot wiedereinführen will, einen Höcke in ihren Reihen hat, der eine 180-Grad-Wende in der Erinnerungskultur fordert, und einen Landtagsabgeordneten und Parteitagsdelegierten in ihren Reihen hat, der das auf Fälschungen beruhende antisemitische Pamphlet der Protokolle der Weisen von Zion für ein historisches Dokument hält . Meine Damen und Herren, nun zum Bericht . Der klassische Antisemitismus stagniert zwar in den letzten Jahren - das ist erst einmal ein beruhigender Befund -, doch der sekundäre und antiisraelische Antisemitismus ist auf erschreckend hohem Niveau . 26 Prozent der Menschen in unserem Land stimmen der Aussage zu: „Viele Juden versuchen, aus der Vergangenheit des Dritten Reiches heute ihren Vorteil zu ziehen .“ „Bei der Politik, die Israel macht, kann ich gut verstehen, dass man etwas gegen Juden hat“, sagen 40 Prozent . Insofern sind die Mehrheiten gegen den Antisemitismus nicht ganz so breit, wie es gerade in der Debatte geklungen hat . Von dem französischen Historiker Léon Poliakov stammt der Satz: „Israel ist der Jude unter den Staaten .“ Über das Existenzrecht keines anderen Staates debattiert man auf dieser Welt, nur beim jüdischen und demokratischen Staat findet man das diskutierbar. Antizionismus ist der Antisemitismus 2 .0 . Er ist der Brandbeschleuniger der Judenfeindschaft . Er gilt bei Teilen der Linken wie der Rechten wie in der Mitte der Gesellschaft als respektable politische Ideologie . Deshalb ist es wichtig, dass die Working Definition der International Holocaust Remembrance Alliance benennt - ich zitiere -: Das Absprechen des Rechts auf Selbstbestimmung des jüdischen Volkes und das Anwenden von Doppelstandards sind als Antisemitismus zu konstatieren . Ich will gestehen: Kürzlich sprach ich mit jemandem, den ich sehr schätze, der diese Sätze las und sagte: Wenn man das ernst nimmt, dann kritisieren wir auch die EU als antisemitisch . Das geht ja nicht . Das geht zu weit . - So sehr haben wir uns daran gewöhnt, Israel anders zu beurteilen und andere Maßstäbe an Israel anzulegen als an andere Staaten . Ich glaube, wir brauchen da eine vertiefte Diskussion, um mehr Sensibilität an den Tag zu legen . ({1}) Der Bericht hat drei wertvolle neue Bearbeitungsfelder, für die ich den Expertinnen und Experten auf der Zuschauertribüne ausdrücklich danken will . Er exploriert die jüdische Perspektive auf Antisemitismus . Die subjektive Wahrnehmung von Antisemitismus in unserer Gesellschaft durch Jüdinnen und Juden ist erschreckend . Ich kann das als Minderheitsangehöriger ein wenig nachvollziehen . Wenn viele von uns einmal einen antisemitischen Vorfall sehen, dann ist das eben nur einer . Für die Jüdin oder den Juden ist es vielleicht schon der dritte am Tag oder zumindest einer von mehreren in der Woche . Ein blöder Satz, eine dumme Bemerkung, ein Vorurteil - gar nicht böse gemeint -, aber es prägt die eigene Wahrnehmung der Umwelt . Der andere wichtige Ansatz dieses Berichts - an dem Ansatz müssen wir weiterarbeiten - exploriert das hohe Maß des Antisemitismus bei Flüchtlingen und liefert eine qualitative Studie bei Imamen . Er zeigt vor allem: Wir müssen genau hinschauen . Wir sehen: Der Antisemitismus ist je nach Herkunftsland ganz unterschiedlich ausgeprägt, er ist, anders als die Publizistik glauben machen will, oft gar nicht mit der Religion des Islam verbunden, sondern eher mit der Politik der Herkunftsländer . Wir brauchen hier mehr Forschung und Verständnis, damit wir darauf mit Aufklärung reagieren können statt mit Stigmatisierung und Ausgrenzung . Wir haben es in der Hand, diese Fragen demokratisch zu lösen, und wir haben auch die Verantwortung, dass über den Nahostkonflikt auch mit den Menschen, die zu uns gekommen sind, geredet werden muss, wenn wir wollen, dass aus antisemitischen Haltungen nicht antisemitische Handlungen werden . Hier sind politische Bildung und klare Haltung von unserer Seite gefragt . ({2}) Meine Damen und Herren, wenn wir diese Problematik ernst nehmen, dann ist es entscheidend, dass wir die fünf Forderungen, die die Antisemitismuskommission dem Bundestag und der Bundesregierung vorschlägt, unverzüglich anpacken . Die fünf Hauptforderungen sind: Berufung eines Antisemitismusbeauftragten und Verstetigung einer unabhängigen Kommission, die konsequente Erfassung antisemitischer Straftaten, die dauerhafte Förderung von Antisemitismusprävention und die dauerhafte Forschungsförderung sowie die Schaffung einer ständigen Bund-Länder-Kommission . Ich halte dies für absolut dringlich, wenn man sich das Umgehen der Bundesregierung, der Bundesländer und des Bundestages mit dem ersten Bericht der Expertenkommission anschaut . Wir haben es als Fraktion am Anfang und am Ende der Wahlperiode bei der Bundesregierung abgefragt . An manche zuständigen Stellen wurde der Bericht noch nicht einmal übersandt, geschweige denn, dass die Bundesregierung irgendwie weiß, was aus den Empfehlungen in den Ländern und in einzelnen Bereichen geworden ist . Meine Damen und Herren, dies kann nicht sein . ({3}) Deshalb brauchen wir jemanden, der sich zuständig fühlt . Und das ist eben nicht der Fall . Ich war immer gegen einen weiteren Beauftragten - jetzt auch noch zum Thema Antisemitismus . Aber wenn niemand die Arbeit macht, brauchen wir das offensichtlich . ({4}) Das Europäische Parlament hat das mit Ihren Parteifreunden beantragt und alle Mitgliedstaaten aufgefordert, hier dem Vorbild der EU-Kommission nachzufolgen und Antisemitismusbeauftragte in den Nationalstaaten einzurichten . Auch Ihre Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hat das gefordert . Ich meine, wir sollten hier unser Herz über die Hürde werfen . Meine Damen und Herren, zum Schluss: Wie schwer sich unsere Gesellschaft damit tut, Antisemitismus zu benennen, zeigen die Auseinandersetzung um die ARD-Dokumentation Auserwählt und ausgegrenzt: Der Hass auf Volker Beck ({5}) Juden in Europa und auch die etwas sonderbare Besetzungsliste bei Maischberger mit leichter Schlagseite .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielleicht kann es ja helfen, wenn man sich seines kulturellen Gepäcks bewusst wird, statt antisemitische Haltungen und Gedanken zu leugnen und kleinzureden . Wir dürfen bei der Bekämpfung des Antisemitismus nicht noch einmal versagen . Das sind wir der Verantwortung vor unserer Geschichte, das sind wir den Jüdinnen und Juden in Deutschland und in der Welt und unserer eigenen demokratischen Identität schuldig . ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Stephan Mayer das Wort . ({0})

Stephan Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Ich darf zu Beginn auch namens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion den Mitgliedern des Unabhängigen Expertenkreises von ganzem Herzen für die Erarbeitung und die Vorlage dieses äußerst interessanten, einblickgebenden und instruktiven Berichts danken . Dieser Bericht ist eine umfassende und detaillierte Bestandsaufnahme auf über 300 Seiten . Ich darf für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zusagen, dass dieser Bericht für uns über die heutige Debatte hinaus in die nächste Legislaturperiode hinein ein wichtiger Ratund Hinweisgeber sein wird . Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir können mit Selbstbewusstsein feststellen, dass Deutschland ein modernes, freies, weltoffenes und plurales Land ist . Auch wenn ich der festen Überzeugung bin, dass es falsch wäre, zu behaupten, dass in der Breite der deutschen Gesellschaft Antisemitismus verbreitet ist, müssen wir doch konstatieren, dass sich Antisemitismus in allen gesellschaftlichen Schichten wiederfindet, insbesondere aber am rechtsextremen und, sehr verehrte Frau Kollegin Pau, auch am linksextremen Rand . Die Bekämpfung und die Zurückdrängung des Antisemitismus sind eine Daueraufgabe für unsere Gesellschaft . Ich bin auch der festen Überzeugung, dass jeder von uns, egal wo er Verantwortung trägt, es den rund 200 000 Mitbürgerinnen und Mitbürgern jüdischen Glaubens, aber auch unserem Land insgesamt schuldig ist, an jeder Stelle gegen rassistische Ressentiments, gegen Vorurteile gegenüber Juden einzutreten . ({0}) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, der Bericht, über den wir heute debattieren, zeigt positive wie negative Aspekte auf . Ein durchaus erfreulicher Aspekt ist, dass der Antisemitismus in den letzten 15 Jahren in Deutschland insgesamt rückläufig ist. Der sogenannte klassische Antisemitismus findet sich im Jahr 2016 bei 6 Prozent der Bevölkerung; im Jahr 2002 war er noch bei 9 Prozent der deutschen Bevölkerung vorhanden . Erfreulich ist auch, dass es durchaus rückläufige Tendenzen beim sogenannten sekundären Antisemitismus gibt . Ich möchte aber doch ausdrücklich betonen, dass es uns keinesfalls zufriedenstellen kann, dass nach wie vor 26 Prozent der deutschen Bürgerinnen und Bürger der Aussage zustimmen, dass die Juden - ich zitiere - ihre Position als Verfolgte ausnutzen würden . Am stärksten ausgeprägt ist der sogenannte israelbezogene Antisemitismus . Bei 40 Prozent unserer Bevölkerung ist er vorhanden . Ich möchte ausdrücklich betonen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, dass es natürlich legitim ist und auch legitim sein muss, Kritik an der israelischen Regierung zu üben . Aber wenn diese Kritik als Deckmantel fungiert, um einen antisemitischen Bezug herzustellen, darf dies nicht akzeptiert werden und ist dies nicht hinnehmbar . ({1}) Es ist durchaus erfreulich, dass wir einen Rückgang des Antisemitismus in der älteren Bevölkerung feststellen . Es sollte uns aber mit Sorge erfüllen, dass der Antisemitismus in der jüngeren Bevölkerung nach wie vor stagniert . Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich komme zu antisemitischen Straf- und Gewalttaten . Deren Zahl ist nach wie vor - das möchte ich in aller Deutlichkeit betonen - viel zu hoch. Es gab nach offizieller Statistik im Jahr 2016 1 468 antisemitische Straftaten . Das ist zwar unter dem Durchschnitt der Straftaten seit dem Jahr 2001, aber - das sollte uns mit Sorge erfüllen über dem Durchschnitt der antisemitischen Straftaten seit 2010 . Es gibt zwar einen Rückgang bei den antisemitischen Gewalttaten - im vergangenen Jahr waren es 34, und nur in den Jahren 2001 und 2011 waren es in Deutschland weniger -; wir dürfen uns aber, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, nicht blenden lassen . Im Durchschnitt vier antisemitische Straftaten am Tag und im Durchschnitt drei antisemitische Gewalttaten im Monat sind deutlich zu viel . Ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass dies nur die offiziellen Zahlen sind und zu befürchten ist, dass das Dunkelfeld weitaus größer ist, weil nicht jede Straftat in diesem Bereich angezeigt wird . Eine besondere Zuwendung muss aus meiner Sicht der Antisemitismus unter Migranten erfahren . Um es hier deutlich zu sagen: Wir sollten uns vor jedweder Pauschalierung und Generalisierung hüten . Aber es ist auch im Lichte dieses Berichts als besorgniserregend festzustellen, dass überdurchschnittlich viele Migranten mit arabischem Hintergrund und aus nordafrikanischen Ländern zu Antisemitismus neigen . Wir dürfen es, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, nicht zulassen, dass antisemitische Stereotypen und Verschwörungstheorien massenhaft nach Deutschland importiert werden . Hier muss die Prävention ansetzen . Ich sehe dies auch Volker Beck ({2}) ausdrücklich als eine Aufgabe der Islamverbände und der Muslimvereine . Aus meiner Sicht muss es ferner ein zentraler Bestandteil der Integrationskurse für die nach Deutschland kommenden Migranten sein, dem Thema Kampf gegen den Antisemitismus einen großen Stellenwert beizumessen . Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, besonders besorgniserregend empfinde ich im Lichte dieses aktuellen Berichts die Gemütslage unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger jüdischen Glaubens . 83 Prozent der Befragten befürchten, dass der Antisemitismus in den nächsten Jahren etwas oder stark zunehmen wird . Über die Hälfte unserer jüdischen Mitbürger hat die Sorge, in den kommenden zwölf Monaten Opfer versteckter Andeutungen oder direkter verbaler Beleidigung zu werden . Sage und schreibe 37 Prozent unserer jüdischen Mitbürger befürchten, Opfer eines körperlichen Angriffs zu werden . Wir müssen diese Sorgen sehr ernst nehmen . Dieses Klima der Verunsicherung dürfen wir nicht hinnehmen . Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, der Kampf gegen den Antisemitismus ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe aller Regierungen - des Bundes und auch der Länder -, der Politik insgesamt, der Medien, der Schulen, der Universitäten, anderer Berufsbildungsträger, aber natürlich auch der Vereine und der Parteien . Ich nehme es sehr ernst, dass der Unabhängige Expertenkreis in seinem Bericht unter der Überschrift „Handlungsempfehlungen“ insbesondere an die AfD, aber auch an die Linke adressiert, in ihren Kreisen antisemitische Ressentiments zu bekämpfen und darauf hinzuwirken, dass sich diese nicht weiter ausbreiten . Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, es gibt viel zu tun . Ich möchte noch einmal ausdrücklich betonen, dass der Bericht, den wir heute debattieren, sowohl Licht als auch Schatten aufweist . Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in unseren Anstrengungen, Antisemitismus in Deutschland deutlich zurückzudrängen, nicht nachlassen dürfen . Dies wird auch in der nächsten Legislaturperiode einen hohen Stellenwert in der CDU/ CSU-Fraktion haben . Ich glaube, dass insbesondere den Themen Aufklärung und Wissensvermittlung in den Schulen, Vereinen und Integrationskursen eine Schlüsselfunktion zukommt . Wir sehen - das sage ich abschließend - in diesem Bericht durchaus Fortschritte und positive Entwicklungen, die es aus meiner Sicht zu würdigen gilt, die aber auch als Ansporn für einen weiteren Einsatz gegen nach wie vor bestehenden Antisemitismus und drohende negative Entwicklungen gelten müssen . Ich danke herzlich für die Aufmerksamkeit . ({3})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort nun der Kollegin Gabriele Fograscher für die SPD-Fraktion . ({0})

Gabriele Fograscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002653, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste auf der Besuchertribüne! Es war richtig, und es war notwendig, aber es war nicht selbstverständlich, dass wir in dieser Legislaturperiode einen zweiten Unabhängigen Expertenkreis Antisemitismus eingesetzt haben . Abgeordnete aller Fraktionen haben sich dafür eingesetzt - im Übrigen auch dafür, dass diese Debatte heute Nachmittag stattfindet. Die Ergebnisse des ersten Berichts sollten aktualisiert, die jüdische Perspektive einbezogen, Antisemitismus bei Zuwanderern untersucht und die Entwicklungen im Internet und in sozialen Medien in den Blick genommen werden . Nach zweijähriger Arbeit hat der Expertenkreis fünf zentrale Forderungen formuliert, zu denen ich aus Sicht der SPD jetzt Stellung nehmen will . Ich komme zunächst zur konsequenten Erfassung und Ahndung von Straftaten . Bisher gibt es keinen einheitlichen Kriterienkatalog zur Einordnung von antisemitischen Straftaten und Vorfällen . Deshalb schlägt der Expertenkreis vor, die Definition der Internationalen Allianz für Holocaust-Gedenken zu übernehmen . Einige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union nutzen diese Arbeitsdefinition bereits heute - Deutschland bisher offiziell nicht. Die Annahme dieser Arbeitsdefinition würde es erleichtern, Erkenntnisse bundesweit zu sammeln, die Dunkelziffer aufzuhellen und gesetzgeberische Maßnahmen sowie Hilfs- und Beratungsangebote zielgerichteter zu gestalten. Deshalb finden wir: Es ist Zeit, diese Arbeitsdefinition offiziell anzunehmen. ({0}) Weiterhin fordert der Expertenkreis die institutionelle Förderung von Präventionsprojekten . Auch dieses Anliegen unterstützen wir . In dieser Legislaturperiode ist es uns dank unserer ehemaligen Familienministerin Manuela Schwesig gelungen, die Mittel für Projekte der Zivilgesellschaft auf mehr als 100 Millionen Euro zu verdreifachen . Das Programm „Demokratie leben!“ fördert in einer eigenständigen Säule Projekte und Initiativen gegen Antisemitismus . Es läuft allerdings 2019 aus . Wir brauchen aber eine Verstetigung der Demokratieförderung . Deshalb wollen wir als SPD-Bundestagsfraktion ein Demokratiefördergesetz des Bundes, um die Strukturen der Präventionsarbeit langfristig und nachhaltig zu sichern . ({1}) Morgen werden wir den Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der staatlichen Parteienfinanzierung beschließen . Das bedeutet, dass Steuermittel in Höhe von mehr als 1,4 Millionen Euro nicht mehr für antisemitische und rassistische Hetze zur Verfügung stehen . Diese rund 1,4 Millionen Euro können wir zusätzlich in den Kampf gegen Antisemitismus investieren . ({2}) Stephan Mayer ({3}) Ein Großteil der Präventionsarbeit fällt in die Zuständigkeit der Länder . Dazu gehört die Sensibilisierung von Erzieherinnen und Erziehern sowie Lehrerinnen und Lehrern . Auch bei Polizei und Justiz - ebenfalls in der Zuständigkeit der Länder - braucht es mehr Aufklärung und Schulungen, um antisemitische Straftaten erkennen und entsprechend einordnen zu können . Deshalb unterstützen wir die Forderung des Expertenkreises nach der Schaffung einer Bund-Länder-Kommission, in der ein regelmäßiger Austausch über erfolgreiche Projekte und eine bessere Koordinierung der Programme stattfinden müssen . Damit Projekte auch zielgerichtet ausgelegt werden können, brauchen wir mehr Forschung . Damit meine ich auch die Einbeziehung von Sichtweisen sowohl der jüdischen als auch der nichtjüdischen Bevölkerung . Forschungsergebnisse, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, können auch dazu beitragen, Vorurteile zu beseitigen . Ich begrüße es, dass die Bundesbildungsministerin gerade heute angekündigt hat, 35 Millionen Euro in Forschungsprojekte gegen Extremismus zu investieren . Es wäre gut, wenn ein Teil der Mittel auch in die Antisemitismusforschung fließen würde. ({4}) Nicht nur der Expertenkreis fordert die Berufung eines Antisemitismusbeauftragten . Auch das Europäische Parlament hat in einer Entschließung am 1 . Juni dieses Jahres die Einsetzung eines Koordinators in den Mitgliedstaaten beschlossen . Wir müssen darüber diskutieren, wie und wo man einen Beauftragten oder eine Beauftragte installiert und welche Aufgaben er bzw . sie wahrnehmen soll . Es wird dem Thema nicht gerecht, wenn der oder die Beauftragte dem Bundestag einmal oder zweimal in der Wahlperiode einen Bericht vorlegt, den dieser zur Kenntnis nimmt . Auf jeden Fall brauchen wir im Parlament eine Arbeitsgruppe oder einen Unterausschuss, der sich kontinuierlich mit diesem Thema befasst . ({5}) Hier gibt es allerdings sicherlich noch viel Gesprächsbedarf . Für mich und meine Fraktion steht fest, dass wir eine Institution, am besten im Parlament, brauchen, die das Thema Antisemitismus kontinuierlich bearbeitet . Ich möchte allen Expertinnen und Experten für ihre kompetente, ausführliche und wichtige Arbeit danken . Hervorheben möchte ich, dass wir als Berichterstatterinnen und Berichterstatter der Fraktionen in regelmäßigen Abständen zu Besuch bei den Sitzungen des Expertenkreises waren . Wir wurden über den Sachstand der Arbeit umfassend informiert . Dafür meinen herzlichen Dank . ({6}) Die Grünen haben einen Antrag vorgelegt und verlangen, sofort darüber abzustimmen. Ich finde, das dient dieser Sache nicht . Wir werden für eine Überweisung plädieren . Das entspricht auch der Auffassung des Präsidenten des Zentralrats der Juden, der dies heute Morgen so formuliert hat . ({7}) Wir wollen das Verfahren nicht mit der Kenntnisnahme des Berichts abschließen, sondern ihn in die Ausschüsse zur Befassung geben . ({8}) Alle Fraktionen haben sich heute - so verstehe ich die Diskussion - darauf verständigt, den Bericht in der nächsten Wahlperiode wieder aufzurufen und zu beraten, um Maßnahmen zu beschließen, Antisemitismus effektiv zu bekämpfen . Deshalb werden wir die Überweisung nachher mehrheitlich beschließen . Ich danke für die Aufmerksamkeit . ({9})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Rednerin ist die Kollegin Barbara Woltmann für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Barbara Woltmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004447, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war letzte Woche in Israel, und ich war auch in Yad Vashem . Ich habe mich geschämt, und zwar darüber, dass unsere Vorfahren im Zweiten Weltkrieg, unter dem Naziregime, versucht haben, die Juden in Deutschland und in Europa auszurotten - Menschen wie du und ich, Nachbarn, Freunde . Viele unserer Großväter und Großmütter waren Täter oder Mitläufer . Nicht alle Deutschen waren das, aber viele - viel zu viele . Noch mehr schäme ich mich dafür, dass sich Antisemitismus in Deutschland nach über 70 Jahren immer noch breitmacht, in alter oder in neuer Form, zum Beispiel durch die schon angesprochene judenbezogene Israel-Kritik . All das zeigt der zweite Antisemitismusbericht in erschreckender Weise auf . Insofern ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe aller, dem entschieden entgegenzutreten . Dieser Verantwortung sind wir uns bewusst, und wir haben in dieser Legislaturperiode die Mittel für die Vielzahl vorhandener Förderprogramme für Extremismusbekämpfung und Demokratieförderung verdreifacht . An dieser Stelle möchte ich die Arbeit des Bündnisses für Demokratie und Toleranz und auch die Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung lobend erwähnen . Überrascht und auch erschreckt hat mich die Diskrepanz zwischen den unterschiedlichen Erfahrungswelten in der Bevölkerung: Die meisten Nichtjuden sehen Judenhass als historisch überwunden an . Sie reagieren mit Verharmlosungstendenzen und Einfühlungsverweigerung und sind sich dessen oft gar nicht bewusst . Für die große Mehrheit unserer jüdischen Mitbürger und MitbürGabriele Fograscher gerinnen ist Antisemitismus hingegen - meine Vorredner haben es schon erwähnt - eine alltägliche Erfahrung . Das betrifft nicht nur den Einzelnen, sondern immer auch seine gesamte Familie . Die Geschichte des gemobbten Friedenauer jüdischen Schülers, die wir alle aus den Medien kennen, ist eben kein Einzelfall . Ich habe in Oldenburg, meinem Wahlkreis, einen Religionsdialog mit verschiedenen Religionen vor Ort initiiert . Im letzten Dialog haben wir uns ausführlich über das Thema Antisemitismus ausgetauscht . Ein Vertreter der jüdischen Gemeinde hat die Aussage des Berichtes bestätigt, dass sie tagtäglich Antisemitismus ausgesetzt sind, seien es verbale Attacken oder auch mehr, meist sehr subtil und unterhalb der Strafbarkeitsschwelle . Diese Entwicklung sehe ich mit wachsender Sorge; denn der Antisemitismus reicht bis in die Mitte der Gesellschaft hinein . Aber Judenhass und seine Auswüchse dürfen kein Normalzustand, keine Alltagserfahrung sein - für niemanden . Der sogenannte klassische Antisemitismus scheint zwar laut Bericht weniger zu werden, aber die Kritik am Staat Israel dient in Verbindung mit Stereotypen zunehmend als Einfallstor, um „den Juden“ und „den Staat Israel“ zu diffamieren und zu bekämpfen, wie es schon die Demonstrationen 2014 in Deutschland anlässlich der zweiten Intifada gezeigt haben, wo sich offener Judenhass auf deutschen Straßen Bahn brach . So etwas darf nicht aufgrund irgendwelcher Deeskalationsstrategien der Polizei toleriert werden, sondern muss sofort unterbunden und geahndet werden . ({0}) Eine der fünf zentralen Forderungen des zweiten Berichts ist die Übernahme der Working Definition für Antisemitismus . Auch das Europäische Parlament - es ist erwähnt worden - hat Anfang des Monats einen Entschließungsantrag zur Bekämpfung von Antisemitismus angenommen, in dem die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, diese Working Definition der Internationalen Allianz für Holocaust-Gedenken anzunehmen und umzusetzen . Diese Forderung unterstütze ich . Ich denke, dass sie schnell umgesetzt werden könnte, ohne das Ende der Gesamtdiskussion über den kompletten Bericht im Parlament abwarten zu müssen; denn die in der Justiz und im Sicherheitsapparat angewendete Fassung soll, wie ich aus dem Justizministerium erfahren habe, mit der geforderten Fassung mehr oder weniger identisch sein . Auch die Forderung nach einer verbesserten Erfassung antisemitischer Straftaten finde ich persönlich richtig. Aber dafür brauchen wir eine Definition, mit der diese Taten entsprechend erfasst werden können . Die Bund-Länder-Kommission ist angesprochen worden . Für mich wäre es kein Problem, wenn die Länder mitmachten; denn die Länder spielen auch eine ganz wichtige Rolle . Die Berufung eines Antisemitismusbeauftragten ist die Hauptforderung der fünf Kernforderungen der Experten neben den vielen Handlungsempfehlungen . Auch durch den Entschließungsantrag des Europäischen Parlaments sind wir aufgefordert, einen nationalen Koordinator zur Bekämpfung von Antisemitismus zu ernennen . Nun gilt es, über das Ob, das Wie und das Wann zu diskutieren . Es wurde von meinen Vorrednern angesprochen: Das kann man nicht einfach mal eben machen, sondern man muss diskutieren und sich genau überlegen: Was wollen wir, und wie wollen wir das umsetzen, um die beste Lösung zu finden? ({1}) Aufgrund der auslaufenden Wahlperiode ist dies jetzt leider nicht mehr abschließend möglich . Da der Bericht aber nicht der Diskontinuität anheimfällt, werden wir dieses Thema in der neuen Wahlperiode unverzüglich angehen . Die Union wird darauf drängen, das parlamentarische Verfahren in der neuen Wahlperiode schnell wieder aufzunehmen und weiterzuführen . Die Experten haben uns eine Vielzahl an Empfehlungen, fachlichen Impulsen und Anregungen gegeben, wie eine gesamtgesellschaftliche und politische Debatte auf allen Ebenen geführt werden kann . Wir müssen sie führen, aber auch in den Ländern und Kommunen . Wichtig ist mir, dass die Umsetzung der Handlungsempfehlungen und die Forderungen diskutiert werden, um die beste Lösung zu finden. Der erste Expertenbericht ist nicht ohne Folgen und ohne Ergebnisse geblieben . Ich denke, man muss beide Berichte zusammen betrachten . In der Gesamtheit sind sie eine gute Grundlage für die Fortsetzung der Bekämpfung von Antisemitismus . Das ist uns allen im Parlament wichtig . Daran werden wir alle gemeinsam arbeiten . An dieser Stelle möchte ich mich im Namen der Union bei den Experten ganz herzlich bedanken . Ich möchte stellvertretend Frau Dr . Juliane Wetzel vom Zentrum für Antisemitismusforschung und Herrn Patrick Siegele, dem Direktor des Anne-Frank-Zentrums, danken; denn sie beide haben die Arbeit koordiniert . Das war nicht immer ganz einfach, aber sie haben ein sehr gutes Ergebnis innerhalb der vorgegebenen Zeit vorgelegt . Dafür meinen herzlichen Dank . Vielen Dank . ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Marian Wendt ist der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Marian Wendt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004441, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Antisemitismus ist ein kryptischer Begriff, der in seiner Abstraktheit darüber hinwegtäuscht, was ihm innewohnt, nämlich Hass gegen Juden . Er ist ein Begriff, der in seiner Abstraktheit gut erfasst, was dem Antisemitismus eigen ist: Er ist oft subtil, aber oft auch eckig und brachial; ein Begriff, der die Gefahr dessen erahnen lässt, was in ihm steckt, nämlich Hass, Gewalt und Mord . Der Unabhängige Expertenkreis Antisemitismus, über dessen Abschlussbericht wir heute in dieser Legislatur erstmalig debattieren, hat seine Arbeit 2009 aufgenommen. Ich finde, das ist eine sehr wichtige Arbeit. Das möchte ich ganz deutlich betonen, und ich möchte den Mitgliedern des Expertenkreises ganz herzlich für ihre Arbeit danken . Es bestehen offensichtlich Probleme bei der öffentlichen Beschäftigung mit dem latenten Antisemitismus in unserer Gesellschaft . Der öffentliche Umgang mit Antisemitismus ist nicht zufriedenstellend . Es wird möglichst viel geschwiegen; denn wo aufgeklärt wird, da gibt es schnell mal einen schlechten Ruf . Das ist vielleicht einer der Gründe dafür, dass der Antisemitismus, der in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen anzutreffen ist, so lange ignoriert wurde . Daher bin ich froh, dass es jetzt eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema hier im Plenum des Deutschen Bundestages gibt . Damit machen wir über die Parteigrenzen hinweg klar, dass es mit uns keinen Antisemitismus geben wird und dass wir uns deutlich gegen jede Form von Antisemitismus aussprechen . Angriffe auf Juden sind in Deutschland leider keine Seltenheit . Ein aktueller Fall aus diesem Frühjahr ist mir besonders in Erinnerung geblieben, nämlich der Fall des Schöneberger Schülers, der sich Sätze anhören musste, wie: Du bist ja eigentlich ein cooler Typ, aber ich kann nicht mit dir befreundet sein; denn Juden sind alle Mörder . - Es geht mir unter die Haut . Solche Sachen sagen Kinder zu Kindern . Das ist erschreckend . Dass die betreffende Berliner Schule auch schon vorher zum Netzwerk „Schule ohne Rassismus“ gehörte, zeigt meiner Meinung nach - und da müssen wir uns ehrlich machen -, wie problematisch solche dauergeförderten Wohlfühlaktionen gegen Rassismus sind: Ein netter Name, alle fühlen sich toll, sind froh, etwas Gutes getan zu haben, aber am Ende hilft es, wie in diesem konkreten Fall, leider doch nichts . In diesem Zusammenhang sage ich: Ich freue mich über die ausführlichen Handlungsempfehlungen des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus . Auf wissenschaftlicher Basis schlägt der Expertenkreis eine Menge meiner Meinung nach sehr wichtiger und guter Maßnahmen vor, die jetzt geprüft und dann zügig umgesetzt werden . Das gilt zum Beispiel für die genauere Analyse der Fälle von Antisemitismus und ihre Einordnung durch besser geschulte Polizisten . Das gilt auch für den Vorschlag, die deutsch-israelische Schulbuchkommission bei unseren Maßnahmen besser einzubeziehen; denn Bildung ist ein Kernstück der Prävention . Der Fall des Schöneberger Schülers zeigt einen weiteren wichtigen Punkt auf, den wir nicht übersehen dürfen . Neben den klassischen Trägern antisemitischer Ideologie, den Rechtsextremisten, gibt es eine zweite, derzeit stark anwachsende Gruppe von Menschen mit antisemitischem Gedankengut - auch dies wird in dem Bericht klar angesprochen -: Unter den vordringlich aus muslimischen Staaten nach Deutschland kommenden Flüchtlingen sind leider viele, die oft schon von Kindheit an antisemitisch sozialisiert wurden . Ihr Antisemitismus, ihr Hass auf Israel, war und ist Staatsdoktrin in fast allen Golfstaaten, fast im ganzen Nahen und Mittleren Osten . In dem Bericht wird richtigerweise eine genaue Untersuchung dieses Phänomens gefordert . Hier herrscht ein großer Erkenntnisbedarf . Deutschland kann es nicht einfach hinnehmen, dass es Bevölkerungsschichten gibt, die Antisemitismus für hoffähig halten . Für den, der zu uns kommt, gelten unsere Regeln . Dazu gehört auch, dass hier alle Menschen gleiche Rechte genießen, insbesondere auch das Recht auf Religionsfreiheit . Zustände wie in Frankreich, wo nach einem Artikel in der Welt innerhalb der vergangenen zehn Jahre 40 000 Juden das Land verlassen haben, sind erschreckend . Ich zitiere: Viele Juden spüren seit einiger Zeit, dass sie in Frankreich nicht offen als Juden leben können . Das sagt ein Sprecher der Jewish Agency . Wenn wir, Sie und ich, nicht höllisch aufpassen, dann bekommen wir solche Zustände auch in Deutschland . Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, immer wieder kommt Antisemitismus übertüncht als Kritik an Israel daher . Machen wir uns nichts vor: Auch ein als Kritik an der Politik Israels getarnter Antisemitismus ist immer noch schlichter Antisemitismus . Aufrufe zum Boykott von Produkten aus Israel sind nichts anderes als neue „Kauft nicht bei Juden“-Schmierereien, nur in neuem Gewand . ({0}) Antisemitismus bedroht meiner Ansicht nach unsere Gesellschaft . Das muss man klar aussprechen . Ich freue mich, dass es einen offener werdenden Umgang mit Antisemitismus gibt; denn die unterschwellige Verbreitung dieses Phänomens hat leider Nischen gefunden, wie der Bericht zeigt . Deswegen ist es richtig und wichtig, dass wir weiterhin wachsam sind, den Bericht intensiv beraten und uns in der nächsten Wahlperiode wieder mit einem entsprechenden Expertengremium hinsetzen und die Lage analysieren, die dann hoffentlich besser ist . Vielen Dank . ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zu einer Klarstellung nach § 30 unserer Geschäftsordnung erhält nun die Kollegin Haßelmann das Wort .

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Frau Fograscher, ich hätte das gar nicht mehr angesprochen, wenn Sie das Fass nicht aufgemacht hätten, weil ich diese Diskussion sehr wichtig und richtig fand und hier im Parlament eine große Übereinstimmung sichtbar wurde, was der Sache sehr angemessen ist . Ich muss Ihnen aber Folgendes sagen: Warum verweisen Sie in der Form auf unseren Antrag? Sie waren bis heute Vormittag noch nicht einmal bereit, diesen Bericht an die Ausschüsse zu überweisen . Gestern haben mir die beiden Koalitionsfraktionen noch gesagt, der Bericht solle zur Kenntnis genommen werden, und das soll es dann gewesen sein, also nur Unterrichtung . Wir hatten eine Überweisung an die Ausschüsse geplant, weil sich aus diesem Bericht sehr viel ergibt . Dass Sie jetzt auf unseren entsprechenden Antrag rekurrieren, kann ich, ehrlich gesagt, überhaupt nicht verstehen . Ich habe heute um 11 Uhr von den Koalitionsfraktionen eine Mail bekommen, in der steht, dass Sie jetzt bereit sind, den ganzen Bericht und den Antrag an die Ausschüsse zu überweisen . Hören Sie also bitte damit auf . ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen . Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf der Drucksache 18/11970 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offenkundig der Fall . Dann ist diese Überweisung einmütig so beschlossen . Beim Zusatzpunkt 1 geht es um den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 18/12784 mit dem Titel „Antisemitismus entschlossen bekämpfen“ . Hierzu wünscht die antragstellende Fraktion Abstimmung in der Sache . Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD wünschen Überweisung, und zwar an dieselben Ausschüsse wie soeben beim Bericht auf der Drucksache 18/11970 . Nach unserer ständigen Übung stimmen wir zunächst über den Antrag auf Ausschussüberweisung ab . Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen . - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? Damit ist die beantragte Überweisung mit Mehrheit so beschlossen . Ich rufe jetzt unseren Zusatzpunkt 2 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE Kindern das Schwimmenlernen ermöglichen - Auswirkungen von Privatisierungen und Schwimmbadschließungen Das Kommando für das Abwickeln dieser Aktuellen Stunde wird die Kollegin Pau jetzt übernehmen . Ich wünsche uns viel Erfolg bei den Beratungen dieses bedeutenden Punktes . ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich bitte, die notwendigen Umgruppierungen und Gespräche zügig zu veranlassen bzw . zu beenden . Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat der Kollege Jan Korte für die Fraktion Die Linke . ({0})

Jan Korte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003790, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einige fragen sich vielleicht: Warum muss der Bundestag über das Schwimmenlernen von Kindern diskutieren? Die Frage, ob die CDU sich dies fragt, ist von mir natürlich rhetorisch gemeint . Es zeigt das ganze Elend Ihrer Politik, dass Sie mit dem Alltag der Leute gar nichts mehr zu tun haben . ({0}) Deswegen haben wir das Thema hier aufgesetzt . Es gibt einige Punkte, die ich hier einfach einmal vortragen möchte, weil Sie diese offenbar nicht für wichtig erachten: 2016 sind 537 Menschen in Deutschland ertrunken . Es gibt eine Untersuchung von der DLRG, die erstens aufzeigt, dass fast 60 Prozent der Zehnjährigen Nichtschwimmer sind . Das sind Schüler, die in der vierten Klasse sind . Zweitens . Heute 60-Jährige haben in einer Befragung angegeben, dass sie zu fast 60 Prozent das Schwimmen in der Schule gelernt haben . Heute sind dies nur noch 36 Prozent . Und drittens haben 25 Prozent der Grundschulen - dort sollte das Schwimmen gelernt werden - gar keinen Zugang mehr zu einem Schwimmbad. All das ist Ergebnis einer falschen Politik. Ich finde, deswegen gehört dieses Thema in den Bundestag, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({1}) Das zeigt drei Dinge: Erstens . Auch die Frage, ob man schwimmen lernen kann oder nicht, ist eine soziale Frage . Es gab eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke in der Hamburger Bürgerschaft, und in der Antwort kam, was die Schwimmfähigkeit angeht, Folgendes heraus: In den Schulen, in denen vor allem Kinder aus einkommensschwachen und armen Familien sind, können 80 Prozent der Kinder fast gar nicht schwimmen, und 42 Prozent können überhaupt nicht schwimmen . In derselben Stadt, in den edlen Stadtteilen, in denen die Reichen wohnen, in denen die wohnen, denen es gut geht, die auf der Sonnenseite sind, ist es fast genau umgekehrt . In den Schulen in den besten Stadtteilen können lediglich 18 Prozent der Schüler nicht gut schwimmen, und nur 3 Prozent der Schüler können überhaupt nicht schwimmen . Daher sage ich: Das ist doch wohl ein Thema für den Bundestag; denn es kann doch nicht sein, dass im Notfall nur diejenigen schwimmen können, die aus sozial gesicherten Verhältnissen kommen . Das sind doch kaputte Zustände, und darüber muss der Bundestag doch einmal diskutieren, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({2}) Ein zweiter Punkt, der die Wichtigkeit dieses Themas exemplarisch jenseits von Statistiken und vielem anderen verdeutlicht: Seit 1990 wurden in der Bundesrepublik 1 600 Schwimmbäder geschlossen . Allein 2016 waren es 100 Bäder . Das hat natürlich etwas mit Politik zu tun . Das ist Staatsversagen auf höchstem Niveau und hat seine Ursache in der katastrophalen finanziellen Lage vieler Kommunen . Um auch das zu sagen: Das ist der Wahn der Privatisierung, den die Menschen jeden Tag konkret erleben können . Das sind die Folgen des Verscherbelns von öffentlichem Eigentum, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({3}) Zum Dritten will ich deutlich sagen: Nach unserer Auffassung gehören Schwimmbäder wie Bibliotheken und Museen zur öffentlichen Daseinsvorsorge . Jedes Kindes muss sie besuchen können, egal wie viel Schotter die Eltern haben . Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber das gibt es nicht mehr . ({4}) Ich sage - deswegen gehört dieses Thema in den Bundestag -: Wir brauchen, analog zu den 60er-Jahren, einen sogenannten Goldenen Plan, der möglich macht, dass es in jeder Kommune ein öffentliches Schwimmbad gibt, in dem die Kinder schwimmen lernen können und in dem diejenigen ihren Urlaub verbringen können, die es sich nicht leisten können, an die Strände des Mittelmeeres oder sonst wohin zu fahren . ({5}) Es ist ja wohl das Mindeste, dass man sich mit diesem Thema beschäftigt . Ich will ganz grundsätzlich sagen, was man an diesem Thema wunderbar zeigen kann: Immer wenn sich der Staat zurückzieht - die Menschen erleben den Staat logischerweise in der Kommune; wo denn sonst? -, sind diejenigen fein raus, denen es gut geht und die ordentlich Kohle haben . Wer einen Privatlehrer hat, kann Unterrichtsausfall natürlich wunderbar kompensieren . Wer viel Geld hat und viele Bücher kaufen kann, der braucht natürlich auch keine öffentliche Bibliothek . ({6}) Wer sich mit seiner Familie einen Safariurlaub im Kruger-Nationalpark leisten kann, der braucht natürlich keine Zoos und keine Tierparks . ({7}) Wer ein ganz schickes Haus am See mit eigenem Steg hat, ({8}) der braucht natürlich, Herr Steffel, kein öffentliches Schwimmbad . Dass Sie das nicht sehen und darüber lachen, zeigt wirklich den katastrophalen Zustand Ihrer Truppenteile, um das klar zu sagen . ({9}) Ich finde, es ist an der Zeit, dass wir mit dieser Politik umkehren . Es ist Zeit, endlich etwas für die vielen zu tun und nicht nur für die wenigen, für die Sie hier sitzen . Was tun? Wir brauchen Investitionsprogramme; da ist der Bund gefragt . Man kann eine Vermögensteuer wieder einführen . Die Einnahmen kämen den Ländern und Kommunen zugute . Dazu muss man nur mutig sein und es wollen . ({10}) Ich will noch sagen: Manchmal kann Politik sehr einfach und klar sein; dann liegen die Entscheidungen klar auf der Hand. Ich finde, wir brauchen nicht, wie Sie es wollen und wie Sie es Ihrem Kumpel Trump unterschrieben haben, ({11}) 60 Milliarden Euro für Aufrüstung . Wir brauchen diese Kohle für eine vernünftige Infrastruktur, für Schwimmbäder, Museen und Straßen . Dafür brauchen wir das Geld, aber nicht für schwachsinnige Rüstung, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({12}) Man kann das wie folgt zusammenfassen: Was wir nicht brauchen, sind irgendwelche modernisierten Fregatten, die in Krisengebieten herumschwimmen . Was wir brauchen, sind Kinder, die schwimmen können, die Freude am Schwimmen haben und nicht aufgrund ihrer sozialen Herkunft ertrinken . Das ist doch etwas, das sehr konkret ist und das man entscheiden kann . ({13}) Zum Schluss . Ich will mich ganz besonders bei den vielen Lebensrettern, die das übrigens alle ehrenamtlich machen, bedanken, namentlich bei der DLRG und bei der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger . Wir als Politik müssen ein gemeinsames Interesse daran haben, dass diese Organisationen weniger zu tun haben . Das ist doch wohl elementar . Insbesondere Ihnen, die Sie so viel von Sicherheit schwatzen, sage ich: ({14}) Hier geht es wirklich konkret um Sicherheit . Es geht nämlich darum, dass Kinder nicht ertrinken . Das hat etwas mit wirklicher Sicherheit zu tun .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Kollege?

Jan Korte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003790, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Dazu könnte man jetzt noch sehr viel sagen .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich ahnte es . ({0})

Jan Korte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003790, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Es macht einen wirklich fassungslos, dass Sie vom wirklichen Leben leider nichts mitbekommen und bei einem solchen Thema Ihre Späße machen . ({0}) Ich finde, es ist das Mindeste, dass der Staat für eine Infrastruktur sorgt, die gewährleistet, dass Kinder schwimmen lernen können, wie es früher selbstverständlich war . ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Kollege Korte, bitte kommen Sie zum Schluss .

Jan Korte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003790, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Das ist aber nicht mehr selbstverständlich, und das ist das Resultat Ihrer Politik . ({0}) Dafür sind Sie konkret mitverantwortlich, und zwar durch Merkels und Schäubles Rotstiftpolitik . So sieht es aus . ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Barbara Woltmann für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Barbara Woltmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004447, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Korte ({0}) - ja -, um es einmal ganz klar zu sagen: Ihr Auftritt eben wird diesem Thema gar nicht gerecht . ({1}) Zu sagen, uns sei nicht wichtig, dass jedes Kind schwimmen lernt, ist abstrus . ({2}) Mit den ganzen Thesen, die Sie hier vorgetragen haben, werden Sie diesem Thema absolut nicht gerecht, ganz im Gegenteil. Ich finde, die DLRG hat eine gute Studie durchgeführt, ({3}) und natürlich ist dieses Thema wichtig . Dass es in den Bundestag gehört, wage ich aber zu bezweifeln . ({4}) Das ist zuerst ein Thema der Kommunen, deshalb müssen wir uns darüber unterhalten, wie die Kommunen ausgestattet sind . Daneben müssen wir uns auch über die Bundesländer unterhalten und uns fragen, ob die Bundesländer ihre Kommunen auch ausreichend mit Finanzmitteln ausstatten . ({5}) Wir können ruhig einmal die Bundesländer miteinander vergleichen . Dann werden wir sehen, wer am meisten für die Kommunen tut . ({6}) Ich glaube, einige Bundesländer kommen dabei nicht so gut weg . Das können wir ruhig noch einmal vertiefen . Ich glaube, es hat bisher kaum eine Bundesregierung gegeben - ich komme gleich noch einmal darauf zurück -, die so viele Milliarden an die Kommunen weitergegeben hat wie die jetzige . Die Länder geben aber leider nicht alles weiter; das müssen wir auch einmal dazusagen . ({7}) Um das hier wirklich einmal ausdrücklich zu sagen: Das Thema ist außerordentlich wichtig und muss auch diskutiert werden . Ob hier heute nach der Debatte über den Antisemitismusbericht der richtige Ort und die richtige Zeit ist, wage ich aber doch einmal zu bezweifeln . ({8}) Ich komme jetzt zu den Einzelheiten . „Schwimmunterricht geht baden“: So lautet heute eine Überschrift in meiner Tageszeitung zu Hause . In dem Artikel wird über eine Grundschule in einer Gemeinde in meinem Wahlkreis berichtet . Dort gibt es kein Hallenbad, sondern nur ein Freibad, und auch die Nachbargemeinden können nicht genügend Schwimmzeiten zur Verfügung stellen . In dem Artikel heißt es, dass im Sommer nicht immer in dem Freibad geschwommen werden kann . Es sei zu kalt für die Kinder, weil die Außentemperatur nicht reichen würde . Man muss sich also auch noch einmal Gedanken darüber machen, ob ein Grund für die aktuelle Situation die Tatsache ist, dass bei uns nicht immer eine Außentemperatur von 25 Grad herrscht . Das muss man hier also auch noch einmal debattieren . Die Zahlen aus dem Bericht der DLRG - er liegt auch bei mir auf dem Platz, und ich habe ihn mir angeschaut sind von Herrn Korte richtig wiedergegeben worden . Sie sind erschreckend . Es gab im letzten Jahr 537 Todesfälle durch Ertrinken . Das ist der höchste Wert seit zehn Jahren . Deswegen ist es auch so wichtig, dass alle schwimmen lernen . Am besten fängt man damit natürlich im Kindesalter an, und es ist außerordentlich wichtig, dass für Schwimmunterricht, insbesondere an Grundschulen gesorgt ist . Vor kurzem ist ein 15-jähriges Mädchen ertrunken, weil es gemeinsam mit Freundinnen ins Wasser gesprungen ist . Es hatte sich nicht getraut, zu sagen, dass es nicht schwimmen kann . Das gilt also als Makel, und auch das darf nicht sein . Die Scham, zuzugeben, Nichtschwimmer zu sein, ist sehr groß . Über 10 Prozent der Deutschen stufen sich selber als schlechte Schwimmer sein . Hier muss also noch sehr viel mehr getan werden . Ich will auch noch einmal zu der kommunalen Ebene kommen; denn viele Gemeinden haben durchaus ein großes strukturelles Problem und müssen natürlich mit entsprechenden Finanzmitteln ausgestattet werden . Aber wie gesagt: Das müssen in erster Linie die Länder machen . Ich glaube, dass wir mit der in der letzten Sitzungswoche beschlossenen Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen sehr viel mehr für die Kommunen über die Länder tun können . Wir haben zum Beispiel das Kooperationsverbot gelockert, sodass jetzt auch die Schulen - dazu gehören oft ja auch Schulschwimmbäder - saniert werden können . Nicht alle Kommunen können das von sich aus leisten . Die Situation ist in den einzelnen Regionen in Deutschland sehr unterschiedlich . Teilweise haben die Kommunen große Schwierigkeiten . Deshalb müssen wir dort sehr viel mehr tun; das wurde bereits angesprochen . Es stellt sich aber immer die Frage: Wer muss da etwas tun? Diese Aufgabe gehört zu den freiwilligen Aufgaben der Gemeinden . Das ist also eine freiwillige Leistung im eigenen Wirkungskreis . Den Kommunen wird oft gesagt, dass sie die freiwilligen Leistungen einschränken müssen . Das ist natürlich schwierig, wenn es um solche Aufgaben geht . Ich halte es für den falschen Weg, wenn Kommunen ihre Schwimmbäder schließen, weil sie sie nicht mehr finanzieren können . Ich denke, das Schwimmenlernen ist eine wichtige Aufgabe - auch für die Volksgesundheit -, damit man in Zukunft nicht mehr eine solch hohe Anzahl von Todesfällen zu beklagen hat . Das alles ist sehr teuer . Ich habe in meiner Gemeinde nachgefragt . Die Betriebskosten für das Frei- und das Hallenbad betragen rund eine halbe Million Euro im Jahr . Das kann natürlich in keiner Weise durch Eintrittsgelder aufgefangen werden . Der Gemeinderat muss immer bereit sein, die notwendigen Gelder zur Verfügung zu stellen . Darüber werden immer schwierige Debatten geführt . Natürlich ist auch die Privatisierung keine Lösung . Wie soll denn ein Privater, wenn schon die Kommunen ein Schwimmbad nicht finanzieren können, das machen? Es gibt eine Handvoll Bäder in Deutschland, die in den schwarzen Zahlen sind . Das sind sehr wenige . Da ist also sehr viel zu tun . Ich möchte an alle appellieren, die Bäder zu erhalten, damit vor allen Dingen die Kinder das Schwimmen lernen können .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Frau Kollegin .

Barbara Woltmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004447, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme zum Schluss . Ich werde jetzt den letzten Satz oder die letzten zwei Sätze sagen . ({0}) Frau Präsidentin, ich möchte aber auch an die Eltern appellieren: Es ist nicht nur die öffentliche Hand, die handeln muss . Auch die Eltern sind gefordert, ihren Kindern das Schwimmen beizubringen, wenn die Schule das vielleicht nicht ausreichend machen kann . ({1}) Das gilt für alle Menschen bei uns, auch für die mit Migrationshintergrund . Es kann nicht angehen, dass Mädchen, deren Familien aus anderen Kulturkreisen kommen, nicht zum Schwimmunterricht gehen können . Das darf nicht sein . Alle müssen schwimmen lernen: auch die Menschen aus anderen Kulturkreisen und vor allen Dingen die Mädchen . ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Özcan Mutlu für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Özcan Mutlu (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004360, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 91! Ich beginne meine Rede mit der traurigen Zahl 91 . Im vergangenen Jahr sind nämlich in unserem reichen Land 91 Kinder und Jugendliche im Alter von 0 bis 20 Jahren ertrunken. Ich finde, jedes einzelne Kind ist eines zu viel gewesen . Sie ertranken unter anderem auch deshalb, weil sie nicht bzw . nicht gut genug schwimmen konnten . Das sind 75 Prozent mehr als noch im Jahr zuvor und zweieinhalb Mal mehr als 2014 . Kollege Korte hat es gesagt: 2016 ertranken einschließlich dieser 91 Kinder und Jugendlichen insgesamt 537 Menschen in Deutschland . Das ist seit zehn Jahren ein Höchststand. Ich finde, das ist beschämend für unser Land . Da müssen wir sehr wohl etwas tun . ({0}) Der Deutsche Schwimm-Verband und die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft sind sich einig: Immer weniger Kinder in unserem Land lernen schwimmen . Mindestens jeder zweite Grundschüler bzw . jede zweite Grundschülerin in Deutschland kann nicht richtig schwimmen, so auch die Ergebnisse einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft . Das sind alarmierende Zahlen und alarmierende Entwicklungen, die wir nicht länger hinnehmen dürfen . Was sind die Gründe dafür? Immer mehr Schwimmbäder schließen, weil sich klamme Kommunen diese nicht mehr leisten können . Immer mehr SchwimmunBarbara Woltmann terricht in den Schulen fällt aus, weil es nicht genügend Lehrkräfte gibt . Hinzu kommt: Die Hälfte der Bäder in unserem Land ist inzwischen halb verfallen . Last, but not least: Immer mehr Schwimmhallen werden privatisiert und in Spaßbäder umgewandelt . Somit haben Schulen sowie Schwimm- und Rettungsvereine immer größere Schwierigkeiten, für den Schwimmunterricht überhaupt Wasserzeiten zu bekommen . In ländlichen Regionen führt das sogar zu noch größeren Problemen . Die nächste Schwimmhalle ist so weit weg, dass die Sportstunde vorbei ist, wenn die Schülerinnen und Schüler dort ankommen . Die Folge davon: Jede vierte Schule hat keinen Zugang zu einem Schwimmbad . Damit können etliche Schulen in unserem Land ihrem gesetzlich vorgeschriebenen Auftrag, nämlich Schwimm unterricht zu geben, nicht nachkommen . Der Platz zum Schwimmenlernen verschwindet, während die Eintrittspreise steigen und die Anfahrtswege immer länger werden . Lehrerinnen und Lehrer, die das Glück haben, doch eine Wasserzeit in einem nahe gelegenen Schwimmbad zu ergattern, müssen zumindest in Grundschulen den Sportunterricht oft - leider zu oft - fachfremd halten . Angesichts dieser Bilanz sollte sich so manche Partei in diesem Haus sehr gut überlegen, ob und wo sie weiterhin Steuergeschenke verteilen will . Stecken Sie einen Teil der Steuerüberschüsse lieber in die Schwimmbäder! Unterstützen Sie die Kommunen, damit unsere Kinder im Jahre 2017 nicht mehr ertrinken und niemand beschämt wird, weil er oder sie nicht schwimmen kann! Für uns Grüne ist klar: Wir brauchen mehr Lehrerinnen und Lehrer mit der Befähigung zur Erteilung von Schwimmunterricht . Ja, und wir brauchen auch endlich mehr Geld für Sportstätten, besonders für den Schulsport, aber auch für öffentliche Bäder . ({1}) Wir haben in der vergangenen Sitzungswoche eine weitreichende Grundgesetzänderung vorgenommen und greifen damit auch den Kommunen unter die Arme, indem wir ihnen auch für die Bildungsinfrastruktur Mittel bereitstellen wollen . Auch hier sagen wir: Schwimmunterricht ist Teil der Bildung, und deshalb muss auch an dieser Stelle in der Bildungsinfrastruktur mehr getan werden . Das ist überfällig . Wir haben heute parallel dazu auch im Sportausschuss diese Debatte geführt . 4,5 Milliarden Euro sind nötig, um unsere Schulen in den Kommunen mit besseren Schwimmhallen für den Schwimmsport auszustatten . Wir wollen bei dieser Gelegenheit auch etwas für die Umwelt tun, indem wir die Schwimmhallen energetisch sanieren . Hier ist aber nicht nur der Bund zuständig, sondern hier sind, wie bereits gesagt, auch die Länder und Kommunen in der Pflicht. Nur wenn diese Ebenen zusammenarbeiten, kann der Teufelskreis durchbrochen werden . Der Gesundheitsminister - er ist heute nicht anwesend hat neulich in der Presse verkündet, dass verstärkte Anstrengungen für den Schwimmunterricht notwendig sind . Dazu sage ich: Was nottut, Herr Gröhe, sind nicht Worte, sondern Taten . Deshalb richten wir noch einmal unseren Appell an Sie alle, aber auch an die Bundesregierung, gemeinsam mit den Ländern und Kommunen dieses Dilemma anzugehen, damit im reichen Deutschland niemand sterben muss, weil er oder sie nicht schwimmen kann . Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit . ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Özdemir für die Fraktion der SPD . ({0})

Mahmut Özdemir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004368, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der Fraktion Die Linke durchaus dankbar, dass wir angesichts sommerlicher Temperaturen über das Thema „Schwimmbäder und Schwimmenlernen“ debattieren . Diese Debatte und unsere darauffolgenden gemeinsamen Bemühungen können nämlich dazu führen, dass wir in der nächsten Jahresbilanz der DLRG deutlich weniger als die uns bekannten 537 ertrunkenen Menschen zu beklagen haben . Der Gang zum städtischen Hallenbad, Freibad oder zum Badesee ist schon lange nicht mehr die Regel, teilweise schlicht deshalb, weil die Einrichtungen wegen Schließung oder Baufälligkeit nicht mehr zur Verfügung stehen, aber auch weil der sichere Aufenthalt im Wasser weder gelehrt worden ist noch erlernt werden konnte . Das mag viele Ursachen haben . Vielleicht liegt es daran, dass die Familie den Schwimmkurs im Verein nicht aus eigenen Mitteln schultern kann, sicherlich aber, weil ein Viertel unserer Grundschulen in Deutschland eben keinen Zugang mehr zu einem Schwimmbad in der Nähe hat . Jetzt mag man lange über Zuständigkeiten - Bund, Länder, Kommunen - oder über Verbotsschilder an Baggerseen diskutieren, Fakt ist: Wir können handeln, und wir haben auch gehandelt . Ich kann mich daran erinnern, dass in meiner Heimatstadt bis vor kurzem regelmäßig sogenannte Tränenlisten im Umlauf waren . Das ist eine bildliche Umschreibung für städtischen Luxus, den man nicht braucht . Hier mache ich besser die Ironie vorher kenntlich . Fast alle städtischen Badegesellschaften und Badeanstalten waren nämlich Stammgäste auf dieser Liste . Erst als in meiner Heimatstadt, im Landtag in Nordrhein-Westfalen und im Bundestag die Sozialdemokratie Verantwortung übernahm, verschwanden diese Punkte von der Tränenliste in Duisburg und in der Bundesrepublik . ({0}) Daher möchte ich Ihnen darlegen, warum ich meine, dass wir den richtigen Weg gegangen sind, und Sie herzlich einladen, diesen Weg auch fortzusetzen . Der Begriff „kommunale Entlastungen“ ist in dieser Wahlperiode zu oft gefallen . Das Wesen dieses Begriffes müssen wir allerdings zu dauerhafter und planbarer finanzieller Unterstützung unserer Kommunen weiterentwickeln . Wir müssen den Kommunen den notwendigen Spielraum eröffnen, damit sie sich um Bildung, Kultur und Sport kümmern können . Mit schrittweisen Entlastungen bei Sozialausgaben haben wir dauerhafte Entlastungen von 5 Milliarden Euro bis und ab 2018 bereits erreicht . Wir haben ein Investitionsprogramm für die Kommunen aufgelegt, die durch Bundesgesetze fast in den Ruin getrieben worden sind . Diese Kommunen konnten wegen fehlender Eigenmittel nicht einmal mehr an Bundesförderprogrammen teilnehmen . Die Bauministerin hat es mit der Städtebauförderung und der energetischen Sanierung besser gemacht; ich frage mich, wo der Kollege Mutlu eigentlich gewesen sein mag . Bäder werden nämlich auch aus diesen Mitteln auf den Stand der Technik gebracht und so energetisch saniert, dass die Betriebskosten zukünftig gesenkt werden, was den städtischen Haushalt entlastet . Das Schulsanierungsprogramm des Bundes nimmt im Übrigen den Druck von den städtischen Haushalten, sodass auch Geld für den Schulbus da ist, damit der unsere Kleinsten zum Schwimmbad, ob nah, ob fern, fahren kann . Aber neben den Kommunen stellen sich auch die Vereine aus dem Schwimmsport mit ihren Ehrenamtlichen ihrer Verantwortung und betreiben mit nicht unerheblichen städtischen Betriebskostenzuschüssen diese Einrichtungen . Nur so wird neben dem Schwimmenlernen auch der wichtige Bereich von gesundheitsfördernden Kursen für unsere Seniorinnen und Senioren abgedeckt . Diese Maßnahmen wirken . Der Investitionsstau in den Städten und Gemeinden sank in dem Jahr von 2016 auf 2017 um 10 Milliarden Euro . Oder so formuliert, dass man es auch auf der Straße versteht: Durch die Übernahme von Kosten durch den Bund sollen die Kommunen das freiwerdende Geld unter anderem in den schulischen Schwimmunterricht investieren . Sie sollen die Badelandschaft so ansprechend gestalten, dass die Freibadgrünfläche, der Eiswagen und die Pommesbude die Jugendlichen von Seen abhalten, in denen Baden verboten ist . Sie sollen mit Vereinen spezielle Angebote, Zeiten und Tarife für Familien und Senioren machen . Das Schwimmbad ist keine Liebhaberei, weil es Verluste einfährt und sich durch Einnahmeentgelte nicht rechnet . Es ist aus meiner persönlichen Sicht eine kommunale Pflichtaufgabe, die wir steuerlich als Zuschussbetrieb über das Körperschaftsteuergesetz privilegieren, um allen Bürgerinnen und Bürgern Schwimmerlebnisse zu ermöglichen und, ja, Herr Kollege Korte, vielleicht denjenigen am meisten, die es sich eben nicht leisten können, in ein privates Spaßbad mit allen Schikanen zu gehen . Die SPD-Bundestagsfraktion steht für eine Bundespolitik, die in die Kommunen investiert und sie nicht zu Sparschweinen der Länder oder des Bundes herabwürdigt . Letzteres ist eher das Modell schwarz-gelb, und damit ist nicht der BVB gemeint . ({1}) Ich bedanke mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche all denjenigen, die gerade die Sonne in einem Freibad genießen können, alles Gute . In diesem Sinne ein herzliches Glückauf! ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Dr . Frank Steffel hat für die CDU/ CSU-Fraktion das Wort . ({0})

Dr. Frank Steffel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004163, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank . - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alles, was die Menschen in Deutschland beschäftigt, ist zu Recht ein Thema hier im Deutschen Bundestag, aber nicht alles eignet sich für parteipolitische Profilierung. ({0}) Man muss auch nicht alles in den Parteienstreit stellen . Ich habe den Eindruck, dass gerade wir im Sportausschuss uns bemüht haben, das Thema sehr sachlich zu diskutieren . Ich habe Sie, Herr Korte, übrigens vermisst; wir hatten eine Anhörung von einer Stunde zu diesem Thema und haben in der Tat gemeinsam mit den Menschen, die sich zumeist ehrenamtlich mit dem Problem beschäftigen, festgestellt, dass wir einen Rückgang der Schwimmfähigkeit in Deutschland feststellen müssen . Wir haben auch festgestellt, dass Schwimmen kein normaler Sport ist . Man kann die Frage, ob ein Mensch in jungen Jahren Schwimmen lernt oder nicht, nicht mit der Frage vergleichen, ob er Fußball-, Volleyball- oder Hockeyspielen lernt; denn die Auswirkungen, wenn er das Schwimmen nicht erlernt, sind ungleich schwerwiegender und oft im wahrsten Sinne des Wortes lebensgefährlich . Ich will mich jetzt einmal bemühen, diejenigen zu Wort kommen zu lassen, die davon viel verstehen, weil sie sich täglich damit beschäftigen . Die DLRG hat uns eine Studie zum Stand der Schwimmfähigkeit von Kindern und Jugendlichen übergeben . Schauen wir uns ganz kurz die Zahlen an: Es ist in der Tat beängstigend, dass 41 Prozent der Eltern in Deutschland ihre Kinder als unsichere Schwimmer oder Nichtschwimmer einschätzen . Das ist eine Zahl, über die man schon einmal in aller Ernsthaftigkeit nachdenken muss . Wenn man diese Zahl auf das Alter herunterbricht, dann stellen wir fest, dass sage und schreibe 58 Prozent der Eltern von Sechsjährigen ihre eigenen Kinder als unMahmut Özdemir ({1}) sichere Schwimmer oder Nichtschwimmer einschätzen . Fast 60 Prozent der Kinder - das ist in der Tat beängstigend und kann uns natürlich nicht kaltlassen; denn wir tragen Verantwortung für diese Kinder, unabhängig vom Elternhaus und unabhängig von den sozialen Umständen, in denen sie groß werden . Wir können auch feststellen, dass die Zahl der Todesfälle ansteigt . Im Übrigen steigt nicht nur die Zahl der Todesfälle an, sondern insbesondere die Zahl der vermeidbaren Todesfälle; denn es gibt unterschiedliche Todesfälle im Wasser . Jetzt hat die DLRG sehr sachlich herausgearbeitet, was die Ursachen für die Verschlechterung der Schwimmfähigkeit und den Anstieg dieser schlechten Zahlen sind . Sie hat erstens festgestellt - dies wurde bereits angesprochen -, dass es um die Umwandlung von Ausbildungsbädern in Spaßbäder geht . Das ist natürlich ein wirtschaftliches Thema und damit ein Problem . Es geht um fehlende Ausbildungszeiten und Wasserflächen sowie Bäderschließungen . Ich erspare mir jetzt den parteipolitischen Diskurs . Ich will Ihnen nur sagen, Herr Korte: Der rot-rot-grüne Senat in Berlin hat gerade das größte Bad in meinem Wahlkreis in Reinickendorf geschlossen, weil eine Einmalinvestition von 1,7 Millionen Euro nicht zur Verfügung steht . Private wollten das Bad betreiben . Aber die Wasseraufbereitungsanlagen und einige technische Dinge mussten neu gemacht werden . Gleichzeitig gibt man Geld für Tempo-30-Zonen und Unisextoiletten aus . An dieser Stelle sollte man einmal über die politische Schwerpunktsetzung nachdenken . Ob das eine allen nutzt, weiß ich nicht, das andere wäre sicherlich hilfreich . ({2}) Der zweite Punkt hat etwas mit den Bundesländern zu tun . Hier geht es um die Schulen . Die DLRG stellt einen massiven Stundenausfall im Schulschwimmen fest . Wir stellen fest, dass die Qualität des Schulschwimmens deutlich abnimmt . Das liegt im Wesentlichen daran, dass dort circa 50 Prozent fachfremdes Personal eingesetzt wird . Auch hier könnte ich wieder mit Verweis auf Berlin sagen: Kein Wunder! Wenn man die Lehrer nicht verbeamtet, dann gehen die guten Leute in andere Bundesländer, und man muss auf fachfremdes Personal zurückgreifen . ({3}) Mittlerweile ist ein Drittel der Lehrerinnen und Lehrer in Berlin nicht für das Lehramt ausgebildet; auch darüber muss man einmal nachdenken . Hier ist der Schwimmsport nur die Spitze des Eisberges . Im Übrigen ist Schulschwimmen in vielen Bundesländern im Lehrplan zu spät vorgesehen; auch das entspricht der Wahrheit. In Berlin beispielsweise findet das Schulschwimmen in der dritten Klasse für die Neun- und Zehnjährigen statt . Zu diesem Zeitpunkt ist vielen Kindern bereits etwas widerfahren . Hier müsste der Lehrplan entsprechend verändert werden . Dritter Punkt . Die DLRG-Analyse zeigt, dass der Anteil der Ausländer, die nicht schwimmen können - insbesondere bei Mädchen -, ein Problem darstellt . Wir können nur dankbar sein, dass das Bundesverfassungsgericht im Dezember 2016 sehr klar entschieden hat, dass ein muslimisches Mädchen sich nicht vom Schwimmunterricht befreien lassen darf mit der Begründung, sie wolle nicht gemeinsam mit Jungen schwimmen und sei auch nicht bereit, im Burkini am Schwimmen teilzunehmen . ({4}) Hier hat das Verfassungsgericht für Klarheit gesorgt und deutlich gesagt: Die Teilnahme am Schwimmunterricht ist zumutbar . Kinder in Deutschland haben unabhängig von Religion und Geschlecht am Schwimmunterricht teilzunehmen . - Ich will das hier in der Öffentlichkeit sehr bewusst sagen . ({5}) Der vierte Punkt - diesen will ich nur anreißen - betrifft eine lange Liste der DLRG, aus der hervorgeht, wen man ansprechen muss, um die Schwimmfähigkeit zu verbessern: Eltern, Familie, Kita, Schule, Kultusministerkonferenz, Sportministerkonferenz, Wasserrettungsorganisationen und Krankenkassen . Das ist ein Potpourri aus Helfern und Betroffenen, die mitwirken müssen, damit es in Deutschland besser wird . Beim Stichwort „Bundestag“ steht schlicht und ergreifend - wir haben das nachgefragt; Kollege Mutlu war zugegen -: Wertekatalog der Gesellschaft ändern . - Das ist die Zuständigkeit des Bundes aus Sicht der Betroffenen . Aber die Verantwortung liegt bei Ländern und Kommunen . Wir sollten anmahnen, dass sie dort auch wahrgenommen wird . Wir diskutieren darüber und verweisen gerne auf den Wertekatalog der Gesellschaft . Aber schuld ist nicht die Bundesregierung, sondern schuld sind - wenn überhaupt - Länder und Kommunen . Alle gemeinsam sollten wir dafür sorgen, dass kein Kind in Deutschland stirbt, weil es nicht schwimmen kann . ({6}) Vielen Dank . ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Dr . André Hahn hat für die Fraktion Die Linke das Wort . ({0})

Dr. André Hahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004288, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Steffel, ich war im Sportausschuss zugegen . Wir bei den Linken arbeiten arbeitsteilig . ({0}) Insofern sind die Vorwürfe gegen den Kollegen Korte daneben . Wir haben diese Aktuelle Stunde beantragt, obwohl sich der Sportausschuss heute mit diesem Thema beschäftigt hat . Die Thematik ist wahrlich nicht neu . Ich verweise hier auf die Antwort von Staatssekretär Krings von der CDU/CSU vom 18 . März 2015 auf meine schriftlichen Anfragen, in der er mitteilte - ich zitiere -: Auch die Bundesregierung nimmt die Untersuchungen zur schwindenden Schwimmkompetenz von Kindern mit Besorgnis zur Kenntnis . Weiter heißt es: Für die Verbesserung der Schwimmkompetenz von Kindern und die Förderung des Schwimmunterrichts im Allgemeinen gibt es seitens der Bundesregierung keine Zuständigkeit . 2015 war das . Die Besorgnis teile ich, nicht aber den Verweis auf die angebliche Nichtzuständigkeit . Erst recht akzeptiere ich nicht die Untätigkeit der Bundesregierung in diesem Bereich . ({1}) Ich hatte bereits vor über zwei Jahren ein Gespräch zwischen den Akteuren und eine Anhörung im Sportausschuss als Auftakt dazu vorgeschlagen, um die Probleme ergebnisorientiert gemeinsam anzugehen . Diesen Vorschlag lehnte die Koalition nicht nur einmal ab . Erst jetzt, kurz vor Ende der Wahlperiode, gab es heute dazu eine Debatte im Sportausschuss, allerdings wieder hinter verschlossenen Türen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit . Wir meinen jedoch: Das Problem und somit der Handlungsbedarf sind so gravierend - das ist im Ausschuss eben nachgewiesen worden -, dass das auch hier im Parlament öffentlich diskutiert werden muss . ({2}) Deutschland war einmal eine Schwimmnation . Das Land bietet mit seinen Seen und Flüssen, mit der Ost- und der Nordsee, mit seinen Freibädern und Schwimmhallen hervorragende Möglichkeiten, sich im Wasser zu erholen und sportlich zu betätigen . Schwimmen ist ein gesundheitsfördernder Breitensport und macht Spaß . Dazu muss man aber eben schwimmen können . Wenn die Schwimmkompetenz in Deutschland innerhalb von 25 Jahren von über 90 Prozent in der Bevölkerung auf unter 50 Prozent sinkt, dann ist das höchst alarmierend . Ich bin der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft sehr dankbar, dass sie darauf immer wieder aufmerksam macht . ({3}) „Deutschland wird zum Nichtschwimmerland“, titelte Zeit Online vor wenigen Tagen . Wir haben es schon gehört: Fast 60 Prozent der zehnjährigen Kinder können nicht richtig schwimmen; aber Schwimmenkönnen oder Nichtschwimmenkönnen, das entscheidet im Zweifel über Leben und Tod . Wer schwimmfähig ist, kann Leben retten, sein eigenes, aber auch das anderer . Wir haben die Todeszahlen gehört: 2016 waren es 537 Menschen . Mehr als 1 000 Menschen konnten gerade noch so gerettet werden . Das sind dramatische Entwicklungen, für die es Ursachen gibt, die auch auf der Bundesebene förmlich zum Handeln zwingen . In den 1960er-Jahren hatte fast jede größere Kommune ein eigenes Schwimmbad, auch durch besondere staatliche Förderprogramme . Zuletzt waren aufgrund unzureichender Finanzausstattungen immer weniger Städte in der Lage, ihre Bäder zu sanieren und zu betreiben . Jedes Jahr werden etwa 100 Bäder in Deutschland geschlossen . Der Sanierungsbedarf bei Schwimmbädern wurde eben im Sportausschuss mit 4,5 Milliarden Euro beziffert . Das können die Kommunen definitiv nicht allein stemmen. Hier muss der Bund deutlich unterstützen . ({4}) Das alles hat natürlich auch Folgen für den Schwimmunterricht, der an vielen Schulen gar nicht mehr angeboten werden kann, auch weil die Anfahrtswege für die Schüler immer länger und kostenintensiver werden . So offenbart das Ganze auch eine soziale Schieflage; denn Einkommensschwächere und deren Kinder sind laut Statistik deutlich weniger schwimmfähig als der Landesdurchschnitt . Viele können sich die Eintrittsgelder für Schwimmhallen oder auch für kommerzielle Schwimmkurse schlichtweg nicht leisten . Die Linke hat deshalb eine Reihe von Vorschlägen vorgelegt, die von der Koalition bisher leider immer abgelehnt wurden . Dazu gehören neben der Wiederaufnahme des Goldenen Plans für Sportstätten Programme für die Sanierung von Schwimmhallen ebenso wie die Förderung des Schwimmunterrichts an Schulen, die Stärkung des Vereinssports sowie der Abbau von finanziellen und kulturellen Barrieren . Im Übrigen gibt es auch eine Brücke zum Spitzensport, für den der Bund ja tatsächlich originär zuständig ist . Das Ergebnis im Schwimmen bei Olympia in Rio war katastrophal . Die Deutsche Meisterschaft am letzten Wochenende brachte ernüchternde Resultate . Die deutschen Athleten für die anstehende Weltmeisterschaft passen in einen Kleinbus . Der Schwimmverband soll 2019 ein Viertel weniger Bundesförderung bekommen. Die auf Medaillen fixierte Reform der Spitzensportförderung wird, wenn es hier keine Korrekturen gibt, Kernsportarten wie das Schwimmen oder die Leichtathletik massiv bedrohen . Gerade beim Schwimmen wird deutlich: Immer weniger Breite schafft immer weniger Spitze . Auch deshalb muss die Schwimmfähigkeit deutlich verbessert werden . ({5}) Letzte Bemerkung . Wir haben aktuell hochsommerliches Wetter . Die Urlaubszeit steht bevor, und viele Menschen, junge wie ältere, zieht es ans Meer, an Seen und in Freibäder . Ich denke, wir alle hoffen, dass es dabei möglichst wenige Unfälle und gar keine Todesfälle gibt . Es ist dringend geboten, sich auch in der nächsten Legislaturperiode mit diesem Thema zu befassen und endlich etwas zu unternehmen . Herzlichen Dank . ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Ute Vogt für die SPD-Fraktion . ({0})

Ute Vogt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002823, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ganz herzlichen Dank . - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Als Vizepräsidentin der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft bin ich dankbar dafür, dass dieses Thema heute im Deutschen Bundestag behandelt wird . Denn es ist in der Tat eines, das die Gesellschaft beschäftigt . Wenn wir in die Historie schauen, dann wissen wir, dass Schwimmen eine der Kulturtechniken der Menschheit ist . Schon aus dem vierten bis fünften Jahrtausend vor Christus stammen die ersten Höhlenmalereien, auf denen Schwimmer abgebildet sind . Im alten Ägypten war es Teil der Ausbildung, dass Menschen schwimmen lernten . Es waren damals allerdings vor allem die Kinder der Könige und des Adels . Sie hatten sogar persönliche Schwimmmeister zur Verfügung . Heute ist Schwimmen Gott sei Dank ein Breitensport . Aber das Schwimmen - es wurde schon vielfach ausgeführt - und das Schwimmenkönnen, das sichere Schwimmenkönnen ist heute leider keine Selbstverständlichkeit mehr. Die Schwimmfähigkeit ist rückläufig, und auch wenn sich diejenigen freuen, die ein „Seepferdchen“ besitzen - es sind auch immer wieder viele Kolleginnen und Kollegen, die gern darüber sprechen -, heißt das noch nicht, dass sie schwimmen können, sondern das heißt nur, dass man sich irgendwie eine Viertelstunde über Wasser halten kann . Aber richtig sicher schwimmen, ist eben etwas anderes . Der Ausfall der Schwimmstunden ist zu Recht als einer der Hintergründe beleuchtet worden, aber es gibt auch - das hat der Kollege Korte gesagt - den Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft der Kinder und der Frage, ob sie schwimmen können . Da, lieber Kollege Steffel, ist es in der Tat bei Kindern aus ausländischen Familien oft ein größeres Problem, allerdings nicht, weil sich so ganz viele vom Unterricht abmelden . Es sind nämlich nur, glaube ich, etwa 3 Prozent der Betroffenen, die überhaupt versuchen, sich abzumelden . Gott sei Dank geht das ja nicht mehr . Vielmehr sind vor allem die sozialen Hintergründe zu nennen . Es ist halt ein Unterschied, ob eine Familie sonntags sagt: „Ja, wir gehen schwimmen, das ist ein Freizeitding, und wir bringen es euch auch bei“, oder ob das Bewusstsein bei bildungsferneren Familien oft schon gar nicht mehr da ist, dass das eben auch eine gute Freizeitbeschäftigung ist und zur persönlichen Entwicklung von Kindern dazugehört . Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft - erlauben Sie mir diesen Hinweis - leistet pro Jahr über 9 Millionen Stunden ehrenamtlich, also ohne Bezahlung, Schwimmunterricht am Wasser, an den Binnengewässern, in den Schwimmbädern, aber auch bei der Wasserrettung an der Küste sowie bei der Ausbildung von Wasserretterinnen und Wasserrettern . Als Dank hat leider der Bundesinnenminister schon im letzten Jahr ({0}) für den Rettungssport die Spitzensportförderung gestrichen . Das ist ein sehr schlechtes Signal . ({1}) - Nicht mein Minister; sorry . Da bitte ich doch um Korrektheit . ({2}) Ich habe nicht vor, den Kollegen de Maizière zu verteidigen . Wir hatten aber in dieser Legislaturperiode - jetzt sage ich einmal: von meiner Ministerin, von Bundesministerin Barbara Hendricks - aus dem Umwelt- und Bauministerium ein Programm zur Förderung von Sportstätten . Das umfasste über 100 Millionen Euro, und vorher gab es schon 140 Millionen Euro . Ich nenne hier das Stichwort „Zukunftsinvestitionsprogramm“ . Daraus gab es auch Gelder für Schwimmbäder . Aber natürlich ist das nur ein sehr, sehr kleiner Betrag, der das Problem nicht lösen hilft . Fakt ist: Es fehlen uns nicht die Ausbilderinnen und Ausbilder, sondern es fehlen uns tatsächlich die Schwimmbäder . Und dort, wo es welche gibt, haben die ehrenamtlichen Schwimmlehrerinnen und Schwimmlehrer - zum Beispiel unserer Organisation - noch teure Hallenmieten zu zahlen . Es gilt - dazu wollen wir heute beitragen -, das Bewusstsein in den Kommunen, in den Ländern und im Bund dafür zu schärfen, dass Schwimmen eben ein Teil der Ausbildung ist . Ich fände es gut, wenn es in der nächsten Legislaturperiode gelingen würde, einen Goldenen Plan „Schwimmbäder“ aufzulegen . Übrigens wäre das eine gute Anknüpfungsmöglichkeit: Denn einen Goldenen Plan gab es zuletzt unter einem sozialdemokratischen Innenminister, und der hat viel Gutes bewirken können . ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Ihnen den Jahresbericht der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft anempfehlen, den wir Ihren Büros in den nächsten Tagen zukommen lassen werden . Nehmen Sie bitte auch die Gelegenheit wahr, in den Sommerferien die DLRG bei Ihnen vor Ort zu besuchen, also nicht nur hier zu loben . Gehen Sie hin, schauen Sie sich das an! Ich darf Sie erinnern - vielleicht kann das den einen oder die andere ermutigen -: Im alten Griechenland gab es eine interessante Devise . Wenn jemand etwas werden wollte, wurde gefragt: Wird man denn jemandem ein hohes Staatsamt anvertrauen, der weder schreiben noch schwimmen kann? - Das heißt: Schon bei den alten Griechen war das richtig gute Schwimmen eine wichtige Voraussetzung für Staatsämter . Alle von Ihnen, die ambitioniert sind, sind also aufgefordert: Gehen Sie zur DLRG! Machen Sie dort durchaus auch das Rettungsschwimmabzeichen! - In diesem Sinne hoffe ich auf einen guten Sommer . ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Kollegin Britta Haßelmann hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen von den Linken, das Thema, über das wir heute in der Aktuellen Stunde reden, ist ein wahnsinnig wichtiges . Das zeigt der Hinweis auf die Sportausschusssitzung und den Bericht zum Thema „Wie ist das eigentlich mit der Schwimmfähigkeit?“ . Um das einmal zu übersetzen: Das bedeutet: Wie viele Menschen in Deutschland können nicht schwimmen und ertrinken womöglich, auch weil sie die Gefahren des Wassers - ob geschlossene oder offene Gewässer oder Schwimmbäder - nicht richtig einschätzen können? Natürlich ist jeder und jede Ertrunkene einer und eine zu viel . Es waren 537 Menschen im Jahr 2016, und das sind ganz erschütternde Nachrichten . Damit muss man sich beschäftigen . Damit muss man sich unter folgendem Aspekt beschäftigen: Was können eigentlich Bund, Länder und Gemeinden für die Schwimmfähigkeit und dagegen tun, dass insbesondere junge Menschen nicht mehr schwimmen lernen und die Gefahren vollkommen falsch einschätzen, dass sie damit überhaupt nicht umgehen können? Was können wir in Bund, Ländern und Kommunen mit den so unterschiedlichen Zuständigkeiten dafür tun? Das kann man mit aller Ernsthaftigkeit diskutieren . Aber mich nervt die platte Art, mit der das hier aufgemacht worden ist; das muss ich in Richtung der Linken ehrlich sagen . ({0}) - Das nervt wirklich, Jan Korte; das sage ich ganz ehrlich . Ich finde, wir sollten darüber sprechen, und da gibt es für mich zwei Möglichkeiten . Die eine ist: Wir drängen mit Verve darauf, dass der Sportminister - das ist der Innenminister - dieses Thema auf die Tagesordnung der Innenministerkonferenz setzt und fragt: Was können wir eigentlich gemeinsam in dieser föderalen Struktur dagegen tun, dass das so ist? ({1}) Welchen Beitrag können unsere Bundesländer dazu leisten? ({2}) Da möchte ich die Sportstunden und die Lehrpläne erwähnen; denn darum geht es auch . Was können wir also mit den verteilten Rollen dazu tun? Das hat die DLRG im Sportausschuss auch vorgetragen . Wir können darüber nicht einfach nur mal so in einer Aktuellen Stunde reden . Das Problem ist viel zu dramatisch . ({3}) Deshalb müssen wir uns intensiv damit beschäftigen . Die Menschen interessiert diese föderale Struktur nicht, ({4}) sondern sie wollen, dass das Problem gelöst wird . Deshalb kann von uns heute ein Signal ausgehen: Innenministerium, Sportminister, kümmert euch darum! Setzt das auf die Tagesordnung! - Das Gleiche gilt für die Kultusministerkonferenz . Darüber könnten wir nämlich an die Lehrpläne heran . ({5}) Das war der erste Punkt, den ich dazu sagen wollte . Der zweite Punkt . Mein Gefühl ist, dass wir die notwendige Debatte über das Thema Investitionsfähigkeit und das Thema Investitionsnotwendigkeit - darüber sind wir uns in den vergangenen drei Jahren einig gewesen - nicht intensiv genug geführt haben . Der Investitionsstau - das zeigt uns das KfW-Kommunalpanel - ist enorm . Er beträgt über 130 Milliarden Euro . Wir haben in den letzten dreieinhalb Jahren hier im Bundestag immer gesagt: Lasst uns in aller Ernsthaftigkeit darüber reden: Wie kann der Bund hier mehr Verantwortung übernehmen, obwohl wir das Kooperationsverbot haben? Deshalb waren wir sehr froh, dass das Kommunalinvestitionsförderungsgesetz uns wenigstens den Einstieg gegeben hat in der Frage: Können wir Investitionen in Kommunen fördern? Vielen Kommunen geht es nämlich so schlecht, dass sie notwendige Investitionen in die kommunale Daseinsvorsorge nicht mehr leisten können . Das muss auch von uns auf Bundesebene erkannt werden; auch wir müssen Ideen haben, wie wir einen Beitrag dazu leisten können . Aber zu sagen: „Für jedes geUte Vogt schlossene Schwimmbad sind wir hier auf Bundesebene zuständig“ ({6}) so einfach ist die Welt doch nicht, Jan Korte und André Hahn . ({7}) Deshalb brauchen wir konkrete Anknüpfungspunkte . Ein Beispiel ist das Kommunalinvestitionsförderungsgesetz, bei dem wir gemeinsam feststellen könnten: Da muss mehr Geld rein; die 3,5 Milliarden Euro, die da drin sind, reichen nicht aus . ({8}) Oder: Der Katalog der Zwecke für diese kommunalen Investitionsförderungen muss erweitert werden . ({9}) Wir haben zum Beispiel vorgeschlagen, das auf den Schulbereich auszuweiten, weil wir gesehen haben: Da brauchen Kommunen Unterstützung . Genauso könnten wir diskutieren, die Gemeinschaftsaufgabe, die 2020 neu aufgelegt werden soll und die jetzt für Agrarstruktur und Küstenschutz gilt, auf die regionale Daseinsvorsorge zu erweitern . Es ist unsere Aufgabe, das hier zu tun . Aber ob ein Bad geöffnet bleibt oder geschlossen wird, ob es einem Privatisierungsdruck unterliegt oder wie viele Bäder eine Stadt hat, sind Fragen, die von ganz vielen verschiedenen Faktoren in der Stadt oder Gemeinde abhängen .

Michaela Tadjadod (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003645

Liebe Kollegin .

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wir sollten uns auf die Möglichkeiten konzentrieren, die wir geben können - hier noch mal die Stichworte -: Kommunalinvestitionsförderungsgesetz, Ausweitung auf die regionale Daseinsvorsorge bei der Gemeinschaftsaufgabe . Das wären zwei sehr konkrete Anknüpfungspunkte, zusätzlich zu der Frage: Wie sieht es mit der Schwimmfähigkeit in Deutschland aus? Wenn wir das so machen, würde es auch für diese Frage eine Lösung geben .

Michaela Tadjadod (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003645

Frau Kollegin .

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das fände ich gut . ({0})

Michaela Tadjadod (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003645

Vielen Dank, Frau Kollegin Haßelmann . - Als Nächster spricht der Kollege Eckhard Pols für die CDU/ CSU-Fraktion . ({0})

Eckhard Pols (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004131, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Zuhörer auf den Rängen da oben! Wir sind uns alle einig, dass jedes Kind schwimmen können muss . Deswegen hat uns alle die Forsa-Umfrage erschrocken, die ergeben hat, dass 60 Prozent aller Zehnjährigen nicht sicher schwimmen können und dass nur 40 Prozent der Sechs- bis Zehnjährigen ein Jugendschwimmabzeichen - ob nun Bronze, Silber oder Gold - haben; das muss uns zu denken geben . Es muss die Frage erlaubt sein, warum so wenige Kinder in Deutschland noch schwimmen können . Zweifelsohne gibt es verschiedene Gründe, warum heute immer weniger Kinder schwimmen lernen . Das liegt unter anderem am veränderten Freizeitverhalten der Kinder und Jugendlichen, die ihre Freizeit vermehrt mit elektronischen Medien verbringen, so wie Sie gerade, Herr Mutlu . ({0}) Das hat natürlich Auswirkungen auf die motorischen Fähigkeiten und somit auch auf die Fertigkeit des Schwimmens . Vielleicht sind jenseits des Bildschirms Klettern und Spielen, meine Damen und Herren, aus der Mode gekommen . Hierbei immer gleich nach Maßnahmen des Staates zu rufen, ({1}) Herr Korte, ist nicht richtig; denn ich sehe hier in erster Linie eine Pflicht der Eltern, dafür zu sorgen, ({2}) dass sich ihre Kinder körperlich betätigen - ob es nun beim Hockey ist, wie der Kollege Steffel gesagt hat, beim Tanzen, beim Fußball oder eben beim Schwimmen bzw . beim Schwimmenlernen . Ich weiß es selber - Herr Korte, ich habe fünf Kinder -: Es ist zeitraubend, den Kindern das Schwimmen beizubringen, gerade wenn beide Elternteile berufstätig sind, so wie es bei uns der Fall war und immer noch ist . Dennoch haben all unsere Kinder vor dem Besuch der Grundschule schwimmen gelernt . Das ist bei uns in Deutschland alles möglich . Es kann auch keine Entschuldigung dafür geben, Kinder nicht zum Schwimmunterricht zu bringen . ({3}) Es ist auch finanziell machbar; denn bei Sportvereinen und bei der DLRG ist die Schwimmausbildung nicht nur exzellent, sondern in der Regel auch bezahlbar . Mein Appell gerade jetzt zur Sommerzeit, zur Ferienzeit: Liebe Eltern, melden Sie Ihre Kinder beim Schwimm unterricht an! Gerade in der Urlaubszeit können Sie Ihren Kindern an Ihren Urlaubsorten - hoffentlich in Deutschland und nicht auf Mallorca, Herr Korte das Schwimmen beibringen . ({4}) Auch Bezieher von Leistungen nach SGB II können bis zur Vollendung des 18 . Lebensjahres des Kindes Vereinsbeiträge in Höhe von 10 Euro pro Monat zurückbekommen, wenn sie es beantragen . Das gewährleistet das Bildungs- und Teilhabepaket, das wir vor einiger Zeit verabschiedet haben . Meine Damen und Herren, ein weiterer Aspekt, warum so viele Kinder nicht schwimmen können, muss hier diskutiert werden: die Schließung und die vereinzelt vorkommende Privatisierung von Bädern . Es ist richtig: Für Schwimmkurse sind normale Schwimmbecken nötig . Davon gibt es immer weniger in Deutschland . Die Privatisierung von Schwimmbädern ist in diesem Kontext nicht immer förderlich - eher im Gegenteil, da gebe ich Ihnen recht . Da gehen das Interesse der Kunden und die Funktionalität vor, und es werden vermehrt Spaßbäder eröffnet . In den Städten gibt es das Problem übrigens seltener . Es sind vor allem die ländlichen und strukturschwachen Regionen, in denen die Versorgung mit Schwimmbädern eine besondere Herausforderung darstellt . Das ist meines Erachtens auch logisch; denn in der ländlichen Region sind die Wege weiter als in der Stadt . Je weiter Eltern und Kinder von einem Schwimmbad entfernt leben, desto unattraktiver ist ein Besuch . Das führt zu entsprechend defizitären Betriebsergebnissen der Schwimmbäder. Aus diesem Grund schrecken viele ohnehin klamme Kommunen vor dem Bau von Schwimmbädern zurück, und immer mehr Schwimmbäder werden geschlossen . Heute stand in der Lokalzeitung des Wendlandes - die Kollegin Woltmann hat es in ihrer Zeitung auch gelesen - ein Artikel, dass Schüler für den Erhalt ihres Bades schon demonstrieren . Die Verantwortung dafür tragen aber weder die Kommunen noch die Eltern und schon gar nicht die Kinder . Stattdessen, Herr Korte, liegt sie bei den Ländern . Die Kommunen sind Gliederungen der Länder, und die Länder haben folglich für eine angemessene finanzielle Ausstattung der Kommunen zu sorgen . So sieht es unsere Verfassung vor . Zudem müssen die Grundschulen - das haben wir heute auch schon gehört - ihren gesetzlich vorgeschriebenen Erziehungsauftrag erfüllen und wieder häufiger Schwimmunterricht erteilen . Auch das liegt in der Zuständigkeit der Länder . Wir als Bund haben uns nicht aus der Verantwortung gestohlen . Gerade die unionsgeführten Bundesregierungen haben in den vergangenen Jahren mit verschiedenen Programmen sehr deutlich gezeigt, dass es auch geht . So hat der Bund unter anderem in dieser Legislaturperiode ein kommunales Investitionsprogramm in Höhe von 100 Millionen Euro vor allem für Sportstätten und Schwimmbäder aufgelegt . Dass das klappt, zeigt ein Beispiel meiner Heimatstadt Lüneburg, wo wir gemeinsam mit einem Sportverein ein neues Lehrschwimmbecken errichtet haben; für den Schwimmunterricht, aber auch für Gymnastik . Man kann also vieles miteinander kombinieren . ({5}) Auch das ist möglich . Es gibt auch positive Beispiele . Ein jüngstes Beispiel dafür, was die unionsgeführte Bundesregierung auch tut, ist die Aufstockung des Kommunalinvestitionsförderungsfonds um weitere 3,5 Milliarden Euro für finanzschwache Kommunen. ({6}) Ich will zum Schluss noch einmal deutlich machen, dass alle Kinder schwimmen lernen müssen . Da gibt es keine Ausnahme . Aber, wie gesagt, es sind vor allem die Länder, die die Rahmenbedingungen dafür schaffen müssen. Deswegen finde ich, Herr Korte, diese Aktuelle Stunde heute nicht angemessen . Sorgen Sie in Ihren Ländern dafür, dass das Geld, das wir vom Bund zur Verfügung stellen, da ankommt, wofür wir es vorgesehen haben . Die Länder müssen endlich mal ihre klebrigen Finger davon lassen und sollten das Geld nicht für andere Sachen ausgeben . Vielen Dank . ({7})

Michaela Tadjadod (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003645

Vielen Dank, Herr Kollege Pols . - Als Nächste spricht die Kollegin Jeannine Pflugradt für die SPD-Fraktion. ({0})

Jeannine Pflugradt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004375, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Frau Haßelmann, als Erstes möchte ich Ihnen Dank sagen für Ihren Redebeitrag . Ich habe zwischendurch schon gedacht: Ich bin im Kindergarten oder in der falschen Debatte . Zwischendurch war das nicht mehr feierlich . Es ist ein wichtiges Thema, und es ist auch gut, dass wir darüber sprechen - außer Frage . Schulschwimmen ist leider Luxus geworden . In den Lehrplänen vieler Schulen taucht Schwimmunterricht nur noch sporadisch auf . Gleichzeitig und konsequenterweise können immer weniger Grundschüler schwimmen . Nur jeder zweite Schüler verlässt die Grundschule mit dem Jugendschwimmabzeichen in Bronze . Dieser Befund zeigt, wie wichtig das Schulschwimmen ist oder wäre, wenn es überall stattfinden würde. Die Grundschulen haben den Auftrag, Schülern das Schwimmen beizubringen . Das aber umzusetzen, ist schwieriger geworden, weil viele Städte und Gemeinden in den vergangenen Jahren öffentliche Bäder geschlossen haben . Laut einer Studie der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen und der Bergischen Universität Wuppertal ist mehr als die Hälfte der 5 300 deutschen Hallen- und Freibäder sanierungsbedürftig . Das haben wir heute alles schon gehört . Um sie vor der Schließung zu bewahren, seien Investitionen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro notwendig . Mit dem Programm zur energetischen Gebäudesanierung können Schwimmhallenbetreiber die zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um die Anlagen zu modernisieren und somit Betriebskosten zu senken . Hier kann der Bund besonders finanzschwache Kommunen dabei unterstützen, die notwendigen Maßnahmen für Sanierungen durchzuführen . ({0}) Ein Schwimmbad zu bauen, ist relativ schnell und einfach organisiert . Doch die Probleme fangen an, wenn die Fertigstellung erfolgt ist: Wer übernimmt das Risiko der Betreibung? Wer trägt die Betriebskosten? Das lässt viele Kommunen zurückschrecken, und darum gibt es auch viele private Betreiber . Nicht immer werden Schwimmbäder geschlossen, weil sie marode sind, sondern auch, weil nicht genügend Nutzer kommen, weil eine Betreibung nicht kostendeckend erfolgen kann . Wir können und sollten hier im Haus gern darüber reden . Aber wie es sich mit der Zuständigkeit des Bundes verhält, dürfte allen hier im Haus bekannt sein: Der Bund ist weder für kommunale Sanierungen noch für die Lehrpläne in den Schulen zuständig - leider . Dennoch: Das Problem besteht weiterhin . Schulschwimmen kostet viel Zeit und Geld und genießt in der politischen Willensbildung leider keine hohe Priorität . So kommt es, dass die logistischen Herausforderungen oft kaum zu bewältigen sind . Etliche Schulen liegen gänzlich außerhalb der Reichweite eines Schwimmbades . Bei einer Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln würde, wie in meinem Heimatland Mecklenburg-Vorpommern, von einer Doppelstunde nur wenig oder keine reale Unterrichtszeit übrig bleiben . Ich nehme einmal ganz konkret meinen Heimatlandkreis, die Mecklenburgische Seenplatte, den größten Landkreis Deutschlands, größer als das Bundesland Saarland . Uns kommt das Wasser der Seen sprichwörtlich aus den Ohren . Aber öffentliche Badestellen, Rettungsschwimmer und Baden unter Aufsicht - das ist eher selten . Die nächste Schwimmhalle liegt 30 Kilometer entfernt und ist somit für den Schwimmunterricht nicht nutzbar . Dies war, soweit ich mich zurückerinnern kann, aber schon immer so . Ich habe das Schwimmen, genauso wie alle anderen Kinder bei uns in der Gegend, im Sommer gelernt, wenn Luft- und Wassertemperaturen es zuließen . Auch der personelle Aufwand ist höher als bei Unterrichtsstunden im Trockenen . Bei Schulklassen mit der üblichen Klassenstärke müssen in der Regel mindestens zwei Aufsichtspersonen anwesend sein . Zudem steigen - und das völlig zu Recht - die Anforderungen an die Schwimmlehrer . Ein Rettungsschwimmschein wird heute im Gegensatz zu früheren Zeiten vorausgesetzt, wenn jemand Schulschwimmunterricht erteilen will . Außerdem: Mögen Baden und Schwimmen in der Freizeit noch Spaß machen, scheiden sich am Schulschwimmen doch die Geister . Mancher Nichtschwimmer fühlt sich im Schwimmunterricht überfordert, hat massive Ängste vor den Tauchübungen oder vor Beckensprüngen . Schulschwimmen ist vermutlich genauso beliebt wie Mathe oder Deutsch . ({1}) - Nein, überall . ({2}) Hier müssen Ängste und Hemmungen einfühlsam abgebaut werden . Viele engagierte Eltern bemühen sich, ihrem Nachwuchs schon vor der Einschulung die Grundzüge des Schwimmens beizubringen . Wenn die Schule kein Schulschwimmen anbietet und es nicht in den Sportunterricht integriert ist, müssen wir als Eltern die Verantwortung dafür übernehmen, dass unsere Kinder die Fertigkeiten, sich im Wasser zu bewegen, erlernen . Meine Eltern haben mir das Schwimmen beigebracht, und ich habe es natürlich auch meinem Sohn beigebracht . Ja, es war eine nervenaufreibende Geschichte, und sicherlich habe ich auch das eine oder andere graue Haar dabei bekommen, aber es hat sich für meinen Sohn gelohnt . ({3}) Ich möchte untermauern, dass die Verantwortung der Eltern hier nicht unterschätzt werden darf . Wir Eltern bringen unseren Kindern selbstverständlich das Laufen, das Radfahren, das Daddeln mit dem Handy bei . Genauso selbstverständlich muss es doch auch sein, dass wir unseren Kindern das Schwimmen beibringen . ({4}) - Nein, dazu reicht auch ein See . - Wer als Kind schon mit dem „Seepferdchen“ zur Schule kommt, der hat wahrscheinlich ein viel größeres Selbstbewusstsein, hat weniger Berührungsängste gegenüber dem nassen Medium als Gleichaltrige, die vielleicht noch keine solchen Erfahrungen gemacht haben . Ich möchte an dieser Stelle die Möglichkeit nutzen, mich bei der DLRG und der Wasserwacht des DRK in meinem Heimatland zu bedanken, die im Sommer und in den Ferienzeiten die Rettungskurse und die Schwimmkurse übernehmen . Vielen Dank für eure Arbeit! Vielen Dank fürs Zuhören . ({5})

Michaela Tadjadod (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003645

Vielen Dank, Frau Kollegin . - Als Nächster spricht Josef Rief für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Josef Rief (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004136, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige Worte zu meinen Vorrednerinnen. Frau Pflugradt, ich habe ebenfalls das Schwimmen in einem kleinen Tümpel und in einem kleinen Bach erlernen dürfen, ohne irgendwelche Hilfe, und ich bin bisher noch nicht ertrunken, obwohl ich schon sehr viel geschwommen bin . Ich glaube, das sollte man nicht abtun . Es ist immer noch die beste Lösung, wenn man sich selber hilft . Das ist vernünftig . ({0}) Frau Haßelmann, was mir nicht gefallen hat: dass Sie hier letzten Endes die eine finanzielle Geschichte gegen die andere finanzielle Geschichte ausspielen. ({1}) Ich glaube, wir machen eine gute Finanzpolitik im Bund, und ich halte es nicht für sinnvoll, dass wir hier Mittel für den ländlichen Raum abzweigen, sie irgendwelchen Leuten wegnehmen, um irgendwelche anderen Dinge zu machen . Ich glaube, der Königsweg ist, dass wir die Einnahmen erhöhen . Das schaffen wir am besten mit Wachstum . Wir werden also in Zukunft Wachstum brauchen, um auch diese Probleme zu lösen . Meine Damen und Herren, es besteht Einigkeit in diesem Haus: Möglichst alle Menschen in unserem Land, vom Bodensee bis zur Ostsee, sollten sicher schwimmen können . Je früher das Schwimmen erlernt wird, desto besser . Ausreichend schwimmen zu können, heißt, im Ernstfall Leben retten zu können . Wir kommen hier nicht mit Trockenübungen im Bundestag weiter . Es werden schon die entsprechenden Einrichtungen und Gewässer benötigt, um sich diese Fertigkeit anzueignen . Wir haben, was das anbelangt, eine gute Tradition in der Schwimmausbildung, aber dass das kein Selbstläufer ist, das sehen wir heutzutage . Als Haushaltspolitiker freue ich mich, dass die unionsgeführte Koalition aus dem Programm zur Sanierung kommunaler Einrichtungen allein in den letzten beiden Jahren - obwohl wir streng genommen nicht zuständig sind - Mittel in Höhe von 47 Millionen Euro für die Sanierung bzw . den Ersatzneubau von Badeanstalten bzw . Hallenbädern zur Verfügung gestellt hat . Das ist selbstverständlich keine hohe Summe, aber bei Kommunen, die in einer Notlage waren, betrug die Fördersumme bis zu 90 Prozent . Das macht deutlich, dass der Bau von Schwimmbädern und die Sanierung von Schwimmeinrichtungen auf Bundesebene einen hohen Stellenwert genießen . Wir von der CDU/CSU werden uns auch in Zukunft dafür starkmachen, dass diese Programme weitergeführt werden können; ({2}) denn Kinder können am wenigsten dafür, wenn Kommunen eine schlechte Haushaltspolitik betreiben . Ich verkneife es mir, hier parteipolitisch zu werden . ({3}) Ein Hinweis sei mir gestattet: Länder und Kommunen - das haben auch schon einige Vorredner gesagt werden bis 2020 in der aktuellen Finanzplanung des Bundes um 20 Milliarden Euro entlastet . Ich denke, es wäre eine gute Idee, Teile dieser Entlastung in den Bau von Schwimmbädern zu investieren oder die Sanierung voranzutreiben . ({4}) Dass der Anteil der Nichtschwimmer in unserem Land zunimmt, gibt tatsächlich Anlass zur Besorgnis . Als Familienpolitiker betrübt mich die hohe Zahl der Kinder, die nicht sicher schwimmen können, darunter auch Kinder, die in Deutschland geboren sind, und auch die Todesfälle, die durch bessere Schwimmfähigkeit hätten verhindert werden können, rütteln auf . Die Ursachen hierfür sind vielfältig . Schwimmbadschließungen haben sicher ihren Anteil daran, sie sind aber keineswegs alleinige Ursache, wie uns die Fraktion Die Linke offenbar mit dem Titel der heutigen Aktuellen Stunde glauben machen will . Mehr Schwimmbäder führen nicht automatisch zu mehr Schwimmkompetenz . Kinder verlieren offenbar die Lust am Besuch von normalen Sportbädern, wo Bahnen geschwommen werden, und besuchen lieber Spaßbäder, in denen man zwar ins Wasser geht, aber oftmals nicht schwimmt . Hier sollten wir neue Begeisterung und Leistungsbereitschaft ebenso wie das Bewusstsein wecken, dass Technik und Kondition für den Schwimmerfolg essenziell sind . Dass dies möglich ist, zeigt zum Beispiel das Meerjungfrauenschwimmen, das seit einiger Zeit - das ist vielerorts zu beobachten - bei vielen Mädchen sehr beliebt ist . Auch darf der Schwimmunterricht an Schulen nicht ausfallen . Hier sind aber die Länder und Kommunen gefragt . Im Sommer könnte auch im Freien unterrichtet werden . Aufgrund der verbesserten Gewässerqualität hier ist in den letzten Jahren viel erreicht worden - sollten mehr Seen und Flüsse zum Schwimmen freigegeben werden . Mein dringender Appell richtet sich an alle Eltern: Achten Sie bitte darauf, dass Ihre Kinder unter fachkundiger Anleitung schwimmen lernen . Ebenso sollten sich alle Erwachsenen fragen, ob ihre Fähigkeiten für den Fall des Falles ausreichen . Abschließend sage ich ausdrücklich allen Vereinen und Ehrenamtlichen, die sich im Schwimmunterricht und in der Ausbildung der Rettungsschwimmer und -schwimmerinnen wie auch der Schwimmlehrer und -lehrerinnen engagieren - stellvertretend für viele weitere nenne ich den Deutschen Schwimm-Verband, die Wasserwacht des Roten Kreuzes und die DLRG -, für ihren unschätzbaren Einsatz herzlichen Dank . ({5})

Michaela Tadjadod (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003645

Vielen Dank, Herr Kollege Rief . - Als letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde spricht jetzt Erich Irlstorfer für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Erich Irlstorfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004311, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesen Tagen, in denen die Außentemperaturen mehr als 30 Grad erreichen, treibt es Jung und Alt zur Abkühlung ins kühle Nass . Ob das ein Voralpensee ist, die Nord- oder Ostsee, ({0}) ein Baggersee, ein Flussarm oder ein kommunal oder privat geführtes Schwimmbad, das ist, glaube ich, egal . An dieser Aufzählung wird deutlich, dass wir in Deutschland eine erfreulich große Vielfalt an Schwimmstätten haben . Ich finde es interessant, dass ein gewisser Handlungsbedarf von allen Fraktionen nicht bestritten wird . Es freut mich, dass in dieser Diskussion auch der Spitzensport genannt wurde . Man sieht, dass sich der Spitzensport durchaus befruchtend auf den Breitensport auswirkt . Die Bedeutung von Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen sollten wir nicht unterschätzen . Problematisch ist, dass prozentual gesehen immer weniger Menschen schwimmen können . Erlauben Sie mir dazu eine Bemerkung - das ist in einigen Reden schon angeklungen -: Ich glaube, wir können noch so viel in die Bildung, in Schulen, Kindergärten usw . investieren; wir dürfen dabei aber nicht das Elternhaus vergessen, das die Hauptverantwortung trägt . ({1}) Wenn man versucht, private Schwimmbäder dafür verantwortlich zu machen, dass weniger Kinder schwimmen können, dann springt man zu kurz, Herr Korte . Da hier versucht wurde, private Schwimmbäder zu verteufeln, möchte ich von meinen Erfahrungen aus meiner Zeit als Kommunalpolitiker berichten . Ich bin der Meinung, dass private Schwimmbäder unser Angebot an Schwimmstätten bereichern . Außerdem stellt sich oft gar nicht die Frage: privat oder kommunal? Die Frage lautet häufig: privat oder gar nicht, privat oder Schließung? Von daher bin ich froh, dass wir eine gesunde Mischung an Schwimmstätten haben . Wir dürfen auch nicht vergessen, dass sich das Verhalten der Nutzer geändert hat . Thermen, die der Erholung und dem Relaxen dienen, und auch Spaßbäder haben an Bedeutung gewonnen . Die tristen, öden Schwimmbahnen werden zwar benötigt, gerade auch mit Blick auf das Thema Wasserrettung und dergleichen; sie stellen aber keinen großen Anreiz dar, um ins Schwimmbad zu gehen und das Schwimmen zu erlernen . Insofern kann ein Überangebot auch kontraproduktiv sein . Ich möchte unterstreichen, dass es meiner Ansicht nach nicht Hauptaufgabe des Deutschen Bundestages ist, in Aufgaben der Kommunen und der Länder einzugreifen . Das heißt nicht, dass man darüber in der nächsten Legislaturperiode nicht noch einmal diskutieren könnte, vielleicht auch sollte . Ich bin mir sicher, dass die Kollegen im Sportausschuss dieses Thema gerne aufnehmen und offen dafür sind . Mit Schuldzuweisungen würde ich aber vorsichtig sein . Zum Abschluss möchte ich anmerken, dass man den Kindern keinen Vorwurf machen kann . Ich glaube, dass auch viele Erwachsene nicht schwimmen können . Man muss sagen: Das Schwimmen zu erlernen, ist keine Frage des Alters . Es gibt spezielle Kurse für Erwachsene . - Dass sich in diesem Bereich viele Ehrenamtliche einbringen und viel für das Schwimmen getan wird, ist gut . Ich bin froh, dass wir diese Organisationen haben . Wir sollten aber überlegen - in den Ländern -, ob wir das Erlernen des Schwimmens in Kindergärten und Grundschulen nicht wieder festigen und unterstützen sollten, und zwar nicht nur mit schönen Worten, sondern auch mit finanziellen Mitteln. In Bayern tun wir das. Dass aus dem bayerischen Haushalt jeder dritte Euro in die Bildung fließt, ist vorbildlich. Herr Korte, ich hoffe, dass das in den Bundesländern, in denen die Linke Verantwortung trägt, auch so ist . Danke schön . ({2})

Michaela Tadjadod (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003645

Vielen Dank, Herr Kollege . - Damit ist die Aktuelle Stunde beendet . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 sowie den Zusatzpunkt 3 auf: 4 . Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({0}) zu dem Antrag der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE Sofortiger Abzug der Bundeswehr aus Incirlik Drucksachen 18/12372, 18/12817 ZP 3 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU und SPD Verlegung des Bundeswehrkontingents von Incirlik nach Al Azraq zügig durchführen Drucksache 18/12779 Über die Beschlussempfehlung und den Antrag werden wir später namentlich abstimmen . Wir werden also zwei namentliche Abstimmungen durchführen . Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen . Ich eröffne die Aussprache . Als erstem Redner erteile ich dem Kollegen Niels Annen für die SPD-Fraktion das Wort . ({1})

Niels Annen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003732, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin, vielen Dank . - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundeswehr wird vom Stützpunkt Incirlik abgezogen . Diese Entscheidung ist richtig, und diese Entscheidung ist überfällig . ({0}) Dass Deutschland die Bundeswehr aus einem laufenden Einsatz aus einem NATO-Mitgliedsland abziehen muss, weil sich dessen Regierung weigert, uns Abgeordneten den Besuch unserer Soldatinnen und Soldaten zu gewähren, und dass dieser Einsatz stattdessen in ein Nicht-NATO-Mitgliedsland verlegt werden muss, ist ein einmaliger Vorgang . ({1}) Mit dem Abzug aus Incirlik - das muss man vermutlich so sagen - sind wir an einem vorläufigen Tiefpunkt in den Beziehungen zur Türkei angekommen . Aber eines ist mir ganz wichtig: Es gibt keinen Grund, über die heutige Entscheidung Genugtuung zu empfinden . Dafür sind die Beziehungen zur Türkei zu wichtig . Deswegen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, will ich noch einmal daran erinnern, worum es bei diesem Streit im Kern eigentlich ging: Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee . Wir, die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, entscheiden, ob wir Soldatinnen und Soldaten in bewaffnete Einsätze schicken, und wir entscheiden im Zweifel auch, die Soldatinnen und Soldaten, wenn nötig, zurückzurufen . Es muss eine Selbstverständlichkeit sein und es ist auch an allen anderen Einsatzorten eine Selbstverständlichkeit, dass wir die Soldatinnen und Soldaten, die wir in unserer Verantwortung in Einsätze schicken, an diesen Einsatzorten auch besuchen dürfen . Ich will daran erinnern: Es war nicht der Deutsche Bundestag, der diese Besuche politisiert hat; es war Präsident Erdogan . Offensichtlich ging es dem türkischen Präsidenten dabei nicht nur um diese Frage . Es ging ihm um Innenpolitik . Es ging ihm darum, zu mobilisieren und vor einem innenpolitisch hochbrisanten Referendum eine emotionale Debatte loszutreten . Er hat dafür die Beziehungen zu unserem Land schwer strapaziert und in einigen Punkten sogar aufs Spiel gesetzt . Mit staatsmännischem Verhalten hat das nichts zu tun, meine Damen und Herren . ({2}) Um die Verfassungsreform durchzusetzen, ließ Erdogan den Konflikt mit Deutschland eskalieren. Sowohl die Präsenz der Bundeswehr als auch willkürlich inhaftierte deutsche Staatsbürger wie Deniz Yücel und andere wurden von Präsident Erdogan genutzt, um sie in politische Geiselhaft zu nehmen . Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, Außenminister Gabriel dafür zu danken, dass er nie Zweifel daran gelassen hat und Forderungen Ankaras, wir sollten Türkinnen und Türken, die in Deutschland Asyl bekommen haben, nach dem Putschversuch ausliefern, stets mit großer Klarheit zurückgewiesen hat . Hier überhaupt eine Verknüpfung herzustellen - das hat die türkische Seite von uns erwartet, nämlich Freilassung von Herrn Yücel gegen Zugeständnisse, Besuchsrechte der Bundeswehr gegen politische Zugeständnisse -, ist inakzeptabel . ({3}) Allein die Forderung zeigt, was für ein hanebüchenes Rechtsverständnis der türkische Präsident hat . Herr Erdogan, nehmen Sie zur Kenntnis: In Deutschland entscheiden nicht Präsidenten oder Kanzler, sondern unabhängige Behörden und Gerichte darüber, wem politisches Asyl gewährt wird . Wenn Sie, Herr Erdogan, daran etwas ändern wollen, dann sorgen Sie dafür, dass in Ihrem Land die Menschenrechte wieder respektiert werden . Dann müssen Ihre Bürgerinnen und Bürger auch nicht in Deutschland Asyl beantragen . ({4}) Meine Fraktion steht fest an der Seite der Demokratinnen und Demokraten in der Türkei . 50 Prozent der Menschen, möglicherweise sogar mehr, haben ja gegen den Referendumsentwurf gestimmt . Diese Menschen dürfen wir bei allem Streit in dieser Situation nicht vergessen . ({5}) Ich glaube, dass zu einer nüchternen Analyse der deutsch-türkischen Beziehungen auch eine selbstkritische Betrachtung gehört . Wir müssen eingestehen, dass es auch auf deutscher Seite Fehler gegeben hat . Ich komme nicht darum herum, darauf hinzuweisen, dass es Kanzlerin Merkel, die CDU/CSU und ihre europäischen konservativen Freunde waren, die die Türkei jahrelang auf Abstand gehalten haben, leider auch in einer Zeit, in der es in der Türkei noch Reformbemühungen gegeben hat . Wir haben dieses Momentum verspielt . Das ist ein Teil unserer Verantwortung . ({6}) Aber natürlich gehört zu dieser Analyse auch, dass die Eskalation von Ankara ausging . Die Bundesregierung hat immer und immer wieder versucht, Kompromisse zu schmieden, im Gespräch zu bleiben und eine gesichtswahrende Lösung zu erzielen . Herr Erdogan hat sich anders entschieden . Wir haben auch von parlamentarischer Seite den Dialog gesucht . Auch dies ist abgewiesen worden . Frau Roth und ich haben vor wenigen Tagen erlebt, dass eine Delegation nicht ins Land gelassen wurde . Die Signale waren eindeutig . Vizepräsidentin Michaela Noll Ich weiß, dass jetzt von der Opposition und von vielen Bürgerinnen und Bürgern gesagt wird: Ihr habt euch hinhalten und vorführen lassen . - Ich sage: Das Gegenteil ist der Fall . Jeder Versuch, im Gespräch zu bleiben, war es wert . Dafür ist diese Beziehung zu wichtig . Es handelt sich bei einer Truppenverlegung in einem laufenden Einsatz nicht um eine Banalität . Aber nachdem das letzte Gespräch gescheitert war und Frau Merkel im Gespräch mit Herrn Erdogan kein Ergebnis erzielt hat, ist jetzt Klarheit gefragt, Kolleginnen und Kollegen . Genug ist genug, die Bundeswehr muss abzogen werden, und wir sind auf dem richtigen Weg . Ich glaube, das ist die Botschaft des heutigen Tages . ({7}) Ich will an dieser Stelle der jordanischen Regierung danken . Wir haben uns den Abzug nicht gewünscht . Wir haben dafür gearbeitet und gekämpft, dass die Bundeswehr in Incirlik bleiben kann, auch als ein Symbol für die deutsch-türkischen Beziehungen . Aber jetzt ist anders entschieden worden . Insofern will ich sagen: Es ist vielleicht eine Koinzidenz, aber keine schlechte, dass wir in einer schwierigen Lage - Sie alle wissen, dass die Kämpfe an der jordanischen Grenze an Intensität zunehmen - einem Land, das Hunderttausende von Flüchtlingen aufgenommen und sich in den letzten Jahren als ein stabiler, verlässlicher Partner erwiesen hat, jetzt diese symbolische Unterstützung zukommen lassen können . Ich glaube, das ist die richtige Botschaft . Lassen Sie uns nach einer auch emotionalen Debatte in diesem Hause und in der Gesellschaft doch eines festhalten: Das Prinzip der Parlamentsarmee hat sich bewährt . Es hat sich auch in einer Zeit höchster Spannungen und großer Krisen bewährt . Lassen Sie uns nicht an diesem Prinzip rütteln . Ich danke für die Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung . ({8})

Michaela Tadjadod (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003645

Vielen Dank, Herr Kollege Annen . - Jetzt hat Dr . Gregor Gysi für die Fraktion Die Linke das Wort . ({0})

Dr. Gregor Gysi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000756, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Selbstverständlich ist es eine Frechheit, dass der türkische Präsident Erdogan uns Abgeordnete des Bundestages nicht zu unseren Soldaten, die übrigens auch auf seinen Wunsch hin dort sind, in die Türkei lässt . Das kann man nicht hinnehmen . ({0}) Ich stelle mir aber folgende Frage: Unsere Soldaten stehen doch bewaffnet in Incirlik, um den Luftraum über Syrien zu erspähen . Diese Daten gehen dann an ein Hauptquartier der Mitglieder der Allianz . Mitglieder der Allianz sind zum Beispiel die USA, aber auch die Türkei . Das heißt, sowohl die USA als auch die Türkei bekommen Zugriff auf diese Daten . Die USA nutzen die Daten, um den „Islamischen Staat“ zu bekämpfen und Flugzeuge von Assad zu zerstören . Aber auch die Türkei könnte die Daten nutzen, zum Beispiel für ihren Kampf gegen die Kurdinnen und Kurden in Syrien . Wenn also die Bundeswehr, wenn Deutschland Daten an das Hauptquartier liefert und die Türkei Zugriff darauf hat, könnte doch zumindest der Eindruck entstehen - ob man will oder nicht -, dass wir an der Seite der Türkei stehen, gegen die Kurdinnen und Kurden agieren und damit indirekt dem „Islamischen Staat“ helfen . Die Türkei hat nämlich die Kurdinnen und Kurden in Syrien bombardiert . Diese führen aber den Bodenkampf gegen den „Islamischen Staat“ und werden dadurch geschwächt . Ich möchte nicht, dass die Bundeswehr eine solche Rolle übernimmt . ({1}) Gleichzeitig fliegt die Bundeswehr in den Nordirak, bildet dort Kurdinnen und Kurden für den Kampf gegen den „Islamischen Staat“ aus und bewaffnet sie . Was denn nun? Steht Deutschland nun an der Seite der Kurdinnen und Kurden im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ oder an der Seite der Türkei im Kampf gegen die Kurdinnen und Kurden, wodurch der „Islamische Staat“ gestärkt wird? Merken Sie nicht, dass diese zwiespältige Rolle endlich aufhören muss, oder nehmen Sie einfach beides hin? ({2}) Darf man nicht ein Mindestmaß an Glaubwürdigkeit verlangen? Meine Haltung ist übrigens eine ganz andere . Ich meine, dass wir im Nahen Osten und in der gesamten Region militärisch gar nichts zu suchen haben . ({3}) Deshalb ist die Forderung der Grünen und der Linken berechtigt, die Soldaten und ihre Waffen nach Hause zu holen und sie nicht nach Jordanien zu verlagern, damit sie dort ihre zwiespältige Rolle fortsetzen . ({4}) Ich glaube, dass wir im Nahen Osten und darüber hinaus langsam unsere Rolle wechseln müssen . Wir müssen zu einem Vermittler werden, einem Vermittler zwischen Israel und Palästina, im Syrien-Krieg, im Krieg Saudi-Arabiens gegen den Jemen, im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine und in anderen Krisen . Ich glaube, dass das unsere Rolle nach dem Zweiten Weltkrieg, nach 1945 sein muss . Sie aber wollen keine VerNiels Annen mittlerrolle . Sie machen aus Deutschland eine Kriegspartei, und das ist der falsche Weg . ({5}) Sie haben Deutschland daneben auch noch zum drittgrößten Waffenexporteur gemacht . Das ist nun wirklich nicht die Aufgabe unseres Landes . ({6}) Es wird Zeit, dass der ganze Bundestag begreift - übrigens auch wegen Trump -, dass wir eine andere Rolle spielen müssen . Ich will einmal ein Beispiel nennen: Trump fordert einfach so, dass wir 2 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts für Rüstung und Armee ausgeben . Wir geben schon jetzt 38 Milliarden Euro pro Jahr dafür aus, und er will, dass wir noch einmal 30 Milliarden Euro obendrauf legen . Frau Merkel und Frau von der Leyen sagen sofort artig, ja, sie werden das machen . Bevor ich mir zu Hause eine zweite Waschmaschine kaufe, überlege ich mir, ob ich sie auch brauche, und wenn ich sie nicht brauche, dann kaufe ich sie auch nicht . Wozu brauchen wir denn mehr Rüstungsgüter und Soldaten für 30 Milliarden Euro? Fragt sich das keiner in der Regierung? Eine Antwort darauf gibt es auch nicht . ({7}) Ich bitte Sie wirklich: Hören Sie auf, Trump so dackelig hinterherzulaufen! Lernen Sie, ihm gegenüber auch einmal Nein zu sagen! Wir brauchen nicht mehr Rüstung, und wir brauchen nicht mehr Armee . ({8}) Also: Zurück mit der Bundeswehr aus der Türkei nach Hause und nicht nach Jordanien und mehr Mut gegenüber Trump unter Einschluss des Wortes „Nein“! Danke . ({9})

Michaela Tadjadod (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003645

Vielen Dank, Herr Kollege Gysi . - Als Nächster hat der Kollege Henning Otte für die CDU/CSU-Fraktion das Wort . ({0})

Henning Otte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003821, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist an der Zeit, noch einmal klarzustellen, Herr Gysi, warum die Bundeswehr hier mit über 60 Nationen einen Beitrag leistet . Es geht darum, den furchtbaren IS-Terror zu bekämpfen, einen IS-Terror, der nicht nur für die Menschen in Syrien und für die Menschen in Europa, sondern für die ganze Welt eine Bedrohung ist . Der IS geht rücksichtslos gegen Frauen, Kinder, Männer, Andersgläubige vor . Diesem muss Einhalt geboten werden, und deswegen ist unser Einsatz richtig und vernünftig . ({0}) Die Bundeswehr ist mit Aufklärungstornados und Tankflugzeugen in Incirlik und hat dort eine herausragende Arbeit geleistet . Der Standort hat gute Rahmenbedingungen geboten, nicht für die Türkei, sondern in der Türkei . Wir stellen nun mit großer Sorge die Veränderungen in der Türkei fest . Wir sehen die Anschläge, die es dort gibt, aber eben auch das Vorgehen gegen die Bürgerrechte . Deswegen sagen wir dem NATO-Mitglied Türkei: Die NATO ist nicht nur ein Verteidigungsbündnis, sondern auch eine Wertegemeinschaft . Wir fordern, dass diese Werte eingehalten werden . ({1}) Wir haben in Deutschland eine Gewaltenteilung . Es ist gut, dass die Abgeordneten die Bundeswehr als Parlamentsarmee besuchen können, um zu gucken, ob das Mandat umgesetzt wird, aber auch aus Gründen der Fürsorge, ob es unseren Soldatinnen und Soldaten gut geht . Darin unterscheiden wir uns von der Fraktion Die Linke, die auch das Besuchsrecht für sich entdeckt hat, aber eben nicht, wie gerade deutlich wurde, um den Soldatinnen und Soldaten ihre Anerkennung zu zeigen, sondern um ihnen ihr Misstrauen auszusprechen, ihnen Dinge zu unterstellen, die nicht wahr sind . Das ist nicht in Ordnung . Ein Mindestmaß an Glaubwürdigkeit sollten auch Sie sich erhalten, Herr Gysi . ({2}) Es werden nämlich keine Bilder an nicht festgelegte Kanäle weitergegeben . Ich sage ganz deutlich, dass es die Unionsfraktion war, die gesagt hat: Wir helfen den kurdischen Kämpfern, den Peschmerga, damit sie ihre Heimatdörfer verteidigen können, damit sie Leib und Leben ihrer Familienangehörigen verteidigen können . Was wäre denn aus den Kurden und den Jesiden dort geworden, wenn Sie Verantwortung gehabt hätten? Gut, dass die Union in einer Großen Koalition die Verantwortung trägt . Wir nehmen Verantwortung wahr, auch für die Menschen dort . ({3}) Zugegebenermaßen ist Politik auch das Bohren dicker Bretter . In der Politik braucht man Ruhe, vielleicht auch Gelassenheit, aber vor allem immer einen Kompass . Es war gut, dass Minister Gabriel in Ankara Gespräche geführt und deutlich gemacht hat: Das Besuchsrecht ist für uns nicht verhandelbar . Aber, Herr Annen, wie kann es denn sein, dass Sie, wenn Herr Gabriel am Montag losfliegt, am Dienstag in der Fraktion schon die Entscheidung treffen, die Soldaten aus Incirlik abzuziehen? Sie haben damit den Außenminister desavouiert . Das ist doch kein Zeichen von Vertrauen . Dass wir die Soldaten abziehen müssen, haben Sie mit Ihrem Schlingerkurs mit zu verantworten . ({4}) Wir werden die Tankflugzeuge und im August die Tornados verlegen . Spätestens im Oktober werden die Soldatinnen und Soldaten wieder voll operationsfähig sein . Dass das so schnell geht, ist der Innovationskraft und der Tatkraft unserer Soldatinnen und Soldaten zuzuschreiben . Es ist vor allem aber der Entscheidung der Bundesverteidigungsministerin zuzuschreiben, die gesagt hat: Wir werden vorbeugend schauen, ob wir in Jordanien einen neuen Standort finden. Herzlichen Dank, Frau Ministerin, für diese vorsorgende Arbeit . ({5}) Meine Damen und Herren, die Bundeswehr hat viel zu leisten . Das müssen wir auch durch politische Rückendeckung deutlich machen . Wir haben daher in dieser Legislaturperiode das Attraktivitätssteigerungsgesetz und das Soldatinnen- und Soldatenbeteiligungsgesetz auf den Weg gebracht, das Besoldungsänderungsgesetz und den Auslandsverwendungszuschlag verbessert sowie die Wahlfreiheit zwischen Trennungsgeld und Umzugskostenvergütung eingeführt . Wir haben die Trendwende eingeleitet, materiell, personell und auch finanziell. Ich sage Ihnen, Herr Gysi: Die CDU/CSU ist die einzige Fraktion, die bereit ist, den Soldatinnen und Soldaten mehr Geld für die Erfüllung ihrer Aufgaben zu geben, beispielsweise zur Anschaffung von Nachtsichtbrillen und abhörsicheren Funkgeräten . Hören Sie auf, hier Quatsch zu erzählen! Es geht darum, dass die Soldatinnen und Soldaten ihren Auftrag erfüllen für Freiheit und Frieden in Europa . Sie sind ein Garant für Stabilität . Deswegen unterstützt die Union unsere Bundeswehr . Herzlichen Dank . ({6})

Michaela Tadjadod (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003645

Herzlichen Dank, Herr Kollege Otte . - Das Wort hat jetzt der Kollege Cem Özdemir für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Cem Özdemir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002746, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor ziemlich genau zwei Jahren fand in der Türkei eine Wahl statt . Erstmals gelang einem Parteienbündnis aus progressiven und liberalen Kräften der HDP der Sprung über die 10-Prozent-Hürde . In der türkischen Nationalversammlung saßen kurdischstämmige Abgeordnete erstmals an der Seite von armenischstämmigen Abgeordneten, von Jesiden und vor allem von sehr vielen Frauen . Pluralismus war in dieses Parlament eingezogen . Viele hier im Haus haben gehofft, dass diese Wahl eine Chance für die Türkei ist, dass die Konflikte dort gelöst werden, wo sie in einer Demokratie gelöst werden müssen, nicht in den Bergen, nicht in den Kasernen, sondern in Parlamenten, wo man sich zur Beantwortung der Fragen zivilisiert auseinandersetzt . ({0}) Allerdings müssen wir zwei Jahre später feststellen, dass die türkische Nationalversammlung anders aussieht . Die AKP-Fraktion ist nach der sogenannten Verfassungsreform vollständig zum Büttel Erdogans geworden . Abgeordnete der HDP-Fraktion sitzen mittlerweile im Gefängnis, darunter ihre Anführer . Aber auch aus der größten Oppositionsfraktion, ihrer Schwesterpartei, der Republikanischen Volkspartei, ist erstmals ein Abgeordneter, Enis Berberoglu, eingesperrt worden . Ich finde, man kann keine Debatte über die Türkei führen, ohne dass wir, die wir hier diese Auseinandersetzung zwar kontrovers, aber eben frei führen können, unseren Kolleginnen und Kollegen in der Türkei, die nichts anderes verbrochen haben, als ihren Job wahrzunehmen, Solidarität aussprechen . ({1}) Das geht in einem NATO-Mitgliedsland nicht . Das geht in einem Mitgliedsland des Europarates nicht . Das geht in einem Land, das Mitglied in der Europäischen Union werden möchte, nicht . Ich habe über die Parlamentarier gesprochen . Ich will aber die unzähligen Richter, die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die Lehrer und Lehrerinnen, die Polizisten und Journalisten nicht vergessen, darunter übrigens auch zwei unserer Staatsbürger, die man dort versucht mundtot zu machen, indem man sie entlässt oder schlicht und ergreifend wegsperrt . Auch denen gilt unsere Solidarität . Wir dürfen nicht eher ruhen, bis diese Menschen wieder in Freiheit und die türkischen Gerichte wieder rechtsstaatliche Gerichte statt Willkürgerichte von Herrn Erdogan sind . ({2}) Ich habe gerade mit Spannung die Auseinandersetzung darüber verfolgt, wem wir es zu verdanken haben, dass die Soldaten aus Incirlik abgezogen werden . Die SPD ist sich sicher, dass es die SPD war . Die CDU/CSU ist sich sicher, dass es die CDU/CSU war . Vielleicht können wir uns einfach darauf einigen, dass es die Menschen in diesem Land waren, die gesagt haben: Es geht nicht an, dass ein Parlament Soldaten in ein NATO-Land entsendet und es unseren Abgeordneten verweigert wird, sie dort besuchen zu können . Es ist gut, dass Sie jetzt reagieren . Aber die Situation hat sich doch nicht verändert . Wir hatten diese Situation schon vor einem Jahr, und da waren Sie leider nicht imstande, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen . Das hat Herrn Erdogan ermutigt, auf seinem falschen Weg weiterzumachen . Herr Erdogan versteht die Sprache des Kuschelns nicht, meine Damen, meine Herren . Die einzige Sprache, die er versteht, ist, ihm deutlich zu machen, dass es Grenzen gibt, und diese Grenze ist schon länger überschritten . Deshalb ist es notwendig, dass man ihm deutlich macht: Das geht nicht, das muss Konsequenzen haben . ({3}) An die Adresse der Bundesregierung noch eines: Gelegentlich konnte man den Eindruck gewinnen, dass das Reiseprogramm der Bundeskanzlerin sich ein bisschen nach Wahlkampferwägungen von Herrn Erdogan gerichtet hat . ({4}) Ich habe es nicht vergessen - und die Opposition in der Türkei hat es auch nicht vergessen -, dass sie kurz vor der Wahl in der Türkei war und keine Zeit hatte, sich mit der Opposition zu treffen . Wenigstens 15 Minuten am Flughafen mit einem der Oppositionsführer und Vertretern der Tageszeitung Cumhuriyet kann man schon erwarten . ({5}) Ich will nicht, dass ein Außenminister und eine Kanzlerin dieses Landes die Werte unseres Landes und die Werte Europas am Check-in-Schalter abgeben und sie vergessen, wenn sie in der Türkei sind . Auch da sind sie wichtig . Wir haben vorhin geklatscht, als davon die Rede war, dass gerade die Menschen, die in besonderer Weise auf die Solidarität von Demokraten angewiesen sind, wissen, dass wir sie nicht vergessen, meine Damen, meine Herren . ({6}) Ich komme zum Schluss . Ich hätte mir gewünscht, dass wir bei einem Einsatz, bei dem wir die Soldaten von einem NATO-Land in ein Land verlegen, das nicht in der NATO ist, eine wirklich umfassende Debatte in diesem Haus führen . Ich glaube, es wäre für eine Parlamentsarmee durchaus angemessen, diese Debatte im umfassenden Sinne zu führen . Ich bedaure, dass wir die Zeit dafür nicht haben . Umso wichtiger ist, dass sich der Bundestag damit beschäftigt . ({7})

Michaela Tadjadod (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003645

Vielen Dank, Herr Kollege . - Das Wort hat nunmehr Dr . Reinhard Brandl für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Dr. Reinhard Brandl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004018, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundeswehr zieht aus Incirlik ab, und das ist richtig so . Die letzte Forderung aus der Türkei, das Besuchsrecht der Abgeordneten daran zu koppeln, dass türkischen Soldaten und Beamten kein Asyl in Deutschland gewährt wird, ist eines Rechtsstaats unwürdig . ({0}) Ein Grundrecht kann man nicht gegen ein Besuchsrecht eintauschen . Dass dieser Handel überhaupt vorgeschlagen worden ist, wirft ein bezeichnendes Licht auf die aktuelle türkische Regierung und ihr Rechtsstaatsverständnis . ({1}) An einem solchen Punkt muss man auch die Kraft haben, ein Zeichen zu setzen; denn wenn man auf dieser Basis mit einer Regierung, noch dazu mit einer Regierung eines NATO-Partners und EU-Beitrittskandidaten, weiter verhandelt, dann nimmt auch die eigene Glaubwürdigkeit und die Glaubwürdigkeit der westlichen Welt insgesamt ab . Der Schaden, der dadurch entsteht, ist viel größer als der Nutzen, den man in der Sache erreichen kann . Deswegen ist es richtig, dass diese Entscheidung jetzt so gefallen ist . Es kommt jetzt darauf an, dafür zu sorgen, dass der Profiteur der Entscheidung nicht ausgerechnet der „Islamische Staat“ ist; es muss vielmehr möglichst schnell gelingen, den Ausfall der Bundeswehr zu kompensieren und eine Lösung zu finden. Es kommt auch darauf an, möglichst schnell eine Lösung mit der Türkei über die anderen Streitpunkte zu finden - Stichwort: inhaftierte Journalisten; darüber haben wir gerade eben schon gesprochen . Eigentlich wäre es nach dieser Entscheidung der Bundesregierung gut gewesen, wenn die Grünen und die Linken ihren Antrag zurückgezogen hätten . Aber da Sie ihn nicht zurückgezogen haben, kann ich Ihnen nicht ersparen, dass ich mich mit ihm ein bisschen beschäftige . Ich habe den Antrag dabei . Alleine dass Grüne und Linke jetzt gemeinsame Linien in der Außenpolitik formulieren, ist schon einmal ein Zeichen . ({2}) Aber viel bemerkenswerter finde ich, dass sie dafür Textvorlagen der Linken verwenden . Schauen wir uns den Antrag an . Er besteht aus nur zwei Sätzen, mit denen der sofortige Abzug der Bundeswehr ohne weitere Begründung gefordert wird . Das sind Formulierungen, die wir sonst nur von den Anträgen der Linken kennen . ({3}) Aber der Vorteil der kurzen Anträge ist, dass man sie vorlesen kann: Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee und die parlamentarische Kontrolle muss zu jedem Zeitpunkt möglich sein . ({4}) Das unterschreibe ich noch, das ist auch richtig . Aber es geht weiter: Die Bundeswehr wird daher mit sofortiger Wirkung vom Standort Incirlik ({5}) abgezogen . ({6}) Grüne und Linke klatschen jetzt . ({7}) - Ja, aber ich halte diese Schlussfolgerung für fatal, weil sie uns erpressbar macht . Man kann jetzt zu Ihrer Verteidigung sagen, dass Erdogan auch ohne Grüne und Linke darauf gekommen ist und genau an diesem Punkt angesetzt hat . Das Besuchsrecht ist doch ein wunderbarer Hebel für so einen Herrscher, mit dem es ihm gelungen ist, uns über Monate hinweg zu provozieren und mit dem es ihm zum Schluss auch gelungen ist, den Abzug der Bundeswehr zu erzwingen . ({8}) Es ist doch klar, dass sich jetzt sofort der nächste Herrscher überlegt, ob er diesen Hebel nicht ansetzen kann, sodass wir uns mit dieser Frage wieder beschäftigen müssen . Auch ich bin für den Abzug der Bundeswehr . ({9}) Es ist richtig, dass wir uns zurückziehen, aber ich bin dagegen, dass wir uns selber erpressbar machen . Ein großer Staatsmann hat den Satz geprägt: Die oberste politische Tugend ist die Klugheit. - Ich finde diesen Antrag nicht besonders klug . Ich fände es klug, wenn Sie ihn zurückziehen würden . Sie haben jetzt noch die Chance . Wir werden ihn auf jeden Fall ablehnen . Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit . ({10})

Michaela Tadjadod (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003645

Es besteht noch das Bedürfnis nach einer Kurzintervention . Frau Kollegin Hänsel .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin . - Ich muss schon sagen: Herr Brandl, Ihre abenteuerlichen Theorien können Sie vergessen . Was Sie hier vorgebracht haben, ist wirklich hanebüchen . Es geht um etwas anderes . Ihre Regierung hat sich schon längst durch das Merkel- ErdoganAbkommen erpressbar gemacht . ({0}) Durch diesen schmutzigen Flüchtlingsdeal haben Sie sich doch schon lange in die Hände Erdogans begeben . Das ist doch die Wahrheit . Darüber sollten Sie sprechen, aber Sie sollten nicht uns plötzlich den Abzug vorwerfen . Wir haben konsequent gemahnt, dass es nicht sein kann, dass wir unser Besuchsrecht nicht wahrnehmen können . Wir vertreten die Interessen des Parlaments . Das hätten Sie viel früher tun müssen . Sie wurden von uns zum Jagen getragen, sodass wir jetzt so weit sind, dass die Bundeswehr abgezogen wird . ({1}) Meine Frage an Sie betrifft das Mandat . Wir sehen hier eine Umwidmung des Mandats . Wir erleben mittlerweile, dass der NATO-Partner USA syrische Kampfflugzeuge abschießt . Diesbezüglich würde ich von Ihnen gerne wissen, wie Sie sich das eigentlich vorstellen . Das ist eine brandgefährliche Situation . Darüber müssen wir sprechen, aber nicht über Ihre abenteuerlichen Vorwürfe, die Sie gegen uns erhoben haben . ({2})

Michaela Tadjadod (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003645

Herr Kollege Brandl, möchten Sie darauf antworten? - Bitte .

Dr. Reinhard Brandl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004018, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, es ist natürlich die alte Taktik der Linken, einfach ein neues Thema anzusprechen, um vom eigentlichen Thema abzulenken . ({0}) Diese Taktik lassen wir Ihnen nicht durchgehen . Es ist völlig klar, dass Sie kein Interesse daran haben, dass die Bundeswehr irgendwo stationiert ist . ({1}) Sie lehnen jeglichen Einsatz der Bundeswehr ab und wollen mit einem solchen Antrag allen möglichen Ländern einen Hebel in die Hand geben, den Abzug der Bundeswehr zu erzwingen . Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen . Zum Mandat: Im Mandat ist der Standort Incirlik nicht ausdrücklich festgeschrieben . Das Mandat ist allgemein gehalten . Der Deutsche Bundestag hat beschlossen, dass der Standort Incirlik im Hinblick auf das Besuchsrecht überprüft wird . Das hat der Deutsche Bundestag jetzt getan . Die Bundesregierung hat entschieden . Das Mandat bleibt weiterhin gültig; es ist keine Neubefassung nötig . Danke . ({2})

Michaela Tadjadod (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003645

Vielen Dank, Herr Kollege . - Ich schließe die Aus- sprache . Tagesordnungspunkt 4 . Wir kommen zur Abstim- mung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktionen Bündnis 90/ Die Grünen und Die Linke mit dem Titel „Sofortiger Abzug der Bundeswehr aus Incirlik“ . Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa- che 18/12817, den Antrag der Fraktionen Bündnis 90/ Die Grünen und Die Linke auf Drucksache 18/12372 ab- zulehnen . Wir stimmen nun über die Beschlussempfeh- lung namentlich ab . Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen . - Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Ich eröffne die erste namentliche Abstimmung über die Beschlussemp- fehlung zu dem Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke . Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall . Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerin- nen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen . Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben .1) Zusatzpunkt 3 . Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Drucksa- che 18/12779 mit dem Titel „Verlegung des Bundeswehr- kontingents von Incirlik nach Al Azraq zügig durchfüh- ren“ . Wir stimmen auch über diesen Antrag namentlich ab . Es liegt eine Erklärung zur Abstimmung nach § 31 un- serer Geschäftsordnung vor .2) Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen . - Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall . Ich eröffne die zweite namentliche Abstimmung . Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall . Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerin- nen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen . Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben .3) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Kerstin Andreae, Cem Özdemir, Dr . Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine neue Gründungskultur in Deutschland Drucksache 18/12369 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen . Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst Kerstin Andreae von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort . ({0}) - Es wäre nett, wenn die Kolleginnen und Kollegen die Plätze einnehmen würden oder gegebenenfalls die Ge- spräche draußen fortsetzen würden . 1) Ergebnis Seite 24440 D 2) Anlage 42 3) Ergebnis Seite 24443 C

Kerstin Andreae (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003493, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zahlen aus dem KfW-Gründungsmonitor sind ernüchternd: Die Anzahl der Existenzgründerinnen und Existenzgründer nimmt kontinuierlich ab . Im Jahr 2016 hatten wir 13 Prozent weniger Gründungen als im Jahr davor . Das liegt zum einen natürlich an der sinkenden Arbeitslosigkeit - aber eben nicht nur -, es liegt zum anderen auch daran, dass Gründungen in der Bundesrepublik Deutschland inzwischen extrem schwierig werden sei es wegen bürokratischer Hürden, sei es wegen eines unübersichtlichen Förderdschungels, sei es wegen starrer Kriterien, sei es wegen der fehlenden sozialen Absicherung oder sei es wegen unzureichender Finanzierungsinstrumente . Besonders bei diesem letzten Punkt besteht dringender Handlungsbedarf . ({0}) Gründungen sind ja sehr vielseitig und sehr vielschichtig . Da ist der Jungunternehmer mit einem faltbaren Elektromobilroller, der mit der EU-Bürokratie um die Zulassung kämpft; da ist die alleinerziehende freiberufliche Grafikdesignerin, die versucht, sich eine neue Existenz aufzubauen; und da ist im Übrigen auch der syrische Flüchtling, der überlegt, eine Lokalität zu eröffnen . Was Union und SPD nicht sehen wollen bzw . wofür sie eigentlich in den letzten Jahren nichts getan haben: Die fehlenden Existenzgründungen von heute sind eben auch Teil der Arbeitslosigkeit von morgen . Wir wissen, dass Gründerinnen und Gründer in der Summe in den letzten Jahren 5 Millionen sozialversicherungspflichtige Jobs geschaffen haben . Das sind im Schnitt drei bis vier neue Arbeitsplätze pro Gründung . Darin stecken ein unglaubliches Potenzial und eine unglaubliche Chance . Und das sollte uns doch gemeinsam zusammenführen, damit wir hier nun auch wirklich etwas für diese Menschen tun . ({1}) Deswegen haben wir einen umfassenden Antrag zu Gründungen vorgelegt, in dem eine Reihe von Instrumenten beschrieben werden, von denen ich Ihnen ein paar vorstellen werde . In den ersten beiden Jahren sollen Gründerinnen und Gründer von unnötigen Meldepflichten befreit werden . Die Anmeldungen bei den Behörden sollen vereinfacht werden, E-Goverment-Strategien sollen entwickelt werden, One-Stop-Shops - alles aus einer Hand; ein großes Bedürfnis der jungen Menschen, die Gründungen planen -, Entlastungen bei den Sozialversicherungsbeiträgen und eben eine einfache und unbürokratische Finanzierung . Deswegen schlagen wir Ihnen vor, dass es ein Gründungskapital geben soll: 25 000 Euro als Darlehen für jeden, der sich selbstständig machen will - unbürokratisch und fast bedingungslos, ohne eine Bank im Rücken, ohne Eigenkapital und ohne Sicherheit . Denn wir wollen, dass die Ideen ihren Raum finden und dass man nicht so viel selber - vielleicht auch von zu Hause aus - mitbringen Vizepräsidentin Michaela Noll muss . Wir wollen, dass dieses innovative Potenzial, das da ist, tatsächlich genutzt wird . ({2}) An die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU: Hessen macht so etwas Ähnliches . Der grüne Wirtschaftsminister in Hessen hat ein Mikrodarlehen-Programm auf den Weg gebracht, nach dem exakt 25 000 Euro einfach zu bekommen sind, ohne die Sicherheit im Rücken, für genau diese jungen Menschen . Was ist in Hessen passiert? Das Land Hessen ist inzwischen im Gründungsmonitor auf Platz zwei gelandet . ({3}) Hessen hat sich als Flächenland zwischen die Stadtstaaten geschoben . Das ist ein sehr erfolgreiches Modell . Diese 25 000 Euro entsprechen dem Finanzierungsbedarf von ungefähr drei Viertel aller Existenzgründerinnen und Existenzgründer . Das ist die Summe, um eine GmbH zu gründen . Im Unterschied zu dem Plan von Frau Nahles, von dem wir vor einiger Zeit gehört haben, dass sie sich 20 000 Euro für jeden vorstellen könnte, ist dies ein Instrument, das auch tatsächlich an eine wirtschaftspolitische Strategie, an eine Gründungsstrategie anknüpft, wonach das Kapital doppelt und dreifach zurückfließt: durch neue sozialversicherungspflichtige Jobs und natürlich am Ende auch durch zusätzliche Steuereinnahmen . Ich möchte, dass von diesem Bundestag, von der Politik das ganz klare Signal an die Gründerinnen und Gründer ausgeht: Wir brauchen euch . Wir wollen euch . Aber wir unterstützen euch auch . Wir erkennen euer Problem . ({4}) Und deswegen machen wir eine Gründungskultur, die ihren Namen auch verdient . Danke schön . ({5})

Michaela Tadjadod (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003645

Vielen Dank, Frau Kollegin Andreae . - Als Nächstes erteile ich das Wort dem Kollegen Jan Metzler für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Jan Metzler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004352, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist mir eine große Freude, dass ich heute die Möglichkeit habe, die Thematik, die bereits bei meiner ersten Rede hier im Zentrum der Debatte stand, erneut aufzugreifen - insofern bin ich für den Antrag sehr dankbar -, und zwar die Gründerszene in Deutschland . Ganz zentral war für mich damals ein Satz, nämlich: Wirtschaft braucht Vertrauen . Das ist insbesondere bei den Gründerinnen und Gründern in unserem Land so . Liebe Kollegin Andreae, ich muss ganz freiweg sagen: So problematisch sehe ich die Lage nicht . Wir senden permanent Impulse für eine positive Gründerkultur in Deutschland . ({0}) Ich muss in diesem Zusammenhang sagen, dass ich, wenn ich von der Gründerkultur im Allgemeinen spreche, nicht nur von der IT-Branche spreche, sondern von allen, die sich am kreativen und innovativen Schaffensprozess in unserem Land beteiligen . Die Gründer von heute - das steht, denke ich, für uns alle fest - sind die Mittelständler von morgen . Erlauben Sie mir deswegen zunächst eine generelle Feststellung und in diesem Zusammenhang eine Art kleine Bilanz . Wir haben eine lebendige Gründerszene in Deutschland, nicht nur in größeren Städten, aber gerade dort . Die Berliner Gründerszene beispielsweise wird in einem Atemzug mit der in San Francisco und Tel Aviv genannt . Das ist eine positive Sache . Die Szene hat sich in Deutschland eindrucksvoll entwickelt . ({1}) Das steht im Zusammenhang damit, dass es ihr gelungen ist, sich mit dem traditionellen Mittelstand und mit Investoren zu vernetzen . Die zentrale Frage, die sich stellt, ist: Was braucht eine Gründerszene, um funktionieren zu können? Das sind erstens die kreativen Köpfe, zweitens zweifelsohne die Bereitstellung von Kapitalien und drittens die gründungsfreundlichen Rahmenbedingungen . Da muss man aber noch eines einbeziehen . Gründung allein sagt nichts darüber, wie nachhaltig die ganze Sache ist . Es braucht aber eine nachhaltige Gründungsszene in Deutschland . Was können wir tun, um diese Nachhaltigkeit gemeinsam voranzubringen? Dafür tun wir schon eine ganze Menge . Ich darf beispielsweise darauf verweisen, dass Nachholbedarf bei der digitalen Bildung und beim Unternehmertum besteht . Mit einem 5-Milliarden-Invest wollen wir die digitale Infrastruktur von Schulen - das geht von Grund- bis zu Berufsschulen - bundesweit voranbringen . Es geht um Breitbandanschlüsse, WLAN sowie Hard- und Software . Im Gegenzug sind die Länder gefordert, in der Aus- und Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern auch die digitalen Kompetenzen zu vermitteln . ({2}) Zweiter Stichpunkt: Kapitalbedarf . Da knüpfe ich an einem Punkt an, den wir gern diskutieren können . Allen Unkenrufen zum Trotz: Hier besteht ein breites Angebot - und das, obwohl Wagniskapital in Deutschland traditionell nicht so verankert ist wie etwa im angelsächsischen Raum . Aber wir haben beispielsweise den KfW-Co-Investitionsfonds Coparion auf den Weg gebracht; er ist 2016 gestartet . Ich nenne weiter den Mikromezzaninfonds und den High-Tech Gründerfonds . Der Blick auf den Markt zeigt, dass für Unternehmen unmittelbar zur Gründung oftmals ausreichend Kapitalien bereitstehen . Viel problematischer wird es aber dann, wenn die Wachstumsphase voranschreitet . Daran müssen wir zweifelsohne noch mit Nachdruck arbeiten . ({3}) Es gehört grundsätzlich aber noch ein Weiteres dazu, und zwar das allgemeine Bewusstsein, dass am Ende des Tages auch ein Scheitern stehen kann; das gilt es in den Mittelpunkt zu rücken . Hier ist eine Kultur zu entwickeln . Der richtige Umgang damit ist etwas, was wir in solchen Debatten in den Vordergrund stellen müssen . ({4}) Ich muss im Zusammenhang mit dieser Thematik eines feststellen: Gründungskultur lässt sich nicht einfach per Antrag verordnen . Gründungskultur braucht permanent positive Impulse . Das haben wir in dieser Legislaturperiode als starke Partner des bisherigen sowie des neuen Mittelstands getan . ({5}) Dem trägt diese Koalition mit ihrer Arbeit Rechnung . Das zeigt sich auch perspektivisch beispielsweise an den Koalitionsverträgen in Nordrhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein . ({6}) Insofern möchte ich sagen: Ich sehe das Bild nicht so problematisch . Wir haben einen Großteil an Impulsen gebracht . ({7}) Ich freue mich auf eine weitere intensive Debatte . Ich sehe das Bild nicht so problematisch . Zukunft braucht Vertrauen, Wirtschaft braucht Vertrauen, ({8}) und wir vertrauen und sind Partner, wenn es darum geht . Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({9})

Michaela Tadjadod (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003645

Vielen Dank . - Meine Kollegen, bevor ich die Debatte fortsetze, möchte ich Ihnen kurz die von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen bekannt geben . Zur ersten namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag mit dem Titel „Sofortiger Abzug der Bundeswehr aus Incirlik“, Drucksache 18/12372 und 18/12817: abgegebene Stimmen 569 . Mit Ja haben gestimmt 460, mit Nein haben gestimmt 109, Enthaltungen gab es keine . Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen . Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 566; davon ja: 457 nein: 109 enthalten: 0 Ja CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Artur Auernhammer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens ({0}) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr . André Berghegger Dr . Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Dr . Maria Böhmer Norbert Brackmann Michael Brand Dr . Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr . Ralf Brauksiepe Dr . Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Dr . Bernd Fabritius Uwe Feiler Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer ({1}) Axel E . Fischer ({2}) Klaus-Peter Flosbach Dr . Astrid Freudenstein Dr . Hans-Peter Friedrich ({3}) Michael Frieser Hans-Joachim Fuchtel Ingo Gädechens Dr . Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Ursula Groden-Kranich Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Dr . Herlind Gundelach Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Rainer Hajek Dr . Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr . Stefan Heck Dr . Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich ({4}) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Dr . Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann ({5}) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr . Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Dr . Mathias Edwin Höschel Charles M . Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Dr . Franz Josef Jung Andreas Jung Xaver Jung Dr . Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr . Stefan Kaufmann Ronja Kemmer Roderich Kiesewetter Dr . Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr . Günter Krings Rüdiger Kruse Dr . Roy Kühne Uwe Lagosky Dr . Dr . h . c . Karl A . Lamers Andreas G . Lämmel Dr . Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr . Silke Launert Paul Lehrieder Dr . Katja Leikert Dr . Philipp Lengsfeld Dr . Andreas Lenz Dr . Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr . Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr . Claudia Lücking-Michel Dr . Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr . Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer ({6}) Reiner Meier Dr . Michael Meister Maria Michalk Dr . h . c . Hans Michelbach Dr . Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Carsten Müller ({7}) Stefan Müller ({8}) Dr . Philipp Murmann Dr . Andreas Nick Helmut Nowak Dr . Georg Nüßlein Wilfried Oellers Florian Oßner Dr . Tim Ostermann Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr . Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr . Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr . Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Dr . Heinz Riesenhuber Iris Ripsam Johannes Röring Kathrin Rösel Dr . Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer ({9}) Dr . Wolfgang Schäuble Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Christian Schmidt ({10}) Gabriele Schmidt ({11}) Patrick Schnieder Nadine Schön ({12}) Dr . Ole Schröder Dr . Kristina Schröder ({13}) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr . Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster ({14}) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr . Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr . Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr . von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr . Sabine Sütterlin-Waack Dr . Peter Tauber Astrid Timmermann-Fechter Dr . Hans-Peter Uhl Dr . Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel ({15}) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Dr . Johann Wadephul Marco Wanderwitz Karl-Heinz Wange Nina Warken Kai Wegner HonD Albert Weiler Marcus Weinberg ({16}) Peter Weiß ({17}) Sabine Weiss ({18}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({19}) Klaus-Peter Willsch Elisabeth WinkelmeierBecker Oliver Wittke Dagmar G . Wöhrl Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr . Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Bettina Bähr-Losse Heinz-Joachim Barchmann Dr . Katarina Barley Doris Barnett Dr . Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Lothar Binding ({20}) Burkhard Blienert Willi Brase Dr . Karl-Heinz Brunner Dr . h . c . Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Dr . Lars Castellucci Jürgen Coße Bernhard Daldrup Dr . Daniela De Ridder Dr . Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr . h . c . Gernot Erler Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr . Johannes Fechner Dr . Fritz Felgentreu Elke Ferner Dr . Ute Finckh-Krämer Christian Flisek Dr . Edgar Franke Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Angelika Glöckner Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann ({21}) Dirk Heidenblut Hubertus Heil ({22}) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Dr . Barbara Hendricks Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr . Eva Högl Christina Jantz-Herrmann Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Johannes Kahrs Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Dr . Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange ({23}) Dr . Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr . Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr . Matthias Miersch Klaus Mindrup Detlef Müller ({24}) Michelle Müntefering Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir ({25}) Aydan Özoğuz Markus Paschke Christian Petry Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post ({26}) Dr . Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr . Sascha Raabe Martin Rabanus Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr . Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr . Martin Rosemann René Röspel Michael Roth ({27}) Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Annette Sawade Dr . Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer ({28}) Dr . Nina Scheer Udo Schiefner Dr . Dorothee Schlegel Ulla Schmidt ({29}) Matthias Schmidt ({30}) Dagmar Schmidt ({31}) Carsten Schneider ({32}) Elfi Scho-Antwerpes Ursula Schulte Swen Schulz ({33}) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Dr . Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Rüdiger Veit Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Andrea Wicklein Dirk Wiese Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr . Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Brigitte Zypries Nein SPD Waltraud Wolff ({34}) DIE LINKE Dr . Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W . Birkwald Heidrun Bluhm Eva Bulling-Schröter Roland Claus Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Annette Groth Dr . Gregor Gysi Dr . André Hahn Dr . Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Kerstin Kassner Katja Kipping Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr . Gesine Lötzsch Birgit Menz Niema Movassat Norbert Müller ({35}) Dr . Alexander S . Neu Thomas Nord Harald Petzold ({36}) Martina Renner Dr . Petra Sitte Kersten Steinke Dr . Kirsten Tackmann Frank Tempel Alexander Ulrich Kathrin Vogler Harald Weinberg Birgit Wöllert Hubertus Zdebel Sabine Zimmermann ({37}) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Annalena Baerbock Marieluise Beck ({38}) Volker Beck ({39}) Dr . Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katharina Dröge Dr . Thomas Gambke Matthias Gastel Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Bärbel Höhn Dieter Janecek Katja Keul Sven-Christian Kindler Oliver Krischer Stephan Kühn ({40}) Christian Kühn ({41}) Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr . Tobias Lindner Nicole Maisch Beate Müller-Gemmeke Dr . Konstantin von Notz Friedrich Ostendorff Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth ({42}) Corinna Rüffer Manuel Sarrazin Dr . Gerhard Schick Dr . Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr . Wolfgang StrengmannKuhn Markus Tressel Jürgen Trittin Dr . Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr . Valerie Wilms Fraktionslos Erika Steinbach Wir kommen jetzt zum Ergebnis der zweiten namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD mit dem Titel „Verlegung des Bundeswehrkontingents von Incirlik nach Al Azraq zügig durchführen“, Drucksache 18/12779: abgegebene Stimmen 569 . Mit Ja haben gestimmt 461, mit Nein haben gestimmt 85, Enthaltungen 23 . Der Antrag ist angenommen . Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 566; davon ja: 458 nein: 85 enthalten: 23 Ja CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Artur Auernhammer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens ({43}) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr . André Berghegger Dr . Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Dr . Maria Böhmer Norbert Brackmann Michael Brand Dr . Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr . Ralf Brauksiepe Dr . Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Dr . Bernd Fabritius Uwe Feiler Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer ({44}) Axel E . Fischer ({45}) Klaus-Peter Flosbach Dr . Astrid Freudenstein Dr . Hans-Peter Friedrich ({46}) Michael Frieser Hans-Joachim Fuchtel Ingo Gädechens Dr . Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Ursula Groden-Kranich Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Dr . Herlind Gundelach Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Rainer Hajek Dr . Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr . Stefan Heck Dr . Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich ({47}) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Dr . Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann ({48}) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr . Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Dr . Mathias Edwin Höschel Charles M . Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Dr . Franz Josef Jung Andreas Jung Xaver Jung Dr . Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr . Stefan Kaufmann Ronja Kemmer Roderich Kiesewetter Dr . Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr . Günter Krings Rüdiger Kruse Dr . Roy Kühne Uwe Lagosky Dr . Dr . h . c . Karl A . Lamers Andreas G . Lämmel Dr . Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr . Silke Launert Paul Lehrieder Dr . Katja Leikert Dr . Philipp Lengsfeld Dr . Andreas Lenz Dr . Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr . Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr . Claudia Lücking-Michel Dr . Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr . Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer ({49}) Reiner Meier Dr . Michael Meister Maria Michalk Dr . h . c . Hans Michelbach Dr . Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Carsten Müller ({50}) Stefan Müller ({51}) Dr . Philipp Murmann Dr . Andreas Nick Helmut Nowak Dr . Georg Nüßlein Wilfried Oellers Florian Oßner Dr . Tim Ostermann Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr . Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr . Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr . Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Dr . Heinz Riesenhuber Iris Ripsam Johannes Röring Kathrin Rösel Dr . Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer ({52}) Dr . Wolfgang Schäuble Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Christian Schmidt ({53}) Gabriele Schmidt ({54}) Patrick Schnieder Nadine Schön ({55}) Dr . Ole Schröder Dr . Kristina Schröder ({56}) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr . Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster ({57}) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr . Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr . Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr . von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr . Sabine Sütterlin-Waack Dr . Peter Tauber Astrid Timmermann-Fechter Dr . Hans-Peter Uhl Dr . Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel ({58}) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Dr . Johann Wadephul Marco Wanderwitz Karl-Heinz Wange Nina Warken Kai Wegner HonD Albert Weiler Marcus Weinberg ({59}) Peter Weiß ({60}) Sabine Weiss ({61}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({62}) Klaus-Peter Willsch Elisabeth WinkelmeierBecker Oliver Wittke Dagmar G . Wöhrl Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr . Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Bettina Bähr-Losse Heinz-Joachim Barchmann Dr . Katarina Barley Doris Barnett Dr . Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Lothar Binding ({63}) Burkhard Blienert Willi Brase Dr . Karl-Heinz Brunner Dr . h . c . Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Dr . Lars Castellucci Jürgen Coße Bernhard Daldrup Dr . Daniela De Ridder Dr . Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr . h . c . Gernot Erler Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr . Johannes Fechner Dr . Fritz Felgentreu Elke Ferner Dr . Ute Finckh-Krämer Christian Flisek Dr . Edgar Franke Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Angelika Glöckner Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann ({64}) Dirk Heidenblut Hubertus Heil ({65}) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Dr . Barbara Hendricks Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr . Eva Högl Christina Jantz-Herrmann Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Johannes Kahrs Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Dr . Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange ({66}) Dr . Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr . Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr . Matthias Miersch Klaus Mindrup Detlef Müller ({67}) Michelle Müntefering Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir ({68}) Aydan Özoğuz Markus Paschke Christian Petry Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post ({69}) Dr . Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr . Sascha Raabe Martin Rabanus Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr . Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr . Martin Rosemann René Röspel Michael Roth ({70}) Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Annette Sawade Dr . Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer ({71}) Dr . Nina Scheer Udo Schiefner Dr . Dorothee Schlegel Ulla Schmidt ({72}) Matthias Schmidt ({73}) Dagmar Schmidt ({74}) Carsten Schneider ({75}) Elfi Scho-Antwerpes Ursula Schulte Swen Schulz ({76}) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Dr . Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Rüdiger Veit Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Andrea Wicklein Dirk Wiese Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr . Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Brigitte Zypries Fraktionslos Erika Steinbach Nein SPD Waltraud Wolff ({77}) DIE LINKE Dr . Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W . Birkwald Heidrun Bluhm Eva Bulling-Schröter Roland Claus Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Annette Groth Dr . Gregor Gysi Dr . André Hahn Dr . Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Kerstin Kassner Katja Kipping Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr . Gesine Lötzsch Birgit Menz Niema Movassat Norbert Müller ({78}) Dr . Alexander S . Neu Thomas Nord Harald Petzold ({79}) Martina Renner Dr . Petra Sitte Kersten Steinke Dr . Kirsten Tackmann Frank Tempel Alexander Ulrich Kathrin Vogler Harald Weinberg Birgit Wöllert Hubertus Zdebel Sabine Zimmermann ({80}) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Annalena Baerbock Agnieszka Brugger Katharina Dröge Matthias Gastel Bärbel Höhn Katja Keul Sven-Christian Kindler Oliver Krischer Christian Kühn ({81}) Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Nicole Maisch Beate Müller-Gemmeke Dr . Konstantin von Notz Lisa Paus Claudia Roth ({82}) Corinna Rüffer Dr . Gerhard Schick Dr . Frithjof Schmidt Dr . Wolfgang StrengmannKuhn Jürgen Trittin Dr . Julia Verlinden Beate Walter-Rosenheimer Enthalten BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck ({83}) Volker Beck ({84}) Dr . Franziska Brantner Ekin Deligöz Dr . Thomas Gambke Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Dieter Janecek Stephan Kühn ({85}) Renate Künast Dr . Tobias Lindner Friedrich Ostendorff Brigitte Pothmer Tabea Rößner Manuel Sarrazin Kordula Schulz-Asche Markus Tressel Doris Wagner Dr . Valerie Wilms Jetzt setzen wir die Debatte fort . Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen Thomas Lutze für die Fraktion Die Linke das Wort . ({86})

Thomas Lutze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004103, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Grünen wollen die Gründungskultur in Deutschland stärken; das ist vom Grundsatz her erst einmal eine gute Sache . ({0}) Allerdings stellt sich die Frage, ob sich das Umfeld für Gründerinnen und Gründer wirklich verschlechtert oder negativ verändert hat . Brauchen wir dringend dieses ganze Bündel an Maßnahmen zur Stärkung der Gründungskultur ({1}) - ich formuliere es als Frage -, wie es die Grünen fordern? Die Grünen begründen die Notwendigkeit ihres Antrages mit der gesunkenen Anzahl von Unternehmensgründungen in Deutschland in den letzten Jahren . ({2}) Diese Zahlen haben Sie aus dem Gründungsmonitor der KfW-Bank . Allerdings verliert der Antrag kein Wort über den direkten Kontext, warum es zu dem Rückgang der Anzahl der Gründungen gekommen ist . Die Überschrift des KfW-Gründungsmonitors 2016 lautete: „Arbeitsmarkt trübt Gründungslust“ . Die Überschrift des KfW-Gründungsmonitors 2017: „Beschäftigungsrekord mit Nebenwirkung: So wenige Gründer wie nie“ . Schon die Überschriften machen deutlich, dass viele Menschen den Weg in die Selbstständigkeit nur bedingt wählen . Für viele Menschen ist die Anmeldung eines Unternehmens nicht mit einer großen Innovation oder einer revolutionären Geschäftsidee verbunden . Oft ist es ein Schritt, der aus der Not heraus geboren wird, ({3}) der dann schnell zur Scheinselbstständigkeit führt und damit schnell dazu führen kann, dass sich die Menschen selbst ausbeuten . Hier sind wir als Linksfraktion besonders sensibel; denn die blanken Zahlen spiegeln die Realität leider Gottes nicht immer wider . ({4}) Die derzeitig gute Konjunktur und die damit einhergehende Beschäftigungslage hat vielen Menschen den Schritt in die Selbstständigkeit erspart . Denn: Haben die Menschen die Wahl, entscheiden sie sich eher für eine sichere Anstellung mit dazugehöriger sozialer Absicherung . Sicherlich: Viele Firmengründer geben Impulse für Innovationen und stärken unseren Wirtschaftsstandort . Positive Beispiele für innovative Neugründungen kommen hierzulande vor allem aus den Bereichen IT, Biotechnologie, aber auch aus dem Bereich der Computerspiele . Viele Gründungen im Handwerk oder bei den freien Berufen sind eine absolute Bereicherung . Ihre positive Rolle darf nicht unterschätzt werden . Auch wir, die Linksfraktion, wollen das überhaupt nicht schlechtreden; ganz im Gegenteil . ({5}) Andererseits dürfen wir bei der Einordnung der Rolle von Unternehmungsgründungen für die Beschäftigung nicht nur auf die bloße Anzahl der Gründungen schauen . Schauen wir auf die Zahlen dahinter, stellen wir fest, dass der größte Teil der Selbstständigen überhaupt keine Arbeitnehmer, keine Angestellten hat . Damit sind es im besten Falle Freiberufler, im ungünstigsten Falle Scheinselbstständige, die in der Statistik auftauchen . Wie eingangs gesagt, wehrt sich die Linke nicht dagegen, dass die Bedingungen für Gründerinnen und Gründer verbessert werden . Deswegen begrüßen wir auch einen Teil der Maßnahmen, sogar einen großen Teil der Maßnahmen, den die Grünen in ihrem Antrag vorschlagen . ({6}) Dazu gehören unter anderem die bessere soziale Absicherung für Selbstständige und der Abbau von bürokratischen Hürden . Einen Teil ihrer Forderungen, wie zum Beispiel die Forderung nach einem Venture-Capital-Gesetz, lehnen wir ab . Und wir fordern weitere Maßnahmen zur Bekämpfung der Scheinselbstständigkeit . ({7}) Im Übrigen finden wir, der richtig große Wurf für ein besseres Gründungsklima in Deutschland wäre die ÜberVizepräsidentin Michaela Noll windung der unsäglichen Hartz-IV-Gesetze und die Einführung einer ordentlichen Mindestrente; ({8}) denn - ich begründe Ihnen das - wer keine Angst haben muss, bei einem möglichen Scheitern sofort ins absolute Nichts zu fallen, der wagt vielleicht schneller den Schritt in die Selbstständigkeit . Ein herzliches Glückauf! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({9})

Michaela Tadjadod (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003645

Vielen Dank, Herr Kollege . - Das Wort hat nun Herr Matthias Ilgen für die SPD-Fraktion . ({0})

Matthias Ilgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004310, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man der Opposition im Hause zuhört, dann ist es spannend . Wenn man den Linken zuhört, dann denkt man: Jeder, der sich in diesem Lande selbstständig macht, ist deshalb ein Getriebener, weil die Chancen auf dem Arbeitsmarkt so katastrophal sind, dass nichts anderes als die Selbstständigkeit bleibt . Wenn ich Frau Kollegin Andreae zuhöre, dann gewinnt man den Eindruck, dass man zwar nicht gezwungen ist, diesen Schritt zu machen, aber für diejenigen, die ihn gehen wollen, es quasi nichts an Unterstützung gäbe, um diesen Schritt zu gehen . Beides ist, wie ich glaube, eine verzerrte Darstellung der Realität . Frau Kollegin Andreae, bei Ihrem Antrag kommt mir das Bild von zwei fahrenden Zügen in den Sinn: Der eine Zug, der fährt, stellt die Realität in Deutschland dar, und der andere ist der grüne Zug, der mit ein bisschen Time Delay hinterherfährt . Sie haben nämlich, wenn Sie das jetzt so in einem Antrag auf den letzten Metern zusammenschreiben, in dieser Wahlperiode nicht aufgepasst, was die Koalition in diesem Bereich alles gemacht hat . Und das ist eine Menge . Ich will auf einige Punkte eingehen, die auch Sie aufzählen . Rechtliche Rahmenbedingungen für Investoren in Form eines Venture-Capital-Gesetzes verbessern - die Forderung klingt gut . Wir haben in dieser Wahlperiode kein spezielles Venture-Capital-Gesetz gemacht, aber wir haben - das habe ich heute einmal gezählt - 26 Verbesserungen, die wir in einem Strategiepapier bezüglich Venture Capital festgehalten hatten, in gesetzlichen Einzelmaßnahmen verabschiedet . Unter anderem - ich will nur das nennen - haben wir zuletzt den sogenannten § 8d Körperschaftsteuergesetz verabschiedet . Wir hatten eine lange Debatte über die Frage: Wie schaffen wir es, dass auch kleine und mittlere Unternehmen bei Beteiligungsformen bessergestellt werden, wenn ein Rauskauf oder Unternehmerwechsel ansteht? Forschungsbonus für KMU in Form einer Steuerermäßigung . Die Frage der steuerlichen Forschungsförderung wollen wir gerne mit Ihnen diskutieren . ({0}) Wir glauben aber, dass man steuerliche Forschungsförderung, wenn man sie denn macht, zielgenau und punktgenau machen muss . Die breite Nummer „Wir machen es für alle“ wäre auch von Mitnahmeeffekten geprägt . Deswegen muss das mit Blick darauf, wie das zielgenau klappen könnte, auf eine kommende Wahlperiode verschoben werden .

Michaela Tadjadod (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003645

Herr Kollege Ilgen, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Matthias Ilgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004310, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, gerne .

Dr. Thomas Gambke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004037, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen . - Sie haben vorhin gesagt, der grüne Zug fährt hinterher . Wir haben hier einen Gesetzesantrag zur Forschungsförderung vorgelegt, den Sie abgelehnt haben . Alle Experten - ich war allein heute auf zwei Veranstaltungen, beim Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften, BVK, und bei der Gesellschaft zum Studium strukturpolitischer Fragen - fordern vehement die steuerliche Forschungsförderung . Würden Sie in diesem Zusammenhang Ihren Vorwurf aufrechterhalten, dass die Grünen hinterherfahren, oder könnte es in diesem Falle sein, dass die Sozialdemokraten und vor allem auch die Union hinterherfahren? ({0})

Matthias Ilgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004310, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe gesagt: bezogen auf Ihren Antrag . In diesem Punkt will ich Ihnen gerne einräumen, dass Sie vorangehen und sozusagen den ersten Vorschlag machen . Noch einmal: Ich glaube, man muss es zielgenauer machen, als Ihr Antrag es vorsieht . Denn mit der Gießkanne zu fördern, halten wir nicht für vernünftig . Wir werden uns das in der nächsten Wahlperiode ansehen, und dann freuen wir uns, wenn wir gemeinsam über Gesetze reden können . ({0}) Ein weiteres Beispiel: in den ersten zwei Jahren die Unternehmen von unnötigen Melde- und Informationspflichten befreien. Wir haben die Unternehmen über die Jahre hinweg von all diesen Pflichten befreit. Man kommt aber nicht darum herum, die Angestellten der Sozialversicherung zu melden und auch als Selbstständiger spätestens nach zwei Jahren eine vernünftige Steuererklärung abzugeben. Das sind die realen Meldepflichten, die es für Start-ups gibt . Natürlich ergeben sich aus dem, was ein Unternehmen an Umsatz, Gewinn oder Verlust macht, immer Situationen, die mehr Meldepflichten nach sich ziehen. Das hat aber damit zu tun, dass man Umsatz und andere Grenzen überschreitet. Das ist aber etwas, was, wie ich finde, positiv ist . So viel Bürokratie, wie auf den normalen Bürger zukommt, wenn er eine Steuererklärung machen muss, müssen wir auch einem neugegründeten Unternehmen zumuten . Sie schlagen in Ihrem Antrag vor, die gesetzlich versicherten Selbstständigen mit geringen Einkommen bei der Kranken- und Pflegeversicherung zu entlasten. Auch das haben wir gemacht . Wir haben den Mindestbeitrag abgesenkt . Wir Sozialdemokraten - ich sage das offen hätten uns gewünscht, dass es eine exakt einkommensabhängige Anpassung gibt, weil das dem Modell der Arbeitnehmer in der gesetzlichen Krankenversicherung entspräche . Da besteht in einer nächsten Wahlperiode sicherlich Nachholbedarf . Aber zu sagen, wir hätten nichts gemacht, ist falsch . Insbesondere begrüßen wir die Forderung, nicht anderweitig abgesicherte Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen . Auch das ist einer der Big Points unseres Wahlprogramms, das wir am kommenden Sonntag beschließen werden . ({1}) Jetzt komme ich zu dem Argument, das vorhin von der Linken vorgetragen wurde, also zu der Fragestellung, ob sich jemand zwangsweise selbstständig macht . Das glaube ich weniger, und das zeigen auch die Zahlen nicht. Aber was wir haben, ist ein häufigerer Wechsel, ein stärkeres Gleiten zwischen verschiedenen Berufsund Lebensperspektiven, zwischen der abhängigen Beschäftigung und der Selbstständigkeit . Gerade in der Kreativwirtschaft - Sie haben sie hier zu Recht herausgestrichen - ist das zunehmend der Fall . Dies hat einfach damit zu tun: Es gibt Phasen, da ist man selbstständig oder macht eine Projektarbeit, und es gibt Phasen, da wechselt man in ein Unternehmen und ist Angestellter . Da für eine Einheitlichkeit bei der Rentenabsicherung zu sorgen, halten wir für sehr sinnvoll . Das ist ein Punkt in Ihrem Antrag, der insgesamt zu loben ist . Darüber hinaus haben wir am Anfang dieser Wahlperiode - Kollege Metzler hat es angesprochen; dazu habe ich auch meine erste Rede im Bundestag gehalten - über die KfW und die Fragestellung geredet, was wir mit dem ERP-Sondervermögen im Bereich Start-ups machen . Im Jahr 2018 - das ist jetzt vorgesehen - gründen wir eine eigenständige Beteiligungsgesellschaft des Bundes, die für die KfW ein ausgeweitetes Beteiligungsgeschäft betreiben soll . Das ist ein riesiger Schritt nach vorn . ({2}) Der Staat tritt als Koinvestor auf . Ich bin aber immer dafür, dass auch Private etwas tun; denn wir wissen: Ein Staat kann alleine am Ende bei einem Investment nicht die Summen erzielen, die wir in dieser Branche brauchen, insbesondere in Wachstumsphasen . - Wir sehen: Die Länder, die in diesem Bereich eine kluge Mischung aus staatlicher Angebotspolitik und dem Stärken der privaten Formen, die vernünftig und im Rahmen sind, vornehmen, sind erfolgreich . Das wollen wir in der nächsten Wahlperiode weiter umsetzen . Wir haben in dieser Wahlperiode aber auch in vielen Bereichen - ich will das noch einmal sagen - gemeinsam mit der Union Dinge machen können, die vernünftig waren . In denke an die Diskussion um Streubesitz und Veräußerungsgewinne: Da haben wir eine tragfähige Kompromisslösung gefunden wie auch bei der Frage ich hatte es schon gesagt - von Verlustübertragungen bei Anteilseignerwechsel . Insofern kann ich insgesamt sagen: Die Gründerszene in Deutschland ist gut aufgestellt . ({3}) - Ja, Frau Kollegin Andreae, das ist das Klagelied des Kaufmanns . Ich bin ja selber einer und weiß, dass man immer etwas für die Zukunft tun muss, damit es noch besser wird und es weiterhin Chancen gibt . - Ich kann uns allen nur empfehlen, die Debatte etwas niedriger zu hängen, als Sie es in Ihrem Antrag tun . ({4}) Wir haben Schritte gemacht, und wir müssen jetzt sehr genau schauen - das wird man nicht in den letzten zwei Sitzungswochen einer Wahlperiode mit einem solchen Antrag machen können -, was wir in den kommenden vier Jahren zu tun haben . Ich glaube, es gibt noch eine Menge zu tun . ({5}) Ich hielt die Ich-AG-Förderung, die wir damals gemacht haben, für eine gute Sache . Wir sollten überlegen, was man im Bereich der Förderung von Start-ups am Anfang machen kann, also wie man Geld locker machen und in die Start-ups hineingeben kann . Das Problem ist: Auch bei diesem Programm stellte sich die Frage, wie zielgenau es am Ende ist - über zwei Drittel der Unternehmen waren nämlich in den ersten zwei Jahren wieder vom Markt gegangen -, also ob es vernünftig ist, sozusagen jedem das Geld zu geben, oder ob wir, wenn wir solche Programme machen, stärker darauf schauen müssen, wer das Geld bekommt; und das ist die Schwierigkeit . Sie haben vorgeschlagen, wenn der Businessplan einmal angeguckt sei, solle man einen Haken dahinter machen, dann könnte das Geld fließen. ({6}) Das halten wir für falsch . ({7}) Wir müssen schon auch bei Gründungen in diesem Lande hinschauen . Man kann die Menschen nicht in ihr Elend treiben, indem man sie nicht gut vorbereitet den Schritt in die Selbstständigkeit gehen lässt . Es ist ein gewisser Schritt im Leben, und deshalb sind wir dafür, dass man solche Programme viel zielgenauer gestaltet, als es in der Vergangenheit der Fall war . Deswegen wird es mit einem Wiederauflebenlassen der alten Programme allein nicht funktionieren . Wir haben in der nächsten Wahlperiode genug Zeit, das miteinander zu bereden . Ihren Antrag werden wir heute ablehnen . ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Dr . Philipp Murmann hat für die CDU/ CSU-Fraktion das Wort . ({0})

Dr. Philipp Murmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004118, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich verstehe den Antrag ein bisschen als einen Freundschaftsantrag der Grünen, die jetzt in der letzten Wahlperiode das Thema Gründer hervorheben . Das ist grundsätzlich unterstützenswert; da sind viele gute Punkte drin . ({0}) - Nein . Im letzten Jahr ist es aufgekommen, dass Sie sich dem Unternehmertum und den Gründern zuwenden . Das finde ich im Grundsatz auch gut. ({1}) Es sind auch einige Punkte aus Anträgen aufgetaucht, die Heinz Riesenhuber und ich vor 2010 formuliert haben . Dass wir vieles davon umgesetzt haben, wurde schon gesagt . Ich würde hier jetzt gerne auf zwei Punkte eingehen . Erstens . Gründer sind Unternehmer . Deswegen geht es auch darum, zu überlegen: Welche Rahmenbedingungen schaffen wir für Unternehmen in unserem Land, bzw . welche haben wir? Bei Gründungen ist Wagniskapital ein Thema . Sie werfen uns vor, dass das entsprechende Gesetz dazu fehlt . Kollege Ilgen hat eben sehr gut beschrieben, dass wir sehr viele Einzelmaßnahmen auf den Weg gebracht haben, die gut wirken und auch in der Szene sehr positiv aufgenommen werden . Man muss auch sagen: Unternehmensgründung ist unheimlich viel Arbeit. In den Unternehmen finden Sie Menschen, die Tag und Nacht arbeiten . In diesem Zusammenhang komme ich auf das Thema Regulierung zu sprechen . Überall herrscht Regulierungswut . Aber es ist nicht das Arbeitszeitgesetz, das sich Gründer als Erstes durchlesen; denn sie wollen arbeiten, sie wollen anpacken, sie wollen etwas schaffen . Deswegen ist weniger Regulierung sicherlich richtig . Zu einem positiven Umfeld gehört auch das Thema Infrastruktur . Mit Blick auf die Grünen sage ich: Was Straßen und Ähnliches angeht, wird nicht immer das vorgehalten, was gebraucht wird . Sie diskutieren auch immer wieder über die Einführung einer Vermögensteuer . Substanzbesteuerung ist für jeden Unternehmer, egal ob Gründer oder Dauerunternehmer, eine ganz kritische Sache, gerade in der Startphase . ({2}) - Die Grundsteuer ist auch ein Problem, ({3}) wobei sie für die meisten Unternehmen in der Gründungsphase nicht das größte Problem ist . Zweiter Punkt . Es gibt ein wunderbares Zitat von Winston Churchill zum Unternehmer - jeder sollte sich überlegen, wie er dazu steht -: Manche halten den Unternehmer für einen räudigen Wolf, den man totschlagen müsse . Andere sehen in ihm eine Kuh, die man ununterbrochen melken könne . Nur wenige erkennen in ihm das Pferd, das den Karren zieht . ({4}) Wenn ich mir die Reden aus der Wahlperiode anschaue, muss ich schon feststellen: Der Wolf kam ab und zu vor in manchen Reden eher so aus dem linken Bereich; heute war das deutlich besser -, die Kuh ist aber das Element, das deutlich bevorzugt wird, leider auch von den Grünen in vielen Bereichen . ({5}) Wir sollten jedoch das Bild des Pferdes herausstellen und alles dafür tun, dass die Unternehmen vorankommen . Ein positives Bild vom Unternehmertum ist ein politisches Signal, das von diesem Hause ausgesendet werden soll . Daran sollten Sie alle mitarbeiten; ({6}) denn Unternehmer, egal ob sie gründen oder ein Unternehmen fortführen - ich habe ein Unternehmen, das mein Großvater und mein Vater geführt haben -, sind jeden Tag damit beschäftigt, Investitionen zu tätigen, Mitarbeiter einzustellen oder Innovationen voranzutreiben . Innovationen bedeuten auch, wie Schumpeter gesagt hat, schöpferische Zerstörung . Das heißt, ich muss in der Lage sein, mein Unternehmen immer wieder umzubauen, immer wieder neue Dinge anzugehen . Auch dazu braucht es die richtigen Rahmenbedingungen . ({7}) Ein wichtiger Begriff ist Freiheit . Der Unternehmerberuf ist ein Freiheitsberuf . Perikles hat gesagt: Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut . - Wer Unternehmer werden will und auch, wer Gründer werden will, braucht unheimlich viel Mut, nicht nur in diesen Zeiten, vielmehr galt das schon immer . Weil das meine letzte Rede in diesem Hohen Hause ist, möchte ich darum bitten, den Mut der Unternehmer zu respektieren, der jeden Tag gelebt wird . Kollege Gambke und ich sind, glaube ich, zwei der wenigen in diesem Haus, die täglich selber erleben, was das für ein Kampf ist . Deswegen ist mein Petitum: Halten Sie das Unternehmertum in diesem Land hoch . Versuchen Sie dort, wo Barrieren sind, diese einzureißen, und helfen Sie den Unternehmern in unserem Land jeden Tag, ihr Unternehmen voranzubringen und neue Gründungen zu ermöglichen; das ist ganz klar . Abschließend möchte ich allen Danke sagen, die mich in all den Jahren unterstützt haben, allen voran meiner Familie . Das gilt für viele, die hier in diesem Hause sitzen und Politik machen: Wir alle könnten das nicht tun, wenn wir zu Hause nicht eine Familie hätten, die uns den Rücken freihält . Das gilt auch für die Mitarbeiter in meinem Unternehmen: Wenn ich die nicht hätte, hätte ich hier nicht acht Jahre Politik machen können . Auch den Menschen in unseren Wahlkreisen, die uns immer wieder herausfordern und uns mit Themen nach Berlin schicken und sagen: „Jetzt müsst ihr das lösen“, gilt mein Dank . Mein besonderer Dank gilt Ihnen allen, wie Sie hier sitzen, meinen Kollegen aus der Fraktion, aber auch aus den Ausschüssen . Mit vielen von Ihnen war ich zusammen auf Reisen; da lernt man sich intensiv kennen . Mein Dank ist verbunden mit großem Respekt - das muss ich sagen - vor allen, die sich diesem politischen Amt verschreiben, die bereit sind, zu kandidieren und sich dem Bürger zu stellen . Meine Bitte an die Jugendlichen, auch an die, die auf der Tribüne sitzen, lautet: Wenn ihr Freiheit wollt, dann überlegt euch, vielleicht Unternehmer zu werden, ein Unternehmen zu gründen und eine gute Idee umzusetzen . Wenn ihr in der Gesellschaft etwas bewegen wollt, dann überlegt euch auch, euch politisch zu engagieren . In einer Partei - so sieht unser Grundgesetz das vor - hat man besonders viele Möglichkeiten dazu . Und wenn es ganz toll kommt, dann habt ihr vielleicht sogar die Möglichkeit, als Unternehmer im Parlament zu dienen . Ich hatte dieses Privileg, wofür ich sehr dankbar bin . Alles Gute! ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herzlichen Dank und auch Ihnen alles Gute! - Ich schließe die Aussprache . Wir kommen zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen auf Drucksache 18/12369 mit dem Titel „Für eine neue Gründungskultur in Deutschland“ . Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wünscht Abstimmung in der Sache . Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD wünschen Überweisung, und zwar federführend an den Ausschuss für Wirtschaft und Energie und mitberatend an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, an den Finanzausschuss, an den Ausschuss für Arbeit und Soziales, an den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung . Wir stimmen nach ständiger Übung zuerst über den Antrag auf Ausschussüberweisung ab . Ich frage deshalb: Wer stimmt für die beantragte Überweisung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist die Überweisung so beschlossen . Damit stimmen wir heute über den Antrag auf Drucksache 18/12369 nicht in der Sache ab . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über das deutsche Engagement beim Einsatz von Polizistinnen und Polizisten in internationalen Polizeimissionen 2016 Drucksache 18/12445 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({0}) Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Verteidigungsausschuss Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen . Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat der Bundesminister des Innern, Dr . Thomas de Maizière .

Not found (Minister:in)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn sich deutsche Polizistinnen und Polizisten in internationalen Missionen und zur Stabilisierung in Krisenregionen einsetzen, erfährt das bisher nicht die angemessene Beachtung und Wertschätzung . Das wollen wir ändern . Deshalb habe ich mich für diesen Bericht über das deutsche Engagement in internationalen Polizeimissionen starkgemacht . Deswegen freue ich mich über diese Debatte . Auch Kollege Uhl hat lange an diesem Thema gearbeitet . Wir diskutieren hier über die erste Unterrichtung dieser Art . Damit ist das eine Premiere . Als Bundesinnenminister bin ich für die Entsendung der deutschen Polizeibeamtinnen und -beamten zuständig . Ich trage damit auch die Verantwortung für einen professionellen Rahmen der Einsätze und für die sichere Rückkehr der Polizeibeamtinnen und -beamten . Daher freut es mich, dass internationale Polizeimissionen nun durch den Bundestag besonders gewürdigt werden und wir künftig jährlich einmal darüber debattieren werden . Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Polizisten im Ausland leisten in ihren Missionen eine großartige Arbeit, ({0}) und das unter Inkaufnahme von manchmal erheblichen, auch persönlichen Gefährdungen in Krisenregionen, oft unter extremen Bedingungen, zumindest extremer klimatischer Bedingungen, bei langer Trennung von ihren Familien und Freunden . Unsere Polizistinnen und Polizisten genießen im Ausland große Anerkennung für ihre Professionalität, auch für ihr Fingerspitzengefühl im Umgang mit den lokalen und internationalen Ansprechpartnern . Deshalb danke ich ihnen im Namen der ganzen Bundesregierung für diese Arbeit . ({1}) Nun ist das Engagement zu würdigen das eine . Noch wichtiger ist es, sicherzustellen, dass wir in Zukunft in der Lage sind, mit einer hohen Anzahl gut qualifizierter Polizistinnen und Polizisten unseren internationalen Verpflichtungen nachzukommen. Gerade heute haben wir beschlossen, unser Engagement in der Ukraine auszuweiten . Warum sind wir in Auslandsmissionen unterwegs? Solche Missionen tragen dazu bei, fragile Staaten und Krisenregionen vor Ort zu stabilisieren . Nur gut organisierte lokale Sicherheitsbehörden mit ebenso gut ausgebildeten Mitarbeitern können Gefahren vor Ort wirksam bekämpfen und damit die Ausbreitung von Krisen und den Export von Terrorismus eindämmen . Dabei unterstützen unsere Polizistinnen und Polizisten mit strategischer Beratung, mit Ausbildung, mit Training . Sie tragen an entscheidender Stelle zu einem sicheren Umfeld bei und fördern so auch die Bereitschaft der Menschen, ihre Heimat nicht zu verlassen oder dorthin zurückzukehren . Unsere Polizeimissionen dienen damit auch der nachhaltigen Bekämpfung von Fluchtursachen, indem sie Partnerstaaten entlang der Migrationsrouten beim Auf- und Ausbau ihrer institutionellen und administrativen Fähigkeiten unterstützen . Nur wenn sich die Sicherheitslage in den Krisenregionen, etwa in Zentralafrika oder am Horn von Afrika, nachhaltig verbessert, versiegt auch die Quelle des menschenverachtenden Geschäfts der Schleuser . Und nur wenn Frontex mit der Beteiligung deutscher Polizistinnen und Polizisten gute Arbeit leistet, werden die Außengrenzen der Europäischen Union wirksamer geschützt als bisher . Der Bedarf, Polizisten in Krisenregionen zu entsenden, wird weiter steigen; denn Krisenherde breiten sich zunehmend aus, auch mit gefährlichen Auswirkungen auf Europa . Die Notwendigkeit, unser Engagement in Krisenregionen zu steigern, fällt mit erhöhten Anforderungen an unsere Polizisten im Inland zusammen . Das sind auch, aber eben nicht nur die Migrationslage, die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus, Großeinsätze wie etwa der bevorstehende G-20-Gipfel, jedes Wochenende die Einsätze rund um den Fußball, aber auch das polizeiliche Alltagsgeschäft wie Wohnungseinbrüche, Gewaltdelikte, Cyberkriminalität überall im Bund und in den Ländern . Polizeiliche Einsätze im Ausland dürfen nicht in Konkurrenz zu den Einsätzen im Inland stehen, sondern sie müssen sich ergänzen . Jedes Handeln in Auslandsmissionen ist zugleich ein Beitrag zur inneren Sicherheit Deutschlands . Der Vorsitzende der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Internationale Polizeimissionen“, der ehemalige Inspekteur der Polizei Nordrhein-Westfalens, Dieter Wehe, den ich heute zusammen mit Polizistinnen und Polizisten aus Bund und Ländern begrüße - sie sitzen auf den Tribünen -, ({2}) hat das treffend so formuliert - ich zitiere -: Für Frieden und Sicherheit bei uns müssen wir auch dort helfen, wo Unfrieden und Unsicherheit herrschen . Das ist das, worum es geht . Um ihre anspruchsvoller werdenden Aufgaben im In- und Ausland zu erfüllen, werden die Bundespolizisten und das Bundeskriminalamt sowie die anderen Sicherheitsbehörden in den kommenden Jahren - wie Sie wissen, bis 2020 - um rund 10 000 zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstärkt . Dieser deutliche Personalaufwuchs der Polizeien des Bundes ist ein wichtiger Schritt auch zur Absicherung von Auslandsmissionen; denn natürlich fehlt jede Polizistin, fehlt jeder Polizist, der auf Auslandsmissionen ist, in der eigenen Dienststelle . Die Kolleginnen und Kollegen zu Hause müssen die Arbeit miterledigen, obwohl sie selbst stark beansprucht sind . Dies gilt erst recht, wenn wir, was ich vermute, unser Auslandsengagement noch steigern wollen und steigern werden . Hier werden wir weiter an Lösungen arbeiten, wie wir den Dienst im In- und Ausland beim Bund, aber auch in den Ländern besser miteinander vereinbaren können . Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bericht, den ich hiermit vorstelle und den wir heute debattieren, beginnt sein Fazit mit den Worten: Beteiligung an internationalen Polizeimissionen ist ein wichtiger Baustein im deutschen Engagement für den Frieden . Ohne den erheblichen individuellen Einsatz unserer Polizistinnen und Polizisten wäre der große Erfolg deutscher Polizeiarbeit in internationalen Polizeimissionen nicht vorstellbar . Deswegen: Unsere Polizistinnen und Polizisten leisten in ihren Auslandseinsätzen sehr gute Arbeit in unserem Interesse . Sie stärken das Ansehen Deutschlands in der Welt, und das kann und wird auch so bleiben . ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Ulla Jelpke für die Fraktion Die Linke . ({0})

Ulla Jelpke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001023, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich finde es ja gut, dass wir diesen Bericht endlich haben . Aber ich muss schon sagen, dass dieser Bericht sehr, sehr viele Punkte ausspart, insbesondere was Schwachstellen und Misserfolge angeht . Er verbreitet im Grunde genommen so etwas wie einen Zweckoptimismus: Alles ist gut, alles ist schön . - Das kritisiere ich hier an erster Stelle, weil ich der Meinung bin, dass man in so einem Bericht auch Informationen darüber erhalten muss: Was genau ist eigentlich die Mission, und welche Zielrichtung hat sie? Ich will gar nicht bezweifeln, dass die eingesetzten Polizeibeamten wichtige Arbeit leisten, fachkundig und engagiert sind; das ist überhaupt nicht der Punkt . Dennoch stelle ich die Frage: Was genau tun diese Polizisten in welchem Kontext, und was findet bei diesen Einsätzen statt? Und da haben wir vor allen Dingen drei Kritikpunkte: Der erste ist, dass inzwischen etliche Polizeieinsätze nichts anderes sind als eine Ergänzung von militärischen Einsätzen. Polizeimissionen finden dort statt, wo Bürgerkriege herrschen oder westliche Militärinterventionen laufen, zum Beispiel im Kosovo, in Afghanistan, in Mali und bis vor kurzem auch in Libyen . Zweitens profitieren auch brutale Diktaturen von Polizeieinsätzen, zum Beispiel Saudi-Arabien . Drittens sind Polizeieinsätze, wie auch Sie eben erwähnt haben, Teil des Abschottungsregimes - ich wüsste übrigens nicht, wo Polizisten Fluchtursachen mit bekämpfen; das können Sie später vielleicht noch einmal erklären -, gerade im Zusammenhang mit Frontex . Ich sage hier noch einmal ganz klar: Der Auftrag von Frontex lautet, die europäischen Grenzen dichtzumachen und Flüchtlingen sichere Fluchtwege in die Europäische Union zu verwehren . In Griechenland zum Beispiel haben Sie Beamte eingesetzt, die die Ägäis direkt mit überwachen . Dafür stellt die Bundespolizei auch Boote und Fahrzeuge zur Verfügung . Das heißt, die deutsche Polizei hilft dort direkt bei der Umsetzung des schäbigen Deals der EU mit dem türkischen Despoten Erdogan. Das finde ich auch angesichts der Tatsache, wie er mit Flüchtlingen umgeht, ungeheuerlich . Es darf also nicht sein, dass diese Beamten Erfüllungsgehilfen einer zynischen und skrupellosen Politik sind, die Flüchtlingen den Weg abschneidet und damit das Massensterben im Mittelmeer de facto mit verantworten muss . Deswegen sagen wir: Solche Einsätze von Bundespolizisten oder Landespolizisten sollten eingestellt werden . ({0}) Insgesamt wird eines ganz deutlich: Polizeieinsätze im Ausland sind inzwischen zu einem Instrument der deutschen Außenpolitik geworden, das immer mehr an Bedeutung gewinnt. So flankieren und ergänzen sie oft eine verheerende neoliberale Wirtschaftspolitik und eine Politik der Waffenexporte, die die Gesellschaften des globalen Südens ausbeuten, destabilisieren und in Bürgerkriege stürzen . Ich will auf einige Punkte näher eingehen . Im Bericht heißt es dazu zum Beispiel - ich zitiere -: Deutsche Polizistinnen und Polizisten leisten in fragilen Staaten und Krisenregionen einen Beitrag zum Aufbau einer funktionsfähigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Polizei . In Afghanistan ist die deutsche Polizei seit 15 Jahren tätig, in Saudi-Arabien seit 8 Jahren . Ich sage Ihnen: Es gibt dort keine Spur von Rechtsstaatlichkeit, die durch diese Arbeit erreicht worden ist . Man kann fast sagen: Ganz im Gegenteil, diese Länder sind nach wie vor destabilisiert, und diese Einsätze sind vor allen Dingen nach den geostrategischen und politischen Interessen der EU und der NATO ausgerichtet . Was Afghanistan angeht, ist doch ganz klar: Die afghanische Polizei ist eine Bürgerkriegspartei . Sie kämpft gegen Taliban . ({1}) - Natürlich kämpft sie gegen Taliban, nicht „Ach Gott!“ . - Menschenrechtsorganisationen berichten im Übrigen seit Jahren, dass auch und gerade von der afghanischen Polizei schwere Menschenrechtsverletzungen begangen werden . Misshandlungen, Zwangsrekrutierungen von Kindern, Überlaufen zu den Taliban - Sie können in vielen Berichten darüber nachlesen . Die afghanische Polizei ist Teil eines korrupten und verbrecherischen Regimes . Daran haben 15 Jahre Ausbildung durch deutsche Polizisten nichts, aber auch gar nichts geändert . Ansonsten müssten Sie mir einmal erklären, warum immer wieder Soldaten dorthingeschickt werden . Deswegen denken wir, dass unsere Polizeibeamten in Afghanistan nichts zu suchen haben . Auch Saudi-Arabien ist so ein Beispiel . Die Bundespolizei ist dort in einem Einsatz, der im Grunde genommen direkt mit der Rüstungswaffenschmiede EADS verbunden ist . Der Innenausschuss war dort und konnte sich davon überzeugen . Dort wird eine Grenzschutzanlage aufgebaut, und deutsche Polizisten bilden saudische Grenzschützer aus . Auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion musste die Bundesregierung zugeben, dass zu dieser Ausbildung - ich zitiere - die sichere Handhabung des Sturmgewehrs G3 gehört . Es ist also kein Wunder, dass wir in dem Bericht zum Beispiel überhaupt nichts zu diesem Einsatz in Saudi-Arabien finden. Ich halte es aber für ausgesprochen wichtig, dass man auch solche Dinge analysiert . Dieser Bericht ist eben sehr unkritisch . Ein weiteres Beispiel - ich weiß, dass die Mission inzwischen abgebrochen wurde - ist Libyen . Wie konnte man überhaupt auf die Idee kommen, eine Polizeimission nach Libyen zu schicken? Wir wissen, dass das Gaddafi-Regime vor sechs Jahren durch NATO-Länder weggebombt worden ist . Dem weinen wir zwar keine Träne nach, aber dennoch muss man klar sagen: Seither herrschen noch mehr Despoten in diesem Land . Al-Qaida und der sogenannte „Islamische Staat“ sind dort aktiv . Inzwischen ist die Mission, wie gesagt, abgebrochen worden, aber man stellt sich natürlich Fragen . Es werden doch nur Polizeibeamte dorthingeschickt, um möglichst die Flüchtlinge in Libyen festzuhalten . Ich erinnere noch einmal daran: Auch von Diplomaten ist gesagt worden, dass es dort schlimme Flüchtlingslager gibt, die Konzentrationslagern ähneln . Was dort passiert, muss ich Ihnen hier nicht im Einzelnen beschreiben . Das Problem der völlig kaputten Gesellschaft in Libyen wird man nicht mit Polizeiarbeit lösen können . Auch deswegen sind wir der Meinung, dass die Polizeibeamten hier nichts zu suchen haben . Zum Schluss will ich kurz zusammenfassen: Wir brauchen wirklich Berichte, die kritisch analysieren auch selbstkritisch - und nicht nur Schönfärberei betreiben . Wir sagen: Deutsche Polizisten dürfen nicht zur Unterstützung von Diktaturen eingesetzt werden . Sie dürfen nicht als angeblich zivile Komponente in einem Kriegseinsatz oder Bürgerkrieg fungieren . Sie dürfen auch nicht zur Abschottung gegen Flüchtlinge eingesetzt werden und schon gar nicht im Rahmen eines Deals mit der Türkei dazu beitragen, die Flüchtlinge daran zu hindern, nach Europa zu kommen . Die Polizeiarbeit muss ganz klar zivilen Zwecken dienen . Ich möchte auch noch einmal daran erinnern: Es gibt ganz klare Richtlinien für die Trennung von Polizeiarbeit und militärischer Arbeit . Deswegen lehnen wir gerade diese Einsätze, die ich eben beschrieben habe, definitiv ab, zivile aber nicht . Ich danke Ihnen . ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Kollegin Susanne Mittag hat für die SPD-Fraktion das Wort . ({0})

Susanne Mittag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004355, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Jahr 2016 waren über 300 Polizistinnen und Polizisten in 17 unterschiedlichen Polizeimissionen . Dazu kamen 2016 - die Zahlen sind jetzt schon wieder anders - rund 800 deutsche Beamte, die bei Frontex im Einsatz waren . Die Erfordernisse steigen; das sehen wir hier alltäglich . In einigen Ländern ist man schon startklar . Heute hat das Bundeskabinett beschlossen, dass zukünftig bis zu zehn Polizisten für die OSZE-Beobachtermission in die Ukraine entsandt werden . Bisher war es nur einer . Das ist also eine enorme Steigerung, und das zeigt, dass die Polizeimissionen immer wichtiger und eben auch zahlreicher werden . Im Februar dieses Jahres habe ich zusammen mit der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, meiner Kollegin Edelgard Bulmahn, deutsche Polizisten bei ihrem Einsatz in Mali besucht . Das waren schon beeindruckende Tage . Bei über 35 Grad - im Sommer ist es dort bis zu 50 Grad heiß - haben wir einen ganz kleinen Teil der Herausforderungen kennengelernt, denen die deutschen Polizisten in Mali ausgesetzt sind . Ich sage bewusst: nur einen ganz kleinen Teil; denn wir waren nur vier Tage dort . Was mich an diesem Besuch am meisten beeindruckt hat, waren der Enthusiasmus und die Einsatzbereitschaft, mit denen die deutschen Polizisten und Polizistinnen dort gearbeitet haben - unter schwierigsten Bedingungen und in einer vollkommen fremden Kultur . Wenn ich in meinem Wahlkreis berichte, dass ich deutsche Polizisten bei ihrer Mission in Mali besucht habe, dann löst das natürlich immer großes Erstaunen aus . Viele wissen zwar, dass die Bundeswehr an Auslandseinsätzen teilnimmt . Aber Polizisten? „Warum denn das?“, ist dann meist die Frage . „Sollten sie nicht besser hier für Sicherheit sorgen?“, ist dann die nächste Frage . Darauf kann ich nur antworten: Das tun sie, auch und gerade bei internationalen Polizeimissionen . Sehen wir uns das Beispiel Mali einmal genauer an . Dort sind deutsche Polizisten gleich in zwei Missionen für die Ausbildung und das Training von malischen Sicherheitskräften eingesetzt: zum einen in der europäischen Mission EUCAP Sahel Mali und zum anderen im Rahmen der MINUSMA-Mission der Vereinten Nationen . Dabei geht es wirklich um ganz elementare Dinge der Polizeiarbeit, zum Beispiel dass ein Geständnis in einem Verhör kein Sachbeweis ist und dass eine Tat damit noch lange nicht aufgeklärt ist . Dazu gehören Tatortarbeit, Spurensuche und Auswertung . So etwas lehrt man da . Gut ausgebildete Polizisten, die nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handeln und sich nicht als instrumentalisierter Arm der Machthaber verstehen, schaffen Vertrauen . Deutsche Polizisten und ihre Ausbildung genießen international einen hervorragenden Ruf . Sie vermitteln ihr Verständnis von einer bürgernahen Polizei, die im Dienste der Bevölkerung steht, an die lokalen Polizeikräfte weiter . Zusammen mit einer Entwicklungszusammenarbeit verbessern deutsche Polizisten die Situation vor Ort und geben den Menschen die Möglichkeit, in ihrer Heimat zu überleben . Das unterstützt auch in Deutschland die Sicherheitslage . ({0}) Bei dieser riesigen Aufgabe muss allerdings allen klar sein: Das ist ein sehr langer Weg . In einigen Ländern sieht man, wie lange das dauert und dass das nicht immer von Erfolg gekrönt ist . Da ich gerade von Entwicklungszusammenarbeit spreche: Diese ist oft nur möglich, weil Polizisten und auch die Bundeswehr in Einsatzländern helfen, die Situation zu stabilisieren . Ohne deren Präsenz wäre es für die Mitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, für die Nichtregierungsorganisationen und für andere Organisationen oftmals zu gefährlich, dort zu arbeiten . Ausgangspunkt dieser Debatte war aber ein Antrag vom September vergangenen Jahres, den meine Kollegin Edelgard Bulmahn mit sehr viel Leidenschaft und Ausdauer zusammen mit anderen Kollegen vorangetrieben hat: „Deutsches Engagement beim Einsatz von Polizistinnen und Polizisten in internationalen Friedensmissionen stärken und ausbauen“ . Wir haben darin unter anderem beschlossen, dass wir als Deutscher Bundestag jährlich über die internationalen Polizeimissionen unterrichtet werden - das war vorher nicht so - und auch darüber debattieren; das machen wir jetzt . Das ist eine Form der Wertschätzung des Parlaments, die hoffentlich in der Bevölkerung das Bewusstsein für den wichtigen Einsatz der Beamtinnen und Beamten stärkt . Nun stehen wir hier und debattieren genau diesen Bericht der Bundesregierung . Ein weiterer Punkt dieses Antrages war allerdings die Einrichtung eines Fachgebietes bei der Deutschen Hochschule der Polizei . Da sind wir auf einem guten Weg . Wir haben in den Beratungen für den Haushalt 2017 die Mittel für insgesamt sieben Stellen beschlossen . Die Ausschreibung für die Leitungsstelle - das soll ein erfahrener Polizist oder eine erfahrene Polizistin sein - läuft . Ich hoffe auf eine baldige Besetzung der Stellen . Dann kann es dort richtig losgehen . Die wissenschaftliche Begleitung der Polizeimissionen ist enorm wichtig; denn so können gewonnenes Wissen und Kompetenzen für zukünftige Einsätze noch besser ausgewertet und noch professioneller weitergegeben werden . Wir können es uns einfach nicht leisten, die gemachten Erfahrungen nicht zu nutzen, seien es auch nicht so gute Erfahrungen . ({1}) Die Einrichtung dieses neuen Fachgebiets bei der Deutschen Hochschule der Polizei ist ein wirklicher Erfolg des Antrags aus dem vergangenen Jahr - das wäre sonst nicht passiert - und fördert das Verständnis von zukünftigen Führungskräften; da ist nämlich noch ein bisschen Luft nach oben . Bei anderen Forderungen gilt es wohl noch etwas Arbeit zu investieren . Ich möchte ein paar Bereiche nennen . Auch da, Herr Minister de Maizière, ist noch Luft nach oben, und auch da ist Ihr Einsatz erforderlich . Wir brauchen eine Bund-Länder-Vereinbarung zur Verbesserung der rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen für die internationalen Polizeimissionen . Es geht wieder einmal ums Geld . Ich weiß, einige Forderungen wurden auch schon in die neuen Leitlinien für die gemeinsame Beteiligung des Bundes und der Länder an internationalen Polizeimissionen aufgenommen, zum Beispiel die Entsendung auf bis zu 24 Monate auszudehnen . Das ist schon einmal ein Anfang, aber eben nur ein kleiner . Das reicht noch nicht . Wir Innenpolitiker der SPD können uns zum Beispiel einen sogenannten virtuellen Stellenpool vorstellen . Was ist das? Über diesen Stellenpool sollen durch den Bund Personalreserven für die Bundesländer finanziert werden . Denn der in Mali eingesetzte Polizist fehlt derzeit auf seiner Heimatdienststelle . Dafür gibt es bisher keinen Ersatz, weder personell noch finanziell. Es fördert nicht gerade die Begeisterung innerhalb dieser Dienststelle, wenn ein Kollege für ein, zwei Jahre nicht vor Ort ist und die Arbeit auf die restlichen Schultern verteilt wird . Auch der Dienstvorgesetzte ist, ganz vorsichtig ausgedrückt, oft eher zurückhaltend begeistert . Auch im Bereich der Beurteilung wirkt sich das nicht positiv aus . Das zu verbessern, wäre ein Beitrag dazu, die Attraktivität solcher Einsätze zu steigern, und zwar bei den eingesetzten wie auch bei den zu Hause gebliebenen Kollegen und Vorgesetzten . Eine weitere Sache liegt mir wirklich am Herzen: Wir wissen alle, dass die Bezahlung der Länderpolizeien in den Händen der Länder liegt und dass es zum Teil erhebliche Unterschiede bei der Bezahlung zwischen den einzelnen Dienstherren gibt . Das hat seine Gründe; die müssen wir jetzt nicht diskutieren . Wenn allerdings Kollegen aus unterschiedlichen Bundesländern und von der Bundespolizei in eine internationale Polizeimission gehen, dann müssen die Bedingungen für alle deutschen Polizisten gleich sein: bei Bezahlung, Urlaub, Gesundheitsversorgung und auch in einem Schadensfall . Die Polizisten vertreten die Bundesrepublik Deutschland insgesamt im Ausland . ({2}) - Dann sind wir uns ja einig . - Sie sind im Bundesinteresse im Auslandseinsatz - aufgrund von Vereinbarungen, die vom Bund international geschlossen wurden -, und sie halten alle zusammen im Ernstfall sozusagen ihren Kopf hin . Das ist auch ein Aspekt im Rahmen der Konnexität . Der Bund hat die Verträge geschlossen . Es darf einfach nicht sein, dass ein Polizist am Ende des Monats mehr Geld erhält als sein Kollege oder seine Kollegin in der identischen Besoldungsstufe oder Eingruppierung . Das ist eine Frage der Fairness, der Anerkennung und auch der Fürsorgepflicht. Ja, die Fürsorgepflicht ist immer noch Aufgabe und Verpflichtung des Dienstherrn . Die bestehenden Unterschiede zwischen den Bundesländern müssen bei einer internationalen Polizeimission durch den Bund zumindest ausgeglichen werden . Dabei ist nicht der kleinste gemeinsame Nenner die Richtschnur, sondern das jeweils höhere Niveau . Wir wollen das Ganze ja nicht herunterdotieren . Alle Beamtinnen und Beamten in internationalen Polizeimissionen haben sich freiwillig gemeldet, um sich weit weg von zu Hause für die Sicherheit und den Aufbau von rechtsstaatlichen Strukturen einzusetzen, sei es, wie gesagt, schon in Mali, Afghanistan oder Kosovo, sei es unter dem Mandat der Vereinten Nationen, der Europäischen Union oder der OSZE . Daher ist es einerlei, ob es Polizisten der Bundespolizei oder der Landespolizei sind . Herr de Maizière hat schon Herrn Wehe, den langjährigen Vorsitzenden der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Internationale Polizeimissionen“ begrüßt, der zusammen mit Kollegen die Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt verfolgt . Das zeigt, wie wichtig das auch für die Kollegen ist . Vielen Dank für Ihr Interesse an der Debatte! Viel mehr möchte ich mich bei Ihnen und all Ihren Kolleginnen und Kollegen bedanken, die sich freiwillig zu diesen internationalen Polizeimissionen melden und den Einsatz auch immer wieder fortführen . Ihr Einsatz hilft den Menschen direkt vor Ort in den Einsatzgebieten . Damit bekämpfen Sie Fluchtursachen und verhindern, dass sich noch mehr Menschen auf den lebensgefährlichen Weg nach Europa begeben . Dass diese Menschen nicht elendig in der Sahara verdursten oder im Mittelmeer ertrinken, das macht den Einsatz wertvoll . In diesen Dank schließe ich auch ganz ausdrücklich Ihre Familien mit ein . Denn viele Polizistinnen und Polizisten im Auslandseinsatz haben - wie überraschend auch Familie . Wenn sich ein Elternteil zu solch einer Mission meldet, bleibt das andere Elternteil mit allen Verpflichtungen und Belastungen, die eine Familie für einen bereithält - sie sind zwar schön, aber es sind eben trotzdem Belastungen -, für längere Zeit zurück . Es ist eine Belastung für Beziehungen, Freundschaften, Eltern und Kinder. Deshalb finde ich es richtig und wichtig, dass das Bundesinnenministerium am 16 . Juni dieses Jahres erstmals bei einer Feierstunde für die aus dem Ausland zurückgekehrten Beamtinnen und Beamten des Bundes und der Länder die Familien in den Mittelpunkt gestellt hat . Der Filmpark Babelsberg war der richtige Ort für eine Feierstunde und hat, denke ich, auch gerade den Kindern der Beamten und Beamtinnen eine tolle Umgebung geboten. So sollten die Feierstunden in Zukunft stattfinden. ({3}) Sie sollten die entsandten Polizisten ehren und die Leistung von ihnen und ihren Familien anerkennen . Denn ohne die Unterstützung der Familie könnte Deutschland seinen internationalen Verpflichtungen überhaupt nicht nachkommen . Das ist bei der Bundeswehr so, bei der Polizei und auch bei den Mitarbeitern der Nichtregierungsorganisationen, die immer leicht vergessen werden . Wir wissen Ihren Einsatz sehr zu schätzen und wollen ihn weiter unterstützen - mit verbesserten Einsatzbedingungen, öffentlicher und dienstlicher Anerkennung, ohne finanzielle oder beurteilungsbedingte Nachteile und durch eine öffentliche Debatte über diesen bislang sehr unterschätzten Bereich der inneren Sicherheit, so wie heute . Herzlichen Dank . ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Kollegin Dr . Franziska Brantner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .

Dr. Franziska Brantner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004255, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zuallererst möchte auch ich an dieser Stelle die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten auf der Tribüne begrüßen und stellvertretend Herrn Wehe hier ganz herzlich im Namen aller willkommen heißen . Sie leisten Unglaubliches, und Sie haben unseren Dank . ({0}) Ich möchte an dieser Stelle ganz klar unterscheiden: Es gibt Sicherheitsabkommen, die die Bundesregierung mit Ländern wie Saudi-Arabien, Ägypten und anderen abschließt, und es gibt internationale Polizeimissionen . Heute stehen die internationalen Polizeimissionen auf der Tagesordnung, und deshalb sollten wir auch darüber reden . Es wird den Polizistinnen und Polizisten, die dort oben sitzen, nicht gerecht, wenn wir jetzt die Sicherheitsabkommen kritisieren . Das tun auch wir Grüne gerne; aber ich glaube, heute sollten wir beim Thema bleiben . ({1}) Es ist unglaublich wichtig, was in diesen Ländern geleistet wird . Wir haben vorhin die Debatte über Militäreinsätze geführt . Wir wissen alle, dass wir Stabilität in diesen Ländern auf Dauer nicht alleine - wenn überhaupt - militärisch hinbekommen können, sondern dass wir immer auch eine zivile Sicherheitsarchitektur brauchen . Das ist extrem notwendig; sonst kommen diese Länder nicht zum Frieden . Da geht es nun einmal nicht ohne Polizei; das würde auch bei uns nicht gehen . Es ist extrem notwendig, dass wir unseren Beitrag dazu leisten, diese Polizeistrukturen aufzubauen oder, wenn sie schon existieren, zu reformieren . Das ist die Aufgabe . ({2}) Auch in diesen Ländern möchten Menschen das Gefühl haben, dass, wenn sie die Polizei anrufen, jemand kommt und ihnen hilft und nicht jemand kommt und sie festnimmt oder willkürlich ins Gefängnis bringt . Da macht es einen großen Unterschied, ob ein deutscher Polizist in einer Mission ist oder ein Polizist aus einem Land, das keine demokratische Kultur hat. Häufig stellt sich die Frage, wie man mit einer Demonstration friedlich umgeht . Diese Ausbildung traue ich unseren Polizistinnen und Polizisten wesentlich mehr zu als anderen . Ich glaube, da haben wir einen wirklichen Beitrag zu leisten . ({3}) Erlauben Sie mir zu sagen, dass ich mich freue, dass wir heute den Bericht vorliegen haben, Herr de Maizière . Es wurde schon gesagt, dass er auch ein Ergebnis unseres gemeinsamen Antrages ist, den wir hier vorgelegt hatten. Aber er ist leider eher eine Auflistung dessen, was passiert ist, ohne Bewertung und wirkliche Erkenntnisse . Ich setze darauf, dass die sieben Personen, die in Zukunft eingesetzt werden und hoffentlich alle schnell dort sein werden, den nächsten Bericht durch eine Evaluierung bereichern und Nachteile und Vorteile aufführen, damit wir gemeinsam weiterkommen . Sonst bleibt der Bericht nur eine Zusammenstellung von Zahlen ohne eine inhaltliche Bewertung . Wir zählen darauf, dass das in Zukunft anders wird und wir bei der Arbeit der Polizistinnen und Polizisten dann inhaltlich wirklich weiterkommen . Wir wissen, wo überall Lücken sind . Auch da möchte ich an die Ausführungen der Kollegin anknüpfen . Sie haben die ungleiche Bezahlung, die Risikohaftung, Schadensfälle und den Karriereknick erwähnt . Das alles kennen wir . Wir wissen, dass der Unterschied zwischen Anspruch und Realität häufig groß ist. Sie, liebe Regierungsfraktionen, hatten sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, eine Bund-Länder-Vereinbarung dazu zu erreichen . Jetzt sind wir am Ende der Legislaturperiode, und es hat nicht geklappt . Es ist wirklich sehr schade, dass Sie da nicht vorangekommen sind . Wir hatten im Parlament dazu gemeinsam eine gute VorlaSusanne Mittag ge erarbeitet . Daraus ist leider nichts geworden . Das ist aber eine Aufgabe, die in der nächsten Legislaturperiode dringend angegangen werden muss . Wir müssen unser Engagement für alle Polizistinnen und Polizisten verbessern . ({4}) Erlauben Sie mir noch ein Wort, Herr de Maizière . Sie sprechen öffentlich häufig von 245 Personen. Aber da zählen Sie die Frontex-Mitarbeiter mit . Wenn man diese herausrechnet, dann kommt man auf 142 Personen . Das ist für ein großes und reiches Land wie Deutschland wirklich eine klägliche Zahl . Und schauen wir uns die Zahlen der Vereinten Nationen an . Über 13 000 Polizistinnen und Polizisten sind weltweit im Rahmen der UN unterwegs . Wie viele Deutsche sind unter den 13 000? 31 . Das entspricht nicht dem, was wir vorgeben zu tun . Wir wollen im zivilen Bereich mehr machen . Wir wollen mehr Kriege verhindern . 31 deutsche Polizistinnen und Polizisten sind eindeutig zu wenig . Da geht mehr . Der Anspruch muss größer sein . Das müssen wir schaffen . Ich hoffe, dass wir das in der nächsten Legislaturperiode angehen können . Wir dürfen nicht nur über das Zivile reden, sondern wir müssen es auch umsetzen . Das können wir auch . Ich danke Ihnen . ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Dr . Hans-Peter Uhl für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zu Recht hat die Europäische Union 2012 den Friedensnobelpreis erhalten . Die EU-Mitgliedstaaten tragen wesentlich zu den Friedens- und Stabilisierungsprozessen in verschiedenen Staaten der Welt bei . Auch der verstorbene Bundeskanzler Helmut Kohl hat immer wieder die Verantwortung des vereinigten Deutschlands für das friedliche Zusammenleben der Völker und die friedensstiftende Wirkung des europäischen Einigungsprozesses hervorgehoben. In der Tat verlangt die konfliktgeladene Realität von heute eine stärkere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten der EU. Kriege, Krisen und Konflikte, die heutzutage häufig hybrid sind und durch Cyberangriffe begleitet werden, haben die aktuelle Weltlage komplexer und gefährlicher gemacht als zu Zeiten des Kalten Krieges . Nicht nur in Syrien tobt ein Bürgerkrieg . Der ganze Nahe Osten ist ein Pulverfass, Stichwort „Katar“ . Die amerikanische Administration wird heute von einem irrlichternden Präsidenten geführt, der von der Europäischen Union erkennbar nicht viel hält . Unter dem russischen Präsidenten Putin erleben wir die Rückkehr zu einer aggressiven und destabilisierenden Weltmachtpolitik Russlands . Die Maghreb-Staaten sind Transitländer für afrikanische Armutsmigration und befinden sich selbst in einem labilen Zustand . Schauen Sie auf Libyen, dann wissen Sie, wovon ich rede . In unmittelbarer Nachbarschaft zur Europäischen Union entwickelt sich die Türkei unter Erdogan weg vom Prinzip eines demokratischen Rechtsstaates . Das ist die Realität, in der wir heute leben . Wie können wir auf diese sicherheitspolitischen Herausforderungen reagieren? Da unterscheiden wir uns, Frau Jelpke . Mit verstärkten zivilen und militärischen Mitteln müssen wir Krisenprävention, Krisenbewältigung und Konfliktnachsorge ermöglichen, mit beiden Mitteln zusammen . ({0}) Zugegeben, mit militärischen Interventionen allein werden wir Konflikte nicht lösen. Sie werden dadurch teilweise eher vergrößert . Das haben wir in Afghanistan, in Libyen und im Irak erfahren . Daher ist die derzeitige 2-Prozent-Diskussion über den isolierten Anteil von Rüstungsausgaben ausgesprochen töricht . ({1}) - Ich freue mich, dass ich hier die Zustimmung von den Grünen bekomme . Es hat lange gedauert in meinem politischen Leben, bis ich die Zustimmung von dieser Seite bekomme . ({2}) Nation-Building, Friedenserhaltung und Konfliktverhütung, Armutsbekämpfung durch Berufsausbildung, umweltschützende, nachhaltige Entwicklung sind die wichtigsten Ziele eines umfassenden Ansatzes; um diesen müssen wir uns kümmern . Seit 25 Jahren dienen deutsche Polizisten dem Frieden und der Sicherheit im Rahmen verschiedener internationaler Missionen . Zusammen mit zivilgesellschaftlichen Akteuren und humanitären Missionen arbeiten sie friedensstiftend gemeinsam dort, wo Hilfe gebraucht wird, wo die Demokratisierungsprozesse und die Transformationsprozesse langsam und schmerzhaft und natürlich auch nicht immer erfolgreich verlaufen; das geben wir gerne zu . ({3}) Alle Welt fordert die Bekämpfung von Fluchtursachen . Ich möchte deshalb betonen: Die internationalen Polizeimissionen sind ein Schlüssel zur Bekämpfung der Fluchtursachen . ({4}) Diktatorische Regime, Armut, Minderheitenverfolgung, religiöse Konflikte, Korruption und organisierte Kriminalität treiben Millionen von Menschen aus Afrika weg . Sie verlassen ihre Heimat und sind auf der Suche nach einem besseren Leben in Europa . Diese Probleme sind der Grund zur Flucht, und sie können nur vor Ort erfolgreich bekämpft werden . ({5}) Hilfe zur Selbsthilfe ist also das Gebot der Stunde . Lassen Sie es mich mit dem chinesischen Philosophen Konfuzius sagen: Gib einem Mann einen Fisch, und du ernährst ihn für einen Tag. Lehre einen Mann, zu fischen, und du ernährst ihn für das ganze Leben . Darum geht es . Das Gewaltmonopol des Staates, ausgeübt durch die Polizei - durch wen sonst? -, verhindert Selbstjustiz, garantiert Sicherheit und Ordnung . Im Rechtsstaat unterliegt jeder staatliche Zwang dem Verhältnismäßigkeitsprinzip . Dieses praktizierend gewinnt die Polizei das Vertrauen der Bürger, und der Polizist wird zum Freund und Helfer . In vielen Staaten der Welt - das gebe ich zu - finden wir ein völlig anderes Polizeibild. Wir finden Polizisten, die eher Feind als Freund sind . Dort gibt es eine Polizei, die Teil der organisierten Kriminalität ist . Dort wird die Staatsgewalt zum eigenen Vorteil missbraucht . Das alles gibt es auf der Welt . Unser gesamtes Staatsverständnis wird durch die ersten beiden Sätze unseres Grundgesetzes auf wunderbare Weise postuliert: Die Würde des Menschen ist unantastbar . Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt . Besser kann man unser Verständnis vom Gewaltmonopol des Staates, unser Staatsverständnis nicht beschreiben . Dieses Staatsverständnis ist der Exportartikel Deutschlands . Dieses Staatsverständnis in die ganze Welt zu tragen, ist die Aufgabe der Polizeimissionen . Dafür wollen wir Ihnen ganz herzlich danksagen . ({6}) Es ist richtig, dass auch die internationalen Militärmissionen als ein Friedensinstrument hervorgehoben werden . Ebenso wichtig sind aber auch internationale Polizeimissionen . Wie zwei Seiten einer Medaille sind sie Teil eines komplexen, multidimensionalen Ansatzes zur Sicherung von Frieden und Stabilität in der Welt . Auch der Deutsche Bundestag sollte sich - ich bin für die heutige Debatte dankbar - mit diesen Einsätzen viel häufiger befassen. ({7}) Wir befassen uns mit jedem Militäreinsatz . Auch wenn es dabei nur um ein Dutzend Soldaten geht, wird namentliche Abstimmung gefordert . Aber für diese Polizeieinsätze, die genauso wichtig sind, haben wir im Parlament viel zu wenig Zeit . Mit dem Dank an die Polizisten möchte ich meine Rede schließen . Es ist meine letzte Rede, die ich im Bundestag halte . Ich wünsche Ihnen allen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Gesundheit . Gehen Sie entspannt in den bevorstehenden Wahlkampf . ({8}) Zwar sollten wir Politiker möglichst viele Menschen auf unserem Weg mitnehmen . Andererseits erwarten diese Menschen von uns politische Lösungen und klare Standpunkte, zu denen wir stehen, auch wenn wir wissen, dass wir nicht 100 Prozent der Wähler damit hinter uns bringen . Aber es ist schön, dass man - das ist das Beruhigende an der Demokratie - keine 100-prozentige Zustimmung der Wähler braucht; es reicht die einfache Mehrheit, um eine Regierung bilden zu können . Das wünsche ich insbesondere meiner Fraktion, weniger den anderen Kollegen . ({9}) Mir ist es immer wieder, über 40 Jahre lang, gelungen, die Mehrheit der Wähler zu überzeugen . Dafür möchte ich zum Schluss meiner Rede meinen Wählern von dieser Stelle ganz herzlich danken . ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Kollege Uhl, gestatten Sie mir an dieser Stelle ein persönliches Wort . Ich werde das nicht bei allen letzten Reden, die heute gegebenenfalls noch gehalten werden, tun . Ich hatte seit 1998 die Gelegenheit - in diesem Fall natürlich nicht als Präsidentin, sondern als Mitglied des Innenausschusses -, mit Ihnen in ebendiesem Gremium zu arbeiten, und insofern wünsche ich Ihnen auch für die Zukunft alles Gute und darüber hinaus uns allen, egal ob wir weiter im Bundestag arbeiten oder nicht, einen solchen Umgang, wie wir ihn gepflegt haben. Wir haben uns in der Sache nie etwas geschenkt; aber es ist immer mit Respekt vor der Person zugegangen. Ich finde, das ist etwas, was wir entsprechend vorleben sollten . Herzlichen Dank für die Zusammenarbeit - ich denke, da spreche ich auch im Namen der Kolleginnen und Kollegen - und alles Gute! ({0}) Wir fahren fort in der Debatte . Das Wort hat der Kollege Dr . Lars Castellucci für die SPD-Fraktion . ({1})

Prof. Dr. Lars Castellucci (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004257, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute über den Einsatz von deutschen Polizistinnen und Polizisten in internationalen Missionen . Dabei geht es auch um Frontex, und über Frontex möchte ich sprechen . Die Linke fordert, Frontex abzuschaffen . ({0}) Ich halte das für eine völlig absurde Idee . - Sie haben an dieser Stelle geklatscht, Frau Kollegin . Jetzt kriegt der Sprecher meiner Fraktion wieder eine SMS vom SpreDr. Hans-Peter Uhl cher der CDU/CSU, in der steht, dass die Linke bei meiner Rede klatscht . ({1}) Das hatte ich jetzt nicht bezweckt . Worum geht es denn bei Frontex? Wir haben in Europa Schlagbäume und Grenzanlagen niedergerissen . Das ist eine solch große Errungenschaft auf einem Kontinent, der Jahrhundert um Jahrhundert in immer neuen Kriegen versunken ist . Wir genießen Freiheit: ob wir jetzt kurz über die Grenze fahren - bei mir in der Region für einen Wochenendausflug -, ob es Unternehmer sind, die just in time produzieren, oder ob es um den nächsten Sommerurlaub geht . Gestern hatte ich zwei Schulklassen zu Besuch . Sie kennen gar nichts anderes als diese Freiheit; sie gehört zu ihrem Lebensstil . Wenn wir in Freiheit ohne Grenzen im Innern leben wollen, dann müssen wir unsere Grenzen nach außen schützen . Daran führt kein Weg vorbei . ({2}) Grenzen schützen, liebe Ulla Jelpke, heißt nicht, Grenzen schließen oder Grenzen dichtmachen, wie das eben formuliert wurde . Im Übrigen: Wie kann man denn sagen, dass das Patrouillieren von Booten in der Ägäis gegen die Flüchtlinge gerichtet wäre? Seit die Boote in der Ägäis patrouillieren, ist die Zahl der Toten im östlichen Mittelmeer um 90 Prozent zurückgegangen . Das ist doch nicht gegen Flüchtlinge gerichtet, sondern es nützt Flüchtlingen und es schützt Leben. Ich finde, das sollten wir an dieser Stelle auch so sagen können . ({3}) Also: Grenzen schützen, aber nicht schließen . Wir sind ein reicher Kontinent . Wir haben eine humanitäre Verantwortung . Wir können ihr gerecht werden . Wir brauchen auch Zuwanderung, und wir wollen für Talente aus aller Welt attraktiv sein, die uns helfen, unseren Wohlstand zu sichern und auszubauen . Wenn wir das alles erhalten wollen - unser humanitäres Engagement und auch den Wohlstand -, dann brauchen wir in den Fragen von Migration bessere Steuerung und mehr Ordnung . Das ist der Auftrag von Frontex . Deswegen hat Frontex unsere Unterstützung . ({4}) Ich will an dieser Stelle auch sagen: Wir müssen unsere Grenzen schützen, aber es gibt keinen hundertprozentigen Grenzschutz . Das sagen ja auch schon die Zahlen der Einsatzkräfte, die hier mehrfach vorgetragen worden sind . Zum Beispiel gibt es einen Sofort-Einsatz-Pool von 1 500 Beamtinnen und Beamten, die auf die europäischen Außengrenzen verteilt werden . Es ist also so wie vielleicht auch vor Ort bei unseren Städten und Gemeinden, wo sich Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker um sichere Schulwege bemühen, damit die Sicherheit von Schülerinnen und Schülern auf dem Weg in die Schule gewährleistet ist . Trotzdem sagen sie den Schülerinnen und Schülern weiterhin: Passt auf, wenn ihr auf dem Weg zur Schule seid! - Wir dürfen nicht so tun, als könnte es hundertprozentige Sicherheit geben . Aber wir müssen uns für den bestmöglichen Grenzschutz engagieren, den wir erreichen können . Das ist unser Job . Jetzt sind wir in Europa in einer schwierigen Lage, und auch bei den letzten Konferenzen hat man gemerkt, dass sich die Staaten in einer Selbstblockade befinden. Zu Frontex bekommen wir Listen, die uns im Ausschuss vorliegen, und darin steht dann: Von den 1 500 Beamtinnen und Beamten für diesen Pool, den ich gerade genannt habe, sollen 225 aus Deutschland kommen . Von den 700 Beamtinnen und Beamten, die die Ausreise gewährleisten, sollen 76 aus Deutschland kommen . In jedem Bereich, in dem in Europa zusammengearbeitet wird, wird von jedem Land gefordert, dass es einen Beitrag leistet . Jetzt spreche ich gegen diese Selbstblockade, indem ich Folgendes zu bedenken gebe: In keinem Unternehmen wird verlangt, dass alle das Gleiche machen; in keiner Regierung macht jeder das Gleiche, in keiner Familie ist jede oder jeder für das Gleiche zuständig . Deswegen rate ich dazu, dass wir überlegen, ob diese Selbstblockade der Staaten in Europa nicht überwunden werden kann, indem nicht mehr alle das Gleiche machen, sondern indem in Zukunft arbeitsteiliger vorgegangen wird . Wenn wir 1 Million Flüchtlinge aufnehmen, dann können doch die Visegradstaaten, die sich da davonstehlen, im Grenzschutz mehr tun, als sie heute tun . Arbeitsteilung, das ist das Gebot der Stunde für die Europäische Union . ({5}) Man kann nicht über Frontex reden, ohne auch über das Sterben auf dem Mittelmeer zu sprechen . 2014 sind 3 300 Menschen ertrunken - von diesen wissen wir -, 2015 3 800, 2016 über 5 000 und in diesem Jahr bereits 2 000 . ({6}) Frontex ist zuständig für die Seenotrettung und macht auch Seenotrettung . Aber, ich glaube, die Zahlen sagen ganz eindeutig, dass dieses Engagement nicht reicht . Wenn man hinschaut, dann sieht man dafür auch ganz objektive Gründe . Beispielsweise sind die Schiffe, mit denen Frontex auf dem Mittelmeer unterwegs ist, gar nicht in der Lage, von einem Moment auf den anderen Hunderte von Flüchtlingen, die auf irgendwelchen untauglichen Booten daherkommen, aufzunehmen . Deswegen sage ich hier: Das müssen wir hinbekommen . Das werden wir am Sonntag auf unserem Parteitag auch so für unser Regierungsprogramm beschließen . Wir brauchen ein eigenständiges europäisches Seenotrettungsprogramm . Das Sterben auf dem Mittelmeer muss endlich ein Ende haben . ({7}) Der guten Ordnung halber zum Schluss: Wer irreguläre Wege verhindern will, der muss legale Möglichkeiten schaffen; darauf kann ich jetzt nicht mehr eingehen . Wir brauchen Kontingente für Menschen, insbesondere für die Schwächsten, und diese Menschen müssen in Europa vernünftig verteilt werden . Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz; das ist bitter nötig . Wir brauchen ein Gesamtkonzept, um die Situation und die Sicherheit in den Griff zu bekommen - auch auf dem Mittelmeer und an unseren Außengrenzen . An dieser Stelle auch von meiner Seite ein herzlicher Dank an alle, die sich engagieren, und an die Familien, die das unterstützen . Vielen Dank . ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Kollegin Irene Mihalic hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .

Dr. Irene Mihalic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Verehrte Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte! Lieber Herr Wehe dort oben auf der Tribüne! Wenn deutsche Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte an internationalen Missionen beteiligt sind, erfüllen sie damit eine wichtige außenpolitische Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland . Ich glaube, dass an diesem Grundsatz auch hier im Haus kein Zweifel besteht . Ihr Beitrag zu Rechtsstaatlichkeit, Stabilität und Sicherheit ist für die Menschen in der jeweiligen Region enorm wichtig . Dazu haben in der Debatte hier im Hause auch schon einige etwas gesagt . Was vor Ort passiert, wirkt sich auch unmittelbar auf die Sicherheitslage in Deutschland aus . Schon allein deshalb ist die Hilfe bei der Etablierung ziviler staatlicher Strukturen - mir ist die Betonung auf „ziviler“ besonders wichtig - für uns alle hier von großem Interesse . Der Aspekt der Ausbildung, die vor Ort geleistet wird, ist mir in diesem Zusammenhang auch persönlich besonders wichtig; denn um den Aufbau einer funktionierenden Zivilpolizei zu fördern und zu entwickeln, braucht es eine Ausbildung auf fachlich wirklich sehr hohem Niveau . ({0}) Die Ausbildung der Polizei vor Ort muss deshalb auch tatsächlich von den dorthin entsandten Polizistinnen und Polizisten durchgeführt werden . Das klingt erst einmal selbstverständlich, wenn ich das so sage, ist es aber nicht . Häufig genug übernimmt die Bundeswehr die Polizeiausbildung vor Ort - einfach weil sie da ist . Doch militärisches und polizeiliches Handeln unterscheiden sich so grundlegend, dass es nicht hingenommen werden kann, wenn es so passiert, wie es in der Realität halt oft passiert . Wie sollen denn Bundeswehrsoldaten die Ausbildung von Polizisten übernehmen, wenn sie nicht einmal selbst über die notwendigen polizeilichen Fachkenntnisse verfügen? Unser Anspruch muss daher sein, tatsächlich so viele Polizistinnen und Polizisten zu entsenden, dass diese die anfallenden Aufgaben in jedem Fall übernehmen können . ({1}) Darauf, dass da durchaus noch Luft nach oben ist, haben schon genug Kolleginnen und Kollegen hingewiesen . Am Engagement der einzelnen Beamtinnen und Beamten fehlt es dabei ganz sicher nicht . Dafür verdienen sie, wie das hier auch schon viele von uns gesagt haben, unseren Dank, unseren Respekt und unsere Anerkennung . ({2}) Die Einsatzkräfte und ihre Familien nehmen wirklich einiges auf sich und leisten jeden Tag Beachtliches . Das jetzt auch hier im Deutschen Bundestag im Rahmen einer solchen Debatte herauszustellen und zu würdigen, ist dabei aber nicht nur eine moralische Frage; es ist auch Teil der notwendigen Überzeugungsarbeit, die immer noch zu leisten ist . Susanne Mittag hat vorhin darauf hingewiesen, dass die deutsche Polizei ihre Leute nun mal ungern sozusagen in die Ferne schweifen lässt . Diese Haltung mancher Vorgesetzter wirkt sich auch auf die Vorbereitung aus, hat Konsequenzen, wenn beispielsweise eine Einsatzverlängerung ansteht, und ist nicht immer mit Vorteilen verbunden, wenn die Einsatzkräfte wieder in ihre Heimatdienststellen zurückkehren . Anspruch und Realität liegen da manchmal wirklich weit auseinander . Dabei gibt es sehr gute Gründe, dieses Engagement umfassend zu fördern . Es ist viel darüber geredet worden, wie wertvoll die Arbeit der eingesetzten Beamten vor Ort ist . Allerdings werden die Potenziale, die entstehen, wenn die Beamten aus der Auslandsverwendung zurückkommen, noch viel zu wenig genutzt . ({3}) Schon allein deshalb ist die Zurückhaltung, die zum Beispiel bei der Entsendung von Spezialisten an den Tag gelegt wird, unangebracht; denn die Beamtinnen und Beamten können ihr Know-how vor Ort einbringen und wertvolle Erfahrungen wieder mit zurücknehmen . Es gibt gute Gründe, das Personalkonzept so weiterzuentwickeln, dass eine aufbauende Fort- und Weiterbildung möglich wird, die gegebenenfalls auch mehrere Missionen miteinander verbindet . Dabei reicht es jedoch nicht, international Versprechungen zu machen und allein auf das Engagement einzelner Polizisten zu hoffen; denn das Auswahlverfahren ist sehr komplex, in Teilen viel zu langwierig und dabei mit vielen Unsicherheiten verbunden . Deshalb ist in diesem Bereich noch einiges zu verbessern . Es braucht mehr Kontinuität im Einsatz statt einer pauschalen Begrenzung der Mission auf ein Jahr - aber da geht ja jetzt vielleicht noch was -, es braucht schnelle und klare Zusagen für die Bewerber, und es braucht ein verbindliches Vor- und Nachbereitungskonzept, damit die Auslandsverwendung eben nicht zum Karriereknick wird . Ich denke, in diesem Bereich sollten wir einiges verbessern, da ist noch viel möglich . Es lohnt sich, dieses Engagement der Polizistinnen und Polizisten im Ausland zu fördern . Ganz herzlichen Dank . ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Thorsten Frei hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort . ({0})

Thorsten Frei (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004276, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute den Bericht der Bundesregierung zum Einsatz deutscher Polizisten in Auslandsmissionen diskutieren, kann man, glaube ich, feststellen, dass sich seit dem ersten Einsatz im Jahr 1989 unglaublich viel getan hat . Wir engagieren uns in diesem Bereich, natürlich zuallererst finanziell. Deutschland ist gerade im Rahmen der UN-Missionen einer der größten und wichtigsten Geber . Wir zeigen aber durchaus auch im personellen Bereich Engagement, wenn ich etwa daran denke, dass der oberste UN-Polizist, der Police Advisor des Generalsekretärs, ein nordrhein-westfälischer Polizeibeamter ist . Außerdem bringen wir uns inhaltlich ein, beispielsweise im vergangenen Jahr bei der Erarbeitung des UN-Police-Reviews oder bei der Ausrichtung der 7 . Sitzung der Freundesgruppe der UN-Polizei, an der immerhin 41 Mitgliedstaaten teilgenommen haben . Liebe Frau Jelpke, ich finde nicht, dass dieser Bericht der Bundesregierung die kritischen Punkte ausklammert . Ganz im Gegenteil: Er macht eine Bestandsaufnahme dessen, was gut funktioniert und in den vergangenen Jahren verbessert werden konnte . Er dokumentiert, was wir heute schon diskutiert haben und was wir dank vielfältiger Debatten wissen, nämlich dass es sehr wohl Probleme gibt . Die föderale Struktur unserer Sicherheitsarchitektur bringt insofern Probleme mit sich, als der Bund für die außenpolitischen Herausforderungen zuständig ist, aber die Länderpolizeien zu einem ganz großen Teil die Kompetenzen und Fähigkeiten vorhalten, die in solchen Auslandsmissionen von Polizeibeamten nachgefragt und gebraucht werden . Und - auch darauf ist eingegangen worden -: Natürlich darf für einen Polizeibeamten ein Auslandseinsatz nicht zum Karriereblocker werden, sondern ganz im Gegenteil: Er muss ein Ausweis für besondere Fähigkeiten und damit auch förderlich für spätere Verwendungen in der Polizei sein . ({0}) Der Bericht sagt ferner - der Minister ist auch darauf eingegangen -: Es steht zu erwarten, dass das Thema Polizeieinsätze im internationalen Bereich an Bedeutung gewinnen wird . Das ist selbstverständlich so . Gott sei Dank haben Ihnen, Frau Jelpke, einige Vorredner schon die richtige Antwort auf die Frage gegeben, ob auch Fluchtursachen bekämpft werden . Natürlich werden diese bekämpft; denn in allererster Linie geht es darum, stabile staatliche Strukturen zu schaffen . Es ist auch darauf eingegangen worden, dass wir den gesamten Instrumentenkasten der Außenpolitik benötigen . Aber wir sind nicht immer einer Meinung, wenn es um den Einsatz von Militär geht . Dieser Einsatz wird in vielen Fällen notwendig und richtig sein . Aber es ist mit Sicherheit nicht richtig, wenn Soldaten polizeiliche Aufgaben übernehmen, ausbilden oder in sonstiger Weise eine Vermischung der Kompetenzen stattfindet. Ich glaube, es ist vollkommen klar, dass wir neben Soldaten, neben zivilen Einsatzkräften insbesondere Polizeibeamte benötigen, die in fragilen und auch gescheiterten Staaten mithelfen, staatliche Strukturen wieder aufzubauen, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass das durchgesetzt werden kann, was demokratische Regierungen entscheiden und beschließen, und dass damit ein Rahmen für ein gutes Leben der Menschen gegeben werden kann . In diesem Sinne ist es ganz entscheidend, zu wissen, dass diese Herausforderungen, insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent, wachsen werden . Hier muss man sagen: Wenn man sich die nackten Zahlen anschaut, dann erkennt man, dass wir noch ein bisschen Luft nach oben haben . Schaut man sich die Zahlen des vergangenen Jahres an, dann stellt man fest: 302 Beamte in allen diesen Missionen, speziell 32 Polizeibeamte im Rahmen von UN-Missionen - das ist angesichts der mehr als 13 000 Polizisten bei der UN kein wirkliches Ruhmesblatt . Wenn man dann weiter sieht, dass von den 20 UN-Missionen 13 auf dem afrikanischen Kontinent stattfinden, dann wird deutlich: Hier geht es nicht um Altruismus, sondern hier geht es tatsächlich um ganz praktische Hilfe und um das Verfolgen unserer eigenen Interessen, und zwar nicht nur im Sinne von Fluchtursachenbekämpfung, sondern auch, was die Dämpfung von Migrationsdruck Stichwort: Flucht durch gefährliche Wüsten, über gefährliche Meere und dergleichen mehr - angeht; das ist bereits ausgeführt worden . Deshalb ist es ein absolut richtiger Ansatz . Ich glaube, wir dürfen uns durchaus an dem orientieren, was der EU-Ratsbeschluss in Santa Maria da Feira bereits im Jahr 2000 ausgeführt hat . Man hat gesagt: Wir wollen aus europäischen Staaten 5 500 Polizisten, davon 900 aus Deutschland, für solche Einsätze zur Verfügung stellen . Ich glaube, es ist richtig, sich daran zu orientieren . Diese Entscheidung war vor 17 Jahren richtig, und sie ist es auch heute . Wenn man vorwärtskommen will, dann muss man bestimmte Muster durchbrechen . Das Erste, worauf es ankommt, ist - das hat der Innenminister deutlich gemacht -: Wir brauchen mehr Polizeibeamte . Der Bund stellt bis zum Jahr 2020 7 500 zusätzliche Polizisten ein . Wenn ich mir gerade in diesem Jahr die KoalitionsverIrene Mihalic einbarungen in einigen Bundesländern anschaue, dann wird deutlich, dass diesbezüglich getroffene Entscheidungen in die richtige Richtung gehen und dass es mehr Polizisten geben wird . Damit muss man nicht mehr die Befürchtung haben - dies kann man damit ganz klar dokumentieren -, dass Polizeibeamte, die im Innern benötigt werden, im Ausland eingesetzt werden . Das Zweite ist: Wir brauchen eine klare politische Entscheidung, die hier am Anfang stehen muss . Ich habe den Ratsbeschluss aus dem Jahr 2000 genannt . Man kann durchaus auch erwähnen, dass beispielsweise Schweden entschieden hat, 1 Prozent seiner Polizeibeamten für Auslandsmissionen zur Verfügung zu stellen . Das bedeutet im Klartext, dass Schweden, das nicht einmal 10 Millionen Einwohner hat, etwa viermal so viele Polizisten in Auslandseinsätzen hat wie Deutschland . Jetzt muss es nicht unbedingt 1 Prozent der Polizisten sein . In Deutschland haben wir etwa 300 000 Polizeibeamte . Das heißt, der Anteil von im Ausland eingesetzten deutschen Polizisten beträgt 0,01 Prozent . ({1}) Deswegen gibt es angesichts des schwedischen Ansatzes und unserer Möglichkeiten sicherlich noch Klärungsbedarf . Es geht weiter darum, dass wir die Standzeiten erhöhen, dass wir deutsche Polizisten dort in Einsatz bringen, wo wir viel erreichen können . Lassen Sie mich zum Schluss noch ein wichtiges Beispiel nennen . In Somalia haben wir an der Spitze der Polizeimission auch einen Deutschen, der in Somalia die Erfahrung föderaler Polizeistrukturen umgesetzt hat . Das ist der richtige und vernünftige Ansatz . Wenn dort anstatt 14, wie von der UN gefordert, 70 Polizeibeamte eingesetzt werden könnten, dann können auch die Ziele noch besser erreicht werden . Aus meiner Sicht ist es exakt der richtige Ansatz, den man fahren sollte . Es ist vollkommen klar, dass eine Stabilisierung am Horn von Afrika auch Auswirkungen auf den Mittleren Osten und die Sahelzone haben wird . Deshalb müssen wir uns dort engagieren und uns vielleicht heute schon darauf vorbereiten, dass in Libyen der nächste große Polizeieinsatz wartet .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Frei, Sie können gern weiterreden, aber inzwischen auf Kosten des Kollegen Hoffmann . Das muss ja nicht sein .

Thorsten Frei (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004276, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Oh nein, das will ich keinesfalls . - Ich glaube, das wäre das richtige Engagement, um unsere Chancen bei der Bewerbung um einen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu verbessern . Herzlichen Dank . ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Thorsten Hoffmann für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Thorsten Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004616, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank . - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich jetzt die lieben Kolleginnen und Kollegen begrüßt habe, dann meine ich nicht nur Sie, die Abgeordneten, sondern natürlich auch Sie, die Polizistinnen und Polizisten auf der Besuchertribüne; denn ich war 34 Jahre lang dabei und empfinde mit Ihnen. Ich möchte gerne die ganze Debatte aus einer etwas anderen Sicht betrachten und entsprechend vortragen . Erst vor wenigen Wochen bin ich von einer Delegationsreise aus Taiwan zurückgekehrt . Getroffen haben wir uns dort mit Sicherheitsexperten, um die Erfahrungen im sicherheitspolitischen Bereich untereinander auszutauschen . Bei dem Treffen mit den taiwanesischen Innenund Außenpolitikern stellte sich schnell heraus, dass man mit uns in Deutschland im sicherheitstechnischen Bereich gerne enger zusammenarbeiten würde und von unseren Erfahrungen beim Aufbau staatlicher Sicherheitsstrukturen profitieren möchte. Taiwan ist da nur ein Beispiel; denn unsere sicherheitsrelevanten Strukturen werden weltweit geschätzt . Sie dienen anderen, insbesondere noch nicht so stabilen Staaten als Vorbild . Meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere deutschen Polizistinnen und Polizisten unterstützen in fragilen Staaten den Auf- und Umbau von staatlichen Organisationen . Sie helfen dabei, Polizistinnen und Polizisten vor Ort auszubilden, geben Expertise und helfen beim Aufbau einer modernen Sicherheitsarchitektur mit einer funktionsfähigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Polizei . Unsere Polizistinnen und Polizisten kommen dabei im Gastland oft als Berater, Ausbilder, Mentoren und Trainer zum Einsatz . Dabei begeben sie sich jeden Tag mit großem persönlichem Einsatz in die Krisenregionen dieser Welt . Sie sind dort eingesetzt und haben eine große Aufgabe und ein großes Ziel vor Augen . Sie fördern den Frieden, um in der Region ein sicheres Leben für die dort lebenden Menschen zu ermöglichen . Unsere Polizistinnen und Polizisten verdienen für ihren Einsatz unsere höchste Anerkennung . Ich danke Ihnen an dieser Stelle ausdrücklich und sehr herzlich, und ich würde mich freuen, wenn Sie den Dank an Ihre, an meine Kollegen weitergäben . ({0}) Es ist nicht so, dass ich hier über etwas spreche, was mir fremd ist . Ich weiß, was die eingesetzten Kräfte denken und fühlen . Ich kenne ihre Ängste, ihre Sorgen und ihre Nöte . Ich war in meinem früheren Beruf als Polizeibeamter selbst oft aufgrund spezieller Aufgaben großen Gefahren ausgesetzt . Auch ich war teilweise wochenlang von meiner Familie, von meiner Ehefrau und von meinem Kind, getrennt . Manchmal konnte ich mich nicht melden, und dann machte sich meine Familie große Sorgen . Sie fragte sich, ob etwas passiert sei, und verfiel in Ungewissheit. Es war auch nicht immer einfach, wenn meine Ehefrau meinem damals dreijährigen Sohn Ricardo, der heute 24 ist, erklären musste, dass ich im Moment nicht zu Hause sei . Ich weiß also nur zu gut, mit welchen Schwierigkeiten Angehörige in solchen Phasen konfrontiert sind . Es ist für keinen der Beteiligten einfach, wenn man seine Familie oder Freunde nicht sieht und oft nicht einmal mit ihnen telefonieren kann . Durch diese Beispiele wird deutlich, dass nicht nur die Polizistinnen und Polizisten für die Gesellschaft eine ganz wichtige Rolle übernehmen, wenn sie sich auf einer Auslandsmission befinden. Auch deren Angehörige leisten einen ganz wichtigen Beitrag . Sie sind nämlich der Rückhalt für unsere Polizistinnen und Polizisten im weltweiten Einsatz . Deswegen gebührt auch den Familien und Freunden mein ausdrücklicher Dank . ({1}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, mandatierte Friedensmissionen sind notwendig . Sie sind ein nützliches Instrument, um bewaffnete Konflikte zu verhindern und einzudämmen . Sie fördern und festigen den Frieden . Sie sind wichtig, um später die Beteiligten im besten Fall an einen Tisch zu bekommen und um für den Frieden zu werben . Für die CDU/CSU sind sie ein wesentlicher Baustein im deutschen Engagement für den internationalen Frieden . Die deutsche Beteiligung an den Friedensmissionen ist nicht mehr wegzudenken . Unsere Freunde und Partner aus anderen Ländern verlassen sich auf unsere Erfahrungen, die wir gerne mit ihnen teilen . Deshalb beteiligt sich Deutschland mit den Polizeien der Länder und des Bundes und auch mit Teilen der Bundeszollverwaltung an vielen Friedensmissionen auf der ganzen Welt . Ich möchte aber auch noch auf Folgendes hinweisen: Der Austausch ist wirklich ein Austausch . Unsere Polizistinnen und Polizisten unterstützen ihre Kollegen im Gastland nicht nur, sie lernen bei ihren gemeinsamen Einsätzen auch voneinander . Sie lernen bei den gemeinsamen Übungen zum Beispiel, Sprachbarrieren zu überbrücken . Sie lernen, ihren Blickwinkel zu ändern, kulturelle Unterschiede zu berücksichtigen und zu überwinden . Die Erfahrungen, die sie dort im täglichen Miteinander sammeln, kommen uns besonders bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus und der immer stärkeren Internationalisierung der Kriminalität zugute . Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer so stark im Berufsleben gefordert wird, soll und muss auch entsprechend unterstützt werden . Wir als CDU/CSU werden uns selbstverständlich weiterhin für eine Verbesserung der Ausrüstung, eine zielgenaue Aus- und Fortbildung und eine aufrichtige Wertschätzung unserer Bundes- und Landesbeamten einsetzen . Liebe Ulla Jelpke, du weißt ja, dass ich dich mag . ({2}) Aber ich möchte doch einmal Worte benutzen, die du manchmal auch gerne benutzt, wie zum Beispiel „skandalös“, oftmals bist du „entsetzt“ . Mir als Polizeibeamten hat das teilweise wirklich wehgetan, was du, Ulla, gesagt hast, und ich kann auch sagen, warum: Ein Polizeibeamter ist nämlich mit dem Herzen Polizeibeamter . Die Kollegen, die vorhin auf der Tribüne saßen, haben sicher ähnlich gedacht . Ich möchte die Frage stellen: Waren Sie oder die Zuschauer schon einmal bei einer Feierstunde für Rückkehrerinnen und Rückkehrer von Auslandseinsätzen? Wenn nicht, dann möchte ich darauf hinweisen, dass man sich das hier in Berlin live anschauen kann . Wenn Sie die Kolleginnen und Kollegen vor dem Reichstag treffen: Schauen Sie einmal in ihre Gesichter . Sie sind stolz . Sie sind stolz darauf, dass sie mitgeholfen haben . Sie tragen voller Stolz ihre Uniform . Sie teilen diesen Stolz mit ihren Familien . Und sie nehmen erst recht voller Stolz die Wertschätzung unseres Bundesinnenministers Thomas de Maizière entgegen . Ich sage es zum Schluss noch einmal sehr gerne: Vielen Dank für euren Einsatz, und vielen Dank, dass eure Familien das mitmachen . Vielen Dank . ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache . Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/12445 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung so beschlossen . Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung . Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 22 . Juni 2017, 9 Uhr, ein . Die Sitzung ist geschlossen . Ich wünsche Ihnen alles Gute bis dahin .