Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 4/26/2017

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich. Ich hoffe, Sie sind alle gut erholt und jedenfalls hochmotiviert aus der Osterpause zurückgekehrt, sodass wir jetzt mit geballter Energie ins Finale dieser Legislaturperiode einsteigen können. - Mindestens einer der anwesenden Parlamentarischen Geschäftsführer bestätigt das in eindrucksvoller Weise. Ich bedanke mich dafür ausdrücklich. Bevor wir die Befragung der Bundesregierung aufrufen, habe ich Ihnen noch eine amtliche Mitteilung zu machen. Es gibt eine interfraktionelle Vereinbarung, dass die Unterrichtung der Bundesregierung über die Stellungnahme des Bundesrates und die Gegenäußerung der Bundesregierung auf der Drucksache 18/11931 zu dem bereits überwiesenen Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Europol-Gesetzes dem federführenden Innenausschuss sowie zur Mitberatung dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen werden soll. Jetzt kommt die spannende Frage, ob Sie damit einverstanden sind. - Das ist im Ergebnis trotz erkennbarer Zögerlichkeit bei einzelnen anwesenden Kolleginnen und Kollegen offenkundig der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe jetzt unseren Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Als Thema der heutigen Kabinettssitzung hat die Bundesregierung mitgeteilt: 15. Entwicklungspolitischer Bericht der Bundesregierung „Entwicklungspolitik als Zukunfts- und Friedenspolitik“. Dazu erhält, unserer ständigen Übung folgend, der zuständige Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung das Wort für einen einleitenden fünfminütigen Bericht. - Herr Minister, Sie haben das Wort.

Dr. Gerd Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11002742

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen Staatssekretäre! Liebe Abgeordnete! Das Osterfest ist ein Friedensfest, und deshalb ist es richtig, wenn wir mit Entwicklungspolitik als der besten Friedenspolitik starten. Alle vier Jahre legen wir diesen Entwicklungspolitischen Bericht vor. Die Welt ist im Umbruch und im Aufbruch. In den letzten vier Jahren hat sich die Weltbevölkerung um 350 Millionen Menschen vergrößert. Das zeigt eine enorme Dynamik. Wir stehen vor den Herausforderungen der Klimaveränderung und der Erderwärmung. Mit der deutschen Entwicklungspolitik reagieren wir darauf. Wir arbeiten mit 85 Ländern in der Welt zusammen. Globalisierung muss gerecht gestaltet werden. Globale Märkte brauchen Regeln. Das möchte ich über die dreieinhalb Jahre meiner Amtszeit schreiben. Wir haben neue Schwerpunkte gesetzt: Erstens. Eine Welt ohne Hunger ist möglich - in den nächsten Tagen veranstalten wir dazu einen internationalen Kongress hier in Berlin -, und deshalb investieren wir verstärkt in ländliche Entwicklung. Zweitens. Wir wollen Bildung, vor allem berufliche Ausbildung, in unseren Partnerländern, insbesondere in Afrika, verstärkt ausbauen und haben dies mit 25 Ländern auf den Weg gebracht. Drittens der Bereich Gesundheit. Denken wir an die Auswirkungen der Ebolakrise vor einem Jahr. Eine solche Krise kann es morgen wieder geben. Den Partnern der deutschen Entwicklungspolitik danke ich herzlich für die ausgezeichnete Zusammenarbeit: der Zivilgesellschaft, der GIZ, der KfW, den Tausenden, die in den Entwicklungsstaaten unterwegs sind. Wir bauen in Westafrika eine Gesundheitsstruktur auf, damit bei einem weiteren Ausbruch oder einer neuen Epidemie schnell und effektiv gehandelt werden kann. Wir in Berlin haben die GAVI und den GFATM ganz massiv weiter gestärkt. Afrika ist in den Fokus gerückt worden. Es ist die große Herausforderung für dieses Jahrhundert, natürlich auch für heute und für uns. Mit dem Marshallplan mit Afrika hat mein Ministerium ein Gesamtkonzept, eine Gesamtstrategie vorgelegt, die zeigt: Entwicklungspolitik, Herr Präsident, ist kein Randthema mehr. Wenn ich einen Wunsch an Sie richten darf: Im Prinzip gehört der Entwicklungsminister in die Mitte des Kabinetts. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Sie haben, Herr Minister, offenkundig den begründeten Eindruck, dass das Kabinett das selber nicht geregelt kriegt und dafür der Assistenz des Parlaments bedarf. ({0})

Dr. Gerd Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11002742

Ich fühle mich zwar auch an dieser Stelle wohl; aber es steht symbolisch schon ein bisschen für die Zeit von gestern, wenn man den Entwicklungsminister nur hinten mit dranklebt. Wir sind im Zentrum der Politik. Entwicklungspolitik ist heute Wirtschaftspolitik, Handelspolitik, Umweltpolitik, Agrarpolitik. ({0}) Lassen Sie mich sagen: Diese Bundesregierung hat entsprechende Signale gesendet. Bundeskanzlerin Merkel und der Bundesfinanzminister haben es geschafft, dass Deutschland in diesem Jahr durch die Aufstockung des Haushalts erstmals das 0,7-Prozent-Ziel erreicht. Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen dafür. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein ganz zentraler Bereich, den ich natürlich nicht vergesse, ist das Thema der Investitionen zur Überlebenssicherung und zur Schaffung einer Bleibeperspektive in den Krisenländern. Ganz aktuell denke ich an den Jemen - und ich denke nicht nur daran: Wir haben unser Engagement in den letzten Tagen um 100 Millionen Euro auf 300 Millionen Euro ausgebaut. Überleben sichern, heißt es dort, auch in und um Syrien. Wir schaffen allein in und um Syrien, wo dieser dramatische Krieg herrscht, Zukunft für 1 Million Kinder. Wir beschulen sie, wir finanzieren Lehrer und vieles mehr. Es wären Hunderttausende mehr nach Deutschland gekommen, wenn sie nicht die Hand der deutschen Entwicklungshilfe vor Ort gereicht bekommen hätten. Diese Hilfe muss verstärkt werden; denn nun geht es auch um Rückführung in wieder befriedete Gebiete. Meine Damen und Herren, ich könnte eine ganze Reihe von weiteren neuen Ansätzen und Impulsen nennen. Aber wir sind hier in der Regierungsbefragung, und das ist Ihre Möglichkeit, jetzt Ihre Fragen an mich zu richten. Ich antworte darauf sehr gerne. Herzlichen Dank.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ja, Herr Minister, das werden wir nun natürlich auch tun. - Was Ihre Klage über die unangemessene Platzierung des Entwicklungsministers auf der Regierungsbank angeht, möchte ich Ihnen den tröstenden Hinweis geben, dass der Entwicklungsminister mit Blick auf die Sitzordnung einen ähnlich peripheren Platz besetzt wie die Kanzlerin, ({0}) was bei der weiteren Erörterung dieser zentralen Frage jedenfalls mitberücksichtigt werden sollte. Die erste Nachfrage hat der Kollege Kekeritz.

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident, ich stimme Ihnen grundsätzlich zu, dass die Kanzlerin am Rande sitzt. Aber mit den Stühlen ist auch eine Nummerierung verbunden - zumindest kommt es so in der Öffentlichkeit an. Herr Minister, ich hätte ja gern heute mit Ihnen über Ihren Bericht, Ihre Bilanz, diskutiert. Jetzt frage ich mich natürlich schon: Wie soll ich mit Ihnen über einen Bericht diskutieren - Sie haben ihn in den Händen; das freut mich sehr -, den wir noch nicht haben? Wir haben seit vier Wochen regelmäßig bei Ihnen im Ministerium beantragt, diesen Bericht, Ihre Analyse, zugestellt zu bekommen, damit wir entsprechend darauf reagieren können. Die Antwort war immer eine simple: Wir können ihn Ihnen noch nicht geben, weil er erst vom Kabinett beschlossen werden muss. - Das ist für mich ja fast einleuchtend, aber nur fast: Ich musste feststellen, dass die Presse schon am Tag zuvor - bevor sich das Kabinett mit diesem Bericht befasst hat - breit informiert worden ist. Das ist ein Umgang mit dem Parlament, den ich nicht für besonders akzeptabel halte. ({0}) Wie stehen Sie eigentlich dazu? Das ist ein Umgang mit dem Parlament, der auch Ihre Arbeitsweise charakterisiert. Wir sind diejenigen, die immer nach Afrika reisen und sich für Transparenz und Offenheit aussprechen. ({1}) - Bitte? ({2}) - Meine Zeit ist um?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich möchte Sie so dezent wie eben möglich auf die abgelaufene Redezeit hinweisen.

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dann stelle ich noch kurz eine Frage, damit der Minister etwas hat, worauf er antworten kann.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das wäre ganz schön. ({0})

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, Sie haben in den letzten vier Jahren viele Konzepte erstellt: die Afrika-Strategie, die Zukunftscharta, die Regionalstrategien und viele kleine andere Projekte. Welches ist Ihrer Meinung nach das zentrale Werk, an dem Sie sich in den letzten vier Jahren orientiert haben?

Dr. Gerd Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11002742

Herr Präsident! Herr Kollege, Sie haben eineinhalb Minuten Ihrer wertvollen Redezeit mit Taktik vergeudet. ({0}) Das Verfahren ist ganz normal. Um 9.30 Uhr fand die Kabinettssitzung statt. Dort wurde der Bericht vom Kabinett verabschiedet. Sie haben ihn dann zugeleitet bekommen. ({1}) Wir wollten Ihnen in der Befragung der Bundesregierung sofort die Möglichkeit geben, Fragen zu diesem Thema zu stellen. Mein Wunsch - nicht nur mein Wunsch, sondern ich beantrage das auch - ist es, dass zu diesem Thema auch eine Regierungserklärung abgegeben wird; denn die Themen sind wahrlich bedeutend genug für Deutschland und für die Welt und auch für den Deutschen Bundestag. Wenn Sie mich in diesem Punkt unterstützen, dann können wir in den nächsten Wochen eine breite Parlamentsdebatte über den Entwicklungspolitischen Bericht führen. Das würde ich mir wünschen, und das hielte ich auch für sinnvoll und gerecht. Im Übrigen gibt es eine Vielzahl von Schwerpunkten, die ich in der Breite aufgezählt habe. Man kann sich nicht nur auf einen Punkt fokussieren. Ich sage Ihnen: Es geht um den Menschen. Es geht darum, allen Menschen, und zwar weltweit, ein Leben in Würde zu ermöglichen. Das ist unser Anspruch. Wir, die Reichen, stehen auf der Sonnenseite, aber anderswo sterben täglich viele Menschen. 7 000 Kinder sind am heutigen Tag verhungert, und das bezeichne ich als Mord; denn wir schauen den Katastrophen, die vor unserer Haustüre passieren, nur zu, dabei könnten wir - und nicht nur wir, sondern auch Europa und die Weltgemeinschaft - mit relativ wenig zusätzlichem Engagement diesen Skandal verhindern.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich habe sowohl bei der ersten Frage wie auch bei der ersten Antwort eine deutlich längere Redezeit zugelassen, als sie unsere Regularien vorsieht. Ich bitte aber alle darum, sich bei den nachfolgenden Fragen und Antworten an der Ein-Minuten-Regel zu orientieren. - Der Kollege Movassat hat die nächste Frage.

Niema Movassat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004114, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön. - Herr Minister, Sie betonen immer die Menschenrechte als einen zentralen Eckpfeiler Ihrer entwicklungspolitischen Zusammenarbeit. ({0}) Sie wollen auch Fluchtursachen bekämpfen. Nun soll der Bundestag morgen in zweiter Lesung eine engere Kooperation mit Ägypten im Sicherheitsbereich beschließen. Auch der NSS, der ägyptische Sicherheitsdienst, ist als Partner vorgesehen, obwohl er für Folter bekannt ist. Überhaupt sind in Ägypten willkürliche Verhaftungen an der Tagesordnung. Todesurteile werden vollstreckt, und Menschenrechte existieren dort allenfalls auf dem Papier. Die EU schließt mit Ägypten ein Migrationspartnerschaftsabkommen, mit dem Menschen davon abgehalten werden sollten, zu fliehen. Mich interessiert, wie das alles mit dem menschenrechtsbasierten Ansatz in der Entwicklungspolitik zusammenpasst, den Sie und die Bundesregierung vertreten.

Dr. Gerd Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11002742

Herr Kollege, wir müssen von den Realitäten ausgehen. Wenn Sie sich die Weltvölkergemeinschaft der UN vor Augen führen, dann stellen Sie fest: Nur ein kleinerer Teil der Staaten ist mit demokratischen Strukturen ausgestattet und hat Rechte, wie wir sie in Deutschland und in Europa für selbstverständlich halten und für die wir weltweit kämpfen. Dennoch müssen wir an die Menschen in Ägypten denken. Ich habe die Zusammenarbeit mit Ägypten ganz bewusst im Bereich der beruflichen Bildung ausgebaut, und ich werde dies auch fortsetzen. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einer jungen Studentin, die mir sagte: Ich kann Englisch, Deutsch und Türkisch, aber ich habe keine Arbeit und keine Zukunft. Der Präsident el-Sisi sagte mir bei einem Gespräch: In Ägypten gibt es 20 Millionen Jugendliche im Alter zwischen 15 und 25 Jahren, davon sind zwei Drittel ohne Arbeit und Zukunftsperspektive. Wohin werden diese Menschen gehen? Sie schauen Richtung Europa und Deutschland. Deshalb müssen wir in diese Länder gehen, zum Beispiel nach Ägypten, und den jungen Menschen dort eine Ausbildungs- und damit eine Zukunfts- und Bleibeperspektive bieten. Das tun wir.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Meiwald.

Peter Meiwald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004351, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Vielen Dank, Herr Minister, dass Sie heute für uns da sind und uns Antworten geben. Meine Frage bezieht sich vor allen Dingen auf den fairen Handel, der für Sie immer wieder ein Schwerpunktthema ist. Für uns lautet die Frage: Was haben Sie in Ihrer Amtszeit erreicht, insbesondere mit Blick auf die Entwicklungspartnerschaftsabkommen mit den afrikanischen Ländern, die aus unserer Sicht nicht wirklich entwicklungsförderlich ausgestattet worden sind? Was hat sich konkret weiterentwickelt? Welche Erfolge konnten Sie mit diesen Abkommen verbuchen? Ich frage auch mit Blick auf die WTO. Am Anfang Ihrer Amtszeit als Minister haben Sie gesagt, dass wir Sozial- und Ökostandards bei der WTO brauchen. Wir alle wissen, dass diese Verhandlungen nicht unkompliziert sind. Aber wie sieht die Bilanz dazu bisher aus? Was können Sie uns dazu mitteilen?

Dr. Gerd Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11002742

Herzlichen Dank. - Die Länder in Afrika - das gilt für alle Entwicklungsländer - brauchen den fairen Handel. Ich verfolge eine Entwicklungspolitik, die nicht nur auf ODA, also öffentliche Mittel setzt; denn so werden wir die weltweiten Probleme nicht lösen. Wir brauchen auch die zweite Säule, nämlich einen neuen Rahmen einer Risikoabsicherung für eine Investitionsoffensive auf dem afrikanischen Kontinent. Drittens brauchen wir fairen Handel. Freier Handel führt zu Ausbeutung von Mensch und Natur. Dies kann man in Afrika sehr gut sehen. Ich war vor vier Wochen auf den Kaffeeplantagen Westafrikas. Ich schaue mir das immer vor Ort an. Es geht darum, nicht nur aus Büchern zu lernen, sondern vor allem mit den Menschen zu reden, auch mit den Kindern, die dort für den Kaffee und den Kakao, den wir hier in Berlin trinken, schuften, schwitzen, arbeiten und deren Eltern 50 Cent am Tag bekommen. Der Einkaufspreis für 1 Kilogramm Rohkaffee liegt bei 50 Cent; die Kaffeebohnen werden hier in Berlin für 10 Euro verkauft. Die Menschen vor Ort schuften für Hungerlöhne für unsere Luxusprodukte. Das muss geändert werden mit fairen Standards, Mindestlöhnen, sozialen und ökologischen Grundstandards. Dafür kämpfe ich gemeinsam mit Ihnen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Lücking-Michel.

Dr. Claudia Lücking-Michel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004345, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Minister. In einer aus meiner Sicht sehr interessanten Initiative Ihres Hauses wurde der Zusammenhang zwischen Religion und Entwicklung thematisiert. Dieses Thema hätte meiner Meinung nach in dem Bericht einen breiteren Raum einnehmen können. Jetzt habe ich die Gelegenheit, nachzufragen: Welche Intention verbinden Sie damit, und wo sehen Sie die Zukunft dieser Initiative?

Dr. Gerd Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11002742

Meine Politik baut auf einem Wertefundament auf. Wir Christen nennen es die Verantwortung des Starken für den Schwachen - zu Hause, in der Familie, im Dorf, in der Gemeinschaft, im Staat. Dabei geht es auch um die Verantwortung der reichen Staaten für die schwachen, die armen Staaten. Wir, die wir in der Wohlstandszone Europa leben, haben Verantwortung für die Länder Afrikas, aber auch für Indien. Man kann das auch als Humanismus bezeichnen. Ich sage es noch einmal: Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass jeder Mensch, jedes Kind auf diesem Planeten ein Recht auf ein Leben in Würde hat. Da es uns so gut geht, haben wir eine besondere Verpflichtung, den anderen ein Stück weit zu helfen. Es geht auch darum, ein Stück weit neu teilen zu lernen, damit wir auch den Kindern und Jugendlichen im Sudan, in Eritrea und in Nigeria, all den Menschen, die mir bei meinen Besuchen in die Augen blicken, eine Zukunft bieten können. Wir können nicht „closed shop“ machen. Wir können nicht Mauern hochziehen, ohne dass wir eine Antwort für die Menschen in den Entwicklungsländern haben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Hänsel.

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön. - Herr Minister, um es noch einmal klarzustellen: Wir haben den Bericht bis dato nicht erhalten, soviel ich weiß, die SPD auch nicht. Mich wundert es, dass die Kollegin von der CDU aus diesem Bericht zitieren kann. ({0}) Das halte ich nicht für einen angemessenen Umgang, vor allem bei diesem wichtigen Thema. ({1}) Sie betonen, dass es um Hunger, um eine Frage von Leben und Tod geht, aber wir erhalten noch nicht einmal den Bericht, um seriös darüber diskutieren zu können. ({2}) Und ich muss alles, was ich dazu sagen möchte, in 60 Sekunden pressen. Das ist ein unwürdiger Umgang mit diesem Thema. Das möchte ich hier festhalten. Es geht um die Bilanz Ihrer Arbeit. Meine ganz konkrete Frage lautet, da Sie von fairem Handel gesprochen haben: Was haben Sie in vier Jahren konkret getan, um gerechte Handelsstrukturen auf den Weg zu bringen? Sie hatten vier Jahre Zeit, die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den afrikanischen Ländern in der aktuellen Form zu stoppen. Ein Veto der Bundesregierung auf europäischer Ebene hätte sie gestoppt, und wir hätten die Möglichkeit gehabt, sie gerecht auszugestalten. Was haben Sie in dieser Hinsicht konkret - ich meine hier nicht einzelne Projekte - für fairen Handel, für die Veränderung der Strukturen getan?

Dr. Gerd Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11002742

Hinsichtlich des Ablaufs, also dass Sie den Bericht nicht haben, gebe ich Ihnen recht. Man muss zwischen dem Ende der Kabinettssitzung um 10.30 Uhr und dem Start dieser Sitzung das Dokument verteilen können. Ich weiß nicht, warum dies nicht passiert ist. ({0}) Unabhängig davon wiederhole ich meine Aussage: Wir sollten und müssen das Thema in einer Regierungserklärung oder in einer großen Debatte vertiefen. ({1}) Zum Thema fairer Handel. Die Bundeskanzlerin geht hier voran, Stichwort „Elmau“. Sie hat staunenden Staats chefs die Logik fairen Handels am Thema Wertschöpfungsketten dargelegt und sie darauf verpflichtet, fairen Handel zum Standard zu machen. ({2}) Natürlich müssen wir da weiter vorankommen, zum Beispiel im Rahmen der G 20. Ich habe gesagt: nicht Worte, sondern Taten. Die deutsche Wirtschaft hat oft gesagt, dass das Zertifizieren zum Beispiel von der Plantage an oder von der Fabrik in Bangladesch an, wo Näherinnen unsere Kleidung nähen, nicht möglich sei. Mit dem deutschen Textilbündnis ist Zertifizieren möglich. 60 Prozent der Branche sind zwischenzeitlich mit dabei. Das ist eine Blaupause für viele Wertschöpfungsketten, die wir in den nächsten Jahren gemeinsam umsetzen müssen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Wöhrl.

Dagmar G. Wöhrl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002829, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen herzlichen Dank. - Es mag sein, dass der Entwicklungspolitische Bericht haptisch jetzt nicht vorliegt. Dennoch möchte ich mich beim Minister bedanken. Denn er hat des Öfteren in den letzten dreieinhalb Jahren bei uns im Ausschuss über den Inhalt dieses Berichts und vor allem über seine Arbeit gesprochen. Der Bericht ist allen Kollegen und Kolleginnen, die im Ausschuss sind, auch zur Kenntnis gereicht worden. Überwiegend sind es auch diese Kolleginnen und Kollegen, die sich hier jetzt zu Wort gemeldet haben. Ich habe eine Frage. Es ist bekannt, dass sich die Zukunft Afrikas vor allem im ländlichen Raum entscheiden wird; denn dort leben die meisten Hungernden, dort gibt es die meisten Jugendarbeitslosen. Was haben Sie bis jetzt hier auf den Weg gebracht, und was gedenken Sie in der Zukunft zu tun, um den ländlichen Raum mehr zu entwickeln?

Dr. Gerd Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11002742

Afrika ist der Schwerpunktkontinent in der Zusammenarbeit, und die Entwicklung des ländlichen Raumes ist das Thema Nummer eins. Ich sage aber auch ganz klar: Afrika muss selber mehr leisten. Dazu gehört, dass die Staats- und Regierungschefs der Länder erkennen, dass sie die Produktivität der Landwirtschaft im eigenen Lande steigern können und mit unserer Hilfe auch müssen. Afrika kann zum Selbstversorger werden. Das umfasst auch Innovation, Landnutzungsrechte und volle Gleichberechtigung für Frauen. Wir haben anhand von Beispielen den Weg gezeigt, wie Afrika zum Vollversorger, zum Selbstversorger werden kann. In zwölf Innovationszentren zeigen wir dies ganz konkret, zum Beispiel indem wir eine Reissorte aus Asien nach Benin bringen und innerhalb von einem Jahr den Reisertrag von 1,5 auf 4,5 Tonnen steigern. Wir zeigen, dass es geht. Gemeinsam werden wir es in den nächsten zehn Jahren schaffen, Afrika zum Selbstversorger zu machen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frithjof Schmidt hat die nächste Frage.

Dr. Frithjof Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004145, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, die OECD kritisiert seit langem eine zu starke Ausrichtung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit auf die sogenannten Länder mittleren Einkommens und eben nicht auf die Länder mit dem geringsten Einkommen und die fragilen Staaten. In Ihrer Amtszeit hat sich dieser Trend verschärft. Sie setzen jetzt verstärkt auf die Mobilisierung privater Mittel. Wir wissen, dass diese Mittel eher in die Länder mittleren Einkommens fließen, weil die Märkte in diesen Ländern attraktiver sind. Was wollen Sie tun, um diese falsche Grundausrichtung in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit endlich zu korrigieren?

Dr. Gerd Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11002742

Erstens. Es bleibt bei der Zusammenarbeit mit den LDCs, den Ärmsten. Zweitens. Wir wollen weg vom Gießkannenprinzip. Stellen Sie sich vor, Sie gießen einen 300 Quadratmeter großen Garten mit einer einzigen Gießkanne; so ist das nämlich mit den deutschen Entwicklungsgeldern. Wenn man so vorgeht, kann man zwar über ganz Afrika ein paar Tropfen verteilen, aber man erzielt null Wirkung. Deshalb sagen wir: Mit den Ärmsten verstärken wir unsere Zusammenarbeit, und dann konditionieren wir und setzen Bedingungen, etwa bei Good Governance und bei der Bekämpfung der Korruption. Außerdem werden wir uns stärker auf Reformländer bzw. Reformchampions, die selber Eigeninitiative entwickeln, konzentrieren, um zu zeigen: Es geht. Auch Afrika hat Erfolg. Es gibt in Afrika erfolgreiche Länder. Acht der am schnellsten wachsenden Wirtschaften der Welt sind afrikanische Länder. Auch von heute muss das Signal ausgehen, dass Afrika nicht nur der Kontinent der Krisen, Kriege und Konflikte ist, sondern auch der Kontinent der Chancen, der Dynamik, der Jugend, des Aufbruchs.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich habe mir noch sechs Wortmeldungen notiert. Damit würde ich diesen Teil der Befragung gerne abschließen, weil es noch angemeldete Fragen an die Bundesregierung jenseits dieses Themenbereiches gibt. - Dazu stelle ich Einvernehmen fest. Die nächste Frage stellt der Kollege Kekeritz.

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, eben ist die OECD angesprochen worden. Die OECD überprüft bzw. evaluiert Ihre Aktivitäten sehr genau. Dabei geht es nicht nur um die Frage, wie stark die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in Middle Income Countries wirkt, sondern zum Beispiel auch um die Kohärenz, eine unserer Lieblingsfragen. Dazu hat die OECD festgestellt, dass regierungsweite Zielvereinbarungen zur Politikkohärenz in diesem Kabinett absolut fehlen. Was haben Sie getan, damit sich das verbessert, und wie wird diese Kohärenz in Zukunft ausschauen?

Dr. Gerd Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11002742

Kohärenz heißt ja abgestimmtes Auftreten. Ich kann Ihnen sagen: Ich freue mich, dass die Wirtschaftsministerin ein Afrika-Programm vorlegt, dass der Finanzminister gemeinsam mit uns einen Compact with Africa auf den Weg bringt, dass ich mich mit der Umweltministerin in Klimafragen erfolgreich koordiniere, dass ich mit dem Gesundheitsminister über den Aufbau von Gesundheitsstrukturen in Afrika spreche und dass ich mich auch mit dem Agrarminister austausche. Also: Wir leben Kohärenz und stimmen uns ab. Dazu gehört auch das Konzept des Marshallplans mit Afrika. „Mit“ heißt, wir stimmen uns auch mit den Afrikanern ab. Es ist wichtig, deren eigene Kräfte und Vorstellungen auf die afrikanische Agenda zu setzen. Deshalb war ich sowohl bei der Afrikanischen Entwicklungsbank als auch beim Wirtschaftskongress in Nairobi und bei der Afrikanischen Union, um unser Konzept der neuen Zusammenarbeit und Partnerschaft vorzustellen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Movassat.

Niema Movassat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004114, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Minister, Sie sind angetreten, auf Ebene der WTO Sozial- und Umweltstandards zu etablieren. Dreieinhalb Jahre später hört man davon nichts mehr. Sie sind angetreten, weltweit verbindliche Mindeststandards zu schaffen; das haben Sie 2014 in einem Interview mit der taz gesagt. Auch davon hört man nichts mehr. Der Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte ist ohne jede Verbindlichkeit. Beim Textilbündnis gibt es keine Allgemeinverpflichtung für alle Konzerne. Meine Frage: Denken Sie, was die Verpflichtung von Unternehmen zum Schutz von Menschenrechten und Arbeitsrechten bei Auslandstätigkeiten angeht, sind Sie gescheitert? Wenn Sie gescheitert sind, würden Sie sagen, dass es einen Teil der Bundesregierung gab, der sich sehr kontraproduktiv verhalten hat, zum Beispiel das Bundesfinanzministerium, das beim Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte eine sehr üble Rolle gespielt hat?

Dr. Gerd Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11002742

Die Idee und die Notwendigkeit werden sich ihre Bahn brechen. Es ist vollkommen klar, dass wir ökologische und soziale Grundstandards für global produzierte Güter brauchen. Meine Damen und Herren auf den Rängen und draußen, Sie tragen Kleider aus Bangladesch oder Vietnam. Die Näherinnen dort - wir haben vor 14 Tagen solche Fabriken vor Ort besucht - arbeiten zwölf Stunden am Tag und das sechs Tage die Woche für 15 Cent in der Stunde. Dabei kommt ein Monatslohn von 50 Euro heraus. Die Jeans, die dort von den deutschen Markenartiklern eingekauft wird, geht für 5 Euro Herstellungskosten aus dieser Fabrik in den Container und hängt dann für 80 oder 100 Euro in Berlin oder Hamburg. Das ist die wundersame Vermehrung des Jeanswertes. ({0}) Es muss ganz klar sein: In Bezug auf global produzierte Güter kann es nicht die Zukunft sein, dass diese Güter auf dem Rücken der Menschen vor Ort - das war eben nur ein Beispiel für globale Wertschöpfungsketten - unter solchen Bedingungen hergestellt werden. Ich gebe Ihnen recht: Das hat noch nicht jeder wirklich verstanden. Es gibt starke Beharrungskräfte in der deutschen und in der Weltwirtschaft, die dem Vorhaben, ein neues System sofort und mit voller Dynamik umzusetzen, entgegenwirken. Hier müssen wir politischen Druck ausüben und politisch vorangehen. Genau das tut die Bundeskanzlerin. Der nächste Termin ist der G-20-Gipfel.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Vielleicht versuchen wir bei den verbleibenden Fragen wirklich einmal, die Fragen und Antworten jeweils in einer Minute abzuhandeln, auch wenn es schwer ist. Aber wenn es einfacher wäre, dann könnten es ja auch andere machen. - Der nächste Fragesteller ist der Kollege Klimke.

Jürgen Klimke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003565, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, auch wir haben eine Frage zum Textilbündnis, weil wir die von Ihnen initiierte Entscheidung der Bundesregierung, soziale Mindeststandards in den Entwicklungsländern sicherzustellen und damit einen Akzent zu setzen, als richtungsweisend ansehen. Inwiefern sehen Sie den Bereich Textil auch für andere Bereiche - ob das nun der Bereich Tabakanbau, der Bereich Fischerei oder der Bereich Landwirtschaft ist als Beispiel an, und inwieweit sehen Sie das Handeln bzw. die Initiative der Bundesregierung auch als Vorbild für die Entwicklungsländer an, Ähnliches zu machen, um global voranzugehen in einer Kooperation aus Politik, Privatwirtschaft und Verbrauchern, die auswählen können, ob sie ein sozial produziertes Stück Textil oder ein anderes Produkt kaufen? ({0})

Dr. Gerd Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11002742

Wir setzen Standards, ({0}) und diese Standards müssen weltweit zum Standard werden. Das Textilbündnis zeigt: Es geht. Vom Baumwollfeld in Burkina Faso in Westafrika bis zum Kleiderbügel in Hamburg erfolgt eine zertifizierte Produktion mit ökologischen Standards, wie wir sie uns vorstellen. Diese werden zum Beispiel beim Wassereinsatz und bei den verwendeten Chemikalien beachtet, und im sozialen Bereich werden Mindestlöhne sichergestellt. Das muss für alle global produzierten Güter Standard werden. Kein Handy funktioniert ohne Coltan aus den Minen des Kongos. Es ist einfach nicht akzeptabel, dass internationale Konzerne Handys produzieren, ohne zu garantieren, dass am Anfang der Kette Kinder- und Sklavenarbeit nicht akzeptiert wird. Das müssen wir den Kunden, die die global produzierten Produkte einkaufen, auch durch Transparenz deutlich machen. Ich bin mir sicher: Der deutsche Konsument akzeptiert keine Kinder- und Sklavenarbeit und keine brutalsten ökologischen Produktionsbedingungen. Deshalb brauchen wir hier Transparenz und Offenheit, und deswegen ist diese Debatte natürlich auch sehr wichtig.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Hänsel.

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Minister, Sie beschreiben die Probleme sehr eloquent, und Sie haben gerade auch das Profitstreben der Unternehmen beschrieben. Glauben Sie aber allen Ernstes, dass man gegen dieses Profitstreben, dieses Senken der Standards und dieses Ausnutzen der schlechten Arbeitsbedingungen ohne verbindliche gesetzliche Regelungen vorgehen kann? Das ist doch mehr als naiv; das ist verantwortungslos. Hier müssen Sie liefern, aber hier haben Sie nichts gemacht. Wir brauchen strengere Regulierungen. Sie kritisieren zum Beispiel auch immer die Rüstungsexporte. Die deutschen Rüstungsexporte sind auf einem Höchststand. Unser diesjähriger Verteidigungsetat ist der höchste aller Zeiten, und das 2-Prozent-Ziel der NATO ist auch schon am Horizont zu sehen. Meine Fragen sind: Was sagen Sie dazu? Unterstützen Sie das Ziel der NATO, 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Rüstung auszugeben? Haben Sie im Bundessicherheitsrat auch einmal gegen Rüstungsexporte gestimmt? Was haben Sie konkret gemacht?

Dr. Gerd Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11002742

Wer für Rüstungsausgaben einen Anteil von 2 Prozent am Bruttoinlandsprodukt anstrebt, der muss einen Anteil von 0,7 Prozent für Entwicklungszusammenarbeit erreichen. Das ist die Grundvoraussetzung. Wir reden seit 30 Jahren über die Erreichung des 0,7-Prozent-Ziels. ({0}) Meine Damen und Herren, der Öffentlichkeit sind diese großen Probleme gar nicht bekannt. Mir wird überall gesagt: Du musst Fluchtursachen bekämpfen, du musst vor Ort investieren, du musst den Hunger beseitigen. Ich mache das gerne. Dafür steht mir ein großer Haushalt von 9 Milliarden Euro zur Verfügung. Weltweit werden für die Entwicklungspolitik, für die Lösung dieser großen Herausforderungen 148 Milliarden Euro bereitgestellt. Das ist viel. Für Rüstung und Militär aber setzen wir weltweit 1 700 Milliarden Euro ein. Sie haben es gehört: Das ist mehr als das Zehnfache. Deshalb soll man mit seinen Erwartungen etwas zurückhaltender sein und nicht glauben, dass wir mit diesem Finanzmittelansatz die Probleme der Welt lösen können. Entwicklungspolitik braucht eine ganz neue Dimension. Ich meine damit nicht nur öffentliche Gelder, sondern - das sage ich noch einmal - Privatinvestitionen, neue Rahmenbedingungen und fairen Handel.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Meiwald.

Peter Meiwald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004351, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Auch Frau Kollegin Hänsel hat es gerade schon gesagt: In dem Punkt, dass wir mehr Mittel brauchen, haben wir gar keinen Dissens. - Die Fragen - sie kann man nur wiederholen - sind aber: Welche Initiativen sind denn mit Blick auf verbindliche Standards von der Bundesregierung ausgegangen? Welche können wir bis zum Ende der Legislaturperiode erwarten? Welches abgestimmte Verfahren gibt es vonseiten des Wirtschaftsministeriums und des Entwicklungsministeriums in Richtung WTO? Welche Initiativen sind gestartet worden, um diese Dinge auf den Weg zu bringen? Dass das Problem nicht auf freiwilliger Basis zu regeln ist, ist hinreichend besprochen worden. Dass diese Probleme nicht alleine vom Markt gelöst werden, ist wohl auch klar. Ich glaube, wir haben keinen Dissens, wenn wir sagen: Wir brauchen Regeln, und zwar verbindliche Regeln. Die Frage ist aber: Was tut diese Regierung? Das wiederum führt zu der Frage nach der Kohärenz, die wir eben schon gehört haben: Ist das nur die Position des Entwicklungsministeriums, während alle anderen Ressorts lieber Richtung CETA, TTIP, Freihandel gehen, oder ist das die gemeinsame Position der Bundesregierung?

Dr. Gerd Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11002742

Ich bin schon sehr stolz auf das, was wir die letzten 3,5 Jahre gemeinsam miteinander bewegt haben und was sich bei den Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung an neuen Initiativen entwickelt hat. Wir haben eine Dynamik ausgelöst und große Erfolge erzielt. Als Beispiel nenne ich den Einsatz des Bundesfinanzministers, der sich nach wie vor für die Umsetzung der Finanztransaktionsteuer starkmacht; dieses Ziel werden wir nicht aufgeben. Wir werden diesen Schritt in Europa als einen ersten Schritt zur weltweiten Besteuerung von Spekulationsgewinnen machen. Der Finanzminister hat es durch seinen großen Einsatz im Rahmen der OECD geschafft, dass es in den Bilanzen der großen Konzerne in Zukunft zu mehr Transparenz, Öffentlichkeit und Rechnungslegung kommen kann. Ich nenne Ihnen dazu eine interessante Zahl. Allein im Handel mit Afrika begehen multinationale Konzerne Steuerbetrug in einer Größenordnung von über 100 Milliarden Euro, indem sie vor Ort einfach keine Steuern zahlen. Sie verschleiern ihre Gewinne und umgehen so die Steuer. Das wird in Zukunft nicht mehr möglich sein. Das ist ein ganz konkreter Ansatz, der vor allem im globalen und fairen Handel enorm wichtig ist.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Letzte Frage: Kollegin Pfeiffer.

Sibylle Pfeiffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003609, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, wir sind uns grundsätzlich darüber einig, dass Afrika zweigeteilt ist: die fragilen Länder, die sogenannten LDC, auf der einen Seite und die etwas weiter entwickelten Länder auf der anderen Seite. Wir wissen auch, dass wir es alleine über die öffentliche Hilfe - Stichwort ODA - nicht schaffen, die Entwicklung der Länder auf diesem Kontinent voranzubringen, sondern dass wir dafür auch die privaten Investitionen brauchen, vor allen Dingen von den hervorragenden deutschen mittelständischen Unternehmen. Wir werden das aber nur erreichen, wenn wir im Bereich Good Governance, im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und der Rechtssicherheit, aber auch im Bereich der Infrastruktur und der Dezentralisierung Erfolge aufweisen können. Ist dies das Programm der Zukunft, auch um die Basis dafür zu schaffen, diese Investitionen überhaupt zu bekommen?

Dr. Gerd Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11002742

Frau Kollegin, Sie haben das treffend ausgeführt. Ich möchte mich auch für die große Unterstützung bedanken, die ich im Parlament von der Union, aber auch von der SPD, von den Grünen und darüber hinaus erfahre. Wir müssen in der Gesellschaft das Signal setzen, dass es dabei nicht um einen parteipolitischen Ansatz geht. Es geht um die Lösung globaler Fragen. Wir in Deutschland sind - das möchte ich in dieser Debatte noch ansprechen - auch hier wieder einmal weit voraus. Wir liegen bei den ODA-Zahlungen, den Geldern für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit, an zweiter Stelle hinter den Amerikanern. Das ist der deutsche Beitrag. ({0}) Aber ich sage Ihnen auch: Zehn Länder finanzieren 90 Prozent der gesamten Entwicklungsgelder weltweit. Der Hauptanteil ist also leider auf zehn Länder fokussiert. Wo ist Russland? Wo ist China? Wo sind die arabischen Länder? Ähnliches gilt leider auch für die humanitäre Hilfe, bei der viele, viele reiche Länder die betroffenen Menschen im Stich lassen. Wir lassen sie nicht im Stich. Wir Deutschen und Europäer gehen voraus.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Das ist nicht der Fall. Dann schließen wir jetzt diesen Teil der Regierungsbefragung ab. Wir kommen zu sonstigen Fragen an die Bundesregierung. - Kollege Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich möchte die Hintergründe zu dem aktuellen Gabriel/Netanjahu-Eklat erfragen. Dazu gibt es eine widersprüchliche Informationslage in der deutschen und israelischen Presse. Meine Freunde aus der Knesset sagen mir, es sei der Wunsch der israelischen Seite gewesen, dass Herr Gabriel zusätzlich weitere Nichtregierungsorganisationen trifft, aber nicht, dass er die avisierten Gespräche mit den linken regierungskritischen NGOs absagt. Das, finde ich, hört sich ein bisschen anders an. Ich bin der Auffassung, Gesprächsverbote gehen gar nicht. Man muss mit jedem reden können; das gilt für die gesamte Vielfalt der Zivilgesellschaft. Aber zusätzliche Gesprächsangebote abzulehnen, wäre für mich auch eine schwierige Vorstellung. Die Haaretz in Israel, die sicherlich nicht der Regierungsnähe verdächtig ist, hat gemeldet, dass der Wunsch nach einem Anruf von Herrn Netanjahu bei Herrn Gabriel abschlägig beschieden wurde. Deshalb frage ich Sie: Kann die Bundesregierung diese Darstellung aus der Knesset und der israelischen Presse bestätigen, oder wie war es wirklich?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich vermute, dass das am besten vom Staatsminister im Auswärtigen Amt beantwortet wird. Bitte schön.

Not found (Gast)

Herr Präsident, ich gebe mein Bestes. ({0}) Die Bedeutung der deutsch-israelischen Beziehungen ist auch dadurch noch einmal unterstrichen worden, dass sich heute das Kabinett sehr intensiv mit der Reise von Bundesaußenminister Gabriel nach Israel und in die palästinensischen Gebiete befasst hat. Wir sind als Bundesregierung dankbar für diese Reise, weil sie noch einmal unser hohes Interesse an Frieden, Stabilität und Demokratie in dieser Region unterstreicht. Ich kann die Informationen, die Sie hier vorgetragen haben, nicht bestätigen. Ich werde aber im Nachgang mein Bestes zu geben versuchen, um diese Vorwürfe aufzuklären und diese Informationen so weit auf eine Faktengrundlage zu stellen, dass noch klarer wird, dass es Ziel der Bundesregierung bei jeder Reise ist, nicht nur mit Verantwortlichen der Regierung und der Opposition im Parlament, sondern immer auch mit Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft in ein Gespräch zu treten. Dabei schließen wir natürlich insbesondere die kritischen Teile der Zivilgesellschaft mit ein. Die Gespräche mit Vertretern, die in Rede stehen, sind im Übrigen schon Teil des Programms des Bundespräsidenten gewesen. Auch er hat sich schon mit diesen Repräsentanten getroffen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage, Kollege Gehrcke.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Erst einmal herzlichen Dank für die Erklärung. - Können Sie uns sagen, was die Bundesregierung tut, um die betroffenen NGOs, die in Israel tätig sind, deren Vertreter dort leben und die, wie ich finde, ein ganz wichtiger Bestandteil der Gesellschaft sind, vor den jetzigen Angriffen, die aus einem sehr aufgeheizten öffentlichen Klima resultieren, in Schutz zu nehmen und deutlich zu machen, dass gerade jetzt der Umgang mit den Nichtregierungsorganisationen wie Breaking the Silence und Betselem sehr wichtig ist und dass wir das sehr genau beobachten?

Not found (Gast)

Es zeichnet Israel aus, dass es eine kritische, bunte und vielfältige Zivilgesellschaft hat. ({0}) Die Bundesregierung legt Wert darauf, nicht Gegenstand von innenpolitischen Auseinandersetzungen zu werden. Ich kann Ihnen aber versichern, dass insbesondere die Begegnung mit einer Organisation vor allem auch dem Ziel dient, mehr über ihre Arbeit zu erfahren, und dass wir auch noch einmal unser großes Interesse an Frieden in der Region und an einer engen deutsch-israelischen Freundschaft zu untermauern versuchen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Es gibt eine weitere Frage des Kollegen Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gleiche Reise, aber anderes Territorium: Herr Gabriel war ja auch in Ramallah und traf auf Herrn Abbas. Die Bundesrepublik Deutschland hat zu Recht die Resolution des UN-Sicherheitsrates vom Dezember 2016 begrüßt, in der unter Ziffer 6 die Aufforderung an alle Mitgliedstaaten ergangen ist, alles zu tun, um Aufstachelung zum Terrorismus zu unterbinden. Vor diesem Hintergrund und aufgrund der Berichte in der britischen Presse über einen neuerlichen Fall, dass ein Terrorist entsprechende Pensionszahlungen von palästinensischer Seite bekommt, frage ich die Bundesregierung - leider nicht zum ersten Mal, aber diesmal konkret bezogen auf den Besuch von Herrn Gabriel bei Herrn Abbas -: In welcher Form hat der Bundesaußenminister der palästinensischen Seite klargemacht, dass es angesichts unserer großen Unterstützungsleistungen für die Palästinenser nicht sein kann, dass die PLO oder die PA an Gefangene oder Hinterbliebene von Terroristen sogenannte Märtyrer-Pensionen zahlt?

Not found (Gast)

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Beck, Sie haben bereits auf Ihre vielfältigen Fragen an die Bundesregierung hingewiesen. Der Standpunkt der Bundesregierung, der klar und eindeutig ist, ist Ihnen somit auch hinlänglich bekannt. Es ist üblicherweise so, dass wir über hoch- und höchst rangige Gespräche, die wir mit Vertretern anderer Regierungen führen, nicht berichten. Ich vermag deshalb zu diesem Zeitpunkt nicht zu sagen, ob das von Ihnen genannte Thema auch Gegenstand der Gespräche von Außenminister Gabriel war. Ich kann Ihnen aber nochmals versichern, dass dieses Thema immer wieder auch im Rahmen der Europäischen Union Gegenstand vielfältiger Gespräche und Begegnungen war.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich habe keinen Wunsch nach weiteren Fragen an die Bundesregierung registriert. - Dann schließe ich die Regierungsbefragung mit herzlichem Dank an alle Beteiligten ab. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde Drucksache 18/12020 Die mündlichen Fragen werden in der üblichen Reihenfolge der Ressorts aufgerufen. Wir beginnen diesmal mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Für die Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Schwarzelühr-Sutter zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Kotting-Uhl auf: Inwiefern und gegebenenfalls jeweils wann hat sich die Bundeskanzlerin persönlich seit Anfang Juni 2014 gegenüber dem französischen Staatspräsidenten und/oder Mitgliedern der französischen Regierung für eine möglichst rasche Abschaltung der grenznahen französischen Atomkraftwerke Cattenom und Fessenheim eingesetzt ({0})? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegin, die Bundeskanzlerin steht wie die gesamte Bundesregierung mit der französischen Regierung zur ganzen BandbreiStaatsminister Michael Roth te grenzüberschreitender Fragen in regelmäßigem Austausch. Zu Inhalten vertraulicher Gespräche der Bundeskanzlerin und der Mitglieder des Bundeskabinetts mit Vertretern ausländischer Regierungen äußert sich die Bundesregierung grundsätzlich nicht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich weiß nicht, ob Ihnen bewusst ist, vor welchem Hintergrund ich diese Frage gestellt habe. Frau Klöckner hat sich in Rheinland-Pfalz im Jahr 2014 damit gebrüstet - das hat sie überall erzählt; darüber hat sie sich sehr breit ausgelassen -, Frau Merkel habe ihr zugesagt, sich bei Präsident Hollande für die Cattenom-Abschaltung einzusetzen. Weil das gegenüber der Bevölkerung so verkündet wurde, kann ich nicht ganz nachvollziehen, wieso man dann aus der Beantwortung der Frage, ob jetzt ein solches Gespräch tatsächlich stattgefunden hat oder nicht, ein Geheimnis machen will. Es ist ja auch bezeichnend, dass Sie antworten müssen und das Bundeskanzleramt sich dazu selber nicht äußert. Ich gehe einmal davon aus, dass diese Frage im Kanzleramt keine allzu große Relevanz genießt. Aber vielleicht teilen Sie mir Ihre Einschätzung mit, ob sich die Bundeskanzlerin möglicherweise nach der Stichwahl in Frankreich am 7. Mai 2017 mit der neuen Staatsspitze ins Benehmen setzen will. Ich bitte Sie also um Ihre Einschätzung. Dass Sie nicht sagen können, was Frau Bundeskanzlerin tut, weiß ich. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Das ist schon einmal richtig erkannt. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass über Inhalte vertraulicher Gespräche nicht berichtet wird.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Gibt es eine weitere Zusatzfrage zu Frage 1?

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das macht keinen Sinn. Ich kann nur noch einmal mein Befremden darüber äußern, dass es zuerst öffentlich angekündigt wird, dass dann aber ein Geheimnis daraus gemacht wird, ob es tatsächlich stattgefunden hat.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Dann rufe ich die Frage 2 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl auf: Welche Veränderungen, insbesondere Absenkungen, der Grenzwerte der zulässigen Jahreshöchstdosis für beruflich strahlenexponierte Personen von derzeit 20 Millisievert gab es, und aus welchen fachlichen Gründen erfolgten diese ({0})? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sehr geehrte Frau Kollegin Kotting-Uhl, das Konzept eines auf das Kalenderjahr bezogenen Grenzwertes der effektiven Dosis für beruflich strahlenexponierte Personen wird im deutschen Strahlenschutzrecht seit 1989 verwendet. Der Grenzwert für Personen der Kategorie A, auf die die Frage Bezug nimmt, betrug zunächst 50 Millisievert effektive Dosis im Kalenderjahr. Dieser Grenzwert wurde im Jahr 2001 auf 20 Millisievert im Kalenderjahr abgesenkt. Das deutsche Strahlenschutzrecht folgte damit der Vorgabe der europäischen Richtlinie, die die grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlung enthält. Die fachliche Grundlage zur Festlegung von Grenzwerten ist der jeweilige wissenschaftliche Erkenntnisstand zu den gesundheitlichen Risiken ionisierender Strahlung. Dieser bildet sich international vor allem in den Empfehlungen der Internationalen Strahlenschutzkommission, ICRP, und den Bewertungen des Wissenschaftlichen Ausschusses der Vereinten Nationen zur Untersuchung der Auswirkungen der atomaren Strahlung, UNSCEAR, ab. In der ICRP-Empfehlung 60 wurden aufgrund neuer epidemiologischer Auswertungen neue Risikowerte vorgeschlagen. Dies bildete die Grundlage für die Absenkung des Grenzwertes der effektiven Dosis für beruflich strahlenexponierte Personen auf 20 Millisievert für ein Jahr in der Richtlinie 96/29 Euratom. Die Umsetzung in deutsches Recht erfolgte dann mit der Novellierung der Strahlenschutzverordnung im Jahr 2001. Eine weitere Absenkung ist nach dem aktuellen Kenntnisstand nicht geboten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie haben sich jetzt auf die Internationale Strahlenschutzkommission bezogen. Wir haben aber auch eine eigene Strahlenschutzkommission und auch ein Bundesamt für Strahlenschutz. Wir sind also sehr gut ausgerüstet mit Institutionen, die sich eine eigene Expertise erarbeiten, um die Bundesregierung beim Strahlenschutz zu beraten. Wie Sie wissen, empfehlen sowohl das Bundesamt für Strahlenschutz als auch die Strahlenschutzkommission, den sogenannten DDREF, über den wir heute schon im Umweltausschuss kurz geredet haben, abzusenken oder sogar ganz abzuschaffen, was zu einer Halbierung der Grenzwerte führen würde. Warum beziehen Sie sich im Strahlenschutzgesetz auf die Empfehlungen der Internationalen Strahlenschutzkommission und ignorieren die anderslautenden Empfehlungen unserer eigenen Kommission und unserer bundeseigenen Behörde? Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sehr geehrte Frau Kollegin Kotting-Uhl, ich habe gerade über die Grenzwerte für strahlenexponierte Personen gesprochen. Der von Ihnen angesprochene DDREF bezieht sich auf die Wirkung kleiner Dosen ionisierender Strahlung. Die Diskussion über den DDREF spiegelt die Unsicherheit der wissenschaftlichen Erkenntnis im Hinblick auf das Krebsrisiko bei kleinen Dosen wider. Im Kern fasst der DDREF mehrere Einflussgrößen zusammen, die die Wirkung ionisierender Strahlung bestimmen. Er wird als strahlenschutzpraktikable Größe zur Abschätzung des Strahlenrisikos verwendet. Der derzeit von der ICRP verwendete Wert von 2 unterstellt, dass Risikowerte, die im Wesentlichen aus epidemiologischen Studien über die Überlebenden der Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki ermittelt wurden, für die Strahlenschutzanwendung im Bereich niedriger Dosen und kleiner Dosisleistungen reduziert werden. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass es einen Unterschied zwischen den Werten für strahlenexponierte Personen und den Werten für die Strahlung kleiner Dosen gibt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine weitere Zusatzfrage.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es geht bei der Strahlung kleiner Dosen natürlich auch um die Exponierung von Menschen, die in den entsprechenden Bereichen arbeiten. Es gibt einen Widerspruch zwischen den Empfehlungen unserer Behörde und unserer Strahlenkommission einerseits und den Empfehlungen der Internationalen Strahlenschutzkommission andererseits. Unsere Institutionen sind der Meinung: Man kann sich nicht nur auf einen Fall und die Ergebnisse betreffend Hiroshima beziehen, um Grenzwerte zu berechnen; denn dann bezieht man sich nur auf eine hohe Dosis in einem kurzen Zeitraum. Forschungen bei uns ergeben: Die Langzeitniedrigstrahlung ist nicht zu unterschätzen. Deren Wirkung wird in der Empfehlung der Internationalen Strahlenschutzkommission aber völlig ignoriert. Weil ich es wirklich nicht verstehe, noch einmal meine Frage: Unsere eigenen hochqualifizierten Leute im Bundesamt für Strahlenschutz und in der Strahlenschutzkommission empfehlen Ihnen, die Langzeitwirkung ständiger niedriger Dosen zu beachten und gerade bei beruflich Exponierten diesen Grenzwert von 20 Millisievert im Jahr auf 10 Millisievert abzusenken. Warum tun Sie das nicht? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Frau Kotting-Uhl, wie auch Sie wissen, ist da tatsächlich eine Diskussion im Gange. Die wissenschaftliche Basis zur Rechtfertigung des DDREF und nicht nur dessen Höhe wird zunehmend kontrovers diskutiert, und die Diskussion ist auch noch nicht abgeschlossen. Wenn die internationale Diskussion Ergebnisse hervorbringt, die in die Strahlenschutzgrundnorm aufgenommen werden, wird die Bundesregierung entscheiden, ob eine geänderte Abschätzung des Risikos eine Anpassung der bestehenden Grenzwerte erfordert.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Zdebel auf: Wann ist es jeweils bei den von der Bundesregierung eingeräumten sechs Renegade-Vorfällen auch vor dem letzten Vorfall am 10. März 2017 ({0}) zu Teilevakuierungen bei den Atomkraftwerken in Deutschland gekommen ({1}), und trifft es zu, dass die Teilevakuierung der Beschäftigten in den Atomkraftwerken jeweils erfolgte, um die Zahl möglicher Innentäter in so einem Fall zu reduzieren? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Kollege Zdebel, der Bundesregierung liegen keine umfassenden Erkenntnisse zur Teilräumung eines Atomkraftwerkes bei einem Renegade-Voralarm vor. Alle vorsorgenden Maßnahmen in den Atomkraftwerken nach einem Renegade-Voralarm dienen der Schadensminderung bei einem möglichen gezielten Flugzeugabsturz und werden nur in der Verantwortung der Anlagen getroffen. Die möglichen Maßnahmen sind in den jeweiligen Betriebsvorschriften mit Zustimmung der zuständigen atomrechtlichen Behörde des Landes festgelegt. Die tatsächlich getroffenen Maßnahmen sind dann von Standort zu Standort und von Fall zu Fall unterschiedlich. Durch eine vorsorgliche Teilräumung wird das Anlagenpersonal, das zum weiteren Betrieb und zur Sicherung des Atomkraftwerkes nicht unbedingt benötigt wird, aus der möglichen unmittelbaren Gefahrenzone geordnet herausgeführt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfragen?

Hubertus Zdebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004449, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke, Herr Präsident. - Nun weiß nicht jeder, was ein sogenannter Renegade-Fall ist. Deswegen will ich das einmal kurz deutlich machen. In einem Beitrag des Deutschlandfunks wurde relativ griffig formuliert - ich zitiere -: Der sogenannte Renegade-Alarm wird ausgelöst, wenn der Verdacht besteht, dass ein ziviles Luftfahrzeug aus terroristischen oder anderen Motiven als Waffe verwendet und zum gezielten Absturz gebracht werden soll. Einen solchen Renegade-Fall hatten wir jetzt im März. Wir hatten dazu schon ausführlich Fragen gestellt. Ich will trotzdem noch einmal ganz konkret nachfragen. Sollte sich im Verlauf eines sogenannten RenegadeAlarms herausstellen, dass es sich um einen Ernstfall handelt und dass eine große Passagiermaschine auf ein AKW zufliegt: Glaubt die Bundesregierung, dass die noch in Betrieb befindlichen AKWs den gezielten Einschlag ohne katastrophalen Schaden überstehen würden? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sehr geehrter Herr Kollege Zdebel, Sie haben schon darauf hingewiesen: Wir hatten das schon einmal in einer Fragestunde. Sie haben auch eine Kleine Anfrage dazu gestellt. Jetzt zielen Sie nicht auf die Renegade-Abläufe hin, sondern Sie fragen im Prinzip, ob die deutschen AKWs vor einem Flugzeugabsturz sicher sind. Auch dazu gibt es eine Vielzahl von Anfragen mit ausführlichen Antworten. Darauf möchte ich gerne verweisen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfrage?

Hubertus Zdebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004449, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Die Antwort reicht mir nicht. Ich weiß, dass das ein bisschen spekulativ ist, aber wenn der Ernstfall eintritt, dann ist es halt so. Vor diesem Hintergrund stellt sich dann natürlich die Frage der Sicherheit der AKWs und die Frage nach dem Überleben der Menschen, die dort arbeiten oder die in näherer Umgebung eines solchen AKWs wohnen und leben. Ich will trotzdem noch einmal bezüglich der RenegadeVorfälle nachfragen, die es in den letzten Jahren gegeben hat - unsere Kleine Anfrage und Ihre Antwort haben ergeben: es waren sechs -: Bei welchem dieser Vorfälle wurden ähnliche Maßnahmen wie jetzt am 10. März ergriffen? Ich habe verstanden, dass es von Fall zu Fall unterschiedlich ist. Aber vielleicht hat es bei den sechs Renegade-Fällen, die in den vergangenen Jahren stattgefunden haben, Ähnlichkeiten gegeben. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Es ist, wie Sie sagen, von Fall zu Fall, von Atomkraftwerk zu Atomkraftwerk, verschieden. Sie müssen auch unterscheiden zwischen einem Voralarm und einem Hauptalarm. Bisher gab es nur Voralarme und noch nie einen Hauptalarm.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kotting-Uhl.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, als jemand, der im engeren Umfeld des Atomkraftwerks Beznau lebt, wissen Sie vermutlich, dass beide Reaktoren, 1 und 2, überhaupt nicht gegen Flugzeugabstürze gesichert sind. Ich nehme an, dass Sie auch wissen, dass auch die französischen Atomkraftwerke Cattenom und Fessenheim nur gegen den Absturz eines kleinen Zivilflugzeuges gesichert sind. Ist die Bundesregierung vor dem Hintergrund der RenegadeVorfälle mit den jeweiligen Regierungen im Gespräch darüber? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Wir sind mit den jeweiligen Regierungen, was die Fragen der Sicherheit anbelangt, immer im Gespräch, insbesondere mit den Regierungen, mit denen wir ein Abkommen geschlossen haben. Es gibt acht Abkommen mit angrenzenden Staaten.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Gibt es noch den Wunsch nach einer Zusatzfrage? Das ist nicht der Fall. Ich rufe die nächste Frage auf, die Frage 4 des Abgeordneten Zdebel: Wie viele Brennelemente sollen nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen der bestehenden Verträge zwischen dem Betreiber des Atomkraftwerkes Tihange 2 und der Uranfabrik Advanced Nuclear Fuels GmbH in Lingen insgesamt für den Betrieb von Tihange 2 von Areva Lingen geliefert werden, und wie viele dieser Brennelemente sind zum jetzigen Zeitpunkt bereits ausgeliefert worden? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Lieber Herr Zdebel, über die Vertragsverhältnisse zwischen dem Brennelementehersteller Advanced Nuclear Fuels GmbH in Lingen und den Betreibern von Atomkraftwerken liegen der Bundesregierung keine Kenntnisse vor. Nach Angaben des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, BAFA, wurde im Jahr 2016 die Ausfuhr von 68 Brennelementen für die Anlage Tihange 2 genehmigt und 68 Brennelemente ausgeführt. Weitere Genehmigungen für Brennelementelieferungen für Tihange 2 liegen bislang nicht vor.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Zusatzfrage?

Hubertus Zdebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004449, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin, herzlichen Dank. - Frau Schwarzelühr-Sutter, die Frage der Brennelementelieferung aus Lingen, aber auch aus der Urananreicherungsanlage in Gronau beschäftigt sehr viele Menschen, insbesondere in Nordrhein-Westfalen, in dem Bundesland, aus dem auch ich komme. Die Frage, die sich da stellt, ist, ob das Ganze nicht etwas schizophren ist: Auf der einen Seite sagt Bundesumweltministerin Hendricks, diese Anlage sollte aus guten Gründen - die ich teile - geschlossen werden. Auf der anderen Seite ist es so, dass weiterhin entsprechende Brennelemente aus Deutschland zum Weiterbetrieb dieser maroden Atomkraftwerke geliefert werden - mit Ausfuhrgenehmigungen, die die Bundesregierung beeinflussen kann. Deswegen frage ich jetzt noch einmal nach: Werden nach Auffassung der Bundesregierung die von Lingen nach Tihange 2 und Doel 3 exportierten Brennelemente in einer Weise verwendet, die die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sie wissen, dass wir von Herrn Professor Ewer ein Rechtsgutachten eingeholt haben und diese Rechtsfragen geklärt haben. Unsere Rechtspositionen wurden bestätigt. Das BMUB hat jetzt bezüglich der Stilllegung der Brennelementefabriken ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Zdebel, Sie haben das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage.

Hubertus Zdebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004449, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Das ist jetzt keine sehr klare Antwort. Auch Sie wissen, dass es unterschiedliche Rechtsauffassungen zu dieser ganzen Frage gibt. Im April dieses Jahres hat es eine sehr interessante Debatte im Landtag Nordrhein-Westfalen gegeben, wo sämtliche Fraktionen, also auch die SPD-Fraktion, die CDU-Fraktion und sogar die FDP-Fraktion, der Auffassung waren, die Bundesregierung schöpfe nicht sämtliche Rechtsmittel aus, um diese Ausfuhren zu stoppen. Ich teile diese Rechtsauffassung ausdrücklich. Da stellt sich dann für mich ganz konkret die Frage, auch mit Blick auf die Tatsache, dass heute Morgen eine Diskussion über einen Antrag unserer Fraktion im Umweltausschuss mit Geschäftsordnungsmehrheit abgelehnt worden ist: Wird die Bundesregierung einen Stopp des Exports von Uran und Brennelementen aus Lingen und Gronau anordnen? Die Möglichkeit dazu bestünde ja, dass Sie das von Ihnen gerade selbst erwähnte BAFA anweisen, diese Brennelementelieferungen ab sofort zu untersagen. Wäre die Bundesregierung dazu bereit? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Herr Zdebel, ich wiederhole: Das Bundesumweltministerium hat das Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, um zu klären, wie es bezüglich der Transporte aussieht. Die in diesem Gutachten vertretene Rechtsposition teilen wir. Es gibt andere Rechtspositionen. Wir haben ein weiteres Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, um die Möglichkeiten der Stilllegung der Urananreicherungsanlage Gronau und der Brennelementefabrik Lingen zu prüfen. Sie haben heute Morgen als Begründung für die Verschiebung der Behandlung des Tagesordnungspunktes gehört, dass wir noch weitere Informationen hierzu brauchen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Kotting-Uhl.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, genau an diesen Punkt, dass heute Morgen die Behandlung des Antrags zum Stopp von Exporten aus Lingen nach Tihange mit der Begründung abgelehnt wurde, Sie bräuchten noch weitere Informationen, Sie müssten sich noch kundig machen, will ich anknüpfen. Können Sie sich erinnern und mir bestätigen, dass meine Fraktion bereits im September 2016 einen gleichlautenden Antrag eingebracht hat? Wie ist vor diesem Hintergrund erklärbar, dass Sie seit September letzten Jahres bis heute Anträge im Parlament offensichtlich so sehr ignorieren und missachten, dass Sie nicht in der Lage waren, sich eine Meinung zu bilden, und die heutige Behandlung eines fast gleichlautenden Antrags im Umweltausschuss mit der Begründung ablehnen mussten, Sie hätten noch keine Haltung dazu? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Ich widerspreche dem vehement. Außerdem haben die Koalitionsfraktionen darüber abgestimmt und nicht die Bundesregierung. ({0}) Ich will wiederholen: Wir haben sehr wohl etwas getan. Wir haben in unserem Haus die rechtlichen Möglichkeiten geprüft. Wir haben auch ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben - ich kann darauf noch einmal verweisen -, und dieses Rechtsgutachten hat im Dezember die bisherige Rechtsauffassung unseres Ministeriums bestätigt. Es gibt keine belastbare rechtliche Grundlage, die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen von der Sicherheit eines genehmigten Atomkraftwerksbetriebs in einem Nachbarstaat abhängig zu machen. Vor diesem Hintergrund, glaube ich, erübrigt sich der Vorwurf, dass wir untätig gewesen seien; er ist nicht haltbar. ({1})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Haßelmann.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, aber genau deshalb versteht man Ihr Handeln doch gar nicht. Ihre Ministerin fährt nach Aachen und in die Region, hält da wackere Reden, kämpferisch, dass man dahin nicht mehr liefern darf, dass Tihange und Doel total gefährlich sind, dass es Risikoreaktoren sind, dass man alles tun muss, um Brennelementelieferungen dahin zu verhindern. Das Gleiche gilt übrigens für Herrn Laschet, den CDU-Spitzenkandidaten in Nordrhein-Westfalen: große Reden in der Region. Gleichzeitig vertagen Sie hier mit dem Pseudoargument, Sie hätten noch Beratungsbedarf, die Beratung von Linkenanträgen und Grünenanträgen des Inhalts, sich als Parlament für einen Exportstopp auszusprechen. Wenn Sie hier befragt werden, sagen Sie: Wir haben noch Klärungsbedarf. - Ihre Haltung vor Ort im Rheinland und Ihre Genehmigungspraxis zu den Brennelementelieferungen, das passt doch vorn und hinten nicht zusammen. Wie wollen Sie das jemandem von außen erklären? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sehr geehrte Frau Kollegin Haßelmann, heute Morgen hat der Ausschuss darüber abgestimmt. Die Linken haben einen Antrag gestellt. Er steht überhaupt nicht im Zusammenhang mit der Wahl in Nordrhein-Westfalen. ({0}) Die Ministerin wird sich in ihrer Rede am Freitag dazu ausführlich erklären. ({1})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Es liegen mir keine weiteren Meldungen für Zusatzfragen vor. Damit gehe ich zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes über. Die Fragen 5 und 6 der Kollegin Tabea Rößner werden schriftlich beantwortet. Damit gehe ich zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts über. Die Beantwortung der Fragen übernimmt der Staatsminister Herr Roth. Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Ströbele auf: Wie bewertet die Bundesregierung den Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, wonach aufgrund von „fundamentalen Fehlern“ bei Bombenangriffen der US-Streitkräfte auf die syrische Ortschaft al-Dschinnah Mitte März 2017 circa 40 Menschen getötet wurden, unter denen sich keine Anhänger von terroristischen Gruppen befunden hätten, sondern zahlreiche Kinder während des Religionsunterrichts in einer Moschee ({0}), und wie will die Bundesregierung noch die Fortsetzung der Aufklärungsflüge der Bundeswehr über Syrien im Rahmen des US-geführten Militärbündnisses rechtfertigen, nachdem eingeräumt worden ist, dass aus der Luftaufklärung der Tornados wenige Tage vor dem Angriff Luftaufnahmen ebendieses Ortes und Bilder unter anderem auch der danach total zerstörten Moschee an das Oberkommando des Bündnisses geliefert worden waren? Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Lieber Kollege Ströbele, Sie beziehen sich in Ihrer Frage auf die möglichen zivilen Opfer des Luftangriffs vom 16. März dieses Jahres auf al-Dschinnah in Syrien. Der Bundesregierung liegen dazu keine eigenen Erkenntnisse vor. Sie wissen selbst, dass die Bundeswehr nicht über eigene Kräfte am Boden verfügt. Deswegen ist es uns auch nicht möglich, entsprechende Angaben Dritter zu belegen. Daher kann die Bundesregierung auch keine Bewertung vornehmen, inwiefern die Angaben von Human Rights Watch in dem Bericht, auf den Sie rekurrieren, zutreffend sind. Darüber hinaus ist mir noch wichtig, darauf hinzuweisen, dass die deutschen Tornado-Aufklärungsflugzeuge in dem zeitlichen Zusammenhang mit dem Luftangriff am 16. März dieses Jahres in der Region des Dorfes al-Dschinnah keine Aufklärungsflüge durchgeführt haben. Das humanitäre Völkerrecht verbietet gezielte Angriffe auf Zivilisten ebenso wie Angriffe auf militärische Ziele, bei denen damit zu rechnen ist, dass sie unverhältnismäßige Verluste unter Zivilisten oder Schäden an zivilen Objekten verursachen. Und alle Staaten sind verpflichtet, alle angemessenen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, um Verluste unter der Zivilbevölkerung und die Beschädigung ziviler Objekte zu vermeiden. Dafür setzen natürlich auch wir uns als Mitglied der Anti-IS-Koalition im Rahmen der uns zur Verfügung stehenden Mittel ein. Zivile Opfer müssen vermieden werden! Das ist unsere Priorität. Für Einsätze im Rahmen der Operation Inherent Resolve, OIR, gilt, dass grundsätzlich alle Vorfälle, bei denen Zivilistinnen und Zivilisten mutmaßlich zu Schaden gekommen sind, durch das für OIR zuständige Hauptquartier - Combined Joint Task Force - untersucht und die Ergebnisse monatlich auf der Webseite der Operation Inherent Resolve veröffentlicht werden.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Zusatzfrage?

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, danke, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, das reicht mir nicht. Die drei Tornados der Bundeswehr sind ja über Syrien und Irak nicht unterwegs, um schöne Landschaften zu fotografieren oder Fotos von schönen Gebäuden zu machen, sondern sie sind dort im Rahmen eines großen militärischen Einsatzes tätig. Da muss doch die Bundeswehr bei sich feststellen können bzw. genau wissen, für was dann diese Fotos benutzt werden. Die Bundesregierung darf doch nicht einfach nur sagen: Wir wissen nicht, ob da nun bombardiert worden ist. Deshalb ganz konkret meine Frage: Hat die Bundeswehr dieses Gebäude fotografiert und diese Fotos an das zentrale Luftwaffenkommando der USA bzw. dieser Operation da weitergegeben?

Not found (Gast)

Frau Präsidentin! Herr Kollege Ströbele, ich habe bereits darauf hingewiesen, dass es in dem genannten Zeitraum dort keine Aufklärungsflüge der Tornados gegeben hat. Ich kann Ihnen auch noch einmal versichern, dass sich unser Handeln im Rahmen der internationalen Koalition gegen den IS natürlich auf Grundlage des Bundestagsmandats bewegt. Das ist der Auftrag, den der Bundestag der Bundesregierung erteilt hat. Ich würde aber gerne in diesem Zusammenhang noch einmal deutlich machen, dass unsere Arbeit, die wir unter schwierigsten Bedingungen zu leisten haben, natürlich vor allem dem Ziel dient, zivile Opfer zu vermeiden. Das Hauptziel der Aufklärungsflüge der Tornados ist ja, das sogenannte Gesamtlagebild zu verdichten. Damit tragen wir auch dazu bei, zivile Infrastruktur und Personen von militärischen Objekten zu unterscheiden. So sollen gerade zivile Opfer vermieden werden. Das ist natürlich angesichts der zynischen Taktik des IS, immer wieder auch Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu benutzen, ausgesprochen schwierig und mit großen Anstrengungen verbunden. Aber insofern ist unser Einsatz, den wir dort leisten, auch im Interesse der Zivilistinnen und Zivilisten, die leider unter tragischen Umständen dieser Auseinandersetzung zum Opfer fallen. Darüber hinaus ein letzter Punkt, weil Sie das immer wieder nachfragen: Es ist sichergestellt, dass die entsprechenden Aufklärungsprodukte ausschließlich für den Kampf gegen den IS im Rahmen des Bundestagsmandates genutzt werden. Dazu hat die Bundesregierung eine Fülle von Antworten gegeben. Ich will deshalb in aller Kürze nur noch einmal auf die Bundestagsdrucksache 18/11697 verweisen. Das ist die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Ströbele, wünschen Sie eine weitere Nachfrage?

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. - Auch das, Herr Staatssekretär, stellt mich nicht zufrieden. Bei dem Gebäude, das bombardiert worden ist, handelte es sich ja ganz offensichtlich um eine Moschee, in der Kinder Unterricht hatten. Da war kein einziger Dschihadist, weder vom IS noch von sonst jemandem, in dieser Schule. Wenn diese Schule dann bombardiert wurde, können Sie nicht sagen: Es werden keine zivilen Objekte bombardiert. - Und dann passt auch Ihr Hinweis nicht, dass diese bösen IS-Terroristen ja die dort lebenden Menschen als Schutzschilde benutzen. Es kamen plötzlich Flugzeuge - wahrscheinlich sogar aufgrund von Fotoaufnahmen der Tornados - und bombardierten genau dieses Gebäude, legten es in Schutt und Asche, und über 40 Personen, überwiegend Kinder, waren tot. Wenn dort Kinder zur Schule gegangen sind, hatte das mit „Schutzschild“ überhaupt nichts zu tun.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Bitte, Herr Staatsminister.

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Frau Präsidentin, ich vermag aus der Stellungnahme des Abgeordneten Ströbele jetzt nicht so richtig eine Frage herauszuhören, will aber noch einmal deutlich machen, dass die Aufklärungsprodukte, die wir im Rahmen des Bundestagsmandates zur Verfügung stellen, ausschließlich denjenigen Nationen zur Verfügung gestellt werden, die an der Luftoperation der Operation Inherent Resolve beteiligt sind. Alle Staaten, die als Teil der Operation Inherent Resolve der internationalen Anti-IS-Koalition am Informationsraum teilhaben, in den die deutschen Aufklärungsprodukte eingestellt werden, können natürlich auf diese Informationen auch zugreifen. Ich finde aber den Zusammenhang, den Sie dort herstellen, in höchstem Maße unangemessen; denn das, was Sie unterstellen, läuft genau dem Ziel zuwider, auf das wir uns hier im Deutschen Bundestag mehrheitlich verständigt haben, nämlich den IS zu bekämpfen und nicht Zivilistinnen und Zivilisten. - Im Übrigen tun wir das in vollem Einklang mit dem Völkerrecht.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Ströbele auf: Aus welchen tatsächlichen und welchen jeweils angegebenen Gründen ist bisher nach Kenntnis der Bundesregierung eine Resolution im UN-Sicherheitsrat mit dem Inhalt gescheitert, den Giftgasangriff auf die Ortschaft Chan Schaichun in Syrien im April 2017, dessen Urheber und die Verantwortlichen durch eine unabhängige Untersuchungskommission überprüfen zu lassen, wo doch alle fünf ständigen Mitglieder des UN-Gremiums und auch die Regierung Syriens öffentlich versichert haben, sie wünschen und fordern eine unabhängige Untersuchung, und welche Bemühungen hat die Bundesregierung unternommen - vielleicht auch gemeinsam mit ihren EU-Partnern - und wird sie unternehmen, eine solche unabhängige Untersuchung auf Grundlage einer UN-Resolution zu ermöglichen, um eine weitere Eskalation in Syrien nach der Bombardierung mit US-Raketen in der Nähe von Damaskus zu verhindern? Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Frau Präsidentin, vielen Dank. - Herr Kollege Ströbele, es geht wieder um Syrien, diesmal um den barbarischen Einsatz von Giftgas, dem viele Menschen zum Opfer gefallen sind. Die von den USA, dem Vereinigten Königreich und Frankreich am 4. April 2017 in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eingebrachte Resolution zu diesen barbarischen Angriffen in Chan Schaichun scheiterte an einem Veto Russlands. Der Resolutionsentwurf, der Ihnen, Herr Kollege Ströbele, bekannt sein dürfte, verurteilte die Angriffe und forderte eine umgehende Aufklärung des Geschehens durch die beiden bestehenden unabhängigen Untersuchungsmechanismen des Sicherheitsrates und der Organisation für das Verbot chemischer Waffen, OVCW, die genau am heutigen Tag ihren 20. Geburtstag feiert. Es ist bedauerlich, dass wir diese Organisation immer noch brauchen, weil leider - trotz aller Bemühungen, Giftgaseinsätze zu ächten - immer wieder Giftgas eingesetzt wird. Die Resolution enthielt auch die Forderung an das syrische Regime, Flugpläne und Informationen zu Luftoperationen zur Verfügung zu stellen und Zugang zu den Luftwaffenbasen zu gewähren. Genau diese Offenlegungspflicht, die in dem Resolutionsentwurf angemahnt wurde, ist von Russland mit der Begründung abgelehnt worden, dies käme einer Vorverurteilung des syrischen Regimes gleich. Alternativ dazu wurde von Russland gefordert, eine gesonderte Kommission mit Zugang zu Chan Schaichun einzusetzen. Die Bundesregierung hat aber - und dieses Interesse teilen wir mit den allermeisten Partnern in der internationalen Gemeinschaft - ein großes Interesse an der Stärkung der schon bestehenden unabhängigen Untersuchungsmechanismen und der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen als Hüterin des Chemiewaffenübereinkommens. Wir setzen uns gemeinsam mit unseren Partnern dafür ein, dass diese bereits existierenden Untersuchungsmechanismen gestärkt werden, dass sie ihr Mandat weiter ausüben können und dass die bereits begonnene Untersuchung der Vorfälle fortgesetzt werden kann.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Ströbele, wünschen Sie eine Zusatzfrage?

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, danke. - Herr Staatssekretär, alle fünf Mächte im Sicherheitsrat fordern eine unabhängige Untersuchung. Auch Assad fordert eine unabhängige Untersuchung. Es ist doch schlechterdings nicht nachvollziehbar und völlig unverständlich - fragen Sie einmal eine der hier heute anwesenden Zuhörerinnen bzw. einen Zuhörer -, warum die Länder, welche die Resolution im UNO-Sicherheitsrat eingebracht haben, darauf bestehen, dass unbedingt die Organisationen, die Sie genannt haben, die Untersuchung vornehmen sollen. Wenn die Bereitschaft von allen vorhanden ist, dann kann man sich doch zusammensetzen und fragen: Wer ist eine unabhängige Untersuchungskommission, und wohin müssen wir sie lassen, um festzustellen, was tatsächlich passiert ist? Das ist doch eine absurde Situation, die keiner versteht - ich auch nicht: Alle fordern eine unabhängige Untersuchung, und dann scheitert sie an dem Veto, weil die Mächte im Sicherheitsrat Bedingungen stellen, die die Russen oder Assad - meinetwegen zu Unrecht - ablehnen. Das mag alles sein, aber man wird sich doch auf eine unabhängige Kommission einigen müssen. Ich könnte Ihnen jetzt einige Vorschläge machen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Bevor der Staatsminister das Wort erhält, bitte ich beide Seiten - Fragesteller wie auch diejenigen, die für die Bundesregierung antworten -, sich an unsere Regeln zu erinnern und die Uhr ein bisschen im Auge zu behalten, weil jetzt beide Seiten überzogen haben. Angesichts der Fragen, die noch kommen, wäre es wünschenswert, die Uhr im Blick zu behalten und die Regeln zu berücksichtigen. Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Frau Präsidentin, ich gelobe Besserung. - Der Kollege Ströbele hat mich aufgefordert, mich direkt an die Bürgerinnen und Bürger zu wenden. Ich darf dies nicht tun. Ich unterstelle Ihnen, Herr Kollege Ströbele, keine Naivität, ich unterstelle aber auch den hier sitzenden Bürgerinnen und Bürgern keine Naivität, weil ich sehr wohl in der Lage bin, dieses komplizierte Verfahren zu erklären. Ich habe bereits in meiner Eingangsantwort darauf hingewiesen, dass es zwei bewährte Untersuchungsmechanismen gibt. Ich habe auch schon darauf hingewiesen, dass es Ziel der Bundesregierung ist, insbesondere am heutigen Tage, wo eine der Organisationen ihr 20-jähriges Jubiläum feiert, diese Mandate, diese Mechanismen entsprechend zu stärken und zu unterstützen. Sie können doch nicht von einer Blockade der Staaten sprechen, wenn es nur ein einziges ständiges Mitglied des Sicherheitsrats gegeben hat, nämlich Russland, das sich diesem Konsens entgegengestellt hat. Jetzt komme ich noch einmal zu dem entscheidenden Punkt. Wenn wir hier einen Präzedenzfall schaffen und einen Sicherheitsratsbeschluss für eine Untersuchung einfordern, ob irgendwo Giftgas eingesetzt wurde, dann führt dies automatisch zur Schwächung der Mechanismen, denen alle, auch Russland, zugestimmt haben. Dieses Vorgehen halte ich und hält auch die Bundesregierung für verantwortungslos.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Kollege Ströbele, wünschen Sie noch eine weitere Zusatzfrage?

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. - Dann möchte ich den zweiten Teil meiner Frage noch einmal stellen, weil Sie ihn weder beantwortet haben noch beantworten wollen. Ist die Bundesregierung als doch weitgehend anerkanntes Land, auch in Syrien anerkanntes Land, in einer so prekären Situation bereit, selber aktiv zu werden, um eine unabhängige Kommission zustande zu bringen und besetzen zu lassen, um dieses Verfahren zu fördern?

Not found (Gast)

Ich gehe der Beantwortung Ihrer Frage überhaupt nicht aus dem Weg, Frau Präsidentin, Herr Kollege Ströbele. Ich habe darauf hingewiesen, dass es zwei unabhängige Untersuchungsmechanismen gibt. Diesen fühlen wir uns verpflichtet. Es kann doch nicht angehen, nur weil es ein einziges Land gibt, das diese Untersuchungsmechanismen offenkundig nicht akzeptiert, dass wir die bestehenden Untersuchungsmechanismen schwächen. Wir wollen sie nicht schwächen, sondern stärken. Im Übrigen weise ich darauf hin, dass es schon eine Reihe von bilateralen Untersuchungen gibt. Gerade heute hat sich die französische Regierung geäußert, die noch einmal sagt, dass die entsprechenden Verdachtsmomente derart schwerwiegend sind, dass man bereits jetzt davon ausgehen kann, dass das syrische Regime für den Einsatz von Giftgas verantwortlich zeichnet. Wir setzen aber nicht allein auf diese Untersuchung. Hier bin ich wieder bei Ihnen. Wir setzen auf die Untersuchungsergebnisse das läuft ja auch schon; Mitte Mai wird ein Bericht abgegeben - der unabhängigen Institutionen. Die haben wir und die unterstützen wir auch.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Die Fragen 9 und 10 der Abgeordneten Heike Hänsel, die Fragen 11 und 12 des Abgeordneten Omid Nouripour, die Fragen 13 und 14 der Abgeordneten Sevim Dağdelen sowie die Frage 15 des Abgeordneten Özcan Mutlu werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 16 des Abgeordneten Volker Beck auf: Wie setzt sich die Bundesregierung für den Schutz von verfolgten Homosexuellen in Tschetschenien und verfolgten Journalistinnen und Journalisten und Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern, die über die Inhaftierungen und Folter von über 100 vermeintlich homosexuellen Männern berichten, ein, und durch welche Maßnahmen unterstützt die Bundesregierung Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger in Tschetschenien und Russland wie das russische LGBT-Network, die verfolgte Homosexuelle in Tschetschenien unterstützen und laut Medienberichten Kontakt zu über 60 betroffenen Männern haben oder hatten ({0})? Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Not found (Gast)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Die Berichte über Verfolgung von Homosexuellen in der autonomen russischen Republik Tschetschenien, auf die der Abgeordnete Beck rekurriert, sind einfach nur schrecklich, abstoßend und in höchstem Maße besorgniserregend. Sie erscheinen uns glaubwürdig. Die Bundesregierung steht in einem intensiven Kontakt mit den LGBTI-Aktivisten, mit Menschenrechtsorganisationen, aber selbstverständlich auch mit den Medienvertretern, die vor Ort sehr engagiert und ausgesprochen mutig über diese Fälle berichtet haben. Die deutsche Botschaft hat inzwischen Kontakt mit den betroffenen Personen aufgenommen, und wir prüfen derzeit Unterstützungsmöglichkeiten. Es ist nicht ganz einfach, weil die Menschen aus vielerlei nachvollziehbaren Gründen ihre Namen öffentlich nicht genannt wissen wollen. Wir arbeiten hier also mit Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen. Die Bundesregierung hat auf vielfältige Weise nicht nur Solidarität zu bekunden versucht, sondern auch entsprechende klare Aufforderungen an die russische Regierung formuliert. Zum einen hat der Koordinator für die zwischenstaatliche Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der Östlichen Partnerschaft, der Kollege Erler, die russische Regierung am 7. April aufgefordert, den Meldungen nicht nur nachzugehen, sondern den Betroffenen bei Bedarf sofort die notwendige Unterstützung zu gewähren sowie die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Im Ständigen Rat der OSZE in Wien wurde am 6. April eine Erklärung der Europäischen Union im Namen aller Mitgliedstaaten abgegeben, in der Russland ebenfalls dazu aufgefordert wird, die Vorgänge zu untersuchen und Unterstützung zu gewähren. Die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik, Frau Kofler, hat sich vorgestern noch einmal entsprechend geäußert, und ich habe dazu gestern öffentlich Stellung bezogen und noch einmal die russische Regierung aufgefordert, die schrecklichen Vorfälle zu verfolgen und die Taten zu ahnden. Seien Sie versichert, dass das nicht das Ende unserer Bemühungen ist. Wir werden das Thema auf höchster Ebene noch einmal gegenüber der russischen Seite zur Sprache bringen, und wir werden selbstverständlich die Situation weiterhin sehr aufmerksam beobachten.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Beck, wünschen Sie eine Zusatzfrage?

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. Vielen Dank. - Die Worte höre ich wohl. Sie müssen das als Vertreter des Auswärtigen Amtes - dafür habe ich Verständnis - in dieser diplomatischen Politesse äußern. Aber wir glauben ja nicht ernsthaft, dass die russische Regierung Herrn Kadyrow dazu bringen wird, die Menschenrechte von irgendwem, erst recht von Homosexuellen, zu achten. Das ist politisch einfach unrealistisch. Deshalb ist die Frage: Was tut man konkret? Eine Sache, die man konkret tun kann, ist, gefährdete Personen aktiv über § 22 oder § 23 Aufenthaltsgesetz aufzunehmen. Die Kompetenz, das zu veranlassen, hat nach dem Aufenthaltsrecht die Bundesregierung, insbesondere das Auswärtige Amt. Deshalb frage ich Sie konkret: Haben Sie den Organisationen gesagt, dass wir bereit sind, notfalls Leute, die unmittelbar bedroht sind, aufzunehmen, namentlich die beiden Journalisten von der Nowaja Gaseta, die diese Fälle öffentlich gemacht haben und die von Kadyrow namentlich mit dem Tode bedroht wurden, nämlich Frau Jelena Milaschina und Herrn Dmitrij Muratow? Ich finde, wir müssen da jetzt etwas tun, wenn wir ernsthaft wollen, dass sich so ein Fall wie bei Anna Politkowskaja - sie war auch bei der Nowaja Gaseta, der einzigen freien Stimme unter den Zeitungen in Russland - nicht wiederholt. Wir können da etwas tun, aber wir müssen es auch entsprechend operativ angehen. Das ist die andere Ebene jenseits der deklaratorischen Diplomatie.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Frau Präsidentin! Herr Kollege Beck, ich bedaure sehr, dass Ihnen gegenüber der Eindruck entstanden ist, dass wir es allein bei einer „deklaratorischen Diplomatie“ - um Sie zu zitieren - belassen. Wir sind ganz konkret dabei, die Sicherheit der Betroffenen in ihrem Interesse zu gewährleisten. Ich kann Ihnen nur zustimmen - das besagt auch der Menschenrechtsbericht der Bundesregierung -, dass sich die Menschenrechtslage in Russland in den vergangenen Jahren signifikant verschlechtert hat, und für die Bundesregierung sind LGBTI-Rechte oder Rechte für Homosexuelle Menschenrechte. Sie können sich darauf verlassen, dass wir der Kritik an der Menschenrechtssituation immer wieder Nachdruck zu verleihen versuchen. Sie haben auf einen ganz konkreten Punkt hingewiesen, nämlich auf die humanitäre Aufnahme nach § 22 Aufenthaltsgesetz. Auch dies kommt für die Bundesregierung in Betracht. Wir werden deshalb jeden Einzelfall - Sie haben einige Fälle angesprochen, uns sind weitere bekannt - sehr genau prüfen. Wir sind gemäß dem Aufenthaltsgesetz dazu verpflichtet, jedes Mal eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, um der schwierigen Lage der Betroffenen Rechnung zu tragen. Ich bitte Sie dabei aber auch um konstruktive Mitarbeit. Ich habe schon Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn http://www.queer.de/detail.php?article_id=28673 eingangs darauf hingewiesen, dass für uns eine gewisse Diskretion im Interesse der Sicherheit der Betroffenen wichtig und unabdingbar ist.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Beck, wünschen Sie eine weitere Zusatzfrage?

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. - Deshalb habe ich auch nur die beiden bekannten Journalisten namentlich genannt. Wir beide haben das Interesse, die Situation der Menschen durch öffentliche Aktionen nicht noch weiter zu verschärfen. Wenn das Ausgeführte Ihre Einschätzung der Menschenrechtslage in der Russischen Föderation und in der Autonomen Republik Tschetschenien, die zur Russischen Föderation gehört, ist, möchte ich Sie fragen: Sind Sie in der Bundesregierung bereit - ich frage Sie und Ihren Sitznachbarn als Vertreter der beiden betroffenen Ressorts -, das Vorgehen zu überprüfen, das gegenwärtig vom BAMF bei der Anerkennung von schwulen Flüchtlingen aus dieser Region praktiziert wird? Mir sind mehrere aktuelle Ablehnungsfälle bekannt, bei denen nicht die Homosexualität, sondern die Verfolgung und die Bedrohung infrage gestellt werden, was mir angesichts der Situation vor Ort absurd erscheint; denn für Tschetschenen, die sich oppositionell verhalten haben oder auffällig geworden sind, besteht die Fluchtalternative Russische Föderation nicht. Sie werden durch die russischen Behörden weiter verfolgt. Der zweite Punkt: Wir schieben gegenwärtig Menschen, die von der Russischen Föderation im Namen von Tschetschenien angefordert werden, weil sie angeblich Terroristen sind, die Tschetschenien schaden wollen, allein aufgrund der Beweislage der Russischen Föderation ab. Nachdem Sie die Lage im Land richtig beschrieben haben, frage ich: Sind Sie bereit, diese Praxis im Sinne eines besseren Menschenrechtsschutzes zu prüfen?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Frau Präsidentin! Herr Kollege Beck, ich spreche zwar hier in der Beantwortung Ihrer Frage für die gesamte Bundesregierung, ich will aber vor allem den Aspekt in der Antwort hervorheben, der in den Zuständigkeitsbereich meines Hauses fällt, und das ist der Lagebericht. Sie haben darauf hingewiesen, dass sich die Situation von Homosexuellen in ganz Russland verschlechtert hat. Ich kann diesen Eindruck nur bestätigen. Selbstverständlich wird ein solcher Eindruck, der von vielen Nichtregierungsorganisationen und von vielen Expertinnen und Experten geteilt wird, Einfluss auf die kontinuierliche Überarbeitung des Lageberichtes nehmen. Der Lagebericht ist eine Grundlage für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, um in den Asylverfahren entsprechende Entscheidungen vorzunehmen. Das gilt ausdrücklich auch für den zweiten Aspekt, den Sie aufgerufen haben. Selbstverständlich ist die Bewertung der Lage in Russland nichts Statisches - das bezieht sich auch auf die Autonome Republik Tschetschenien -, vielmehr werden wir die Bewertung immer wieder an die Entwicklungen anzupassen haben. Ich kann Ihnen versichern, dass wir dies auch tun.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Da mir zu diesem Geschäftsbereich keine weiteren Fragen vorliegen, kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Hier übernimmt die Beantwortung der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Günter Krings. Ich rufe zunächst die Frage 17 des Abgeordneten Volker Beck auf: Inwiefern wären deutsche Regelungen, die den Regelungen des österreichischen Islamgesetzes entsprechen, nach Auffassung der Bundesregierung vereinbar mit den verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes, insbesondere den Artikeln 3, 4, 7 und 140 ({0}), und plant die Bundesregierung ein Islamgesetz? Ich habe noch einmal die Bitte, sich an die Ein-Minuten-Regelung zu halten; denn das ist vorhin nicht besonders gut gelungen, wenn ich mir die Anmerkung noch erlauben darf. - Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Beck, vielen Dank für die Frage. In der Frage geht es, um das kurz zu umschreiben, um das österreichische Islamgesetz und darum, ob wir daraus etwas für Deutschland lernen können. Das österreichische Islamgesetz aus dem Jahr 2015 und die hierauf ergangenen Reaktionen in Österreich und in Deutschland werden von der Bundesregierung mit Interesse zur Kenntnis genommen. Ich bitte um Verständnis, dass schon aus Respekt vor dem österreichischen Gesetzgeber und der in erster Linie gegebenen Zuständigkeit der Länder für das Verhältnis zwischen dem Staat und den Kirchen und Religionsgemeinschaften in Deutschland keine inhaltliche Kommentierung des österreichischen Islamgesetzes erfolgen kann. Eine Übertragung des österreichischen Gesetzes auf Deutschland wäre schon wegen der unterschiedlichen Verfassungsrechtslage in Deutschland nicht möglich, insbesondere im Hinblick auf die ausschließliche Zuständigkeit der Länder und die verfassungsunmittelbaren Vorgaben, vor allem bei der Verleihung der Körperschaftsrechte nach Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 5 der Weimarer Reichsverfassung. Sie haben eine zweite Teilfrage in die Frage sozusagen hineingemogelt, die ich aber gerne klar beantworte: Die Bundesregierung plant kein deutsches Islamgesetz.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Beck, wünschen Sie eine Zusatzfrage?

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. - Ich stelle die Frage ja nicht im luftleeren Raum, vielmehr gibt es darüber eine Diskussion innerhalb der CDU/CSU-Fraktion, angeregt von Staatssekretären, nach deren Auffassung wir ein solches Islamgesetz in Deutschland brauchen. Stimmen Sie mit mir überein, dass auch den Ländern ein solches Islamgesetz, das alle Fragen bis hinein in die Selbstverwaltungsprivilegien von Religionsgemeinschaften bezüglich ihres Finanzgebarens regelt, nach unserer Verfassungsordnung nicht zusteht?

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Falls Sie mit „Staatssekretären“ mich gemeint haben sollten, sage ich: Ich habe ausdrücklich gesagt, dass ein solches Islamgesetz, ({0}) schon gar ein Bundesislamgesetz nicht möglich wäre, allein aufgrund der Zuständigkeitsfragen. Ansonsten kann man den Begriff natürlich auf vielfältige Weise verstehen. Wir haben in Deutschland ausführliche staatskirchenrechtliche, religionsverfassungsrechtliche Regelungen, je nach Zuständigkeit, primär seit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 auf Länderebene, aber es gibt auch Sachverhalte, die einen Religionsbezug haben, die der Bund regelt. Das Familienrecht ist da ein großes Thema. Insofern gibt es vertragliche Lösungen, aber immer wieder auch Ansätze für eine gesetzliche Regelung innerhalb der Länderzuständigkeit, aber auch auf Bundesebene. Da sind Gesetze möglich, die aber die Anforderungen in der Regel religionsneutral formulieren.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Beck, wünschen Sie eine weitere Zusatzfrage?

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte Ihre Formulierung „in der Regel“ aufgreifen, damit wir uns richtig verstehen und innerhalb der nächsten drei Monate nicht weiter über Potemkinsche Dörfer diskutieren müssen: Teilen Sie mit mir die Auffassung, dass ein Gesetz für eine Religion, auch wenn es von den 16 Landesgesetzgebern in der Form wie in Österreich verabschiedet würde, unzulässig wäre und eine solche Regelung für alle Religionsgemeinschaften gleichermaßen gelten müsste, sofern man sie überhaupt erlassen dürfte?

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Ich habe eingangs schon erwähnt, dass sich das österreichische Modell nicht eins zu eins übertragen lässt, sowohl aufgrund des Zuständigkeitsbereichs als auch aufgrund inhaltlicher Regelungen, die im deutschen Verfassungsrecht anders sind. Aber natürlich haben wir einzelne Regelungen im religionsverfassungsrechtlichen Bereich - ich glaube, darüber sollte eine Diskussion angestoßen werden -, bei denen spezifisch eine Religion herangezogen wird. Ich nenne ein Beispiel, um es praktisch zu machen: Sie befürworten - das weiß ich; dafür habe ich eine gewisse Grundsympathie, auch wenn ich ein paar Bedenken habe - Beiratsmodelle beim islamischen Religionsunterricht, um sozusagen eine Art konfessionellen Religionsunterrichts hinzubekommen. ({0}) Das ist letztlich auch eine spezifische Regelung für eine Religion, weil das, was wir sonst im Staatskirchenrecht kennen, bei dieser Religion nicht funktioniert, weil uns das staatskirchenrechtliche Gegenüber, nämlich eine formierte Religionsgemeinschaft, fehlt. Wenn man so will, ist das eine Regelung, die sich spezifisch dem Islam zuwendet. Auch das Verbot von Kinderehen - da sind wir vielleicht konträrer Auffassung - wurde gesetzlich natürlich religionsneutral formuliert. Das Problem hat sich faktisch aber aufgrund einer größeren Zahl von Kinderehen in Deutschland gestellt, die im Ausland nach islamischem Ritus geschlossen wurden. Diese spezifischen Regelungsbedarfe haben wir also durchaus. Das ist aber etwas anderes als ein in sich geschlossenes Islamgesetz. ({1})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank. - Die Fragen 18 und 19 der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner sowie die Frage 20 des Abgeordneten Niema Movassat zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern werden schriftlich beantwortet. Ich leite über zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Die Frage 21 des Abgeordneten Niema Movassat, die Frage 22 der Abgeordneten Dr. Julia Verlinden sowie die Fragen 23 und 24 des Abgeordneten Oliver Krischer werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 25 der Abgeordneten Corinna Rüffer auf: Wieso wurde entgegen der Vereinbarung im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD ({0}) keine Änderung am Telekommunikationsgesetz vorgenommen, um ein barrierefreies Notrufsystem ({1}) einzuführen, und wann ist mit der verbindlichen Vereinbarung aller Verantwortlichen zur Bearbeitung von Notrufverbindungen durch Echtzeitdienste zu rechnen, die in der Antwort der Bundesregierung auf die schriftliche Frage 7 des Abgeordneten Hubert Hüppe auf Bundestagsdrucksache 18/8659 angekündigt wurde? Frau Staatssekretärin, Sie übernehmen die Beantwortung. Frau Gleicke, Sie haben das Wort.

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Frau Präsidentin, ich übernehme gerne. Herzlichen Dank. - Liebe Kollegin Rüffer, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Die bundesweite Einführung einer alternativen Notrufmöglichkeit, zum Beispiel über eine Notruf-App, ist auch der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen. Eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes, TKG, ist hierfür jedoch nicht erforderlich. Der Wortlaut des Gesetzes steht dem Betrieb bzw. der Einführung alternativer Notrufmöglichkeiten nicht entgegen. Hierüber ließe sich aber keine Verpflichtung der für Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenbewältigung zuständigen Länder, Gemeinden und Städte zur Verarbeitung derartiger Notrufe erreichen. Deren Zuständigkeit richtet sich ausschließlich nach der jeweiligen Landesgesetzgebung. Gleichwohl koordiniert das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie seit September 2015 eine Unterarbeitsgruppe der Expertengruppe Notrufe, um gemeinsam mit den für das Rettungswesen zuständigen Landesbehörden und Spitzenverbänden dem Anliegen, Notrufverbindungen zukünftig auch über andere Wege als herkömmliche Sprach- und Faxverbindungen herzustellen und damit für mehr Barrierefreiheit zu sorgen, Rechnung zu tragen. Dabei hat sich gezeigt, dass anstelle von SMS-gestützten Notrufmöglichkeiten sogenannte paketorientierte Echtzeitdatendienste für Notrufverbindungen zum Einsatz kommen sollen. Insofern verfolgt die Arbeitsgruppe das Ziel, die Situation gerade von sprech- und/oder hörbehinderten Menschen durch eine App zu verbessern, die es ihnen ermöglicht, bundesweit direkten Kontakt zu der jeweils örtlich zuständigen Notrufabfragestelle aufzunehmen. Die letzte Sitzung fand im März 2017 statt. In dieser Sitzung wurde ein Konzept für eine Notruf-App erarbeitet. Zurzeit prüft das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Rahmen der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention als nächsten Schritt die Förderung eines Pilotprojekts, um dieses Konzept der Bund-Länder-Arbeitsgruppe umzusetzen. Die Pilotphase soll circa sechs bis neun Monate dauern. Anschließend liegt es dann bei den Ländern, die Notruf-App bundesweit auszurollen. Parallel dazu hat die Bundesministerin für Wirtschaft und Energie die Regierungsfraktionen dabei unterstützt, das Telekommunikationsgesetz dahin gehend zu ändern, dass die heute täglich von 8 bis 23 Uhr zur Verfügung stehende Möglichkeit, einen Notruf über eine Videoverbindung zu einem Gebärdendolmetscher als Vermittlungsdienst abzusetzen, auf eine 24-stündige Verfügbarkeit an jedem Wochentag ausgedehnt wird. Wir werden ja in dieser Woche über die dritte Änderung des Telekommunikationsgesetzes zu befinden haben. Ich hoffe, dass ihr breit zugestimmt wird.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Rüffer, wünschen Sie eine Zusatzfrage?

Corinna Rüffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004390, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, sehr gerne.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Dann haben Sie die Möglichkeit.

Corinna Rüffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004390, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es ist begrüßenswert, dass es im Rahmen des in dieser Woche zu verabschiedenden Gesetzentwurfs eine Änderung geben wird, die vorsieht, die Videoverbindung bzw. Videoübertragung auf 24 Stunden pro Tag auszudehnen. Aber es ist natürlich ganz klar, dass nicht in allen Bereichen dieser Republik der Empfang so gut ist, dass dieses Angebot auch nutzbar ist. Auch ist es so, dass nicht alle Menschen über ein Smartphone verfügen. Die jetzt geplante Regelung löst das Problem also noch nicht hinreichend. Insgesamt muss man sagen, dass es sich hier um ein Trauerspiel handelt. Der Deutsche Gehörlosen-Bund und die Deutsche Gesellschaft der Hörgeschädigten kämpfen seit Jahren für eine Lösung in diesem Bereich. Das hört sich nach einem harmlosen Thema an, aber es geht hierbei unter Umständen um Leben und Tod und nicht nur um die abstrakte Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Es braucht hier also eine Lösung. Deshalb frage ich jetzt: Wie lange wird es dauern, bis das Pilotprojekt auf den Weg gebracht wird? Was ist da Ihre Einschätzung?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Ich will das noch einmal sehr deutlich machen: Zuständig sind eigentlich die Länder. Wir als Bundesministerium für Wirtschaft und Energie haben uns aufgrund dieser lange andauernden Debatte über alternative Notrufmöglichkeiten - diese haben Sie zu Recht so beschrieben - quasi den Schuh angezogen und gesagt: Wir brauchen eine solche Unterarbeitsgruppe. - Diese hat fleißig gearbeitet. Wie gesagt, im März hat die Sitzung stattgefunden, in der man sich auf diese App verständigt hat, die zugegebenermaßen natürlich auch nicht vollumfänglich barrierefrei ist. Aber es geht um alternative Möglichkeiten, um die Barrierefreiheit in diesem Bereich zu steigern. Das Bundesministerium prüft gerade, wie im Rahmen der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention entsprechende Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden können. Zunächst werden wir das Vorhaben gemeinsam mit den Ländern als Pilotprojekt umsetzen. Es sind sehr wichtige Fragen zu klären, unter anderem technische. Wir haben 530 solcher Notrufstellen. Das Thema ist sehr komplex; das ist gar keine Frage. Ich bin froh, dass wir auf Bundesebene tätig geworden sind, um den Ländern zu helfen, damit wir zu solchen bundesweit einheitlichen Alternativen kommen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Rüffer, wünschen Sie eine zweite Zusatzfrage?

Corinna Rüffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004390, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr gerne. Wenn ich die Möglichkeit habe, dann auf jeden Fall. - Mir ist schon klar, dass es hier um eine komplexe Problemstellung geht und man dieses Problem nicht von heute auf morgen lösen kann. Aber wir reden im Moment über einen Zeitraum von Jahren. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Hochtechnologieland. Man sollte erwarten, dass wir uns in diesem Zeitraum irgendwann in die Lage versetzen, beispielsweise für gehörlose Menschen eine vollumfänglich barrierefreie Möglichkeit zu schaffen, Notrufe abzusetzen. Es gibt die erwähnte Arbeitsgruppe. Ich weiß, dass die Zuständigkeit bei den Ländern liegt. Aber wir können die Leute nicht zwischen Fragen der Zuständigkeit zerreiben und sie dadurch unter Umständen in gefährliche Situationen bringen. Sie sagten, die App, die in Planung ist, ist nicht vollumfänglich barrierefrei. Meine Frage: Was bedeutet das? Die zweite Frage ist: Warum ist es so schwierig, hier zu einer Lösung zu kommen? Geht es vielleicht um die Kosten? Was würde es denn kosten, eine vollumfänglich barrierefreie Zugangsmöglichkeit zu schaffen?

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Barrierefreiheit - liebe Frau Kollegin Rüffer, das wissen Sie - ist eine sehr individuelle Geschichte. Es gibt Menschen, die mit einer App tatsächlich gut zurechtkommen. Wenn sie aber vielleicht andere Einschränkungen haben, dann ist eine App wiederum nicht barrierefrei; das meinte ich. Es geht um alternative Möglichkeiten, um zu immer mehr Barrierefreiheit zu kommen und auf die individuellen Bedingungen von Menschen mit Behinderungen einzugehen. Ich glaube nicht, dass es ein alleiniges System gibt, das allen gerecht werden könnte. Deshalb ist es wichtig, dass wir mit einer App beispielsweise sprech- und hörbehinderten Menschen weiterhelfen, uns aber auch den anderen Aspekten des Notrufsystems, was die Barrierefreiheit angeht, zuwenden; das ist Teil eins meiner Antwort. Es geht also schon darum, hier für immer mehr Barrierefreiheit zu sorgen. Das Zweite ist: Die Bundesregierung hat sich, obwohl sie nicht federführend dafür zuständig ist, dieses Themas angenommen, und die beiden zuständigen Ressorts haben daran gearbeitet. Es gibt jetzt ein Konzept für eine Notruf-App, und es wurde die Vereinbarung getroffen, dieses als Pilotprojekt auszurollen. Wir werden das schnellstmöglich tun; sonst wäre die Arbeit ja umsonst.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank. - Mir liegen keine Wünsche nach weiteren Fragen vor. Deshalb rufe ich jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf. Die Beantwortung dieser Fragen übernimmt die Parlamentarische Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller. Zunächst kommen wir zur Frage 26, ebenfalls von der Abgeordneten Corinna Rüffer: Wie ist es zu erklären, dass Zielvereinbarungen zwischen Werkstätten für behinderte Menschen und Kostenträgern existieren, die keine Konzepte zur angemessenen Beschäftigung von Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen enthalten ({0}), und besteht aus Sicht der Bundesregierung hier Handlungsbedarf?

Gabriele Lösekrug-Möller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003482

Frau Kollegin Rüffer, Sie fragen danach, wie es um die Zielvereinbarungen zwischen Werkstätten für behinderte Menschen und Kostenträgern steht. Letzten Endes - das geht aus Ihrer Fragestellung hervor - ist der Anlass die Berichterstattung über nicht haltbare Zustände in diesem Zusammenhang, die in den Medien sehr breit Erwähnung gefunden hat und zu Recht sehr kritisch ausgefallen ist. Meine Antwort muss, weil Sie nach Zielvereinbarungen zwischen Werkstätten und Kostenträgern gefragt haben, so ausfallen, dass ich Ihnen sagen muss: Für diese Zielvereinbarungen sind die Länder zuständig. Das ist keine Angelegenheit des Bundes. Insofern fällt meine Antwort da sehr knapp aus.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Rüffer, wünschen Sie eine Zusatzfrage? - Das ist der Fall.

Corinna Rüffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004390, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielleicht bekomme ich ja die Redezeit, die Frau Lösekrug-Möller gerade eingespart hat.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Nein, das machen wir nicht. Die würde ich auf die vorhergehende Überziehung anrechnen.

Corinna Rüffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004390, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Der Hintergrund ist in der Tat die Berichterstattung des Teams Wallraff vom Februar dieses Jahres. Wir haben über dieses Thema auf unseren Antrag hin im Ausschuss für Arbeit und Soziales diskutiert. Die Aufdeckung des Teams Wallraff hat in zwei Fällen dazu geführt, dass wirklich staatsanwaltschaftlich ermittelt worden ist. Das heißt, es handelt sich hier nicht um Petitessen, sondern um gravierende Menschenrechtsverletzungen. Angesichts dieser Tatsache finde ich die öffentliche Reaktion auf das, was wir da sehen mussten, relativ verhalten. Das hätte mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt. Wir gehen in der Tat davon aus - das zeigen auch die Rückmeldungen, die wir bekommen -, dass es hier um strukturelle Problemstellungen geht. Ich fokussiere in der Frage, die ich gestellt habe, tatsächlich auf Zielvereinbarungen bezüglich der Konzepte zur angemessenen Beschäftigung von Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen innerhalb von Werkstätten für behinderte Menschen. Sie haben schriftlich angekündigt, dass das BMAS im Mai eine Veranstaltung mit Leistungsträgern, Einrichtungsträgern und Verbänden behinderter Menschen durchführen wird, auf der Sie über Qualitätsmerkmale sowie über den Berufsbildungs- und den Arbeitsbereich innerhalb der Werkstätten sprechen werden. Es würde passen, dort auch die mangelnde Einhaltung der Zielvereinbarungen in den Blick zu nehmen. Ist das von Ihrer Seite aus geplant?

Gabriele Lösekrug-Möller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003482

Dazu kann ich Ihnen gerne etwas sagen. - Es gab eine ausführliche Debatte im Fachausschuss. Ich habe an dieser Debatte teilgenommen, und wir haben im Nachgang informiert. Unter anderem haben wir der entsprechenden Ausschussdrucksache die Stellungnahmen des Landes Nordrhein-Westfalen als Anlage beigefügt. Auch dort hat man sich sehr schnell um die Missstände gekümmert hat, die über die Fernsehsendung öffentlich wurden. Wir haben festgestellt, dass es insbesondere bezogen auf diese eine Einrichtung bereits vor Ausstrahlung der Sendung Aktivitäten gegeben hat, weil es sich dort ganz offenkundig - ich muss das aber unter dem Vorbehalt abschließender Sachverhaltsaufklärung sagen - um unhaltbare Zustände handelte. Gegenstand dieser Berichterstattung in den Medien war der sogenannte Bildungsbereich, der von ziemlich großer Bedeutung ist. In den Werkstätten gibt es unterschiedliche Bereiche. Eine Kernkritik bezog sich auf die Realisierung des Bildungsanspruchs. Ich glaube, wir stimmen darin überein, dass er wirklich sehr kritisch zu betrachten ist. Wir haben als Ministerium für Arbeit und Soziales angekündigt, dass wir ein Fachgespräch führen werden dieses ist auch terminiert -, weil wir der Kritik sorgfältigst nachgehen wollen. Das tun wir nicht, weil wir damit die Kostenträger der Eingliederungshilfe in Nordrhein-Westfalen bevormunden wollen - sie führen eine eigene Sachverhaltsaufklärung durch und reflektieren die Qualitätssicherung im Nachgang -, sondern wir sind ins Spiel gekommen, weil für den Berufsbildungsbereich Mittel der Bundesagentur für Arbeit zur Verfügung stehen, womit wir eine entsprechende Verantwortung haben, und der kommen wir auch nach. Wenn ich mich richtig erinnere, werden wir diese Veranstaltung am 12. Mai 2017 durchführen. Meine mündliche Zusage, dass wir im Fachausschuss darüber berichten werden, werden wir ganz sicher einhalten. Dafür setze ich mich auch persönlich ein.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Eine Zusatzfrage steht Ihnen, Frau Rüffer, formal noch zu. Vorab sage ich aber noch einmal, dass bei den Fragen und Antworten die Zeit jeweils deutlich überzogen wurde. Ich weise einfach noch einmal darauf hin: Wenn das rote Licht blinkt und die Zahl 20 auftaucht, dann heißt das nicht, dass man noch 20 Sekunden zur Verfügung hat, sondern dann heißt das, dass man die Rede- bzw. Fragezeit schon um 20 Sekunden überschritten hat. Bevor ich Ihnen jetzt das Wort gebe, Frau Rüffer, bitte ich, sich wirklich an die Zeiten zu halten. Frau Rüffer, eine Frage haben Sie noch, wenn Sie möchten.

Corinna Rüffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004390, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. - Sie haben gerade einen Bericht angesprochen, der im Nachgang der Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Soziales dankenswerterweise von Ihrer Seite verschickt worden ist. Diesem Bericht liegt eine Stellungnahme der LAG WfbM Nordrhein-Westfalen bei, der wir entnehmen, dass es für die benannte Personengruppe die Menschen mit schweren und schwersten Mehrfachbehinderungen - das Problem der fehlenden Zielvereinbarung gibt. Für sie gibt es eben keine Konzepte in den Werkstätten. Das heißt, wir wissen offiziell, dass dieses Problem besteht. Das ist ein Hinweis aus dem größten Bundesland dieser Republik. Dies deutet darauf hin, dass wir es nicht mit einem Problem zu tun haben, das nur in einer Einrichtung besteht. Dieses Problem gibt es in vielen Einrichtungen. Für den 12. Mai 2017 ist nun eine Veranstaltung des BMAS geplant. Das begrüße ich sehr. Meine Frage ist, ob Sie auf dieser Veranstaltung dieser Fragestellung - der Leerstelle, die sich dort vor uns auftut - nachgehen werden, um herauszufinden, wie groß das Problem ist, das in dem Bericht der LAG WfbM beschrieben ist.

Gabriele Lösekrug-Möller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003482

Ich antworte so kurz wie möglich, aber dennoch präzise. - Erst einmal teile ich nicht Ihre Vermutung, dass es sich hier um eine bundesweite Leerstelle handelt. Gegenstand des Fachgespräches werden die Probleme sein, die Anlass für das Fachgespräch sind. Das sind die Vorkommnisse, die in der Berichterstattung zutage getreten sind. Wenn es möglich ist, nehmen wir Ihre Anregungen gerne noch auf. Aber ich will sagen: Ich teile Ihre Bewertung dieser Situation nicht, weil aus meiner Sicht dazu für unser Haus die Grundlagen fehlen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank. - Die Fragen 27 und 28 der Abgeordneten Sabine Zimmermann sowie die Fragen 29 und 30 der Abgeordneten Lisa Paus aus diesem Geschäftsbereich werden schriftlich beantwortet. Deshalb rufe ich jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Die Frage 31 des Abgeordneten Hunko wird ebenfalls schriftlich beantwortet. Daher rufe ich jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit auf. Die Beantwortung übernimmt die Parlamentarische Staatssekretärin Ingrid Fischbach. Wir kommen zur Frage 32 der Abgeordneten Cornelia Möhring: Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus den Presseberichten über die Zustände in deutschen Kreißsälen, laut denen eine Hebamme „sogar acht Geburten parallel betreuen“ musste ({0}), und welche Schlussfolgerungen zieht sie aus der Warnung, Ostern die Zeugung eines Kindes besser zu vermeiden, da sonst eine Niederkunft um die Weihnachts- und Silvesterzeit riskiert wird, in der die „Besetzung in Kreißsaal und Wochenbett-Betreuung noch knapper als sonst“ ist ({1})? Frau Fischbach. http://www.bild.de/regional/duesseldorf/hebamme/hebamme-warnt-vor-kinderzeugen-an-ostenr-51299646.bild.html http://www.bild.de/regional/duesseldorf/hebamme/hebamme-warnt-vor-kinderzeugen-an-ostenr-51299646.bild.html http://www.bild.de/regional/duesseldorf/hebamme/hebamme-warnt-vor-kinderzeugen-an-ostenr-51299646.bild.html

Ingrid Fischbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003117

Liebe Frau Kollegin Möhring, herzlichen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte sie gerne, zumal wir im Vorfeld des Tages der Hebammen am 5. Mai zusammenkommen. Deswegen freue ich mich, heute zur Situation der Hebammen noch einmal Stellung beziehen zu können. Die Sicherstellung, Frau Kollegin Möhring, einer flächendeckenden, bedarfsgerechten und gut erreichbaren medizinischen Versorgung auf qualitativ hohem Niveau steht im Zentrum der Gesundheitspolitik der Bundesregierung. Dabei spielt die medizinische Versorgung von Schwangeren, Müttern und Neugeborenen eine ganz besondere Rolle. Deswegen haben wir hier in den letzten Jahren an vielen Stellen zur Verbesserung beigetragen. Im zitierten Pressebericht geht es um die Frage, wie viele Hebammen von einem Krankenhaus zur Betreuung der anstehenden Geburten eingesetzt werden. Diese Frage betrifft die konkrete Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen von Hebammen. Der Einsatz von Personal und die Personalplanung liegen in der Organisationshoheit des Krankenhauses, das für eine angemessene Personalausstattung, auch an Feiertagen, Sorge zu tragen hat. Die Bundesregierung hat aber die Rahmenbedingungen deutlich verbessert. Im Krankenhausstrukturgesetz wurden konkretisierende Regelungen zu Sicherstellungszuschlägen für Krankenhäuser vorgesehen, wovon auch stationäre, geburtshilfliche Einrichtungen in strukturschwachen Gebieten profitieren können. Sicherstellungszuschläge können für Krankenhäuser vereinbart werden, wenn die Vorhaltung von stationären Leistungen aufgrund des geringen Versorgungsbestandes und -bedarfs nicht kostendeckend finanzierbar ist, die Leistungen aber zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung bei einem Krankenhaus notwendig sind. Auf der Grundlage des mittlerweile ersten Beschlusses des G-BA über bundeseinheitliche Vorgaben zur Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen vom November letzten Jahres können nun seit 2017 Sicherstellungszuschläge von den Vertragsparteien vor Ort vereinbart werden. Hiervon können voraussichtlich circa 70 Krankenhäuser profitieren, sofern sie aufgrund des geringen Versorgungsbedarfs ein Defizit aufweisen. Die Finanzierung von stationären Leistungen der Geburtshilfe erfolgt durch Fallpauschalen, wobei die Vergütung auf Basis der von Krankenhäusern selbst gelieferten Kosten und Leistungsdaten vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, InEK, jährlich neu kalkuliert und kontinuierlich weiterentwickelt wird. Die aufwandsgerechte Vergütung stationärer Leistungen der Geburtshilfe durch die pauschalisierenden Entgelte wird dadurch stetig verbessert. Für die erfolgreiche Weiterentwicklung des Fallpauschalensystems und zur Förderung von dessen Akzeptanz erfolgt beim InEK die Einbindung externen Sachverstands in einem regelhaften Verfahren. In dem dazu eingerichteten Vorschlagsverfahren können alle Beteiligten, natürlich auch die externen, ihre Vorschläge einreichen. Auch für den Entgeltkatalog für das Jahr 2017 hat das InEK Verbesserungen vorgenommen, sodass dieser für den Bereich Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett 25 Fallpauschalen umfasst. Die Leistungen der in Krankenhäusern beschäftigten Hebammen sind darin enthalten. - Entschuldigung, ich fasse mich beim nächsten Mal wesentlich kürzer und hole dadurch die Zeit wieder ein, Frau Präsidentin.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Danke. - Jetzt hat Frau Möhring die Möglichkeit zu einer Zusatzfrage, die sie nutzt.

Cornelia Möhring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004111, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. - Ich will zuallererst feststellen, dass man in der jetzigen Situation auf keinen Fall davon reden kann, dass Geburten in Krankenhäusern immer sicher sind. Nach den Untersuchungen des Hebammenverbandes müssen 35 Prozent der Hebammen zwei Geburten gleichzeitig betreuen, 46 Prozent drei Geburten, 15 Prozent vier Geburten und 5 Prozent sogar mehr als vier Geburten. Nun sprechen Sie die Finanzierung an. Sie ist natürlich eines der Kernprobleme. Nach dem DRG-System sind pro Geburt gerade einmal 780 Minuten vorgesehen. Wenn eine Geburt länger als diese 780 Minuten dauert, dann arbeitet das Krankenhaus nicht kostendeckend. Man organisiert die Finanzierung anhand der Erlöse und orientiert den Personalschlüssel daran statt am Versorgungsbedarf, wie es eigentlich nötig wäre. Es zeigt sich aber, dass das diese Misere nicht löst. Daher ist meine Frage an Sie - auch angesichts der 60 Prozent der geburtshilflichen Abteilungen, die nicht mehr kostendeckend arbeiten -, wo die Bundesregierung dringenden Handlungsbedarf sieht.

Ingrid Fischbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003117

Ich denke, es ist an der Zeit, darüber zu reden, welches Personal wir für welche Abteilung brauchen und wie viel Personal - und dann natürlich auch gut ausgebildetes Personal, das gut bezahlt werden muss - notwendig ist. Es ist Aufgabe der Selbstverwaltung, diese Dinge auszuhandeln. Ich denke, es ist auch der richtige Weg, dass diejenigen, die betroffen sind, Autonomie genießen und das gemeinsam aushandeln können. Wie Sie wissen, sind die Hebammen zurzeit mit dem GKV-Spitzenverband in Verhandlungen. Dabei geht es unter anderem darum, wie viele Geburten betreut werden sollen bzw. ob dafür ein Schlüssel von eins zu eins oder eins zu zwei zugrunde gelegt werden soll. Es ist keine Einigung zustande gekommen. Es ist ein Schiedsverfahren anhängig. Dazu hat der Deutsche Hebammenverband bereits eine Stellungnahme abgegeben, der Bund freiberuflicher Hebammen aber noch nicht. Wir sehen also, dass die Hebammen in der Situation sind, diese Entscheidungen mit zu beeinflussen. Das sollten sie auch tun. Wir werden uns dann, falls nötig, wenn das Ergebnis vorliegt, damit beschäftigen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Möhring, wünschen Sie eine weitere Zusatzfrage?

Cornelia Möhring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004111, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja, die wünsche ich. - Nun ist es so: Sie schieben letztlich die Verantwortung auf die Verhandlungen in den einzelnen Krankenhäusern. Aber es ist durchaus so, dass die Frage der Personalbemessung auch im Ermessen der Bundesregierung liegt. Es gibt nämlich die Möglichkeit, Personalbemessung bundeseinheitlich zu regeln und entsprechend in Richtlinien umzusetzen. In der Studie, die ich schon erwähnt habe, haben der Hebammenverband und das Picker-Institut festgestellt, dass die Arbeitsbedingungen der Hebammen in den Krankenhäusern sich so weit verschlechtert haben, dass ein Teil von ihnen über einen Arbeitsplatzwechsel nachdenkt und anderen diesen Arbeitsplatz gar nicht mehr empfehlen würde. Die Studie stellt zugleich fest, dass es einen Zusammenhang zwischen der Arbeitszufriedenheit und dem Betreuungsschlüssel gibt. Man kann sagen: Je weniger Frauen die Hebammen gleichzeitig zu betreuen haben, desto zufriedener sind sie. Im Umkehrschluss heißt das, dass der Personalmangel eine Ursache ist, die den Hebammenberuf sehr unattraktiv macht. Wie gedenken Sie diesen Beruf wieder attraktiver zu machen?

Ingrid Fischbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003117

Ich glaube, mit den Maßnahmen, die die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht hat, haben wir deutlich gemacht, wie wichtig die Hebammen für die Versorgung sind, gerade auch wenn es darum geht, frei zu wählen, an welchem Ort man entbinden möchte. Wir haben im Bereich der Vergütung vieles auf den Weg gebracht, auch über Zuschläge für die Hebammen, wenn es darum geht, die eklatant steigenden Kosten der Versicherungsprämien aufzufangen. Wir haben dafür gesorgt, dass die Krankenhäuser Sicherstellungszuschläge bekommen. Wir haben im Bereich der Datenlage und der Prävention einiges auf den Weg gebracht. Aber ich glaube, es muss auch ein gesamtgesellschaftliches Umdenken erfolgen. Kein Berufsstand, auch wenn er noch so schlechte Bedingungen hat, tut gut daran, ständig nur die negativen Dinge zu nennen. Das Gleiche gilt auch für bestimmte Arztgruppen. Man muss auch deutlich machen, warum der Beruf gut ist, und die Dinge, die noch verbesserungswürdig sind, dann auch verbessern. Aber ich glaube, wir alle müssen auch allgemein etwas dafür tun, um deutlich zu machen, dass Hebammen wichtig sind, dass wir sie brauchen und dass wir ihre Arbeit mehr als wertschätzen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Terpe, Sie haben auch eine Zusatzfrage.

Dr. Harald Terpe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003854, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, die Frage der Kollegin Möhring - vor allen Dingen die erste Frage - bezog sich auf die Situation in Ballungsgebieten. Dabei war von Düsseldorf die Rede. Uns ist aufgefallen, dass es auch in Presseberichten immer wieder gerade um die Ballungszentren geht und berichtet wird, dass dort Kreißsäle überfüllt sind und die Aufnahme von Schwangeren verweigert wird. Für meine Begriffe hört dort die Autonomie der Krankenhäuser im Übrigen auf, muss ich sagen. Ich wollte Sie aber fragen, ob Sie Kenntnis davon haben, wie häufig so etwas deutschlandweit vorkommt und ob das gar ein ständig auftretendes, relevantes Problem ist, und welche Maßnahmen Sie vorschlagen, um solche Engpässe - Stichwort „Autonomie der Krankenhäuser“ zu beseitigen.

Ingrid Fischbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003117

In der ersten Antwort habe ich schon deutlich gemacht, dass Fragen der Personalsituation - Personalanzahl, aber auch Arbeitszeit - ausnahmslos in ihrer Hoheit, also in den Händen der Krankenhäuser, liegen. Ich habe von Situationen gehört, wie Sie sie gerade beschrieben haben, Herr Kollege Terpe, und kann Ihnen da nur beipflichten: Das geht gar nicht; das geht überhaupt nicht. Aber das sind für uns noch die Ausnahmen. Wir hoffen, dass wir diese Ausnahmen auch beseitigen können. Jetzt können wir mit der Gesamtdiskussion zum Stichwort „Pflegepersonal in Krankenhäusern“ - zum Pflegepersonal in Krankenhäusern gehören auch die Hebammen - einen deutlichen Vorstoß machen, der klarstellt: Wir brauchen an bestimmten Stellen - auch wenn es sich, wie Frau Kollegin Möhring vorhin sagte, nicht immer rechnet - einen Vorhalt, um die Versorgung zum Beispiel der Schwangeren sicherzustellen. Dafür werden wir alles tun.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Ich rufe jetzt die Frage 33 ebenfalls der Abgeordneten Cornelia Möhring auf: Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um diesen Zuständen entgegenzuwirken und somit sichere Geburten in den Kreißsälen zu ermöglichen, und welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, insbesondere in Reaktion auf die Feststellung der Studie des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages „Zur Frage der Sicherstellung einer angemessenen personellen Ausstattung mit Hebammen in stationären Geburtshilfeeinrichtungen in ausgewählten Ländern“ ({0}), dass „fast die Hälfte der Hebammen“ sich „um drei Frauen gleichzeitig während der Geburt“ kümmert ({1})? Frau Staatssekretärin.

Ingrid Fischbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003117

Frau Präsidentin! Frau Kollegin, ich antworte Ihnen wie folgt: https://www.bundestag.de/blob/498952/e6d987867d45ea04396edc12a38aa6d3/wd-9-079-16-pdf-data.pdf https://www.bundestag.de/blob/498952/e6d987867d45ea04396edc12a38aa6d3/wd-9-079-16-pdf-data.pdf Wie bereits in der Antwort zu Ihrer ersten Frage dargelegt wurde, liegen die konkrete Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen sowie der Einsatz von Personal und die Personalplanung in der Organisationshoheit des Krankenhauses. Ergänzend ist zu erwähnen, dass die Aussage, wonach „fast die Hälfte der Hebammen“ sich „um drei Frauen gleichzeitig während der Geburt“ kümmert, auf einer Onlineumfrage mit begrenztem Aussagewert basiert. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auf Bundesebene der Gemeinsame Bundesausschuss befugt ist, für zugelassene Krankenhäuser Mindestanforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität festzulegen. Er kann unter anderem für bestimmte diagnostische oder therapeutische Leistungen spezifische Anforderungen an die Personalausstattung, wie zum Beispiel in der Richtlinie für die Versorgung von Früh- und Neugeborenen vorgesehen, festlegen. Die Entscheidungen über die Notwendigkeit und die konkrete Ausgestaltung der Mindestanforderungen liegen dabei beim G-BA. Inwieweit Personalschlüssel für Hebammen zur Qualitätssicherung in der Geburtshilfe im Krankenhaus erforderlich sein können, ist vom G-BA auf der Grundlage der aktuell verfügbaren wissenschaftlichen Evidenz zu beurteilen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Möhring.

Cornelia Möhring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004111, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Auch hier habe ich eine Nachfrage. - Sie stellen selber fest, dass die Ausrichtung an den Erlösen offensichtlich die Misere in dem Bereich der Gesundheitsversorgung und in der Hebammenversorgung nicht behebt. Ich stelle fest, dass sie hier offensichtlich sogar das Problem verschärft. Die Bundesregierung hat ja anscheinend nicht vor, eine andere Finanzierung auf den Weg zu bringen. Aber ich finde es nicht in Ordnung, dass die Bundesregierung so tut, als wäre das etwas, was auf der Ebene der einzelnen Krankenhäuser ausgehandelt werden kann. Hebammenleistungen sind Teil einer Grundversorgung. Weil Sie die vom Hebammenverband durchgeführte Studie kritisieren, will ich Sie an dieser Stelle fragen, wann Sie denn nun endlich eine Bedarfserhebung für Hebammenleistungen auf den Weg bringen, und zwar wissenschaftlich basiert und räumlich orientiert, also wohnortnah.

Ingrid Fischbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003117

Frau Kollegin, Sie sprechen ein Manko an, nämlich die vorhandenen Daten. Wenn ich die Studie des Hebammenverbandes kritisiert habe, dann liegt das daran, dass nur 1 700 angestellte Hebammen befragt wurden - und nicht auch die Beleghebammen, von denen wir wissen, dass sie einen großen Anteil der Tätigkeiten in den Krankenhäusern durchführen - und dass es nur einen Rücklauf von 44 Prozent gab. Insofern kann man zumindest sagen, dass das nicht allen Ansprüchen, die wir sonst an Studien anlegen, genügt. Ich glaube, da stimmen Sie mit mir überein. Wir müssen natürlich dafür sorgen, dass wir vernünftige Daten bekommen. Aber Sie wissen selber, Frau Kollegin Möhring - Sie sind ja schon sehr lange mit dem Thema der Hebammen beschäftigt -, dass es schwierig ist, an bestimmten Stellen Informationen zu bekommen. Schließlich arbeiten Hebammen nicht nur festangestellt oder als Beleghebammen, sondern auch noch freiberuflich. Diese Daten alle zusammenzubekommen, ist sehr schwierig. Wie ich vorhin unter dem Stichwort „Datenlage“ angesprochen hatte, ist es aber das klare Anliegen der Bundesregierung, die Datenlage deutlich zu verbessern.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Möhring, haben Sie noch eine Zusatzfrage?

Cornelia Möhring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004111, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja. - Ich gehe doch davon aus, dass die Bundesregierung einige Möglichkeiten mehr hat, Daten zu erheben, als sie bisher genutzt hat. Nach meiner Kenntnis werden jetzt Geburtsraten in bestimmten Bereichen erhoben. So wird erkennbar, welcher Geburtsmodus in bestimmten Kreisen auftritt. Damit werden aber nicht zum Beispiel die Anzahl und der Umfang der Hebammentätigkeiten erfasst. Deswegen stelle ich meine Frage noch einmal neu: Haben Sie denn vor, diese Bedarfserhebung endlich auf den Weg zu bringen, so wie es Minister Gröhe schon 2014 angekündigt hat?

Ingrid Fischbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003117

Frau Kollegin, wir sind jetzt dabei, die Dinge, die uns vorliegen, auszuwerten. Dann werden wir schauen, an welchen Stellen noch Datengrundlagen fehlen, und gegebenenfalls die entsprechenden Daten erfassen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Terpe, Ihre Zusatzfrage.

Dr. Harald Terpe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003854, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es dreht sich offensichtlich um die Frage nach der Personalbemessung bzw. Personalplanung bei den Hebammen. So wird der Vorwurf erhoben, dass eine Hebamme sehr viele Geburten gleichzeitig betreuen muss. Aus meiner Erfahrung muss ich sagen: Beim eigentlichen Geburtsvorgang kann eine Hebamme unmöglich acht oder drei Frauen gleichzeitig betreuen. Es geht sicherlich um diejenigen, die im Kreißsaal tätig sind. Nichtsdestotrotz ist das eine wichtige Frage. Ich stelle an Sie, Frau Staatssekretärin, folgende Frage: Ist der G-BA mit dieser Frage überhaupt befasst worden? Man muss ihm auch den Auftrag erteilen, sich damit zu beschäftigen. Dabei ist insbesondere die Frage wichtig, ob sich die Situation beispielsweise durch hebammengeleitete Kreißsäle verändern würde. Hat die Bundesregierung dazu Daten, und befördert sie diesen Prozess?

Ingrid Fischbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003117

Der G-BA hat aufgrund der eben von mir erwähnten Richtlinie, in der es um die Versorgung von Früh- und Neugeborenen geht, einen besonderen Blick auf die Geburtssituation. Dieses Thema wird weiterhin sehr intensiv von der Bundesregierung begleitet, und zwar unter Einbeziehung der entsprechenden Beteiligten. Wie Sie wissen, sind wir bei der Erarbeitung der Leitlinien weitergegangen: Wir haben Studien in Auftrag gegeben, um die Situation effektiver und besser bewerten und dementsprechend exakte Vorschläge und Aufträge an die Verantwortlichen geben zu können.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank. - Damit schließe ich diesen Geschäftsbereich. Ich leite über zu dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Die Beantwortung der Fragen übernimmt der Parlamentarische Staatssekretär Norbert Barthle. Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Herbert Behrens auf: Wurden die im Rahmen der Untersuchungskommission des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zum Abgasskandal erhobenen CO2-Werte gemäß den Anforderungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus ({0}) erhoben ({1}), und wann sind die Nachmessungen an dort auffällig gewordenen Fahrzeugen abgeschlossen worden? Herr Staatssekretär.

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Behrens, Ihre Frage zu einzelnen Aspekten der laufenden Untersuchungen und zur Untersuchungskommission beantworte ich Ihnen wie folgt - ich vermute, dass Sie schon erahnen, wie ich sie beantworten werde -: Da die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind, kann ich zu einzelnen Aspekten der Untersuchungen der Untersuchungskommission zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussagen machen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Behrens, wünschen Sie das Wort zu einer Zusatzfrage? - Bitte.

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Darüber können wir uns, glaube ich, lange streiten. Denn der einzelne Aspekt, den Sie erwähnt haben, bezog sich konkret auf die Nachfrage bei Ihnen: Sind die Nachmessungen aufgrund des Neuen Europäischen Fahrzyklus, NEFZ, erfolgt, oder hat das KBA darüber hinausgehende Veränderungen vorgenommen, um weitere Dinge zu messen? Es geht nur um die Frage: Ist nach NEFZ-Standard oder nach einem anderen Maßstab gemessen worden?

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Noch einmal, Kollege Behrens: Zu Einzelheiten machen wir während der laufenden Untersuchungen keine Aussagen. Ein Abschlussbericht wird erstellt werden. Dann können Sie alle einzelnen Aspekte nachlesen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Eine weitere Nachfrage.

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Diese Aussage ist identisch mit der von April 2016. Auch damals sagten Sie, es handele sich um ein laufendes Verfahren. Haben Sie eine ungefähre Ahnung, in welchem Jahr oder Jahrzehnt diese Sachen abgeschlossen sein werden?

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Ich gehe davon aus, dass diese Untersuchungen noch während der laufenden Legislaturperiode abgeschlossen werden. ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Ich rufe die Frage 35 des Abgeordneten Herbert Behrens auf: Wann wird der Endbericht mit den Ergebnissen dieser Nachmessungen veröffentlicht, und für welche der auffällig gewordenen Fahrzeuge mussten in diesem Kontext die Verbrauchs- bzw. CO2-Werte für die Typenzulassung angepasst werden?

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Frau Präsidentin, Herr Kollege Behrens, meine jetzige Antwort deckt sich mit unseren bisherigen Einlassungen dazu. Der Endbericht wird dann veröffentlicht, wenn die Ergebnisse der Untersuchungen vorliegen. Die Bundesregierung greift den Ergebnissen des Endberichts nicht vor.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Behrens, Zusatzfrage?

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja. - Unabhängig von den noch laufenden Untersuchungen: Es hat bei den verpflichtenden Rückrufen, VW-Fahrzeuge betreffend, seitens des KBA Nachmessungen gegeben. Im April 2016 wurde für verschiedene Audi-Fahrzeuge die Freigabe erteilt, weil sowohl die Stickoxidwerte als auch die CO2-Werte offenbar stimmten. Für zwei weitere Fahrzeuge, wenn ich mich recht erinnere - das betraf den Passat und ein Seat-Modell -, wurde die Freigabe der neuen Software zum damaligen Zeitpunkt noch nicht erteilt. Auf welcher Grundlage wurde zum damaligen Zeitpunkt festgestellt, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt sind? Gehörte dazu nur der Stickoxidausstoß, oder gehörte dazu auch der CO2-Ausstoß der umgerüsteten Fahrzeuge?

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Herr Kollege Behrens, noch einmal: Zu einzelnen Ergebnissen dieser Untersuchung mache ich keine detaillierten Aussagen. Sie können aber davon ausgehen, dass die Untersuchungen des KBA sich an den derzeit geltenden Standards orientieren. ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Sie verzichten auf Ihre weitere Zusatzfrage? - Eine haben Sie noch.

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Verstehe ich Sie richtig, dass auch über die Freigabe von Fahrzeugen, die jetzt auf dem Markt sind, nicht berichtet werden darf? Darf nicht berichtet werden, nach welchen Kriterien diese Fahrzeuge, die jetzt auf dem Markt sind und wieder fahren und offenbar gefahren werden dürfen, gemessen worden sind? Ich frage deshalb nach, weil es natürlich für die Kundinnen und Kunden sehr wichtig ist, zu erfahren, ob sie ein umgerüstetes Auto, das den Angaben entspricht und die Vorgaben erfüllt, haben oder nicht. Eine Untersuchungskommission des Verkehrsministeriums hat festgestellt: Es gibt eine Reihe von Dieselfahrzeugen, die weit mehr CO2 ausstoßen, als sie dürfen, die nämlich mehr als 10 Prozent vom angegebenen Wert abweichen. Wir wissen auch, dass Käufer, Kunden, Verbraucher die Möglichkeit haben, ihr Fahrzeug zurückzugeben, wenn der CO2-Ausstoß um mehr als 10 Prozent abweicht. Sind die Besitzer entsprechender Fahrzeuge über diese Sachlage und die Messergebnisse informiert worden - ja oder nein?

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Die Fahrzeuge, die umgerüstet wurden und zum Verkehr freigegeben sind, entsprechen den Anforderungen der EU-weiten Regelung, die bei den Messungen zugrunde gelegt wurden.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Damit sind wir am Schluss der heutigen Fragestunde. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 27. April 2017, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.