Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 1/18/2017

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Die Sitzung ist eröffnet. Ich wünsche Ihnen allen und uns ein gutes neues Jahr . Ich rufe mit einigen Minuten Verzögerung den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns heute im Bundeskabinett über zwei Fragen unterhalten: zum einen über das DWD-Gesetz und zum anderen über die neue Drohnenverordnung . Mit Ihrem Einverständnis, Herr Präsident, würde ich gerne auf beides eingehen . Zum ersten Punkt, zum Gesetz über den Deutschen Wetterdienst: Es geht darum, dass wir uns in unserer Digitalen Agenda vorgenommen haben, die Rahmenbedingungen für einen effektiven Zugang zu öffentlich finanzierten Daten zu verbessern . Wir alle wissen, dass Daten der Rohstoff für zukünftige digitale Wertschöpfung sind. Dem dient dieses Gesetz. Wir schaffen nämlich die Voraussetzungen dafür, dass zukünftig der DWD Millionen an Klima- und Wetterdaten kostenfrei jedermann zur Verfügung stellen kann . Bisher fallen Gebühren für die Nutzung dieser Daten an . Wir werden das jetzt ändern . Aus unserer Sicht ist das die Grundvoraussetzung für Innovationen . Es werden durch die Möglichkeit des quasi barrierefreien Zugangs zu diesen Daten neue Geschäftsmodelle, neue Ideen entstehen und möglicherweise dann auch zur Marktreife entwickelt werden . Gerade die Vernetzung vielfältiger Anwendungen mit den Daten des Deutschen Wetterdienstes lässt vielerorts die Fantasie sprießen, was man damit an zusätzlicher Wertschöpfung erreichen kann . Wir wollen diese Daten auch in unserer mCLOUD, in unserer Mobility Cloud, zur Verfügung stellen . Die mCLOUD ist eine bereits bestehende Datencloud, in der offene Daten, die unserem Haus vorliegen, zur Verfügung gestellt werden . Wir haben außerdem Unternehmen aufgefordert, auch ihre Daten zur Verfügung zu stellen, sodass wir einen Marktplatz mit einem vielfältigen Datenschatz haben, auf den Nutzer zurückgreifen können . Wir gehen davon aus, dass auf diesem Zugang zu den vielfältigen Klima- und Wetterdaten hohe Konjunktur herrschen wird, sich also viele Menschen zukünftig mit diesen Daten beschäftigen werden . Der zweite Punkt, über den wir heute diskutiert haben, ist die Drohnenverordnung . Eine neue Drohnenverordnung war notwendig, weil wir es hier mit einem extrem wachsenden Markt zu tun haben . Wir gehen davon aus, dass in Deutschland bereits im letzten Jahr 400 000 Drohnen in Privatbesitz waren und dass zu Weihnachten weitere 100 000 Drohnen dazugekommen sind . Einher mit den Zuwächsen in diesem Bereich geht natürlich auch eine steigende Zahl von Zwischenfällen mit Drohnen . Die DFS meldet, dass wir im Jahr 2015 im Luftverkehrsbereich 14 Zwischenfälle mit Drohnen zu verzeichnen hatten, 2016 waren dann schon über 60 Zwischenfälle zu verzeichnen . Allein an der Entwicklung der Zahl der Zwischenfälle sieht man, welche Dynamik hier zu verzeichnen ist . Das ist der Grund dafür, dass wir eine Verordnung mit neuen Regeln schaffen werden. Wir unterscheiden dabei zwei Säulen . Die erste Säule umfasst die gewerblichen Drohnen . Wir wollen auch hier neue Geschäftsmodelle ermöglichen . Sie alle kennen die Diskussionen über Paketdrohnen und vieles mehr . Wir haben deswegen die Regelung getroffen, dass im gewerblichen Bereich ein Drohnenflug zukünftig auch außerhalb der Sichtweite des Steuerers der Drohne möglich ist; bisher ist das untersagt . Der Drohnenflug außerhalb der Sichtweite ist allerdings erlaubnispflichtig, sodass diese Geschäftsmodelle zukünftig entsprechend angemeldet werden müssen . Die zweite Säule umfasst die privaten Drohnen . Wir führen eine Kennzeichnungspflicht für private Drohnen ein, wenn sie mehr als ein Viertel Kilogramm wiegen, also mehr als 250 Gramm. Kennzeichnungspflicht bedeutet, dass Name und Adresse auf der Drohne verzeichnet werden müssen, um im Schadensfall den Eigentümer leichter ermitteln zu können . Bei Drohnen, die deutlich schwerer sind, also über 2 Kilogramm wiegen, muss der Drohnenführer entsprechende Kenntnis nachweisen können . Hierfür führen wir einen Kenntnisnachweis ein . Des Weiteren werden in dieser Verordnung eine Reihe von Betriebsverboten dargestellt . Damit wird unter anderem der Zweck verfolgt, dass denjenigen, die sich Drohnen anschaffen, klar wird, dass nicht grundsätzlich alles mit Drohnen erlaubt ist . Vielmehr sollen sie sehr genau nachvollziehen können, wo die Grenzen beim Einsatz von Drohnen liegen . Eine dieser Grenzen ist die Höhenbeschränkung . Drohnen sollen zukünftig nicht höher als 100 Meter fliegen. Das ist eine Grenze, die im Besonderen mit dem Bundesministerium für Verteidigung vereinbart worden ist, weil wir bei Höhen über 100 Metern in Bereiche kommen, in denen in Deutschland Tiefflüge von Hubschraubern stattfinden können. In vielen weiteren sensiblen Bereichen gibt es Einschränkungen: Zum Beispiel über Rettungseinsätzen, über Menschenansammlungen, über Naturschutzgebieten, über Bundesfernstraßen wie auch über Bahnanlagen dürfen Drohnen nicht gesteuert werden . In Kontrollzonen von Flugplätzen dürfen Drohnen ebenso wenig fliegen wie in den An- und Abflugbereichen. Es geht natürlich auch um den Schutz der Privatsphäre . Deswegen haben wir in die Verordnung aufgenommen, dass mit Drohnen nicht über Wohngrundstücke geflogen werden darf, wenn diese in der Lage sind, Fotooder Videoaufnahmen zu machen - außer es gibt eine Zustimmung des Grundstückseigentümers . Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass wir uns besonders über Ausnahmen für sogenannte Modellflieger unterhalten haben . Es gibt zahlreiche Ausnahmen für den Modellflugsport. Insbesondere werden auf Modellfluggeländen die Einschränkungen, die ich vorhin genannt habe, so nicht zum Tragen kommen . Das heißt, auf Modellflugplätzen gilt weder die Höhenbeschränkung noch gelten andere entsprechende Einschränkungen, sodass man davon ausgehen kann, dass Modellflieger in Vereinen ihrem Sport so, wie bisher schon gewohnt, nachgehen können . Herzlichen Dank .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Herr Minister, vielen Dank . - Ich schlage vor, dass wir jetzt wie folgt vorgehen: Zunächst stellen Sie die Fragen, die sich mit dem angekündigten Themenbereich Wetterdienst beschäftigen . Dann kommen wir zu anderen Fragen, die in der Kabinettssitzung eine Rolle gespielt haben . Danach besteht die Möglichkeit, weitere Fragen an die Bundesregierung zu richten . Wir beginnen mit einer Frage der Kollegin BullingSchröter .

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön . - Meine Frage bezieht sich auf den Deutschen Wetterdienst . Ich würde gerne von der Bundesregierung wissen, ob die finanzielle und personelle Ausstattung des Deutschen Wetterdienstes ausreicht, um im Lichte immer komplexer werdender Datenanalyseverfahren, Modellierungsmethoden und notwendiger Projektforschung mit anderen forschenden Institutionen und auch mit privaten Wetterdienstleistern zukünftig mithalten zu können . Mir ist zu Ohren gekommen, dass sehr viele Beschäftigte befristet eingestellt sind . Ich habe auch gehört, dass Stellen, die dadurch frei werden, dass Kolleginnen und Kollegen in Rente gehen, nicht mehr besetzt werden . Dazu würde ich gerne etwas hören .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Herr Bundesminister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Liebe Kollegin, vielen Dank . - Die personelle Ausstattung des Deutschen Wetterdienstes ist im Umfeld seiner bisherigen Aufgaben ausreichend . Wir wissen allerdings, dass wir es mit einem dynamischen Prozess zu tun haben . Das heißt, es ist auch zukünftig davon auszugehen, dass immer mal wieder neue Aufgaben auf den Deutschen Wetterdienst zukommen . Gerade im Bereich der Klimaforschung leistet der Wetterdienst erstklassige Arbeit . Da gibt es immer wieder neue internationale Aufgaben, die zusätzlich erledigt werden müssen . Für zusätzliche Aufgaben muss dann auch das entsprechende Personal zur Verfügung gestellt werden . Genau in diesem Sinne haben wir bisher immer gehandelt und werden auch weiterhin so handeln . Neue Aufgaben haben auch neues Personal zur Folge .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Für die nächste Frage hat der Kollege Ralph Lenkert von der Fraktion Die Linke das Wort .

Ralph Lenkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004091, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Minister, die Anforderungen an Wettervorhersagen seitens der Industrie, der Landwirtschaft und der Gesellschaft werden immer größer . Gibt es deshalb Planungen, die automatischen Messnetze des DWD, des Deutschen Wetterdienstes, die standardmäßig alle zehn Minuten Messwerte übermitteln, weiter auszubauen? Falls Sie das nicht planen, bitte ich Sie, die Entscheidung des Ministeriums zu begründen, gerade im Hinblick darauf, dass für präzisere Wettermodellierung ein engmaschiges Messnetz unerlässlich ist .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Herr Bundesminister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Vielen Dank . - Wir teilen die Einschätzung, dass die Anforderungen immer größer werden, und die Auffassung, dass das Netz der Daten, die erhoben werden, imBundesminister Alexander Dobrindt mer engmaschiger werden muss . Von daher haben wir in der Tat die Vorstellung, das Netz der Messstationen auszubauen . Zurzeit wird beim Deutschen Wetterdienst eine entsprechende Strategie entwickelt . Diese Strategie kann allerdings nicht in wenigen Wochen umgesetzt werden, sondern deren Umsetzung wird sich über Jahre hinziehen . Ziel ist es, dem Mehrbedarf an Wetterinformationen nachzukommen . Es gilt, diese Strategie abzuwarten, sie entsprechend zu bewerten und im Zweifelsfall zu genehmigen . Dabei geht es ja dann um erhebliche Investitionen in die technische Ausstattung .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Die nächste Frage stellt der Kollege Gustav Herzog von der SPD . ({0}) - Zu den Drohnen . Damit warten wir noch ein bisschen . - Dann kommt als Nächstes die Frage der Kollegin Dr . Claudia Lücking-Michel .

Dr. Claudia Lücking-Michel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004345, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, vielen Dank . - Meine Frage bezieht sich auch auf den Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über den DWD . Es geht um die Abgrenzung zwischen den Dienstleistungen, die der DWD künftig anbieten können soll, und den Dienstleistungen privater Anbieter, also um das breite Feld an Marktangeboten, die es schon gibt . In Ihrer Einführung habe ich gehört: Ziel ist es, Daten zur Verfügung zu stellen, um damit die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle zu ermöglichen . - Das finde ich gut. Trotzdem habe ich eine Rückfrage. Nach meinem Verständnis verhält es sich so: Es gibt die sogenannten Rohdaten - das sage ich mal in der Laiensprache -, die die Wetterleute einkaufen müssen . Diese Daten werden unter anderem von Satelliten geliefert . Der DWD kann dafür Steuermittel einsetzen . Alle anderen, die diese Daten nutzen wollen, müssen sie einkaufen . Damit man diese Daten zum Beispiel für Privatleute wie Claudia Lücking nutzbar machen kann, muss man sie technisch aufbereiten . Wir alle benutzen heute entsprechende Apps . Das ist eine Dienstleistung, entwickelt auf Basis der Rohdaten . Da gibt es einen breiten Markt mit vielen hilfreichen Angeboten . Ich verstehe, dass private Anbieter sagen: Wir möchten, dass diese Leistung, die wir erbringen, finanziert wird. Entweder ihr bezahlt die App, oder ihr müsst Werbung in Kauf nehmen . Jetzt zu meiner Frage: Was ist die Intention der öffentlichen Hand? Will man neben diesem breiten Marktangebot ein Zusatzangebot schaffen? Mir fällt dazu ein: Wir haben im Sinne der Daseinsvorsorge ein Interesse daran, dass es Apps wie WarnWetter gibt . In dem Gesetz werden diese Dienste jedoch nicht näher bestimmt . Ich lese da: für alle Nutzer in allen Fällen . - Das müsste aus meiner Sicht dringend eingegrenzt werden, um den Markt nicht kaputtzumachen .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Herr Bundesminister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Herzlichen Dank . - In der Tat gibt es immer, wenn öffentliche Daten offen zur Verfügung gestellt werden, die Frage: Wer kann damit welche Geschäftsmodelle entwickeln? Unser Ziel ist es, die privaten Anbieter dadurch zu unterstützen, dass wir unsere Daten jetzt kostenfrei zur Verfügung stellen . Das heißt, die Hürde für neue Anbieter, für neue Ideen wird gesenkt . Das ist genau das Ziel unseres Umgangs mit öffentlichen Daten. Sie sollen nicht einigen wenigen, sondern der großen Masse zur Verfügung stehen . Der Deutsche Wetterdienst selber stellt zum Beispiel kostenlos die WarnWetter-App zur Verfügung . Das Angebot dieser App ist im Rahmen seines Auftrags zu sehen . Unwetterwarnung ist die klassische Kompetenz des Deutschen Wetterdienstes . Genau in diesem Zusammenhang ist auch das Engagement des Deutschen Wetterdienstes bei dieser App zu sehen . Andere Ideen verfolgen wir nicht . Das heißt, wir wollen in den Wettbewerb zwischen den privaten Unternehmen, den Sie angesprochen haben, durch das Engagement des Deutschen Wetterdienstes nicht eintreten bzw . nur im gesetzlichen Rahmen . So haben wir das auch im Gesetzentwurf festgeschrieben . Nur in diesem Rahmen wird der Deutsche Wetterdienst seine Dienstleistungen der Bevölkerung anbieten .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Der Kollege Lenkert hat noch eine Frage zu diesem Themenbereich .

Ralph Lenkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004091, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Minister, Sie sprachen gerade an, dass vor möglichen Hochwasserkatastrophen, wie wir sie letztes Jahr ja häufig erlebt haben, vor Starkregenereignissen - hier gibt es nur kurze Warnzeiten - eine App die Warnung aussprechen soll . Jetzt ist es aus unserer Sicht nicht verständlich, weshalb im Rundfunk vor jedem Falschfahrer sofort gewarnt wird das Programm wird dafür sogar unterbrochen -, aber vor einer bevorstehenden Überflutung in Orten nicht. Daher lautet die Frage an Sie: Ist zusätzlich zu der Information durch die App vorgesehen, dass Rundfunkanbieter und Telekommunikationsanbieter verpflichtet werden, Warnmeldungen des Deutschen Wetterdienstes - diese können bei Starkregenereignissen nur kurz vorher bekannt gegeben werden - zu verbreiten, um Leben, Sachmittel und Ähnliches zu schützen? ({0}) - Nein, das ist nicht der Fall . - Ist das im Gesetzentwurf enthalten?

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Herr Bundesminister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Ich glaube, dass Sie noch einmal deutlicher machen bzw . präzisieren müssten, was Sie im Zusammenhang mit dem Verbreitungsweg der Informationen eigentlich möchten . Klar ist doch: Wenn der Wetterdienst Warnungen herausgibt, beispielsweise eine Warnung vor Starkregenereignissen, dann werden diese - so ist es zumindest heute - nicht nur über die Homepage und die App des Deutschen Wetterdienstes verbreitet, sondern natürlich auch über die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Meine ganz persönliche Erfahrung ist übrigens, dass sich auch der private Rundfunk ganz stark dieser Aufgabe widmet . Ich sehe da jetzt keinen weiteren Handlungsbedarf .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Vielen Dank, Herr Minister . - Wir verlassen jetzt den Bereich Wetterdienst und kommen zu dem von Ihnen, Herr Minister, auch schon angesprochenen Bereich der Genehmigung von und des Umgangs mit Drohnen . Zunächst hat das Wort der Kollege Stephan Kühn .

Stephan Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004085, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Minister Dobrindt, zur Drohnenverordnung habe ich folgende Frage: Um Fragen der Haftung bei Unfällen oder Beinaheunfällen und deren Aufklärung effektiv zu gestalten, würde sich ein zentrales Drohnenregister, wie es das beispielsweise in den USA gibt, eignen . Es hilft auch, einen Überblick darüber zu haben, welche unbemannten Luftfahrtsysteme unterwegs sind . Sie haben in Ihrer Verordnung darauf verzichtet . Mich würde interessieren: Warum ist in der Verordnung, wie beispielsweise von der Deutschen Flugsicherung gefordert, nicht vorgesehen, ein zentrales Drohnenregister einzuführen? Eine zweite Frage . Sie haben angesprochen, dass für den Einsatz bestimmter Drohnen ein Kenntnisnachweis erforderlich sein wird, also eine Art Drohnenführerschein . In der Verordnung steht, dass „anerkannte Stellen“ für diese Kenntnisnachweise zuständig sein sollen . Mich würde interessieren: Wie soll das Verfahren eigentlich konkret aussehen? Also: Wer wird das sein? Wer sind die anerkannten Stellen? Was wird dort inhaltlich abgefragt werden? Wie wird überprüft werden, ob die geeigneten Kenntnisse erworben wurden? In dem Zusammenhang frage ich auch, warum man sich dafür entschieden hat, diese Kenntnisnachweise erst für Drohnen ab 2 Kilo und nicht für kleinere Drohnen einzuführen .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Herr Bundesminister, Sie haben das Wort .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Vielen Dank . - Richtig ist, dass wir einen Kenntnisnachweis ab einer Gewichtsklasse von 2 Kilo einführen wollen . Es geht darum, dass wir Gewichtsunterschiede zwischen Drohnen als Unterscheidungsmerkmal für adäquat erachten . Wir wissen, dass der Schaden, den eine Drohne im Zweifelsfall auslösen kann, sehr stark von ihrem Eigengewicht abhängig ist . 2 Kilo sind die Grenze darüber wird zurzeit auch international diskutiert -, ab der man Unterschiede machen kann . Uns ist wichtig, dass Führer solcher Drohnen - eine 2-Kilo-Drohne ist ein relativ schweres Gerät - eine entsprechende Einweisung haben, wie man mit einer Drohne umgeht, luftrechtliche Fragestellungen beantworten können, letztlich also eine Eignung haben, sich mit der Drohne im Luftraum zu bewegen . Die Details, die dafür zu erarbeiten sind, werden zwischen den Luftfahrtbehörden der Länder und der Luftfahrtbehörde des Bundes abgestimmt und zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung umgesetzt . Zur zweiten Frage: zum zentralen Drohnenregister . Wir haben in der Tat relativ lange darüber diskutiert, was angemessen ist: ein zentrales Drohnenregister oder eine Kennzeichnungspflicht. Wir haben uns aktuell für die Kennzeichnungspflicht entschieden, weil wir glauben, dass sie zum jetzigen Zeitpunkt die richtige Lösung im Hinblick auf private Drohnen ist . Man kann allerdings nichts ausschließen; denn es handelt sich hier in der Tat um eine Verordnung, die sich weiterentwickelt . Außerdem erwarten wir eine europäische Regelung, wissen aber noch nicht, wann sie kommt . Ich gehe davon aus, dass sie dieses Jahr nicht mehr kommt, möglicherweise aber im nächsten Jahr . Auch daran arbeiten wir mit, und man wird sehen, welche Vereinbarungen die europäischen Länder in dieser Frage treffen. Das heißt, auch in diesem Rahmen wird über ein mögliches zentrales Drohnenregister gesprochen . Ob es sich umsetzen lässt, kann man aus heutiger Sicht noch nicht sagen . Aber dies ist zumindest perspektivisch ein Thema, über das immer wieder diskutiert werden wird .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Vielen Dank . - Das Wort hat jetzt der Kollege Gustav Herzog .

Gustav Herzog (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003148, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, vielen Dank für diese Verordnung . Ich halte sie für einen sehr ausgewogenen Vorschlag, der technische und geschäftliche Entwicklungen auf der einen Seite sowie Schutz und Sicherheit auf der anderen Seite vernünftig zusammenführt . Was die gewerbsmäßige Nutzung von Drohnen betrifft, habe ich mir auf der Weinbautechnologiemesse in Stuttgart den Einsatz von Drohnen im Steillagenweinbau, bei dem bislang Hubschrauber oder schweres Gerät zum Einsatz kommen, angeschaut . In diesem Bereich kann man mit Drohnen ganz viel machen, und das bedeutet enorme ökologische und ökonomische Vorteile . Sie haben davon gesprochen, es gebe eine absolute Grenze von 100 Metern . Diese Grenze würde in dem angesprochenen Bereich sehr schnell dazu führen, dass der Einsatz von Drohnen unmöglich wäre . Die Frage ist: Sind diese 100 Meter eine absolute Grenze, oder gibt es nach Ihrer Verordnung die Möglichkeit, Ausnahmegenehmigungen zu bekommen?

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Herr Bundesminister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Herzlichen Dank . - Es ist genau so, wie Sie es beschreiben, Herr Kollege Herzog: dass ein vielfältiger Einsatz von Drohnen zukünftig möglich sein wird . Dies gilt nicht nur im Hinblick auf die Paketzustellung, sondern auch für das Thema, das Sie angesprochen haben . Auch wenn es darum geht, Schäden an hohen Gebäuden zu begutachten, kann ich mir gut vorstellen, dass dabei Drohnen zum Einsatz kommen können . Auch Vermessungsarbeiten können schon heute sehr präzise von Drohnen durchgeführt werden . All das sind Beispiele für einen Einsatz von Drohnen, bei dem man möglicherweise deutlich oberhalb der 100-Meter-Grenze agieren muss . Genau deswegen haben wir in der Verordnung festgeschrieben, dass all diese Geschäftsmodelle in Zukunft möglich sein sollen und Genehmigungen für den Einsatz von Drohnen auch deutlich jenseits der 100-Meter-Grenze erteilt werden sollen . Natürlich werden das Geschäftsmodell, der Einsatzort und alles, was dazugehört, dann einer Erlaubnispflicht unterliegen. Aber ich sage ausdrücklich: Ja, die Erlaubnisse für die entsprechenden gewerblichen Anwendungen sollen erteilt werden .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Vielen Dank . - Die Möglichkeit, eine weitere Frage zu stellen, hat der Kollege Ralph Lenkert .

Ralph Lenkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004091, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Minister, Sie führten aus, dass Film- und Fotoaufnahmen über Wohngebieten untersagt sind, außer es liegt eine ausdrückliche Genehmigung des Eigentümers oder des Nutzers vor . Die Frage, die sich uns stellt, ist: Wie soll dieses Verbot durchgesetzt und überprüft werden, und welche Behörden sind für die Durchsetzung zuständig, also dafür, dass dieses Verbot auch eingehalten wird?

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Herr Bundesminister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Richtig ist, dass wir der Überzeugung sind, rechtzeitig in einer Verordnung festhalten zu müssen, dass es einen Schutz der Privatsphäre gibt . Dieser Schutz der Privatsphäre wird dadurch zum Ausdruck gebracht, dass man über private Wohngrundstücke mit einer Drohne, die Video- und Fotoaufnahmen machen kann, nicht fliegen darf . Zu der konkreten Nachfrage, was passiert, wenn das trotzdem geschieht: Bei einem Fehlverhalten gilt es natürlich zuerst, dieses zur Anzeige zu bringen . Das gilt hier genauso wie in allen anderen Fällen . Entsprechend gibt es Strafmaßnahmen, die dann greifen . Für uns steht allerdings an erster Stelle, dafür zu sorgen, dass das Verbot jedermann klar ist . Es gilt, um Klarheit im rechtlichen Sinne zu schaffen, auch diejenigen zu informieren, die möglicherweise ohne bösen Willen solche Drohnenflüge durchführen wollen. Falls es dann doch durch bewusstes Fehlverhalten zu einem missbräuchlichen Einsatz von Drohnen kommt, muss dies zur Anzeige gebracht werden und wird dann entsprechend geahndet .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Vielen Dank, Herr Minister . - Für eine weitere Frage hat jetzt der Kollege Stephan Kühn das Wort .

Stephan Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004085, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Minister Dobrindt, ich knüpfe an das Thema Drohnen an, das mein Kollege Lenkert bereits angesprochen hat . Zunächst zur Gewichtsbegrenzung . Erst ab einem Drohnengewicht von 2 Kilogramm wird ein Kenntnisnachweis des Drohnenführers gefordert . Ich glaube aber mit Blick auf einen Punkt, den Sie selbst angesprochen haben, nämlich die Einhaltung der Persönlichkeitsrechte, dass man mit einer sehr kleinen Drohne, die vielleicht gar nicht sofort sichtbar ist, sehr viel mehr Schaden als mit einem größeren Fluggerät anrichten kann . Insofern frage ich, ob es richtig ist, mit Bezug auf das potenzielle Schadensmaß eine Gewichtsbegrenzung einzuführen, gerade vor dem Hintergrund des Schutzes der Persönlichkeitsrechte . Da würde mich Ihre Abwägung interessieren . Der zweite Punkt - Herr Lenkert hat es bereits angesprochen -: Welche Strafmaßnahmen sollen bei Zuwiderhandlungen, etwa bei einer Nichteinhaltung von Überflugverboten, ergriffen werden, wenn eine Anzeige erfolgt, und welche Behörden sind dafür zuständig? Sind das die Landesluftfahrtbehörden? Und wie sehen Sie generell den Bedarf an personeller Ausstattung sowohl bei den Landesluftfahrtbehörden als auch beim Luftfahrt-Bundesamt -, die notwendig ist, um dafür zu sorgen, dass die Einhaltung der Regelungen aus der Verordnung auch kontrolliert wird?

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Herr Bundesminister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Vielen Dank . - Zu Ihrem ersten Punkt - Kenntnisnachweis, Missbrauch und Gewichtsbeschränkung -: In der Tat hat der mögliche Missbrauch mit dem Gewicht erst einmal nicht so viel zu tun, der herbeigeführte Schaden im Zweifelsfall allerdings schon . Denken Sie an die Zwischenfälle, die ich vorhin genannt habe, die von der Deutschen Flugsicherung gemeldet worden sind . Selbstverständlich macht es im Falle einer Kollision einen großen Unterschied, ob man sich einem Hubschrauber mit einer schweren oder mit einer sehr leichten Drohne nähert . Durch diese Verordnung soll sichergestellt werden, dass auch die Führer von leichten Drohnen Kenntnis darüber erlangen, was erlaubt ist und was nicht . Dazu gehört, dass das Überfliegen von privaten Wohngrundstücken mit jeglicher Art von Drohnen, die Filmaufnahmen ermöglichen, nicht erlaubt ist . Wie kann man so etwas in das Ordnungswidrigkeitenrecht umsetzen? Wir reden ja hier von Ordnungswidrigkeiten und entsprechenden Bußgeldern . Vorgesehen ist, dass der übliche Bußgeldkatalog Anwendung findet; das heißt, Bußgelder bis zu 50 000 Euro sind möglich . Man muss aber klar nach der Schwere des Missbrauchs differenzieren . Wir können uns diese hohen Bußgelder nur bei sehr schweren Vergehen vorstellen .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Zu diesem Themenkomplex hat der Kollege Lenkert noch eine Frage, dem ich dazu das Wort erteile .

Ralph Lenkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004091, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Minister, ich stimme Ihnen zu, dass die direkten Schäden durch Drohnen vom Gewicht abhängen, wobei sich mir hier noch die kleine Frage stellt, ob Sie bei den 2 Kilogramm vom Brutto- oder vom Nettogewicht ausgehen; denn Drohnen können teilweise deutlich schwerere Lasten tragen . Meine eigentliche Frage ist aber, wie es mit den indirekten Schäden aussieht . Wie soll ich als Geschädigter etwas zur Anzeige bringen, wenn Drohnen von unter 250 Gramm nicht einmal eine Kennzeichnung haben müssen? Gegen wen soll ich die Anzeige richten - gegen unbekannt? Wie sollen die Ermittlungsbehörden den Eigner der Drohne ermitteln, durch die mein Recht geschädigt wurde, wenn es kein Register und keine Kennzeichnungspflicht für Drohnen von unter 250 Gramm gibt? Meine nächste Frage bezieht sich auf Drohnen von über 250 Gramm . Wie soll ich vom Erdboden aus die entsprechende Kennzeichnung erkennen können? Hier gibt es beispielsweise einen Unterschied zu den Pkws, deren Kennzeichen gut lesbar sind . Das heißt: Wie soll ich mein Recht auf Sicherheit und Datenschutz gegen missbräuchliche Anwendung durchsetzen können? Wie soll das geklärt werden? Welche Behörden sind für die Überwachung zuständig? Ich persönlich kann keine Anzeige erstatten, weil mir gar nicht alle Informationen zur Verfügung stehen, um überhaupt anzeigen zu können .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Herr Bundesminister Dobrindt, Sie haben das Wort .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Zu Ihrer ersten Frage: Wir reden natürlich vom Gesamtgewicht der Drohne . Heute gibt es auch Drohnen, die modular aufgebaut sind . Das heißt, an diese Drohnen können zum Beispiel Kameras oder auch andere technische Geräte gekoppelt werden . Es sind viele Drohnen auf dem Markt, für die eine entsprechende Austauschtechnik vorhanden ist . Wir reden auf jeden Fall über das Gesamtgewicht . Zu der Frage, was mit Drohnen mit einem Gewicht von unter 250 Gramm ist: Es gibt heute natürlich auch schon sehr kleine Drohnen, und auch diese können mit Kamerasystemen - diese sind dann aber nicht besonders leistungsfähig - ausgestattet werden . Dass die Gewichtsgrenze bei 250 Gramm liegt, erklärt sich daraus, dass sich die Fachleute sicher sind, dass es bei einem Absturz eines Flugobjekts mit einem Gewicht von mehr als 250 Gramm zu schweren körperlichen Schäden kommen kann, wenn man davon getroffen wird. Wenn das Gewicht darunter liegt, die Drohne also deutlich leichter ist, wird ein Absturz nicht unweigerlich zu solchen Schäden führen, weswegen diese Flugobjekte als eine andere Klasse zu betrachten sind . Zur Frage nach der Durchsetzung Ihres Rechts: Sie könnten diese Frage auch erweitern und fragen, was ist, wenn jemand seine Drohne nicht registrieren lässt - ich denke hier an das Zentralregister, das vom Kollegen Kühn vorgeschlagen worden ist - und trotzdem damit umherfliegt. Wir haben jetzt rechtliche Grundsätze geschaffen, an die man sich natürlich auch halten muss, und wenn man sich nicht daran hält, wird das entsprechend geahndet . Sie dürfen auch nicht vergessen, dass es dafür bisher gar keinen Rechtsrahmen gab . Es gibt natürlich eine Reihe entsprechender Vorschriften, aber keinen Rechtsrahmen . Einen solchen erhalten wir nun mit dieser Neuregelung . Durch die Verordnung erreichen wir also eine deutliche Verbesserung gegenüber der aktuellen Situation .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Vielen Dank . - Weitere Fragen zu dem Themenbereich Drohne liegen mir nicht vor . Deshalb kommen wir jetzt zum dritten Bereich, nämlich zu den sonstigen Fragen . Dazu hat sich der Kollege Volker Beck gemeldet .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Ich habe eine Frage, die in den Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes oder des Bundesinnenministeriums fällt . Der Abgeordnete Höcke, Vorsitzender der AfD Thüringen, hat gestern in Dresden bei einer Veranstaltung der Jungen Alternative eine 180-Grad-Wende in der Geschichtspolitik verlangt . Dadurch würde aus dem „Nie wieder“, für das wir alle gemeinsam einstehen, leicht ein „Vielleicht doch“ . Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas hat er als Denkmal der Schande bezeichnet, und die einladende Organisation JA Dresden hat sich bei Facebook-Postings mehrmals bei der vom Verfassungsschutz beobachteten Partei Der dritte Weg bedient . Vor diesem Hintergrund der gedanklichen Nähe der Jungen Alternative und des Höcke-Flügels innerhalb der AfD zur NPD, zur Partei Der dritte Weg und zu anderen neonazistischen Parteien frage ich die Bundesregierung, ob sie es nicht für an der Zeit hält, eine Beobachtung des Höcke-Flügels und der Jungen Alternative durch den Verfassungsschutz zu prüfen .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Die Bundesregierung kann entscheiden, wer die Frage beantwortet . Ich sehe aber, dass der Herr Staatssekretär Ole Schröder die Beantwortung übernehmen wird, der hiermit das Wort erhält .

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Vielen Dank . - Selbstverständlich sichtet das Bundesamt für Verfassungsschutz solche offenen Berichte. Aber ob eine Organisation Beobachtungsobjekt des Bundesverfassungsschutzes wird oder nicht, ist keine Frage, die politisch zu beantworten ist . Das kann die Bundesregierung auch nicht anordnen . ({0}) Vielmehr ist dies eine Frage, die nach streng rechtlichen Maßstäben von den jeweiligen Behörden entschieden und dann auch gerichtlich überprüft wird . ({1})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Die nächste Frage wird der Kollege Matthias Gastel stellen .

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Ich nutze die Gelegenheit, dass Sie, Herr Bundesverkehrsminister Dobrindt, anwesend sind, um Ihnen eine Frage aus dem Themenbereich der Dieselgate-Affäre zu stellen. Gestern hat das Landgericht Hildesheim ein Urteil gefällt . Es geht darum, dass VW im Zuge des Dieselskandals wegen - so Zitat - „sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung“ erstmals einen deutschen Autobesitzer entschädigen muss . Ich möchte gerne von der Bundesregierung wissen, welche Konsequenzen sie aus diesem Gerichtsurteil zieht .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Herr Bundesminister, Sie haben das Wort .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Es gibt inzwischen eine Reihe von Urteilen im Zusammenhang mit Volkswagen und Diesel, die übrigens sehr unterschiedlich ausfallen . Von daher gilt es abzuwarten, wie die weiteren rechtlichen Auseinandersetzungen an dieser Stelle ausgehen . Klar ist aber, dass es noch weitere Aufklärung in diesem Bereich gibt . Die Staatsanwaltschaften ermitteln an dieser Stelle; das Ergebnis ist abzuwarten .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Die nächste Frage stellt die Kollegin Sabine Leidig .

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Auch ich möchte die Gelegenheit nutzen, Herrn Dobrindt als Verkehrsminister zu befragen, und zwar zu einer Entwicklung, die sich kurz vor Weihnachten ziemlich zugespitzt hat und die hier überhaupt noch nicht problematisiert, geschweige denn einer Lösung zugeführt worden ist . Es geht um die Tatsache, dass Bahnchef Grube angekündigt und dazu auch ein Konzept entwickelt hat, im Bereich des Schienengüterverkehrs drastische Einschnitte vorzunehmen . Er will nicht nur 2 000 Stellen abbauen, sondern auch 173 Güterverladestationen schließen und so auch die Infrastruktur einschränken . Darüber hinaus sind massive Einsparungen im Bereich Wartung vorgesehen . Er will damit einen Gewinn von 700 Millionen Euro pro Jahr erwirtschaften . Wir haben heute Morgen beim Parlamentarischen Frühstück der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft auch von der verkehrspolitischen Sprecherin der SPD gehört, dass die Bundesregierung die Bahn unterstützt, indem sie zusätzlich 2,4 Milliarden Euro für den Konzern bereitstellt . Ich frage Sie nun: Wie reagieren Sie darauf, dass ein für die notwendige Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene zentraler Bereich in dieser Weise geschwächt werden soll? Und halten Sie es für denkbar, dass die Milliarden, die Herr Grube auf diese Weise aus dem Konzern herausholen will, gebraucht werden, um die Löcher zu stopfen, die bei Stuttgart 21 offensichtlich geworden sind?

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Herr Bundesminister, Sie haben das Wort .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Ziel der Bundesregierung ist es, den Schienengüterverkehr zu stärken . ({0}) Das machen wir auf vielfältige Weise, zum einen indem wir finanziell in die Schiene investieren. Wir haben hier vor kurzem den Bundesverkehrswegeplan beschlossen . Sie haben festgestellt, dass im Vergleich zu anderen Bundesverkehrswegeplänen der Schiene große Priorität eingeräumt worden ist und wir erheblich mehr als in der Vergangenheit investieren . ({1}) - Es freut mich, dass Sie dem zustimmen . ({2}) Sie haben auch festgestellt, dass wir ein erhebliches Interesse haben, dass der größte Teil des Aufwuchses der Verkehre, den wir bis zum Jahr 2030 prognostiziert haVolker Beck ({3}) ben, auf der Schiene landet . Wir gehen davon aus, dass es einen Zuwachs des Schienengüterverkehrs von 43 Prozent gibt . ({4}) Das ist natürlich auch ein Auftrag für die Deutsche Bahn . Aber sie muss in der Lage sein, ihre Güterverkehre auch wirtschaftlich darzustellen, und deswegen auf Veränderungen entsprechend reagieren . Dazu gehören Veränderungen bei den Verladestationen; diese müssen auch verlegt werden können . Da, wo keine Güterverkehre mehr stattfinden, braucht man auch keine Verladestationen. Da, wo Güterverkehre neu stattfinden, müssen neue Verladestationen angesiedelt werden . Das ist der Auftrag, den die Deutsche Bahn hat . Einen Zusammenhang mit Stuttgart 21 gibt es nicht .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Die nächste Frage stellt der Kollege Christian Kühn .

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Präsident, für die Möglichkeit, die Frage zu stellen . - Herr Dobrindt, Sie sitzen da ja in Einigkeit mit Jens Spahn . Aber die Einigkeit innerhalb der Bundesregierung ist ja gerade zwischen Ihren beiden Häusern nicht immer gegeben . Gerade bei Ihrem Herzensprojekt, der CSU-Pkw-Maut, hat man jetzt von der Presse gehört, dass das Bundesfinanzministerium davon ausgeht, dass die Mauteinnahmen im Jahr 2020 ins Minus rutschen werden . Deswegen frage ich Sie nun als Verkehrsminister: Haben Sie sich mit dem Finanzministerium verständigt? Wenn nicht, können Sie es ja hier auf der Regierungsbank machen . Die Frage, die dahintersteckt, ist natürlich: Können Sie ausschließen, dass Ihr Haus eine Pkw-Maut in Deutschland auf den Weg bringt, die in den nächsten Jahren zu einem Minus und damit zu einer Belastung der Steuerzahler führt?

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Herr Bundesminister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Als Erstes, Herr Kollege Kühn: Es ist natürlich hilfreich, sich vollumfänglich zu informieren und nicht nur selektiv zu lesen . ({0}) - Sehr gut . - Hätten Sie weitergelesen, hätten Sie festgestellt, dass das BMF diese Meldung dementiert hat und von daher klar Stellung dazu bezogen hat, dass es die Sichtweise, die Sie angedeutet haben, so nicht teilt . ({1}) Zweite Frage: Ja, ich kann ausschließen, dass es zu einer Belastung für den Steuerzahler kommt .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Vielen Dank, Herr Minister . - Nächster und abschließender Fragesteller zu diesem Tagesordnungspunkt, dessen Wortmeldung mir vorliegt, ist der Kollege Volker Beck .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Schröder, ich wollte einfach noch einmal nachfragen . Ich hatte ja nicht danach gefragt, ob Sie die Höcke-Truppe und JA aktuell beobachten, sondern ich hatte gefragt, ob Sie es für angezeigt halten, zu prüfen, ob Sie das beobachten, und das ist keine triviale Frage . Wir haben bei der Reichsbürgergeschichte gesehen, dass man viel zu lange gewartet hat, einmal anzustoßen, die Situation zu prüfen, und deshalb viele in den Ländern vorliegende Informationen beim Bund einfach nicht zusammengeflossen sind. Deshalb frage ich: Wollen Sie politisch anregen, dass man diese Leute in der AfD, die eine gedankliche Nähe zu neonazistischen Parteien aufweisen, beobachtet? Wollen Sie die Prüfung einleiten?

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Herr Staatssekretär .

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Selbstverständlich müssen die Sicherheitsbehörden wachsam sein, insbesondere das Bundesamt für Verfassungsschutz . Worum es mir nur geht, ist der Umstand, dass es keine Frage der politischen Opportunität ist, ob irgendjemand Objekt der Beobachtung durch den Verfassungsschutz wird oder nicht . ({0}) Deshalb ist natürlich völlig klar, dass unsere Sicherheitsbehörden sehr wachsam sind, dass sie sich alles genau angucken und dann bei Bedarf auch eine entsprechende Prüfung vornehmen werden . ({1})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Weitere Fragen liegen nicht vor . Ich beende damit die Befragung . Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde Drucksache 18/10828 Wir gehen in der üblichen Reihenfolge vor . Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit . Für die Beantwortung steht Frau ParlamenBundesminister Alexander Dobrindt tarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter zur Verfügung . Die Fragen 1 und 2 des Abgeordneten Christian Kühn werden schriftlich beantwortet . Deshalb kommen wir gleich zur Frage 3 der Abgeordneten Lisa Paus: Wie bewertet die Bundesregierung die Ergebnisse der kürzlich erschienenen Publikation des Umweltbundesamtes „Umweltschädliche Subventionen in Deutschland 2016“, und welche Maßnahmen wird sie als Konsequenz daraus in der laufenden Wahlperiode ergreifen? Frau Staatssekretärin, ich darf Sie bitten . Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sehr geehrte Frau Kollegin Paus, die Publikation ist eine Fachbroschüre des Umweltbundesamtes, und die Bundesregierung nimmt die Ergebnisse zur Kenntnis .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Frau Kollegin Paus, ich vermute, dass Sie eine Nachfrage haben . Dazu haben Sie auch Gelegenheit .

Lisa Paus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004127, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Genau, Herr Präsident . - Das ist ja nicht der erste Bericht . Den Bericht des Umweltbundesamtes zu umweltschädlichen Subventionen gibt es seit etlichen Jahren . Leider haben die umweltschädlichen Subventionen in der Bundesrepublik Deutschland nicht abgenommen, sondern zugenommen . Insgesamt gewährt die Bundesregierung im Moment - gesetzlich verankert - jedes Jahr umweltschädliche Subventionen im Umfang von 52 Milliarden Euro . Sie haben gerade gesagt, dass Sie den Bericht zur Kenntnis nehmen . Das heißt, Sie werden keine Schlussfolgerungen daraus ziehen und keine Änderungen vornehmen . Deswegen frage ich Sie konkret: Es gibt ja auch einen Subventionsbericht der Bundesregierung, der neuerdings einen Nachhaltigkeitscheck vorsieht . Trotz dieses Checks sehen Sie offenbar keine Notwendigkeit, etwas zu verändern . Könnten Sie vielleicht etwas dazu sagen? Das Umweltbundesamt gehört in Ihre Kompetenz; es handelt sich um eine bundeseigene Behörde . Diese veröffentlicht seit Jahren schlimme Zahlen zu den umweltschädlichen Subventionen . Auf der anderen Seite gibt es den Subventionsbericht . Es gibt aber keine Vereinbarung . Ist zumindest das Bundesumweltministerium willig, entsprechende Änderungen vorzunehmen oder wenigstens Gespräche mit dem Bundesfinanzministerium darüber zu führen, dass hier etwas verändert werden muss? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sehr geehrte Frau Kollegin, natürlich ist es grundsätzlich eine wichtige Aufgabe, zum Beispiel das deutsche Steuersystem auf seine Klimaverträglichkeit zu prüfen . Dazu hat sich die Bundesregierung bei der Erarbeitung und der Verabschiedung des Klimaschutzplans 2050 bekannt . Wir beschäftigen uns also durchaus damit . Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass das Umweltbundesamt eine unabhängige Behörde ist .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Frau Kollegin Paus, wollen Sie eine weitere Nachfrage stellen? Dann haben Sie jetzt dazu Gelegenheit .

Lisa Paus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004127, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herzlichen Dank, Herr Präsident; ja, das möchte ich . Sie haben darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung den Vertrag über die Klimaziele von Paris unterschrieben hat und entsprechende Maßnahmen ergreifen will . Können Sie mir noch einmal sagen, warum keine einzige vom Umweltbundesamt aufgeführte Subvention aus Ihrer Sicht überprüfungsbedürftig ist und verändert werden muss, obwohl im Bericht des Umweltbundesamtes verzeichnet ist, dass zum Beispiel die Strompreiskompensation der Wirkungsweise des Emissionshandels zuwiderläuft, dass der Spitzenausgleich die Anreize zum energiesparenden Verhalten und zur energieeffizienten Produktion in den begünstigten Betrieben sehr stark schwächt und dass die Agrardieselvergütung eine Verzerrung der Treibstoffpreise darstellt? Warum nehmen Sie das nicht zur Kenntnis und sorgen für entsprechende Änderungen? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Ich habe zu Beginn gesagt, Frau Kollegin, dass wir das zur Kenntnis nehmen . ({0}) Die Bundesregierung hat den Klimaschutzplan 2050 im Kabinett verabschiedet . Wir überprüfen dort auch die Steuersubventionen auf Klimaverträglichkeit . Insofern hatten wir durchaus einen Anlass, etwas zu ändern . Ich will aber darauf hinweisen, dass die von Ihnen angesprochene Publikation auch in Ihrer Fraktion zu Kritik geführt hat . Ich darf aus dem Tagesspiegel vom 5 . Januar 2017 zitieren . Da schreibt Anton Hofreiter: Wir wollen ran an die Produktionsverhältnisse, statt an der Steuerschraube zu drehen, sonst bekommt die Debatte eine soziale Schieflage. Dabei nahm er auch Bezug auf die besagte Publikation des Umweltbundesamtes . ({1})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Vielen Dank . - Eine weitere Nachfrage dazu, Frau Kollegin Paus, ist nicht mehr möglich, da Sie bereits zwei gestellt haben . Nach unserer Geschäftsordnung ist eine dritte Nachfrage nicht möglich . - Einen Wunsch nach weiteren Nachfragen sehe ich nicht . Vizepräsident Johannes Singhammer Die Fragen 4 und 5 der Abgeordneten Sylvia KottingUhl, die Fragen 6 und 7 des Abgeordneten Oliver Krischer sowie die Frage 8 des Abgeordneten Dr . André Hahn werden schriftlich beantwortet . Damit verlassen wir diesen Geschäftsbereich . Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung . Die Frage 9 des Abgeordneten Uwe Kekeritz wird schriftlich beantwortet . Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie . Die Frage 10 des Abgeordneten Stephan Kühn wird schriftlich beantwortet . Nun kommen wir zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts . Für die Beantwortung der Fragen steht Staatsminister Roth zur Verfügung . Die Frage 11 des Abgeordneten Uwe Kekeritz soll ebenfalls schriftlich beantwortet werden . Ich rufe die Frage 12 der Kollegin Hänsel auf: Was tut die Bundesregierung, um die lebensgefährliche Situation für Geflüchtete und Obdachlose in Griechenland zu entschärfen, und welche weiteren Möglichkeiten zur Unterstützung gäbe es darüber hinaus? Herr Staatsminister, Sie haben das Wort .

Not found (Gast)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Frau Hänsel, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will Folgendes voranschicken: Sie haben zwei ähnliche Fragen gestellt . Deswegen fällt es mir ein bisschen schwer, die beiden Fragen voneinander abzugrenzen . Dennoch werde ich mich bemühen, sie bestmöglich zu beantworten . Die Lage der Flüchtlinge in den Winterquartieren auf den griechischen Inseln ist - daran gibt es nichts zu deuteln - sehr schlimm . Die griechische Regierung muss ihrer Verantwortung gerecht werden und die angemessene Unterbringung sowie die angemessene Versorgung der Flüchtlinge sicherstellen . Darauf hat die EU-Kommission auch hingewiesen . Auch auf dem Festland sind nach Informationen des UNHCR nicht alle Lager winterfest . Selbstverständlich das darf ich Ihnen allen versichern - ist die Bundesregierung nach wie vor bemüht, ihren griechischen Partner in dieser dramatischen Lage bestmöglich zu unterstützen . Wie Sie wissen, unterstützen wir Griechenland in der Flüchtlingspolitik bilateral schon seit 2015 . Darüber hinaus hat die Europäische Union umfangreiche finanzielle Unterstützung geleistet, um die Situation für Geflüchtete, aber auch für Obdachlose in Griechenland zu verbessern . 2016 wurden seitens der Bundesregierung bilateral 9 Millionen Euro als humanitäre Hilfe - zu einem großen Teil für winterfeste Unterkünfte für Flüchtlinge und Migranten - bereitgestellt . Griechenland hat in den vergangenen Jahren - seit 2015 - sehr viele Finanzmittel erhalten, insgesamt 352 Millionen Euro aus dem europäischen Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds und dem Fonds für die innere Sicherheit - zusätzlich zu den 509 Millionen Euro, die bereits im mehrjährigen Finanzrahmen von 2014 bis 2020 dafür vorgesehen waren . Griechenland ist damit der größte Empfänger von Mitteln aus diesen EU-Fonds . Unter anderem hat die Europäische Kommission der griechischen Regierung 80 Millionen Euro für Unterkünfte für Umsiedlungskandidaten und Asylsuchende bereitgestellt . Dank dieser Mittel kann der UNHCR 20 000 Unterkunftsplätze zur Verfügung stellen . Weitere knapp 60 Millionen Euro wurden der griechischen Armee für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen überlassen . Darüber hinaus kann Griechenland zum Aufbau von entsprechenden Verwaltungskapazitäten auch technische Unterstützung durch die EU erhalten . Dazu gibt es verschiedene Angebote der EU-Kommission . Die EU hat zudem im April 2016 ein neues Hilfsinstrument für humanitäre Soforthilfe innerhalb der EU geschaffen. Dabei geht es um einen Gesamtbetrag von 700 Millionen Euro für drei Jahre . Der Schwerpunkt dieses Mitteleinsatzes liegt auch in Griechenland . Darüber hinaus erhält Griechenland - wieder in der Förderperiode von 2014 bis 2020 - 280 Millionen Euro aus dem Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen . Dieses Geld soll entsprechend Obdachlosen in Griechenland zugutekommen .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Hänsel .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Herr Staatsminister . - Sie haben jetzt erwähnt, dass es auch Hilfen für die griechische Regierung zur Unterstützung der Flüchtlinge gibt . Ich möchte erwähnen, dass die Situation in Griechenland prekär ist . Wir haben dort eine enorm gestiegene Armutsrate und eine gestiegene Arbeitslosigkeit, auch aufgrund des Austeritätsprogramms der Europäischen Union . Das heißt, dass wir dort eine Regierung haben, die mit sehr vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hat und Armut bekämpfen muss, auch wegen der EU-Politik, und die im Moment die Hauptlast der ankommenden Flüchtlinge trägt . Die griechischen Inseln und die italienischen Inseln sind die Hauptanlaufstellen von Flüchtlingen . Das Hauptproblem besteht darin, dass aufgrund des unmenschlichen Erdogan-Deals die Flüchtlinge auf den griechischen Inseln festsitzen . Insofern haben die Europäische Union und die Bundesregierung, die die Architektin dieses üblen Erdogan-Deals ist, eine enorme Mitverantwortung für die Situation vor Ort . Die Situation ist eine Katastrophe . Wir haben jede Woche Meldungen, dass 3 000 bis 4 000 Menschen außerhalb der Container in einem EU-Hotspot frieren und teilweise lebensgefährliche Krankheiten haben . Deswegen meine Nachfrage: Was machen Sie aktuell, damit sich das ändert?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatsminister . Vizepräsident Johannes Singhammer

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Frau Präsidentin! Frau Hänsel, ich will Ihnen noch einmal versichern, dass Deutschland vollumfänglich seiner besonderen Verantwortung auch bei der Unterstützung in Griechenland gerecht zu werden versucht . Wenn Sie mit Griechinnen und Griechen sprechen, dürften Sie wenige Menschen finden, die diese Leistung, die Deutschland aus innerer Überzeugung zu erbringen versucht, nicht anerkennen . Sie dürften auch nur wenige Partner in der EU finden, die sich in ähnlicher Weise durch ganz konkrete Unterstützungsangebote auf bilateraler Ebene an Griechenland wenden . Es gibt in Griechenland - ich sage das mit aller Zurückhaltung - kein finanzielles Problem, kein Ressourcenproblem; es gibt ein Umsetzungsproblem . Die Finanzmittel stehen seit geraumer Zeit bereit . Es gibt inzwischen auch in Griechenland eine sehr kontroverse Diskussion darüber, was mit diesen Mitteln geschehen ist und ob man nicht frühzeitiger und präventiver, also rechtzeitig vor dem Wintereinbruch, etwas hätte tun müssen . Aber es hilft nun überhaupt nicht, zu lamentieren . Deswegen will ich noch einmal deutlich machen, dass wir selbstverständlich versuchen, auch technische Hilfe zu leisten . Der Bundesinnenminister hat beispielsweise die Hilfe des THW angeboten . Es wird derzeit geprüft, was genau zu tun ist . Das THW ist in der Lage, sehr schnell Hilfe zu leisten . Inzwischen, nach einiger Zeit, gibt es auch eine Bereitschaft der griechischen Partner, diese Hilfe anzunehmen. Wir befinden uns derzeit in der Phase der konkreten Überprüfung, was zu leisten ist . Sie haben abermals die EU-Türkei-Erklärung zur Migrationspolitik angesprochen . Ich will darauf hinweisen, dass bestimmte Personengruppen, die wir als vulnerabel bezeichnen, also kranke Personen etc ., auch im vollen Einklang mit der EU-Türkei-Erklärung auf das Festland verlegt werden können . Dies ist im begründeten Einzelfall selbstverständlich möglich . Ich will aber auch darauf hinweisen, dass auch auf dem Festland nach Informationen des UNHCR nicht alle Lager winterfest sind . Es geht also nicht nur um ein Problem auf den Inseln, sondern leider auch um eines auf dem Festland .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Hänsel .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön . - Sie haben immer noch keine Antwort auf meine Feststellung gegeben, dass sich die Situation nicht verbessert . Wir alle schauen zu . Jeden Tag war in den Medien zu sehen, wie die Menschen frieren - das findet in einem EU-Hotspot statt -, und dann wird auf Gespräche usw . verwiesen . Ich möchte gerne wissen, ob Sie daraus den Schluss ziehen, dass der Erdogan-Deal gegen die Menschenwürde gerichtet ist und auf Kosten der unterdrückten Menschen in der Türkei, auf Kosten der Flüchtlinge sowie der griechischen Bevölkerung geht . Sie zahlen den Preis vor Ort . Die Menschen können diese Inseln nicht verlassen . Sie sitzen dort fest . Es werden immer mehr, und die Situation wird immer prekärer . Ziehen Sie daraus weiter gehende Schlussfolgerungen, was das Erdogan-Abkommen angeht?

Not found (Gast)

Der Schwerpunkt der EU-Türkei-Erklärung in der Flüchtlingsfrage liegt vor allem darin, den Schlepperbanden das Handwerk zu legen und die Lage der Flüchtlinge in der Türkei, die die meisten Flüchtlinge aufgenommen hat, konkret zu verbessern . Dafür stellt die EU - teilweise aus eigenen Mitteln, teilweise aus nationalen Beiträgen insgesamt 3 Milliarden Euro zur Verfügung. Sie fließen in Bildung, Qualifizierung und bessere Versorgung der Geflüchteten, vor allem auch bessere Versorgung und bessere Integration der Kinder . Das Ganze geht mit einer Arbeitserlaubnis einher, die die türkischen Behörden inzwischen syrischen Flüchtlingen gewähren, die sich mindestens sechs Monate in der Türkei aufhalten . Ich sehe derzeit durchaus Defizite. Darauf haben Sie auch hingewiesen . Das ist nun einmal die Lage der Flüchtlinge in Griechenland. Deshalb befinden wir uns nicht in abstrakten Gesprächen, sondern wir sind ganz konkret dabei, unsere Hilfsangebote zu verstärken, zu verbessern und auszubauen . Ich habe nur darauf hingewiesen, dass das, was wir konkret leisten können - also finanzielle Hilfe und technische Zusammenarbeit -, natürlich an Grenzen stößt, wenn vor Ort die Infrastruktur nicht entsprechend vorgehalten wird . Da gibt es von uns aber keine öffentlichen Belehrungen. Vielmehr sind wir in einem ständigen Gespräch und fragen: Was können wir konkret tun? Darüber hinaus trägt Deutschland natürlich auch im Rahmen der Relocation eine besondere Verantwortung . Sowohl gegenüber Italien als auch gegenüber Griechenland besteht das konkrete Angebot, monatlich je 500 Flüchtlinge aufzunehmen. Wir befinden uns derzeit noch unter den Möglichkeiten, die wir sowohl den Griechen als auch den Italienern gewährt haben . Dabei geht es natürlich immer darum, die Lage von Menschen auf der Flucht, die in Griechenland festsitzen und dort ausharren müssen, konkret zu verbessern .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Ich muss und möchte noch einmal auf die Uhr verweisen: eine Minute .

Not found (Gast)

Ich bitte um Nachsicht .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Mir liegen jetzt noch drei weitere Nachfragen zu dieser Frage vor . Als erste weitere Fragestellerin erhält Frau Höger das Wort .

Inge Höger-Neuling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003773, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank für die Möglichkeit zur Nachfrage . Herr Staatssekretär Roth, Sie haben gesagt, Bestandteil des EU-Türkei-Deals sei insbesondere die Hilfe für Flüchtlinge in der Türkei . Bestandteil ist aber auch, dass Flüchtlinge in Griechenland sofort zurückgeschickt werden sollen . Deshalb sind dort keine festen Behausungen eingerichtet worden, sodass sie jetzt in Zelten erfrieren und die gesundheitliche Situation eine Katastrophe ist . Das Deutsche Rote Kreuz hat aktuell gefordert, aufgrund dieses kalten Winters ganz schnell feste und beheizbare Wohnungen und Behausungen für die Flüchtlinge bereitzustellen . Die Situation ist nicht nur in Griechenland und auf den Inseln so katastrophal, sondern auf dem Balkan insgesamt, wo viele Geflüchtete festsitzen und nicht weiterkommen . Dort gibt es auch keine festen Unterkünfte . Ich möchte schon einmal genau wissen, wie Sie auf diese Forderung des Deutschen Roten Kreuzes eingehen .

Not found (Gast)

Frau Präsidentin! Frau Höger, ich habe eben schon ein konkretes Beispiel genannt . Hier geht es selbstverständlich um winterfeste Zelte . Dabei spielt das Technische Hilfswerk eine ganz wichtige Rolle . Wir können aber niemandem diese Hilfe aufdrängen . Ich will auch noch einmal darauf hinweisen, dass aus unserer Sicht ausreichend Mittel für die Versorgung der Flüchtlinge und Migranten in Griechenland bereitstehen . Es scheint aber bei der konkreten Umsetzung und der Implementierung der Hilfsmaßnahmen Probleme zu geben . Da sind wir natürlich auf eine entsprechend gute Zusammenarbeit mit den griechischen Behörden angewiesen . Sie haben völlig recht, Frau Höger - da stimmen wir auch mit dem Deutschen Roten Kreuz, mit dem wir in diesen Fragen sehr eng zusammenarbeiten, überein -: Derzeit muss es darum gehen, die Flüchtlinge in winterfesten Quartieren ordentlich unterzubringen . Dabei schließen wir nichts aus . Das geht so weit, dass natürlich auch Hotels infrage kommen, um die Flüchtlinge besser zu versorgen . Ich möchte aber noch einmal auf Folgendes hinweisen: In den Flüchtlingslagern gibt es weder auf den Inseln noch auf dem Festland Geflüchtete, die erfroren sind. ({0}) Das schließe ich aus .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Herzog, Sie haben als Nächster das Wort .

Gustav Herzog (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003148, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, vielen Dank dafür, dass Sie dargestellt haben, wie umfangreich die Hilfe ist, die die Bundesrepublik Deutschland leistet, die wir anbieten und die - so habe ich Sie verstanden - nicht immer in dem Umfang abgerufen wird, wie es aus humanitären Gründen vielleicht notwendig wäre . Mir liegt aus meinem Wahlkreis eine sehr konkrete Anfrage von einer Initiative vor, die sich um Flüchtlinge kümmert . Man hat mich konkret gefragt - man ist natürlich berührt von den Bildern aus Griechenland -, ob man mit Decken und mit Winterkleidung helfen könne . Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wäre das im Moment weder angemessen noch praktikabel; vielmehr liegt der Ball sozusagen im griechischen Spielfeld, und dort müsste konkrete Hilfe geleistet werden .

Not found (Gast)

Lieber Kollege, erst einmal: Richten Sie dieser Initiative unseren Dank aus . Das ist ein Zeichen gelebter Solidarität und macht auch deutlich: Es gibt kein griechisches Problem, es gibt ein gesamteuropäisches Problem, und da müssen wir zusammenstehen . Ich will mit meinen wenigen Worten nur deutlich machen, dass Deutschland im Rahmen seiner Möglichkeiten einen konkreten Solidaritätsbeitrag zu leisten versucht, und wir werden daran auch nichts ändern . Aber es bringt nichts, Dinge zu tun, die erst einmal wenig Sinn ergeben . Ich prüfe gerne nach, ob es beispielsweise einen Bedarf an Decken gibt . Wir sind da in einem engen Austausch mit den entsprechenden Hilfsorganisationen . Lassen Sie uns einfach im Gespräch bleiben .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Herr Wunderlich .

Jörn Wunderlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003867, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Herr Staatsminister, Sie sagten gerade - genau das ist der Kern des Ganzen -: „Lassen Sie uns einfach im Gespräch bleiben .“ Die Frage bezog sich ja auf konkrete Maßnahmen . Unter konkreten Maßnahmen stelle ich mir vor: Es werden Winterdecken geliefert . Es werden Heizgebläse geliefert, solange noch keine winterfesten Unterkünfte da sind . Sie sagen jetzt: Wir haben angeboten, das THW zu schicken . - Wem ist das konkret angeboten worden? Wer hat es abgelehnt, oder wer hat es angenommen? Was wird sonst noch konkret in dieser Situation, wo die Menschen noch nicht erfroren sind, von der Bundesrepublik geleistet? Konkret, nicht abstrakt!

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Herr Abgeordneter Wunderlich, ich habe die Konkretisierung bei der Beantwortung dieser Frage erst einmal ausgespart, weil es zu diesem Bereich noch eine zweite Frage gibt . Die Beantwortung der Frage 13 nehme ich aber mit Genehmigung der Präsidentin und der Fragestellerin gerne vorweg .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Hänsel sind Sie damit einverstanden?

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja . Die beiden Fragen hängen sowieso eng zusammen .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Ich rufe daher die Frage 13 auf: Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung als Mitglied der Europäischen Union, um die in Zelten lebenden Flüchtlinge vor dem Verhungern und/oder dem Kältetod zu retten ({0})? http://www.tagesschau.de/ausland/unhcr-griechenland-101.html http://www.tagesschau.de/ausland/unhcr-griechenland-101.html

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Die von Deutschland geförderten Hilfsorganisationen versorgen derzeit die Menschen täglich - täglich! - mit Nahrung, Kleidung, Decken, Hygieneartikeln . Aktuelle Projekte von Hilfsorganisationen zur Winterhilfe werden seit vergangenem Herbst kontinuierlich unterstützt . Gleichzeitig setzen wir uns für eine gesamteuropäische solidarische Lösung ein, nicht weil wir in unserer Hilfe nachlassen wollen, sondern weil wir deutlich machen wollen: Da müssen alle mit anpacken; darum müssen sich alle kümmern . Ich will hier niemanden belehren - das braucht auch niemand -; aber fragen Sie doch einmal konkret bei den griechischen Behörden, bei Ihren Freunden, bei Ihren parteipolitischen Mitstreitern nach, wer in dieser Zeit Hilfe leistet . Dann werden Sie eine Antwort bekommen, die vielleicht Ihre Frage und vielleicht auch meine Antwort in einem etwas anderen Licht erscheinen lässt .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Frau Hänsel, Sie können Ihre erste Nachfrage stellen .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Roth, Sie haben jetzt gesagt: Es gibt Hilfe usw . Ich würde gerne von Ihnen, Herr Staatsminister, einfach noch einmal erfahren, warum die Situation nach wie vor so prekär ist .

Not found (Gast)

Ich habe in meiner Antwort auf Ihre erste Frage, Frau Hänsel, deutlich zu machen versucht, dass das Problem nicht mangelnde finanzielle Ressourcen sind. Ich habe aber auch deutlich zu machen versucht, dass es eine Reihe von Hilfsorganisationen gibt, die sich dort täglich auch mit unserer Unterstützung, mit großer Unterstützung durch die Europäische Union engagieren . Aber es gibt nach wie vor ein Problem bei der Implementierung der Hilfemaßnahmen . Das heißt, die konkrete Hilfe ist etwas zu spät gekommen . Der Winter brach ein, und die entsprechenden Voraussetzungen waren nicht gegeben . Ich lamentiere hier aber nicht, sondern ich weise darauf hin .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Gut . - Dann abschließend meine zweite Nachfrage . Wie viele Flüchtlinge konnten im Rahmen dieses Deals nach Deutschland kommen? Es wurde hier ein entsprechender Austausch geplant . Ist die Bundesregierung bereit, mehr Menschen von den Inseln und aus Griechenland aufzunehmen?

Not found (Gast)

Wenn Sie mit dem Deal die EU-Türkei-Erklärung meinen, Frau Hänsel, kann ich gerne versuchen, Ihnen dies zu beantworten . Derzeit gibt es Umsiedlungen neudeutsch: Relocation - in einem Gesamtumfang von 7 448 Flüchtlingen aus Griechenland . Hinzu kommen noch einmal 2 735 Flüchtlinge aus Italien . Deutschland hat mit Stand 12 . Januar 2017 644 Flüchtlinge aus Griechenland aufgenommen . Insgesamt hat Deutschland bislang, Frau Abgeordnete Hänsel, 5 250 Plätze angeboten . Monatlich werden es allein für Griechenland 500 Plätze mehr . Aber derzeit sind erst 644 Flüchtlinge zu uns gekommen . Das hat nicht nur etwas mit den griechischen Behörden zu tun - das will ich deutlich sagen -, sondern es hat auch damit etwas zu tun, dass wir die Verfahren etwas verkomplizieren, weil wir vor allem im Rahmen der Familienzusammenführung versuchen, bestimmte Flüchtlinge nach Deutschland zu holen, das heißt - um dieses Beispiel zu nennen - Flüchtlinge, deren Familien sich zum Teil bereits in Deutschland befinden.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Damit komme ich zur Frage 14 des Abgeordneten Volker Beck: Wie will die Bundesregierung Ziffer 6 des UN-Sicherheitsratsbeschlusses 2334 ({0}) ({1}) insbesondere hinsichtlich der Zahlung der Märtyrerrenten der PLO an Terroristen und ihre Angehörigen und der palästinensischen Reaktionen auf den Terroranschlag in Jerusalem ({2}) umsetzen, und welche Bedeutung hat der alltägliche Terror gegen israelische Bürger für den Friedensprozess zwischen der israelischen und palästinensischen Seite? Herr Staatsminister, Sie haben das Wort .

Not found (Gast)

Danke schön, Frau Präsidentin . - Herr Abgeordneter Beck, Bundesaußenminister Dr . Frank-Walter Steinmeier hat deutlich gemacht, dass der Sicherheitsratsbeschluss 2334, auf den Sie sich in Ihrer schriftlichen Frage beziehen, das bekräftigt, was schon lange die Position der Bundesregierung ist: ({0}) Der Siedlungsbau in den besetzten Gebieten behindert die Möglichkeit eines Friedensprozesses und gefährdet die Grundlage der Zwei-Staaten-Lösung . Gleichzeitig - auch das ist Teil dieses Beschlusses - ruft der Sicherheitsrat zu Sofortmaßnahmen zur Verhütung aller Gewalthandlungen einschließlich der Terrorakte gegen Zivilpersonen und aller Akte der Provokation und der Zerstörung auf . Er fordert alle Seiten zur Einhaltung der völkerrechtlichen Verpflichtungen auf. Laufende Anstrengungen zur Terrorismusbekämpfung müssen verstärkt werden . Die Bundesregierung spricht das Thema „Gewalt und Aufhetzung zur Gewalt“ gegenüber der Palästinensischen Behörde regelmäßig an und sieht die Palästinensische Behörde in der Pflicht, effektiv gegen jede Form von Terror und Gewalt vorzugehen und sie entsprechend zu verurteilen . Auch das Thema Hinterbliebenenrente darüber haben wir schon mehrere Male gesprochen, Herr Kollege Beck - verfolgen wir genau . Wir sind darüber nach wie vor mit den palästinensischen Partnern im Gespräch . http://www.un.org/webcast/pdfs/SRES2334-2016.pdf http://www.un.org/webcast/pdfs/SRES2334-2016.pdf http://www.jpost.com/Arab-Israeli-Conflict/Hamas-holds-rally-in-Gaza-to-celebrate-terrorist-ramming-that-killed-four-Israelis-477860 http://www.jpost.com/Arab-Israeli-Conflict/Hamas-holds-rally-in-Gaza-to-celebrate-terrorist-ramming-that-killed-four-Israelis-477860 http://www.jpost.com/Arab-Israeli-Conflict/Hamas-holds-rally-in-Gaza-to-celebrate-terrorist-ramming-that-killed-four-Israelis-477860 Wir haben den Anschlag vom 8 . Januar in Jerusalem auch das wissen Sie, Herr Abgeordneter Beck - auf das Schärfste verurteilt . Für Mordanschläge darf es niemals eine Rechtfertigung geben . Wir sind extrem besorgt über die erneute Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Beck .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das, was Sie gesagt haben, kenne ich alles . Das war aber auch nicht gefragt . Ich habe konkret danach gefragt, was die Bundesregierung macht, die mit diesem Beschluss aufgefordert wird, alle Akte von Terror zu verhüten, also aktiv zu werden . Bezogen auf die Märtyrerrenten ergibt sich die Frage: Wie stellt die Bundesregierung angesichts der Tatsache, dass Deutschland direkt Finanzhilfe an die PA leistet und indirekt Hilfen über die EU-Budgethilfe leistet, sicher, dass wir nicht die PLO-Märtyrerrenten an die Hinterbliebenen von Terroristen in den palästinensischen Gebieten finanzieren? Das habe ich Sie schon mehrmals gefragt . Sie erzählen es denen, aber Sie machen nichts . Dadurch ändert sich also nichts . Die wissen, dass Sie ihnen das nur erzählen und dann wieder gehen und dass Sie traurig sind, wenn Sie nicht gehört haben, was Sie hören wollten . Das ist aber keine Politik, Herr Staatsminister . Ich erwarte von Ihnen eine Antwort auf die Frage: Was tut die Bundesregierung, um zu verhindern, dass Terroristen in Palästina mit Renten belohnt werden, angesichts der Tatsache, dass wir diese Organisation finanzieren?

Not found (Gast)

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter, Sie haben ja eingangs schon darauf hingewiesen, dass Sie das alles wissen . Trotzdem stellen Sie Fragen . ({0}) Ich befürchte, dass Sie auch das, was ich Ihnen jetzt sage, schon wissen, weil ich es Ihnen schon mehrfach gesagt habe . Ich kann es aber gerne wiederholen, damit hier nicht ein falscher Eindruck entsteht . Die Bundesregierung ist an den Zahlungen der PLO nicht beteiligt. Wir finanzieren über Direktzahlungen das haben Sie schon erläutert - die Palästinensische Behörde . Diese Mittel sind genauso wie die Mittel der Europäischen Union zweckgebunden . Da geht es um die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage, da geht es um Investitionen in die Wasserversorgung; viele Projekte, beispielsweise auch in der Bildung, gehören dazu . Die Mittel der deutschen Außenpolitik fokussieren sich in erster Linie auf Diplomatie, und das wesentliche Instrument der Diplomatie ist das Gespräch . Insofern kann ich Ihnen nur noch einmal versichern, dass wir selbstverständlich auch darüber in einem regelmäßigen Gespräch mit der Palästinensischen Behörde sind, weil es das wichtigste Mittel ist und weil wir natürlich deutlich machen wollen, dass es hier nicht über irgendwelche Umwege eine Finanzierung geben kann, die von uns weder veranlasst, geschweige denn unterstützt wird . Wir sind in einem regelmäßigen Gespräch darüber, und wir äußern uns dazu auch öffentlich. Wir machen immer wieder deutlich: Jede Förderung terroristischer Aktivitäten muss eingestellt werden . Es gibt Haushaltshilfen der EU - das wird Ihre nächste Frage sein, weil natürlich auch Deutschland indirekt an den EU-Mitteln beteiligt ist -, aber auch diese Budgethilfen sind zweckgebunden . Die entsprechenden Haushaltsbehörden der Europäischen Union versichern, dass bis zum Empfänger dieser Mittel nachvollzogen werden kann, was mit diesem Geld der Europäischen Union passiert . Insofern kann man sich nicht hierhinstellen und sagen, dass wir nichts tun . Im Gegenteil: Wir bleiben bei diesem Thema am Ball, und wir überprüfen es ganz konkret .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Herr Beck .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich finde, die Bundesregierung ist da schon in einem moralischen Dilemma; denn der Vorsitzende der PA ist Herr Abbas, und der Vorsitzende der PLO, die diese Renten zahlt, ist auch Herr Abbas . So zu tun, als ob das alles miteinander nichts zu tun hat, ist zumindest eine kühne These, die Ihnen sicher noch auf die Füße fallen wird . Angesichts der Tatsache, dass gestern Hamas und Fatah erklärt haben, erneut eine Einheitsregierung bilden zu wollen, möchte ich wissen - das bezieht sich auf die schon in der Ausgangsfrage angesprochene Tatsache -, wie die Bundesregierung denn auf die Hamas-Jubeldemonstrationen nach dem Attentat in Jerusalem reagiert hat und ob die Bundesregierung Vorkehrungen trifft, damit im Falle einer Einheitsregierung keine Gelder für die Hamas und in den Aufbau von Terrorstrukturen im Gazastreifen fließen.

Not found (Gast)

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter, ich bedauere, dass Sie die klassischen, normalerweise auch von Ihrer Fraktion unterstützten Mittel der Diplomatie offensichtlich nicht wertschätzen - das sind nun mal die Gespräche . Selbstverständlich verurteilen wir alle Entwicklungen und alle Erscheinungen, die eine Solidarisierung mit Terror beinhalten, auf das Schärfste . Unser Ansprechpartner ist die Palästinensische Behörde . Ich habe darauf hingewiesen, dass hier nicht einfach zweckungebunden Mittel zur Verfügung gestellt werden . Ich habe ebenso darauf hingewiesen, dass die Verwendung der von uns und von der Europäischen Union zur Verfügung gestellten Mittel auch nachvollzogen werden kann . Es muss entsprechende Nachweise geben: Was passiert konkret mit diesem Geld? Ich finde die Schlussfolgerungen, die Sie da konstruieren, teilweise etwas gewagt . Ich will hier nun keine Gleichsetzungen vornehmen, die mir nicht zustehen und die vielleicht auch ein falsches Bild erzeugen; aber auch in der Bundesrepublik Deutschland gibt es Politiker, die sowohl Parteichefs als auch wesentliche Verantwortliche in einer Regierung sind . Daraus zu konstruieren, dass die Partei aus Staatsmitteln finanziert wird, halte ich für sehr weit hergeholt . Im Übrigen bleiben wir in diesen Fragen sehr wachsam, und es sollte kein Zweifel daran bestehen, dass die Bundesregierung selbstverständlich den Terrorismus nicht nur verurteilt, sondern im Rahmen ihrer Arbeit, ihrer Hilfe in den entsprechenden Staaten einen präventiven, einen aufsuchenden Ansatz verfolgt, um den Terrorismus an der Wurzel zu bekämpfen und auch die Ideologie, die diesem Terrorismus zugrunde liegt, zu bekämpfen .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . Ich rufe die Frage 15 der Abgeordneten Sevim Dağdelen auf: Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass bei der angestrebten Zypern-Lösung durch einen föderalen Staat mit zwei gleichberechtigten Bundesländern, die sich weitgehend selbst verwalten, Entscheidungen, die beide Inselteile betreffen, nur gemeinsam getroffen werden können, da beide Seiten ein Vetorecht besitzen, wodurch die türkischen Zyprer wichtige Entscheidungen beim EU-Mitglied Zypern mitbestimmen könnten, und inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass damit der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan künftig einen Fuß in Brüssel hätte, was erhebliche Folgen für die Entscheidungen der gesamten EU hat, in denen - wie vor allem in außen- und finanzpolitischen Fragen - meistens Einstimmigkeit erforderlich ist ({0})? Herr Staatsminister, Sie haben wieder das Wort .

Not found (Gast)

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Frau Kollegin Dağdelen, die Bundesregierung unterstützt mit Nachdruck den Prozess und die Verhandlungen über die Wiedervereinigung Zyperns . Das wäre nicht nur ein Erfolg für die Menschen auf Zypern, die seit vielen Jahrzehnten in einem geteilten Land leben, das wäre auch ein großer Erfolg und ein großer Fortschritt für ganz Europa . Das wäre selbstverständlich auch ein Fortschritt für die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei und für die Stabilität in der östlichen Mittelmeerregion . Die Zypern-Verhandlungen haben in der vergangenen Woche in Genf eine wichtige Zwischenetappe erreicht . Erstmals geht es um die sensibelsten Fragen - das betrifft die Garantie- und Sicherheitsbelange -, und die werden nicht nur zwischen den beiden Seiten Zyperns verhandelt, sondern unter Einbeziehung der drei sogenannten Garantiemächte Großbritannien, Griechenland und Türkei . Konkrete Ergebnisse zu den verfassungsrechtlichen Regelungen, insbesondere zur Ausgestaltung der Außenpolitik einschließlich der Europapolitik, liegen bisher noch nicht vor . Aber wir gehen selbstverständlich davon aus, dass in außen- und europapolitischen Fragen beide Seiten - wenn es sich um ein föderales System handeln sollte - an der Willensbildung beteiligt werden . Ich selbst habe den Führer der türkischen Zyprer Mustafa Akinci kennengelernt . Er ist im April 2015 mit großer Mehrheit zum Volksgruppenführer gewählt worden . Sowohl Umfragen als auch die proeuropäische Orientierung der türkisch-zyprischen Bevölkerung lassen erwarten, dass sich ein möglicher zukünftiger türkisch-zyprischer Teilstaat sehr konstruktiv in Europa einbringen wird . An darüber hinausgehenden Spekulationen möchte ich mich nicht beteiligen, weil auch wir nur darüber zu spekulieren vermögen, was der demokratische Willensbildungsprozess am Ende mit Blick auf Wahlergebnisse konkret bedeutet .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank. - Frau Dağdelen.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Herr Staatsminister Roth, Sie haben richtigerweise auf die Bestrebungen und das Ziel der Vertreter des türkisch besetzten Teil Zyperns, Herr Akinci und Co ., hingewiesen . Das ist ja auch richtig . Aber in meiner Frage geht es um etwas anderes, nämlich um die Komplexität der Situation, die daraus resultiert, dass die Türkei Garantiemacht im nördlich besetzten Teil Zyperns wäre . Deshalb würde ich angesichts der etwas aktuelleren Berichtslage in Bezug auf die Einigung der türkisch-zypriotischen Gemeinschaft gerne wissen: Welchen Einfluss hätte die Türkei Erdogans - es geht ja in schnellen Schritten in Richtung Ein-Mann-Diktatur/Präsidialsystem - nach einer Einigung als Garantiemacht auf die Politik der Europäischen Union? Darum geht es ja .

Not found (Gast)

Ich habe, Frau Präsidentin, Frau Abgeordnete Dağdelen, deutlich gemacht, dass ich mich an solchen Spekulationen nicht beteiligen möchte . Ich bitte darum, keine Signale auszusenden, die einen möglichen Zweifel daran aufkommen lassen, dass die Bundesrepublik Deutschland ein allergrößtes Interesse an einem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen über die Wiedervereinigung Zyperns hat . Es ist eines der wichtigsten und bedeutsamsten Projekte, mit denen wir es derzeit in Europa, weit über die Europäische Union hinaus, zu tun haben . Ich bin mir ziemlich sicher, dass mit einem wiedervereinigten Zypern vieles besser und nichts schlechter wird . Derzeit habe ich überhaupt keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass ein wiedervereinigtes Zypern, was selbstverständlich auch Mitspracherechte des türkisch-zyprischen Teils in der Europapolitik mit sich bringt, dieses Mitspracherecht sehr verantwortungsbewusst nutzen wird . Das haben mir meine bisherigen Gespräche gezeigt . Es geht ja jetzt, Frau Abgeordnete Dağdelen, vor allem darum: Wie werden die derzeitigen Aufgaben der drei sogenannten Garantiemächte in eine völlig neue Struktur überführt? Das ist einer der heikelsten Punkte . Dabei geht es beispielsweise auch um die Militärpräsenz . http://www.welt.de/politik/ausland/article160986185/Die-Angst-Europas-vor-Erdogans-trojanischem-Pferd.html http://www.welt.de/politik/ausland/article160986185/Die-Angst-Europas-vor-Erdogans-trojanischem-Pferd.html http://www.welt.de/politik/ausland/article160986185/Die-Angst-Europas-vor-Erdogans-trojanischem-Pferd.html Am Ende des Tages muss ein Verhandlungsergebnis vorliegen, das sowohl den Sicherheitsinteressen des türkisch-zyprischen als auch des griechisch-zyprischen Bevölkerungsanteils angemessen Rechnung trägt . Wir haben doch unsere eigenen bitteren Erfahrungen gemacht . Wenn am Ende ein Ergebnis auf dem Tisch liegt, das in Referenden nicht von der Mehrheit der Bevölkerung auch als großer Fortschritt anerkannt wird, dann wird das ein großes Problem . Ohne Zustimmung wird dieses Projekt abermals scheitern . Ich habe jedoch keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass der türkisch-zyprische Teil in einem vereinigten Zypern mit seinem Mitspracherecht sehr verantwortungsbewusst umgehen wird .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank. - Frau Dağdelen.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Es mag ja sein, dass der türkisch-zypriotische Teil verantwortungsbewusst damit umgeht, Herr Staatsminister - Ihre Euphorie über die eventuelle Wiedervereinigung Zyperns in allen Ehren -, aber man sollte trotzdem versuchen, eine vorausschauende und rationale Politik zu machen . Die Überlegung ist doch: Wie würde sich in einer künftigen Verfassung des wiedervereinigten Zyperns der garantierte Einfluss der Republik Türkei auswirken, auch was die zyprische Haltung im Hinblick auf die Türkeipolitik der Europäischen Union angeht? Mir geht es darum, herauszufinden - die Papiere liegen ja schon auf dem Tisch -: Inwieweit ist der Einfluss Bestandteil der Verfassung eines wiedervereinigten Zyperns? Das ist unabhängig von der türkisch-zypriotischen Vertretungsmacht, vielmehr versucht die Garantiemacht Türkei, dort ihren Einfluss zu sichern. Ich wünsche mir, auch wenn Sie jetzt keine Antwort darauf haben, dass die Bundesregierung auf diese Dinge achtet; ich möchte nur das Stichwort „Wallonie“ nennen . Danke .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatsminister .

Not found (Gast)

Frau Präsidentin, Frau Dağdelen, ich habe mich schon einmal über eine Wiedervereinigung gefreut, und ich werde mich auch über diese Wiedervereinigung freuen . Das kann ich Ihnen versichern - nicht nur, weil ich es toll finde, weil ich an einer Grenze groß geworden bin, sondern weil ich sehe, was für ein unendlicher Gewinn das für die Menschen auf der geteilten Insel ist, und auch, wie wir von einem Stückchen mehr Sicherheit profitieren . Die Fragen, die Sie skizziert haben, sind ja sehr ernst zu nehmen . Denn - ich will das noch einmal wiederholen - am Ende des Tages müssen sowohl die griechischen Zyprer als auch die türkischen Zyprer den Eindruck haben, ihre Sicherheit, ihre Freiheit und ihre Demokratie seien gesichert . Am Ende des Tages vermag ich mir keinen Erfolg vorzustellen, der eine wie auch immer spekulierte Dominanz der Türkei beinhaltet . Das wird so nicht kommen . Der heikelste Aspekt ist ja gerade die Frage, welche Rolle die Garantiemächte spielen . Dabei geht es auch um den Rückzug von Militär . Aber Deutschland ist an diesen Verhandlungen nicht aktiv beteiligt . Unter der Aufsicht der Vereinten Nationen führen die beiden Seiten in eigener Verantwortung und in einem engen Dialog mit den drei Garantiemächten die Verhandlungen, die hoffentlich in einem erfolgreichen Abschluss münden werden . Es stimmt: Ich bleibe nach wie vor optimistisch, weil ich am Ende nur Chancen sehe. Ich hoffe natürlich, dass am Ende das Ergebnis für beide Seiten stimmt und entsprechende Mehrheiten erzielt werden können . ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Die Frage 16 des Abgeordneten Andrej Hunko wird schriftlich beantwortet . Damit gehen wir über zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern . Die Frage 17 des Abgeordneten Andrej Hunko wird ebenfalls schriftlich beantwortet . Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten HansChristian Ströbele auf: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über einen unter anderem vom früheren BKA-Vizepräsidenten Gerhard Boeden 1985 initiierten sowie von Israel und den USA finanzierten „internationale Reserve“-Fonds für nachrichtendienstliche Geheimoperationen von Werner Mauss und andere freiberufliche Agenten, wie am 9. Januar 2017 der ehemalige Kanzleramtsminister und Koordinator der Bundesnachrichtendienste, Bernd Schmidbauer, wegen dieser Funktion als Zeuge vor Gericht geladen, unter strafbewehrter Wahrheitspflicht bekundete ({0}), und welche Details teilt die Bundesregierung über etwaige Erstattungen an die Haupteinzahler, eigene direkte Einzahlungen in den Fonds sowie hieraus finanzierte Operationen je auf ihr ({1}) Geheiß mit? Antworten wird der Parlamentarische Staatssekretär Dr . Ole Schröder . - Herr Schröder, Sie haben das Wort .

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Sehr geehrter Herr Ströbele, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Durch ein Schreiben des Rechtsanwalts von Herrn Werner Mauss vom 8 . September 2016 im Zusammenhang mit einem gegen Herrn Mauss beim Landgericht Bochum anhängigen Steuerstrafverfahren erlangte das Bundeskriminalamt und in der Folge die Bundesregierung erstmals Kenntnis über die angebliche Existenz des in Rede stehenden „internationale Reserve“-Fonds . Weiter gehende Erkenntnisse zu diesem Fonds liegen der Bundesregierung nicht vor .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Ströbele .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es geht ja hier um Herrn Mauss oder, wie er auch genannt wird, „008“, der vor Gericht steht und behauptet hat, dass dieser Fonds eingerichtet worden ist für Tätigkeiten, die er auch für deutsche Behörden durchgeführt hat . Haben Sie mit dem ehemaligen Staatsminister im Kanzleramt, Herrn Schmidbauer, der am 9 . Januar 2017 als Zeuge aufgetreten ist, Kontakt gehabt? Haben Sie dieses Verfahren verfolgt? Haben Sie oder hat Ihre Behörde mit Herrn Schmidbauer Kontakt gehabt? Hat er von Ihnen oder vom Kanzleramt eine Aussagegenehmigung bekommen, und hat er Sie darüber informiert, was er dazu weiß und was er vor Gericht aussagen würde?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär .

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Was er dazu gesagt hat, ist ja der Presse zu entnehmen . Ich bin bisher immer davon ausgegangen, dass der ehemalige Staatsminister Schmidbauer als „008“ bezeichnet wird . Herr Schmidbauer hat ja gesagt, dass es seiner Kenntnis nach einen solchen „Reserve“-Fonds gegeben hätte, er aber keine Kenntnis davon hat, dass die Bundesrepublik Deutschland da in irgendeiner Weise involviert war .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Ströbele, Ihre zweite Nachfrage .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

An sich ist der Bundesnachrichtendienst, der da vor allen Dingen in Betracht kommt, gar nicht in Ihrem Ressort angesiedelt, sondern im Bundeskanzleramt . Haben Sie selber oder hat das Bundeskanzleramt - die Frage richtet sich ja an die Bundesregierung und nicht nur an das Innenministerium; wenn es zuständig ist, ist das okay, aber wenn es nicht alles weiß, sollte es beim Kanzleramt nachfragen - nachgeforscht, ob es beim Bundesnachrichtendienst dazu eine Akte gibt?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär .

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Das kann ich Ihnen nicht sagen, ob es dazu eine Akte gibt . Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir jetzt das erste Mal Kenntnis davon bekommen haben, dass es einen solchen angeblichen „Reserve“-Fonds geben soll, und dass die Bundesrepublik Deutschland, jedenfalls nach unserem Kenntnisstand, mit diesem angeblichen „Reserve“-Fonds nichts zu tun hat .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Beck zum gleichen Themenkomplex .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte das Bundeskanzleramt fragen, welche Kenntnisse es zu der Frage, die Herr Ströbele gerade gestellt hat, hat .

Not found (Gast)

Lieber Herr Kollege, das Bundeskanzleramt hat in dieser Angelegenheit keine weiter gehenden Erkenntnisse als die, die eben der Kollege Schröder schon für die Bundesregierung vorgetragen hat . ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Lemke, die nächste Frage wird auch an das Bundeskanzleramt gestellt? - Okay . Bitte schön .

Steffi Lemke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002720, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Da das Innenministerium gar keine Antwort gegeben hat, bitte ich Sie, auf die Frage zu antworten, ob Sie eine Akte zu diesem Vorgang haben bzw . nachgeforscht haben, ob eine Akte existiert .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatsminister .

Not found (Gast)

Ich kann Ihnen darüber, ob es irgendwelche Akten gibt, die diesen Gegenstand betreffen, nur sagen, dass wir - soweit wir in der Lage waren, das nachzuvollziehen - keinerlei Unterlagen haben, die einen Hinweis darauf gegeben haben, dass wir Kenntnis von einem solchen Fonds haben . Mehr kann man dazu im Augenblick nicht sagen . ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, komme ich zum nächsten Fragekomplex: Spionage durch Imame oder Funktionäre der DITIB . Hierzu rufe ich die Frage 19 des Kollegen Volker Beck auf: Welche Erkenntnis hat die Bundesregierung über das Informationssammeln durch Imame oder Funktionäre der DITIB Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e . V . und ihrer Mitgliedsorganisationen für türkische Stellen ({0}), und was weiß die Bundesregierung über die Informationszuträger des Präsidiums für Religionsangelegenheiten ({1}) in Deutschland ({2})? Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort .

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Ich beantworte die Frage des Kollegen Volker Beck wie folgt: Der Bundesregierung liegt ein mutmaßliches Schreiben des Präsidiums für Religionsangelegenheiten, DIB bzw . Diyanet, vom 20 . September 2016 vor, das an alle Botschaften und Generalkonsulate der Türkei, Beratungsstellen für religiöse Angelegenheiten, Attachés sowie Koordinatoren für Religionsangelegenheiten gerichtet war . Diese werden darin ausdrücklich aufgefordert, Gutachten über Einrichtungen und Organisationen der Gülen-Bewegung sowie über deren Aktivitäten zu erstellen und diese bis Ende September 2016 an Diyanet zu übersenden . Zudem liegen der Bundesregierung Informationen über drei Berichte der türkischen Generalkonsulate in München, Düsseldorf und Köln vor, die dort als Antwort auf die Berichtsanforderung der Religionsbehörde verfasst worden sein sollen . Aus den Unterlagen gehen zum Teil auch die Namen der Imame hervor, die diese Informationen an die Religionsattachés in den genannten Generalkonsulaten übermittelt haben sollen . Zu konkreten Identitäten können aufgrund laufender Ermittlungen keine Aussagen getroffen werden.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Beck .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Seit heute ermittelt ja endlich der Generalbundesanwalt, wie wir vorhin gemeinsam im Innenausschuss erfahren haben . Deshalb wollte ich fragen, ob die Bundesregierung, wenn sie hier jetzt auch keine Identitäten oder Namen gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit offenlegen kann - dafür habe ich Verständnis -, darauf geachtet hat, dass potenzielle Tatverdächtige, die diese Berichte erstellt haben, nicht in der Zwischenzeit die Bundesrepublik verlassen haben, und ob sie gegebenenfalls darauf achtet, dass diese sie auch nicht verlassen können . Ich frage vor folgendem Hintergrund: Von der Strafanzeige bis zur Aufnahme der Ermittlungen hat es sehr lange gedauert . Es gibt auch Aussagen aus journalistischen Kreisen, dass man aus Gefälligkeit gegenüber türkischen Stellen bewusst länger gewartet hat . Ist da was dran?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär .

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Es ist insbesondere auch Aufgabe der ermittelnden Staatsanwaltschaft, darauf zu achten, dass solche möglichen Zeugenaussagen dann auch verwertet werden können . ({0}) Selbstverständlich achten auch die Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik darauf . Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat ja heute im Innenausschuss schon entsprechend Auskunft gegeben .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Beck .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das war leider wieder keine Antwort in der Sache . Sie wissen ja auch, dass sich der DITIB-Generalsekretär inzwischen letzte Woche geäußert hat und zumindest am Morgen gegenüber der Rheinischen Post eingestanden hat, dass es solche Berichte gegeben hat . Am Abend hat er, wohl auf Weisung aus Ankara, seine Aussagen in einer Pressemitteilung wieder zurückgenommen . Vor diesem Hintergrund wollte ich fragen, ob die Bundesregierung, die ja im Rahmen der Deutschen Islam Konferenz mit der DITIB zusammenarbeitet, das Gespräch mit der DITIB gesucht hat, um sie aufzufordern, all ihre Informationen über Spionageaktivitäten von Funktionären der DITIB den Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung zu stellen .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär .

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Es handelt sich um ein laufendes strafrechtliches Ermittlungsverfahren, das jetzt von der Generalbundesanwaltschaft geprüft wird . Die Staatsanwaltschaft hat jetzt zu entscheiden, was mit entsprechenden Unterlagen geschieht . Es ist den sonstigen Behörden nicht gestattet, dieses Ermittlungsverfahren in irgendeiner Art und Weise zu stören . Es ist selbstverständlich Aufgabe der ermittelnden Staatsanwaltschaften, genau das sicherzustellen . ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Es liegen mir jetzt noch drei weitere Fragen zu dieser Frage vor, zum einen der Kollegin Dağdelen.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, Sie haben natürlich recht . Heute ist, Gott sei Dank, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden - diese ganzen Berichte standen schon seit Dezember im Raum -, und die Staatsanwaltschaften werden sich darum kümmern . Meine Frage richtet sich an die Bundesregierung . Bei staatlichen Konferenzen wie der Deutschen Islam Konferenz oder dem Integrationsgipfel sitzen immer auch Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn http://www.spiegel.de/politik/deutschland/volker-beck-zeigt-imame-der-ditib-wegen-spionage-verdacht-an-a-1126240.html http://www.n-tv.de/politik/Ditib-entschuldigt-sich-fuer-Spitzeleien-article19533171.html http://www.n-tv.de/politik/Ditib-entschuldigt-sich-fuer-Spitzeleien-article19533171.html Vertreterinnen und Vertreter der DITIB, dieser Moscheegemeinde, mit am Tisch . Meine Frage ist - denn da kann auch die Politik handeln -: Inwiefern hält es die Bundesregierung für angebracht, die Zusammenarbeit mit Vertretern der DITIB und ihrer Untergliederungen etc . pp ., was die Teilnahme an entsprechenden Konferenzen oder die Kooperation bei Projekten betrifft, zu suspendieren, bis das ganze Ausmaß der Spitzeltätigkeit seitens der Generalbundesanwaltschaft aufgeklärt ist? Oder halten Sie an Ihrer Kooperation mit DITIB trotz der Ermittlungen weiterhin fest?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär .

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Wir werden das Ermittlungsverfahren der Generalbundesanwaltschaft genau beobachten und daraus unsere Schlussfolgerungen ziehen . ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Hänsel, Sie haben als Nächste das Recht, zu fragen .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön . - Herr Staatssekretär, auch ich habe eine Nachfrage . Die am 19 . Juli 2016 von WikiLeaks öffentlich gemachten E-Mails von AKP, AKP-nahen Organisationen und auch DITIB haben ja offenbart, dass es regelmäßig Meldungen nach Ankara gab; für die Türkei relevante Entwicklungen wurden gemeldet . Darüber hinaus wurden Organisationen, Vereine und Personen gemeldet und dann in Freund-und-Feind-Schemata eingeordnet . Es gab auch einige Mails von Imamen, die über die Gemeinde und Gemeindemitglieder geschrieben und diese eingestuft haben . Nach dem Putsch kam es zu einer Verschärfung dieses Meldesystems, nachdem Erdogan die Bürger dazu aufgerufen hat, ihrer patriotischen Pflicht nachzukommen und den Sicherheitsdiensten jeden Verdächtigen zu melden . Diese Meldung ging auch an die Auslandsvertretungen der Türkei hier in Deutschland und an DITIB . Das alles war öffentlich einzusehen und von Erdogan sehr deutlich zu hören . Meine Frage ist: Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung getroffen, um diese Verfolgung von Andersdenkenden in Deutschland zu unterbinden, und welche Maßnahmen hat sie zum Schutz dieser Bürgerinnen und Bürger, die hier in Deutschland leben, ergriffen?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Bevor Sie antworten, Herr Staatssekretär, bitte ich auch die Fragesteller, die Uhr im Auge zu behalten . „Rot“ heißt, dass man die Frage beenden muss . Dann hat man noch 2 Sekunden Zeit und nicht 30 . - Herr Staatssekretär .

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Die Sicherheitsbehörden sind ausgesprochen sensibel, was den Sachverhalt, den Sie eben beschrieben haben, angeht . Insbesondere das Bundesamt für Verfassungsschutz hat ja auch die Aufgabe, Spionageabwehr zu betreiben . Auch hinsichtlich der Gefahren für die hier lebenden Menschen sind unsere Sicherheitsbehörden natürlich ausgesprochen aufmerksam . Das haben wir sehr genau im Blick . ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Wunderlich, Ihre Frage .

Jörn Wunderlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003867, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Haben Sie Kenntnis davon, auf welcher rechtlichen Grundlage die DITIB-Imame hier in Deutschland tätig sind oder waren, und gab es dafür vielleicht sogar ein bilaterales Abkommen?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär .

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Die Imame aus dem Ausland, die hier tätig sind, brauchen selbstverständlich ein Visum . Dafür, ein solches Visum nach den bestehenden Regelungen zu erteilen, ist das Auswärtige Amt zuständig . In der Beschäftigungsverordnung ist beispielsweise geregelt, dass es hierfür keiner Zustimmung der Arbeitsagentur bedarf . Von daher sind die Imame zurzeit in gewisser Weise noch privilegiert, wenn sie aus dem Ausland hierherkommen, um religiösen Tätigkeiten nachzugehen . Auch das muss vor dem Hintergrund dieses Vorgangs sicherlich genau überprüft werden .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Damit komme ich zu Frage 20 der Abgeordneten Sevim Dağdelen: Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse ({0}) darüber, wer konkret Empfänger der schriftlichen Anweisung der türkischen Religionsbehörde Diyanet zur Spitzelei für den türkischen Staat gewesen ist ({1}), und inwieweit zeigt der Umstand, dass die DITIB, Mitglied der Deutschen Islam Konferenz und Gesprächspartner der Bundesregierung, bzw . DITIB-Imame dieser Anweisung gefolgt sind, dass sie religiös nicht selbstbestimmt ist und schon allein deshalb nicht die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft erfüllt ({2})? Herr Staatssekretär, Sie haben wieder das Wort . http://www.deutschlandfunk.de/islamverband-ditib-entschuldigt-sich-wegen-bespitzelungen.447.de.html?drn:news_id=698507 http://www.deutschlandfunk.de/islamverband-ditib-entschuldigt-sich-wegen-bespitzelungen.447.de.html?drn:news_id=698507 http://www.deutschlandfunk.de/islamverband-ditib-entschuldigt-sich-wegen-bespitzelungen.447.de.html?drn:news_id=698507 http://www.deutschlandfunk.de/innenministerium-zum-islamverband-ditib.1773.de.html?dram:article_id=376083 http://www.deutschlandfunk.de/innenministerium-zum-islamverband-ditib.1773.de.html?dram:article_id=376083 http://www.deutschlandfunk.de/innenministerium-zum-islamverband-ditib.1773.de.html?dram:article_id=376083

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Frau Kollegin Dağdelen, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Wie bereits in der Antwort auf die Frage zuvor des Abgeordneten Beck ausgeführt, richtete sich das Schreiben der Religionsbehörde nach den der Bundesregierung vorliegenden Erkenntnissen an alle Botschaften und Generalkonsulate, die Beratungsstellen für religiöse Angelegenheiten, Attachés sowie Koordinatoren für Religionsangelegenheiten . Es ist Sache der Länder, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zu überprüfen, ob die Landesverbände der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e . V ., DITIB, unter den gegebenen Umständen die Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft erfüllen . Diese Haltung kommuniziert die Bundesregierung auch gegenüber DITIB .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Dağdelen.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Herr Staatssekretär, könnten Sie mir bitte beantworten, inwieweit sich andere Verbände als die DITIB bereits mit ihren Sorgen an die Bundesregierung - das BMI oder auch andere Behörden - gewandt und zum Ausdruck gebracht haben, mit Vertretern einer Spitzelorganisation wie der DITIB nicht mehr arbeiten oder nicht mehr kooperieren zu wollen, beispielsweise bei staatlichen Konferenzen wie der Deutschen Islam Konferenz oder dem Integrationsgipfel?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär .

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Mir persönlich liegen keine Erkenntnisse vor, dass sich andere Religionsgemeinschaften offiziell an die Bundesregierung gewandt hätten . Sollte das anders sein und die Religionsverbände nichts dagegen haben, werde ich Ihnen das gern noch berichten .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Dağdelen.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Das würde mich sehr freuen . - Meine zweite Nachfrage lautet: Herr Schröder, wir haben seit dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei erlebt, dass die Verfolgung von Andersdenkenden an den Grenzen nicht haltmacht, sondern auch in Deutschland viele Menschen betrifft. Es gibt Berichte von Menschen, die in die Türkei einreisen und dort verhaftet werden - egal, ob sie deutsche Staatsbürger oder türkische Staatsbürger mit einem Aufenthaltstitel in Deutschland sind -, weil sie auf Facebook oder auf Twitter irgendetwas Kritisches bezüglich der Regierung in der Türkei geschrieben haben . Wir haben auch den Fall, dass sich viele Menschen nicht mehr trauen, beispielsweise bei Veranstaltungen wie der Deutschen Islam Konferenz kritische Themen anzusprechen. Unter ihnen befindet sich auch das CDU-Mitglied Ali Ertan Toprak . Er ist Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände in Deutschland . Er wird denunziert, weil er auch mal kritisch ist und immer wieder mal auf Titelseiten türkischer Tageszeitungen erscheint, wie es bei vielen türkeistämmigen Bundestagsabgeordneten der Fall ist . Deshalb meine Frage: Was tut die Bundesregierung, um Menschen vor der Verfolgung seitens der türkischen Organisationen, Verbände etc . und der türkischen Regierung hier in Deutschland, auf deutschem Boden zu schützen?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär .

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Bis hin zum Personenschutz tut die Bundesregierung und tun vor allen Dingen die zuständigen Länder alles, um diese Personen zu schützen . Wir teilen Ihre Sorge, dass Konflikte aus anderen Ländern nach Deutschland getragen werden . Dieses Thema wird uns noch länger beschäftigen, nicht nur in Bezug auf die türkische Community in Deutschland . Daraus gilt es die notwendigen Schlüsse zu ziehen - auch sicherheitspolitisch mit Blick auf die einzelnen Behörden . Aber es ist selbstverständlich auch notwendig, sich in Sachen Aufenthaltsrecht zu überlegen, ob es richtig ist, dass Imame nur mit dem Hinweis, hier religiös tätig sein zu wollen, einfach nach Deutschland einreisen dürfen .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Beck .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte auf Ihre Nonchalance von vorhin zurückkommen, als Sie gesagt haben, Sie überließen das alles den Ermittlungsbehörden . Ich meine: Es ist eine Aufgabe von Verfassungsschutz und vom BKA, Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der Spionageabwehr auch für die Zukunft davor zu schützen, dass sie durch die Geheimdienste ausspioniert werden und damit zu Zielen von Mordkomplotten, Entführungen oder Verhaftungen werden können, wenn sie in die Türkei einreisen . Aus meiner Sicht haben Sie dafür auch im Rahmen der Gefahrenabwehr die Verantwortung . Sie können jetzt nicht die Hände in den Schoß legen und warten, was der Generalbundesanwalt in einem einzigen konkreten Fall strafrechtlich ermittelt, sondern müssen weiter dieser Frage nachgehen . Deshalb ist doch relevant, was Sie zu diesen Umständen wissen . Wir haben vorhin im Innenausschuss über den Fall eines MIT-Mitarbeiters diskutiert, der wohl den Auftrag hatte, jemanden umzubringen . Das können die Konsequenzen dieser Aufklärungsmaßnahmen sein . Deshalb lässt mich das nicht in Ruhe . Was wollen Sie jetzt konkret unternehmen, um solche Spionagevorgänge abzustellen?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär .

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Ich gebe Ihnen recht: Es ist Aufgabe der staatlichen Behörden, diese Gefahrenabwehr sicherzustellen . Das tun wir auch in jeder Hinsicht . Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist zum Beispiel insbesondere dabei, die notwendigen Informationen zu diesem Thema zu sammeln . Das gilt aber natürlich auch für die sonstigen Sicherheitsbehörden des Bundes und natürlich vor allen Dingen auch für die Sicherheitsbehörden der Länder . Ich habe vorhin auf die Frage, was mit den Beweismitteln geschieht, ob beispielsweise die Erkenntnisse aus dem Ermittlungsverfahren, das der Generalbundesanwalt führt, automatisch der Bundesregierung und den Behörden des Bundes zur Verfügung gestellt werden können, gesagt, dass es nicht Sache der Bundesregierung ist, das zu entscheiden, sondern Sache der ermittelnden Behörde, nämlich der Generalbundesanwaltschaft . Das war mein einziger Punkt . ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Beck, jetzt hat die Kollegin Hänsel das Wort .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke . - Herr Staatssekretär, mal schauen, ob ich eine Antwort bekomme . Die türkische Religionsbehörde Diyanet hat weltweit 24 Religionsattachés . Über die Hälfte davon, nämlich 13, sind in Deutschland . In jeder türkischen Vertretung hier Botschaft und Konsulat - ist ein Diyanet-Diplomat, der die Religionsangelegenheiten der 824 Imame - das sind ja allesamt türkische Beamte; sie sind weisungsgebunden und werden vom Ministerpräsidentenamt bezahlt - regelt und die Vorstände in den rund 900 DITIB-Moscheen lenkt . Sie sind also dafür verantwortlich . Wie bewerten Sie angesichts dieser Fakten die Aussage von Vertretern von DITIB, dass sie unabhängig von Ankara seien? Ist das nicht genau so, als wenn der Botschafter Erdmann sagen würde, er sei unabhängig von der deutschen Bundesregierung?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär .

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Das bewerte ich ausgesprochen kritisch, und es ist jetzt Aufgabe der Länder, zu prüfen, inwieweit DITIB noch eine anerkannte unabhängige Religionsgemeinschaft sein kann, wenn es ein solches Abhängigkeitsverhältnis gibt und DITIB am Ende nicht mehr religiös selbstbestimmt ist .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Wunderlich .

Jörn Wunderlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003867, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Um diese religiöse Selbstbestimmung und um das Recht, sich als Religionsgemeinschaft anerkennen zu lassen, geht es . Nach meinem Kenntnisstand sind im Bundesvorstand von DITIB auch türkische Staatsbedienstete, und der Präsident ist wohl regelmäßig auch Botschaftsrat in der türkischen Botschaft . Haben Sie auch aufgrund dieses engen staatlichen Zusammenhangs Kenntnis darüber, wie viele DITIB-Bundesvorstandsmitglieder Diplomatenpässe haben? Haben Sie daneben Kenntnis darüber - das klingt jetzt vielleicht ein bisschen albern -, welche Farbe die Pässe dieser Bundesvorstandsmitglieder haben? Ich frage das deshalb, weil unsere Dienstpässe knallrot sind, während die Pässe der türkischen Staatsbediensteten grün sind . Durch die Farbe könnte man ein Indiz dafür haben, dass es Staatsbedienstete und nicht Religionsvertreter sind .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär .

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Es gibt sicherlich Kenntnisse darüber, wie viele Vorstandsmitglieder Staatsbedienstete sind . Ich persönlich kann Ihnen die Zahl aber nicht nennen . Zu überprüfen, ob es sich hierbei wirklich noch um eine selbstbestimmte Religionsgemeinschaft handelt, ist Sache der Länder und nicht Sache des Bundes .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Alle weiteren Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern, die Fragen 21 und 22 des Abgeordneten Özcan Mutlu, die Frage 23 der Abgeordneten Sabine Zimmermann, die Fragen 24 und 25 der Abgeordneten Petra Pau und die Fragen 26 und 27 der Abgeordneten Ulla Jelpke, werden schriftlich beantwortet . Damit leite ich zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz über . Hier werden alle Fragen, die Fragen 28 und 29 des Abgeordneten Frank Tempel und die Frage 30 der Abgeordneten Katrin Werner, schriftlich beantwortet . Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen . Auch hier werden alle Fragen, die Fragen 31 und 32 der Abgeordneten Katrin Kunert, schriftlich beantwortet . Nun kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales . Die Frage 33 der Abgeordneten Katrin Werner wird schriftlich beantwortet . Damit komme ich jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung . Beantworten wird die Fragen der Parlamentarische Staatssekretär Dr . Ralf Brauksiepe . Ich rufe jetzt Frage 34, die erste Frage dieses Geschäftsbereiches, des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele auf: Welche Angaben macht die Bundesregierung zur Anzahl der Gebiete in Syrien und Irak, von denen die sechs Tornados der Bundeswehr im vergangenen Jahr Bilder gemacht hatten, bei denen anschließend Luftangriffe der Streitkräfte der Operation „Innere Entschlossenheit“ stattfanden, mit welchen Folgen für die Zivilbevölkerung, und wie stellt die Bundesregierung sicher, dass in Zukunft unter der US-Präsidentschaft Donald Trumps keine Einsätze auf Grundlage von Bildern stattfinden, die von der Bundeswehr geliefert werden, die Tote und Verletzte in der Zivilbevölkerung riskieren? Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort .

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Frau Präsidentin! Herr Kollege Ströbele, ich antworte Ihnen wie folgt: Die deutschen Tornado-Luftfahrzeuge leisten mit ihren Aufklärungsergebnissen einen Beitrag zur Verdichtung des Gesamtlagebildes im Kampf gegen die Terrororganisation des sogenannten „Islamischen Staates“, kurz IS . Im vergangenen Jahr lagen circa 40 Prozent der beauftragten Aufklärungsziele in Syrien und circa 60 Prozent im Irak. Die entsprechenden Aufklärungsflüge dienten insbesondere der Vorbereitung einer Rückeroberung von durch den IS besetzten Gebieten in und um Mosul und Rakka . Das deutsche Personal im Hauptquartier für Luftoperationen, dem Combined Air Operations Centre in al-Udeid in Katar, ist nicht an der Auswahl von zu bekämpfenden Zielen beteiligt . Die Aufklärungsflüge der deutschen Tornado-Luftfahrzeuge im Rahmen der internationalen Anti-IS-Koalition tragen auch dazu bei, zivile Infrastruktur von militärischen Objekten unterscheiden zu können . Damit sollen zivile Opfer infolge der Lufteinsätze der Anti-IS-Koalition vermieden werden . Die deutsche Beteiligung am Kampf gegen den IS fußt auf dem Mandat des Deutschen Bundestages vom 20 . November 2016 . Dieses wurde unter anderem vor dem Hintergrund der Resolutionen 2170 ({0}), 2199 ({1}) und 2249 ({2}) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zur Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit durch die Terrororganisation IS erteilt . Dieser gesetzte Handlungsrahmen des Einsatzes deutscher Streitkräfte ist von Personalwechseln in Regierungsämtern von an der Operation Inherent Resolve beteiligten Nationen unabhängig . Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung, daran zu zweifeln, dass auch weiterhin der hohe Standard zum Schutz der Zivilbevölkerung, der bei der Auswahl und Bekämpfung von Zielen angelegt wird, Bestand haben wird .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Ströbele .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke . - Den letzten Teil der Frage haben Sie noch gar nicht beantwortet; darauf kommen wir aber gleich noch . Es geht darum, ob sich unter der Regierung eines Präsidenten Trump, der ja angekündigt hat, eine ganz andere Syrien-Politik, auch militärisch, zu betreiben, an der Haltung der Bundesregierung zu dem Einsatz deutscher Flugzeuge etwas ändert . Ich frage Sie jetzt noch einmal, obwohl das in der Frage schon steht: Haben Sie - der Amtsantritt ist ja nicht mehr so lange hin; ab übermorgen soll das ja so sein eine Planung, irgendeine Vorstellung?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär .

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Herr Kollege Ströbele, Sie können die Frage wiederholen, und ich kann die Antwort wiederholen . Ich habe diesen Teil Ihrer Frage beantwortet, indem ich darauf hingewiesen habe, was der Handlungsrahmen ist und was das Mandat unserer dort eingesetzten und mandatierten Soldatinnen und Soldaten ist . Das Mandat hat der Deutsche Bundestag vor dem Hintergrund der entsprechenden UN-Resolutionen erteilt . Ich sage Ihnen noch einmal: Dieses Mandat ist von Personalwechseln in Regierungsämtern von an der Operation Inherent Resolve beteiligten Nationen unabhängig .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Ströbele .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die zweite Frage bezieht sich auf den ersten Teil . Es geht darum, dass Gebiete vor ihrer Rückeroberung erst einmal aus der Luft bombardiert werden, und zwar ohne alliierte Soldaten vor Ort . Es gibt immer wieder Meldungen, dass bei solchen Luftangriffen - das ist wahrscheinlich schwer zu vermeiden - Zivilisten umkommen . Es soll eine ganze Reihe von Fällen gegeben haben, in denen dabei Dutzende oder auch Hunderte von Zivilisten ums Leben gekommen sind . Interessiert die Bundesregierung gar nicht, ob darunter auch Gebiete sind, die auf der Grundlage der Fotos und Bilder, die die Bundeswehr gemacht hat, bombardiert worden sind? Dann könnte ein Mitverschulden vorliegen .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär . Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Herr Kollege Ströbele, ich will nur sehr deutlich sagen, was Sinn und Zweck der Aufklärung ist, die wir betreiben . Unabhängig davon, was Sie insinuieren mögen, geht es genau darum, zivile von militärischen Zielen zu unterscheiden . Das heißt, wir leisten Aufklärungsarbeit durch die Aufklärungsprodukte, die wir produzieren, die genau verhindern sollen, dass es zu einer irrtümlichen Bekämpfung ziviler Ziele kommt . Das, was wir tun, dient ausschließlich der Bekämpfung des sogenannten „Islamischen Staats“ . Deswegen wird auch jedes Aufklärungsprodukt, das wir liefern, mit einem entsprechenden Vermerk „For Counter-Daesh Operation only“ versehen . Das ist Sinn und Zweck des Einsatzes unserer Soldaten, und dem dient die Aufklärungsarbeit, die unsere Tornados leisten . Das schließt nicht aus, dass es in Einzelfällen auch zur irrtümlichen Bekämpfung ziviler Ziele kommt . Wo Menschen handeln, egal, in welchem Zusammenhang, machen Menschen auch Fehler . Aber die Arbeit, die wir leisten, dient genau dem Zweck, diese zu verhindern . Ich verwahre mich auch gegen jede indirekte oder direkte anderweitige Unterstellung . Wir machen keine Bilder, um die Bekämpfung von Zivilisten zu erleichtern, sondern ganz im Gegenteil, um die irrtümliche Bekämpfung ziviler Ziele zu verhindern .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Die Fragen 35 und 36 des Kollegen Omid Nouripour zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung sollen schriftlich beantwortet werden . Damit leite ich zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit über . Die Frage 37 der Kollegin Sabine Zimmermann wird schriftlich beantwortet . Damit leite ich zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur über . Die Fragen 38 und 39 der Kollegin Tabea Rößner und die Frage 40 des Kollegen Stephan Kühn werden schriftlich beantwortet . Damit rufe ich jetzt die Frage 41 des Kollegen Gastel auf: Welche rechtlichen Grundlagen müssen nach Kenntnis der Bundesregierung geändert werden, damit der öffentliche Personennahverkehr gemäß dem Aktionsplan des Bundesministers für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt, in allen deutschen Städten ab 2019 mit einer einzigen elektronischen Chipkarte bzw . einem Handyticket genutzt werden kann ({0}), und welche Gesetzesänderungen bereitet die Bundesregierung hierzu bereits vor? Die Antworten auf die Fragen zu diesem Geschäftsbereich wird der Parlamentarische Staatssekretär Norbert Barthle geben . Deshalb, Herr Staatssekretär, haben Sie jetzt das Wort .

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Sehr geehrter Herr Kollege Gastel, nach Auffassung der Bundesregierung sind zur Herstellung eines digital vernetzten öffentlichen Personennahverkehrs zunächst keine Änderungen von Bundesgesetzen notwendig . Gleichwohl bedarf es unter Umständen der Anpassung des rechtlichen Rahmens auf der Ebene der für den öffentlichen Personennahverkehr zuständigen Länder und Kommunen, um die Einführung einer interoperablen Lösung für ganz Deutschland zu beschleunigen .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Gastel .

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich habe direkt zu Ihrer Antwort eine Nachfrage und dann sicherlich auch noch eine zweite Nachfrage. Wir haben im Moment im Bereich öffentlicher Nahverkehr, bei Bussen und Bahnen, das Problem, dass da viel Kleinstaaterei betrieben wird, das heißt, Verbundsysteme eigene Apps entwickeln usw ., was dann die Mobilität über Verbundgrenzen hinweg extrem kompliziert macht . Deswegen halten wir den Vorstoß des Ministers im Grundsatz für einen guten Vorstoß . Wir als Grüne arbeiten schon länger daran, eine Lösung zu finden, die Mobilität über die Verbundgrenzen hinweg zu vereinfachen . Die Frage, die ich jetzt an Sie habe, ist: Damit ein solches System funktionieren kann, müssen oder sollen ja alle Verbundsysteme, alle Verkehrsverbünde mitmachen, ihre Daten einspeisen, aber sich auch darauf einlassen, dass es eine Verrechnungsstelle gibt, die dann die entsprechende Abrechnung von Fahrkarten ermöglicht . Ist es auf der derzeitigen Rechtsgrundlage möglich, diese Verkehrsverbünde sozusagen zu verpflichten, da mitzumachen, damit es dann wirklich eine reibungslose Mobilitätskette geben kann?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär .

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Vielen Dank . - Herr Gastel, Sie haben vollkommen recht: Der Nutzer des öffentlichen Personennahverkehrs, der Kunde sozusagen, interessiert sich nicht dafür, wo Verbundgrenzen bestehen, wo Grenzen der Zuständigkeiten bestehen, ob nun Kommunen, Kreise oder der Bund zuständig sind, vielmehr ist der Nutzer an einem einheitlichen Vorgehen interessiert . Damit Hemmnisse - das ist auch unser Interesse - abgebaut werden, was die Nutzung des öffentlichen Personenverkehrs anbelangt, entwickeln wir jetzt einheitliche Standards . Es gibt auch schon gute Anfänge . Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen hat uns mitgeteilt, dass es in 239 der insgesamt 402 Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland bereits möglich ist, eTicketing mit Chipkarte oder Mobiltelefon zu nutzen . Das sind immerhin 60 Prozent oder, sofern man die Bevölkerungszahl zugrunde legt, sogar 72 Prozent . Damit ist sozusagen der Grundstein gelegt, und jetzt kommt es darauf an - das ist das, was Sie richtigerweise beschrieben haben -, dass die Systeme miteinander vernetzt werden können . Dazu bedarf es eines koordinierten Vorgehens; auch das ist richtig . Aus diesem Grund hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr eine sogenannte Roadmap entwickelt, die nicht nur Visionen und Ziele beschreibt, sondern auch die Maßnahmen benennt, die es nun umzusetzen gilt . Da wir keine Möglichkeit haben, die Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen verpflichtend vorzuschreiben, schaffen wir Anreize. Die Bundesregierung hat für die kommenden zwei Jahre 16 Millionen Euro zur Förderung von Projekten zur Verfügung gestellt, die der Vernetzung bereits bestehender Möglichkeiten dienen, und die Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbünde aufgefordert, sich als Leistungserbringer daran zu beteiligen . Die Betreffenden müssen sich aber auch daran beteiligen wollen .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Kollege Gastel, Ihre zweite Zusatzfrage .

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die Deutsche Bahn ist Deutschlands größter Mobilitätsdienstleister und zugleich ein Unternehmen des Bundes . Herr Staatssekretär, meine zweite Zusatzfrage lautet deswegen: Mit welchen konkreten Erwartungen ist die Bundesregierung an den bundeseigenen Konzern Deutsche Bahn herangetreten, um das Projekt bundeseinheitliches eTicketing voranzubringen?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär .

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Herr Kollege Gastel, wir haben selbstverständlich auch in den jüngsten Gesprächen mit der Bahn, in denen es insbesondere darum ging, die Mobilfunkqualität zu erhöhen - WLAN für alle -, dieses Thema angesprochen . DB Regio gehört zu den Institutionen, die ganz konkrete Förderungen erhalten . Es gibt seit dem 1 . Januar 2017 unser Förderprogramm „eTicketing und digitale Vernetzung im Öffentlichen Personenverkehr“. Im Rahmen dieses Programms fördern wir, wie gesagt, in den kommenden zwei Jahren mit insgesamt 45 Förderbescheiden die verschiedensten Verkehrsverbünde, unter anderem die DB Regio AG .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Damit rufe ich Frage 42 des Kollegen Gastel auf: Welchen Zeitplan verfolgt die Bundesregierung bezüglich des Verordnungsentwurfs zum Thema Schienenlärm, den der Parlamentarische Staatssekretär Norbert Barthle in der Antwort auf meine mündliche Frage 40, Plenarprotokoll 18/208, erwähnte ({0}), und enthält der Verordnungsentwurf die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD angekündigten ordnungsrechtlichen Eingriffe ({1}), falls im Jahr 2016 nicht mindestens die Hälfte aller in Deutschland verkehrenden Güterwagen „leise“ Bremsen hatte? Herr Staatssekretär, Sie haben wieder das Wort .

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Auf diese Frage gebe ich folgende Antwort: Derzeit wird ein Regelungsentwurf über ordnungsrechtliche Maßnahmen auf stark befahrenen Güterstrecken für den Fall erarbeitet, dass das angestrebte Ziel verfehlt werden sollte . Der Zeitpunkt der möglichen Veröffentlichung hängt vom Abschluss der Evaluierung ab .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Gastel .

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das ist eine überraschend kurze und zu meinem Erschrecken unkonkrete Antwort . Angesichts der Tatsache, dass das Jahr 2016 beendet ist, ist es seltsam, abzuwarten, ob das Ziel im Jahr 2016 verfehlt wurde, um erst später mögliche Maßnahmen zu ergreifen, ohne zu wissen, was man tun wird, wenn das, was man sich vorgenommen hat, nicht klappt . Aber okay! Ich habe eine Frage bezüglich des Schienenlärms an Sie . Nach dem, was wir wissen, wollen Sie nicht das im Koalitionsvertrag vorgesehene Verbot durchsetzen, sondern erwägen Maßnahmen, mit denen sich dieselbe Lärmreduzierung erreichen lässt . Güterzügen, die zu laut sind, wird nicht die Durchfahrt durch Deutschland verboten, sondern sie müssen ihre Geschwindigkeit drosseln . Um 10 dB Lärmreduzierung zu erreichen, muss ein Güterzug seine Geschwindigkeit auf etwa 20 bis 30 Kilometer pro Stunde reduzieren . Das bedeutet eine massive Beschränkung der Kapazität des deutschen Schienennetzes, das ohnehin an seine Grenzen stößt . Ich möchte gerne von Ihnen wissen, ob Sie diese Maßnahme für geeignet halten, um einerseits die Lärmschutzanforderungen zu erfüllen und andererseits mehr Güter auf die Schiene zu bringen .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär .

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Herr Kollege Gastel, wie Sie wissen, hat die DB AG zugesagt, dass die Hälfte der im Netz verkehrenden Güterwagen bis Ende 2016 leise unterwegs sein wird . Wir erarbeiten derzeit einen Regelungsentwurf, um festzulegen, welche Maßnahmen wir ergreifen werden, wenn dieses Ziel bis Ende 2016 nicht erreicht worden ist; das wird derzeit evaluiert . Minister Alexander Dobrindt hat bereits im vergangenen Jahr sämtliche EU-Mitgliedstaaten angeschrieben und darum gebeten, die Wagenhalter über die entsprechenden Möglichkeiten zu informieren und zur Teilnahme aufzurufen . Wir werden schon in wenigen Tagen die Wagenhalter nochmals über den Stand der Evaluierung der Umrüstung informieren . Aber wie gesagt, der Regelungskatalog wird derzeit noch erarbeitet . Deshalb kann ich Ihre Frage noch nicht präzise beantworten .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Herr Gastel, Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage .

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wir reden ja jetzt über das Jahr 2020 und die Zielsetzung für dieses Jahr, die da, was den Schienenlärm angeht, lautet: Halbierung bis zu diesem Zeitpunkt . Das alles ist auch gut und richtig - abgesehen davon, dass Sie bei den Maßnahmen nicht konsequent genug sind . Die Ziele aber sind in Ordnung . Meine Frage lautet jetzt: In welchem Zusammenhang beschäftigen Sie sich im Bundesverkehrsministerium mit der Zeit nach 2020? Denn es ist ja nicht so, dass, wenn das Ziel der Halbierung der Lärmbelastung erreicht ist, alles gut ist, sondern wir müssen dann - aus Gesundheitsgründen, aber auch, um für den Schienengüterverkehr, von dem wir ja alle mehr haben wollen, in der Gesellschaft eine Akzeptanz zu schaffen - weiter an der Reduzierung der Lärmbelastung arbeiten . Was tun Sie für die Zeit nach 2020?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär .

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Vielen Dank, Herr Kollege Gastel . - Sie haben richtigerweise das Ziel, die aus dem Schienenverkehr resultierende Lärmbelastung im Vergleich zum Jahr 2008 bis zum Jahr 2020 halbieren zu wollen, beschrieben . Die Bevölkerung nimmt eine Reduzierung von 10 db als Halbierung der Lärmbelastung wahr . An diesem Ziel halten wir nach wie vor fest . Was die langfristige Überlegung in Bezug auf den Lärmschutz anbelangt, gehen wir nach einer Drei-Punkte-Strategie vor: einerseits fördern, andererseits ertüchtigen und zum Dritten regulieren . An Letzterem arbeiten wir gerade noch . Förderung betreiben wir bereits . Was Ertüchtigung anbelangt, unterstützen wir derzeit Forschungsvorhaben, um den Lärm dort zu reduzieren, wo er entsteht, also direkt am Material . Dabei geht es aber auch um andere sekundäre Lärmschutzmöglichkeiten . Auch da gibt es noch weitere Dinge, die wir derzeit erproben . Wir denken also schon über das Jahr 2020 hinaus, weil die Reduzierung der Lärmbelastung, insbesondere durch Güterzüge, ein ganz zentrales Anliegen der Bundesregierung ist .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen . Damit ist die Fragestunde beendet . Ich unterbreche die Sitzung kurz . Die Aktuelle Stunde beginnt um 15 .35 Uhr . Dann werden wir unsere Sitzung fortsetzen . Also seien Sie bitte pünktlich um 15 .35 Uhr wieder hier im Plenum . ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, Ihre Plätze einzunehmen . Die 211 . Sitzung der 18 . Legislaturperiode des Deutschen Bundestages wird fortgesetzt . Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Entschieden gegen Gefährder vorgehen Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit Die Debatte eröffnen wird der Bundesminister des Innern, Dr . Thomas de Maizière . - Herr Minister, Sie haben das Wort . ({0})

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Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Einen Tag nach dem Anschlag habe ich mit anderen den Berliner Breitscheidplatz besucht . Es war nicht der erste Ort dieser Art, den ich gesehen und besucht habe . Wir haben dort Blumen niedergelegt . Ich habe den Schock und die Trauer in den Gesichtern der Menschen gesehen . Die Kirchen haben am Abend nach dem Tag des Anschlags einen wunderbaren Gottesdienst abgehalten . Alle diese Eindrücke bleiben bei mir und auch bei vielen von Ihnen noch Wochen im Kopf und im Herzen . Jeder, den ich dort gesehen habe, hat seine eigene Weise, Anteil an den schrecklichen Ereignissen zu nehmen . Jeder und jede in unserem Land darf und muss für sich entscheiden, wie er oder sie mit dem Anschlag umgehen möchte . Ein Staat wird die Art des Trauerns nicht vorschreiben . Ein Staat hat andere Wege der Anteilnahme . Er leistet Unterstützung für die Hinterbliebenen, und wenn dort mehr zu tun ist, dann müssen wir mehr tun . Er setzt Flaggen auf Halbmast . Er vereinbart einen Moment des Schweigens . Er gedenkt morgen im Bundestag . All das ist wichtig, nicht nur für die Hinterbliebenen, auch für uns, die wir niemanden verloren haben, und auch für eine wehrhafte Demokratie . All das lässt uns gemeinsam innehalten und zeigt, dass wir in diesen Tagen und Stunden und angesichts dieser Lage einander zugehörig sind - als Demokraten, oft im Streit, aber trotzdem in Freiheit miteinander verbunden . ({0}) Meine Damen und Herren, all das verlangt - nach einer Phase des Innehaltens - aber auch nach Aufklärung und Konsequenzen . In den letzten Wochen ist viel über den Begriff des Gefährders gesprochen worden. Ein Gefährder ist jemand, von dem die Sicherheitsbehörden die Befürchtung haben, dass er etwas unternehmen wird, das unser Land bedrohen könnte . Deswegen beobachten sie ihn . Auch Anis Amri, der Attentäter vom Breitscheidplatz, gehörte zu dieser Personengruppe . Die Sicherheitsbehörden hatten ihn im Visier . Sie haben ihn beobachtet . Sie haben Ermittlungsverfahren geführt . Auch die Ausländerbehörden der Länder haben sich mit ihm beschäftigt . Wir mussten aber feststellen - das ist meine vorläufige Bewertung angesichts des bisherigen Kenntnisstandes -: Alle Maßnahmen der Sicherheitsbehörden und der Ausländerbehörden haben nicht vermocht und nicht ausgereicht, ihn aufzuhalten und den Anschlag zu verhindern . Die Gefährlichkeit von Menschen einzuschätzen, gehört zu den schwierigsten Aufgaben der Sicherheitsbehörden und der Justiz . Das kennen wir auch aus anderen Fällen, etwa der Sicherheitsverwahrung entlassener Sexualstraftäter . In anderen ähnlichen Terrorgefährdungsfällen haben die Sicherheitsbehörden auch in jüngster Zeit Anschläge verhindern können . Hier nicht; das ist bitter . Ich habe gemeinsam mit meinem Kollegen Maas unter Beteiligung der betroffenen Bundesländer, allen voran Berlin und Nordrhein-Westfalen, eine Chronologie des Behördenhandelns vorgelegt . Das bietet jetzt die Grundlage für weitere Aufklärung - die wir in jeder Weise unterstützen -, die dieser Deutsche Bundestag unternimmt . Ich beteilige mich nicht an Schuldzuweisungen . Ich konzentriere mich auf die erforderlichen Konsequenzen . ({1}) Angesichts der Gefährdungslage haben wir keine Zeit zu verlieren; wir haben es heute im Ausschuss diskutiert . Erst volle Aufklärung zu verlangen und dann Maßnahmen und Konsequenzen zu diskutieren, halte ich jedenfalls dann für falsch, wenn wir von den Maßnahmen, die jetzt erforderlich sind, jetzt überzeugt sind . Dann sollten wir sie jetzt ergreifen, gegebenenfalls später andere . Aber was wir jetzt für richtig halten, sollten wir jetzt umsetzen und nicht abwarten . ({2}) Ich habe folgende operative Maßnahmen veranlasst: Die Arbeitsgemeinschaft Statusrechtliche Begleitmaßnahmen, die sogenannte AG Status, im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum nimmt in mehreren Sondersitzungen - auch heute, während wir hier diskutieren jeden ihr bekannten Gefährder noch mal unter die Lupe und prüft nochmals, ob Abschiebungen oder ähnliche Maßnahmen erforderlich sind . Ich habe außerdem das Bundeskriminalamt beauftragt, die Risikobewertung von Gewaltstraftätern zu verbessern und Pläne zur Vereinheitlichung von Gefährderbewertungen voranzutreiben . Wir haben zwar eine - wenn Sie so wollen - sicherheitsfachliche Definition von Gefährdern und relevanten Personen in ihrem Umfeld, wir haben auch bundesweite Leitlinien zum Umgang mit ihnen, aber die Bewertung von Gefährdern und die taktischen Maßnahmen nimmt immer noch jedes Bundesland zu sehr für sich alleine vor . Wir brauchen eine bundesweit standardisierte Gefährderbewertung . Ich will auch den Erkenntnisaustausch in Europa weiter beschleunigen . Wir haben dort schon viel beschlossen . Das muss jetzt beschleunigt werden . Neben diesen operativen Maßnahmen sind aber auch gesetzliche Maßnahmen erforderlich . Ich habe mich mit meinem Kollegen Maas auf eine Reihe von gesetzgeberischen Maßnahmen verständigt . Das ist gut . Wir sind uns jetzt darüber einig, dass es dabei zentral um aufenthaltsrechtliche Maßnahmen gehen muss, darunter einige Maßnahmen, die ich bereits im August vergangenen Jahres vorgeschlagen habe und zu denen ich bereits im Oktober entsprechende Gesetzentwürfe vorgeschlagen habe . Ich muss das einmal leider so sagen . Was tun wir jetzt? Wir verschärfen die Möglichkeiten der Abschiebehaft für Gefährder . Eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit muss ausreichen für eine Abschiebehaft . Das gilt nicht nur für Terror, sondern auch für sonstige schwere Kriminalität . ({3}) Gefährder sollen auch dann in U-Haft genommen werden, wenn eine Abschiebung absehbar nicht innerhalb von drei Monaten stattfinden kann. Das werden wir auch umsetzen . Die Möglichkeit zum Ausreisegewahrsam wird von vier auf zehn Tage verlängert . Wir regeln schärfere Überwachungsmöglichkeiten für ausreisepflichtige Ausländer, die die öffentliche Sicherheit gefährden - dazu gehört auch die Fußfessel . Sehr wichtig ist: Für Asylbewerber und Ausreisepflichtige, die über ihre Identität täuschen, soll der Aufenthalt auf den Bezirk der jeweiligen Ausländerbehörde beschränkt werden . Dann kann jemand wie Amri jedenfalls nicht folgenlos seinen Aufenthalt mal hier und mal dort nehmen und durchs ganze Land ziehen . Und: Wir werden bei den Verhandlungen mit den Herkunftsländern über die Rücknahme eigener Staatsbürger stärker auch andere Politikfelder mit einbeziehen, insbesondere auch die Außen-, die Wirtschafts- und die Entwicklungspolitik . ({4}) Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe für die ganze Bundesregierung und jeden Minister . ({5}) Meine Damen und Herren, ich habe vor zwei Wochen weitgehende Vorschläge gemacht für einen starken Staat in schwierigen Zeiten . Sie sind auf ein großes Echo gestoßen . Ich will sie heute hier nicht wiederholen; wir werden sie heute auch nicht debattieren können - dafür ist nicht der Zeitpunkt, auch nicht der Rahmen . Hier und heute nur so viel: Für die Sicherheit unseres Landes sollten wir nicht nur über Befugnisse reden, sondern auch darüber, wie wir die Aufgaben am besten erledigen können . ({6}) Beim Umgang mit Gefährdern im föderalen Staat sind alle gefordert . Ich möchte einheitliche Maßstäbe in Bund und Ländern . Es darf in Deutschland keine Zonen unterschiedlicher Sicherheit geben . ({7}) Ich bin bereit, dass der Bund mehr Verantwortung übernimmt . Es kommt auf die Verwaltungen an und deren Zusammenarbeit . Es kommt auf den Gesetzesvollzug an . Es kommt auch auf die Justiz an, wie wir auch im Fall Amri sehen . Ich will nicht hinnehmen, dass sich gewaltbereite Islamisten in unserem Land frei bewegen können . Ich will einheitliche Sicherheitsstandards in Bund und Ländern . Ich will, dass Gefährder besser und intensiver beobachtet und schneller aus dem Verkehr gezogen werden können . Ich will, dass ausreisepflichtige Gefährder unser Land verlassen . Und ich werde alles in meiner Verantwortung Mögliche tun, damit das auch passiert . ({8}) Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung hier im Deutschen Bundestag und die der Bundesländer, möglichst geschlossen, vor allem aber entschlossen . ({9})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Dr . Dietmar Bartsch von der Fraktion Die Linke hat als Nächster das Wort . ({0})

Dr. Dietmar Bartsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003034, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Durch einen feigen Anschlag sind zwölf Menschen getötet worden, viele wurden verletzt . Ihrer Anteilnahme, Herr Minister, dem Anliegen der Unterstützung für die Opfer, dem Gedenken schließe ich mich ausdrücklich an; das teilen wir . Ich möchte auch für die Fraktion Die Linke den Hinterbliebenen der Opfer und den Verletzten des Anschlages in Berlin mein Mitgefühl aussprechen . Ich möchte, dass wir alle immer auch über die Opfer reden, dass das nicht unter dem Fall Amri subsumiert wird . Und ich möchte auch, dass wir trotz dieses Anschlages unsere Art, zu leben, nicht kaputtmachen lassen, dass wir mehr Menschlichkeit, mehr Freiheit fordern und dabei bleiben und dass wir denen keine Siege gönnen, meine Damen und Herren . ({0}) Ja, es ist so, dass man nicht alle Fragen sofort beantworten kann; es hat lange gedauert, bis erste Fragen beantwortet wurden . Ich will Heiko Maas zitieren, der dann gesagt hat: Es kann sich nach dem, was da geschehen ist, und nach dem, was man mittlerweile weiß, niemand hinsetzen und sagen, es sind keine Fehler gemacht worden . Ich will dem ausdrücklich zustimmen; bloß, ich möchte natürlich auch wissen: Wer hat denn Fehler gemacht, welche Verantwortung gibt es da? Und da gibt es bisher sehr, sehr wenige Antworten . Seit Montag liegt Ihrer beider Bericht - Sie haben darauf hingewiesen - an das PKGr vor, und trotzdem bleiben viele Fragen . Das Fehlen von Antworten auf diese Fragen - das ist das, was die Menschen in unserem Land verunsichert, Herr Minister . Wie kann es sein, dass Amri diesen feigen Anschlag durchführen konnte, obwohl er seit 2015 wöchentlich Thema deutscher Behörden war? Wie kann es sein, dass trotz Information eines V-Manns, dass ein „gewisser Anis“ Anschlagspläne hegt, hier Informationen nicht zusammengeführt worden sind? Woher hatte Amri seit Februar 2016 die Information, dass die Behörden ihn auf dem Schirm hatten? Wie kann es sein, dass die Observierung Amris ab April 2016 nur noch lückenhaft durchgeführt worden ist? Wieso wurde die Beschattung, obwohl er Thema im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum war, im September eingestellt, und das, meine Damen und Herren, zu einem Zeitpunkt, zu dem der marokkanische Geheimdienst Informationen hierhergegeben hat, dass er eben ein Gefahrenpotenzial hat? Wie kann denn das sein? Wie kann es zu dieser Einschätzung kommen, dass er nicht gefährlich ist? Dafür gibt es keine Erklärung . Kurz danach wurde er übrigens in der Polizeidatenbank INPOL europaweit als ausländischer Kämpfer aufgeführt . Warum? Wie passt das zusammen, meine Damen und Herren? Warum sind alle Verfahren gegen Amri - alle -, wegen Drogen, Betrugs usw ., eingestellt worden, obwohl ihm Dutzende Straftaten vorgeworfen worden sind? Das alles, meine Damen und Herren, stinkt gen Himmel . Das ist keine Schuldzuweisung; aber da ist etwas nicht in Ordnung . ({1}) Ich will einfach wissen: Wer hat was warum irgendwie gedreht? Was ist da in Nordrhein-Westfalen konkret passiert? Von dort sehe ich nur einen Fingerzeig in Richtung Berlin . Es ist eine Aneinanderkettung von Fehlurteilen der Sicherheitsbehörden . Geschah dies im Übrigen planmäßig, weil er vielleicht als Quelle genutzt werden sollte, oder ist es Versagen? Wir haben, wie Sie wissen, einen Untersuchungsausschuss gefordert . Interessanterweise hat sich Herr Kauder dem angeschlossen, offensichtlich - es ist ja Ihr Fraktionschef - weil es offene Fragen gibt; denn einen Untersuchungsausschuss macht man dann, wenn die Antworten bisher nicht ausreichen . Meine Damen und Herren, die Voraussetzung für neue Gesetze ist natürlich zuallererst Aufklärung . Und bei Ihnen höre ich nur: Verschärfung, Verschärfung, Verschärfung . - Ich sage ganz klar: Wir haben ausreichend Mittel und Gesetze, mit denen dieser Anschlag vielleicht hätte verhindert werden können, wenn sie nur vernünftig und konsequent angewendet worden wären . Sie aber haben meines Erachtens den Überblick über Ihre eigenen Behörden und über die Sicherheitsgesetze längst verloren . Über Ihre konkreten Vorschläge können wir alle noch reden, aber bisher wird vor allen Dingen über Verschärfung geredet, und da haben wir eine ganze Menge durch: Zweimal das Asylrecht verschärft; das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum ist gegründet worden . Aber die Arbeit scheint dort nicht zu funktionieren . Videoüberwachung . Wir haben auch nichts gegen vereinzelte Videoüberwachung . Aber: Der Mann ist 14-mal gefilmt worden. Festgehalten und zur Strecke gebracht haben ihn dann zwei Polizisten bei einer normalen Kontrolle . Deswegen sollten wir mehr über die Stärkung der Polizei nachdenken und nicht über flächendeckende Videoüberwachung; ich hoffe, dass auch Sie das nicht wollen . ({2}) Bevor Sie zu solchen Forderungen kommen, wollen wir, dass alle Fakten auf dem Tisch liegen, und dabei geht es nicht um Schuldzuweisung, sondern darum, zukünftig entsprechende Fehler zu verhindern . Das ist doch der entscheidende Punkt . ({3}) Zwei Dinge zum Abschluss . Wir sollten dafür sorgen, dass die Moscheen, die von Saudi-Arabien finanziert werden - wo Herr Amri offensichtlich vorher war -, zugemacht werden, damit hier nicht in irgendeiner Art und Weise Terrorismus gefördert wird . Und zum Satz: Wir müssen die Fluchtursachen bekämpfen . - Wir sollten darüber nachdenken, wie wir dem Terrorismus real den Boden entziehen können . Wir sollten keine Interventionskriege führen, keine Waffen exportieren und Ähnliches . Dann ergreifen wir die richtigen Maßnahmen, damit dem Terrorismus der Boden entzogen wird . Herzlichen Dank . ({4})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Als nächster Redner hat der Bundesminister der Justiz, Heiko Maas, das Wort . ({0})

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Mörder vom 19 . Dezember hat unsagbares Leid über viele Familien gebracht, nicht nur bei uns in Deutschland - auch in Polen, in Italien und in Israel . Dass eine israelische Staatsbürgerin, eine Jüdin, einem islamistischen Terroranschlag gerade hier in Berlin zum Opfer fällt, ist wirklich nur schwer zu ertragen . Das Leid derer, die einen geliebten Menschen verloren haben oder deren Angehörige in den Krankenhäusern noch immer um ihr Leben kämpfen, kann von uns wahrscheinlich niemand ermessen . Deshalb kann man dem Deutschen Bundestag und seinem Präsidenten nur dafür danken, dass morgen in diesem Hohen Haus der Opfer und Verletzten vom Breitscheidplatz gedacht wird . Das ist richtig und angemessen . Aber mich hat noch etwas beeindruckt, nämlich die Reaktion der Berlinerinnen und Berliner . ({0}) Die Menschen in dieser Stadt haben ihr Leben weitergelebt . Nach dem 19 . Dezember hatte die Angst in dieser Stadt keinen Platz . Und das ist nicht etwa pietätlos, sondern das ist ein Zeichen, und zwar ein starkes Zeichen dafür, dass die Angst nicht siegen wird und die Terroristen ihr Ziel nicht erreichen werden . Wir werden unser Leben in einer freien Gesellschaft so fortsetzen, wie wir es für richtig halten, weil wir an die Werte, die diese Gesellschaft prägen, nach dem 19 . Dezember genauso glauben wie zuvor . ({1}) Meine Damen und Herren, unsere Behörden haben seit dem Verbrechen alles getan, wie ich finde, um den Betroffenen schnell und unkompliziert zu helfen - und wir werden das auch weiter tun - und um die Tat aufzuklären . Wir sind das den Opfern und ihren Angehörigen schuldig, aber nicht nur ihnen . Wir sind es allen Bürgerinnen und Bürgern schuldig, alles dafür zu tun, dass sich ein Fall Amri in Deutschland in dieser Form nicht wiederholen kann . ({2}) Die beste Antwort auf die Taten und den Hass der Terroristen ist der wehrhafte Rechtsstaat . Wir werden unsere rechtsstaatlichen Prinzipien nicht preisgeben, aber zum Rechtsstaat gehört auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, und der besagt: Je größer eine Gefahr, desto entschlossener darf, ja muss der Staat seine Bürgerinnen und Bürger schützen . Deshalb haben sich Herr de Maizière und ich in Abstimmung mit vielen anderen zusammengesetzt und darüber beraten: Was muss zum jetzigen Zeitpunkt schon auf gesetzgeberischer Ebene geändert werden, um diese Erwartung auch zu erfüllen? Dabei darf es keine Automatismen geben, dass wir immer, wenn etwas geschieht, sogleich unsere Gesetze ändern wollen . ({3}) Erst müssen wir überprüfen, ob die Gesetze, die wir haben, auch so vollzogen worden sind, wie wir uns das vorstellen . ({4}) Das tun wir . All diesen Fragen stellen wir uns . All diese Fragen werden wir auch beantworten . Das haben wir heute sehr ausführlich im Innen- wie auch im Rechtsausschuss getan . ({5}) Es kann aber auch keinen Automatismus geben, dass man Gesetze nicht ändern darf . ({6}) Dem haben wir mit viel Augenmaß, aber auch mit der Verantwortung, die uns in dieser Situation zuteilwird, versucht gerecht zu werden . Wir haben insbesondere an zwei Stellen gesetzliche Veränderungen vorgeschlagen . Einmal geht es um die Frage, die wir auch den Bürgerinnen und Bürgern beantworten müssen: Wieso konnte so etwas geschehen, obwohl derjenige schon zwei Tage in Haft gewesen ist? Tatsächlich setzt unser Recht für die Anordnung der Abschiebehaft, die bis zu 18 Monate möglich ist, voraus, dass die Abschiebung bei einer Entscheidung des Haftrichters innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann . ({7}) Wenn das nicht der Fall ist, dann wird die Abschiebehaft auch nicht angeordnet . In dem Fall, um den es heute geht, ist es genauso gewesen . ({8}) Deshalb wollen wir diese Voraussetzung im Gesetz streichen . Dann kann sich zumindest an dieser Stelle nicht wiederholen, was bei uns geschehen ist . ({9}) Ich sage Ihnen auch: Ja, wir müssen überlegen - Herr de Maizière hat das zu Recht angesprochen -, wie wir mit den Herkunftsstaaten, aus denen Gefährder kommen, die bei uns kein Aufenthaltsrecht haben, umgehen . Ich bin dafür, das mit allen sehr kooperativ zu besprechen . Aber ich mache mir auch keine Illusionen, unter welchem Druck diese Länder innenpolitisch stehen, wenn ich mir anschaue, dass die Menschen in Tunesien oder in Mali auf die Straßen gehen und von ihren Regierungen erwarten, dass sie Terroristen nicht zurücknehmen . Wir müssen dort kooperativ auftreten, aber vielleicht auch etwas deutlicher, auf jeden Fall nicht als Bittsteller . Denn bei der Frage, ob die Herkunftsstaaten ihre Staatsbürger, die bei uns kein Aufenthaltsrecht haben, wieder zurücknehmen, geht es ganz einfach um die Durchsetzung von Völkerrecht . Deshalb werden wir diese Gespräche und Verhandlungen, die ja schon stattfinden, auch in Zukunft mit aller Deutlichkeit führen und dafür sorgen müssen, dass nichts anderes als Völkerrecht durchgesetzt wird . ({10}) Die Bevölkerung muss die Gewissheit haben, dass Kriminelle und gefährliche Extremisten, wenn sie zu uns gekommen sind und sich als Flüchtling getarnt haben, bestraft und abgeschoben werden . Nur so können wir die große Hilfsbereitschaft der Menschen in Deutschland erhalten, die sie denjenigen gegenüber zeigen, die aus Not zu uns kommen, nicht mit Hass, sondern mit einem reinen Gewissen und einem reinen Herzen, die nichts anderes wollen als Hilfe . Auch das steht auf dem Spiel . Auch deshalb müssen wir handeln . ({11}) Es gibt niemanden, der davon ausgeht, dass wir das alleine mit repressiven Mitteln leisten können . Es reicht nicht aus, Gefährder zu überwachen oder Täter zu bestrafen . Aber das muss schon geschehen . Wir brauchen auch alle Anstrengungen bei der Prävention, weil wir verhindern müssen, dass sich Menschen, die hierhergekommen sind, oder auch diejenigen, die von hier stammen - denn nicht alle Gefährder haben einen anderen Pass -, in unserem Land radikalisieren und in den radikalen Islamismus abgleiten . Deshalb wollen wir neben den Mitteln, zu denen wir uns jetzt schon verabredet haben, auch mehr für die Prävention tun . Und ja, wir wollen noch enger zusammenarbeiten mit rechtstreuen Moscheegemeinden und Migrantenverbänden . Sie müssen so etwas wie Integrationslotsen oder Kulturdolmetscher sein . Aber bei den Moscheegemeinden, in denen Radikalisierung stattfindet, und zwar unabhängig davon, ob gezielt und bewusst oder auch nur geduldet, müssen wir die Möglichkeiten unseres Rechts ausschöpfen, und wir müssen keine Gesetze ändern, um solche Moscheen im Zweifelsfall zu schließen ({12}) Meine Damen und Herren, schon einmal wurde unser Land vom Terror schwer erschüttert, vor 40 Jahren, durch die Morde der RAF . Damals sagte der damalige Bundeskanzler, Helmut Schmidt, etwas, was heute immer noch zutrifft. Er sagte: Die Mörder wollen ein Gefühl der Ohnmacht erzeugen . Sie wollen die Organe des Grundgesetzes verleiten, sich von freiheitlichen und rechtsstaatlichen Grundsätzen abzukehren. Sie hoffen, daß ihre Gewalt eine bloß emotional gesteuerte, undifferenzierte, unkontrollierte Gegengewalt hervorbringe . . . Diese Erwartungen werden sich nicht erfüllen . Der Rechtsstaat bleibt unverwundbar, solange er in uns lebt . Dem ist nichts hinzuzufügen . ({13})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Der Kollege Dr . Konstantin von Notz spricht als Nächster für Bündnis 90/Die Grünen .

Dr. Konstantin Notz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004123, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Unsere Solidarität und unser tiefes Mitgefühl gelten all den Verletzten und den Angehörigen der Opfer dieses entsetzlichen Anschlags am Breitscheidplatz . Aber gerade weil das so ist, können wir hier heute nicht nur über einen Zehn-PunktePlan, über Maßnahmen und Ankündigungen reden, sondern wir müssen auch gucken, was im Zentrum steht . Darum, Herr de Maizière, muss ich zu Ihrer Haltung heute im Innenausschuss - Schwamm drüber; Fehler haben nur die anderen gemacht; jetzt heißt es, nach vorne zu schauen; nach hinten schaut irgendeine Taskforce im Geheimen - sagen: So geht es leider nicht, Herr de Maizière . ({0}) Sie laufen los, Herr Lischka, ohne zu wissen, wohin . Wir brauchen jetzt aber rückhaltlose Aufklärung über alle Hintergründe, Versäumnisse und Fehler, die gemacht worden sind . ({1}) Statt Defizite zu analysieren, fangen Sie schon jetzt an, zu operieren - ohne ordentliche Diagnose . Ich sage Ihnen: Dieses Vorgehen kann selbst zu einem Sicherheitsproblem werden . Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Wir Grüne sind immer bereit, mit Ihnen darüber zu diskutieren, wo man nachjustieren kann, wo es Sicherheits- und Gesetzeslücken gibt . Wir waren in den letzten Monaten immer wieder diejenigen, die Sie auf diese Sicherheitslücken hingewiesen haben, die bis heute bestehen . ({2}) - Dazu komme ich gleich . Alles gut . - Wenn es darum geht, das Maß an Sicherheit zu erhöhen, sind wir immer dabei, wenn man rechtsstaatlich und effektiv agiert. ({3}) - Herr Kauder, Ihre Nervosität kann ich gut verstehen . Eines aber können Sie hier nicht abschütteln: Sie tragen seit zwölf Jahren die Verantwortung für die Sicherheit in diesem Land . ({4}) Deswegen fallen die Diskussionen über all die Dinge, die wir nicht haben, direkt auf Sie zurück; denn Sie haben die Mehrheit in diesem Hause . ({5}) Ausgerechnet aus Ihren Reihen werden immer Gesetzesverschärfungen gefordert . Wofür regieren Sie denn seit zwölf Jahren, wenn Sie all diese Dinge nicht umsetzen können? ({6}) Sie können sich der Verantwortung durch Zehn-Punkte-Pläne, durch Ablenkungsmanöver, durch Taskforces oder das Verfassen von Gastbeiträgen nicht entziehen . So geht das nicht . ({7}) Wir erleben seit nunmehr vier Wochen ein Verbreiten von Nebel und Unklarheiten . ({8}) Dieses Vorgehen ist angesichts des schwersten islamistischen Anschlages in Deutschland völlig inakzeptabel, Herr Lischka . Sie haben direkt nach dem Anschlag umgehende und umfassende Aufklärung zugesagt . Sie ist bis heute nicht erfolgt . Wenn Sie das nicht glauben, lesen Sie die Zeitung . ({9}) Dabei werden Ihnen viele Fragen in den Sinn kommen . Ich nenne Ihnen gleich welche . Eine von uns geforderte Sondersitzung Anfang dieses Jahres wurde abgelehnt. Die offenbar seit längerem vorliegende Chronologie der Ereignisse und Vorkommnisse ist voller Ungereimtheiten und Lücken . Sie wurde den Abgeordneten auf Nachfrage erst verweigert . Dann hat irgendjemand die Verschlusssache an die Medien durchgestochen . Wir bekommen sie jetzt erst in veränderter und sozusagen täglich neu aufgesetzter Form . So kann man nicht mit dem Parlament umgehen . ({10}) Die Beantwortung unserer Kleinen Anfrage wollten Sie in den Februar verschieben . Das alles zeigt: Eile scheinen Sie nicht zu haben . Jeden Tag werden neue skandalöse Details bekannt . Man kann den Eindruck nicht loswerden: Hier wird bewusst ausgebremst . - Das dürfen wir nicht zulassen . Das sind wir den Opferfamilien, der deutschen Öffentlichkeit und diesem Hohen Haus, das zu Recht Aufklärung von Ihnen verlangt, schuldig . ({11}) Ich nenne Ihnen einmal ein paar Fragen: Wurde Amri vom Bundesamt für Verfassungsschutz oder anderen Behörden bis zum Anschlag oder eventuell sogar darüber hinaus überwacht und, wenn ja, wann genau und mit welchen Maßnahmen, Mitteln und Erkenntnissen? Haben die Bundesbehörden, egal welche, Maßnahmen sondiert oder getroffen, um Amri selbst oder Personen aus seinem Umfeld als Vertrauenspersonen, Quellen oder Informanten zu führen? Hat Amri oder sein Umfeld von Sicherheitsbehörden des Bundes jemals Geld, Sachleistungen oder sonst irgendwelche direkten oder indirekten Hilfen erhalten? ({12}) Wer hat wie genau auf die Hinweise des marokkanischen Partnerdienstes wenige Wochen vor dem Anschlag reagiert? Warum wurde trotz all der bekannten Straftaten Amris kein Strafverfahren durchgezogen? ({13}) Warum wollte man Amri zwar nach Tunesien abschieben, hat dann aber, als er nach Tunesien ausreisen wollte, diese Ausreise verhindert? Woher hatte Amri bitte schön die Schusswaffe, und warum ist diese Beschaffung niemandem aufgefallen? - Das sind nur einige der Fragen, die bis heute völlig ungeklärt sind . Ihre Beantwortung ist essenziell, Herr Minister, um die offenen Defizite, die hier zutage treten, effektiv zu bekämpfen und für mehr Sicherheit in diesem Land zu sorgen . ({14}) Wir brauchen - das mahnen wir seit Jahren an - ein einheitliches Vorgehen und einen zuverlässigen Informationsaustausch über Gefährder in Deutschland und in Europa . Wir brauchen eine verbesserte Bund-Länder-Koordination . ({15}) Wir brauchen eine Umsetzung - Achtung, Herr Mayer, jetzt wird es für die CSU interessant ({16}) der EU-Waffenrechtsrichtlinie, ({17}) vor allen Dingen im Hinblick auf Deko- und Salutwaffen. Das ist eine der Lehren aus dem Anschlag von Paris . Ihr Innenminister Herrmann in Bayern erklärt, dass er ein Gegner der Umsetzung dieser Richtlinie ist . Er blockiert die Sicherheit in diesem Bereich . Bekennen Sie sich einmal dazu! ({18}) Wir brauchen eine gut ausgestattete Polizei . Sie haben die Polizei jahrelang kaputtgespart . ({19}) Sie kann heute gar nicht so schnell wieder auf die Beine kommen, wie man sich das wünschen würde .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Herr Kollege von Notz, Sie denken an die vereinbarte Redezeit?

Dr. Konstantin Notz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004123, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wir brauchen endlich mehr Prävention . Beenden Sie die Salamitaktik! - Herr Präsident, ich danke Ihnen ganz herzlich . Vielen Dank . ({0})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Dr . Stephan Harbarth . ({0})

Dr. Stephan Harbarth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004049, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt war einer der schwersten Anschläge in der Geschichte unseres Landes . Wir alle sind noch sehr ergriffen und fühlen mit den Opfern und ihren Angehörigen . Es war ein Blutbad, wie es diese Republik seit fast vier Jahrzehnten nicht erlebt hat . Nach dem, was geschehen ist, kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen . Man kann nicht sagen, dass keine Fehler gemacht worden sind und dass keine Schwachstellen in unserer Sicherheitsarchitektur bestehen . ({0}) Deshalb - Herr Kollege von Notz, es zieht einem schon die Schuhe aus, wenn man sich hier Ihre Ausführungen anhört - hat unser Fraktionsvorsitzender die Bereitschaft der CDU/CSU erklärt, in diesem Haus einen Untersuchungsausschuss einzusetzen . ({1}) Sie haben sich das nicht zu eigen gemacht, weil Ihre bisherigen Untersuchungsausschüsse Rohrkrepierer waren und Sie an dieses Instrument nicht heranwollen . ({2}) Aber heute zu sagen, die Union stehe für eine Schwamm-drüber-Politik, ist verdreherisch und falsch . ({3}) Wir haben in dieser Legislaturperiode viele Gesetze beschlossen . ({4}) Jedes einzelne Gesetz haben Sie im Deutschen Bundestag abgelehnt, sobald es um die Verbesserung der inneren Sicherheit ging . ({5}) Wir haben im Deutschen Bundestag, glaube ich, ein hohes Maß an Einigkeit, dass wir die Herausforderungen, die vor uns liegen, jedenfalls ohne mehr Polizei und ohne bessere Ausrüstung nicht bestehen können; sogar die Linkspartei hat dies heute in der Rede anklingen lassen . Aber ich will Ihnen sagen: Allein damit ist es nicht getan . Es geht auch um eine gewisse Haltung gegenüber der Polizei . ({6}) Was meine ich? Die Debatte über den Kölner Polizeieinsatz in der Silvesternacht hat gezeigt: Wenn die Polizei in Deutschland in einen schweren Einsatz geht, dann gibt es viele Unsicherheiten, was an diesem Abend, in dieser Nacht auf sie zukommen mag . Aber es gibt eine Konstante . Es gibt eine Sicherheit, auf die sich die Polizei in Deutschland verlassen kann, nämlich die, dass die Ersten, die ihr öffentlich in den Rücken fallen und mit dem Finger auf sie zeigen, Teile der Grünen sind . Lösen Sie endlich dieses Problem! ({7}) Nicht die Taktik der Polizei hätte im Mittelpunkt der Debatte stehen sollen, sondern die Frage, warum wir in Deutschland eigentlich an dem Punkt sind, dass wir Silvesterfeiern inzwischen mit einem Großaufgebot an Polizei sichern müssen . Wir in der Union wissen, was die Polizei für die Menschen in diesem Land leistet . Deshalb gebührt der Polizei nicht Misstrauen, sondern unsere Unterstützung . ({8}) Die Maßnahmen, die wir ergreifen werden, sind ja nachgezeichnet worden . Der Bundesinnenminister hat manches von dem schon vor Monaten vorgeschlagen . Er hat beispielsweise einen Gesetzentwurf zur verbesserten Durchsetzung der Ausreisepflicht auf den Tisch gelegt. Dieser Gesetzentwurf ist leider auch von unserem Koalitionspartner zum damaligen Zeitpunkt in den Papierkorb geworfen worden . ({9}) Wenn es etwas gegeben hätte, das in den Papierkorb gehört hätte, dann waren es nicht die Vorschläge von Thomas de Maizière, sondern der Berliner Koalitionsvertrag, in dem Rot-Rot-Grün erklärt hat, dass man grundsätzlich gegen Abschiebehaft und Abschiebegewahrsam ist ({10}) und sich für deren Abschaffung einsetzt, meine Damen und Herren . ({11}) Man kann ja zu einer unterschiedlichen Bewertung kommen, wenn es darum geht, welche die größten Risiken für dieses Land sind . Ich sage Ihnen: Das größte Sicherheitsrisiko in Deutschland ist die rot-rot-grüne Landesregierung hier in Berlin . ({12}) Wenn Herr Bartsch heute ankündigt, man müsse im Hinblick auf die Moscheen einschreiten, sage ich Ihnen: Da haben Sie ja recht . Das ist aber nicht Aufgabe des Bundesinnenministers, sondern Aufgabe Ihres Senats . Ich schlage Ihnen vor: Wenn Ihr Senat, der nach sechs Wochen den Eindruck vermittelt, als liege er schon auf der Intensivstation, hier etwas gemacht hat, dann berichten Sie dies diesem Haus in einigen Wochen . ({13}) Meine Damen und Herren, dieses Land hatte vor vier Jahrzehnten eine schwere Phase zu durchleben, angegriffen von der Roten-Armee-Fraktion, konfrontiert mit großen Herausforderungen . Dieses Land hat diese Herausforderungen damals gemeistert . Wir als Union sind bereit, dies auch jetzt zu tun . Ich habe die große Bitte an uns alle, dass wir die Geschehnisse zum Anlass nehmen, mit der Polizei und über die Polizei in Deutschland künftig in einer anderen Tonlage zu sprechen, als wir es in den vergangenen Wochen erleben mussten . Vielen Dank . ({14})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Nächster Redner ist der Kollege Frank Tempel, Fraktion Die Linke . ({0})

Frank Tempel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003899, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön . - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Harbarth, es ist etwas peinlich, wenn man in den Kalender schaut und weiß, dass zum Zeitpunkt der Tat die rechtliche Zuständigkeit sowohl im Innen- als auch im Justizbereich in Berlin bei der CDU lag . ({0}) Die Regierungsverantwortung hatte gerade erst gewechselt . Das sollte zumindest hier im Bundestag bekannt sein . Ein Terroranschlag mit Toten und Verletzten löst Angst aus . Wenn der Täter vorher monatelang im Fokus staatlicher Behörden stand und der Anschlag trotzdem nicht verhindert wurde, sorgt das zusätzlich für Besorgnis und Misstrauen . Das wird durch Streit nicht gerade beseitigt . War dieser Anschlag nicht doch zu verhindern? Kann das Risiko eines erneuten Anschlags für die Zukunft zumindest verringert werden? Mit diesen Fragen sollten wir uns auseinandersetzen, statt Schuldzuweisungen zu betreiben . ({1}) Die erste Frage ist ein Blick zurück, der uns bei der Beantwortung der zweiten Frage helfen sollte . Bei beiden Fragen werden wir mit dem Phänomen des Gefährders konfrontiert, also einer Person, bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird . Darum geht es . Es geht noch nicht um Strafmaßnahmen, sondern um die Abwehr einer konkreten Gefahr . Wir müssen also wissen: In welchen Bereichen - Islamismus, Rechtsextremismus - haben wir wie viele Gefährder? Wer ist für diese Gefährder eigentlich zuständig: Verfassungsschutz oder Polizei? Wann und wie wird ein Mensch zum Gefährder? Was ist da passiert, und kann man dagegen etwas tun? Welche gesetzlichen Grundlagen greifen hier eigentlich? - Diese Fragen müssen wir uns stellen . Liebe Kollegen von der Union, mit Blick auf die Debatte fällt mir auf, dass Sie sich diese Fragen gar nicht stellen . Aber Sie geben Antworten, und viele beschäftigen sich - das haben wir eben auch bei Herrn Harbarth gehört - intensiv mit den Fragen der Asylpolitik . Asylpolitik und Sicherheitspolitik müssen aber getrennt voneinander diskutiert werden . ({2}) Warum? Gefährder, meine Damen und Herren, gibt es nicht nur im Islamismus . Der Bundestag beschäftigt sich noch heute mit dem rechtsextremen NSU-Terrortrio . Auch der NSU-Untersuchungsausschuss ist kein Rohrkrepierer . Sie können darauf nicht mit Abschiebehaft reagieren . Die meisten Rechtsterroristen können Sie nicht abschieben; sie sind Deutsche . Diese verlieren Sie in der jetzigen Debatte wieder einmal aus dem Blick . Es kann sein, dass irgendwann wieder ein NSU existiert und dass es wieder Tote gibt . Aber wir können bei der heutigen Debatte erst einmal bei Gefährdern mit islamistischem Hintergrund bleiben . Auch dabei handelt es sich nicht nur um Flüchtlinge . Viele von ihnen sind in Deutschland aufgewachsen und haben einen deutschen Pass . Der Ansatz, beim Phänomen der Gefährder über Abschiebung und Abschiebehaft zu reden, ist gefährlicher Unsinn; denn Sie beschäftigen sich tatsächlich nur mit einem Teil der Gefährder . Wir müssen beim Thema „Sicherheit“, beim Thema „Gefährder“ über eine Gefahrenabwehr reden, die alle Gefährder unabhängig von ihrer Herkunft betrifft. Für die Gefahrenabwehr, meine Damen und Herren, ist laut Gesetz die Polizei zuständig . Diese Aufgabenzuweisung finden wir in jedem Polizeiaufgabengesetz. Da ist sogar klar geregelt, dass Gefahrenabwehr vor Strafverfolgung geht . Die Priorität der Geheimdienste dagegen ist die Informationsbeschaffung und nicht die Gefahrenabwehr. Um Quellen zu schützen, werden allzu oft wichtige Informationen nicht an Polizei und Justiz weitergegeben; auch das wissen wir durch Untersuchungsausschüsse . In der Doppelzuständigkeit bei der Terrorbekämpfung zwischen Polizei und Geheimdiensten entstehen immer wieder Informations- und Zeitverluste sowie Blockaden . Auch das, Herr Harbarth, wissen wir durch Untersuchungsausschüsse . Das ist eine strukturelle Fehlerquelle . Die Zuständigkeit für Gefährder, für die Terrorabwehr gehört in eine Hand, in die der Polizei - und das in einem föderalen Verbund . ({3}) Das ist übrigens ein konkreter Vorschlag, Herr Minister, von den Linken . Die Problemlagen in München und Dresden können nun einmal völlig unterschiedlich sein . Die Länder können sich darauf mit entsprechenden Schwerpunktlagen einstellen und können so darauf reagieren . Dem Bund kommt hier lediglich eine Koordinierungs- und Kommunikationsfunktion zu . Das muss natürlich gut geregelt sein, also besser als bisher . Ich halte es für ein Sicherheitsrisiko, Herr Minister, flexibles Agieren der Exekutive durch die Aufgabe föderaler Strukturen einzuschränken . Auf eine weitere Frage sollten wir achten: Was ist passiert, wenn ein Mensch zum Gefährder wurde? Wir wissen mittlerweile, dass sich viele dieser Menschen erst bei uns radikalisiert haben . Warum? Auch Amri hat sich erst in Europa radikalisiert, in einem italienischen Gefängnis . Das gehört zur ehrlichen Analyse dazu, wenn man Probleme lösen will . ({4}) Zivilgesellschaftliche Organisationen, die genau da ansetzen, also bei der Familie, beim sozialen Umfeld und auch im Gefängnis, haben bei uns minimale Ressourcen . Wenn ein solcher Verein - zumindest gibt es solche Organisationen bei uns - mit nur zweieinhalb Personalstellen 235 Betreuungsfälle hat, aber mit Bürokratie überhäuft wird, sind die Prioritäten in Deutschland falsch gesetzt . Die SPD hat das in ihrem Papier zumindest angesprochen; das haben wir registriert . Darüber würden wir gerne mit Ihnen debattieren . ({5}) Stattdessen diskutieren Sie lieber über Fußfesseln, flächendeckende Videoüberwachung mit Gesichtserkennung und die Überwachung 14-Jähriger durch den Geheimdienst; auch solche Vorschläge gibt es aus der Union . Wenn einer wie Amri untertauchen will, dann macht er die Fußfessel einfach ab . Er ist dann weg, und wir haben dann maximal einen Haftbefehl mehr - mehr aber auch nicht . Das alles sind also Maßnahmen, die völlig überschätzt werden, wenn es um mehr Sicherheit geht, und in der Diskussion keinen Platz haben . Herr Minister, die Linke ist zu einer Debatte über eine bessere Gefahrenabwehr bereit, aber nicht zu einer Debatte über alte, unnütze Hüte . Danke schön . ({6})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Die Kollegin Dr . Eva Högl spricht als Nächste für die SPD . ({0})

Dr. Eva Högl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003896, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 19 . Dezember 2016 ist der internationale Terror ganz nah an uns herangerückt . Schon die Anschläge in Paris, in Istanbul und in Brüssel fanden in unserer Nähe und an Orten statt, die wir alle kennen und wo wir uns oft aufhalten . Aber mitten in Berlin, auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz, das war ganz nah . Und das sage ich nicht nur als Berlinerin . Unmittelbar nach dem Anschlag, als wir alle noch schockiert waren - wir sind es ja bis heute - und getrauert haben, erreichten uns die ersten markigen Sprüche . Absurder konnten die Forderungen nicht sein . Viele wussten direkt, was zu tun ist und woran es gelegen hat . Ich sage es hier ganz deutlich: Wir dürfen nicht zulassen, dass Populisten und Scharfmacher an den Rändern unserer Demokratie versuchen, diesen Anschlag vom 19 . Dezember 2016 zu instrumentalisieren, um die rechtsstaatlichen Errungenschaften und unsere grundgesetzlich verankerten demokratischen Werte infrage zu stellen . ({0}) Ich finde es auch falsch und gefährlich, wenn den Bürgerinnen und Bürgern ständig und nach jedem Anschlag oder Amoklauf - nach jedem noch so schrecklichen Ereignis - signalisiert wird, unsere Sicherheitsgesetze seien unzureichend . Das stimmt nämlich nicht . ({1}) Zu den Fehlern kommen wir natürlich noch; aber ich möchte heute auch sehr deutlich sagen: Bei aller Kritik im Detail - das werden wir sorgfältig analysieren - leisten unsere Behörden in den Bundesländern und im Bund eine ganz hervorragende Arbeit . Das gehört bei einer solchen Debatte heute auch in die Diskussion . ({2}) Herr Harbarth, genau in diesem Duktus wollte ich heute hier sprechen. Ich will Ihnen offen sagen, dass es mir schwerfällt, das so deutlich zu artikulieren; aber das, was Sie hier eben vorgetragen haben, war wirklich niveaulos . ({3}) Das gehört nicht in eine so wichtige Debatte . Herr de Maizière hat zu Recht gesagt: Schuldzuweisungen sind hier fehl am Platz . ({4}) Herr Harbarth, ich muss darauf reagieren und will einmal daran erinnern, wer hier in Berlin fünf Jahre lang Verantwortung für den Innen- und den Justizbereich getragen hat . Beide Ressorts wurden hier in Berlin fünf Jahre lang von der CDU verantwortet . ({5}) Wenn Sie sich die Chronologie angucken, die wir heute in einer aktualisierten Fassung auf den Tisch bekommen haben, dann sehen Sie, dass es dort um Berlin geht: um das Landeskriminalamt Berlin und um die Generalstaatsanwaltschaft Berlin . Ein Staatsanwalt in Berlin hat am 21 . September 2016 die Maßnahmen eingestellt . - Ich will so eigentlich nicht diskutieren; ({6}) ich lasse es dabei auch bewenden . Aber die Debatte in der Form zu führen, wie Sie es getan haben, führt nicht zu einem Ergebnis . ({7}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Fall Amri ist deshalb so tragisch, weil die Behörden wohl selten so viel über einen Gefährder wussten, wie sie über Amri gewusst haben . Deswegen muss natürlich schonungslos analysiert werden, wo, an welcher Stelle, Fehler gemacht worden sind . Das alles müssen wir schonungslos aufklären . Für die SPD-Bundestagsfraktion sage ich: Wir werden uns mit jedem geeigneten Instrument an der AufkläFrank Tempel rung beteiligen. Das betrifft den Bund, die Bundesländer und alle Behörden . ({8}) Wir müssen ehrlicherweise sagen: Der Fall Amri zeigt, dass bereits bestehende Gesetze viel besser hätten angewandt werden müssen; ({9}) denn wir haben ein Instrumentarium in diesem Land . Wir haben scharfe Gesetze . Viele haben wir in dieser Legislaturperiode noch verschärft . Diese Gesetze hätten im Fall Amri angewandt werden müssen . Dafür hätte es an der einen oder anderen Stelle die Möglichkeit gegeben . ({10}) Aber auch wir als Gesetzgeber sind gefragt . Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt ganz ausdrücklich, was Bundesminister Maas und Bundesminister de Maizière vereinbart haben und uns vorlegen werden . Wir werden das im parlamentarischen Verfahren beraten; denn wenn wir schon jetzt feststellen, dass wir Optimierungsbedarf haben - der Fall Amri gibt genügend Anlass, zu sagen: wir haben Optimierungsbedarf im Bereich der Gefährder, bei der Zusammenarbeit der Behörden, im Bereich Europa und auch im ausländerrechtlichen Bereich -, ({11}) dann sind wir als Gesetzgeber hier und jetzt gefordert, Maßnahmen auf den Weg zu bringen . ({12}) Als letztes Stichwort dürfen wir die Prävention nicht vergessen . Auch da müssen wir noch eine Schippe drauflegen . Wir müssen die 100 Millionen Euro, die wir zur Verfügung gestellt haben, gut einsetzen, damit wir eine solche Radikalisierung schon im Ansatz verhindern . Eine allerletzte, gute Nachricht - das ist ein Auftrag an uns als Gesetzgeber -: Die letzte Umfrage hat gezeigt, dass sich rund 75 Prozent der Bürgerinnen und Bürger sicher fühlen . ({13}) Das können gerne noch ein paar mehr werden; aber bei dieser Zahl soll es auf jeden Fall bleiben . Daran arbeiten wir gemeinsam sehr konzentriert . Herzlichen Dank . ({14})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Nächster Redner ist der Kollege Hans-Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Präsident . - Richtig ist, dass die Opfer von uns Solidarität erwarten, und diese bekommen sie, glaube ich, von uns allen . Was sie aber auch erwarten in der schrecklichen Situation, in der sich heute noch viele befinden, ist jede Art von Hilfe und Unterstützung. Diese müssen wir ihnen zusichern . ({0}) Was uns hier alle mit den Opfern eint - da nehme ich erst einmal gar keinen aus, auch die Minister nicht -, sind die Fragen: Wie konnte das mitten in Deutschland, mitten in Berlin, an diesem Platz geschehen? Wie ist das zu erklären? Wie können wir verhindern, dass so etwas wieder geschieht? Da muss man doch als Allererstes untersuchen: Was ist falsch gemacht worden? Herr de Maizière, Sie sind gleich danach mit Vorschlägen gekommen, welche Gesetze man nun ändern solle, dass man überlegen solle, den Verfassungsschutz zusammenzulegen - alles, was schon vor 20 Jahren gefordert worden ist . Aber zu der Frage: „Wie konnte das geschehen?“, ist der einzige Vorschlag, den ich von einem Minister der amtierenden Bundesregierung gehört habe: Wir brauchen einen Untersuchungsausschuss des Parlaments . - Ist es nicht erst einmal Ihre Aufgabe, in Ihrem Amt, in Ihrer Behörde, die ja eine maßgebliche Rolle gespielt hat, nachzuforschen, was bei uns schiefgelaufen ist? Das erwarten wir von Ihnen . ({1}) Ich werde einmal ganz konkret . Die Bombe hat seit dem 19 . September 2016 getickt . Genau drei Monate vor dem schrecklichen Anschlag gab es eine Meldung vom marokkanischen Geheimdienst, in einer Situation, in der die Beobachtung von Amri eingestellt worden ist, weil man gesagt hat: Eine konkrete Gefahr gibt es nicht . Wissen Sie, was in dieser Meldung - das steht auch in Ihrer Zusammenstellung - stand? Darin stand erstens: Er ist ein Gefährder . - Das wussten wir schon . Darin stand aber zweitens - das war neu, das findet sich in all den anderen Meldungen früher nicht -: Er will nach Syrien, zum IS - was macht er da wohl? -, oder nach Libyen, zum IS . Was macht er da wohl? Allein dieses Bestreben ist inzwischen hier in Deutschland eine schwere Straftat . Darin stand als Drittes: Er hasst Deutschland, er ist der Auffassung, Deutschland ist das Land der Ungläubigen, und Deutschland erpresst seine Brüder . Zuletzt steht da noch, am 19 . September 2016: Herr Amri führt ein Projekt aus, über das er nicht näher reden will . Dann kam im Oktober, am 10 . oder am 13 . Oktober, erneut diese Meldung aus Marokko, und dann hat sich das GTAZ damit beschäftigt . Was haben sie gesagt? Sie haben das ernst genommen . Sie haben zwar gesagt: „Wir sehen immer noch keine Gefährdung“, aber sie haben an Ihr Amt, an das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Auftrag übergeben: Überprüft bei dem marokkanischen Partnerdienst die übermittelten Erkenntnisse, und teilt sie uns mit . Was ist daraufhin geschehen? Bis heute offenbar nichts . Nichts, Herr Minister! Fragen Sie sie doch mal . Es ist nichts geschehen . Sie sind einfach Ihrer Aufgabe nicht nachgekommen . Das war am 2 . November 2016, also gut sechs Wochen vor dem Anschlag . Sie hätten genügend Zeit gehabt, nach Marokko zu fahren und das zu klären . Es ist nichts geschehen . Da sage ich Ihnen: Da gibt es ein Verschulden, da gibt es ein Verschulden Ihrer Behörde, und da gibt es auch ein Verschulden der Aufsicht Ihrer Behörde . ({2}) Das nächste Beispiel ist vorhin schon angesprochen worden . Es wird immer wieder gesagt: Wir konnten ihn ja nach Tunis nicht loswerden, die dort Zuständigen reagieren ja nicht . - Das stimmt nicht . Am 24 . Oktober das war fast zwei Monate vor dem Anschlag - kam aus Tunesien die Mitteilung: „Wir haben anhand der Indizien festgestellt, er ist tunesischer Staatsbürger“, und man hat sogar Passdaten übermittelt . Warum hat sich da nicht einer von Ihrer Behörde ({3}) - von hoher Stelle in Tunis ist das gemeldet worden ({4}) das Papier mit dieser Nachricht in die Tasche gesteckt, ist sofort zur Botschaft gefahren und hat gesagt: „Wir wollen jetzt in drei Stunden oder meinetwegen in drei Tagen die Papiere von ihm haben, damit wir ihn abschieben können“? Die Voraussetzung für eine Inhaftierung innerhalb von drei Monaten lag mit Sicherheit zu diesem Zeitpunkt vor . Sie haben es nicht gemacht . ({5}) Ich muss leider zum Ende kommen . Ich könnte noch weiter fortfahren; ich habe noch ein paar solche interessanten Details, zum Beispiel die Strafverfahren . Gegen ihn bestanden ein halbes Dutzend schwerer Strafvorwürfe . Die Ermittlungsverfahren sind nicht geführt worden . Wir wissen bis heute noch nicht, unter welchen Aliasnamen er wo überall Geld kassiert bzw . Sozialunterstützung bekommen hat . Diese Frage ist bis heute nicht beantwortet . Das haben Sie auch damals nicht versucht herauszubekommen, sondern Sie haben ein halbes Dutzend Ermittlungsverfahren eingestellt, obwohl die Möglichkeit bestanden hätte, Strafverfahren einzuleiten, einen Haftbefehl zu beantragen . ({6}) Ich garantiere Ihnen, der Haftbefehl wäre ausgestellt worden, ein strafrechtlicher Haftbefehl wäre ausgestellt worden .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Herr Kollege Ströbele, Sie haben angekündigt, zum Ende zu kommen . Aufgrund der Redezeit war diese Ankündigung auch richtig . ({0})

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Entschuldigung, letzter Satz . - Auch dies zu verfolgen, haben Sie versäumt . Ich sage: Herr Maaßen, der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, und Herr de Maizière müssen die Verantwortung übernehmen . Ich fordere Sie auf, das zu tun, Herr Minister . ({0})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Stephan Mayer . ({0})

Stephan Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Wir sind noch immer schwer ergriffen von dem schrecklichen, ja unfassbaren Anschlag am Breitscheidplatz am 19 . Dezember letzten Jahres . Unsere Gedanken sind nach wie vor in erster Linie bei den Opfern, deren Angehörigen und vor allem bei den Verletzten . Trotzdem geht es sehr schnell auch darum, diesen Anschlag rückhaltlos und schonungslos zu analysieren . Es geht darum, Fehler bei allen Behörden sowie Vollzugsdefizite und gesetzgeberische Defizite rückhaltlos und nachdrücklich aufzudecken . Ich bin schon etwas erstaunt, Herr Kollege von Notz, dass Sie in Ihrer Rede den Eindruck vermittelt haben, dass die Grünen die neue Law-and-order-Partei sind . ({0}) Mir ist in den letzten Jahren offenkundig entgangen, dass Sie auf Sicherheitsdefizite hingewiesen haben. ({1}) Wie war denn die Realität? Sie haben in dieser Legislaturperiode gegen alle Sicherheitsgesetze gestimmt, die wir vorgelegt haben, vom Entwurf eines Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung bis hin zum Antiterrorpaket kurz vor der Sommerpause . ({2}) Es geht tatsächlich nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, die richtigen Lehren zu ziehen . Die Opposition hat immer wieder insinuiert, wir würden verschleiern, wir würden vertuschen, wir würden verzögern . Der Vorwurf des Ausbremsens wurde erhoben . Zur Erinnerung: Es war die CDU/CSU, die sehr schnell eine Sondersitzung des Innenausschusses - am 21 . Dezember, nur zwei Tage nach dem Anschlag - beantragt hat . ({3}) Es war die CDU/CSU, die gemeinsam mit der SPD eine Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums Anfang dieser Woche beantragt hat . Wir haben uns heute im Innenausschuss intensiv mit dem Fall auseinandergesetzt . Am vergangenen Montag wurde eine Taskforce eingerichtet, die, wenn alle guten Willens sind, schon in der kommenden Woche ihre Arbeit aufnehmen kann . ({4}) Die Taskforce wird - das wissen Sie, weil es bereits Präjudizien im Hinblick auf frühere Fälle gibt - einen Bericht als Bundestagsdrucksache veröffentlichen. ({5}) Der Vorwurf des Verschleierns und des Vertuschens ist daher vollkommen unzutreffend. ({6}) Ich möchte noch einmal deutlich sagen: Wir sind auch offen für einen Untersuchungsausschuss. ({7}) Wenn Sie einen Untersuchungsausschuss einrichten wollen, dann werden Sie ihn bekommen . Sie werden auch so viele Sondersitzungen des Innenausschusses bekommen, wie Sie wollen . Ich möchte dies ausdrücklich im Namen der CDU/CSU-Fraktion sagen . ({8}) Es geht jetzt aber vor allem darum, schnell die richtigen Konsequenzen zu ziehen . Ich bin unserem Bundesinnenminister sehr dankbar, dass er zusammen mit dem Bundesjustizminister sehr schnell ein Zehn-Punkte-Papier vorgelegt hat . Ich möchte dazu deutlich sagen: Kein einziger dieser Punkte ist neu . Kein einziger dieser Punkte ist erst nach dem Anschlag vom 19 . Dezember auf das Tableau gekommen . Uns wird immer wieder vorgeworfen, wir würden diesen Anschlag instrumentalisieren, wir würden ihn für eine Verschärfung der Sicherheitsgesetze, die Schaffung eines Überwachungsstaates missbrauchen. ({9}) Nein, das stimmt nicht . Alle zehn Punkte sind von der CDU/CSU seit vielen Monaten gefordert worden . Es gibt seit Oktober vergangenen Jahres sogar fertige Gesetzentwürfe . ({10}) Leider sind die Punkte teilweise nicht umgesetzt worden, weil sich unser Koalitionspartner dem nicht anschließen konnte; auch das gehört zur Wahrheit, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD . ({11}) Wir haben schon frühzeitig einen eigenständigen Haftgrund für Gefährder gefordert . Sie haben sich dem widersetzt . Wir haben eine Verlängerung der Dauer des Ausreisegewahrsams gefordert . Sie haben sich dem widersetzt. Wir haben eine stärkere Differenzierung bei ausreisepflichtigen Personen zwischen denen, die sich renitent verhalten wie beispielsweise Amri, die ihre Identität verschleiern und bei ihrer Identitätsfeststellung nicht mitwirken, und denen, die unser Land unverschuldet nicht verlassen können, gefordert . Auch bei diesem Punkt haben Sie sich widersetzt . ({12}) Ich bin froh, dass jetzt Einsicht bei Ihnen eingekehrt ist und dass Sie sich unseren Vorschlägen gegenüber öffnen. Aus meiner Sicht geht es jetzt darum, unsere Vorschläge schnell umzusetzen . ({13}) Es geht auch um eine Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden in Europa . Hier zeigt der Fall Amri - genauso wie unter einem Brennglas -, dass nach wie vor erhebliche Defizite bestehen. Die Italiener haben die deutschen Behörden nicht darüber informiert, dass Amri ein abgelehnter Asylbewerber war . Sie haben die Fingerabdrücke nicht in Eurodac gespeichert . Sie haben die deutschen Behörden nicht darüber informiert, dass Amri ein vorbestrafter Schwerstkrimineller war . Auch im europäischen Kontext besteht deutlicher Verbesserungsbedarf . Ich sage aber auch ganz offen: Der Hauptschwerpunkt der Konsequenzen muss bei der Beantwortung der Frage liegen: Wie gehen wir in Zukunft mit Gefährdern um? Es darf eben, wenn es darum geht, welche Maßnahmen in Bezug auf einen Gefährder ergriffen werden, nicht daran liegen, wo er gerade zufällig seinen Aufenthaltsort nimmt . Auch hier gilt es, noch einmal klar daStephan Mayer ({14}) rauf hinzuweisen: Es gibt bisher beispielsweise weder in Nordrhein-Westfalen noch im Land Berlin eine ausreichende Rechtsgrundlage dafür, Gefährder präventiv zu überwachen, zum Beispiel eine Telefonüberwachung anzuordnen . Auch hier ist Handlungsbedarf gegeben . Hier geht es nicht um die Couleur der Regierung, die im jeweiligen Land gerade das Sagen hat . Aus meiner Sicht geht es ganz entscheidend darum, dass wir jetzt schnell die richtigen Lehren aus dem Fall Amri ziehen - vor allem, um zu verhindern, dass sich ein derart schwerwiegender Anschlag in Deutschland wiederholt . Das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland schuldig, das sind wir der Sicherheit unseres Landes schuldig . ({15})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Nächster Redner ist der Kollege Burkhard Lischka für die SPD . ({0})

Burkhard Lischka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004099, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe diese Debatte verfolgt und mir doch an der einen oder anderen Stelle die Frage gestellt: Wie wirkt das eigentlich auf Zuschauer, die diese Debatte verfolgen? ({0}) - Ich werde auch niemanden namentlich benennen . Wir haben hier aber, glaube ich, manches erlebt, was genau von dem abweicht, was Sie, Herr de Maizière, in Ihrer Rede am Anfang in Bezug auf gegenseitige Schuldzuweisung gesagt haben . Ob wir - ich glaube, das gilt für uns alle - nach diesem schrecklichen Anschlag am 19 . Dezember gut beraten sind, hier eine Debatte zu führen, bei der mancher das Gefühl bekommt, wir würden hier in Klein-Klein machen und Hahnenkämpfe durchführen? Ich halte das - das sage ich Ihnen ganz ehrlich für keinen guten Umgang . ({1}) Wir wissen alle: Terror kann man nicht gänzlich verhindern . Das ist eine schmerzhafte Erfahrung, die übrigens nicht nur aktuell gemacht wurde, sondern auch schon in den letzten Jahren bzw . Jahrzehnten . Auch ist diese Erfahrung nicht nur hier in Deutschland und Europa, sondern weltweit gemacht worden. Ich finde nur: Man kann schon aus Fehlern lernen . Und das müssen wir auch . Im Sommer des vergangenen Jahres attackierte in der Regionalbahn bei Würzburg ein 17-Jähriger ganz unvermittelt mit einer Axt Fahrgäste . Das wird ein Staat nicht in jedem Fall verhindern können . Der entscheidende Punkt aber, über den wir, glaube ich, debattieren müssen, ist folgender: Wenn ein seit fast einem Jahr den Sicherheitsbehörden bekannter Gefährder - damit quasi unter den Augen des Staates - ein Attentat wie das am Breitscheidplatz hier in Berlin verübt, dann fragen sich - und zwar vollkommen zu Recht - viele Menschen: Was ist da eigentlich schiefgelaufen? ({2}) Ich sage es - das ist meine Wahrnehmung auch bei Gesprächen mit vielen Menschen - noch drastischer: Dieser Verlust an Sicherheit, der sich da bei manchen einstellt, geht bei einigen Menschen mit einem Prozess der Entfremdung von diesem Staat und von staatlichen Institutionen einher. Ich finde, das ist eine sehr gefährliche Entwicklung . ({3}) Meine Erfahrung ist: Diesem gefährlichen Gefühl kommen wir nicht mit einem Basar der Marktschreier bei . Auf diesem Basar werden wir - das geschah übrigens immer bei solchen Attentaten, die wir in Europa erlebt haben - im Halbstundentakt mit neuen Vorschlägen konfrontiert . In den letzten zwei Jahren habe ich die Erfahrung gemacht: Je absurder ein Vorschlag ist, umso größer ist - aber auch nur für 30 Minuten - das mediale Echo . Ich glaube, das kommt in der Bevölkerung nicht gut an . ({4}) Denn die Menschen haben, glaube ich, ein sehr gutes Gespür dafür, dass Lautstärke nicht immer Stärke ist . Ich sage einmal ganz offen: Ich glaube auch nicht, Herr de Maizière, dass man dem mit Strukturdebatten beikommen kann . Jedenfalls könnte man einmal darüber diskutieren, ob es um den richtigen Zeitraum bzw . den richtigen Zeitrahmen geht . Es ist unsere Aufgabe, ständig darüber nachzudenken, wie wir unsere Sicherheitsbehörden gerade in einem föderalen Staat gut aufstellen können . Ich möchte aber doch einmal hinterfragen, ob man ausgerechnet in Zeiten größter Terrorgefahr meint, Landesbehörden bzw . Landesämter für Verfassungsschutz auf der einen Seite auseinanderbauen zu können, um sie dann auf der anderen Seite wieder aufzubauen . Ich glaube nicht, dass sich im Augenblick von einer solchen Behördenbaustelle Terror effektiv bekämpfen lässt. Es ist meine feste Überzeugung, dass das nicht geht . ({5}) Ich warne in diesem ganzen Basar der Aufgeregtheiten auch vor voreiligen Schlussfolgerungen . Ich glaube nicht, dass der stärker zentralisierte Staat auch immer der stärkere Staat ist . ({6}) Frankreich hat im Gegensatz zu uns einen Zentralstaat, ohne dass die Terrorgefahr dort geringer wäre . Ich glaube, es ist eine Binsenweisheit, auch im Fall Anis Amri, dass es überall zu Fehlern und Fehleinschätzungen kommt, wo Menschen tätig sind, egal ob das Menschen in Landes- oder Bundesbehörden sind . Da wir jetzt schon über Fehler und Fehleinschätzungen sprechen: Es gibt sicherlich noch manches aufzukläStephan Mayer ({7}) ren, aber ich wage doch, eines zu sagen . Eine Annahme ist durch den Fall Anis Amri widerlegt worden, nämlich dass man Gefährder besonders gut dadurch kontrollieren kann, dass man sich zaghaft im Hintergrund hält, damit sich die Gefährder irgendwie in Sicherheit wiegen . Das mag bis zu einer gewissen Grenze richtig sein, um strafbares Handeln und Terroraktivitäten nachzuweisen und um an Netzwerke, Hintermänner und Kontaktpersonen heranzukommen . Aber eines ist uns doch hier klar geworden: Das ist ein Spiel mit dem Feuer, bei dem jede Fehleinschätzung tödlich sein kann . Deshalb kann eine Lehre aus dem Fall nur sein, dass wir wirklich frühzeitig und konsequent die Handlungsspielräume von Gefährdern einschränken müssen . Das bedeutet für mich: Wenn ein Gefährder abgeschoben werden soll, dann gehört er in Abschiebehaft - Punkt . ({8}) Das bedeutet auch, dass wir den Gefährdern, bei denen sich die Frage der Abschiebung nicht stellt, weil sie beispielsweise einen deutschen Pass haben - das betrifft die Hälfte dieser Gefährder -, 24 Stunden auf den Füßen stehen müssen, und zwar mit den Instrumenten, die wir haben: mit Meldeauflagen, Aufenthaltsbeschränkungen, Näherungsverbot und vielem anderen mehr . Helmut Schmidt, der von Heiko Maas schon zitiert wurde, hat gesagt: Wir werden den Terror besiegen . - Das war die klare Ansage an die Terroristen der 70er-Jahre . Das muss die konsequente Ansage auch gegenüber den Terroristen des 21 . Jahrhunderts sein . Danke . ({9})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Der Kollege Armin Schuster spricht jetzt für die CDU/ CSU . ({0})

Armin Schuster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Auch ich bin sonst bei solchen kontroversen Partys immer ganz vorne mit dabei, aber heute sage ich ab . 12 Tote, 53 Verletzte, unzählige trauernde Angehörige - wenn wir von denen ernst genommen werden wollen, dann müssen wir, meine ich, eine Geschlossenheit zeigen, auf die ich noch zurückkommen möchte . Wir haben diese Geschlossenheit erlebt - ich war sehr intensiv bei der Aufarbeitung des NSU-Komplexes beteiligt -, als eine Debatte, die mir sehr gut gefallen hat, über die Mordserie stattgefunden und das Haus hier zusammengehalten hat . ({0}) Ich finde, das ist eine Haltung, die uns jetzt gut täte, eben weil die 12 Toten einen so fassungslos machen . Ich glaube, dass wir jenseits von Partei- und Fraktionsgrenzen konsequent sein und jetzt auch entschlossen und gemeinsam handeln müssen, weil 150 Amris oder Personen einer ähnlichen Preisklasse noch dort draußen herumlaufen . Wir können nicht nur trauern, aber wir können versuchen, die 150 Sicherheitsrisiken, die draußen noch herumlaufen, mit einer gemeinsamen Haltung zu bekämpfen . Ich bin optimistisch. Ich empfinde es als eine spürbare politische Annäherung beim Thema „innere Sicherheit“, wenn die Grünen - ich kann es nicht genau bei der Bundestagsfraktion erkennen, aber bei vielen in den Ländern - jetzt über Videoüberwachung sprechen, über die Möglichkeit, nach Afghanistan abzuschieben, über die Möglichkeit, die Überwachung von Gefährdern zu verbessern, die Abschiebehaft zu erweitern und die elektronische Fußfessel einzuführen . Das Ergebnis des Gespräches zwischen Herrn Kretschmann und Herrn Strobl gestern in ihrem Koalitionsausschuss hinsichtlich präventiver Telekommunikationsüberwachung bei Gefährdern, Onlinedurchsuchung und Vorratsdatenspeicherung empfinde ich als ein ermutigendes Zeichen . Auch die Grünen im Bund könnten die Gelegenheit vielleicht für eine andere Art der Diskussion mit uns nutzen . Ich weiß nicht, ob ich zu viel in das Gespräch hineininterpretiere, aber dass Sie Racial Profiling morgen von der Tagesordnung genommen haben, empfinde ich als gutes Zeichen. An die SPD gewandt: Auch ich schimpfe manchmal, klar, das gehört dazu . Aber ich sage Ihnen: Ganz oft schimpft in mir nicht der CDU-Politiker, sondern der, der seit 37 Jahren in seinem Beruf nicht Geld zur Maxime gemacht hat . Ich wollte nie viel Geld verdienen oder Return on Investment in den Vordergrund stellen . Bei mir ging es immer um die Sicherheit der Menschen . Und wenn Sie sich dann nicht richtig entscheiden, dann gehe ich mal ab . Das hat aber mit Partei ganz wenig zu tun . Sie können sich vorstellen, dass man sich ärgern kann, wenn man Ideen schon hatte . Jetzt bin ich aber dankbar, dass wir es zusammen tun. Die Residenzpflicht, die Veränderung der Abschiebehaft, der neue Haftgrund „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“, das Ausreisegewahrsam: Meine Damen und Herren, das ist ein gutes Momentum, das Schwarz-Rot hat und das Grün im Bundesrat flankieren könnte, wenn Sie dieselbe Haltung wie bei der Mordserie des NSU haben . Deshalb habe ich einen Appell an beide Fraktionen . Er ist wirklich sehr ernst gemeint . Meine Damen und Herren, geben Sie sich einen Ruck bei der Einstufung des Maghreb als sichere Herkunftsstaaten im Bundesrat . Wir haben es mit Baden-Württemberg hinbekommen . Das ist ein grünes Land . Hessen ist auch nicht weit entfernt, glaube ich . Tun Sie das . Denken Sie außerdem - Herr Lischka, da bin ich Ihnen sehr dankbar - bitte einmal ohne politischen Reflex über die Idee von Transitzentren nach . Genau diese Methode wenden wir seit Jahrzehnten tagtäglich am Frankfurter Flughafen an . Dort gibt es keine Schießbefehle, keine Mauern, keine Stacheldrahtsituation und kein Gefängnis . Aber es ist Ihre Art, immer so darüber zu reden . Sie haben mal als Einstiegsvorschlag die Idee angesprochen, bei den Leuten, die uns täuschen, die eine unklare Identität haben, genauer hinzuschauen . Warum entscheiden wir das nicht schon an der Grenze und treffen eine Entscheidung früh, bevor sie einreisen? Tun Sie mir einen Gefallen: Denken Sie über das Thema Transitzentren ernsthaft nach . Schauen Sie sich einmal Frankfurt/Main an . Dort werden Sie alles das nicht finden, was Sie sonst kritisieren. ({1}) Wir sind nicht hektisch . Die Union ist völlig cool . Warum? Weil diese Vorschläge eben nicht neu sind . Sie liegen vor . Wir ziehen die Schublade auf und haben sie . Dass das so ist, müssen Sie akzeptieren . Wir sehen jetzt gut aus . Das gebe ich zu . Aber wir haben auch gut gearbeitet . Im Übrigen ist der Innenminister kein harter Hund, wie ich in einer Zeitungsüberschrift gelesen habe . Ich halte ihn für einen schlauen Hund - wenn überhaupt; das Wort „Hund“ ist ein bisschen despektierlich . Ich unterstütze seine Leitlinien, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Ich glaube, es muss auch gesagt werden - auch das ist nicht neu -: Otto Schily hat nach 9/11 vergeblich dafür gekämpft . Schon Otto Schily hat es nicht geschafft, sich gegen die Länder durchzusetzen. ({2}) Schade, dass so wenige Vertreter da sind . Die Werthebach-Kommission fand ich eine richtige Idee. Auch da haben wir es nicht geschafft. Nach dem NSU haben wir die entscheidende Frage nie geklärt: Gibt es Brennpunktlagen? Gibt es schwerwiegende Krisen, in denen einer führen muss? Meine Damen und Herren, das muss nicht der Bund sein; es kann auch ein Land sein . Jetzt sage ich Ihnen, was das gravierendste Problem am Fall Amri ist: Wir sind ausländerrechtlich nicht an die Grenzen dessen gegangen, was geht . Wir haben zum Zweiten nie ein Sammelverfahren einer Staatsanwaltschaft für die kleinkriminellen Dinge erwirkt . ({3}) Drittens darf im GTAZ - so ist der Bauplan - nicht geführt werden . Dort dürfen nur Informationen ausgetauscht werden . Das reicht mir nicht . ({4}) Die Vorschläge von Thomas de Maizière sind für den Föderalismus minimalinvasiv . Da passiert gar nichts . Aber wenn der Föderalismus gestärkt werden soll, dann müssen wir für die Grenzbelastungen auch gute Lösungen haben . Das heißt für mich - mein ganzes Leben habe ich immer erfahren, dass in Krisen geführt werden muss; in diesem Land darf das aber niemand -: Wir brauchen für Deutschland 4 .0 auch Sicherheit 4 .0 . Deswegen verschärfen wir nicht, sondern wir modernisieren, meine Damen und Herren . Zwischen Modernisieren und Verschärfen besteht ein Riesenunterschied . Ich möchte eine vernetzte, geführte Sicherheitsstruktur vor allen Dingen in schweren Lagen . Darauf müssen wir uns vorbereiten .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Herr Kollege Schuster, denken Sie auch an die Redezeit .

Armin Schuster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja . - Letzter Punkt: Ich wäre Ihnen allen sehr dankbar für ein entsprechendes Vorgehen . Wenn ich als Baden-Württemberger das sage, ist es schon schlimm genug . Aber die Haltung von Winfried Kretschmann und Thomas Strobl zu dem Leitlinienvorschlag fand ich hervorragend . Sie waren die Einzigen in der ganzen Republik - ich nehme auch meine eigenen Leute nicht aus -, die gesagt haben: Das klingt nicht unplausibel; es enthält viel Prüfenswertes; das sollten wir einmal debattieren . Genau das könnten meines Erachtens mindestens drei Fraktionen machen . Mit Herrn Tempel könnte ich mir das auch vorstellen - mit Ihnen, Herr Bartsch, eher weniger . Danke schön . ({0})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Der Kollege Uli Grötsch spricht jetzt für die SPD . ({0})

Uli Grötsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004282, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich fragen wir uns alle einen Monat nach dem Terroranschlag im Herzen Berlins immer noch, wie Anis Amri hätte aufgehalten werden können, ob der Anschlag von den Sicherheitsbehörden hätte verhindert werden können und wer für den Anschlag die Verantwortung trägt . Ich bin froh, dass wir heute in der Debatte in dieser Aktuellen Stunde fast alle den Tonfall getroffen haben, der hier vorherrschte . Ich glaube, dass es der Beantwortung dieser Fragen und auch den Opfern und ihren Angehörigen gegenüber würdig ist, in diesem Tonfall und in dieser Besonnenheit über dieses Thema und über diese Fragen zu reden . Ich möchte eine Lanze für die Art und Weise brechen, wie wir nun mit der Aufklärung dieser Fragen umgehen . Ich halte es für eine sehr gute Entscheidung und in dieser Situation auch für das richtige Instrument, dass in den nächsten Wochen eine Taskforce des Parlamentarischen Kontrollgremiums diesen Fragen nachgehen wird . Damit setzen wir eine Arbeitsgruppe des Deutschen Bundestages ein, die sich schnell und umfassend mit allen Aspekten des Terroranschlags vom 19 . Dezember 2016 befasArmin Schuster ({0}) sen wird - jenseits von langwierigen und über Monate hinweg arbeitenden Untersuchungsausschüssen . Denn wenn es Lücken gibt, was ja der Fall zu sein scheint, dann müssen wir diese Lücken schnell schließen . Dahin gehend ist die Einsetzung der Taskforce mit Sicherheit das richtige Instrument . ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte ausdrücklich davor warnen, wider besseres Wissen unsere Sicherheitsbehörden voreilig abzukanzeln, Schuldzuweisungen an die Behörden zu richten und voreilige Schlüsse zu ziehen . Ich glaube, wer in einer solchen Debatte dieses Vokabular benutzt, redet denen das Wort, denen er ganz bestimmt nicht das Wort reden will, nämlich den Parteien rechts von allen, die hier im Hohen Haus vertreten sind . Unsere Sicherheitsarchitektur ist nämlich richtig gut . Unsere Landes- und Bundesbehörden arbeiten etwa im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum sehr gut zusammen . Sie vernetzen sich, sie tauschen sich mit den Partnerdiensten im Ausland aus, und sie verdienen es auch, dass wir konstruktiv an die Sache herangehen und nicht mit dem erhobenen Zeigefinger durch das Land laufen . ({2}) Wenn die Taskforce ihre Ergebnisse vorlegt, werden wir mehr wissen . Alles andere halte ich zum jetzigen Zeitpunkt für Spekulation . ({3}) Ich meine, dass es nicht zum Zeitgeist werden darf, in Situationen wie dieser mit immer neuen Vorschlägen ins Kraut zu schießen, etwa bis hin zur Abschaffung von Verfassungsschutzämtern, bis hin zur Umkrempelung unserer kompletten Sicherheitsarchitektur. Was reflexartige Vorschläge für schärfere Gesetze angeht, so ist das Motto „Höher, schneller, weiter“ meiner Meinung nach das falsche Signal . Ich glaube auch, dass es das falsche Signal ist in Zeiten wie diesen, noch einmal mit Vorschlägen wie der Errichtung von Transitzonen oder der vielbesungenen Schaffung von Obergrenzen um die Ecke zu kommen . Ich halte das für den Holzweg . ({4}) Gefordert ist vielmehr - ich glaube, dass das in dieser Debatte heute sehr deutlich wurde - ein besonnenes und vor allem ein gemeinsames Handeln, am besten aller politischen Akteure . Die jetzt zwischen Bundesjustizminister Heiko Maas und Innenminister Thomas de Maizière abgestimmten Vorschläge halte ich dabei für maßvoll . In Zeiten wie diesen mit dem Finger auf den jeweils anderen zu zeigen, ist gerade in einer Situation wie dieser außerordentlich unangebracht . Ich bin mir sicher, dass wir unsere Gesetze so ändern werden, dass konsequentes staatliches Handeln bei Gefährdern nicht an gesetzlichen Hürden scheitern kann . Ich bin auch dafür, dass wir schnell den Begriff „Gefährder“ im Gesetz definieren. Damit geben wir Landes- und Bundesbehörden über die Definition des AK II der Innenministerkonferenz, die im Übrigen aus dem Jahr 2004 stammt, hinaus eine einheitliche und rechtsverbindliche Definition an die Hand. Vor allem müssen wir schauen auch das wurde hier deutlich; ich möchte das aber noch einmal unterstreichen -, wo es Vollzugsdefizite gibt, um ebendort schnell nachzusteuern . Ich glaube nicht, dass es in einem Land, das wohl über eine der besten Antiterrorgesetzgebungen der Welt verfügt, immer um schärfere Gesetze gehen muss . Ich glaube jedoch, dass Sie, Herr Bundesinnenminister, gefordert sind, Ihren Ankündigungen jetzt Taten folgen zu lassen, indem Sie etwa die Maghreb-Staaten zu effektiven Rücknahmeabkommen veranlassen . Wir werden, liebe Kolleginnen und Kollegen - damit komme ich zum Schluss -, Sicherheitslücken schließen, aber keine Scheunentore; denn wir fangen bei weitem nicht bei null an . Wir dürfen den Menschen in diesem Land nicht das Gefühl geben, dass mit unseren Gesetzen etwas nicht stimmt . Wir sind bestens aufgestellt . Dennoch: Hundertprozentigen Schutz vor Terroranschlägen können auch wir nicht herstellen . Das den Bürgerinnen und Bürgern vorzugaukeln, wäre mindestens fahrlässig . Vielen Dank . ({5})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Clemens Binninger . ({0})

Clemens Binninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Rufen wir uns die Anschläge in Paris auf Charlie Hebdo und während des Länderspiels sowie den Anschlag in Nizza in Erinnerung: Bei diesen Anschlägen ist es uns, glaube ich, so ergangen, dass wir zwar einerseits gesehen haben, wie ernst die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus ist und dass auch wir im Fadenkreuz sind, aber andererseits froh waren, dass sie nicht in Deutschland passiert sind . Wir waren stolz auf unsere Sicherheitsbehörden und wussten: Ein bisschen Glück war wahrscheinlich auch dabei . Dann war diese Zeit zu Ende: Es kam die Anschläge in Würzburg, Ansbach und dann der schreckliche Anschlag in Berlin. Die Bedrohung ist also, auch wenn wir hofften, dass das nicht der Fall sein wird, nicht kleiner geworden . Zugleich passieren diese drei Anschläge innerhalb von sechs Monaten, nachdem es zuvor in Köln an Silvester in hundertfacher Weise Übergriffe und in Freiburg einen Sexualmord gab . All das zusammen löst bei der Bevölkerung große Unsicherheit aus und sät Zweifel, ob dieser Staat sie noch schützen kann . Wenn wir diese Zweifel ernst nehmen - und wir müssen sie ernst nehmen; ich glaube, da sind wir gut beraten -, sollten wir möglichst im Schulterschluss alles tun, um Vertrauen zurückzugewinnen und den Bürgern in unserem Land das Gefühl zu vermitteln, dass hier in diesem Parlament, von unserer Bundesregierung, aber auch von den 16 Landesregierungen alles getan wird, um die Sicherheit der Menschen in diesem Land zu gewährleisten . Wenn uns das nicht gelingt, werden wir eine ernste Krise bekommen, von der am Ende Gruppierungen, Leute außerhalb des Parlamentes profitieren. Das können wir alle nicht wirklich wollen . ({0}) Wenn wir aber Vertrauen zurückgewinnen wollen, ist es unumgänglich - das gehört einfach dazu -, Fehler, die passiert sind, zu benennen . Das muss am Beginn stehen, wenn man Vertrauen zurückgewinnen will . Der Fall Amri ist natürlich einer, bei dem die Menschen sagen: Wie kann es sein, dass ein illegal Eingereister mit der kriminellen Vorgeschichte - viele Straftaten -, als Gefährder erkannt, als Gefährder identifiziert, überwacht, am Ende weder in Haft kommt noch abgeschoben wird? Das versteht doch kein Mensch mehr . Deshalb muss man sich fragen: Woran liegt es? Wenn man sich einmal chronologisch ansieht, wie viele verschiedene Behörden und öffentliche Stellen in den letzten 18 Monaten mit dem Fall Amri befasst waren, dann wird es einem ein bisschen schummrig . Es handelt sich um mehr als 45 Behörden und Stellen in Deutschland: von Staatsanwaltschaften, mehreren Ausländerbehörden, vielen Polizeidienststellen, Nachrichtendiensten, vom BKA, von LKAs bis hin zum Generalstaatsanwalt in Berlin und dem Innenministerium in Nordrhein-Westfalen . Daran wird, glaube ich, deutlich, dass wir im Bereich der Gefährder noch Strukturen haben, die nicht mehr zeitgemäß sind . Es ist kein Angriff auf den Föderalismus, wenn man darüber nachdenkt, ob eine Sicherheitsarchitektur, die in den 50er-Jahren entstanden ist, noch zur heutigen Bedrohungslage passt . Es geht auch nicht darum, Landesverfassungsschutzämter abzuschaffen oder aufzulösen. Aber wir können es uns doch nicht leisten, dass über 40 Behörden für diese kleine Gruppe der amtsbekannten Gefährder von 500 bis 600 Islamisten zuständig sind . ({1}) Da brauchen wir eine zentrale Federführung, und zwar im Bereich der Polizei, im Bereich der Nachrichtendienste und auch hinsichtlich der Frage von Abschiebungen . Natürlich gehört zur Wahrheit auch dazu, zu sagen, dass die gesetzlichen Regelungen, die wir im Bereich der Abschiebehaft haben, bei Amri schon hätten genutzt werden können . Herr Minister Maas, ich bin in dem Punkt allerdings anderer Rechtsauffassung als Sie. Es wird immer auf die Dreimonatsfrist verwiesen, verbunden mit dem Hinweis, dass Abschiebehaft nicht zulässig sei, wenn die Abschiebung nicht innerhalb von drei Monaten vollzogen werden könne . Ich lese § 62 Aufenthaltsgesetz anders . Da steht nämlich drin, dass diese Dreimonatsfrist nur dann gilt, wenn sie aus Gründen nicht eingehalten werden kann, „die der Ausländer nicht zu vertreten hat“ . ({2}) Aber Amri hatte das doch zu vertreten: Er hat getäuscht, er war kriminell, er hat sich der Abschiebung entzogen, er ist untergetaucht . Wenn er es nicht zu vertreten hat, wer denn dann? ({3}) Man hätte ihn in Abschiebehaft nehmen können, ja müssen! Ich will zum Schluss auf etwas hinweisen, wo ich auch Sorge habe: Ich weiß nicht, ob wir uns schon bewusst darüber geworden sind, wie ernst die Bedrohung ist . An dieser Stelle, Kollege Ströbele, nur ein kleiner Zwischensatz - wir sind ja in den gleichen Gremien, ich darf nicht über alles berichten -: Dass Sie auch in diesem Fall - das tun Sie ja auch sonst immer, egal, um welche Geschichte es geht - reflexartig einen Schlenker zum Bundesamt für Verfassungsschutz machen, war wirklich nicht angebracht . ({4}) Es geht mir aber jetzt um die Frage - da unterstütze ich die Auffassung des Innenministers voll und ganz -: Haben wir noch die Zeit für lange Debatten? Wie viele Gefährder in der Preisklasse Amris gibt es denn zurzeit noch in diesem Land? Das wird derzeit von den Landesinnenministern erhoben . Und ich hätte mir wirklich gewünscht, dass heute wenigstens einer mal den Weg hierher gefunden hätte, wenn wir solch eine Debatte führen . Es geht um unsere gemeinsame Verantwortung . Wir müssen nämlich alles daransetzen, dass bei den Personen, die genauso gefährlich sind wie Amri, möglichst erreicht wird, dass sie schnell in Abschiebehaft kommen und schnell wieder unser Land verlassen, weil sie eine Gefahr für die Sicherheit der Menschen in diesem Lande sind . ({5}) Wir dürfen nicht zuschauen, während sie frei herumlaufen . Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, hier etwas zu tun . Darauf sollten wir bei allem parteipolitischen Dissens, der wirklich nicht hierhergehört, setzen . Es sind gefordert: 16 Landesparlamente und 16 Landesregierungen, ein Bundestag, eine Bundesregierung . Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, hier für mehr Sicherheit zu sorgen . Lassen Sie es uns gemeinsam angehen . Herzlichen Dank . ({6})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Zum Abschluss der Aktuellen Stunde spricht die Kollegin Nina Warken für die CDU/CSU . ({0})

Nina Warken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004437, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir die heutige Debatte und die Diskussionen in den vergangenen Wochen betrachten, dann sehen wir, dass es die unterschiedlichsten Reaktionen und die verschiedensten Vorschläge gibt, was nun zu tun sei . Das Bemerkenswerteste ist, dass nun selbst jene Parteien Handlungsbedarf erkennen, die sich bislang immer gegen ein Mehr an innerer Sicherheit gewehrt haben . Anscheinend ist bei manchen die Erkenntnis gereift, dass die Realität manchmal eben doch anders aussieht als in Parteitagspapieren . Der konkrete Grund dafür ist ein entsetzlicher Anschlag, der das Leben von zwölf unschuldigen Menschen und die Gesundheit vieler weiterer gekostet hat . Wer von uns wurde in den vergangenen Wochen nicht gefragt, wie denn das sein könne: Ein bekannter Gefährder mit zig verschiedenen Identitäten ist unterwegs, viele Behörden kennen ihn, er wird beobachtet - und trotzdem passiert dann so etwas Schreckliches . Insofern ist uns allen klar: Das muss aufgeklärt werden . Und vor allem: Das darf sich in dieser Form nicht wiederholen . Das sind wir unseren Bürgerinnen und Bürgern schuldig . Wir sind es aber ebenso der Zukunft schuldig, Fehler zu erkennen, Zuständigkeiten zu ordnen und Regelungen am Maßstab der Wirklichkeit zu prüfen . Wir müssen die Anwendung, aber auch die praktische Anwendbarkeit des Rechts vor Ort kritisch hinterfragen . Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn manche erst jetzt mit Vorschlägen um die Ecke kommen: Es ist ja nicht so, dass wir in den vergangenen Jahren nichts erreicht hätten . Ganz im Gegenteil: Wir haben auch in dieser Legislaturperiode bereits eine Menge erreicht . So konnten wir etwa das Personal bei den Sicherheitsbehörden aufstocken und deren Befugnisse erweitern . Dazu, dass wir uns jetzt in der Koalition einig sind, weitere Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit auf den Weg zu bringen, muss man ergänzend feststellen, dass der Bundesinnenminister bereits im vergangenen Oktober konkrete Vorschläge vorgelegt hat, die uns geholfen hätten . Meine Damen und Herren, wir sind nun alle gemeinsam in der Pflicht. Die Behörden aus Ländern und Bund müssen zur Aufklärung alles Erforderliche tun und informieren. Aber auch wir als Parlament sind in der Pflicht, auf Grundlage dieser Informationen konkret etwas zu tun und über die Konsequenzen zu beraten . Die Vorschläge der Union dazu liegen auf dem Tisch . Wenn ich jetzt höre, die vorgeschlagenen Maßnahmen hätten nichts mit dem aktuellen Fall zu tun oder seien Schnellschüsse, dann kann ich dazu nur sagen, dass ich diese Vorwürfe absurd finde. Der Fall führt uns doch bereits jetzt glasklar vor Augen, wo Schwachstellen vorhanden sind; und die wollen wir schnell beseitigen: durch die Beseitigung der hohen Hürden bei der Abschiebehaft, durch die Einführung einer verschärften Residenzpflicht bei Gefährdern und durch die Möglichkeit der Überwachung mittels elektronischer Fußfessel . Das alles wird den Behörden helfen, und das alles brauchen wir; denn es befinden sich weitere Gefährder im Land . Es wurde hier viel über Verantwortung und Aufklärung gesprochen . Zum zweiten Punkt kann ich nur feststellen: Die Bundesregierung gestaltet die Aufklärung so transparent wie möglich: durch die Veröffentlichung der Chronologie, durch die Unterrichtung und Unterstützung des Parlaments und der eingesetzten Taskforce . Die Unionsfraktion ist offen für Sondersitzungen des Innenausschusses, die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses und treibt die Aufklärung in der Taskforce voran . Da verstehe ich auch Ihre Aufregung nicht, werte Kollegen der Opposition . Die Fragen, die etwa der Kollege von Notz gestellt hat, hätten gut schon heute Morgen in der Innenausschusssitzung gestellt werden können . ({0}) Zum Punkt Verantwortung . Der Bundesinnenminister hatte bereits Anfang Januar gesagt, dass er bereit ist, dafür zu sorgen, dass der Bund in einigen Bereichen, zum Beispiel bei Abschiebungen, mehr Verantwortung übernimmt . Die Frage ist, ob andere bereit sind, Verantwortung abzugeben . Die beiden Bundesminister haben bereits jetzt Änderungsvorschläge vorgelegt, die sich konkret aus dem Fall ergeben und deren Umsetzung wir als Koalition unterstützen . Wir wollen in Zukunft weitere Verbesserungen umsetzen, etwa beim Informationsaustausch auf europäischer Ebene und beim Abbau föderaler Hemmnisse . Und wo wir schon beim Thema Verantwortung sind, Herr Kollege Tempel: Zum konkreten Tatzeitpunkt lag doch die Hauptverantwortung für den Täter beim Land Nordrhein-Westfalen und bei Innenminister Jäger, und das war, Herr Ströbele, auch der Fall, als die Voraussetzungen für die Inhaftierung gegeben waren . Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wir als Union sind überzeugte Anhänger des Rechtsstaats und kämpfen hier mit ganzer Kraft dafür, dass unser Land und unsere Gesellschaft so frei bleiben, wie sie sind . Aber wir wissen eben auch, dass Rechtsstaat nicht bedeuten darf, dass der Staat sich von Verbrechern und Terroristen auf der Nase herumtanzen lässt, dass Rechtsstaat nicht heißen darf, dass irgendwelche Leute bewaffnet und mit zig verschiedenen Identitäten frei durch unser Land reisen oder dass rechtskräftige Gerichtsentscheidungen nicht vollstreckt werden, nur weil das irgendeinem Parteitag nicht gefällt . Nein, wir als Union werden immer betonen, dass es in einem Rechtsstaat nicht nur Rechte gibt, sondern auch das Recht . Und dafür werden wir uns auch in Zukunft mit ganzer Kraft einsetzen . Vielen Dank . ({1})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Die Aktuelle Stunde ist damit beendet . Wir sind damit auch am Schluss unserer heutigen Tagesordnung . Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 19 . Januar 2017, 9 Uhr, ein . Kommen Sie morgen alle gesund wieder . Die Sitzung ist geschlossen .