Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/30/2016

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle herzlich. Ich rufe unseren ersten Tagesordnungspunkt für diese Woche auf - Tagesordnungspunkt 1 -: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt. Dazu erhält die zuständige Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Frau Hendricks, gleich das Wort für den einführenden Bericht. Wenn Sie mir schon signalisieren könnten, wer dazu Fragen stellen will, können wir das schon einmal zu sortieren beginnen. Frau Hendricks, bitte schön.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Danke schön. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundeskabinett hat heute das Maßnahmenpaket „Neues Zusammenleben in der Stadt“ beschlossen. Das Paket besteht vor allem aus der Umsetzung der Novellierung des Bauplanungsrechts sowie den Änderungen der TA Lärm und der Sportanlagenlärmschutzverordnung. Wir erleben seit Jahren eine Renaissance der Städte. Das Leben in den Städten und Ballungsräumen ist aus vielen guten Gründen attraktiv und erfreut sich anhaltend hohen Zuspruchs. Es ist ganz sicher nicht die Aufgabe von Politik, in die Lebensentscheidungen der Menschen einzugreifen und ihnen etwa vorschreiben zu wollen, wie und wo sie zu leben haben. Aber es ist sehr wohl eine politische Aufgabe, das Zusammenleben zu organisieren und den sozialen Zusammenhalt in den Kommunen, in den Vierteln, in den Kiezen und Quartieren, zu stärken. Die Bundesregierung nimmt diese Herausforderung sehr ernst, gerade in den Städten, die wachsen. Wir wollen alle zivilgesellschaftlichen Initiativen stärken und unterstützen, die sich für das Gemeinwohl engagieren. Gerade die Kommunen sind dringend auf die Neuregelung des Städtebaurechts angewiesen. Ich freue mich deshalb sehr, dass die Verhandlungen nun abgeschlossen werden konnten. Mit der neuen Baugebietskategorie „Urbane Gebiete“ geben wir den Kommunen ein In strument an die Hand, mit dem sie insbesondere in innerstädtischen Gebieten eine nutzungsgemischte Stadt mit kurzen Wegen verwirklichen können. Konkret ermöglichen wir so zum Beispiel eine höhere Bebauungsdichte und erleichtern die Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum. Das ist ein ganz zentraler Punkt. Gleichzeitig passen wir die TA Lärm den Änderungen der Baunutzungsverordnung an. Auch die Ausübung von Sport gehört zum Zusammenleben in der Stadt. Sport hat ja eine herausragende gesellschaftspolitische Bedeutung. Um den Spielbetrieb auf Sportanlagen zu fördern, enthält die Änderungsverordnung zur Sportanlagenlärmschutzverordnung folgende Neuregelungen: Erstens. Wir erhöhen die Immissionsrichtwerte für die abendliche Ruhezeit sowie die nachmittägliche Ruhezeit an Sonn- und Feiertagen um 5 Dezibel. Das bedeutet, dass die Richtwerte während der Ruhezeiten den tagsüber geltenden Werten angeglichen werden. Um es zu erläutern: Es muss also dann der Spielbetrieb nicht mehr unterbrochen werden. Bisher gab es an Sonn- und Feiertagen eine Ruhezeit zwischen 13 und 15 Uhr, und es gibt eine abendliche Ruhezeit von 20 bis 22 Uhr. Jetzt darf der Sportbetrieb den ganzen Tag und bis in die Abendstunden hinein fortgeführt werden, aber selbstverständlich nicht nach 22 Uhr. Wir gestalten außerdem den sogenannten Altanlagenbonus neu. Das sichert den Sportbetrieb auf Anlagen besser ab, die vor 1991 errichtet worden sind. Damit ist jetzt klar: Auch nach einem Einbau, zum Beispiel von Kunstrasen oder von Flutlichtanlagen, oder nach generellen Modernisierungsmaßnahmen gelten die alten Immissionsgrenzwerte fort und muss der Sportbetrieb nicht eingeschränkt werden. Die Renovierung bestehender Sportanlagen, die vor 1991 errichtet worden sind, führt also nicht dazu, dass man anschließend weniger Sport betreiben kann als vorher, sondern der Bonus dieser Anlage bleibt erhalten. Ich bin ganz sicher: Das wird zu einem Aufatmen in unzähligen Sportvereinen unseres Landes führen. Ein weiteres Thema, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Regelung zu Ferienwohnungen. Hier ist aufgrund von Rechtsprechung bei vielen Kommunen und bei privaten Ferienwohnungsbetreibern Unsicherheit aufgekommen, ob Ferienwohnungen in klassischen Baugebieten bauplanungsrechtlich überhaupt zulässig sind. Das regeln wir in unserem Gesetzentwurf klarstellend und weiten zudem die Steuerungsmöglichkeiten der Kommunen aus. Damit wird die jahrelange Rechtsunsicherheit an dieser Stelle beendet. Ich glaube, dass wir mit dem Maßnahmenpaket wichtige neue Impulse für ein gutes Zusammenleben geben können, und ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, um Unterstützung im Gesetzgebungsverfahren. Herzlichen Dank.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich bedanke mich für die vorbildliche Unterbietung der zur Verfügung stehenden Zeit. Das kommt bei Regierungsbefragungen nicht allzu häufig vor. Ich habe jetzt Wortmeldungen von nahezu allen anwesenden Grünenmitgliedern notiert und von niemandem sonst. - Das wird jetzt auf erfreuliche Weise ergänzt. Dann beginnen wir mit dem Kollegen Meiwald, der die erste Zusatzfrage stellen kann.

Peter Meiwald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004351, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, vielen Dank. Das, was Sie gerade zur Sportanlagenlärmschutzverordnung gesagt haben, lässt mich sehr hoffen. Ich finde es gut, dass sich da etwas bewegt. Ich denke, wir werden uns das im Detail angucken müssen. Aber erst einmal ist es schön, dass sich in der Richtung etwas bewegt. Das beschäftigt uns ja nun schon seit einigen Jahren. Meine Frage wollte ich aber zu einem Punkt stellen, den Sie nicht angesprochen haben. Wenn man an Städtebau herangeht und wir uns gleichzeitig mit der Klimakrise auseinandersetzen, ist die Frage: Wird es für kommunale Vertretungen, aber auch Städteplaner Möglichkeiten geben, im Rahmen der Städteplanung eine integrierte konkrete Energieplanung für eine Stadt zu entwickeln, da einzugreifen, das also nicht nur im Gebäude oder kleinteilig im Quartier zu versuchen, sondern übergreifend?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Die Planungshoheit liegt selbstverständlich bei den Kommunen, und sie sind in der Lage, auch solche integrierten Konzepte zu entwickeln. Wir unterstützen sie durchaus dabei, auch durch Fördermaßnahmen im Rahmen der Kommunalrichtlinie. Darüber hinaus wissen Sie natürlich auch, dass wir energetische Sanierung in Quartieren fördern und dass wir im Rahmen unserer Städtebauförderung besondere Fördermaßnahmen unter dem Stichwort „Grün in die Stadt“, um es mal verkürzt zu sagen, haben. Das hat natürlich auch positive klimatische Folgen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Bluhm, die nächste Frage.

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Frau Ministerin, für Ihre Ausführungen. - Sie haben die Zeit, die Sie hatten, um das Projekt auf den rund 50 Seiten des Gesetzentwurfs vorzustellen, unterboten. Deswegen würde ich Sie als Erstes fragen wollen, wie die neuen Regelungen zu Ferienwohnungen aussehen. Sie haben davon gesprochen, dass sie klarstellend sind und dass das den Kommunen größeren Handlungsspielraum in der Einzelabwägung geben soll. Vielleicht nutzen wir jetzt die Zeit, indem Sie dazu noch etwas ausführen, damit die allgemeine Öffentlichkeit auch weiß, was da geregelt wird.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Gern, Frau Kollegin Bluhm. - Insbesondere wegen eines Urteils des Oberverwaltungsgerichts Greifswald hatte es Probleme in der Auslegung gegeben. Sie sehen daran schon: Es war das Ostseegebiet betroffen. Das Oberverwaltungsgericht Greifswald hatte, wenn ich es knapp zusammenfasse, entschieden, Ferienwohnungen, die in dem Sinne gewerblich vermietet werden, also immer wiederkehrend vermietet werden, bei denen es also unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten um eine gewerbliche Vermietung geht, dürfe es in Wohngebieten oder auch in allgemeinen Mischgebieten nicht mehr geben. Das ist natürlich völlig verrückt; denn im Umkehrschluss dürften Ferienwohnungen dann nur noch in Gewerbegebieten erlaubt werden; da wiederum dürfen aber keine Wohnungen sein. Deswegen wurde es zwingend nötig, für eine Klarstellung zu sorgen. Das gibt den Kommunen jetzt die Möglichkeit an die Hand, zu sagen: In Wohngebieten und auch in Mischgebieten dürfen Ferienwohnungen sein. - Andererseits haben die Kommunen auch das Recht, Beschränkungen aufzuerlegen, dies also für bestimmte Straßenzüge zum Beispiel nicht zuzulassen. Es geht also im Wesentlichen darum, die Planungshoheit der Kommunen auch in diesem Fall zu stärken.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Kühn.

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Ministerin, für Ihre Ausführungen. - In den Ausführungen habe ich einen Punkt vermisst, und zwar die Neuregelung durch § 13b in Ihrem Gesetzentwurf. Wir begrüßen die Einführung des urbanen Gebietes. Ich glaube, es ist unerlässlich, dass wir zu einer stärkeren Innenentwicklung kommen und dass wir den Kommunen hier mehr Instrumente geben. Deswegen verstehe ich nicht, warum in diesem Gesetzesvorhaben gleichzeitig durch § 13b neu geregelt wird, dass es sozusagen Ausnahmen im Außenbereich geben soll, dass im Außenbereich leichter entwickelt werden kann. Ich glaube, das konterkariert das eigentliche Gesetzesvorhaben zum urbanen Gebiet, wo es darum geht, Innenentwicklung zu ermöglichen und zu erleichtern. Das passt nicht zusammen; es ist nicht konsistent. Ich frage mich auch, wie angesichts dieser Maßnahme das Flächenverbrauchsziel von 30 Hektar pro Tag bis 2020 erreicht werden soll. Innenentwicklungspotenziale heben zu wollen und gleichzeitig Ausnahmen für den Außenbereich zuzulassen, das passt nicht zusammen, und das passt auch nicht zu einer Umwelt- und Baupolitik, wie ich sie verstehe. Dazu würde ich gerne Ihre Meinung hören.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Kühn, da kann man in der Tat geteilter Meinung sein. Die ursprüngliche Intention des Gesetzentwurfes hat sich tatsächlich auf die Innenentwicklung der Städte gerichtet; das haben Sie völlig richtig dargestellt. Es gab und gibt aber auch andere Ansprüche in Bezug auf Entwicklungsmöglichkeiten, im Sinne einer Zurverfügungstellung von Baugrund. Deswegen haben wir uns im Gesetzgebungsverfahren darauf eingelassen, auch, wenngleich befristet auf drei Jahre, vorzusehen, dass sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließende Flächen bis zu 10 000 Quadratmeter, also 10 Hektar, im beschleunigten Verfahren als Baugebiet ausgewiesen werden dürfen. Das Interesse daran war vor allem im Süden unseres Landes besonders ausgeprägt. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Lay.

Caren Lay (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004088, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank auch von meiner Seite, Frau Ministerin, für die Ausführungen. - Ich würde meine Frage gerne zum Themenkomplex „Urbanes Gebiet“ stellen. Nun sind wir uns, denke ich, als Wohnungspolitiker und Wohnungspolitikerinnen einig, dass eine Innenverdichtung das Mittel der Wahl ist. Darüber hinaus konzentrieren sich viele der Diskussionen über den Gesetzentwurf auf das Thema Lärm. Sie schreiben im Vorblatt Ihres Gesetzentwurfes, dass das grundsätzlich hohe Lärmschutzniveau nicht verlassen wird. Gleichzeitig sollen die TA Lärm geändert und, wenn wir das richtig verstehen, die Werte angehoben werden. Vielleicht können Sie uns noch einmal erläutern, was Sie genau planen, was zu dieser Entscheidung geführt hat und warum Sie nicht die Option gezogen haben, andere Maßnahmen zu ergreifen, beispielsweise den Messpunkt zu verändern und dadurch passive Lärmschutzmaßnahmen zuzulassen, sondern sich stattdessen für eine Anhebung der Werte in der TA Lärm entschieden haben.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Ja, Frau Kollegin Lay, Sie berichten das richtig. Wir wollen in der Tat im Zusammenhang mit der Ausweisung des urbanen Gebietes die Möglichkeit schaffen, dass dort ein um 3 Dezibel höherer Lärm, sowohl zu Tages- als auch zu Nachtzeiten, als in bestehenden Mischgebieten zulässig ist. Es liegt natürlich in der Verantwortung der Kommunen, ein urbanes Gebiet auszuweisen oder nicht; niemand ist dazu gezwungen, das ist vollkommen klar. Die Kommunen werden einschätzen, ob sie das für sinnvoll, notwendig und richtig halten. Aber - und deswegen ist die Aussage im Vorblatt des Gesetzentwurfes, die Sie richtig zitieren, zutreffend - das hohe Lärmschutzniveau als solches bleibt in der Weise erhalten, dass die Verursacher von Lärm weiterhin natürlich mindestens diese Grenzwerte einhalten müssen. Sie können also nicht einfach ad infinitum Lärm machen, obwohl in dem neuen urbanen Gebiet Arbeiten, Wirtschaften und Wohnen nebeneinander möglich werden sollen. Zur Frage des Messpunktes und des passiven Lärmschutzes: Das kehrt das Prinzip um. Dann würde nämlich das Vorsorgeprinzip nicht mehr eingehalten werden. Also derjenige, der den Lärm verursacht, wäre dann nicht mehr dafür verantwortlich, sondern derjenige, der in der Wohnung lebt, müsste zusehen, dass er den Lärm aussperrt. Das widerspricht allen Prinzipien des Umweltrechtes, weil wir auf diese Weise das Vorsorgeprinzip aushebeln. Ich weiß, dass es in manchen Fällen gar nicht anders geht, zum Beispiel in der Nähe von Flughäfen. Da machen wir passiven Lärmschutz, weil es anders gar nicht geht. Aber wir wollen vermeiden, dass das in innerstädtische Bereiche übergreift.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Höhn.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin, die Bundesregierung hat das Ziel, bis 2020 zu erreichen, dass der Flächenverbrauch pro Tag 30 Hektar nicht überschreitet. Davon sind wir noch weit entfernt. Warum nutzen Sie jetzt nicht diese Novellierung, um zum Beispiel das Ausufern von Privilegien im Außenbereich endlich einzudämmen? Sie haben in diese Richtung auch andere Vorschläge gemacht. Warum nutzen Sie das in diesem Fall nicht? Das wäre der beste und einfachste Hebel, um Nutzungen im Außenbereich nicht mehr zuzulassen, die von der Gesellschaft nicht gewollt sind und dieses Privileg auch nicht verdienen.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin, Sie sprechen das Thema an, das ich sozusagen parallel auf den Weg gebracht habe, nämlich die Privilegierung von Tiermastanlagen im Außenbereich. Wir sind dort in Vorbesprechungen. Das wird jetzt nicht Christian Kühn ({0}) in diesem Gesetzentwurf geregelt. Aber wir sind innerhalb der Bundesregierung im Gespräch. ({1}) - Das 30-Hektar-Ziel wird bis zum Jahr 2020 nicht mehr erreicht werden. Das ist unbestritten. Sie wissen es, aber ich darf den Kolleginnen und Kollegen insgesamt sagen, wann das 30-Hektar-Ziel in der Bundesregierung beschlossen worden ist. Es ist ein Verdienst der damaligen Umweltministerin Dr. Angela Merkel, die zu Beginn des Jahres 1998 dieses 30-Hektar-Ziel für das Jahr 2020 vorgegeben hat. Damals haben wir pro Tag fast 130 Hektar verbraucht. Jetzt verbrauchen wir - versiegeln wir neu; wir verbrauchen nicht; vielmehr versiegeln wir neu; also aus Grünland wird etwas anderes, Bauland oder Straße, um es vereinfacht zu sagen - 69 Hektar. Wir werden bis 2020 30 Hektar nicht erreichen. Immerhin haben wir schon die Hälfte geschafft, von 140 Hektar auf knapp 70 Hektar.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Bluhm.

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Ministerin, in dem Vorblatt zum Gesetzentwurf greifen Sie einen Gedanken auf, den wir mit 196 Staaten auf der Habitat-Konferenz von Quito diskutiert haben. Es muss in den Städten neue Problemlösungen für neue Anforderungen geben. Wir möchten wieder mehr soziale Gerechtigkeit und Teilhabe haben. Ich würde Sie bitten wollen, hier ganz kurz darzustellen, wie Gerechtigkeit und Teilhabe mit diesem Gesetzentwurf umgesetzt werden sollen und ob die Bürgerinnen und Bürger in ihren Städten tatsächlich auch mehr Teilhabe bei der Mitbestimmung darüber haben, was in ihren Städten passiert.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Bluhm, Teilhabe wird dadurch nicht erhöht, aber ich darf darauf hinweisen, dass wir natürlich Teilnahme bei den kommunalen Entscheidungen haben. Wenn also ein neues Baugebiet ausgewiesen wird, dann wird dieses zunächst als Entwurf veröffentlicht. Dann muss eine kommunale Satzung beschlossen werden. Es ist ein kommunaler Planungsprozess, der öffentlich stattfindet, bei dem die Bürgerinnen und Bürger, jedenfalls in Deutschland, die Möglichkeit haben, sich in den Bürgerausschüssen der städtischen und gemeindlichen Vertretungen zu Wort zu melden. Natürlich können sie auch Einwendungen erheben. Erst danach wird im kommunalen Rat, also im Gemeinderat oder Stadtrat, darüber entschieden. Ich glaube, dass die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik Deutschland, was das anbelangt, gut ausgebildet sind, was aber nicht für alle 196 Länder zutrifft, die in Quito zusammengekommen sind.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Paus.

Lisa Paus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004127, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin, Sie haben gerade selber gesagt, dass Sie das Flächenverbrauchsziel 2020 nicht mehr schaffen werden. Könnten Sie noch einmal erläutern, inwieweit Sie Anstrengungen unternommen haben, dieses Ziel in diesem Gesetzgebungsverfahren doch zu erreichen? Mit welchen Maßnahmen, glauben Sie, könnte es erreicht werden? Welche Gründe waren in der Bundesregierung dafür maßgeblich, dass dieses Ziel nicht Teil des Gesetzes ist? Denn damit reißen wir selbstgesteckte Ziele, die seit langem feststehen, noch einmal offiziell. Ferner: Können Sie einen Termin nennen? Sie haben gesagt, es gibt zum Thema „Mastställe im Außenbereich“ einen weiteren Abstimmungsprozess in der Bundesregierung. Dieses Thema findet sich ja nicht in diesem Gesetzentwurf wieder. Können Sie uns eine Terminplanung nennen, wann die Bundesregierung das abschließen wird und wir mit einem Gesetz rechnen können?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Zunächst einmal ist die Intention des vorliegenden Gesetzes, durch Verdichtung dafür zu sorgen, dass weniger Flächen verbraucht werden. Es handelt sich bei den neu ausgewiesenen urbanen Gebieten um Flächen, die in innerstädtischen Bereichen liegen, die möglicherweise Industriebrachen sind oder waren, also schon einmal genutzt und zum Teil versiegelt waren. Zum Beispiel können es auch aufgelassene Flächen von Güterbahnhöfen sein, die wir in vielen Städten finden. Da wird ja nicht Fläche neu verbraucht, sondern sozusagen Fläche genutzt, die sowieso schon in der Nutzung war, jetzt aber anderer Nutzung zugeführt wird. Außerdem erlaubt die Einstufung als urbanes Gebiet mehr Geschossflächen. Das bedeutet natürlich auch, dass man tendenziell weniger Fläche verbraucht, um mehr Wohnungen zu errichten. Das ist genau die Intention dieses Gesetzes; sie ist ihm nicht abzusprechen. Deswegen machen wir genau das: Wir versuchen, zusätzlichen Wohnraum in den Städten zu schaffen, ohne dafür zusätzlichen Freiraum außerhalb der Städte zu verwenden. In der Tat - der Kollege Kühn hat zu Recht darauf hingewiesen -, der § 13b scheint dem auf den ersten Blick zu widersprechen. Allerdings ist es, wenn Sie so wollen, ein Probelauf, der auf drei Jahre begrenzt ist. Das wird also nicht auf Dauer zu Flächenverbrauch im Außenbereich führen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Volkmar Vogel.

Volkmar Uwe Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003650, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, Sie haben es bereits angesprochen: die verbesserte Baulandbereitstellung im Außenbereich oder, ich sage besser, im Randbereich von Kommunen. Kann sie auch dazu führen, dass zum Beispiel Familien mit Kindern, Familien mit einem geringeren Einkommen auf diese Art und Weise besser zu Bauland kommen können, und löst das zumindest zu einem kleinen Teil die soziale Frage des Wohnens? Die zweite Frage bezieht sich auf den Innenbereich. Wir wollen mehr verdichten, was zwangsläufig natürlich auch zu Problemen des Zusammenlebens führen könnte. Hilft hier das von uns neugeschaffene Programm „Grün in der Stadt“, und was hat das Ministerium in diesem Bereich vor, wenn es um Lärmminderung und Minderung der Staubentwicklung geht?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Sie haben recht, Herr Kollege Vogel: Es ist Familien gewöhnlich eher im ländlichen Raum möglich, Eigentum zu errichten, weil dort die Grundstückspreise niedriger sind als im städtischen Verdichtungsraum. Insofern ist das nicht von der Hand zu weisen; das ist vollkommen klar. Aber es ist natürlich auch für den ländlichen Raum gut, sich zunächst die Innenentwicklung der Dörfer anzusehen. Auch dort gibt es häufig Möglichkeiten, zusätzliche Grundstücke bereitzustellen. Das gelingt nicht immer, weil nicht alle, denen Grundstücke gehören, sie auch verkaufen wollen; das ist einfach so. Was Ihre zweite Frage anbelangt: Ja, „Grün in der Stadt“ ist etwas, was uns im Zusammenhang mit dem verdichteten Raum hilft. Was Feinstaub und andere Belastungen anbelangt, so werde ich demnächst Vorschläge vorlegen, um es den Kommunen zu ermöglichen, damit umzugehen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Lay.

Caren Lay (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004088, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich möchte gerne an meine vorherige Frage anknüpfen. Sie haben ausgeführt, dass Sie sich beim Thema Lärm wegen des Vorsorgeprinzips für diese Variante entschieden haben. Es ist ja so, dass die Kritiker sagen, dass gerade durch die Anhebung der Richtwerte der TA Lärm das Vorsorgeprinzip insofern, ich will nicht sagen, ausgehebelt, aber aufgeweicht wird, weil es für Gewerbebetriebe zum Beispiel bedeutet, dass sie technische Möglichkeiten, die sie zur Lärmreduktion nutzen könnten, eben nicht mehr nutzen müssen, weil die Richtwerte der TA Lärm angehoben werden. Vielleicht können Sie darauf eingehen, wie Sie dieser Kritik begegnen. Vielleicht können Sie in diesem Zusammenhang zur Klarstellung sagen, wie Sie sich jetzt entschieden haben, ob das urbane Gebiet nur für neu ausgewiesene innerstädtische Brachen gelten soll oder ob bestehende Gebiete dann auch zu urbanen Gebieten umgewidmet werden können. Das ist für die bestehende Wohnbevölkerung wichtig zu wissen.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Zu Ihrer zweiten Frage: Ja, die Kommunen können natürlich auch bestehende Gebiete in urbane Gebiete umwandeln. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass zum Beispiel ein bestehendes Mischgebiet in ein urbanes Gebiet umgewandelt wird, weil man dann zum Beispiel höher bauen darf als bisher im Mischgebiet oder weil man tatsächlich mehr verdichten kann, also zum Beispiel die Grundstücksgrößen anders ausgenutzt werden können. Das halte ich für eine Möglichkeit. Es ist aber jeweils in der kommunalen Verantwortung, zu entscheiden, ob man das tut. Wir gehen zunächst einmal davon aus, dass eher Brachen und auch Baulücken infrage kommen. Um Baulücken in bestehenden Zusammenhängen überhaupt nutzen zu können - auch dafür kann die Ausweisung eines urbanen Gebietes hilfreich sein. Was den Lärmschutz anbelangt, so sind mir die Kritikpunkte bekannt. Ich habe mich gleichwohl für diesen Vorschlag entschieden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Kühn.

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin, ich habe eine Frage zu dem neuen § 13b. Ich hätte ja noch dafür Verständnis gehabt, wenn man seinen Geltungsbereich auf Gebiete mit Wohnraummangel beschränkt. Jetzt soll er aber - so wie ich das verstanden habe - überall gelten, also auch im ländlichen Raum und auch in den Bereichen, in denen es keinen Druck in Innenstädten gibt. Deshalb meine Frage: Gab es Überlegungen im Ministerium, diesen Passus auf Gebiete mit Wohnraummangel zu begrenzen? Wenn man fragt: „In welchen Fällen wird diese Regelung angewendet werden, wenn man das in den nächsten drei Jahren generell erlaubt?“, dann heißt es zum einen, dass dadurch die Flüchtlingsunterbringung organisiert wird. Aber das halte ich für falsch, weil man so die Menschen nicht integriert, sondern an den Stadtrand schiebt. Zweitens wird man im ländlichen Bereich den Wettlauf der Kommunen bei der Ausweisung von Baugebieten weiter vorantreiben. Beides halte ich für falsch, und deswegen ist der neue § 13b auch so falsch. Ich kann nicht verstehen, warum dieser Paragraf in diesem Gesetz enthalten sein muss.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Ihrer Einschätzung, dass damit die Flüchtlingsunterbringung geregelt werden soll, stimme ich ausdrücklich nicht zu. Das halte ich nicht für den Impetus, der hinter diesem Wunsch steht, der mir im vorbereitenden Gesetzgebungsverfahren vorgetragen worden ist. Ich weiß - das sagte ich eben schon -, man kann das kritisch sehen. Ich gehe aber davon aus, dass die Anzahl der Fälle wegen der Beschränkung auf drei Jahre überschaubar sein wird. Volkmar Vogel ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Höhn.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin, Sie haben eben beschrieben, dass Sie sich beim Lärmschutz für eine Variante entschieden haben, die durchaus strittig ist. 3 Dezibel - das hört sich nach nicht viel an. Aber weil es sich dabei um eine logarithmische Größe handelt, muss man sagen: Der Zuwachs ist extrem hoch, und in vielen Fällen wird dann die Schwelle zum umweltgefährdenden Lärm überschritten. Die Kommunen haben vermehrt flexiblere Lösungen gefordert, zum Beispiel das „Hamburger Fenster“. Warum haben Sie das nicht in Betracht gezogen?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Höhn, ich möchte darauf hinweisen, dass wir, wenn wir das „Hamburger Fenster“ vorsehen würden, das Verursacherprinzip aushebeln. Das heißt, man darf draußen so viel Lärm machen, wie man will, und drinnen muss man sich selber schützen gegen den Lärm, den jemand anders verursacht. Das ist nicht die Regelung, die wir im Umweltrecht normalerweise vorsehen. Ich sagte eben schon: In Ausnahmefällen, zum Beispiel im Umfeld von Flughäfen, lässt es sich nicht anders regeln - das ist mir schon klar -, aber wir wollen nicht das Vorsorgeprinzip in Innenstädten gleichsam aushebeln. Deswegen kommt es uns darauf an, dass diejenigen, die den Lärm verursachen, auch in Zukunft dafür verantwortlich sind, den Lärm zu begrenzen. Damit bleibt das hohe Schutzniveau erhalten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Paus.

Lisa Paus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004127, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vorab möchte ich als Berlinerin sagen, dass wir es ausdrücklich begrüßen, dass das Gesetz diese urbanen Gebiete vorsieht. Wir haben es im Vorgriff zu diesem Gesetz in den Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün in Berlin aufgenommen. Nichtsdestotrotz geht es jetzt darum, zu überlegen, inwieweit man das Gesetz nutzen kann, um den Flächenverbrauch zu reduzieren. Deswegen möchte ich die Frage vom Kollegen Kühn noch einmal wiederholen: Warum haben Sie die Anwendungsmöglichkeit nicht auf Gebiete mit Wohnraummangel beschränkt? Denn es geht doch zentral darum, bezahlbaren Wohnraum, insbesondere für Familien, zu schaffen. Eine weitere Fragen ist auch noch offen geblieben: Wann wird es in dieser Legislaturperiode ein Gesetz zur Beschränkung von Mastbetrieben in Außenbereichen geben? Meine dritte Frage lautet: Wie sieht es aus mit dem Flächenverbrauch? Hat die Bundesregierung überhaupt noch das Ziel, den Flächenverbrauch zu reduzieren?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Zunächst zu Ihrer letzten Frage. Selbstverständlich besteht das Ziel der Bundesregierung fort, den Flächenverbrauch zu reduzieren. Die Ausweisung von urbanen Gebieten ist einer der wichtigen Punkte, der dabei helfen wird. Gleichwohl: Auch wenn wir dieses Ziel bis zum Jahr 2020 nicht erreichen, so streben wir es weiterhin an, und wir wollen es natürlich nicht außer Acht lassen. Aber, ja, ich räume ein: Es wird nicht bis zum Jahr 2020 erreichbar sein. Ich kann Ihnen nicht zusichern, ob es in dieser Legislaturperiode tatsächlich noch gelingt, die Privilegierung von Tiermastställen im Außenbereich zu begrenzen. Ich bin aber in guten Gesprächen mit den Ministerkollegen. Wie lautete Ihre erste Frage noch gleich? ({0}) - Ja. - Dies ist ein Regierungsentwurf. Sollte sich in diesem Haus eine Mehrheit dafür finden, dieses Gesetz auf Gebiete mit besonderem Wohnungsbedarf zu beschränken, dann wird das so sein. Ich sehe allerdings nicht, dass es dazu kommt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Vogel noch einmal.

Volkmar Uwe Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003650, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank. - Frau Ministerin, „Urbanes Gebiet“ klingt sehr nach Großstadt; aber die Baunutzungsverordnung gilt in jeder Kommune. Insofern stellt sich die Frage, ob die von uns vorgesehene Definition von einem „urbanen Gebiet“ auch kleinen Kommunen und Dörfern hilft. Man muss ja bedenken, dass auch sie attraktiv bleiben müssen, vor allen Dingen durch vor Ort angesiedeltes Gewerbe; denn wenn die Gewerbebetriebe im Ort bleiben können, können auch die Menschen ihre Existenz vor Ort sichern und müssen dafür nicht in die großen Städte gehen. Die Habitat-III-Konferenz hat ja gezeigt, dass der Zuzug in die Metropolen Probleme mit sich bringt. Die mit dem Zuzug in die großen Städte verbundenen Probleme wollen wir vermeiden, indem wir den Zuzug, der nicht unbedingt notwendig ist, vermeiden. Wie sehen Sie das?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Vogel, Sie haben vollkommen recht mit Ihrer Einschätzung. Die Definition „urbane Gebiete“ ist selbstverständlich auch interessant für kleinere Städte, nicht gerade für Dörfer, für kleinere Städte aber durchaus. Es geht uns um die Nutzungsmischung. Wir haben ja ein neues Leitbild für die europäische Stadt. Leitbild der europäischen Stadt ist nicht mehr die „autogerechte Stadt“, sondern seit der Leipzig-Charta die „Stadt der kurzen Wege“. Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Punkt, der in diesem Zusammenhang zu beachten ist. Selbstverständlich ist es auch für kleinere Städte interessant, auf die neue Baugebietskategorie zurückzugreifen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zu diesem Thema liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich frage, ob es Fragen zu anderen Themen der Kabinettssitzung gibt. - Herr Kollege Meiwald.

Peter Meiwald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004351, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich habe eine Frage an die Bundesregierung: War die Haltung der Bundesregierung gegenüber der EU-Kommission zum Thema „hormonell wirksame Stoffe/Biozid- und Pestizidverordnung“ Thema der heutigen Kabinettssitzung? Wenn nein, wann ist eine Befassung mit diesem Thema geplant? Wenn ja, wie sieht das weitere Vorgehen der Bundesregierung in Brüssel aus, wie sieht der Zeitplan aus, und in welcher Form wird das Kabinett sich damit befassen?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Das Kabinett hat sich heute nicht mit dem Thema befasst. Allerdings sind die fachlich zuständigen Ministerien, zum Beispiel das Gesundheitsministerium und das Umweltministerium, in guten Abstimmungsgesprächen. Wir werden unsere abgestimmte Position selbstverständlich in Brüssel vortragen. Das Kabinett wird sich höchstwahrscheinlich nicht eigens damit befassen müssen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Nachfrage?

Peter Meiwald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004351, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es ist nett, dass ich nachfragen darf. - Gibt es einen Zeitplan? Wissen Sie schon, wann Sie das in Brüssel vortragen werden?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Selbstverständlich rechtzeitig. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Verblüffung ist allgemein, Frau Ministerin. - Andere Fragen zur Kabinettssitzung sehe ich nicht. Ich frage, ob es sonstige Fragen an die Bundesregierung gibt. Herr Kollege Mutlu, dann der Kollege Kühn.

Özcan Mutlu (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004360, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Präsident. - Meine Frage richtet sich an die Bundesregierung. Es geht um die Reform des Spitzensports. In der vergangenen Woche hat der Bundesinnenminister gemeinsam mit dem Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbunds die Eckpunkte bzw. das Konzept als solches vorgestellt. In diesem Zusammenhang war die Rede von einer umfangreichen Umfrage unter Athletinnen und Athleten sowie einem Manifest der Athletinnen und Athleten. Meine Frage an die Bundesregierung lautet: Kennen Sie dieses Manifest und diese Umfrage, und wie schätzen Sie dieses Manifest und diese Umfrage unter den Athletinnen und Athleten ein?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Mutlu, Herr Präsident, ich bitte, damit einverstanden zu sein, dass der Kollege Schröder die Beantwortung übernimmt, der gerade rechtzeitig das Spielfeld betreten hat. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Vielen Dank dafür, dass wir als zuständiges Bundesministerium des Innern diese Frage beantworten dürfen. - Uns ist eine solche Umfrage nicht bekannt. Das ist ja auch Sache des Deutschen Olympischen Sportbundes.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Nachfrage? - Bitte schön, Herr Mutlu.

Özcan Mutlu (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004360, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Präsident. - Ich hätte eine weitere Frage. Wenn Ihnen dieses Manifest, das in einer Pressekonferenz in Anwesenheit des Bundesinnenministers, der zugleich Bundessportminister ist, vorgestellt worden ist, nicht bekannt ist und die Existenz einer solchen Umfrage bislang auch nicht vom DOSB nachgewiesen worden ist, möchte ich gerne wissen: Wie ist denn das Vertrauensverhältnis zwischen Ihrem Hause und dem DOSB, wenn in einer Angelegenheit des deutschen Spitzensports, bei der der deutsche Steuerzahler mehrere 100 Millionen Euro investiert, jetzt so etwas ohne Grundlage in die Öffentlichkeit gebracht wird?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Wir arbeiten mit dem Deutschen Olympischen Sportbund sehr vertrauensvoll zusammen. Wir haben die Reform des Spitzensports in den Gremien zusammen erarbeitet und haben eine Projektstruktur entwickelt, bei der es darum geht, auch externe Experten hinzuzuziehen. Diese Projektgruppen haben das Ergebnis jetzt auf den Weg gebracht. Es erfährt auch sehr große Unterstützung von den Sportverbänden. Aber wie über das Ganze jetzt innerhalb des Deutschen Olympischen Sportbundes diskutiert wird, gerade auch in der Mitgliederversammlung, ist Sache des Sports. Da mischt sich die Bundesregierung natürlich nicht ein.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Kühn.

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Auch wenn es jetzt um allgemeine Fragen an die Bundesregierung geht, stelle ich eine Frage, die den Bereich von Ihnen, Frau Hendricks, betrifft. Herr Kauder hatte die Einführung eines Baukindergeldes vorgeschlagen. Daraufhin kamen Sie mit dem Vorschlag für einen staatlichen Zuschuss zum Eigenheim für Familien um die Ecke. Wir haben heute das urbane Gebiet behandelt. Wenn ich mir den Zeitplan unseres Ausschusses anschaue, sehe ich, dass wir die Kategorie „Urbanes Gebiet“ wahrscheinlich irgendwann im Mai beschließen werden. Deswegen ist meine Frage: Rechnen Sie mit der Umsetzung eines staatlichen Zuschusses zum Eigenheim für Familien noch in dieser Legislaturperiode? Gibt es einen Zeitplan im Kabinett, wann sozusagen ein Vorschlag der Bundesregierung für diese Eigenheimförderung für Familien umgesetzt wird? Haben Sie eine Abschätzung der Kosten? Was wird die Umsetzung Ihres Vorschlages, den Sie medial sehr breit verkündet haben - auch heute wird er, glaube ich, in allen großen Medien erwähnt -, den Bund am Ende kosten?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Zunächst, Herr Kollege: Meine Einschätzung ist, dass wir das Verfahren für den heute vorgelegten Gesetzesvorschlag und die Verordnungen zum 31. März abschließen können, wenn alle guten Willen zeigen. Es muss also nicht Mai werden. Was die Einführung eines Zuschusses zum Eigenheim für Familien anbelangt, so bin ich mit dem Kollegen Schäuble im Gespräch, und zwar schon seit einiger Zeit. Allerdings kann ich nicht zusichern, dass das noch in dieser Legislaturperiode gelingt. Die Interessenlage in den beiden Koalitionsfraktionen ist allerdings sehr ähnlich.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Gibt es noch sonstige Fragen an die Bundesregierung? - Das ist zwar offenkundig im Prinzip vorstellbar, aber konkret im Augenblick nicht erkennbar. Dann beende ich hiermit die Befragung der Bundesregierung. Ich rufe unseren nächsten Tagesordnungspunkt auf, und zwar Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde Drucksache 18/10442 Nach dem üblichen Verfahren werden die eingereichten Fragen, so sie nicht schriftlich beantwortet werden, in der Reihenfolge der Geschäftsbereiche der Bundesregierung aufgerufen, die Ihnen mitgeteilt worden ist. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Die Fragen 1 und 2 der Kollegin Caren Lay werden schriftlich beantwortet. Ich rufe jetzt die Frage 3 des Kollegen Hubertus Zdebel auf: Wann ist die Bundesregierung über die eingesetzte deutsch-belgische Arbeitsgruppe zu Fragen der kerntechnischen Sicherheit oder andere Wege über die vom Chef der belgischen Atomaufsichtsbehörde ({0}), Jan Bens, an die Betreiber der belgischen Atomkraftwerke Tihange und Doel, Electrabel und ENGIE, in den durch die belgische Zeitung La Libre veröffentlichten Briefen vom Juli und September 2016 adressierte Kritik an der fehlenden Sicherheitskultur und Warnung vor einer „alarmierenden Wahrscheinlichkeit einer Kernschmelze“ ({1}) informiert worden, und welche Maßnahmen wird die Bundesregierung im Zusammenhang damit ergreifen? Ich bitte die Staatssekretärin, Frau SchwarzelührSutter, um Beantwortung. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sehr geehrter Herr Kollege Zdebel, die Bundesregierung hat Kenntnis über die Schreiben der belgischen Aufsichtsbehörde FANC. Die Schreiben aus dem Sommer 2016 sind im Rahmen des aufsichtlichen Handelns der Atomaufsicht erstellt und von der belgischen Presse jüngst veröffentlicht worden. In dem ersten Schreiben mahnt FANC an, dass der Betreiber die Ergebnisse einer Brandrisikostudie nicht mit sicherheitsbezogener Ernsthaftigkeit behandeln würde. Das zweite Schreiben bemängelt aufgrund einer Häufung von Ereignissen in den belgischen Atomkraftwerken eine unzureichende Sicherheitskultur des Betreibers. Auch sei die Umsetzung der von FANC geforderten Maßnahmen nicht zufriedenstellend. Auch wenn die FANC mit Pressemitteilung vom 24. November 2016 bestätigt, dass der Betreiber seit den Schreiben Maßnahmen ergriffen hat und Fortschritte festzustellen sind, nimmt die Bundesregierung die Informationen und Bedenken von FANC sehr ernst. Die Schreiben bestätigen die Bundesregierung in ihrer Sorge über die Sicherheitsmängel, die die Bundesministerin bereits mehrfach gegenüber der belgischen Regierung zum Ausdruck gebracht hatte. Die Bundesregierung hatte schon im Januar an FANC eine Liste mit 15 offenen Fragen zur Sicherheit der Atomkraftwerke Tihange 2 und Doel 3 übergeben. Die Schreiben kommentierte die Bundesministerin daher auch kritisch. Sie forderte die belgische Regierung erneut zum Handeln auf: Es geschieht nicht alle Tage, dass die zuständige Aufsichtsbehörde einen AKW-Betreiber auffordert, Mängel in der Sicherheitskultur und in der Organisationsstruktur des Unternehmens zu beseitigen. Dass die belgische Atomaufsicht vor dem Hintergrund einer Häufung von Ereignissen insbesondere am AKW-Standort Tihange sogar von Lässigkeit des Betreibers beim Handeln mit der Sicherheit spricht, finde ich gravierend. Das ist für mich ein klares Zeichen von mangelnder Sicherheitskultur, das nicht ohne Konsequenzen bleiben kann. So hat die Ministerin es übermittelt. http://www.lalibre.be/actu/belgique/surete-nucleaire-deux-lettres-accablantes-et-alarmantes-destinees-a-electrabel-582f70d6cd70735194a3ed84 http://www.lalibre.be/actu/belgique/surete-nucleaire-deux-lettres-accablantes-et-alarmantes-destinees-a-electrabel-582f70d6cd70735194a3ed84 http://www.lalibre.be/actu/belgique/surete-nucleaire-deux-lettres-accablantes-et-alarmantes-destinees-a-electrabel-582f70d6cd70735194a3ed84 http://www.heise.de/tp/news/Alarmierende-Wahrscheinlichkeit-eines-Supergaus-in-belgischen-Atomkraftwerken-3494478.html http://www.heise.de/tp/news/Alarmierende-Wahrscheinlichkeit-eines-Supergaus-in-belgischen-Atomkraftwerken-3494478.html http://www.heise.de/tp/news/Alarmierende-Wahrscheinlichkeit-eines-Supergaus-in-belgischen-Atomkraftwerken-3494478.html

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage? - Bitte schön.

Hubertus Zdebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004449, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke, Frau Parlamentarische Staatssekretärin, für die Antwort. - Eine Zusatzfrage: Mich würde interessieren, über welchen Weg Sie Kenntnis davon bekommen haben. Hat Sie die belgische Atomaufsicht selbst darüber informiert, haben Sie das nur aus Presse erfahren, oder war es möglicherweise auch Thema in der deutsch-belgischen Arbeitsgruppe, die vor einiger Zeit eingerichtet worden ist? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Ich beginne mit dem Ende. Die deutsch-belgische Arbeitsgruppe trifft sich morgen; morgen ist der 1. Dezember. Dort wird das noch einmal thematisiert werden. Natürlich gibt es im Rahmen der Treffen auch einen Austausch. Wie gesagt: Morgen ist das Thema in der Arbeitsgruppe.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine weitere Zusatzfrage?

Hubertus Zdebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004449, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke, Herr Präsident. - Frau Schwarzelühr-Sutter, noch eine Nachfrage. Das, was Sie gerade vorgetragen haben, ist in der Tat alarmierend, nämlich die fehlende Sicherheitskultur, die in diesen Briefen ausgerechnet vom Chef der FANC festgestellt worden ist. Er spricht darin von einer „alarmierenden Wahrscheinlichkeit einer Kernschmelze“ in Tihange, und das an einem Ort, der etwa 70 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt ist. Wir alle wissen, welche Konsequenzen eine Kernschmelze für ganz Nordrhein-Westfalen haben würde. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Es gibt nach wie vor Exporte von Kernbrennstoffen von deutschem Boden aus an die belgischen Atommeiler. Wir hatten das schon einmal thematisiert. Sehen Sie jetzt verstärkt eine Veranlassung, tatsächlich zu einer Maßnahme zu kommen, die den weiteren Export von Brennstoffen an belgische Atommeiler ausschließt? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Es ist Sache der Aufsichtsbehörde, die für den sicheren Betrieb der Anlagen zuständig ist, die Anlage vorübergehend stillzulegen. Das können wir nicht mitentscheiden. Wie, mit welchen Brennstoffen das Kernkraftwerk in Belgien arbeitet, das wird die Entscheidung des jeweiligen Betreibers sein.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Hunko.

Andrej Hunko (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004060, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. - Als Abgeordneter aus Aachen, das direkt östlich von dem Kernkraftwerk in Tihange liegt, möchte ich nur einmal übermitteln, welche Sorgen und auch welche Empörung es zum Teil in der Stadt gibt, dass das Atomkraftwerk Tihange, insbesondere Tihange 2, weiter am Netz ist. Ich will nur daran erinnern: Der Chef der belgischen Sicherheitsbehörde sagt, es gebe eine „alarmierende Wahrscheinlichkeit einer Kernschmelze“, und mehr als das, was wir bis jetzt gehört haben, passiert nicht. Da es eine alarmierende Wahrscheinlichkeit einer Kernschmelze gibt, möchte ich Sie fragen: Wie würden Sie darauf reagieren, wenn diese Kernschmelze eintreten würde, und wie würden Sie die Stadt Aachen und die angrenzende Region dann evakuieren wollen? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sehr geehrter Herr Kollege, ich kann Ihre Sorge gut nachvollziehen; denn ich wohne im Umkreis eines ausländischen Kernkraftwerks von weniger als 5 Kilometern. Diese Sorgen sind mir daher sehr wohl bekannt. Sie wissen aber, dass immer nur die jeweilige Aufsichts- und Sicherheitsbehörde die nötigen Schlussfolgerungen in Bezug auf die Sicherheitsmängel ziehen kann. Wir werden diese Problematik aber bei dem Arbeitstreffen mit der belgischen Sicherheitsbehörde morgen noch einmal thematisieren.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kotting-Uhl hat das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön, Herr Präsident. - Ich möchte gerne ganz konkret an die Frage von Hubertus Zdebel nach der Lieferung von Brennelementen auch für Tihange anknüpfen. Sie sagten eben, die Betreiber würden entscheiden, mit welchen Brennelementen sie arbeiten. Die Bundesregierung trägt jedoch Verantwortung für die einzige Urananreicherungsanlage bei uns in Deutschland, die zu einem Drittel RWE und Eon gehört, und sie trägt natürlich auch einen gewissen Teil Verantwortung für die Brennelementefertigung bei uns in Deutschland. Stimmen Sie nicht mit mir überein, Frau Schwarzelühr-Sutter, dass es nicht der richtige Umgang mit der Sorge ist, die ich hier zum Ausdruck gebracht habe und die zu Recht sehr gravierend ist - ich finde, Frau Hendricks verhält sich hier absolut richtig -, wenn man genau dieses Atomkraftwerk mit Lieferungen aus Deutschland mit in Betrieb hält? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Die Anlage in Gronau, die Sie ansprechen, hat eine Betriebsbewilligung. Insofern müsste man die gesetzlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass kein Betrieb mehr möglich ist, sodass keine Lieferungen mehr erfolgen können. Das steht im Moment bei uns nicht zur Debatte.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Die Frage 4 des Kollegen Oliver Krischer wird schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zur Frage 5 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl: Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zu zwei Briefen der belgischen Atomaufsicht FANC an den Atomkraftwerksbetreiber Electrabel vom Juli und September 2016, in denen die Sicherheitskultur des Atomkraftwerks Tihange nicht nur stark kritisiert wird, sondern auch - basierend auf der Studie zum Brandschutz „Fire PSA“ - für die Atomkraftwerke Doel 3 und 4 sowie Tihange 1, 2 und 3 die „alarmierende Wahrscheinlichkeit einer Kernschmelze“ untermauert wird, und was hat die Bundesregierung hinsichtlich dieser besorgniserregenden Erkenntnisse konkret unternommen ({0})? Frau Staatssekretärin, Sie haben das Wort. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Die Antwort wird sich nicht groß von der vorherigen Antwort unterscheiden, weil es die gleiche Frage ist, Frau Kotting-Uhl. Es geht wieder um unsere Kenntnisse in diesem Zusammenhang. - Ich werde das aber noch einmal aufnehmen. Die Schreiben aus dem Sommer 2016 sind im Rahmen des aufsichtlichen Handelns der Atomaufsicht erstellt und von der belgischen Presse jüngst veröffentlicht worden. Die Sicherheitsmängel habe ich schon beschrieben. Sie ergeben sich zum Teil aus der Brandrisikostudie. Außerdem ist aufgrund der Häufung von Ereignissen eine unzureichende Sicherheitskultur zu bemängeln. Wenn Sie einverstanden sind, können wir uns den Rest der Antwort ersparen und gleich zu den Nachfragen kommen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Kotting-Uhl.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Damit bin ich sehr einverstanden, Frau Staatssekretärin; diese Zeit können wir dem Plenum sparen. Sie sehen, wie sehr die Opposition dieses Problem in Tihange umtreibt, weil wir fast deckungsgleiche Fragen dazu stellen. Aus diesen Briefen geht ganz deutlich hervor, dass Electrabel die Kritik der Atomaufsicht ganz offensichtlich nicht ernst genug nimmt. Ich gehe einmal davon aus - so habe ich es auch erlebt -, dass bei uns in Deutschland andere Maßnahmen ergriffen würden, als den Betreiber noch einmal anzusprechen und ihm zu sagen, dass wir es nicht in Ordnung finden, dass er das nicht ernst genug nimmt. In Belgien wird von Zwangsmaßnahmen gesprochen, wobei sich mir nicht erschließt, worum es dabei geht, und Pläne verlangt, aus denen hervorgeht, wann das Problem behoben sein soll, während Electrabel aber einfach nichts macht. Deswegen die Frage: Ist das auch Gesprächsthema in der bilateralen Atomkommission, die jetzt eingerichtet werden soll? Man kann ja auch im Vorfeld schon reden. Haben Sie vor, auch von Atomaufsicht zu Atomaufsicht einmal darüber zu reden, wie man einen solchen Vollzug durchsetzen und umsetzen kann? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sie wissen natürlich - das ist auch bei ausländischen Aufsichtsbehörden so -, dass es immer erst Aufgabe und Angelegenheit der ausländischen Aufsichtsbehörde ist, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Teilweise wird vorübergehend stillgelegt, bis die Vorgaben umgesetzt bzw. die Fehler entsprechend korrigiert und die notwendigen Umsetzungsmaßnahmen vollzogen wurden. Ich bin überzeugt, dass das Thema „Alterung der AKWs“ und die Frage der Sicherheitskultur bei den Kommissionssitzungen im Mittelpunkt stehen werden. Solange die Kommission noch nicht eingerichtet ist, wird dieses Thema im Arbeitskreis in Belgien angesprochen werden.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Kotting-Uhl.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe noch eine zweite Frage; danke. - Ich teile Ihre Überzeugung absolut, Frau Staatssekretärin, dass diese Themen uns in Deutschland, auch im Parlament, immer wieder beschäftigen werden. Mit der Alterung der AKWs werden die Probleme zunehmen. Sind Sie denn in Ihrem Haus bereit, in der EU endlich einmal vorstellig zu werden mit dem Vorschlag, Anrainerstaaten, die von dem GAU eines Atomkraftwerkes im Nachbarland in Grenznähe betroffen wären - so wie wir bei den Atomkraftwerken Tihange und Beznau -, in Fragen der Sicherheit von Atomkraftwerken im Rahmen entsprechender Umweltverträglichkeitsprüfungen bei Neuvorhaben ein Mitspracherecht einzuräumen, um so dem Grenzen missachtenden Risiko von Atomkraftwerken und der Gefahr von Unfällen gerecht zu werden? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Liebe Frau Kotting-Uhl, Sie wissen, dass wir das im Zusammenhang mit Laufzeitverlängerungen und Umweltverträglichkeitsprüfungen angesprochen haben. Es wäre sicherlich begrüßenswert, wenn wir das Thema auf EU-Ebene noch stärker voranbringen könnten. In den nächsten Tagen findet die internationale Konferenz der Atomaufsichtsbehörden in Wien statt; da wird das sicherlich Thema sein. Unser Haus hat die Frage der Sicherheitskultur auf EU-Ebene immer wieder thematisiert.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Kollege Zdebel.

Hubertus Zdebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004449, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Frau Präsidentin. - Frau SchwarzelührSutter, ich komme auf den Export von Brennstäben und http://www.lalibre.be/actu/belgique/surete-nucleaire-deux-lettres-acclablantes-et-alarmantes-destinees-a-electrabel-582f70d6cd70735194a3ed84 http://www.lalibre.be/actu/belgique/surete-nucleaire-deux-lettres-acclablantes-et-alarmantes-destinees-a-electrabel-582f70d6cd70735194a3ed84 http://www.lalibre.be/actu/belgique/surete-nucleaire-deux-lettres-acclablantes-et-alarmantes-destinees-a-electrabel-582f70d6cd70735194a3ed84 Brennstoffen aus Deutschland nach Belgien für deren Atommeiler zurück. Wir haben diese Diskussion schon einmal geführt, auch im Zusammenhang mit dem für Exporte zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Auf meine Kleine Anfrage wurde mir geantwortet, es entspräche nicht der Rechtssystematik des Atomgesetzes, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle dafür in Anspruch zu nehmen. Exporte können ausgeschlossen werden, wenn die innere Sicherheit Deutschlands bedroht ist. Meines Erachtens ist die innere Sicherheit durch den Zustand des Atomkraftwerks Tihange bedroht, wenn es dort zu einer Kernschmelze kommen könnte. Wären Sie denn bereit, auf dem Weg mitzugehen und die Systematik des Atomgesetzes in der Form zu ändern? Ein Export von in Deutschland hergestellten Brennstäben könnte verboten werden, wenn das gesetzlich möglich wäre, und durch den Entzug von Brennstoffen könnte der Gefahr einer Kernschmelze entgegengewirkt werden. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sehr geehrter Herr Kollege Zdebel, Sie unterstellen jetzt, dass die Kernschmelze eine akute Gefahr ist. Das ist von der logischen Abfolge seitens FANC kein Thema. Die Rechtssystematik hat sich, wie Sie wissen, nicht verändert. Wir werden uns das aber natürlich genau anschauen und es prüfen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Ich rufe die Frage 6 der Abgeordneten Sylvia KottingUhl auf: Wie stark wird nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland und dem europäischen Ausland das Notkühlwasser von Reaktoren aufgeheizt ({0}), und welcher Wert gilt nach Kenntnis der Bundesregierung in den jeweiligen Ländern als Limit/Höchsttemperatur, über dem/der eine Notfallkühlung des Reaktorkerns nicht mehr gewährleistet ist? Frau Staatssekretärin, Sie haben das Wort. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Die Notkühlbehälter befinden sich bei den deutschen Kernkraftwerken, wie Sie sicherlich wissen - Frau Kotting-Uhl, Sie sind ja Expertin -, im Unterschied zu einem Teil der ausländischen Anlagen im Reaktorgebäude. Anforderungen an die Notkühlwassertemperaturen ergeben sich anlagenspezifisch aus dem Zusammenwirken der nach dem kerntechnischen Regelwerk zu unterstellenden Ereignisse und den dabei zu unterstellenden Randbedingungen zum Erreichen der geforderten Nachweisziele. Die Bewertung der Nachweise zum Erreichen der geforderten Nachweisziele unterliegt der für eine Anlage zuständigen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde; so ist das auch hier. Der Bundesregierung ist bekannt, dass die Vorwärmung des Notkühlwassers in einer Reihe von ausländischen Anlagen realisiert wird. In den finnischen, slowakischen, tschechischen und ungarischen Anlagen des Typs WWER zum Beispiel liegen die Notkühlwassertemperaturen zwischen 50 und 60 Grad Celsius; in der belgischen Anlage Doel 3 wurde aufgrund des im Jahr 2012 bekanntgewordenen Werkstoffzustandes des Reaktordruckbehälters eine Vorwärmung des Notkühlwassers auf mindestens 40 Grad festgelegt. Dann gibt es noch einige französische Anlagen, bei denen sich die Behälter für Notkühlwasser außerhalb des Reaktorgebäudes befinden. Dort gibt es eine Vorwärmung auf eine Mindesttemperatur. Die Bundesregierung geht davon aus, dass den zuständigen Aufsichtsbehörden die anlagenspezifischen Nachweise zur Gewährleistung der Kernkühlung unter diesen Bedingungen vorliegen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Kotting-Uhl.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, bleiben wir bei Tihange. Sie haben mir auf eine schriftliche Frage vom Februar 2016 geantwortet, dass nach Kenntnis der Bundesregierung für Tihange 2 bisher keine Festlegung zur Erhöhung der Temperatur des Notkühlwassers getroffen wurde. Würden Sie mir diese Antwort immer noch so geben? Ist es nach Ihrer Kenntnis nach wie vor so? Das würde mich sehr wundern, weil gerade in Tihange 2 aufgrund der Risse im Reaktordruckbehälter erhebliche Probleme mit dem Sprödbruchsicherheitsnachweis bestehen. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Bei Doel und Tihange haben wir aufgrund des Werkstoffzustands die Vorwärmung des Notkühlwassers. Insofern ist das von den belgischen Aufsichtsbehörden entsprechend zu prüfen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Kotting-Uhl.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön. - Das haben Sie mir im Februar schriftlich anders beantwortet, nämlich dass es nach Ihrer Kenntnis keine Erhöhung der Temperatur des Notkühlwassers in Tihange 2 gebe. Aber ich möchte Sie noch etwas Fachliches fragen: Besteht nach Kenntnis der Bundesregierung bei der Erwärmung des Notkühlwassers die Gefahr, dass die Kühlung des Reaktorkerns im Notkühlfall nicht mehr gewährleistet ist, und wenn ja, ab spätestens welchem Erwärmungsgrad sehen Sie als Bundesregierung dieses Problem? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Das hängt einerseits vom Reaktor ab und andererseits vom Materialzustand, also davon, wie alt und versprödet der Reaktordruckbehälter ist. Dafür zuständig sind die ausländischen Aufsichts- und Sicherheitsbehörden. Sie wissen auch, dass wir in Deutschland kein Notkühlwasser erwärmen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Kollege Zdebel.

Hubertus Zdebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004449, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Frau Präsidentin. - Ich komme auch noch einmal auf Tihange 2 im Zusammenhang mit dem Kühlwasser zurück. Sie haben gerade gesagt, Frau Schwarzelühr-Sutter, dass Sie sich am 1. Dezember, also morgen, wieder in der deutsch-belgischen Arbeitsgruppe treffen. Würden Sie dort den belgischen Kolleginnen und Kollegen diese Frage stellen und uns das Ergebnis, ob es da tatsächlich nicht zu einer Kühlwassererwärmung kommt, dann im Bundestag mitteilen? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Ich werde das in meinem Haus weitergeben. Ich nehme es mit, Herr Zdebel.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Dann rufe ich die Frage 7 des Abgeordneten Christian Kühn auf: Plant die Bundesregierung eine Beteiligung der Produzenten von HBCD-haltigen Dämmstoffen an den Entsorgungskosten, und wenn nicht, wer soll sie tragen? Frau Staatssekretärin. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Lieber Kollege Kühn, die Bundesregierung plant nicht, die Produzenten der HBCD-haltigen Wärmedämmplatten an den Entsorgungskosten zu beteiligen. Nach den §§ 6 bis 8 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes sind die Abfallerzeuger für die ordnungsgemäße und schadlose Entsorgung verantwortlich. Insoweit müssen diese auch die Kosten für die Entsorgung tragen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Kühn, wünschen Sie eine Nachfrage?

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, sehr gerne.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Dann haben Sie jetzt die Gelegenheit.

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das Thema HBCD-belastete Polystyrol-Dämmplatten im Wärmedämmverbundsystem beschäftigt uns gerade im Baubereich und im Umweltbereich sehr. Es gab Schlagzeilen wie „Baustellen in Deutschland stehen still“, „Dachdecker und Stuckateure in Kurzarbeit“ und anderes. Wie sieht die Bundesregierung die derzeitige Situation auf den Baustellen? Ist es nicht an der Zeit, dass die Bundesbauministerin sich noch einmal selbst dieses Themas als Chefsache annimmt, statt, wie mehrfach berichtet wurde, den Ländern den Schwarzen Peter zuzuschieben? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sie bevorzugen das Verursacherprinzip. Fakt ist aber nun einmal, dass im Bundesrat die Länder diese Maßgabe beschlossen haben und es dadurch zu Problemen kam. Wir hatten ursprünglich einen Verordnungsentwurf vorgelegt, der nicht zu dieser Situation geführt hätte. Jetzt geht es darum, eine praktikable Lösung zu finden. Da hat sich die Bundesministerin entsprechend eingesetzt. Auf der in dieser Woche stattfindenden Umweltministerkonferenz werden wir das noch einmal aufgreifen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Kühn.

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Noch eine Frage dazu. Wenn Sie eine andere Auffassung hatten und als Bundesministerium gesagt haben: „Hier gibt es eine Problematik“, und diese auch erkannt haben: Warum haben Sie dann dies verkündet? Sie hätten als Bundesministerium von Ihrem Recht Gebrauch machen können und das nicht verkünden müssen, sondern zurückhalten können - das wäre durchaus möglich gewesen -, um dann noch einmal auf die Probleme hinzuweisen. Duckt sich das Bundesministerium bei diesem Problem auf deutschen Baustellen nicht eher weg? Hätte es diesen Prozess nicht viel früher in die Hand nehmen und ihn moderieren müssen? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Bevor wir anfangen, das Schwarze-Peter-Spiel zu spielen, verweise ich darauf, dass der Vollzug des Abfallrechts nach der verfassungsgemäßen Kompetenzzuweisung den Ländern in eigener Verantwortung obliegt. Das gilt auch im Zusammenhang mit der Entsorgung der in Rede stehenden Abfälle, den sogenannten HBCD-haltigen Dämmplatten. Aus Sicht der Bundesregierung sollten die Länder weiterhin darauf hinwirken, dass die Betreiber von Müllverbrennungsanlagen - das ist der Knackpunkt - ihre Genehmigungen erweitern, um diese Abfälle thermisch zu behandeln. Die Betreiber der Müllverbrennungsanlagen haben sich der Maßgabe entsprechend dann anders verhalten. Dem Vernehmen nach sind die Kosten der Entsorgung der Dämmplatten gestiegen, weil es nur noch sehr wenige Müllverbrennungsanlagen gibt, die diese entsorgen. Insofern ist es wichtig, dass wir gemeinsam eine praktikable Lösung finden. Das ist durchaus aussichtsreich. Ich glaube, das bekommen wir zusammen mit den Ländern auch hin.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Mit liegen keine weiteren Fragen für diesen Geschäftsbereich vor. Wir wechseln zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Fragen wird Herr Parlamentarischer Staatssekretär Joachim Fuchtel beantworten. Als Erstes rufe ich die Frage 8 des Abgeordneten Niema Movassat auf: Welche Kooperation ist im Rahmen des GIZ-geführten Regionalvorhabens „Better Migration Management“, welches unter anderem auch eine Zusammenarbeit mit dem Südsudan vorsieht, mit der Regierung bzw. den Behörden des Südsudan angedacht und unter den derzeitigen bürgerkriegsartigen Zuständen im Land überhaupt möglich ({0}), und warum hält die Bundesregierung die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit dem Südsudan aufrecht, obwohl das Regime von Präsident Salva Kiir sowohl als äußerst gewalttätig als auch korrupt gilt ({1})? Herr Staatssekretär. Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Ich darf antworten, dass aufgrund der andauernden Krise bislang keine offiziellen Kontakte mit der Regierung des Südsudans gegeben sind, auch nicht im Rahmen der im Mai/Juni durchgeführten Prüfmission.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Movassat.

Niema Movassat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004114, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke, Herr Staatssekretär. - Das ist zuerst einmal eine beruhigende Antwort. Mich interessiert, ob es bereits Planungen gibt, wann man eine Zusammenarbeit aufnehmen möchte, oder ob eine Zusammenarbeit nicht mehr stattfinden wird. Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege, es gibt zwei Implementierungspartner des „Better Migration Management“-Programms. Das sind zum einen die Internationale Organisation für Migration und zum anderen das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, welche im Rahmen ihrer Regionalprogramme Maßnahmen im Südsudan durchführen. Auf deren Erkenntnisse und Expertisen wird aufgebaut. Dann wird über die Umsetzung potenzieller Aktivitäten entschieden.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Movassat.

Niema Movassat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004114, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Meine zweite Nachfrage. Herr Staatssekretär, die GIZ ist nach Auskunft der Bundesregierung bis 2018 in einem Polizeiprogramm „Afrika“ aktiv; das haben Sie bestätigt als Antwort auf eine Kleine Anfrage von mir und meiner Fraktion auf Drucksache 18/9246. Dieses Polizeiprogramm ist auch im Südsudan aktiv. Ziel des Programms sind insbesondere der Auf- und Ausbau von Polizeistrukturen. Da dieses Projekt laut Ihrer Antwort auch im Südsudan stattfindet, interessiert mich, was ich mir darunter konkret vorzustellen habe. Was läuft da? Findet eine Ausbildung von Polizisten statt, und wenn ja, wie sieht sie aus? Das interessiert mich sehr. Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Wenn ich mich richtig erinnere, Herr Kollege, ist in letzter Zeit über diese Frage in verschiedenen Gremien herauf und herunter debattiert worden. Ich kann Ihnen nur sagen, dass im Augenblick ausschließlich Ortskräfte der GIZ vor Ort sind und so etwas nur in diesem Rahmen geschehen könnte. Ich kann Ihnen jetzt im Augenblick nicht bestätigen, dass das Programm aktiv von diesen Leuten betrieben wird.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Wir wechseln zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Die Beantwortung der Fragen wird Staatsminister Dr. Helge Braun übernehmen. Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Christian Kühn auf: Plant die Bundesregierung, für ihre G-20-Präsidentschaft 2017 die Umsetzung der Forderung des Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen ({0}), das Thema „Urbanisierung und Transformation“ dauerhaft zu einem Tagesordnungspunkt der G 20 aufzuwerten, und, wenn nicht, warum nicht? Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Frau Präsidentin! Herr Kollege, die Bundesregierung wird während der deutschen G-20-Präsidentschaft das Thema „Urbanisierung und Transformation“ im Kontext der Agenda 2030 in geeigneter Weise aufgreifen. Die G 20 wird durch nationale und gemeinsame Maßnahmen nachdrücklich für die rasche und umfassende Umsetzung der Agenda 2030 mit ihren globalen Zielen für die nachhaltige Entwicklung arbeiten. Wie in dem von Ihnen erwähnten WBGU-Gutachten dargestellt, ist die nachhaltige Gestaltung der Urbanisierung dabei von einer besonderen Bedeutung. Im Rahmen der Übernahme der Präsidentschaft am morgigen 1. Dezember wird auch das G-20-Programm der deutschen Präsidentschaft veröffentlicht. Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter http://www.nytimes.com/2016/09/13/world/africa/south-sudan-salva-kiir-riek-machar-corruption.html?_r=0 http://www.nytimes.com/2016/09/13/world/africa/south-sudan-salva-kiir-riek-machar-corruption.html?_r=0

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Kühn.

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Könnten Sie kurz darlegen, was „in geeigneter Weise“ aus Ihrer Sicht oder der Sicht des Bundeskanzleramtes bedeutet?

Not found (Gast)

Sie wissen, dass der Bereich Urbanisierung im Kontext der Agenda 2030, die Gegenstand der Beratungen der G 20 sein wird, einen ganz zentralen Punkt einnimmt. Deshalb können Sie davon ausgehen, dass darüber gesprochen wird und dass sich auch in dem Maßnahmenpaket sowohl national als auch gemeinschaftlich im Rahmen der G 20 entsprechende Antworten auf diese wichtige Herausforderung finden werden. Aber den Verhandlungen von G 20 können wir einen Tag, bevor wir überhaupt die Präsidentschaft übernommen haben, und ein halbes Jahr, bevor die entscheidende Sitzung ist, nicht vorgreifen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Kühn.

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Darf ich noch einmal nachfragen: Deutschland will im Rahmen der Präsidentschaft der G 20 das Thema der Urbanisierung wirklich auf die Tagesordnung setzen und nicht als einen Punkt unter vielen hinten runterfallen lassen?

Not found (Gast)

Das Thema wird sicherlich nicht hinten runterfallen. Es wird in geeigneter Weise im Rahmen der Behandlung der Agenda 2030 aufgegriffen.

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Zu diesem Geschäftsbereich liegen mir keine weiteren Fragen vor. Deshalb leiten wir über zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Die Frage 10 des Abgeordneten Özcan Mutlu zu Rüstungsexporten in die Türkei wird schriftlich beantwortet. Damit wechseln wir zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Hier wird Staatsminister Michael Roth die Antworten übernehmen. Die Frage 11 der Abgeordneten Brigitte Pothmer, die Fragen 12 und 13 der Abgeordneten Sevim Dağdelen und die Frage 14 der Abgeordneten Heike Hänsel werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 15 des Abgeordneten Movassat auf: Welche sollen die Schwerpunkte der Migrationspartnerschaft mit Ägypten sein, die die Bundesregierung und die EU nach Aussagen der Bundesregierung im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des Deutschen Bundestages vom 9. November 2016 zusätzlich zu den bestehenden Partnerschaften mit Äthiopien, Mali, dem Niger, Nigeria und dem Senegal anstreben, und inwiefern teilt die Bundesregierung die Befürchtung von Gerald Knaus, die er bei einer Veranstaltung des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft am 5. Oktober 2016 in Anwesenheit etlicher Mitarbeiter des Auswärtigen Amts und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung äußerte ({0}), nämlich dass Flüchtlingsdeals mit afrikanischen Migrationstransitländern menschenrechtlich nicht zu verantworten seien? Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Not found (Gast)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Movassat, Ziel der Bundesregierung ist es, die Lebensbedingungen der Flüchtlinge sowohl in ihren Herkunftsländern als auch in den Transitländern zu verbessern, die Schleusung und den Menschenhandel zu bekämpfen, Migration besser zu gestalten und zu steuern. Dafür ist es nach Ansicht der Bundesregierung notwendig, mit den Nachbarländern einen Dialog zu führen und vor allem die migrationspolitische Zusammenarbeit zu verstärken. Es gibt bislang keinen Beschluss der Europäischen Union, mit weiteren Herkunfts- und Transitstaaten Verhandlungen über eine EU-Migrationspartnerschaft aufzunehmen. Sie wissen, dass bislang fünf Länder in diese Migrationspartnerschaften einbezogen worden sind: Niger, Mali, Senegal, Äthiopien und Nigeria. Perspektivisch setzt sich die Bundesregierung im EU-Kreis für eine Ausweitung der migrationspolitischen Zusammenarbeit mit anderen Staaten ein. Dazu gehört auch Ägypten. Erst wenn hierüber im EU-Kreis Einigkeit erzielt wurde, können wir über die Form und mögliche Schwerpunkte einer solchen Zusammenarbeit reden bzw. sie beschließen. Dabei ist die Einhaltung menschenrechtlicher Standards eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen jeglicher migrationspolitischen Zusammenarbeit.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Movassat.

Niema Movassat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004114, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön. - Es ist natürlich sehr gut, Herr Staatsminister, dass Sie die Frage der Menschenrechte sehr hoch aufhängen und zur Bedingung für diese Partnerschaft machen, weil Sie selber ja in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen relativ klar sagen, dass die Situation hinsichtlich der Menschenrechte in Ägypten besorgniserregend ist. Es gibt glaubhafte Berichte über Folter und Misshandlung in Ägypten und darüber, dass eben auch Flüchtlinge aus Ägypten in den Sudan abgeschoben werden. Das heißt, sowohl die Situation der Ägypter im Hinblick auf die Menschenrechte ist sehr http://www.afrikaverein.de/fileadmin/user_upload/Pressemitteilungen/Africa%20Insight%20-%20Der%20Merkel-Plan.pdf http://www.afrikaverein.de/fileadmin/user_upload/Pressemitteilungen/Africa%20Insight%20-%20Der%20Merkel-Plan.pdf http://www.afrikaverein.de/fileadmin/user_upload/Pressemitteilungen/Africa%20Insight%20-%20Der%20Merkel-Plan.pdf schlecht als auch die Situation der Flüchtlinge in Ägypten. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie, ob es wirklich sein kann, dass man erwägt - das haben Sie ja gerade noch einmal bestätigt -, die Migrationszusammenarbeit mit Ägypten auszubauen; denn ich kann mir kaum vorstellen, dass Sie erreichen, dass dies dort menschenrechtsbasiert funktionieren kann. Vielmehr haben wir dort ein diktatorisches Regime, das Menschenrechte mit Füßen tritt und das im Bereich der Migrationspartnerschaft sicherlich nicht anders agieren würde.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Frau Präsidentin! Herr Kollege Movassat, die migrationspolitische Zusammenarbeit, die sogenannten Migrationspartnerschaften, dienen den Migrantinnen und Migranten und sind nicht auf Einzelinteressen von Regimen und von Staaten ausgerichtet. Wir wollen nicht Flüchtlinge bekämpfen, wir wollen die Ursachen von Flucht bekämpfen, und wir wollen die Lage der Geflüchteten dort verbessern, wo sie leben. Das tun wir im Übrigen im Libanon, in Jordanien und in vielen anderen Staaten, das tun wir auch in der Türkei. Genau darauf sind die Migrationspartnerschaften ausgerichtet. Es geht natürlich auch noch um eine Reihe von anderen Aspekten, die ich eingangs schon erwähnt habe. Ich kann mich dabei nur noch einmal wiederholen: Sie haben völlig recht, derzeit ist die Menschenrechtslage in Ägypten besorgniserregend, und gerade deshalb, weil sie besorgniserregend ist, richten wir ja auch unsere migrationspolitische Zusammenarbeit auf die Verbesserung der Menschenrechtslage aus.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Movassat.

Niema Movassat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004114, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sie müssten ja, wenn Sie mit Ägypten im Bereich der Migration zusammenarbeiten wollen, mit dem ägyptischen Staat zusammenarbeiten. Es ist ein offenes Geheimnis, dass das Schlepperwesen in Ägypten im Wesentlichen von zehn Familien organisiert wird, die engste Kontakte in höchste Regierungs- und Militärkreise haben. Mir ist zum Beispiel vor kurzem berichtet worden, dass im Hafen von Alexandria zwei neue, moderne Kliniken entstehen, in denen fortlaufend Transplantationen von Nieren etc. vorgenommen werden, womit die Flüchtlinge ihre Schleuser bezahlen können. Solche Operationen in einem Krankenhaus können natürlich nur mit Wissen der Behörden, der offiziellen staatlichen Institutionen, stattfinden. Mich würde interessieren: Was weiß die Bundesregierung über derartige Verflechtungen zwischen Schleusern und dem ägyptischen Staat, und wie stellen Sie sich vor, mit demselben ägyptischen Staat, der diese Schleuserbanden deckt, sie unterstützt und mit ihnen zusammenarbeitet, nun das Schleuserwesen bekämpfen zu wollen?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Ich habe schon deutlich gemacht, worum es uns geht. Erstens. Wir sind der Verbesserung der Menschenrechtslage verpflichtet, gerade auch durch die Migrationspartnerschaften, und selbstverständlich ist einer der wesentlichen Schwerpunkte die Bekämpfung des Menschenschmuggels. Insofern liegen wir da auf einer Linie. Ich könnte Ihnen jetzt für die Bundesregierung eine Fülle von Beispielen benennen, wo aus unserer Sicht Anlass zu großer Sorge besteht: Es gibt willkürliche Verhaftungen; sie treffen nicht nur Anhänger der Muslimbrüder. Vielmehr geraten zunehmend auch Menschenrechtsverteidiger, Gewerkschaftsvertreter, Journalisten, Wissenschaftler und friedliche Demonstranten in den Fokus der Sicherheitsdienste; Menschenrechtsorganisationen werden ausgegrenzt und diskriminiert. Das sind nur einige wenige Beispiele, die belegen, dass die Menschenrechtssituation in Ägypten dezidiert nicht gut ist, im Gegenteil. Zu den von Ihnen konkret benannten Fällen kann ich Ihnen derzeit nichts sagen; dazu liegen mir keine weiteren Informationen vor. Ich bin aber gerne bereit, mich darüber noch einmal entsprechend kundig zu machen. Danke auch für Ihren Hinweis.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Keul.

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatsminister, mich würde in diesem Zusammenhang einmal interessieren, welche Rolle bei Ihren Überlegungen die Tatsache spielt, dass Ägypten nach wie vor General Haftar in Libyen militärisch unterstützt und Libyen destabilisiert. Das ist für uns eines der größten Probleme. Dort sitzen noch Hunderttausende von Flüchtlingen. Wie gehen Sie damit um? Welche Möglichkeiten sehen Sie für die Bundesregierung, auf Ägypten einzuwirken, diese Destabilisierung einzustellen?

Not found (Gast)

Frau Präsidentin! Frau Kollegin, Sie wissen ja, dass wir in den vergangenen Monaten und auch Jahren sehr intensiv daran gearbeitet haben, die Verhältnisse in Libyen zu stabilisieren, auch durch die konkrete Unterstützung der Regierung der Nationalen Einheit. Derzeit sind wir noch weit von den Verhältnissen entfernt, die wünschenswert sind. Ich gebe Ihnen recht, dass die Lage der Flüchtlinge in Libyen dramatisch ist. Aber bezogen auf Ägypten geht es uns vor allem auch darum - ich will das wiederholen -, die Situation der Geflüchteten, der Migrantinnen und Migranten zu verbessern. Von den rund 160 000 Geflüchteten, die seit Anfang dieses Jahres - Stand ungefähr Oktober - insbesondere nach Italien gekommen sind, haben ungefähr 10 Prozent den Seeweg über das Mittelmeer von Ägypten aus gestartet. Also ist Ägypten weniger ein Herkunftsland für Migration als vielmehr ein Transitland. Insofern spielt es für uns eine ganz besonders wichtige Rolle. Die wichtigste Rolle dabei spielt Libyen. Aber die Verhältnisse sind dort deutlich fragiler und schlechter als in Ägypten.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Hunko.

Andrej Hunko (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004060, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. - Herr Staatsminister Roth, ungeachtet der jetzt auch von Ihnen beschriebenen Verletzungen der Menschenrechte in Ägypten hat die Bundesregierung auch einen Polizeivertrag mit Ägypten unterzeichnet. In diesem Polizeivertrag ist auch die Kooperation mit dem berüchtigten Staatssicherheitsdienst NSS vorgesehen. Das ist faktisch ein Geheimdienst. Wir wissen, dass das Bundeskriminalamt mit dem NSS kooperiert. Aber die Inhalte dieses Polizeivertrages, dieses Abkommens, blieben gegenüber uns Abgeordneten, gegenüber der Bevölkerung bislang geheim. Wie können Sie diese Geheimhaltung angesichts dieser Situation in Ägypten rechtfertigen?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Hunko, mit einer Reihe von Staaten pflegen wir eine sicherheitspolitische Zusammenarbeit, die vor allem darauf ausgerichtet ist, die Sicherheitsdienste und insbesondere die Polizei auf rechtsstaatliches Verhalten, auf die Achtung menschenrechtlicher Aspekte zu verpflichten. Wir wollen dabei helfen. Wir wollen dabei konkret unterstützen. Die Maßstäbe, die ich jetzt genannt habe, gelten selbstverständlich auch für die Sicherheitszusammenarbeit mit Ägypten. ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Sie hatten nur eine Zusatzfrage, Herr Hunko; tut mir leid. ({0}) Herr Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke. - Herr Staatsminister, Sie haben mich jetzt hier auf den Plan gerufen, weil Sie von der Anerkennung der Regierung der Nationalen Einheit gesprochen und auch erwähnt haben, dass die Bundesregierung diese Regierung unterstützt; Sie haben sich auch darauf berufen. Wie kommen Sie eigentlich dazu, diese Regierung der Nationalen Einheit zu rechtfertigen, die von niemandem im Land legitimiert ist - außer von auswärtigen Stellen?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

All das, was wir tun, tun wir natürlich in enger Abstimmung mit den Vereinten Nationen. Auch Sie wissen, dass Herr Kobler in Libyen eine wichtige Arbeit leistet. Wir tun das natürlich auch in engster Abstimmung mit der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, und damit auch in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Insofern ist das kein Alleingang, sondern das ist eine abgestimmte Position, um ein fragiles Land - das ist noch sehr diplomatisch formuliert - im Interesse der dort lebenden Menschen zu stabilisieren. ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Ich rufe die Frage 16 des Abgeordneten Hunko auf: Welchen Stand hat die seit April 2014 ausstehende Beantwortung eines Fragenkatalogs der Bundesregierung an die US-Regierung zur Beteiligung von US-Anlagen in Ramstein oder Stuttgart als Relaisstation am US-Drohnenkrieg ({0}), an die das Auswärtige Amt zunächst „fortgesetzt“, dann „eindringlich“ und „mit Nachdruck“, zwischenzeitlich „fortgesetzt eindringlich“ und nunmehr „wiederholt nachdrücklich“ erinnert haben will ({1}), obwohl die zuständige Staatsministerin Dr. Maria Böhmer mir auf meine mündliche Frage 3, Plenarprotokoll 18/45, vor zweieinhalb Jahren die Beantwortung „innerhalb weniger Wochen“ versprach, und inwiefern rechnet die Bundesregierung während der Amtszeit des US-Präsidenten Barack Obama überhaupt noch mit einer Beantwortung bzw. sonstigen finalen Klärung ihrer offenen Fragen, zumal die Angelegenheit ({2}) offensichtlich nicht beim jüngsten Besuch des noch amtierenden US-Präsidenten in Berlin in der 46. Kalenderwoche dieses Jahres zur Sprache kam? Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Hunko, die Bundesregierung hat sich zu dem Themenbereich, den Sie jetzt in Ihrer Frage angesprochen haben, bereits am 28. September 2016 im Rahmen der PSK-Unterrichtung der Obleute des Auswärtigen Ausschusses geäußert. Die Unterrichtung wurde damals von meinem Kollegen, dem Politischen Direktor des Auswärtigen Amts, vorgenommen. Der Politische Direktor unterrichtete damals die Obleute des Auswärtigen Ausschusses über ein am 26. August 2016 erfolgtes Gespräch mit Vertretern der US-Botschaft im Auswärtigen Amt. Die US-Seite hat in dem damals stattgefundenen Gespräch bestätigt - abermals bestätigt -, dass unbemannte Luftfahrzeuge von Ramstein aus weder gestartet noch gesteuert würden. Sie teilte überdies mit, dass die globalen Kommunikationswege der USA zur Unterstützung unbemannter Luftfahrzeuge Fernmeldepräsenzpunkte auch in Deutschland einschlössen, von denen aus die Signale weitergeleitet würden. Einsätze unbemannter Luftfahrzeuge würden von verschiedenen Standorten aus geflogen, unter Nutzung diverser Fernmelderelaisschaltungen, von denen einige auch in Ramstein laufen würden. Außerdem teilte sie mit, dass im Jahr 2015 in Ramstein eine Vorrichtung zur Verbesserung der bereits zuvor vorhandenen Fernmeldeausstattung fertiggestellt worden sei, und sie hat uns darüber informiert, dass Ramstein eine Reihe weiterer Aufgaben unterstütze, darunter die Planung, Überwachung, Auswertung von zugewiesenen Luftoperationen. In Reaktion auf diese neuen Informationen haben wir hochrangige Gespräche in Washington Mitte September geführt, wiederum über unseren Politischen Direktor, und wir werden dazu selbstverständlich auch weiterhin mit der amerikanischen Seite in Kontakt bleiben. Für uns, Herr Abgeordneter Hunko, ist aber ein Punkt ganz entscheidend: Es gilt weiterhin die Zusicherung der Vereinigten Staaten, dass Aktivitäten in US-Militärliegenschaften in Deutschland im Einklang mit dem geltenden Recht erfolgen. ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Hunko.

Andrej Hunko (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004060, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. - Herr Staatsminister Roth, das ist jetzt interessant. Wir haben über Jahre nachgefragt, ob Ramstein eine Relaisstation für den völkerrechtswidrigen US-Drohnenkrieg ist. ({0}) Es ist jetzt zum ersten Mal die Bestätigung auch durch die Bundesregierung gekommen, dass Ramstein eine Relaisstation ist. Vielen Dank dafür. Mich würde schon interessieren, welche Konsequenzen Sie daraus ziehen. Sie sagen: Na ja, es ist nicht völkerrechtswidrig, weil die USA sagen: Es ist nicht völkerrechtswidrig. - Wie ist denn Ihre Einschätzung des US-Drohnenkriegs, für den Ramstein eine zentrale Relaisstation ist?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Ich habe Ihnen schon die Stellungnahme der Bundesregierung dazu übermittelt. Die Informationen, die für Sie jetzt offenkundig neu sind, Herr Hunko, haben wir bereits vor Monaten dem Auswärtigen Ausschuss gegeben. Aus der bloßen Tatsache, dass Deutschland den USA Gelände für die Luftwaffenbasis Ramstein zur Verfügung stellt, folgt keine allgemeine Verantwortung für alle Einsätze, nur weil für diese relevante Steuerungssignale möglicherweise auch über Ramstein geleitet werden könnten. Für uns gilt die Zusicherung der Vereinigten Staaten, und diese Zusicherung habe ich Ihnen noch einmal übermittelt.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Hunko.

Andrej Hunko (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004060, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. - Herr Roth, ich will sagen: Das ist keine neue Information für uns. Aber neu ist, dass die Bundesregierung das hier zum ersten Mal öffentlich macht. Ich will trotzdem noch einmal nachfragen. Sie sagen, die Zusicherung der USA sei für Sie maßgeblich. Wie ist denn die eigene Einschätzung der Bundesregierung bezüglich der Völkerrechtskonformität oder -nichtkonformität des US-Drohnenkriegs, der offenbar auch über Ramstein läuft?

Not found (Gast)

Noch einmal: Zu der Frage, ob solche Einsätze auch ohne die Relaisstation in Ramstein durchgeführt werden könnten, hat sich die US-Regierung ja nicht geäußert. Es ist auch ausgesprochen unwahrscheinlich, Herr Kollege, dass sich die amerikanische Regierung überhaupt zu operativen Details einschließlich solcher, zu denen Operationen unbemannter Luftfahrzeuge gehören, äußern wird. Für die Vereinigten Staaten von Amerika ist dies kein völkerrechtswidriger Vorgang. ({0}) Insofern ist Ihnen die Position bekannt. Es ist auch aus unserer Sicht so allgemein kein völkerrechtswidriger Vorgang, weil wir uns - auch das zeichnet die Rechtsprechung aus - nur den genauen und konkreten Einzelfall veranschaulichen können. Ich kann nicht generell von einem völkerrechtswidrigen Verhalten sprechen; wir können das nur auf den Einzelfall bezogen tun. Insofern kann ich darüber auch nichts sagen; denn ich vermag die Verantwortlichkeiten, die sich aus Ramstein heraus ergeben, nicht zu beurteilen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Movassat.

Niema Movassat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004114, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke. - Herr Staatsminister, ich glaube, die Völkerrechtsliteratur, zumindest hier in Europa, ist sich weitgehend einig, dass der sogenannte Krieg gegen den Terror - unter diesem Label finden ja auch die US-Drohneneinsätze statt - aus völkerrechtlicher Sicht nicht einen bewaffneten Konflikt darstellt. Man ist sich gleichzeitig einig, dass außerhalb bewaffneter Konflikte die Tötung von Menschen völkerrechtswidrig ist und damit natürlich auch gegen das Grundgesetz verstößt, weil die Regeln des Völkerrechts über das Grundgesetz Anwendung in Deutschland finden. Insofern muss die Erkenntnis, dass über Ramstein die Funksignale an die Drohnen übermittelt werden, für die Bundesregierung ein Grund sein, das völkerrechtlich intensivst zu prüfen und daraus Schlüsse zu ziehen. Ich erinnere hier an eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Köln, das, weil ihm ein Nachweis auf der Tatsachenebene nicht möglich war, die Klage von Jemeniten, die hier geklagt hatten, abgewiesen hat. Aber das, was Sie hier sagen, ändert natürlich schon die Tatsachengrundlage. Daher meine Frage: Welche völkerrechtliche Prüfung plant die Bundesregierung zu diesem Thema? Oder wollen Sie sich ausschließlich auf das verlassen, was die US-Regierung Ihnen mitteilt?

Not found (Gast)

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Movassat, wir verlassen uns ja nicht alleine auf die Aussagen, sondern wir bleiben mit den Vereinigten Staaten im regelmäßigen Gespräch. Wir bleiben da am Ball, um die notwendigen Informationen zu erhalten. Ich habe aber schon deutlich gemacht, dass die Bewertung von Einsätzen unbemannter Luftfahrzeuge aus Sicht der Bundesregierung immer von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist. Wir können deshalb keine pauschalen Äußerungen und Bewertungen darüber treffen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, es ist doch immer wieder wichtig, dass man in die Fragestunde kommt; Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Stimmt.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

- denn da bekommt man tatsächlich auch mal neue Informationen. - Ich gehe davon aus, dass dem Außenministerium und auch Ihnen bekannt ist, dass ein ausgewachsener Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages sich intensiv mit diesem Thema beschäftigt, insbesondere mit dem, was über Ramstein geschieht. Jetzt meine konkrete Frage: Ist der Bundesregierung bzw. dem Außenministerium bekannt, dass im Untersuchungsausschuss ein Zeuge aus den USA, Brandon Bryant, ausgesagt hat, dass er selber ein solcher Drohnenpilot gewesen ist, der die Drohnen von den USA in Ziele etwa in Somalia gelenkt hat, dass die Befehle, die er dazu bekommen hat, und die Leitungen immer über Ramstein gelaufen sind, dass er weit über 1 000 solcher Einsätze - also von den USA aus gelenkt - geflogen hat, dass dabei viele Menschen umgekommen sind und dass er für diese Tätigkeit sogar einen Orden in den USA bekommen hat? Ist das nicht Anlass genug für die Bundesregierung, der Frage nachzugehen, ob die Einsätze, die über Ramstein laufen, nicht tatsächlich auch gegen deutsches Recht verstoßen - die einzelnen Einsätze?

Not found (Gast)

Frau Präsidentin! Herr Ströbele, auch ich freue mich immer sehr, wenn Sie hier sind; das ist für mich gewinnbringend, sehr häufig zumindest. Ich will noch einmal deutlich machen, dass wir uns nicht einfach nur auf irgendwelche Informationen verlassen, sondern Ansprechpartner für uns ist die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Aussagen sind für uns die Informationen, die ich an Sie und an Kolleginnen und Kollegen des Bundestages weiterleite. Das habe ich heute getan. Das haben die Kolleginnen und Kollegen bereits im Sommer getan, unmittelbar nach den neuen Erkenntnissen, die uns seitens der Vereinigten Staaten übermittelt worden sind. Ich will noch hinzufügen, dass die Vereinigten Staaten für die Drohneneinsätze konkrete, am Völkerrecht orientierte Regeln entwickelt haben, die kürzlich öffentlich zugänglich gemacht worden sind. Im Juli und August dieses Jahres wurden neue und bestehende US-Richtlinien zu Einsätzen unbemannter Luftfahrzeuge veröffentlicht. Ich sage das noch einmal, weil selbstverständlich auch für uns das Völkerrecht strikt gilt. Die Vereinigten Staaten haben uns gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass diese Maßstäbe selbstverständlich auch für sie gelten.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Dr. Neu.

Dr. Alexander S. Neu (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004361, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vor gut einem Jahr waren Kollege Ströbele und ich unter anderem in Ramstein. Wir haben den dortigen Kommandanten gefragt, ob es irgendeine Verbindung zwischen Ramstein und den Drohneneinsätzen gibt. Das hat er aufgrund der militärischen Signalerfassung ausgeschlossen. Das heißt, der dortige Kommandant hat uns, Kollegen Ströbele und mich, offensichtlich belogen. So ist der Stand, den Sie uns gerade mitgeteilt haben, dass durchaus die Relaisstation Ramstein eine wesentliche Rolle spielt. Wir halten fest: Der US-amerikanische Kommandant in Ramstein hat die Abgeordneten des Deutschen Bundestages im Oktober 2015 bezüglich der Frage, inwiefern Ramstein eine Rolle im Drohnenkrieg spielt, belogen. Nun zu meiner Frage: Der Bundesgerichtshof in Leipzig hat infolge des Irakkrieges 2003 das Urteil gefällt, dass auch die Zurverfügungstellung des eigenen Territoriums - in diesem Fall Deutschland -, sei es der Luftraum, sei es der Boden, für Dritte - in diesem Fall die USA - für völkerrechtswidrige Kriege eine Beteiligung an einem völkerrechtswidrigen Einsatz darstellt. Meine Frage ist: Wie bewerten Sie dieses Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 2003 vor dem Hintergrund Ihrer Interpretation?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Frau Präsidentin! Herr Kollege Neu, ich kann mich nur noch einmal wiederholen: Es gilt nach wie vor die strikte Zusicherung der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, dass in Deutschland geltendes Recht eingehalten wird. ({0}) Darüber hinaus kann ich zu Ihrer Spekulation, dass jemand die Unwahrheit gesagt hat, nichts sagen, weil ich die Aussagen des Repräsentanten der US-Armee, den Sie und Herr Ströbele getroffen haben, nicht kenne.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Damit ist der Geschäftsbereich beendet. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Die Beantwortung übernimmt der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Schröder. Ich rufe Frage 17 des Abgeordneten Andrej Hunko auf: Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, ob die EU-Polizeiausbildungsmission EUBAM Libyen, an der auch die deutsche Bundespolizei beteiligt ist, die libysche Einheitsregierung dazu berät, wohin Geflüchtete zu verbringen wären, wenn die libysche Küstenwache ({0}) Geflüchtete in Hoheitsgewässern aufgreift, und was kann die Bundesregierung zu Plänen oder Maßnahmen mitteilen, die Voraussetzungen für den Übergang von EUNAVFOR MED zur „Phase 3“ zu schaffen, was laut der taz.die tageszeitung vom 24. November 2016 unter anderem bedeutet, dass Libyen Migranten nach internationalen Standards aufnehmen können muss, wozu die Zeitung schreibt, es gebe unter den 24 libyschen Internierungslagern auch solche, die der Regierung unterstehen? Herr Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Frau Präsidentin! Herr Kollege Hunko, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Nach Kenntnis der Bundesregierung gibt es keine Beratung libyscher Behörden durch die zivile Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, Mission EUBAM, European Union Border Assistance Mission Libyen, zur Verbringung von aufgegriffenen Migranten. Eine solche Beratung ist auch nicht vorgesehen. Die militärische GSVP-Mission EUNAVFOR MED Operation Sophia befindet sich derzeit in der gemäß Ratsbeschluss vom 18. Mai 2015 vorgesehenen Phase 2i. Das umfasst das An-Bord-Gehen, Durchsuchen, Beschlagnahmen und Umleiten von Schleuserschiffen. Am 23. Mai 2016 wurde das Mandat der Operation um die zusätzlichen Aufgaben „Unterstützung der libyschen Küstenwache und Marine durch Ausbildung und Kapazitätsaufbau“ sowie „Maßnahmen auf Hoher See zur Durchsetzung des Waffenembargos von und nach Libyen“ erweitert. Die Bundesregierung hat keine Kenntnis von Plänen oder Maßnahmen zur Vorbereitung eines Übergangs in Phase 3 der Operation.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Hunko.

Andrej Hunko (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004060, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Dr. Schröder, welche der nach meiner Kenntnis 18 libyschen Gefängnisse oder sonstigen geschlossenen Verwahranstalten, in denen Migranten festgehalten werden, unterstehen jetzt der libyschen Einheitsregierung, und welche dieser Anstalten werden von den Milizen geführt, die sich nur manchmal der Einheitsregierung gegenüber loyal erklären? In einer früheren Antwort hatten Sie mir bestätigt, dass Migranten in libyschen Gefängnissen misshandelt und gefoltert werden. Ich gehe auch davon aus, dass sich das nicht geändert hat; Berichte von Human Rights Watch und Amnesty International bestätigen das. Haben Sie einen Überblick über die 18 Gefängnisse, in denen Migranten festgehalten werden?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Darüber haben wir keinen Überblick. Diese Polizeimission befindet sich zurzeit auch nicht in Libyen, sondern außerhalb Libyens, und ist, nur wenn es die Sicherheitslage zulässt, tageweise in Libyen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Hunko.

Andrej Hunko (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004060, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. - Eine Studie des Overseas Development Institute vom September dieses Jahres zählt mindestens 3 500 afrikanische Migranten, die in überfüllten libyschen Gefängnissen interniert sind. Über welche Zahlen verfügt die Bundesregierung? Trifft es zu, dass die Gefangenen weder Zugang zu einem ordentlichen Verfahren haben noch von ihren Familien besucht werden können, und wie wollen Sie einwirken, um das zu ändern?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Hierzu besitzt die Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse. ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Die Fragen 18 und 19 der Abgeordneten Ulla Jelpke werden schriftlich beantwortet. Damit rufe ich jetzt die Frage 20 des Abgeordneten Beck auf: Wie viele homo- bzw. transphob motivierte Straf- und Gewalttaten ({0}) wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im ersten Halbjahr bzw. den ersten drei Quartalen 2016 im Vergleich zum Vorjahr erfasst, und welche Aussagen lassen sich über die Tatverdächtigen treffen ({1})? Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Herr Kollege, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Für das Jahr 2016 wurden bis Ende September 205 politisch motivierte Straftaten mit der Nennung des Unterthemas sexuelle Orientierung gemeldet. Zu diesen 205 politisch motivierten Straftaten konnten 99 Tatverdächtige ermittelt werden. Im vergangenen Jahr, 2015, waren es bis Ende September 171 entsprechende Straftaten und 86 Tatverdächtige. In dieser Kategorie werden nicht nur homo- und transphobe Straftaten erfasst, sondern alle gegen Lesben, Schwule, Trans- und Intersexuelle motivierten Straftaten. Zu beachten ist außerdem, dass es sich um vorläufige Fallzahlen handelt, die sich bis zum Meldeschluss am 31. Januar 2017 noch verändern können, weil es sich hier um eine Verlaufsstatistik handelt.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Der Anstieg, den Sie aber vermelden können, deckt sich mit Beobachtungen der Polizei in Berlin, die von einem noch dramatischeren Anstieg in diesem Jahr ausgeht. Danach sind im ersten Dreivierteljahr so viele homo- und transphobe Straftaten begangen worden wie im ganzen letzten Jahr. Das wäre ein Anstieg um über 30 Prozent. Ich wollte Sie fragen, wie die Bundesregierung auf diese dramatische Erhöhung der Zahl der Straftaten in diesem Bereich reagiert und wie sie sich diese Erhöhung erklärt.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Wir haben es mit einer Erhöhung zu tun. Soweit wir es beurteilen, sind es aber Schwankungen, die sich im Rahmen der letzten Jahre abgespielt haben. Aber natürlich müssen wir da sehr wachsam sein und insbesondere auch berücksichtigen, dass nicht alle Straftaten gemeldet werden.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie haben ja aufgeführt, dass laut Statistik 99 Tatverdächtige ermittelt wurden. Mich interessiert auch, inwiefern man diese Täter - ich glaube, das hatte ich in der Ausgangsfrage eigentlich auch gefragt - den verschiedenen Kategorien der politisch motivierten Kriminalität „links“, „rechts“, „Ausländerkriminalität“ und „sonstige“ - zuordnen kann.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Das wird aufgeführt. Ich würde Ihnen die Zahlen gerne schriftlich zur Verfügung stellen, wenn es Ihnen recht ist. ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Damit rufe ich jetzt die Frage 21 ebenfalls des Abgeordneten Beck auf: Wie viele islamfeindliche Gewalt- und Straftaten wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit Jahresbeginn 2016 erfasst, und wie viele Menschen waren von diesen Taten betroffen? Herr Staatssekretär, Sie haben wieder das Wort.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Bislang werden im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes politisch motivierte Kriminalität und islamfeindliche Straftaten als Teilmenge der Hasskriminalität erfasst. Diese Straftaten sind aber nicht gesondert bezifferbar. Ab dem 1. Januar 2017 werden wir islamfeindliche Straftaten als eigenständige Kategorie in der Statistik erfassen. Das hat die Innenministerkonferenz auf ihrer Frühjahrssitzung beschlossen. Im kommenden Jahr werden wir dann einen noch genaueren Überblick über die Lage haben. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund der Flüchtlingsdebatte und der anstehenden Bundestagswahl sehr zu begrüßen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das heißt, Ihnen liegen keine Erkenntnisse vor über das Ausmaß von islamfeindlichen Straftaten sowohl gegen Personen als auch gegen Einrichtungen. Denn der Eindruck, der uns insbesondere von den islamischen Verbänden vermittelt wird, ist, dass in letzter Zeit zumindest die Zahl der Anschläge auf Moscheen und Einrichtungen - Schmierereien, Hassparolen und dergleichen - zugenommen hat. Man hätte natürlich gerne ein valides Gesamtbild.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Wie gesagt: Islamfeindliche Straftaten werden ab dem 1. Januar 2017 als eigenständige Kategorie erfasst. Erst dann können wir die entsprechenden Zahlen liefern. Es gibt Zahlen über das Angriffsziel Moschee. Bis Ende September 2016 wurden dem Bundeskriminalamt insgesamt 65 Straftaten gemeldet, davon 4 Gewaltdelikte, 2 Brandstiftungen, 1 Sprengstoffdelikt und 1 Körperverletzung, bei der eine Person verletzt wurde. Im Jahr 2015 gab es bis Ende September erst 50 Straftaten, eine dieser Straftaten war ein Gewaltdelikt. Glücklicherweise kam bei dem Gewaltdelikt im Jahr 2015 keine Person zu Schaden.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die Tendenz bei beiden Fragen - vorhin Homo- und Transphobie und jetzt Islamfeindlichkeit - scheint darauf hinzudeuten, dass Straftaten, die durch gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit motiviert sind, zunehmen. Das entspricht auch den Ergebnissen der Untersuchungen der Universität Leipzig bezüglich autoritärer und rechtsextremer Einstellungen in Deutschland - Stichwort „Mitte“-Studie - und dergleichen mehr. Welche Konsequenzen will die Bundesregierung ziehen, um dieser Entwicklung sowohl hinsichtlich der Einstellungen als auch hinsichtlich der Taten, die aus den Einstellungen folgen, präventiv entgegenzusteuern?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Es gibt einen entsprechenden Aktionsplan der Bundesregierung, der Anfang 2017 verabschiedet werden soll. Ich habe noch die Zahlen der homo- bzw. transphob motivierten Straftaten gefunden, nach denen Sie eben gefragt haben. Sie fragten auch, durch wen Straftaten begangen wurden. Mir liegen die Zahlen für das Jahr 2015 vor: aus dem Bereich „links“: 3, aus dem Bereich „rechts“: 98, aus dem Bereich „Ausländer“: 22, „sonstige“: 99. Ich kann die Zahlen aber gerne auch noch schriftlich nachreichen. ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank. - Ich rufe die Frage 22 des Abgeordneten Christian Ströbele auf: Haben Nachrichtendienste des Bundes seit 1985 entgegen den Vorgaben auch des Deutschen Bundestages ({0}) ihre Ausgaben teils aus anderen als Bundessteuermitteln bestritten, etwa durch ergänzende Zuwendungen privater Dritter oder aus sogenannten Briefkastenfirmen ({1}), und wie lauten - bejahendenfalls - die Einzelheiten ({2})? Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Das Bundesamt für Verfassungsschutz bestreitet seine Ausgaben vollständig aus dem Bundeshaushalt. Die Ausgaben des BfV werden gemäß § 10a Absatz 3 der Bundeshaushaltsordnung jährlich vom Bundesrechnungshof geprüft. Der Bundesrechnungshof unterrichtet das Vertrauensgremium und das Parlamentarische Kontrollgremium über das Ergebnis der Prüfung. Ein Verstoß gegen den Haushaltsgrundsatz der Vollständigkeit wurde für das BfV dabei nicht festgestellt. Zum Militärischen Abschirmdienst. Er bestreitet seine Ausgaben ebenfalls ausschließlich aus Haushaltsmitteln des Bundes. Seine Ausgaben sind im Einzelplan 14 des Bundeshaushalts entsprechend veranschlagt. Der Bundesnachrichtendienst hat seit 1985 ebenfalls keine Ausgaben entgegen der zitierten Drucksache des Bundestages bestritten. Ich möchte darauf hinweisen, dass es uns angesichts des sehr langen Zeitraums, der hier abgefragt wird, nämlich seit 1985, nicht möglich war, eine intensivere Suche über die 30 Jahre zurückliegenden Sachverhalte durchzuführen. Dazu hat die Zeit einfach nicht ausgereicht.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, das, was Sie mir jetzt gesagt haben, war mir schon bekannt. - Mich wundert übrigens, dass Sie die Frage beantworten. Soweit ich informiert bin, liegt die Koordination der Nachrichtendienste in den Händen des Bundeskanzleramtes und nicht in den Händen des Innenministeriums; aber wenn Sie sich kundig gemacht haben, nehme ich das zur Kenntnis. - Eines ist mir nicht bekannt, und deshalb frage ich ganz konkret nach - ich weiß nicht, ob Sie die Frage beantworten können, auch für den Bundesnachrichtendienst -: Hatte ein Nachrichtendienst der Bundesrepublik Deutschland in dieser Zeit jemals Firmen - danach habe ich ja auch gefragt - selber oder über Vertrauenspersonen, Mittelspersonen, wie auch immer, gegründet, die finanzielle Geschäfte getätigt haben?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Jedenfalls hat sich der Bundesnachrichtendienst nach 1985 so verhalten, wie es in der entsprechenden Drucksache von ihm verlangt wurde.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Na, das beantwortet meine Frage natürlich wieder nicht. - Meine letzte Frage, ganz konkret - unter anderem darauf zielt die ganze Frage -: Hat der Bundesnachrichtendienst oder der Verfassungsschutz - der Bundesnachrichtendienst liegt da wesentlich näher - jemals von dem Mitarbeiter Herr Mauss, der mit Klarnamen Mauss heißt, aber mit den verschiedensten Namen unterwegs gewesen ist, gegen den derzeit ein Strafprozess wegen solcher finanzieller - möglicherweise - Manipulationen, direkt oder indirekt über seine Anwälte Geld bezogen?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Dazu kann ich Ihnen keine Auskunft geben. ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Steffi Lemke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002720, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn das Bundesinnenministerium dazu aus Zuständigkeitsgründen keine Aussage treffen kann, würde ich das Bundeskanzleramt bitten, zu antworten. ({0})

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Es geht ja nicht um die Zuständigkeit. Gefragt wurde ja in der ursprünglichen Frage nach dem Zeitraum nach 1985. Ob irgendwann vor 1985 so etwas stattgefunden hat - der Kollege Ströbele hat ja gefragt, ob „jemals“ so etwas stattgefunden hat -, darüber habe ich einfach keine Kenntnisse.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Ich würde jetzt trotzdem den Staatsminister fragen, ob er die Frage der Kollegin Lemke beantworten kann.

Not found (Gast)

Frau Präsidentin! Ich kann den Aussagen des Kollegen Schröder nichts hinzufügen. ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Sie können keine zweite Frage stellen. Sorry. - Herr Kollege Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich wollte die Bundesregierung fragen, ab welchem Zeitraum sie garantieren kann, dass diese Praxis, die vom Kollegen Ströbele abgefragt wurde, definitiv nicht mehr stattgefunden hat oder nicht stattgefunden hat.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

In dem Zeitraum, der von ihm in der ursprünglichen Frage abgefragt wird, nämlich seit 1985. ({0}) - Herr Ströbele hat ja gefragt, ob „jemals“ so etwas stattgefunden hat. Da kann ich nur wiederholen, dass der Bundesnachrichtendienst seit 1985 keine Ausgaben entgegen den Angaben in der zitierten Drucksache des Bundestages bestritten hat. ({1})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie wirklich bitten. Wir haben hier eine Fragestunde. Sie müssen Ihre Fragen schon präzise stellen. ({0}) - Das haben Sie ja auch gemacht. ({1}) - Das hat er auch getan, soweit ich ihn verstanden habe, Herr Beck. ({2}) - Ich bin immer daran interessiert, dass die Kollegen eine Antwort erhalten. - Herr Schröder.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Ich habe für die anderen Dienste bereits geantwortet. Daraus ergibt sich, dass auch für die anderen Dienste für den Zeitraum nach 1985 solche Ausgaben nicht getätigt wurden. Das können Sie im Protokoll noch einmal nachlesen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, kommen wir jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Die Frage 23 des Abgeordneten Özcan Mutlu wird schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Finanzen. Die Frage 24 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele sowie die Fragen 25 und 26 der Abgeordneten Sabine Zimmermann werden schriftlich beantwortet. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Frage 27 der Abgeordneten Brigitte Pothmer sowie die Fragen 28 und 29 der Abgeordneten Katrin Werner werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Ich rufe die Frage 30 des Abgeordneten Dr. Alexander Neu auf: Welche Erkenntnisse besitzen die Bundesregierung und nachgeordnete Behörden/Stellen über die Anwesenheit von Angehörigen der Bundeswehr und deutscher Nachrichtendienste auf syrischem Staatsgebiet ({0}) zu welchen Zeitpunkten seit Juli 2015? Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Herr Kollege Neu, ich antworte Ihnen wie folgt: Seit Juli 2015 befanden und befinden sich keine Angehörigen der Bundeswehr in staatlicher Funktion oder im Auftrag einer internationalen Organisation auf syrischem Staatsgebiet. Über die Anwesenheit von Angehörigen deutscher Nachrichtendienste kann aus Gründen des Staatswohls nicht offen informiert werden. Arbeitsmethoden und Vorgehensweisen der Nachrichtendienste des Bundes sind im Hinblick auf die künftige Erfüllung des gesetzlichen Auftrags aus § 1 Absatz 2 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst besonders schutzwürdig. Diesbezüglich wird auf die Bundestagsdrucksache 18/9876 verwiesen, in der eine Teilantwort der Bundesregierung als Verschlusssache gemäß § 3 Nummer 2 Verschlusssachenanweisung mit dem Geheimhaltungsgrad Geheim eingestuft und zur Einsichtnahme bei der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt ist.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Neu.

Dr. Alexander S. Neu (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004361, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr verehrter Herr Staatssekretär Brauksiepe, ich möchte die Frage ergänzen: Liegen der Bundesregierung oder nachgeordneten Instanzen Erkenntnisse vor, dass deutsche Staatsbürger im Dienst von Söldnerfirmen, von Sicherheitsfirmen, seien es deutsche, seien es ausländische Sicherheitsfirmen, auf syrischem Territorium tätig sind?

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Staatssekretär.

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Herr Kollege Neu, Sie haben die Frage gestellt in Bezug auf Angehörige der Bundeswehr und deutscher Nachrichtendienste. ({0}) Diese Frage habe ich Ihnen beantwortet. Darüber hinaus habe ich zu der von Ihnen jetzt aufgeworfenen Zusatzfrage keine Erkenntnisse. ({1})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Neu, noch eine weitere Frage?

Dr. Alexander S. Neu (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004361, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wir werden die Frage nachreichen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Die Frage 31 der Abgeordneten Heike Hänsel wird schriftlich beantwortet. Damit sind wir beim Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Die Fragen 32 und 33 des Abgeordneten Stephan Kühn, die Frage 34 des Abgeordneten Oliver Krischer, die Fragen 35 und 36 der Abgeordneten Katrin Kunert sowie die Fragen 37 und 38 des Abgeordneten Achim Post werden schriftlich beantwortet. Damit ist die Fragestunde beendet. Ich unterbreche die Sitzung. Wir setzen die Sitzung um 15.35 Uhr fort mit der Aktuellen Stunde zur aktuellen Lage in Aleppo und Syrien. ({0}) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen unsere unterbrochene Sitzung fort. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Aktuelle Lage in Aleppo und Syrien Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat Katrin Göring-Eckardt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003132, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Lassen Sie mich eingangs ein Wort direkt an das syrische Volk richten: Ajjuha al-Schaab al-Suri, nahnu nufakkiru bi-kum. - Verehrtes syrisches Volk, wir denken an euch. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir können in dieser Woche nicht hier im Parlament sitzen, ohne über Aleppo zu sprechen. 250 000 Menschen leben derzeit in der belagerten Stadt - so viele wie in Kiel oder Erfurt. Sie werden täglich von Flugzeugen des syrischen Regimes und von Russland bombardiert. Ein normales Leben hat es seit 2012 nicht mehr gegeben. Vier Jahre Krieg. Jeden Tag. Die Bewohner Aleppos haben kaum noch Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wasser und keine funktionierenden Krankenhäuser mehr. Krankenhäuser wurden bombardiert. Allein in den letzten sechs Monaten hat sich die Zahl der belagerten Menschen in Syrien auf über eine Million verdoppelt. Das alles ist schlimm genug, aber das ist nicht alles. Dazu kommen bunkerbrechende Bomben, Fassbomben, Angriffe mit Giftgas, wie erst diese Woche in Aleppo. Das alles sind Kriegsverbrechen, und wir sollten sie auch so nennen. ({0}) Jeden Tag bergen die Weißhelme und die verbliebenen Zivilisten tote und verletzte Menschen, tote und verletzte Kinder aus den zerbombten Häusern. Das passiert in Aleppo. Aber genauso können wir auch über Madaja, Duma, Sabadani oder Jarmuk reden. In all diesen Städten gibt es weiterhin Menschen, die leben wollen, die jedes Recht auf Leben haben, Menschen, die unsere Nachbarn und Freunde sein könnten, Menschen, die mit der halben Million Syrerinnen und Syrer in unserem Land verwandt oder befreundet sind. Auch an die denke ich, wenn ich jeden Tag die furchtbaren Nachrichten sehe. Was dieser Tage in Aleppo, in Syrien passiert, wird sich historisch in eine Reihe finden mit Ruanda, Grosny und Srebrenica. Wie damals gibt es bei den meisten von uns ein Gefühl der Ohnmacht. Wie damals sind wir der Schutzverantwortung nicht gerecht geworden. Und gerade darum will ich die Regierung fragen, will ich aber auch uns alle fragen: Tun Sie, tun wir wirklich genug für den Frieden? Tun Sie, tun wir wirklich genug, um wenigstens ein bisschen mehr Humanität nach Syrien zu bringen? Tun Sie, tun wir wirklich genug, um die, die den Horror verantworten, nicht straffrei aus diesem Krieg gehen zu lassen? - Das klingt nach drei einfachen Fragen. Aber ich frage Sie und auch uns noch einmal: Tun wir wirklich genug? Ich denke, man kann nie genug tun. Eine Syrerin hat am Montagabend auf einer Veranstaltung zur Ehrung der Weißhelme hier in Berlin gesagt: Ich weiß auch nicht genau, was man tun kann. Aber wenn ich nichts tun kann, dann kann ich wenigstens Lärm machen. - Insofern ist es das Mindeste, was wir tun können, in dieser Woche hier und weiter und immer weiter über Syrien zu reden, liebe Kolleginnen und Kollegen, uns nicht wegzuducken, sondern weiter nachzudenken. ({1}) Ich bin auch der Meinung, dass wir und Sie von der Bundesregierung mehr tun können und müssen. Erstens. Wie steht es um die humanitäre Versorgung der Menschen in Syrien? Können wir nicht doch mehr tun, um die Versorgung vom Boden oder aus der Luft zu gewährleisten? Meine Damen und Herren, doch, ich denke, wir können! ({2}) Und liebe Koalitionsfraktionen, können Sie nicht noch einmal überlegen, ob es wirklich angemessen ist, den Familiennachzug weiter auszusetzen? Heute sind 70 000 weitere Menschen auf der Flucht in Aleppo. Ich finde, das ist ein Gebot der Humanität in diesen Tagen, an diesem Tag. ({3}) Zweitens. Wie sieht es aus mit den belagerten Städten, wenn sie aufgeben müssen? Übernehmen Assad, Russland und Iran anders als bei Daraja die Verantwortung für die Sicherheit der Zivilbevölkerung? Stellen sie sicher, dass es nicht zu ethnischen Säuberungen kommt? Gibt es ausreichend Druck auf sie? Drei Fragezeichen! Drittens. Wie aktiv redet die Bundesregierung mit den Akteuren im Konflikt? Gibt es genug Druck? Gibt es Gespräche mit der iranischen Regierung, mit der saudi-arabischen, mit der katarischen? Ich weiß, es ist kompliziert, Druck auszuüben und etwas zu erreichen, aber ich weiß auch: Wir dürfen nicht nachlassen, und Sie dürfen nicht nachlassen, meine Damen und Herren. ({4}) Und Russland? Staffan de Mistura hat uns letzte Woche berichtet, dass aus seiner Sicht derzeit in Moskau der Schlüssel zum Frieden liegt. Das Bomben muss aufhören. Der Schutz der Zivilbevölkerung muss endlich garantiert werden. Das zerstörte Land muss auch wiederaufgebaut werden. Putin muss Verantwortung übernehmen, und daraus dürfen wir ihn nicht entlassen, meine Damen und Herren. ({5}) Wir dürfen die Menschen in Syrien nicht vergessen. Es sind unsere Nachbarn. Es geht darum, ob es Ost-Aleppo in ein paar Wochen, in ein paar Tagen überhaupt noch geben wird. Es geht um unsere Verantwortung. Zuschauen ist keine Option, und Zurückhaltung ist keine Möglichkeit. Es ist an uns, wenigstens laut zu sein und jeden Tag - jeden Tag! - neu zu überlegen: Tun Sie als Regierung genug? Tun wir alle wirklich genug? Nahnu nufakkiru bi-kum. - Wir denken an euch. Vielen Dank. ({6})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Als nächster Redner hat Dr. Norbert Röttgen für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. ({0})

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorrednerin, Kollegin Göring-Eckardt, hat, so gut es geht, den Horror in Aleppo in Worte gefasst. Ich glaube, nachempfinden kann man es nicht, wenn man die Hölle dort nicht selbst erlebt hat. Es sind auch die Verantwortlichen genannt worden: das Assad-Regime, Russland - eine aktive Kriegspartei -, Iran, das schiitische Milizen finanziert und steuert, und auch dschihadistische Terroristen. Aus dem ganzen Komplex, den man hier benennen müsste, möchte ich einen Aspekt herausgreifen. Ich möchte über uns reden - mit „uns“ meine ich Deutschland, Europa, die USA, den Westen. Nach meiner Einschätzung steht Aleppo für das größte Desaster westlicher Außenpolitik in den letzten Jahrzehnten. Eine Erscheinungsform des Desasters ist unsere Ohnmacht angesichts des Leids, der Hunderttausenden von Toten, der brutalen Gewalt, des Kriegsverbrechens als Alltag. Ich möchte mich mit dieser Ohnmacht beschäftigen: Was sind die Einflüsse, auf die wir nicht einwirken können? Sind wir wirklich ohnmächtig, oder könnten wir etwas tun? Das Erste, was ich sagen möchte, ist: Die Ohnmacht zu überwinden, beginnt damit, dass wir die Realität unserer Einflusslosigkeit aussprechen, statt uns immer wieder in eine ritualisierte Appell- und Betroffenheitsrhetorik zu flüchten, die so tut, als würden wir Politik machen, die aber eigentlich nur der Schein von Politik ist. Wer einen Zweifel an europäischer Einflusslosigkeit hat, der kann nach Lausanne gucken, wo Staaten zusammensitzen, um zu verhandeln, um eine politische Lösung zu erreichen. An diesem Verhandlungstisch sitzt die Türkei, und an diesem Verhandlungstisch sitzt aus guten Gründen auch Katar, ein Land mit 300 000 Einwohnern. Von den 28 Mitgliedsländern der Europäischen Union sitzt kein einziges an diesem Tisch, auch die Europäische Union selbst nicht. Wir sind die Nachbarregion, die wie keine zweite Weltregion von diesem Elend betroffen ist. Es ist unsere Nachbarregion, aber wir als Europäer sitzen noch nicht einmal am Tisch. Wie ist es zu dieser Ohnmacht gekommen? Das ist sehr komplex. Dazu gibt es eine lange Vorgeschichte; die kann man im Rahmen dieser Aktuellen Stunde nicht aufarbeiten. Darum möchte ich nur den Zeitpunkt benennen, ab dem die Katastrophe definitiv ihren Lauf nahm. Das war, als endgültig klar war, dass es keinen militärischen Schutz durch die USA geben würde - kein anderes Land wäre dafür infrage gekommen -, weder in der Luft noch am Boden. Es war klar: Es gibt keine Flugverbotszone, es gibt keine militärisch geschützte humanitäre Schutzzone am Boden. Damit war der Weg frei für den russischen Militäreinsatz, den wir nun seit Monaten sehen und auch noch für Wochen und vielleicht Monate sehen werden. Hier ist erneut nicht der Zeitpunkt bzw. die Gelegenheit, über das Für und Wider dieser Maßnahmen zu sprechen. Ich möchte nur sagen: Man kann durch Tun schuldig werden, aber Nichttun schützt nicht davor, schuldig zu werden. Wir sagen oft: Es gibt keine militärischen Lösungen. Der Satz ist richtig. Aber Präsident Putin denkt und handelt genau gegenteilig. Für ihn ist die militärische Lösung die Voraussetzung, der Boden für nachfolgende Diplomatie und Politik. Das müssen wir sehen. Eine Außenpolitik, die immer nur die eigene Logik vorträgt, aber die ganz gegenteilige Logik entscheidender Akteure ignoriert, mag zwar heimischen Beifall finden, aber sie erzeugt auch eigene politische Ohnmacht. Aleppo ist kein Endpunkt. Das Leiden wird weitergehen. Aleppo wird fallen. Das Sterben, das Bombardement, der Terrorismus - es wird weitergehen, meine Damen und Herren. Darum stellt sich auch die Frage: Bleibt es bei unserer Ohnmacht? Sind wir zur Ohnmacht verpflichtet, oder können wir etwas tun? Ich glaube, so wenig wir tun können, es gibt etwas, was wir tun könnten, und ich möchte zwei Dinge benennen. Der erste Punkt ist, dass wir wirtschaftliche Sanktionen als nichtmilitärisches Mittel gegenüber Kriegsverbrechen und Kriegsverbrechern anwenden. Wir, die Europäische Union und die USA, haben als Reaktion auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim Wirtschaftssanktionen verhängt. Heute sind in Aleppo Kriegsverbrechen an der Tagesordnung. Wir müssen uns fragen, was wir tun könnten. Diejenigen, die das kritisieren, frage ich zurück: Was ist die Alternative? Wenn das Nichttun die Alternative ist, dann müssen wir zu diesem nichtmilitärischen Entgegenstemmen gegen Kriegsverbrechen als dem Instrument, das wir haben, greifen, meine Damen und Herren, jedenfalls wenn es kein anderes und kein besseres Instrument gibt. Es wäre der Ausdruck, dass wir die Kriegsverbrechen, die unzweifelhaft da sind, nicht hinnehmen, sondern dass wir uns denen entgegenstemmen und sie verurteilen. ({0}) Der zweite und letzte Punkt: Es handelt sich um Kriegsverbrechen. Darum müssen wir bzw. die Vereinten Nationen damit anfangen, die Kriegsverbrechen zu dokumentieren, damit wir schon heute den Tätern sagen: Ihr werdet nicht davonkommen, sondern die internationale Gemeinschaft dokumentiert und sammelt die Grundlagen und tatsächlichen Umstände eurer Verbrechen. Es wird euch ein Gerichtsverfahren von der internationalen Gemeinschaft gemacht werden. - Auch das ist heute schon möglich. Wir dürfen nicht einfach nur willenlos, nur betroffen sein, sondern die wenigen Möglichkeiten, die wir haben, müssen wir wahrnehmen, meine Damen und Herren. ({1}) Darüber müssen wir zumindest debattieren. Darum ist es gut, dass wir das hier tun. Mein letzter Satz. Es ist richtig, zu sagen: Es gibt keine militärischen Lösungen. - Aber es reicht nicht, zu sagen: Es gibt keine militärischen Lösungen. - Wir müssen etwas dagegen tun, dass andere militärische Lösungen praktizieren. Vielen Dank. ({2})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Als nächste Rednerin hat Heike Hänsel für die Fraktion Die Linke das Wort. ({0})

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Göring-Eckardt, wir denken heute an die Menschen in Syrien. Wir denken aber auch an die Menschen im Irak, im umkämpften Mosul. Wir denken an die Menschen im Jemen, im ausgehungerten Jemen, an die Menschen im zerschlagenen Libyen, an die Menschen in den zerstörten kurdischen Städten. Menschliches Leid ist unteilbar, und Krieg ist immer ein Verbrechen. ({0}) Die Lage im Osten Aleppos ist dramatisch: zahlreiche Tote - wir kennen nicht die genaue Zahl - und über 30 000 Menschen, die vor den erneuten Kämpfen zwischen syrischen Regierungstruppen und den Milizen der al-Qaida und der Ahrar al-Scham fliehen müssen. Genau deswegen fordern wir einen sofortigen Waffenstillstand, an den sich alle Seiten - ausnahmslos alle Seiten! - zu halten haben. Dazu gibt es keine Alternative, ({1}) damit die Menschen in Aleppo endlich mit Lebensmitteln und Medikamenten unterstützt werden können und damit es überhaupt wieder Raum für Gespräche gibt. Wir begrüßen ausdrücklich alle Bemühungen von Außenminister Frank-Walter Steinmeier, genau dies zu erreichen. ({2}) Eines kann ich Ihnen aber nicht ersparen: Die Empörung darüber, was in Aleppo passiert, und die Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand wären glaubwürdiger, wenn die Bundesregierung und die Fraktionen der Großen Koalition auch eine sofortige Waffenruhe gefordert hätten, als die Al-Qaida-Milizen vor wenigen Monaten in Syrien auf dem Vormarsch waren - denn auch das war eine Katastrophe für die Menschen vor Ort -, wenn Sie deutliche Kritik an der islamistischen Terrormiliz Ahrar al-Scham geübt hätten, als sie sich geweigert hatte, sich an einem Waffenstillstand zu beteiligen, oder wenn Sie den Syrien-Beauftragten de Mistura unterstützt hätten, als er eindringlich an die Rebellentruppen in Aleppo appelliert hat, unter UN-Begleitschutz aus den Stadtteilen abzuziehen. ({3}) All das wären humanitäre Lösungen für die Menschen vor Ort gewesen. ({4}) Es ist auch widersprüchlich, dass Sie die Bombardierungen und Kämpfe in Ost-Aleppo verurteilen - was zwingend ist -, aber dass das Bombardieren und Abriegeln der Millionenstadt Mosul vonseiten der US-geführten Allianz von Ihnen begrüßt und unterstützt wird. Dabei werden auch zahlreiche Opfer in der Zivilbevölkerung in Kauf genommen, und auch die humanitäre Lage der Menschen wird immer dramatischer. Die UN-Koordinatorin für den Irak, Lise Grande, warnt eindrücklich: Wir stehen vor einer humanitären Katastrophe. Die gesamte Wasserversorgung ist zusammengebrochen, und die Kämpfe können noch über Monate andauern. Menschliches Leid ist unteilbar, und Krieg ist immer ein Verbrechen und das Scheitern von Politik. ({5}) Deswegen fordern wir auch eine deutliche Wende in der deutschen Syrien-Politik. Es ist ein richtiger Schritt, endlich von einer verheerenden Regime-Change-Politik Abstand zu nehmen, die wir in so vielen Ländern - in Syrien und anderswo - erleben und die nur dazu beigetragen hat, dass ganze Regionen in Schutt und Asche gelegt wurden. Es ist richtig, dass das Grauen des Krieges beendet werden soll, wie Herr Steinmeier sagt, und erneut Verhandlungen aufgenommen werden sollen. Das unterstützen wir ausdrücklich. Auch hier gilt es, viel mehr Menschen in einen neuen Anlauf einzubeziehen. Es gibt zum Beispiel die zivile Friedensinitiative „Peace in Syria“, die über breite Schichten der syrischen Zivilgesellschaft hinweg eine föderale Verfassung erarbeitet hat. Solche Initiativen müssen doch viel stärker unterstützt und als Angebote in den Mittelpunkt gestellt werden. Lassen Sie uns auch ein gemeinsames Zeichen für die Verbesserung der Situation vor Ort setzen: Heben Sie endlich die Wirtschaftssanktionen gegen Syrien auf! ({6}) Sie treffen hauptsächlich die Bevölkerung in Syrien, und sie sind fatal in ihren Auswirkungen. Es dient niemandem, wenn es in Syrien keine Medikamente und nicht mehr das Nötigste zum Überleben gibt. All das bewirken die Wirtschaftssanktionen. Und diese haben die islamistischen Terrormilizen noch gestärkt. Denn dadurch ist ein Schwarzmarkt entstanden, von dem allein diese Gruppen profitieren können. Wir halten auch nichts von dem verbalen Säbelrasseln, Herr Röttgen, das Sie, Herr Kauder und andere des rechten Flügels Ihrer Fraktion betreiben, indem Sie immer gegen Russland hetzen ({7}) und neue Sanktionen fordern. Aber zum Glück setzen Sie sich damit in Ihrer Fraktion bisher nicht durch. Wir brauchen nämlich nicht noch mehr Falken, sondern mehr Friedenstauben in der deutschen Außenpolitik. ({8}) Wir fordern eine Waffenruhe für alle eingeschlossenen Gebiete in Syrien, auch für die von islamistischen Milizen eingeschlossenen. Alle Waffen müssen schweigen. Darauf müssen unsere diplomatischen Bemühungen gerichtet sein. Und, Herr Röttgen, Sie haben durchaus Einfluss auf Ihre Partner, die Türkei und Saudi-Arabien, ({9}) die leider die islamistischen Milizen nach wie vor mit Waffen und Geld logistisch unterstützen. Hier haben Sie einen großen Einfluss. Nutzen Sie ihn! ({10}) Vielen Dank. ({11})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Als nächster Redner hat Niels Annen für die SPD-Fraktion das Wort. ({0})

Niels Annen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003732, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss ehrlich sagen: Ich hätte mir angesichts der dramatischen Bilder aus Aleppo und Syrien eine andere Debatte hier gewünscht. Auch der angemessene Ton täuscht am Ende diejenigen, die heute unserer Debatte lauschen, nicht darüber hinweg, dass all die Fragen, die Sie, Frau GöringEckardt, gestellt haben, hier von diesem Podium aus vom Bundesaußenminister längst beantwortet worden sind. Es ist schon fast eine Unterstellung, hier die Frage zu stellen: „Tun wir genug?“, weil man diese Frage natürlich immer mit Nein beantworten kann, sie so wahrscheinlich sogar beantworten muss, wenn man sich die Bilder anschaut. Aber Sie unterstellen hiermit doch indirekt, dass wir uns nicht um Frieden in Syrien bemühten. Deshalb will ich Ihrem Gedächtnis einmal ein bisschen auf die Sprünge helfen. Ich muss das leider auch zu meinem Kollegen Norbert Röttgen sagen, der, soweit ich weiß, ja die Sitzungen des Auswärtigen Ausschusses geleitet hat, in denen systematisch und regelmäßig darüber berichtet wurde, was wir gemacht haben. Ich will Sie deswegen daran erinnern, was wir gemacht haben. Es war Außenminister Steinmeier, der sich vom ersten Tag an, nachdem er in das Amt zurückgekehrt ist, um das Dossier gekümmert hat, der sich darum bemüht hat, ja darum gekämpft hat, dass die unterschiedlichen ausländischen Mächte, die dort Einfluss nehmen, endlich an einem Tisch Platz nehmen. Das haben wir am Ende auch erreicht. Es sind Abgeordnete aus allen Fraktionen dieses Hauses dabei gewesen: bei schwierigen Reisen in den Iran, nach Saudi-Arabien, bei Gesprächen auf internationalen Konferenzen. Nun kann man sich natürlich hinstellen - das würde ich ja vielleicht auch tun - und sagen: Das war insgesamt noch nicht genug. - Aber wir sind ein Teil der Weltgemeinschaft. Wir sind keine Militärmacht in der Region, und wir wollen das auch nicht sein. Dann habe ich auch die schöne Frage hier gehört: Tun wir humanitär genug? Frau Göring-Eckardt, als Sie die Frage gestellt haben, hätten Sie auch einmal darauf hinweisen können, dass dieser Bundestag gerade einen Haushalt beschlossen hat, der uns zur größten Gebernation für die Flüchtlinge in Syrien und in den syrischen Nachbarländern macht. ({0}) Sie haben auch nicht darüber gesprochen, was wir alle in unseren Gemeinden und Kommunen bei der Aufnahme von Flüchtlingen leisten. Ich glaube, dass diese Debatte, die wir mit einer Mischung aus Ohnmacht und Wut führen - einer Wut, die wir alle empfinden -, nicht dazu führen darf, dass wir uns hier auf ein hohes moralisches Podest stellen und uns gegenseitig Vorwürfe machen. Das hilft übrigens auch den Menschen in Syrien nicht weiter. Ich will Sie stattdessen noch einmal daran erinnern, dass wir viele der Punkte, die hier indirekt in Vorwurfsform formuliert worden sind, längst umsetzen: Das Außenministerium unterstützt, seit Frank-Walter Steinmeier wieder Außenminister ist, die juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen, die in Syrien begangen werden, Herr Kollege Röttgen. Wir finanzieren einen Großteil der Arbeit der Commission for International Justice and Accountability, die mit Kontaktleuten in der Region, mit zivilen Organisationen, die unter unfassbaren Bedingungen noch immer in Syrien arbeiten können, Kriegsverbrechen dokumentiert. Deswegen ist die Botschaft an Diktator Assad und seine russischen Verbündeten, aber auch - da muss ich Frau Hänsel zustimmen - an einige der islamistischen Milizen, die dort Verbrechen begehen, ganz eindeutig: Wir wollen alles dafür tun, dass es ein politisches Arrangement gibt. - Wir haben die Erfahrung im Bürgerkrieg in Jugoslawien gemacht, dass beides möglich ist: ein politisches Arrangement und trotzdem zu einem späteren Zeitpunkt die juristische Verfolgung von schweren und schwersten Straftaten. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die Politik der Bundesregierung. Ich finde das richtig. Da hier einige meiner Kollegen die Gespräche mit den Weißhelmen erwähnt haben: Auch ich habe solche Gespräche gemeinsam mit der Kollegin Brantner geführt. Seit Frank-Walter Steinmeier wieder Außenminister unseres Landes ist, unterstützt das Auswärtige Amt die Arbeit der Weißhelme mit relevanten finanziellen Mitteln. Wir haben die Vertreter der Weißhelme hier gemeinsam und hochrangig empfangen und zugesagt, wir werden deren Arbeit weiter unterstützen. Hier duckt sich also niemand weg. Ich empfinde es auch als einen infamen Vorwurf, hier indirekt zu suggerieren, es werde nicht über den Krieg in Syrien gesprochen. Wir schweigen auch nicht über den Krieg in Syrien. Aber über eines müssen wir uns, glaube ich, im Klaren sein: Wenn wir uns als Abgeordnete des Deutschen Bundestages hierhinstellen und unsere eigene Ohnmacht zelebrieren und nicht über das reden, was wir in unglaublich mühsamen, schwierigen Verhandlungen an fragilen Netzwerken zur Lösung dieses Konfliktes auf den Weg gebracht haben, dann dürfen wir uns auch nicht wundern, wenn die Bürgerinnen und Bürger, die möglicherweise dieser Debatte zuschauen, den Eindruck haben: Da kann man eh nichts machen. - Ich bin nicht dieser Meinung. Ich bin deswegen auch nicht der Meinung, dass es das richtige Signal ist, auf der einen Seite zu sagen: „Wir brauchen eine politische Lösung“, und mit dem nächsten Satz zu sagen: Wir müssen jetzt zusätzliche Sanktionen verhängen. ({1}) Ich möchte denjenigen sehen, der das Gespräch mit der russischen Seite führt, wenn das die erste Botschaft ist. Es ist ein Teil der Ehrlichkeit, die hier eingefordert wird - auch mir gefällt das nicht -, ganz nüchtern darauf hinzuweisen, dass sich ohne Russland dieser Konflikt nicht wird lösen lassen. Deswegen müssen wir diesen Gesprächsdraht zwischen Frank-Walter Steinmeier und Herrn Lawrow aufrechterhalten, ohne dabei über die Verbrechen, für die Moskau mitverantwortlich ist, zu schweigen, und das tun wir auch nicht. ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Roderich Kiesewetter für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Roderich Kiesewetter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004068, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Liebe Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon wahr: Auch die heutige Debatte zeigt, dass Aleppo unbarmherzig unsere Handlungsohnmacht offenbart. Das einzig Erfreuliche an dieser Debatte ist, dass wir fraktionsübergreifend versuchen, Auswege aufzuzeigen. Ja, wir hatten letzte Woche zwei bemerkenswerte Vertreter der Weißhelme, die in Ost-Aleppo gearbeitet haben und jetzt in Aleppo arbeiten, zu Gast im Bundestag. Wir haben mit ihnen gesprochen. Es war sehr bewegend, ihnen zuzuhören. Was mich am meisten bewegt hat, war ihre Bereitschaft, ihre quasi zu spürende Eile, sofort wieder - letzte Woche Donnerstag war das - zurückzureisen, nicht hier zu bleiben und die Ruhe des freien Westens zu genießen, nicht Asyl zu beantragen, sondern vor Ort zu helfen und uns aufzurütteln. Dieses Aufrütteln muss auch dazu führen, dass wir deutlich stärker über unsere werte- und interessengeleitete Außenpolitik nachdenken. Ich will das an drei Beispielen deutlich machen. Erstens. Humanitäre Hilfe, die wir leisten - der Kollege Annen hat es angesprochen, auch Kollege Röttgen -, muss ankommen. Es ist natürlich schön, wenn wir hohe Summen an Geldern zur Verfügung stellen, aber schlecht, wenn wir diese nicht den Menschen vor Ort zugutekommen lassen können. Da gibt es natürlich Überlegungen, die heikel sind. Aber wir dürfen hier keine Denkverbote haben und müssen auch darüber nachdenken, ob es möglich ist - und wenn ja, in welcher Weise -, mittels Airdrops Hilfsgüter unmittelbar abzuwerfen. Ist es möglich, Russland zu überzeugen, dass wir da wirken können? Humanitäre Hilfe muss auch ankommen, und es darf uns nicht beruhigen, dass wir Mittel dafür bereitstellen. Zweitens. Haben wir die richtigen Prioritäten? Ist es richtig, dass wir dem russischen Rational folgen und die Macht von Assad zementieren? Führt das nicht geradezu dazu, dass ein Großteil der syrischen Bevölkerung sich mit den IS-Extremisten, mit Daesh, solidarisiert, weil nun einmal Assad einen Großteil der eigenen Bevölkerung in die Flucht und ins Elend getrieben hat? Das ist der entscheidende Punkt. Die Kollegen von der Linken, insbesondere die Fraktionsvorsitzende, fordern öffentlich auch noch einen Interessenausgleich mit Russland. Das ist das Bittere. Diese Form von Machtpolitik stützen wir nicht. Die Lage ist viel zu ernst, als dass wir das zementieren lassen dürfen. ({0}) Der dritte Punkt ist: Neben vielleicht einer Neuorientierung der Priorisierung, dass Assad ein Mann des Übergangs ist, der bald abgelöst werden muss, ist natürlich eine bessere Koordinierung des Kampfes gegen den IS nötig. Auch hier gibt es noch viel zu tun. Aber die Zementierung, die Russland gerade leistet, führt zu tschetschenischen Verhältnissen. Wir wollen keinen Frieden von Grosny, weder in Damaskus noch in Aleppo. DageNiels Annen gen müssen wir uns alle wehren, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Deshalb abschließend vielleicht einige Folgerungen unsere Kollegen haben es bereits angesprochen -: Das Sterben wird weitergehen, die Flucht wird weitergehen. Was bedeutet das für uns Europäer? Der erste Aspekt: Wir sollten alle diplomatischen Anstrengungen darauf richten, dass Iran und Saudi-Arabien weiter miteinander verhandeln, dass das, was letztes Jahr unter unserem Außenminister in Genf erreicht wurde, endlich in die Praxis umgesetzt wird. Damals ist es ihm und anderen gelungen, Saudi-Arabien und Iran an einen Tisch zu bringen. Das muss so bleiben, und das muss verstärkt werden; denn die beiden Staaten führen dort Stellvertreterkriege, nicht nur im Jemen, nicht nur im Irak, sondern gerade in Syrien. Der zweite wichtige Aspekt: Wir haben nächste Woche den Europäischen Rat; der Bratislava-Prozess soll fortgesetzt werden. Das bedeutet, dass wir Europäer uns im europäischen Umfeld für Stabilität und für die Ertüchtigung auch ziviler Strukturen einsetzen: Bildung und Ausbildung, Schulen, Rahmenbedingen für eine gute Lebensführung, sauberes Wasser, bessere medizinische Behandlung. All dies müssen wir fortsetzen; da sind wir bis jetzt zu schwach. Hier brauchen wir mehr europäische Beherztheit, und man kann nur hoffen, dass die Abstimmungen am 4. Dezember in Österreich und in Italien im Sinne des Zusammenhalts der Europäischen Union ausgehen. Hier müssen wir ganz schnell handeln, wenn diese Abstimmungen erfolgt sind. Noch ein anderer Gedanke: Wir Europäer brauchen gute Partner in unserem Umfeld. Die Brexit-Verhandlungen sollten zu einem Drittstaatenabkommen führen, das die Türkei auch an die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU heranführt, vielleicht auch die Maghreb-Staaten und andere. Wir müssen schauen, dass wir Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in diesen Drittstaatenabkommen durchsetzen. Deshalb unterstütze und begrüße ich die vorhin angesprochene Initiative, die vorrangig von Kanada vorangetrieben wird, dass wir in der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die durch den Weltsicherheitsrat gelähmt sind, dieses Amt eines Sonderbeauftragten beantragen, der die Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, damit dies dazu führt, dass beim Internationalen Strafgerichtshof dereinst die Verbrechen in Syrien wie seinerzeit die Verbrechen in Srebrenica angesprochen und gesühnt werden. Herzlichen Dank. ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Sevim Dağdelen für die Fraktion Die Linke. ({0})

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bomben schaffen keinen Frieden, weder russische Bomben noch US-amerikanische Bomben. ({0}) Und ebenso schafft - das muss man hier sagen - die Beihilfe der Bundeswehr zum Bombenkrieg in Syrien keinen Frieden. ({1}) Immer werden eben auch Zivilisten getroffen, und das stärkt den Terror, weil es neuen Hass schürt, ob im syrischen Aleppo oder eben auch im irakischen Mosul. Deshalb treten wir Linke dafür ein, dass die Waffen in Syrien sofort schweigen. Ich muss dazusagen: Wir haben dies gefordert und gesagt, als die Terrormilizen al-Qaida und Ahrar al-Scham auf dem Vormarsch waren, und wir sagen es jetzt, da sie, diese Milizen, zurückgedrängt werden. ({2}) Wir müssen jetzt alles dafür tun, dass es einen sofortigen Waffenstillstand gibt und die Menschen im von islamistischen Terrorbanden kontrollierten Ostteil Aleppos endlich auch mit humanitären Gütern versorgt werden. Aber bei der humanitären Hilfe dürfen wir keine Politik der doppelten Standards betreiben. ({3}) Auch deshalb müssen wir endlich die Wirtschaftssanktionen gegen Syrien aufheben; denn diese treffen lediglich die syrische Bevölkerung, meine Damen und Herren, ({4}) und nicht irgendwelche Eliten, die es immer wieder vermeiden, getroffen zu werden. In diesem Zusammenhang möchte ich aus dem an die Europäische Union gerichteten Appell kirchlicher Würdenträger aus Syrien, die Sanktionen aufzuheben, der vor kurzem veröffentlicht wurde, zitieren: In diesen fünf Jahren haben die Sanktionen gegen Syrien dazu beigetragen, die syrische Gesellschaft zu zerstören: Sie lieferten sie dem Hunger, Epidemien und Elend aus und arbeiten somit den Milizen von Integralisten und Terroristen, die heute auch in Europa zuschlagen, in die Hand. Weiter wird gesagt: Das Gerede über die Kriegsflüchtlinge aus Syrien sieht nach purer Heuchelei aus, solange man gleichzeitig diejenigen, die in Syrien bleiben, weiter aushungert, ihnen die medizinische Versorgung, Trinkwasser, Arbeit, Sicherheit und die elementarsten Rechte verweigert. So weit aus dem Appell der kirchlichen Würdenträger. ({5}) Ich möchte Sie fragen, ob angesichts des Nahrungsund Medikamentenmangels, den man aufgrund dieser Sanktionen zu verantworten hat, tatsächlich eine politische Lösung des Konflikts gefördert werden kann. Diese Wirtschaftssanktionen nehmen die einfache syrische Bevölkerung kollektiv in Haftung. Was glauben Sie denn, was man damit bewirken kann, wenn es eben keine Medikamente mehr gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, gegen Krebs, gegen Diabetes oder wenn es weniger Nahrungsmittel gibt? Wer Wirtschaftssanktionen gegenüber Syrien beibehalten will, straft alle Erklärungen hier Lügen, dass man den Menschen in Syrien wirklich helfen will. So sehen es auch die kirchlichen Würdenträger. ({6}) Was die humanitäre Hilfe angeht, müssen wir auch Berichten nachgehen, dass offenbar viel weniger Hilfe in von syrischen Regierungstruppen kontrollierten Gebieten ankommt, so zum Beispiel in Deir al-Sor, das ja vom „Islamischen Staat“ eingeschlossen und belagert ist und wo über 200 000 Menschen leben. Das Gleiche gilt für al-Fuaa oder Kifraja, wo über 50 000 Menschen von der al-Qaida eingeschlossen sind. Wir brauchen Hilfe in Ost-Aleppo - jawohl -, aber auch in den anderen belagerten Enklaven. Ich würde mir wünschen, dass die Bundesregierung hier aktiv wird, damit endlich humanitäre Hilfe in alle eingeschlossenen Städte und auch Stadtteile in Syrien gelangen kann. ({7}) Zum Schluss frage ich mich natürlich auch: Wenn man es denn mit der Forderung nach einem Ende des Krieges in Syrien ernst nimmt, warum liefert man dann weiter Waffen an Staaten wie die Türkei oder Saudi-Arabien, von denen man weiß, dass sie weiter Waffen liefern an islamistische Terrorbanden? ({8}) Sie von der Bundesregierung konnten bis heute in Ihren Antworten auf mehrere Anfragen von uns nicht ausschließen, dass Waffen, die an den türkischen Diktator Erdogan geliefert worden sind, in seinem Krieg gegen die Kurden benutzt werden oder an islamistische Mörderbanden in Syrien weitergereicht werden. Ich finde diese Politik wirklich unverantwortlich. ({9}) Wir brauchen dringend ein Waffenembargo für den Nahen und Mittleren Osten, und das muss eben die Türkei und Saudi-Arabien umfassen. ({10}) Wir brauchen hier auch keine Scharfmacherei in Sachen Forderung nach mehr Sanktionen, sondern wir brauchen, wie ich finde, die Bündelung aller Kräfte, um einen Waffenstillstand in Aleppo wie auch den Zugang zu humanitärer Hilfe in Syrien zu gewährleisten. Mit der Aufhebung der Wirtschaftssanktionen, nicht der Maßnahmen gegen die Person Assad und sein Umfeld - das möchte ich betonen -, könnten Sie hier direkt einen Beitrag leisten, die Lage der Bevölkerung in Syrien gerade angesichts des nahenden Winters zu verbessern. Das wäre ein Beitrag für die humanitäre Hilfe. Vielen Dank. ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Dr. Ute Finckh-Krämer für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Ute Finckh-Krämer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004273, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren oben auf den Tribünen! Frau Dağdelen, ich habe mir eben gerade noch einmal die Sanktionsliste der EU für Syrien angeschaut: Darauf stehen weder Lebensmittel noch Medikamente. ({0}) Das Einzige, was darauf steht und was nur ganz indirekt mit landwirtschaftlicher Produktion zu tun haben könnte, sind Erdöl und Erdölprodukte. Es sind auch keine Industriegüter für die Medikamentenindustrie auf der Sanktionsliste. Insofern haben Sie hier eine unsinnige Aussage gemacht, und ich finde, das ist unserer Debatte nicht angemessen. ({1}) Was ich wichtig finde, ist, dass wir uns alle gemeinsam überlegen, was von dem, was wir schon getan haben, hilfreich war bzw. nicht hilfreich war. Was zum Beispiel nur begrenzt hilfreich war, war, dass 2012 eine Gruppe von Regimegegnern als legitime Vertretung Syriens anerkannt wurde. Damit hat man sich bestimmte Verhandlungsmöglichkeiten verbaut. Hilfreich war, glaube ich, alles, was im Bereich der humanitären Hilfe gemacht wurde. Da war und ist Deutschland einer der ganz großen Geber und versucht immer, mit den Partnern zusammenzuarbeiten, die in den unterschiedlichen Regionen Syriens noch aktiv sein können. Das sind in manchen Gegenden eher NGOs. Zum Teil läuft es über Partner von medico international; es sind die Weißhelme, die, was eben noch nicht erwähnt wurde, gerade den Alternativen Nobelpreis erhalten haben - zu Recht. Wir haben mit der Parlamentargruppe „Alternativer Nobelpreis“ fraktionsübergreifend gestern Abend Preisträger und Preisträgerinnen, aber auch Vertreter eingeladen. Wir waren, glaube ich, alle von dem beeindruckt, was der Vertreter der Weißhelme uns berichtet hat. Als wir im UN-Menschenrechtsrat 2015 den Vorsitz hatten, unter Botschafter Rücker, haben wir das Thema „Sonderbeauftragter für die Menschenrechtssituation in Syrien“ auf die Tagesordnung gesetzt. Das heißt, wir haben uns im Rahmen der deutschen Außenpolitik bereits dafür eingesetzt, dass Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, dokumentiert werden. Sevim­Dağdelen Die AG Menschenrechte der SPD-Bundestagsfraktion war am 19. September in Genf beim UN-Menschenrechtsrat. Wir haben dort die Entgegennahme eines solchen Berichtes live erlebt. Insofern ist das nichts, was mit dem Ende des deutschen Vorsitzes im Menschenrechtsrat wieder in der Versenkung verschwunden ist. Das ist von anderen aufgegriffen und fortgeführt worden, und das ist auch gut so. ({2}) In der letzten Woche hat Staffan de Mistura hier in Berlin die Dag-Hammarskjöld-Medaille der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen erhalten, und er hat in einem sehr nachdenklichen Beitrag geäußert, wie komplex die Verhandlungssituation in Syrien ist, wie viel Kraft er brauchte, wie viel Unterstützung er brauchte, um da nicht einfach aufzugeben. Er hat auch deutlich gemacht, dass, egal welchen Blickwinkel man auf die Situation dort hat, das Verhandeln mit allen, die dort im Augenblick militärisch oder politisch Einfluss nehmen, die einzige Lösung ist, die den Menschen in Syrien wenigstens mittelfristig helfen kann. Er bekommt dafür Unterstützung aus dem Auswärtigen Amt, von vielen EU-Staaten, vom Auswärtigen Dienst der Europäischen Union, und das ist auch gut und richtig so. ({3}) Insofern können und müssen wir uns tatsächlich jeden Tag neu fragen, was wir noch tun können, um den Menschen in Syrien zu helfen. Wir können etwas auf der Basis dessen tun, was schon versucht wurde. Wir können etwas in Anerkenntnis dessen tun, dass manches nicht zielführend war. Wir können zusammen mit vielen Unterstützern und Verbündeten etwas tun, und wir sollten das weiter tun. Wir sollten das auch selber immer wieder positiv reflektieren. Danke schön. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Omid Nouripour hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Omid Nouripour (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003881, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aleppo fällt. Der Außenminister hat dieser Tage gesagt: Wenn Ost-Aleppo fällt, dann ist das noch nicht das Ende des Krieges in Syrien. - Er hat recht. Aber man darf nicht verschweigen, dass die militärische Lage sich danach massiv verändern würde. Das wäre eine gewaltige Verschiebung der militärischen Kräfte - hin zu viel mehr Asymmetrie, zu viel mehr Guerillakriegen. Es würde am Ende mittel- und langfristig einen Gewinner geben, und das wären die dschihadistischen Bewegungen. Das muss man auch den Russen klarmachen. Ich habe in dieser Woche auch einen der Weißhelme getroffen, einen jungen Mann, 31 Jahre alt, Arzt. Er war verzweifelt, aber unglaublich mutig, und er hat nicht nachgelassen, drei Dinge zu fordern: erstens Druck auf Russland, damit wenigstens Schulen und Krankenhäuser nicht mehr bombardiert werden; zweitens humanitäre Korridore, damit die Menschen aus den belagerten Gebieten rauskönnen; und drittens irgendeine Möglichkeit, dass humanitäre Güter wieder reinkommen. Reden wir über Druck auf Russland. Kollege Annen, ich bin ein wenig verwirrt. Sie haben völlig zu Recht gesagt, wir brauchen einen anderen Ton in der Diskussion. Wenn meine Fraktionsvorsitzende sich die bei den Bildern aus Aleppo am ehesten aufdrängende Frage stellt, ob wir nicht mehr tun können, so getan wird, als wäre das Majetätsbeleidigung in Richtung Außenminister, dann ist das genau der Ton, der in der Diskussion gerade nicht zu einer Lösung führt. ({0}) Ich will die Schulen als Beispiel nennen. Wenn wir wollen, dass Schulen nicht mehr bombardiert werden, dann sollten wir doch mit gutem Beispiel vorangehen. Es gibt eine Lucens-Erklärung, in der sich Länder verpflichten, dass ihre Armeen in Kriegen Schulen nicht mehr bombardieren und Schulen nicht mehr verwenden. Diese Bundesregierung unterschreibt diese Erklärung einfach nicht. Wollen wir Druck machen auf Russland, sollten wir das ändern. ({1}) Hilfslieferungen: 90 Prozent der Hilfslieferungen kommen in Gebiete, in denen Assad die Kontrolle hat, und 75 Prozent der Anfragen, ob sie woandershin geliefert werden können, werden erst gar nicht beantwortet. Aber reden Sie weiter über die Sanktionen, die ja angeblich schuld an allem sind. Resolution 2139 ({2}), Resolution 2165 ({3}), Resolution 2191 ({4}), Resolution 2258 ({5}) - alles Resolutionen der Vereinten Nationen, die verabschiedet worden sind mit den Stimmen Russlands im Sicherheitsrat, mit dem Ziel, dass alle, die Hilfe brauchen, Hilfe bekommen, unabhängig davon, unter welcher Kontrolle sie leben. Resolution 2254 ({6}): mit den Stimmen Russlands verabschiedet. In dieser Resolution geht es um den politischen Prozess und darum, dass keine Fassbomben mehr fliegen. Aber sie fliegen weiterhin, obwohl die Russen in vielen Teilen des Landes die Lufthoheit haben. Resolution 2118 ({7}), Vernichtung aller Chemiewaffen: mit den Stimmen Russlands verabschiedet. Wir wissen von den Vereinten Nationen, dass danach über 100 Chemiewaffenangriffe vom Assad-Regime durchgeführt worden sind. Wenn die Russen sich nicht einmal an ihre eigenen Worte erinnern, dann ist das ein großes Problem. Da wiederum, Herr Kollege Annen, muss ich sagen: Wir müssen natürlich darüber streiten, welche Druckmittel die richtigen sind. Auch bei uns gibt es darüber eine Diskussion. Aber wenn alles so perfekt ist in der Sozialdemokratie, dann stelle ich mir die Frage, ob das auch bei den Saunabesuchen des Vizekanzlers ein Thema war ({8}) und ob das auch mit den Ministerpräsidenten besprochen wird, die grundsätzlich jedes Thema nehmen, um zu erklären, warum man größere Geschäfte mit Russland machen sollte. ({9}) Russland müssen wir daran erinnern, dass dieser Wiederaufbau teuer wird. 180 Milliarden Dollar, sagt die Weltbank, beträgt der bisher entstandene Schaden. Nach dem Motto „You break it, you own it“ ist offenkundig, dass die Russen die Verantwortung dafür werden tragen müssen. Wir müssen Druckmittel finden. Aber wir sollten vielleicht auch darüber nachdenken - bei dem Thema können wir mehr tun -, ob wir nicht auch darüber reden, wie wir uns am Wiederaufbau beteiligen. Vielleicht ist das ein Weg - von dem ich nicht weiß, ob er zum Erfolg führen wird -, den wir einschlagen sollten. Korridore: Viele Menschen fliehen nicht aus den belagerten Städten, weil sie Angst haben und weil sie nicht wissen, ob mit ihnen dasselbe geschieht wie in Daraja, wo es eine ethnische Säuberung gegeben hat. Sollten wir nicht die Vereinten Nationen in die Lage versetzen, die Registrierung durchzuführen? Luftbrücke: De Mistura hat dieser Tage gesagt, dass die Airdrops keine gute Möglichkeit sind, aber die beste aller schlechten, um den Menschen zu helfen. Ein Jahr lang hat uns die Bundesregierung in allen Ausschüssen gesagt, der Landweg wäre besser. Das wissen wir. Aber die Leute sind belagert; die Konvois kommen einfach nicht durch. Und die Vereinten Nationen haben doch oft darum gebeten, dass wir ihnen helfen, dass wir unseren Beitrag leisten. Wenn alles so perfekt ist, was die Bundesregierung tut, frage ich mich: Warum ist das nicht erfolgt? Der Kollege Kiesewetter hat dieser Tage gesagt, das sei alles möglich und das solle man doch einfach machen. Da kann ich nur sagen: Reden ist einfach, damit in die Zeitung zu kommen auch. Aber wir hatten am 20. Oktober eine Abstimmung darüber im Deutschen Bundestag, und da haben Sie dagegen gestimmt. ({10}) Ich flehe Sie an: Nehmen Sie einfach unseren Antrag, schreiben Sie Ihren Namen darüber, vergessen Sie die Grünen, bringen Sie ihn selber ein, und Sie haben dann unsere Stimme. Das ist notwendig, damit endlich etwas passiert, damit endlich wieder Hilfslieferungen ins Land kommen können. ({11}) Wir müssen ins Tun kommen und dürfen uns nicht immer nur gegenseitig erklären, wie toll wir sind. Es gibt neue Dynamik, hoffentlich, durch den Brief vieler Kolleginnen und Kollegen im britischen Parlament an Theresa May. Die Franzosen wollen das Thema jetzt in den Sicherheitsrat bringen. Wir sollten das nutzen. Ich will schließen mit dem Tweet einer Siebenjährigen, Bana al-Abed, die zusammen mit ihrer Mutter, Fatima al-Abed, zurzeit aus Aleppo twittert. Ich kann jedem nur empfehlen, sich das anzuschauen; das ist herzzerreißend. Sie schreibt vor wenigen Tagen: Lasst Nahrungsmittel rein, bitte, für die Tausenden Verhungernden. Warum ist das ein Problem? Diese Frage müssen diejenigen beantworten, die die Lebensmittel nicht reinlassen - aber auch diejenigen, die nicht alles tun, was in ihrer Macht steht. ({12})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Tobias Zech für die CDU/ CSU-Fraktion.

Tobias Zech (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004450, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zeitgleich mit uns tagt der UN-Sicherheitsrat zu dem gleichen Thema. Zeitgleich passieren in Aleppo Gräueltaten. Man kann die Situation in Aleppo nur mit einem Wort beschreiben: katastrophal, und zwar nicht nur in den letzten zwei, drei Wochen, sondern seit über 50 Monaten. Seit über vier Jahren wird in Syrien massiv gekämpft, seit sechs Jahren herrscht Krieg, seit vier Jahren wird in Aleppo gekämpft, vor allem um Aleppo gekämpft. Es gibt dort seit zwei Wochen keine Nahrung mehr. Es gibt seit ein paar Tagen in Ost-Aleppo kein einziges Krankenhaus mehr. Über die hygienische Situation, glaube ich, kann sich jeder von uns selber Gedanken machen. 20 000 Menschen sind auf der Flucht. Wir haben eine doppelte Geiselhaft der Zivilisten, der Menschen in Aleppo: Zum einen werden sie vom Regime durch Fassbomben, durch Kriegsverbrechen, durch Angriffe auf Kinderheime, durch Angriffe auf Kinderkrankenhäuser, durch Angriffe auf die White Helmets in Geiselhaft genommen. Ich selber habe mit der Hilfsorganisation Feuerwehrautos nach Syrien, nach Aleppo gebracht. Diese sind mittlerweile alle zerstört. Sie waren bewusst Ziel der Luftangriffe. Zum anderen werden die Menschen in Aleppo - das muss man hier auch erwähnen - durch die islamistischen Terroristen in Geiselhaft genommen. Diese sitzen immer noch in Aleppo, sie schießen und morden. Mit Sniper-Angriffen, mit Scharfschützenangriffen, werden die Menschen gezielt an der Flucht gehindert. Besonders betroffen sind die Menschen aus Ost-Aleppo. Beides ist Mord. Beides sind Kriegsverbrechen. Keines ist besser als das andere. Für beides brauchen wir eine Lösung. Die Menschen in Aleppo haben keine Hoffnung mehr; die Menschen in Aleppo verlieren jeden Tag mehr an Raum. Wenn die Weltgemeinschaft nicht bald eine Lösung findet, wird es Aleppo nicht mehr geben. Vor allem Ost-Aleppo wird dem Boden gleichgemacht. Darüber haben wir schon mehrmals diskutiert. Das letzte Mal im Oktober. Kollege Nouripour hat es angesprochen. Wir haben es aber auch im September diskutiert. Die Situation hat sich seitdem massiv verändert; sie ist noch schlechter geworden. Da wir über Auseinandersetzungen sprechen, erlauben Sie mir, dass ich als jemand, der von der CSU ist, einmal einen Linken zitiere. Brecht hat einmal geschrieben: Denn die einen sind im Dunkeln Und die andern sind im Licht. Und man siehet die im Lichte. Die im Dunkeln sieht man nicht. So ähnlich ist es auch bei diesen kriegerischen Auseinandersetzungen. Wir schauen immer nur mit dem Spotlight darauf. Der Krieg in Syrien und alles, was in Libyen, im Jemen, aber auch in Mosul passiert, findet zeitgleich statt. Ich glaube, es wäre geboten, dass wir überall gleichzeitig hingucken und darüber sprechen. Für mich ist es wichtig, dass wir, wenn wir über die humanitäre Versorgung von Aleppo sprechen, die humanitäre Versorgung von Mosul mit der gleichen Anstrengung sicherstellen, aber hoffentlich mit mehr Erfolg. Wir fordern eine politische Lösung. Wir haben - Niels Annen hat es angesprochen - politisch schon sehr viel auf den Weg gebracht. Allerdings gehört es auch zur Wahrheit, dass wir in Genf gescheitert sind: nicht nur einmal, sondern ständig. Außerdem gehört es zur Wahrheit, dass wir nicht nur einmal, sondern mehrmals Waffenruhen vereinbart haben, die immer wieder gebrochen worden sind, und zwar von jeder Seite. Jede Seite in diesem Konflikt hat schon einmal die Waffenruhe gebrochen. Wir werden jetzt vor Fakten gestellt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Angriffe des Regimes gestoppt werden können. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Angriffe des Regimes verhindert werden können, wenn wir nicht einen kohärenten, einen inklusiven Ansatz finden können. Die Lösung heißt: mit allen Beteiligten. Dazu gehören auch die, die die Truppen in Syrien führen. Wir brauchen eine Waffenruhe. Wir brauchen einen Waffenstillstand, übrigens auch dann, wenn wir Airdrop oder eine Luftbrücke einsetzen würden. Denn bei einer Luftbrücke muss es Luftsicherheit geben. Luftsicherheit bedeutet, dass man auch bereit sein muss, Angriffe auf Hilfslieferungen abzuwehren. ({0}) Die beste Lösung ist immer noch der Weg über das Land. Das ist die einzig sinnvolle Lösung. Sie können im urbanen Gelände Airdrops nicht so einfach durchführen. Wichtig ist, dass wir an der großen Lösung festhalten sollten. Wir sollten auch den Außenminister bestärken, für die große Lösung zu kämpfen, aber nicht allein, sondern mit der Europäischen Union. Ich möchte eine EU sehen - dazu gehört die Außenbeauftragte der Europäischen Union Mogherini und auch der Kommissionspräsident Juncker -, die dieses Thema auf die Tagesordnung setzt, und zwar ganz oben. Wir sprechen hier über die Nachbarregion der Europäischen Union. Wir müssen uns auch auf die Folgen vorbereiten, die sich ergeben werden. Wir brauchen aus meiner Sicht relativ schnell einen EU-Flüchtlingskommissar, der sich nur um Angelegenheiten rund um die Flucht kümmert. Wir brauchen Unterstützung aus der kompletten Europäischen Union für die Nachbarländer Syriens, viel mehr als noch in der Vergangenheit. Deutschland ist das Paradebeispiel, mit dem Entwicklungsminister Gerd Müller an der Spitze; kein Land gibt mehr aus als wir. Wir können hier eine Sternstunde europäischer Außenpolitik für unsere Werte erleben, wenn wir jetzt zusammenstehen, wenn wir den Nachbarländern helfen, mit den Flüchtlingen, die bald ankommen werden, umzugehen. Wir müssen alles daransetzen, dass wir über den Landweg eine humanitäre Lösung für Aleppo hinbekommen - für die Menschen in dieser Region und für mehr Sicherheit in diesem Land. Das geht nur politisch. Dafür braucht man viel Kraft; dafür braucht der Außenminister viel Kraft und unsere Unterstützung. Herzlichen Dank. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Dr. Karl-Heinz Brunner hat für die SPD-Fraktion das Wort. ({0})

Dr. Karl Heinz Brunner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004256, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Mit manchen Tageszeitungen könnte man sagen: Nun ist also auch der Ostteil der Stadt in den Händen des Regimes, in den Händen Assads. Die Zeitungen sind voll mit Nachrichten darüber. Es wird kolportiert wir haben das heute in der Debatte auch schon gehört -, dass wir uns nur empören, Kriegsverbrecher anprangern, mit weit geöffneten Augen durch die Talkshows ziehen, Schuld, Verantwortung und das Warum definieren und dann angeblich die Menschen vor Ort hilflos, obdachlos, perspektivlos zurücklassen und nichts tun. Nichts von dem ist wahr; denn die Bundesrepublik Deutschland, die Außenpolitiker der Bundesrepublik und unser Außenminister Frank-Walter Steinmeier, ist ununterbrochen im Einsatz, um den schrecklichsten Bürgerkrieg, den man sich vorstellen kann, der in einer näheren Region herrscht, diplomatisch zu lösen - ein Krieg, der über 400 000 Tote gefordert hat und 11 Millionen Menschen heimatlos gemacht hat, ein Krieg, der sich, meine Kolleginnen und Kollegen, eben nicht auf Begriffe wie „Assad gegen das Volk“, „Putin für Assad“, „der Iran gegen die Sunniten“ oder „die USA und die Koalitionäre gegen Daesh“ reduzieren lässt. Mir ist persönlich ist zum Heulen, wenn ich die Hilflosigkeit der Menschen vor Ort sehe. Und ich verstehe ihre Situation, ihren Wunsch, den wir auch vor Ort verspüren: nur noch weg! - Was sollen sie auch tun, wenn sie überlebt haben? Es gibt wegen der gezielten Zerstörung von Krankenhäusern keine medizinische Versorgung. Wer Glück hat, findet noch eine der letzten existierenden Notkliniken in Kellern, in Löchern. Eine wirkliche medizinische Versorgung ist das jedoch nicht. Ärzte und andere Zivilisten, die in Ost-Aleppo geblieben sind, müssen Verhaftungen durch das Regime befürchten. Denn wie soll bei rund 1 200 unterschiedlichen Rebellengruppen noch zwischen Kämpfern und Zivilisten, zwischen guten Rebellen und Daesh, zwischen Kriminellen und anderen Menschen unterschieden werden? Die Menschen, die heute fliehen, befürchten Racheakte des Regimes; sie fürchten Folter und Tod entweder durch Assads Regime selbst oder durch den Daesh oder wen auch immer. Und wir müssen - so wie Ferdinand Lassalle es einmal sagte - das aussprechen, was ist. Und wir können nicht abwarten und zuschauen, sondern wir müssen weiterhin für eine diplomatische Lösung, so wie dies Frank-Walter Steinmeier, unser Außenminister, bereits macht, den Weg bereiten - für die Menschen zwischen den Fronten, deren Lebensmittelvorräte aufgebraucht sind, deren Wasserversorgung zusammengebrochen ist, deren Häuser und Straßen in der gesamten Stadt zerstört sind. Nicht zuletzt müssen wir das mit der Versorgung verbundene Risiko für uns und für die Menschen mit einpreisen. Es ist viel zu kurz gesprungen, sich für die vermeintlich schnelle und einfache Lösung der Versorgung über Airdrops auszusprechen und sie der Lösung der Versorgung über den Landweg gegenüberzustellen, wenn man weiß, dass die Vereinten Nationen nach umfangreicher Prüfung festgestellt haben, dass das Angriffsrisiko dabei zu hoch ist. Ich weiß: Wir, die wir hier im beheizten Reichstagsgebäude sitzen, können uns nicht vorstellen, was die Menschen dort vor Ort erleben. Ich war gestern Abend bei der von der Kollegin Finckh-Krämer erwähnten Veranstaltung zum Alternativen Nobelpreis, bei der die Vertreter der Syria Civil Defense, der sogenannten Weißhelme, von ihrer Arbeit berichtet haben. Ich gebe ganz offen zu, dass mich ein Satz nicht loslässt - es war der letzte -: Bitte unterstützt uns, bitte helft uns! Der UN-Sicherheitsrat tagt am heutigen Mittwoch zur humanitären Notlage in Aleppo. Er befasst sich damit. Es wird also nicht nichts getan. ({0}) Der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura wird die Weltgemeinschaft über die Situation in Aleppo informieren. Der französische UN-Botschafter warnt, dass das Kriegsgeschehen in der Stadt zum schlimmsten Massaker an der Zivilbevölkerung seit dem Zweiten Weltkrieg werden könnte. - Deshalb muss dieser Krieg beendet werden. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags hat heute grünes Licht gegeben, das Kriegsstrafrecht zu verschärfen. Das ist gut, das ist richtig. Der Auswärtige Ausschuss dokumentiert die Menschenrechtsverletzungen dort. Wir dürfen nämlich nicht schweigen, sondern wir müssen sie klar und deutlich benennen. ({1}) Das alles ist gut und richtig. Jedoch frage ich mich: Wie können wir unserer Verantwortung insgesamt gerecht werden? Denn es geht jetzt nicht um Recht, um Macht und um Einfluss, sondern es geht um die Menschen. Internationale Hilfslieferungen müssen von der syrischen Regierung und auch von Russland wieder zu den Menschen durchgelassen werden, und das geht nur, wenn man redet, und zwar mit jedem, auch mit denjenigen, mit denen man lieber nicht reden würde. ({2}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, man muss auch den Partner Türkei in die Verantwortung nehmen. Deshalb hier die klare Aufforderung an die Türkei: Kümmern Sie sich um den Kampf gegen den IS in Syrien! Treiben Sie den Finanziers die Gedanken aus dem Kopf, damit die völkerrechtswidrigen Luftangriffe im Norden Syriens endlich beendet werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Licht am Rednerpult leuchtet auf. Meine Zeit, die mir gegeben ist, ist zu Ende. ({3}) - Ja, nur die Redezeit. Stimmt! - Nichtsdestotrotz möchte ich einen Gedanken an die Zukunft gerichtet formulieren. Wir haben den Wiederaufbau des Landes aus den Augen verloren. Wir werden für die Wiederbesiedlung Vorbereitungen treffen. Die Frage ist: Welche Hilfe müssen wir durch unsere Peacekeeper leisten? Lasst uns darüber reden, wie wir Leib und Leben unserer Entwicklungshelfer und dann auch der Heimkehrer schützen können, und zwar in einer Region, die es wert ist, wieder mit Menschen besiedelt zu werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Interessanter Versuch, Kollege, aber Sie müssen jetzt einen Punkt setzen.

Dr. Karl Heinz Brunner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004256, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Michael Brand für die CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Michael Brand (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003742, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind in der Adventszeit. Sie alle kennen das Lied „Kling, Glöckchen, klingelingeling“. In der ersten Strophe heißt es: Lasst mich ein, ihr Kinder, ist so kalt der Winter, öffnet mir die Türen, lasst mich nicht erfrieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch in Syrien steht der Winter bevor. Die Lage wird sich dort noch weiter verschlechtern. Die Medikamente gehen aus, ebenso die Lebensmittel. Ich möchte zwei Punkte aus der Debatte aufgreifen. Es ist von der „großen Lösung“ gesprochen worden. Ja, natürlich, jeder wünscht sich die große, die schnelle Lösung, aber wenn die große Lösung nicht möglich ist, dann muss ich mich um Alternativen kümmern; denn ansonsten ist in Syrien keiner mehr da, alle sind weggebombt. Deswegen muss sich die Weltgemeinschaft natürlich die Frage nach Airdrops, die Frage nach Korridoren, die Frage nach einer Schutzzone stellen, und zwar bei all den Risiken, die das haben kann; wir haben es in Bosnien erlebt. ({0}) Wir müssen in Alternativen denken und den Mut haben, über diese konkreten Fragen zu diskutieren und zu entscheiden. Wir müssen eine Antwort auf die Frage finden, ob wir dazu bereit sind. Ich möchte einen zweiten Punkt aufgreifen. Die humanitäre Hilfe ist angesprochen worden. In der Tat: Der Deutsche Bundestag hat in der vergangenen Woche mit der Verabschiedung des Bundeshaushaltes eine wichtige Entscheidung gefällt und die Mittel für Hilfe für die Krisenregionen verdreifacht. Das ist notwendig, auch aus eigenem Interesse. Aber die Wahrheit ist, dass die humanitäre Hilfe oftmals genau dort nicht ankommt, wo sie am dringendsten gebraucht wird. Deswegen sind die Fragen, die ich eben aufgeworfen habe, Fragen, denen wir uns jetzt stellen müssen, sonst wird in Syrien niemand mehr sein, wenn vielleicht mal die große Lösung kommt. Ich möchte heute etwas Ungewöhnliches tun und meine Stimme Ahmad al-Jussuf geben. Ich muss ehrlich sagen: Es fällt mir schwer, noch Worte zu finden angesichts des Infernos in Aleppo und in Syrien. Ahmad al-Jussuf war gestern zu Gast im Deutschen Bundestag. Mit Abgeordneten aus allen Fraktionen haben wir vor wenigen Wochen erst die Parlamentariergruppe „Alternativer Nobelpreis“ gegründet. Es war gestern Abend eine Premiere hier im Hohen Haus, dass die Preisträger, wenige Tage nach der Auszeichnung in Schweden, nach Berlin gekommen sind, um wachzurütteln. Es waren Preisträger dabei wie die älteste und unabhängige Tageszeitung Cumhuriyet, die ägyptische Frauenrechtlerin Mozn Hassan, die 74-jährige russische Menschenrechtsaktivistin Swetlana Gannuschkina und eben der „Syrische Zivilschutz“, die sogenannten „Weißhelme“. Diese Gruppe von Freiwilligen hat über 70 000 Menschen aus den Trümmern in Syrien gerettet. Sie gehen dorthin, wo die Bomben fallen. Sie buddeln Verschüttete aus, löschen Brände, versorgen Verletzte. Im Internet finden Sie Aufnahmen davon, wie sie kleine Kinder und Babys aus den Trümmern befreien. Unser Freund aus Syrien hat uns gestern Folgendes gesagt: Mein Name ist Ahmad al-Jussuf. Ich bin aus Syrien, repräsentiere hier den syrischen Zivilschutz, die sogenannten Weißhelme, die einzige Organisation in Syrien zur Rettung von Zivilisten, die Opfer des täglichen Bombardements werden. Bei uns arbeiten etwa 3 000 Freiwillige in 120 Stützpunkten in acht syrischen Provinzen, die sich dafür entschieden haben, ihr Leben einzusetzen für die Rettung von Menschenleben an einem der gefährlichsten Orte der Welt, wo die Moral der Welt angesichts der Barbarei verschwunden ist und angesichts des organisierten Verbrechens, das dem syrischen Volk, aber auch der ganzen Menschheit angetan wird. Ganz ehrlich gesagt, ich bin ratlos und stehe hilflos vor Ihnen und hilflos vor meinen Angehörigen in Syrien, insbesondere in der östlichen Region von Ghuta bei Damaskus und in Aleppo. Aleppo, wo die Welt heute zusieht, wie Menschen abgeschlachtet werden, und wo die Welt zusieht, wie ganze Städte zerstört werden. Ehrlich gesagt, ich habe gezögert, bevor ich mich entschied, hierherzukommen. Ich erinnere mich an meine Kameraden, meine 150 Kameraden vom Zivilschutz, die bei ihrer Arbeit, bei ihrem Versuch, Menschenleben zu retten, selbst ums Leben kamen. Ich habe mit vielen von ihnen gesprochen, und ich habe sie zurückgelassen. Sie blicken dort dem Tod ins Auge, und ich weiß nicht, mit welcher Botschaft ich zu ihnen zurückkommen soll. Wir schätzen es sehr, dass Sie uns diesen Preis verliehen haben. Wir bedanken uns für alle Preise; denn sie sind eine Botschaft der Solidarität, die uns Hoffnung gibt. Wir bedanken uns auch für die Krankenwagen und die Feuerwehrfahrzeuge, die Sie uns schicken und die uns dabei helfen, Zivilisten zu retten, bevor sie von syrischen und russischen Flugzeugen bombardiert werden. Gleichzeitig ist es mir aber auch peinlich, solche Preise entgegenzunehmen, während unsere Angehörigen in Syrien Tag für Tag getötet werden. In diesem Moment, während ich zu Ihnen spreche, werden Zivilisten in Aleppo, in Ost-Aleppo, obdachlos gemacht. Sie fliehen aus der Katastrophe. Sie laufen durch Trümmer und suchen nach einem Schutz. Währenddessen verbluten Verwundete angesichts der Ohnmacht der Ärzte, die ihnen keine Medikamente mehr und keine Behandlung mehr zuteilwerden lassen können, nachdem syrische und russische Flugzeuge alle Krankenhäuser und Kliniken zerstört haben. Stellen Sie sich einmal vor, welch dramatische Situation das ist! Was in Syrien passiert, ist ein unbeschreiblicher und unglaublicher Schrecken, und das Unvermögen der Welt, Schritte zu unternehmen, um all das zu beenden und um das Töten zu beenden, ist ebenso unglaublich! Was sich daraus entwickeln wird, aus Tragödien, Schmerz und Hass, ist ebenso unglaublich. Wir tragen die Botschaft des Lebens an unser Volk und an die Welt. Wo sind unsere Partner? Wer wird sich bereiterklären, uns angesichts dieses Todes in Syrien beizustehen und uns auf dem Weg des Lebens zu begleiten? Stehen Sie zu uns, meine Damen und Herren! Stehen Sie uns bei! Stehen Sie der Menschlichkeit bei! ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Thorsten Frei für die CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Thorsten Frei (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004276, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Aktuellen Stunde haben zahlreiche meiner Vorredner auf das hingewiesen, was in Aleppo, was in Syrien passiert. Wir erleben einen totalen Zivilisationsbruch, den ich kein weiteres Mal beschreiben muss. Es ist auch darauf hingewiesen worden - das scheint mir wichtig zu sein, weil es nach vorne gerichtet ist -, dass das, was wir in Aleppo erleben, als Pars pro toto letztlich für das ganze Land steht. Nach UN-Angaben haben fast 1 Million Menschen in Syrien in den unterschiedlichsten Städten und Regionen unter nahezu den gleichen Bedingungen zu leben. Sie sind abgeschnitten von humanitären und medizinischen Hilfsleistungen. Sie sind deshalb genauso ins Licht zu rücken wie die Menschen im Ostteil Aleppos. Natürlich ist es richtig, zu überlegen: Was können wir tun, und was tun wir? Auch die Frage, Frau GöringEckardt: „Tun wir genug?“, ist natürlich berechtigt. Aber wir müssen aus den Antworten letztlich auch Konsequenzen ziehen. Das heißt für mich, dass wir die bescheidenen Möglichkeiten, die wir in Syrien haben, auch tatsächlich nutzen sollten. Es ist weiter an den diplomatischen Initiativen zu arbeiten. Es ist weiter daran zu arbeiten, dass humanitäre Hilfe auch ankommt. Denn wir leisten dort in der Tat genug. Deutschland war Mitinitiator der Londoner Geberkonferenz im Februar. Dort wurde mehr Geld als je zuvor eingesammelt: 10 Milliarden Euro. Deutschland allein hat mit 2,3 Milliarden Euro mehr als jeder andere gegeben. Jetzt kommt es darauf an, dass man die Hilfe auch dorthin bringt, wo man sie benötigt. Das bedeutet, neue Wege zu gehen. Das bedeutet, riskantere Wege zu gehen. Das bedeutet auch, dass, wenn die beste Lösung nicht realisierbar ist, die zweitbeste in Angriff genommen werden muss. Deswegen muss man die Vorbereitungen für mögliche Airdrops treffen. ({0}) Es bedeutet auch - mein Kollege Röttgen hat es angesprochen -, dass wir uns zumindest ernsthaft darüber Gedanken machen, ob das Verhängen von Sanktionen ein probates Mittel sein kann. Wir sollten es jedenfalls nicht pauschal ausschließen und sagen: Sanktionen und Verhandlungen gehen nicht zusammen. Denn dies ist durch die Geschichte widerlegt. Ich erinnere hier an die Ukraine. Deshalb meine ich: Wir sollten sehr wohl überlegen, ob wir mehr tun können, als wir derzeit tun. ({1}) Wir haben in dieser Debatte die vielen verschiedenen Facetten aufgedröselt. Wir haben auch Verantwortlichkeiten benannt und über Russland und seine Verantwortung gesprochen. Daher ist es, glaube ich, wichtig, darauf hinzuweisen, dass Russland und namentlich Präsident Putin hier nicht nur Kriegsverbrechen begeht, sondern letztlich angesichts seiner Politik die Verantwortung dafür zu übernehmen hat, wenn das Morden in Syrien weitergeht. Es könnte sein, dass es am Ende in eine Reihe mit den Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien zu stellen ist. Es könnte etwas entstehen, das man als das neue Somalia bezeichnen muss. Denn über Jahre oder vielleicht auch Jahrzehnte hinweg ist der Staat dort gescheitert und nicht in der Lage, Sicherheit und Wohlfahrt für seine Menschen zu gewährleisten. Das muss man klar und deutlich benennen. Genauso deutlich zu nennen ist die Verantwortlichkeit des Iran, der seine eigene Agenda verfolgt und letztlich einen Zugang für Militärbasen am Mittelmeer möchte. Der Iran betreibt dort seine eigene schiitische Politik, führt Allianzen und sorgt dafür, dass in Syrien in der Tat auch ein Stellvertreterkrieg geführt wird. Das muss man alles klar benennen; das ist vollkommen richtig. ({2}) Aber es ist ja immer so, dass Finger auf einen zurückzeigen, wenn man auf andere zeigt. Ich möchte gerne einen Schritt weitergehen, als es die Vorredner getan haben. Es ist doch in der Tat so, dass die Rolle, die wir in Syrien spielen - damit meine ich Deutschland, die Europäische Union und die Gemeinschaft der europäischen Staaten -, eine jämmerliche ist. Ich will das in dieser Deutlichkeit formulieren. Das ist jetzt nicht nur ein Verweis nach Brüssel, sondern es ist auch ein Verweis an uns selbst. Wir sitzen bei Verhandlungen über Syrien nicht einmal am Katzentisch. ({3}) Es sind Russland und die USA, die verhandeln. Wir sind es definitiv nicht. ({4}) Trotz aller Bemühungen, die es in der Vergangenheit gegeben hat, sind wir letztlich nicht in der Lage, machtvoller Spieler in diesem Bereich zu sein. ({5}) Wir müssen daraus Konsequenzen ziehen. In Europa brauchen wir eine stärkere Zusammenarbeit in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. ({6}) Auch wir Deutschen müssen unsere Hausaufgaben machen. Die USA wenden zehnmal mehr für Sicherheit und Verteidigung auf als wir. ({7}) Die 500 Millionen Menschen in den 28 Staaten Europas kommen zusammen nicht einmal auf die Hälfte der Aufwendungen der USA. Die Aufwendungen sind doppelt so hoch wie die der Russen. Trotzdem schaffen wir nicht einmal die Hälfte der Effektivität. Das ist für mich eine Lehre. Hier müssen wir etwas ändern. Es gab Ruanda, und nichts ist passiert. Es gab Srebrenica, und nichts ist passiert. Jetzt stehen wir vor Aleppo und Syrien. Wir sollten endlich aufwachen und eine Politik betreiben, die auf europäische Zusammenarbeit setzt! Wir sollten unsere Hausaufgaben machen! Das ist, glaube ich, die Botschaft, die mit diesem Thema für uns verbunden ist. Vielen Dank. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Ich danke Ihnen allen für diese Debatte. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 1. Dezember 2016, 10 Uhr, ein. Ich wünsche Ihnen bis dahin alles Gute. In diese guten Wünsche beziehe ich auch all diejenigen ein, die unserer Debatte heute Nachmittag gefolgt sind, einschließlich der 30 jungen Damen aus Rheinhessen, die mir besonders ans Herz gelegt wurden. ({0}) Die Sitzung ist geschlossen.