Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet .
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie herzlich zu unserer Haushaltswoche und rufe
gleich ohne weitere Ankündigungen die Tagesordnungs-
punkte I a und b auf:
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2017 ({0})
Drucksachen 18/9200, 18/9202
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses ({1}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2016 bis 2020
Drucksachen 18/9201, 18/9202, 18/9827
Wir kommen zur Beratung der Einzelpläne, und zwar
zunächst der drei Einzelpläne, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I .1 auf:
Einzelplan 01
Bundespräsident und Bundespräsidialamt
Drucksachen 18/9824, 18/9825
Berichterstatter sind die Abgeordneten Kerstin
Radomski, Steffen-Claudio Lemme, Dr . Dietmar Bartsch
und Ekin Deligöz .
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 01
in der Ausschussfassung, und ich frage, wer dem zustimmen möchte . - Wer stimmt dagegen? - Möchte sich jemand der Stimme enthalten? - Dann ist der Einzelplan 01
mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I .2 auf:
Einzelplan 02
Deutscher Bundestag
Drucksachen 18/9802, 18/9824
Hier sind Berichterstatter die Abgeordneten Johannes
Kahrs, Bernhard Schulte-Drüggelte, Roland Claus und
Anja Hajduk .
Wir stimmen über die Empfehlungen des Haushaltsausschusses ab . Dazu gibt es eine Wortmeldung der Kollegin Hajduk . - Bitte schön .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion hat im Haushaltsausschuss den Einzelplan des Deutschen Bundestages abgelehnt vor dem
Hintergrund der Finanzierung des Deutschen Instituts für
Menschenrechte .
Das Deutsche Institut für Menschenrechte ist seit diesem Jahr angebunden an den Einzelplan 02 . Wir haben
also für die Finanzierung dieser Aufgabe aus diesem
Einzelplan heraus Sorge zu tragen . Das Institut selber ist
schon 2001 gegründet worden, arbeitet mit zehn Stellen,
sodass gerade einmal sechs wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Prüfung der Einhaltung
der Menschenrechte abgestellt werden können .
Wir reden hier nicht nur über ein sehr wichtiges Institut - was das Thema Menschenrechte angeht, brauche
ich, glaube ich, nicht zu erklären, in was für einem politischen Umfeld wir uns gerade bewegen -, sondern wir
reden hier über den Einzelplan 02 mit einem Volumen
von rund 870 Millionen Euro . Das Deutsche Institut für
Menschenrechte braucht davon rund 2,6 Millionen Euro,
also 0,3 Prozent .
Es ist gute Tradition, dass wir uns beim Haushalt des
Deutschen Bundestages alle untereinander verständigen
und einigen, wie wir mit den Bedarfen umgehen . Vor dem
Hintergrund, dass das Institut für Menschenrechte seit
15 Jahren wichtige Arbeit leistet, aber sehr bescheiden
ausgestattet ist, haben wir sehr intensiv darüber diskutiert,
ob wir hier nicht eine Stellenerhöhung vornehmen können . Als Kompromiss lag auf dem Tisch: 186 000 Euro
für zwei Stellen zusätzlich . Das sind 0,02 Prozent dieses
Etats . - Darauf haben sich die großen Fraktionen nicht
eingelassen. Ich finde, das ist ein Skandal,
({0})
insbesondere wenn man weiß, wie bedroht die Menschenrechte sind und dass Deutschland es sich leistet im europäischen Vergleich -, nach Griechenland das
kleinste Menschenrechtsinstitut zu haben . Ich muss namentlich die CDU auffordern: Wir erwarten von Ihnen,
dass Sie das zukünftig ändern
({1})
und diese Kleinlichkeit, diese Peinlichkeit dem Haushalt
des Deutschen Bundestages ersparen .
Wir in der grünen Bundestagsfraktion haben uns entschieden, trotz dieser grundsätzlichen Kontroverse, in
der es darum geht, für die Arbeit für die Menschenrechte
mehr Geld bereitzustellen - ich finde es traurig, dass es
darüber überhaupt eine Kontroverse gibt -, hier im Plenum dem Haushalt des Verfassungsorgans Bundestag die
Zustimmung nicht zu verweigern .
Danke schön .
({2})
Da diese Frage nicht nur im Haushaltsausschuss, son-
dern auch im Ältestenrat aus guten Gründen eine erheb-
liche Rolle gespielt hat, will ich mich ausdrücklich dafür
bedanken, dass Sie der Anregung, den Unterschied deut-
lich zu machen und gleichzeitig keinen Zweifel daran
bestehen zu lassen, dass der Etat des Deutschen Bundes-
tages unter allen Fraktionen unstreitig ist, folgen .
Wir stimmen jetzt über den Einzelplan 02 in der Aus-
schussfassung ab . Wer stimmt dafür? - Wer stimmt da-
gegen? - Wer enthält sich? - Damit ist auch dieser Ein-
zelplan mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I .3 auf:
Einzelplan 03
Bundesrat
Drucksachen 18/9824, 18/9825
Berichterstatter sind die Abgeordneten Ulrich Freese,
Kerstin Radomski, Heidrun Bluhm und Tobias Lindner .
Wir stimmen über diesen Einzelplan in der Ausschuss-
fassung ab . Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? -
Wer enthält sich? - Auch dieser Einzelplan ist einstim-
mig angenommen .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I .4 auf:
a) Einzelplan 08
Bundesministerium der Finanzen
Drucksachen 18/9808, 18/9824
b) Einzelplan 20
Bundesrechnungshof
Drucksachen 18/9824, 18/9825
Berichterstatter zum Einzelplan 08 sind die Abgeordneten André Berghegger, Hans-Ulrich Krüger, Gesine
Lötzsch und Tobias Lindner .
Berichterstatter zum Einzelplan 20 sind die Abgeordneten Michael Leutert, Carsten Körber, Bettina Hagedorn
und Tobias Lindner .
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache zu diesen Einzelplänen 96 Minuten vorgesehen . - Dazu gibt es offensichtlich Einvernehmen .
Also können wir so verfahren .
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der
Kollegin Gesine Lötzsch .
({0})
Vielen Dank . - Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Sicher wird in dieser Debatte wieder viel über die schwarze Null gesprochen werden . Ich
will Ihnen in aller Deutlichkeit sagen, was mich an dieser Diskussion am meisten stört: Es wird bewusst davon
abgelenkt, wie ungerecht unser Steuersystem ist - die
Reichen werden verschont, und die Mittelschicht muss
löhnen . - Das muss ein Ende haben, meine Damen und
Herren .
({0})
Wir Linke haben gute Vorschläge in die Haushaltsberatungen eingebracht . Unser Ziel ist es, unser Land gerechter und sicherer zu machen . Nur ein Beispiel - wir
haben uns dabei an der Forderung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes orientiert -: Wir wollen das Kindergeld
deutlich erhöhen . Das wäre ein Anfang im Kampf gegen
steigende Kinderarmut . Aber Sie haben den Antrag abgelehnt . Sie haben kein Herz für Kinder . Das ist ein Armutszeugnis für diese Koalition .
({1})
Alle unsere Vorschläge sind finanzierbar. Wir müssen
nur endlich in diesem Land ein gerechtes Steuersystem
haben, und die Vermögenden müssen endlich ihren Beitrag im Kampf gegen die Armut leisten . Das ist die zentrale Frage . Dafür kämpfen wir Linke: für Gerechtigkeit
und Solidarität .
({2})
Es gibt ja noch einige Kollegen, die sich über die Wahlerfolge der AfD wundern . Aber schauen Sie sich doch
einmal die Vermögensverteilung in unserem Land genau
an . Gab es im Jahr 2002 34 deutsche Milliardäre, waren
es 2012 schon 55 . 1 Prozent der Vermögenden besitzt ein
Drittel des Gesamtvermögens . Das ist das Ergebnis einer
falschen Steuerpolitik . Das können wir nicht länger hinnehmen, meine Damen und Herren .
({3})
Selbst die Bertelsmann-Stiftung stellt in einer aktuellen Studie fest, dass die Zahl der Menschen, die von ihrer
Arbeit nicht leben können, in unserem Land dramatisch
angestiegen ist . Der Chef der Stiftung kommentiert:
Ein steigender Anteil von Menschen, die . . . nicht
von ihrer Arbeit leben können, untergräbt die Legitimität unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung .
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen ganz deutlich:
Die AfD ist ein Kind der Politik der Großen Koalition .
({4})
Mit dieser Politik haben Sie die AfD stark gemacht .
({5})
Wir müssen in unserem Land endlich umsteuern .
({6})
Die Stimmen in den USA waren noch gar nicht ausgezählt, da forderte die Verteidigungsministerin schon
wieder mehr Geld für die Bundeswehr . Ich glaube, Frau
von der Leyen, wäre die US-Wahl anders ausgegangen,
hätten Sie wohl den gleichen Sprechzettel vorgetragen .
Obwohl das Verteidigungsministerium in den nächsten
Jahren 130 Milliarden Euro für Kriegsgeräte ausgeben
will, kam in der Bereinigungssitzung noch eine Nachforderung von 1,5 Milliarden Euro auf den Tisch . Es handelte sich um fünf Korvetten . Angeblich würde die NATO
fünf Korvetten von Deutschland fordern, und dieser Forderung müsse man entsprechen . Nur: Die Bundesrepublik besitzt bereits fünf dieser Korvetten . Das Problem
ist: Von den fünf ist in der Regel nur eine einsatzfähig .
Die Bundeswehr braucht also zehn Korvetten, damit
zwei halbwegs funktionieren . Meine Damen und Herren,
das ist doch Misswirtschaft, und Misswirtschaft wollen
wir nicht finanzieren.
({7})
Ich stelle auch die Frage: Warum sagt Frau von der
Leyen nicht ehrlich, dass sie fünf neue Schiffe haben
will? Warum versteckt sie sich hinter der NATO? Oder
vielleicht ist es gar nicht die NATO, die das will . Vielleicht vertritt sie wieder einmal die Interessen der Rüstungslobbyisten . Ich bin der Meinung, wenn wir aus der
Atomindustrie aussteigen können, dann können wir auch
aus der Rüstungsindustrie aussteigen .
({8})
Meine Damen und Herren, viele Menschen in unserem Land haben Angst vor Altersarmut, vor steigenden
Mieten, vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes und vor
steigenden Gesundheits- und Pflegekosten. Ich sage ganz
deutlich: Das sind reale Ängste und keine eingebildeten .
Die Linke will den Menschen diese Ängste nehmen, indem wir nicht nur darüber reden, sondern wirklich in Solidarität investieren, nämlich in eine solidarische Rente
und in ein solidarisches Gesundheitssystem . Wir brauchen endlich eine Rentenversicherung, in die alle einzahlen und in die die Menschen aufgrund von guten Löhnen
einzahlen können, damit sie eine Rente bekommen, von
der sie im Alter leben können .
({9})
Noch einmal zur schwarzen Null . Der Bundesrechnungshof spricht in seinem jüngsten Bericht von „anstrengungsloser Verbesserung“ der Bundesfinanzen aufgrund fallender Zinslasten . Ich glaube, Herr Schäuble,
das ist doch wirklich ein harter Schlag für Sie . Sie haben
die schwarze Null ja als Krönung Ihrer Karriere angesehen . Nun schreibt Ihnen der Bundesrechnungshof, der
wahrlich nicht von der Linken geleitet wird, dass das alles anstrengungslos erreicht worden sein soll .
Ja, muss ich Ihnen sagen, der Bundesrechnungshof
hat recht: Niedrige Zinsen, niedriger Wechselkurs und
billiges Öl wären großartige Voraussetzungen für einen
Finanzminister gewesen, endlich eine Gerechtigkeitsoffensive zu starten . Seit 2008 haben wir wegen sinkender
Zinsen rund 100 Milliarden Euro Zinszahlungen eingespart . Ich frage mich, warum der Finanzminister aus
diesen guten Rahmenbedingungen nichts Vernünftiges
gemacht hat . Im Gegenteil: Er kritisiert die EU-Kommission für Investitionspläne . Dabei müssten Sie, Herr
Schäuble, doch endlich einsehen, dass die Kürzungspolitik Europa in eine schwere Krise getrieben hat . Sie
müssen sich doch nur die Arbeitslosenzahlen in Europa
anschauen . Sogar in Italien sind 30 Prozent der Jugendlichen ohne Ausbildung und ohne Arbeit . Die Kürzungspolitik raubt der europäischen Jugend ihre Zukunft . Meine
Damen und Herren, wir müssen diese Politik spätestens
im Herbst 2017 beenden .
({10})
Die Linke steht für Solidarität, soziale Sicherheit und Zukunft . Und dafür streiten wir .
Vielen Dank .
({11})
Eckhardt Rehberg ist der nächste Redner für die CDU/
CSU-Fraktion .
({0})
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Lötzsch, wenn Sie die Politik der
Großen Koaliton als Ursache des Erfolges der AfD sehen, dann müssen Sie mir einmal erklären, warum die
Linke am 4 . September in Mecklenburg-Vorpommern
bei der Landtagswahl die größten Verluste gehabt hat .
({0})
- Sie haben 5 Prozent verloren und in Mecklenburg-Vorpommern die größten Verluste erlitten . Deswegen würde
ich mir erst einmal an die eigene Nase fassen, bevor ich
Schuldzuweisungen an andere vornehme .
({1})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die schwarze Null
ist Generationengerechtigkeit . Das ist Basis für eine gute
Politik . Wir sind 2010 mit 86 Milliarden Euro Schuldenneuaufnahme gestartet . 2014 hatten wir zum ersten Mal
im Ist einen ausgeglichenen Haushalt . Und jetzt haben
wir den dritten Haushalt in Folge, bei dem wir keine neuen Schulden aufnehmen .
Diese Politik hat dazu geführt, dass wir ohne neue
Schulden mit 36 Milliarden Euro bzw . 11 Prozent die
höchste Investitionsquote der letzten 15 Jahre haben . Sie
hat dazu geführt, dass wir die Herausforderungen beim
Thema „Flüchtlinge und Fluchtursachenbekämpfung“
ohne neue Schulden bewältigen können . Diese Politik
hat auch dazu geführt, dass wir mit 52 Prozent seit Generationen bzw . Jahrzehnten die höchste Sozialquote im
Bundeshaushalt haben . Deswegen ist die schwarze Null
kein Selbstzweck an sich, sondern sie ist Basis für solide
Politik sowie für Generationengerechtigkeit .
({2})
Wir senden zwei Signale . Einmal haben wir in der
Bereinigungssitzung vereinbart, dass der über 2,5 Milliarden Euro hinausgehende Betrag des Bundesbankgewinnes wieder zur Tilgung eingesetzt wird . Wir gehen
Stück für Stück auf einen Schuldenstand von 60 Prozent
zu . Aktuell sind wir bei 63,5 Prozent .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen keine Belehrung der EU-Kommission . Deutschland zeigt,
dass man mit stabiler Haushaltspolitik die soziale Balance halten und auch investieren kann . Deswegen ist es
grundsätzlich falsch, wenn die EU-Kommission meint,
dass man über Schulden Investitionen bzw . Haushalte
finanzieren könne. Wohin das geführt hat, haben wir in
der Euro-Krise zu Beginn dieses Jahrzehnts deutlich gesehen . Deswegen ist der deutsche Weg der richtige und
der, den die EU-Kommission vorschlägt, der falsche .
({3})
Wir haben doch gar nicht mehr das Problem, dass nicht
genug Geld für Investitionen bereitsteht . Wir haben doch
eher das Problem, dass wir in vielen Bereichen das Geld,
das für Investitionen bereitsteht, gar nicht mehr umgesetzt bekommen, weil unser Planungs- und Baurecht viel
zu kompliziert ist, weil unsere Standards zu hoch sind .
Bei den Kommunen fehlen Planungskapazitäten . Von
den 3,5 Milliarden Euro an Kommunalinvestitionen sind
gerade einmal 50 Millionen Euro abgeflossen und gerade
einmal 1,8 Milliarden Euro gebunden .
Wir mussten dieses Programm um zwei Jahre nach
hinten schieben . Bei den Kitainvestitionen gab es eine
Verlängerung um ein Jahr . Wir haben, obwohl im Verkehrshaushalt genug Geld vorhanden ist, Mühe, das
Geld bei den Straßen, der Schiene und den Wasserstraßen umzusetzen . Mittlerweile sind wir so weit, dass jedes Straßenneubauprojekt, das baurechtlich genehmigt
ist, ausfinanziert werden kann. Hierzu kann ich nur sagen: 36 Milliarden Euro und eine Investitionsquote von
11 Prozent sprechen eine deutliche Sprache . Der Bildungs- und Forschungsetat ist verdoppelt worden . Deswegen kann ich nur sagen: Die schwarze Null ist auch
Basis für Zukunftsinvestitionen, liebe Kolleginnen und
Kollegen .
({4})
Zur Zukunft gehört für mich - im Gegensatz zu Ihnen
von den Linken - auch das Thema Sicherheit . Wir verstärken die Finanzmittel bzw . die Personalstellen im Bereich der inneren Sicherheit massiv . Es gibt bei der Bundespolizei in den nächsten Jahren einen Aufwuchs um
über 7 000 Stellen . Ich erwarte ganz einfach, dass innere
Sicherheit auch bei den Ländern - bei allen 16 Bundesländern - wieder Priorität bekommt . Es reicht nicht aus,
dass der Bund die Bundespolizei um über 7 000 Stellen
aufwachsen lässt . Nein, auch die Länder müssen ihre Defizite beheben. Die innere Sicherheit muss eine gesamtstaatliche Aufgabe sein .
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht wegen der
Wahl in Amerika, sondern schon weit vorher haben diese
Koalition und diese Bundesregierung entschieden, den
Verteidigungshaushalt massiv aufwachsen zu lassen . Auf
uns werden weitere Anforderungen zukommen, und diesen werden wir gerecht . Wir werden in den nächsten Jahren 20 Milliarden Euro mehr für Verteidigung ausgeben,
damit Deutschland seinen Aufgaben in Europa und in der
Welt nachkommen kann .
Wir haben heute Morgen beschlossen, dass in den
nächsten drei Jahren über 17 Milliarden Euro zur Bewältigung der Flüchtlingskosten an die Länder und
Kommunen fließen. Was ich hier schon für ein Stück
aus dem politischen Tollhaus halte, ist das, was der
nordrhein-westfälische Finanzminister, Herr Walter-Borjans, in der letzten Woche in Nordrhein-Westfalen getan hat . Er hat die 434 Millionen Euro, den Anteil
Nordrhein-Westfalens an der Integrationspauschale in
Höhe von 2 Milliarden Euro, als verbesserte Steuereinnahmen deklariert. Ich kann dem Landesfinanzminister
von Nordrhein-Westfalen, Herrn Walter-Borjans, nur ins
Stammbuch schreiben: Dieses Geld ist dazu da, damit die
Kommunen nicht auf ihren Kosten sitzen bleiben, und
nicht zur Sanierung des Landeshaushaltes .
({6})
Deswegen ist es umso wichtiger, dass die Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern über die sogenannte
B-Liste zum Bund-Länder-Finanzausgleich erfüllt werden . Ich denke hier an die Änderung der Artikel 104b und
114 des Grundgesetzes . Der Bund muss wieder mitbestimmen, was mit dem Geld des Bundes gemacht wird,
und der Bundesrechnungshof muss nicht nur im Einvernehmen mit den Landesrechnungshöfen, sondern im Benehmen wieder prüfen dürfen .
Ich halte das für wesentliche Punkte, wenn ich alleine
daran denke, dass wir heute Morgen beschlossen haben,
in den nächsten drei Jahren über 17 Milliarden Euro als
Entlastung in Richtung Länder und Kommunen „rüberzuschieben“ .
({7})
- Ja, man kann „rüberzuschieben“ sagen, lieber Volker
Kauder .
Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, dass jeder
fünfte Euro aus dem Bundeshaushalt - 71 Milliarden
Euro - im kommenden Jahr Finanzleistungen bzw . Finanzhilfen für Länder und Kommunen sind, und zwar
für Dinge, für die der Bund eigentlich nicht zuständig
ist . Das heißt, mit jedem fünften Euro entlasten wir die
kommunalen und die Länderhaushalte . Das hat es in der
Geschichte der Bundesrepublik in dieser Art und Weise
noch nicht gegeben .
({8})
Die gute finanzielle Situation hat sicher etwas mit den
niedrigen Zinsen zu tun . Sie hat aber auch etwas mit der
guten wirtschaftlichen Entwicklung zu tun . Die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen wachsen .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir leben in einer
unsicheren Zeit: die Wahl in den USA, der Brexit, die
Möglichkeit eines Zinsanstiegs . Die Sozialquote in unserem Bundeshaushalt beträgt 52 Prozent, Frau Kollegin
Lötzsch . Das heißt, mehr als jeder zweite Euro wird für
Soziales ausgegeben . Deswegen sollten und müssen wir
schon ein Stückchen darauf achten, dass wir uns in diesem Bereich nicht überheben .
Ich möchte gerne zusammenfassen: Dieser Haushalt es ist der letzte Haushalt der Großen Koalition in dieser
Legislaturperiode - ist erstens generationengerecht und
zweitens zukunftsfest . Er gibt die richtigen Antworten
zur Bekämpfung der Fluchtursachen . Der Haushalt ist
sozial ausgewogen und länder- und kommunalfreundlich .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Grundstein dafür, dass wir keine Schulden machen, wurde in der letzten Legislaturperiode gelegt . In dieser Legislaturperiode
haben wir hier das Fundament verfestigt und verbreitert .
Deswegen kann ich als haushaltspolitischer Sprecher für
die Union sagen: Die Haushalte der letzten Jahre tragen
unsere Handschrift .
Herzlichen Dank .
({9})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der
Kollege Kindler das Wort .
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Eckhardt Rehberg hat gerade gesagt: „Es ist
der letzte Haushalt der Großen Koalition“ .
({0})
Ich kann nur sagen: zum Glück . Es ist gut so, dass dies
der letzte Haushalt der Großen Koalition ist .
({1})
Wir sehen: Die finanzielle Lage sieht kurzfristig günstig aus: sehr niedrige Zinsen, gute Steuereinnahmen, robuster Arbeitsmarkt . Es sind also alle Möglichkeiten und
alle Chancen da, um wirklich etwas zu gestalten . Gleichzeitig sehen wir: Unsere Gesellschaft steht vor großen
Aufgaben . Der soziale Zusammenhalt ist gefährdet . Die
Klimakrise verschärft sich . In unserem Land gibt es einen riesigen Investitionsstau. Für diese Probleme finden
sich in diesem Haushalt sehr wenige Lösungen . Das ist
leider nur ein Verwalten des Status quo . Das ist deutlich
zu wenig . Angesichts der großen Aufgaben und angesichts der Möglichkeiten ist das leider ein Haushalt der
verpassten Chancen .
({2})
Zum Investitionsstau . 2012 wurden nominal 36 Milliarden Euro investiert, auch 2017 sollen 36 Milliarden
Euro investiert werden - keine Steigerung, obwohl die
Situation deutlich besser geworden ist . Im Finanzplan
sinkt die Investitionsquote bis 2020 wieder ab . Das ist
keine Antwort auf die maroden Schulen in diesem Land,
keine Antwort auf langsames Internet, keine Antwort auf
den großen Bedarf an bezahlbaren Wohnungen . Das Investitionsdefizit bleibt im Haushalt bestehen. Ich finde,
das geht nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen .
({3})
Woran liegt das? Das liegt auch daran, dass es keine
sinnvolle Investitionsstrategie vom Bundesfinanzminister, von Ihnen, Herr Schäuble, gibt . Sie haben sich lange dagegen gesträubt - Sie sträuben sich sogar immer
noch -, einzusehen, dass es ein Investitionsdefizit in
Deutschland und in Europa gibt. Ich finde, wir sollten uns
freuen, wenn die Europäische Kommission vorschlägt,
die öffentlichen Ausgaben für Investitionen zu erhöhen .
Dagegen darf man keine Brandbriefe schreiben, Herr
Schäuble . Das muss man begrüßen und unterstützen .
({4})
Angesichts des mangelnden Zusammenhalts in Europa, angesichts der großen Jugendarbeitslosigkeit, angesichts des großen Investitionsbedarfs in Europa kann
man doch nicht stur auf einer harten Austeritätspolitik
beharren - gegen große Teile Europas, gegen den IWF .
Ich finde, gerade in diesen schwierigen Zeiten muss man
zusammenhalten und darf nicht spalten . Jetzt muss man
in Europa mutig nach vorne gehen . Jetzt muss man mutig
in unsere gemeinsame europäische Zukunft investieren .
Das wäre jetzt angesagt .
({5})
Stichwort „Zusammenhalt“ . Wo ist denn Ihr Konzept
gegen Altersarmut? Wo ist Ihr Konzept gegen Kinderarmut? Wo sind die Konzepte für den Bildungsaufbruch
bei Krippen, bei Ausbildung? Wo sind die neuen Ideen
für bezahlbaren Wohnraum? Der soziale Wohnungsbau
bleibt in diesem Etat weiterhin unterfinanziert. Wohnen das wissen wir doch alle - wird immer mehr zu der sozialen Frage in unseren Städten .
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben am Sonntag bei Anne
Will vom Zusammenhalt geredet . Als einen Punkt gegen
mangelnden Wohnraum haben Sie von mehr Wohneigentum, zum Beispiel in München, gesprochen . Da frage ich
mich ernsthaft: Wo leben Sie eigentlich? Das ist doch in
diesem Bereich fernab von jeglicher Realität . Schauen
wir uns an, worum es geht . Es geht um bezahlbare Mieten in unseren Innenstädten . Das wollen die Menschen .
Wir wollen keine neue Eigenheimzulage, sondern wir
brauchen bezahlbare Mieten für Wohnungen in unseren
Innenstädten .
({6})
Zur Gerechtigkeit, Herr Kauder, gehört eben auch,
dass Besitzer großer Vermögen wieder ihren Beitrag leisten . In keinem Land der Euro-Zone ist die Ungleichheit
bei Vermögen so groß wie in Deutschland . Das liegt auch
daran, dass im OECD-Vergleich hier Vermögen sehr gering besteuert werden . Wir Grüne wollen, dass man Brücken baut, um die soziale Spaltung zu überwinden . Wir
sagen: Wer stärkere Schultern hat, der kann einen größeren Beitrag leisten . Besitzer großer Vermögen können
helfen, die soziale Spaltung zu überwinden . Das wäre
gerecht . Wir brauchen jetzt Maßnahmen gegen die Ungleichheit in diesem Land . Das ist jetzt angesagt .
({7})
Wir reden über den Haushalt und die Haushaltspolitik der Großen Koalition . Da muss man Entscheidungen
treffen und Prioritäten setzen . Ein Blick auf die Prioritäten der Bereinigungsnacht lässt sehr klar den Kurs der
Großen Koalition erkennen . Man sieht, dass der Verteidigungs- und Rüstungsetat extrem aufgebläht ist . Als wenn
das nicht schlimm genug wäre, haben die Wahlkreisabgeordneten von CDU und SPD aus Hamburg und Rostock
sich fünf neue Korvetten für ihre Wahlkreise genehmigt:
für 1,5 Milliarden Euro .
({8})
- Ich finde es unglaublich, dass Sie lachen und sich dafür
feiern. Ich finde es unverschämt, wie Sie mit dem Haushalt umgehen .
({9})
Denn gleichzeitig - das haben Sie auch gemacht - haben Sie die Mittel für die Arbeitsmarktintegration von
Geflüchteten und Langzeitarbeitslosen um 300 Millionen Euro gesenkt, obwohl jeder weiß, dass die Jobcenter strukturell unterfinanziert sind. Für Rüstung sitzt das
Geld bei SPD, CDU und CSU extrem locker; wenn es um
die Jobcenter geht, dann wird geknausert: Das ist, finde
ich, eine völlig falsche Entscheidung .
({10})
Wir sehen auch beim Klimaschutz falsche Prioritäten
und falsche Entscheidungen - obwohl bekannt ist, dass
auch die Klimakrise Auswirkungen auf diesen Haushalt
hat . Die Klimakrise ist mittelbar ein Haushaltsrisiko . Angesichts dessen müssen wir doch gerade jetzt investieren .
Jetzt müssen wir in Klimaschutz, in Gebäudesanierung,
in eine ökologische bäuerliche Landwirtschaft, in Busse
und Bahnen, in den öffentlichen Nahverkehr investieren .
Wenn wir jetzt investieren, zahlen wir nicht später doppelt und dreifach für Klimaschäden . Deswegen wäre es
jetzt angesagt, in diesem Haushalt deutlich in den Klimaschutz zu investieren . Das wäre jetzt nötig .
({11})
Doch was passiert stattdessen? Die umwelt- und klimaschädlichen Subventionen liegen immer noch bei
über 50 Milliarden Euro . Sie sind in Ihrer Amtszeit um
10 Milliarden Euro gestiegen, Frau Merkel . In der Bereinigungsnacht sind weitere 200 Millionen Euro für die
Flugindustrie dazugekommen .
({12})
Auf der anderen Seite sehen wir: Der Klimaschutzplan
von Frau Hendricks wurde zerschreddert; er wurde von
Herrn Dobrindt, vom Landwirtschaftsminister und auch
von Herrn Gabriel massiv zerlöchert. Ich finde es, ehrlich
gesagt, angesichts der riesigen Klimakrise, die wir haben, und der großen internationalen Verantwortung, die
Deutschland hat, ignorant und verantwortungslos, was
die Bundesregierung beim Klimaschutz macht .
({13})
Noch ein Wort zur Autobahnprivatisierung: Niemand,
Herr Schäuble, braucht eine Allianz-Autobahn oder eine
Deutsche-Bank-Brücke . Diese direkte Privatisierung der
Autobahn müssen wir im Deutschen Bundestag verhindern .
({14})
Das will anscheinend auch die SPD; das habe ich
jedenfalls gelesen . Aber es ist ein schönes Schauspiel,
was Sie da aufführen . Sie wissen doch selbst: Der Teufel
steckt im Detail . Der eigentliche Plan ist doch, dass diese
Gesellschaft nachher für weite Teile des Autobahnnetzes
große Netz-ÖPPs bereitstellt, obwohl wir wissen, dass
öffentlich-private Partnerschaften im Straßenbau laut
Bundesrechnungshof im Schnitt 20 Prozent teurer sind .
Deswegen, liebe SPD: Wenn Sie es im Kampf gegen
die Privatisierung wirklich ernst meinen, dann dürfen Sie
nicht nur gegen die direkte Beteiligung der Investoren
sein, sondern dann müssen Sie auch gegen öffentlich-private Partnerschaften bei dieser Gesellschaft eintreten .
Das erwarte ich von Ihnen .
({15})
Ich hoffe nicht, dass die Deutsche Bank, Ergo oder
die Allianz schon Treffen mit SPD-Politikern über die
SPD-Agentur gebucht haben, wie gerade in Frontal 21
berichtet wurde . Offenbar kann man inzwischen Treffen
mit der SPD-Spitze buchen . Das können Sie alle nachlesen . Ich hoffe nicht, dass diese Unternehmen schon Treffen gebucht haben, um das einzutüten .
({16})
Herr Kahrs ist der nächste Redner . Vielleicht können
Sie sagen, wie viel ein Treffen mit Ihnen kostet, wenn
man Sie buchen will .
({17})
Ich komme zum Schluss . Was bleibt eigentlich von
vier Jahren schwarz-roter Haushaltspolitik? Was bleibt
mehr übrig als eine Zahl? Sie wissen selber: Es bleibt
nicht viel übrig . Man kann Haushaltspolitik nicht auf
eine Zahl beschränken . Es kann nicht das Ziel einer guten Finanzpolitik sein, nur auf eine Zahl zu schauen . Man
muss mehr machen . Man muss diese Zahl mit Leben füllen, und man muss den Haushalt mit Leben füllen . Weil
Sie das nicht gemacht haben, gibt es - das wissen Sie
selber - viele Verliererinnen und Verlierer: arme Kinder,
arme Rentner, Klima und Umwelt .
Herr Kollege Kindler .
Herr Präsident, ich könnte noch ganz viele andere Beispiele aufführen,
Ich habe keinen Zweifel daran .
- aber ich komme zum Schluss . - Es ist und bleibt ein
Haushalt der verpassten Chancen, und es ist gut, dass es
der letzte Haushalt der Großen Koalition ist .
Vielen Dank .
({0})
Nun hat der Kollege Johannes Kahrs genauso wenig
Zeit, eine etwas andere Perspektive des Haushaltes vorzustellen .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich habe dem Kollegen Rehberg gelauscht .
Wir hatten eigentlich vereinbart, dass wir uns mit Wahlkampf etwas zurückhalten; denn keiner braucht ein Jahr
Wahlkampf .
({0})
Aber ich bin gerne bereit, die zwei, drei Spitzen, die ich
abbekommen habe, zurückzugeben . Ich denke noch darüber nach, wie ich das vernünftig hinbekomme .
({1})
Ich werde meine normale, mir selbst auferlegte Zurückhaltung in den Griff bekommen .
({2})
Im Kern sprechen wir Sozialdemokraten nicht von der
schwarzen Null . Davon sitzen zu viele im Parlament; das
ist meine erste Spitze .
({3})
- Ich bemühe mich, das Niveau hier zu halten .
({4})
Ansonsten reden wir davon, dass wir keine neuen Schulden machen .
In der Sache sind wir uns aber einig . Wir werden keine neuen Schulden machen, und wir haben auch keine
neuen Schulden gemacht . Zum Vergleich muss man
sich einmal die letzte Legislaturperiode anschauen . Herr
Schäuble hat in vier Jahren noch 106 Milliarden Euro
neue Schulden gemacht . Das heißt, es braucht die SPD,
damit es keine neuen Schulden gibt;
({5})
auch da sind wir uns sicherlich einig . Das heißt, SchwarzGelb kostet .
({6})
- Sie wissen doch, wie sich Getretene verhalten .
Wir Sozialdemokraten sagen aber, dass schuldenfreie
Haushalte kein Selbstzweck sind . Vielmehr ist es wichtig, dass man auch investiert in Bildung, Infrastruktur und
zugunsten der Kommunen . Wir haben das hier getan . Wir
haben ein zusätzliches Zukunftsinvestitionsprogramm
mit einem Volumen von 10 Milliarden Euro beschlossen .
Wir haben finanzschwache Kommunen mit 3,5 Milliarden Euro unterstützt, und wir werden sie mit weiteren
3,5 Milliarden Euro unterstützen . Das führt zum Beispiel
dazu, dass selbst der Bundesverkehrsminister kein Geld
mehr für die Infrastruktur ausgeben kann, weil es keine
planfestgestellten Projekte mehr gibt, selbst in Bayern
nicht . Ich bin mir sicher, dass er intensiv nach solchen
Projekten gesucht hat . Das heißt, viel mehr Geld für die
Infrastruktur können wir vonseiten des Bundes nicht ausgeben, weil es gar nicht abfließt. Wir bekommen inzwischen sogar Geld zurück, das für die Wasserstraße, die
Straße und die Schiene vorgesehen war . Wir haben also
ein Problem in der Umsetzung und nicht bei der Summe,
die wir investieren . Auch das gehört zur Wahrheit .
({7})
Wir haben zu Beginn der Wahlperiode nicht damit
rechnen können, dass so viele Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Wir haben dies finanziert; wir haben das
gemeinsam gemacht . Die Menschen in diesem Land
haben zusammengestanden . Ohne die vielen Ehrenamtlichen wäre das gar nicht möglich gewesen . Wir haben
als Bund die Kommunen und die Länder unterstützt; das
halte ich für richtig . Wir haben mehr Personal zur Verfügung gestellt . Wir haben mehr Geld ausgegeben . Wir
haben die Länder und die Kommunen mit Milliarden unterstützt . Wir haben zum Beispiel 1 200 Immobilien des
Bundes kostenlos zur Verfügung gestellt . Ich glaube, das
ist richtig, das ist vernünftig und das ist gut .
Wir haben gleichzeitig das von Sigmar Gabriel initiierte Solidarprojekt durchgesetzt . Wir werden bis 2020
über 20 Milliarden Euro in dieses Projekt investieren .
Das bedeutet mehr für den sozialen Wohnungsbau, mehr
für soziale Integration, mehr für Familien und Langzeitarbeitslose . Das heißt konkret: Für Integration in Arbeit
und Ausbildung gibt es 2,2 Milliarden Euro mehr . Auch
für die Sprachförderung gibt es mehr . Für Wohnungsbau
und Stadtentwicklung werden 1,3 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt . 2 Milliarden Euro sind
für den sozialen Wohnungsbau beschlossen . Wir geben
viel Geld für die Bundespolizei aus . Wir haben nicht nur
3 000 neue Stellen geschaffen, sondern in diesem Haushalt auch weitere 3 000 Stellen beschlossen . Wir haben
Stellen für das Bundeskriminalamt, die Dienste und das
THW geschaffen . Wir haben überall investiert . Das sind
die Erfolge, die diese Koalition erzielt hat; das ist wichtig .
Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann ist man beeindruckt, insbesondere wenn man weiß, dass das alles
ohne neue Schulden funktioniert hat .
({8})
Gleichzeitig stellen wir von der Koalition in diesem
Haushalt 1,1 Milliarden Euro zusätzlich für das Auswärtige Amt und die Entwicklungshilfe zur Verfügung . Ich
glaube, das ist auch eine gute Maßnahme, um Fluchtursachen zu bekämpfen . Das heißt, beides muss möglich
sein .
Ich habe mich zudem mit dem Kollegen Rehberg für
Schuldentilgung eingesetzt . Im Haushalt sind Bundesbankgewinne in Höhe von 2,5 Milliarden Euro vorgesehen . Fällt der Gewinn höher aus, sollte der Betrag in die
Flüchtlingskostenrücklage fließen. Wir haben durchgesetzt, dass er in die Schuldentilgung fließt. Ich glaube,
das war auch früher so; das ist ein wichtiges Signal, und
das soll auch so bleiben .
In den nächsten Tagen werden die Kollegen vortragen, was wir in den Einzeletats inhaltlich alles umgesetzt haben . Ich glaube, dass das sehr viel ist und dass
wir stolz darauf sein können, das alles umgesetzt zu haben . Ich möchte mir aber noch eine Anmerkung zu den
Bund-Länder-Finanzbeziehungen erlauben . Darüber ist
viel diskutiert worden, und die Länder haben sich mit
dem Bund geeinigt . Als Bund waren wir sicher nicht die
ersten Sieger, aber das ist so, wenn sich 16 Länder einig
sind .
Wir haben uns aber auch darauf geeinigt - der Kollege
Kindler hat es angesprochen -, dass wir eine Bundesfernstraßengesellschaft gründen . Wir als SPD sind der Auffassung: Wenn man das denn macht, dann muss klar sein,
dass das hundertprozentige Eigentum des Staates an den
Straßen und an der Gesellschaft im Grundgesetz festgeschrieben wird;
({9})
denn die Bundesautobahnen sind alle schon vom Steuerzahler bezahlt worden . Man muss sie dann auch nicht
privatisieren; dazu gibt es keine Notwendigkeit .
Herr Kindler, man muss nicht immer nur böswillig
sein, es reicht, ab und zu einmal zu lesen . Die gemeinsame Erklärung der SPD-Fraktionsvorsitzenden der Länder
und des Bundes besagt ganz klar: „Keine Privatisierung
von Bundesfernstraßen - Eigentum und Betrieb der Bundesfernstraßen muss in Staatshand bleiben!“
Wenn man diese Erklärung liest, stellt man fest, dass
im Grundgesetz nicht nur festgeschrieben werden soll,
dass das Eigentum an den Straßen beim Bund verbleibt,
sondern auch, dass das Eigentum an der Betreibergesellschaft beim Bund bleiben muss . Wenn man diese Erklärung liest, stellt man auch fest, dass wir uns vorstellen
können, eine Anstalt des öffentlichen Rechts oder eine
Behörde zu gründen . Wir wollen - das kann man einfach
einmal zitieren -:
Die Infrastrukturgesellschaft Verkehr muss deswegen vollständig im Eigentum des Bundes bleiben .
Sie soll für die Planung, den Bau, Betrieb und Erhalt der Bundesfernstraßen verantwortlich sein und
ist damit Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge . Die
Infrastrukturgesellschaft Verkehr soll die künftigen
Vergabeverfahren vor allem im Hinblick auf Losgrößen so gestalten, dass die Chancen der mittelständisch geprägten Bauwirtschaft im Wettbewerb
gewahrt bleiben . Wir bestehen darauf, dass die InJohannes Kahrs
teressen der Arbeitnehmerschaft vollumfänglich berücksichtigt werden .
({10})
Kein Beschäftigter darf hinsichtlich seines Status, seines Arbeitsplatzes und seines Arbeitsortes
schlechter gestellt werden . Wir erwarten, dass die
Personalvertretungen mit eingebunden werden .
Wenn man das alles liest, Herr Kindler, dann kann
man eigentlich nicht zu dem Schluss kommen, den Sie
hier vorgetragen haben .
({11})
Zusammenfassend sei dargestellt: Ich glaube, dass wir
uns hier alle einigen werden, dass wir keine Privatisierung der Bundesautobahnen wollen .
({12})
Ich glaube, das ist nicht im Interesse der deutschen Bevölkerung . Die Autobahnen sind alle schon einmal bezahlt worden . Deswegen ist die Gründung der Infrastrukturgesellschaft richtig und gut . Wenn man das in dieser
Legislaturperiode noch macht, dann muss man das auch
in dieser Legislaturperiode im Grundgesetz festschreiben .
Vielen Dank .
({13})
Das Wort erhält nun der Bundesfinanzminister
Wolfgang Schäuble .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
habe bei der Einbringung des Bundeshaushalts im September hier über die finanzpolitische Entwicklung der
letzten Jahre gesprochen . Wir haben wahrgemacht, was
wir versprochen haben, nämlich dass wir bei einer normalen wirtschaftlichen Entwicklung ohne neue Schulden
auskommen und dass wir die Folgen der großen Krise,
die wir im letzten Jahrzehnt hatten, schrittweise überwinden werden . Das hat dazu geführt, dass wir im Gegensatz
zu vielen anderen Ländern, auch in Europa, die es schwerer haben, in Deutschland ein solides Wachstum haben .
Das hat dazu beigetragen, dass die Löhne, die Gehälter
und die Renten real stärker gestiegen sind als in zurückliegenden Jahrzehnten . Die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist so niedrig wie nie seit der Wiedervereinigung .
Der Beschäftigungsstand ist, gemessen an regulären sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen, so hoch wie niemals in der deutschen Geschichte .
Das ist nicht schlecht als Ergebnis einer kontinuierlichen
Finanzpolitik, und es dient den Menschen und unserem
Lande .
({0})
Die Sprecherinnen und Sprecher der Opposition haben
in ihren Reden leider beides kritisiert, und es tut mir leid,
Herr Kindler, sagen zu müssen: Das hebt sich gegenseitig
auf . Sie haben auf der einen Seite gesagt, wir hätten zu
viel gespart, und Sie haben auf der anderen Seite gesagt,
wir hätten überhaupt nicht gespart .
({1})
Irgendwann müssen Sie sich für die nächsten Reden
überlegen, was wir nun eigentlich gemacht haben und
was Sie uns vorwerfen wollen .
Wir haben eine glückliche Entwicklung gehabt; das
ist wahr . Dass die Zinsen so stark zurückgegangen sind,
hat uns bei dieser Entwicklung natürlich sehr geholfen .
Wer wollte das denn bestreiten? Es gibt auch gar keinen
Grund, darüber zu streiten . Aber damit haben wir eben
die Möglichkeiten gewonnen, neue Aufgaben, die wir so
nicht erwartet hatten - die Migrationsherausforderung
seit dem vergangenen Jahr ist ja schon erwähnt worden -, zu bewältigen, und zwar ohne dass wir bei irgendwelchen Leistungen kürzen mussten . Wir haben in einer
Größenordnung von gut 20 Milliarden Euro im Haushalt
des Bundes pro Jahr - bei Ländern und Kommunen sind
die Größenordnungen übrigens ähnlich - zusätzliche
Leistungen aufbringen können, ohne dass wir an anderen
Stellen zu Einschränkungen kommen mussten . Das zeigt,
dass wir die Möglichkeiten genutzt haben .
Der Kollege Kahrs hat eben beschrieben, wie wir mit
den Investitionen verfahren sind . Wir haben die Mittel
ganz massiv erhöht. Die Mittel fließen nicht ab, und das
ist unser Problem . An dessen Lösung müssen wir gemeinsam, Bund, Länder und Kommunen in Deutschland,
besser arbeiten . Dazu haben wir Vereinbarungen mit den
Ländern getroffen . Diese Vereinbarungen wollen wir
schrittweise und vernünftig umsetzen . Auf diesem Weg
gehen wir weiter .
Ich will im Rahmen der Debatte, die in Europa ein
Stück weit geführt wird, noch auf einige Zahlen hinweisen, die ich mir einmal habe aufschreiben lassen: Die
Staatseinnahmen in Deutschland sind in den Jahren von
2005 bis einschließlich 2015 - das ist, Frau Bundeskanzlerin, die Zeit, seit Sie Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland sind - pro Jahr um 3,3 Prozent gestiegen; in der Euro-Zone sind sie im selben Zeitraum
um 2,7 Prozent gestiegen . Die Staatsausgaben sind in
Deutschland um 2,3 Prozent pro Jahr gestiegen, in der
Euro-Zone im Durchschnitt um 2,5 Prozent . Die Investitionen sind in Deutschland um 3,9 Prozent pro Jahr gestiegen, in der Euro-Zone um 0,7 Prozent. Ich finde, die
Empfehlungen der EU-Kommission gehen irgendwie an
den Falschen in der europäischen Politik .
({2})
Das Problem bei diesen Empfehlungen ist ja nicht, dass
wir Empfehlungen bekommen, die uns vielleicht nicht
gefallen . Solche Empfehlungen sind ja völlig in Ordnung . Das ist der Alltag, und es gibt ja auch unterschiedliche Meinungen dazu . Das Problem dabei ist vielmehr,
dass die Empfehlungen der Kommission von dem ablenken, was die Aufgabe der Kommission ist, nämlich die
Haushalte und die Budgetplanungen der einzelnen europäischen Länder danach zu beurteilen, ob sie den europäischen Regeln und Vereinbarungen entsprechen . Das ist
die Aufgabe der Kommission . Das ist die Voraussetzung
dafür, dass die Euro-Zone stabil zusammenbleiben kann,
dass die europäische Währung stark bleibt . Diese Aufgabe erfüllt die Kommission mit dieser Empfehlung nicht,
sondern sie macht das Gegenteil, und deswegen müssen
wir dagegen antreten .
({3})
Dann will ich noch eine zweite Bemerkung machen,
auch für die nächsten Jahre . Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, wir sollten in aller Ernsthaftigkeit darüber reden . Ich glaube, dass es für die vielen Debatten, die
wir ansonsten aufgrund von Entwicklungen so führen,
viel besser ist, wenn wir uns bemühen, streitig, mit unterschiedlichen Meinungen, aber doch sachlich und vielleicht ein Stück weit auf der Grundlage von Realitäten
vorzugehen, damit wir nicht nur postfaktische, sondern
auch ein bisschen realitätsbezogene Debatten führen . Die
Lage wird in den kommenden Jahren nicht einfacher,
sondern sie wird eher herausfordernder werden . Auf der
einen Seite werden die Spielräume auf der Einnahmeseite nicht größer werden können .
({4})
Die Zinsen können nicht weiter sinken
({5})
- Moment; langsam -, weil sie so niedrig sind, und wir
gewinnen durch niedrige Zinsen in der Zukunft keine
neuen Spielräume mehr; die haben wir schon . Deswegen
werden wir das, was in den letzten Jahren gewesen ist,
für die kommenden Jahre nicht haben . Die Steuereinnahmen werden in den kommenden Jahren nicht steigen, es
sei denn, wir - oder eine andere Mehrheit - treffen andere steuerpolitische Entscheidungen .
({6})
- Dafür können Sie selbstverständlich kämpfen .
Ich weise allerdings darauf hin: Ich werde mit großer
Entschiedenheit, soweit ich kann, dafür argumentieren,
darauf zu achten, dass wir im Wettbewerb um Investitionen und Arbeitsplätze sind und dass wir unsere steuerpolitischen Entscheidungen in der Zukunft nicht so treffen
können, dass wir zwar 100 Prozent Steuern, aber 0 Prozent Einnahmen haben . Das ist sozialistische Politik . Sie
führt leider ins Elend .
({7})
- Gucken Sie sich das an! Es geht nämlich international schon wieder los mit dem Steuerwettbewerb und den
Versuchen von Steuerdumping . Dagegen müssen wir
vorgehen .
Ich wollte noch eine andere Bemerkung machen . Die
Steuereinnahmen werden in der Zukunft nicht weiter
steigen . Schauen Sie sich das Ergebnis der letzten Steuerschätzung vom November an! Schon im Zeitraum der
Steuerschätzung hat sich das Wachstum eher verlangsamt als verstärkt. Mittelfristig wird die demografische
Entwicklung nicht nur unsere sozialen Sicherungssysteme belasten, sondern sie wird auch unsere Spielräume
bei den Steuereinnahmen nicht größer machen, sondern
eher verringern . Also werden die Spielräume auf der Einnahmeseite nicht größer, die Aufgaben aber werden mit
Sicherheit größer .
Die Aufgaben werden durch die Herausforderungen
größer . Die Migrationsherausforderung ist nur ein Thema . Deswegen ist es gut, dass wir die Ausgaben für die
Bekämpfung der Ursachen der Flüchtlingsbewegung im
Auswärtigen Amt wie in der Entwicklungszusammenarbeit deutlich aufgestockt haben . Wir werden das in den
kommenden Jahren fortsetzen müssen . Ich habe übrigens
schon bei der Einbringung des Bundeshaushalts 2015 gesagt, dass unsere Priorität dort liegen muss . Wir werden
in dieser globalisierten Welt keine gute Zukunft haben,
wenn es uns nicht gelingt, unsere Nachbarschaft, unsere
Umwelt, vor allen Dingen auch Afrika, stärker zu stabilisieren . Dies wird größere Anforderungen an uns stellen .
Wir werden auch für die Sicherheit, die äußere und
die innere Sicherheit, mehr Aufwendungen vorsehen
müssen . Auch das spiegelt der Haushalt richtig wider .
Die Kollegen Kahrs und Rehberg haben das beschrieben .
Das ist gut so, und die Entwicklung wird in den kommenden Jahren im Interesse unserer Zukunft fortgesetzt
werden müssen .
({8})
Wir werden durch die absehbare demografische Entwicklung, wie immer wir die Probleme durch gesteuerte
oder sonst gelingende Zuwanderung auch ein Stück weit
mildern können, größere Herausforderungen in den sozialen Sicherungssystemen haben . Ich will darauf hinweisen - ich habe das schon öfter getan -: Rund 55 Prozent
des Bundeshaushalts sind bereits durch den Bereich der
sozialpolitischen Maßnahmen im weiteren Sinn belegt .
Spätestens bei 100 Prozent haben wir eine Obergrenze
erreicht, sodass wir nicht mehr handeln können .
({9})
Wir müssen also darauf achten, dass wir unsere Zukunftsfähigkeit bewahren .
Deswegen haben wir die Mittel für Infrastruktur sowie
für Forschung und Entwicklung erhöht . Deswegen helfen
wir den Ländern, ihre Aufgaben in der Bildungspolitik
besser als in der Vergangenheit zu erfüllen . Das sind die
entscheidenden Punkte, in denen wir die Zukunftsfähigkeit unseres Landes stärken können .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine letzte Bemerkung ist, auch weil dies in der Tat der letzte Haushalt
dieser Legislaturperiode ist - wir werden im nächsten
Jahr noch einen Haushaltsentwurf vorlegen, aber der
wird in dieser Legislaturperiode nicht mehr beschlossen
werden -: Es ist immer die Gefahr groß - das habe ich in
den letzten Monaten natürlich gespürt; darüber können
wir offen reden -, dass man, weil die Lage gut ist und die
Entwicklung günstig ist, der Versuchung erliegt, zu meiBundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
nen, wir könnten in den Anstrengungen nachlassen . Wir
dürfen uns auf den erreichten Erfolgen aber nicht ausruhen . Wir haben viel erreicht . Die Lage für das Land ist
besser geworden . Die Aufgaben für unser Land sind größer geworden . Die Lage für die Menschen ist gut . Aber
es gibt viele Probleme . Wir dürfen uns auf den Erfolgen
nicht ausruhen .
Deswegen ist mein Rat: Lassen Sie uns auch in den
kommenden Wahlkampfmonaten so ehrlich wie möglich
und so realistisch wie möglich über die Zukunftsherausforderungen und die Alternativen reden . Je besser wir
dies tun, umso kleiner werden wir den Raum für diejenigen machen, die mit demagogischen, populistischen
Parolen unsere Demokratie schwächen wollen . Realistische Ehrlichkeit ist die beste Voraussetzung, um Freiheit,
Rechtsstaatlichkeit, Demokratie auch für die Zukunft zu
sichern . Das können wir auch in der Finanz- und Haushaltspolitik ganz konkret umsetzen . Dafür bitte ich Sie
um Ihre Zustimmung und um Ihre Unterstützung .
({10})
Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin
Karawanskij das Wort .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Gäste! Herr Rehberg, als ich Ihnen vorhin bei Ihrer Rede zugehört habe, da ist bei mir vor allen
Dingen hängen geblieben, dass Sie Sicherheit einfach
nur mit mehr Polizei verbinden . Der zentrale Aspekt, der
unsere Politik von Ihrer unterscheidet, ist, dass wir vor
allen Dingen soziale Sicherheit meinen .
({0})
Schauen Sie sich die Realität da draußen doch einmal an:
({1})
Die Schere zwischen Arm und Reich geht auseinander;
die soziale Spaltung im Land nimmt zu . Und die Bundesregierung? Sie lobt sich selber . Auch Sie kommen da gar
nicht mehr aus dem Lob heraus .
({2})
Sie betonen die finanziellen Überschüsse, aber Sie vergessen, zu erwähnen, wer denn eigentlich die finanziellen
Überschüsse erwirtschaftet . Das sind nämlich genau die
Menschen da draußen . Für die muss das Geld bereitgestellt werden, und für die müssen die Überschüsse eingesetzt werden - und nicht für die Wahrung einer abstrakten Zahl, nämlich der schwarzen Null, die Sie hier
präsentieren .
({3})
Meine Damen und Herren, wir brauchen Gerechtigkeit in diesem Land, allem voran Steuergerechtigkeit .
Wir Linke schlagen ein Steuerkonzept vor, durch das wir
wirklich die unteren und mittleren Einkommen entlasten
und Großverdiener und Superreiche mit Augenmaß belasten . Schauen wir uns doch einmal die Beispiele auf der
Einnahmenseite des Bundes und der Länder an:
Bei der Erbschaftsteuer liefern Sie von der Großen
Koalition wirklich ein Trauerspiel . Wir reden hier nicht
über das kleine Blumengeschäft oder den Friseursalon
um die Ecke, wir reden an dieser Stelle über schwerreiche Unternehmen, die anzutasten Sie nicht gewillt sind .
Es werden nach wie vor große Vermögen vererbt . Unternehmenserben werden rechtswidrig im großen Stil bevorzugt und können nur allzu leicht die Steuer umgehen .
Um die soziale Spaltung in diesem Land zu kitten, ist
eine angemessene Besteuerung großer Erbschaften bitter
nötig .
({4})
Meine Damen und Herren, soziale Gerechtigkeit
würde auch die Wiederbelebung der Vermögensteuer
schaffen, für die die Linke eintritt . Es kann doch nicht
angehen, dass 10 Prozent der Deutschen 60 Prozent des
Gesamtvermögens besitzen . Hier braucht es eine Umverteilung . Wir brauchen eine Umverteilung von oben nach
unten, sonst bleiben die Armen in Ost und West weiterhin
abgehängt, während Superreiche große Teile ihres Geldes wieder ungeniert nutzen, um auf den Finanzmärkten
dieser Welt das Geld gewinnbringend anzulegen .
Damit komme ich zum zweiten Punkt meiner Rede:
Finanzmarktregulierung . Da bleibt viel zu tun . Natürlich gab es einige Gesetze, vor allen Dingen angestoßen
durch die europäische Ebene, die die Finanzmärkte sicherer und vor allen Dingen zukunftsfest machen sollten
für zukünftige Krisen . Aber man muss an dieser Stelle
sagen, dass Quantität nicht gleich Qualität bedeutet . Immer wieder kommen hier Stimmen, die sagen: Ja, wir
brauchen jetzt ein Ende der Regulierung . - Sie sprechen
gar von Überregulierung .
Herr Schäuble, Sie haben sich ja gerade auf europäischer Ebene vehement für eine Finanztransaktionsteuer
eingesetzt . Aber wo bleibt die? Fakt ist: Wir haben immer noch keine . Wir haben genauso wenig ein funktionierendes Trennbankensystem, in dem die Einlagen der
Sparerinnen und Sparer von den hochriskanten Spekulationsgeschäften getrennt sind . Aber das Problem, dass
es weiterhin Kapitalstöcke gibt, die nach renditeträchtigen Anlagen suchen, besteht doch weiter . Hier muss man
überlegen, welche Geschäfte tatsächlich mit wie viel
Eigenkapital hinterlegt sind . Außerdem müssen wir über
eine sozial gerechte Besteuerung sprechen,
({5})
damit hier für Augenhöhe gesorgt wird .
Denn trotz einer Vielzahl von Gesetzen seit Ausbruch
der Finanzkrise geht das Zocken an den Finanzmärkten
fast uneingeschränkt weiter . Täglich kommt eine Vielzahl
von Finanzmarktprodukten auf den Markt - meistens undurchsichtig, meistens hochriskant . Und diese sind häufig volkswirtschaftlich überhaupt nicht notwendig.
Deswegen sagen wir: Wir brauchen einen Finanz-TÜV . Wir schlagen vor, dass Finanzgeschäfte und
Finanzinstrumente in Zukunft einer verbindlichen Zulassungsprüfung zu unterwerfen sind, damit intransparente
und gefährliche Finanzmarktinstrumente überhaupt nicht
in Umlauf kommen . Die BaFin macht ja auch deutlich,
dass das eine Ultima Ratio und ein richtiger Schritt ist,
indem sie zum Beispiel vorschlägt, Bonitätsanleihen zu
verbieten, damit entsprechende Produkte hier nicht auf
den Markt gelangen und vor allen Dingen nicht in die
falschen Hände kommen . Aus unserer Sicht sollen die
Finanzdienstleister die Unbedenklichkeit ihrer Produkte
erst einmal nachweisen .
Ein solcher Finanz-TÜV, der auf europäischer Ebene
eingeführt und verankert wird, würde vor allen Dingen
für übersichtliche Finanzmärkte mit ökonomisch sinnvollen und transparenten Finanzmarktinstrumenten sorgen und damit tatsächlich eine gute, effektive Grundlage
für finanziellen Verbraucherschutz schaffen.
({6})
Mein abschließender Blick gilt den Kommunalfinanzen . Ja, es ist mehr Geld in die Länder und Kommunen
geflossen ({7})
aber vor allen Dingen häppchenweise . Beim Vorschlag
zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen fehlt es an
einem Konzept zur Stärkung der Finanzkraft von Ländern und Kommunen . Die Kommunen müssen dauerhaft
bei den Sozialausgaben entlastet werden und vor allen
Dingen auf der Einnahmeseite auf stabile Füße gesetzt
werden .
({8})
Entsprechende Anträge haben wir als Linke vorgelegt .
Um es an dieser Stelle noch einmal zu sagen: Es ist
der völlig falsche Weg, durch die Privatisierung von Autobahnen und Fernstraßen Banken und Versicherungen
einzubeziehen . Solche Projekte können die Gebietskörperschaften auch selber umsetzen . Herr Kahrs, Sie haben vorhin gesagt, wenn die Mittel gar nicht abflössen,
bräuchten wir das auch nicht durch private Investoren
machen zu lassen . Dann können wir es aber direkt als
Bund machen .
({9})
Meine Damen und Herren, die schwarze Null auf dem
Papier ist nichts wert, wenn das Geld nicht bei den Menschen ankommt . Wir brauchen Investitionen in Infrastruktur, in Bildung und in Forschung . Wir brauchen die
Stärkung der Binnennachfrage . Wir brauchen vor allen
Dingen gute, stabile Sicherungssysteme, damit niemand
Angst vor Kinderarmut, vor Altersarmut und insbesondere auch vor Erwerbslosigkeit haben muss .
Auf verschiedenen Ebenen, auch hier im Bundestag,
haben wir entsprechende Konzepte vorgelegt . Wir setzen
auf Steuergerechtigkeit, Finanzmarktregulierung und
nicht zuletzt auf stabile Haushalte in Bund, Ländern und
Kommunen .
Vielen Dank .
({10})
Das Wort erhält nun der Kollege Carsten Schneider
für die SPD-Fraktion .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Karawanskij, Sie haben eben einen Widerspruch
zwischen öffentlicher Sicherheit und sozialer Sicherheit aufgemacht . Diesen Widerspruch sehe ich nicht .
Ich sehe ihn auch nicht in diesem Haushalt abgebildet,
der ja die Grundlage für die Arbeit der Bundesrepublik
bildet . Denn wir haben sowohl die öffentliche Sicherheit
gestärkt - ich weiß nicht, ob das bei Ihnen unstrittig ist;
wenn ich mir die eine oder andere Äußerung aus Ihren
Reihen anhöre, habe ich den Eindruck, dass zumindest
Teile von Ihnen Probleme haben mit öffentlicher Sicherheit, Polizei und Staat - als auch die soziale Sicherheit .
Deswegen kann ich frohgemut sagen: Die SPD-Fraktion wird diesem Haushalt 2017 zustimmen . Das ist in
der Tat ein sehr guter Haushalt, der Deutschland voranbringen wird, sowohl im Zusammenleben der Menschen
untereinander - das ist die soziale Frage - als auch international .
Ich will auf einzelne Aspekte eingehen - auch auf
den europäischen Aspekt, den Herr Minister Schäuble
angesprochen hat . Ehrlicherweise muss ich sagen: Eine
solche Haushaltsrede hätte ich mir vor zehn Jahren nicht
vorstellen können . Entgegen dem, was Herr Kindler gesagt hat, haben wir eine Situation, die nicht allein durch
Sparen geprägt ist . Im Vollzug des Haushalts werden wir
wahrscheinlich Überschüsse haben, obwohl wir die Bedarfe, die für die Zukunft Deutschlands notwendig sind,
auskömmlich finanzieren.
Der erste Punkt: Die Mittel für den sozialen Wohnungsbau, auf den schon hingewiesen worden ist, werden
verdreifacht . Es wird schwer, diese Mittel noch sinnvoll
und effizient einzusetzen. Unser Ziel ist ja nicht, dass
sich nur die Gewinne der Unternehmen erhöhen, die
diese Aufträge dann ausführen . Vielmehr brauchen wir
Preise, die noch angemessen sind . Schließlich wollen wir
auch effizient und sinnvoll mit dem Geld der Steuerzahler umgehen .
Es erfolgt also eine Verdreifachung der Mittel für den
sozialen Wohnungsbau . Das ist ein großer Erfolg von
Sigmar Gabriel mit dem Solidarprojekt für Deutschland .
({0})
Die Investitionsmittel für die Kommunen - in den
Kommunen ist die größte Substanz, weil sie die meisten
Schulen und Gebäude besitzen; der Bund hat ja überhaupt
nicht so viel Eigentum, sodass er konjunkturpolitisch gar
nicht so stark steuern kann - erhöhen wir noch einmal um
3,5 Milliarden Euro. Damit stellen wir den finanzschwachen Kommunen 7 Milliarden Euro für Investitionen zur
Verfügung, um die gleichen Chancen und insbesondere
auch gleiche Lebensverhältnisse in Deutschland herzustellen .
Wir haben die Investitionen insgesamt auf 11 Prozent
erhöht . 11 Prozent, das ist gewaltig . Das sind Zukunftsinvestitionen; denn nur wenn ich heute investiere, habe
ich in Zukunft einen Ertrag davon, wenn der Kapitalstock
nicht nur bei Unternehmen, sondern auch parallel beim
Staat steigt . Von Austerität, Herr Kindler, kann zumindest in Deutschland keine Rede sein . Es ist eher das glatte Gegenteil der Fall .
({1})
Wir steigern die Ausgaben des Jahres 2013 in Höhe von
308 Milliarden Euro auf jetzt 329 Milliarden Euro, bei
sinkenden Zinsausgaben . Das heißt, real sind die Ausgaben sogar noch mehr gestiegen . Irgendwann ist die Situation erreicht, wo ich sage: Die Ausgaben müssen auch
noch sinnvoll sein .
Der zweite Punkt ist der soziale Zusammenhalt . Für
uns als Sozialdemokraten ist das besonders wichtig . Es
stehen in dieser Woche in der Koalition noch einige Entscheidungen an . Ich nenne hier die Rente . Wir haben eine
Steigerung der Rente im Osten von über 6 Prozent - und
zwar aufgrund der Einführung des Mindestlohns, den wir
Sozialdemokraten durchgesetzt haben; dadurch gibt es
höhere Löhne und dementsprechend höhere Renten -,
im Westen von über 4 Prozent . Was wir jetzt aber noch
machen müssen und die SPD auch durchsetzen wird, ist
die Ost-West-Angleichung bis 2020 . Es ist ganz entscheidend, dass wir in Deutschland nach 30 Jahren ein einheitliches Rentenrecht erhalten .
({2})
Dritter Punkt: Es gibt im Sozialstaat immer noch Lücken, die man füllen muss . Ein ganz offensichtlicher
Mangel besteht bei der Situation von Alleinerziehenden .
Dabei handelt es sich zum großen Teil um erwerbstätige Frauen . Trotzdem verfügen sie nicht über genügend
Geld . Hier liegt die Armutsquote bei 30 Prozent . Das ist
nicht hinnehmbar . Aus diesem Grund haben wir Sozialdemokraten - ich bin froh, dass die Union zugestimmt
hat - uns dafür ausgesprochen, dass der Unterhaltsvorschuss nicht mehr auf Kinder bis zum 12 . Lebensjahr
begrenzt ist - danach werden die Kinder erst richtig teuer -, sondern dass er ohne zeitliche Begrenzung der Bezugsdauer bis zum 18 . Lebensjahr gezahlt wird . Das hilft
insbesondere denjenigen Kindern, die finanziell in einer
schwierigen Situation sind .
({3})
Ich finde, das ist nicht nur vertretbar, sondern es ist notwendig, um den sozialen Zusammenhalt in Deutschland
zu stärken .
({4})
Wir sind die größte Volkswirtschaft in der EU . Ohne
Deutschland geht in der Europäischen Union relativ wenig . Wir haben in den letzten Jahren heftige Auseinandersetzungen über die Frage von Hilfspaketen für andere
Länder gehabt . Der Minister hat vorhin die verschiedenen
Zahlen erwähnt und die Kommission für die Empfehlungen kritisiert, die sie uns im Rahmen der Begutachtung
des Haushalts gemacht hat . Sie hat uns empfohlen, mehr
in Forschung, in Infrastruktur und auch in die Integration
von Asylbewerbern zu investieren, weil wir den fiskalischen Spielraum dafür hätten . Wenn man sich das sehr
genau ansieht, dann erkennt man, dass wir das alles tun ob im ausreichenden Maße, sei bezüglich der Länder und
Kommunen dahingestellt . Aber wir engagieren uns hier
so, wie wir es können .
Es gibt aber noch eine zweite Komponente, und das
ist die Privatwirtschaft . Wenn ich mir das in Deutschland
ansehe, dann stelle ich fest, dass wir eine sehr gute wirtschaftliche Situation haben . Wir haben uns im Zuge der
Finanzreformen in der EU ein neues Regularium gegeben, sowohl bei Defiziten als auch bei Überschüssen. Wir
sind in der Situation, dass wir einen Leistungsbilanzüberschuss haben . Er liegt jetzt bei 9 Prozent . Das heißt, in
Deutschland produzieren wir Waren, exportieren sie und
bekommen dafür Schuldscheine zurück . Das läuft meistens über die Banken . Es ist die Frage, ob diese Schuldscheine tatsächlich etwas wert sind .
Die Kommission soll einschreiten - wir haben uns
selbst diese Regel gegeben -, wenn der Leistungsbilanzüberschuss über 6 Prozent liegt . Wir verletzen also diese
Regel . Deswegen ist es klug, darüber nachzudenken, wie
wir zu mehr privaten Investitionen in Deutschland kommen können . Das ist aller Schweiß der Edlen wert . Es
geht auch um die Frage: Wie viel Geld haben die Menschen tatsächlich zur Verfügung? Ich meine, dass wir insbesondere untere und mittlere Einkommen sowie Familien mit Kindern finanziell stärker entlasten können. Es
macht ja keinen Sinn, ihnen das Geld erst wegzunehmen
und es dann über Sozialleistungen, Transfers oder Steuersubventionen zurückzugeben .
Unser Schritt wäre, dass das Steuerdumping, das einige Länder - Großbritannien vorneweg - ankündigen
und wodurch die internationale Zusammenarbeit mehr
oder weniger aufgekündigt wird, ein klares Stoppsignal
erfährt . Nur wenn wir Großunternehmen gerecht besteuern, wird es uns gelingen, insgesamt zu einer gerechten
Besteuerung zu kommen .
({5})
Der Buchhändler bei mir vor Ort soll die gleiche Wettbewerbssituation vorfinden wie ein Versandhändler wie
Amazon, der fast gar keine Steuern zahlt . Das ist von
zentraler Bedeutung . Wenn die Kommission die Problematik des zu hohen Leistungsbilanzüberschusses aufgreift, würde ich nicht so harsch reagieren; denn im Kern
haben wir sie damit beauftragt, dies zu tun . Wir verletzen
diese Regeln .
Ich will Ihnen einen letzten kurzen Ausblick geben .
Die Amerikaner werden in den nächsten Jahren sehr viel
investieren. Sie werden dies über Schulden finanzieren.
Dort werden die Zinsen steigen . Was werden die deutschen Lebensversicherungen und Banken mit dem Geld
der Deutschen machen? Sie werden es dort anlegen . Das
Carsten Schneider ({6})
heißt, wir werden einen Kapitalausfluss aus Deutschland,
aus Europa in die USA beobachten . Ich weiß nicht, ob es
Potemkinsche Dörfer sind . Aber die Frage, ob das Geld
tatsächlich gut angelegt ist oder besser angelegt werden
kann, ist eine Frage, die für die Finanzstabilität von zentraler Bedeutung ist . Deswegen sollten wir alles unternehmen, damit die Zinsen auch in Deutschland wieder
steigen . Sie steigen nur dann, wenn auch hier genügend
Anlageformen zur Verfügung stehen .
Deswegen sind Investitionen der Realwirtschaft, der
Unternehmen selbst - sie sollen nicht nur Dividenden
ausschütten, sondern auch investieren - von zentraler
Bedeutung . Alles, was wir dafür tun können - Binnennachfrage stärken, Kaufkraft stärken, Investitionen in
Forschung und Entwicklung stärken -, ist aus meiner
Sicht die richtige Antwort . Einen großen Teil der Antworten geben wir schon mit diesem Haushalt, aber es
bleibt auch noch einiges zu tun .
Vielen Dank .
({7})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Ekin Deligöz für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
hören heute in den Debatten sehr viel Selbstlob für diesen Haushalt . Aber ich will Ihnen ein bisschen Wasser in
den Wein schütten . Denn die sogenannte schwarze Null,
über die wir reden, hat Kratzer, und darüber kann man
auch nicht hinwegsehen .
Ich fange mit dem an, was hier die größte Rolle gespielt hat: die Investitionen . Ja, Sie können natürlich
sagen, Herr Schneider: „Eigentlich geben wir doch jetzt
viel mehr Geld aus und betreiben keine Austeritätspolitik .“ Aber es ist doch in einem Land, dem es wirtschaftlich so gut geht, selbstverständlich, dass wir nicht von
Austerität reden müssen . Die Frage ist doch, wie es mit
dem prozentualen Anteil der Investitionen aussieht . Obwohl Sie 50 Milliarden Euro mehr Einnahmen als 2012
haben, bleibt der Anteil der Investitionen bei 10 Prozent .
Darum geht es doch, wenn wir sagen, die Investitionen
stagnieren: Es wäre mehr möglich, und es sind mehr Gestaltungsspielräume im Haushalt vorhanden .
({0})
Herr Kollege Rehberg, wenn Sie sagen, es liege an
den Kommunen und den Ländern sowie an der großen
Bürokratie, dass Investitionen ausbleiben, dann machen
Sie es sich ein bisschen zu einfach . Das liegt schon auch
daran, dass die Hausaufgaben nicht erledigt werden . Wir
haben einen ganzen Dschungel von Bundesförderprogrammen für Investitionen, in dem keiner mehr richtig
durchblickt . Sie fordern von den Kommunen, dass sie
einen Eigenanteil von 10 Prozent übernehmen, und übersehen dabei, dass gerade Kommunen, die im Haushaltssicherungsverfahren sind und mit hohen Kassenkrediten
belastet sind, oftmals einfach nicht das Geld haben, um
die Kofinanzierung zu erbringen. Oder wie sieht es mit
der zeitlichen Begrenzung aus, die Sie immer vorsehen?
Natürlich müssen Sie die Fristen einiger Förderprogramme des Bundes verlängern; denn die Planungszeiträume
für Kommunen betragen oft rund fünf Jahre . Wenn Ihre
Mittel aber nach zwei Jahren auslaufen, funktioniert das
so nicht .
({1})
Oder warum haben wir bei der Bahn keinen Planungsvorrat, damit wir sofort loslegen können, wenn das Geld
da ist? - Das sind doch die Hausaufgaben des Verkehrsministers . Er macht sie nicht, und er verpasst damit die
Chance, dass dieses Land wirklich in die Infrastruktur
investiert .
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn die Schulen
verfallen, wenn die Brücken nicht mehr befahrbar sind,
wenn Sie es sich nach wie vor leisten, klimaschädliche
Investitionen stark zu fördern, dann können wir nicht
mehr von einem zukunftsfähigen Haushalt und von Investitionen für die Zukunft reden, und das ist Fakt .
({3})
Dieser Substanzverzehr, über den wir da reden, ist die
eigentliche Verschuldung, für die unsere Kinder und Enkelkinder irgendwann einmal zahlen müssen, und die
Kosten werden sehr hoch sein .
In diesem Land fahren immer noch Dienstwagen auf
Steuerzahlerkosten durch die Straßen, immer noch wird
Diesel subventioniert, und auch Flugbenzin ist immer
noch steuerfrei .
({4})
Das sind die klimaschädlichen Subventionen, die wir abschaffen wollen .
({5})
Wir wollen sie auch deshalb abschaffen, weil das im Sinne des Klimaschutzes ist, und Sie bleiben da weit hinter
dem Möglichen und Notwendigen zurück . Da wünschte ich mir etwas mehr Entschlossenheit, damit Sie die
Chancen, die sich bieten, auch ergreifen .
({6})
Es geht uns in der Opposition übrigens nicht nur darum, dass wir mehr Geld ausgeben, sondern dass wir
die richtigen Prioritäten im Bundeshaushalt setzen . Jeden Tag zeigt sich von neuem, dass Armut und soziale
Spaltung in unserem Land zunehmen . Warum investieren Sie nicht in den sozialen Arbeitsmarkt? Warum halten Sie immer noch an Beschlüssen aus dem Jahr 2009
fest, zum Beispiel an dem, die Eingliederungsmittel für
die Jobcenter zu deckeln? Hier könnten Sie etwas gegen
Langzeitarbeitslosigkeit tun . Außerdem ist es nötig, einen sozialen Arbeitsmarkt zu schaffen . - Diese Chance
habe Sie verpasst .
Zum Unterhaltsvorschuss . Super - endlich kommen
Sie auf die Idee, hier etwas zu tun . Alleinerziehende in
unserem Land sind viel zu lange alleine gelassen worden .
Carsten Schneider ({7})
Jetzt kündigen Sie die Umsetzung im Schnellverfahren
zum 1 . Januar an, die Kosten sollen aber zum größten
Teil die Länder und die Kommunen tragen, sowohl die
für die Verwaltung als auch die für die Leistung an sich .
Da müssen Sie sich auch auf Bundesebene bewegen; anders funktioniert das nicht . Die Kommunen gehen baden,
die Alleinerziehenden werden wieder alleine gelassen,
und Sie kommen zu keinem Ergebnis . Das ist keine redliche Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen .
({8})
Nicht zuletzt: Was tun Sie für einen transparenten
Haushalt? - Ich komme zu meinem letzten Argument,
Herr Präsident . - Wir haben eine ganze Reihe von Vorlagen im Sinne von Good Governance eingebracht, zum
Beispiel zum Thema „geschlechtergerechte Haushaltspolitik“ . Dann wüssten wir, wer wie von den Ausgaben
profitiert. Sie haben noch nicht einmal den Mut, für mehr
Transparenz im Haushaltsverfahren zu sorgen . Das würde auch zu mehr Akzeptanz bei den Bürgern führen, aber
Sie machen es trotzdem nicht . - Verpasste Chancen .
({9})
Auf all diese Herausforderungen haben wir als grüne
Fraktion während der Haushaltsberatungen Antworten
gegeben . Nichts davon haben Sie übernommen, Sie sind
noch nicht einmal darauf eingegangen . Das wird sich
hoffentlich in der nächsten Wahlperiode ändern .
({10})
Nächster Redner für die CDU/CSU-Fraktion ist der
Kollege Ralph Brinkhaus .
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten im Januar 2015 eine Aktuelle Stunde durchgeführt,
als das Jahr 2014 abgerechnet worden ist . Im Jahr 2014
wurde erstmals seit sehr langer Zeit ein ausgeglichener
Haushalt realisiert . Es saß damals niemand im Deutschen
Bundestag, der sich daran erinnern konnte, dass so etwas
während seiner aktiven Zeit schon einmal vorgekommen
ist . Das war etwas ganz Spezielles, und wir haben uns
dementsprechend gefreut .
Wir haben es geschafft, die Entwicklung in den Jahren 2015, 2016 und jetzt für das Jahr 2017 fortzusetzen .
Und wir haben das geschafft, obwohl wir - mehrere Vorredner haben darauf hingewiesen - viele Herausforderungen zu bewältigen hatten, zum Beispiel im Bereich
Migration, obwohl wir mehr Geld für innere Sicherheit
ausgegeben haben, obwohl wir mehr Geld in die äußere Sicherheit investiert haben, obwohl mehr Geld in
die Bildung geflossen ist, obwohl wir mehr Geld an die
Kommunen - Klammer auf: gerne; Klammer zu - und
an die Länder - Klammer auf: weniger gerne; Klammer
zu - gegeben haben
({0})
und obwohl wir viele Dinge gemacht haben, die der Kollege Kahrs im besseren Teil seiner Rede so eindrucksvoll
erläutert hat .
({1})
Insofern können wir sehr stolz auf das sein, was wir geschafft haben .
Wenn man sich die Situation in anderen Ländern dieser Erde anschaut, dann stellt man fest: Das ist schon
etwas ganz besonderes, was wir hier und heute beschließen - wieder einmal beschließen -, und das sollten wir
auch durchaus würdigen .
({2})
Ein guter Haushalt, ein nachhaltig guter Haushalt ist
immer auch ein Spiegel dessen, was in der Gesellschaft,
was im Land abläuft . Im Gegensatz zur Opposition bin
ich der Meinung, dass vieles sehr gut in unserem Land
läuft . Wir haben Beschäftigungszahlen, von denen wir
vor zehn Jahren noch geträumt hätten; übrigens verbunden mit realen Lohnerhöhungen . Wir haben reale Rentensteigerungen . Wir haben in sehr vielen Bereichen,
insbesondere im Bereich der sozialen Gerechtigkeit, Verbesserungen erzielt . Wir haben sehr viel Geld investiert .
Wir haben Verbesserungen im Gesundheitssystem und
im Pflegebereich erzielt.
Vieles - natürlich nicht alles - ist gut geworden in unserem Land . Das ist eine großartige Gemeinschaftsleistung der Politik, ja, auch der etablierten Parteien, die das
Ganze hier seit 70 Jahren am Laufen halten . Das ist aber
auch eine Leistung der Menschen in der Verwaltung und
in den Unternehmen, der Arbeitgeber, aber auch ganz
besonders der Arbeitnehmer . Das ist eine Leistung des
Ehrenamtes, aber das ist auch eine Leistung - und darüber reden wir zu wenig -, die sehr viel in den Familien
erbracht wird, meine Damen und Herren .
({3})
Aber es ist nicht nur unsere eigene Leistung; denn
wenn die gleichen Politiker, die gleichen Beamten, die
gleichen Unternehmer, die gleichen Arbeitnehmer und
die gleichen Ehrenamtler das gleiche Engagement, die
gleiche Mühe und den gleichen Schweiß nicht in der Mitte Europas in die Sache gesteckt hätten, sondern in Afrika oder in anderen Teilen der Erde, dann wäre weitaus
weniger dabei herausgekommen . Deswegen sollten wir
uns immer vor Augen halten, dass wir nicht nur aufgrund
unserer eigenen Leistung so gut dastehen, sondern dass
das auch ein ganz großes Glück ist . Vielleicht sollten wir
gerade in einer Haushaltswoche einmal innehalten und
ein bisschen über dieses große Glück nachdenken . Vielleicht sollten wir uns vor Augen führen, dass wir sehr viel
Anlass haben, fröhlich und dankbar zu sein für das, was
wir hier heute beschließen .
Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn
eine Schulklasse zu mir kommt, dann erkläre ich denen
immer, dass es Ihr Job ist und dass Sie dafür bezahlt werden, die Regierung zu kritisieren, egal wie gut es läuft
in diesem Land, dass das zu einer Demokratie dazugehört . Aber vielleicht wäre es gut, wenn Sie in Ihrer ArEkin Deligöz
gumentation an der einen oder anderen Stelle ein wenig
mehr Maß und Mitte zeigen würden, wenn Sie nicht alles
schlechtreden würden,
({4})
sondern einmal auch die Dinge darstellen würden, die gut
laufen .
({5})
Ich denke, ein bisschen mehr Dankbarkeit würde uns an
der Stelle guttun, meine Damen und Herren .
({6})
Wir sollten aufgrund unserer guten Leistungen, aufgrund des Glücks, das wir gehabt haben, nicht übermütig
werden, sondern wir müssen mit viel Respekt - der Bundesfinanzminister hat darauf hingewiesen - die Herausforderungen, die vor uns liegen, angehen . Dabei geht es
nicht nur um die innere Sicherheit, für die wir viel Geld
ausgeben müssen, und um die äußere Sicherheit, sondern
insbesondere auch um das Thema Migration . Wenn wir
etwas gegen ungezügelte Migration tun wollen, dann
müssen wir vor Ort anfangen, Fluchtursachen zu bekämpfen, ja, auch Deals abschließen - der Deal mit der
Türkei wird nicht der letzte Deal sein, sondern wir werden auch mit anderen Ländern Deals machen müssen -,
und wir müssen etwas von unserem Reichtum abgeben .
Das bedeutet, dass wir haushalterische Belastungen haben . Deswegen besteht kein Anlass, jetzt das Geld mit
dem Füllhorn auszuschütten .
Ich weise auf noch eine Sache hin: Momentan läuft
die Wirtschaft gut . Das ist nicht selbstverständlich . Wenn
die Wirtschaft nicht mehr gut läuft, ist der Bund dreimal dabei: durch geringere Steuereinnahmen, durch die
Notwendigkeit, die Sozialversicherungssysteme zu stabilisieren, und durch die Notwendigkeit, konjunkturelle
Anreize zu setzen .
Die Wirtschaft steht vor dem wahrscheinlich größten Umbruch in der Nachkriegsgeschichte . Dabei geht
es nicht nur um die Digitalisierung und die E-Mobilität im Bereich der Autoindustrie, sondern auch um den
3D-Druck und ganz viele andere Sachen . Dementsprechend tun wir gut daran, unsere Haushalte heute nicht
auf Kante zu nähen, sondern Reserven zu bilden, die wir
nutzen können, wenn das Land diese Reserven braucht .
Das sollte uns bei allen Haushaltsberatungen mit Blick
auf die Ausgabenwünsche mehr leiten als die gute Einnahmesituation, die wir momentan haben .
Respekt vor der Aufgabe, aber auch Respekt vor den
kommenden Generationen - das ist heute noch gar nicht
angesprochen worden .
({7})
Wir machen momentan Geschäfte zulasten Dritter, nämlich Geschäfte zulasten der kommenden Generation . Das
gilt insbesondere für das Thema Rente . Diese Diskussion
werden wir auch in dieser Woche an der einen oder anderen Stelle aufnehmen . Zu der Rentendiskussion muss
man Folgendes sagen: Wir haben viel im Bereich der
Rente gemacht . Ob das nun gut oder schlecht war, es war
auf alle Fälle teuer:
({8})
der zusätzliche Mütterrentenpunkt, die Rente mit 63, notwendige Verbesserungen im Bereich der Erwerbsminderungsrente und im Bereich der Reha sowie die Flexirente,
die ich ausdrücklich gutheiße .
Jetzt diskutieren wir aber über weitere Punkte, die
zu Belastungen führen: über Rentenuntergrenzen, über
die Lebensleistungsrente, über weitere Verbesserungen
im Bereich der Erwerbsminderung, über die Ost-WestAngleichung und über viele andere Sachen . Das können
wir alles machen, wenn diese Generation das bezahlt .
Das können wir aber nicht machen, wenn wir sagen:
„Das muss die nächste Generation bezahlen“; denn, egal
ob wir Zuwanderung haben oder nicht, in Zukunft werden weniger Menschen im Berufsleben stehen . Das heißt
für die kommende Generation: Die Lasten, die getragen
werden müssen, werden auf weniger Schultern verteilt .
Ich habe es von dieser Stelle aus schon einmal gesagt: Ich halte es für nahezu unverantwortlich, dass wir
die Spielräume für diejenigen, die in 20, 30 Jahren hier
sitzen werden, durch unsere heutigen Beschlüsse, insbesondere im Bereich der Sozialversicherungssysteme, einschränken; denn die Generation, die in 20 oder 30 Jahren
hier sitzen wird, wird auch vor Herausforderungen stehen . Sie wird ebenso wie wir Herausforderungen in den
Bereichen Migration und Klima meistern müssen - das
ist zu Recht angesprochen worden -, aber sie wird auch
vor neuen Herausforderungen stehen, von denen wir heute noch überhaupt nichts wissen .
Dementsprechend lautet mein dringender Appell, dass
wir in den anstehenden Beratungen und bei der Formulierung der Wahlkampfprogramme immer im Hinterkopf
haben, insbesondere bei den Themen Rente und Sozialversicherung, dass die kommende Generation das Ganze
bezahlen muss und wir eine größere Verantwortung für
die kommende Generation haben als für diese Generation . Das sollte uns an der Stelle leiten .
({9})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe von Dankbarkeit und Respekt gesprochen . Aber ich möchte auch
von Optimismus sprechen . Die Herausforderungen, die
vor uns liegen, sind von meinen Vorrednern bereits skizziert worden; sie betreffen das Klima, die Migration, die
innere und äußere Sicherheit und viele andere Aspekte .
Aber ich glaube, wir in Deutschland sind stark genug,
um diesen Herausforderungen etwas entgegenzusetzen .
Wir haben seit nunmehr fast 70 Jahren - die ersten
Bundesländer feiern gerade entsprechende Jubiläen - ein
politisches System, das es immer geschafft hat, auf die
jeweiligen Herausforderungen am Ende eine gute Antwort zu finden. Unser politisches System ist - im Gegensatz zum System vieler anderer Länder, beispielsweise zu
dem der Vereinigten Staaten - zwar langsam und mühsam . Es hat es aber immer geschafft, einen breiten gesellschaftlichen Konsens herzustellen, zumindest zwischen
den großen und - ich sage es noch einmal - momentan
so verpönten etablierten Parteien . Es ist ein unglaublich
großer Wert, dass es in diesem Land Parteien gibt, die
zwar miteinander streiten, die es aber in irgendeiner Art
und Weise trotz unterschiedlicher Meinungen schaffen,
einen Konsens zu erzielen . Es wäre in vielen Ländern der
Welt nicht möglich, eine Große Koalition zu bilden . In
Deutschland ist das möglich . Das ist für die Politik ein
ganz großer Wert .
Das ist eigentlich ein schöner Schlusssatz, Herr
Brinkhaus .
Jetzt kommt der Schlusssatz . - Von Bedeutung ist aber
nicht nur das politische System . Wichtig sind auch die
Menschen in diesem Land, die unglaublich leistungsstark
sind . Auch die Wirtschaft in diesem Land ist leistungsstark: mit ihren Familienunternehmen, mit ihrer Innovationskraft, mit den gut ausgebildeten Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern . Wenn man all das zusammennimmt unser gesellschaftliches System, unseren Zusammenhalt,
die leistungsbereiten und motivierten Menschen, die im
Ehrenamt oder sonst wo engagiert sind, und unsere gute
Wirtschaft -, dann muss man sagen: Wir sollten nicht
nur dankbar sein und Respekt vor den vor uns liegenden
Aufgaben haben, sondern wir sollten auch zuversichtlich
und optimistisch sein, dass wir auch im nächsten Jahr hoffentlich in einer gut arbeitenden Koalition; sicher in
einer Koalition mit uns - einen guten Haushalt vorlegen
werden .
Danke schön .
({0})
Der Kollege Krüger ist der nächste Redner für die
SPD-Fraktion .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nach diesen vielen vortrefflichen Schlusssätzen des Kollegen Brinkhaus weiß ich gar nicht, wie ich den Schritt
zurück auf die Sachebene hinbekommen soll; aber ich
versuche es .
({0})
Wir haben es, liebe Kolleginnen und Kollegen, wieder
einmal geschafft: 329,1 Milliarden Euro - das sind genau
400 Millionen Euro mehr als im Regierungsentwurf vorgesehen -, das ist der Betrag, den sich der Haushaltsausschuss aktuell auf die Fahne schreibt . Zu den Investitionen in Höhe von 36,07 Milliarden Euro ist schon einiges
gesagt worden . Ohne die einzelnen Etats anzusprechen,
muss man sagen: Es ist eine echte Herausforderung, so
viel PS - 36,07 Milliarden Euro - auf die Straße zu bringen und dabei nicht nur Gummiabrieb zu erzeugen . Das
wird die große Aufgabe der einzelnen Ressorts sein . Es
ist ein Signal an die deutsche Wirtschaft und die Beschäftigten, dass Bundesregierung und Bundestag ihre Aufgabe wahrnehmen .
Es wird vor allen Dingen - das ist auch den Notwendigkeiten geschuldet - deutlich mehr Geld in ein zweites
Sicherheitspaket gesteckt . Es sollen bis zum Jahre 2020
4 300 neue Stellen bei den Sicherheitsbehörden geschaffen und 876 Millionen Euro für Personal- und Sachmittel
zur Verfügung gestellt werden . Das sind Maßnahmen,
mit denen wir den Herausforderungen der Zeit im Sinne
unserer Bürgerinnen und Bürger effizient begegnen.
Zur Bekämpfung der Fluchtursachen erhalten das
Auswärtige Amt circa 628 Millionen Euro und das Entwicklungshilfeministerium 554 Millionen Euro mehr als
im Regierungsentwurf vorgesehen . Das sind klare Signale, dass sich Deutschland zu seiner Verantwortung in
der Welt bekennt .
Im Rahmen unseres Solidarpakts - er wurde schon
mehrfach angesprochen - stellen wir 5 Milliarden Euro
für sozialen Wohnungsbau, Integration und Langzeitarbeitslose bereit . Durch diese Schwerpunkte im sozialen
Bereich machen wir deutlich, dass wir die Menschen in
unserem Lande nicht im Stich lassen .
Trotz dieser Schwerpunktsetzungen und trotz unvorhersehbarer zusätzlicher Kosten, gerade bei der Unterbringung der zu uns gekommenen Menschen, haben wir
einen ausgeglichenen Haushalt . Natürlich: Das hängt
auch mit den niedrigen Zinsen und der guten Konjunktur - beides ist angesprochen worden - zusammen .
Gleichwohl tun wir gut daran, unsere Erfolge beim Namen zu nennen. Wir dürfen die fiskalischen und wirtschaftlichen Erfolge der Großen Koalition nicht kleinreden .
({1})
Nun zu zwei Punkten, die den Etat des Bundesfinanzministeriums betreffen. Im Etat des Bundesfinanzministers, welcher sehr stark durch Verwaltungskosten, Personalkosten etc . geprägt ist, ist für 2017 ein Ausgabensoll
von knapp 6 Milliarden Euro vorgesehen . In den Beratungen haben wir noch 111 Millionen Euro drauflegen
können . Warum haben wir das gemacht? Wir haben uns
die Personalausgaben beim Zoll, aber auch die Ausgaben
für Investitionen in die Informationstechnik zur Gewährleistung der Sicherheit und Integrität finanzrelevanter
Daten einmal angeschaut und sind dann zu dem Schluss
gekommen: Hier müssen wir etwas tun . Bei der Zollverwaltung gibt es einen Aufwuchs von 505 Stellen . Auf die
Finanzkontrolle Schwarzarbeit entfallen dabei 346 Stellen .
Wir alle wissen - das ist jedenfalls die Meinung meiner Fraktion -, dass der Mindestlohn ein sozialer Meilenstein war und ist .
({2})
Die düsteren Szenarien - vor zwei Jahren von einzelnen
Arbeitgebern an die Wand gemalt - sind allesamt widerlegt worden . Wir sehen allerdings heute, dass es immer
noch Arbeitgeber gibt, die mit allen Mitteln und Tricks
versuchen, die Arbeitnehmer um ihren verdienten Lohn
zu bringen . Das ist schäbig und muss vonseiten des Staats
sanktioniert und effektiv bekämpft werden .
({3})
Es ist ein wichtiger Punkt gewesen - zusätzlich zu den
bereits ausgebrachten 200 Stellen -, dafür zu sorgen,
dass die Finanzkontrolle Schwarzarbeit kein zahnloser
Tiger ist oder wird .
Lassen Sie mich daher zum Abschluss noch einige
Bemerkungen - auch das ist im Einzelplan 08 etatisiert zu Fragen des sozialen Wohnungsbaus der BImA, die so
häufig angesprochen wird, machen. Wir hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, 100 Millionen Euro für die
Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern im
Rahmen des sozialen Wohnungsbaus - auf Konversionsflächen etc. - aufzubringen. Dann ergab sich plötzlich die
Notwendigkeit, mehrere Hunderttausend Menschen binnen kürzester Zeit hier in menschenwürdigen Unterkünften unterzubringen und zu versorgen . Dabei hat uns die
BImA - das sollte an dieser Stelle auch einmal deutlich
gesagt werden - geholfen . Es wurden 165 000 Unterbringungsplätze in 1 155 BImA-Liegenschaften zur Verfügung gestellt . Das ging einher mit der Zurverfügungstellung von Mitteln in Höhe von mehr als 150 Millionen
Euro aus dem Etat . Das ist die Leistung, die wir erbracht
haben, um den Kommunen bei den ihnen obliegenden
Aufgaben - wie ich denke, auch effizient - zu helfen.
Da ist natürlich - das war die logische Konsequenz Folgendes passiert . Die 100 Millionen Euro, welche die
Große Koalition im Koalitionsvertrag festgeschrieben
hatte, sind nur zu einem Bruchteil abgeflossen, weil die
Kommunen in ihrer Not schlicht und ergreifend die mietzinsfreie Überlassung von Liegenschaften und die Übernahme von Herrichtungskosten zur Unterbringung von
Flüchtlingen und Asylbegehrenden der Eigenentwicklung, die zudem noch Zeit kostete, vorzogen . Von daher
haben wir im Haushalt ein kleines, aber, wie ich denke,
wichtiges Detail verankert: Wir haben nämlich die ursprüngliche Befristung auf vier Jahre für die Verwendung
der 100 Millionen Euro um zwei weitere Jahre erweitert,
sodass es also möglich sein wird, auch in der nächsten
Wahlperiode auf diesen Topf zurückzugreifen, um dann
den Kommunen, die sich mithilfe entbehrlicher Grundstücke der BImA fortentwickeln wollen, die Möglichkeit
zu geben, die entsprechenden Flächen preisgünstig zu
erwerben . Sie könnten diese dann, sofern sie sozialen
Wohnungsbau betreiben, sogar mit einem nennenswerten
Nachlass von 25 000 Euro pro geschaffener Wohneinheit
zugunsten ihrer Bürgerinnen und Bürger am Markt anbieten .
Ich denke also - das sage ich als kleine Überschrift -,
dass dieser Haushalt Maß und Mitte wahrt . Er setzt soziale Akzente, vernachlässigt nicht die Herausforderungen
der Zukunft und ist ein Haushalt für die Bürgerinnen und
Bürger . Daher kann er sich sehen lassen .
Ich danke Ihnen .
({4})
Ich erteile nun das Wort dem Kollegen Barthalomäus
Kalb für die CDU/CSU .
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Dieser Bundeshaushalt macht Freude . Wir
können wiederum einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen . Seit 45 Jahren hat es Derartiges nicht gegeben . Ich
glaube, darauf können wir stolz sein . Das ist eine historische Leistung . Diese Leistung ist aber auch nur deswegen möglich, weil es viele fleißige, tüchtige und kreative
Menschen in diesem Land gibt, die unser Volkseinkommen bzw . unser Bruttoinlandsprodukt erwirtschaften und
sich jeden Tag anstrengen .
Dieser Haushalt ist aber auch das Ergebnis der richtigen Rahmensetzung durch die Politik . Wir haben in
der Vergangenheit wichtige Weichenstellungen vornehmen müssen . Ich erinnere an die Situation in den
Jahren 2007/2008 . Da haben wir in der Finanz-, Wirtschafts-, Banken- und Euroverschuldungskrise - bei all
diesen Ereignissen - die richtigen Maßnahmen ergriffen .
Vielleicht sollten wir heute auch darauf hinweisen,
dass sich diese Maßnahmen, über die wir seinerzeit ernsthaft gerungen haben - es gab viele Diskussionen darüber,
ob sie richtig sind -, letztlich als richtig und stabilisierend herausgestellt haben . Ich darf nur erwähnen, dass
die Garantien für die Bankenrettung samt und sonders
ohne einen Cent Verlust wieder zurückgegeben werden
konnten . Ähnlich war es bei den Maßnahmen, die zur
Stabilisierung des Euros beigetragen haben . Auch sie wir haben hier sehr streitig darüber diskutiert und darum
gerungen, ob sie richtig sind oder nicht - haben sich als
richtig erwiesen .
({0})
Das Wohlergehen der Menschen bei uns hängt auch
vom Wohlergehen Europas - von der Stabilität des Euros
sowie von der Einheit und der Zukunftsfähigkeit Europas - ab . Das wird in Zukunft vermutlich sogar noch stärker der Fall sein, weil sich die Dinge auch international
sehr rasant verändern und die Bedrohungen eher zunehmen . Diese Vorgänge führen natürlich zu einer wachsenden Verunsicherung in der Bevölkerung - auch bei uns .
Objektiv gesehen geht es uns so gut wie selten zuvor:
Die Wirtschaft wächst, wir haben den höchsten Stand
an Erwerbstätigen und sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die Lage der Sozialversicherungssysteme ist
gut, und insbesondere in Bezug auf die Jugendarbeitslosigkeit würden sich viele Länder Europas unsere Situation wünschen . Die jungen Menschen haben derzeit
Chancen wie in kaum einer Zeit vorher .
({1})
Trotzdem gibt es auch in diesen guten Zeiten Menschen, die nicht auf der Sonnenseite stehen . Auch für sie
treffen wir in diesem Bundeshaushalt Vorsorge: Ich darf
einmal darauf hinweisen, dass weit mehr als 50 Prozent
des Bundeshaushaltes für Soziales verwendet wird . Das
zeigt, dass wir auch für diejenigen da sind, die es im Leben nicht so leicht haben .
({2})
Wir unterstützen - auch das ist bereits mehrfach angesprochen worden - die Länder und die Gemeinden, damit
sie ihre Aufgaben erfüllen können . Das gilt vor allen Dingen hinsichtlich der Bewältigung der Probleme, die sich
aus den Flüchtlingswellen ergeben . Daneben darf man
sagen, dass auch die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs, der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern,
nicht zum Nachteil der Länder ausgefallen ist .
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir geben die richtigen Antworten auf die Herausforderungen
in der kommenden Zeit . Wir stärken die Investitionen .
Wie oft hätte ich mir in der Vergangenheit gewünscht,
im Bundeshaushalt eine Investitionsquote von 11 Prozent feststellen zu können! Diese Mittel fließen in den
Substanzerhalt, in die Erneuerung und Ergänzung der
Verkehrsinfrastruktur und auch, Herr Kollege Rehberg,
in die Stärkung der ländlichen Räume sowie den Ausbau
der digitalen Infrastruktur . Das alles gehört zusammen .
Ein ganz wichtiges Anliegen ist uns die Sicherheit .
Auf dieses berechtigte Anliegen der Bevölkerung gehen
wir mit großen Anstrengungen für die Bundespolizei und
unsere Sicherheitsorgane ein . Wir geben auch die richtigen Antworten auf die Fragen - auch das ist angesprochen worden -, die sich aus der Bekämpfung der Fluchtursachen und der daraus entstehenden Risiken ergeben .
„Entwicklungszusammenarbeit“ ist hier ein Stichwort .
Natürlich müssen wir auch für die äußere Sicherheit
sorgen . Deswegen unternehmen wir verstärkte Anstrengungen im Verteidigungsbereich . Auch wenn man das
kritisieren mag: Die allermeisten Menschen im Lande
wissen, dass auch die Belange der äußeren Sicherheit zunehmend an Bedeutung für uns gewinnen .
Die Steuerschätzung vom November hat gezeigt, dass
zwar die Einnahmen steigen, dass aber die Bäume auch
hier nicht in den Himmel wachsen . Deswegen müssen
wir jetzt, in guten Zeiten, Vorsorge treffen, damit wir
uns in schlechten Zeiten nicht wieder überfordert fühlen
müssen .
Meine Damen und Herren, natürlich müssen wir uns
auch Gedanken über die Entwicklung der Steuerquote
machen . Wir wissen, sollte die Steuerquote einmal über
23 Prozent steigen, so wird sich das eher konjunkturdämpfend bis konjunkturschädlich auswirken . Deswegen
werden wir in der nächsten Legislaturperiode eine Steuerreform angehen müssen . Ich denke an die Überprüfung
der kalten Progression, wie wir sie uns vorgenommen
haben, und insbesondere an den Abbau des sogenannten
Mittelstandsbauches . Das hat nichts mit dem klassischen
Mittelstand zu tun, sondern mit den Beziehern kleinerer
und mittlerer Einkommen .
Natürlich stellt sich auch die Frage: Wann greift der
Spitzensteuersatz? Ich glaube, niemand im Lande fühlt
sich mit einem Einkommen von gut 53 000 Euro bereits
als Besserverdiener oder gar als Spitzenverdiener . Auch
darauf müssen wir eine Antwort geben . Später müssen
wir uns mit dem Solidaritätszuschlag befassen . Bund und
Länder haben sich bereits darauf verständigt, dass wir all
dies angehen wollen .
({3})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube,
auch hier gilt, dass wir immer abwägen müssen: Wie viel
Einnahmen brauchen der Staat und die öffentliche Hand,
um die Aufgaben zu erfüllen, die sie erfüllen müssen?
Auf der anderen Seite gilt: Wie viel muss man dem Bürger belassen? In Abwandlung eines Bibelwortes möchte
ich sagen: Gebt dem Staat, was des Staates ist, und lasst
dem Bürger, was des Bürgers ist .
Lassen Sie uns also mit Leidenschaft, Hingabe und
Begeisterung für die Menschen und deren Zukunft in unserem Lande arbeiten . Dies gilt auch eingedenk dessen,
was Helmut Schmidt gesagt hat - ich darf ihn zitieren -:
Keine Begeisterung sollte größer sein als die nüchterne Leidenschaft zur praktischen Vernunft .
Herzlichen Dank .
({4})
Der Kollege Lothar Binding hat nun das Wort für die
SPD-Fraktion .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte erst einmal
allen Bürgerinnen und Bürgern sowie allen Unternehmen
danken, die ihre Steuern fair und korrekt zahlen .
({0})
Ich bin in der Haushaltsdebatte für die Einnahmen zuständig . Aber die Einnahmen kommen von anderen,
nämlich von denen, die hier oder woanders sind .
Immerhin haben wir Gesamteinnahmen von etwa
700 Milliarden Euro . Das ist für unseren Staat schon eine
erkleckliche Summe . Allein für den Bund belaufen sich
die Einnahmen auf 300 Milliarden Euro, und zwar trotz,
vielleicht auch wegen unseres Systems, das zwar ein bisschen kompliziert ist, aber doch zu solchen Einnahmen
führt . Dies geschieht sogar dann noch, wenn sich viele
bemühen, die Steuern zu umgehen, zu sparen, auch ein
bisschen zu betrügen; all diese Dinge gibt es . Aber insgesamt ist die Leistung aller Bürgerinnen und Bürger sehr
groß . Deshalb haben wir ein tolles Land . Ein tolles Land
braucht Politiker, die das alles organisieren; das stimmt .
Es braucht aber auch die Bürger, die sich beteiligen .
Immerhin: Wir können in Sicherheit auf die Straße gehen, jedenfalls fast überall . Wir haben seit langer
Zeit Frieden . Ich kann ins Krankenhaus gehen und mich
dort behandeln lassen . Wir können sicher Zug fahren .
Wir haben gute Wohnungen . Meine Mutter genießt eine
gute Pflege. Und doch geht es vielen Leuten in unserem
Land richtig schlecht . Um diese Menschen müssen wir
uns kümmern . Das ist sicherlich eine Zukunftsaufgabe
für das kommende Jahr und die folgenden Jahre . Wenn
die Situation aber so bleibt, wird die Spannung in der Bevölkerung steigen, und dann wird es zu Problemen kommen . Die Hauptaufgabe in der Politik ist es, für soziale
Gerechtigkeit zu sorgen .
({1})
Gesine Lötzsch hat vorhin gesagt: Die AfD ist ein Kind
der Großen Koalition . - Ich muss sagen, das hat mich etwas irritiert . Die PVV in Holland, der Front National in
Frankreich, die Nationale Allianz in Italien, die Wahren
Finnen in Finnland und auch die Wahl von Trump waren
nicht alles Folgen der Großen Koalition .
({2})
Ich möchte sogar sagen: Die Tatsache, dass die Hälfte
deines Wahlkreises an die AfD gegangen ist, ist nicht allein deine Schuld .
({3})
Ich glaube, wir müssen schauen, dass wir hier nicht
die Politik als Ganzes beschädigen . Unsere Aufgabe ist
es nämlich, Vertrauen in die Politik und Glaubwürdigkeit in uns, die Politiker, herzustellen . Da ist eine billige
Schuldzuweisung ein Schaden für alle, auch gegenüber
denen, die sich ernsthaft anstrengen, etwas für das Volk
zu machen . Solche Worte sind kontraproduktiv und zerstören Vertrauen .
({4})
Ich will eine Bemerkung in Sachen Ökonomie zu
Ekin Deligöz machen, die gesagt hat: Die Investitionen
in diesem Haushalt sind sehr gering . - Ich bin froh, dass
sie in diesem Haushalt genau so sind, wie sie sind . Denn
was würde passieren, wenn alle Brückenbauer beschäftigt wären, wenn alle Schulsanierer am Bau wären und
alle Bauarbeiter mit sozialem Wohnungsbau beschäftigt
wären und wir jetzt - in diesem Jahr bzw . kurzfristig noch mehr investierten? Es würden lediglich die Preise
steigen, aber es würde keine einzige Schule mehr saniert
und keine einzige Straße mehr gebaut .
({5})
Deshalb ist es kluge Politik, dass wir die Investitionen
jetzt planen und das Baurecht für den Zeitpunkt schaffen,
wenn die Konjunktur nachlässt und eine Zunahme der
Arbeitslosigkeit eventuell durch Investitionen zu vermeiden wäre . Genau in den Moment investieren wir und machen dann eine antizyklische Globalsteuerung, die auch
funktioniert . Das ist sehr gut .
({6})
Jetzt muss ich leider etwas zu dem Kollegen Rehberg
sagen; denn er hat - nicht ganz zufällig - vorhin nicht
Mecklenburg-Vorpommern, sondern ein anderes Land
angeprangert . Aber es gibt - darauf hat mich der Kollege
Bernhard Daldrup hingewiesen - ein Protokoll der Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den Ländern vom 7 . Juli . Darin heißt es, die dreimal 2 Milliarden
Euro für die Integrationspauschale dienen der Entlastung
der Länder . Da hat jemand, ehrlich gesagt, schlecht verhandelt, sonst wären nämlich die Kommunen explizit genannt worden . Das ist leider nicht der Fall .
({7})
Die Ländermilliarden werden von Schleswig-Holstein, vom Saarland, von Brandenburg und von Mecklenburg-Vorpommern - dort kennen Sie sich ja genauer
aus - leider nicht weitergegeben . Auch die Integrationspauschale wird oft nicht weitergegeben, und zwar von
NRW - das wurde als Einzelland erwähnt -, Brandenburg, Niedersachsen und - man höre - Bayern . Man
merkt: Einzelne Länder zu nennen, eignet sich oft nicht,
um sich selber reinzuwaschen . Denn wenn das plötzlich
jemand merkt, ist das unangenehm .
({8})
Man fragt sich, wer eigentlich überhaupt Steuern
zahlt . Es gibt gar nicht so viele Leute, die Steuern zahlen .
Das sind vor allem die Lohnempfänger . Bei ihnen wird
nämlich die Lohnsteuer gleich vom Lohn abgezogen .
Auch die Unternehmen zahlen Steuern, etwa die Körperschaftsteuer . Komischerweise nehmen wir damit relativ wenig ein, obwohl die Körperschaften hohe Gewinne
machen . Aber irgendetwas bewirkt, dass die extrem starken Unternehmen extrem wenig Steuern bezahlen . Das
müsste einmal genauer untersucht werden . Wir haben
das als Parlament gemeinsam mit dem Bundesfinanzministerium untersucht, wobei wir uns sehr gut gegenseitig
unterstützt haben . Wir machen ein Programm gegen internationale Steuergestaltung und gegen Steuerhinterziehung .
Last, but not least gibt es - darin sind wir uns nicht
ganz einig - an ganz anderer Stelle Betrug, zum Beispiel
überall dort, wo es keine Kassen gibt . Man kann zwar
sagen: „Lasst den Leuten doch diese kleinen Einkommen
aus der Eisdiele oder vielleicht aus dem Friseurladen
Lothar Binding ({9})
oder einer Gaststätte“; das wäre aber leider ein Wettbewerbsnachteil für die Ehrlichen .
({10})
Wir sind dafür, einen fairen Markt zu schaffen . Deshalb sagen wir: Wir brauchen die Kassenpflicht, die Registrierung der Kassen und die Bonausgabepflicht, um
Betrug zu verhindern, und wir brauchen BEPS: Base
Erosion and Profit Shifting. Das ist das gemeinsame
Programm für die Konzerne . Aus diesen beiden Komponenten werden wir auch künftig die Steuereinnahmen
sichern und für eine gute Zukunft sorgen .
Schönen Dank .
({11})
Für eine Kurzintervention erhält der Kollege Rehberg
das Wort .
Herr Kollege Binding, man sollte sich immer zu
100 Prozent informieren .
({0})
Die Wahrheit ist, dass drei Bundesländer von Beginn an
100 Prozent der Flüchtlingskosten übernommen haben,
und zwar das Saarland, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern, dass sich aber Nordrhein-Westfalen von Beginn an dadurch ausgezeichnet hat, nicht einmal ein Drittel der Kosten zu übernehmen .
({1})
Ich zitiere als Kronzeugen den Duisburger Oberbürgermeister Sören Link . Er kritisiert, das Land verwende die Integrationspauschale zur Entlastung des eigenen
Haushaltes . Und der Städte- und Gemeindebund macht
deutlich, dass das Land Nordrhein-Westfalen eben
nicht - im Gegensatz zu Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, wo zumindest die Bundesmittel aufgeteilt
worden sind - vorher die Kosten übernommen hat .
Wenn man also hier etwas vorträgt, dann sollte man
sich zuvor zu 100 Prozent informieren . Mecklenburg-Vorpommern stehen - weil es von Beginn an 100 Prozent der
Kosten selber getragen hat - die Mittel der Integrationspauschale für den Landeshaushalt zur Verfügung .
({2})
- Nein, das, was NRW gemacht hat, hat es nicht besser
gemacht .
Letzter Redner zu diesem Einzelplan ist der Kollege
Carsten Körber für die CDU/CSU .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
2 974 Seiten, Drucksache 18/9200, das ist der Entwurf
des Bundeshaushaltsgesetzes 2017 . Wir haben über ihn
im Haushaltsausschuss in der letzten Sitzungswoche
beraten . Er umfasst insgesamt 23 verschiedene Einzelpläne, vom Haushalt des Bundespräsidenten bis hin zum
Haushalt der Allgemeinen Finanzverwaltung . Nach den
Beratungen hier im Plenum werden wir diesen letzten
Haushalt dieser Legislaturperiode am Freitag beschließen .
Neulich wurde ich gefragt, was denn für mich die bedeutendste Zahl in diesem Haushalt ist . Einige werden
sicherlich erahnen, wie meine Antwort gelautet hat: Natürlich die schwarze Null!
({0})
Denn keine andere Zahl beschreibt die verantwortungsvolle und weitsichtige Haushalts- und Finanzpolitik besser, die im Bund seit Jahren unter Führung der Union
betrieben wird . Es war sicher nicht immer ganz leicht,
innerhalb der Koalition eine gemeinsame Linie zu finden . Doch am Ende zählt das Ergebnis, und das kann sich
sehen lassen . Auch eine verlässliche Haushaltspolitik
schafft Vertrauen . Vertrauen ist in diesen Tagen leider ein
sehr knappes Gut .
Die Welt ist in den letzten Jahren eine andere geworden . Jahrelang als selbstverständlich hingenommene
Bedingungen existieren nicht mehr . Schauen wir in die
Ukraine, nach Syrien oder in die Türkei . Oder schauen
wir nach Deutschland mit den Herausforderungen der
Flüchtlingskrise, denen wir im vergangenen Jahr gegenüberstanden und zum Teil noch gegenüberstehen . Wir
müssen dabei erkennen, dass die klassische Trennung
zwischen Außen- und Innenpolitik immer mehr verschwimmt und dass Dinge, die in Syrien passieren, auch
eine unmittelbare Wirkung hier in Deutschland haben
können . Vieles ist in Bewegung geraten . Gerade in solchen Zeiten muss Politik Handlungsfähigkeit beweisen .
Ich bin froh, sagen zu können, dass wir das mit diesem
Haushalt tun .
Wir haben deutliche Schwerpunkte in den Bereichen
innere und äußere Sicherheit gesetzt . Wir stärken die
Bundeswehr genauso wie die Bundespolizei . Aber auch
bei der humanitären Hilfe und der Bekämpfung von
Fluchtursachen haben wir deutlich aufgestockt . Insgesamt sind die Investitionen mit rund 11 Prozent des Etats
so hoch wie schon lange nicht mehr . In unseren Beratungen haben wir zudem die Mittel für wichtige Zukunftsinvestitionen um beinahe 3 Milliarden auf insgesamt
36 Milliarden Euro erhöht .
Wir haben im vergangenen Jahr viel erreicht . Natürlich ist dabei nicht alles immer perfekt gelaufen . Aber die
Asylpakete I und II haben gewirkt und maßgeblich dazu
beigetragen, die Situation in den Griff zu bekommen .
Natürlich ist es genauso richtig, dass wir noch viel zu
tun haben . So ist es zum Beispiel dringend geboten, dass
die Grünen endlich ihre Blockade im Bundesrat bei der
Lothar Binding ({1})
Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten auf Tunesien,
Marokko und Algerien aufgeben .
({2})
Der Vorschlag unseres Innenministers, Asylanträge direkt vor Ort in Nordafrika zu prüfen, ist sinnvoll und auch
unter humanitären Gesichtspunkten dringend geboten .
({3})
Denn dann würden weniger Menschen die lebensgefährliche Überfahrt über das Mittelmeer antreten . Dass sich
in Berlin eine linke Landesregierung just darauf verständigt hat, auf Abschiebungen künftig weitgehend zu verzichten, ist sicher kein Signal, das die Menschen im Land
verstehen werden .
({4})
Dabei ist es doch gerade in unruhigen Zeiten wichtig,
Handlungsfähigkeit zu beweisen; denn es steht viel auf
dem Spiel . Vielerorts haben die Menschen das Gefühl,
dass Sicherheit verloren geht . Es wächst die Sehnsucht
nach vermeintlich einfachen Antworten, nicht nur in
Deutschland . Um diesem Vertrauensverlust entgegenzuwirken, muss Politik nachvollziehbare Antworten liefern
und Verlässlichkeit bieten . Das ist uns mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf 2017 gelungen .
Erlauben Sie mir zum Abschluss dazu ein kleines Beispiel . Wir haben im Haushaltsausschuss 200 000 Euro
Startkapital für das Forum RECHT bewilligt . Mit dem
Bonner Haus der Geschichte vergleichbar, soll dieses
Dokumentationszentrum die Entwicklung, die Bedeutung, aber vor allem auch den Wert des Rechtsstaates
einer breiten Öffentlichkeit vor Augen führen . Dabei
soll auch erlebbar gemacht werden, dass der Rechtsstaat
keine Selbstverständlichkeit ist . Das Forum RECHT soll
unter Federführung des Bundesverfassungsgerichts und
des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe entstehen - eine
gute Sache, für die wir uns gerne eingesetzt haben .
Zum Abschluss erlauben Sie mir bitte noch, dass ich
meinem Kollegen Bartholomäus Kalb ganz herzlich für
sein Wirken über eine Politikergeneration hinweg im
Deutschen Bundestag und im Haushaltsausschuss danke .
Er hat eben seine wohl letzte Haushaltsrede gehalten .
({5})
Vielen Dank .
({6})
Ich schließe die Aussprache .
Wir kommen nun zu den Abstimmungen . Zunächst
kommen wir zur Abstimmung über den Einzelplan 08 -
Bundesministerium der Finanzen - in der Ausschussfas-
sung . Wer stimmt dieser Ausschussfassung zu? - Wer
stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der
Einzelplan 08 mit den Stimmen der Koalition gegen die
Stimmen der Opposition angenommen .
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-
plan 20 - Bundesrechnungshof - ebenfalls in der Aus-
schussfassung . Wer stimmt dem zu? - Wer stimmt da-
gegen? - Wer enthält sich? - Damit ist dieser Einzelplan
einstimmig angenommen .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I .5 auf:
a) Einzelplan 07
Bundesministerium der Justiz und für Ver-
braucherschutz
Drucksachen 18/9807, 18/9824
b) Einzelplan 19
Bundesverfassungsgericht
Drucksachen 18/9824, 18/9825
Berichterstatter sind die Abgeordneten Tobias Lindner,
Klaus-Dieter Gröhler, Dennis Rohde und Roland Claus
und mit Blick auf das Bundesverfassungsgericht, Einzelplan 19, die Kollegen Carsten Körber, Dennis Rohde,
Roland Claus und Manuel Sarrazin .
Für die Aussprache sind wiederum 96 Minuten vorgesehen . - Das ist offensichtlich einvernehmlich . Also
verfahren wir so .
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Roland Claus für die Fraktion Die Linke das Wort .
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Maas! Wir sprechen jetzt über das Fachministerium mit dem kleinsten Etat und mit der höchsten
Einnahmequote . Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler müssen wissen, dass 1 Euro für das Ministerium von
Heiko Maas sie nur 25 Cent kosten . Das hängt mit den
hohen Einnahmen, die beim Patentamt und bei den Gerichten erzielt werden, zusammen . Diese Fakten bescheren dem Justizminister zunächst einmal ein fraktionsübergreifendes Wohlwollen im Haushaltsausschuss .
({0})
Ihr Problem, Herr Minister, ist nur, dass die Öffentlichkeit von Ihnen nicht nur Haushaltssicherheit, sondern
auch mehr Rechtssicherheit erwartet .
({1})
Bei den Ankündigungen haben Sie mit vielen Äußerungen durchaus geliefert, bei den Resultaten leider nicht .
Zuweilen muss man Sie daran erinnern; Sie sind schließlich nicht der Pressesprecher des Ressorts, sondern der
Minister, und daher wollen wir sehen, dass Sie mehr liefern .
({2})
Ich will zuerst auf das - aus meiner Sicht - Hauptproblem des diesjährigen Haushalts in Sachen Innen- und
Justizpolitik zu sprechen kommen . Das Entscheidende
ist nämlich in diesem Falle das, was nicht im Etat des
Bundesjustizministers steht . Wir werden beim nächsten
Tagesordnungspunkt den Etat des BundesinnenminisCarsten Körber
teriums besprechen . Dort wird es zusätzliches Geld für
Polizei und Geheimdienste nahezu ohne Ende geben . Ich
meine ein riesiges Sicherheitspaket, über das wir später
reden und das wir bewerten werden . Hier geht es um die
Frage, warum nicht auch im Justizbereich mehr Geld in
die Hand genommen wurde . Ich habe die Bundesminister
de Maizière und Maas in den Haushaltsberatungen immer wieder vergeblich gefragt: Leute, wie passt das denn
zusammen? Ein riesiges Sicherheitspaket auf der einen
Seite müsste doch schlüssigerweise auf der anderen Seite
wenigstens ein - meinethalben auch etwas kleineres Rechtssicherheitspaket nach sich ziehen .
({3})
Hier gilt aber leider Fehlanzeige .
Resultat ist, dass das Bundeskriminalamt zwar mehr
Ermittlungserfolge erzielt, dass aber der Generalbundesanwalt und der Bundesgerichtshof wegen fehlender Ausstattung nicht nachkommen . Wenn es so ist, dann ist es
doch nicht wirklich besser geworden .
({4})
Wenn die Verdächtigen bei den Bundesrichtern Schlange
stehen, bis sie aus Fristgründen freigelassen werden müssen, dann stimmt doch etwas nicht in der Abstimmung
von Justiz- und Innenpolitik . Ich sage mir immer: Das
müssen doch auch Sie sehen . Das ist doch nicht einfach
hinzunehmen .
({5})
Ich sage noch einmal: Logisch und vernünftig wäre
die Regierungspolitik in der Tat nur, wenn ein so gigantisches Sicherheitspaket auch durch ein Rechtssicherheitspaket ergänzt würde . Mit gescheitem Regieren hat das
nichts zu tun .
({6})
Wenn Sie vom Rechtsstaat enttäuschte Wählerinnen
und Wähler zurückgewinnen wollen, dann doch bestimmt nicht so, im sicherheitspolitischen Vorwahlkampf
von CDU und SPD . Machen Sie Ihren Job . Wahlkampf
kriegen wir später .
({7})
Nun zum Verbraucherschutzminister . Auch hier gilt:
Ankündigungen gut, Resultate mangelhaft . Ein aktuelles
Beispiel: Es gab und gibt den Nationalen IT-Gipfel in
Saarbrücken . Da ist viel geredet worden . Es ging auch
um Verbraucherpolitik in der digitalen Welt . Mehr Datenschutz durch bessere Technik heißt das große Versprechen . Das Ministerium sieht hier gar den Schlüssel zur
Datensouveränität . Wir bewerten die Ergebnisse wirklich
als ein Armutszeugnis .
({8})
Das Problem ist doch im Moment, dass sich die Anbieter digitaler Dienstleistungen und die Nutzer digitaler
Dienstleistungen höchst ungleich gegenüberstehen . Hier
wäre staatlich gestützter Verbraucherschutz in ganz anderer Dimension nötig, um Verbraucherinnen und Verbraucher besser vor Abzockern und digitalen Fehlleitungen
zu schützen . Das ist doch der Punkt .
({9})
In einem Punkt sind wir uns alle, glaube ich, in Sachen
Internet mit einer Forderung einig: Wir alle wollen keine
digitale Hasswelt . - Aber leider ist die digitale Realität
eine andere . Mit diesem Bundeshaushalt bekommen wir
mehr staatlich organisierte Freiheitsbeschränkungen und
weniger zivilen Rechtsstaat . Dazu sagen die Koalition Ja
und die Linke Nein .
({10})
Vielen Dank, Herr Kollege Claus . - Einen schönen
Tag Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, von mir . Den
hatten Sie wahrscheinlich auch schon ohne mich .
Nächster Redner: Dr . Johannes Fechner für die SPD .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen!
Wenn wir heute über den Haushalt beraten, dann will ich
zunächst einmal festhalten, dass wir in diesen drei Jahren rechtspolitisch enorm viel geleistet haben: Wir haben
über 50 Gesetze auf den verschiedensten Rechtsgebieten
verabschiedet, und an dieser Stelle deshalb ein herzliches
Dankeschön an unseren Justizminister, der aktiv und engagiert diese vielen Gesetzesinitiativen auf den Weg gebracht hat . Insbesondere will ich Ihnen, Herr Maas, dafür
danken, dass Sie klare Kante gegen Rechtspopulismus
gezeigt haben und dass Sie sich immer konsequent für
eine offene Gesellschaft, für einen starken demokratischen Rechtsstaat einsetzen .
({0})
Genau diese Haltung brauchen wir in dieser Zeit . Vielen
Dank, Herr Minister .
Es ist nicht zu leugnen, dass sich viele Bürgerinnen
und Bürger verunsichert fühlen . Deshalb ist es auch Aufgabe der Rechtspolitik, für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen .
Wir haben in diesem Bereich eine Menge gemacht .
Wir haben die Ausreise in terroristischer Absicht unter
Strafe gestellt. Wir haben die Regelung zur Terrorfinanzierung verschärft . Wir haben das Sexualstrafrecht reformiert und das Anti-Doping-Gesetz geschaffen . Vor allem
haben wir aber eines getan, auch jetzt in diesem Haushalt: Wir haben den Sicherheitsbehörden mehr Personal,
und zwar deutlich mehr Personal, zur Verfügung gestellt .
Wir haben für 2016 auf unsere Initiative 1 500 neue Stellen bei der Bundespolizei geschaffen und jetzt weitere
2 000 neue Stellen für die Bundespolizei vorgesehen . Der
Generalbundesanwalt und das Bundeskriminalamt bekommen mehr Stellen . In Nordrhein-Westfalen werden
300 zusätzliche Richter und Staatsanwälte eingestellt .
Im Berliner Koalitionsvertrag sind 1 600 neue Polizisten
vorgesehen .
Meine Damen und Herren, so bekämpfen wir den Terror und die Kriminalität effektiv:
({1})
erstens Gesetze dort verschärfen, wo es erforderlich ist,
wo tatsächlich Lücken bestehen, zweitens mehr Personal
bei Sicherheitsbehörden, damit die Gesetze auch umgesetzt und vollzogen werden können . Damit schaffen wir
Sicherheit .
({2})
Immer wieder wird der erweiterte Einsatz der Bundeswehr gefordert . Die Bundeswehr kann in Sondersituationen, etwa beim Elbehochwasser, durchaus wichtige
Hilfe leisten . Aber was nicht geht, ist, dass wir Personalengpässe bei der Polizei dadurch beheben wollen, dass
wir Bundeswehreinsätze im Innern weiter und umfangreicher zulassen. Ich finde, der Ruf nach Ausweitung des
Einsatzes der Bundeswehr im Innern wirkt immer wie
ein Misstrauensvotum gegenüber der Polizei ({3})
so nach dem Motto: Die Polizei schafft es nicht, für innere Sicherheit zu sorgen; wir brauchen die Bundeswehr . Das kann es nicht sein . Wir müssen den Einsatzbereich
der Bundeswehr nicht ausweiten, sondern mehr Polizistinnen und Polizisten einstellen .
({4})
Ein zunehmendes Problem in Deutschland ist die
Gewalt gegen Polizisten . Wir können nicht zuschauen,
wenn Polizisten, die sich in gefährlichen Situationen für
die Allgemeinheit einsetzen, derart massiv und zunehmend attackiert werden, wie wir es leider erleben . Wir
wollen deshalb Polizisten mit Bodycams ausrüsten . Wir
haben jetzt im Haushalt 5 Millionen Euro für eine Kampagne gegen Gewalt gegen Polizisten vorgesehen .
({5})
Wir sollten den strafrechtlichen Schutz der Polizistinnen
und Polizisten verbessern . Wenn staatliche Organe - Polizisten, Gerichtsvollzieher oder auch Feuerwehrleute angegriffen werden, dann muss das hart bestraft werden,
liebe Kolleginnen und Kollegen .
({6})
Leider ist die Zahl der Wohnungseinbrüche gestiegen .
Das sind Eingriffe in die Intimsphäre, unter denen die
Opfer noch jahrelang leiden. Ich finde, auch hier müssen
wir tätig werden . Wir sollten einen Gesetzgebungsunfall
der Vorgängerregierung korrigieren . Damals ist der Tatbestand des minder schweren Falls von Wohnungseinbruchsdiebstahl eingeführt worden . Wenn in eine Wohnung eingebrochen wird, ist der intimste Bereich verletzt .
Ich finde, dann kann ein Einbrecher nicht das Privileg
eines minder schweren Falls genießen, das eigentlich für
ganz andere Konstellationen vorgesehen ist . Den minder
schweren Fall des Wohnungseinbruchs sollten wir deshalb streichen, liebe Kolleginnen und Kollegen .
({7})
Effizienter als jede Gesetzesverschärfung bei der Bekämpfung von Wohnungseinbruch ist, dass wir dafür
sorgen, dass sich Bürgerinnen und Bürger ausreichend
und vor allem mit qualitativ hochwertiger Technik gegen
Einbrüche sichern können . Deswegen war es wichtig,
dass die SPD-Forderung durchgegangen ist, die Förderung von Einbruchssicherungstechnik von 10 Prozent auf
20 Prozent zu verdoppeln . Wenn jemand beispielsweise
1 000 Euro in Sicherungstechnik, in gute Schlösser, investiert, bekommt er zukünftig 200 Euro vom Staat geschenkt . Das ist richtig und wichtig; denn für uns gilt:
Sicherheit darf keine Sache des Geldbeutels sein .
({8})
Wir alle haben mit einem gewissen Entsetzen den
US-Wahlkampf beobachtet, der phasenweise zu einer
Schlammschlacht ausartete, wobei insbesondere über die
sozialen Netzwerke Lügen und Manipulationen verbreitet wurden . Auch bei uns in Deutschland gibt es schon
heute in erschreckendem Umfang Hassmails . Was Facebook hiergegen tut, das ist mir viel zu wenig . Wenn Facebook nicht zeitnah dafür sorgt, dass Hassmails und strafbare Inhalte schnell gelöscht werden, dann sind wir hier
als Gesetzgeber gefordert .
({9})
Auch in der digitalen Welt darf es keinen rechtsfreien
Raum geben . Mordaufrufe, Volksverhetzung oder Mobbing, das alles darf nicht folgenlos über das Netz verbreitet werden können . Da müssen wir notfalls tätig werden,
liebe Kolleginnen und Kollegen .
({10})
Rechtspolitisch war und ist uns der Schutz von Kindern besonders wichtig . Deswegen war es wichtig, dass
wir gleich zu Beginn der Legislaturperiode die Strafvorschriften zum sexuellen Missbrauch von Kindern
verschärft haben . Ich hoffe, dass wir in der Koalition
möglichst rasch zu einer Einigung darüber kommen, dass
Minderjährige nicht mehr heiraten können . Damit schützen wir die Mädchen vor Zwangsehen, und wir verhindern, dass minderjährige Mädchen mit älteren Männern
verheiratet werden . Für uns, für die SPD-Fraktion, ist
klar: Mädchen gehören in die Schule, nicht in die Ehe .
Deshalb wollen wir noch in dieser Legislaturperiode ein
Verbot der Minderjährigenehe .
({11})
Sie sehen: Wir haben in den letzten drei Jahren enorm
viel erreicht . Herzlichen Dank dafür an alle, die dabei
konstruktiv mitgearbeitet haben . Lassen Sie uns den Rest
der Legislaturperiode noch nutzen, um weitere wichtige
Gesetze umzusetzen . Wir brauchen ein besseres Mietrecht . Wir müssen es den Handwerkern ermöglichen, Erstattungen für Ein- und Ausbaukosten zu verlangen, und
wir sollten für die Angehörigen von Unfallopfern endlich
eine Grundlage für Schmerzensgeldansprüche schaffen .
({12})
In diesem Sinne lassen Sie uns den Rest der Legislaturperiode angehen .
Vielen Dank .
({13})
Vielen Dank, Dr . Fechner . - Nächster Redner:
Dr . Tobias Lindner für Bündnis 90/Die Grünen .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Es ist ja bezeichnend, dass bei dieser Etatdebatte bisher
nur über den Justizbereich gesprochen wurde bzw . Sie
sich für vieles, Herr Fechner, wofür Sie sich bedanken,
bei Herrn de Maizière bedanken müssten; denn es berührt den Innenetat .
({0})
- Streitigkeiten in der Koalition müssen Sie unter sich
ausmachen; da kann Ihnen jetzt die Opposition nicht
auch noch helfen .
({1})
Ich will sehr gerne ein paar Dinge zum Verbraucherschutz sagen . Es fällt ja oft hinten herunter, dass dieses
Ministerium noch eine zweite Aufgabe hat: Es ist das
Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz . Das
haben Sie selbst in den Koalitionsverhandlungen so
entschieden . 2014 haben Sie einen Etat hingelegt: rund
650 Millionen Euro - Kollege Claus hat es erwähnt -,
der kleinste Etat der Ressorts im Bundeshaushalt . Inzwischen - es ist ja ein guter Zeitpunkt, Bilanz zu ziehen ist dieser Etat auf 825 Millionen Euro angewachsen; das
heißt um 27 Prozent gestiegen .
Wenn wir jetzt den Einmaleffekt herausrechnen, nämlich eine Kapitalerhöhung für die Stiftung Warentest in
Höhe von 90 Millionen Euro, dann bleiben noch rund
90 Millionen Euro als Etatsteigerung in dieser Legislaturperiode übrig . Nur, was ist davon, liebe Kolleginnen und Kollegen, in den Verbraucherschutz gegangen?
Ganze 9 Millionen Euro, ein Zehntel davon . Sie, Herr
Minister Maas, führen kein Ministerium der Justiz und
für Verbraucherschutz; das ist eher ein Justizministerium
mit einem Hauch von Verbraucherschutz . Sie haben hier
die Chance verpasst, die Ressortumorganisation auch
im Haushalt wirklich vernünftig nachzuvollziehen, Herr
Maas .
({2})
Jetzt schauen wir einmal auf das, was Sie inhaltlich gemacht haben . Schauen wir einmal auf die Marktwächter .
Sie wissen: Wir als Grüne haben diese Instrumente unterstützt und gutgeheißen . Aber auch hier haben Sie eine
Chance verpasst . Sie sagen ja selbst, Marktwächter stellen eine Daueraufgabe dar; das ist ein neues Instrument,
das Sie in die Hand nehmen wollen . Aber dann frage ich
Sie zunächst: Warum lassen Sie dann dieses Instrument
nach wie vor in der Projektförderung? Warum sorgen Sie
nicht, wenn Sie selbst der Auffassung sind, dass das ein
dauerhaftes Instrument ist, auch für eine dauerhafte Finanzierung? Und warum gehen Sie dann noch her und
legen in der Bereinigungsnacht noch 1,5 Millionen Euro
drauf für einen dritten Marktwächter, anstatt die ersten
beiden vernünftig zu konsolidieren? Das bleibt Ihr Geheimnis, Herr Minister .
({3})
Das zweite Problem ist: Sie werden nicht alles, was
im Bereich Verbraucherschutz passiert, von Marktwächtern bewachen lassen können . Wichtig sind die Themen,
die es sonst noch gibt . Wichtig sind Forschungsthemen,
wichtig sind andere Bereiche wie Gesundheits-Apps, wie
der Schutz von Kindern und Jugendlichen, wie neue Geschäftsmodelle, die sich im Internet auftun . Wenn man
sich da die restlichen Mittel, die Sie haben, anschaut,
dann muss man sich leider eingestehen: Die Mittel sind
in Ihrer Zeit eher gesunken als gestiegen . Sie haben sich
so sehr auf die Marktwächter konzentriert, dass beispielsweise für Forschung nicht mehr Geld zur Verfügung steht, Herr Minister .
Lassen Sie mich einen letzten Punkt ansprechen: die
Stiftung Warentest . Auch wir Grüne befürworten, dass
die Stiftung unabhängiger wird . Es ist prinzipiell richtig,
das Stiftungskapital zu erhöhen . Sie haben allerdings den
jährlichen Zuschuss erst um 1,5 Millionen Euro gekürzt,
nehmen jetzt 90 Millionen Euro in die Hand, die Sie noch
in der Bereinigungsnacht gefunden haben, und pumpen
die in die Stiftung hinein . Dazu sagt Ihnen der Bundesrechnungshof: Na ja, die Rendite, die Sie erwarten können, liegt etwa bei 0,5 Prozent . - Rein faktisch heißt das
nicht nur, dass Sie vielleicht zum falschen Zeitpunkt,
also in einer Niedrigzinsphase, das Stiftungskapital aufblähen, nein, es heißt auch, dass die Stiftung de facto im
kommenden Jahr mit 1 Million Euro weniger auskommen müssen wird, schlichtweg, weil sie aus dieser enormen Summe von 90 Millionen Euro vermutlich gar nicht
die Summe erwirtschaften kann, die notwendig ist, um
die bei ihr vorgenommenen Kürzungen auszugleichen .
({4})
Herr Minister, ich muss Ihnen eines gestehen: Nach
vier Jahren ist nur ein Ansatz in Ihrem Etat deutlich gestiegen: Das ist der für die Öffentlichkeitsarbeit; der hat
sich mehr als verdoppelt . Damit vollziehen Sie nach, wie
Sie auch wahrgenommen werden: als Minister, der gerne
Ankündigungen macht, aber wenig liefert .
({5})
Das ist schade, vor allem, weil wir Grüne in den Haushaltsberatungen eine Menge an Vorschlägen gemacht haben, wie man auch im Etat wirklich ein Ministerium für
Justiz und Verbraucherschutz hätte abbilden können .
Herzlichen Dank .
({6})
Vielen Dank, Tobias Lindner . - Nächster Redner:
Klaus-Dieter Gröhler für die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Danke schön . - Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Etat des
Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz ist mit einem Ansatz von 735 Millionen Euro in
die Haushaltsberatungen eingebracht worden und hat
diese Haushaltsberatungen mit einer Steigerung um
103 Millionen Euro auf jetzt 838 Millionen Euro verlassen .
Diese Steigerung ist beim kleinsten Etat aller Bundesministerien außergewöhnlich . Deshalb will ich an
drei unterschiedlichen Beispielen skizzieren, wie es dazu
gekommen ist . Denn wir Haushälter sind nun wahrlich
nicht dafür bekannt, dass wir in den Haushaltsberatungen
noch viele Millionen Euro draufsatteln würden . An dieser Stelle hat das aber seinen guten Grund .
Lassen Sie mich mit der größten Etatveränderung
beginnen, auf die Tobias Lindner eben auch schon hingewiesen hat . Ich freue mich ja darüber, dass wir uns
insgesamt in dieser Frage im Kern sogar einig sind . Es
gibt ein Plus von 90 Millionen Euro als Zustiftung in das
Vermögen der Stiftung Warentest im Haushaltsjahr 2017 .
Diese sehr wichtige Unterstützung des Verbraucherschutzes geht auf eine Initiative unseres Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder zurück . Nachdem wir bereits mit
dem Etat 2016 das Stiftungsvermögen um 10 Millionen
Euro erhöht haben, ist der jetzige Schritt die konsequente Umsetzung unserer Absicht, die Stiftung Warentest zu
stärken . Wir wollen sie aber nicht nur stärken, sondern
sie auch dauerhaft von laufenden Zuschüssen aus dem
Bundeshaushalt unabhängig machen . Wir wollen verhindern, dass die Stiftung Warentest auf Dauer jedes Jahr
schauen muss: Was kommt denn nun bei den Haushaltsberatungen für uns heraus?
Denn wir von der Union sind davon überzeugt, dass
die Stiftung in den über 50 Jahren ihres Bestehens gute
Arbeit für die Verbraucherinnen und Verbraucher in unserem Land geleistet hat . Zu dieser guten Arbeit soll sie
auch weiterhin in der Lage sein . Sie soll frei und unabhängig testen können und die Ergebnisse ihrer Untersuchungen veröffentlichen können . Sie soll auch zukünftig
eine objektive Informationsquelle für Kundeninnen und
Kunden sein .
Die Stiftung Warentest entstammt einer Regierungserklärung von Konrad Adenauer aus dem Jahr 1962 und
hat seit ihrer Schaffung 1964 knapp 6 000 Tests durchgeführt . Dabei hat sie über 95 000 Produkte und mehr als
2 500 Dienstleistungen bewertet . Sie ist für das Konsumverhalten in Deutschland ein unverzichtbarer Wegweiser
geworden und hilft auch, bei Händlern und Produzenten
die Spreu vom Weizen zu trennen . Sie hat in den Fragen
der Warendeklaration, des Bekämpfens der Mogelpackungen und der Entsorgung von Produkten bereits frühzeitig Maßstäbe gesetzt und genießt in der Öffentlichkeit
ein hohes Maß an Vertrauen .
Damit das so bleiben kann, wollen wir die Stiftung
Warentest mit dieser Zustiftung frei von den jeweiligen
Haushaltsberatungen machen und sie auf eigene Beine
stellen .
Die Stiftung Warentest hat bisher im Jahr etwa 40 Millionen Euro selbst erwirtschaftet . Rund 5 Millionen Euro
hat sie jährlich vom Bund als ihrem Stifter erhalten . In
Zukunft wird die Stiftung deutlich weniger auf diese
jährlichen Zuweisungen des Bundes angewiesen sein;
denn die Zinsen werden ja auch wieder ein Normalmaß
erreichen, lieber Tobias Lindner . Davon gehen wir alle
aus .
({0})
Irgendwann wird die Stiftung dann gar keinen Bundeszuschuss mehr benötigen, sondern kann komplett auf eigenen Beinen stehen und damit nach außen noch objektiver
auftreten, als das bisher schon der Fall war .
Wir glauben, dass wir damit den Verbraucherschutz in
Deutschland klar stärken - so wie mit dem ersten Grundstein, den wir schon vor über 50 Jahren gelegt haben .
({1})
Herr Minister Maas, an dieser Stelle darf ich aber auch
die Erwartung zum Ausdruck bringen, dass die 10 Millionen Euro Zustiftung, die wir in den Haushalt 2016
eingestellt haben, nun auch tatsächlich in den nächsten
Tagen vor dem Kassenschluss zur Auszahlung kommen .
Sollte das nicht der Fall sein, müsste ich mich einmal bei
Ihnen um einen Gesprächstermin bemühen, müsste also
sozusagen einen solchen Termin buchen . Ich hoffe, dass
ich da nichts zahlen muss,
({2})
sondern dass wir das dann so klären können .
Ich will dem Ministerium natürlich nicht das Recht
absprechen, vor der Auszahlung eines derartigen Betrages zu prüfen, ob alle Voraussetzungen vorliegen - gerne
auch im Benehmen mit dem Bundesrechnungshof . Aber
eines will ich auch deutlich machen: Wenn der Haushaltsgesetzgeber und damit wir nach sorgfältiger Prüfung
im letzten Herbst entschieden haben, dass wir dem Stiftungsvermögen 10 Millionen Euro zugeben wollen, dann
liegt es nicht im Belieben eines Ministeriums, erstmalig
im August dieses Jahres zu prüfen, ob das als sinnvoll
erachtet wird . Gerne möchte ich an dieser Stelle den Gedankengang unseres Bundestagspräsidenten bemühen,
dass das Parlament nicht Vollzugsorgan der Bundesregierung, sondern umgekehrt ihr Auftraggeber ist . Das gilt
auch beim Haushaltsvollzug .
Diese Betrachtung unseres Verfassungsgefüges, meine Damen und Herren, bietet mir eine gute Überleitung
zu einer weiteren Ausgabe, die wir im Zuge der Etatberatungen in den Haushalt eingefügt haben . Auch wenn
der Betrag deutlich kleiner ausfällt als der, den ich eben
genannt habe, halte ich die dahinterstehende Überlegung
für sehr wichtig . Wir bringen einen neuen Bundesschülerwettbewerb auf den Weg, nämlich den Bundesschülerwettbewerb „Rechtsstaat“ . Ich habe schon in der Debatte
zur Einbringung des Etats darauf hingewiesen, dass ein
derartiger Schülerwettbewerb sinnvoll sein könnte . Ich
habe mich damals darauf berufen, dass nach einer Umfrage von Infratest aus dem Jahre 2016 nicht einmal 60 Prozent der Befragten der deutschen Justiz vertrauen . Dieser
Wert betrübt und alarmiert zugleich: Wir müssen etwas
dagegen tun, zum einen durch konsequentes Handeln der
Justiz zur Durchsetzung von Sicherheit und Recht,
({3})
zum anderen müssen wir aber auch für unseren Rechtsstaat werben, gerade bei der jüngeren Generation .
Für vieles gibt es in Deutschland Schülerwettbewerbe:
„Jugend forscht“, „Jugend komponiert“, „Jugend gründet“, Bundesumweltwettbewerb, einen bundesweiten Informatikwettbewerb und einen Mathematikwettbewerb .
Aber für das Thema „Recht“ gab es bisher eine derartige
Veranstaltung nicht . Das wollen wir ändern . Wir wollen
junge Menschen in Deutschland motivieren, sich abseits
des schulischen Alltags mit unserem Rechtssystem zu
beschäftigen . Sie sollen der Frage nachgehen können,
was ein faires Gerichtsverfahren auszeichnet, warum bei
uns der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“
gilt, warum bei uns Folter und Todesstrafe verboten sind
und wie auch der Bürger seinen Staat verklagen kann .
Der Rechtsstaat soll für Jugendliche bemerkbar, erlebbar
und erfassbar gemacht werden . Im Jahre 2017 soll mit
der Finanzierung die Konzeption eines solchen Wettbewerbs ermöglicht werden, und ich wünsche mir, dass er
2018 erstmalig ausgelobt wird . Ich halte einen derartigen Wettbewerb für einen sehr kleinen, aber elementaren
Baustein, der wichtig ist, um zu zeigen, dass der Rechtsstaat nicht nur eine leere Worthülse ist, sondern dass jeder, der in diesem Land lebt, ein ganz eigenes Interesse
haben muss, diesen Rechtsstaat tatsächlich weiterzuentwickeln und zu stärken; in diesen Zeiten mehr denn je .
({4})
Und mein drittes Beispiel soll eine Einrichtung anschieben, die den Rechtsstaat erlebbar machen soll . Wir
haben 200 000 Euro in den Haushalt eingestellt, um zu
klären, ob und zu welchen Bedingungen in Karlsruhe das
„Forum RECHT“ etabliert werden kann . Mein Kollege
Carsten Körber hat beim vorherigen Tagesordnungspunkt schon darauf hingewiesen . Das „Forum RECHT“
soll, ähnlich dem Haus der Geschichte in Bonn, eine
Informations-, Dokumentations- und Kommunikationsplattform zum Thema „Rechtsstaat“ - deutscher und europäischer - werden . Dafür ist die Stadt Karlsruhe mit
ihrem Sitz von Bundesverfassungsgericht und BGH sowie ihrer Nähe zu Straßburg geradezu prädestiniert . Ich
bin an dieser Stelle unter anderem dem Präsidenten und
dem Vizepräsidenten unseres Verfassungsgerichtes sehr
dankbar, dass sie vor den Haushaltsberatungen nochmals
den Anstoß für diese erste Förderung durch den Bund gegeben haben . Jetzt wird es darum gehen, dass der Bund,
das Land Baden-Württemberg und die Stadt Karlsruhe
gemeinsam eine Konzeption auf den Weg bringen und
sich dann um die Verwirklichung dieses Forums kümmern .
({5})
Im Kern geht es hier aber um mehr als nur ein museumsähnliches Vorhaben . Es geht bei dieser Maßnahme
genau wie bei dem neuen Bundesschülerwettbewerb um
die Frage, wie wir die Werte, die uns ganz maßgeblich
geholfen haben, dieses Land zu dem zu machen, was es
heute ist, dauerhaft bei dem ganz überwiegenden Teil der
Menschen in unserem Land verankern können: Werte
wie Gleichheit und Würde der Menschen, Gewalt- und
Justizmonopol des Staates, Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Werte, die offensichtlich neuerdings - nicht
nur in unserem Lande - wieder infrage gestellt werden,
in einer Form, die wir vor vielen Jahren für undenkbar
gehalten haben . Ich glaube, dass eine unserer wichtigsten Aufgaben in den kommenden Jahren darin bestehen
wird, deutlich zu machen, dass nicht Demokratie allein,
also die Umsetzung des Volkswillens bzw . des mehrheitlichen Volkswillens, der schützenswerte Kern unseres
Staates ist, sondern sie erst im Zusammenwirken mit der
Herrschaft des Rechts unser Leben lebenswert macht
und vor Willkür schützt . In diesem Sinne lassen Sie uns
gemeinsam den Rechtsstaat weiterentwickeln, nicht nur
mithilfe des Haushaltsrechts .
Herzlichen Dank .
({6})
Vielen Dank, Klaus-Dieter Gröhler . - Jetzt hat der Minister Heiko Maas das Wort .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! In den vergangenen Monaten und
Wochen ist auf beiden Seiten des Atlantiks viel über das
sogenannte postfaktische Zeitalter gesprochen worden .
Es ist ein Zeitalter der falschen Propheten und der politischen Wunderheiler, und für die Demokratie sind das
oftmals gefährliche Zeiten .
({0})
Wenn Gefühle wichtiger werden als Fakten, dann wird
die Realität irgendwann etwas sehr Subjektives . Und wie
können wir eigentlich um die besten Lösungen streiten,
wenn wir uns nicht einmal mehr über die Probleme einig
sind? In einer solchen Zeit braucht demokratische Politik
vor allem Mut zum eigenen Urteil . Die Populisten haKlaus-Dieter Gröhler
ben nämlich nicht recht; Deutschland schafft sich nicht
ab, Deutschland ist kein sicherer Hafen für Terroristen,
und uns droht auch keine Islamisierung des Abendlandes .
Politik wird auch nicht dadurch besonders demokratisch,
dass man gerade einer lautstarken Minderheit ganz besonders aufs Maul schaut .
Was sind denn zurzeit die wirklichen, die häufigsten
Fragen der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger? Ist
mein Arbeitsplatz sicher, und kann ich von dem Lohn,
den ich dort erhalte, meine Familie finanzieren? Bin ich
vor Kriminalität und Terrorismus gut geschützt? Bleibt
meine Wohnung bezahlbar? Auf diese Fragen Antworten
zu geben, ist die beste Agenda gegen jegliche Form von
Populismus, und auch die Rechts- und Verbraucherpolitik ist hier gefordert .
Das haben wir auch getan, zum Beispiel im sozialen
Mietrecht . In einem ersten Schritt haben wir Menschen
geholfen, die sich eine neue Wohnung suchen . Wir haben
sie mit Einführung des Bestellerprinzips von Maklerkosten entlastet und mit der Mietpreisbremse den Anstieg
der Mieten begrenzt; Niedersachsen ist gerade das zwölfte Land, das die Mietpreisbremse eingeführt hat . Dass sie
in einigen Ländern oder Städten nicht die Wirkung hat,
die wir uns davon versprochen haben - in anderen allerdings sehr wohl -, ist kein Grund, das Instrument insgesamt infrage zu stellen .
Wir wollen in einem zweiten Schritt Menschen, die
schon eine Wohnung haben, besser vor Mieterhöhungen
schützen, vor allen Dingen im Zusammenhang mit Modernisierungen . Auch die Mieter haben etwas von energetischer Sanierung und altersgerechtem Umbau; aber
wenn nur modernisiert wird, um die Miete exorbitant zu
erhöhen, die Mieter zu vertreiben und anschließend die
Mietwohnung als teure Eigentumswohnung zu verkaufen, dann muss das soziale Mietrecht Instrumente dagegen vorhalten .
({1})
Insofern wird das, in welcher Form auch immer, ein Thema sein, mit dem wir uns weiter beschäftigen müssen,
weil es eine der großen Fragen vieler Bürgerinnen und
Bürger ist .
Meine Damen und Herren, wir haben uns in der Koalition auch darauf verständigt - Herr Fechner hat es bereits
angesprochen -, Menschen besser vor Wohnungseinbrüchen zu schützen . Dazu muss die Aufklärungsquote verbessert werden .
({2})
Dafür brauchen wir vor allen Dingen auch eine Polizei,
die personell und organisatorisch so ausgestattet ist, dass
sie entsprechende Straftaten verfolgen und auch verhindern kann . Wir werden außerdem die Zuschüsse für den
Einbruchsschutz ausweiten, und das vor allen Dingen
auch für Mietwohnungen . Und wir wollen, wie bereits
angesprochen, im Strafgesetzbuch den minder schweren
Fall bei Wohnungseinbrüchen streichen, auch um zu zeigen, dass ein Einbruch in die Intimsphäre - mit vielen
traumatischen Folgen für die Opfer - eben kein minder
schweres Unrecht darstellt .
({3})
Meine Damen und Herren, nach dem Zusammenbruch des Kommunismus hat ein amerikanischer Historiker bekanntlich das „Ende der Geschichte“ ausgerufen,
also den ultimativen Sieg von Demokratie, Rechtsstaat
und Markwirtschaft. Ich finde, nicht erst die Wahl von
Donald Trump hat deutlich gemacht, dass dies vielleicht
doch etwas voreilig gewesen ist . In den USA, aber vor
allen Dingen auch in der Türkei, in Polen, in Ungarn, bei
Pegida und der AfD - überall attackieren Populisten vor
allen Dingen eines, nämlich den Rechtsstaat: die Rechte
von Minderheiten, die Freiheit der Presse, die Unabhängigkeit der Justiz und auch eine starke Verfassungsgerichtsbarkeit .
Vielleicht haben wir diese Werte und Institutionen zu
lange für selbstverständlich gehalten . Und vielleicht haben wir auch in Deutschland Wertschätzung und Achtung
für unseren Rechtsstaat manchmal vermissen lassen,
wenn etwa beim Personal oder auch bei der Besoldung
und Ausstattung der Justiz über Gebühr gespart wurde
oder wenn die Justiz nur noch als ein lästiger Bremser
und Bedenkenträger dargestellt worden ist .
Mit dem Rechtsstaat ist es so ähnlich wie mit der Luft
zum Atmen: Erst wenn sie fehlen, fällt es manchem auf,
wie wichtig sie sind . Deshalb ist das ein Thema, mit dem
wir uns auseinandersetzen müssen . Daher passen solche
Projekte, wie Sie sie angesprochen haben, Herr Gröhler,
durchaus gut in die Zeit: Auch junge Menschen müssen
sich mit dem Wert des Rechtsstaats vielleicht etwas intensiver auseinandersetzen .
Es ist deshalb gut, dass wir bei der Ausstattung der
Justiz in vielen Ländern - das können wir überall wahrnehmen - längst eine Trendwende haben . Mit diesem
Haushalt, Herr Claus, schaffen wir neue Stellen beim
Bundesgerichtshof und beim Generalbundesanwalt, weil
wir das, was die Sicherheitsbehörden aufdecken und ermitteln, in rechtsstaatlichen Verfahren zu einem Ergebnis
führen wollen .
Wir wollen künftig diejenigen besser schützen - und
auch das ist ein wichtiger Punkt -, die unseren Rechtsstaat repräsentieren und ihn täglich durchsetzen . In der
vergangenen Woche hat wieder ein sogenannter „Reichsbürger“ sechs Polizisten angegriffen und diese zum Teil
schwer verletzt . Hier wollen wir das Strafrecht so ändern,
dass Straftaten, die unter Verwendung von gefährlichen
Werkzeugen begangen werden, oder Gruppenstraftaten
besser erfasst werden können; denn es sind nicht nur
„Reichsbürger“, die unseren Rechtsstaat herausfordern,
sondern es sind auch gewalttätige Hooligans und Fremdenfeinde . Wir wollen diejenigen, die den Rechtsstaat,
unsere Sicherheit und Freiheit verteidigen, besser schützen, und das sollen in Zukunft auch die Täter zu spüren
bekommen .
Meine Damen und Herren, die Stärke eines Rechtsstaats zeigt sich auch daran, dass er die Kraft hat, eigene Fehler zu korrigieren . Die Strafurteile nach § 175 des
Strafgesetzbuches waren ein solcher Fehler . Deshalb
werden wir diese Urteile aufheben und die Betroffenen
endlich von ihrem Strafmakel befreien .
({4})
Mit dem vorliegenden Haushalt schaffen wir - dafür bin
ich besonders dankbar - die Voraussetzung für eine individuelle Entschädigung der Opfer, und wir sorgen - sozusagen als kollektive Entschädigung - auch für eine weitere Förderung der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld,
die sich gerade mit diesem Projekt intensiv beschäftigt .
Meine Damen und Herren, danken möchte ich auch
dem Haushaltsausschuss und seinen Berichterstattern für
die finanziellen Mittel, mit denen wir den Verbraucherschutz weiter stärken können . Wir werden mit diesem
und dem laufenden Haushalt das Kapital der Stiftung
Warentest um 100 Millionen Euro erhöhen . Sehr geehrter Herr Gröhler, darüber zu entscheiden, ob der Stiftung
Warentest 10 Millionen Euro zugegeben werden, steht
nicht im Belieben eines Ministers, wohl aber ist der Bundesrechnungshof beteiligt; aber ich bin zuversichtlich,
dass wir auch das zeitnah hinbekommen .
({5})
Wir schaffen eine Anschubfinanzierung für den neuen
Marktwächter Energie, und wir verstetigen die Arbeit
beim Bundesverband der Verbraucherzentralen durch
32 neue Stellen, die es dort geben wird .
Ein anderes Projekt, an dem man ablesen kann, dass
das Geld, das wir zur Verfügung gestellt bekommen, gut
investiert wird, ist das Rosenburg-Projekt in unserem
Haus . Die Untersuchung, wie das Bundesjustizministerium in den 50er- und 60er-Jahren mit der NS-Vergangenheit umgegangen ist, ist abgeschlossen . Die Akte Rosenburg liegt auf dem Tisch . Das Ergebnis ist wahrlich
kein Ruhmesblatt für unser Ressort, aber deshalb war es
notwendig und überfällig, die Geschichte des Ministeriums, gerade auch in dieser Zeit, zu erforschen . Das haben
Sie als Haushaltsgesetzgeber möglich gemacht, und dafür danke ich Ihnen sehr .
({6})
Angesichts des gegenwärtigen Populismus, der uns allen Sorgen bereitet, täte ein Blick in die Geschichte vielleicht auch jenen ganz gut, die heute überall Verfall und
Niedergang ausmachen, die fest davon überzeugt sind,
dass alles immer schlimmer wird . Wenn wir frei wählen
könnten, zu welchem Zeitpunkt der deutschen Geschichte wir geboren sein möchten - und wir wüssten vorher
nicht, ob wir als Mann oder Frau, in einer armen oder
in einer reichen Familie, in Ost oder West auf die Welt
kommen würden -: Die meisten von uns würden die Gegenwart wählen; denn nie zuvor - zumindest aufs Ganze besehen - waren Freiheit und Frieden höher, waren
Wohlstand und Chancen fairer verteilt, als das heute der
Fall ist . Auch das gilt es zu verteidigen, und das wollen
wir mit den Mitteln, die uns zur Verfügung gestellt werden, gerne tun .
Herzlichen Dank .
({7})
Vielen Dank, Heiko Maas . - Der Nächste auf der Redeliste ist Harald Petzold für die Linke .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Am
6 . Mai 1933 plünderten die Nazis die Bestände des Sexualwissenschaftlichen Instituts von Magnus Hirschfeld
hier in Berlin, wenige Meter von uns entfernt, in der Villa Joachim im Tiergarten, ehemalige Beethovenstraße 3,
dort, wo heute das Haus der Kulturen der Welt steht . Sie
verbrannten seine Bücher und vernichteten sein Forschungsinstitut .
Am 1 . September 1935 verschärften sie dann den
berüchtigten § 175 des Reichsstrafgesetzbuches, der
sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen
Geschlechts unter Strafe stellte . Diesen Paragrafen gab
es seit dem 1 . Januar 1872, und er galt bis zum 11 . Juni
1994 . Die Nazis verschärften diesen Paragrafen, indem
sie die Höchststrafe von sechs Monaten auf fünf Jahre
Gefängnis anhoben . Darüber hinaus weiteten sie den Tatbestand der sogenannten beischlafähnlichen Handlungen
auf sämtliche „unzüchtige“ Handlungen aus . Es reichte
dann schon ein flirtender Blick aus, um verhaftet und verurteilt werden zu können . Sie führten darüber hinaus einen neuen § 175a ein, der für erschwerte Fälle zwischen
einem Jahr und zehn Jahren Zuchthaus bestimmte .
Dieser § 175 des Strafgesetzbuchs wurde am 11 . Juni
1994 gestrichen . Er galt in der alten Bundesrepublik in
der Nazifassung fort und hat zwischen 1945 und 1969
noch über 50 000 schwule Männer ins Gefängnis gebracht . Leider galt er in der Fassung der Weimarer Republik auch in der DDR fort . Es gab auch dort den § 175a
für erschwerte Fälle, allerdings ab 1957 faktisch ausgesetzt .
Ich bin froh, dass die Große Koalition sich dazu entschlossen hat, mit den Nachwirkungen dieses Unrechts
Schluss zu machen und die nach § 175 Verurteilten, also
diejenigen, die nach 1945 verurteilt worden sind, endlich
zu rehabilitieren und zu entschädigen . Auch wenn noch
kein konkreter Gesetzentwurf hier im Bundestag vorliegt
oder beschlossen worden ist, haben die Mitglieder des
Haushaltsausschusses für das Jahr 2017 Mittel für eine
individuelle Entschädigung der Verurteilten in Höhe von
4,5 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt . Das ist
gut so, und das verdient Dank .
({0})
Ich halte es trotzdem darüber hinaus für richtig und
wichtig - und ich werbe dafür -, unbedingt auch einen
Härtefallfonds für all diejenigen einzurichten, die zwar
nicht verurteilt worden sind, aber aufgrund von ErmittBundesminister Heiko Maas
lungen nach § 175, als deren Ergebnis im Regelfall die
Homosexualität dieser Personen offenkundig geworden
ist, ihre bürgerliche Existenz, ihre Wohnung, ihren Arbeitsplatz verloren haben und die ebenfalls in ihrer Menschenwürde erheblich verletzt worden sind .
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, am
6 . Juli 1994, also wenige Wochen nach der Streichung
des Unrechtsparagrafen 175 aus dem Strafgesetzbuch,
wurde zur Erinnerung an das Institut Magnus Hirschfelds
eine Gedenktafel im Tiergarten aufgestellt . Es brauchte
dann noch einmal 17 Jahre, bis zum Jahr 2011, bis die
Bundesstiftung Magnus Hirschfeld durch die Bundesregierung eingerichtet wurde, namentlich durch das Bundesministerium der Justiz, dessen Einzelhaushalt wir in
dieser Woche abschließend beraten . Es ist, wie bei keiner
anderen Stiftung, Aufgabe dieser Stiftung, die Geschichte der Diskriminierung und Verfolgung von Homosexuellen in Deutschland und in Europa zu erforschen und
zu dokumentieren . Wie keine andere wirkt sie mit ihren
Maßnahmen und Projekten darauf hin, dass diese Diskriminierung abgebaut wird, dass Menschen über unterschiedliche sexuelle und geschlechtliche Identitäten
aufgeklärt werden und dass Verfolgung nie wieder stattfindet.
Ich möchte in dem Zusammenhang auf die erfolgreichen Hirschfeld-Tage hinweisen, die im Moment in den
Bundesländern Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt
stattfinden, mit denen die Bundesstiftung gemeinsam mit
zahlreichen Nichtregierungsorganisationen nachweist,
wie ernst sie diesen Auftrag nimmt . Sehr dankbar bin
ich sowohl dem Linken-Ministerpräsidenten Thüringens, Bodo Ramelow, als auch dem Bundesjustizminister Heiko Maas von der SPD als auch der sächsischen
Ministerin Petra Köpping von der SPD als auch der
sachsen-anhaltinischen CDU-Ministerin Anne-Marie
Keding, dass sie gemeinsam die Schirmherrschaft über
die Hirschfeld-Tage übernommen haben . Damit zeigen
sie, was möglich ist, wenn ein Anliegen, das man für
wichtig und richtig erachtet, über Parteigrenzen hinweg
gemeinsam umgesetzt wird, nämlich: Respekt vor unterschiedlichen sexuellen Orientierungen und Identitäten,
Aufklärung über geschlechtliche und sexuelle Vielfalt
sowie Abbau von Diskriminierung und Ausgrenzung .
({1})
Es zeigt auch, was möglich ist, wenn politische Akteure bereit sind, über ihren Schatten zu springen . Das
war 2011 genauso, als die Bundesstiftung eingerichtet
und ein Kompromiss eingegangen worden ist, der diese
Bundesstiftung sowohl in der Sache als auch in der Finanzierung ermöglicht hat .
Wenn ich mir heute ansehe, wie dramatisch die Finanzsituation der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld ist,
muss ich sagen: Möglicherweise braucht es noch einmal
den Mut, über den eigenen Schatten zu springen, um sicherzustellen, dass die Bundesstiftung auch weiterhin
erfolgreich arbeiten kann . Da nützt uns Ihre Ankündigung nichts, Herr Bundesminister, sondern wir müssen
es tatsächlich schaffen, eine institutionelle Förderung
der Bundesstiftung, die ihre Arbeit künftig weiter möglich macht, hinzubekommen . Dafür wirbt meine Fraktion nach wie vor . Deswegen fordern wir im fünften Jahr
des Bestehens der Bundesstiftung - ausgerechnet in dem
Jahr, in dem wir diejenigen rehabilitieren und entschädigen wollen, die nach § 175 zu Unrecht verurteilt worden
sind -, dass es endlich eine solche institutionelle Förderung gibt .
({2})
Zum Abschluss meiner Rede möchte ich auf eine Forderung meiner Fraktion hinweisen, die wir ebenfalls seit
vielen Jahren erheben, nämlich einen Justizopferentschädigungsfonds einzurichten . Menschen, die aus meiner
Sicht einen berechtigten Anspruch auf Leistungen aus
einem solchen Fonds hätten, verfolgen jede unserer Debatten sehr aufmerksam. Ich finde, sie haben - ebenso
wie all diejenigen, die zu Unrecht nach § 175 verurteilt
worden sind - einen Anspruch darauf, dass Politikerinnen und Politiker über ihren Schatten springen und endlich für Gerechtigkeit sorgen .
Vielen Dank .
({3})
Vielen Dank, Harald Petzold . - Nächste Rednerin:
Elisabeth Winkelmeier-Becker für die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! An den Anfang meiner heutigen Haushaltsrede
darf ich einen herzlichen Dank an unseren Finanzminister stellen . Die vierte schwarze Null in Folge zeigt vor
allem, dass die finanz- und haushaltspolitische Ausrichtung der Politik dieser Bundesregierung sehr erfolgreich
und sehr gut ist . Dafür unser herzlicher Dank!
({0})
Das ist nicht nur „nice to have“, sondern hat auch substanzielle Bedeutung . Mir als Mutter von drei erwachsenen Kindern ist ganz wichtig, dass dies ein Beitrag zur
Generationengerechtigkeit ist . Wir wollen nicht heute darüber entscheiden, wofür die kommenden Generationen
das Geld, das sie erwirtschaften, ausgeben, sondern das
sollen sie selber entscheiden . Deshalb ist es wichtig, dass
wir keine neuen Schulden machen .
Mir ist auch wichtig, zu unterstreichen, dass diese
schwarze Null dem Bund politischen Handlungsspielraum eröffnet, einen Handlungsspielraum, den man eben
nicht hat, wenn man immer an der Grenze zur Verschuldung arbeiten muss . Das war in den vergangenen Jahren,
als wir in der Finanzmarktkrise und in der Euro-Krise
waren, ganz wichtig . Da hat uns diese wirtschaftliche
Stärke die Option gegeben, zu agieren und Verantwortung zu übernehmen . Mir wird immer ganz mulmig bei
dem Gedanken, was passiert wäre, wenn diese Krisen
Harald Petzold ({1})
Anfang dieses Jahrtausends, unter ganz anderen Vorzeichen, über uns hereingebrochen wären .
({2})
Ich bin froh, dass die gute Haushaltslage dem Bund
die Möglichkeit gibt, den Ländern unter die Arme zu
greifen, zum Beispiel im Rahmen des künftig neu geregelten Bund-Länder-Finanzausgleichs . Wenn man weiß,
dass ich aus Nordrhein-Westfalen komme, ist das, glaube
ich, selbsterklärend .
({3})
Der Justiz- und Verbraucherschutzhaushalt ist der
kleinste Haushalt; das steht natürlich in umgekehrt proportionalem Verhältnis zur seiner Bedeutung . Vielleicht
wird die Bedeutung dieses Haushalts dadurch unterstrichen, dass wir ihn heute schon sehr früh, nämlich direkt
nach dem Einzelplan des Bundesfinanzministeriums, debattieren .
Wir haben unseren Haushalt gegenüber dem Regierungsentwurf immerhin noch um 103 Millionen Euro
aufgestockt . Damit können wir auch ganz klar Akzente
setzen . Den wesentlichen Aufwuchs gibt es im Bereich
der Stärkung der Verbraucherrechte und des Verbraucherschutzes . Die Stiftung Warentest wird ganz massiv
durch neues, frisches Geld - 90 Millionen Euro - gestärkt . Damit unterstreichen wir, wie wichtig uns ihre
Arbeit für die Verbraucher ist, die hier ganz konkret in
ihrer Verbraucherkompetenz unterstützt werden . Das ist
gelebter Verbraucherschutz . Deshalb geben wir diese
90 Millionen Euro gerne an die Stiftung Warentest .
Von unserem Ansatz her sind wir gegen eine Bevormundung der Verbraucher .
({4})
Wir halten es auch für in Ordnung, wenn ein Verbraucher
einmal sagt: Ich möchte nicht immer nur ganz vernünftig
sein, nicht immer nur an die Gesundheit und dergleichen
denken . - Deshalb wollen wir Verbraucher nicht überbevormunden . Aber wir sehen, dass es Bereiche, Märkte
gibt, in denen ein strukturelles Ungleichgewicht vorhanden ist und wo es wichtig ist, dass die Verbraucher
gestärkt werden . Der Energiemarkt ist so ein Bereich .
Deshalb ist es in Ordnung, dass wir auch an der Stelle in
Bezug auf das Konzept der Marktwächter weitergehen
und einen ersten Schritt tun, um auch auf diesem Markt
einen Marktwächter zu etablieren .
Ich komme zu einem weiteren Akzent in der Rechtspolitik . Mir ist der Bundesschülerwettbewerb „Rechtsstaat“ wichtig . Ich sage das nicht nur als rechtspolitische
Sprecherin, sondern auch als Richterin außer Dienst ist es
mir wichtig, noch einmal zu betonen, welche Bedeutung
der Rechtsstaat hat . Er sorgt im Prinzip für die Stärkung
des Schwachen, dem materielles Recht bzw . Verfahrensrecht an die Seite gestellt wird, damit er auch bei einem
übermächtigen oder übermächtig scheinenden Gegner
nicht rechtlos gestellt ist . Das geht bis hin zu Klagen gegen den Staat, die durch unseren Rechtsstaat ermöglicht
werden . Das ist essenziell, wie es auch nicht unbedingt
selbstverständlich ist . Es ist gut, dass sich die Schüler damit auseinandersetzen und das auch zu schätzen wissen .
({5})
Meine Damen und Herren, wichtiges Leitmotiv für
die Union in der Rechtspolitik - in der es ansonsten weniger um das Ausgeben von Geld, sondern eher um das
Schaffen von guten Regeln geht - ist der Opferschutz .
Da sehen wir in einigen Punkten durchaus noch Verbesserungsmöglichkeiten . Vom Kollegen Fechner wurden
schon die Verbesserungen angesprochen, die wir im Bereich des Schutzes vor Einbruchdiebstahl vornehmen
wollen . Wir wollen den minderschweren Fall abschaffen .
Auch wollen wir - aber nicht aus unserem Haushalt Geld zur Verfügung stellen, um dabei zu helfen, einen
besseren Einbruchschutz auch finanzieren zu können.
Im Übrigen wollen wir die Polizei - personell und
auch sachlich - besser ausstatten und dafür eine Kampagne durchführen . Nun hat der Kollege Dr . Lindner
schon darauf hingewiesen, dass das Geld dafür gar nicht
aus unserem Justizhaushalt, sondern aus dem Haushalt
des Innenministeriums, also von Minister de Maizière,
kommt . Ich kann hinzufügen, dass auch die Ideen von
der Union kommen . Deshalb sind das gute Ideen, die wir
gerne zusammen umsetzen können .
({6})
Es gibt viele Beispiele dafür, dass uns der Opferschutz
wichtig ist . Aktuell reden wir über den Schutz vor Stalking . Mittlerweile haben wir die entsprechende Sachverständigenanhörung durchgeführt . Ich glaube, da hat sich
gezeigt, dass wir im Sinne des Opferschutzes noch einige
Strafbarkeitslücken eliminieren müssen . Vor allen Dingen müssen wir an der Generalklausel festhalten . Gerade
da, wo es um neue Kommunikationsmittel geht, ist der
Fantasie der Täter keine Grenze gesetzt, doch noch übergriffig zu werden, ohne dass der Wortlaut des Gesetzes
erfüllt ist . Da müssen wir vorbeugen .
Wenn wir über neue Kommunikationsmittel reden,
sind wir aber auch ganz schnell bei einem anderen wichtigen Thema unserer heutigen Diskussion, nämlich bei
der Frage: Wie können wir gegen Hasskommentare,
Drohungen, erfundene Lügengeschichten und Verleumdungen in den sozialen Netzwerken effektiv vorgehen?
Ich denke, wir müssen da - nachdem lange versucht
worden ist, zu freiwilligen Lösungen zu kommen - jetzt
auch gesetzliche Vorgaben machen . Menschen, die von
so etwas betroffen sind, sollten ganz schnell den richtigen Ansprechpartner bzw. einen einfachen Weg finden,
um Verleumderisches bzw. Übergriffiges aus dem Netz
zu löschen . Hier müssen wir auch die Plattformbetreiber
in die Verantwortung nehmen . Es geht nicht an, dass sie
ein Geschäftsmodell aus dem Ganzen machen, sich aber
einen schlanken Fuß machen und keine Verantwortung
übernehmen wollen .
Für uns ist es allerdings auch noch einmal wichtig,
klar zu sagen: Es geht dabei nicht um die Einschränkung
von Meinungsfreiheit . Demokratie muss Diskussionen
und Kritik aushalten - auch harsche Kritik . Wenn aber
die Grenze überschritten wird, dann darf nichts anderes
als auch in der analogen Welt gelten . Das Internet darf
kein rechtsfreier Raum sein . Hier müssen wir unbedingt
eine gesetzliche Regelung angehen, die auch umfasst,
dass die Beweissicherung durch die Betreiber mit unterstützt werden muss .
Ein weiteres wichtiges Anliegen betrifft den Schutz
von jungen Frauen, die sich nicht selbst helfen können:
Ich meine das Vorgehen gegen aufgezwungene Kinderehen . Wenn man den Zahlen glauben darf, dann gibt
es bei uns etwa 1 500 Betroffene, die als Zuwanderer zu
uns gekommen sind . Aber auch hier in Deutschland gibt
es teilweise Rituale religiöser und traditioneller Art, die
solche Verbindungen mit einem Anspruch auf Verbindlichkeit schließen .
Uns ist es hier ganz wichtig, zu sagen, dass das mit
unseren Werten und Vorstellungen nicht vereinbar ist .
Deshalb sind wir entschlossen, hier sehr schnell zu einer
gesetzlichen Regelung zu kommen, die diese Ehen aufhebt . Wir fordern den Justizminister, der dazu ja schon
Vorschläge entwickelt hat, auf, seine Vorschläge jetzt
sehr schnell ins parlamentarische Verfahren einzubringen, damit wir rasch zu einer Rechtsgrundlage kommen,
um den jungen Mädchen zu helfen .
({7})
Ich sehe, dass meine Redezeit begrenzt ist . - Deshalb
darf ich nur noch einmal kurz an das anknüpfen, was
Kollege Petzold gerade ausgeführt hat . Sie haben sich
ja auch sehr ausführlich mit der Entschädigung der nach
§ 175 verurteilten Männer beschäftigt . Daher möchte ich
hier noch einmal betonen, dass auch wir das sehr begrüßen und dass wir das Geld dafür sehr gerne in den Haushalt eingestellt haben . Um eine gute Regelung werden
wir uns auch in den nächsten Wochen und Monaten noch
gemeinsam kümmern .
Herzlichen Dank .
({8})
Vielen Dank, Elisabeth Winkelmeier-Becker . - Nächste Rednerin: Katja Keul für Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Maas, ich
will die allgemeine Aussprache heute für einen Appell
an Sie nutzen, einen Appell an den Justizminister, in der
verbleibenden Zeit dieser Legislatur den gröbsten Unsinn zu verhindern und gegen die immer populistischer
anmutenden Debatten standzuhalten; denn auch bei uns
scheint das Zeitalter des Postfaktischen schon Einzug zu
halten . Kenntnisse von der geltenden Rechtslage sind da
offenbar oft nur noch ein Störfaktor in der allgemeinen
Erregung .
Bestes Beispiel dafür ist die Debatte um die sogenannten Kinderehen . Der Ruf nach einem Verbot von
Kinderehen suggeriert zunächst einmal, so etwas sei in
Deutschland erlaubt . Fakt ist aber: Eheschließungen sind
bei uns grundsätzlich nur ab 18 Jahren und auch nur vor
dem Standesbeamten möglich . Fakt ist auch: Irgendwelche religiösen Zeremonien, wie Imam-Ehen oder Ähnliches, haben bei uns keinerlei Rechtswirkungen und sind
schlicht nichtig .
Einige wollen jetzt, dass solche Zeremonien mit einem
Bußgeld verfolgt werden . Ich sehe quasi schon vor meinem inneren Auge, wie Beamte der Ordnungsbehörden
in den Moscheen beim Gottesdienst Protokoll führen .
Das kann man nur noch als groben Unfug bezeichnen .
({0})
Bei einer sachlichen Befassung damit stellen wir fest:
Es gibt an einem Punkt tatsächlich Handlungsbedarf .
({1})
Wenn Minderjährige zu uns kommen, die im Ausland
wirksam geheiratet haben, dann brauchen wir ein Verfahren, mit dem die Aufhebung der Ehe aus Kindeswohlgründen auch von Amts wegen erfolgen kann .
({2})
Dabei geht es aber weder um Anerkennung oder Nichtigkeit, sondern um eine Aufhebung mit Wirkung für die
Zukunft. Ich finde, so viel juristische Differenziertheit
muss schon sein .
({3})
Stattdessen verzetteln sich jetzt einige in der völlig
unerheblichen Frage, ob die Möglichkeit, in Deutschland mit familiengerichtlicher Genehmigung schon mit
16 Jahren zu heiraten, abgeschafft werden muss . Als ob
wir keine anderen Probleme hätten!
({4})
Diese Ausnahmegenehmigung wird in Deutschland ungefähr 100 Mal im Jahr erteilt, meist aus guten Gründen
und nach Prüfung des Kindeswohls . Zu dieser völlig irrelevanten Frage erhalte ich als Bundestagsabgeordnete
seitenlange Schreiben aus Landesjustizministerien, von
denen ich in den letzten drei Jahren bei all den gravierenden Einschnitten in die freiheitliche Rechtsordnung
({5})
durch immer neue Strafverschärfungen noch nie ein Wort
des Widerstands gehört habe .
({6})
Herr Maas, ich bitte Sie: Legen Sie eine konkrete,
sachbezogene Lösung vor, und bieten Sie dem populistischen Geschrei Einhalt! Dann können Sie auch auf unsere Unterstützung zählen .
({7})
Ich wundere mich allerdings auch, wie schnell Sie in
dieser Sache plötzlich aktiv werden, während wir die
Hoffnung längst aufgegeben haben, in dieser Legislaturperiode lang angekündigte Gesetzentwürfe, wie beispielsweise zum kollektiven Rechtsschutz oder zum
Schmerzensgeld für Angehörige, zu Gesicht zu bekommen . Aber vielleicht geschehen ja noch Wunder .
Ich wünsche mir von einem Justizminister aber auch,
dass er dem ständigen Verlangen der Konservativen nach
neuen Sicherheitspaketen standhält . Es wird doch kein
einziger Anschlag dadurch verhindert, dass Sie sich jetzt
mit dem Innenminister auf Fußfesseln für Extremisten
und Videoüberwachungen im öffentlichen Raum geeinigt haben .
({8})
Im Gegenteil: Es ist eine gefährliche Illusion, zu glauben,
wir könnten ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, indem
wir ständig die Gesetze ändern . Das ist wie eine Droge,
bei der wir ständig die Dosis erhöhen müssen, um die
Wirkung zu erhalten .
({9})
Was die Menschen in diesem Land brauchen, ist weder Fußfessel noch Burkaverbot, sondern eine politische
Führung, die mit Bedacht handelt, statt Ängste zu schüren;
({10})
eine politische Führung, die zugesteht, nicht jeden Anschlag verhindern zu können, die aber deutlich macht,
dass unser Rechtsstaat über die Instrumente verfügt,
mit den Herausforderungen umzugehen; eine politische
Führung, die gerade jetzt den freiheitlichen Rechtsstaat
verteidigt und sich dem Ansturm der Populisten entgegenstellt .
Herr Justizminister, je stärker dieser Wind bläst, desto
mehr sind gerade Sie gefordert . Seien Sie also bitte kein
Fähnchen im Wind, sondern ein Fels in der Brandung!
Denn das ist es, was unser Land und unser Rechtsstaat
jetzt braucht .
Vielen Dank .
({11})
Vielen Dank, Katja Keul . - Nächste Rednerin: Elvira
Drobinski-Weiß für die SPD-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Tribünen! 2013 sind wir mit dem Ziel in den
Wahlkampf gezogen, Verbraucherinnen und Verbraucher
besser vor Risiken zu schützen und ihnen zu helfen, ihre
Rechte wirksamer durchzusetzen . Das Ziel war und ist,
transparente Märkte zu schaffen, auf denen sichere und
nachhaltige Produkte angeboten werden .
Ich kann heute nur stichpunktartig Bilanz ziehen - das
ist der letzte Haushalt in dieser Legislaturperiode, den wir
hier miteinander beschließen; ich konzentriere mich auf
die für eine gute Verbraucherpolitik notwendigen Strukturen -: Wir haben zum Beispiel bei der Bundesanstalt
für Finanzdienstleistungsaufsicht, abgekürzt BaFin, den
kollektiven Verbraucherschutz als weiteres Aufsichtsziel
mit dem Kleinanlegerschutzgesetz im Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz, abgekürzt FinDAG, verankert .
Außerdem haben wir 2014 den Sachverständigenrat
für Verbraucherfragen eingerichtet . Es ist uns wichtig,
dass Erkenntnisse aus verbraucherbezogenen Wissenschaften in unsere Strategien für eine gute Verbraucherpolitik einfließen. Tatsächlich sind die Mittel für die Verbraucherforschung in den vergangenen Jahren nahezu
verdoppelt und nicht gekürzt worden .
({0})
Die alternative Streitbeilegung ist mein nächstes
Stichwort. Es muss ein flächendeckendes Angebot außergerichtlicher Streitbeilegungsstellen vorhanden sein . Das
Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz fördert
im Rahmen eines Pilotprojektes bis 2019 eine privat organisierte, sogenannte Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle .
Neu geschaffen und einem sehr großen Teil der Bevölkerung schon bekannt sind die Marktwächter für Finanzen und für die Digitale Welt . Im Gegensatz zu dem, was
hier vorhin gesagt worden ist, finde ich, das ist genau der
richtige Weg . Auf Basis eigener Untersuchungen und auf
die Beschwerden von vielen Tausenden von Menschen
hin haben die Marktwächter bereits die Öffentlichkeit,
die Behörden und die Politik auf Probleme und Missstände im Markt aufmerksam machen und Verbraucherwarnungen aussprechen können . Das ist gut, und wir haben
immer betont, dass wir die beiden Marktwächter verstetigen
({1})
und den Ausbau weiterer Marktwächter anstoßen wollen,
Herr Lindner . Ich bin besonders stolz darauf, dass es jetzt
1,5 Millionen Euro für einen Marktwächter Energie gibt .
({2})
Das betrachte ich sehr wohl als Anschubfinanzierung in
dem vorliegenden Haushalt . Wir werden uns auch dafür
einsetzen, dass genau diese Politik engagiert fortgesetzt
und dauerhaft etabliert wird .
({3})
Spätestens seit den Verhandlungen zu CETA und TTIP
wissen wir, dass auch international der Verbraucherschutz einen hohen Stellenwert hat . Allen ist auch klar,
wie wichtig es ist, sich frühzeitig gemeinsam über die
Verbraucherstandards auszutauschen . Ich begrüße deshalb, dass es im Rahmen der G-20-Ratspräsidentschaft
im nächsten Jahr am Weltverbrauchertag, am 15 . März,
eine große Veranstaltung zum Thema „Digitaler Verbraucherschutz“ geben wird, die auch mit einer entsprechenden Summe aus dem Ministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz finanziert wird, ebenso wie die Veranstaltung beim Deutschen Verbrauchertag im nächsten
Jahr, der unter dem Thema „Verbraucherschutz schafft
Sicherheit“ steht; denn Sicherheit schafft Vertrauen . Ich
bin dem Minister der Justiz und für Verbraucherschutz
dankbar dafür, dass dies finanziert wird.
Herzlichen Dank .
({4})
Vielen Dank, Elvira Drobinski-Weiß . - Nächste Rednerin: Nicole Maisch für Bündnis 90/Die Grünen .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Minister, im Fußball sagt man: Geld schießt keine Tore . - Im übertragenen Sinne gilt das auch für die
schwarz-rote Verbraucherpolitik . Über die Bereiche
„Ernährung“ und „gesundheitlicher Verbraucherschutz“
sage ich an dieser Stelle nichts; dafür kann Herr Maas
wirklich nichts . Aber auch in Ihrem Geschäftsbereich
klaffen Lücken in der Verbraucherpolitik .
Nehmen wir das Zukunftsthema „nachhaltiger Konsum“. Im Haushalt findet sich kein Cent für die Umsetzung des Nationalen Programms für nachhaltigen
Konsum. Es findet sich auch nichts zu einer verbrauchergerechten Umsetzung der CSR-Richtlinie . Dabei brauchen wir das doch so dringend, damit die Konsumenten
die seitenlangen Berichte, die die Unternehmen in Zukunft verfassen sollen, verstehen und vergleichen können. Wir finden auch nichts zur Förderung nachhaltiger
Geldanlagen . Dabei brauchen wir endlich ein verlässliches Label, damit nicht zum Beispiel der Ökostrombezieher über seinen Fondssparplan in Kohle und Atom investiert oder die Eine-Welt-Aktivistin nicht feststellen muss,
dass sie mit ihrer privaten Altersvorsorge ausbeuterische
Kinderarbeit oder Rüstungsgüter finanziert. Hier, finden
wir, hätte ein Verbraucherminister wirklich etwas zu tun .
Im Bereich „nachhaltiger Konsum“ sehen wir aber leider
nichts . Das sollte sich dringend ändern .
({0})
Herr Minister, wir werfen Ihnen auch vor, wichtige Verbrauchergruppen nicht im Blick zu haben . Wenn
man sich damit beschäftigt, wofür im Bereich Verbraucherinformation Geld ausgegeben wird, findet man eine
starke Fokussierung auf den Bereich „Seniorinnen und
Senioren“ . Das ist sicher nicht falsch; auch alte Konsumentinnen und Konsumenten müssen berücksichtigt
werden . Aber wo tun Sie etwas für die schutzbedürftigste
Konsumentengruppe von allen, nämlich die Kinder? Wir
fordern Sie auf: Sichern Sie die Finanzierung des Materialkompasses dauerhaft, damit Lehrmaterialien Kinder
schlau machen, statt Schleichwerbung für Konzerne zu
betreiben! Sie haben das für den digitalen Bereich zugesagt; aber wir finden, dass auch in den Bereichen Finanzen und Ernährung Kinder im Unterricht qualitativ
hochwertige Unterrichtsmaterialien statt Schleichwerbung brauchen .
({1})
Und wir fordern Sie auf: Starten Sie ein Projekt „digitaler Verbraucherschutz für Kinder“! Im Netz sind Kinder
noch schlechter als im Fernsehen oder Radio vor direkten
Kaufaufforderungen und illegaler Werbung geschützt .
Zum Beispiel bei den In-App-Käufen gibt es Praktiken,
die nicht fortgeführt werden dürfen . In einem solchen
Projekt bestünde die Möglichkeit, die Verbandsklage im
Datenschutz, die Sie neu eingeführt haben, zu nutzen und
den Anbietern zu zeigen, dass das Netz kein rechtsfreier
Raum ist, besonders wenn es um den Schutz von Kindern
geht .
Klar ist: Geld allein macht keine gute Politik . Das
merkt man an den Marktwächtern . Wir fordern Sie auf,
dieses wichtige Instrument endlich institutionell zu fördern und besser mit den Aufsichtsbehörden zu verzahnen . Geben Sie Ihren Marktwächtern endlich richtige
Zähne!
({2})
Dazu hätte es eines etwas kämpferischen Verbraucherschutzministers bedurft . Wenn man sich anschaut, wie
diese Regierung im Konflikt mit großen Unternehmen
agiert, dann ist es nicht verwunderlich, dass VW-Chef
Müller glaubt, in Deutschland als Reaktion auf Dieselskandal und Versagen bei E-Mobilität die Kundinnen und
Kunden beschimpfen zu können, statt darüber nachzudenken, was man für mehr Verbraucherschutz tun könnte .
Schauen wir uns an, was Sie im Finanzbereich gemacht haben, Stichwort „Wohnimmobilienkreditrichtlinie“ . Es ist erstaunlich, dass diese Bundesregierung zusammen mit der schwarz-roten Koalition rückwirkend in
die Widerrufsrechte von Kundinnen und Kunden eingegriffen hat, nur weil die Sparkassen sie auf die Bäume getrieben haben . Das ist unglaublich und bleibt noch immer
ein schwarzer Fleck auf Ihrer Verbraucherschutzweste .
({3})
Wir wünschen uns für den Rest der Legislaturperiode, dass den Ankündigungen des Ministers endlich Taten
folgen . Wir wünschen uns mehr Verbraucherschutz und
weniger Ankündigung . Damit ist klar, dass wir diesem
Haushalt nicht zustimmen können .
({4})
Vielen Dank, Nicole Maisch . - Nächster Redner:
Dr . Patrick Sensburg für die Unionsfraktion .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Der vorliegende
Bundeshaushaltsentwurf für das Jahr 2017 weist mit einem Gesamtvolumen von rund 320 Milliarden Euro einen guten Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben aus .
Ich danke in erster Linie den Haushältern für die gute
Zusammenarbeit mit den Fachpolitikern aus dem Justiz- und Verbraucherschutzressort . Das hat in den letzten
Wochen der Beratungen gut geklappt . Ganz herzlichen
Dank, dass die Zusammenarbeit von Fachpolitikern und
Haushaltspolitikern immer so exzellent klappt!
Lassen Sie mich eines vorweg sagen: Der Ausgleich
von Einnahmen und Ausgaben ist wirklich ein Markenkern der Union . Wir achten darauf, dass die Wünsche,
die in einem Einzelplan ihren Ausdruck finden, den
Ausgaben, die man sich leisten kann, entsprechen und
das Ganze nicht aus dem Ruder läuft, sondern zu einem
Ausgleich gebracht wird . Es ist ein Markenzeichen der
Union, zu einem Ausgleich zu kommen . Es ist gut, dass
wir das so machen .
Verfolgen wir einmal, wie es in den Bundesländern
läuft . Schauen wir nach Nordrhein-Westfalen, wo eine
anders geführte Landesregierung den Haushalt aufstellt .
({0})
Man sieht, dass dort die Ausgaben aus dem Ruder laufen;
das ist festzustellen . Ich wünsche mir, dass auch die Landesregierungen eine so gute Haushaltspolitik betreiben,
wie sie unter Führung von Angela Merkel und Finanzminister Schäuble betrieben wird .
({1})
Fast alle Redner der einzelnen Fraktionen, die zuvor
zum Haushalt für Justiz und Verbraucherschutz geredet
haben, haben sich Zeit genommen, um das Ressort des
Innenministeriums zu loben .
({2})
An dieser Stelle muss man Innenminister de Maizière
und Staatssekretär Krings danken . Wenn in den Beratungen über den Einzelplan für Justiz und Verbraucherschutz das Innenministerium so breit gelobt wird,
({3})
dann scheinen wir doch viel richtig gemacht zu haben .
({4})
- Lieber Kollege Hahn, die einzige Fraktion, die nicht
gelobt hat, ist die Linke; diese hat sich beim Lob sehr
zurückgehalten . Sie haben offenkundig noch immer ein
etwas gestörtes Verhältnis zu staatlichen Institutionen
und der Rechtsstaatspolitik . Daher kann ich verstehen,
dass Sie die einzige Fraktion waren, die das Innenressort
nicht gelobt hat .
({5})
Lassen Sie mich nun auf den zur Diskussion stehenden
Einzelplan eingehen - Kollege Gröhler hat das bereits
gesagt -, der „lediglich“ rund 800 Millionen Euro aufweist . Das sind knapp 2,5 Prozent des Gesamthaushalts .
Man kann sagen, dass sich gute Rechtspolitik und gute
Verbraucherpolitik nicht ausschließlich nach dem Volumen bemessen lassen, sondern nach den Inhalten . Dieses
Politikfeld hat für die Verbraucherinnen und Verbraucher
bzw . die Bürgerinnen und Bürger eine große Bedeutung .
Dennoch lässt sich feststellen, dass es ein gewisses Ungleichgewicht zwischen den Bereichen Recht und Verbraucherschutz gibt . Für den Verbraucherschutz ist mehr
Geld eingestellt . Ich wünsche mir, dass wir im Rechtsbereich noch das eine oder andere akzentuiert vorantreiben .
({6})
Um es deutlich zu sagen: Es ist wichtig, für guten
Verbraucherschutz ausreichend Mittel einzustellen . Aber
Verbraucherschutz darf den mündigen Bürger nicht
völlig an die Hand nehmen und seine Eigenverantwortung außer Acht lassen . Ich wünsche mir, dass wir das
Gleichgewicht, wie es in den letzten Jahren existiert hat,
fortschreiben . Es darf keinen überschießenden Verbraucherschutz geben, sondern es muss ein Gleichgewicht
zwischen den Interessen des mündigen Bürgers auf der
einen und der Schutzfunktion und der Fürsorgepflicht des
Staates auf der anderen Seite geben .
Insbesondere bei der Digitalisierung gibt es im Bereich der Rechts- und Verbraucherschutzpolitik noch einiges zu machen . Herr Minister Maas, Sie hatten den runden Tisch zum Thema „Hate Speech“ einberufen . Dabei
ist leider bisher effektiv noch nichts herausgekommen .
Ich bin sehr dankbar, dass der Vorsitzende der CDU/
CSU-Fraktion, Volker Kauder, mit seinen eindringlichen
Worten Bewegung in die Diskussion über eine mögliche
Novelle zum Teledienstegesetz gebracht hat . Sonst werden wir in diesem Bereich möglicherweise keinen Erfolg
haben . Hate Speech können wir nicht akzeptieren; viele
Redner haben das schon gesagt . Dieses Thema müssen
wir jetzt entschlossen anpacken .
Zunehmend sind Verbraucher mit dem Phänomen
des Individual Pricing konfrontiert . Dabei erzeugen Algorithmen auf der Basis generierter Daten individuelle
Preise, wobei nicht transparent ist, wie die Preise zustande kommen . Ich glaube aber, dass uns der Grundsatz
der sozialen Marktwirtschaft sagt, dass die Preisbildung
transparent sein muss und es nicht Algorithmen überlassen sein darf, wer wie viel für ein bestimmtes Produkt
bezahlt . Hier müssen wir nachbessern . Ich glaube, es ist
auch eine Aufgabe effektiven Verbraucherschutzes, etwas gegen das Individual Pricing zu machen .
({7})
Der andere Bereich, wo wir schon angesetzt haben,
aber wo wir noch mehr machen müssen - es ist noch kein
Ergebnis da -, ist die Praxis des Geoblockings . Dabei
bestimmt der Standort des Verbrauchers und nicht das
Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage den Preis .
Auch hier sind wir nicht weitergekommen . Auch hier
müssen wir im Rahmen der Verbraucherpolitik mehr tun .
Nicht weniger als einen New Deal forderten Sie, Herr
Minister, im vergangenen Jahr im Bereich des Urheberrechts . Man muss sagen: Etwas Neues hat es nicht gegeben . Wir sind immer noch weit von Lösungen entfernt .
Ich wünsche mir, dass wir hier einen weiteren Schritt gehen . Herr Minister, Sie haben die Unterstützung der Union, und Sie haben gute Staatssekretäre im Bereich des
Verbraucherschutzes: Staatssekretär Billen und Staatssekretär Kelber . Ich glaube, mit den Fachleuten und mit
Unterstützung der Union müsste es uns gelingen, eine
gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit bei diesen
Themen zu erreichen .
Im Rechtsbereich ist es uns auf vielen Feldern leider
nicht gelungen, die angestoßenen und ins Visier gefassten Gesetzesvorhaben zum Abschluss zu bringen . Ich
möchte aber Staatssekretär Lange danken . Nach einigen
Jahren Verspätung ist es uns gelungen, die Verordnung
zum Mediationsgesetz auf den Weg zu bringen . Das ist
gut; die Verbände freuen sich, sie sind zufrieden, dass
wir weitermachen können . Meine Vorrednerin hat es angesprochen: Was die außergerichtliche Streitbeilegung
betrifft, wünsche auch ich mir, dass wir im Grunde bei
allen Verfahren, die es im Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung gibt, schauen, dass wir eine gewisse
Konsistenz zwischen Schlichtung, Obmännern bzw . Obfrauen, der Mediation und anderen Verfahren erreichen .
Wir müssen in die Verfahren im deutschen Rechtssystem
mehr Konsistenz bringen .
Weitere Projekte sind leider immer noch auf der langen Bank . Ich erinnere an das wichtige Projekt der Insolvenzanfechtung .
({8})
Hier finden noch Gespräche statt; aber das Projekt ist
nicht umgesetzt . Herr Kollege Fechner, ich erinnere mich
an das Ende der letzten Legislaturperiode . Da haben wir
mit dem Wirtschaftsministerium und dem damaligen
BMJ intensive Gespräche geführt und wollten die Insolvenzanfechtung anpacken . Das BMJ blockierte damals,
und jetzt blockiert das BMJV in den Gesprächen . So
empfindet es die Wirtschaft.
({9})
Das Wirtschaftsministerium würde sich deutlich mehr
wünschen . Das hat sich in dieser Legislaturperiode leider nicht geändert . Ich wünsche mir, dass wir das Thema
Insolvenzanfechtung intensiv aufnehmen . Es ist Aufgabe
des Justizministeriums, die Wirtschaft an dieser Stelle
nicht alleine zu lassen .
({10})
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder
-bemerkung von Herrn Kollegen Flisek?
Na klar, logisch .
Herr Kollege Sensburg, Sie haben gerade auf die durchaus nicht ganz einfachen Verhandlungen zum wichtigen
Urhebervertragsrecht verwiesen und haben, wenn ich
Sie richtig verstanden habe, bedauert, dass in der Sache
nichts weitergehe . Da möchte ich Sie schon fragen - weil
wir an einem Punkt sind, wo wir ein wenig Farbe bekennen müssen -, ob die Unionsfraktion, wenn sie das hier
zum Gegenstand der Debatte macht, denn bereit wäre,
sich bei der Frage eines angemessenen Auskunftsanspruches zugunsten der Kreativen in diesem Land - wohlgemerkt: der Auskunftsanspruch ist ein Hilfsanspruch, um
eine angemessene Vergütung durchzusetzen - endlich ein
Stück weit zu bewegen, damit wir das Paket zuschnüren
können . Sie fordern ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger, das Sie den Kreativen nicht zubilligen wollen;
die Probleme, die Sie skizzieren, sind dieselben . Von den
Onlineplattformen aber wird das eingefordert . Wie können Sie sich positionieren, damit daraus eine konsistente Lösung wird? Ich würde Sie schon gerne bitten, sich
dazu mehr und deutlicher zu äußern; denn der Moment
wäre geeignet, die Sache wirklich nach vorne zu bringen .
({0})
Herr Kollege Flisek, als Berichterstatter der SPD-Fraktion für dieses Themengebiet verhandeln Sie jetzt seit
drei Jahren . Schon in der letzten Legislaturperiode hatten
wir das Thema Urheberschutz auf der Agenda .
({0})
- Ja, das war am Ende der Legislaturperiode . Wir haben
kein Ergebnis erreichen können, auch weil die Zeit fehlte .
({1})
In dieser Legislaturperiode haben wir das Thema wieder aufgegriffen . Seit drei Jahren wird verhandelt . Sie haben jetzt zwei von mehreren Punkten der Verhandlungen
genannt, bei denen wir noch nicht im Konsens sind . Es
liegt erst einmal an den Verhandlern, über die Vielzahl
der Punkte einen Konsens zu erreichen . Ihn haben wir
nicht, weil Sie auch bei Ihren Punkten nicht nachgeben .
({2})
Insofern würde ich mir wünschen, dass diese Verhandlungen zu Ende gebracht werden und dass als Ergebnis
der Zusammenarbeit mit dem Justizministerium einmal eine Lösung auf den Tisch kommt und nicht endlos
verhandelt wird . Dasselbe erleben wir - ich habe es erwähnt - bei den anderen Projekten, zum Beispiel bei der
Insolvenzanfechtung . Auch da haben wir Lösungen auf
dem Tisch liegen .
({3})
Auch hier wird das Vorliegende mit anderen Bereichen
vermengt . Das gesamte Insolvenzrecht wird plötzlich in
Angriff genommen, und eine Lösung wird nicht erreicht .
Von daher: Specken Sie das Ganze ab auf die wesentlichen Punkte!
({4})
Dann kommen wir zu einem Konsens . Aber so wird es
nicht gehen .
({5})
Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen, der das
Straf- und Prozessrecht betrifft . Auch hier haben wir mit
vielen Forderungen stark begonnen . Es sollte der Mordparagraf geändert werden . Es sollte eine große StPO-Reform geben . Beim Mordparagrafen sehen wir jetzt, dass
eine kluge Ausgestaltung dieser Norm gar nicht so einfach ist, dass § 211 StGB eine gute Norm ist, mit einer
dezidierten Rechtsprechung .
({6})
Ich weiß zurzeit nichts von weiteren Initiativen aus dem
BMJV für eine Überarbeitung . Es ist still geworden . Ich
würde mir auch hier wünschen, dass Klarheit herrscht,
wie es weitergeht .
Besonders bedauerlich ist der Verlauf der großen
StPO-Reform . Es war am Anfang der Legislaturperiode
als wesentliches rechtspolitisches Projekt angedacht, die
gesamte StPO zu überarbeiten und vom Ermittlungsverfahren über das Zwischenverfahren über das Hauptverfahren bis zu den Rechtsmitteln und dem Strafvollzug, also dem Vollstreckungsverfahren, ein konsistentes
Gesetzeswerk einer StPO zu schaffen, die im Grunde
beschleunigende Verfahren ermöglicht . All das ist im
Grunde schon in der eingesetzten Kommission gescheitert . Nur wesentliche Einzelpunkte sind übrig geblieben;
sie stehen derzeit in der Verhandlung . Regelungen für
einen effektiveren, beschleunigten Strafprozess finden
wir im derzeitigen Gesetzentwurf nicht mehr vor . Die
Neuregelung der Anbahnungsgespräche, die Sachverständigenauswahl oder beispielsweise die gerichtliche
Überprüfung der Bestellung eines Pflichtverteidigers im
Ermittlungsverfahren, all das kostet mehr Zeit und beschleunigt das Verfahren nicht .
Nicht im Gesetz beinhaltet ist die sogenannte Quellen-TKÜ . Das ist aber eine Forderung der Justizministerkonferenz, des Generalbundesanwalts und der Generalanwälte der Länder; sie wurde erst vor 14 Tagen
wieder aufgestellt . Herr Justizminister, Sie haben im
Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung einen
klugen Gesetzentwurf unterstützt und vorangebracht .
Jetzt müssen Sie sich auch bei der Quellen-TKÜ, wenn
die StPO-Reform kommen soll, bewegen . Dann bringen
wir gemeinsam ein gutes Gesetzeswerk zustande .
Viele Punkte müssen wir noch anpacken . Ich habe
einige im Bereich Verbraucherschutz genannt . Hinzu
kommen einige rechtspolitische Punkte . Ich hoffe, Herr
Minister, dass Sie sich im kommenden Jahr, das uns noch
verbleibt, mit der Unterstützung der Haushälter und diesem Haushaltsansatz zur Behandlung dieser Themen entschließen können . Wir haben ja gerade gehört: Sogar für
die Magnus-Hirschfeld-Stiftung haben wir noch einmal
Geld in den Haushalt eingestellt . - Packen Sie die Projekte beherzt an! Sonst habe ich die Sorge, dass wir in
dieser Legislaturperiode, anders als in den letzten Jahren,
nicht viele rechtspolitische Vorhaben umsetzen werden,
und das wäre sehr schade .
Danke schön .
({7})
Vielen Dank, Dr . Sensburg . - Das Wort zu einer Kurzintervention hat Dr . Harbarth von der CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Herr Kollege Flisek, Sie haben die Frage aufgeworfen, wann die Unionsfraktion endlich bereit sei, im Bereich des Urhebervertragsrechts, im Bereich des Auskunftsrechts zu einer angemessenen Lösung zu kommen .
Es liegt ja ein Vorschlag Ihres Bundesjustizministers auf
dem Tisch . Mit diesem Vorschlag sind wir einverstanden .
Wenn Sie den Eindruck erwecken, dass dieser Vorschlag
unangemessen sei, dass wir endlich zu einer angemessenen Regelung kommen sollten, dann möchte ich diese
Kritik am Bundesjustizminister zurückweisen .
({0})
Weil ich heute gut aufgelegt bin, habe ich Sie nicht unterbrochen . Eine Kurzintervention muss sich eigentlich
auf den unmittelbaren Vorredner beziehen; das wissen
Sie ganz genau .
({0})
Weil ich heute besonders nett bin - das ist aber eigentlich
immer so -, habe ich das zugelassen .
Die nächste Rednerin ist Christina Jantz-Herrmann für
die SPD-Fraktion . - Bitte schön .
({1})
Vielen Dank . - Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Zuhörerinnen
und Zuhörer! Es bedarf keiner großen mathematischen
Expertise, um festzustellen, dass auch im Jahr 2017 der
Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und für
Verbraucherschutz im Vergleich zu den Haushalten der
anderen Ministerien eher schmal ist . Nun lässt sich aber
zum Glück nicht nur am Haushaltsvolumen beurteilen,
wie gut ein Ministerium arbeitet, sondern es sind die konkreten Projekte, die maßgeblich sind . Hier braucht sich
gerade unser Bundesjustizminister Heiko Maas nicht zu
verstecken .
({0})
Wir haben großen Wert darauf gelegt, dass der Verbraucherschutz erneut viel Platz im Haushalt einnimmt .
Insbesondere die schrittweise Erhöhung des Stiftungskapitals der Stiftung Warentest auf 175 Millionen Euro und
auch die Anschubfinanzierung für die Marktwächter im
Bereich der Energie mit 1,5 Millionen Euro sind hier zu
nennen . Viele weitere Punkte hat meine Kollegin Elvira
Drobinski-Weiß schon angesprochen .
Für mich zeigt sich, dass es eine richtige Entscheidung der Großen Koalition war, den Verbraucherschutz
beim Justizministerium anzusiedeln; denn der rechtliche
Verbraucherschutz ist heutzutage wichtiger denn je . Ein
gutes Beispiel für einen praxisnahen Verbraucherschutz
ist das sehr informative Onlineverbraucherportal „Wissen wappnet .“ . Es bietet Hilfestellung bei Finanzfragen
oder bei Problemen im Reiserecht . Es berät zudem auch
über Kostenfallen im Internet und vieles mehr . Es werden komplexe Rechtsfragen verständlich erläutert, mittlerweile sogar per App .
Loben möchte ich an dieser Stelle aber auch Heiko
Maas’ Engagement gegen Hasskriminalität im Internet;
denn wenngleich eigentlich klar sein sollte, dass auch im
Internet deutsches Recht zu gelten hat, sieht die Realität leider anders aus . Im Internet, auf den sozialen Plattformen, wird beleidigt und gepöbelt; falsche Tatsachen
werden willkürlich verbreitet, Mobbing steht ganz oben
auf der Tagesordnung . Hier ist es wichtig einzugreifen .
Genau das ist eine Form des Verbraucherschutzes, und
zwar des Schutzes der Kinder .
Durch die Einrichtung der Taskforce gegen Hassbotschaften im Internet im Jahr 2015 wurde ein Grundstein
dafür gelegt . Unsere Minister, allen voran Heiko Maas
und Manuela Schwesig, suchen die kritische Auseinandersetzung mit Facebook & Co .; und das ist auch gut so .
({1})
Wir brauchen eine viel schnellere und konsequentere
Entfernung rechtswidriger Hassposts . Hier müssen wir
den Druck aufrechterhalten und auch noch verstärken .
Das BMJV bildet zudem einen verlässlichen Partner,
wenn es darum geht, Gleichstellung voranzubringen sowie Familien und Frauen zu stärken . Neben der bereits
erfolgreich erkämpften Frauenquote gibt es weitere
Punkte; zwei möchte ich hier ganz besonders ansprechen: erstens die Unterstützung des dringend benötigten
Entgeltgleichheitsgesetzes und zweitens die Ausweitung
des Unterhaltsvorschusses . Bei der Ehe für alle, liebe
Kolleginnen und Kollegen der Union, knirscht es bei Ihnen leider immer noch etwas im Getriebe . Hier erhoffen
wir uns mehr Wind unter den Flügeln .
({2})
Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld wird in die
institutionelle Förderung aufgenommen und erhält gute
500 000 Euro pro Jahr; Herr Petzold, Sie hatten das vorhin angesprochen . Dies zeigt, wie wichtig das BMJV die
Gleichstellungspolitik, die Antidiskriminierung nimmt .
Dass zudem im Rahmen des Gesetzes zur Entschädigung
der wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen
Verurteilten zunächst 4,5 Millionen Euro zur Verfügung
gestellt werden, ist aus meiner Sicht ein längst überfälliger Schritt - umso wichtiger, dass dieser mit dem Bundeshaushalt 2017 gegangen wird .
Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren .
({3})
Vielen Dank, Frau Kollegin Jantz-Herrmann .
Ich begrüße recht herzlich in unserem Haus - wir haben sie gerade entdeckt - Andrea Voßhoff, die Bundesbeauftragte für Informationsfreiheit .
({0})
Nächster Redner: Helmut Brandt für die CDU/
CSU-Fraktion .
({1})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Verehrte Zuschauer und Zuschauerinnen!
Heute ist gesagt worden, dass es wichtig ist - ich halte
das auch für wichtig -, junge Leute an den Rechtsstaat
heranzuführen . Ich habe im Jahresdurchschnitt etwa
800 Schülerinnen und Schüler aus dem Wahlkreis, mit
denen ich die übliche Diskussionsstunde durchführe, und
muss leider feststellen, dass der Kenntnisstand minimal
ist .
({0})
Ich kann es eigentlich gar nicht nachvollziehen, dass die
Curricula offensichtlich zu selten vorsehen, dass dieses
Thema mit den Schülerinnen und Schülern angegangen
wird . Insofern halte ich das für eine wichtige Maßnahme .
Vizepräsidentin Claudia Roth
Meine Damen und Herren, ich möchte mich heute
vor allen Dingen mit dem ebenfalls jetzt vorgesehenen
Tagesordnungspunkt, nämlich dem Einzelplan zum Bundesverfassungsgericht, beschäftigen und dabei auch auf
die obersten Bundesgerichte eingehen . Ich möchte dabei
einem Eindruck widersprechen, der nach meiner Auffassung hier eben erweckt wurde: Die deutsche Justiz
ist im Wesentlichen von unseren Bürgerinnen und Bürgern anerkannt . Ich glaube - das muss ich ganz ehrlich
sagen -, dass die meisten Bürgerinnen und Bürger sehr
auf unsere Justiz bauen und auch bauen können . Allerdings müssen auch die Bundesländer bei den unterinstanzlichen Gerichten verstärkt dafür Sorge tragen, dass
die Verfahrensdauern abgekürzt werden . Das gilt nach
meiner Einschätzung insbesondere für Strafverfahren im
Jugendstrafrecht; aber auch bei den Verwaltungsgerichten ist eine überlange Verfahrensdauer festzustellen .
Der deutsche Rechtsstaat wird gerade auch im Vergleich zu anderen Systemen und zu aktuellen Entwicklungen der heutigen Zeit insgesamt hoch eingeschätzt .
Das gilt insbesondere für das Ausland . Die vielen Rechtsstaatsdialoge zeigen ja, dass wir hierzu im Ausland beitragen . Sowohl die Politik, die obersten Bundesgerichte,
die Gerichte insgesamt, aber auch die Anwaltschaft leisten hier einen wichtigen Beitrag .
Unsere Gerichte und die Rechtsprechung genießen
hohe Akzeptanz und den Respekt der Bevölkerung . Das
gilt, wie ich eingangs sagte, nach meiner Auffassung
ganz überwiegend . Das gilt aber insbesondere auch für
die Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte und des
Bundesverfassungsgerichtes . Ich denke, dass zu dieser
hohen Qualität unserer Gerichtsbarkeit auch das Auswahlverfahren für die obersten Bundesgerichte und für
das Bundesverfassungsgericht beitragen .
Wir sind in dieser Frage richtigerweise den Reformvorschlägen, die insbesondere zum Wahlverfahren von
Bundesrichtern von den Grünen kürzlich unterbreitet
worden sind, nicht gefolgt . Wir haben eine Sachverständigenanhörung durchgeführt . Diese hat nach meiner Auffassung schon eindeutig gezeigt, dass das keine sinnvollen Vorschläge sind . Insbesondere aber die Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts vom 20 . September 2016
hat doch sehr eindrucksvoll dargelegt, dass das Verfahren in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung voll und ganz
den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt . Man
kann sagen, dass sich auch in diesem Zusammenhang
die Worte des berühmten französischen Staatsrechtlers
Charles-Louis de Montesquieu bewahrheiten; denn er
sagte:
Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen,
dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen .
Das sollten wir hier, Frau Keul, wirklich beachten .
({1})
Mit dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde zum Glück auch die Blockade eines gewählten Richters aufgehoben . Ich hoffe, dass er in den nächsten Tagen - wenn es nicht schon geschehen ist - seine
Urkunde erhält .
Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht ist in seiner Entscheidung den Argumenten, die wir
vorgetragen haben, ohne Einschränkungen gefolgt . Wir
haben ja die Problematik, dass auf der einen Seite Artikel 33 des Grundgesetzes die sogenannte Bestenauslese
vorgibt, auf der anderen Seite Artikel 95 des Grundgesetzes für die Berufung von Richterinnen und Richtern
zu den obersten Bundesgerichten eine Wahl vorsieht .
In diesem Spannungsverhältnis gibt es natürlich immer
wieder rechtliche Probleme, was ausschlaggebend ist .
Das Gericht hat aber klargestellt, dass die Mitglieder des
Richterwahlausschusses die Bindung des zuständigen
Ministers, also in der Regel des Justizministers oder der
Arbeitsministerin, an den Grundsatz der Bestenauslese
zu beachten haben, der eigentliche Wahlakt aber keiner
gerichtlichen Kontrolle unterliegt . Damit hat das Gericht
auch der Unmöglichkeit, eine Wahlentscheidung zu begründen, Rechnung getragen . Es hat dazu wörtlich ausgeführt - ich zitiere, Frau Präsidentin -:
Dem Wahlelement trüge eine strikte Bindung der
Entscheidung des Richterwahlausschusses an
Art . 33 Abs . 2 GG nicht ausreichend Rechnung .
Während Art . 33 Abs . 2 GG auf die eine „‚richtige‘
Antwort“ … beziehungsweise darauf gerichtet ist,
„von oben her“ den Besten auszuwählen, zeichnen
sich Wahlen gerade durch Wahlfreiheit aus, wenngleich die Wählbarkeit zumeist von der Erfüllung
bestimmter Voraussetzungen abhängt …
Die Voraussetzungen sind natürlich klar: Man muss für
das Richteramt geeignet sein . Aber ansonsten ist dieser
Wahlakt frei .
Weiter heißt es:
Da der eigentliche Wahlakt keiner gerichtlichen
Kontrolle unterliegt, bedarf sein Ergebnis auch keiner Begründung …
Das ist genau das Gegenteil dessen, was Sie gefordert
haben .
Deshalb wird vom Gericht auch konsequent gesagt,
dass der Minister, der diese Entscheidung dann ausführen
muss, wenn dem nicht besondere Gründe entgegenstehen, dies auch umzusetzen hat . In der Vergangenheit ist
das ja auch immer geschehen .
Nach dieser Entscheidung, meine Damen und Herren, kann dieses bewährte Verfahren beibehalten werden .
Auch wir als Abgeordnete, die Mitglieder im Richterwahlausschuss sind, können mit dieser Entscheidung
nicht nur gut leben, wie ich meine, sondern haben jetzt
auch ganz klar vor Augen, dass wir dort eine Wahl durchführen .
Diese Wahlfreiheit ist im Übrigen kein Selbstzweck,
sondern auch in den Erfahrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus begründet . Mit der Betrauung eines
Wahlausschusses mit der Aufgabe der Auswahl von
Bundesrichtern wollte der Verfassungsgeber wieder eine
Vertrauensbasis für diese Richter herstellen und insbesondere eine Selbstkooptation, also eine Erneuerung der
Bundesrichterschaft aus sich selbst heraus, verhindern .
Der Minister hat eben zu Recht auf das Projekt Rosenburg und die Erkenntnisse daraus, die das Ministerium
betreffen, hingewiesen . Aber auch hier war nach dem
Zweiten Weltkrieg sicherlich eine wirksame Novellierung notwendig, um sicherzustellen - davon hängt ja
immer auch ab, welches Vertrauen die Bevölkerung in
eine Entscheidung der Gerichte hat -, dass die Richter
unabhängig arbeiten und auch unabhängig als solche bestellt worden sind .
Auf die einzelnen Argumente derjenigen, die eine
Änderung gefordert haben, will ich jetzt nicht näher eingehen . Man muss sich nur das Verfassungsgerichtsurteil
durchlesen, um zu wissen, dass eine Änderung nicht erforderlich ist und insbesondere auch nicht geboten ist .
Nach unserer Auffassung wäre sie sogar kontraproduktiv .
Insofern möchte ich meinen heutigen Vortrag hier
auch etwas versöhnlich abschließen, indem ich einfach
sage: Wir haben in Deutschland eine funktionierende,
eine gute Justiz . Diese sollten wir auch nicht infrage stellen . Deshalb ist es auch gut, dass es bei dem in 60 Jahren
bewährten Verfahren der Bundesrichterwahl verbleibt .
Wir können auf dieses System stolz sein und sollten es
allenfalls behutsam weiterentwickeln .
Allerdings sollten wir auch nicht zögern, die notwendigen Stellenvoraussetzungen bei den obersten Bundesgerichten zu schaffen und die Durchlässigkeit der Instanzenzüge zu gewährleisten .
Besten Dank .
({2})
Vielen Dank, Helmut Brandt, für Ihre Rede . - Nächster Redner: Dennis Rohde für die SPD-Fraktion .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Das ist die letzte Lesung des Einzelplans 07 in
dieser Legislaturperiode . Ich möchte die Chance nutzen,
zu Beginn meinen Mitberichterstatterkollegen zu danken, nämlich Tobias Lindner, Roland Claus und natürlich
meinem Koalitionskollegen Klaus-Dieter Gröhler . Wir
waren vielleicht nicht bei jedem Thema immer von Anfang an einer Meinung .
({0})
Aber ich finde, es zählt das, was am Ende dabei herauskommt, und ich glaube, dass sich das sehen lassen kann .
Wir haben in dieser Legislaturperiode die Marktwächter auf den Weg gebracht - begonnen haben wir mit dem
Marktwächter Digitale Welt und dem Finanzmarktwächter -, weil wir von einer reagierenden Verbraucherpolitik,
die erst dann aktiv werden konnte, wenn ein Skandal aufploppte, wegkommen wollten - hin zu einer agierenden
Verbraucherpolitik, die der Verbraucherzentrale, aber
auch uns als Parlamentariern frühzeitig die Möglichkeit
gibt, einzugreifen .
Diese zwei Marktwächter erweitern wir heute um
einen dritten, den Marktwächter Energie . Eigentlich ist
er gar nicht neu; denn die rot-grüne Landesregierung in
Niedersachsen hat ihn parallel zu unseren beiden Marktwächtern schon damals auf den Weg gebracht . Ich bin
froh darüber und stolz darauf, dass wir uns als Bund jetzt
an dieser sehr guten Maßnahme beteiligen .
({1})
Wir geben in 2017 allein für die Marktwächter
11,5 Millionen Euro aus . Das ist mehr Geld, als der
schwarz-gelbe Regierungsentwurf für 2014 für die gesamte Information der Verbraucherinnen und Verbraucher vorgesehen hat . Allein in diesem Haushaltstitel geben wir für Verbraucherschutz mehr als das Doppelte im
Vergleich zur letzten Legislaturperiode aus. Ich finde, das
kann sich sehen lassen . Das zeigt, welchen Stellenwert
das Thema für uns hat, liebe Kolleginnen und Kollegen .
({2})
Wir satteln im Vergleich zur Vorgängerregierung auch
bei anderen Posten auf . Die Verbraucherforschung wurde
gerade von Tobias Lindner kritisiert . Das Gegenteil von
dem, was er gesagt hat, ist der Fall .
({3})
Wir geben fast doppelt so viel aus, als noch in der letzten
Legislaturperiode für 2014 vorgesehen war . Wir geben
deutlich mehr Geld für die Verbraucherzentrale Bundesverband aus . Wir schaffen allein dieses Mal 32 neue Stellen . Wir ermöglichen eine gigantische Aufstockung des
Stiftungskapitals bei der Stiftung Warentest - 100 Millionen Euro; die Summe ist genannt worden -, um sie
vollkommen unabhängig von staatlicher Förderung zu
machen . Wir senken - auch das muss ich richtigstellen natürlich nicht das Budget im Gegensatz zu 2015 bei der
Stiftung Warentest . Sie bekommt das gleiche Geld wie
im letzten Haushalt und zusätzlich die Aufstockung des
Stiftungskapitals, sodass wir auch die Stiftung Warentest
nachhaltig stärken werden .
Wir machen all das nicht nur im Verbraucherbereich,
sondern wir haben uns in den letzten drei Jahren auch
die anderen Positionen des Haushalts angesehen . Ich
erinnere daran, dass es diese Regierung war, die für einen enormen Stellenaufwuchs im Deutschen Patent- und
Markenamt gesorgt hat . Wir haben den exorbitanten Personalmangel abgebaut. Ich finde, das sollte man an dieser
Stelle noch einmal betonen .
({4})
Wir sind die Herausforderungen im Justizbereich angegangen . Viele Redner haben deutlich gemacht, wo wir
stehen . Wir müssen uns mit organisiertem Terrorismus
auseinandersetzen . Wir müssen uns mit Cyberattacken
auseinandersetzen und natürlich auch mit der Rückkehr
von Kriegsverbrechern . Wir haben darauf reagiert . Wir
haben allein in dieser Legislaturperiode beim Generalbundesanwalt 33 neue Stellen geschaffen . Wir haben
beim Bundesgerichtshof 18 neue Stellen geschaffen . Ich
glaube, beide Institutionen wissen nicht, in welcher LeHelmut Brandt
gislaturperiode sie eine solche Stärkung erfahren haben .
Ich finde, auch das kann sich sehen lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen .
({5})
Wir gehen auch mit diesem Haushalt aktuelle Herausforderungen an . Eine - sie wurde schon mehrfach
genannt - ist sicherlich die Rehabilitierung der wegen
einvernehmlich homosexueller Handlungen Verurteilter, derjenigen, die nach dem damaligen § 175 StGB
verurteilt wurden . Wir geben als Haushälter bereits
jetzt, obwohl es die Rechtsgrundlage noch nicht gibt,
4,5 Millionen Euro für die Individualentschädigung aus .
Wir stärken auch die Magnus-Hirschfeld-Stiftung, und
zwar genau so, wie es Kollege Petzold gerade gefordert hat . Das, was er fordert, setzen wir um . Wir bringen
die Magnus-Hirschfeld-Stiftung in eine institutionelle
Förderung . Wir wissen: Wir können Unrecht nicht ungeschehen machen, aber wir können alle daran arbeiten, dass sich Unrecht nicht wiederholt . Ich glaube, die
Magnus-Hirschfeld-Stiftung leistet dazu einen wichtigen
Beitrag, liebe Kolleginnen und Kollegen .
({6})
Wir machen andere Dinge . Wir wissen - auch das
wurde mehrfach betont - um die Herausforderungen, vor
denen unsere Demokratie steht, vor denen unser Rechtsstaat steht . Deshalb ist es richtig und wichtig, das „Forum
RECHT“ zu implementieren und dafür zu sorgen, dass
in Karlsruhe das, was wir an Rechtsgeschichte haben,
auch lebendig wird . Es ist aber zum Beispiel auch wichtig, den Verein „Weimarer Republik“ zu fördern . Er bekommt von uns ebenfalls eine stattliche Summe, um die
Fehler in der ersten deutschen Demokratie aufzuarbeiten
und um das in die Schulen zu tragen. Ich finde, das ist ein
wichtiges Merkmal, damit wir unsere eigene Geschichte
nicht vergessen .
({7})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben im Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz das gemacht, was man erwarten konnte und
durfte. Ich finde, wir haben den Verbraucherschutz nachhaltig gestärkt und sind die Herausforderungen im Justizbereich angegangen . Man kann zusammenfassend sagen:
Es waren vier gute Haushalte . Das sind vier gute Jahre
für Recht und Verbraucherschutz in Deutschland .
Vielen Dank .
({8})
Vielen Dank, Dennis Rohde . - Der letzte Redner zu diesem Einzelplan ist Dr . Volker Ullrich, CDU/
CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die Debatte um den Justizhaushalt ist auch
immer eine Standortbestimmung der Rechtspolitik und
guter Rechtsetzung . Wir müssen in jüngster Zeit mit großem Unbehagen eine besorgniserregende Entwicklung
beobachten: die deutliche Zunahme von Gewalt gegen
Polizeibeamte, Rettungskräfte und Feuerwehrleute .
({0})
Diejenigen, die helfen, retten und schützen, werden selbst
zur Zielscheibe von Angriffen . Es beginnt mit groben Beleidigungen und reicht bis hin zu schweren Körperverletzungen . Allein im Jahr 2015 sind über 60 000 Angriffe
auf Polizeibeamte zu verzeichnen . Diesen Umstand kann
und wird der Rechtsstaat nicht hinnehmen . Wir brauchen
einen stärkeren gesetzlichen Schutz von Polizeibeamten
und Rettungskräften im Einsatz . Dafür machen wir uns
stark .
({1})
Das ersetzt natürlich nicht die gesamtgesellschaftliche
Ursachenforschung, weshalb und aus welchen Motiven
die Hemmschwelle für Gewalt gegen Polizeibeamte und
Rettungskräfte sowie ganz allgemein in dieser Gesellschaft abgenommen hat . Eine solche Strafrechtsänderung
ist aber zur Selbstbehauptung des Rechtsstaats und seiner
Organe notwendig . Wir schützen die, die uns schützen .
Insofern ist ein solcher Gesetzentwurf in den nächsten
Wochen dringend notwendig .
({2})
Im Zusammenhang mit der Arbeit unserer Polizei
möchte ich auch darauf hinweisen, dass mich die jüngsten Äußerungen der Integrationsbeauftragten etwas befremdet haben . Es wäre schön gewesen, wenn sich Frau
Özoğuz als Integrationsbeauftragte und Staatsministerin
einfach einmal beim Verfassungsschutz und bei der Polizei für besonnenes und konsequentes Vorgehen gegen
Verfassungsfeinde bedankt hätte .
({3})
Meine Damen und Herren, in den letzten Wochen ist
die Frage des Umgangs mit sogenannten Kinderehen in
den Mittelpunkt der rechtspolitischen Debatte gerückt .
Ich möchte eines deutlich ansprechen: Der Begriff der
Kinderehe ist eigentlich drastisch beschönigend . Wir
müssen diesen Umstand deutlich beim Namen nennen: Sogenannte Kinderehen sind Formen fortgesetzten
schweren Kindesmissbrauchs .
({4})
194 Staaten dieser Erde haben die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet . Diese gewährt allen Kindern
das Recht, unversehrt aufzuwachsen und vor Missbrauch
geschützt zu werden . Daher kann und darf es nirgendwo
auf der Welt und in keinem Kulturkreis und aus keinem
weltlichen oder religiösen Gebot heraus eine Rechtfertigung für sogenannte Kinderehen geben . Der Schutz der
Kleinsten und Schwächsten muss absolut gelten, meine
Damen und Herren .
({5})
Kinderehen verstoßen gegen unsere Rechts- und
Werteordnung . Sie dürfen daher nicht nur irgendwie
aufhebbar sein, nicht auch noch zu einer Belastung werden, einen Anwalt aufzusuchen oder das Jugendamt einzuschalten, sondern sie sind, wenn es um Kinder unter
14 Jahren geht, von vornherein als nichtig zu betrachten . Auch diese Regelung müssen wir zügig auf den Weg
bringen .
({6})
Wir brauchen, meine Damen und Herren, im Bereich
des Verbraucherschutzes eine gesetzliche Klarstellung
für all die Menschen, die für sich oder ihre Familie
Wohneigentum schaffen und einen Kredit benötigen .
Nach der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in deutsches Recht mehren sich ernstzunehmende
Berichte, dass nach der Kreditwürdigkeitsprüfung vor
allem Familien mit Kindern oder ältere Menschen deutlich größere Schwierigkeiten haben, ihren Traum vom
Eigenheim zu finanzieren. Der Schutz vor finanzieller
Überforderung ist sicherlich ein wichtiges Anliegen,
gerade in Zeiten niedriger Zinsen . Auch darf die Gefahr
möglicher Blasenbildungen auf den Immobilienmärkten
nicht unterschätzt werden . Wir glauben dennoch, dass
eine selbstgenutzte Immobilie die beste Altersvorsorge
darstellt und eine hohe Eigentumsquote daher insgesamt
zur wirtschaftlichen Stabilität einer Gesellschaft beiträgt .
Daher sollten wir die Regelungen der Kreditvergabe so
überarbeiten, dass junge Familien mit Kindern oder ältere Menschen, die ihre Immobilie sanieren wollen, mehr
Chancen auf einen Kredit bekommen . Das sind wir dem
Immobilienmarkt schuldig .
({7})
Meine Damen und Herren, ein wichtiges Thema bleibt
der Umgang mit Hass und Hetze im Internet, insbesondere in den sozialen Medien . Festzuhalten ist zunächst, dass
die freie Rede und die Meinungsfreiheit für das Funktionieren eines liberalen und demokratischen Gemeinwesens unverzichtbar sind . Die Gesellschaft hat dabei
auch solche Meinungen zu dulden, die wenig opportun
erscheinen, als politisch unkorrekt gelten oder gar offen
zum Widerspruch herausfordern . Die Grenze der Meinungsfreiheit ist jedoch dort überschritten, wo unmittelbar zu Gewalt aufgerufen wird oder Menschen bedroht
und beleidigt werden .
Die Meinungsfreiheit findet ihre Grenzen im Recht
und in der Würde des Anderen . Das richtige Vorgehen
gegen Hass in den sozialen Medien kann nicht mehr allein an runden Tischen oder in wohlfeilen Appellen erschöpfend behandelt werden . Es kann auch nicht darin
bestehen, dass private Organisationen eine Art Wächterfunktion erhalten und in staatlichem Auftrag bestimmen, welche Meinung akzeptabel ist oder nicht . Es sind
vielmehr Staatsanwaltschaften und Gerichte sowie die
Betreiber der Netzwerke selbst, die jetzt deutlich in der
Pflicht stehen.
Vonseiten der Staatsanwaltschaften und Gerichte gibt
es erfreuliche Nachrichten . Sie kümmern sich deutlich
stärker um Verurteilungen wegen Aufrufs zu Straftaten,
Volksverhetzung, Holocaustleugnung oder Beleidigung .
Das entlässt die Betreiber sozialer Medien aber nicht aus
ihrer Pflicht. Im Gegenteil: Wenn die Betreiber der Seiten
ihrer Pflicht zur Löschung nicht unmittelbar nachkommen, dann dulden sie irgendwie mittelbar die auf ihren
Seiten begangenen Rechtsverletzungen . Sie sind daher
in der Pflicht - das werden wir auch gesetzlich regeln -,
schneller zu löschen . Sie sollen keine Chance mehr haben, sich hinter Gerichtsständen im Ausland zu verstecken . Die Demokratie braucht im Interesse eines funktionierenden Gemeinwesens auch hier eine klare rechtliche
Regelung . Dafür werden wir uns einsetzen .
({8})
Meine Damen und Herren, die wichtigste Aufgabe der
Rechtspolitik ist es, das Vertrauen in den Rechtsstaat und
seine Organe zu festigen und auszubauen, auf den Wert
von Gewaltenteilung und einer unabhängigen Justiz hinzuweisen und damit unser liberales und demokratisches
Gemeinwesen zu stärken . Dafür stehen wir mit unseren
Überzeugungen, und dafür steht auch dieser Haushalt .
Vielen Dank .
({9})
Vielen Dank, Volker Ullrich . - Ich schließe die Aus-
sprache .
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Ein-
zelplan 07 - Bundesministerium der Justiz und für Ver-
braucherschutz - in der Ausschussfassung . Wer stimmt
dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Es gibt
keine . Der Einzelplan 07 ist angenommen . Zugestimmt
haben CDU/CSU und SPD, dagegen waren Bündnis 90/
Die Grünen und die Linke .
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzel-
plan 19 - Bundesverfassungsgericht - in der Ausschuss-
fassung . Wer stimmt dafür? - Stimmt irgendjemand
dagegen? - Dann enthält sich auch niemand? - Der Ein-
zelplan 19 ist bei Zustimmung aller Fraktionen einstim-
mig angenommen .
Ich rufe Tagesordnungspunkt I .6 auf:
a) Einzelplan 06
Bundesministerium des Innern
Drucksachen 18/9806, 18/9824
b) Einzelplan 21
Bundesbeauftragte für den Datenschutz und
Informationsfreiheit
Drucksachen 18/9824, 18/9825
Berichterstatter zum Einzelplan 06 sind die Abgeordneten Dr . Reinhard Brandl, Martin Gerster, Roland Claus
und Kollegin Anja Hajduk .
Berichterstatter zum Einzelplan 21 sind die Abgeordneten Martin Gerster, Carsten Körber, Roland Claus und
Anja Hajduk .
Zum Einzelplan 06 liegt ein Entschließungsantrag und
zu Einzelplan 21 liegen zwei Entschließungsanträge der
Fraktion Die Linke vor, über die wir am Freitag nach der
Schlussabstimmung abstimmen werden .
Nach interfraktioneller Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .
Ich eröffne die Aussprache . Das Wort als erster Redner hat Roland Claus für die Linke .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die höchsten Zugewinne im Verlauf der Haushaltsberatungen dieses Jahres teilen sich Frau von der
Leyen und Herr de Maizière; das sind wirklich „adelige“
Zugewinne .
({0})
Ich bin mir sicher, dass nach mir der Kollege Reinhard
Brandl das in aller Ausführlichkeit darstellen wird .
({1})
Wir nehmen wahr: Die Union setzt im Bundestagswahlkampf offenbar voll auf Sicherheitspolitik .
({2})
Das ist zunächst ja auch Ihr gutes Recht . Wir müssen Sie
nur darauf hinweisen: Der Bundeshaushalt ist nicht die
Wahlkampfkasse der Union . Das muss man hier einmal
deutlich sagen .
({3})
Um auch das klarzustellen: Auch für die Linke ist öffentliche Sicherheit in Zeiten wachsender Bedrohungen
ein hohes und schützenswertes Gut . Deshalb haben wir
im Haushaltsausschuss einer riesengroßen Zahl einzelner
Anträge zugestimmt . Der Unterschied ist: Wir setzen auf
die Stärkung der staatlichen und der zivilgesellschaftlichen Strukturen, und Sie setzen auf die Einschränkung
von Freiheitsrechten und auf staatlichen Druck .
({4})
Insofern sind wir der Auffassung, dass Sie wirklich nichts
gelernt haben nach 9/11, aus dem 11 . September 2001
und der Zeit danach . Krieg als Mittel der Außenpolitik
und Freiheitsbeschränkungen als Mittel der Innenpolitik sind ein Weiter-so in einer geopolitischen Sackgasse .
Lassen Sie sich das gesagt sein .
({5})
Viel Geld und viel mehr Stellen für neues Personal
sind im Einzelplan des Bundesinnenministeriums vorgesehen . Aber auch sehr viel mehr Geld für eine falsche
Sicherheitspolitik ist keine Lösung . Wir hätten uns gewünscht - ich habe das bereits im Zusammenhang mit
dem Etat des Justizministeriums angesprochen -, dass
dieses gigantische Sicherheitspaket, das in den Haushaltsberatungen ja noch einmal aufgestockt wurde, eine
Entsprechung gefunden hätte in einem Rechtssicherheitspaket, das wir im Etat des Justizministeriums hätten verankern können . Leider Fehlanzeige!
Inmitten der Haushaltsberatungen gab es ein bedeutendes Ereignis, über das wir auch gesprochen haben .
Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wurde
in Magdeburg eine Einrichtung der Bundespolizei von
Neonazis überfallen, um einen inhaftierten Kumpanen irgendwie herauszuholen . Darüber haben wir diskutiert . Es
gab entsprechende Meldungen . Bis heute kenne ich aber
weder Ermittlungsergebnisse noch Urteile. Hier sind, finde ich, Polizei und Justiz wirklich erheblich gefordert .
Ich wünschte mir, hierzu bald Erkenntnisse und Ergebnisse zu sehen .
({6})
Natürlich entstehen durch den enorm aufgewachsenen
Sicherheitsapparat auf der Bundesebene auch Probleme,
da er nur schwer mit den Konzepten bei den Ländern zusammenpasst . In der Innenministerkonferenz hat es offenbar wenig bis keine Abstimmung dazu gegeben . Wir
freuen uns natürlich über jede Höherbewertung von Stellen in der Bundespolizei; aber wir wissen auch, dass dadurch eine Konkurrenz um Bewerber entsteht, bei der die
Länder nicht werden mithalten können . Auch das müssen
wir hier ansprechen .
Beim Bundeskriminalamt erleben wir gar einen Aufwuchs um 25 Prozent . Da ist einiges Sinnvolles dabei,
was unsere Zustimmung gefunden hat . Sie setzen aber
stark auf die sogenannte TKÜ, die Telekommunikationsüberwachung, zu Deutsch: auf Abhören. Das findet unsere Zustimmung natürlich nicht .
Wenig Fürsorge wurde gezeigt für die zivilen Sicherheitsbehörden, für das Technische Hilfswerk und das
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe . Hier musste der Haushaltsausschuss korrigierend
eingreifen; das hat er dann auch getan .
Viel mehr Geld wird für den Verfassungsschutz und
andere Geheimdienste vorgesehen . Als hätten Sie die
Rolle des Verfassungsschutzes beim Agieren des Nationalsozialistischen Untergrundes schon vergessen und
als hätten Sie vergessen, welches Maß an Versagen beim
Verfassungsschutz, auch bei der Aufklärung der Untaten
des NSU, zu verzeichnen war - es sei denn, das Versagen
war Ihr Plan .
({7})
Herr Bundesminister, Sie sollen ja auch Integrationsminister sein . Als ich die Schlagzeile las, dass auf dem
Mittelmeer aufgegriffene Flüchtlinge nach Afrika zurückgebracht werden sollen, und nicht gleich die Quelle entdeckt habe, dachte ich zunächst: „Was hat sich der
Vizepräsidentin Claudia Roth
Trump in Amerika da wieder ausgedacht?“, um dann
feststellen zu müssen: Es war der Bundesinnenminister .
Ich finde das wirklich zynisch und beschämend.
({8})
Meine Damen und Herren, wir behandeln zum ersten
Mal den Haushalt der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit . Die Linke wird diesem Etat zustimmen . Wir wollen der Bundesbeauftragten
auch dadurch hilfreich zur Seite stehen, dass wir einen
Antrag einbringen, den Dienstsitz doch nicht in Bonn,
sondern hier in Berlin, wo in der Bundespolitik die Musik spielt, einzurichten . Wir wissen, dass es gesetzlich so
geregelt ist . Aber es ist ja unser Job, unser ureigener Job,
schlechte Gesetze dort, wo sie schlecht sind, nachzubessern .
({9})
Die Linke steht für mehr und bessere öffentliche Sicherheit . Mit diesem Haushalt bekommt das Bundesinnenministerium viel mehr Geld und Deutschland weniger zukunftsfähige öffentliche Sicherheit . Das ist ein
Haushalt von gestern . Ein Haushalt im Sinne moderner
Sicherheitspolitik sieht anders aus .
({10})
Vielen Dank, Roland Claus . - Der nächste Redner:
Dr . Reinhard Brandl für die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Den ersten Innenhaushalt, den wir in dieser
Legislaturperiode hier beraten haben - das war 2014 -,
hatte ein Volumen von 5,9 Milliarden Euro . Wir beraten
heute den letzten Haushalt für diese Legislaturperiode .
Er hat ein Volumen von 8,9 Milliarden Euro . Das ist eine
Steigerung um über 50 Prozent in vier Jahren .
({0})
Diese Steigerung war aufgrund der veränderten Sicherheits- und Migrationslage notwendig . Diese Steigerung war aber nur möglich, weil diese Koalition entschlossen war, auf die Herausforderungen zu reagieren
und massiv in den Ausbau der inneren Sicherheit und
in Integrationsmaßnahmen zu investieren . Aber diese
Steigerung war auch nur möglich, weil an zwei entscheidenden Stellen zwei Männer der Union sitzen, denen
die innere Sicherheit ein Herzensanliegen ist: erstens im
Innenministerium Thomas de Maizière und zweitens im
Finanzministerium Wolfgang Schäuble .
({1})
Insbesondere die Bundespolizei wird sich noch Jahrzehnte an die de-Maizière/Schäuble-Pakete zurückerinnern . Sie wird sich an die fünf Jahre zurückerinnern, in
denen sie um 20 Prozent aufgewachsen ist .
({2})
Die Schaffung eines Teils dieser insgesamt 7 500 Stellen,
nämlich von genau 1 970 Stellen, beschließen wir heute
mit diesem Haushalt . Auf diesen Stellen werden in den
kommenden Monaten junge Polizistinnen und Polizisten
eingestellt . Sie werden drei Jahre ausgebildet und sind
dann 35 Jahre, 40 Jahre oder vielleicht sogar noch länger
im Dienst . An diesem Punkt sieht man, um was es uns
geht . Es geht uns nämlich nicht um einen kurzfristigen
Effekt mit Blick auf nächstes Jahr, sondern wir als CDU/
CSU sind davon überzeugt, dass wir in dieser unsicherer
werdenden Welt langfristig mehr in die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger investieren müssen . Das tun
wir heute mit den Beschlüssen zu diesem Haushalt .
Dass es einen Unterschied macht, wer in Deutschland
regiert, sieht man vor allem an dem, was wir nicht beschlossen haben, was aber auch zur Abstimmung vorlag .
Ich habe deswegen zwei Anträge der Opposition zum
Bundesamt für Verfassungsschutz dabei . Der Antrag der
AG Haushalt der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom
20 . September 2016 sieht vor: minus 64 Millionen Euro;
das bedeutet die Rücknahme des Mittelaufwuchses . Der
Antrag der AG Haushalt der Fraktion Die Linke, ebenfalls vom 20 . September 2016, sieht vor: minus 119 Millionen Euro .
({3})
Damit soll der Rückbau des Bundesamtes eingeleitet
werden .
Meine Damen und Herren, weil wir regieren, steht an
dieser Stelle kein Minus, sondern ein Plus: ein Plus von
88 Millionen Euro . Ich kann Ihnen auch sagen, warum:
weil wir in dieser Zeit - wir haben ja in der Vergangenheit die Entwicklung des islamistischen Terrorismus gesehen; sie wird aber auch, das ist absehbar, in der Zukunft
weitergehen - mehr in die Kapazitäten des Verfassungsschutzes investieren müssen . Wir dürfen also diese Kapazitäten nicht zurückbauen. Denn ohne die fleißige
Arbeit und das Gespür der Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz wäre es zum Beispiel Anfang
Oktober nicht gelungen, den Chemnitzer Bombenbauer
Jaber Albakr zu identifizieren. Wenn er nicht identifiziert
worden wäre und der Anschlag hier in Berlin tatsächlich
stattgefunden hätte, dann hätten wir heute eine ganz andere Diskussion . Eine politische Diskussion danach hätte
aber den Anschlag nicht verhindert . Deswegen investieren wir schon vorher - das machen wir nicht nur heute,
sondern schon die ganze Legislaturperiode über - strategisch in die Aufrüstung, in die Stärkung unserer Sicherheitsbehörden .
({4})
Das ist Politik der CDU/CSU mit ihren beiden Ministern .
({5})
Wir nehmen mit diesem Haushalt aber auch die Herausforderungen an, die uns im Zusammenhang mit der
großen Anzahl an Flüchtlingen gestellt worden sind . Allein für den Bereich der Integrationskurse stehen in diesem Haushalt 610 Millionen Euro bereit . Wir erhöhen die
Mittel für die Migrationsberatung, und wir stellen jetzt
neu 40 Millionen Euro für Erstorientierungsangebote für
Asylbewerber mit unklarer Bleibeperspektive bereit .
Meine Damen und Herren, wir stellen aber auch
40 Millionen Euro für ein Anreizprogramm zur freiwilligen Ausreise bereit . Wenn ein Asylbewerber erkennt,
dass er hier in Deutschland keine langfristige Bleibeperspektive hat, wollen wir ihm mit diesen Mitteln den
Neustart in seiner Heimat erleichtern . Unterschätzen
Sie den dadurch bewirkten Effekt nicht . Wir haben in
Deutschland in den ersten neun Monaten dieses Jahres
etwa 20 000 Abschiebungen gesehen . Es gab aber auch
50 000 freiwillige Ausreisen . An diesem Punkt setzen wir
an und erhöhen den Anreiz .
Meine Damen und Herren, wir haben im vergangenen
Jahr aber auch gesehen, wie stark das Ehrenamt in unserer Gesellschaft zum Tragen kommt, wenn der Staat
an seine Grenzen kommt . Davor können wir nur den
Hut ziehen . Es gibt im Bund eine große Ehrenamtsorganisation, die dabei - aber auch bei vielen anderen Einsätzen - eine hervorragende Rolle gespielt hat, nämlich
das Technische Hilfswerk . Wir haben uns deshalb bewusst entschlossen - nicht nur, aber auch in Bezug auf
die Erfahrungen des letzten Jahres -, in unseren Haushaltsberatungen einen Schwerpunkt beim Technischen
Hilfswerk zu setzen . Wir investieren, lieber Präsident
Stephan Mayer, in ein Fahrzeugprogramm des Technischen Hilfswerks . Wir stellen 100 Millionen Euro für
die Erneuerung des überalterten Fahrzeugbestandes des
THWs zur Verfügung . Und wir starten eine Werbekampagne zur Gewinnung von ehrenamtlichem Nachwuchs
für das THW . Des Weiteren gibt es einen Aufwuchs von
150 hauptamtlichen Stellen, um die Ehrenamtlichen gezielt von Verwaltungsaufgaben zu entlasten .
({6})
Von diesem Haushalt soll ein Signal ausgehen, dass wir
das THW nicht nur mit warmen Worten und bei Weihnachtsfeiern preisen, sondern dass wir dessen Arbeit ganz
konkret auch im Rahmen des Haushalts mit unterstützen .
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, in den letzten
Jahren haben wir, was diesen Haushalt angeht, sehr viel
erreicht . Ich könnte jetzt, ehrlich gesagt, noch eine ganze
Stunde darüber sprechen .
({7})
Aber ich verstehe, dass es zu den Regeln dieses Hauses
gehört, auch andere zu Wort kommen zu lassen . Deswegen möchte ich am Ende nur noch einen einzigen Punkt
ansprechen . Dieser Haushalt ist ein Gemeinschaftswerk .
Die Rolle der beiden Minister habe ich bereits erwähnt .
Hinter diesem Haushalt steht auch hier im Bundestag ein
Team . Ganz wichtig in ihm ist Martin Gerstner, mein
Koalitionspartner von der SPD . Vielen Dank für deine
Unterstützung .
({8})
Ich möchte mich aber auch ganz herzlich bei der Opposition - namentlich bei Anja Hajduk von den Grünen und
Roland Claus von der Linken - bedanken . Wir haben
zwar nicht allem zugestimmt, was ihr uns vorgelegt habt,
aber wir hatten in den vergangenen vier Jahren eine sehr
vertrauensvolle und an der Sache orientierte Zusammenarbeit . Dafür möchte ich mich ganz persönlich bei euch
bedanken .
Noch habt ihr die Chance, dem Haushalt zuzustimmen .
Überlegt es euch!
Herzlichen Dank für eure Aufmerksamkeit .
({9})
Das Wort hat die Kollegin Luise Amtsberg für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .
Vielen Dank . - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Seit drei Legislaturperioden verantwortet
die Union nun die Innenpolitik im Bund .
({0})
- Das ist nicht super . - Für uns ist das kein Grund zur
Freude; denn das Ergebnis ist alles andere als gut - vor
allen Dingen für die Bürgerrechte in unserem Land .
({1})
- Ich wollte das noch mit Beispielen unterfüttern . - Massenüberwachung, Benachteiligung von Geflüchteten und
Minderheiten, Versagen des Verfassungsschutzes und beständig neue Planspiele für den Einsatz der Bundeswehr
im Inneren sind hier zu nennen .
Wir Grüne habe das auch in dieser Legislaturperiode
in zahlreichen Debatten herausgearbeitet . Die meisten
Vorschläge der Großen Koalition sind wenig bis gar nicht
dafür geeignet, tatsächlich mehr Sicherheit im Land herzustellen .
({2})
Das überrascht auch gar nicht so doll; denn wenn man
sich Ihre Innenpolitik ansieht, wird schnell klar, was das
Kalkül dahinter ist: Man möchte sich abgrenzen und
nicht viel Spielraum nach rechts lassen . Das verstehe ich
auch, aber ich bin eher eine Freundin davon, dem mit
politischer Haltung zu entgegnen und nicht mehr Meinungen aus diesem Bereich hier im Parlament Gehör
zu verschaffen . Deshalb glaube ich, dass dieses Kalkül,
diese Rechnung, nicht aufgehen wird, sondern dass man
damit eher Vorurteile bestärkt . Am Ende schafft man im
Prinzip einen neuen Weg dafür, Sicherheitslücken in unserem Land entstehen zu lassen . Deshalb glaube ich, dass
wir hier einen ganz anderen Kurs steuern müssen .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn eine ohnehin
fragwürdige Symbolpolitik in einen konkreten Abbau
von Bürgerrechten und Grundrechten mündet, dann ist
für uns Grüne die Grenze des Zumutbaren erreicht; denn
den Preis für eine solche Politik zahlen wir alle mit dem
Verlust mühsam erstrittener Bürgerrechte: die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, wir als Abgeordnete,
aber auch unser politisches System . Das wollen und können wir hier so nicht stehen lassen .
({3})
Wir sind mit dieser Meinung auch nicht alleine . Auch
Karlsruhe hat Ihnen das mehrfach ins Stammbuch schreiben müssen - zuletzt in Bezug auf das BKA-Gesetz .
Der Abbau der Grund- und Bürgerrechte wird aber
am deutlichsten, wenn man sich den Bundesnachrichtendienst anschaut . Schon seit über einem Jahrzehnt arbeitet er eigentlich fast schon spektakulär am Grundgesetz
vorbei . Für die absolut gängige Massenüberwachung,
die der BND betreibt, hat er von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Großen Koalition, keinen Tadel
bekommen, sondern sie wurde anschließend legitimiert
und legalisiert . Belohnung statt Tadel: Ich glaube, damit
haben Sie sehr deutlich die Chance verpasst, unsere Geheimdienste auf einer klaren und an den Bürgerrechten
orientierten Grundlage arbeiten zu lassen .
({4})
Ähnlich bedrückend ist die Lage beim Verfassungsschutz . Auch hier haben Sie trotz kritischer Ausschussberichte über das Versagen der Behörde bei der
NSU-Mordserie an vielen Stellen mit einem Ausbau der
Geheimdienstbehörde geantwortet, obwohl uns noch immer täglich Hiobsbotschaften, wie verschwundene Akten
und Telefone sowie Zeugen, die nicht erscheinen, erreichen . Das ist nicht nur im Interesse der Aufklärung und
vor allen Dingen für die Opfer bedauerlich, sondern das
ist auch eine ausgemachte Respektlosigkeit gegenüber
dem Parlament, und die sollte uns alle hier besorgen .
({5})
Vielleicht ganz grundlegend, weil das auch immer wieder debattiert wird: Wir finden es wirklich einen Jammer,
dass wir so viele sachbezogene Debatten, die wir hier
im Bundestag führen, nach Karlsruhe verlagern müssen,
weil dieser Weg nach Karlsruhe von Ihnen anscheinend
schon mit eingerechnet und nicht von Anfang an der Versuch unternommen wird, eine wirklich verfassungsfeste
Rechtsgrundlage, ein verfassungsfestes Gesetz, zu schaffen, sodass dieser Schritt nicht notwendig ist . Das sollte
aber eigentlich unser Anspruch hier im Parlament sein .
({6})
Wir reden hier über die Innenpolitik . Dabei muss man
natürlich auch - es wundert mich, dass das außer von
meinen Kollegen der Linken noch nicht angesprochen
wurde - die weiterhin wirklich erschreckend hohe Zahl
an Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte nennen . Das
BKA zählt bis jetzt rund 850 Angriffe . Eine wirksame
Strategie gegen die Angriffe durch Neonazis und andere
extrem rechte Gruppen hat die Bundesregierung bisher
nicht .
Man muss es wirklich noch einmal ausdrücklich sagen: Wer will, dass sich die Menschen, die vor Krieg und
Terror nach Deutschland fliehen, in unserem Land gut integrieren können, der darf nicht zulassen, dass sie auch
hier einer erneuten Bedrohung ausgesetzt sind und erneut
Angst um ihre Gesundheit und ihr Leben haben müssen .
({7})
Im vergangenen Jahr sind viele Menschen zu uns gekommen, die bei uns Schutz vor Krieg und Terror gesucht haben . Sie willkommen zu heißen und ihnen die
Möglichkeit zu geben, hier eine Existenz aufzubauen,
muss unser oberster Anspruch und unser Interesse sein .
In Zeiten allgemeiner Verunsicherung geht es auch darum, wieder Hoffnung und Mut zu machen . Mit einem
Blick zurück auf das vergangene Jahr ist erst einmal
denjenigen Anerkennung zu zollen, die sich mit großem
Engagement für geflüchtete Menschen in unserem Land
eingesetzt haben und die Erstversorgung da gewährleistet
haben, wo der Staat dazu nicht in der Lage war . Das gilt
im Übrigen auch für viele Geflüchtete selbst.
Die Rahmenbedingungen für dieses Engagement sind
anhaltend schwierig, wodurch die Integrationsbemühungen an vielen Stellen konterkariert werden . Das beste,
aber auch traurigste Beispiel ist die Beschränkung des
Familiennachzugs . Wir glauben, dass ein Mensch erst
dann richtig ankommen kann, wenn er eben nicht in ständiger Sorge um seine Familie sein muss . Aber auch hier
haben Sie, wie wir finden, die völlig falschen Antworten.
({8})
Wenn es um Flüchtlinge geht, stolpert die Große Koalition zerstritten hin und her und verbaut ganz bewusst
die Chancen vieler Menschen in diesem Land . Indem sie
Flüchtlinge in zwei Klassen einteilt, die mit guter und die
mit schlechter Bleibeperspektive, wird ein ganzer Teil
von Menschen von Integrationsmaßnahmen von Tag eins
an ausgeschlossen; denn eine schlechte Bleibeperspektive heißt für diese Bundesregierung, dass diejenigen, die
aus einem Land kommen, in dem die Schutzquote unter
50 Prozent liegt, keinen Zugang zu Integrationsleistungen haben . Das bedeutet zum Beispiel für afghanische
Flüchtlinge, dass die alleinige Zugehörigkeit zu einer
Gruppe, losgelöst vom eigenen Fluchtschicksal, dazu
führt, dass man keinen Sprachkurs machen kann, obwohl
sie absehbar viele Jahre in Deutschland leben werden .
So macht man keine Integrationspolitik . So verbaut man
Chancen . Auch das wollen wir ausdrücklich ändern .
({9})
Der Bund hat die Mittel für die Integrationskurse zwar
erhöht, aber sie reichen nach wie vor nicht aus . Das ist
absehbar . Wir als Fraktion fordern daher eine Aufstockung auf insgesamt 750 Millionen Euro, weil es doch
unser Anspruch sein muss, die Nachfrage zu decken . Das
ist bisher nicht gelungen .
Auch die Beratungsstellen, die exzellente Arbeit leisten, sind seit Jahren chronisch unterfinanziert. Hier muss
man deutlich betonen, dass selbst die Bundesregierung
davon ausgeht, dass es im nächsten Jahr eine Erhöhung
des Beratungsbedarfs geben wird . Trotzdem verweigert
sie sich der Forderung, die Beratungsstellen mit Haushaltsmitteln von 62 Millionen Euro - diese bräuchte es
nämlich - zu flankieren.
Es reicht nicht, finde ich, über Probleme der Integration zu philosophieren, wenn zum Beispiel die Finanzierung von Integrationskursen für Frauen, die aus anderen
Kulturkreisen kommen und die von den konventionellen
Integrationsangeboten gar nicht erreicht werden, in ihrem Haushalt überhaupt nicht mitgedacht wird . Genau da
sind die Stellen, wo wir künftige Integration und Zusammenleben in Deutschland gestalten können . Da sind Sie
völlig ideenlos . Dasselbe gilt auch für die Psychosozialen Zentren . Hier braucht es deutlich mehr als Lippenbekenntnisse . Vor allem braucht es die Finanzierung der bis
jetzt schon bestehenden Angebote, sodass sie ausgebaut
werden und die Menschen dort vernünftig arbeiten können .
({10})
Auch hier gilt: Natürlich könnten wir Ihrem Haushalt
zustimmen . Sie könnten aber auch unseren Änderungsanträgen zustimmen . Dann würde uns die Zustimmung
zu Ihrem Haushalt leichter fallen . Ich glaube, wir stellen hier keine absurden Forderungen, sondern mit Blick
auf die Integration und die immensen Herausforderungen, die wir in den nächsten Jahren zu leisten haben, sind
sie genau der richtige Weg . Also öffnen Sie sich in diese
Richtung .
Herzlichen Dank .
({11})
Das Wort hat der Kollege Martin Gerster für die
SPD-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Es soll noch immer Leute geben, die Haushaltspolitik
und Haushaltsverhandlungen als reine Zahlenhuberei
abtun . Ja, Geld ist nicht alles . Aber ohne Geld ist vieles
eben nichts . Das gilt vor allem, wenn es um die Frage
geht, wie wir Probleme und Krisen beheben können und
die Dinge, die in unserer Gesellschaft gut sind, ausbauen
können .
Deswegen ist es zunächst einmal eine sehr gute Nachricht, dass wir es wieder einmal und erneut geschafft
haben, die Mittel im Einzelplan 06, dem Haushalt des
Bundesinnenministeriums, anzuheben, von knapp 8 Milliarden Euro auf jetzt knapp 9 Milliarden Euro . Das wird
in diesem Land einiges verändern und verbessern . Ich
möchte gerne meine Redezeit dafür verwenden, um darüber zu diskutieren .
Ich will mit der Situation der vielen Ehrenamtlichen
beginnen, die sich tagein, tagaus engagieren, ohne zu fragen, welche Vorteile es für sie selbst bringt . Letztendlich
geht es hier um die Antiegoistinnen und Antiegoisten in
unserer Gesellschaft, vor allem bei unseren Rettungskräften und bei unseren Hilfsorganisationen . Ich will hier
beispielhaft das THW herausstellen. Ich finde es unglaublich, wie sich die Menschen einbringen . Sie sind immer
da, wenn jemand Hilfe braucht: selbstlos, kompetent und
zuverlässig . Dafür will ich Danke sagen . Ich glaube, das
sind wahre Vorbilder in unserer Gesellschaft und sozialer
Kitt, den wir gerade in diesen Zeiten brauchen .
({0})
Aber ich meine - ich denke, darin sind wir uns in diesem Haus einig -: Engagement braucht gute Rahmenbedingungen . Hier lag einiges im Argen . Der Fuhrpark des
Technischen Hilfswerks gleicht hier und da einer Oldtimersammlung . Wir haben jetzt als SPD und als Große Koalition in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses ein XXL-Fahrzeugprogramm beschlossen .
100 Millionen Euro stehen in den nächsten Jahren zusätzlich bereit, um neue Einsatzfahrzeuge für das THW
zu beschaffen . Das bedeutet eine Verdopplung der Zahl
neuer Fahrzeuge in den kommenden Jahren .
Weiter haben wir 150 zusätzliche Stellen beim THW
zur Unterstützung der Arbeit der Ortsverbände auf den
Weg gebracht, nachdem wir im vergangenen Jahr bereits
208 zusätzliche Stellen geschaffen haben . 3 Millionen
Euro setzen wir für eine Kampagne zur Gewinnung weiterer Helferinnen und Helfer und von Nachwuchs ein . Ich
finde, wir dürfen an dieser Stelle das Ehrenamt nicht hängen lassen, sondern wir müssen es durch mehr Kräfte im
Hauptamt unterstützen, damit es auch in einigen Jahren
noch genügend Leute gibt, die bereit sind, sich ehrenamtlich in unserer Gesellschaft einzubringen .
({1})
Wir bringen auch denjenigen Wertschätzung entgegen, die sich hauptamtlich einbringen . Wir haben über
160 zusätzliche Stellenhebungen durchgesetzt . Ich erinnere noch einmal an die Beschlüsse in den letzten Jahren,
die wir - darauf lege ich Wert - im parlamentarischen
Verfahren als Koalition bzw . als Abgeordnete gefasst haben .
({2})
Wir haben die Anhebung der Selbstbewirtschaftungsmittel um jährlich 8 Millionen Euro auf den Weg gebracht . Wir haben ein Liegenschaftsprogramm aufgelegt,
damit marode Unterkünfte durch Neubauten ersetzt oder
saniert werden . All das ist, glaube ich, ein gutes Signal
in unser Ehrenamt hinein . Ich freue mich, dass wir das
THW so aufstocken konnten, wie es das verdient .
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Bundespolizei und bei den Sicherheitskräften insgesamt gilt dasselbe: viel zu wenig Personal, viel zu wenig Material . Das
war die Klage und die Bestandsaufnahme, als die letzte
Legislaturperiode zu Ende ging und wir in die Koalitionsverhandlungen gingen . Ich glaube, dass wir als SPD
und als Große Koalition insgesamt ganz Wichtiges auf
den Weg gebracht haben .
Allein bei der Bundespolizei haben wir über 7 000 zusätzliche Stellen auf den Weg gebracht: knapp 3 500 Stellen in dieser Legislaturperiode und über 3 500 zusätzliche
Stellen bis 2020 . Das ist die größte Personalaufstockung
aller Zeiten bei der Bundespolizei . Ich denke, das muss
man den Leuten auch einmal sagen; denn es ist aller Ehren wert, was wir hier tun . Deswegen ist es gut, dass die
SPD mitregiert . Denn in der letzten Legislaturperiode
gab es noch einen Abbau von 1 000 Stellen . Ich glaube,
wir arbeiten gut zusammen, auch zum Wohle derer bei
unserer Bundespolizei und bei den Sicherheitskräften,
die sich so engagieren und reinhängen, damit wir in Sicherheit und Freiheit leben können .
({4})
Wir haben 2015 1 500 Hebungen im mittleren Dienst
und 2016 - auch im parlamentarischen Verfahren - weitere 1 000 Hebungen im einfachen Dienst im Tarifbereich
bereits durchgesetzt . Hier mangelt es - so hört man hier
und da - noch an der Umsetzung . Deswegen, sehr geehrter Herr Minister de Maizière, möchte ich neben meinem
Dank an Sie und Ihr Haus für die gute Zusammenarbeit
auch eine Bitte äußern: Dort, wo Höhergruppierungen
noch an mangelnden Voraussetzungen scheitern, müssen
Qualifizierungen angeboten werden, damit die Beschäftigten der Bundespolizei auch die Chance haben, von unseren Stellenhebungen zu profitieren. Ich denke, das ist
eine wichtige Bitte; hier muss man noch verstärkt etwas
tun .
In der Bereinigungssitzung der vorletzten Woche
haben wir als SPD bzw . als Große Koalition weitere
1 000 Hebungen durchgesetzt: 200 im mittleren Dienst
und 800 vom mittleren in den gehobenen Dienst . Das
schafft durch den sogenannten Kamineffekt Beförderungsmöglichkeiten für 2 400 Bundespolizistinnen und
-polizisten . Das kommt vor allem denjenigen Polizeibeamtinnen und -beamten zugute, die unter schwierigsten Bedingungen die operative Polizeiarbeit bewältigen
müssen. Das ist, wie ich finde, eine große Leistung, die
wir Abgeordnete im Haushaltsausschuss für unsere Bundespolizei erbracht haben . Angesichts dessen und des
Liegenschaftsprogramms, mit dem wir erreichen, dass
zahlreiche Standorte der Bundespolizei saniert bzw .
dass neue Liegenschaften begründet werden, ist das die
erfolgreichste Legislaturperiode für die Bundespolizei .
Das muss an dieser Stelle auch einmal gesagt werden .
({5})
Auch bei der Ausstattung haben wir auf parlamentarischer Ebene nachgelegt, und zwar mit neuen Hubschraubern und Schiffen sowie vielem anderen mehr, was letztlich unsere Bundespolizei in die Lage versetzt, besser zu
agieren .
Beim Bundeskriminalamt haben wir ebenfalls nachgelegt . Zusätzlich zu den im Regierungsentwurf vorgesehenen 290 Stellen kommen 530 Stellen . Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz haben wir - wie ich finde:
zu Recht - mit mehr als ursprünglich im Regierungsentwurf vorgesehenen Stellen gestärkt; denn wir meinen,
dass Anhänger eines sogenannten Islamischen Staats, einer Scharia-Polizei oder der Salafistenvereinigung „Die
wahre Religion“ in unserer Gesellschaft genauso wenig
Platz haben wie „Reichsbürger“, der sogenannte Nationalsozialistische Untergrund oder vermeintlich besorgte
Bürger, die Flüchtlingsunterkünfte anzünden . Wir setzen
ein klares Signal dagegen; und das ist auch gut so und
notwendig .
({6})
Im Bereich der Asyl- und Flüchtlingspolitik haben wir
in dieser Legislaturperiode viel getan und werden das
auch im Rahmen des nun zu beschließenden Haushalts
weiterhin tun . Wir haben in den letzten Jahren das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge personell deutlich
gestärkt . Viele Anträge auf Asyl können nun zügiger abgearbeitet werden . Der Antragsstau wird geringer . Unsere
Maßnahmen haben Erfolg . Das bedeutet aber auch, dass
sich nun der Schwerpunkt verlagert . Wir haben die Mittel für die Integrationskurse von ursprünglich knapp über
200 Millionen auf nun über 600 Millionen Euro verdreifacht . Wir stellen zudem viel Geld für Orientierungskurse
für Asylsuchende mit weniger guten Bleibeperspektiven
zur Verfügung . Das sind gute Entscheidungen . Ich will
ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir die Situation der
Lehrkräfte und der Träger der Integrationskurse verbessert haben . Auch das gehört zum Gesamtpaket dazu und
sollte nicht verschwiegen werden .
({7})
Ich freue mich, dass es wieder gelungen ist, die Mittel
für die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer,
MBE, noch einmal um 5 Millionen Euro aufzustocken,
nachdem wir im Jahr zuvor bereits 10,5 Millionen Euro
drauflegen konnten. Das ist sehr gut investiertes Geld,
weil es die Lebensperspektive Einzelner verbessern kann,
({8})
weil es gut für unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft
ist und weil es die beste Prävention gegen die falsche Ansprache demokratiefeindlicher Organisationen mit ihren
staatsfeindlichen Ideologien darstellt . Es ist gut, dass wir
als Abgeordnete im Haushaltsausschuss hier noch etwas
drauflegen konnten.
({9})
Ich will noch einen Satz zur Bundeszentrale für politische Bildung sagen . Das ist eine ganz wichtige und
wertvolle Einrichtung, deren Arbeit eine enorme Bedeutung in Zeiten hat, in denen gefährlicher Islamismus und
Salafismus zunehmend Raum greifen, Rechtsextremismus leider wieder Konjunktur hat und es zunehmende
Attacken auf Demokratie, Rechtsstaat und unsere Institutionen gibt . Wir konnten in der Bereinigungssitzung
des Haushaltsausschusses weitere Stellen organisieren
und die Stellen bzw . die Mittel für eine Aktivierungskampagne zur Mobilisierung vor allem junger Leute für
die Bundestagswahl um 5 bzw . 3 Millionen Euro aufstocken . Diese Legislaturperiode ist die erfolgreichste
für die Bundeszentrale für politische Bildung . Ich freue
mich, dass wir nicht nur die Kürzungen der letzten Wahlperiode unter Schwarz-Gelb wettmachen konnten, sondern deutlich etwas drauflegen konnten. Ich glaube, das
ist notwendig in diesen Zeiten und eine absolut richtige
Schwerpunktsetzung .
({10})
Zum Sport will ich sagen: Wir haben in dieser Wahlperiode strukturell bereits 15 Millionen Euro draufgesattelt, um Nöte im Bereich des Sports zu lindern . Ich denke
an die Dopingbekämpfung, und ich denke an unsere Institute IAT/FES und viele andere . Wir legen jetzt noch
einmal beim Behindertensport und den neuen olympischen Sportarten drauf, aber schaffen auch die Voraussetzungen für die Leistungssportreform, die wichtig ist .
In diesem Sinne will ich sagen: Haushaltspolitik ist
mehr als in Zahlen gegossene Politik; sie ist vielmehr
eine Frage des politischen Kompasses, der in dieser Legislaturperiode mithilfe der SPD in die richtige Richtung
zeigt .
Herzlichen Dank .
({11})
Das Wort hat der Bundesminister des Innern,
Dr . Thomas de Maizière .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Haushalt des Bundesministeriums des Innern, den
wir heute abschließend beraten, ist wirklich ein Haushalt
der neuen Dimension . Man sollte mit Superlativen in der
Politik sparsam sein - und ich bin das ohnehin -,
({0})
aber hier und heute passt ein Superlativ . Dieser Haushalt und die damit verbundenen Inhalte, über die Herr
Gerster, Herr Brandl und andere gesprochen haben, setzen für die kommenden Jahre Maßstäbe . Im Vergleich
zum laufenden Haushalt wächst der Einzelplan um rund
1,18 Milliarden Euro . Der Stellenhaushalt umfasst nunmehr 66 000 Stellen und Planstellen . Das ist außerordentlich, das ist wichtig, und das ist richtig .
({1})
Bei all diesen Maßnahmen sollten wir nicht vergessen,
wofür der Einzelplan inhaltlich steht . Er steht für eine
klare, er steht für eine seriöse und er steht für eine verantwortungsvolle Innen- und Sicherheitspolitik, und er
bildet ab, was wichtig ist: Wie viel investiert der Staat in
die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger? Wie viel
investiert er in einen sicheren Cyberraum? Davon war
heute noch wenig die Rede . Wie viel investiert er in die
Zukunftsfragen Migration und Integration? Wie viel investiert er in die innere Verfasstheit Deutschlands? Das
sind fünf Grundsatzthemen, die die Menschen in unserem Land umtreiben .
Wir alle wissen: Der Zustrom von Flüchtlingen im
vergangenen Jahr hat die Bürgerinnen und Bürger aufgewühlt . Die angespannte Sicherheitslage macht vielen
Menschen Sorge . Politische Ränder erhalten Zulauf . Aggressive Bildwahl, gefährliche Rhetorik und Polarisierung der Menschen bleiben nicht folgenlos, nirgendwo
auf der Welt . Hierauf muss verantwortungsvolle Politik
antworten . Diese Antwort liegt nicht in einfachen, sondern in richtigen Lösungen, sie liegt nicht in hektischem
und lautstarkem, sondern in überlegtem Handeln, und sie
liegt nicht in Abgrenzung von anderen, sondern in gemeinsamer Gestaltung . Der Haushalt 2017 ist eine solche
Antwort, an den richtigen Stellen, mit Vorausschau und
mit Augenmaß .
Meine Damen und Herren, bereits im letzten Jahr
hatten wir erhebliche Aufwüchse im Sicherheitsbereich
beschlossen . Diese werden in den kommenden Jahren
noch einmal übertroffen . Schon mit dem Regierungsentwurf hatten wir ein eindrucksvolles Sicherheitspaket
vorgelegt . Nach dem Sommer haben dann der Bundesfinanzminister und ich noch einmal mit der sogenannten
Bereinigungsvorlage eine substanzielle Stärkung vorgeschlagen . Dieses Parlament hat dann an verschiedenen
Stellen noch einmal für Sicherheit etliches draufgepackt .
Sie haben dem allen zugestimmt, Sie haben das so entschieden, und deswegen steht es mir, glaube ich, als Vertreter der Regierung gut an, mich bei Ihnen für diese Arbeit herzlich zu bedanken .
({2})
Deutschland ist uns wichtig, die Bürgerinnen und Bürger sind uns wichtig . Deshalb investieren wir in eine gute
gemeinsame Zukunft . Wir investieren in neue Fahrzeuge,
Hubschrauber, Einsatzschiffe bei der Bundespolizei, in
die Sanierung und den Neubau von Diensträumen, in den
Aufbau von Kapazitäten für Aus- und Fortbildung . Denn
für diese vielen neuen Stellen müssen auch erst einmal
Menschen ausgesucht, eingestellt und dann ausgebildet
werden, was große Anforderungen an die bestehende OrMartin Gerster
ganisation der Bundespolizei und des Bundeskriminalamtes darstellt . Wir investieren in mehr Sicherheit mit
der neuen Zentralstelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich, um BKA, Bundespolizei und das Bundesamt für Verfassungsschutz zu unterstützen .
Wir verstärken abermals unser Personal, und das massiv: Die Bundespolizei erhält von 2015 bis 2020 mehr als
7 000 zusätzliche Stellen . Auch das Bundeskriminalamt
wird in diesem Zeitraum um über 1 300 Stellen anwachsen . Umgerechnet sind es etwas über 20 Prozent bei der
Bundespolizei und - Herr Gerster hat es schon gesagt etwa 25 Prozent beim Bundeskriminalamt . Herr Claus,
ehrlich gesagt, wir haben eine Fürsorgepflicht für unsere
Bediensteten beim Bund, und die Länder sind aufgefordert, mehr zu zahlen . Wenn wir die Besten bekommen, ist
mir das gerade recht . Das muss ich Ihnen einmal sagen .
({3})
Die Grünen haben normalerweise einen anderen Textbaustein, als Frau Amtsberg ihn hatte .
({4})
- Warten Sie doch einmal ab, was ich sagen will . Ganz
ruhig .
({5})
Herr von Notz, Frau Mihalic und andere haben früher im
Grunde andere Textbausteine benutzt . Sie haben gesagt:
Macht doch nicht so viele neue Gesetze, sondern schafft
lieber neues Personal heran . - Textbausteine wie diesen
können Sie jetzt einpacken .
({6})
Jetzt müssen Sie inhaltlich klarstellen, was Sie gegen
neue Gesetze haben . Darauf komme ich gleich .
({7})
- Ganz ruhig .
({8})
Ich möchte eine Bitte an Sie äußern: dass Sie Ihren
Textbaustein „Mehr Personal statt neue Gesetze“ jetzt
nicht mehr von diesem Pult an die Bundesregierung richten, sondern dass Sie ihn jetzt einmal an die Finanzminister in den Bundesländern richten, wo Sie selber mitregieren . Das wäre eine gute Leistung .
({9})
- Nun seien Sie doch einmal ganz ruhig . Ich habe gehört:
Die Polizei in Nordrhein-Westfalen stellt etwa 150 Bewerber neu ein, so in der Größenordnung . Da ist noch
Luft nach oben .
({10})
Frau Amtsberg, ich wollte Ihnen aber gerne etwas anderes sagen . Sie haben gesagt: Diese Legislaturperiode
war eine Legislaturperiode der Einschränkung von Bürgerrechten .
({11})
Ich muss Ihnen sagen: Das Land, über das Sie reden,
kann nicht Deutschland sein . Diese Legislaturperiode ist
eine Legislaturperiode, in der wir maßvoll und verantwortungsvoll die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger
auch mit neuen Gesetzen erhöht haben . Unsere Sicherheitspolitik schützt die Freiheit und schränkt sie nicht ein .
({12})
- Darüber kann man ja diskutieren .
Dann haben Sie gesagt: Jetzt braucht man aber Haltung . - Da stimme ich zu . Jetzt kommt es nur darauf an,
wozu und wie .
({13})
- Genau . - Da will ich Ihnen sagen: Zu guten Gesetzen
und zu viel und gutem Personal und zu, ehrlich gesagt,
guter Technik, worüber ich häufiger mit Herrn von Notz
streite, gehört auch exekutives Handeln . Zum exekutiven
Handeln gehört, dass wir in einer beispiellosen Weise in
den letzten Wochen und Monaten durch internationale
Zusammenarbeit und durch die tüchtige Arbeit der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern einige schwere Anschläge in Deutschland verhindert haben . Ich hätte
mir gewünscht, dass Sie etwas häufiger sagen: Bravo!
Gut gemacht! - Das wäre Ausdruck einer Haltung gewesen .
({14})
Wir haben rechtsextremistische Vereine verboten . Ich
habe sogar eine rechtsterroristische Vereinigung verboten . Ich habe das Bundesamt für Verfassungsschutz und
die Länder gebeten, zu prüfen, ob die „Reichsbürger“ zu
beobachten sind . Wir haben in dieser Woche Einigkeit
erzielt, dass ab sofort auch die „Reichsbürger“ in ganz
Deutschland Sammelbeobachtungsobjekt des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der Länder werden .
({15})
Ich sage hier noch einmal ganz klar: Wer diesen Staat
ablehnt, der kann keinen Cent vom Staat erhalten und
glauben, er könne Polizist oder etwas anderes im öffentlichen Dienst sein . Dergleichen ist vollständig unvereinbar .
({16})
Ich habe in der letzten Woche die hinter der
„Lies!“-Kampagne stehende Vereinigung, „Die wahre
Religion“, verboten . Wir haben nichts dagegen, wenn an
öffentlichen Plätzen, in Einkaufszentren, überall Bibeln,
Korane und sonst etwas verteilt werden . Wenn das aber
der Ausgangspunkt für eine Radikalisierung ist, die hin
zum Terror führt, dann ist Schluss, und dann wird eine
solche Einrichtung verboten; das gilt auch für ähnliche
Einrichtungen in der Zukunft . Das hätten Sie einmal begrüßen können . Das war im Übrigen alles mit Augenmaß .
({17})
Nun ein Wort zur Integration . Dazu haben Sie auch
etwas Erstaunliches gesagt, nämlich wir würden die
Flüchtlinge teilen in diejenigen mit Bleibeperspektive und diejenigen ohne Bleibeperspektive, und das sei
falsch . Soll ich Ihnen mal was sagen? Das ist deutsche
Rechtslage, das ist europäische Rechtslage, das ist internationale Rechtslage . Es gibt kein einziges Land in
der Welt, das nicht zwischen Flüchtlingen mit und ohne
Bleibeperspektive unterscheidet . Wenn Sie das vollständig verändern wollen, dann müssen Sie das von diesem
Pult aus mal sagen, und dann bin ich gespannt, wie Ihre
Wählerinnen und Wähler das finden.
({18})
Der Grundsatz kann nicht streitig sein . Streitig kann
sein - das ist auch streitig, zwischen uns, manchmal auch
in der Koalition -, wie man damit umgeht . Aber dass
der Grundsatz unstreitig ist, nämlich dass es Menschen
gibt, die nach Prüfung eine Bleibeperspektive haben oder
nicht, müssten Sie vielleicht mal anerkennen .
({19})
Es wäre nicht schlecht, Sie würden das mal tun .
({20})
Deswegen gilt, dass wir für diejenigen mit Bleibeperspektive so viel tun wie nie zuvor in diesem Land . Die
Zahlen sind schon genannt worden: über 600 Millionen
Euro für Integrationskurse, erstmalig Orientierungskurse
sogar für Menschen ohne Bleibeperspektive . Nicht nur
die Mittel für die Migrationserstberatung sind erhöht
worden, sondern auch die für die sonstigen Programme,
die wir zur Unterstützung des Ehrenamts haben . Auch
Moscheevereine, wenn sie bei der Integration mithelfen,
werden gestützt und gefördert . Das kann sich wirklich
sehen lassen .
Gleichzeitig erhöhen wir die Mittel für die freiwillige Rückkehr . Freiwillige Rückkehr ist allemal besser als
Abschiebung, aber freiwillige Rückkehr und Abschiebung stehen in einem engen Zusammenhang . Ohne Abschiebung haben Maßnahmen zur freiwilligen Rückkehr
relativ wenig Erfolg . Sie können das sehen . Das ist ungefähr im Verhältnis 1 : 2 . Das heißt, wenn man abschiebt,
kommen manche auf die Idee, dass sie vielleicht freiwillig zurückgehen sollten . Deswegen ist beides richtig:
Mittel für freiwillige Rückkehr und Abschiebung .
({21})
Wir werden sicher auch noch über Gesetzesänderungen reden . Hier ist nicht der Ort, das heute streitig zu tun;
das werden wir sicher noch an anderer Stelle ausdiskutieren .
Viel steckt in diesem Haushalt: Mittel für das Technische Hilfswerk - darüber ist gesprochen worden -,
Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, Netze des
Bundes, IT-Konsolidierung . Auch hier noch einmal einen Dank an den Haushaltsausschuss! Ohne den Druck
des Haushaltsausschusses wären wir bei der IT-Konsolidierung der Bundesministerien nicht so weit vorangekommen . Zur Reform der Spitzensportförderung werden
sicher noch Herr Mutlu und Frau Engelmeier reden .
({22})
- Herr Hahn auch .
({23})
Natürlich ist das Thema Aussiedler zu nennen und vieles
andere mehr . Ich habe nicht die Zeit, das heute auszuführen .
Ich will nur noch sagen, dass die Steigerungen in der
Sache und die damit zusammenhängenden inhaltlichen
Schwerpunkte in dieser Legislaturperiode beispiellos in
der Geschichte des Bundesinnenministeriums sind . Das
gilt sogar für den Stil, in dem das zustande gekommen
ist . Es gab sehr viele Anträge, denen auch die Opposition
zugestimmt hat . Zum Schluss fanden Sie von der Opposition es aber irgendwie peinlich, dem ganzen Haushalt
zuzustimmen . An sich wäre es in der Logik gewesen, das
zu tun . Nun gut; Sie brauchen es für Ihre Klientel, dass
Sie ihn ablehnen . Auch recht!
({24})
Trotzdem: Die Art und Weise, wie das zustande gekommen ist, auch im Haushaltsausschuss, bei einem
Haushalt, der normalerweise zu den umstrittensten gehört, ist beispielgebend in diesem Jahr, in dem wir kurz
vor Bundestagswahlen stehen . Das ist auch, glaube ich,
gut für die Sicherheit unseres Landes .
Wir werden verantwortungsvoll, seriös und klug mit
diesen Mitteln umgehen . Auch dabei hoffe und setze ich
auf Ihre Unterstützung .
({25})
Das Wort hat der Kollege Dr . André Hahn für die
Fraktion Die Linke .
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich fange heute einmal mit dem einzigen Lichtblick im Etat des
Innenministeriums an .
({0})
- Nein, der Minister ist es wirklich nicht, Herr Schuster . Es
tut mir leid . - Die Bundespolizei wird deutlich gestärkt;
es gibt einen Aufwuchs um insgesamt fast 2 000 Stellen .
Wir als Linke haben seit langem den Personalmangel
bei der Polizei auf Bundes- und Länderebene kritisiert .
Deshalb begrüßen wir, dass hier endlich gehandelt wird;
denn in diesem Bereich ist das Geld deutlich besser eingesetzt als bei den zum Teil wirklich abenteuerlichen
Aufstockungen für die Geheimdienste .
({1})
Aber wenn ich vom einzigen Lichtblick im Haushalt
des BMI spreche, dann ist klar, dass es aus unserer Sicht
dort vor allem sehr viel Schatten gibt . Was hier an Steuergeld verpulvert wird, ist schier unglaublich . Schon der
ursprüngliche Regierungsentwurf, Herr de Maizière,
sah für das Innenministerium eine satte Erhöhung um
537 Millionen Euro vor . In den Ausschussberatungen
wurden dann zum Teil völlig konzeptionslos noch einmal 640 Millionen Euro obendrauf gepackt . Eine derartige Aufstockung hat es vermutlich seit Jahrzehnten nicht
mehr gegeben . Und neben dem Verteidigungsetat ist nur
noch der Innenhaushalt von jedweden Sparauflagen freigestellt . Dadurch wird deutlich, wo die Große Koalition ihre politischen Schwerpunkte setzt: Repression und
Überwachung im Innern, immer neue und sinnlosere
Kriegsbeteiligungen im Ausland
({2})
statt Deeskalation und Unterstützung friedlicher Konfliktlösungen. Das, meine Damen und Herren, kann und
wird nie die Politik der Linken sein .
({3})
Dass wir grundsätzlich begrüßen, dass es zusätzliche
Stellen bei der Bundespolizei gibt, habe ich eingangs
schon festgestellt . Es kann aber doch nicht ernsthaft der
Weg sein, bei der Polizei und vor allem bei den Geheimdiensten quasi auf Zuruf einfach mal so im Ausschuss ein
paar Hundert Planstellen mehr in den Haushalt zu schreiben, ohne dass klar ist, wofür diese künftig vorgesehen
sind . Statt immer mehr neue Stellen zu schaffen, sollten
vielleicht erst einmal die bestehenden Stellen richtig besetzt werden .
({4})
Was fehlt, ist eine grundlegende Aufgabenkritik . Ist es
wirklich nötig, dass Polizistinnen und Polizisten an der
Grenze gegen Flüchtlinge wegen sogenannter illegaler
Einreisen Tausende offizielle und bürokratisch aufwendige Verfahren eröffnen,
({5})
die später in aller Regel ohnehin wieder eingestellt werden?
({6})
Brauchen wir 300 neue Beamte, die allein für die Abschottungsoperationen von Frontex eingestellt werden
sollen? Wir als Linke wollen das nicht .
({7})
Überaus bescheiden sind dagegen die Stellenzuwächse beim Technischen Hilfswerk und beim Bundesamt für
Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe .
({8})
Sie erhalten gerade so viel, dass sie ihre Aufgaben halbwegs erfüllen können . Vor allem hinken die Ausgaben im
Bereich der technischen Ausstattung trotz der erfolgten
Aufstockung, die wir auch sehen, dem tatsächlichen Bedarf weiter hinterher . Anstatt hier im wahrsten Sinne des
Wortes einmal aufzurüsten, schaffen die Großkoalitionäre lieber neue Stellen für Vorratsdatenspeicherung und
Big-Data-Projekte .
Nach dem Willen von Union und SPD sollen die drei
deutschen Geheimdienste für 2017 zusammen sage und
schreibe 1 250 Millionen Euro erhalten . 1 250 Millionen
Euro - eine utopische und, wie wir meinen, durch nichts
zu rechtfertigende Summe .
({9})
Allein der Haushalt des Bundesamtes für Verfassungsschutz soll um 88 Millionen Euro steigen, der Etat des
Bundesnachrichtendienstes gar um 108 Millionen Euro .
Wir als Linke halten ein derartiges Konjunkturprogramm
für die Geheimdienste für unverantwortlich und werden
ihm auch nicht zustimmen .
Der BND will demnächst - so hört man - sogar eigene Spionagesatelliten in den Orbit schicken . Glaubt man
zeit .de, sollen dafür bis 2022 mindestens 400 Millionen
Euro an Steuergeldern bereitgestellt werden . Wir als Linke lehnen ein solches Weiterdrehen der Überwachungsspirale ganz entschieden ab . Und im Übrigen zeigen alle
Erfahrungen mit derartigen Projekten, zum Beispiel in
den USA, dass die veranschlagten 400 Millionen Euro
niemals ausreichen werden . Man wird wohl eher in den
Milliardenbereich kommen . Deshalb unser klarer Appell
als Linke: Beerdigen Sie dieses Vorhaben, ehe wieder
einmal Steuergelder sinnlos verbrannt werden .
({10})
Abschließend noch einige Bemerkungen zum Sportbereich . Hier ist gegenüber 2016 eine Reduzierung um
11 Millionen Euro vorgesehen . Auch wenn im kommenden Jahr keine Entsendungskosten für Olympische und
http://www.zeit.de
Paralympische Spiele anfallen, halten wir diese Kürzung
für nicht akzeptabel .
({11})
Es gibt einen positiven Punkt, nämlich die Erhöhung der
Zuweisung für den Deutschen Behindertensportverband .
Im Sportausschuss hatte die Koalition den diesbezüglichen Antrag der Linken noch abgelehnt, im Haushaltsausschuss hat man die Mittel dann doch klammheimlich
erhöht . Opposition wirkt also, auch wenn Union und
SPD das niemals zugeben werden .
({12})
Für uns ist klar: Die Stärkung des Behindertensports
war längst überfällig . Der gesamte Sportetat ist unter dem
Strich aber unzureichend und auch nicht geeignet, das in
Geheimverhandlungen zwischen DOSB und Innenministerium ausgehandelte und hochumstrittene Konzept
zur künftigen Spitzensportförderung finanziell auch nur
halbwegs zu untersetzen .
Wir halten dieses Konzept ohnehin für sehr problematisch . So fehlt darin jeder Bezug zum Breitensport, der
letztlich die Basis aller späteren Erfolge im Leistungssportbereich ist .
Bei aller Akzeptanz für einen Leistungsbezug als Kriterium für die Förderung des Spitzensports haben wir erhebliche Zweifel, ob die in der Konzeption aufgeführten
Ziele und Methoden wirklich richtig definiert sind. Was
reitet eigentlich einen Bundesinnenminister, wenn er von
den deutschen Spitzensportlern bei gleicher Förderhöhe
ein Drittel mehr Medaillen fordert? Ist denn die Dopingdebatte an Ihnen, Herr de Maizière, komplett vorbeigegangen? Haben Sie nicht verstanden, dass immer mehr
Nationen aussichtsreich um eine gleichbleibende Anzahl
von Podestplätzen wetteifern?
Wer ernsthaft glaubt - das ist die letzte Bemerkung -,
mit irgendwelchen Computerprogrammen, für die 2017
erstmals 700 000 Euro bereitstehen, auch nur halbwegs
verlässlich künftige Olympiasieger herausfiltern zu können, wird gnadenlos scheitern .
Das haben unsere Spitzensportlerinnen und -sportler
und auch die Trainer nicht verdient . Die Reform darf
nicht über ihre Köpfe hinweg, sondern kann nur mit ihnen gemeinsam umgesetzt werden .
Aus diesen Gründen werden wir den Etat des Innenministeriums ablehnen .
({13})
Gestatten Sie mir, bevor ich dem nächsten Redner das
Wort gebe, einen Hinweis, der fraktionsübergreifend gilt:
Die Ankündigung des Schlusses des Redebeitrages ersetzt nicht den Schlusspunkt .
({0})
Ich bitte, das zukünftig möglichst zu beachten .
Das Wort hat der Kollege Sebastian Hartmann für die
SPD-Fraktion .
({1})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Wenn mich jemand nach der politischen
Leitlinie der Sozialdemokraten fragt, dann antworte ich
ihm oder ihr: Wir Sozialdemokraten organisieren den
gesellschaftlichen Zusammenhalt aller Menschen in
Deutschland . Wir haben eine klare Idee von unserem
Land . Deutschland ist ein weltoffenes, ein spannendes,
ein modernes Land .
({0})
Dass es so bleiben soll, ist ein Ansatz . Und da, wo wir
noch besser werden können, wollen wir mutig für unsere
Ideen werben .
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten können daher mit Stolz auf den Haushalt, der jetzt zur Verabschiedung kommt, und den Einzelplan 06 schauen, liebe
Kolleginnen und Kollegen .
({1})
Hieraus folgt aber auch untrennbar, dass die Integration eine doppelte Aufgabe ist, die darin besteht, die Integration der Einwanderer und Flüchtlinge auf der einen
Seite und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft auf
der anderen Seite zu stärken . Wir müssen zwei zentrale Aufgaben im Innenbereich erkennen und diese auch
beherzt anpacken: Wir müssen für innere und äußere Sicherheit sorgen, und wir müssen ein modernes Einwanderungsrecht schaffen,
({2})
um zu differenzieren: zwischen den Flüchtlingen und
dem Asyl auf der einen Seite - international haben wir
eine nicht aufgebbare rechtliche Verpflichtung, humanes
Asyl- und Flüchtlingsrecht zur Anwendung zu bringen und einer Einwanderung auf der anderen Seite, die zwar
wirtschaftlich motiviert ist, die uns als Gesellschaft aber
auch nutzt und uns voranbringt . Denken Sie alleine daran, dass wir in den nächsten zehn Jahren vermutlich
6 Millionen Erwerbstätige in diesem Land verlieren werden . Daraus können wir etwas machen . Das ist eine große Verantwortung für unsere Gesellschaft .
Ich bin unseren Haushältern sehr dankbar dafür, dass
sie für die innere und äußere Sicherheit die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt haben . Die Zahlen können sich sehen lassen .
Zur Kritik der Opposition muss ich Folgendes sagen:
Man mag einerseits kritisieren, dass es einen Aufwuchs
an Mitteln gibt . Mit diesem Aufwuchs an Mitteln unDr. André Hahn
trennbar verbunden ist aber auch 1 Milliarde Euro mehr
für Sprach- und Integrationskurse .
({3})
Das ist 1 Milliarde Euro mehr für Chancen, für neue
Möglichkeiten, für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft . Darauf sind wir stolz .
({4})
Da müssen wir uns nicht verstecken . Diese Zahlen können sich sehen lassen . Es gibt 1 Milliarde Euro mehr für
Sprach- und Integrationskurse . Jeder, der den Innenhaushalt kritisiert, muss sich auch gefallen lassen,
({5})
dass wir ihm diese Zahl mutig entgegenhalten .
Darum tragen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in diesem Land Verantwortung, liebe Kolleginnen und Kollegen . Darauf sind wir stolz .
({6})
Einwanderung muss im Interesse unserer Gesellschaft
auch politisch gesteuert werden . Wir haben als SPD einen eigenen Vorschlag für ein modernes Einwanderungsgesetz gemacht . Dieser Vorschlag kann sich sehen lassen .
Wir wollen aber klar trennen zwischen den Menschen,
die vor Krieg, vor Not und aus anderen Verfolgungsgründen zu uns fliehen und damit humanitäre Gründe haben,
und denjenigen, die aus anderen Gründen eine Einwanderung nach Deutschland anstreben . Je deutlicher wir das
machen, desto eher kommen wir dem Prinzip nach, dass
wir Verfahren ordnen müssen . Das ist die Linie in der
Innenpolitik .
Als wir 2015 vor großen Herausforderungen standen, weil viele Menschen zu uns geflohen sind, haben
wir Ordnung in die Verfahren gebracht . Wir haben aber
keine der staatlichen Ebenen alleingelassen . Wir haben
Geld für die Kommunen zur Verfügung gestellt, damit
die Kommunen Geld für die Unterbringung haben . Wir
haben die ehrenamtlich Tätigen in diesem Land, die sich
um die Aufnahme gekümmert haben, nicht alleingelassen . Wir haben die Länder nicht alleingelassen . Wir haben als Bund insgesamt 24 Milliarden Euro für diese so
zentrale Aufgabe zur Verfügung gestellt . Es hat uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nie gereicht, nur
zu sagen: „Wir schaffen das .“ Wir haben daraus gemacht:
„Wir machen das“, indem wir die Verfahren geordnet und
das Asylrecht so gestaltet haben, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BAMF in der Lage waren, die
Verfahren ordnungsgemäß durchzuführen und schnelle
und rechtssichere Entscheidungen herbeizuführen . Das
ist unsere Linie in der Innenpolitik, liebe Kolleginnen
und Kollegen .
({7})
Dafür brauchen wir einen starken und handlungsfähigen Staat . Wir sind stolz darauf, dass das Spardiktat
zurückgedreht worden ist, dass es beendet worden ist und
dass es jetzt nicht weniger Personal gibt, sondern mehr
Personal an den richtigen Stellen im Bereich Inneres . Das
haben wir beim BAMF gemacht . Das haben wir bei den
Sicherheitsbehörden gemacht . Das haben wir aber auch
bei denjenigen gemacht, die Integration in unserem Land
organisieren: in den Integrations- und Sprachkursen, bei
den Lehrenden, bei denen, die die Aufnahme der neuen
Mitbürgerinnen und Mitbürger organisieren . Darauf sind
wir stolz . Da müssen wir uns nicht verstecken .
({8})
Wir haben das aber nie isoliert betrachtet . Wir haben
auch Fluchtursachen bekämpft . Wir haben dafür gesorgt,
dass die Haushalte entsprechend ausgestaltet werden .
Auch im Jahr 2016 - unser Haushälter Martin Gerster
hat das noch einmal auf den Punkt gebracht - haben wir
diesen Punkt noch einmal gesetzt .
Ich habe auf die Sprach- und Integrationskurse hingewiesen . Das ist die Fortsetzung einer langen Reihe . Wir
haben mit den Asylpaketen I und II begonnen, und wir
haben noch im Juli dieses Jahres ein Integrationsgesetz
beschlossen, das im August in Kraft getreten ist .
Natürlich Dank an diejenigen, die uns das Geld zur
Verfügung stellen, und auch an den Innenminister für die
Klarstellung . Ja, es wird auch Menschen geben, die dieses Land wieder verlassen müssen . Aber Sie haben den
Fokus richtig gelegt: Es geht um die freiwillige Rückkehr, da diese für uns viel kostengünstiger ist als die sehr
aufwendigen Abschiebungen . Hier muss man Klarheit
schaffen, indem man die Verfahren entsprechend sortiert .
Die Integration aller Menschen in Deutschland ist der
zweite Teil der doppelten Integrationsaufgabe . Ich möchte abschließend - Frau Präsidentin, ich habe Ihren Hinweis bezüglich der Zeit sehr ernst genommen -, wenn
wir über die gleichberechtigte Teilhabe sprechen, einen
Punkt noch einmal sehr deutlich machen: Wenn wir über
die doppelte Aufgabe der Integration sprechen, dann
sprechen wir auch über Menschen, die auf der Suche nach
Orientierung sind, die Sorgen haben, die auch Ängste haben . Wir sollten keine dieser Sorgen oder Ängste wegwischen, aber wir sollten sie ehrlichen, wirksamen und vor
allen Dingen politisch vertretbaren Lösungen zuführen .
Das ist die Stunde von Politik . Das ist Politik . Olof Palme
hat 1965 gesagt:
Politik heißt: etwas wollen . Sozialdemokratische
Politik heißt Veränderung wollen . Weil Veränderungen Verbesserungen verheißen, weil sie Fantasie
und Visionen anregen .
Eine Veränderung kann eine Verbesserung sein . Dafür
setzen wir uns ein: es zum Besseren zu wenden .
Vielen Dank .
({9})
Das Wort hat der Kollege Özcan Mutlu für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .
Zunächst einmal zwei Sätze zum Sportminister de
Maizière . Ich spreche heute als Sportpolitiker, und ich
muss Sie heute ebenfalls enttäuschen: Auch ich habe kein
Lob für Sie übrig, wie meine Kollegin Amtsberg . Denn
Sie haben in Ihrer zwölfminütigen Rede als zuständiger
Minister nur ein einziges Mal das Stichwort „Spitzensteuerreform“ verwendet. Das finde ich ein bisschen zu
wenig .
({0})
- Spitzensportreform, Entschuldigung .
({1})
- Ja, ja, jetzt ergötzt euch mal daran .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer
morgens den Sportteil der Zeitung aufschlägt, liest dort
über Fußball, über Doping, über Manipulation, Korruption, Vetternwirtschaft
({2})
und Gigantomanie . Der Sport steckt in einer weltweiten
Glaubwürdigkeitskrise . IOC, FIFA, UEFA und sogar unser DFB sind Teil des Problems . Den Funktionären geht
es nur um die eigenen Interessen und oft um die Vertuschung ihrer eigenen Skandale . Zuschauerinnen und
Zuschauer werden veräppelt, Sportlerinnen und Sportler
werden alleingelassen, Trainerinnen und Trainer werden
für ihre Arbeit nicht wertgeschätzt .
Daran ändert sich auch mit Ihrem vorliegenden Haushalt für 2017 nichts . Wieder einmal hat die Bundesregierung die Chance verpasst, Weichen zu stellen und Verbesserungen auf den Weg zu bringen . So eine verpasste
Chance ist zum Beispiel ein klares Zeichen im Kampf
gegen Doping . Ja, Sie haben ein Anti-Doping-Gesetz
verabschiedet - schön und gut -, aber geändert hat sich
kaum etwas . Wichtiger ist eine nachhaltige Antidopingarbeit, die auf Kontrollen und Prävention setzt, national
wie international .
({3})
In Russland gibt es staatlich verordnetes Doping, und
das ist wahrscheinlich auch kein Einzelfall . In manchen
Ländern gibt es gar keine Dopingkontrollen . Unser DFB
hat letzte Woche seine Antidopingregeln gelockert . Deshalb sagen wir: Eine Reform des Antidopingsystems, das
chronisch unterfinanziert ist, ist weiterhin bitter nötig.
({4})
Eine Erhöhung der deutschen Beiträge für die Welt-Anti-Doping-Agentur, mit der Deutschland als gutes Beispiel hätte vorangehen können, ist als erster Schritt leider
nicht erfolgt, weil Sie unseren Antrag dazu abgelehnt
haben .
Ein anderes Beispiel: Anbieter illegaler Sportwetten
werden von der Bundesregierung anscheinend mit einem
laschen Gesetzentwurf gegen Sportwettbetrug und Spielmanipulation beglückt. Dieses überflüssige Gesetz verhindert Sportwettbetrug und Spielmanipulationen nicht .
Letztlich wird es zur Beschäftigungstherapie für die ohnehin überlasteten Justizbehörden .
Das ist ein klassisches Eigentor, und das kennen wir
von Sportminister de Maizière . Fast täglich - meine Kollegin Amtsberg hat es gesagt - überschlägt er sich mit
neuen Forderungen: diverse Antiterrorpakete, Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung, Ausweitung der Videoüberwachung etc . Als würde das nicht reichen, werden dann auch noch Scheindebatten geführt, die völlig an
den gesellschaftlichen Realitäten vorbeigehen oder mit
denen bewusst Ängste geschürt werden . Ich nenne da nur
ein Stichwort: Burkaverbot . Für die meisten Ihrer Vorschläge gilt: Sie sind wenig bis überhaupt nicht geeignet,
ein tatsächliches Mehr an Sicherheit zu gewährleisten . In
den letzten Monaten haben wir sogar einen beispiellosen
Abbau von Grund- und Bürgerrechten erlebt, durchgefochten in einer Augen-zu-und-durch-Mentalität .
„Augen zu und durch“ erleben wir auch bei der sogenannten Spitzensportreform . Gleich mehrere Chancen hat
die Bundesregierung hier verpasst: erstens eine öffentliche und transparente Debatte darüber zu führen, welche
Art von Sport wir in Deutschland wollen und fördern
sollten, anstatt Geheimniskrämerei hinter verschlossenen
Türen zu betreiben, zweitens eine Debatte, die eine breite
Gruppe aus Athletinnen und Trainerinnen, Sportvereinen
und -verbänden, also die Menschen in Deutschland mit
einschließt und nicht nur den zuständigen Minister und
die Spitze des DOSB, drittens eine Debatte über die Werte des Sports, den fairen Wettstreit, Respekt, die Motivation zur Leistung und die Förderung dessen, anstatt wie
Minister de Maizière Erbsenzählerei - pardon: schlicht
Medaillenzählerei - zu betreiben . Herr Minister, damit
haben Sie sogar Vertreter der eigenen Koalition im Sportausschuss verärgert . Dabei halten diese viel aus und lassen Ihnen sehr viel durchgehen .
Jetzt legen Sie uns ein Bürokratiemonster vor, bei
dem man mit der Lupe nach einer Beteiligung von Athletinnen und Athleten, Trainerinnen und Trainern suchen
muss . Ich sage hier klar und deutlich: Ihr Konzept zur
Reform der Spitzensportförderung wird dem deutschen
Sport mehr schaden, als es Nutzen bringen wird, und das
ist schäbig .
({5})
Dies ist im Übrigen auch das Ergebnis der öffentlichen
Anhörung, in der alle anwesenden Expertinnen das Konzept unisono scharf kritisiert haben .
({6})
Dazu noch einen letzten Satz: Breitensport - Kollege
Hahn hat es gesagt - scheint für Sie ein Fremdwort zu
sein . Auch das können wir nicht akzeptieren .
({7})
Meine Damen und Herren, eine weitere verpasste
Chance, die ich hier ansprechen möchte, ist die bessere Unterstützung der Ehrenamtlichen im Sport; denn der
Sport war es und ist es, der in Krisenzeiten angepackt hat
und weiterhin anpackt, während die Politik gezögert oder
Arbeitskreise gebildet hat . Tausende Sportlerinnen und
Sportler, Trainerinnen und Trainer sowie Helferinnen
und Helfer haben sich - im Verein oder einfach auf der
Wiese nebenan - um die Menschen gekümmert, die Zuflucht in Deutschland gesucht haben, damit sie sich hier
willkommen fühlen . Sport verbindet und hat eine große
integrative Kraft . Allen diesen Initiativen und den vielen
engagierten Menschen gebühren unser Dank und unser
Respekt .
({8})
Aber das reicht nicht .
Kollege .
Ich komme zum Schluss . - Die Vereine und die Initiativen benötigen eine ausreichende Finanzierung vor Ort,
personell wie materiell. Davon profitieren wir alle. Hier
hätte die Bundesregierung mit gutem Beispiel vorangehen und mehr investieren können . Aber diese Chance
haben Sie verpasst .
Summa summarum: Ihr Haushalt 2017 produziert eine
Menge Verliererinnen und Verlierer . Er ist eine verpasste
Chance für unser Land .
Danke sehr .
({0})
Das Wort hat der Kollege Dr . Stephan Harbarth für die
CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bedrohung durch den islamistischen Terror ist seit langer Zeit hoch, und sie wird
noch lange Zeit hoch bleiben . Union und SPD haben auf
diese Bedrohung gemeinsam mit einem Dreiklang geantwortet . Wir haben für mehr Polizistinnen und Polizisten
gesorgt, wir haben für bessere Ausstattung und Ausrüstung gesorgt, und wir haben dort für bessere Gesetze gesorgt, wo dies geboten und notwendig war .
Es gibt vor allem eine Zahl, die die Anstrengung und
auch Leistung der Koalition mehr verdeutlicht als alle
anderen . Es ist die Zahl von knapp 9 000 zusätzlichen
Polizistinnen und Polizisten, für deren Einstellung wir
in dieser Legislaturperiode die Weichen gestellt haben .
Das kann man ohne Übertreibung als eine ganz großartige Leistung bezeichnen . Es ist das Werk vieler; doch in
ganz besonderer Weise das Werk unseres Innenministers
Thomas de Maizière . Ohne Ihre unermüdliche Arbeit,
ohne Ihren beharrlichen Einsatz wäre ein solcher Aufwuchs nicht möglich gewesen, und dafür sage ich Ihnen
heute sehr herzlich Danke .
({0})
Danken möchte ich auch unserem Koalitionspartner
SPD für die guten Beratungen zum Haushalt des Bundesinnenministeriums und für die konstruktiven Gespräche,
die wir zeitgleich hinsichtlich derjenigen Maßnahmen
geführt haben, die Thomas de Maizière im August unterbreitet hat und mit denen wir den Druck auf Islamisten
in Deutschland weiter erhöhen wollen . Diese Gespräche
zeigen: Diese Koalition arbeitet konstruktiv zusammen,
sie arbeitet bis in die letzten Monate der Legislaturperiode hinein gut zusammen, und das ist ein gutes Signal für
Deutschland .
Sie von den Grünen haben die Frage aufgeworfen wie Sie das gebetsmühlenartig immer wieder tun -, wie
wir es mit den Bürgerrechten halten .
({1})
Wir haben all diese Maßnahmen nicht beschlossen, um
Bürgerrechte zu beschädigen, sondern um etwas für die
Rechte der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zu
tun . Wir haben alle Bürgerrechte im Blick . Dazu gehört
das Recht, nicht Opfer von Kriminalität zu werden . Dazu
gehört auch das Recht, nicht Opfer von Einbrüchen zu
werden, nicht niedergeschlagen zu werden, nicht niedergestochen zu werden und nicht in die Luft gesprengt
zu werden . Wer wie Sie jedes einzelne Gesetz, das wir
im Deutschen Bundestag für ein Mehr an Sicherheit beschließen,
({2})
kategorisch bekämpft,
({3})
der befördert nicht die Bürgerrechte in unserem Land,
sondern er beschädigt sie . Deshalb werden Sie Ihrer politischen Verantwortung nicht gerecht .
({4})
Ich möchte an dieser Stelle - bei allen Gemeinsamkeiten, die wir mit unserem Koalitionspartner haben - aber
auch den Blick auf trennende Punkte richten . Das zeigt
sich etwa in der Frage des Zuzugs nach Deutschland . Für
uns ist klar: Die Situation des Herbstes letzten Jahres darf
sich nicht wiederholen, sie kann sich nicht wiederholen,
und sie wird sich nicht wiederholen . Wir haben in der
Großen Koalition sehr viel gemeinsam getan . Wir haben
die größte Asylrechtsreform seit den 1990er-Jahren ins
Werk gesetzt . Kamen vor genau einem Jahr noch über
100 000 Menschen pro Monat, so sind es heute nur noch
wenige 1 000, und wir als Union werden alles dafür tun,
dass dies auch so bleibt .
In der letzten Sitzungswoche haben wir über den Familiennachzug bei subsidiär Schutzberechtigten diskutiert . Wir haben den Familiennachzug für diese Gruppe
ausgesetzt . Richtig ist aber auch, dass das damals nicht
durch eine Korrektur der Bestimmungen, sondern allein
durch ihre Suspension möglich war . Mit anderen Worten:
Nach geltender Rechtslage werden wir im März 2018
zu einer Regelung zurückkehren, die auch für subsidiär
Schutzberechtigte den voraussetzungsfreien Familiennachzug garantiert .
({5})
Mit dieser Regelung ginge Deutschland weit über die
Rechtslage in vielen Nachbarstaaten hinaus und würde
einen Anreiz für einen Asylantrag in Deutschland schaffen . Deshalb wird die entscheidende politische Frage,
die wir zu beantworten haben, nicht sein, ob man einen
vorzeitigen Familiennachzug ins Werk setzen kann, sondern: Ist es möglich, eine Regelung zu vereinbaren, die
den Familiennachzug an Bedingungen knüpft, die die
Vernunft diktiert, an ein ausreichendes Einkommen und
an ausreichenden Wohnraum? Für uns ist klar: Wir sollten unseren Kommunen keine Lasten aufbürden, die sie
nicht tragen können .
Ich würde mir wünschen, dass Sie in der gleichen
Art und Weise und mit der gleichen Ernsthaftigkeit, mit
der Sie über den Familiennachzug diskutieren, auf die
grün-roten Regierungen in den Bundesländern zugingen,
wenn es um das Thema der sicheren Herkunftsstaaten
geht . Es ist leider noch immer so, dass von den Grünen
mitregierte Länder diese Einstufung blockieren, obwohl
sie genau wissen, dass nicht Verfolgung, sondern ökonomische Gründe Migranten aus Marokko, Algerien und
Tunesien zur Stellung eines Asylantrags in Deutschland
veranlassen, und obwohl sie genau wissen, dass Asylbewerber aus diesen drei Staaten - leider - weit überproportional an Straftaten beteiligt sind . Deshalb haben wir
ein großes Interesse daran, dass diese Leute in ein verkürztes Asylverfahren überführt und anschließend konsequent zurückgeführt werden .
({6})
Das traurige Ergebnis dieser Blockade ist, dass wir leider noch nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen, um rasch
und wirksam zwischen Schutzbedürftigen und Migranten zu trennen . Das ist genau das falsche Signal, wenn
wir dafür sorgen wollen, dass sich eine Situation wie im
Herbst letzten Jahres nicht wiederholt .
Ein weiteres Thema, das ich ansprechen will, ist die
große Herausforderung der Rückführungen . Wir in der
Union sind der Überzeugung: Wer kein Asyl in Deutschland erhält, muss in seinen Heimatstaat zurückkehren .
({7})
Reist er nicht freiwillig aus - unsere Präferenz ist immer
die freiwillige Ausreise -, muss der Betroffene zurückgeführt werden, und zwar rasch . Erst mit der konsequenten
Durchsetzung negativer Bescheide senden wir das klare
Signal aus: Wer keines Schutzes bedarf und gleichwohl
in Deutschland einen Asylantrag stellt, der hat keine
Bleibeperspektive und sollte sich am besten gar nicht erst
auf den Weg nach Deutschland machen .
Ich weiß, dass es beim Thema Abschiebungen keine
gordische Lösung gibt . Es gibt nicht den einfachen Hieb,
um den Knoten zu durchschlagen, sondern man muss
diesen Knoten an vielen Stellen mühsam lockern, um ihn
dann zu lösen . Aber wir sollten doch wenigstens darin
übereinkommen können, dass wir den Druck auf diejenigen erhöhen, die sich ihrer Ausreisepflicht mit allen
Mitteln und Tricks widersetzen, indem wir ihnen keine
Duldung mehr erteilen .
Ich bin überzeugt, dass der Handlungsdruck in dieser
Frage erheblich zunehmen wird, weil sich die Zahl der
Asylbescheide und damit natürlich auch die Zahl der
negativen Bescheide in den nächsten Monaten beträchtlich erhöhen werden . Mit einer gemeinsamen Lösung in
Sachen Abschiebung würden wir unser Ziel noch einmal
deutlich unterstreichen: Eine Situation wie im vergangenen Jahr darf und kann sich nicht wiederholen . Wir in der
Union sind fest entschlossen, dafür zu sorgen .
Herzlichen Dank .
({8})
Das Wort hat der Kollege Uli Grötsch für die
SPD-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Festnahme der Terrorverdächtigen in Leipzig und in
Berlin-Schöneberg oder jüngst die bundesweite Razzia
gegen das Dschihadistennetzwerk „Die wahre Religion“
zeigen: Deutschland war vielleicht noch niemals zuvor
so sehr bedroht, aber gleichzeitig auch so sicher wie heute . Ich sage Ihnen, warum: Wir haben die vielleicht besten Gesetze und ganz bestimmt die besten Beamten in
allen Bereichen der Sicherheitsbehörden .
Dieses hohe Niveau an Sicherheit und Qualität schreiben wir mit dem vorliegenden Haushalt für den Bereich
„öffentliche Sicherheit“ im Jahr 2017 fort . Beispiel Bundespolizei: Es ist aus unserer Sicht ein großer Erfolg für
das Parlament, dass zusätzlich zu den bereits im Regierungsentwurf vorgesehenen 270 Stellen noch einmal
700 Stellen bei der Bundespolizei geschaffen werden .
Das sind dann - mit den bereits vorher auf Initiative der
SPD beschlossenen Stellen - insgesamt fast 2 000 neue
Stellen nur in 2017 plus fast 200 Millionen Euro für spezielle Fahrzeuge, Schutzausstattungen und Ähnliches sowie drei Einsatzschiffe .
Aber zusätzliche Stellen allein reichen uns nicht . Es
ist schon seit den Tagen von Otto Schily gute Tradition in der Sozialdemokratie, einen Schwerpunkt bei den
Stellenhebungen zu setzen . Aktuell haben wir 1 000 Stellenhebungen durchgesetzt und gleichzeitig neue Beförderungsmöglichkeiten geschaffen, sowohl innerhalb des
mittleren Dienstes als auch vom mittleren in den gehobenen Dienst . Das kommt insbesondere den normalen PoDr. Stephan Harbarth
lizisten im operativen Bereich zugute, die dies für ihren
tagtäglichen Einsatz ohne Frage mehr als verdient haben .
({0})
Die 7 000 Polizeibeamten bis 2020 kommen aber nicht
über Nacht . Sie müssen natürlich ausgebildet werden .
Das ist angesichts der erwähnten Zahlen eine riesengroße
Herausforderung . Damit das gut gelingt, wurde das nunmehr sechste und größte Ausbildungszentrum in Bamberg eröffnet, das ebenfalls fast 20 Millionen Euro erhält .
Wir als SPD-Bundestagsfraktion werden im nächsten
Jahr den engen Austausch mit den Ausbildungszentren
suchen, weil wir sichergehen müssen, dass das hohe
Qualitätsniveau in der Ausbildung auch angesichts der
ungewöhnlich hohen Einstellungszahlen gewährleistet
bleibt . Wichtig ist aber auch, dass die dann ausgebildeten
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten dort verwendet
werden, wo sie am dringendsten gebraucht werden, zum
Beispiel an der deutsch-tschechischen Grenze, um dem
großen Problembereich der Tageswohnungseinbrüche zu
begegnen .
({1})
Ich bin froh, dass 450 der neuen Stellen für 2017 zur
Verstärkung des grenzpolizeilichen Dienstes vorgesehen
sind . Denn bei aller Terrorgefahr und allen neuen Kriminalitätsphänomenen dürfen wir die ureigenen Aufgaben
der Polizei nicht vergessen,
({2})
nämlich die, für die ganz alltägliche Sicherheit der Menschen in diesem Land zu sorgen . Das geht nun einmal
nur mit einer vernünftigen Personalpolitik, etwa - um es
noch einmal zu sagen - im Bereich der Schleierfahndung
an der deutschen Ostgrenze .
Sehr geehrte Damen und Herren, bestmöglich bekämpfen wollen wir sowohl den islamistischen Terrorismus als auch den Terror von rechts, der erst vor einigen
Wochen einen Polizeibeamten in Deutschland das Leben
gekostet hat . Völlig zu Recht wird in den Medien aktuell
heftig darüber diskutiert, wie es sein kann, dass Extremisten in Deutschland legal Waffen besitzen können . Leider,
Herr Minister de Maizière, sehen Sie bislang offenbar
keine Veranlassung, einer sogenannten Regelabfrage bei
den zuständigen Waffenbehörden und den Verfassungsschutzbehörden zuzustimmen, um die Zuverlässigkeit eines Antragstellers zu prüfen . Das wäre uns sehr wichtig .
Uns Sozialdemokraten hätten Sie dabei auf Ihrer Seite .
({3})
Meine Redezeit reicht nicht mehr aus, um auf den
Aufwuchs und die Verbesserungen beim Bundeskriminalamt einzugehen . Dieses Thema hätte eine eigene Rede
verdient . Insgesamt sind in den beiden Sicherheitspaketen 820 Stellen vorgesehen, und beim Bundeskriminalamt kommt es zu einem Aufwuchs um 1 100 auf dann
6 100 Stellen . Innerhalb von zwei Jahren wird es beim
BKA also etwa 20 Prozent mehr Leute geben . Aber, wie
gesagt, die größte Geißel des Abgeordneten ist und bleibt
die Redezeit .
({4})
Frau Präsidentin, abschließend will ich den Haushältern der Großen Koalition danken . Lieber Martin Gerster,
lieber Reinhard Brandl, es war richtig gut mit euch . Das,
was ihr in den letzten Jahren als Haushälter bewirkt habt,
war wirklich nachhaltig . Wir Innenpolitiker wussten den
Einzelplan 06, den Haushalt des Bundesinnenministeriums, bei euch in den besten Händen und danken euch
für die auch in diesem Jahr wie immer sehr gute Zusammenarbeit .
Vielen Dank .
({5})
Der Kollege Stephan Mayer hat für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort .
({0})
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Ich möchte mit Fug und
Recht behaupten: Dieser Etat des Bundesinnenministeriums, den wir heute abschließend behandeln, ist ein großer Erfolg .
({0})
Er ist ein großer Erfolg der Bundesregierung, und er ist
ein großer Erfolg der Großen Koalition .
({1})
Der Erfolg hat natürlich immer viele Väter . Ich möchte
aber schon betonen: Er ist insbesondere ein Erfolg unseres Bundesinnenministers Thomas de Maizière .
({2})
Ich möchte Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesinnenminister, ganz herzlich dafür danken . Dieser Etat, den wir
heute abschließend beraten, ist einzigartig in der bundesrepublikanischen Geschichte .
Wenn man sich diese Legislaturperiode einmal vor
Augen führt, sieht man, dass wir allein im Einzelplan 06,
im Einzelplan des Bundesinnenministers, einen Aufwuchs von sage und schreibe 53 Prozent haben . Es gab
eine Steigerung von knapp 6 Milliarden Euro im Jahre 2014 auf jetzt knapp 9 Milliarden Euro im Jahr 2017 .
Allein in diesen vier Jahren sind 13 000 zusätzliche Stellen im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums
geschaffen worden . Weiter werden zwischen 2015 und
2020 7 500 zusätzliche Stellen bei der Bundespolizei
geschaffen . Beim Bundeskriminalamt wird es 1 300 zusätzliche Stellen geben . Für 2018 bis 2020 gibt es bereits
heute klare Zusagen, dass 4 000 zusätzliche Stellen im
Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums etabliert
werden . Das kann sich wirklich sehen lassen .
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich
möchte aber auch nicht verhehlen, dass dieser deutliche
finanzielle Aufwuchs - und auch Stellenaufwuchs - in
den Sicherheitsbehörden insbesondere aufgrund eines
nachdrücklichen, nachhaltigen und langfristigen Wirkens
und Drängens der CDU/CSU-Fraktion zustande kommt .
Wir waren es, die sich nicht erst seit kurzem, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und den
Linken, für eine bessere personelle und finanzielle Ausstattung der Sicherheitsbehörden eingesetzt haben . Über
Jahre hinweg haben wir dies nachdrücklich gefordert .
Und jetzt kann sich, glaube ich, dieser Erfolg auch wirklich sehen lassen .
({3})
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von
den Linken und von den Grünen, Sie haben noch vor
zwei oder drei Jahren, wenn es um die Sicherheitsbehörden ging, von einem „Repressionsapparat“ gesprochen .
Sie haben zu der Zeit noch davon gesprochen, dass hier
ein Überwachungsstaat geschaffen wird . Mittlerweile
sind Sie kleinlaut geworden und geben zu, dass wir eine
bessere personelle Ausstattung unserer Sicherheitsbehörden dringend benötigen .
({4})
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, diese deutlich bessere finanzielle und materielle Ausstattung
der Sicherheitsbehörden ist aber natürlich auch den gestiegenen Herausforderungen geschuldet . Ich möchte
ausdrücklich betonen, dass wir in den letzten zwei Jahren eine weitgehende gesetzgeberische Tätigkeit insbesondere im Hinblick auf die Bekämpfung des islamistischen Terrorismus an den Tag gelegt haben . Wir haben
die Auslandsreisen zu terroristischen Zwecken stärker
unter Strafe gestellt, und wir haben die Regelungen zur
Terrorismusfinanzierung verschärft. Des Weiteren haben
wir die Möglichkeit geschaffen, dass ausreisewilligen
Dschihadisten der Personalausweis sowie der Reisepass
entzogen werden kann . Außerdem haben wir die Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern in die Lage
versetzt, besser zu kooperieren .
Endlich haben wir zumindest wieder den Fuß in der
Tür, was die Wiedereinführung der Mindestspeicherfristen anbelangt . Wir haben die Gültigkeitsdauer des Terrorismusbekämpfungsgesetzes verlängert, und wir haben
kurz vor der Sommerpause in diesem Jahr ein Antiterrorpaket verabschiedet, das insbesondere auch zum Gegenstand hat, dass sich in Zukunft auch die Bezieher von
Prepaidhandykarten registrieren lassen müssen . All das
waren richtige und sachgerechte Maßnahmen, die insbesondere auf Drängen der CDU/CSU ins Werk gesetzt
wurden .
Ich möchte aber betonen, dass insbesondere auch konsequentes und entschiedenes Handeln auf der Ebene der
Exekutive wichtig ist und auch stattgefunden hat . Ich
möchte Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesinnenminister,
ausdrücklich dafür danken, dass Sie heute vor einer Woche eine islamistische Organisation namens „Die wahre
Religion“ verboten haben, welche über Jahre hinweg ihr
Unwesen in Deutschland getrieben hat . Es gab durchaus
manche, die etwas naseweis gefragt haben: Warum wird
diese Organisation erst jetzt verboten? Denen möchte
ich einmal deutlich ins Stammbuch schreiben: Es ist auch in verschiedenen Bundesländern - nicht so einfach,
die substanzielle Grundlage dafür zu schaffen, in knapp
200 Liegenschaften Hausdurchsuchungen durchzuführen
und ein Verbot auszusprechen, das dann auch gerichtsfest
ist . Ich möchte insbesondere Ihnen, Herr Bundesinnenminister, aber auch den beteiligten Mitarbeitern in Ihrem
Haus und darüber hinaus ganz herzlich dafür danken,
dass es jetzt gelungen ist, diese Organisation zu verbieten .
Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen: Allein
140 Dschihadisten von den knapp 880, die bislang in den
Dschihad nach Syrien oder in den Nordirak ausgereist
sind, hatten Kontakt zu der Organisation „Die wahre Religion“ . Diese Organisation hat über die letzten Jahre hinweg knapp 2 000 Hassbotschaften im Internet verbreitet .
Diese sind über 15 Millionen Mal aufgerufen worden .
Und 35 000 Personen haben diese Hassbotschaften auch
abonniert . Ich sage dies hier auch deshalb ausdrücklich,
weil ich der festen Überzeugung bin, dass allein diese
Zahlen eindeutig belegen, dass es sinnvoll wäre, die
Sympathiewerbung für terroristische Organisationen
wieder unter Strafe zu stellen . Das, was schon bis 2002
im deutschen Strafgesetzbuch geregelt war, unter RotGrün aber abgeschafft wurde, gehört wieder eingeführt .
Ich möchte auch ausdrücklich betonen, dass ich kein
Verständnis für die Äußerungen der Staatsministerin
Özoğuz habe, die am Tag nach den Hausdurchsuchungen etwas relativierend ausgeführt hat, dass man bei dem
Umgang mit Islamisten doch mehr Augenmaß an den
Tag legen müsse . Dafür habe ich kein Verständnis . Das
ist hanebüchen, und davon muss man sich auch wesentlich deutlicher und wesentlich eindeutiger distanzieren .
({5})
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die
deutlichen Stellenmehrungen und auch die finanziellen
Verbesserungen beim THW sind schon ausdrücklich erwähnt worden . Ich möchte hier betonen: Das THW ist
dankbar dafür und zufrieden mit dem, was jetzt durch
den Haushalt 2017 geschaffen wird .
Um es noch einmal in Erinnerung zu rufen: Allein im
Jahr 2015 haben knapp 80 000 ehrenamtliche THW-Helferinnen und -Helfer mit Verzicht auf Anwesenheit bei
ihren Familien und auf Freizeit 1,3 Millionen Einsatzstunden in der Flüchtlingshilfe geleistet .
({6})
Allein in diesem Jahr waren es über 600 000 Stunden .
Während der sehr schwerwiegenden Hochwasserkatastrophe im Frühjahr dieses Jahres haben über 11 000 Einsatzkräfte des THW circa 139 000 Einsatzstunden an
355 Einsatzorten geleistet . 310 Ortsverbände, also knapp
die Hälfte aller Ortsverbände des THW, waren im Frühjahr dieses Jahres im Hochwassereinsatz . Dabei wurStephan Mayer ({7})
den beispielsweise 5,5 Millionen Liter Frischwasser,
Trinkwasser, produziert . Wer also glaubt, die Trinkwasseraufbereitung ist nur etwas für Schwellenländer oder
Entwicklungsländer, der irrt kolossal . Die Trinkwasseraufbereitung und die dafür erforderlichen technischen
Anlagen sind auch im Inland dringend notwendig . In
der Stadt Simbach sind die Menschen zum Beispiel über
zwei Wochen hinweg ausschließlich mithilfe der Trinkwasseraufbereitungsanlage des THW versorgt worden .
Ich sage dies deshalb hier so ausdrücklich und auch
ausführlich, weil dies aus meiner Sicht in besonderer
Weise zeigt, dass es richtig ist, dass wir ein Fahrzeugbeschaffungsprogramm für das THW mit einem Volumen
von 100 Millionen Euro auf die Beine stellen, dass es
zu 170 zusätzlichen Stellen und zu 150 Stellenhebungen
beim THW kommt und dass in Zukunft weitere 3,2 Millionen Euro für die Helfergewinnung und die Helferbindung zur Verfügung stehen werden . Das kann sich aus
meiner Sicht wirklich sehen lassen, und dafür sagt das
THW Danke . Das ist aber auch das klare Signal, dass
es der Deutsche Bundestag, insbesondere die Regierungskoalition, ausdrücklich zu schätzen weiß, was hier
Tausende von Ehrenamtlichen tagtäglich in Deutschland
leisten .
({8})
Zum Abschluss ein kurzes Wort zur Sportförderung:
Das Sportförderkonzept des Bundesinnenministeriums
ist richtig und sachgerecht,
({9})
und ich bin der festen Überzeugung, dass man mit den
vorhandenen Mitteln durchaus noch mehr Leistungen
bewirken kann .
Abschließend sage ich aber auch noch deutlich dazu:
Wenn der DOSB in seiner Mitgliederversammlung Anfang Dezember dieses Jahres in Magdeburg dieses Sportförderkonzept billigt und unterstützt, dann bedarf es
aus meiner Sicht spätestens im Haushalt 2018 weiterer
Mittel, um dieses Sportförderkonzept tatsächlich auch
umzusetzen und die entsprechenden Umstellungen und
Transferleistungen vor Ort zu bewirken .
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit .
({10})
Ich muss noch einmal darauf aufmerksam machen:
Wenn Sie die Zeit in dieser Weise überziehen, dann geht
das nach unserer Verabredung auf Kosten der Ihnen
nachfolgenden Kolleginnen und Kollegen Ihrer Fraktion .
Ich bin hier nicht frei, wenn es um die Durchsetzung dieser Verabredung geht . Ich bitte also alle Fraktionen noch
einmal, sich an die angegebene Redezeit zu halten .
Das Wort hat die Kollegin Michaela Engelmeier für
die SPD-Fraktion .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde wahrscheinlich offene Türen bei Ihnen
einrennen, wenn ich Ihnen erzähle, dass der Sport in seiner Vielseitigkeit ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft ist . Neben der körperlichen Betätigung ist er
nicht nur Freizeit- und Unterhaltungsfaktor, sondern insbesondere auch Quelle für ehrenamtliches Engagement
in den Vereinen, die häufig mit vielfältigen Aktivitäten zu
einer lebendigen Stadt- und Dorfgemeinschaft beitragen .
Sport bringt die Menschen zusammen, ganz unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Alter, ihrem Geschlecht,
ihrer Sexualität oder Religion, und vermittelt dabei elementare Werte unserer Gesellschaft; denn Sport lebt von
Toleranz, Fairness, Teamgeist, Leistungsbereitschaft und
gegenseitigem Respekt . Der Sport wirkt völkerverbindend, überwindet politische Grenzen und hilft, Vorurteile
abzubauen . Sie sehen: Sport ist also mehr als bloße Begeisterung auf dem Spielfeld, am Spielfeldrand und - Sie
erlauben einen kleinen Exkurs in meine Sportart - auf
der Judomatte .
Daher hat die Große Koalition in den letzten drei Jahren für den organisierten Sport mit seinen über 27 Millionen Mitgliedern in über 90 000 Sportvereinen, übrigens die größte gesellschaftliche Gruppe in diesem Land,
wirklich Großes und Gutes geleistet . In der laufenden
Legislaturperiode haben wir es geschafft, die Mittel für
den Spitzensport im zuständigen Bundesinnenministerium von 140 Millionen Euro auf über 165 Millionen
Euro anzuheben . Das ist übrigens ein Plus von mehr als
25 Millionen Euro .
({0})
Lieber André Hahn, du weißt, dass ich dich wirklich
schätze, aber du hast gerade erzählt, es gäbe in diesem
Bereich 11 Millionen Euro weniger . Wir müssen bei der
Wahrheit bleiben und sagen: Die 10 Millionen Euro, die
für die Bewerbung von Hamburg als Austragungsort für
die Olympischen Spiele im letzten Haushalt standen, sind
nicht mehr enthalten, weil wir alle wissen, dass Hamburg
mit seiner Bewerbung - leider - gescheitert ist .
Allein für das kommende Jahr stellt der Bund für die
Förderung des deutschen Spitzensports 5,2 Millionen
Euro mehr zur Verfügung . Der darin enthaltene Aufwuchs von 1,5 Millionen Euro für die Förderung des
Behindertenleistungssports - übrigens, André, nicht erst
nach eurem Antrag, sondern die Sozialdemokraten sind
schon immer ein großer Förderer und begeisterter Fan
des deutschen Behindertensports und seines Personals
gewesen ({1})
Stephan Mayer ({2})
freut uns .
({3})
Wir alle haben die Bilder der Paralympischen Spiele
in Rio vor Augen . Ich bin bei den Olympischen Spielen
gewesen; auch das ist schon eine tolle Geschichte . Aber
ich sage Ihnen: Als ich die Bilder von den Paralympischen Spielen im Fernsehen gesehen habe, ist mir wirklich ein Schauer über den Rücken gelaufen . Das, was da
passierte, ist gelebte Inklusion . Deswegen freuen wir uns
über diesen Mittelaufwuchs .
Unsere paralympischen Athletinnen und Athleten
haben in Rio gezeigt, was in ihnen steckt . Mit 57 Medaillen kehrten sie stolz nach Deutschland zurück . Mit
diesem Aufwuchs an Mitteln möchten wir einen Beitrag
zur gelebten Inklusion leisten und vor allen Dingen für
Planungssicherheit bei den Verbänden sorgen .
Über die Bereitstellung von finanziellen Ressourcen
können sich auch die fünf neuen olympischen Sportarten
Baseball/Softball, Karate, Skateboard, Sportklettern und
Surfen freuen . Um diesen Verbänden mit ihren Athletinnen und Athleten eine optimale Vorbereitungsphase für
die Olympischen Sommerspiele 2020 in Tokio zu ermöglichen, stellt der Bund ab sofort Fördermittel in Höhe von
3 Millionen Euro zur Verfügung .
({4})
An dieser Stelle möchte ich aber jemandem besonders
danken, der eigentlich nicht im Fokus des Sports steht:
Das ist unser Fraktionsvorsitzender Thomas Oppermann .
({5})
Er hat sich in den Haushaltsverhandlungen dafür eingesetzt, dass im Bundesumweltministerium für die energetische Gebäudesanierung weitere 100 Millionen Euro
bereitgestellt werden können . Hiervon sollen die Bereiche Jugend, Kultur und Sport besonders profitieren. Zu
häufig sind in Deutschland Vereine in ihrer Existenz
bedroht, weil in der Turn- oder Schwimmhalle die Beleuchtung nicht funktioniert, die Heizung defekt ist, die
Duschen kaputt sind oder die Nebenkosten zu hoch sind .
Wir können in Deutschland die Gesundheit, die Lebensfreude, die Integration und die Inklusion nur mit intakten
Sportstätten sichern . Umso wichtiger ist es, dass wir den
Investitionsstau besonders bei maroden Sportanlagen
endlich abbauen .
({6})
Zum Ende meiner Rede möchte ich gerne auf die Reform der Spitzensportförderung zu sprechen kommen .
Der Deutsche Olympische Sportbund benötigt nach eigenen Aussagen mehr finanzielle Mittel zur Durchführung
der Reform, die den internationalen sportlichen Erfolg
von deutschen Athletinnen und Athleten sichern sollen .
({7})
Der Deutsche Bundestag unterstützt die Reformbemühungen des organisierten Sports in Deutschland ausdrücklich . Doch können wir heute noch keine Reform
finanzieren, die der Sport erst einmal intern anstoßen und
ausdiskutieren sollte .
Das Ziel der Reform ist klar, doch der Weg dahin ist
weiter mit vielen Fragezeichen behaftet . Übrigens hätte
ich mir dazu auch eine breite gesellschaftliche Diskussion mit allen Playern gewünscht .
({8})
Das hätte uns, glaube ich, auch ganz gut zu Gesicht gestanden .
({9})
Um mit den Worten von Willy Brandt zu schließen:
Der Förderung des Sports werden wir unsere besondere Aufmerksamkeit widmen, ohne von dem
Grundsatz abzulassen, dass der Sport von staatlicher
Bevormundung frei bleiben muss .
Ich danke Ihnen .
({10})
Das Wort hat der Kollege Dr . André Berghegger für
die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Als letzter
Redner der Debatte werde auch ich versuchen, den Einzelplan aus meiner Sicht zu beschreiben und zu bewerten .
({0})
Die eine oder andere Wiederholung wird sich nicht vermeiden lassen .
Natürlich trägt der Einzelplan 06 die Handschrift der
Union und unseres Innenministers Thomas de Maizière .
In der laufenden Legislaturperiode ist der Etat um gut
50 Prozent auf beinahe 9 Milliarden Euro gestiegen . Das
ist eine beeindruckende Leistung, wie wir schon mehrfach gehört haben .
Aber hier schließt sich vielleicht der Kreis zum Beginn der Debatte . Der Kollege Claus hatte zu Beginn der
Debatte für die Linke gesagt, dass im Rahmen der Haushaltsberatungen die größten Zugewinne bei Frau von der
Leyen und bei Herrn de Maizière zu verzeichnen gewesen seien . Herr Claus, dem muss ich widersprechen: Die
größten Zugewinne im Rahmen der Haushaltsberatungen
sind bei der inneren und äußeren Sicherheit zu verzeichnen, und das ist gut so und auch angebracht .
({1})
Denn es gibt Gründe dafür . Wir bewegen uns in einer
schnelllebigen und teilweise auch unruhigen Zeit, und
der Etat ist natürlich auch eine Reaktion darauf . Die innere Sicherheit braucht ein festes Wertefundament, und das
haben wir auch . Die freiheitlich-demokratische Grundordnung in unserem Grundgesetz und die europäischen
Grundwerte bilden unsere Basis .
Wir müssen uns nicht für unsere staatliche und gesellschaftliche Ordnung entschuldigen . Wir müssen für sie
werben und darauf bestehen, dass sie gilt . Denn diese
Ordnung hat erstens ein hohes Maß an demokratischer
Legitimation . Zweitens bildet sie die Voraussetzung dafür, dass wir auch in Zukunft in Freiheit, Frieden und Toleranz miteinander leben können . Drittens ist diese Ordnung dazu geeignet, Ungerechtigkeiten und Spannungen,
die es auch in unserer Gesellschaft gibt, abzubauen, und
viertens erlaubt sie es, aus konkreten Erfahrungen zu lernen, manchmal auch im Wege des Trial and Error .
Wir dürfen nur nicht in Hektik verfallen, sondern müssen entschieden und mutig handeln . Auch unbequeme
Wahrheiten sind umzusetzen . Wir sollten in langen Linien denken, und wir sollten Vertrauen und Überzeugung
zurückgewinnen oder bilden .
Auch wenn es, wie der Innenminister immer wieder
betont, keine hundertprozentige Sicherheit bzw . keine
Garantie dafür gibt, werden wir alles Erdenkliche tun,
um die Sicherheit und eine entsprechende Prävention für
unsere Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten . Der
Etat des Einzelplans 06 setzt ein klares Zeichen in diese
Richtung .
Der Etat im Einzelnen: Der Bereich „Innere Sicherheit“ wird von vielen Behörden und Einrichtungen wahrgenommen . Im kommenden Haushaltsjahr werden diese
Bereiche deutlich gestärkt . Bereits im Regierungsentwurf konnten wir ein erstes Sicherheitspaket mit mehr als
900 zusätzlichen Stellen für 2017 sowie Personal- und
Sachmitteln in Höhe von über 730 Millionen Euro bis
zum Jahr 2020 beschließen .
Im parlamentarischen Verfahren haben wir ein zweites Sicherheitspaket mit nochmals 4 300 neuen Stellen
für 2017 und den entsprechenden Personal- und Sachmitteln in Höhe von gut 870 Millionen Euro beraten und
beschlossen .
Das ist die dringend notwendige finanzielle Unterstützung für unsere Sicherheitsbehörden, insbesondere für
ihre wichtige Arbeit zur Bekämpfung des Terrorismus .
Wir müssen jedoch darauf achten, dass die Behörden und
Einrichtungen organisch mitwachsen können . Es reicht
nicht, nur Stellen auszuweisen und Mittel zur Verfügung
zu stellen; sie müssen auch effektiv eingesetzt werden
können . Das ist bis jetzt aber wohl austariert .
Wenige Schwerpunkte des Etats: Die Bundespolizei
verzeichnet zusätzliche Stellen, um eine Entlastung der
vorhandenen Beamtinnen und Beamten zu gewährleisten, die derzeit viele Überstunden ansammeln . Es wird
etliche Stellenanhebungen für verdiente Beförderungen
in diesen Bereichen geben . Das fördert die Motivation
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den großartigen
Einsatz und eröffnet Perspektiven .
Wir werden die Ansätze für Materialbeschaffungen
zugunsten einer effektiven Arbeit dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhöhen . Insbesondere möchte ich
die drei neuen Einsatzschiffe und den neuen Transporthubschrauber für die Einheiten der BFE+ bei der Bundespolizei hervorheben . Abgerundet wird die Wertschätzung
für die Bundespolizei durch unser langfristiges Liegenschaftsprogramm, das sowohl die Dienstliegenschaften
als auch die Bahnhöfe sowie die Flug- und Seehäfen
umfasst . Eine Konkretisierung durch die Bundespolizei
erfolgt noch im Laufe der Zeit .
Das THW bildet den zweiten Schwerpunkt . Die Personalstruktur wird verbessert durch 170 neue Stellen und
150 Stellenanhebungen . Das Fahrzeugbeschaffungsprogramm sorgt bis 2023 Schritt für Schritt für die Erneuerung der in die Jahre gekommenen Fahrzeugbestände .
Das schafft langfristige Planbarkeit und stellt ein ausdrückliches Bekenntnis zu unseren ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern in diesem Bereich dar .
({2})
Um dem THW eine Perspektive zu geben, haben wir uns
für eine Nachwuchskampagne mit einem Volumen von
3 Millionen Euro eingesetzt .
Jeder von uns spürt es in den Gesprächen - ob hier
oder im Wahlkreis -: Der Zusammenhalt in der Gesellschaft ist ein wichtiger Aspekt . Ein Schwerpunkt unseres
Handelns wird weiterhin die Verbesserung der Flüchtlingssituation sein . Die Zahl derjenigen, die auf der
Suche nach Schutz und Sicherheit zu uns kommen, ist
zuletzt deutlich gesunken . Die Herausforderungen haben
sich verschoben, bzw . es sind neue hinzugekommen .
Erstens . Wir werden uns weiterhin intensiv derjenigen
annehmen, die eine langfristige Perspektive bei uns haben . Die Mittel für das Programm „Migrationsberatung
für erwachsene Zuwanderer“ werden auf 50 Millionen
Euro angehoben . Damit werden zusätzliche Beraterstellen ermöglicht und wird die Qualität trotz hoher Fallzahlen aufrechterhalten .
Zweitens . Wir werden uns auch um die Asylbewerber
mit unklarer Bleibeperspektive kümmern . Die Erstorientierungsangebote - bislang befristete Pilotprojekte - werden durch zusätzliche Mittel bundesweit ausgeweitet .
Drittens . Wir wollen - das ist ein wichtiger Aspekt die Zahl der freiwilligen Ausreisen derjenigen steigern,
die zur Ausreise verpflichtet sind. Deshalb gibt es im
kommenden Jahr ein Anreizprogramm des Bundes mit
einem Volumen von 40 Millionen Euro, ergänzend zu
den entsprechenden Programmen der Länder . Zusammen
mit den verbindlichen Rückführungen im Rahmen des
Asylverfahrens soll die Anzahl derer, die unser Land verlassen, deutlich erhöht werden . Ich bin der festen Überzeugung, dass die Durchsetzung des Rechts die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöhen wird .
({3})
Gegen Ende meiner Rede - ich darf den Schluss ja
nicht ankündigen - noch ein Gedanke: Unser Wertefundament beinhaltet natürlich auch die föderale Ordnung
des Grundgesetzes . Nicht der Bund alleine ist für alle
Kriminalitätsfacetten und Probleme zuständig . Die vorDr. André Berghegger
rangige Zuständigkeit liegt naturgemäß bei den Ländern .
Um Werte zu vermitteln und durchzusetzen, sind Nähe
und Vertrautheit von Vorteil . Hier haben kleinere Einheiten ihre Vorzüge . Aber ich würde mich freuen, wenn
die Länder - an diese appelliere ich - im Durchschnitt
die Stellen der Polizeivollzugsbeamten so sehr aufwachsen lassen würden, wie wir das in den letzten Jahren bei
der Bundespolizei getan haben . Dann könnten wir in der
gemeinsamen Arbeit eine ganze Menge erreichen . Wir
könnten Tendenzen entgegenwirken, die mir Sorge bereiten . Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung könnte
verbessert werden . Das Verständnis für die Polizeiarbeit
könnte wieder wachsen . Die Polizei bekäme endlich wieder den Respekt, den sie verdient . Sie setzt sich schließlich jeden Tag für uns und unsere Sicherheit ein . Dadurch
könnten das Wertefundament und damit auch der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft gestärkt werden .
Vielen Dank für das freundliche Zuhören .
({4})
Vielen Dank, auch für das Unterschreiten der Redezeit . - Ich schließe die Aussprache .
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Einzelplan 06 - Bundesministerium des Innern - in der Ausschussfassung . Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 06 ist mit den
Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion
gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen .
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 21 - Bundesbeauftragte für den Datenschutz und
die Informationsfreiheit - in der Ausschussfassung . Wer
stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Der Einzelplan 21 ist einstimmig angenommen .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I .7 auf:
Einzelplan 15
Bundesministerium für Gesundheit
Drucksachen 18/9814, 18/9824
Die Berichterstattung haben die Abgeordneten
Burkhard Blienert, Helmut Heiderich, Dr . Gesine Lötzsch
und Ekin Deligöz inne .
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist es so beschlossen .
Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat die Kollegin
Dr . Gesine Lötzsch für die Fraktion Die Linke .
({0})
Herzlichen Dank . - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die Linke ist es ein wichtiges Ziel, endlich wieder die paritätische Finanzierung
der Krankenversicherung herzustellen . Das erkennen immer mehr Menschen in unserem Land . Beispiel: Schleswig-Holsteinischer Landtag in Kiel . Der Landtag in Kiel
hat beschlossen, dass die Arbeitgeber wieder einen ebenso hohen Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung
leisten sollen wie die Arbeitnehmer . Das wurde am vergangenen Freitag mit den Stimmen der SPD, der Grünen,
des SSW und der Piraten beschlossen . Wir brauchen solche Beschlüsse nicht nur in den Landtagen, sondern vor
allem hier im Bundestag .
({0})
In Berlin bereitet sich die künftige Koalition von
SPD, Linken und Grünen auf die Regierung vor . Auch
hier wurde beschlossen, die Wiedereinführung der paritätischen Finanzierung zu fordern . Auch das ist eine gute
Entwicklung .
({1})
- Es ist gut, wenn wir uns so einig sind. - Darum, finde
ich, sollten wir hier im Bundestag endlich dafür sorgen,
dass Kostensteigerungen im Gesundheitssystem nicht allein den Versicherten aufgebürdet werden . Die beste Lösung wäre, wenn wir endlich die schon lange diskutierte
und versprochene Bürgerversicherung einführen würden .
({2})
Sie, Herr Gröhe - das verstehe ich in gewisser Weise -, möchten vor der Bundestagswahl am liebsten gar
nicht über Kostensteigerungen und Zusatzbeiträge sprechen .
({3})
- Ja, genau . Deshalb sollten Sie genau zuhören und einige Lehren aus unseren Vorschlägen ableiten .
({4})
Das Problem ist, dass die Kostensteigerungen, die
Zusatzbeiträge garantiert nach der Bundestagswahl kommen werden, aber wir haben alle gemeinsam die Möglichkeit, das zu verhindern, wenn wir endlich wieder die
Parität herstellen .
({5})
Wir können auch direkt einen Beitrag zur Beitragsstabilität leisten . Sie alle wissen, dass es einen Bundeszuschuss gibt, der die versicherungsfremden Leistungen
bei den Kassen abdecken soll . Der betrug im Jahr 2012
14 Milliarden Euro . Zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes wurde er in den darauffolgenden Jahren abgesenkt. Der Finanzminister ist also seinen Verpflichtungen
gegenüber den Beitragszahlern nicht nachgekommen
und hat einfach den Bundeszuschuss um Milliarden gesenkt, um seine schwarze Null aufs Papier schreiben zu
können . Ich könnte Ihnen noch andere Beispiele nennen,
die zeigen, dass die schwarze Null mindestens genauso
manipuliert ist wie die Abgaswerte von Volkswagen .
({6})
Uns geht es aber nicht nur um die Versicherten, sondern auch und vor allem um die Beschäftigten im Gesundheitswesen . Ein großes Thema ist der Personalmangel, insbesondere im Pflegebereich. Das Verhältnis von
Beschäftigten zu Patienten liegt in unserem Land bei
1 : 21 . In Dänemark kommen auf einen Beschäftigen
zehn Patienten, in Norwegen sogar nur neun . Ich versichere Ihnen: Wenn wir eine Umfrage in den Krankenhäusern machen würden, ob die Patienten und die Beschäftigten die schwarze Null oder mehr Personal wichtiger
finden würden, dann wäre das Ergebnis - ich glaube, wir
kennen die Antwort - nicht die schwarze Null .
({7})
Wir hören immer wieder Klagen aus Krankenhäusern,
dass die Länder zu wenig in die Krankenhäuser investieren .
({8})
Wir als Linke haben einen Antrag gestellt, mit 2,5 Milliarden Euro Bundesmitteln die Sanierung der Krankenhäuser voranzutreiben .
({9})
Leider wurde dieser Antrag von der Koalition abgelehnt .
Dabei ist doch schon geplant - wir werden nächste Woche etwas über den Nachtragshaushalt erfahren -, die
Schulen mit Bundesmitteln zu sanieren . Warum machen
wir das nicht genauso bei den Krankenhäusern? Das ist
doch eine gute Idee. Ich finde, der sollten Sie sich anschließen .
({10})
- Wir bekommen nächste Woche Nachricht über den
Nachtragshaushalt . Da werden Sie das lesen .
Es gibt allerdings auch eine gute Nachricht: Der Haushaltsausschuss hat die Bundesregierung einstimmig aufgefordert, noch in dieser Wahlperiode Prüfungsrechte für
den Bundesrechnungshof gegenüber den Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und deren
Bundesvereinigung sowie gegenüber dem Gemeinsamen
Bundesausschuss und der Deutschen Krankenhausgesellschaft in das laufende Gesetzgebungsverfahren einzubringen . Das ist wirklich ein gemeinsamer Erfolg, den
wir hier erarbeitet haben . Er muss jetzt umgesetzt werden; das ist bitter nötig .
({11})
Nach all den Skandalen bei Deutschlands obersten Kassenärzten müssen die Geschäfte dieser Spitzenorganisationen im Gesundheitswesen in Zukunft deutlich strenger
überprüft werden .
({12})
- Sie können eigentlich alle klatschen, weil ja alle Fraktionen zugestimmt haben . Aber das nur als kleiner Hinweis von mir .
Die oberste Verwaltung der Kassenärzte steht wegen
überhöhter Zuzahlungen an Ruheständler und wegen dubioser Immobilienfinanzierungen in der Kritik. Die Aufgabe dieser Vereinigung ist aber eine ganz andere . Sie
soll nämlich die medizinische Versorgung in unserem
Land sicherstellen und eben nicht in die eigene Tasche
wirtschaften . Das muss ein Ende haben .
({13})
Der Kuchen im Gesundheitswesen ist groß, und viele
wollen davon etwas haben. Immer häufiger werden wirtschaftliche Interessen höher bewertet als medizinische
Notwendigkeiten . Eine Umfrage, die der Lehrstuhl für
Medizinmanagement der Universität Duisburg-Essen
durchgeführt hat, hat ergeben, dass Chefärzte der Auffassung sind, dass 39 Prozent der Eingriffe allein aus ökonomischen und nicht aus medizinischen Gründen erfolgen .
Das darf nicht passieren . Herr Gröhe, jeder muss sich
von dem Gedanken verabschieden, dass ein Krankenhaus
wie eine Schraubenfabrik zu führen ist . An erster Stelle
muss wieder die Gesundheit stehen .
Vielen Dank .
({14})
Das Wort hat der Kollege Helmut Heiderich für die
CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Man hat eben gemerkt, dass es Frau Dr . Lötzsch schon
ziemlich schwergefallen ist, große Pirouetten zu drehen,
um irgendwelche Kritikpunkte am Gesundheitssystem zu
finden.
({0})
Tatsache ist: Der Gesundheitsetat, den wir heute vorlegen, ist der beste Gesundheitsetat, der jemals in diesem
Hause bearbeitet und beraten worden ist .
({1})
Tatsache ist auch: Das deutsche Gesundheitssystem ist
nach wie vor in Europa und weltweit ein Spitzensystem
mit Spitzenleistungen .
({2})
Das hat im letzten Jahr wieder eine OECD-Studie ergeben, und das haben auch andere Studien vorher ergeben .
Wenn man bei den Pirouetten, die Sie eben punktuell
gedreht haben, einmal das Gesamtsystem im Auge behält, dann erkennt man: Es ist doch keineswegs selbstverständlich, dass jeder Bürger in Deutschland den Schutz
einer Krankenversicherung genießt . Denken Sie einmal
darüber vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion
in den USA nach . Es ist auch keineswegs selbstverständlich, dass jeder Bürger den direkten Zugang zur Medizin
und zur Spitzenmedizin hat, wenn er diese braucht . Dass
hier jeder diesen Zugang hat, ist ebenfalls eine Leistung
des deutschen Gesundheitssystems .
({3})
Dass jeder in seinem Leben präventive Unterstützung
hat, vom Impfschutz des Kleinkindes bis zur Versorgung
des Senioren im Vorfeld therapeutischer Behandlungen,
ist ebenfalls eine Leistung, die wir hier herausstellen
können und die deutlich macht: Dieses Gesundheitssystem ist eines der besten .
({4})
Natürlich ist es - Sie haben eben schon davon gesprochen - ein riesiges System . Es sind laut Destatis mehr
als 5 Millionen Menschen, die jeden Tag arbeiten und
sich Mühe geben, um anderen ihre Gesundheit zu erhalten oder wiederzugeben . Es sind mehr als 350 Milliarden
Euro, die Jahr für Jahr eingesetzt werden - mehr als der
Bundeshaushalt . Natürlich muss man ein solches System
ständig fortentwickeln, im Auge behalten . Man muss
Missstände abstellen und die Herausforderungen der Zukunft annehmen .
Ich glaube - das muss an dieser Stelle auch einmal gesagt werden -, Bundesminister Hermann Gröhe hat das
in den drei Jahren dieser Wahlperiode ganz hervorragend
geleistet .
({5})
Er hat bis dato diesem Haus insgesamt 16 Gesetzentwürfe vorgelegt und sie zur Beschlussfassung gebracht, mit
denen deutliche Fortschritte erzielt werden .
Ich will, Frau Präsidentin, wenn Sie genehmigen, kurz
aus der Debatte von vor zwei Jahren zitieren . Aus den
Reihen der Grünen hieß es:
Es bleibt dabei, dass wichtige Vorhaben auf den
Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden,
({6})
wie die Einführung des neuen Pflegebegriffs,
- wir dürfen den Minister und auch Karl-Josef Laumann
dafür loben, dass das nicht so ist eine Krankenhausreform
- die Qualitätsreform ist in Gang gesetzt oder das Präventionsgesetz .
Das ist auch in Kraft getreten . - Ich glaube auch Sie können zustimmen: Da ist in zwei Jahren viel geschehen,
und da dürfte man auch mal ein Lob an den Minister und
seine Mannschaft aussprechen .
({7})
Meine Damen und Herren, wir haben auch auf der finanziellen Seite - das wird sicherlich heute noch mehrfach angesprochen werden - erheblich zugelegt . Wir
haben jetzt wieder einen Zuschuss von 14,5 Milliarden
Euro aus dem Bundeshaushalt an den Gesundheitsfonds . Wir haben im Gesundheitsfonds eine Reserve von
10 Milliarden Euro . Wir haben bei den Krankenkassen so meine letzte Zahl - eine Reserve von 15 Milliarden
Euro . Es gibt auch nicht, was Anfang des Jahres immer
wieder und überall geschrieben wurde, auch in der Presse - man wollte das sozusagen schon herbeireden -, eine
deutliche Beitragserhöhung für die Mitglieder der Krankenkassen, sondern auch da haben wir eine stabile Weiterentwicklung .
({8})
Ich glaube, dass sich vor diesem Hintergrund dieser
Haushalt sehr sehen lassen kann .
Wir haben in den Beratungen der Berichterstatter und
mit dem Haus eine ganze Reihe von Themen erörtert . Ich
darf mich beim Kollegen Burkhard Blienert herzlich bedanken, dass wir sehr vertrauensvoll zusammenarbeiten
konnten . Wir haben eine Reihe von neuen Schwerpunkten gesetzt; er wird sicherlich auch noch einige Punkte
nennen .
Einer von diesen Punkten ist, dass wir international
mehr Verantwortung übernehmen als bisher . Die Bundesrepublik war bei der WHO schon bisher der drittgrößte Beitragszahler, was die Pflichtbeiträge angeht.
Das erhalten wir aufrecht . Aber wir geben jetzt weitere
Mittel an diese Organisation . Wir werden in diesem Jahr
erstmals freiwillige Beiträge in Höhe von 35 Millionen
Euro an die WHO leisten . Wir erwarten, dass mit diesen freiwilligen Beiträgen die Strukturentwicklung in der
WHO verbessert wird . Wir alle haben beim Ausbruch der
Ebola krise erlebt, dass es dort strukturelle Schwierigkeiten gab, auf dieses Problem zu reagieren . Die Situation
wollen wir mit unserem Einsatz verbessern helfen . Dafür
stehen diese 35 Millionen Euro zur Verfügung .
Wir geben weiterhin Mittel, weil wir im nächsten Jahr
auch die G-20-Präsidentschaft innehaben . Es sind zusätzliche Mittel, insgesamt 5 Millionen Euro, um im Rahmen
des G-20-Vorsitzes international Beiträge zu leisten und
Zeichen zu setzen . Wir geben noch einmal 5 Millionen
Euro für die Krisenreaktion und für verschiedene Aufgaben im G-7-Bereich . Hier geht es insbesondere darum darüber haben wir hier auch schon mehrfach diskutiert -,
etwas gegen die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen zu tun . Auch das ist ein Thema, mit dem wir uns im
Haushaltsverfahren beschäftigt haben und für das wir zusätzliche Mittel einsetzen wollen .
Wir geben auch zusätzliche Mittel - ich habe es eben
schon gesagt - in den Bereich der Prävention . Das ist
ein neues Thema . Dafür haben wir im vergangenen Jahr
die Strukturen neu geschaffen . Jetzt werden aus dem
Haushalt heraus die Mittel noch einmal erhöht, damit wir
überall dort, wo Prävention stattfinden soll - es wird ja
so schön gesagt: direkt im täglichen Leben -, also vom
Kleinkindbereich bis hin zum Seniorenbereich, neue Angebote machen können, die Menschen mit einbeziehen
können und natürlich am Schluss Krankheiten verhindern und das Krankheitsausmaß reduzieren können; das
ist der Sinn von Prävention . Hier stehen - auch für den
Impfschutz bei Kindern, der mit einbezogen ist - insgesamt 45,5 Millionen Euro zur Verfügung . Auch das ist
ein Ergebnis unserer Beratungen .
Ich will noch auf einen Punkt eingehen, den ich hier
schon mehrfach angesprochen habe und der mir sehr
wichtig ist . Das ist das Thema einer gleichgewichteten
medizinischen Versorgung in Stadt und Land . Wir haben
ja auf der einen Seite jedes Jahr steigende Arztzahlen, wir
haben aber auf der anderen Seite zur Kenntnis zu nehmen,
dass die Zahl der Hausärzte und Fachärzte im ländlichen
Raum ständig abnimmt . Ich habe einmal herausgesucht:
Bei mir im Hessenland liegt der Altersdurchschnitt der
Haus- und Fachärzte im Moment bei 55 Jahren . Da sind
die Ballungszentren schon einbezogen . Sie können sich
vorstellen, dass das in den ländlichen Regionen deutlich
problematischer aussieht . Bei mir im Landkreis zum Beispiel, so sagte mir mein Landrat, sieht es im Moment so
aus, dass 45 Prozent der Hausärzte 2020 die Altersgrenze
überschritten haben werden . Von daher entsteht dort ein
riesiges Problem .
Wir haben in der Vergangenheit ja schon gesetzlich
vorgesorgt - 2012 Versorgungsstrukturgesetz und 2015
Versorgungsstärkungsgesetz - und haben neue Möglichkeiten eröffnet . Deswegen habe ich das Haus einmal gebeten, dem nachzugehen und zu prüfen, was denn daraus
geworden ist . Ich muss sagen: Da bin ich doch einigermaßen enttäuscht . 2012 haben auf die Vorgaben, die wir
gemacht haben, ganze vier Bundesländer reagiert . 2015
haben weitere sieben Bundesländer nachgezogen . Sie
haben relativ breit gefächerte Angebote entwickelt; aber
wenn wir auf die Zahlen schauen, die mir genannt wurden, dann sehen wir, dass die Beträge irgendwo so um
die 2 oder 3 Millionen Euro liegen . Das ist, mit Verlaub,
nicht ausreichend, um diesem Problem entsprechend zu
begegnen oder es gar zu beheben .
({9})
Ich glaube deshalb, dass wir - das ist auch meine Bitte
an die Fachkollegen - nicht nur die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen und den kassenärztlichen Vereinigungen Möglichkeiten an die Hand geben dürfen, sondern
dass wir auch ein Stück weit nachschauen müssen, was
dort tatsächlich passiert . Werden die Möglichkeiten, die
wir geschaffen haben, auch ausgenutzt? Findet eine entsprechende Umsetzung statt? Wird daraus Positives entwickelt? Das sollten wir in der nächsten Zeit vielleicht
noch verstärkt tun, damit mithilfe der Möglichkeiten des
Strukturfonds eine bessere medizinische Versorgung im
ländlichen Raum möglich wird .
Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Redezeit nähert sich schon wieder dem Ende . Ich möchte
sagen: Wir legen hier mit diesem Haushalt eine hervorragende Grundlage für eine gute Gesundheitsversorgung
in Deutschland . Wir wissen, es kommen immer neue
Aufgaben auf uns zu . Wir wollen nicht jedem alles versprechen, aber wir wollen stets daran arbeiten, dass unser Gesundheitssystem besser wird, dass es in Stadt und
Land gleich gut bleibt und dass es bezahlbar bleibt für
die Bürger und den Bundeshaushalt . Da bin ich mir bei
Hermann Gröhe ganz sicher, dass wir das schaffen .
Herzlichen Dank .
({10})
Die Kollegin Ekin Deligöz hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrter Herr Kollege Heiderich, ja, Sie haben
schon recht: Das Gesundheitssystem in Deutschland ist
schon eines der besten der Welt . Es sind alleine in den
GKVs 71 Millionen Menschen versichert, 85 Prozent davon in den 20 größten Einrichtungen . Damit haben wir
eine gewisse Verlässlichkeit . Aber die Frage ist ja nicht,
ob es gut ist, sondern die Frage ist: Wie können wir so
vorausschauend handeln, dass es auch morgen noch so
gut ist . Dafür müssen wir doch arbeiten .
({0})
Wenn uns das gelingen soll, dürfen auch wir Haushälter unseren Blick nicht nur auf den Etat des Ministers
richten, sondern müssen ihn auch auf die Sozialkassen
richten . Auch da schaut es im Moment noch sehr gut
aus: Die Krankenkassen schreiben schwarze Zahlen, die
Rücklagen betragen - Sie haben es erwähnt - 15 Milliarden Euro . Aber, tut mir leid, das ist nicht Ihr Verdienst .
Das liegt auch daran, dass wir eine hohe Beschäftigungsquote haben, dass wir eine gute Konjunktur haben, dass
wir eine geringe Arbeitslosigkeit haben . Und all das
wirkt sich dann auf die Sozialversicherungen entsprechend aus .
({1})
Das ist doch das, was dahinter liegt .
({2})
Aber was Sie machen, ist, dass Sie die Kosten für die
gesetzlichen Krankenkassen steigern . Im Moment liegen
sie noch bei 220 Milliarden Euro . Sie werden aber unabdingbar steigen . Das hat drei Gründe: erstens die technischen Entwicklungen und der medizinisch-technische
Fortschritt, zweitens der demografische Wandel - wir
werden älter; damit werden entsprechende Kosten auf
uns zukommen - und drittens die Gesetze und sogenannten Reformen, die Sie in diesem Land beschlossen haben .
Diese Kosten müssen ausschließlich von den Krankenkassen geschultert werden - und dann auch noch alHelmut Heiderich
lein von den Beitragszahlern . Das sind die Konsequenzen . Diese Kosten spiegeln sich auch nicht in diesem
Haushalt wider, sondern da lassen Sie die Versicherten
alleine und im Stich .
({3})
Das ist besonders bedauerlich; denn weil es uns gerade gut geht, hätten wir jetzt auch die Chance, die Krankenversicherung fit für die Zukunft zu machen, sie zu
erneuern, sie besser aufzubauen und sie stabil zu machen .
({4})
Aber das machen Sie nicht . Eine verpasste Chance für
die Versicherung!
({5})
Herr Minister, Ihre Gesetze sind teuer . Die Kaufmännische Krankenkasse hat erklärt - es gibt auch andere
Krankenkassen, die das genauso vorrechnen -, dass den
Krankenkassen schon im nächsten Jahr Mehrausgaben
von 3 Milliarden Euro drohen . Diese Mehrausgaben werden sukzessive zunehmen . Bis zum Jahre 2020 belaufen
sich die Mehrkosten aufgrund der Gesetze, die in dieser
Wahlperiode verabschiedet werden, wahrscheinlich auf
14 Milliarden Euro .
Wer zahlt diese Mehrkosten? Alleine die Versicherten .
Und warum? Weil Sie nicht den Mumm haben, zu einem
echten paritätischen System zurückzukehren und die Arbeitgeber mit daran zu beteiligen .
({6})
Wenn Ihnen wirklich an Solidarität gelegen wäre,
dann würden Sie hier etwas verändern und nicht an überholten Strukturen festhalten; denn zu echter Solidarität
gehört nun einmal, dass sich auch die Arbeitgeber daran
beteiligen .
Sie haben zwar zehn Gesetze verabschiedet, dennoch
bleibe ich bei meiner Aussage: Kernbereiche müssen wir
immer noch angehen . Und vor allem: Verwechseln Sie
nicht Quantität mit Qualität .
Hier nenne ich zum Beispiel das Pflegestärkungsgesetz II . Sie haben da zwar sehr vieles verändert . Wenn
ich vor Ort Gespräche führe, höre ich aber, dass das Problem des Personalmangels in der Pflege immer noch besteht . Daran wird - es tut mir leid - mehr Werbung für
Pflege allein nichts ändern. Vielmehr müssen wir an die
Strukturen herangehen und für bessere Bezahlung dieser
Dienstleistung eintreten . Wenn wir diesem Personalmangel abhelfen wollen, müssen wir im Grundsatz viel mehr
für Pflege und auch für diesen Berufsstand tun, als nur
Hochglanzbroschüren herauszugeben .
({7})
Deshalb fordern wir als Grüne auch, etwas gegen den
Personalmangel in medizinischen Berufen zu tun . Übrigens fordern wir auch deshalb eine Pflegebürgerversicherung, weil wir mit der Ausweitung der Solidarität auf
mehr Schultern auch eine Stabilität im System bekommen würden .
Den Pflegevorsorgefonds könnten Sie übrigens, wenn
Sie ehrlich sind, genauso gut streichen . Er ist schon total
zaghaft angelaufen . Jetzt haben wir ein Zwischenhoch,
weil die Zinsen niedrig sind und die Leute diese Möglichkeit gerne mitnehmen . Aber obwohl die Bedingungen dafür bestens sind, erreichen Sie bei weitem nicht
das, was angedacht war und was Sie eigentlich von vornherein hätten erreichen müssen . Das heißt, dass die Menschen diese Form von Pflegevorsorge nicht annehmen.
Wenn etwas nicht funktioniert, muss man auch einmal
den Mumm haben, zu sagen: Wir streichen das und denken neu nach . - Das haben Sie aber nicht getan . Verpasste Chance!
({8})
Wir haben zuletzt auch noch einmal den Antrag eingebracht, 50 Millionen Euro zusätzlich für die Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer bereitzustellen . Warum wollen wir das? Flüchtlinge kommen
nach einer langen schwierigen Reise mit vielen Torturen
hierher . Sie haben etwas Schreckliches erlebt und sind
traumatisiert . Wir verlangen von ihnen, dass sie Deutsch
lernen, dass sie erwerbstätig werden und dass sie für ihre
eigene Existenz sorgen . Solange es uns aber nicht gelingt, diese durch die Traumata entstandenen Blockaden
aufzulösen, wird uns oftmals auch die Integration nicht
gelingen .
Deshalb müssen wir diese Strukturen, bei denen es
nicht nur um Behandlung, sondern auch um Präventivmaßnahmen geht, stärken . Dazu gehört übrigens auch
der Einsatz von Dolmetscherinnen und Dolmetschern im
Rahmen einer Behandlung .
Die von uns hierfür beantragten 50 Millionen Euro bereitzustellen, hätten wir bei diesem Haushaltsplan wahrhaftig auch noch hinkriegen können . Verglichen mit dem
großen Haushalt ist das eine relativ kleine Summe . Es
hätte aber große Auswirkungen auf die Zukunft der Menschen, die neu in diesem Land ankommen .
({9})
Ich möchte mich an dieser Stelle aber noch für drei
Dinge bedanken:
Erstens . Herr Minister, vielen Dank dafür, dass Sie die
WHO-Mittel gestärkt haben . Das ist gut für ein internationales Gesundheitssystem, für unabhängige Strukturen
und vor allem für verlässliche Strukturen .
Zweitens . Danke, dass Sie unseren Antrag zur Suizidprävention übernommen haben . 11 000 bis 12 000 Menschen begehen Suizid in diesem Land . In diesem Bereich
sensibler zu sein, steht uns gut zu Gesicht .
Drittens . An dieser Stelle bedanke ich mich ganz
herzlich bei meinen Mitberichterstatterinnen und Mitberichterstattern, insbesondere aber bei Herrn Blienert . Am
Ende ist uns gemeinsam ein Maßgabenbeschluss gelungen, in dem wir sagen, zu Verlässlichkeit und Vertrauen
gehört eine gute Kontrolle und damit eine Stärkung des
Bundesrechnungshofes . Es ist unser Hauptauftrag als
Haushälter, Missbrauch zu verhindern und dafür zu sorgen, dass sich die Menschen auf uns verlassen können .
Vielen Dank .
({10})
Vielen Dank . - Nächster Redner für die SPD ist der
Kollege Burkhard Blienert .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Der Haushalt des BMG ist ein guter Haushalt,
({0})
jedoch gemessen am Bundeshaushalt immer noch ein
kleiner Haushalt . Aber er erfährt eine große öffentliche
Wahrnehmung . Das Gesundheitswesen und seine Finanzierung - das haben wir schon ausgiebig gehört - betrifft
jede und jeden direkt, sodass auch in der Bevölkerung
alle Maßnahmen hier genauestens verfolgt werden .
Natürlich gab es im Laufe dieses Jahres vielerorts Verunsicherung, wie es mit den Finanzen im Gesundheitsbereich aussieht . Noch Anfang des Jahres wurde orakelt, in
welch astronomische Höhen der Krankenkassenbeitrag
2017 schnellen und welche Mehrbelastung jeder Einzelne zu schultern haben werde . Heute können wir zumindest vorerst Entwarnung geben: Im ersten halben Jahr
wurde bei den Kassen ein Überschuss von 600 Millionen
Euro erwirtschaftet, und die Finanzreserven sind deshalb
auch auf 15 Milliarden Euro gestiegen . Die Folge: Nun einige Monate später - teilt der Schätzerkreis mit, dass
die Beiträge zur GKV im kommenden Jahr wohl stabil
bleiben . Das ist doch erst einmal ein gutes Signal an die
Versicherten in der GKV .
({1})
Wir wissen: Nichts ist von Dauer . Wir müssen aufpassen,
({2})
dass die Krankenkassenbeiträge die Versicherten auch
mittel- und langfristig nicht stärker belasten . Deswegen
sage ich gleich vorweg: Die paritätische Finanzierung
der GKV ist kein Traumschloss, sondern eine zwingende
Notwendigkeit .
({3})
Deshalb werden wir in der nächsten Zeit bei dieser Frage
weiterhin aktiv sein . Es ist ein wichtiger Schritt, insbesondere auch Leistungsträger, die Mitte der Gesellschaft,
zu entlasten .
Wenn ich von einem ersten Schritt an dieser Stelle
spreche, so liegt es auf der Hand, dass ein weiterer notwendig ist und uns sicherlich in den nächsten Monaten
auch verstärkt beschäftigen wird, nämlich die Antwort
auf die Frage: Wie stelle ich die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung langfristig auf ein sicheres
Fundament? Und da ist unsere Antwort eindeutig:
({4})
Wir werden als SPD weiterhin das Konzept der Bürgerversicherung verfolgen .
({5})
Nur sie gewährleistet aus unserer Sicht eine sozial gerechte und ausgewogene Lastenverteilung aller Bevölkerungsteile .
Da wir mit den heutigen Beratungen den letzten Gesundheitsetat für diese Wahlperiode beraten, ist es durchaus lohnend, die Zahlen für 2017 mit den Zahlen von
2013 zu vergleichen . Wir haben uns 2013 auf den Weg
gemacht, die Gesundheitsversorgung zu verbessern, Angebote zu optimieren, Gelder zweckoptimiert und nicht
ideologisch zu verwenden . Wir haben daher in einem ersten Schritt die Aufwendungen für den sogenannten Pflege-Bahr der realen Nachfrage angepasst, andere Haushaltstitel im Gegenzug gestärkt .
Über 15 Milliarden Euro stehen dem Gesundheitsminister auf der Ausgabenseite zur Verfügung . Und wie in
den letzten Jahren macht der Gesundheitsfonds den übergroßen Anteil hiervon aus: 14,5 Milliarden Euro . Schon
an dieser Zahl lässt sich festmachen, dass die jetzige Koalition Wort gehalten hat . Sie hat daran festgehalten, diesen Gesundheitsfonds über den Verlauf der Wahlperiode
auf nunmehr 14,5 Milliarden Euro ansteigen zu lassen .
Dann bleiben dem Ministerium noch circa 500 Millionen
Euro zur Gestaltung im Gesundheitsbereich übrig . Uns
als Sozialdemokratie war dabei besonders wichtig: mehr
Geld für Beratung und Hilfe sowie Prävention .
Erinnern wir uns: Der Entwurf für den Gesundheitsetat 2014, der noch von Schwarz-Gelb erarbeitet worden
war, sah zum Beispiel keine Finanzierung der so wichtigen HIV-Stiftung mehr vor . Viele Betroffene hätten darunter gelitten . Es war diese Koalition, die das abgeändert und dafür gesorgt hat, dass die Institution weiterhin
auskömmlich finanziert wird: Erhöhung des Plafonds für
2017 auf 2 Millionen Euro, perspektivisch auf 4,5 Millionen Euro . Das ist verlässliche Politik über den Wahltag
hinaus .
Genauso wichtig in den nächsten Monaten: die gesundheitlichen Aspekte im Bereich der Migration . Ich
bin sehr zufrieden damit, dass wir gerade in diesem Bereich die Mittel im Vergleich zum Regierungsentwurf
nun maßgeblich, auf 3 Millionen Euro, aufstocken konnten . Somit ist es möglich, Projekte zum Umgang mit
traumatisierten Flüchtlingskindern zu realisieren oder
Mediatorenprogramme zum Umgang mit drogenabhängigen Migranten an mehreren Orten durchzuführen . Das
sind konkrete Herausforderungen in diesen Wochen und
Monaten, und wir ermöglichen mit diesem Haushalt konkrete Hilfsangebote .
Auch immer wieder ein Thema sind die Gefahren der
Influenzaimpfung. Mittels einer Titelaufstockung im BeEkin Deligöz
reich der Arzneimittelsicherheit werden wir nun eine Pilotstudie über die Wirkungen dieser Impfung durchführen können .
Ein weiteres Thema: das große Thema Kindergesundheit . Auch hier hat diese Koalition in den vergangenen
Jahren ordentlich investiert . 2014 haben wir diesen
Titel mit 500 000 Euro erstmals wieder gefüllt, 2015
wurden 2 Millionen Euro etatisiert, 2016 schließlich
2,5 Millionen Euro, und nun, 2017, packen wir nochmals 200 000 Euro obendrauf . Insgesamt 2,7 Millionen
Euro stehen mittlerweile zur Verfügung . Das ist ein gutes
Zeichen und zeigt, dass uns dieses Thema wichtig war,
wir Wort gehalten und dementsprechend auch geliefert
haben .
({6})
Ein Punkt ist uns sehr wichtig gewesen: der Punkt
der Beratung . 1 Million Euro mehr als ursprünglich vom
Minister vorgesehen haben wir für entsprechende Aufklärungsmaßnahmen nunmehr im Haushalt verankert .
In diesem konkreten Fall handelt es sich um Beratungsangebote der BZgA, die ausgebaut werden, da konkret
tatsächlich die Telefone bei der Raucherhotline stark frequentiert sind . Viele Menschen suchen rund um das Thema Rauchen und Rauchentwöhnung Hilfe und nutzen die
Hotline, deren Rufnummer mittlerweile verpflichtend
auf jede Zigarettenschachtel aufgedruckt werden muss .
({7})
Das veranlasst mich, noch einmal einen Appell an die
Kolleginnen und Kollegen von der Union zu richten:
Geben Sie die Blockadehaltung bei der Umsetzung des
Tabakwerbeverbotes endlich auf!
({8})
Wenn Sie vielleicht nicht mir oder der SPD-Fraktion vertrauen, dann folgen Sie dort endlich den Ausführungen
Ihrer Minister und der Drogenbeauftragten .
({9})
Je schneller wir nun endlich das Tabakwerbeverbot
umsetzen, desto größer ist die Chance, dass weniger
Menschen zum Rauchen verleitet werden . Auf jährlich
80 Milliarden Euro werden die Kosten der Folgen des
Rauchens von Experten beziffert . Selbst wenn man die
Mindereinnahmen bei der Tabaksteuer gegenrechnen
würde, bliebe trotzdem eine beachtliche Summe übrig .
Je weniger Menschen zum Glimmstängel greifen, desto besser! Deshalb: Geben Sie dort Ihre Zurückhaltung
auf, und lassen Sie das Tabakwerbeverbot in Deutschland
endlich Wirklichkeit werden .
({10})
Mit diesem Haushalt kommen wir auch unseren internationalen Verpflichtungen nach. 35 Millionen Euro
stellt Deutschland der WHO als freiwillige Beiträge zur
Verfügung - neben dem Regulärbeitrag . Auch im Hinblick auf den G-20-Vorsitz werden insgesamt 3 Millionen Euro mehr in Haushaltstitel mit internationaler Intension gesteckt - ein wichtiges und richtiges Signal, das in
Zeiten weltweiter gesundheitlicher Herausforderungen
angebracht ist .
Ich möchte auf einen weiteren Punkt eingehen - Frau
Kollegin Lötzsch ist schon darauf eingegangen; richtig
und wichtig war es, dort ein deutliches Zeichen zu setzen -: Anfang des Jahres waren wir über die Skandale bei
der Kassenärztlichen Vereinigung verärgert .
({11})
Es herrschte daher Einvernehmen unter den Fraktionen,
dass hier etwas getan werden muss . Mit dem Maßgabebeschluss zu den Prüfrechten des Bundesrechnungshofs
hat das Parlament nunmehr gezeigt, dass wir nicht tatenlos zusehen werden . Das konnte nur gemeinsam geschehen, und es ist eine gute Grundlage dafür, dass der Bundesrechnungshof jetzt arbeiten kann .
({12})
Ich möchte mich an dieser Stelle ganz ausdrücklich bei
meinen Mitberichterstattern, den Kolleginnen und Kollegen Herrn Heiderich, Frau Lötzsch und Frau Deligöz,
bedanken . Es war ja für uns jetzt am Ende der Legislaturperiode tatsächlich die erste Zusammenarbeit; aber ich
finde, wir haben das vertrauensvoll, gut und konstruktiv
hinbekommen . Ganz herzlichen Dank dafür! Ich würde
es gern in den kommenden Jahren mit Ihnen fortsetzen .
({13})
Nicht versäumen will ich auch einen Dank ans Haus
und möchte da auch gern Minister Gröhe
({14})
und Staatssekretär Stroppe, aber auch die Abteilungsleiter, deren jeweiligen Mitarbeiterstab sowie alle anderen
Kolleginnen und Kollegen im Gesundheitsbereich nennen . Das war eine gute Zusammenarbeit; auch meinerseits ganz herzlichen Dank dafür .
({15})
Ich denke, wir können mit diesem Etat selbstbewusst
agieren und mit Fug und Recht behaupten, dass wir in
den Verhandlungen der letzten Wochen und Monate aus
einer guten Grundlage einen noch besseren Etat gemacht
haben .
Vielen Dank .
({16})
Vielen Dank . - Für die Bundesregierung erhält jetzt
Bundesminister Hermann Gröhe das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Auch ich möchte mit einem Dank beginnen, mit dem
Dank an Sie, Kollege Blienert, aber auch an die Berichterstatterinnen, den Berichterstatter, an den Haushaltswie den Gesundheitsausschuss für eine gute Beratung zu
einem Haushalt, von dem ich überzeugt bin, dass er eine
gute Grundlage für die Arbeit des nächsten Jahres legt
und wir mit ihm wichtige Weichen in der Gesetzgebung
stellen, die weit darüber hinausreichen . Dank also dem
Parlament!
Aber ich danke auch den Parlamentarischen Staatssekretärinnen Annette Widmann-Mauz und Ingrid
Fischbach, den Beauftragten Karl-Josef Laumann und
Marlene Mortler, dem ganzen Team, das in wichtigen
Dingen - die Pflege, das Aufgabengebiet der Drogenbeauftragten und die Prävention wurden genannt - mit dafür gesorgt hat, dass wir Themen, die zum Teil dringend
einer weiteren Verbesserung harrten, angepackt haben .
Und da wir so gut und konstruktiv zusammengearbeitet
haben, hätte ich mich gefreut, wenn sogar Sprecherinnen
und Sprecher der Opposition etwas zum Haushalt gesagt
hätten . Das kam weniger vor und unterstreicht wahrscheinlich auch, was Kollege Heiderich gesagt hat: dass
es dazu nicht so viel Kritisches anzumerken gibt .
({0})
Zu den anderen Bemerkungen will ich natürlich etwas
sagen . Wenn Sie etwa, Frau Kollegin Lötzsch, auf das
hinweisen, was jetzt in Landesparlamenten unter kräftiger Mitwirkung der Linken gesagt wird, was die Krankenkassen finanzieren sollen, was aus dem Bundesetat
finanziert werden soll - und das, nachdem Sie beklagt
haben, dass die Länderhaushalte zu wenig Investitionsmittel für Krankenhäuser vorsehen -, wie wäre es denn
dann, wenn Sie sich in den Ländern, in denen Sie Mitverantwortung tragen, darauf konzentrierten, dass es dort
einen richtig kräftigen Ruck nach vorn, in Richtung mehr
Investitionen in Krankenhäuser gibt? Nicht auf andere
zeigen, sondern - wenn Sie schon Mitverantwortung tragen - selbst etwas tun! Da sind wir schon sehr gespannt .
({1})
Wir stehen bei klarer Aufgabenverteilung in der Mitverantwortung . Wer die Krankenhausplanung macht,
trägt im Grundsatz die Investitionsmittel . Das können Sie
daran sehen, dass wir im Rahmen der Krankenhausreform einen Strukturfonds auflegen, der den Ländern hilft,
die Krankenhauslandschaft zukunftsfähig umzubauen .
Ich hoffe sehr, dass die Länder den Mut haben, die damit
verbundenen nicht ganz leichten Entscheidungen auch
anzupacken . Das dient der Schaffung einer zukunftsfesten Versorgungslandschaft . Wir nennen beispielsweise
im Investitionsprogramm für finanziell schwache Kommunen als ersten Investitionszweck ausdrücklich Krankenhausinvestitionen . Beim Strukturfonds muss also
nicht nur der Bereich der Beitragsfinanzierung bedacht
werden, sondern auch der Bereich der kommunalen Finanzierungsunterstützung bezüglich der Krankenhausinvestitionen .
Des Weiteren ist das Thema Bundeszuschuss, schwarze Null angesprochen worden . Wer kritisiert, dass eine
vorübergehende Absenkung einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung geleistet hat, muss auch erwähnen, dass
diese Absenkung - nach einer deutlichen Erhöhung des
Bundeszuschusses in den Jahren 2009 und 2010 - dazu
beigetragen hat, dass neben den Auswirkungen der Finanzmarktkrise nicht zusätzlich noch die Beiträge angestiegen sind . Damals wurde - übrigens unter Inkaufnahme erhöhter Staatsverschuldung - mit Steuergeld
Beitragsstabilisierung betrieben, und danach wurde sinnvollerweise ein Konsolidierungsbeitrag geleistet . Heute
stehen wir da, wo wir es Ihnen zugesagt haben - von
Ihnen immer wieder hier vom Pult aus angezweifelt -,
erhöhen nämlich den Bundeszuschuss auf 14,5 Milliarden Euro . Insofern warne ich davor, immer nur die halbe
Wahrheit zu sagen . Die Panikmache im Sommer in Sachen Beiträge hat sich auch als solch ein Versuch herausgestellt . Der Schätzerkreis hat eindeutig klargestellt, dass
mit stabilen Beiträgen zu rechnen ist .
Es zeigt sich auch, dass wir bei den Leistungsverbesserungen mit Augenmaß vorgegangen sind . Wir gestalten
die Leistungsverbesserungen stets so, dass wir dort, wo
wir es für geboten halten, Leistungsverbesserungen vornehmen, aber wir setzen beispielsweise auch mehr auf
Prävention, auf eine bessere Vernetzung der Leistungserbringer und auf den Umbau der Krankenhauslandschaft .
Damit setzen wir ein Zeichen dafür, dass wir die nachhaltige Finanzierbarkeit unseres Gesundheitswesens im
Blick behalten . Wir nutzen also gerade jetzt die Zeit - die
Kollegin Deligöz hat das ja bezweifelt -, um Weichen für
eine langfristige Finanzierbarkeit zu stellen .
({2})
Sie haben mehr Solidarität in unserer Gesellschaft angemahnt . Lassen Sie mich mit einigem Stolz sagen: Zehn
Jahre haben wir darüber geredet, aber jetzt kommt die
umfassende Reform der Pflegeversicherung. Von diesem
Pult aus war zu hören: Sie kommt in dieser Legislaturperiode nicht, sie wird auf den Sankt-Nimmerleins-Tag
verschoben . Ich sage Ihnen: Sie kommt . Am 1 . Januar
des nächsten Jahres tritt die umfassendste Erneuerung
der Pflegeversicherung seit ihrer Einführung in Kraft.
({3})
- Ich höre: Das ist auch gut so . Das unterstreiche ich gerne . - Sie wird solidarisch und paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert. Das Eindrucksvolle
ist: Niemand in diesem Land bestreitet, dass es richtig ist,
dass wir diese moderate Beitragserhöhung durchführen .
Denn alle wissen: Es geht um eine Aufgabe, die uns gemeinsam am Herzen liegen muss, nämlich eine würdige,
eine gute Versorgung der Pflegebedürftigen in unserem
Land zu gewährleisten. Damit nehmen wir die Pflegebedürftigen und deren Angehörige in den Blick, denen wir
mit diesen erheblich verbesserten Leistungen den Rücken stärken. Damit nehmen wir auch - die Pflegeberufe
sind zu Recht angesprochen worden - die Situation der
Pflegekräfte in unserem Land in den Blick.
Ich weise darauf hin, dass wir die Absicherung durch
die Refinanzierung von Tariflöhnen rechtlich klar regeln
und dass wir für andere Hilfstätigkeiten einen erhöhten
Mindestlohn in dieser Legislaturperiode vereinbart haben . Ich weise auf die Erleichterung durch die Einstellung von 20 000 zusätzlichen Betreuungskräften hin, auf
den Abbau der Bürokratie und schließlich darauf, dass
in allen Bundesländern bis Ende dieses Jahres neue Personalschlüssel verhandelt wurden und dass dies in den
allermeisten Fällen zu einer deutlichen Verbesserung der
Personalschlüssel geführt hat . Wir bleiben an diesem
Thema dran, so wie wir im Rahmen der Krankenhausreform einen wesentlichen Akzent auf die Stärkung der
Stationspflege gesetzt haben. Dass diese Arbeit weitergeht, das sehen Sie auch daran, dass inzwischen mit
Pflegeverbänden, mit Kostenträgern, mit Krankenhausgesellschaften und mit Gewerkschaften weiter über die
Stärkung der Pflege in unseren Krankenhäusern beraten
wird .
Ich habe das Thema Vernetzung angesprochen . Der
Innovationsausschuss hat in diesen Wochen erste Entscheidungen hinsichtlich der Stärkung der sektorübergreifenden Versorgung getroffen . Das dient einer besseren, einer den Leitlinien gerechter werdenden, besser
ineinandergreifenden Behandlung und macht unser Gesundheitssystem insgesamt effizienter. Wir haben mit
großer Einmütigkeit - dafür will ich mich bedanken - das
Gesetz zur Stärkung der Hospiz- und Palliativmedizin
beschlossen, das auch ganz wesentliche Elemente einer
bestmöglichen Vernetzung der Pflege mit der örtlichen
Palliativmedizin enthält . Und dass die Krankenhausreform wesentlich auf Arbeitsteilung und kluge Vernetzung
in der Krankenhauslandschaft zielt, das wissen Sie . Das
unterstreiche ich gerne noch einmal .
({4})
Ein wesentliches Instrument für die Vernetzung ist,
dass wir die Instrumente der Telemedizin deutlich offensiver nutzen . Hier war es nötig, Tempo zu machen;
wie bei so manch anderem Thema . Das haben wir getan .
Ich freue mich, dass gestern eine Vernetzung von Praxen mit einer Universitätsklinik in Echtzeit gestartet ist .
Jetzt geht es darum - zunächst mit einem umfassenden
Stammdatenmanagement und dann mit Notfalldaten, mit
Medikationsplan -, auch die Telematikinfrastruktur endlich mit Nutzen für die Patientinnen und Patienten, für
alle Versicherten zu füllen .
({5})
Wenn wir über Gesundheit diskutieren - und wir erleben es alle in unseren Wahlkreisen -, dann merkt man:
Es ist ein lokales Thema . Es geht um die Frage: Wie sieht
es mit unserer Krankenhausversorgung aus, mit unserer
niedergelassenen Ärzteschaft, mit unserem Pflegedienst?
Wir werden sicher noch darüber diskutieren, was wir tun
müssen, damit wir uns auch weiterhin auf eine flächendeckende Rund-um-die-Uhr-Versorgung mit Apothekendienstleistungen verlassen können . Das hat alles lokale
Dimensionen, aber in der Tat: Spätestens mit der Ebolakrise - man könnte weitere nennen, zum Beispiel auch die
weltweite Zunahme von Antibiotikaresistenzen - wird
deutlich, dass lokale Qualität und globale Verantwortung
in der Gesundheit zusammenhängen .
Ich bin Bundeskanzlerin Angela Merkel dankbar dafür - ich sage das ausdrücklich -, dass wir die
G-7-Präsidentschaft Deutschlands genutzt haben und
die G-20-Präsidentschaft Deutschlands im nächsten Jahr
nutzen werden, um globale Gesundheitspolitik als ein
Markenzeichen der internationalen Verantwortung unseres Landes zu profilieren. Dies steht unserem Land wahrlich gut an .
({6})
Wir haben immer wieder eine Reform der WHO, der
Weltgesundheitsorganisation, angemahnt, damit sie ihren
wichtigen Aufgaben gerecht werden kann . Wir haben übrigens auch schon immer die Bereitschaft bekundet, die
Pflichtbeiträge zur WHO zu erhöhen. In diesem Haushaltsentwurf sehen wir vor, dem Pflichtbeitrag von knapp
30 Millionen Euro einen freiwilligen Beitrag von über
30 Millionen Euro an die Seite zu stellen;
({7})
das ist gut fünfmal so viel wie in den letzten Jahren . Diese Mittel, die bisher beim BMZ angesiedelt waren, etatisieren wir nunmehr in unserem Haus und machen damit
deutlich, dass die operative Verantwortung, die Deutschland in der WHO übernimmt, mit einer großzügigeren
Bereitschaft verbunden ist, die Dinge zu unterstützen,
die uns gemeinsam am Herzen liegen . Das ist eine gute
Nachricht .
({8})
Ich bin davon überzeugt - das sage ich, weil es
ja manchmal die Sorge gibt, dass man selbst zu kurz
kommt -, dass beim Thema Gesundheit ebenso wie bei
wenigen anderen Themen gilt, dass die Verantwortung,
die wir weltweit übernehmen, unmittelbar auch den
Menschen in unserem Land zugutekommt . Ich bin davon überzeugt, dass wir die Menschen in unserem Land
auf Dauer nicht gut versorgen können ohne die Bereitschaft zu globaler Verantwortungsübernahme . Dies unterstreicht einmal mehr unser Haushalt .
Herzlichen Dank .
({9})
Vielen Dank . - Nächster Redner für die Fraktion Die
Linke ist der Kollege Harald Weinberg .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Kollege Heiderich, vielleicht haben wir ja unterschiedliche OECD-Studien gelesen;
({0})
denn nach der OECD-Studie, die ich gelesen habe, liegt
Deutschland hinsichtlich der Kosten in der Tat auf dem
dritten Platz, also relativ weit oben, bei den Outcomes,
also sozusagen bei dem, was herauskommt - Säuglingssterblichkeit, Lebenserwartung, kardiologische Krankheiten und Ähnliches -, allerdings bestenfalls im Mittelfeld . Das heißt, man muss die Zusammenhänge etwas
genauer betrachten . In diesem Bereich sind wir keineswegs top, sondern wir haben noch einiges zu leisten in
diesem Lande .
({1})
Sehr geehrter Herr Minister, worüber diskutieren wir
hier? Wir diskutieren hier über einen verhältnismäßig
kleinen Haushalt - 15 Milliarden Euro -, weil der größte
Anteil der Einnahmen im Bereich der Gesundheitsversorgung logischerweise in den Beitragsmitteln steckt . Ich
glaube, darauf müssen wir ein Stück weit den Schwerpunkt legen . Auch Sie haben ja von der Beitragsstabilität
gesprochen . In diesem Zusammenhang fällt mir Folgendes ein: Man hat in die Rücklagen des Gesundheitsfonds
gegriffen . 1,5 Milliarden Euro wurden entnommen . Im
Wesentlichen ist das der Grund dafür, dass die Beiträge
im nächsten Jahr stabil bleiben . Man könnte auch sagen:
Das ist ein Wahlkampfgeschenk .
({2})
Wenn Sie als Begründung für diesen Griff in die Rücklagen die Stabilisierung des Beitragssatzes als Wahlkampfgeschenk genannt hätten, hätten Sie von uns Kritik
geerntet . Das ist klar; das erleben Sie ja jetzt auch . Wesentlich problematischer finde ich allerdings die Begründung, die dann tatsächlich angeführt wurde: Das sei für
die gestiegenen Kosten im Bereich der Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen in diesem Land . Das halte ich
nach wie vor für einen völlig falschen Zungenschlag .
({3})
Die Krankenkassen haben natürlich Danke gesagt, als ihnen das Geld in Aussicht gestellt wurde . Bemerkenswert
finde ich aber, dass sie gleichzeitig gesagt haben: Für die
Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge brauchen wir das
Geld eigentlich nicht .
({4})
Sie nutzen das Geld also im Wesentlichen zur Stabilisierung der Beiträge .
Es gibt aber natürlich ein Problem - das ist allerdings
allgemeinerer Art -: Einnahmen und Kosten bei den
ALG-II-Empfängern klaffen auseinander . Das ist seit
Jahren bekannt und führt immer zu Defiziten. In diese
Gruppe können auch Flüchtlinge fallen, die geduldet
sind, subsidiären Schutz oder Asyl bekommen . Ordnungspolitisch ist das allerdings aus unserer Sicht aus
Steuermitteln zu finanzieren und nicht aus Beitragsmitteln .
({5})
An dieser Stelle möchte ich etwas zu dem Bundeszuschuss sagen: Das große Problem ist, dass der Bundeszuschuss im Moment im Wesentlichen eine Manövriermasse des Finanzministers ist . Das kann meines Erachtens
nicht so weitergehen . Wir brauchen so etwas wie eine
Regelgebundenheit des Bundeszuschusses, weil es von
den Aufgaben, die aus Steuermitteln zu finanzieren sind,
nicht in dem einen Jahr ganz wenige und in dem anderen
Jahr ganz viele gibt . Sie bleiben relativ gleich groß . Insofern müssen wir schauen, dass wir da zu einer Regelgebundenheit kommen .
({6})
Ich möchte noch ganz kurz auf unsere Änderungsanträge zu sprechen kommen . All unsere Änderungsanträge
sind ja im Haushaltsausschuss abgelehnt worden .
({7})
Ich will nur einige herausgreifen und fürs Protokoll deutlich machen, worum es da eigentlich geht; denn das hat
schon ein bisschen mit dem Thema, über das wir reden,
zu tun .
Wir haben beispielsweise einen Änderungsantrag eingebracht, Herr Heiderich, in dem es um die Nichtversicherten in diesem Lande geht - es gibt sie nämlich in
der Tat -, also um die Menschen, die keinen Zugang zur
Gesundheitsversorgung haben . Ihre Zahl ist gar nicht so
gering .
({8})
Es sind in diesem Land - geschätzt - ungefähr
300 000 Personen . Wir haben beantragt, dass sie Zugang
zur Gesundheitsversorgung bekommen sollen . Dieser
Antrag ist abgelehnt worden .
Wir haben auch den Antrag eingebracht, die Pflege in
ambulant betreuten Wohngemeinschaften zu fördern . Ist
abgelehnt worden .
Wir haben einen Antrag zur Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen“ eingebracht. Diese Stiftung ist unterfinanziert; davon war ja
schon die Rede . Wir haben beantragt, die Mittel aufzustocken . Ist abgelehnt worden .
Wir wollten die Möglichkeit, medizinische Versorgungszentren in kommunaler Trägerschaft zu haben,
stärken und fördern;
({9})
das hat übrigens auch mit der Frage der Ärztedichte auf
dem Land zu tun . Auch diese Fördermöglichkeit ist abgelehnt worden .
({10})
Wir wollten die nichtkommerzielle Pharmaforschung
stärken und eigenständig fördern . Ist abgelehnt worden .
Wir wollten Mittel für die Erforschung der medizinischen Verwendung von Cannabis bereitstellen, wir
wollten eine Evaluation des Betäubungsmittelrechts, und
wir wollten Drug-Checking-Projekte durchführen . Alles
abgelehnt worden . Ich sage das nur, weil dies meines Erachtens wichtige Projekte sind, die die Gesundheitsversorgung gestärkt hätten .
({11})
Ich vermute sogar: Wenn ich Sie fragen würde, ob Sie
unsere Anträge überhaupt gelesen haben,
({12})
dann würde herauskommen, dass die meisten von Ihnen
nicht einmal hineingeschaut haben . Aber abgelehnt haben Sie sie .
({13})
Und zuletzt: Wir haben auch einen Antrag eingebracht, in dem es um den seit Jahren bestehenden Investitionsstau in den deutschen Krankenhäusern geht . Es
ist in der Tat so, dass die Förderung der Bundesländer
unzureichend ist. Dies hat die Folge, dass sich der Pflegenotstand, der in den Krankenhäusern ohnehin schon
vorhanden ist, weiter verstärkt - Stichwort „gefährliche
Pflege“ -, weil die Betriebsmittel, also Fallpauschalen,
zur Finanzierung notwendiger Investitionen herangezogen werden . Diese Mittel fehlen dann beim Personal, vor
allen Dingen natürlich beim nichtärztlichen Personal;
denn da wird im Wesentlichen an der Schraube gedreht .
Deswegen haben wir den Vorschlag gemacht, für diesen
Bereich 2,5 Milliarden Euro in den Haushalt einzustellen und die Finanzierung so zu regeln wie beispielsweise
beim Strukturfonds im Rahmen des Krankenhausstärkungsgesetzes, dass das Land also für jeden Euro, der
vom Bund bezogen wird, einen Euro dazutun muss .
({14})
Ich sage Ihnen eines - das ist dann auch mein letzter
Satz -: Ich besuche relativ viele Einrichtungen . Wenn ich
dort erzähle, dass wir diesen Antrag seit sieben, acht Jahren immer wieder einbringen, ernte ich Unglauben . Ich
sage den Menschen dann immer: Na ja, vielleicht liegt
das auch daran, dass Sie falsch gewählt haben . Wählen
Sie das nächste Mal die richtige Partei; dann haben wir
eine Chance .
Danke .
({15})
Vielen Dank . - Nächste Rednerin für die SPD-Fraktion ist die Kollegin Bärbel Bas .
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Kollege Weinberg, auch ich
will gerne auf die Finanzierung eingehen . Ich kann mich
noch sehr gut an die Debatten erinnern, die wir 2013 geführt haben, als wir die Mittel im Gesundheitsfonds vorübergehend abgesenkt haben; Kollege Blienert hat das
angesprochen . Wir als SPD-Fraktion haben damals gesagt: Ja, wenn es vorübergehend ist, tragen wir das mit;
aber wir werden dafür sorgen, dass die Mittel wieder
aufwachsen . - Heute wissen wir: Im Haushalt werden
14,5 Milliarden Euro bereitgestellt, und 2012 waren es
14 Milliarden Euro . Insofern kann man sagen - ich kann
mich, wie gesagt, noch sehr gut an die Debatten erinnern -: An dieser Stelle haben wir Wort gehalten .
({0})
- Ja, ich komme noch zu diesem Punkt .
Es geht beim Gesundheitsfonds - ich will das einmal
nennen - um die pauschale Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für gesamtgesellschaftliche Aufgaben; das ist das, was Sie gerade angesprochen haben .
Da geht es um die Mitversicherung von Ehegatten und
Kindern, um Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft und vieles mehr .
({1})
Uns ist vollkommen klar, dass das Geld nicht ausreicht;
es gibt dazu unterschiedliche Schätzungen, auch von den
Krankenkassen . Trotzdem will ich hier festhalten, dass
wir Wort gehalten und diesen Aufwuchs ermöglicht haben .
({2})
Sie haben die Liquiditätsreserve angesprochen . Dazu
muss man noch einmal erklären: Das sind geparkte Rücklagen im Gesundheitsfonds . Im Moment haben wir in
dieser Liquiditätsreserve, die zurzeit so nicht gebraucht
wird, 10 Milliarden Euro . Deshalb ist es richtig, dass man
den Kassen diese 1,5 Milliarden Euro jetzt auch wieder
zurückgibt . Ich erinnere daran, was in den letzten Tagen
in der Presselandschaft zu erfahren war, dass Strafzinsen anfallen, weil da so viel Geld liegt . Deswegen halte
ich persönlich es für richtig, dass wir das zurückgeben .
Über die Begründung können wir uns gerne streiten . Wir
als SPD haben dazu gesagt: Die Begründung halten wir
für falsch, weil das Geld - die 1,5 Milliarden Euro - im
Rahmen des Risikostrukturausgleichs zurückgegeben
wird und deshalb auch Kassen davon profitieren werden,
die vielleicht gar keine Flüchtlinge zu versorgen haben,
etwa geschlossene Betriebskrankenkassen . Die würden
das Geld ebenfalls bekommen . Deswegen ist die Begründung genauso falsch, wie Sie das geschildert haben . Aber
dass wir dafür sorgen, dass die Kassen das Geld zurückbekommen, ist richtig, weil eben 10 Milliarden Euro in
der Rücklage sind, die nicht benötigt werden . Die gute
Nachricht für die Versicherten ist, dass damit der Beitragssatz im nächsten Jahr stabil gehalten wird .
({3})
Dennoch dürfen uns diese gute Situation und die vielen positiven Beschlüsse, die wir zur Verbesserung der
Versorgung gefasst haben, nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir strukturelle Probleme haben . Ich will
das hier noch einmal ansprechen, weil wir das als SPD
klar benannt haben: Der Risikostrukturausgleich ist - ich
weiß das - etwas für Feinschmecker . Wir haben da, wie
gesagt, strukturelle Probleme . Denn wenn wir feststellen
müssen, dass Kassen auf perfide Art und Weise auf die
Idee kommen, Kodierungen mit Ärzten abzusprechen,
um damit den Anteil, den sie aus dem Risikostrukturausgleich bekommen, zu erhöhen, dann ist das - das muss
man hier einmal festhalten - ein Skandal .
({4})
Insofern kann ich die Fachaufsicht und die Versicherungsämter nur bitten, das ganz kritisch zu prüfen .
({5})
Dennoch scheint auch eine Ursache zu sein, dass der
Risikostrukturausgleich Verteilungsprobleme mit sich
bringt. Deshalb finde ich es richtig, dass wir in der Großen Koalition gemeinsam beschlossen haben, ein weiteres großes Gutachten zum Risikostrukturausgleich in
Auftrag zu geben . Denn die alte Datenbasis ist aus 2009 .
Der letzte große Bericht zu diesem Risikostrukturausgleich stammt aus dem Jahr 2012 . Deshalb ist es nur
richtig, dass wir jetzt einen Punkt setzen und sagen: Wir
brauchen ein Folgegutachten, um uns möglicherweise
vorhandene Fehlentwicklungen in der Verteilung genau
angucken zu können . Dann können wir auch vernünftige
Rückschlüsse ziehen . Das sollten wir auf jeden Fall tun .
({6})
Und wir sollten noch einmal darüber nachdenken, ob wir
nicht auch - das will ich noch einmal in die Debatte werfen - Kodierrichtlinien brauchen, um genau dieser Manipulation entgegenwirken zu können . Ich weiß, dass das
ein schwieriges Thema ist . Es würde uns aber vielleicht
vor diesen Manipulationen mithilfe falscher Kodierungen schützen .
Vorhin ist angesprochen worden, dass wir mit Blick
auf die finanziellen Folgen der Gesetze, die wir gemacht
haben, die Beitragssätze stabil halten . Aber wir wissen
nicht, ob das so bleibt . Deswegen ist der Zusatzbeitrag
von einigen meiner Vorredner angesprochen worden . Ich
glaube, es ist auch im Sinne der Arbeitgeber, dass wieder
Parität hergestellt wird . Denn es kann nicht sein, dass zukünftige Leistungsverbesserungen - die wir alle wollen
und hier beschlossen haben - allein durch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlt werden . Deshalb ist
die Rückkehr zur Parität wichtig, richtig und auch im
Sinne von Arbeitgebern .
({7})
Zum Schluss will ich auf das Thema HIV-Stiftung
eingehen, weil der Kollege Weinberg das im Zusammenhang mit einem Antrag der Linken angesprochen hat .
In der ersten Lesung habe ich das Thema schon einmal
angesprochen . Hier geht es um die Personen, die in den
80er-Jahren über Blutprodukte mit HIV infiziert wurden.
Ich bin den Haushältern - ich habe bei der ersten Lesung angekündigt, dass wir uns dafür einsetzen werden sehr dankbar dafür, dass wir bis ins Jahr 2018 - so ist
die Botschaft bei mir angekommen - die Finanzierung
der Stiftung gesichert haben . Das ist für mich eine gute
Botschaft in Richtung der Betroffenen .
({8})
Aber - jetzt kommt mein großes Aber - wir sind damit
noch nicht am Ende. Wir müssen, wie ich finde, darüber diskutieren und beschließen - ob in dieser Legislatur
oder in der nächsten; mir wäre es lieber, in dieser -, dass
der Finanzierungsvorbehalt aus dem HIV-Hilfegesetz herauskommt . Wenn wir immer wieder von Jahr zu Jahr gucken müssen, dass wir die Haushaltsmittel sicherstellen,
bedeutet das keine sichere Situation für die Betroffenen
und ihre Familien .
({9})
Als SPD werden wir auch die Dynamisierung der
Leistungen fordern . Ich sage das hier auch, weil es seit
1995 keine Veränderung der Leistungen für die Betroffenen gegeben hat, nicht einmal einen Inflationsausgleich.
Deshalb und weil wir das auch gemeinsam beraten müssen, wollte ich dieses Thema hier noch einmal ansprechen .
Ich will aber deshalb abwarten, weil im Moment - das
ist für uns wichtig; deshalb haben wir Ihren Antrag auch
abgelehnt, Herr Weinberg - immer noch Verhandlungen
auch mit den Organisationen stattfinden, die damals bei
dem Bluterskandal mit involviert waren, nämlich mit der
Pharmaindustrie und mit dem Deutschen Roten Kreuz .
Wir wollen nach wie vor, dass sich diese Institutionen an
der Finanzierung beteiligen .
({10})
Das ist ein wichtiger Punkt, und das wollen wir erst abwarten .
Spätestens im nächsten Jahr werden wir aber wissen,
welche Beteiligung dieser Institutionen es geben wird .
Dann werden wir auch über die Dynamisierung der Leistungen für die Betroffenen reden müssen . Das tun wir bei
anderen Stiftungen auch, und ich finde, bei dieser Stiftung sollten wir das ebenfalls tun .
Vielen Dank .
({11})
Vielen Dank . - Nächste Rednerin ist Elisabeth
Scharfenberg, Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr
Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr
geehrte Damen und Herren! Zum letzten Mal in dieser
Legislaturperiode lesen wir den Einzelplan des Gesundheitsministeriums . Das Gesundheitsministerium hat eine
beeindruckende Zahl an Gesetzentwürfen vorgelegt .
({0})
- Ich wollte Ihnen während meiner Rede einmal die Gelegenheit geben, von Herzen klatschen zu können . Das
haben Sie getan .
({1})
Jetzt geht es weiter .
„Viel hilft viel“, könnte man hier ja sagen, aber meine Kollegin Ekin Deligöz hat es vorhin schon bemerkt:
Quantität ist eben nicht immer Qualität .
({2})
Sieht man sich die Gesetze im Einzelnen an, dann fällt
einem vor allem eines auf: Es wurde eine ganze Menge
Geld in die Hand genommen . Auch hier galt wohl wieder
die Devise: Viel hilft viel . Die Mittel wurden aber nicht
wirklich klug eingesetzt, sondern sie wurden verteilt, um
Konflikte zu vermeiden und Probleme zuzukleistern. Das
kann man machen, wenn man auf kurzfristige Erfolge
setzt . Eigentlich herrscht hier aber das Prinzip: Nach mir
die Sintflut!
({3})
Die Sintflut deutet sich schon beim Zusatzbeitrag an.
Im Wahljahr wird er stabil bleiben, weil die Koalition
den Bundeszuschuss anhebt und in die Notreserven des
Gesundheitsfonds greift . Umso mehr wird er nach der
Wahl steigen . Damit werden der Beitragszahler und die
Beitragszahlerin eingelullt, während ihnen zugleich still
und heimlich immer mehr Lasten aufgebürdet werden,
Lasten, die eigentlich gesamtgesellschaftliche Aufgaben
sind, zum Beispiel bei der Prävention .
Unsere Gesellschaft altert, die Finanzkrise ist noch
nicht lange her, und mit den Auswirkungen kämpft die
Welt noch immer: In dieser Situation sollte sich die Politik um eine stabile, um eine verlässliche, um eine gerechte Finanzierung der Gesundheitsversorgung kümmern,
({4})
damit weiterhin auch jeder und jede die Versorgung erhält, die er oder sie auch braucht . Wir fordern dafür die
Bürgerversicherung in Gesundheit und Pflege.
({5})
Offenbar sind Patientinnen und Patienten, Pflegebedürftige und Versicherte aber nicht die Hauptzielgruppen
der derzeitigen Gesundheitspolitik .
({6})
In letzter Zeit gab es auffällig viele Entscheidungen zugunsten starker Interessengruppen .
({7})
Ich nenne die Apotheker, die Ärzte und die Pharmaindustrie .
({8})
Ein Beispiel: Das Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel hilft scheinbar den Apothekern . Verkauft wird es als Sicherstellung der Versorgung
vor Ort . Aber um die Versorgung gerade im ländlichen
Raum sicherzustellen, sind ganz andere Konzepte notwendig . Das Versandhandelsverbot bringt keinen einzigen Arzt und keine einzige Ärztin dazu, sich in einer
strukturschwachen Region niederzulassen .
({9})
Patientinnen und Patienten sowie Versicherte sind bei
diesen Reformen niemals die Profiteure.
Besonders unrühmlich war die Rolle des Ministers bei
den fremdnützigen Studien an Demenzkranken .
({10})
Diese sollten um jeden Preis durchgedrückt werden .
({11})
Doch ich frage Sie: Zu wessen Nutzen?
({12})
Ein weiteres Debakel zulasten der Patientinnen und
Patienten war die Zerschlagung der Unabhängigen Patientenberatung .
({13})
Von Unabhängigkeit kann keine Rede mehr sein . Nicht
nur das: Eine Kleine Anfrage unserer Fraktion hat ergeben, dass sich die Beratung massiv verschlechtert hat .
Besonders der Anteil der Beratung vor Ort ist massiv zurückgegangen .
({14})
Die UPD hat sich zu einem Callcenter entwickelt: anonym und unverbindlich .
({15})
Last, but not least - ich bin schließlich die pflegepolitische Sprecherin -: die Pflege. Ich glaube, so viele Pflegereformen in einer Legislaturperiode gab es noch nie .
({16})
Ich gebe Ihnen noch einmal die Gelegenheit zum Klatschen . Sie sprachen gerade von dem größten Reformpaket seit Beginn der Pflegeversicherung. Was ist passiert?
Die Beitragssätze wurden massiv erhöht .
({17})
Der neue Pflegebegriff soll demnächst eingeführt werden, und die Kommunen sollen gestärkt werden . Aber
was bedeutet das alles am Ende des Tages? Heißt mehr
Geld auch mehr Qualität? Wird mit dem neuen Pflegebegriff die Minutenpflege abgeschafft?
({18})
Landet denn das Geld in Form von besseren Leistungen
wirklich bei den Betroffenen?
({19})
- Ich bin da nicht so hoffnungsvoll wie Sie . Ich bin da
eher skeptisch .
({20})
Für einen neuen Pflegebegriff, für eine andere Art der
Pflege, die die noch vorhandenen Fähigkeiten stärken
soll, brauchen wir ausreichend und qualifiziertes Pflegepersonal . Daran fehlt es doch schon jetzt .
({21})
Mit einer halben Million mehr Anspruchsberechtigter und einer personalintensiveren Pflege wird die Personallücke einfach noch größer werden . Das werden die
Betroffenen noch schmerzlicher spüren . In Sachen Personal hat die Koalition am Ende des Tages nichts Konkretes unternommen .
({22})
Um die Pflegeausbildung ist es still geworden. Dazu
kann ich nur sagen: Gut so! Eine komplette Vereinheitlichung der drei Pflegeberufe wertet den Pflegeberuf nicht
auf, und sie sorgt auch nicht für mehr Personal .
({23})
Leider ist bei der Finanzierung der Pflege nichts passiert . Immer noch gibt es keine regelmäßige Dynamisierung in der Pflegeversicherung. Das Geld fließt nach Lust
und Laune, oder es fließt eben auch nicht.
({24})
Wir fordern auch in der Pflege die Bürgerversicherung:
für mehr Gerechtigkeit, für mehr Berechenbarkeit und
für eine nachhaltige Finanzierung der dynamisierten
Leistungen,
({25})
damit die Pflege eben nicht an Wert verliert.
Natürlich muss der unsägliche Pflegevorsorgefonds
weg . Er bringt nichts . Er verschlingt jedes Jahr 1,2 Milliarden Euro, 1,2 Milliarden Euro, die bei den Pflegebedürftigen und beim Pflegepersonal besser aufgehoben
wären und derzeit ganz dringend gebraucht würden .
Vielen Dank .
({26})
Vielen Dank . - Jetzt hat der Kollege Erich Irlstorfer,
CDU/CSU-Fraktion, das Wort .
({0})
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wie bereits Bundesminister Hermann
Gröhe sowie Kollege Heiderich hier ausgeführt haben,
beschließen wir heute den Bundeshaushalt für Gesundheit für 2017, der die Erhöhung des Bundeszuschusses an
die GKV auf 14,5 Milliarden Euro beinhaltet . Insgesamt
sieht die Bundesregierung 15,1 Milliarden Euro für die
Finanzierung des Gesundheitswesens in unserem Land
vor . Das ist richtig, und das ist gut .
({0})
Das, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen,
was wir hier von der Opposition erleben, ist ein mangelhafter Versuch, Dinge schlechtzureden, die sehr ordentlich und gut gemacht wurden .
({1})
Die Regierungskoalition aus CDU, CSU und SPD hat
wichtige und elementare Maßnahmen für unser Gesundheitssystem in Deutschland auf den Weg gebracht, die im
kommenden Jahr in Kraft treten werden . Insbesondere
möchte ich hier die Pflegestärkungsgesetze II und III erElisabeth Scharfenberg
wähnen, welche die Pflege und die damit verbundenen
Verantwortlichkeiten auf ein neues Niveau heben .
Mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff, den wir
im PSG II neu definiert haben, werden ab dem kommenden Jahr nicht nur Menschen mit körperlichen, sondern
auch Menschen mit psychischen Einschränkungen erfasst, denen wir nun die dringend notwendige Unterstützung geben können . Das, meine Damen und Herren, ist
ein Erfolg und der richtige Weg .
Mit dem Dritten Pflegestärkungsgesetz werden die
Kommunen mit ins Boot, aber auch mit in die Pflicht genommen, die Pflege entscheidend mitzutragen und pflegebedürftige Menschen über Möglichkeiten und Ansprüche in der Pflege aufzuklären. Auch das ist richtig, meine
sehr geehrten Damen und Herren .
Natürlich sind solche grundlegenden Reformen mit
komplexen Sachverhalten verbunden, die einer genaueren Beratung bedürfen, um den Ansprüchen der Betroffenen optimal Rechnung zu tragen . An dieser Stelle möchte ich dem Hohen Hause noch einmal vergegenwärtigen,
dass wir mit diesen Maßnahmen in der Pflege eine Vorreiterrolle in der Europäischen Union einnehmen .
({2})
Und bei aller Wertschätzung für Ihre Wortmeldungen:
Sie können auch ein Stück weit stolz sein, dass es so weit
gekommen ist, meine sehr geehrten Damen und Herren .
({3})
Ich freue mich auch, dass auch die Förderung der freiwilligen privaten Pflegevorsorge gegenüber dem Jahr
2016 um rund 6,75 Millionen Euro auf rund 45,75 Millionen Euro erhöht wird .
Das soll nicht heißen, dass wir uns ausruhen können
und die Arbeit getan ist . Natürlich sind wir auch in anderen Bereichen dabei, die Gesundheitsversorgung der
Menschen in Deutschland weiter zu verbessern . Hier
möchte ich das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz
erwähnen, das die Versorgung und Prävention von chronisch Erkrankten sowie die selbstbestimmte Bewältigung
im Alltag der Betroffenen fördern soll . Dabei sind wir
ebenfalls auf einem guten Weg .
Mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz setzen wir die Ergebnisse eines konstruktiven Austausches
im Pharmadialog um .
Es ist uns als Regierungskoalition ein großes Anliegen, auf der einen Seite die Kosten für neue Therapien
im Blick zu behalten, welche die Beitragszahler und die
Kassen nicht übermäßig belasten sollen . Auf der anderen
Seite wollen wir auch den Forschungsstandort Deutschland stärken und gerade auch Menschen mit selteneren Krankheiten den Zugang zu innovativen Therapien
ermöglichen . Hier ist es wichtig, den Mehrwert neuer
Medikamente wissenschaftlich klar nachzuweisen, aber
auch bürokratischen Hürden für Innovationen entgegenzuwirken .
In diesem Zusammenhang ist uns freilich bewusst,
dass die Arzneimittelausgaben in den vergangenen Jahren stetig angestiegen sind und dass dies auch Auswirkungen auf die Krankenkassenbeiträge hat . Allerdings
können wir einen sehr moderaten Anstieg der Zusatzbeiträge feststellen . CDU, CSU und SPD haben sich im
Koalitionsvertrag ganz bewusst auf einen festen Arbeitnehmeranteil von 7,3 Prozent geeinigt, damit wir den
Krankenkassen einen wirtschaftlichen Anreiz für einen
Wettbewerb untereinander geben . Laut Bundesversicherungsamt ist für das kommende Jahr auch keine großartige Steigerung des durchschnittlichen Zusatzbeitrages zu
erwarten .
Wir können nicht auf der einen Seite für eine immer
älter werdende Gesellschaft Spitzenmedizin fordern, aber
auf der anderen Seite keine Kosten dafür tragen wollen .
Wir haben in Deutschland eines der besten Gesundheitssysteme weltweit, und das gibt es nicht zum Nulltarif .
({4})
Wenn man die Debatte über Gerechtigkeit im Gesundheitswesen mitverfolgt, bekommt man den Eindruck, die
Einführung einer Bürgerversicherung löse alle Probleme .
({5})
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, der
Linken und vor allem auch der SPD, ist mitnichten der
Fall . Die FAZ und das Handelsblatt veröffentlichten erst
vergangene Woche eine neue Studie im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, die genau die
Ideen der Linken und der Grünen untersuchte .
({6})
Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Einführung einer
gesetzlichen Bürgerversicherung Zehntausende von Arbeitsplätzen in der privaten Krankenversicherung kosten
könnte .
Dieser Stellenabbau entspricht einer Größenordnung
von etwa dem Drei- bis Sechsfachen der aktuell bei Kaiserʼs Tengelmann bedrohten Belegschaft. An dieser Stelle würde mich die Antwort der Oppositionsfraktionen auf
die Frage der Gerechtigkeit sehr interessieren . Sie können nicht formulieren, was der wirkliche Mehrwert einer
Bürgerversicherung ist, meine sehr geehrten Damen und
Herren . Das ist doch die Wahrheit .
({7})
Mit verantwortungsvoller Gesundheits- oder Arbeitsmarktpolitik hat das meiner Ansicht nach wenig zu tun,
auch wenn Sie das noch so oft in Ihren Reden behaupten .
Abschließend möchte ich noch auf ein Thema zu
sprechen kommen, das mir sehr am Herzen liegt . Der
Haushaltsplan für das Jahr 2017 sieht auch eine Erhöhung der Mittel für Prävention und Aufklärung vor, was
ich außerordentlich begrüße . Wir müssen aber noch in
verschiedensten Bereichen Geld in die Hand nehmen . Im
Bereich der Zahnmedizin haben wir aktuell 12 Millionen
Menschen zu verzeichnen, die von Parodontitis betroffen sind . Über 80 Prozent der über 35-Jährigen leiden
an einer Form der Zahnbetterkrankung . Gerade im Alter nimmt diese Volkskrankheit immer mehr zu . Davor
dürfen wir nicht die Augen verschließen . Hier haben wir
erste Schritte im Präventionsgesetz unternommen, diesen
Entwicklungen frühzeitig entgegenzuwirken . Allerdings
sind weitere Maßnahmen erforderlich, um dieser grundsätzlich hohen Erkrankungslast in der Bevölkerung zu
begegnen . Ähnliches gilt für die Hauterkrankung Psoriasis - im Volksmund auch Schuppenflechte genannt -, von
der in Deutschland rund 2 Millionen Menschen betroffen
sind . Hier sollten wir als Politik versuchen, eine Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger zu erreichen . Unser Ansatz ist die Prävention .
Mit diesem Haushalt intensivieren wir die Bemühungen, die Versorgung und die Lebensqualität der Menschen in unserem Land zu verbessern . Ich bitte Sie daher
um Ihre Zustimmung .
Herzlichen Dank .
({8})
Vielen Dank . - Jetzt hat der Kollege Dr . Edgar Franke,
SPD-Fraktion, das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Meine Vorredner haben bereits einiges zum Einzelplan 15, zum Plan des Gesundheitsministers, ausgeführt . Wir haben rund 15 Milliarden Euro in den Haushalt
eingestellt . Bärbel Bas hat zu Recht gesagt: Wir als SPD
begrüßen ausdrücklich, dass wir den Bundeszuschuss für
den Gesundheitsfonds wieder auf 14,5 Milliarden Euro
erhöht haben . Wir begrüßen es deshalb, weil wir damit
gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie Familienmitversicherung und Leistungen im Rahmen der Mutterschaft
finanzieren. Diese können wir dauerhaft nur mit einem
ordentlichen Bundeszuschuss finanzieren. Das ist der
richtige Weg .
({0})
Mich freut auch, dass wir über 45 Millionen Euro für
gesundheitliche Aufklärung und Prävention ausgeben
werden . Durch Primärprävention und Vorbeugemedizin
soll die Entstehung von Krankheiten vermieden werden . Wir haben das Präventionsgesetz relativ gemeinschaftlich beschlossen und geben in vielen Lebenswelten - in Kita, Schule, am Arbeitsplatz, für Jugendliche
und Pflegeheime - Geld aus. Ich arbeite im Beirat des
Vereins „Jugend gegen AIDS“ . Dieser Verein leistet tolle ehrenamtliche Arbeit bei der sexuellen Aufklärung in
den Lebenswelten der Jugendlichen . Er führt Aktionswochen durch, ist auf Festivals vertreten und sorgt für
Verteilaktionen in der Disco- und Kneipenszene, also in
den Lebenswelten der jungen Menschen . Ich freue mich,
dass wir mehr Geld für Aufklärung gerade über sexuell
übertragbare Krankheiten ausgeben . Wir sollten darüber
nachdenken, ob wir in Zukunft nicht noch mehr Geld für
ehrenamtliches Engagement wie das des Vereins „Jugend
gegen AIDS“ ausgeben sollten; denn solche Vereine erreichen die Zielgruppen mit kreativen Ideen viel direkter,
als das teure Werbekampagnen tun können .
({1})
Gut ist auch, dass wir mehr Geld für Prävention und
Früherkennung von Diabetes, der Volkskrankheit in den
Industrieländern schlechthin, ausgeben . Wir sollten aber
auch hier Aufklärung und Information im Hinblick auf
bestehende Versorgungsangebote intensivieren .
Herr Minister, es ist ein guter und ausgewogener Etat,
wobei wir wissen, dass das meiste Geld über den Gesundheitsfonds und die Krankenkassen läuft . Ich darf
mich als Ausschussvorsitzender persönlich und im Namen der SPD für die gute Zusammenarbeit beim Haushalt bedanken, Herr Minister .
({2})
Wir haben vieles aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt .
Helmut Heiderich hat von 16 Gesetzen gesprochen . Ich
habe das nicht nachgezählt, wenn das aber ein Nordhesse
sagt, wird das schon stimmen .
({3})
Wir haben mit Herrn Gröhe zwar einen schwarzen
Gesundheitsminister . Aber wir haben in der Gesundheitspolitik - das Bild habe ich schon oft verwendet - einen
roten Faden im doppelten Sinn des Wortes . Herr Stritzl,
wir haben auch ein paar schwarze Nullen - das haben wir
auch gehört -,
({4})
nämlich im Gesundheitsfonds und bei den Krankenkassen . Alles in allem: Ein guter Haushalt . Einen roten
Faden haben wir, weil wir Sozis dabei sind und für uns
immer wichtig ist, dass wir Gesundheitspolitik aus Sicht
der Versicherten sehen und zur Verbesserung der Versorgung beitragen . Für die SPD ist wichtig, dass die Menschen Zugang zu guter Gesundheitsversorgung haben,
und zwar unabhängig vom Einkommen, unabhängig vom
Wohnort und unabhängig vom Alter .
({5})
Jetzt muss ich noch etwas zur Pflege sagen, hochgeschätzte Kollegin Scharfenberg; ich glaube, das sage
ich auch im Namen meiner Kollegen zur Rechten, der
schwarzen Kollegen . Wir haben eine Strukturreform gemacht und den Reformstau in der Pflege aufgelöst. Wir
geben ab 2017 5 Milliarden Euro mehr für die Pflege
aus . Ich glaube, das haben alle Menschen in diesem Lande gesehen . Das war eine Strukturreform .
({6})
Wir haben 2015 die häusliche Pflege mit 1,4 Milliarden
Euro gestärkt, und wir haben dem Wunsch der Menschen
Rechnung getragen, dass sie zu Hause, in ihren eigenen
vier Wänden bleiben können, auch wenn sie pflegebedürftig sind . Wenn das nichts ist, dann weiß ich es nicht .
Wir haben die Kurzzeitpflege, wir haben die Verhinderungspflege von sechs Wochen, und wir haben eine
zehntägige Auszeit für die pflegenden Angehörigen. Das
ist eine erhebliche Entlastung . Es merkt jeder bei uns in
Deutschland, was das bewirkt hat .
({7})
Es mag auf den ersten Blick banal klingen; aber ich
bekomme 4 000 Euro, wenn ich mein Bad behindertengerecht ausbaue oder wenn ich einen Treppenlift einbaue .
Das alles sind Sachen, mit denen wir menschenwürdige
Pflege, wenn man so will, konkretisiert haben. Nicht nur
das: Der erweiterte Pflegebedürftigkeitsbegriff, mit dem
wir Menschen ganzheitlich betrachten und individuelle
Bedürfnisse zum Maßstab unserer Politik machen, ist ein
weiterer Punkt . Ich habe eine demente Schwiegermutter
mit eingeschränkter Alltagskompetenz . Da weiß man,
was das im täglichen Leben bedeutet .
Nehmen wir einmal die Zahlen. Bei der Pflegestufe V gibt es über 2 000 Euro . Das ist eine erhebliche
Leistungssteigerung . Es wird im Übrigen keiner bei der
Umstellung von Pflegestufen auf Pflegegrade schlechtergestellt. Nicht nur das: Wenn ich in einen höheren Pflegegrad komme, steigt auch der Eigenanteil nicht an . - Das
bedeutet: Niemand muss mehr Angst haben, wenn er in
einen höheren Pflegegrad kommt. Auch das war etwas,
was wir Sozialdemokraten, aber auch die Kollegen von
der Union immer wieder gefordert haben .
({8})
Wir wissen natürlich: Die Pflegeversicherung ist eine
Teilkaskoversicherung . Deshalb verbleibt ein nicht unwesentlicher Anteil der Kosten bei den Versicherten und
oftmals auch bei den Kindern . Wir alle wissen, dass wir
diese oft in den Sprechstunden haben . So stellt sich schon
die Frage, wie man zumindest schrittweise in Richtung
einer Pflegevollversicherung kommen kann und was man
politisch dafür machen kann . Zwar sind im Etat über
45 Millionen Euro zur Förderung der privaten Pflegeversicherung, der Pflege-Bahr, enthalten. Diese Versicherung schließen aber Gering- und Normalverdiener selten
ab, obwohl die sie am dringendsten brauchten . Aus Sicht
der SPD ist es deswegen sinnvoll, gerade die Pflegeversicherung - die eignet sich besonders dafür - in eine Bürgerversicherung umzuwandeln .
({9})
Dann können die Ausgaben einer älter werdenden Gesellschaft von allen Menschen solidarisch finanziert werden, indem alle in ein System einzahlen, auch und vor
allem die gut Verdienenden .
({10})
Die private und die gesetzliche Pflegeversicherung haben
einen einheitlichen Leistungskatalog . Wenn es sich lohnt,
über eine Bürgerversicherung nachzudenken, dann bietet
sich die Pflegeversicherung an.
({11})
- Lieber Harald Weinberg, da sind wir einer Meinung .
Die zweite tiefgreifende Reform, die 2016 in Kraft getreten ist, war das Krankenhausstrukturgesetz, das in Zukunft noch viele Mehrausgaben, Herr Minister, bedingen
wird . Es ist uns wichtig gewesen, dass gerade die Qualität der Behandlung in den Krankenhäusern ein Maßstab
für finanzielle Anreize sein sollte. Wir alle wissen, dass
sich die Krankenhauslandschaft in den letzten 20, 30 Jahren vollkommen geändert hat . Wir haben Spezialisten für
alle Bereiche, für Onkologie, Kardiologie, für Bauch, für
Rücken, für Orthopädie, für Gynäkologie und viele andere Bereiche mehr . Deshalb war es richtig, zu beschließen,
dass wir in Zukunft Geld nicht mit der Gießkanne verteilen, sondern zielgerichtet den Prozess der Qualitätsverbesserung in den Krankenhäusern steuern . Ich glaube, da
gibt es keine andere Meinung hier im Haus .
Künftig sollen nur die Krankenhäuser bestimmte
Leistungen abrechnen, die die Leistungsvoraussetzungen
haben und die notwendige Erfahrung mitbringen . Wir
konnten jetzt lesen - auch Herr Henke wird es gelesen
haben -, dass 330 Krankenhäuser reichen sollten, dass
wir die Anzahl unserer Krankenhäuser von 2 000 auf 330
verringern sollten . Ich glaube aber, dass das nicht der
richtige Weg ist - das sage ich als Abgeordneter, der aus
Nordhessen kommt -; auch Herr Heiderich hat das eben
angedeutet . Wir brauchen nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Land Krankenhäuser, die eine Grundund Regelversorgung anbieten, vor allen Dingen deshalb,
weil dort viele ambulant tätige Ärzte verschwinden . Es
ist, glaube ich, wichtig, dass wir da etwas tun . Wichtig ist
auch, dass die Krankenhäuser auf dem Land Sicherstellungszuschläge bekommen - der Gemeinsame Bundesausschuss soll ja bis zum Jahresende „bundeseinheitliche
Vorgaben zur Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen“, wie es im Beamtendeutsch so schön heißt, beschließen -; denn diese sind für die Versorgung absolut
notwendig . Ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt, auch
im Krankenhausstrukturgesetz .
({12})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt einen
roten Faden in der Gesundheitspolitik . Es gibt schwarze
Nullen . Es ist eine Verbesserung der gesundheitlichen
Versorgung zu verzeichnen . Mich freut besonders, dass
dieser Gesundheitshaushalt und die Gesundheitspolitik
nicht nur einen roten, sondern vor allen Dingen einen sozialdemokratischen Faden enthalten, mit dem gesponnen
wurde .
({13})
In dem Sinne ist es ein wunderbares Ergebnis und ein
guter Haushalt, Herr Minister .
({14})
Vielen Dank . - Jetzt hat Dr . Katja Leikert, CDU/
CSU-Fraktion, das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben seit
Beginn der Legislatur und damit auch im zurückliegenden Haushaltsjahr sehr viel für die Gesundheit aller Menschen in unserem Land getan, und wir haben noch viel
vor uns . Ich sage es gern noch einmal - wir haben es
jetzt schon öfter gehört -: Wir haben ein Gesundheitssystem, das weltweit eine Spitzenposition einnimmt, das
leistungsstark und sozial ist . Wenn wir uns den gesamten Bundeshaushalt anschauen, dann erkennen wir, dass
dort mit 52 Prozent Ausgaben für Soziales veranschlagt
sind . Da kann man nicht davon sprechen, dass er nicht
ausgewogen sei, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
Linksfraktion .
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, wir verschwenden unsere Zeit auch nicht mit permanenten Systemdebatten . Das schürt natürlich Emotionen . Da kann man sich auch wunderbar aufregen . Aber
Ihre Fundamentaldebatten bringen den Menschen in der
Wirklichkeit nichts .
({1})
Für uns gilt besonders in einer Haushaltsdebatte, dass wir
ein nachhaltig finanzierbares Gesundheitssystem wollen
und das tun wollen, was für die Menschen wirklich wichtig ist .
Liebe Frau Deligöz, hier sollten Sie ein bisschen zuhören, nachdem Sie gesagt haben, unsere Gesetze seien
zu teuer . Ich gehe jetzt ein bisschen auf das ein, was wir
in der Legislatur getan haben, und Sie können dann gern
selbst entscheiden, worauf Sie verzichten möchten .
Was wirklich wichtig ist, ist zum Beispiel, dass wir,
wenn wir in ein Krankenhaus hineingehen, gesünder herauskommen .
({2})
Das ist aber nicht immer der Fall; das hat uns das Robert-Koch-Institut vorgerechnet . Mit einer Wahrscheinlichkeit von 3,5 Prozent erleiden wir eine Krankenhausinfektion, und das möchte keiner von uns . Bereits im
letzten Jahr hat Bundesminister Hermann Gröhe einen
Zehnpunkteplan zur Vermeidung von Krankenhausinfektionen und Antibiotikaresistenzen vorgelegt . Sie alle wissen, dass wir von der CDU Zehnpunktepläne lieben und
sie auch gerne in die Tat umsetzen . Deshalb investieren
wir in unsere Krankenhäuser zielgerichtet mehr Geld für
die Pflege und für die Hygiene. Dazu haben wir das Hygiene-Förderprogramm aufgestockt, und wir fördern die
Weiterbildung im Bereich der Infektologie . Gleichzeitig
schaffen wir mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz Anreize dafür, dass an neuen Antibiotika geforscht
wird . Dieser Zehnpunkteplan, lieber Hermann Gröhe, ist
eine runde Sache und macht unser Gesundheitssystem
besser und sicherer .
({3})
Es gibt einen anderen Bereich, der für uns alle wichtig ist - liebe Frau Deligöz, auch darauf können Sie gern
verzichten -: Das ist der Hospiz- und Palliativbereich .
({4})
- Alles zahlen sie nicht .
({5})
- Hören Sie doch erst einmal zu .
({6})
Wir alle wollen, besonders in der letzten Lebensphase, die Sicherheit haben, dass jemand zu uns kommt und
uns über vielleicht schmerzhafte Situationen hinweghilft .
Hier sind die Strukturen in Deutschland ziemlich unterschiedlich . Ich kann Ihnen aus meinem Wahlkreis, Hanau - das grenzt an Frankfurt -, berichten, dass dort die
Strukturen sehr gut sind, weil es dort schon lange ehrenamtliches Engagement im Hospizbereich gibt und weil
wir dort Ärzte haben, die sich für die Palliativmedizin
frühzeitig eingesetzt haben . Das kann aber ein paar Kilometer weiter schon ganz anders aussehen . Dort wird zum
Beispiel erst ein Hospiz gebaut . Wir müssen dafür sorgen, dass wir in Gesamtdeutschland ein gutes Angebot
im Hospiz- und Palliativbereich haben . Auf diesem Weg
einen ganz herzlichen Dank an unseren Gesundheitsminister Hermann Gröhe für seine überzeugende Arbeit aber nicht nur dafür, sondern auch für deinen persönlichen Einsatz in diesem Bereich!
({7})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, als ich mir
den Einzelplan angeschaut habe, habe ich mich persönlich sehr darüber gefreut, dass die wichtige Arbeit der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung weiter
unterstützt wird . Insbesondere die Information der Bevölkerung über das Thema Organspende ist für mich ganz
zentral . Sie alle wissen, dass immer noch 10 000 Menschen auf der Warteliste stehen; es sind wahrscheinlich
sogar noch viel mehr, weil wir die Dialysepatienten gar
nicht mit einrechnen . Kern unserer Politik ist, dass wir
nicht alle Menschen dazu verdonnern wollen, Organspender zu sein . Wir wählen einen sensibleren Ansatz
und setzen auf Aufklärung und Information . Das heißt,
die Menschen brauchen eine gute Information, damit sie
entscheiden können, ob sie Spender sein möchten . Genau
das liefert die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung . Es ist kein einfaches Konzept, kein ethisch unanspruchsvolles Konzept, den Menschen beispielsweise
den Hirntod zu erklären und näherzubringen . Genau diese Aufgaben leistet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung .
Ich möchte noch kurz bei dem Thema Organspende
bleiben, weil das ein Thema ist, in das wir alle, denke
ich, noch sehr viel investieren könnten . Gut ist, dass wir
im Sommer das Transplantationsregistergesetz auf den
Weg gebracht haben . Dieses Gesetz sieht vor, dass wir
erstmalig alle Daten sammeln, von der Organentnahme
bis zur Nachsorge . Das heißt, die Daten werden wirklich
langfristig gesammelt . Wir sorgen in diesem System, in
dem es auch Skandale gegeben hat, für mehr Transparenz, und wir sorgen für bessere Kriterien, wie wir zukünftig Organe vergeben wollen . So ein Register kostet
nicht viel, bringt aber viel . Auch hier können Sie gern
entscheiden, Frau Deligöz: Möchten Sie darauf verzichten oder nicht? - Ich jedenfalls möchte es nicht .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend möchte ich noch auf eines meiner Lieblingsprojekte eingehen;
Hermann Gröhe hat das Thema schon angesprochen . Jeder von uns hat so seine Lieblingsprojekte; für mich ist es
das Thema „digitale Vernetzung im Gesundheitswesen“ .
Dieses Thema klingt sperrig, ist in der Praxis aber ganz
konkret . Da geht es beispielsweise um die fehlende Papierakte im Krankenhaus - wenn der Patient gerade operiert wurde, befindet sie sich irgendwo im Keller, sucht
dann stundenlang den Weg nach oben auf die Abteilung;
manchmal fehlt sie dort auch tagelang - oder darum, dass
der niedergelassene Arzt auf den Arztbrief seines Kollegen wartet .
Diese Situationen können richtig dramatisch sein . Ich
habe mir das in der letzten Woche in meinem Wahlkreis
bei einer Tour mit den Notfallsanitätern angeschaut . Die
Notfallsanitäter kommen in eine häusliche Situation, wo
eine Patientin auf dem Boden liegt und grundsätzliche
Informationen fehlen: Welche Medikamente nimmt die
Patientin? Wo ist der letzte Arztbrief? - Oft können die
Angehörigen das gar nicht sagen . Das sind aber Informationen, die schnell zur Hand sein müssen . Deshalb sorgen
wir jetzt dafür - ich möchte unseren Koalitionspartner
und Dirk Heidenblut für die Zusammenarbeit in diesem
Bereich der Digitalisierung ausdrücklich loben -, dass
die Notfalldaten auf die elektronische Gesundheitskarte
kommen . - Ihr dürft gern klatschen .
({8})
Was auch zentral wichtig ist, ist, dass wir über Arzneimittelwechselwirkungen mehr Informationen haben .
Deswegen haben alle Menschen, die mehr als drei Medikamente nehmen, ab dem 1 . Oktober dieses Jahres ein
Anrecht auf einen Medikationsplan . Es sterben immer
noch mehr Menschen an Arzneimittelwechselwirkungen
als im Straßenverkehr . Das sind grundlegende Informationen, die oft fehlen . Wir sorgen jetzt dafür, dass sie
schnell zur Verfügung sind .
Das Thema Telemedizin wurde schon angesprochen .
Auch hier geht es voran . Das alles sind Beschlüsse, die
Sie im Dezember 2015 gefasst haben . Hierzu gibt es neue
Abrechnungsziffern . Das Thema ist wichtig für die Stadt
und auch für den ländlichen Bereich .
Herr Gröhe hat schon gesagt, dass wir - das freut uns,
glaube ich, besonders - einigermaßen fristgerecht mit
dem Versichertenstammdatenmanagement anfangen .
Das ist jetzt mehr was für Feinschmecker; aber das ist die
Grundlage für unsere Telematikinfrastruktur und all das,
was da noch folgen soll . Auch die Grünen sind, glaube
ich, mit dabei, wenn ich sage, dass die elektronische Patientenakte dieses Projekt am Ende krönen wird . Das soll
2018 sein . Auch das haben wir gemeinsam beschlossen .
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Präsidentin ist sehr großzügig mit mir . Vielen Dank dafür . Ich
komme jetzt auch zum Schluss . Das Fazit ist: Die Bundesregierung hat auf breiter Front geliefert - das kann
man festhalten -, um unser Gesundheitswesen kostenbewusst, leistungsstark und zukunftsorientiert aufzustellen .
Herzlichen Dank .
({9})
Vielen Dank . - Jetzt hat der Kollege Thomas Stritzl,
CDU/CSU-Fraktion,
({0})
die Gelegenheit, die Debatte zu diesem Einzelplan abzuschließen . Bitte schön, Herr Kollege .
({1})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist zwar
schon alles gesagt, bloß noch nicht von mir . Das ist natürlich verlockend . Lassen Sie mich deshalb einfach noch
ein paar Punkte highlighten .
Das Erste ist etwas Grundsätzliches: Wir haben in diesem Haushalt als Koalition zum dritten Mal in Folge eine
schwarze Null . Wir werden sogar im Gesamtbundeshaushalt 700 Millionen Euro an Altschulden tilgen . Ich halte
das für eine große Leistung .
({0})
Wenn man im Lande herumschaut - elf Länder werden ja
nicht von der Union regiert -,
({1})
können Sie da einen Unterschied feststellen . In dem Sinne, lieber Herr Professor: Lieber eine schwarze Null als
ein roter Zocker .
({2})
So, das war Punkt eins .
Punkt zwei: Versprochen und gehalten - das stimmt
auch für den Einzelplan des Bundesgesundheitsministers . Die im letzten Jahr weggenommenen 500 Millionen
Euro werden jetzt wieder draufgelegt . Das hat der Minister damals angekündigt - übrigens auch Herr Lauterbach,
wie ehrlicherweise zu sagen ist -; gemeinsam haben wir
dafür gesorgt, dass sie jetzt wieder draufgelegt werden .
Versprochen und gehalten ist ein weiteres Markenzeichen auch für diesen Bereich .
Lassen Sie es mich kurz machen . Man könnte eine
Menge aufzählen angesichts der guten Leistungen dieses
Ministeriums, seiner Führung, der Staatssekretärin, des
Staatssekretärs . Ich sage: Hut ab, Herr Minister, für das,
was Sie geleistet haben - für Ihr Ressort, für die Patienten und Versicherten und damit für die Menschen in
unserem Land! Respekt!
({3})
Statt sich von dieser Welle des Erfolges, die es ja gibt,
Herr Kollege, und an der Sie als Koalitionspartner natürlich einen Anteil haben - das ist ja unstrittig -, ein Stück
mittragen zu lassen, versuchen Sie die Axt an dieses erfolgreiche Gesundheitssystem zu legen und beginnen
immer wieder die Diskussion über die sogenannte Bürgerversicherung .
({4})
Ich will ja nicht bestreiten, dass es Ihnen damit gelungen ist, einen relativ sympathisch klingenden Begriff zu
kreieren . Aber er suggeriert natürlich Falsches . Erstens
sind alle Leute versichert; das haben Sie ja vorhin selbst
dargestellt . Und zweitens ist es so, dass die Bürgerversicherung wie auch immer geartete Probleme, die Sie ja
gar nicht erst beschreiben, nicht löst . Was, bitte schön,
löst sie nachhaltig wie? Bis heute haben Sie das nicht
dargelegt .
({5})
- Ja, fangen Sie damit an; aber dann machen Sie es bitte
auch nachhaltig, und setzen Sie sich bitte auch mit den
Punkten auseinander, um die es bei der Bürgerversicherung geht . Dann müssen Sie bitte schön auch sagen, dass
das Prinzip „allen Wohl, keinem Wehe“, was Sie suggerieren, nicht stimmt . Richtig ist - das sagt Ihnen Verdi;
das sagt Ihnen die Hans-Böckler-Stiftung mittlerweile in
der zweiten Studie -, dass Sie so Zehntausende von Arbeitsplätzen vernichten würden . Und da sagen Sie: Das
wollen wir ja gar nicht .
({6})
- Nein, das ist nicht Quatsch .
({7})
Das steht doch sogar in den Studien . Ich habe sie gar nicht
in Auftrag gegeben . Dass wir die Hans-Böckler-Stiftung
beauftragt haben, stimmt nicht .
({8})
Es gibt vier Szenarien, gnädige Frau, in denen es heißt:
im Zweifel ein Verlust zwischen 22 000 und 56 000 Arbeitsplätzen, die nicht kompensierbar sind . Ihr Ansatz - in
einer Zeitung habe ich ihn vom stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD dargestellt gesehen -, das könne man kompensieren, daraus könne man ja Pflegestellen
machen, geht nach dem, was die Hans-Böckler-Stiftung
sagt, nicht auf . Sie müssen das dann hier und heute oder
auch woanders erklären und sagen, warum Ihr Bundeswirtschaftsminister bei Tengelmann sagt: „Wenn es um
15 000 Arbeitsplätze geht, beuge ich das Wirtschaftsrecht“,
({9})
Sie aber zugleich, wenn es um 50 000 Arbeitsplätze geht,
es zum zentralen Ziel Ihres Wahlprogrammes erklären,
diese Arbeitsplätze zu riskieren . Das kann nicht angehen .
({10})
Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Herr Gabriel muss sich
an dieser Stelle zu seiner Verantwortung bekennen und
erklären, ob er hier die gleiche Messlatte anlegt wie bei
Kaiser’s Tengelmann oder ob ihm 15 000 Arbeitsplätze
im Einzelhandel wichtiger sind als 50 000 Arbeitsplätze in der Versicherungsbranche . Beides darf man nicht
unterschiedlich handhaben; man muss hier die gleiche
Messlatte anlegen . Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Versichertenbranche haben den gleichen Schutzanspruch wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im
Einzelhandel . Deswegen sage ich: Wenn er die Hand
reicht zu diesem Projekt, das nach allen uns vorliegenden
Gutachten im Wesentlichen dazu führt, Arbeitsplätze zu
vernichten
({11})
- ich will mich gar nicht darüber streiten, ob es 50 000
oder 100 000 sind; das RWI sagt jedenfalls: volkswirtschaftlich nur negative Folgen -, und vor dem Hintergrund dessen, was er bei Kaiser’s Tengelmann gemacht
hat, zur Bürgerversicherung Ja sagt, dann kann er auch
gleich seinen Hut nehmen, finde ich.
({12})
Wir haben in der Diskussion zu diesem Haushalt heute auch eine Menge dazu gehört, was verabsäumt worden sein soll . Ich glaube, dass man bei dieser Regierung
und bei diesem Minister mit Recht sagen kann: Die Gesetze, die wir auf den Weg gebracht haben, haben den
Menschen genützt . Die Qualität in den Krankenhäusern
wurde erhöht . Die Ausschreibung zur Unabhängigen Patientenberatung wurde vom Parlament in den Strukturen
festgelegt .
({13})
- Sie ist vom Parlament festgelegt worden . - Es war die
Aufgabe des Ministeriums, des zuständigen Staatssekretärs, aufgrund dieser Ausschreibung zu entscheiden . Das
hat er gemacht . Dazu ist die Vergabekammer angerufen
worden; sie hat keinen Verfahrensverstoß festgestellt .
Damit muss man dann auch leben . Dass eine Ausschreibung ein aus Sicht von Dritten nicht gewünschtes Ergebnis haben kann, mag sein . Dieses Verfahren ist aber nach
bestem Wissen und Gewissen durchgeführt worden . Das
Ergebnis ist, dass die telefonische Befragung deutlich
mehr in Anspruch genommen wird .
Eine höhere Durchdringung war doch unser Ziel . Wir
wollten, dass mehr Menschen die Möglichkeit haben,
dieses Instrument in Anspruch zu nehmen. Nun findet das
statt . Dann sollte man das nicht als irgendetwas SchlechThomas Stritzl
tes oder irgendetwas Vorgeformtes kritisieren . Hier ist
in der Tat im Wettbewerb ein anderer Bewerber, als Sie
es sich vielleicht vorgestellt haben, ausgewählt worden .
Aber die Arbeit, die er leistet, erreicht offensichtlich
mehr bedürftige Menschen, Patienten und Versicherte,
als es vorher der Fall gewesen ist .
({14})
Haben wir doch die Kraft, in Ruhe abzuwarten! Wenn es
in Zukunft Probleme geben sollte, dann wird man darauf
sachgerecht reagieren .
({15})
Ein Letztes zum Thema Pflege. Vorhin ist gesagt worden, wir hätten alles nur teurer gemacht und uns nicht
um die Probleme gekümmert . Ich verstehe das gar nicht,
weil auf der anderen Seite gefordert wird, die Pflegerinnen und Pfleger besser zu bezahlen. Ich bin schon der
Meinung, dass wir sehr aufpassen müssen, wie wir den
Dienst am Menschen - genauso wie den Dienst an der
Maschine - auf Dauer finanzieren. Da sind wir nicht so
weit auseinander, wie Sie vielleicht glauben . Aber dieser Minister erhebt dafür einen höheren Beitrag und gibt
auf diesem Weg jährlich 5 Milliarden Euro mehr ins
System . Damit schafft er doch die Voraussetzung, um
dem, was Sie sich wünschen, gerecht zu werden . Dafür
hat er, wie ich finde, Dank verdient; denn das war ein
mutiger Schritt, den die Große Koalition gemacht hat .
Wir haben gesagt: Wenn wir mehr Geld für die Pflege
brauchen, dann müssen wir auch bereit sein, mehr Geld
einzusammeln . - Das ist nicht populär . Aber gerade mit
Blick auf die älter werdende Generation, die Sie auch
angesprochen haben, kann man meines Erachtens sagen:
Das war der richtige Weg . Es war ein schwieriger Weg .
Aber gemessen an dem, was dort auf uns zukommt, war
der Mut zur Entscheidung bei diesem Minister und bei
der Großen Koalition zum richtigen Zeitpunkt gegeben .
Insofern bleibe ich dabei: Das, was der Minister zusammen mit seinem Haus geleistet hat und was die Große Koalition politisch unterlegt hat, indem sie diesen
Weg mitgetragen hat, war gut für die Gesundheitspolitik
Deutschlands . Hier ist mehr passiert als in vielen Legislaturperioden vor uns . Darauf sollten wir gemeinsam als
Koalition stolz sein .
Vielen Dank .
({16})
Vielen Dank . - Wir kommen damit zur Abstimmung
über den Einzelplan 15 - Bundesministerium für Gesundheit - in der Ausschussfassung . Wer stimmt dafür? - Wer
stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 15
ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen der Opposition angenommen .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I .8 auf:
Einzelplan 16
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit
Drucksachen 18/9815, 18/9824
Die Berichterstattung liegt bei den Abgeordneten
Steffen-Claudio Lemme, Christian Hirte, Josef Rief,
Heidrun Bluhm und Sven-Christian Kindler .
Zu dem Einzelplan 16 liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktion Die Linke und ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über die
wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen .
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen . - Ich sehe keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .
Ich darf Sie bitten, zügig die Plätze zu wechseln . - Ich
eröffne die Aussprache . Das Wort hat Heidrun Bluhm,
Fraktion Die Linke .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nicht, dass ich zu Beginn der 18 . Legislaturperiode überschäumende Erwartungen gehabt hätte; aber wenigstens
gab es im Einzelplan 16 die leise Hoffnung, dass „Schlimmer geht nimmer“ nicht wieder eintreten wird . Und tatsächlich: Im Koalitionsvertrag fanden sich einige Passagen
zum Wohnungsbau und zur Stadtentwicklung, zu denen
man sagen konnte: Wenn nur die Hälfte davon umgesetzt
wird, wäre das schon ein beachtenswerter Fortschritt, vor
allem im Vergleich zu dem Nichts von vorher . Aber jetzt,
mit Vorliegen des letzten Haushalts dieser Regierung,
bleibt das ernüchternde Fazit: Nichts von dem, was die
Bundesregierung an Verbesserungen im Wohnungswesen
und im Städtebau angekündigt hat, ist wirklich umgesetzt
worden . Das wenige, das sie auf den Weg gebracht hat,
funktioniert nicht, zum Beispiel die Mietpreisbremse oder
die Wohngeldanpassung aus dem Jahr 2015 .
Der Haushalt 2017 sieht leider auch nicht nach einem
furiosen Endspurt dieser Legislatur aus, wie man es eigentlich hätte erwarten können, vor allem, wenn man
Wahlgeschenke verteilen will . Ich erinnere: Der Koalitionsvertrag trägt den ambitionierten Titel „Deutschlands
Zukunft gestalten“ . Zum Einzelplan 16 für das Haushaltsjahr 2017 muss man aber sagen, dass es nicht einmal
dafür reicht, die Gegenwart zu verwalten .
({0})
Die Haushaltsansätze für sozialökologisch relevante Ziele bleiben wieder einmal weit hinter den realen Herausforderungen der Gegenwart zurück, besonders im Wohnungsbau .
Erstes Beispiel: altersgerechtes Umbauen . Hier hat die
Koalition versprochen - ich zitiere -:
Zur Förderung des generationengerechten Umbaus
werden wir ein neues Programm „Altersgerecht
Umbauen“ auflegen, mit Investitionszuschüssen
ausstatten und damit das bestehende KfW-Darlehensprogramm ergänzen .
In den ergänzenden Erläuterungen, im sogenannten
Grünbuch, steht dazu: Bis 2030 werden nach einer Studie der Prognos AG 2,9 Millionen altersgerechte Wohnungen benötigt; aber nur 1 oder maximal 2 Prozent des
gesamten Wohnungsbestandes von rund 41 Millionen
Wohnungen in Deutschland sind aktuell altersgerecht
umgebaut . - Insgesamt sollen im Haushalt 2017 36 Millionen Euro dafür ausgegeben werden . Das heißt - wenn
man die 2,9 Millionen Wohnungen auf die Jahre umrechnet -, dass man jährlich 220 000 Wohnungen altersgerecht umbauen müsste, um dieses Ziel zu erreichen .
Wenn man die 36 Millionen Euro darauf verteilt, gäbe
es für jede Wohnung einen Zuschuss von 163 Euro . Ich
finde, das ist ein schlechter Witz.
({1})
Zweites Beispiel: sozialer Wohnungsbau . Ich höre
schon meine Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition sagen: Hierfür haben wir doch die Mittel verdreifacht . - Ja, das stimmt . Aber Sie verdreifachen damit
nicht den Bau von Sozialwohnungen . Selbst wenn dem
so wäre, hieße das: Statt der bisher 10 000 Sozialwohnungen pro Jahr würden dann 30 000 Sozialwohnungen
gebaut . Immer noch viel zu wenig, weil wir wissen, dass
wir jedes Jahr mindestens 80 000 Wohnungen brauchten,
um die Zahl der jährlich aus der Sozialbindung herausfallenden Sozialwohnungen zu kompensieren . Stattdessen
haben Sie sich, Frau Ministerin, von den Ländern den ursprünglich vorgesehenen Titel „Wohnungsbauprogramm
zur Vermeidung von sozialen Brennpunkten in Städten
mit besonderem Wohnungsbedarf“ einfach einkassieren
lassen . Unter dieser Titelbezeichnung wären die Mittel
nämlich klar für den sozialen Wohnungsbau zweckgebunden gewesen .
({2})
Dann sind diese 500 Millionen Euro aber auf wundersame Weise den allgemeinen Kompensationsmitteln zugeschlagen worden, und damit war auch deren Zweckbindung weg . Die Erklärung, dass die Länder allein über die
Verwendung der Mittel bestimmen, lasse ich nicht gelten;
({3})
denn wer das Geld gibt, der sagt auch, was damit passieren soll .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind nur zwei
Beispiele, die belegen, dass die Bundesregierung nicht
nur zu wenig in eine soziale und ökologische Wohnungsund Stadtentwicklungspolitik investiert, sondern es auch
noch blind tut, ohne eigenen Gestaltungsanspruch . Das,
finde ich, ist kein Zufall.
({4})
Mit der willkürlichen Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit 1990 und der Föderalismusreform 2006
hat sich der Staat weitestgehend aus der Verantwortung
für das Wohnungswesen herausgewunden - das war Absicht, in der abwegigen Hoffnung, der Markt werde fortan alles regeln und auch die soziale Daseinsvorsorge für
den Staat übernehmen . Das war ein Irrglaube . Aber es
wäre heilbar, wenn man denn wollte .
Im öffentlichen Fachgespräch zur Einführung einer
neuen Wohnungsgemeinnützigkeit jetzt im November
haben wir viel Zustimmung zu diesem von uns, den Linken und den Grünen, formulierten Ziel erfahren, aber
auch einen bemerkenswerten Disput zwischen der Wohnungswirtschaft und der Regierung erlebt . Beide warfen
sich gegenseitig Versagen vor: die Wohnungswirtschaft
dem Staat das Staatsversagen, und die Regierung konterte in Richtung Wohnungswirtschaft mit dem Vorwurf des
Marktversagens . Hier ist heute für mich nicht die Zeit,
lange über Staats- oder Marktversagen zu philosophieren . Wichtig ist aber das Offensichtliche: dass im Verhältnis von Staat und Markt Grundlegendes verändert
werden muss .
({5})
Der Staat muss sofort viel stärker als bisher selbstständig eine am Gemeinwohl orientierte Gestaltungsfunktion
übernehmen .
({6})
Öffentliches Geld muss so eingesetzt werden, dass damit
der größte gemeinschaftliche Nutzen, und zwar dauerhaft, erreicht wird . Das ist die einfache Grundidee einer
neuen Gemeinnützigkeit in der Wohnungswirtschaft .
Diese fordern wir in unserem Antrag „Bundesweiten Aktionsplan für eine gemeinnützige Wohnungswirtschaft
auflegen“.
({7})
Ein letztes Wort, bevor meine Redezeit vorüber ist .
Wir haben vor, jedes Jahr 5 Milliarden Euro für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus einzusetzen . Wenn
wir die Mittel nehmen, die dem Bund entgehen, weil er
an anderer Stelle auf Steuern vonseiten der Wohnungswirtschaft verzichtet, die Mittel in Höhe von 1,5 Milliarden Euro draufrechnen, die der Bund bis 2019 in das
System pumpt, und berücksichtigen, dass der Bund durch
entsprechende Maßnahmen die Ausgaben beim Wohngeld senken könnte, kommen wir auf einen Betrag von
9,5 Milliarden Euro, der allein für die soziale Wohnraumversorgung zur Verfügung stünde . Das wäre haushalterisch vernünftig; das ist, was die Linke will .
Herzlichen Dank .
({8})
Vielen Dank . - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der
Kollege Steffen-Claudio Lemme .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die kommenden Jahre und Jahrzehnte werden tiefgreifende Veränderungen gesellschaftlicher Natur mit sich bringen . Das
spüren wir, denke ich, alle gemeinsam sehr deutlich . Die
globalisierte Welt stellt uns vor große Herausforderungen . Im Kern lässt es sich auf drei Merkmale reduzieren:
Weltweit werden die Menschen immer mobiler, die Lebenserwartung steigt, und in der Folge teilen wir die Erde
mit immer mehr Menschen . Vor allem von diesen Faktoren hängt das Gelingen einer friedlichen Entwicklung der Erfolg oder eben der Misserfolg - in den kommenden
Jahrzehnten ab: eine gesunde, nachhaltig genutzte Umwelt und ein gutes Klima .
Wir müssen es immerhin schaffen, bis zum Jahre 2050
10 Milliarden Menschen mit sauberer Luft, mit sauberem
Trinkwasser und mit Nahrung zu versorgen . Gleichzeitig
muss eine bedürfnisgerechte Infrastruktur zur Verfügung
gestellt werden . Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis
setzen wir, wie ich meine, mit dem Haushalt des BMUB
in den Bereichen der Umwelt, des Naturschutzes und des
Baus richtige Impulse .
({0})
Einige Beispiele . Allein für die Internationale Klimaschutzinitiative stehen im Jahr 2017 rund 387 Millionen
Euro zur Verfügung . Ab 2018 werden die Mittel auch
in diesem Bereich noch aufwachsen . Mit rund 30 Millionen Euro wollen wir eine neue europäische Klimaschutzinitiative unterstützen . Mit diesem Geld wird auch
eine engere Kooperation mit Osteuropa angestrebt . Mit
20 Millionen Euro stärken wir ein Programm „Biologische Vielfalt“ .
Besonders wichtig ist es - auch mit Blick auf die
Herausforderungen der Globalisierung -, dass wir den
Menschen in ihrer Heimat wieder eine Perspektive geben . Oft mangelt es an den Grundvoraussetzungen für
wirtschaftliches Wachstum wie guten Straßen, sauberem
Wasser und Möglichkeiten der Energiegewinnung . Mit
der Exportinitiative grüner und nachhaltiger Umweltinfrastruktur leisten wir einen Beitrag dazu, dass diese
Grundvoraussetzungen geschaffen werden .
({1})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die beiden
Trends einer älter werdenden Bevölkerung und der globalen Migrationsbewegung spürt Deutschland derzeit
wie kaum ein anderes Land . Vor wenigen Jahren haben
Demografen einstimmig die Annahme geäußert, die Bevölkerungsentwicklung Deutschlands sei stark rückläufig. Dies hat sich zumindest in den Ballungsgebieten als
Fehleinschätzung erwiesen . Deutschland ist ein attraktives Land, anders, als man angesichts der aktuellen Diskussion denken könnte. Es kommen nicht nur geflüchtete
Menschen zu uns, sondern wir sind inzwischen auch für
junge und gebildete Eliten interessant geworden . Das
liegt sicherlich auch an Faktoren wie einer funktionierenden Infrastruktur, einer guten Gesundheitsvorsorge und
einem allgemein hohen Lebensstandard, der uns immer
gesünder alt werden lässt .
Mit dem Haushalt für das kommende Jahr antworten
wir auf den Zuzug und die demografischen Veränderungen . Die dringendste Aufgabe ist hierbei die Schaffung
von bezahlbarem Wohnraum .
({2})
Der Bund lässt 1,5 Milliarden Euro in die soziale Wohnraumförderung fließen; der Bausektor nimmt deshalb gerade Fahrt auf . Ja, aber es ist richtig - ein Wermutstropfen ist dabei -, dass nach wie vor zu wenig preisgünstiger
Wohnraum geschaffen wird .
Meine Damen und Herren, solche Entwicklungen
können sozialer Sprengstoff werden . Es muss uns allen
ein Anliegen sein, für kleine Einkommen, junge Familien
und Senioren Wohnraum zu schaffen, sonst werden wir
in einen Verteilungskampf geraten, der den Populisten in
die Hände spielt .
Ein weiteres Stichwort heißt Sicherheit - auch und gerade vor dem Hintergrund einer älter werdenden Bevölkerung . Die Sicherheit hat im Baubereich zwei Dimensionen, die wir mit dem neuen Haushalt beide aufgreifen .
Zum einen ist es die Stärkung des Sicherheitsgefühls .
Das Zuschussprogramm „Kriminalprävention durch Einbruchschutz“ haben wir noch einmal aufgestockt . 2017
geht es mit 50 Millionen Euro an den Start . Die zweite
Dimension ist das sichere Gefühl, möglichst lange in den
eigenen vier Wänden leben zu können . Die SPD hat für
das Programm „Altersgerecht Umbauen“ gekämpft . Insgesamt stehen uns nun 75 Millionen Euro zur Verfügung .
({3})
Über dieses Programm können Gelder zum Beispiel für
einen rollstuhlgerechten Umbau der Wohnung oder ein
seniorengerechtes Bad bei der KfW beantragt werden .
Das Geld ist in jedem Fall gut investiert . Wir ermöglichen es damit, länger selbstbestimmt und sicher im vertrauten Umfeld zu bleiben, und das, liebe Kolleginnen
und Kollegen, muss uns eine Herzensangelegenheit sein .
Fazit: Wir haben mit dem Haushalt des BMUB für das
Jahr 2017 einen guten Ansatz geschaffen . Lassen Sie uns
an die Umsetzung gehen! Wir als Sozialdemokratie stehen für gutes Wohnen in einem guten Umfeld und einem
sicheren Klima .
Herzlichen Dank .
({4})
Danke schön . - Jetzt hat Sven-Christian Kindler,
Bündnis 90/Die Grünen, das Wort .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Das ist der letzte Bau- und Umwelthaushalt,
den wir hier im Plenum diskutieren werden. Ich finde,
es ist an der Zeit, Bilanz zu ziehen . Frau Hendricks, Sie
sind jetzt drei Jahre Umweltministerin, und in einer Zeit,
in der offensichtlich wird, wie wichtig Klima- und Umweltschutz sind, muss man die Frage stellen: Was ist in
den letzten drei Jahren eigentlich passiert?
({0})
Ich erinnere mich an sehr viel schöne Interviews, wo ich
gedacht habe: Wow, tolle Forderung, genau richtig, so
muss man es machen! Frau Hendricks, ich habe immer
innerlich genickt und gedacht: Endlich geht es voran .
Sie haben zum Beispiel gesagt: Sie wollen ein gentechnikfreies Deutschland, und Sie haben sich für ein
Bundesverbot von Gentechnik ausgesprochen . Wer hat
sich am Ende durchgesetzt? Landwirtschaftsminister
Schmidt . Es gibt jetzt einen Flickenteppich in den Ländern .
Sie haben im Februar 2016 die Angleichung von Dieselsteuer an die Benzinsteuer gefordert . Wer hat sich
nachher durchgesetzt? Wolfgang Schäuble . Es gibt keine
Angleichung bei Diesel und Benzin .
Sie haben sich im Oktober 2015 für eine verpflichtende Quote von Elektrofahrzeugen eingesetzt . Wer hat sich
am Ende durchgesetzt? Verkehrsminister Dobrindt . Eine
Quote gibt es also auch nicht .
Und Sie haben sich vor der UN-Klimakonferenz in
Paris für einen Ausstiegspfad bei der Kohle eingesetzt .
Sie haben gesagt, es solle einen Ausstiegspfad in 20 bis
25 Jahren ohne Strukturbrüche geben, und das könne
man hinbekommen . Dafür haben Sie sich eingesetzt . Wer
hat sich durchgesetzt? Sigmar Gabriel . Es gibt keinen
Fahrplan für den Kohleausstieg .
Frau Hendricks, all das zeigt leider: Sie geben schöne Interviews, aber am Ende bleiben Sie eine Ankündigungsministerin . Am Ende setzen sich immer die anderen Minister im Kabinett durch . Das ist eine Katastrophe
für das Klima und den Umweltschutz in Deutschland .
({1})
Das sieht man auch am sogenannten Klimaschutzplan .
Ich fand, das war ein sehr engagierter Entwurf, den Sie
im April 2016 vorgelegt haben . Aber dann haben die
besagten Minister Herr Dobrindt, Herr Schäuble, Herr
Schmidt und Ihr SPD-Kollege Gabriel nachher alles gestrichen, was Biss hatte, alles gestrichen, was verbindlich
war, was konkret war - das alles wurde rausgestrichen .
Wenn man die Entwürfe nebeneinanderlegt und konkret vergleicht, sieht man genau, was herausgestrichen
wurde . Zum Beispiel: Der Klimaschutzplan als zentrales
Handlungsinstrument in allen Bereichen - wurde gestrichen; Zwischenziele - wurde gestrichen; der jährliche
Nettozubau von Wind-Onshore von mindestens 2,5 Gigawatt - wurde gestrichen; bis 2050 sollte mindestens
eine Halbierung des derzeitigen Fleischkonsums erfolgen - gestrichen; ökologische Steuerreform weiterentwickeln - gestrichen . Im Klimaschutzplan wurde gestrichen, gestrichen, gestrichen . Die Konsequenz sieht man
jetzt sehr deutlich - Sie haben es öffentlich auch schon
zugegeben -: Wir werden das Klimaschutzziel, den
CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu senken, reißen .
Ich finde, einen deutlicheren Offenbarungseid kann man
als Klima- und Umweltschutzministerin gar nicht leisten .
Das ist wirklich peinlich und eine Blamage für die Klimaschutzpolitik .
({2})
Zum Thema internationaler Klimaschutz . Hier war
Deutschland lange der Vorreiter, Frau Hendricks . RotGrün hat die Energiewende auf den Weg gebracht, und
wir haben den Atomausstieg beschlossen . Jetzt haben
48 Staaten in Marrakesch gesagt, dass sie komplett aus
den fossilen Energien aussteigen wollen . Die Bundesregierung hält aber weiter an der Kohle fest . Sie hat keinen
konkreten Ausstiegsplan . Was ist die Konsequenz? Auf
dem Klimaschutz-Index von Germanwatch ist Deutschland mittlerweile auf Platz 29 abgerutscht. Ich finde,
gerade jetzt, wo die USA mit Donald Trump, einem expliziten Klimaskeptiker, ausfallen, kann man doch nicht
weiter bremsen, weiter blockieren . Gerade jetzt müsste
Deutschland doch international vorangehen und endlich
Verantwortung für den Klimaschutz übernehmen .
({3})
Das muss sich auch bei den Geldern für den internationalen Klimaschutz widerspiegeln . Die Kanzlerin hat eine
Verdoppelung der Gelder auf 4 Milliarden Euro bis 2020
versprochen . Davon sehen wir nichts im Finanzplan . Es
gibt keinen Aufholplan . 2017 sind wir auf demselben Niveau wie 2016 . Sie erhöhen im Haushalt die Mittel für
die IKI - es geht um 48 Millionen Euro -, aber gleichzeitig wird der Entwicklungsetat um 42 Millionen Euro gesenkt . Am Ende ist das doch nur das Spiel „linke Tasche,
rechte Tasche“ . Das ist ein Nullsummenspiel . Diese Augenwischerei hilft nachher niemandem, vor allen Dingen
nicht den Menschen in den Entwicklungsländern, die das
Geld dringend für die Anpassungsleistungen brauchen .
({4})
Zur Bau- und Wohnungspolitik will ich auch noch etwas sagen . Wir sehen, dass Wohnen in unseren Innenstädten immer mehr zu einer sozialen Frage wird und dass die
große Aufgabe vor allen Dingen ist, jetzt für bezahlbare
Mieten zu sorgen und sozialen Wohnraum zu schaffen .
Da hat sich der Bund viel zu lange aus der Verantwortung
gestohlen . Wir sagen: Wir brauchen neue Ideen, gerade
wenn die soziale Wohnraumförderung 2019 ausläuft .
Auch wir als Grüne setzen uns für eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit ein - Heidrun Bluhm hat das Thema
schon angesprochen -, weil wir private Vermieter, kommunale Unternehmen und Genossenschaften fördern
wollen, wenn sie bezahlbaren Wohnraum anbieten .
({5})
Viel zu lange wurde die Wohnungspolitik dem freien
Markt überlassen . Wir sagen: Das muss sich ändern . Wir
wollen endlich bezahlbare Mieten statt maximaler Renditen in unseren Innenstädten .
({6})
Auf der einen Seite geht es um mehr bezahlbare Wohnungen, auf der anderen Seite natürlich auch um die
Unterstützung von Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen durch das Wohngeld . Wir wollen - das
haben wir in den Haushaltsberatungen beantragt - das
Wohngeld verdoppeln, damit Menschen nicht mehr wegen zu hoher Mieten in die Armut, in die Grundsicherung
rutschen . Außerdem wollen wir einen Klimabonus beim
Wohngeld, damit energetische Sanierung stattfinden
kann, sie aber nicht zu einer Verdrängung von Mieterinnen und Mietern führt .
Wir sagen: Wohnungs- und Baupolitik muss beides
sein, ökologisch und sozial . Wenn ich mir diesen Haushaltsentwurf anschaue, stelle ich fest, dass dieser Weitblick leider fehlt . Deswegen ist dies ein Haushalt der verpassten Chancen, den wir ablehnen werden .
Vielen Dank .
({7})
Vielen Dank . - Jetzt spricht für die CDU/CSU-Fraktion Dr . Georg Nüßlein .
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Nach
zwei Reden von Vertretern der Opposition muss ich
sagen, dass ich mich ernsthaft schwer damit tue, mich
überhaupt in die Gedankenwelt zu versetzen, die Sie hier
offenbaren .
({0})
Frau Bluhm sagte, dass sie Wahlgeschenke erwartet
hätte, dass der Haushalt nicht so aussähe, wie sie ihn in
dieser Phase - letzte Haushaltsdebatte vor den Wahlen erwartet hätte . Für Sie kann es wohl nicht genug sein . Ich
sage Ihnen: Ich bin zufrieden mit der schwarzen Null,
mache mir aber, was unseren Haushalt insgesamt angeht, ernsthafte Sorgen . Überall gibt es Aufwüchse, und
zwischen den Häusern gibt es einen regelrechten Wettbewerb, immer noch mehr Geld auszugeben . Es werden
Zeiten kommen, in denen wir über andere Themen werden diskutieren müssen, nämlich darüber, wie wir wieder
Geld sparen können . Wir tun uns da momentan schwer .
Wenn ich von Vertretern der Opposition höre, wir müssten noch sehr viel mehr ausgeben, dann, denke ich, sind
Sie auf einem komplett falschen Pfad .
({1})
Das Primat der Grünen lautet: Wir stellen den Klimaschutz über alles, koste es, was es wolle . Ich sage Ihnen,
Herr Kindler: Gerade in der Klimaschutzpolitik gibt es
nichts Wichtigeres, als Augenmaß zu bewahren und Anspruch und Wirklichkeit in ein sinnvolles Verhältnis zu
setzen .
({2})
- Ich erkläre es Ihnen . - Schauen Sie: Wenn ich vor
Schülern spreche, erlaube ich mir ab und zu den Spaß,
sie zu fragen: Was glaubt ihr, wenn Deutschland von heute auf morgen keine CO2-Emissionen mehr produzieren
würde, wie lange würde es dauern, bis der Zuwachs in
China diese Einsparung ausgleicht? - Auf diese Frage
erhalte ich ganz unterschiedliche Zahlen als Antwort . Im
Regelfall wird ein Zeitraum zwischen 10 und 100 Jahren
genannt . Die realistische Zahl - zwischen einem und eineinhalb Jahren - kommt ganz selten .
({3})
- Ich sage Ihnen gleich, was das heißt . - Das liegt daran, dass wir so tun, als wäre der Klimaschutz national
zu bewältigen . Das Problem liegt aber ganz woanders:
Wir müssen bei diesen ganzen Überlegungen davon ausgehen, dass der deutsche Klimaschutz nur dann einen
Sinn macht, wenn uns andere folgen, wenn andere uns
das nachmachen .
({4})
Eine Deindustrialisierungsstrategie, die insbesondere die
Grünen vorschlagen, wird uns niemand auf dieser Welt
nachmachen .
({5})
Zu meiner großen Freude haben Sie die ausgeprägte
Schnapsidee angesprochen - ich sage das so drastisch -,
dass wir als Politik den Menschen vorgeben sollen, dass
sie nur noch halb so viel Fleisch essen sollen . Meine
Damen und Herren, das ist ein deutsches Thema . Das
mag unter gesundheitspolitischen Erwägungen durchaus
ein richtiger Ansatz sein, aber umweltpolitisch ist das
Schwachsinn; denn die Welt hat ein anderes Problem:
({6})
Die Schwellen- und Entwicklungsländer, die mit ihrem
Bevölkerungswachstum momentan einen Beitrag dazu
leisten, dass wir ein noch sehr viel größeres Klimaproblem bekommen werden, haben eine ganz andere Problemlage .
Herr Kollege Nüßlein, ehe Sie sich weiter in Fahrt reden: Gestatten Sie Zwischenfragen?
Ja .
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin
Bulling-Schröter von der Linken?
Ja .
Das ist gut .
- auch bei Ihren Schimpfkanonaden . Ich möchte Sie
fragen: Wie beurteilen Sie denn das Ergebnis von Marrakesch? Sie waren ja nicht dabei . Wir waren dort und
haben auch mit Klimazeugen gesprochen . Denen steht
das Wasser bis zum Hals . Wir wissen, dass mittlerweile
37 der am meisten betroffenen Staaten überlegen, aus der
Kohle auszusteigen . Natürlich brauchen sie Unterstützung . Würden wir dem, was Sie hier erzählen, folgen,
würden wir die Klimaschutzziele bis 2020 nicht erreichen . Wenn wir davon ausgehen, dass wir den CO2-Ausstoß bis 2050 um 95 Prozent reduzieren müssen, dann
frage ich Sie: Wie sollen wir das schaffen, wenn wir dem,
was Sie sagen, folgen?
Eine weitere Frage: Haben Sie vielleicht verfolgt, dass
gerade China in Marrakesch gesagt hat, sie würden jetzt
Klimaschutzziele definieren, sie würden in Richtung
Kohleausstieg und CO2-Einsparung gehen, und sie wollten mit Vorreiter sein?
Danke, Frau Bulling-Schröter . - Bitte schön, Herr
Kollege .
Frau Bulling-Schröter, ich habe, auch wenn Sie mich
an der falschen Stelle unterbrochen haben, in keiner
Weise gesagt, dass wir unsere Klimaziele nicht weiter
verfolgen sollten . Ich bin, was die Einschätzung des
Gipfels von Marrakesch angeht, eng bei der Bundesumweltministerin, die deutlich gemacht hat, dass die Welt
sehr wohl sieht, wie ambitioniert Deutschland diese Ziele
verfolgen wird . Nur, ich sage Ihnen: Es kann und wird
nicht helfen, wenn wir in Deutschland das für uns alleine
machen,
({0})
sondern wir müssen einen Beitrag dazu leisten, dass uns
andere Länder folgen . Wenn Sie abgewartet hätten, hätten Sie gehört, dass ich Ihnen noch präzise beschrieben
hätte, unter welchen Umständen das Sinn macht . Eine
Deindustrialisierung Deutschlands macht überhaupt keinen Sinn . Das ist aus meiner Sicht der falsche Ansatz .
Ich verstehe natürlich Ihre Ambitionen: Sie wollen
uns anhängen, wir hätten uns von diesen Themen und
Zielen verabschiedet . Das ist aber nicht der Fall . Ich will
eine Klimaschutzpolitik, die am Ende wirkt . Das wird
nur gehen, meine Damen und Herren, wenn andere dem
Vorreiter etwas nachmachen bzw . bereit sind, dies zu tun .
Das ist ganz entscheidend .
({1})
Jetzt will ich auf das Thema, das Herr Kindler angesprochen hat, zurückkommen . Ich hätte dieses Thema gar
nicht angesprochen, weil ich es, ehrlich gesagt, kindisch
finde. Wenn es heißt, wir in Deutschland sollten nur halb
so viel Fleisch essen und die Politik solle das verordnen,
muss ich sagen: Ich halte das für eine kindische Nummer;
denn die Welt hat ein anderes Problem . In den Schwellenländern, etwa in China, oder in den Entwicklungsländern hat man doch eher die Sorge, überhaupt ein bisschen
Fleisch in die Schüssel Reis zu bekommen . Es geht doch
darum, meine Damen und Herren, wie wir die Menschen
in diesen Ländern in Zukunft ernähren und trotzdem das
Klima schützen können . Das ist das Thema, auf das wir
unser Gehirnschmalz verwenden sollten,
({2})
statt die Bürgerinnen und Bürger hier in Deutschland mit
irgendwelchen Schnapsideen zu gängeln .
({3})
Von Ihnen ist sofort ein Diffamierungsversuch gestartet worden, als unsere Fraktion zum Klimaschutzplan
gesagt hat: Da gibt es viele Dinge, die man überdenken
und überarbeiten muss . - Wir haben doch nicht gesagt:
„Wir wollen ihn nicht“, sondern wir haben uns die Mühe
gemacht, auf 57 Seiten Punkt für Punkt zu beschreiben,
was wir anders und besser machen wollen .
({4})
Es ist beispielsweise unglaublich, beim Thema Mobilität
einseitig zu sagen - so geben Sie es ja auch hier wieder
vor -: Nur die Elektromobilität ist die Zukunft . - Als ob
wir, die Politik, das entscheiden könnten! Es gibt noch
eine ganze Menge anderer Themen - dazu gehören die
Leichtbauweise und die Biokraftstoffe der nächsten Generation - und eine ganze Menge Ansätze, wie man da
etwas bewegen kann .
({5})
Sie aber wollen einseitig vorgeben, wo die Reise hingehen soll, weil es die Grünen natürlich, wie immer, schon
im Voraus wissen . Das glaube ich Ihnen ganz einfach
nicht .
Wir haben gesagt: Lasst uns innovationsorientiert und
technologiebasiert vorgehen . Wir wollen lieber Markt
und Anreiz statt Zwang und Gängelung . - Ich weiß, dass
Ihnen das nicht in den Kram passt, weil sich das nicht mit
Ihrer Politik deckt; das ist der Punkt .
({6})
Ich glaube, am Ende werden wir einen Klimaschutzplan
vorliegen haben - unsere Fraktion wird ihn sich natürlich
nicht Punkt für Punkt und Komma für Komma zu eigen
machen -,
({7}) - Sven-Christian
Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da
steht doch gar nichts mehr drin!)
der sehr deutlich zeigen wird, dass man Klimaschutz
auch mit mehr Offenheit und mehr Bürgerbeteiligung
erreichen kann .
({8})
Beim Thema Kohle - Sie haben es angesprochen geht es doch nicht nur darum, einen Ausstiegszeitpunkt
festzulegen, sondern es geht auch um einen Strukturwandel . Wir haben genau formuliert, wie dieser Strukturwandel stattzufinden hat und wie das am Ende laufen
soll . Wir wollen nicht eben nur einfach wieder eine neue
Wende nach der x-ten Wende . Vielmehr sollte man sich
ganz intelligent überlegen, wie man diesen Strukturwandel tatsächlich voranbringen kann . Ich glaube, dass das
wichtig ist; denn, meine Damen und Herren, die Zeche
für die Strukturbrüche, die Sie gerne hätten, würden die
Bürgerinnen und Bürger im Land zahlen . Ich kann mir
nicht vorstellen, dass es dann am Ende tatsächlich gut
gehen würde .
Ich will Ihnen auch noch einmal deutlich ins Stammbuch schreiben, dass jeder Renationalisierungsansatz im
Zusammenhang mit dem Klimawandel in die Irre führt .
Ich halte das für falsch .
({9})
Sie haben auch die Veränderungen in den USA angesprochen .
({10})
Gerade deshalb muss uns, meine Damen und Herren, doch klar sein, dass beim Thema Klimaschutz am
Schluss nur ein gemeinsamer europäischer Anspruch und
ein gemeinsames europäisches Vorgehen zum Ziel führen werden .
({11})
Ich könnte das durchdeklinieren . Es wird natürlich
schwierig sein, die EnEV und das EEWärmeG zusammenzulegen und gleichzeitig eine Baukostenbegrenzung
zu haben . Ich sage nicht, dass das nicht machbar ist . Ihr
Weg aber ist, Folgendes zu sagen: Klimaschutz geht über
alles, koste es, was es wolle . Wirtschaftlichkeit spielt
keine Rolle . Und immer dann, wenn es unwirtschaftlich
wird, soll der Staat durch Zuschüsse ausgleichen . - Damit wird doch am Schluss jedes Wirtschaftlichkeitsgebot
ad absurdum geführt . Es hat mit Wirtschaftlichkeit nichts
mehr zu tun, wenn der Staat das alles ausgleicht . Diesen
Ansatz halte ich für falsch .
({12})
Ich habe zum Thema sozialer Wohnungsbau einiges
gehört . Die Linken - das kann man von ihnen nicht anders erwarten - sind der Meinung: Der Staat wird es am
Schluss schon richten . Hier haben wir doch ein typisches
Beispiel dafür, dass es der Staat am Ende nicht richten
wird . Wir haben die entsprechenden Gelder jetzt auf immerhin stattliche 1,5 Milliarden Euro aufgestockt . Ich bin
ja gespannt, ob es der Staat am Schluss machen wird .
Bisher gab es die Erfahrung, dass die Länder das nicht
getan haben, dass das also nicht die Lösung aller Probleme bringt . Deswegen sagen wir als Union natürlich:
Wir müssen daneben selbstverständlich auch auf private
Initiativen setzen .
Ich sage Ihnen auch ganze offen, dass ich mir die steuerliche Wohnraumförderung sehr gewünscht hätte . Ich
hätte mir sehr gewünscht, dass sie wenigstens im Kleinen
eingeführt worden wäre, dass man nämlich von 2 Prozent
Abschreibung auf 3 Prozent gegangen wäre . Denn das
ist immerhin das, meine Damen und Herren, was dem
tatsächlichen Wertverschleiß von Immobilien - bei denen es halt mehr Technik als früher gibt - entspricht . Es
spricht doch nichts dagegen, dass man denen, die investieren sollen, sagt: Ihr dürft wenigstens die Kosten, die
ihr tatsächlich habt, am Schluss steuerlich geltend machen . - Aus meiner Sicht hätte nichts dagegen gesprochen .
Ich sage Ihnen auch ganz offen, dass ich von den großen Steuerprogrammen nicht immer nur begeistert war .
Denn durch sie gibt es eine enge Beschränkung auf eine
bestimmte Gebietskulisse, nämlich die Metropolen . Das
bedeutet, dass man dort, wo es eh schon lichterloh brennt,
noch ein bisschen Öl hineingießt und sagt: Da nehmen
wir noch eine Sonderabschreibung vor . - Das führt dazu,
dass es dort noch stärker brennt . - Davon bin ich nicht
überzeugt .
Ich freue mich darüber, dass die Bundesbauministerin
das Thema Baukindergeld der Union faktisch aufgegriffen hat und dazu einen Vorschlag gemacht hat . Das, was
da vorgeschlagen wird, halte ich für absolut richtig und
wegweisend . Aber auch da gilt wieder, meine Damen
und Herren: Das sollte nicht nur im Rahmen einer engen Gebietskulisse bzw . in den Metropolen geschehen,
zum Beispiel im Speckgürtel um München herum, wo
die jungen Familien am Schluss sowieso keine Chance
haben, Eigentum zu erwerben . Es gibt eine ganze Menge
prosperierender ländlicher Räume . Auch mittlere Städte
gehören dazu . Dort haben junge Familien immer noch
eine Chance, tatsächlich zu bauen, wenn man ihnen,
meine Damen und Herren, einen Teil des Eigenkapitals
dazugäbe . Das wäre ein guter Ansatz . Aus meiner Sicht
macht es Sinn, dem noch einmal in ganz starkem Maße
nachzugehen . Es wäre sinnvoller, darüber zu diskutieren,
als, Frau Bluhm, mit falschen Zahlen bei der Förderung
von altersgerechten Wohnungen zu operieren . Es handelt
sich um 75 Millionen Euro - und nicht, wie Sie gesagt
haben, um 29 Millionen Euro .
Lassen Sie uns darüber diskutieren, wie wir dieses
Thema voranbringen können . Das bekommen wir nur
hin, wenn Staat und Private das gemeinsam machen . Wir
wollen das . Im Übrigen ist es so: Jedes neu errichtete Eigenheim sorgt dafür, dass eine Mietwohnung frei wird .
Das sollten diejenigen, die da auf einer anderen Fährte
sind, noch einmal bedenken .
Vielen herzlichen Dank .
({13})
Vielen Dank . - Für die Bundesregierung hat jetzt Bundesministerin Barbara Hendricks das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf für das
Jahr 2017 werden alle Bereiche meines Hauses gestärkt das hat sich vonseiten der Opposition anders angehört -,
und zwar sowohl finanziell als auch organisatorisch. Das
ist drei Jahre nach der Zusammenführung der Bereiche
Bauen und Stadtentwicklung mit den Bereichen Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit und 30 Jahre nach der
Gründung des Bundesumweltministeriums ein großer
Erfolg, und darauf können wir stolz sein .
({0})
Ich will an dieser Stelle allen danken, die diesen Haushalt möglich gemacht haben - insbesondere auch mit den
letzten Änderungen im Rahmen der Bereinigungssitzung .
Herzlichen Dank an die Berichterstatter, an die Obleute
und an die Mitglieder im Ausschuss, ohne die wir diesen
Haushalt so nicht zustande gebracht hätten .
({1})
Mein Dank geht aber auch an die Verbände und die vielen
Bürgerinnen und Bürger, die uns mit ihrem Engagement,
ihrer Kritik und ihren Vorschlägen unterstützt haben .
Sie alle haben dazu beigetragen, dass es gelungen ist,
den Haushalt des Bundesministeriums für Umwelt und
Bauen, wie ich einmal verkürzt sagen will, gegenüber
dem Vorjahr um rund 24 Prozent auf über 5,5 Milliarden
Euro zu steigern . 24 Prozent mehr als vergangenes Jahr:
Das kann ja wohl keine Armut sein, wie Frau Bluhm das
hier zum Ausdruck gebracht hat .
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie sich den
Einzelplan 16 anschauen, dann werden Sie sehen, dass
wir Wort halten - das sage ich auch in Richtung der Grünen, lieber Kollege Kindler - und alle unsere Vorhaben
mit den notwendigen Finanzen unterlegt haben, sodass
wir sie natürlich auch umsetzen können .
Das gilt für den nationalen und den internationalen
Klimaschutz genauso wie für den klassischen Umweltschutz und für den Schutz der biologischen Vielfalt .
Das gilt auch für den sozialen Wohnungsbau, den wir
aus dem Dornröschenschlaf vergangener Legislaturperioden geweckt haben und für den wir im kommenden
Jahr insgesamt mehr als 1,5 Milliarden Euro bereitstellen
können . Das ist, wie wir wissen, nicht weniger als eine
Verdreifachung innerhalb weniger Jahre . Im Jahre 2015
stand nur ein Drittel dessen zur Verfügung, was im Jahre 2017 zur Verfügung stehen wird .
({3})
Das gilt genauso für die Städtebauförderung, die wir
von der Vorgängerregierung mit 455 Millionen Euro
übernommen und sofort auf 700 Millionen Euro aufgestockt haben. Inzwischen - auch im Jahre 2017 - fließen
mit der Städtebauförderung 790 Millionen Euro in die
Innenstädte und Ortskerne sowie natürlich auch in die
ländlichen Kommunen . Mit dem neuen Integrationspakt
„Soziale Integration im Quartier“ stellen wir darüber hinaus zusätzlich 200 Millionen Euro zur Verfügung . Damit können die Kommunen den dringend notwendigen
Ausbau von sozialen Infrastrukturen, wie zum Beispiel
Bildungseinrichtungen und Stadteilzentren, als Orte der
Integration im Quartier anpacken .
({4})
Mit dem Städtebau und der Stadtteilentwicklung fördern und stärken wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt . Das ist unser ganz konkreter Beitrag, um gemeinsam
mit den Ländern und Kommunen den wirtschaftlichen,
sozialen, demografischen und ökologischen Wandel zu
gestalten .
Auch in Bezug auf die Endlagerung der nuklearen
Lasten in Deutschland, für die wir die notwendigen
Anpassungen an die neue Organisationsstruktur in den
Haushalt 2017 eingebracht haben, halten wir Wort .
Das alles ist ein großer Erfolg, mit dem wir auch an
die gute Arbeit der vergangenen Jahre anknüpfen .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Marrakesch haben wir von allen Seiten - alle, die in der Delegation dabei waren, können das bestätigen - viel Lob für unser
Engagement im Klimaschutz bekommen .
({5})
Die Kolleginnen Höhn und Baerbock waren ja anwesend, und es ist ganz gut, dass sie heute hier nicht reden .
Sonst hätten sie ja völlig wider besseres Wissen dieselbe
Litanei singen müssen wie Sie, Herr Kindler .
({6})
- Das können Sie ja gleich machen .
Die anderen Staaten hat nicht so sehr interessiert, ob
die Diskussionen innerhalb der deutschen Regierung ein
paar Tage mehr oder weniger gedauert haben . Die entscheidenden Fragen waren: Wie geht Deutschland als
großes Industrieland seinen Weg in Richtung Treibhausgasneutralität? Und: Wie genau erbringt Deutschland
seinen nationalen Beitrag zur Umsetzung des Paris-Abkommens?
Herr Kollege Nüßlein, ein nationaler Beitrag zur Umsetzung des Paris-Abkommens ist allerdings nötig . Davon werden wir uns nicht verabschieden können;
({7})
denn daran, was wir tun, orientieren sich viele Länder .
Bezüglich des Klimaschutzplanes kann ich es mir auch
nicht verkneifen, Herr Kollege Nüßlein, zu sagen: Dass
wir die 57 Seiten Monita aus Ihrer Feder nicht übernommen haben, hat dem Klimaschutzplan gutgetan .
({8})
Man kann erkennen, wenn man es nur will, dass die
Vorbild- und Vorreiterrolle Deutschlands nach wie vor
Bestand hat . Ich kann Ihnen hier versichern: Die Bundesregierung hat sich der damit verbundenen Verantwortung
in vollem Umfang gestellt, ist sich dieser Verantwortung
bewusst und wird dieser auch in Zukunft gerecht werden .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung hat den Klimaschutzplan 2050 als deutschen Beitrag zur Umsetzung des Paris-Abkommens beschlossen,
und ich konnte ihn mit nach Marrakesch nehmen . Es gab
beim Ringen um die richtige Klimaschutzpolitik in den
vergangenen Wochen und Monaten natürlich immer Kritiker, die gesagt haben: Das schafft ihr nie! Es gab immer
auch die Bedenken, das alles ginge viel zu weit .
Ja, wir haben teilweise miteinander gerungen - daran
sehe ich nichts Schlechtes -; denn es geht um weitreichende Veränderungen in unserem Land . Wer dabei die
Sorgen, die diese Veränderungen mit sich bringen können, mit leichter Hand abtut, macht einen schweren Fehler, gerade weil es darum geht, Vertrauen dafür zu gewinnen, dass Veränderungen eben nicht Verschlechterungen
der Lebenssituation bedeuten müssen . Das bedeutet
auch: Es geht nicht um Deindustrialisierung, sondern es
geht um einen Strukturwandel, den wir mit Augenmaß
vorantreiben wollen .
In diesem Zusammenhang ganz kurz ein Wort an Sie,
liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen . Auf
dem Bundesparteitag in Münster letzte Woche wurde der
Kohleausstieg bis 2025 beschlossen . Das ist gequirlter
Unsinn; das wissen Sie selber .
({9})
Am Ende haben wir uns also auf eine langfristige Klimaschutzstrategie geeinigt, die genau die Orientierung
gibt, für die ich immer gestritten habe . Dafür möchte
ich mich hier bei all meinen Kabinettskolleginnen und
-kollegen ausdrücklich bedanken . Ich möchte mich bei
allen bedanken, die mit uns Überzeugungsarbeit geleistet haben . Aber ich will mich auch bei denen bedanken,
die sich haben überzeugen lassen . Auch das ist ein Fortschritt, für den ich dankbar bin .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Entscheidende
an unserem Klimaschutzplan ist, dass er erstmals die Klimaziele auf die einzelnen Sektoren herunterbricht . Damit gibt er allen Sektoren eine klare Orientierung und zugleich auch eine Perspektive . Mir geht es darum, dass wir
durch rechtzeitiges Handeln Strukturbrüche vermeiden .
Ich bin im Übrigen überzeugt, dass alle Sektoren ausgewogen berücksichtigt worden sind . Unser gemeinsames
Interesse muss es sein, den Klimaschutz als Innovationsund Wachstumsmotor unserer Volkswirtschaft weiter zu
stärken: langfristig, planbar, verlässlich, aber eben nicht
als Deindustrialisierungsstrategie, sondern als Innovationsstrategie .
({10})
Der Haushalt gibt Auskunft über alle Vorhaben, egal
ob sie große Millionenbeträge oder nur kleinere Beiträge umfassen . Leider reicht hier die Zeit nicht aus, um
alle Programme und Einzelmaßnahmen aufzuzählen und
damit angemessen zu würdigen . Der Haushalt zeigt zugleich, dass wir uns auch um schwierige Themen nicht
gedrückt haben, sondern sie voranbringen . Das gilt vor
allem für die schon erwähnte Endlagerfrage .
Ich habe mich als Beauftragte der Bundesregierung für
den Berlin-Umzug und den Bonn-Ausgleich nicht um die
Situation bei der Arbeitsteilung zwischen Bonn und Berlin gedrückt, sondern mit dem Statusbericht Transparenz
und Klarheit geschaffen . In diesem Zusammenhang habe
ich immer betont, dass es mir ein persönliches Anliegen
ist, Bonn als UN-Standort zu stärken und zu profilieren.
Dazu gehört, dass im kommenden Jahr die Weltklimakonferenz unter der Präsidentschaft der Fidschi-Inseln
am Sitz des Sekretariats der Klimarahmenkonvention in
Bonn stattfinden wird.
({11})
Das ist letzten Freitag in Marrakesch so entschieden worden .
({12})
Das ist im Übrigen - um das deutlich zu machen gar nicht in unsere Entscheidungsgewalt gegeben; denn
wenn ein Präsidentschaftsland faktisch nicht in der Lage
ist, eine Klimakonferenz auszurichten, dann muss sie natürlich am Sitz des Sekretariates stattfinden, das ist Bonn.
Dass Fidschi dazu objektiv nicht in der Lage ist, liegt auf
der Hand . Wir könnten nicht alle hinreisen, geschweige
denn übernachten . Deshalb wird die Konferenz in Bonn
stattfinden. Es steht zu erwarten, dass wir für die Ausrichtung der Konferenz überplanmäßige Haushaltsmittel
brauchen werden . Sobald wir in den Vorplanungen vorangekommen sind, werde ich die dazu notwendigen Anträge konkretisieren .
Auch unsere erfolgreichen Bemühungen um die Ansiedlung des „Global Landscape Forums“ mit seinen
Konferenzen am UN-Standort Bonn sollten nicht unerwähnt bleiben . Ich jedenfalls bin sehr davon überzeugt,
dass der UN-Standort Bonn mit Unterstützung vonseiten
der Bundesregierung weiter eine gute Entwicklung nehmen wird .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mich abschließend bei den Mitgliedern des Haushaltsausschusses für zwei Beschlüsse besonders bedanken .
Erstens kann mit Schinkels Bauakademie - in direkter Nachbarschaft des Humboldt-Forums - ein Stück
Identität in Berlins Mitte wiederhergestellt werden . Der
Beschluss des Haushaltsausschusses eröffnet jetzt die
Chance, einen zentralen Ort für Architektur zu schaffen,
vielleicht auch eine Lehr- und Ausbildungsstätte für Architekten und Ingenieure, vielleicht auch andere kulturelle Angebote . Dafür wollen wir alle an einen Tisch holen .
({13})
Zweitens bin ich sehr dankbar, dass unsere Exportinitiative Umwelttechnologien kein einmaliges Projekt
bleiben muss, sondern fortgeführt werden kann . Das ist
zwar nur ein kleines Programm, aber zugleich ein großer Erfolg, weil es deutsche Technologien und ihre Anwendung in aller Welt fördert . Das nützt dem Klima- und
Umweltschutz und stärkt Forschung und Innovation in
Deutschland, und es trägt zu besseren Beziehungen mit
den Partnerländern bei . Auch diesen Aspekt sollten wir
immer im Blick haben .
({14})
Die Exportinitiative ist ein schönes Beispiel dafür,
dass wir mit dem Einzelplan 16 einhalten, was wir versprochen haben, und es beweist, dass wir den Interessen
der Menschen heute und den Interessen künftiger Generationen in Deutschland gerecht werden und unsere Verantwortung in der Welt nicht missachten .
Herzlichen Dank .
({15})
Das Wort für eine Kurzintervention hat die Kollegin
Baerbock .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Frau Ministerin
Hendricks, wir hatten ja eine sehr „fruchtvolle“ Reise zur
Klimakonferenz . Deshalb verwundert es mich sehr, was
Sie für ein Verständnis vom Parlament haben, wenn Sie
sagen, es wäre besser, wenn die Vorsitzende des Umweltausschusses ebenso wie die klimapolitische Sprecherin
unserer Fraktion nicht zum Thema Klimaschutz reden .
Ich hoffe, dass es nur im Wall der Gefühle war, so ein
Parlamentsverständnis an den Tag zu legen .
Nichtsdestotrotz würde ich gerne inhaltlich darauf
eingehen . Denn international wurde Deutschland gerade
für seine Beiträge zur Klimafinanzierung in Paris gefeiert . Aber es waren nicht die Grünen, die im Übrigen nicht
Ihnen, sondern der deutschen Bundesregierung den „Fossil of the Day“, also den Preis des Fossils des Tages, verliehen haben, weil der Kohleausstieg nicht im deutschen
Klimaschutzplan enthalten war .
Es wundert mich sehr - auch angesichts dessen, was
Sie im Vorfeld der Klimakonferenz eingefordert haben,
nämlich dass die Bundeskanzlerin ihre Richtlinienkompetenz wahrnimmt und dafür sorgt, dass die Union den
Klimaschutz anerkennt -, dass sie jetzt nicht auf die absurden Äußerungen des Kollegen Nüßlein eingegangen
sind, sondern ausgerechnet diejenigen angreifen, die Sie
in Ihrem Kampf gegen den Klimawandel unterstützen .
Wie nötig diese Unterstützung ist, wurde eben gerade
daran deutlich, dass Sie sich hier auch noch dafür rechtfertigen müssen, dass die Klimakonferenz nach Bonn
kommt . Das ist doch ein Zeichen der Freude; da könnte man doch sagen: Gerade wir Deutschen können diese
Klimakonferenz nutzen . - Nein, stattdessen entschuldigen Sie sich auch noch, und das Finanzministerium hatte
auch schon ganz besorgt angerufen und gefragt, wie das
denn sein könne .
Ich kann Ihnen garantieren: Wir werden Sie weiterhin
darin unterstützen, dass Deutschland hier voranschreitet
und diese Klimakonferenz einen Beitrag zum globalen
Klimaschutz leistet . Ich glaube, das ganze Parlament insbesondere die Klimaparlamentarier in diesem Hohen
Hause - ist hier gefordert .
Herzlichen Dank .
({0})
Frau Hendricks .
Liebe Kollegin Baerbock, wenn Sie mir richtig zugehört hätten, dann hätten Sie verstanden, dass meine Äußerung, dass es wohl ganz gut ist, wenn - ({0})
- Ich darf doch antworten .
Ich würde bitten, dass wir die Kolleginnen und Kollegen jeweils ausreden lassen, egal ob sie zur Regierung
gehören oder nicht . Das gilt generell .
({0})
Liebe Kollegin Baerbock, ich habe etwas scherzhaft
gesagt, es sei ganz gut, wenn Sie und Frau Höhn hier
nicht reden, weil Sie sonst wider besseres Wissen dieselbe Litanei hätten wiederholen müssen, die Herr Kindler
schon vorgetragen hat . Denn dass wir - das haben Sie
richtig gesehen - in Marrakesch sehr positiv aufgenommen worden sind, liegt auf der Hand .
Wenn wir den sogenannten Fossil of the Day bekommen haben, dann liegt das natürlich auch an einer falschen Wahrnehmung .
({0})
Denn selbstverständlich steigen wir genauso wie die
45 Länder, die sich am letzten Tag der Konferenz in
Marrakesch darauf verpflichtet haben, bis zur Mitte des
Jahrhunderts aus der Kohle auszusteigen, auch bis zur
Mitte des Jahrhunderts aus der Kohle aus . Es ist eines
der festgelegten Ziele des Klimaschutzplans, dass wir bis
zur Mitte des Jahrhunderts weitgehend klimagasneutral
wirtschaften und arbeiten wollen . Allerdings ist ein Ausstieg bis 2025 zu früh . Ich wiederhole: Es ist gequirlter
Unsinn, was Sie vorige Woche auf Ihrem Parteitag beschlossen haben .
({1})
Sie sagen, Sie seien die Einzigen, die mich unterstützten . Ich freue mich über Ihre Unterstützung, aber Gott sei
Dank sind Sie nicht die Einzigen; denn sonst käme ich
bei meinen Themen nicht voran .
({2})
Schließlich sind Sie die Opposition . Ich bin froh, dass
wir den Klimaschutzplan verabschieden konnten . Er
benennt erstmalig Sektorziele und bezieht den Verkehr
und die Landwirtschaft in die Verantwortung ein . Er
stellt zudem völlig klar, dass wir bis zum Jahr 2030 die
CO2-Emissionen insgesamt um 55 Prozent zurückführen
müssen, und fasst langfristige Ziele ins Auge, ohne allerdings Einzelmaßnahmen für den Zeitraum von 2030 bis
2050 zu benennen . Auch das halte ich unter dem Aspekt
der Technologieoffenheit für richtig; denn ich erwarte,
dass wir in den vor uns liegenden Jahrzehnten Technologien, die wir jetzt noch gar nicht kennen, zum Schutze
des Klimas einsetzen können . Deswegen bin ich absolut
technologieoffen .
Ich fände es gut, wenn Sie wahrnehmen würden, dass
man nicht alles mit Verboten und Geboten regeln kann .
Der Bezug auf den Fleischkonsum war selbst in meinem
ersten Entwurf eines Klimaschutzplans sehr vorsichtig
formuliert . Dieser Entwurf bezog sich auf die schon lange bestehende Empfehlung der Deutschen Gesellschaft
für Ernährung . Es wäre gut, wenn wir diese Empfehlung bis zum Jahr 2050 umsetzen würden . Der Kollege
Schmidt fördert die Deutsche Gesellschaft für Ernährung
institutionell . Deswegen sehe ich auch für die Zukunft
gutes Einvernehmen .
({3})
Als nächste Rednerin in der Debatte hat Caren Lay für
die Fraktion Die Linke das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Frau Hendricks, auch ich kann Ihre positive Bilanz leider nicht unterschreiben . Beginnen wir doch noch
einmal mit dem Klimaschutzplan . Das war doch ein einziges Trauerspiel .
({0})
In letzter Sekunde hat das Kabinett doch noch irgendetwas beschlossen, damit Sie nicht mit völlig leeren Händen nach Marrakesch fliegen mussten. Aber das ändert
nichts daran, dass Sie dort, wie erwähnt, von NGOs einen
Negativpreis für schlechte Klimaschutzpolitik bekommen haben . Das deutsche Saubermannimage im Klimaschutz ist völlig dahin .
({1})
Wie ist es denn gelaufen? Welche Querelen gab es im
Vorfeld? Herr Gabriel, Ihr Parteifreund, hat 10 Millionen
Tonnen CO2 zugunsten der Großindustrie herausgeholt .
Einsparen mussten Sie selber es dann in Ihrem eigenen
Ressort, nämlich im Gebäudebereich . Das Ergebnis ist
nun, dass Haus & Grund und weitere Vermieterverbände das Bündnis für bezahlbares Bauen und Wohnen verlassen haben . Das Spitzengespräch, das nächste Woche
stattfinden sollte, haben Sie heute höchstpersönlich abgesagt . Das können Sie uns allen Ernstes doch nicht als
Erfolg verkaufen .
Wirklich begeistert bin ich von dieser Verschiebung
auch nicht; denn bisher müssen die Maßnahmen im Gebäudebereich, die der Erreichung der Klimaschutzziele
dienen, weitgehend von den Mieterinnen und Mietern getragen werden . Ehrlich gesagt, hat die Regierung darauf
keine Antwort . Weder stellen Sie mehr Haushaltsmittel
ein, um Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung durch
Modernisierung zu schützen, noch schafft es Herr Maas,
gegen die CDU/CSU einen besseren Mieterschutz Stichwort „Modernisierungsumlage“ - durchzusetzen .
Dann kommt noch Herr Schäuble auf den letzten Metern
und streicht Ihnen das heraus, was die Energiewende sozial abgefedert hätte, aber auch Geld gekostet hätte . Unter dem Strich ist das ein starkes Stück . Sie entlasten die
Großindustrie und belasten Mieter und Häuslebauer . Mit
einer sozial gerechten Klimaschutzpolitik hat das wirklich nichts zu tun .
({2})
Wir sagen: Energetische Gebäudesanierung muss
sozial abgefedert werden . Deswegen fordern wir Linke
nicht nur die Abschaffung der Modernisierungsumlage,
sondern auch deutlich mehr finanzielle Mittel zum Schutz
der Mieterinnen und Mieter . Wir wollen im nächsten
Haushaltsjahr mit 1,2 Milliarden Euro einsteigen . Das
Volumen des Programms soll auf insgesamt 5 Milliarden
Euro anwachsen . Ansonsten wird es uns nicht gelingen,
Mieterinnen und Mieter vor Vertreibung durch energetische Gebäudesanierung zu schützen .
({3})
Lassen Sie mich auf das Thema sozialer Wohnungsbau eingehen . Auch hier kann ich Ihre positive Bilanz
nicht teilen . Ja, es sind im letzten Jahr 15 000 Sozialwohnungen neu gebaut worden, aber wir wissen doch,
dass mindestens 60 000 Jahr für Jahr wegfallen . Das ist
konservativ gerechnet . Das heißt, wir haben immer noch
ein Minus von 45 000 Wohnungen . Das ist doch wirklich
keine gute Bilanz . Das kann niemanden zufriedenstellen .
({4})
Auch wir finden, die Länder sollten das Geld, das sie
vom Bund bekommen, zweckgerichtet einsetzen . Aber
ich wundere mich, dass immer die CDU mit diesem Argument kommt . Welche Länder haben denn keine einzige
Sozialwohnung in den letzten Jahren gebaut? Das waren
das Saarland, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen .
Das sind alles Länder, in denen die CDU regiert, im Übrigen mit der SPD zusammen . Vielleicht sollten Sie das
einmal auf einem Parteitag klären und nicht hier im Plenum .
Wir Linke fordern 5 Milliarden Euro jährlich für den
sozialen, gemeinnützigen Wohnungsbau . Nein, meine
Damen und Herren, das ist nicht zu viel . Sehen wir uns
an, was die Bundesrepublik Deutschland für den sozialen
Wohnungsbau zum Beispiel 1980 im Vergleich zum Gesamthaushalt ausgegeben hat . Wenn wir heute denselben
Anteil ausgeben würden, dann müssten es 8 Milliarden
Euro sein . Oder schauen wir uns an, was die Stadt Wien
für einen wirklich dauerhaften sozialen Wohnungsbau
ausgibt . Das sind zwischen 450 und 730 Millionen Euro
jährlich, für eine Stadt mit knapp 2 Millionen Einwohnern . Die Bundesregierung will gerade einmal doppelt so
viel für die gesamte Republik ausgeben .
Was ist das Ergebnis? In deutschen Städten sind die
Mieten um 30, 40 oder 50 Prozent im Jahr gestiegen,
in Wien gerade einmal um 4 Prozent in den letzten vier
Jahren . Da sieht man, dass man für eine gute Wohnungspolitik auch mehr Geld in die Hand nehmen muss . Ich
kann der Großen Koalition nur empfehlen, mehr Wien zu
wagen . Das wäre wirklich ein Segen für die Mieterinnen
und Mieter .
Vielen Dank .
({5})
Als nächster Redner spricht Josef Rief von der CDU/
CSU-Fraktion .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Liebe wenige Gäste auf der Tribüne! Lassen
Sie mich, bevor ich zum Einzelplan des Bundesumweltund -bauministeriums komme, etwas zum Gesamthaushalt sagen . Wir werden auch im kommenden Jahr zum
vierten Mal in Folge ohne neue Schulden auskommen . In
vielen Medien und auch aus den Reihen der Opposition
wird dies gern allein der guten Konjunktur und den niedrigen Zinsen zugeschrieben . Aber das ist eben nicht die
ganze Wahrheit . Dies ist gerade auch das Ergebnis einer
verantwortungsvollen Politik, die wir gemacht haben .
({0})
Wir haben in den vergangenen Jahren den Haushalt
konsequent konsolidiert und die Rahmenbedingungen
für eine gute Entwicklung hergestellt . Dazu gehört es
auch, ohne Steuererhöhungen auszukommen und dennoch wichtige Projekte umzusetzen . Genau das haben
wir gemacht .
({1})
So haben wir etwa die Kommunen, wie schon gesagt
worden ist, in den letzten Jahren stark entlastet, so stark,
dass uns der Bundesrechnungshof ermahnt hat - nicht
weil wir die Kommunen zu wenig, sondern weil wir sie
zu viel entlasten . Um es klar zu sagen: Die Entlastung
der Kommunen, sei es die Stadt oder der ländliche Raum,
ist wichtig. Hier findet das Leben statt, hier erleben die
Bürgerinnen und Bürger, dass das, was wir in Berlin beschließen, auch ankommt .
Doch nun zum Einzelplan des Bundesministeriums
für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit .
Dieser wächst - die Frau Ministerin hat es schon gesagt gegenüber dem Vorjahr auf über 5,6 Milliarden Euro an .
Damit ist es der Einzelplan mit dem größten Aufwuchs .
Die Koalition und auch die Opposition - ich weiß, Sie
können das aus vielerlei Gründen nicht zugeben -, wir
alle können mit dem Erreichten sehr zufrieden sein .
({2})
Wir haben einen Haushalt, der zukunftsweisend und
nachhaltig die Aufgaben anpackt, die sich uns heute und
in den kommenden Jahren stellen .
Ich möchte mich auch bedanken beim Ministerium,
bei Frau Ministerin Hendricks, ihrem zuständigen Staatssekretär Pronold sowie den Mitarbeitern des Hauses für
die hervorragende Zuarbeit . Auch das muss hier einmal
gesagt werden . Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei
meinen Mitberichterstattern für die gute Zusammenarbeit .
Die Mehrausgaben in diesem Einzelplan finden sich
vor allem im Baubereich, auf den ich mich hier konzenCaren Lay
trieren möchte . Dabei ist der größte Brocken die Summe, die wir an die Länder für den sozialen Wohnungsbau
überweisen . Auch schon gesagt worden ist - aber das
kann man nicht oft genug betonen -: Die bisher vorgesehenen 518 Millionen Euro Kompensationsleistungen
haben wir bereits im laufenden Jahr verdoppelt, und in
2017 werden wir sie mit über 1,5 Milliarden Euro verdreifachen . Wir reagieren damit auf den gestiegenen Bedarf an Wohnungen . Die Gründe dafür sind vielschichtig . Der Wohnungsmarkt ist gerade in Ballungszentren,
aber auch in prosperierenden ländlichen Regionen, wie
zum Beispiel meinem Wahlkreis Biberach, immer stärker unter Druck . Dazu tragen natürlich bei verschiedene
Wohnformen in einer alternden Gesellschaft, Zuzug aus
anderen Regionen Deutschlands und der EU und natürlich auch der Flüchtlingszuzug . Auch das gehört einfach
zur Wahrheit .
Wenn wir wollen, dass in Deutschland mehr Wohnungen gebaut werden, müssen wir aber auch einen Weg
finden, die Länder stärker beim Wort zu nehmen. Die
Bundesmittel müssen wirklich in der Wohnraumförderung ankommen, und sie dürfen nicht in klammen Länderhaushalten versickern .
({3})
- Dann sind wir uns ja einig .
Leider ist dies in der Vergangenheit des Öfteren nicht
geschehen . Auch da bedanke ich mich ausdrücklich bei
Frau Ministerin Hendricks dafür, dass sie dieses Problem
immer wieder thematisiert . Auch sollten wir im Auge
behalten, dass die Kompensationen mit Bundesmitteln
mit den damit verbundenen Möglichkeiten im Jahr 2019
auslaufen . Dies kann und darf nicht das Ende der Wohnraumförderung durch den Bund sein . Davon bin ich überzeugt .
Ich plädiere seit langem auch dafür, noch stärker auf
die Unterstützung des privaten Wohnungsbaus zu setzen .
Eigentum an selbstgenutztem Wohnraum kann nicht nur
ein sinnvoller Beitrag zur späteren Alterssicherung sein gerade wenn sich andere Möglichkeiten verschlechtern -; vielmehr macht eine neugebaute Eigentumswohnung oder ein neugebautes Eigenheim immer auch eine
Mietwohnung frei, und das entspannt, lokal auf jeden
Fall, die Situation .
({4})
Gerade für Mehrkindfamilien könnte hier etwas getan
werden . Mit Interesse habe ich die Diskussion um das
Baukindergeld verfolgt . Wir dürfen dabei allerdings keinen Schnellschuss produzieren . Ein neues Baukindergeld
muss auch Wirksamkeit entfalten können . Es darf auch
nicht nur für die Ballungsräume gelten oder erst einmal
die Kreditfähigkeit des Bauherrn infrage stellen . Das ist
allein Sache der Banken . Was man damit für Probleme
schaffen kann, sehen wir beispielsweise bei der Kreditrichtlinie .
({5})
Skeptiker in der Koalition und vor allem in der Opposition müssen wir überzeugen . Ja, wir alle müssen uns für
die Häuslebauer einsetzen . Junge Familien dürfen nicht
durch Bürokratie daran gehindert werden, Wohneigentum zu schaffen . Wir sollten Anreize geben, dass mehr
Eigentum und nicht weniger geschaffen werden kann .
({6})
Sehr geehrte Damen und Herren, der Bauhaushalt hat
seinen Fokus auf Investitionen . Uns, der Union, war es
wichtig, beim Thema „Grün in der Stadt“ voranzukommen . Wir legen nun ein neues Bundesprogramm für neue
Parks, Straßenbäume und ähnliche Dinge auf und investieren in den kommenden Jahren immerhin 50 Millionen
Euro .
({7})
Bewährte Programme wie das für national bedeutende Städtebauprojekte führen wir mit 75 Millionen Euro
ebenso weiter wie das Sanierungsprogramm für kommunale Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und
Kultur . Entgegen dem Regierungsentwurf stellen wir
jetzt noch einmal 100 Millionen Euro zur Verfügung, um
der Nachfrage aus den Kommunen nachzukommen . Hier
werden wir maßgeblich darauf achten, dass der ländliche
Raum bei der Mittelvergabe nicht benachteiligt wird .
Bereits 2015 hat die CDU/CSU reagiert und das Förderprogramm für Einbruchschutz durchgesetzt . Damit
ermöglichen wir Eigentümern wie Mietern, ihre Wohnungen und Häuser besser vor Einbrüchen zu schützen . Diese Mittel versechsfachen wir nun auf insgesamt
60 Millionen Euro .
Das KfW-Programm für altersgerechtes Umbauen
statten wir mit neuen Mitteln in Höhe von 75 Millionen
Euro aus, auch um der großen Nachfrage Rechnung zu
tragen .
({8})
Meine Damen und Herren, der Bauhaushalt erreicht im
besonderen Maße unser Ziel, einen deutlichen Schwerpunkt auf Zukunftsinvestitionen zu setzen und die Mittel
nachhaltig auszugeben . Bestehende Spielräume werden
sinnvoll genutzt, um unser Land weiterzuentwickeln und
auf drängende Probleme zu reagieren . Der Opposition ist
das alles nicht genug, wie wir aus den Ausschussberatungen und auch aus der Beratung heute wissen . Wir können
und wollen aber nur das Geld ausgeben, das wir haben .
Das sind wir der nächsten Generation schuldig . Das ist
Politik für die Zukunft, meine Damen und Herren .
Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit .
({9})
Als nächster Redner hat Peter Meiwald von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .
Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen
und Kollegen! Geschätzte Bürgerinnen und Bürger! Nach
dem, was Kollege Kindler und Frau Baerbock schon an
Gutem und Richtigem und Wichtigem zum Klimaschutz,
zum Kohleausstieg und zu dem gescheiterten Plan gesagt
haben, wollte ich dazu jetzt nichts mehr sagen . Aber nach
dem, was wir eben gehört haben, komme ich nicht umhin, doch noch etwas dazu zu sagen .
Zunächst einmal zur Deindustrialisierung . Kollege
Nüßlein, fragen Sie doch mal die Menschen in Sachsen,
die ihre Jobs in der Solarindustrie verloren haben, fragen
Sie die vielen Menschen im Osten, wer eigentlich für die
Deindustrialisierung verantwortlich ist! Das droht jetzt
auch in der Windbranche .
({0})
- In der Tat, Herr Nüßlein ist gar nicht mehr da; schade . Aber vielleicht erzählen Sie es ihm . Er soll doch bitte mal
nach Sachsen gehen und sich da erkundigen, wer eigentlich für die Deindustrialisierung verantwortlich ist .
({1})
- Das war die Koalition von CDU, CSU und FDP .
({2})
- Wollen wir das als Zwischenfrage machen, Frau Präsidentin?
Das machen wir als Zwischenfrage . Das entscheide
ich jetzt so .
Es ist als Zwischenfrage gewertet worden . Ich will
Ihnen das gern beantworten, wenn Sie mich schon so
freundlich fragen .
Ich gehe einmal davon aus, Herr Grund, dass Sie eine
Antwort wollen . Deshalb sollten wir es als Zwischenfrage werten . Dann kann man korrekt antworten . Sie können die Frage noch ergänzen, wenn Sie möchten .
Dann will ich das gern tun . - Sie haben „Deindustrialisierung“ gesagt und auf uns gezeigt . Ich habe Sie gefragt, wer die billigen Solarmodule nach Deutschland
geliefert hat, die nach wie vor eingebaut werden . Es ist
kein Mangel an Flächen, an Freiflächen, an Hausflächen,
sondern es besteht offensichtlich ein anderes Problem,
das nach meinem Dafürhalten mit der Regierung herzlich
wenig zu tun hat .
({0})
Es war sehr eindeutig, vor allen Dingen noch zu der
Zeit, als die CDU, die CSU und die FDP die Koalition
hier gebildet haben, dass man einfach gesagt hat: Wir
wollen die Solarbranche hier nicht . Wir wollen das nicht
übersubventionieren .
({0})
Wir wollen nicht, dass ein Markt sich hier entwickelt, den
wir hinterher nicht mehr regulieren können . Wir wollen
alles dem freien Wettbewerb überlassen .
({1})
Wenn man Innovations- und Technologieoffenheit
ausschaltet und alles nur dem Preis überlässt, dann
braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Arbeitsplätze abwandern, nämlich in Billiglohnländer wandern .
Die Technologieführerschaft haben wir schon lange verloren . Wir verlieren Innovation . Wir verlieren wertvolle
Arbeitsplätze . Das ist das Ergebnis der Politik, die die
von Ihnen geführte Regierung betrieben hat .
({2})
Ich möchte noch etwas sagen, weil uns das Thema
Deindustrialisierung immer wieder beschäftigt . Wir als
Grüne haben ein Interesse daran, dass es hier auch 2030
noch eine Automobilindustrie gibt . Wenn Sie sich weigern, dafür zu sorgen, dass die Automobilindustrie endlich den Schalter umlegt, nämlich auf Elektromobilität,
dann werden 2030 nur noch Google, Tesla, Apple und
vielleicht ein paar innovative chinesische Unternehmen
Autos produzieren . Wir als Grüne wollen das nicht . Wir
wollen nicht für eine solche Deindustrialisierung verantwortlich sein . Das müssen Sie sich als Große Koalition
anziehen, wenn Sie nicht bereit sind, in einem Klimaschutzplan endlich verlässliche Vorgaben zu machen, mit
denen die Unternehmen dann auch planen können .
({3})
Das kann ich auch Ihnen, Frau Ministerin, nicht durchgehen lassen .
Zum Kohleausstieg . Ich bin ziemlich eng an Energieunternehmen dran . Ich weiß schon, dass die vor allen
Dingen eines fürchten, nämlich Planungsunsicherheit .
Wenn die Regierung nicht einen klaren Zeitplan aufstellt,
in dem sie sagt, wann und in welcher Form aus der Kohle
ausgestiegen werden soll, dann schafft das Planungsunsicherheit . Investitionen werden verhindert, und wir haben
2030 einen Strukturwandel, der als Bruch stattfindet und
nicht als planbarer Prozess . Das kann nicht der Sinn sein,
und so geht auch keine vernünftige Wirtschafts- und Umweltpolitik vor .
({4})
Sie haben ja gesagt, Sie lassen die schwierigen Themen nicht aus . Es gibt ein paar schwierige Themen, zu
denen finde ich nicht sehr viel. Dazu steht im Haushalt
ein bisschen was geschrieben, aber es passiert nichts . Das
lässt sich auch - Sven-Christian Kindler hat es angesprochen - an der Bilanz der letzten Jahre erkennen .
Ein Thema ist das Artensterben . Es gibt nach wie vor
eine ungebremste Abnahme der biologischen Vielfalt bei
uns in Deutschland . Wir wissen, dass die Lage bei Insekten, aber auch bei vielen anderen Tieren und Pflanzen
bedrohlich ist . Das ökologische Gleichgewicht haben wir
längst nicht mehr im Griff . Und das wird auch richtig
teuer . Wir haben einmal durch Umweltverbrechen Schäden . Laut UNEP haben allein die Schäden durch Umweltverbrechen die Weltwirtschaft im vergangenen Jahr
258 Milliarden Euro gekostet . Schäden durch von Menschen in Kauf genommene Artenverluste und zusätzliche
Schäden, die wir durch Nichtstun verursachen, betragen
ein Vielfaches von dem . Das heißt, eine Naturschutzoffensive 2020, die im Haushalt eigentlich keine Rolle
spielt, die sich nicht kongruent in der Landwirtschaftspolitik abbildet, die keine Maßnahmen vorsieht, wie man
die Pestizidverseuchung unserer Ländereien beseitigen
kann, die reicht nicht aus, um die Biodiversität in unserem Lande zu erhalten .
({5})
Zweites Thema - das tut auch weh, weil wir da nicht
vorankommen - ist das Thema Flächenverbrauch, Versiegelung der Natur . Wir haben ein deutsches Nachhaltigkeitsziel, das eine Reduzierung des täglichen Flächenverbrauchs auf 30 Hektar im Jahr 2020 vorsieht . Ich habe
in den vergangenen drei Jahren keine Aktivität wahrgenommen, die uns dabei geholfen hätte, uns diesem Ziel
zu nähern . Im Gegenteil: Wir haben bei den SDGs eigentlich vereinbart, 2030 bei 0 Hektar zu sein . Wir machen aber einen Bundesverkehrswegeplan - der in der
nächsten Woche im Ausschuss weiterberaten werden
soll -, der das absolute Gegenteil davon macht: Durch
diesen werden weitere Flächen verbraucht und durch Betonbänder versiegelt . Das kann nicht im Sinne der Umwelt sein .
({6})
Drittes Thema: die Verseuchung unserer Gewässer mit
Medikamentenrückständen, mit Pestizidrückständen, mit
Hormongiften, mit Mikroplastik . All diese Dinge sind
adressiert, sie werden diskutiert . Bezüglich Mikroplastik heißt es jetzt: Wir machen einen Kosmetikdialog bis
2020 . So sieht doch keine Politik aus, die zielgerichtet
ist und die die Umwelt, die Menschen und die Gesundheit der Menschen schützen will . Wir wissen, dass die
Kosmetikindustrie 2014 gesagt hat, sie könne bis 2016
aus Mikroplastik in Kosmetika und Reinigungsmitteln
aussteigen . Wir haben jetzt Ende 2016, und Sie reden davon, dass wir einen Dialog bis Ende 2020 machen . Das
ist nicht angemessen, und das hat mit Gesundheitsschutz
nichts zu tun .
({7})
Auch in Brüssel fällt immer mehr auf, dass diese Regierung der ehemaligen Umweltministerin Merkel in der
Umweltpolitik zum Seriensünder wird . Ich lese das nur
einfach mal vor: Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, Flugrouten, Luftreinhaltung/Feinstaub, Luftqualität/Stickstoffdioxid, Umgebungslärm, Naturschutz/Moorburg,
Naturschutz/Besondere Schutzgebiete, Naturschutz/
Sylter Außenriff, Wasserwirtschaft, Weser/Werra, Nitrat,
Abfall . - Es geht dann weiter: Benzindampfrückgewinnung, Seveso III, Gewässerschutz/prioritäre Stoffe,
Gewässerschutz/Anhangsänderung . - 16 Verfahren der
EU-Kommission allein im Umweltbereich laufen gegen
unser Land . Das hat auch mit Strafzahlungen zu tun; das
wird auch teuer für den Bürger, wenn diese Regierung
ihre umweltpolitische Arbeit nicht macht .
({8})
Wir haben das Thema Feinstaub . Wir wissen selbst:
Nach mehr als einem Jahr ist der Abgasskandal in keiner
Weise auch nur ansatzweise im Griff . Aber wen wundert
das bei diesem Verkehrsminister? Man fragt sich bei ihm
ja, ob er noch an der Tankstelle steht, weil der Sprit wieder teurer geworden ist, weil wir zu viel verbrauchen,
viel mehr, als die Autos eigentlich, wie wir hörten, verbrauchen sollten, oder ob er noch im Stau der Verkehrspolitik der 60er-Jahre steckt .
Aber Sie, Frau Ministerin Hendricks, haben ein Umweltbundesamt, das das erkannt hat . Und? Die Kraft
reicht nicht aus . Es gibt keine Kohärenz, keine Zusammenarbeit in der Regierung, um das im Bundesverkehrswegeplan abzubilden, was Sie und wir längst wissen: Ein
Bundesverkehrswegeplan, der weiterhin auf Individualverkehr setzt, ist nicht zukunftsfähig .
({9})
Ich könnte jetzt noch etwas zur europäischen Woche
der Abfallvermeidung sagen, die gerade aktuell ist . Ich
könnte noch etwas zur Umweltproblematik in CETA sagen . Aber ich glaube, meine Zeit geht jetzt doch langsam
dem Ende entgegen; deswegen will ich mich da kurz fassen .
({10})
- Ja, das ist in der Tat schade, dass wir als Opposition so
wenig Redezeit haben; aber es nützt ja nichts .
({11})
Aus Umweltsicht muss man eindeutig sagen, dass die
Lähmung des notwendigen Regierungshandelns durch
die Eitelkeiten insbesondere der CSU-geführten Ministerien Agrar und Verkehr, aber auch des Wirtschaftsministeriums - das kann man der SPD nicht ersparen - in den
letzten drei Jahren zu einem Rollback im Umwelt- und
Naturschutz geführt haben . Dabei ließe der Haushalt ja
gestaltendes Regierungshandeln zu .
Herr Kollege, ich muss Sie jetzt aber wirklich auffordern, zum Schluss zu kommen . Ihre Redezeit war nämlich vorhin schon abgelaufen .
Ja . - Diese Regierung hat die Chance vertan . Ob man
eine Null, die man am Ende als Ergebnis im Haushalt hat,
als rote oder als schwarze Null bezeichnet, ist egal; der
Natur nützt es nichts .
Vielen Dank .
({0})
Als nächster Redner hat Carsten Träger für die
SPD-Fraktion das Wort .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Nach dem
Rundumschlag, der wohl noch eine Nachwirkung vom
Parteitag der Grünen ist - diese schöne Rede hat man
da wahrscheinlich auch gehört -, möchte ich jetzt gerne
wieder über den Haushalt des Ministeriums für Umwelt
und Naturschutz sprechen . In meinem Fall kann ich sagen: ein guter Haushaltsentwurf mit vielen guten Ansätzen und einem erheblichen Aufwuchs; ein umweltpolitischer Erfolg in schwierigen Zeiten .
({0})
Fracking, Clean Coal, CCS, Atomstrom - in gerade einmal zweieinhalb Minuten hat uns der designierte
US-Präsident via Social Media mitgeteilt, wie er sich
seine ganz eigene amerikanische Energiewende vorstellt .
({1})
Wir haben es kommen sehen . Trotzdem gab es ja noch
einen kleinen Rest Hoffnung, dass er sich nach der Wahl
vielleicht eines Besseren besinnen würde . Das hat er
nicht getan . Wenn diesen Ankündigungen Taten folgen,
dann wird der Klimaleugner Trump die Bemühungen der
internationalen Staatengemeinschaft um Jahre zurückwerfen .
Wie stolz kann und muss man angesichts dieses Hintergrunds auf den Kurs unserer Regierung sein!
({2})
Ich bin stolz auf unsere Umweltministerin,
({3})
sei es bei der Naturschutz-Offensive, sei es beim Integrierten Umweltprogramm, sei es beim Klimaschutzplan .
Barbara Hendricks weiß, dass nur nachhaltige Politik
langfristig funktioniert .
({4})
Nur die gleichberechtigte Zusammenarbeit von ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen stellt
sicher, dass es in der Bevölkerung Akzeptanz für das
Wirtschaftswachstum in einer intakten Umwelt gibt . Die
Ministerin weiß das nicht nur; sie streitet auch dafür .
({5})
Mit dem Integrierten Umweltprogramm hat sie jüngst einen weitsichtigen Fahrplan vorgelegt .
Wir müssen raus aus dem Ressortdenken, bei dem
jeder kluge Pläne für seinen eigenen Bereich aufstellt,
ohne die Auswirkungen auf die anderen Bereiche mitzudenken . So geht es nicht . Klimaschutz und Erhalt der
Artenvielfalt werden nicht gelingen, wenn das Umweltministerium allein vor sich hinwurschtelt . Hier müssen
Umwelt, Landwirtschaft, Verkehr und natürlich auch die
Wirtschaft zusammenarbeiten .
Es geht ja gar nicht um griesgrämigen Verzicht oder
um Verbote; es geht um intelligente Rahmenbedingungen, die den Wandel unserer Gesellschaft anreizen - für
technologische Innovationen, für eine aktive Zivilgesellschaft, für Umweltbildung .
Die Ministerin kämpft in dem Wissen, dass ohne intakte Umwelt alles andere nicht möglich ist . Schon heute
sind vier von neun planetaren Grenzen überschritten . Das
lässt Sie - nach dem Motto: Hauptsache, die Wirtschaft
brummt; der Fortschritt wird es schon richten; es ist noch
immer gutgegangen - kalt? Mich lässt das nicht kalt und sehr viele Menschen in unserem Land auch nicht .
Ich danke den Menschen, die sich für den Umweltschutz engagieren . Damit steht man nicht im Rampenlicht, damit macht man nicht das große Geld; aber alle
helfen ein kleines Stück mit .
({6})
Deshalb freue ich mich darüber, dass wir eine Erhöhung der Mittel für das Bundesprogramm Biologische
Vielfalt erreichen konnten . Dafür hat die SPD hart und
lang gekämpft . Jetzt stehen 20 Millionen Euro in 2017
für Projekte zum Erhalt der Artenvielfalt, zum Gewässerschutz und zu Maßnahmen zur Umweltbildung bereit .
Ein großer Erfolg ist für die SPD auch der Aufwuchs
bei den Zuschüssen für die Umweltschutzverbände . So
wichtig das Engagement jedes Einzelnen ist, so ist es
doch unverzichtbar, dass die Verbände die Kompetenzen
und das Engagement bündeln und immer wieder den Finger in die Wunde legen .
({7})
Sie sind die Lobbyisten der Natur . Wir brauchen diese
unermüdlichen Mahner .
Darüber hinaus haben wir das Exportprogramm für
grüne und nachhaltige Umwelttechnologien um 5 Millionen Euro verstärkt . Diese Initiative soll das Auslandsgeschäft der deutschen Umweltwirtschaft unterstützen und
so den Aufbau von Umweltinfrastruktur fördern .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was mir ganz wichtig ist: Wir setzen unsere Unterstützung von Maßnahmen
zur Bekämpfung von Wilderei fort . Wir unterstützen weiterhin mit 3 Millionen Euro Projekte, die sich gegen den
illegalen Handel mit Elefanten- und Nashornprodukten
in Ursprungsländern, in Transitländern und auch in Abnehmerländern richten . Hier ist Deutschland ein weiteres
Mal in einer Vorreiterrolle .
({8})
Das ist gut so, und das muss auch unsere Antwort auf
Leute wie Trump sein . Wir dürfen uns nicht beirren lassen . Das Zeitalter der fossilen Energieerzeugung geht unweigerlich zu Ende . Wir wissen das,
({9})
wir bereiten uns vor, und wir bauen eine Brücke in die
Zukunft .
Herzlichen Dank .
({10})
Als nächster Redner hat Hubertus Zdebel von der
Fraktion Die Linke das Wort .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin Hendricks!
Ich möchte ein paar Takte zu einem Thema sagen, das
meines Erachtens heute noch viel zu kurz gekommen
ist, nämlich zum Thema Atompolitik . Sie haben in Ihrer
zwölfminütigen Rede gerade einmal drei bis vier Sätze
dazu gesagt, Frau Ministerin . Ich fand das ein bisschen
mager bei diesem sehr wichtigen Thema . Von den Abgeordneten der anderen Fraktionen ist das Thema bisher
überhaupt noch nicht angesprochen worden .
Derzeit werden die Verantwortlichkeiten bei der Atommüllendlagerung nämlich neu geregelt . Dazu gehört auch
die Frage: Wer zahlt eigentlich letztlich die Kosten für
die Endlagerung des Atommülls? Jahrzehntelang galt:
Die Atomunternehmen als Verursacher übernehmen die
Kosten . Dieses Versprechen soll nun gebrochen werden .
Gegen eine geringe Einmalzahlung sollen die Konzerne
nach dem Willen der Bundesregierung von der Kostenverantwortung befreit werden .
({0})
Die Regierung stützt sich dabei auf Empfehlungen der
von ihr eingesetzten Trittin-Kommission mit Vertreterinnen und Vertretern aus dem Umfeld von CDU/CSU, SPD
und Grünen . Die Linke war nicht vertreten . Das Motto
lautet: Der Staat übernimmt den Atommüll . Die Konzerne hatten die Gewinne, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sollen die Kosten tragen .
({1})
Das ist skandalös, was da geplant wird,
({2})
und eine schwere Belastung, wenn es darum geht, einen
gesellschaftlichen Konsens mit Blick auf die sichere Lagerung der radioaktiven Abfälle zu erreichen .
Die Linke plädiert dafür, den Umgang mit der Lagerung aller Arten radioaktiver Abfälle wirklich neu zu
starten, und zwar in einem umfassenden gesellschaftlichen Prozess und mit umfassenden Rechten der Bürgerinnen und Bürger dieses Staates .
({3})
Deshalb fordert die Linke die Umschichtung von Finanzmitteln aus den verbrannten und ungeeigneten Standorten Gorleben und Schacht Konrad und setzt stattdessen
auf die deutliche Aufstockung der Mittel für den Endlagersuchprozess .
({4})
Die bisher vorgesehenen 4,6 Millionen Euro sind dafür
viel zu wenig .
Einst nutzte die Atomindustrie die Asse im Südosten
Niedersachsens als billige Müllkippe . Die dort vor Jahrzehnten eingelagerten 126 000 Fässer mit schwach- und
mittelradioaktivem Müll rosten in der einsturzgefährdeten Anlage vor sich hin . Weil der Salzstock Asse zudem
mit Wasser vollzulaufen droht, wird seit einigen Jahren
versucht, den Atommüll zu bergen . Ob das gelingt, weiß
im Moment niemand . Nun soll auf der 750-Meter-Sohle der marode Salzstock verfüllt werden . Bürgerinnen
und Bürger sowie Fachleute befürchten, dass damit die
Rückholung mindestens deutlich erschwert würde, und
fordern ein Moratorium . Diese Fragen müssen unserer
Meinung nach mit den Beteiligten in der Asse-Begleitgruppe geklärt werden . Die Verfüllung darf nicht wie geplant durchgeführt werden .
({5})
Wir fordern in unserem Entschließungsantrag, die dafür
im Haushalt eingestellten 1,4 Millionen Euro zu streichen und stattdessen anderweitig zu verwenden .
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .
({6})
Als nächster Redner hat Christian Hirte für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor
zwei Wochen hat der MDR bei den Kollegen des Haushaltsausschusses eine Umfrage gemacht, welches die
Lieblingszahl im Haushalt des nächsten Jahres sei . Es
wird Sie nicht überraschen, dass ich einer derjenigen bin,
denen die Null besonders gut gefällt .
({0})
Man kann gar nicht oft genug betonen, welch große
historische Leistung es ist, dass wir nicht nur im nächsten
Jahr wieder ohne Nettoneuverschuldung auskommen,
sondern es auch die gesamte bisherige Legislaturperiode geschafft haben, und das, obwohl wir erheblich mehr
Geld in die Hand genommen haben für Zukunftsinvestitionen, für Infrastruktur, für Familien, für Bildung und
Forschung, für Sicherheit - sowohl innen als auch außen - oder auch für Kultur .
Ich glaube, das ist ein Grund, auch mal froh sein zu
können . Das sage ich insbesondere mit Blick auf die Opposition, verbunden mit der Frage, ob es nicht manchmal
auch eine Nummer kleiner ginge, was die Vorwürfe anbelangt, die Sie gegenüber uns von der Koalition gerade
mit Blick auf den diesjährigen Haushaltsplan erheben .
Ein Wort der Anerkennung für den grundsätzlich erfolgreichen Weg, den wir gemeinsam beschreiten, und ein
Wort des Respektes dafür, dass unser Land in einer Lage
ist wie kein anderes in Europa, wären zumindest angemessen .
Ich denke - das will ich gleich vorab sagen -, dass
wir einen hervorragenden Haushalt für das nächste Jahr,
2017, vorlegen und ein bisschen stolz auf die Arbeit sein
können, die wir gemeinsam geleistet haben, auch mit
Blick auf die Fortschritte, die nach der Einbringung in
den Haushaltsberatungen erzielt werden konnten .
({1})
Weil uns das Thema Umweltschutz wichtig ist, gibt es
auch im Etat für Bau und Umwelt erhebliche Aufwüchse - die Ministerin hat darauf hingewiesen -: über 1 Milliarde Euro mehr im Umwelt- und Bauetat, nicht nur für
Maßnahmen im Inland, etwa im Bereich des Wohnungsbaus, sondern auch für Aufgaben im Rahmen unserer
Verantwortung für die globalen Aufgaben im Bereich der
Umwelt- und Klimaschutzpolitik . Wir stellen für die Internationale Klimaschutzinitiative deutlich mehr Mittel
zur Verfügung, und ab 2018 werden wir diese jährlich
um 75 Millionen Euro aufstocken .
Meine sehr geehrten Damen und Herren, insbesondere von den Grünen, natürlich ist es so, dass Deutschland
weltweit immer noch für seine Vorreiterrolle beim Klimaschutz geschätzt wird .
({2})
Jetzt mögen Sie hingehen und behaupten, dass wir unsere Aufgaben nicht gut wahrnehmen, aber die weltweite
Wahrnehmung ist eine andere . Knapp 50 Länder haben in
der letzten Woche beim Gipfel in Marrakesch angekündigt, ihren Energiebedarf möglichst bald zu 100 Prozent
aus erneuerbaren Energien zu decken .
({3})
Die Staaten des Climate Vulnerable Forum sind nicht
weit von dem entfernt, was wir in Deutschland mit dem
Klimaschutzplan auf den Weg gebracht haben .
({4})
Es ist so, dass viele dieser Länder gar nicht darüber diskutieren können, wie man aus der Kohle aussteigt, weil
sie schlicht keine haben .
({5})
Natürlich ist es gut und richtig, dass sie gar nicht erst in
eine solche Technologie einsteigen; aber wir haben sie,
und wir müssen auch dafür Sorge tragen, dass bei uns,
({6})
in einem industrialisierten Land, Strom dauerhaft sicher
verfügbar und auch bezahlbar bleibt .
({7})
Ich glaube, da haben wir Gutes auf den Weg gebracht .
Das gilt im Übrigen auch für den Klimaschutzplan,
der von der Bundesregierung vorgelegt wurde . Ich denke, wenn man ihn genau lesen würde - das rege ich an -,
würde man feststellen, dass es dem Plan angesichts der
ihm innewohnenden Konsequenz auch bei den Sektorzielen, die die Ministerin angesprochen hat, immanent
ist, dass natürlich auch wir in Deutschland aus der Kohleverstromung aussteigen werden .
({8})
Wir wollen anderen Ländern, insbesondere den armen, Hilfestellung bei der Umstellung auf emissionsfreie Stromerzeugungstechnologien und bei vielen anderen Umwelttechnologien geben . Insofern ist es gut,
dass wir in Deutschland insoweit einen Beitrag leisten,
als wir erneut eine Exportinitiative für Umwelttechnologien auflegen. Ich bin den Kollegen Berichterstattern
ausdrücklich dankbar, dass wir das gemeinsam gemacht
haben . Ich glaube, wenigstens das könnten Sie von den
Grünen doch ausnahmsweise einmal wertschätzen; denn
ich glaube, diese Initiative ist gut, um die Situation in
Deutschland im Hinblick auf Arbeitsplätze, für den Bereich Forschung und Entwicklung, zu verbessern und
gleichzeitig dort zu helfen, wo Bedarf besteht, um so
auf internationaler, globaler Ebene etwas für den Klimaschutz zu tun .
({9})
Vorhin gab es ganz kurz schon eine Diskussion zum
Thema Solarenergie . Da könnte man sagen, das war quasi ein großangelegtes, aber leider extrem teures Projekt
zum Export von Umwelttechnologien . Die Solarindustrie
in Deutschland ist deswegen kaputtgegangen, weil wir
sie schlicht überfordert haben .
({10})
Die deutschen Produzenten waren angesichts der hohen
Fördersätze nicht in der Lage, mit der Produktion hinterherzukommen . Das hat dazu geführt, dass wir andernorts, insbesondere in Südostasien, die Produzenten erst
groß gemacht haben .
({11})
Andere Themen wurden schon angesprochen; ich
muss es nicht wiederholen . Die Mittel für die internationale Zusammenarbeit, etwa für die europäische
Klimaschutz initiative, haben wir mehr als verdoppelt,
auf 17 Millionen Euro . Auch da zeigt sich, dass sich
Deutschland nicht nur auf nationaler, sondern auch auf
europäischer und internationaler Ebene engagiert .
Die Biodiversität ist angesprochen worden . Auf nationaler Ebene ist insbesondere die Nationale Strategie zur
biologischen Vielfalt von Bedeutung . Mit einem Mittelaufwuchs um 5 Millionen Euro auf 20 Millionen Euro für
2017 leisten wir, denke ich, einen wichtigen Beitrag zur
Stärkung der Biodiversität .
({12})
Besonders freue ich mich über den neuen Werra-Ulster-Weser-Fonds, mit dem dafür Sorge getragen werden
soll, dass die von der Kaliproduktion betroffenen Anrainer beim Umgang mit den negativen Folgen unterstützt
werden .
({13})
Zur Wahrheit gehört, dass wir Kaliproduktion benötigen, und ich hoffe, dass wir uns einig sind, dass die weltweite Ernährungssituation nur mit Kalidünger bewältigt
werden kann . Wir wollen und müssen auch in Deutschland unseren Beitrag dazu leisten . Dazu ist es erforderlich, dass wir die Produktion beibehalten, aber eben auch
denjenigen helfen, die durch die Folgen der über 100 Jahre währenden Produktion und der jahrzehntelangen Verpressung, zum Beispiel in der Region Gerstungen, belastet sind . Das wollen wir mit Nachteilsausgleichen in den
Bereichen Wohnen, Infrastruktur, Siedlungsentwicklung,
Arbeit und Wirtschaft, Bildung, Kinder- und Jugendarbeit, Soziales und Gesundheit, Mobilität, Freizeit und
Tourismus, Kultur, Sport und Engagementförderung sowie Wissenschaft und Forschung tun .
({14})
Als Thüringer erlauben Sie mir zuletzt noch eine Anmerkung zu einem Thema, das 2019 auch in meinem
Heimatland eine besondere Rolle spielen wird: 100 Jahre
Bauhaus .
({15})
Wir stellen im Etat des BMUB 500 000 Euro zur Verfügung, um die Arbeit der gemeinsamen Geschäftsstelle in
Weimar zu unterstützen . Das ist richtig und angebracht,
weil das Bauhaus die Welt im besten Wortsinn verändert
hat . Das kann man städtebaulich an sehr vielen Orten,
nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, nachvollziehen . Aber das Thema Bauhaus entfaltet auch im Bereich
von Kunst und Kultur bis heute seine Wirkungen . Deswegen haben wir nicht nur im Einzelplan 16, sondern das sage ich schon einmal in Vorausschau auf die morgen
zu debattierenden Etats - auch im Bereich der Kulturstaatsministerin weitere 3 Millionen Euro und im Bereich
des Auswärtigen Amtes weitere 2 Millionen Euro auf den
Weg gebracht, um dafür Sorge zu tragen, dass wir dieses
Jubiläum im Jahr 2019 angemessen begehen können .
({16})
Wir haben - auch da bin ich froh, dass wir im Kulturbereich so viel auf den Weg bringen konnten - zum Beispiel für das Reformationsjubiläum erneut Mittel in die
Hand genommen . Das betrifft nicht nur den Bereich des
Baus, wo wir zum Beispiel wieder Möglichkeiten haben,
in Sakralbauten zu investieren, sondern auch die Tatsache, dass wir, nachdem wir im Jahr 2011 mit 5 Millionen
Euro begonnen haben, im nächsten Jahr bei 11,65 Millionen Euro landen, die wir in den Haushalt einstellen, um
das Reformationsjubiläum angemessen begehen zu können . 280 Projekte konnten bislang gefördert werden . Das
ist eine hervorragende Maßnahme, die wir jetzt - im kleinen Maßstab - auch beim Bauhaus fortsetzen werden .
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke,
haushalterisch hat es selten - ich würde sogar sagen:
nie - bessere Zeiten für unser Land gegeben . Wir haben
keinerlei Anlass, uns von Sorgen und Missmut umtreiben
zu lassen . Im Gegenteil: Wir sollten deutlich machen,
wie gut es unserem Land geht . Kein anderes Land - so
eine Studie aus Großbritannien - bietet so hervorragende Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten für junge
Menschen . Wenn das nicht das Beste ist, was Politik in
einem Land für die Zukunft leisten kann, weiß ich es
auch nicht . Dazu haben wir, auch wir Haushälter, unseren Beitrag geleistet . Vielen Dank allen, die sich da mit
eingebracht haben .
Vielen Dank auch für Ihre Aufmerksamkeit .
({17})
Als nächster Redner hat Michael Groß für die
SPD-Fraktion das Wort .
({0})
Herzlichen Dank . - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauer! Das Land
bietet Chancen, das ist richtig, für viele - für viele aber
eben auch nicht . Ich schaue nicht mit besonderer Liebe
auf die Null - sie ist wichtig -, sondern lieber auf das, was
wir gemeinsam, aber insbesondere Barbara Hendricks erreicht hat: nämlich dass wir in die Zukunft investieren,
dass wir einen Haushalt auf den Weg gebracht haben, der
um 24 Prozent aufgewachsen ist und eben auch zeigt,
dass wir für Menschen investieren wollen, damit sie auch
eine Zukunft in unserem Land haben .
({0})
Kollege Meiwald, ich hoffe, wir sind über den Stand
hinaus, dass wir hier gute und schlechte Arbeitsplätze
gegeneinander ausspielen . Es geht um Arbeit für alle,
gute Arbeit mit guten Löhnen . Es gibt sicherlich noch
Menschen, die Arbeitsplätze haben, die Sie nicht mehr
sehen wollen . Sie haben einen entsprechenden Beschluss
gefasst . Nur: Diese Menschen müssen die Mieten bezahlen, sie müssen die Energiewende bezahlen, sie müssen
den Umweltschutz bezahlen, und wir müssen dafür sorgen, dass sie all das auch bezahlen können . Deswegen ist
es wichtig, dass wir die Pfade beschreiten, die Barbara
Hendricks beschrieben hat .
({1})
Sie hat einen Ausstiegsplan vorgelegt,
({2})
der eine Dekarbonisierung bis 2050 vorsieht . Ich kann
Ihren Vorwurf nicht verstehen, dieser Plan sei nicht genügend konkret .
({3})
Wir haben auf unserem Weg viel erreicht . Aber insbesondere den Unionskollegen möchte ich sagen: Der
Markt wird nicht alles richten, aber wir brauchen alle
Akteure . Ich glaube, wir brauchen vor allen Dingen - das
habe ich hier schon einmal gesagt - stärkere kommunale
Unternehmen als Korrektive auf dem Wohnungsmarkt .
Zurzeit besitzen diese bundesweit 3 Millionen von
22 Millionen Mietwohnungen . Dieser Anteil ist viel zu
gering . Deshalb gelingt es uns auch nicht, die Mieten auf
dem Wohnungsmarkt in der Form zu korrigieren, dass
die Menschen sie bezahlen können .
Wir haben aber Folgendes gemacht: Wir haben die
Mittel für die soziale Wohnraumförderung verdreifacht .
Wenn Ihre Arithmetik stimmt, dass wir mit 500 Millionen Euro in 2015 circa 15 000 Wohnungen mit Sozialbindung bauen konnten, dann werden wir diese Zahl jetzt
verdreifachen . Ich sage aber deutlich: Wir von der SPD
erwarten von den Ländern, dass sie aktiv werden und die
Summen heben .
({4})
Für Nordrhein-Westfalen kann ich sagen - es wird
schon den ganzen Tag mit Blick auf Nordrhein-Westfalen
Wahlkampf gemacht -: Wir sind deutscher Meister im
Bau von Sozialwohnungen . 40 Prozent der Wohnungen
mit Sozialbindung, die in Deutschland im letzten Jahr gebaut worden sind, sind in Nordrhein-Westfalen geschaffen worden .
({5})
Ich glaube, damit sind wir ein gutes Vorbild . Wenn alle
Länder so handeln würden, dann hätten wir ein gutes
Wohnungsangebot . Das ist doch wohl eine klasse Sache .
({6})
Die Ministerin hat schon darauf hingewiesen, dass wir
für den Investitionspakt „Soziale Integration“ 200 Millionen Euro jährlich zur Verfügung stellen . Ich halte das
für ein außerordentlich wichtiges Programm, weil es hier,
neben dem Städtebauförderprogramm „Soziale Stadt“,
insbesondere um das Zusammenleben in den Städten und
um Zusammenhalt in der Nachbarschaft geht .
Wir wollen auch die Städte unterstützen, die nicht Teil
der Programmgebiete der sozialen Wohnraumförderung
sind, vor allen Dingen im Städtebauförderprogramm
„Soziale Stadt“ . Neu ist auch, dass wir vorhaben, Menschen als Quartiersmanager zu bezahlen, die den Zusammenhalt gewährleisten und moderieren sollen . Ich glaube, das ist ein guter Weg, um die Städtebauprogramme
zu ergänzen .
Ich möchte mich bedanken . Insbesondere richtet sich
mein Dank an Frau Dött . Die Grüne Hauptstadt Essen erhält mehr Geld, und zwar 3 Millionen Euro . Das ist eine
gute Sache, um auch das Thema Klimaschutz im Ruhrgebiet voranzubringen . Die Stadt Essen kann das Geld sehr
gut gebrauchen .
Zum Thema: Was haben wir erreicht? Frau Bluhm, Sie
sagen: Wir haben verwaltet . - Ich glaube, wir haben sozialdemokratisch gestaltet . Frau Hendricks hat deutlich
gemacht: Das BBSR hat Anfang 2015 geschätzt, dass wir
aufgrund des Zuzugs der vielen Menschen in unser Land
circa 270 000 Wohnungen benötigen . In diesem Jahr
werden wir etwa 300 000 Baugenehmigungen erreichen .
Aus meiner Sicht werden wir also die geschätzten Zahlen des BBSR in Bezug auf den Bau neuer Wohnungen
annähernd erreichen .
Ich glaube, wir befinden uns auf einem guten Weg.
Aber die Maßnahmen reichen bei weitem nicht aus . Es
ist sicherlich wichtig, dass wir eine Diskussion über das
Thema „Gemeinwohlorientierung“ führen . Wir müssen die Unternehmen unterstützen und fördern, die sich
neben dem Thema „bezahlbares Wohnen“ auch um das
Thema „Stadtteilquartiere“ kümmern . Sie sollen dafür
sorgen, dass es Anlaufstellen und Nachbarschaftszentren
gibt . Es muss Akteure geben, die sie bei ihrer Beteiligung
an politischen Prozessen unterstützen . Deswegen werden
wir uns als Sozialdemokraten auf den Weg machen und
prüfen, wie wir die Gemeinwohlorientierung unterstützen können .
({7})
Ich bin fast am Ende meiner Rede . Ich möchte, wenn
Sie mir das erlauben, noch zwei Sätze zur BImA sagen .
Es ist aus meiner Sicht nicht akzeptabel, dass die BImA
bisher von den 100 Millionen Euro, die wir zur VerbilliMichael Groß
gung der Konversionsflächen zur Verfügung gestellt haben, nur 3,5 Millionen Euro ausgegeben hat .
({8})
Es sollte auch eine Subventionierung zum Bau von Sozialwohnungen geben . Es ist nicht akzeptabel, dass die
BImA hier noch nichts umgesetzt hat .
({9})
Es gibt keinen einzigen Vertrag . Ich glaube, es ist an der
Zeit, das BImA-Gesetz zu novellieren .
Herzlichen Dank .
({10})
Als nächster Redner hat Volkmar Vogel für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Sehr verehrte Gäste! Wohnen wird nicht
eine soziale Frage, Wohnen ist eine soziale Frage, und ich denke, da stimmen Sie mir alle zu - Wohnen war auch
schon immer eine soziale Frage . Nach meiner Überzeugung ist die beste, die sozialste Antwort auf diese Frage,
so viele Menschen wie möglich dazu zu bringen, in ihren
eigenen vier Wänden zu wohnen, ihnen die Möglichkeit
zu geben, sich Wohnraum zu schaffen .
({0})
Jeder Vogel baut sein eigenes Nest .
({1})
Der Spruch ist nicht von mir, er ist von meinem Vater .
Diesen Spruch hat er uns mit auf den Weg gegeben, als
er als ehrbarer Kraftfahrer in Eineborn in Thüringen sein
Haus gebaut hat . Ich glaube, er ist ein kluger Mann, und
das, was er sagt, ist richtig .
Auf die Art und Weise machen wir nicht nur eine
Mietwohnung frei für andere Menschen, nein, all diejenigen, die sich diesen Traum verwirklichen können,
sorgen auch für ihr Alter vor, bilden Vermögen, auf das
sie zurückgreifen können, und sorgen dafür, dass unsere
Wohnquartiere stabil sind, dass dort in Eintracht gelebt
wird und soziale Spannungen vermieden werden . Deswegen ist es wichtig, dass wir die Wohneigentumsförderung voranbringen .
({2})
Das ist auch aktive Familienpolitik . Deswegen werbe
ich sehr dafür, dass wir, so gut unser Haushalt auch ausgestattet ist, auch einfache Dinge tun und zum Beispiel
die Höchstgrenze für die Wohnungsbauprämie, die seit
20 Jahren unverändert ist, anheben . Das hilft vor allem
vielen jungen Familien . Wenn wir auch noch die Familienkomponente ausbauen, dann hilft das vor allen Dingen
Familien mit Kindern .
({3})
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Kinderkomponente weiter ausgebaut werden muss, weil - ich komme
darauf zurück -: Jeder Vogel baut sein eigenes Nest .
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen
uns mit den Ländern in Fragen der Baulandbereitstellung
und der Grunderwerbsteuer verständigen . Die aktuelle
Situation läuft dem zuwider, was wir immer fordern: Die
Leute sollen mobil sein . Aber wenn sie in eine andere
Stadt gehen und dort ein Haus erwerben wollen, werden
sie immer wieder aufs Neue mit der Zahlung einer zu
hohen Grunderwerbsteuer bestraft .
Meine Bitte an unseren Bundesjustizminister Maas
lautet: Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie muss praxistauglich gemacht werden .
({4})
Sie ist entstanden in der ersten Angst nach der Finanzkrise - das ist richtig -, jetzt kommt es aber darauf an, sie
praxistauglich zu machen . Zurzeit sind vor allen Dingen
die U 30, also die jungen Familien, gekniffen, aber auch
die Ü 50, also diejenigen, die sich noch einmal daranmachen, ein Haus zu sanieren oder neu zu gestalten; auch
für die wird es schwierig . Hier müssen Anpassungen erfolgen . Das müssen wir auf den Weg bringen .
Aber nicht jeder kann ein eigenes Haus bauen oder
eine eigene Wohnung kaufen, und das will auch nicht jeder . An diese Menschen müssen wir natürlich auch denken . Deswegen kommt es darauf an, den Mietwohnungsbau im Auge zu behalten . Wir brauchen unbedingt einen
ausgeglichenen Mietwohnungsbau in allen Segmenten:
im preiswerten Segment, im mittleren Segment, aber
auch im hochpreisigen Segment . Das gehört alles zusammen . Deswegen müssen wir vor allem die Bauaktivitäten
unterstützen . Wenn gebaut wird, wenn genug Wohnraum
zur Verfügung steht, dann gelingt es am besten, für einen
Ausgleich zu sorgen .
({5})
Vor allen Dingen müssen wir natürlich den bezahlbaren Wohnraum für diejenigen im Auge behalten, die nur
über einen geringen Lohn verfügen oder zu einer mittleren Einkommensgruppe gehören . Das gilt insbesondere
dann, wenn es sich um Familien handelt . Dabei hilft das
Ordnungsrecht über die größte Not hinweg, bei kurzfristigen Schwierigkeiten . Die Mietpreisbremse wird uns auf
Dauer aber nicht helfen .
({6})
Wir können sie immer nur zeitlich begrenzt einsetzen .
Auf Dauer wird sie das Problem nicht lösen .
Ich möchte hier eine Lanze für unsere Wohnungsunternehmen brechen, insbesondere für die kommunalen
und für die genossenschaftlichen . Das, was sie für das
Gemeinwohl in den Kommunen leisten, das, was sie an
Aufgaben der Kommunen übernehmen, weil diese sie aus welchen Gründen auch immer - nicht bewältigen
können, ist enorm und aller Anerkennung wert . Ich bitte
darum, dass wir genau überlegen, ob wir dieses Engagement durch zusätzliche Reglementierungen, zum Beispiel durch die Grenzen, die uns die Gemeinnützigkeit
vorgibt, weiter einengen oder ob wir es gestalten und
fördern, zum Beispiel durch unsere Städtebauförderprogramme .
({7})
Mein Dank geht auch an unsere Haushälter, und zwar
dafür, dass wir die Mittel für die Städtebauförderung von
650 Millionen Euro auf 740 Millionen Euro erhöht haben und zusätzlich die Kompensationsmittel, die an die
Länder fließen, von ursprünglich 580 Millionen Euro auf
jetzt 1,5 Milliarden Euro angewachsen sind . Ich bitte
Frau Ministerin Hendricks, genau darauf zu achten - das,
was mein Kollege Michael Groß für die SPD gesagt hat,
gilt für uns, die Union, genauso -, dass die Länder diese
Mittel zweckentsprechend einsetzen: für sozialen Wohnungsbau und für preiswerte, bezahlbare Wohnungen auf
allen Ebenen . Ich bitte die Linken, darauf zu achten, dass
dies auch in deren Verantwortungsbereich geschieht .
Ich weiß aus Thüringen, dass die Mittel für den sozialen
Wohnungsbau dort leider nicht zu 100 Prozent abgerufen
worden sind .
({8})
Besonders wichtig an diesem Haushalt sind mir die
beiden Stadtumbauprogramme Ost und West . Sie sind
mit einem Volumen von 260 Millionen Euro der größte Investitionsteil im Rahmen der Städtebauförderung .
Unsere gemeinsame Selbstbefassung im Ausschuss hat
mir Mut gemacht, weil sich auch die Länder auf ihrer
Länderbauministerkonferenz sehr positiv über die derzeitigen Evaluierungsergebnisse geäußert haben . Die
Programme laufen eigentlich 2016 aus . Mein Wunsch
ist - das sage ich auch in Richtung unseres Koalitionspartners, der SPD -, dass wir uns schnellstmöglich über
die Evaluierungsergebnisse informieren . Ich bin optimistisch, dass es vielleicht gelingt, noch in dieser Legislaturperiode die Fortsetzung dieses Programms auf den Weg
zu bringen . Das hieße Planungssicherheit für alle Beteiligten und Planungssicherheit für die Kommunen und die
Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind .
({9})
Es wurde bereits angesprochen: Das Programm „Soziale Stadt“ ist von großer Bedeutung, wenn es darum geht,
Spannungen einzudämmen und das Zusammenleben zu
verbessern . Ich möchte an dieser Stelle aber auch sagen:
Es kann nicht das Ziel sein, Konflikte ständig auf diese
Art und Weise zu lösen . Besser ist es, zum Beispiel mit
den Stadtumbauprogrammen und anderen Maßnahmen
dafür zu sorgen, dass solche Konflikte im baulichen Bereich gar nicht erst aufkommen . Dazu gehört die Durchmischung der Quartiere . Es ist gut, dass es uns gelungen
ist, die Baunutzungsverordnung dahin gehend zu ändern,
dass auch urbane Gebiete berücksichtigt werden, dass
also auch in diesen Gebieten weitere Nutzungen, zum
Beispiel gewerbliche, möglich sind .
({10})
Das geht natürlich mit weiterer Verdichtung und Nachverdichtung einher . Deswegen ist es ein großer Erfolg danke an die Haushälter -, dass wir jetzt das Programm
„Grün in der Stadt“ haben . Dafür werden 50 Millionen
Euro bereitgestellt; in der Vergangenheit dümpelte es mit
einem Volumen von 200 000 Euro irgendwo im Haushalt herum . Das ist, glaube ich, ein sehr, sehr wichtiger
Ansatz, um unsere Städte lebenswert zu machen und sie
attraktiv zu halten,
({11})
anstatt davon ausgehen zu müssen, dass sich die sozialen
Spannungen aufgrund von in Beton gegossener Langeweile erhöhen .
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme
zum Schluss . Eines möchte ich nicht unerwähnt lassen:
Bei alledem, was wir tun, sollten wir darauf achten, dass
wir nicht nur auf die Metropolen schauen, sondern auch
auf die kleinen und mittelgroßen Städte, die es genauso
schwer haben . Kleine und mittelgroße Städte nehmen für
das beteiligte Umland eine wichtige Funktion wahr . Es
muss uns gelingen, diesen Ausgleich in unserem Land
aufrechtzuerhalten; denn er ist ein wichtiger stabilisierender Faktor .
Wenn sich Menschen abgehängt fühlen und der Meinung sind: „Keiner kümmert sich mehr um uns“, dann
dürfen wir uns nicht wundern, wenn solche Differenzen
immer mehr nach oben gespült werden . Das ist nicht in
unserem gemeinsamen Sinn . Ich denke, das gilt für alle,
die hier im Saal sitzen . Deswegen ist meine Bitte, darauf
zu achten, dass wir den ländlichen Raum und auch die
kleinen und mittelgroßen Städte, die es ebenfalls nicht
leicht haben, nicht vergessen .
Danke schön .
({12})
Als letzter Redner in dieser Debatte hat Dr . KlausPeter Schulze für die CDU/CSU-Fraktion das Wort .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Lieber Kollege Vogel, ich muss am Anfang eine kleine
Korrektur vornehmen: Nicht jeder Vogel baut sein eigenes Nest . Es gibt auch einige, die nutzen nach . Sie leisVolkmar Vogel ({0})
ten damit einen kleinen Beitrag zum Recycling und zum
Ressourcenschutz .
({1})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ja eingangs von vielen Kolleginnen und Kollegen schon angesprochen worden, dass wir eine Erhöhung des Haushaltsansatzes für das Umweltministerium um fast 24 Prozent
haben . Ich möchte mich, sehr geehrte Frau Ministerin,
bei Ihnen und Ihren Mitarbeitern für die gute Vorlage mit
den Erläuterungen bedanken . Damit war die Bearbeitung
des Haushaltsplans 2017 aus meiner Sicht sehr gut möglich .
Ich möchte mich mit den nächsten Sätzen hauptsächlich auf den Bereich des Naturschutzes konzentrieren . Der Haushaltsumfang ist seit 2014 um 16 Prozent
auf 71,5 Prozent angestiegen . Ich denke, das kann sich
insgesamt sehen lassen, wenn man berücksichtigt, dass
2005 für Naturschutz lediglich 29,2 Millionen Euro im
Haushaltsplan standen, während es jetzt 71,5 Millionen
Euro sind . Insofern können wir doch mit dem Zuwachs
ganz zufrieden sein .
({2})
Insgesamt sind in diesem Jahr 31 Naturschutzgroßprojekte im Haushaltsplan vorgesehen . Sie sind wieder mit
14 Millionen Euro dotiert . Ich habe im vergangenen Jahr
die Sommerpause genutzt, um mir einmal ein solches
Großprojekt an der Unteren Havel - etwa 80 Kilometer
von Berlin entfernt - anzuschauen . Was hier gemeinsam
mit Mitteln der Wirtschaft und des NABUs, aber auch
mit unseren Mitteln und mit Landesmitteln entsteht, ist
vorbildlich . Ich war besonders davon beeindruckt, mit
welch hoher Akzeptanz die Bevölkerung in diesem ländlichen Bereich mit diesem Projekt umgeht . Sie würde
gerne noch viel mehr machen, wenn mehr Mittel zur Verfügung stünden .
Das ist ein gutes Beispiel, wie man mit dem Bereich
des Naturschutzes - es gibt ja oftmals ein Spannungsfeld zwischen Naturschutz und Wirtschaft - gut umgehen
kann . Hier werden sowohl die Landwirtschaft als auch
die Wirtschaft und die Fischerei sehr gut integriert .
({3})
Das Thema Stadtgrün ist schon angesprochen worden .
Ich konnte als Bürgermeister meiner kleinen Heimatstadt
mit 22 000 Einwohnern etwa 40 Millionen Euro aus der
Städtebauförderung einsetzen . Wir haben uns immer gewünscht, dass es ein solches Programm gibt, mit dem
man nicht nur in Beton und Ähnliches investiert, sondern mit dem man auch Freiflächen gestalten und einen
Beitrag zur urbanen Biodiversität leisten kann . Deshalb
mein herzlicher Dank an die Haushälter der Koalitionsfraktionen, die das wesentlich mit vorangetrieben haben .
({4})
Wir werden, wie schon angesprochen, im Rahmen
des Klimaschutzprogrammes die Biodiversität im Ausland unterstützen . Im nächsten Jahr werden dafür etwa
387 Millionen Euro zur Verfügung gestellt . Ich möchte
hier zwei Projekte benennen . Einmal handelt es sich um
das Projekt „Schutz und angepasste Nutzung winterkalter Wüsten in Zentralasien“, zum anderen um das Projekt
„Biodiversität und Klimaschutz in der Mata Atlantica“
in Brasilien . Das sind wichtige Projekte . Man muss aber
auch wissen, dass nicht nur das Umweltministerium Geld
für derartige Entwicklungsprojekte zur Verfügung stellt,
sondern auch das BMZ .
Ich hätte mir ganz einfach gewünscht, dass es uns gelungen wäre, gemeinsam mit der Vorsitzenden unseres
Umweltausschusses, Frau Höhn, sowie mit den Kollegen, die mit in Südamerika waren, das Yasuní-Projekt in
Ecuador anzuschauen, das schließlich von Deutschland
finanziert wird. Ich finde, es ist schon ein Eklat, dass zum
zweiten Mal eine Delegation des Deutschen Bundestages
dort nicht einreisen durfte . Das erinnert mich so ein wenig an die Zeit vor 1989, wo man auch bestimmte Leute
nicht hat einreisen lassen .
({5})
Die Mittel für das Bundesprogramm „Biologische
Vielfalt“ wurden - für mich überraschend - auf 20 Millionen Euro erhöht . Ich wäre ja schon mit den 18 Millionen Euro zufrieden gewesen . Das ist natürlich eine ganz
tolle Sache . Die Mittel sollen ja noch weiter - auf 30 Millionen Euro im Jahr 2020 - erhöht werden . Damit können
wir wieder eine ganze Reihe von Projekten finanzieren.
Insgesamt sind 100 Projekte in allen Bundesländern - außer in Sachsen-Anhalt, Hamburg und Bremen - vorgesehen .
Ein Projekt im benachbarten Freistaat Sachsen - ich
spreche jetzt als Brandenburger - ist das Projekt „Lebendige Luppe“ im Bereich der Stadt Leipzig; bei einem
anderen Projekt geht es um den Sympathieträger Kiebitz
als Botschafter der Agrarlandschaft, den wir sicherlich
alle kennen . Schließlich möchte ich noch das „Projekt
Rotmilan - Land zum Leben!“ erwähnen; denn für den
Rotmilan trägt Deutschland eine ganz besondere Verantwortung, weil Mitteleuropa nun einmal das Zentrum
seines Vorkommens ist . - Das sind nur 3 von mehr als
100 Projekten, die in Deutschland umgesetzt werden .
Diese Projekte könnten wir nicht umsetzen, wenn wir
nicht viele ehrenamtliche Naturschutzhelfer, viele Bürgerinnen und Bürger hätten, die sich dafür engagieren .
Diesen möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich dafür
danken, dass sie ihre Freizeit aufbringen, um das eine
oder andere vor Ort umzusetzen .
({6})
Kollege Meiwald, Sie haben richtigerweise angesprochen, dass die Qualität und die Quantität der Biodiversität nach wie vor abnehmen . Das ist sowohl im Bericht
des Umweltministeriums als auch im Bericht der Europäischen Union deutlich geworden . Die Ursache dafür
nur auf die Pflanzenschutzmittel und die Landwirtschaft
einzugrenzen, halte ich aber für zu kurz gesprungen .
({7})
Die Landnutzung hat sich in den letzten 15 Jahren verändert, und es gibt die schon oft von mir angesprochene
Vermaisung der Landschaft, einen Grünlandumbruch im
Umfang von fast 800 000 Hektar und einen anderen Prädatorendruck; ich will hier nur einmal den Waschbären
nennen, auf den ich gleich vielleicht noch einmal zu sprechen komme, wenn es die Zeit hergibt . Das sind einige
von weiteren Faktoren, die man ganz einfach berücksichtigen muss . Man sollte nicht immer nur die Landwirtschaft als den Buhmann hinstellen . Hier spielen auch
andere Punkte eine Rolle .
({8})
Ich habe es geahnt, dass ich mit meiner Redezeit nicht
ganz hinkomme . Deshalb werde ich mich jetzt kurzfassen und nur noch auf eine Sache zu sprechen kommen .
Wir haben in einem Entschließungsantrag eine gemeinsame Forderung erhoben . Dabei geht es um eine
entsprechende Stellenausstattung des Bundesamtes für
Naturschutz für die Umsetzung des Nagoya-Protokolls .
Dazu gibt es einen Antrag von Oktober 2015, der hier
auch behandelt wurde . Ich kann hier Folgendes feststellen: Durch die neuen Stellen, die das Bundesamt für Naturschutz bekommt - damit meine ich nicht nur die Stellen, die vom Ministerium ohnehin beschlossen worden
waren, sondern auch die, die durch die Haushaltsbereinigungssitzung zur Verfügung gestellt wurden -, können
sich fünf Mitarbeiter mit dem Thema „Nagoya-Protokoll“, drei Mitarbeiter mit dem Thema „Invasive Arten“ - dieses Thema werden wir hier demnächst auch
im Gesetzgebungsverfahren behandeln - und ein Mitarbeiter mit dem Thema „Erneuerbare Energien auf See“
befassen .
Sie wissen ja, dass wir künftig die Flächen entsprechend vorbereiten und dann über Ausschreibungen
Offshorewindparks errichten wollen . Dazu werden die
entsprechenden fachlichen Voraussetzungen zu schaffen
sein, und ich bin mir nicht sicher, ob die eine dafür im
BfN vorgesehene Stelle ausreicht .
({9})
Sicherlich müssen wir hier im nächsten Haushaltsplan
nachsteuern .
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . Ich wünsche allen einen angenehmen Feierabend .
({10})
Ich schließe die Debatte .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor es in den Feierabend geht, gibt es noch etwas zu tun . Wir stimmen
über den Einzelplan 16 - Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit - in der
Ausschussfassung ab . Wer stimmt dafür? - Wer stimmt
dagegen? - Enthält sich jemand? - Damit ist der Einzelplan 16 in der Ausschussfassung mit den Stimmen der
Koalition gegen die Stimmen der Opposition beschlossen worden .
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung .
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 23 . November 2016,
9 Uhr, ein .
Die Sitzung ist geschlossen, und jetzt dürfen Sie auch
Ihren Feierabend genießen .