Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Allen einen wunderschönen guten Tag! Ich freue
mich, dass Sie da sind . Die Sitzung ist eröffnet .
Zunächst noch einige amtliche Mitteilungen . Interfraktionell ist vereinbart worden, die Unterrichtung der
Bundesregierung über die Stellungnahme des Bundesrates und die Gegenäußerung der Bundesregierung auf der
Drucksache 18/9834 zu dem bereits überwiesenen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Versorgungsrücklagegesetzes und weiterer dienstrechtlicher Vorschriften
an den federführenden Innenausschuss sowie zur Mitberatung an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, den Haushaltsausschuss und den Verteidigungsausschuss zu überweisen . Sind Sie mit diesem Vorschlag
einverstanden? - Ich sehe, das ist der Fall . Dann ist so
beschlossen .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen
Kabinettssitzung mitgeteilt: 6. Bericht „Bildung in
Deutschland 2016“.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin für Bildung und Forschung,
Frau Dr . Johanna Wanka . Bitte schön .
Vielen Dank . - Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Alle kennen PISA, TIMSS und die anderen internationalen Leistungsvergleiche, die Antworten geben auf
die Frage: Wie ist das Bildungssystem in Deutschland
im Vergleich zu anderen Ländern? Diese Vergleiche sind
manchmal nicht einfach zu lesen .
Die Bedingungen in Deutschland sind in einigen Bildungsbereichen ganz anders als beispielsweise in Frankreich oder Spanien . Deswegen haben wir - „wir“ heißt:
die Kultusministerkonferenz und die Bildungsministerin - 2006 beschlossen: Wir machen eine eigene statistische Erhebung . Das heißt, alle zwei Jahre gibt es einen
Bericht: Wie steht es um die Bildung in Deutschland?
Wie viele Kinder gehen in den Kindergarten? Wie ist der
Leistungsstand etc .? Damit haben wir eine ausführliche
Darlegung des Bildungsstandes in Deutschland und bekommen eine Längsschnittstudie . Wir wissen jetzt nicht
nur, wie hoch die entsprechenden Zahlen sind, sondern
wir können einen Vergleich zu der Situation vor zwei, vor
vier Jahren anstellen .
Wir haben uns dann in der Kultusministerkonferenz
mit dem Bund über die Indikatoren verständigt . Das ist
die Basis dieses Berichts . Dadurch, dass er eine Längsschnittstudie ist, kann man zum Beispiel ablesen, wie
viele Kinder mit sozialpädagogischem Sonderbedarf
inklusiv beschult werden . Man kann weiterhin ablesen,
wie es mit der Weiterbildung vor fünf Jahren, vor sieben
Jahren gewesen ist .
Man kann jetzt erkennen, dass wir eine Weiterbildungsbeteiligung von 51 Prozent haben . Die Bundesregierung hatte sich mal 50 Prozent vorgenommen . Jetzt
sind es 51 Prozent . Man sieht, wie die Kompetenzzuwächse in den einzelnen Fächern sind . Man erkennt die
Zahl der Schüler, die einen Schulabschluss schaffen oder
nicht schaffen . Es ist die wesentliche Stärke des Bildungsberichtes, dass man dort zu einzelnen Fragen sehr
ausführliche Antworten finden kann.
Zusammenfassend kann man sagen, dass Bildungsstand und Bildungsbeteiligung über einen längeren Zeitraum kontinuierlich gewachsen sind, sich positiv entwickelt haben, dass aber der nationale Bildungsbericht
auf Problemfelder aufmerksam macht, die wir noch in
Deutschland haben .
Ein Punkt, über den wir hier öfter gesprochen haben, ist der bestehende Zusammenhang zwischen dem
Bildungsstand und dem sozioökonomischen Status des
Elternhauses und dem Bildungserfolg des Einzelnen .
Auch dort kann man sehen, dass sich die Dinge positiv entwickeln . Wir haben in den Jahren seit dem ersten
PISA-Bericht gerade einen Leistungszuwachs - wenn
ich das Fach Mathematik nehme, aber auch in anderen
Fächern - bei den schwächeren Schülern, die oft aus solchen Elternhäusern kommen, zu verzeichnen .
Wir stellen eine Differenzierung des Bildungsumfeldes und der Ergebnisse nach Regionen fest, die in dieser Intensität neu ist . Wir haben zum Beispiel die Entwicklung - dies besagt der nationale Bildungsbericht -,
dass es mittlerweile 163 Gemeinden gibt, in denen es
keinerlei staatliche Beschulung im Sekundarschulbereich mehr gibt . Es gibt also Bereiche, zum Beispiel in
Mecklenburg-Vorpommern, in denen es nur noch private
Schulangebote gibt . Das sind Dinge, über die wir natürlich nachdenken müssen . Entsprechende Entwicklungen
kann nur ein solcher Bericht in umfassender Weise zum
Ausdruck bringen .
Der Bildungsbericht umfasst Indikatoren, die alle
zwei Jahre gemessen werden . So kann man die Zahlen
vergleichen . Und im Bildungsbericht gibt es immer ein
Sonderkapitel . Da nehmen wir Millionen in die Hand
und beauftragen eine Forschergruppe, sich ein Bild der
Lage in Deutschland mit Blick auf ein bestimmtes Thema zu verschaffen . Das Thema war zum Beispiel einmal
die kulturelle Bildung im Lebenslauf . Beim allerersten
Bildungsbericht von 2006 hatten wir als Sonderthema
„Migration und Bildung“ . Wir haben uns überlegt, nach
zehn Jahren dieses Thema noch einmal aufzurufen . So
sehen wir im Vergleich noch besser, wie sich die Situation entwickelt hat .
Man kann sagen, dass der Bildungsbericht an dieser
Stelle deutlich zeigt, dass Verbesserungen möglich sind
und auch erreicht wurden, es aber eines längeren Atems
bedarf . Wir sehen dort zum Beispiel den Fakt - er wird
viele überraschen -, dass von den drei- bis unter sechsjährigen Kindern mit Migrationshintergrund 90 Prozent
in Kindereinrichtungen sind und sich auch bei den unter
Dreijährigen die Zahl derer, die in Kindereinrichtungen
sind, in den letzten Jahren fast verdoppelt hat .
Wir hatten noch vor drei oder fünf Jahren die Situation, dass gut 30 Prozent derjenigen mit Migrationshintergrund und 56 Prozent derjenigen ohne Migrationshintergrund einen mittleren Bildungsabschluss erreichten . Jetzt
sind die Zahlen für beide Gruppen gleich; sie liegt in
beiden Fällen bei 56 Prozent . Bei den höheren Bildungsabschlüssen - Gymnasium, Fachhochschulreife - ist der
Anteil derjenigen mit Migrationshintergrund immer noch
wesentlich geringer .
Allerdings ist auch eine These durch diesen Bericht
belegt: Der sozioökonomische Hintergrund ist ganz entscheidend . Man hat nicht nur verglichen, wie viele deutsche Schüler und wie viele Schüler mit Migrationshintergrund in einer Schulform sind, sondern man hat auch
geschaut, wie hoch der Anteil derjenigen ist, die einen
ähnlichen sozioökonomischen Hintergrund haben . Ihr
Anteil ist in den einzelnen Bildungsstufen jeweils gleich
hoch .
Der Bericht umfasst also sehr interessante, differenzierte Schlussfolgerungen und auch eine Bewertung
dazu, was wir mit unseren Maßnahmen bewirkt haben,
wo wir Verbesserungen erreicht haben und wo wir noch
handeln müssen . Ich glaube, gerade beim Thema „Bildung und Migration“ ist der Bericht angesichts der Problematik, jetzt die vielen jungen Flüchtlinge zu integrieren, für uns sehr anregend und nützlich . Man kann dort
auf Erfahrungen mit KAUSA-Beratungsstellen und anderes zurückgreifen .
Insofern ist dieser nationale Bildungsbericht aus meiner Sicht eine Ermutigung. Wir empfinden ihn als Zustimmung zu dem, was wir in Deutschland - „wir“ umfasst
natürlich in starkem Maße die Länder - im Schulbereich
tun, aber eben auch als Hinweis auf Schwachstellen .
Vielen Dank, Frau Ministerin . - Mir liegt eine Reihe
von Wortmeldungen vor . Ich mache darauf aufmerksam,
dass wir uns darauf verständigt haben, dass wir für die
Fragen und für die Antworten, Frau Ministerin, jeweils
maximal eine Minute haben . Die Sekundenanzeige läuft
rückwärts . Das kann man also mitverfolgen .
Ich bitte Sie, zunächst einmal die Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, den die Frau Ministerin gerade
angesprochen hat .
Ich habe hier als Ersten den Kollegen Dr . Thomas
Feist auf der Liste .
Vielen Dank, Frau Ministerin, für den Bericht . - Sie
haben es angesprochen: Wir müssen gerade bei denjenigen mit Migrationshintergrund, aber auch bei denen,
die jetzt zu uns gekommen sind, noch mehr tun . Sie
haben auch darauf hingewiesen, dass die Anzahl der
KAUSA-Beratungsstellen erheblich erhöht worden ist;
auch in Leipzig haben wir jetzt eine . Das ist eine sehr
schöne Sache .
Ich möchte eine kurze Frage zum Übergangssystem
stellen . Wir verzeichnen im Übergangssystem sinkende
Schülerzahlen . Meine Fraktion ist davon überzeugt, dass
das Übergangssystem nur ein Notbehelf sein kann, weil
dafür eine eigene Welt geschaffen wird, die nicht immer direkt mit der Realität verknüpft ist . Das heißt, wir
wollen mehr betriebsnahe Ausbildungsgänge und auch
Verknüpfungen zwischen den Strukturen des bisherigen
Übergangssystems und den Unternehmen . Was kann die
Bundesregierung, was können Sie tun, um die Zahl derer,
die im Übergangssystem landen - es sind immer noch zu
viele -, weiter zu senken?
Es gab Zeiten, in denen sich über 400 000 Jugendliche im Übergangssystem befunden haben, jetzt ist die
Zahl wesentlich geringer . Sie haben recht: Es sind immer noch zu viele . Aber wir werden auch in Zukunft ein
Übergangssystem für diejenigen brauchen, die die Schule verlassen und nicht ausbildungsreif sind; denn diese
Jugendlichen müssen wir besonders fördern .
Unser Haus gibt für die Verringerung des Übergangssystems, für Maßnahmen zur Berufsvorbereitung und
zum Nachholen von Abschlüssen beträchtliche Millionenbeträge aus . Wir werden das vielleicht auch noch
in stärkerem Maße tun, weil wir nicht wollen, dass sich
durch die Flüchtlingszahlen die Zahl der Menschen
im Übergangssystem wieder erhöht . Wir haben das im
Blick . Aber aus meiner Sicht wird in Deutschland immer
ein Übergangssystem benötigt werden, um denjenigen zu
helfen, die Unterstützung nötig haben . Das soll praxisnah
und berufsnah erfolgen . Das ist der richtige Weg; da bin
ich ganz Ihrer Meinung .
Danke schön . - Jetzt hat der Kollege Uwe Schummer
das Wort .
Frau Ministerin, es ist eine gute Nachricht, dass wir
das Ziel einer Weiterbildungsquote von über 50 Prozent dieses Ziel haben wir uns in der letzten Großen Koalition
gemeinsam gesteckt - erreicht haben . Die von Ihnen genannten 51 Prozent dokumentieren diesen Erfolg .
Meine Frage lautet: Welchen Beitrag haben die Weiterbildungsprämie und die damit verbundenen Bildungsberatungsstellen, die geschaffen wurden, in Bezug auf
diese Entwicklung geleistet? Gibt es noch weitere Angebote wie „Lernen im Lebenslauf“, um gemeinsam mit
den Ländern und der Wirtschaft Initiativen im Weiterbildungsbereich zu fördern?
Wir haben kürzlich den 25 . Jahrestag des Weiterbildungsstipendiums gefeiert . Das ist ein entscheidendes
Instrument . Viele derer, die es in Anspruch genommen
haben, sagen, dass sie ohne dieses Programm die Weiterbildung nicht absolviert hätten . Es gibt zum Beispiel
das Instrument der Bildungsprämie, die wir allerdings
noch attraktiver gestalten wollen; denn wir haben gesehen, dass wir mit der Bildungsprämie genau diejenigen
erreichen, die wir auch erreichen wollen, nämlich jene in
den unteren Bildungskategorien .
Zu der Weiterbildungsquote von 51 Prozent . Man
muss sagen, dass die betriebliche Weiterbildung in starkem Maße zu diesem Erfolg beigetragen hat . Deswegen ist es unsere Intention, diese Entwicklung über die
Weiterbildungsberatungsstellen, über Industrie 4 .0, über
betriebliche Weiterbildung und über digitale Formen der
Weiterbildung zu stärken .
Wir müssen auch registrieren, dass Menschen mit
Migrationshintergrund die allgemeinen Weiterbildungsangebote in demselben Maße wahrnehmen . Aber bei
der betrieblichen Weiterbildung gibt es noch ein Leck .
Deswegen müssen wir uns überlegen: Wie können wir
bei KAUSA oder anderen Maßnahmen nicht nur für die
Erstausbildung, sondern auch gezielt für die Weiterbildung werben?
Danke schön . - Jetzt hat der Kollege Karamba Diaby
das Wort und danach der Kollege Ernst Dieter Rossmann .
({0})
Es geht nach der Reihenfolge . - Frau Ministerin, Sie
haben häufig als Stichwort die sozioökonomischen Bedingungen genannt . Deshalb meine Frage: Welche Chancen sieht die Bundesregierung in Bezug auf die Sanierung und Ausstattung der Schulen in finanzschwachen
Kommunen? Denn der Zusammenhang ist bekannt: Der
Bildungserfolg hängt von sozioökonomischen Faktoren
ab, also von der sozialen Herkunft der Schülerinnen und
Schüler und auch von sozialen Risikofaktoren . Welche
Maßnahmen, um diesen Zusammenhang nachhaltig aufzubrechen, sind von der Bundesregierung ganz konkret
vorgesehen?
Was den sozioökonomischen Hintergrund anbetrifft
und die Frage, wie man Schülerinnen und Schüler mit
entsprechendem Hintergrund erreichen kann: Das ist in
sehr starkem Maße eine Frage des pädagogischen Konzeptes . Ich glaube, wir haben uns innerhalb der Bundesregierung viel Gutes überlegt, aber nicht immer wird die
Zielgruppe wirklich erreicht . Bei „Kultur macht stark“
ist das zum Beispiel gelungen . Die Evaluation dieser
Maßnahme zeigt deutlich: Wir erreichen genau die Kinder und Jugendlichen, die wir erreichen wollten, und wir
bieten ihnen etwas, was für ihr ganzes Leben wichtig ist .
Die Auswertung der Initiative Bildungsketten, die wir
gemeinsam mit der Arbeitsministerin auf ganz Deutschland ausgeweitet haben, zeigt, dass wir damit besonders
die Kinder und Jugendlichen erreichen, die es nicht so
einfach im Leben haben, weil sie einen schwierigen Hintergrund haben .
Es geht aber nicht nur um die Ausstattung, sondern vor
allen Dingen auch um das pädagogische Konzept . In Bezug auf die Ausstattung im Bildungsbereich haben wir die
Situation, dass bereits jetzt finanzschwache Kommunen
mit 3,5 Milliarden Euro unterstützt werden . Sie dürfen
Maßnahmen zur energetischen Sanierung vornehmen . In
den Bund-Länder-Verhandlungen am Freitag wurde gesagt: Das werden wir auch auf weitere finanzschwache
Kommunen ausdehnen . - Es gibt hier vielleicht nicht immer eine Korrelation zu sozioökonomisch schwach aufgestellten Familien, aber einen gewissen Zusammenhang
gibt es doch; denn dort leben besonders viele Familien,
die ein entsprechendes Angebot brauchen .
Vielen Dank . - Herr Kollege Rossmann .
Frau Ministerin, die Autoren des nationalen Bildungsberichts sagen - das zeigt sich auch in der Stellungnahme
der Bundesregierung -, dass wir mit Blick auf den Zusammenhang zwischen sozialem Herkommen und Bildungserfolg noch nicht so weit sind, wie wir sein wollen .
Was sind die Schlüsselprojekte der Bundesregierung im
frühkindlichen und schulischen Bereich, mit denen sie
diesen Zusammenhang aufbrechen will, damit es mehr
Bildungsaufstieg und eine stärkere Entkopplung der Bildungschancen von dem sozialen Herkommen gibt? Bitte
nennen Sie ein, zwei Schlüsselprojekte, an denen Sie arbeiten .
Vielleicht eine Bemerkung zum Zusammenhang: In
einem Bundesland können wir hinsichtlich des Leistungsstandes der Kinder in der vierten Klasse, also im
Grundschulbereich, mittlerweile eine Entkopplung verzeichnen . In einem Bundesland werden allen Kindern,
unabhängig vom Elternhaus, die gleichen Chancen geboten - jedenfalls besagen die Ergebnisse das -, und zwar
in Sachsen. Ich finde es sehr gut, dass sich die Bundesländer Bayern und Nordrhein-Westfalen in unserem föderalen System jetzt mit der Frage beschäftigen, wie man
das flächendeckend hinbekommen kann. Der Bund kann
hierbei nur unterstützend wirken, durch Maßnahmen im
ökonomischen Bereich, durch Maßnahmen im Bereich
Arbeitssicherung und anderes .
Ein Schlüsselprojekt ist „Kultur macht stark“, weil wir
wissen, dass das wirkt . Mit diesem Projekt wird etwas
erreicht, was ansonsten überhaupt nicht funktioniert . Ein
Schlüsselprojekt ist auch das Projekt „Haus der kleinen
Forscher“, über das Kinder in den ersten Lebensjahren
gefördert werden . Wichtig ist auch die Forschung dazu .
Zum Beispiel im Bereich Sprachförderung werden in allen Bundesländern Projekte durchgeführt, die aber keine
besonderen Effekte haben . Deswegen ist die begleitende Forschung, insbesondere zum Thema Inklusion, also
zum Umgang mit Heterogenität, wichtig .
An dieser Stelle kann ich auch unsere „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ nennen . Es ist wichtig, wie die Lehrer in den Schulen mit Heterogenität umgehen, wie sie
mit Kindern aus ganz unterschiedlichen Familien umgehen . Ich glaube, es ist wichtig, das zu erforschen . Wir haben dazu schon ganz viele Projekte, die wir im Rahmen
der Qualitätsoffensive durchführen . Und es gibt die klare
Vereinbarung, dass man, wenn ein solches Projekt gut
läuft - das kann zum Beispiel ein bestimmtes Vorgehen
im Chemieunterricht sein -, dieses Projekt deutschlandweit ausrollt, damit andere Lehrerbildungsinstitutionen
davon profitieren können und dieses Projekt übernehmen
können . Das ist nicht nur ein Versprechen, sondern eine
Verpflichtung derer, die ein solches Projekt erfolgreich
realisieren . Es kann aber auch Projekte geben, die nicht
so erfolgreich sind . - Das sind einige Schlüsselbereiche,
in denen wir uns bemühen .
Vielen Dank . - Jetzt der Kollege Kai Gehring und
dann Özcan Mutlu . - Ich darf die Ministerin noch einmal
daran erinnern, die Redezeit von einer Minute einzuhalten .
Ganz herzlichen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie es
jetzt auch der Opposition gestatten, Fragen zu stellen nach vier Regierungsfraktionären .
({0})
Frau Ministerin, der Bildungsbericht macht überdeutlich, dass es massive regionale Unterschiede und regionale Ungerechtigkeiten gibt . Das gilt für Kita-, Schulund Ausbildungsangebote in der Republik . Also nicht nur
die soziale Herkunft, sondern auch die Postleitzahl des
Wohnortes entscheidet über die Chancen von Kindern
und Jugendlichen in dieser Republik . Es darf einfach
keine abgehängten Gegenden und keine abgehängten
Stadtteile in Deutschland geben, in denen die Kinder und
Jugendlichen schlechtere Chancen haben als anderswo .
Ich glaube, dieser Bildungsbericht zeigt: Da muss mehr
passieren .
Deshalb frage ich Sie: Welche Maßnahmen wird die
Bundesregierung jetzt einleiten bzw . neu ergreifen, um
diesem verschärften Strukturproblem der massiven regionalen Disparitäten entgegenzuwirken? Seit der Einigung am Freitag haben Sie diesbezüglich ja neue Möglichkeiten .
Völlig unabhängig von neuen Möglichkeiten, die Sie
am Horizont sehen, möchte ich erst einmal richtigstellen:
Die regionalen Disparitäten sind zum Teil sehr unterschiedlich . Hinsichtlich des Mangels an Auszubildenden
zum Beispiel sieht es in Deutschland regional ganz unterschiedlich aus . Diesen Mangel haben wir zum Teil in
ländlichen Bereichen, wo junge Leute fehlen; aber auch
in Bereichen Bayerns, in denen eine ganz hohe Arbeitsproduktivität vorliegt und wo viele in Beschäftigung
sind, ist ein Bedarf vorhanden . Das ist also nicht immer
der gleiche Mangel .
({0})
Für den Mangel gibt es manchmal entgegengesetzte Ursachen .
Herr Gehring, für den Kitaausbau in der Bundesrepublik Deutschland haben wir - ich sage es noch einmal - in der vorletzten Runde 450 Millionen Euro zur
Verfügung gestellt . Gerade die Kommunen im ländlichen
Bereich, in denen ein Mangel herrscht, sind jetzt am Zug .
Bei dem Projekt zum Breitbandausbau, für das Herr
Dobrindt zuständig ist, haben wir dafür gesorgt, dass
dieses Projekt insbesondere von Schulen genutzt werden
kann .
({1})
Ich glaube, der Breitbandausbau ist gerade in ländlichen
Bereichen eine Notwendigkeit . Die Förderung des ländlichen Bereichs, um eine Kategorie herauszugreifen, die
wir seitens des Bundes betreiben, hat auch die Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland zum Ziel .
Özcan Mutlu .
Frau Ministerin, danke für die einleitenden Worte . Ich muss ein bisschen Wasser in den Wein gießen . Sicherlich ist zu beobachten, dass wir uns als eines der
reichsten Länder der Welt seit dem PISA-Schock 2001 immerhin ist es 15 Jahre her - zum Positiven entwickeln .
Das ist aber für mich keine große Erfolgsmeldung . Wenn
man sich diesen Bericht anschaut, sieht man: Nach wie
vor sind soziale Disparitäten vorhanden . Nach wie vor
entscheidet die soziale Herkunft und im Extremfall, wie
auch dieser Bericht zeigt, die ethnische Herkunft über
den Bildungserfolg . Sie haben vorhin in diesem Zusammenhang einige Punkte aufgezählt .
Ich möchte konkret von Ihnen wissen: Eines der Ziele
des Bildungsgipfels 2008 war es, die Ausbildungsbeteiligung, vor allem auch der Abgehängten, der Risikogruppen, zu erhöhen . Wenn man sich die Zahlen hier genau
anschaut, sieht man: Zwischen 2013 und 2014 ist der Anteil der ausländischen Schülerinnen und Schüler, die die
Schule ohne Abschluss verlassen haben, von 10,7 Prozent auf 11,9 Prozent gestiegen . Das ist also genau das
Gegenteil von dem, was man versprochen hat . Daher
meine Frage: Was tun Sie konkret, um diese Gruppe der
Risikoschülerinnen und -schüler zu Erfolgen zu führen?
Wir haben die Zahl derer, die in der Bundesrepublik
Deutschland die Schule ohne Abschluss verlassen, reduzieren können, und zwar von 8 Prozent auf 5,8 Prozent .
({0})
Auch bei den Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund gibt es über die Jahre einen solchen Rückgang . Sie haben jetzt nur eine Jahresscheibe betrachtet;
dazu kann ich jetzt nichts sagen. Die demografische Entwicklung ist so, dass wir eigentlich eine viel geringere
Ausbildungsbeteiligung haben sollten . Das heißt, es sind
weniger junge Leute geworden . Die Ausbildungsbeteiligung ist aber gegen diesen Trend gewachsen, Herr Mutlu .
Jetzt hat die Kollegin Dr . Rosemarie Hein und dann
die Kollegin Hupach das Wort .
Frau Präsidentin, vielen Dank . - Frau Ministerin, die
Bundesregierung und auch die Koalition betonen immer
wieder, dass es wichtig ist, die Durchlässigkeit im Bildungssystem zu befördern . Auch im Bericht steht, dass
es ganz unterschiedliche Wege zum Abitur, ganz unterschiedliche Wege in den Beruf gibt, dass es dazwischen
auch sehr viel Bewegung gibt und Bildungsbiografien
eben nicht mehr so verlaufen wie noch vor 20, 30 Jahren .
Der Bericht zeigt sowohl Probleme als auch Möglichkeiten auf, wie man künftig damit umgehen möchte und
umgehen könnte .
Ich möchte Sie gerne fragen, was die Bundesregierung tun möchte und tun kann, diese Durchlässigkeit,
und zwar in unterschiedliche Richtungen und nicht nur
in eine, zu befördern, und welche Anstrengungen Sie
künftig unternehmen wollen, um Fördersysteme, die es
ja gibt, auskömmlich und auch so zu gestalten, dass sie
untereinander kompatibel sind .
Ich glaube, die Frage der Durchlässigkeit kann man
nicht mit Förderprogrammen beantworten . Hier muss
flächendeckend etwas unternommen werden, Frau Hein.
Die Frage wird auch vonseiten der Bundesregierung angegangen . Ich denke zum Beispiel an die Schnittstelle
zwischen Schule und Hochschule; das ist ja so ein Punkt .
Da haben wir in Deutschland - Bildungsgipfel 2008, Beschluss aller Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin - entschieden, dass entgegen dem, was wir immer
hatten, nicht mehr das Abitur die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung ist, sondern dass in Deutschland
das Studieren mit beruflicher Qualifikation möglich ist.
Daraufhin sind alle Ländergesetze geändert worden, zuallererst in Brandenburg .
Der Bund flankiert und unterstützt das mit dem großen
Programm „Offene Hochschulen“ . Denn die Hochschulen wissen bisher nicht, wie man damit umgeht, wenn
jemand berufliche Erfahrung hat, also mehr praktische
Erfahrung, aber ihm Theorie fehlt . Das Programm „Offene Hochschulen“ ist einer der ganz wesentlichen Impulse in diesem Bereich . Wir wollen erreichen, dass diese
Möglichkeit, die zwar rechtlich geregelt ist, aber noch
nicht allen bekannt ist - dies wird noch Jahre dauern -,
genutzt wird und dass die Hochschulen entsprechende
Erfahrungen sammeln .
Auf der anderen Seite gab es im vorletzten Jahr von
meiner Seite die Initiative, die hohen Abbrecherquoten
bei den Studierenden zu verringern . Trotzdem gibt es
gerade in den naturwissenschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Fächern viele, die abbrechen . Deswegen
war die Initiative von unserer Seite ein Wettbewerb: Wie
kann man erreichen, dass diese pfiffigen jungen Leute,
die das Abitur geschafft haben und einige Semester studiert haben, wahrgenommen werden und dass sie eine
Chance haben in der dualen Ausbildung? Dazu haben wir
in fast jedem Bundesland Modellprojekte . - Ich weiß,
Frau Schmidt, die Zeit .
Es ist so, dass alle, die eine Frage haben, noch drankommen sollen . Da ist es gut, wenn sich jeder an die Zeit
hält . - Jetzt hat die Kollegin Hupach das Wort .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Frau Ministerin
Wanka, es ist sicherlich positiv, dass der Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren so schnell
vorangekommen ist, dass die Anzahl der Plätze von 2013
bis 2015 auf circa 100 000 gewachsen ist . Das ist sicherlich positiv . Aber es ist auch erkennbar, dass die Disparitäten in diesem Betreuungsbereich praktisch nicht abbaubar waren . Der Bedarf an Kitaplätzen wird aufgrund von
Geburtensteigerung, was sehr positiv ist, und Zuwanderung steigen . Der nächste Schritt sollte doch sein, die
Qualität zu sichern . Ich frage Sie: Warum sperrt sich die
Bundesregierung weiterhin dagegen, ein Kitaqualitätsgesetz auf den Weg zu bringen, um Qualität zu sichern? Es
ist noch lange nicht selbstverständlich, dass in jeder Kita
Bildungspläne implementiert sind . Vielleicht können Sie
dazu etwas sagen .
Vielen Dank .
Sie haben völlig recht, dass die Nutzung der Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren enorm
zugenommen hat . Zum Beispiel hat sich der Anteil bei
denen mit Migrationshintergrund seit 2009 von 11 auf
20 Prozent fast verdoppelt . Bei den Deutschen hat sich
der Anteil noch stärker erhöht . Fast 38 Prozent der unter Dreijährigen sind heute in den Kindereinrichtungen .
Der Bund hat jetzt noch einmal Geld in Millionenhöhe,
100 Millionen Euro, zur Verfügung gestellt . Wir warten
nun darauf, dass es von den Gemeinden abgerufen wird,
um die Angebote auszubauen .
Was die Qualitätssicherung angeht, denkt die Familienministerin zusammen mit den Ländern über Standards
und darüber nach, wie man die Qualität in den Kindereinrichtungen erhöhen kann, ohne dass der Bund der
Oberlehrer ist; denn diese Funktion hat er an dieser Stelle
nicht .
Danke . - Jetzt hat die Kollegin Beate WalterRosenheimer das Wort .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Frau Ministerin
Wanka, die Autorengruppe hat durchaus zu Recht darauf
hingewiesen, dass Deutschland seine Bildungsinstitutionen für die Einwanderungsgesellschaft schon längst hätte fit machen müssen. Mittlerweile ist es unaufschiebbar.
Ich würde gerne von Ihnen konkret hören, was Sie gerade
im Bereich der beruflichen Bildung gedenken zu tun, ob
Sie zum Beispiel auch planen - es wird ja mehr als digitale Modernisierung benötigt -, im Bereich Sprachförderung richtig etwas draufzulegen, was ausbildungsbegleitend sehr sinnvoll wäre .
Sprachförderung gerade für die jungen Flüchtlinge diese betrifft es ja besonders -, die im letzten Jahr gekommen sind, leisten wir vonseiten der Bundesregierung
in Millionenhöhe . Das ist aber nicht in meinem Ressort, sondern im Arbeitsministerium, im Innenministerium verankert . Es handelt sich um eine breitgefächerte
Sprachbildung .
Wir finanzieren in unserem Programm, in dem es um
die 10 000 Plätze im Handwerk geht, Sprachförderung
mit Blick auf die berufliche Bildung durch individuelle
Begleitung, durch Coaching . Wir haben im letzten Jahr
sehr schnell gehandelt, damit wir über Apps und anderes
die jungen Leute, die zu uns geflüchtet sind, in den Stand
versetzen, passend zu den Kursen, die sie besuchen sollen, sich selber weiterzubilden .
Darüber hinaus wollen wir mit dem Geld, das wir für
die jungen Flüchtlinge zusätzlich zur Verfügung stellen,
in den überbetrieblichen Ausbildungsstätten gerade die
sprachliche Bildung fördern, die natürlich wichtig ist;
denn für manche Berufe sind gute Sprachkenntnisse unverzichtbar, weil man sich mit Kunden auseinandersetzen muss . Das ist also generelle Haltung der Bunderegierung . Für uns bedeutet das mehr Geld oder überhaupt
Geld in die ÜBSen, um das zu realisieren .
Martin Rabanus hat jetzt das Wort, danach die Kollegin Alexandra Dinges-Dierig .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Frau Ministerin, ich
habe mich sehr darüber gefreut, dass wir im Bereich der
Weiterbildung Erfolge zu verzeichnen haben . 51 Prozent
Weiterbildungsbeteiligung ist schon eine Hausnummer .
Ich bin sehr gespannt auf den 7 . Bericht, weil ja dann die
Maßnahmen, die wir in den letzten Jahren beschlossen
haben, wie zum Beispiel AFBG, aber auch Maßnahmen
in den anderen Programmbereichen erst wirken werden .
Ich bin wirklich sehr gespannt, wie wir dann liegen werden .
Der Bericht besagt, dass 50 Prozent der Erwachsenen
das nonformale, informelle Lernen nutzen . Sie stellen in
Ihren Schlussfolgerungen fest, dass wir dies - ich sage
das mit meinen Worten - erschließen müssen, handhabbar machen müssen . Dazu habe ich folgende Fragen . Die
Initiative ValiKom läuft ja seit 2015 . Gibt es von den
Leitprojekten erste Zwischenergebnisse? Wie ist die Perspektive, das in die Fläche auszurollen? Und was planen
Sie darüber hinaus, um diese nonformalen, informellen
Kompetenzen weiter und besser zu heben?
Danke, dass Sie ValiKom erwähnt haben . Ich glaube,
es war sehr vorausschauend, diese Initiative einzurichten . Es hätte dazu gar nicht des Flüchtlingszustroms im
letzten Jahr bedurft . Vielmehr wurden die entsprechenden Überlegungen schon vorher angestellt, bis hin zur
Einrichtung von Internetseiten, auf denen sich die Ausbilder sofort informieren können, wie es aussieht . Wir
sind noch nicht in der Lage, zu sagen, ob ValiKom so
gewirkt hat, dass man es flächendeckend ausrollen sollte,
und welche weiteren Fördermaßnahmen man ergreifen
sollte . Aber ich denke, wenn wir wissen, was sinnvollerweise gefördert werden sollte, dann sollten wir auch hier
Fördermechanismen entwickeln .
Zu Ihrer ersten Bemerkung . Sie möchten gerne wissen, wie die Maßnahmen, die wir zum Beispiel beim
Aufstiegs-BAföG beschlossen haben, wirken . Ich bin
ein bisschen vorsichtiger als Sie, weil es im Bildungsbereich manchmal etwas länger als zwei Jahre dauert, ehe
man einen Effekt feststellt . Aber nach den Erfahrungen,
die ich in den betreffenden Institutionen gemacht habe,
sind unsere Maßnahmen für viele Menschen ein Impuls,
sich zu überlegen, ob sie mit einer entsprechenden Ausbildung beginnen . Dies gilt auch im Hinblick auf die
Weiterbildungsprämie . Das sind Instrumente, die sich
bewährt haben . Ich bin sehr optimistisch, dass sie positiv
wirken . Ob man diese Wirkung schon an der nächsten
Evaluierung ablesen kann, weiß ich allerdings nicht .
Danke . - Jetzt die Kollegin Alexandra Dinges-Dierig
und danach der Kollege Mutlu .
Danke, Frau Präsidentin . - Frau Ministerin, unser
Hochschulstandort und unser Wissenschaftsstandort sind
so attraktiv wie, glaube ich, noch nie zuvor . Wir haben
eine wachsende Zahl von Hochschulzulassungen zu verzeichnen, und immer mehr Menschen studieren . Auch die
Zahl ausländischer Studierender an unseren Hochschulen
nimmt zu . Was kann und will die Bundesregierung tun,
um diese Entwicklung an den Hochschulen bestmöglich
zu unterstützen?
Wir haben nicht nur immer mehr ausländische Studierende, sondern wir haben sogar den Höchststand an
ausländischen Studierenden zu verzeichnen, den es in der
Bundesrepublik Deutschland je gab . Das spricht für die
Attraktivität unseres Systems . Eine Komponente war der
Hochschulpakt, durch den zusätzliche Gelder für neue,
attraktive Studiengänge zur Verfügung gestellt wurden .
Was nun getan werden muss, ist Folgendes: Die Attraktivität des Studiums und insbesondere der Ingenieurstudiengänge muss erhöht werden . In den Ingenieurstudiengängen kommen mehr ausländische Studierende zu
uns als in allen anderen Studiengängen . Das Qualitätsbewusstsein im Hinblick auf diese Studiengänge, aber auch
das internationale Marketing sind wichtig . Im Zusammenhang mit den Flüchtlingen haben wir studentische
Initiativen, die sich um ausländische Studierende kümmern, honoriert; das ist erfreulicherweise auch von den
Ländern registriert worden . Jetzt haben wir beschlossen,
dies weiter fortzusetzen .
Was wichtig ist, Frau Dinges-Dierig, und was wir gerne schaffen wollen, ist, dass wir nicht nur viele, sondern
die besten jungen Leute aus dem Ausland zu uns holen .
Es gibt auch neue Überlegungen dazu, wie man es erreichen kann, dass die Besten nicht nach Harvard oder
Oxford gehen, sondern zu uns kommen .
({0})
Vielen Dank . - Der Kollege Mutlu und dann die Kollegin Rosemarie Hein .
Frau Präsidentin, herzlichen Dank . - Ich habe eine
weitere Frage an die Ministerin . Im Jahre 2009 hat
Deutschland die UN-Konvention über die Rechte von
Menschen mit Behinderungen ratifiziert. Seitdem ist eine
Menge Wasser die Spree hinuntergeflossen. Abgesehen
von einigen wenigen Bundesländern, die sich in puncto Inklusion auf den Weg gemacht haben, zum Beispiel
NRW, würde ich gerne konkret von Ihnen wissen, wie
Sie denn gedenken, die Ziele der Konvention, die wir ratifiziert haben, zu erreichen. Wenn man sich den Bericht
ansieht, stellt man fest, dass in Deutschland lediglich
34 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf allgemeinbildende Schulen
besuchen . Das ist von dem Ziel, das wir uns gesetzt haben, weit entfernt . Also: Was werden Sie konkret unternehmen, um die Ziele der UN-Konvention, was die Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung
in allgemeinbildenden Schulen betrifft, zu erreichen?
Entscheidend ist, dass wir die Fehler, die wir vor Jahren gemacht haben, nicht mehr machen . Das heißt, wir
dürfen nicht einfach sagen: „Inklusion wird in Frankreich
so und in den USA so gemacht; wir machen das genauso“, sondern wir müssen in Sachen Inklusion Angebote
machen, die zum deutschen Bildungssystem passen . Es
gibt Untersuchungen der Bertelsmann-Stiftung, deren
Ergebnisse zeigen, dass Länder, die versucht haben, ganz
schnell für Inklusion zu sorgen, um im Ranking oben zu
stehen, viele Fehler gemacht haben .
Im Bildungsbericht 2014 findet man ein Sonderkapitel zum Umgang mit Heterogenität und Inklusion . Dort
haben wir Empfehlungen formuliert . Wir versuchen, ihre
Umsetzung zu unterstützen . Eine dieser Empfehlungen
lautet, die Diagnosefähigkeit der Lehramtsstudenten zu
erhöhen . Das leisten wir im Rahmen verschiedener Projekte . Diese Maßnahme muss sich aber auch im Weiterbildungssystem wiederfinden. Eine Erkenntnis ist: Es fehlt
an Forschungsergebnissen, wie man dabei möglichst geschickt vorgeht und wie man mit der vorhandenen Lehrerausstattung erreichen kann, dass wirklich individuell
geschult wird, und zwar auch dann, wenn Schülerinnen
und Schüler mit und ohne Behinderung in einer Klasse
gemeinsam unterrichtet werden . Dazu haben wir ein großes Forschungsförderprogramm aufgelegt .
Im Bereich der beruflichen Bildung heißt es natürlich
vor allen Dingen, die Berufsschullehrer zu schulen . Das
geschieht auch durch die Qualitätsoffensive Lehrerbildung .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegen hier jetzt
noch elf Wortmeldungen vor . Ich schlage vor, dass alle
bedacht werden und ihre Fragen noch stellen können,
weil das ein wichtiges Thema ist . Damit würde ich die
Redeliste aber gerne schließen, da wir heute auch noch
andere Themen zu behandeln haben .
({0})
- Der Kollege Beck, der sich eben schon einmal gemeldet hat, kommt auch noch auf die Liste . - Ich hoffe, dass
die Frau Ministerin so lange Zeit hat .
Aber klar .
Danke schön . - Jetzt hat die Kollegin Hein das Wort .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Frau Ministerin, im
Bereich der frühkindlichen Bildung, wo viele Plätze geschaffen worden sind, haben wir ein ganz großes Problem
mit der Qualität, weil wir zu wenige und nicht gut genug
ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher haben . Deren
Ausbildung ist bislang Länderaufgabe, und es gibt dazu
eine Vereinbarung der KMK im Zusammenhang mit der
Fachschulordnung . - Das weiß ich alles .
Da diese Ausbildungen in den einzelnen Ländern immer noch sehr unterschiedlich sind - es werden sehr unterschiedliche Dinge ausgebildet und die Strukturen und
Ergebnisse sind ebenfalls sehr verschieden -, möchte ich
Sie fragen, ob Sie sich vorstellen können, bei den Erziehungsberufen eine ähnliche Lösung zu finden, wie man
sie bei den Gesundheits- und Heilberufen gefunden hat .
Für jeden einzelnen dieser Berufe gibt es ein Bundesgesetz, obwohl auch diese Ausbildungen Ländersache sind .
Könnten Sie sich so etwas für die Zukunft vorstellen, um
die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher einheitlicher und in der Qualität besser zu machen?
Die qualitative Verbesserung der Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher ist ein ganz wichtiges Anliegen . Ich denke, dass die Finanzprobleme, die bei der
Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher durch die
Praktika aufgetreten sind, durch unser Aufstiegs-BAföG
nun besser gelöst werden, Frau Hein . Diese Möglichkeit,
die wir geschaffen haben, muss in den Ländern nun genutzt werden .
Ich bin aber nicht der Meinung und habe nicht die
Heilserwartung, dass ein Gesetz für die gesamte Bundesrepublik immer der beste Weg ist . Schauen Sie nach
Frankreich oder Spanien, wo es sehr einheitlich geregelt
ist und nicht funktioniert . Ich habe bis jetzt noch keine
Bereitschaft vonseiten der Kultusministerkonferenz gehört - sie können sich auch untereinander verständigen;
dazu braucht man den Bund eigentlich nicht -, dort initiativ zu werden .
Danke . - Jetzt der Kollege Dr . Philipp Lengsfeld und
danach der Kollege Karamba Diaby .
Frau Präsidentin! Frau Ministerin, mein Thema ist
noch einmal die Qualität der Bildung . Uns allen ist bewusst - das klang ja auch schon im Bereich Kita an; ich
glaube aber, das bezieht sich nicht nur auf den Bereich
Kita -, dass hier durchaus noch ein bisschen Luft nach
oben ist . Dieses Thema klang ja auch im Bericht an . Welche Maßnahmen trifft die Bundesregierung, um die Qualität der Bildung kontinuierlich voranzubringen und zu
verbessern?
Herr Lengsfeld, die Qualität von Bildungsprozessen
einzuschätzen und zu befördern, ist ein zentraler Punkt
unserer Forschungsförderung . Seit 2007 haben wir über
182 Millionen Euro für über 300 Forschungsprojekte in
diesem Bereich zur Verfügung gestellt . Dabei ging es unter anderem um folgende Themen: „Wie kann man die
Lehrerbildung professionalisieren?“, „Wie kann man die
Sprachförderung verändern und verbessern?“, „Wie kann
man die Steuerung im Bildungssystem verändern?“,
„Wie kann man der Mehrsprachigkeit gerecht werden?“ .
In diesem Bereich findet also sehr viel Forschungsförderung statt .
Daneben sind die Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte - ein ganz konkreter Punkt, um
die Qualität von Aus- und Weiterbildungsangeboten zu
verbessern - und die Qualitätsoffensive Lehrerbildung zu
nennen, womit es uns wirklich gelingen kann, flächendeckend stärker etwas für die Qualität in der Lehrerbildung
und damit auch in der schulischen Bildung zu erreichen .
Bei unserer Förderung geht es auch um die Hochschullehre und um den Qualitätspakt Lehre, für den zwischen
2011 und 2020 2 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt
werden . Das ist etwas, was es in Deutschland vorher
noch nie gegeben hat, und führt in allen Hochschulen
dazu, dass sehr viel stärker über Hochschuldidaktik und
-lehre nachgedacht wird .
Danke . - Karamba Diaby .
Frau Ministerin, Stichwort „Diversity - Interkulturelle Öffnung im Bildungsbereich“: Wir wissen, dass der
Anteil der Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshintergrund in Deutschland immer noch gering ist . Deshalb ist
meine Frage - ich weiß übrigens, dass wir sehr viel im
Bereich der Qualitätsoffensive Lehrerbildung machen -:
Was will die Bundesregierung initiieren und welche Anreize will sie schaffen, um mehr Lehrerinnen und Lehrer
mit Migrationshintergrund zu bekommen und auch jüngere Menschen mit Migrationshintergrund zu begeistern,
den Lehrerberuf zu ergreifen?
Gott sei Dank hat das Interesse an der Lehrerbildung
zugenommen . Wir haben jetzt Zulassungsbeschränkungen an allen Institutionen und Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland, in denen Lehrer ausgebildet
werden . Ich möchte mich dafür engagieren, dass man
verstärkt auch Quereinsteigern, die schon einen Beruf
haben und Berufsschullehrer werden wollen, die Möglichkeit der Lehrerbildung einräumt; denn gerade im Bereich der Berufsschullehrer haben wir einen Mangel .
Es gibt auch einzelne Projekte, die nicht von der Bundesregierung initiiert sind, zum Beispiel an der Universität Hildesheim, an der man direkt um Personen mit
Migrationshintergrund wirbt, die Lehrer werden wollen .
Auch bei KAUSA geht es um Unternehmer und Ausbildungssuchende mit Migrationshintergrund; denn es
macht bei der Ansprache oder in der Werbung für einen
Ausbildungsberuf vielleicht Sinn, auf einen Betriebsleiter mit Migrationshintergrund hinzuweisen, der so
schneller zu einem Ansprechpartner werden kann .
Ich denke, wir müssen uns überlegen: Wie wollen wir
die jungen Flüchtlinge, die im letzten Jahr zu uns gekommen sind, fördern? Dabei steht nicht so sehr der Bereich
Hochschule im Fokus, da nur ein kleiner Teil der Flüchtlinge an die Hochschulen geht . Aber auch da sollte man
dafür werben, dass dort die Erfahrung von Menschen mit
Migrationshintergrund zum Tragen kommt .
Letzter Punkt - die Anzeige leuchtet zwar schon rot,
aber ich sage es trotzdem -: Wir haben das Anerkennungsgesetz für alle bundesrechtlich geregelten Berufe
gemacht . Die Länder jedoch haben nicht geregelt - auch
NRW nicht -, dass Erzieher und Lehrer aus Drittstaaten
eine Anerkennung ihrer Qualifikationen bekommen können . Auch das wäre ein Punkt .
Jetzt der Kollege Xaver Jung .
Frau Präsidentin, vielen Dank . - Frau Ministerin, wir
haben gehört, dass die Bundesregierung im Bereich der
Bildung auf ganz breiter Ebene tätig ist, angefangen von
der frühkindlichen Bildung bis hin zur schulischen Bildung . Wir reden über Weiterbildung und Grundbildung .
({0})
- Das ist eine Feststellung . Darauf dürfen wir sogar stolz
sein . Das ist nicht zuletzt die Basis des Erfolges und der
Grund für die Belobigungen, die in den Bildungsberichten immer wieder zum Ausdruck kommen .
({1})
Frau Wanka, das sind doch erhebliche finanzielle Belastungen . Wie stellen Sie sich das vor? Ist denn das alles
abgesichert, um diese Herausforderungen auch in der Zukunft zu bewältigen?
Entscheidend ist der Haushaltsgesetzgeber . Deswegen hoffe ich sehr, dass die Mittel, die wir vonseiten des
BMBF zum Beispiel für Weiterbildung im beruflichen
Bereich, zur Unterstützung der Grundbildungszentren,
die im Rahmen der Strategie für Alphabetisierung und
Grundbildung Erwachsener geschaffen worden sind, und
für Alphabetisierungskampagnen veranschlagt haben
und einsetzen wollen, bewilligt werden . Für die Alphabetisierungskampagne sind für die nächsten Jahre Mittel
in der Größenordnung von 180 Millionen Euro geplant .
Ich bin dankbar für jede Unterstützung . Das kann auch
gerne noch mehr Geld sein .
Ernst Dieter Rossmann .
Damit der Kollege von den Grünen, Herr Gehring,
nicht der Einzige ist, der sich hier über die 3,5 Milliarden
Euro zusätzlich für Bildungsinvestitionen im Rahmen
der Bund-Länder-Vereinbarung freut, will auch ich diese
ausdrücklich erwähnen, zumal die Ministerin dort eher
verhalten reagiert hat .
({0})
Daran will ich die Frage anschließen: Was kann die
Bundesregierung jetzt tun, damit dieser erfolgreiche
Aufbruch mit schon gesicherten 3,5 Milliarden Euro für
nachhaltige Bildungsinvestitionen in finanzschwachen
Kommunen in eine Bildungsallianz von Bund, Ländern
und Kommunen mündet? Im Anschluss an Herrn Jung:
Welche Sicherheit haben wir, dass die von Ihnen in Aussicht gestellten 5 Milliarden Euro vom Finanzminister
dieser Regierung tatsächlich bewilligt und hinterlegt
werden? Oder gibt es einen Unterschied zwischen den
3,5 Milliarden Euro, die jetzt schon feststehen, und den
5 Milliarden Euro, die noch offen sind?
Also, die 3,5 Milliarden Euro stecken, wenn Sie dasselbe meinen wie ich, im Kommunalinvestitionsprogramm .
({0})
Das ist nicht nur für Bildung . Es kann auch für die energetische Sanierung von Schulen verwendet werden . Aber
das Geld kann nicht für inhaltliche Aufgaben genutzt
werden .
Jetzt gibt es die Idee, finanzschwachen Kommunen
3,5 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, die sie für
ihre Bildungsinfrastruktur nutzen können . Das ist keine
Bund-Länder-Vereinbarung, sondern das ist eine Finanzzuweisung nach Artikel 104b des Grundgesetzes . Daraus
können auch Hochwasserschäden bezahlt werden .
({1})
- Es geht um Finanzhilfen des Bundes . Ich beziehe mich
hier auf Artikel 104b des Grundgesetzes .
({2})
- Keine Ahnung, was Sie meinen;
({3})
das muss jetzt einer mal deutlich sagen . - Gut, dann antworte ich auf Herrn Rossmann .
Jetzt hat überwiegend die Frau Ministerin das Wort .
Die 3,5 Milliarden Euro sind nichts Neues . Sie stehen
im Haushalt und werden schon ausgegeben . Das ist also
schon geregelt . Die energetische Sanierung läuft .
Am Freitagabend ist beschlossen worden: Wir wollen
sicherstellen, dass für finanzschwache Kommunen Geld
zur Verfügung gestellt wird, das sie in ihre Bildungsinfrastruktur - also für Dächer, Toiletten oder anderes - investieren können . Das ist die Beschlusslage vom Freitag,
und das muss jetzt gesetzlich umgesetzt werden .
Ich will nicht nur finanzschwache Kommunen fördern,
die besondere Schwierigkeiten haben, und ich will auch
nicht nur kaputte Dächer reparieren, sondern ich will,
dass die Schule fit für das 21. Jahrhundert ist. Deswegen
will ich ein Digitalisierungsprogramm für alle Schulen in
der Bundesrepublik Deutschland, auch für alle Förderschulen und für alle privaten Schulen . Darüber spreche
ich mit den Ländern . Wenn die Kultusminister am 8 . Dezember ihre Strategie verabschieden, dann müssen wir
gemeinsam dafür sorgen, dass die 5 Milliarden Euro, die
jetzt noch nicht veranschlagungsreif sein können - das ist
völlig klar -, ab 2017/2018 entsprechend zur Verfügung
stehen .
Vielen Dank . - Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu
diesem Bereich gibt es noch Wortmeldungen von vier
Kolleginnen und Kollegen, und zwar von Simone Raatz,
Saskia Esken, Rainer Spiering und Elfi Scho-Antwerpes.
Ich bitte Sie, noch einmal tief in sich zu gehen, ob diese
Fragen nicht auch im Ausschuss geklärt werden können .
({0})
Denn wir haben noch Fragen zu anderen Themen der Kabinettssitzung oder zu sonstigen Bereichen, die die Regierung betreffen . Also, nur wer meint, die Frage müsse
jetzt unbedingt noch gestellt werden, der darf sich jetzt
noch einmal melden . - Ich sehe, das ist bei niemandem
der Fall . - Danke schön, Frau Ministerin, dass Sie hier
zur Verfügung gestanden und so ausführlich geantwortet
haben .
Dann habe ich weitere Wortmeldungen . Gibt es zu
anderen Themen der Kabinettssitzung Fragen? - Das ist
nicht der Fall . Aber es gibt sonstige Fragen an die Bundesregierung . Dazu hat sich der Kollege Volker Beck gemeldet .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Der Bundesjustizminister hat für den Monat Oktober einen Gesetzentwurf
zur Rehabilitierung und Entschädigung der verfolgten
Homosexuellen angekündigt . Da dies die einzige Sitzungswoche ist, die wir im Oktober haben, frage ich die
Bundesregierung, in welcher Kabinettssitzung die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes, den wir noch nicht
kennen, geplant ist . Das kann vielleicht Herr Lange sagen .
Ich habe am Rande gehört, dass der Justizminister dieses vorhat . Über genaue Terminlagen könnte eventuell
der zuständige Staatssekretär etwas sagen .
Bitte schön, Herr Staatssekretär Lange .
Herr Kollege Beck, Sie haben die Frage bereits in der
letzten Fragestunde gestellt,
({0})
und ich hatte Ihnen darauf geantwortet, dass unser Haus
an dem Referentenentwurf arbeitet . Ich kann Ihnen die
freudige Mitteilung machen, dass der Herr Bundesminister den Referentenentwurf gebilligt hat, sodass wir sehr
gut im Zeitplan liegen .
Ansonsten wiederhole ich meine Antwort der letzten
Fragestunde: Jetzt geht es in das entsprechende Verfahren, sprich: in die Länder- und Verbändeanhörung und
vorher noch in die Ressortabstimmung .
Danke schön . - Jetzt hat der Kollege Mutlu das Wort,
und danach die Kollegin Haßelmann .
Danke, Frau Präsidentin . - Aus der Presse haben wir
erfahren, dass der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, der nach den Statuten des IOC verpflichtet ist, die Interessen des Verbandes zu vertreten,
seit 1994 im Besitz eines Diplomatenpasses ist, wobei
klar unterstrichen werden muss, dass die Vergabe eines
Diplomatenpasses ganz klaren Regeln folgt, und die Verbandspräsidentschaft fällt nicht unter diese Regelung .
Daher meine Frage an die Bundesregierung: Mit welcher
Begründung wurde dieser Diplomatenpass 1994 ausgestellt, und welche Minister haben mit welcher Begründung wann jeweils diesen Diplomatenpass verlängert?
Die Frau Staatsministerin Dr . Böhmer .
Gerne, Herr Kollege Mutlu . Ich habe das auch jetzt
erst erfahren und bin genauso überrascht wie Sie, gestehe
ich Ihnen . Damit Sie eine gründliche Antwort erhalten,
würde ich das gerne im Auswärtigen Amt überprüfen lassen und Ihnen dann die Antwort zukommen lassen .
({0})
- Ja . Nicht jeder liest vielleicht die Zeitungen so schnell
wie Sie, vor allen Dingen wenn man auf Dienstreise ist .
({1})
Vielen Dank . - Jetzt hat Britta Haßelmann das Wort .
Ich dachte immer, das Auswärtige Amt hat sicherlich mehr als eine Person, die das verfolgt . Das stand in
der Süddeutschen Zeitung. Das ist nicht irgendeine Zeitung . - Aber schön ist, dass wir die Information schriftlich bekommen . Danke .
Ich habe eine andere Frage entweder an Frau Wanka
oder an das Wirtschaftsministerium oder an das Kanzleramt . Wie gedenken Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu CETA jetzt umzusetzen, das Ihnen klare
Bedingungen hinsichtlich der gemischten Ausschüsse
und anderer Fragen mit auf den Weg gegeben hat, bevor
es zur Zustimmung und einer vorläufigen Anwendung
Deutschlands im Rahmen der Ratifizierung des Abkommens kommen kann?
Wer antwortet seitens der Bundesregierung? - Frau
Staatssekretärin Zypries .
Vielen Dank . - Frau Abgeordnete, Sie haben völlig
recht: Es gibt drei Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Ablehnung der
einstweiligen Anordnung dargetan hat . Alle drei Voraussetzungen sind gestern beim Handelsministerrat in gemeinsamen Erklärungen umgesetzt worden .
Das heißt also: Die gemeinsamen Erklärungen, die
dort verabschiedet wurden, berücksichtigen all dieses,
etwa die Frage der gemischten Ausschüsse . Insofern sehen wir mit Blick auf die Erfüllung der Voraussetzungen
unsererseits und damit die Umsetzung kein Problem .
Aber Sie wissen, dass es wegen Belgien, Rumänien
und Bulgarien noch fraglich ist, ob CETA verabschiedet
wird?
Vielen Dank . - Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor . Somit beende ich die Befragung der Bundesregierung .
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
Drucksache 18/9971
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass wir
uns darauf verständigt haben, dass es jeweils zwei Minuten Redezeit für die erste Antwort gibt . Für die folgenden
Fragen und Antworten gibt es jeweils eine Minute . Dafür
gibt es die rückwärtslaufende Sekundenanzeige sowie
die Warnzeichen in den Farben Grün, Gelb und Rot .
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit auf . Die Frage 1 des Abgeordneten Stephan Kühn
und die Frage 2 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl
werden schriftlich beantwortet .
Ich rufe dann den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf . Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Silberhorn zur Verfügung .
Ich rufe die Frage 3 der Abgeordneten Inge Höger,
Fraktion Die Linke, auf:
Plant die Bundesregierung, bei der jüngst beschlossenen Schaffung von Zehntausenden von Arbeitsplätzen rund
um Syrien die jeweils regional geltenden Regelungen zu
Mindestlöhnen ({0}) einzuhalten, und für den Fall, dass dies nicht geplant ist, wie will
die Bundesregierung verhindern, dass dies zu Lohndumping und weiteren Spannungen zwischen Flüchtlingen und
jeweils einheimischen Bevölkerungsgruppen führt ({1})?
Bitte schön, Herr Kollege .
http://www.sueddeutsche.de/news/politik/migration-bundesregierung-schafft-jobs-in-krisenregion-um-syrien-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-161001-99-658429
http://www.sueddeutsche.de/news/politik/migration-bundesregierung-schafft-jobs-in-krisenregion-um-syrien-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-161001-99-658429
http://www.sueddeutsche.de/news/politik/migration-bundesregierung-schafft-jobs-in-krisenregion-um-syrien-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-161001-99-658429
http://www.sueddeutsche.de/news/politik/migration-bundesregierung-schafft-jobs-in-krisenregion-um-syrien-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-161001-99-658429
Frau Kollegin Höger, das Bundesentwicklungsministerium stellt noch in diesem Jahr 200 Millionen Euro bereit, um mindestens 50 000 Flüchtlinge und Bewohner
der aufnehmenden Gemeinden in der Region des Nahen
Ostens in Beschäftigung zu bringen .
Die Entlohnung für die Arbeiten im Rahmen dieser
Initiative ist grundsätzlich am jeweiligen nationalen
Mindestlohn und an den jeweiligen nationalen Regelungen für Cash-for-Work-Vorhaben orientiert .
Frau Kollegin Höger .
Vielen Dank . - Ich habe eine Nachfrage: Es gibt sehr
widersprüchliche Medienberichte über den gezahlten
Lohn im Rahmen des Programms „Geld für Arbeit“ .
Zum einen heißt es für Jordanien, dass 200 Dinar - der
Mindestlohn beträgt dort 195 Dinar im Monat, was etwa
250 Euro entspricht - gezahlt werden . Andererseits
schreibt der Spiegel in einem Bericht von einem Jahresgehalt in Höhe von 800 Dollar . Das wäre nur ungefähr
ein Viertel des Mindestlohns . Deshalb möchte ich gern
wissen, welche Regelungen tatsächlich gelten .
Es gelten die jeweiligen nationalen Regelungen . Ich
darf allerdings darauf hinweisen, dass zwei Drittel dieser
Beschäftigungsverhältnisse kurzfristige Beschäftigungen
sind . Bei etwa einem Drittel handelt es sich um längerfristige Beschäftigungen . Das gilt insbesondere für die
Lehrkräfte, die wir einstellen .
Ihre zweite Zusatzfrage, Frau Kollegin Höger .
Gerade in Jordanien wird seit längerem um eine Erhöhung des Mindestlohns auf 300 Dinar gekämpft; er wurde seit 2008 nicht angehoben . Wenn nun der existierende
Mindestlohn durch das Programm vonseiten der Bundesregierung bzw . vonseiten Deutschlands festgeschrieben
wird: Führt das nicht zu weiteren Spannungen zwischen
Einheimischen und Flüchtlingen?
Wir sind sehr darauf bedacht, Spannungen zu vermeiden . Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass Flüchtlinge und aufnehmende Gemeinden in der schwierigen
Situation, in der sie sich befinden, eine mittelfristige Perspektive haben . Wir orientieren uns an den nationalen
Vorgaben . Wir sind sehr dankbar dafür, dass in den betreffenden Ländern zunehmend nicht nur Aufenthaltsberechtigungen für Flüchtlinge, sondern auch Arbeitsgenehmigungen erteilt werden; denn das sind die Voraussetzungen
dafür, dass wir schnell Beschäftigungsverhältnisse schaffen . Um Spannungen zu vermeiden, adressieren wir das
Programm „Cash for Work“ ausdrücklich nicht nur an
Flüchtlinge, sondern auch an die Einwohner vor Ort, also
an die aufnehmenden Gemeinden direkt .
Jetzt hat der Kollege Movassat eine Zusatzfrage .
Danke, Frau Präsidentin . - Herr Staatssekretär, es
handelt sich zumindest in Jordanien um unqualifizierte
Aushilfsjobs, die Sie dort schaffen . Wäre es nicht sinnvoller, in die Qualifizierung der Geflüchteten zu investieren? Wie wir wissen, verfügen viele Flüchtlinge über bestimmte Qualifikationen und werden nun in Aushilfsjobs
gedrängt . Anscheinend geht es in erster Linie darum, eine
große Anzahl an Jobmöglichkeiten zu schaffen . Aber es
ist fraglich, dass das für die betreffenden Menschen nachhaltig ist . Spielen solche Überlegungen für Sie eine Rolle?
In Jordanien haben wir Beschäftigungsverhältnisse
im Bereich Abfallbeseitigung und Recycling geschaffen .
Das sind aktuell bereits über 4 000 . Bis Jahresende werden es etwa 6 000 sein . Wir investieren in Gehälter für
Lehrkräfte und weiteres Personal . Hier sind aktuell etwa
2 400 Beschäftigungsverhältnisse geschaffen worden .
Bis Jahresende sollen es 5 600 werden . Zudem gibt es
Vorhaben zur Ausbesserung von Straßen . Bis Jahresende
sollen hier gut 1 000 Beschäftigungsverhältnisse geschaffen werden . In der Tat sind auch Aushilfsbeschäftigungen dabei . Aber es geht darum, die Flüchtlinge, die vor
Ort oft untätig sind und keine Perspektive sehen, dazu
zu bewegen, ihre Kinder in den Unterricht zu schicken
und diese Notsituation auszuhalten, sowie ihnen durch
die Möglichkeit der Beschäftigung eine mittelfristige
Perspektive zu geben . Natürlich setzen wir längerfristig
auf Qualifizierung und berufliche Bildung. Das tun wir
bereits in der Region, beispielsweise im Libanon und zunehmend in der Türkei, aber unter nicht ganz einfachen
Bedingungen .
Vielen Dank . - Wir kommen damit zur Frage 4 des
Abgeordneten Uwe Kekeritz:
Durch welche konkreten Maßnahmen stellt die Bundesregierung bei der Umsetzung der CSR-Richtlinie, der Arbeit des
Textilbündnisses und der Erarbeitung des Nationalen Aktionsplans „Wirtschaft und Menschenrechte“ ({0}) ein kohärentes
Regierungshandeln sicher, und wurden nach Auffassung der
Bundesregierung in den Entwurfsfassungen des NAP die von
der Zivilgesellschaft im Konsultationsprozess eingebrachten
Vorschläge ausreichend berücksichtigt?
Auch hier steht der Parlamentarische Staatssekretär
Thomas Silberhorn zur Beantwortung zur Verfügung . Bitte schön, Herr Kollege .
In dieser Frage werden drei unterschiedliche Prozesse
angesprochen: die Erarbeitung des Nationalen Aktionsplans „Wirtschaft und Menschenrechte“ unter Federführung des Auswärtigen Amts, die Umsetzung der Corporate-Social-Responsibility-Richtlinie in nationales Recht
unter Federführung des Bundesministeriums der Justiz
und für Verbraucherschutz und die Arbeit des Textilbündnisses aus unserem Haus, dem Bundesministerium
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung .
Diese drei unterschiedlichen Prozesse überschneiden
sich inhaltlich teilweise, sind aber aufgrund ihres jeweiligen rechtlichen Charakters unterschiedlich und getrennt
zu behandeln .
Der Nationale Aktionsplan soll als ein übergeordneter
Referenzrahmen für alle Branchen in Deutschland beim
Thema „Wirtschaft und Menschenrechte“ dienen . Bei
der CSR-Richtlinie sind bestimmte Unternehmen betroffen, die sich bei der nicht finanziellen Berichterstattung
betreffend den Aspekt Menschenrechte beispielsweise an den VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte orientieren sollen . Das Textilbündnis zeigt
exemplarisch anhand einer Branche, dem Textilsektor,
auf, wie nationale Initiativen unterschiedliche Akteure
zusammenbringen und Themen nachhaltiger wirtschaftlicher Entwicklung aufgreifen können .
Die Ressortabstimmungen zu diesen drei unterschiedlichen Prozessen finden regelmäßig statt. Um weitere Synergien im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit zu
schaffen, hat unser Haus bereits Mitte dieses Jahres die
Zuständigkeiten für alle drei Prozesse in einem Referat
zusammengeführt .
Der Entwurf zum Nationalen Aktionsplan „Wirtschaft
und Menschenrechte“, der vom Auswärtigen Amt federführend erstellt wird, befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung . Insoweit kann ich zum jetzigen Zeitpunkt
keine inhaltliche Stellungnahme abgeben . Allerdings danach hatten Sie ausdrücklich gefragt - sind zivilgesellschaftliche Akteure bei der Vorbereitung dieses Entwurfs
intensiv eingebunden worden .
Herr Kollege Kekeritz .
Herzlichen Dank . - Sie haben richtig erwähnt, dass es
drei Prozesse sind: Textilbündnis, NAP und CSR-Richtlinie . Bei allen drei Prozessen geht es um internationale Verantwortung bzw . die Verantwortung international
agierender Unternehmen . Wir wissen seit langem, dass
die Tätigkeit internationaler Konzerne durchaus auch
negative, entsetzliche Wirkungen auf Entwicklungsund Schwellenländer erzielen kann . Deshalb wurde auf
UN-Ebene beschlossen, dass es einen Nationalen Aktionsplan in jedem Land geben soll . Diese UN-Initiative
spricht ganz klar davon, dass jedes Land freiwillige und
gesetzliche Verpflichtungen auferlegen soll. Könnten Sie
mir zwei oder drei der gesetzlichen Verpflichtungen benennen, die im NAP geplant sind?
Sie wissen, dass das BMZ für einen ambitionierten
Nationalen Aktionsplan eintritt . Was letztlich Inhalt dieses Planes der Bundesregierung sein wird, kann ich Ihnen
erst vortragen, wenn es dazu eine Einigung gegeben hat .
Insofern bitte ich um Verständnis, dass ich keine Zwischenstände der Meinungsbildung referieren kann, die
derzeit noch innerhalb der Bundesregierung stattfindet.
Herr Kollege Kekeritz, Sie haben noch eine Nachfrage .
Da muss ich Sie, Herr Staatssekretär, leider enttäuschen . Ich habe kein Verständnis dafür, weil die Zwischenstände inzwischen schon in den Medien publiziert
worden sind und wir sehr wohl wissen, wie die Zwischenstände sind . Wir wissen, dass die ursprüngliche Fassung
des NAP sehr weich war . Nachdem allerdings im Finanzministerium darübergeschaut worden ist, ist er überhaupt
nicht mehr brauchbar, sodass viele NGOs sagen, es wäre
besser, keinen solchen Plan zu verabschieden, weil er negative Auswirkungen hätte und den Unternehmen einen
riesengroßen Freiraum schaffen würde, den kein Mensch
haben will .
Ich frage Sie ganz konkret: Ist das BMZ wirklich nicht
in der Lage, hier Gegenpositionen zu beziehen? Wenn
Sie in der Lage sind, dagegen Positionen zu beziehen,
warum merkt davon kein Mensch etwas?
Die Bundesregierung hat den Auftrag, eine gemeinsame Position zu finden. Dabei bringt sich das BMZ
aktiv ein . Insofern kann ich Ihnen versichern, dass wir
Ihnen und der Öffentlichkeit die Enttäuschung ersparen
werden, keinen Nationalen Aktionsplan „Wirtschaft und
Menschenrechte“ vorzulegen . Das werden wir tun . Sobald wir uns auf Inhalte verständigt haben, werden wir
diese auch kommunizieren .
Der Kollege Niema Movassat hat noch eine Zusatzfrage .
Herr Staatssekretär, eigentlich sollte es schon seit Juni
einen Nationalen Aktionsplan geben . Wir warten schon
eine ganze Weile . Das Parlament wird sehr schlecht bis
gar nicht informiert . Die Medien werden schon inforVizepräsidentin Ulla Schmidt
miert . Wenn wir als Deutscher Bundestag wissen wollen,
was beim Nationalen Aktionsplan passiert, dann müssen
wir uns eher an die Medien als an die Bundesregierung
wenden . Die fehlende Information, die wir auch hier jetzt
wieder erleben, ist ein Problem .
Dass innerhalb der Bundesregierung offensichtlich
unterschiedliche Positionen beim Nationalen Aktionsplan bestehen, liegt auf der Hand . Es gibt einen Brief von
fünf stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD an
die Bundeskanzlerin, in dem sie die Verwässerung des
Entwurfs durch das Bundesfinanzministerium sehr deutlich kritisiert haben .
Insofern stellen sich schon Fragen: Wann wird es einen fertigen Nationalen Aktionsplan geben? Das würde
mich sehr interessieren . Zum anderen: Wie gehen Sie als
BMZ, das eine entwicklungspolitische Verantwortung
hat, mit der Kritik um, die auch von Ihrem Koalitionspartner kommt?
Ich kann Ihnen zum Zeitplan sagen, dass sich eine
Staatssekretärsrunde am 7 . Oktober dieses Jahres auf
Grundlinien eines Nationalen Aktionsplans verständigt
hat . Wir im BMZ setzen uns weiterhin für eine ambitionierte Fassung dieses Nationalen Aktionsplanes ein . Wir
haben dieses Thema auch mehrfach im Deutschen Bundestag, insbesondere im Ausschuss für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung, diskutiert . Das wissen Sie; Sie haben daran teilgenommen . Insofern wissen
Sie auch, dass wir die Anliegen, die das BMZ verfolgt,
beispielsweise globale Lieferketten, auch in einem solchen Nationalen Aktionsplan berücksichtigt wissen wollen .
Vielen Dank . - Ich rufe Frage 5 des Abgeordneten
Uwe Kekeritz auf:
Wie erklärt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, dass der Bundesminister für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr . Gerd
Müller, in der Öffentlichkeit wiederholt ({0}) einen
Marshallplan für Afrika fordert, sich dabei auf konkrete Vorschläge an und Gespräche mit dem Bundesminister der Finanzen, Dr . Wolfgang Schäuble ({1}), und dem Bundesminister für Wirtschaft und Energie,
Sigmar Gabriel ({2}), bezieht und dennoch
keinerlei konkrete Angaben zu konkreten Überlegungen, einbezogenen Partnerländern oder dergleichen gemacht werden
können ({3}), und inwieweit stehen die Forderungen
von Bundesminister Dr . Gerd Müller ({4}) im
Widerspruch zur Absage an einen Marshallplan für Afrika
durch die Bundeskanzlerin Dr . Angela Merkel während ihres
Besuchs in Niger ({5}), Stunden bevor Bundesentwicklungsminister Dr . Gerd
Müller diese Forderungen erneut erhob ({6})?
Bitte, Herr Staatssekretär .
Der Entwurf eines Marshallplans wird derzeit im
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung erarbeitet . Darin wird die bewährte
Afrika-Politik unseres Hauses weiterentwickelt, und es
wird an die Agenda 2063 der Afrikanischen Union angeknüpft . Insbesondere die von Bundesminister Dr . Gerd
Müller bereits unterbreiteten Vorschläge für mehr Privatinvestitionen in Afrika werden hier einfließen.
Die Aussagen von Minister Dr . Gerd Müller stehen
auch nicht im Widerspruch zu denen der Bundeskanzlerin . Die Bundeskanzlerin hat sich mit ihrer Aussage
konkret auf die Forderung des nigrischen Präsidenten
Mahamadou Issoufou bezogen, die dieser selbst als Marshallplan bezeichnet hat . Sie betonte in diesem Zusammenhang, dass sie auf der erprobten Entwicklungsarbeit
aufbauen wolle und dass für Leistungen auch Kooperation und Gegenleistungen erwartet würden .
Darüber hinaus hat die Bundeskanzlerin darauf hingewiesen, dass Angebote für Afrika nicht vergleichbar
sein könnten mit dem Marshallplan für das Nachkriegseuropa, weil die Grundbedingungen damals eben andere waren . Entsprechend fokussiert der derzeit im BMZ
erarbeitete Marshallplan auf afrikanische Lösungen für
Afrika durch nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung
und Beschäftigung .
Herr Kollege Kekeritz .
Herr Staatssekretär, Sie haben seherische Fähigkeiten .
Sie wussten, welche Zusatzfrage ich stellen wollte; darum haben Sie deren Beantwortung vorweggenommen .
Ich hatte Ihnen eine ganz konkrete Frage schriftlicher
Art gestellt . Ich wollte wissen, mit wem solche Aktionen
abgesprochen sind . Marshallplan ist wirklich der größte,
der gigantischste Begriff in Bezug auf Hilfe . Da sollte
man sich dann doch an die Geschichte erinnern: Marshallplan, das ist etwas, was auf internationaler Ebene
lange geplant, vorbereitet und strukturiert worden ist .
Bezüglich Afrika habe ich festgestellt, dass Sie zwar
den Begriff „Marshallplan“ verwendet haben, aber offensichtlich sind über einen solchen Plan noch mit niemandem Gespräche geführt worden; sonst hätten Sie mir davon ja in der Antwort etwas sagen können . Ich kann mir
nicht vorstellen, wie ein Entwicklungsministerium solch
ein Projekt ganz allein realisieren kann . Daran, dass das
geht, habe ich schon meine Zweifel .
Außerdem bin ich der Meinung - ich beziehe mich
auf Ihre prophylaktische Antwort -: Die Kanzlerin hat in
Niger nicht gesagt, dass wir unsere gute Entwicklungspolitik fortsetzen, sondern sie hat gesagt: Wir zahlen erst
einmal 16 Millionen Euro; dann sehen wir, was daraus
wird, und dann können wir über Weiteres reden .
Mit wem wurde der Marshallplan abgesprochen? Welche Dimensionen soll er haben? Inwieweit bildet sich das
http://de.reuters.com/article/deutschland-afrika-hilfe-idDEKCN11L17F
http://de.reuters.com/article/deutschland-afrika-hilfe-idDEKCN11L17F
http://de.reuters.com/article/deutschland-afrika-hilfe-idDEKCN11L17F
http://ftp-tv.wdr.de/main.html?download&weblink=7944e3e9945086b8ea70df61c7b4c0b7
http://ftp-tv.wdr.de/main.html?download&weblink=7944e3e9945086b8ea70df61c7b4c0b7
http://ftp-tv.wdr.de/main.html?download&weblink=7944e3e9945086b8ea70df61c7b4c0b7
http://www.taz.de/!5343632
deutsche Entwicklungsministerium ein, dabei allein, also
ohne internationale Zusammenarbeit auf europäischer
Ebene, mit den USA, mit den Japanern und Australiern,
vorzugehen?
Herr Kollege Kekeritz, Ihre Einlassung überrascht
mich etwas; denn das war das erste Mal in dieser Legislaturperiode, dass Sie offen zum Ausdruck gebracht haben,
in der Entwicklungszusammenarbeit weniger ehrgeizig
sein zu wollen als das Bundesentwicklungsministerium .
({0})
Natürlich reden wir mit vielen Partnern über das, was
wir unter der Überschrift „Marshallplan“ vorschlagen
wollen . Das tun wir im Rahmen der Europäischen Union .
Ich habe selbst eine Reihe von Gesprächen dazu mit bilateralen, multilateralen Partnern geführt . Das wird kein
Alleingang des deutschen Entwicklungsministeriums
sein; aber wir werden dazu in Vorlage gehen, und wir
werden präsentieren, was wir uns darunter vorstellen .
Ich darf darauf hinweisen, dass Deutschland im nächsten Jahr die G-20-Präsidentschaft innehat . Wir werden
auch in diesem Rahmen versuchen, einen Akzent mit
Blick auf Afrika als unseren Nachbarkontinent zu setzen .
In diesem Fahrplan spielen auch unsere Überlegungen
für einen Marshallplan eine Rolle .
Herr Kollege Kekeritz .
Der Marshallplan, so wie Sie ihn gerade geschildert
haben, wird als Erstes auf private Initiative setzen . Inwieweit wird er sich von der bisher durchgeführten klassischen, traditionellen, wie Sie selber sagen, gut fundierten
und bewährten Afrika-Politik des BMZ unterscheiden?
Ich denke, dass sich in den letzten Monaten herauskristallisiert hat, dass eine deutliche Abkehr von der üblichen
Entwicklungspolitik stattfindet. Es wird ganz massiv
auf Privatinitiativen gesetzt . Es wird ganz intensiv auf
Grenzmanagement gesetzt . Es wird ganz intensiv auf
Stärkung von Polizei- und militärischen Strukturen gesetzt . Das alles sind Paradigmenwechsel, die nirgendwo
abgesprochen sind, die auch nicht erklärbar sind und
die vor allen Dingen eines nicht bewirken, nämlich die
Fluchtursachen zu reduzieren . Also: Inwieweit wird sich
Ihr Marshallplan von der bisher geleisteten Entwicklungspolitik unterscheiden?
Der Marshallplan wird keine Revision der bisherigen
Entwicklungspolitik sein, sondern darauf aufbauen und
sie zu erweitern versuchen . Wir sind in einem internationalen Dialog, in dem wir im letzten Jahr im Rahmen
der Vereinten Nationen die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung beschlossen haben und zu dem es große
Konferenzen über die Finanzierung von Entwicklungszusammenarbeit gab . Das muss für unsere Antworten
Konsequenzen haben, auch in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit .
Wir haben unser Engagement in Afrika in den letzten
Jahren signifikant erweitert - das wissen Sie -, und wir
müssen tatsächlich auch neue Partner mit ins Boot holen .
Die Vorstellung, in der Zusammenarbeit allein aus unseren Steuermitteln auf einem so gewaltigen Kontinent
mit 1,2 Milliarden Einwohnern signifikante Unterschiede
erzielen zu können, ist verwegen . Deswegen müssen wir
uns zur Decke strecken und viele weitere Partner mit einbeziehen . Dazu zählt auch der private Sektor . Es gilt aber
auch, insbesondere die Möglichkeiten der Entwicklungsländer zu stärken, eigene Ressourcen zu nutzen und damit ihre Abhängigkeiten von Geberstaaten zu reduzieren .
In diesem breiten Kontext müssen wir die Fragen auch in
einem Marshallplan angehen .
Danke . - Dann noch der Abgeordnete Movassat .
Herr Staatssekretär, um auf das zurückzukommen,
was wir beide gemeinsam im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erleben: Wir hatten heute einen sehr interessanten Gast bei uns im Ausschuss, einen Jesuitenpater aus Kenia, der einiges auch
zum Thema „Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika“
gesagt hat . Er hat unter anderem gesagt, es gehe ihm nicht
darum, dass man primär noch mehr gibt, sondern darum,
dass man weniger nimmt . Der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler, hat
das einmal mit den Worten beschrieben: Es kommt nicht
darauf an, der Dritten Welt mehr zu geben, sondern darauf, weniger zu stehlen .
In dem Zusammenhang würde mich interessieren, warum Sie als Ministerium sich zum Beispiel nicht gegen
die EPAs, die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit
den afrikanischen Ländern, aussprechen, die den Partnern wirklich die Pistole auf die Brust setzen und wirtschaftliche Entwicklung dort unmöglich machen . Der
Afrika-Beauftragte der Kanzlerin, Herr Nooke, hat einmal gesagt: Das EU-Freihandelsabkommen EPA macht
Entwicklungshilfe zunichte . - Die Frage ist, warum Sie
von irgendwelchen Marshallplänen schwadronieren, die
anscheinend auch gar nicht von der Kanzlerin unterstützt
werden - man fragt sich sowieso, wie das überhaupt
funktionieren soll -, warum Sie sich nicht für Maßnahmen einsetzen, die der Entwicklung in Afrika wirklich
helfen würden, zum Beispiel ganz konkret für den Stopp
der EPAs .
Die Staaten des afrikanisch-karibisch-pazifischen
Raums genießen präferenziellen Zugang zum europäUwe Kekeritz
ischen Binnenmarkt . Die europäischen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen sind darauf gerichtet, den
europäischen Binnenmarkt für die Produkte aus Entwicklungsländern offen zu halten . Der Pater, der auf
Ihre Einladung heute im Ausschuss gewesen ist, hat genau das hervorgehoben und dafür plädiert, dass wir die
Märkte offen halten . Er hat es ausdrücklich formuliert;
Sie werden es im Protokoll der Ausschusssitzung nachlesen können .
({0})
Insofern gibt es nun Verhandlungen über Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, die von der Europäischen
Kommission geführt werden . Wir beteiligen uns intensiv
daran, auch wenn die Federführung nicht immer bei uns
liegt . Diese Abkommen dienen nicht dazu, Partnern die
Pistole auf die Brust zu setzen . Die Vertreter der Europäischen Kommission verhandeln unbewaffnet, die Vertreter der afrikanischen Partnerstaaten ebenfalls . Sie sind in
mehr als eine Diskussion einbezogen gewesen . Wir als
BMZ haben insbesondere auch die Vertreter unserer Partnerländer zu uns ins Haus gebeten, um die Details dieser
Partnerschaftsabkommen mit ihnen zu besprechen . Sie
selbst sind für heute, 17 Uhr, eingeladen, an einer weiteren Diskussion über Studien zu den Chancen, aber auch
den Herausforderungen von Wirtschaftspartnerschaftsabkommen teilzunehmen, die in unserem Auftrag, im
Auftrag des Entwicklungsministeriums, erstellt worden
sind . Insofern nehmen wir das sehr ernst .
Gestatten Sie mir noch einen Satz zur Frage „Stehlen
oder nehmen“?
Noch einen, weil das dann sowieso der Abschluss dieses Geschäftsbereiches ist .
Es treibt uns schon sehr um, dass nach Schätzungen
der OECD jedes Jahr mindestens 150 Milliarden US-Dollar aus Entwicklungsländern in andere Länder exportiert werden . Dieses Geld, das in Entwicklungsländern
verdient worden ist, wird dort aber nicht investiert und
eingesetzt, um Beschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung zu schaffen . Das ist mehr Geld, als die gesamte internationale Gemeinschaft an Entwicklungsgeldern
zur Verfügung stellt . Wir werden uns - auch im Rahmen
dieses Marshallplans - intensiv folgender Frage widmen
müssen: Wie können wir dazu beitragen, dass die in Entwicklungsländern vorhandenen Mittel auch dort gehalten
und so eingesetzt werden, dass nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und Beschäftigungsperspektiven vor
Ort entstehen können?
Vielen Dank . - Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs . Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Staatssekretär Silberhorn, für die Beantwortung .
Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes .
Die Frage 6 des Abgeordneten Oliver Krischer wird
schriftlich beantwortet .
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie . Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin
Brigitte Zypries zur Verfügung .
Die Frage 7 der Abgeordneten Bärbel Höhn, die Fragen 8 und 9 der Abgeordneten Katharina Dröge sowie
die Frag 10 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl werden schriftlich beantwortet .
Ich rufe jetzt die Frage 11 des Kollegen Hubertus
Zdebel auf:
Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, dass die dem Bundesministerium für Wirtschaft und
Energie ({0}) unterstehende Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe ({1}) die Internetseite über ihre
Präsidenten mit dem Link www .bgr .bund .de/DE/50JahreBGR/DE/Praesidenten/praesidenten_node .html ({2}) aus ihrem Netzangebot genommen hat,
nachdem über die Vergangenheit von Geologen, die an der
Kriegsführung in Nazideutschland großen Anteil hatten - darunter mit Hans-Joachim Martini, Alfred Bentz und Gerhard
Richter-Bernburg ehemalige BGR-Präsidenten -, berichtet
wurde ({3}), und wie bewertet
sie diesen Vorgang?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Die Bundesanstalt
für Geowissenschaften und Rohstoffe, Herr Abgeordneter, hat uns mitgeteilt, dass es sich bei den Internetseiten, nach denen Sie gefragt hatten, um Informationen aus
Anlass der Feier des 50-jährigen Jubiläums der BGR am
25 . November 2008 gehandelt hat . Auf diesen Internetseiten seien neben dem Programm zum Festakt auch eine
Zeittafel der Geschichte der BGR sowie Kurzportraits
der ehemaligen Präsidenten der BGR aufgenommen gewesen . Teile dieser Internetdarstellung bedurften einer
Überarbeitung und einer neuen Einordnung . Deshalb seien sie heruntergenommen worden . Insofern ist der Sachverhalt richtig .
Zur Geschichte der BGR, um die es ja nun eigentlich
geht, gibt es eine eigenständige Internetseite mit der entsprechenden Zeittafel, die nach den aktuellen Recherchen um den folgenden Hinweis - ich zitiere - ergänzt
wurde:
Die systematische geschichtliche Untersuchung und
wissenschaftliche Aufarbeitung der BGR und ihrer
Vorläufereinrichtungen steht noch aus . Der Untersuchung kommt aus Sicht des Bundesministeriums
für Wirtschaft und Energie ({0}) sowie der BGR
eine große Bedeutung zu . Auf Basis der Erfahrungen aus der Geschichtskommission des BMWi wird
das BMWi gemeinsam mit der BGR dazu weitere
konkrete Schritte einleiten .
http://www.bgr.bund.de/DE/50JahreBGR/DE/Praesidenten/praesidenten_node.html
http://www.bgr.bund.de/DE/50JahreBGR/DE/Praesidenten/praesidenten_node.html
http://www.sueddeutsche.de/politik/ns-vergangenheit-erdoel-fuer-den-fuehrer-1.3191600
http://www.sueddeutsche.de/politik/ns-vergangenheit-erdoel-fuer-den-fuehrer-1.3191600
http://www.tagesschau.de/ausland/geowissenschaften-ns-101.html
http://www.tagesschau.de/ausland/geowissenschaften-ns-101.html
Dass dies so sein wird, ist in der Tat mit unserem Ministerium abgestimmt . Das heißt, es wird jetzt eine solche
Untersuchung geben .
Bitte schön, Ihre Zusatzfrage .
Danke schön, Frau Präsidentin . - Das bedarf doch
noch einmal einer genaueren Nachfrage, Frau Zypries .
Die Fakten, die Sie vorgetragen haben, stimmen so weit .
Es gibt jetzt in der Tat auf der BGR-Homepage einen ganz
neuen Hinweis . Er erfolgte, nachdem es erste Veröffentlichungen in den Medien über die braune Vergangenheit
einiger führender Geologen im Dritten Reich gab, was
die Kriegsvorbereitung und die Ausbeutungsprozesse bei
der Gewinnung von Rohstoffen anbelangte .
Pikant bei der ganzen Angelegenheit ist allerdings,
dass es sich bei dreien dieser ehemaligen NS-Geologen
um spätere Präsidenten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe handelt . Insbesondere möchte
ich auf Herrn Hans-Joachim Martini hinweisen, der auch
Namensgeber der Hans-Joachim-Martini-Stiftung ist . Er
war von 1940 bis 1945 im Reichsprotektorat Böhmen
und Mähren Leiter der dortigen Arbeitsstelle für Bodenforschung . Des Weiteren war er, wie sich jetzt ebenfalls
herausgestellt hat, auch in der damaligen Marionettenrepublik Slowakische Republik, die es ja bis 1945 gab, tätig . Es hat sich ebenfalls herausgestellt, dass Herr Martini
Mitglied der SA, später der NSDAP und der SS gewesen
ist . Das ist in den Medien dargelegt worden . Daraufhin
hat es auf der Homepage der BGR eine Änderung gegeben . Es hat auf dieser Seite, die ich gerade angesprochen
habe, auch die Entnahme der Beiträge über diese ehemaligen BGR-Präsidenten gegeben . Über Herrn Martini - den ich bereits angesprochen habe - fehlt für die Zeit
von 1940 bis 1945 ein entsprechender Hinweis . Das hat
zumindest für mich ein Geschmäckle . Man hätte durchaus einen Hinweis machen können, dass diese Seite im
Rahmen der historischen Überarbeitung bearbeitet werden muss . Es gehört zur historischen Überarbeitung, solche Vorgänge nicht einfach sang- und klanglos von der
Homepage verschwinden zu lassen, vielmehr müssen sie
entsprechend weiter dokumentiert werden . Würden Sie
als Regierung dafür Sorge tragen, dass diese Seite weiter
in die Dokumentation der BGR-Geschichte aufgenommen wird, oder nicht?
Herr Kollege Zdebel, ich habe es so verstanden, dass
Sie beide Zusatzfragen in einer gestellt haben, weil Sie
zweieinhalb Minuten gesprochen haben . Ja? - Danke .
Frau Staatssekretärin .
Herr Abgeordneter, Sie haben völlig recht . Wir werden nachhalten, was dort geschieht . Wir werden auch darauf achten, dass die Ankündigung, die ich eben zitiert
habe, konkretisiert wird . Ich denke, wir sollten hier einen
möglichen Zeitablauf dokumentieren, damit es nicht im
Ungewissen bleibt . Wir werden uns noch einmal darum
kümmern .
Danke schön . - Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs . Herzlichen Dank an die Staatssekretärin
Frau Brigitte Zypries .
Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts
auf . Die Frage 12 der Abgeordneten Inge Höger, die Frage 13 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, die
Frage 14 des Abgeordneten Omid Nouripour und die Frage 15 der Abgeordneten Sevim Dağdelen werden schriftlich beantwortet .
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern . Zur Beantwortung steht
der Parlamentarische Staatssekretär Dr . Günter Krings
zur Verfügung . Die Frage 16 des Abgeordneten Andrej
Hunko, die Fragen 17 und 18 des Abgeordneten Özcan
Mutlu sowie die Fragen 19 und 20 der Abgeordneten
Erika Steinbach werden schriftlich beantwortet .
Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Volker Beck,
Bündnis 90/Die Grünen, auf:
Wie viele Rohingya hat Deutschland seit dem Jahr 2012 im
Rahmen des deutschen Resettlement-Programms ({0}) aufgenommen ({1}), und inwiefern
wird diese Zahl angesichts der jüngsten Entwicklungen in Rakhaing bzw . Arakan erhöht, wo erneut erhebliche Menschenrechtsverletzungen gegen die zivile Rohingya-Bevölkerung
drohen bzw . bereits begangen werden ({2})?
Bitte schön, Herr Staatssekretär .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Meine sehr verehrten
Damen und Herren!
Lieber Herr Kollege Beck, Deutschland hat im Rahmen
des bestehenden Resettlement-Programms im Jahr 2014
sieben schutzbedürftige Flüchtlinge aus Indonesien aufgenommen, die der Bevölkerungsgruppe der Rohingya,
nach der Sie fragten, angehören . Dabei handelte es sich
um einen verwitweten Mann sowie eine sechsköpfige Familie .
In den Jahren 2016/2017 liegt vor dem Hintergrund
der Migrations- und Flüchtlingskrise im Nahen Osten der
Fokus bei Resettlements auf den Ländern des Mittleren
Ostens und Nordafrikas .
Bitte schön, Herr Kollege Beck .
http://www.bmi.bund.de/DE/Themen/Migration-Integration/Asyl-Fluechtlingsschutz/Humanitaere-aufnahmeprogramme/humanitaere-aufnahmeprogramme_node.html
http://www.bmi.bund.de/DE/Themen/Migration-Integration/Asyl-Fluechtlingsschutz/Humanitaere-aufnahmeprogramme/humanitaere-aufnahmeprogramme_node.html
http://www.bmi.bund.de/DE/Themen/Migration-Integration/Asyl-Fluechtlingsschutz/Humanitaere-aufnahmeprogramme/humanitaere-aufnahmeprogramme_node.html
http://www.bmi.bund.de/DE/Themen/Migration-Integration/Asyl-Fluechtlingsschutz/Humanitaere-aufnahmeprogramme/humanitaere-aufnahmeprogramme_node.html
Herr Staatssekretär, das befriedigt natürlich nicht .
Die Resettlement-Programme sind laut UNHCR dazu
gedacht, einerseits dauerhafte Lösungen für besonders
verfolgte Gruppen zu finden und andererseits dauerhafte
Lösungen für Flüchtlinge zu finden, die sich in Staaten
aufhalten, die besonders herausgefordert sind . Wir leisten dann dort gar keinen Beitrag dazu, wenn wir im Rahmen des EU-Türkei-Deals dieses Verfahren nur noch für
diesen Mechanismus gebrauchen . Deshalb frage ich Sie:
Welche Schutzperspektiven bietet die Bundesregierung
für Flüchtlinge in hoffnungslosen Situationen in anderen
Weltregionen wie den Rohingya in Bangladesch und den
Somaliern in Kenia? Es handelt sich um Flüchtlingsgruppen, die sich unter nicht akzeptablen Bedingungen in
Nachbarländern befinden und wo der UNHCR dringend
Unterstützung benötigt .
Frau Präsidentin! Lieber Kollege Beck, es ist keineswegs so, dass wir nur Resettlement-Programme betreiben, die im Zusammenhang mit der Vereinbarung zwischen der Europäischen Union und der Türkei stehen .
Wir haben beispielsweise Resettlements im Libanon und
natürlich auch in anderen Staaten . Insofern geht es nicht
nur um diesen Bereich . Aber es ist richtig, dass wir uns
derzeit auf diese Region konzentrieren . Deutschland ist
angesichts der Aufnahme von fast 1 Million Flüchtlingen allein im letzten Jahr und weiteren Flüchtlingen in
diesem Jahr in einer besonderen Situation . Ich glaube, es
ist auch angemessen, dass wir im Rahmen einer internationalen Arbeitsteilung davon ausgehen, dass das stärker
die Aufgabe von Ländern ist, die nicht im gleichen Maße
wie wir im letzten Jahr Flüchtlinge aufgenommen haben .
Herr Kollege Beck .
Vor dem Hintergrund möchte ich Sie nach der Kenntnis der Situation der Rohingya in Bangladesch fragen .
Nach 1992 sind sie nach Bangladesch geflohen und wurden dort aufgrund der bangladeschischen Politik nicht
vom UNHCR registriert; denn Bangladesch ist hinsichtlich der Genfer Flüchtlingskonvention kein Signatarstaat .
In den Camps von Kutupalong und Nayapara leben sie
in desaströsten Verhältnissen . Was wissen Sie über den
Stand der Pläne der bangladeschischen Regierung, diese Camps zwangsweise aufzulösen? Im Guardian gab es
mehrere Berichte darüber, dass dort entsprechende Truppen eingerückt sind . Wie reagiert die Bundesregierung
auf diese Verschärfung der Menschenrechtssituation?
Frau Präsidentin! Lieber Herr Kollege Beck, bei den
konkreten Punkten, die Sie zum Schluss ansprachen, sind
wir auf Informationen aus dem Auswärtigen Amt angewiesen, das die Lage fortlaufend beobachtet . Insgesamt
darf ich Ihnen aber versichern, dass uns die prekäre und
schwierige Lage dieser Bevölkerungsgruppe durchaus
bekannt ist . Dass wir für den Bereich aktuell keine Resettlement-Maßnahmen planen, heißt nicht, dass wir in
irgendeiner Form die Lage beschönigen wollen . Allerdings können wir nicht alle Lagen dieser Welt in dieser
Art adressieren .
({0})
Herr Kollege Beck, das Problem ist jetzt gerade, dass
Sie schon zwei Nachfragen gestellt haben . Aber beim
nächsten Mal können Sie auch eine Anfrage an das Auswärtige Amt schicken .
({0})
- Ja, aber Sie haben jetzt gerade die beiden Fragen schon
gestellt .
({1})
Wir kommen jetzt zu Ihrer Frage 22 zu den Asylverfahren äthiopischer Staatsangehöriger, und dann haben Sie
auch zweimal die Möglichkeit, nachzufragen .
Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Volker Beck auf:
Wie viele Asylverfahren äthiopischer Staatsangehöriger
wurden seit Anfang des Jahres 2016 abgeschlossen ({2}), und welche
Maßnahmen ergreift die Bundesregierung bzw . das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angesichts der gegenwärtigen Proteste, die von den äthiopischen Sicherheitskräften
brutal niedergeschlagen werden ({3}), um diesen Entwicklungen bei der Bearbeitung von Asylverfahren angemessen Rechnung zu tragen?
Herr Staatssekretär .
Vielen Dank . - Ich darf, weil es bei beiden Fragen
um ähnliche Themenkomplexe geht, eine Vorbemerkung
machen und Ihnen versichern: Ich will damit nicht einer
Befragung der Bundesregierung ausweichen . Ich habe
nur darauf hingewiesen, wie das Verfahren ist, welche
Aufgaben das Auswärtige Amt übernimmt und was es
uns zuliefert . Ich darf auch in Bezug auf die letzte genannte Bevölkerungsgruppe betonen: Die schwierige
Lage ist uns bekannt, hat aber nicht dazu geführt, dass
wir hier Resettlement-Programme vorsehen .
Ich komme zu Ihrer Frage zu äthiopischen Staatsbürgern in Deutschland . Dazu darf ich Ihnen sagen:
Von Januar bis September 2016 hat das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge über 726 Asylanträge von
äthiopischen Staatsangehörigen entschieden .
http://www.tagesschau.de/ausland/aethiopien-113.html
http://www.tagesschau.de/ausland/aethiopien-113.html
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beobachtet und evaluiert die Lage in den Herkunftsländern
von Asylantragstellern kontinuierlich . Das gilt auch für
die Situation in Äthiopien . Ob und inwieweit die aktuelle Verschärfung der Situation und die Verhängung des
Ausnahmezustands in Äthiopien zu einer Änderung der
Entscheidungspraxis führt, wird natürlich geprüft . Unabhängig von einer allgemeinen Lageveränderung wird im
Übrigen stets den individuellen Umständen des Einzelfalles Rechnung getragen . Wir haben es ja beim Flüchtlingsstatus, beim Asylrecht, mit einem Individualgrundrecht zu tun, das im Einzelfall geprüft werden kann und
nicht kollektiv abgelehnt oder bejaht werden kann .
Sie haben des Weiteren nach sehr konkreten Zahlen - Monat für Monat - gefragt . Wenn ich die jetzt alle
vorlesen würde, dann würde ich den Zeitrahmen massiv
sprengen . Es wäre auch ein bisschen langweilig . Ich kann
Ihnen die Zahlen aber gerne gleich aushändigen . Ich habe
sie, glaube ich, dabei; sonst würde ich sie gleich nachreichen . Sie kriegen die Zahlen heute und hier .
Volker Beck .
Wenn ich die Antwort überhaupt kriege, bin ich damit
gerne einverstanden . - Die Bundeskanzlerin war jetzt auf
ihrer Afrika-Reise auch in Äthiopien . Inwiefern hat die
Bundeskanzlerin auf ihrer jüngsten Reise die Situation
bezüglich der Oromo in Äthiopien angesprochen, die von
den Verfolgungsmaßnahmen besonders stark betroffen
sind?
Das kann ich Ihnen nicht sagen, und zwar nicht aus
Gründen der Ressortzuständigkeit, sondern weil die
Delegation der Bundeskanzlerin naturgemäß nicht alle
Staatssekretäre der Bundesregierung umfasst .
Ihre Frage bezog sich auf die Ansprache . Wenn es
um die damit verbundene Frage der Informationen geht,
möchte ich betonen, dass entsprechende Informationen
natürlich nicht nur bei Staats- und Regierungsbesuchen
gewonnen werden, sondern über unsere Botschaft und
das Auswärtige Amt fortlaufend Informationen zur Veränderung der Lage in solchen Ländern an uns herangetragen werden .
Volker Beck .
Es handelt sich bei den jüngsten Verschärfungen der
Lagen im Prinzip um einen ethnischen Konflikt, der sich
gegen die Gruppe der Oromo und die Proteste, die von
dieser Gruppe ausgingen, richtet; denn die Sicherheitskräfte haben diese Proteste niedergeschlagen . Wie trägt
jetzt das BAMF in seiner Asylpraxis der Tatsache Rechnung, dass hier eine Verfolgung aufgrund der ethnischen
Zugehörigkeit stattfindet? Das ist eine neue Situation im
Vergleich zu der Situation, die wir vor diesen Ereignissen
hatten .
Frau Präsidentin! Herr Kollege Beck, Sie und ich haben eines gemeinsam: In dieser Frage bedienen wir uns
zunächst einmal aus Medienberichten . Allerdings hat
das BAMF den Vorteil - das ist auch richtig so -, dass
es auf die Expertise und die Erkenntnisse des Auswärtigen Amts und der jeweiligen Botschaften zurückgreifen
kann . Ich glaube, das muss im Einzelfall dann auch zugrunde gelegt werden .
Sie haben die Deutung dieser Konflikte als ethnische
Konflikte aufgemacht. Ich will hier und heute gar nicht
widersprechen . Aber ich glaube, es ist nicht unsere Aufgabe, das unter Verwendung von Medienberichten zu
tun . Wenn das BAMF die Entscheidungen trifft - mithilfe von Informationen des Auswärtigen Amts -, dann
muss das für den Einzelfall unter Berücksichtigung der
veränderten Lage erfolgen .
({0})
- Das kann ich gerne ergänzen: Der Zeitraum von wenigen Wochen ist nun wirklich zu kurz, um eine andere
Entscheidungspraxis annehmen zu können .
Vielen Dank . - Die Fragen 23 und 24 der Kollegin
Ulla Jelpke werden schriftlich beantwortet . Damit bedanke ich mich bei Ihnen, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz . Zur
Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär
Christian Lange zur Verfügung .
Die Frage 25 der Kollegin Dağdelen wird schriftlich
beantwortet .
Ich rufe die Frage 26 der Abgeordneten Martina
Renner, Fraktion Die Linke, auf:
Was hat die Bundesregierung im Einzelnen unternommen,
um herauszufinden, welche Strafvorwürfe in den Vereinigten
Staaten von wem gegen Edward Snowden erhoben werden?
Bitte schön, Herr Staatssekretär .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Ich würde die Fragen 26 und 27 wegen des Sachzusammenhangs gerne
gemeinsam beantworten, wenn Sie gestatten .
Die Kollegin Renner ist einverstanden .
Dann rufe ich auch die Frage 27 der Kollegin Renner
auf:
Welche konkreten Nachfragen hat die Bundesregierung
dazu im Einzelnen gestellt, und welche Antworten oder Informationen hat die Bundesregierung so erlangt?
Bitte schön .
Damit beantworte ich beide Fragen wie folgt: Die
Bundesregierung hat sich anhand der im Internet verfügbaren Criminal Complaint vom 14 . Juni 2013 sowie des
Ersuchens um vorläufige Inhaftnahme vom 3. Juli 2013
über die Strafvorwürfe informiert . In zwei Schreiben des
Bundesamtes für Justiz wurde um ergänzende Informationen gebeten . Diese Schreiben wurden vom Justizministerium der Vereinigten Staaten von Amerika beantwortet .
Über den Eingang des jüngsten Schreibens vom 13 . Oktober 2016 hat mein Haus den Vorsitzenden des 1 . Untersuchungsausschusses unterrichtet .
Das amerikanische Justizministerium hat mitgeteilt,
dass einer Herausgabe des Schreibens nicht zugestimmt
werden könne . Dies wird damit begründet, dass ein Teil
der in dem Schreiben enthaltenen Informationen durch
das zuständige Gericht als vertraulich eingestuft worden
sei und daher nur für die Zwecke der Festnahme und
Auslieferung von Edward Snowden Verwendung finden
dürfe . Über diese Einstufung des Gerichts könne sich das
U .S . Department of Justice nicht hinwegsetzen . Gerade
in der Zusammenarbeit in Rechtshilfeangelegenheiten,
zumal bei laufenden Vorgängen, ist die international
praktizierte Vertraulichkeit des Verfahrens ein höchst
schützenswertes Gut, auch im Hinblick auf zukünftige
Fälle .
Ich bedaure deshalb, dass ich Ihnen keine weiteren
Einzelheiten zum Inhalt des Schreibens mitteilen kann .
Frau Kollegin Renner .
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, gleich vier Nachfragen zu stellen .
Erstens . Haben Sie sich darüber hinaus zum Beispiel
mit dem Verfahrensbevollmächtigten von Herrn Edward
Snowden in den USA und in Europa in Verbindung gesetzt, um weitere Informationen zu den Strafvorwürfen
zu erhalten?
Zweitens .
Soll der Staatssekretär die Frage jeweils gleich beantworten? Sie haben viermal die Möglichkeit, nachzufragen .
Ich kann gerne alle Fragen im Zusammenhang stellen . Ich weiß nicht, wie sich der Herr Staatssekretär das
wünscht .
Wie ist es Ihnen recht?
Stellen Sie ruhig die Fragen im Zusammenhang . Ich
beantworte sie dann .
Gut . Bitte schön .
Danke . - Würden Sie mir recht geben, dass die Angaben aus dem Justizministerium der USA maßgeblich von
Bedeutung sind - in Ihrem Haus, aber auch insgesamt in
der Bundesregierung - für die Beurteilung der Frage, ob
Edward Snowden Auslieferungsschutz gewährt werden
muss, also ob ihm in den USA politische Strafverfolgung
droht?
Drittens . Müssten vor dem Hintergrund der Relevanz
dieser Informationen diese nicht auch an den Untersuchungsausschuss gelangen, der sich mit der Frage einer
Realisierung der Zeugenladung intensiv zu befassen hat?
Zuletzt würde ich gerne noch von Ihnen wissen: Wann
kann der Untersuchungsausschuss mit der Beantwortung
unserer vor zweieinhalb Jahren gestellten Frage rechnen,
in der es darum geht, inwieweit Sie dem Amtshilfeersuchen aus dem Untersuchungsausschuss Folge leisten
würden, eine sichere Einreise von Edward Snowden zu
gewähren? Würden Sie die Frage nach einem möglichen
Auslieferungshindernis bejahen? Ihnen liegen ja jetzt
alle - zwar geheim eingestuften - Informationen aus dem
Justizministerium vor . Darf der Untersuchungsausschuss
jetzt endlich mit einer Antwort aus Ihrem Haus rechnen?
Das waren jetzt alle vier Zusatzfragen . - Bitte schön,
Herr Staatssekretär .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Zunächst zur Frage
nach den Verfahrensbevollmächtigten, ob wir bei weiteren Personen angefragt haben: Unser Ansprechpartner ist
das amerikanische Justizministerium . Deshalb hat sich
das Bundesamt für Justiz für ergänzende Informationen
an ebendieses gewandt .
Zweitens . Es ist natürlich richtig, dass das für die Einordnung, was die Relevanz anbelangt, von Bedeutung ist .
Aber genau dazu kann ich Ihnen jetzt angesichts der Einstufung durch das amerikanische Justizministerium keine
Auskunft erteilen, wie ich es dargestellt habe .
Dann zu Ihrer Frage, was wir zu unternehmen beabsichtigen: Die Bundesregierung muss über die Bewilligung eingehender Ersuchen auf vorläufige Inhaftnahme
mit dem Ziel der Auslieferung entscheiden . Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
die beteiligten Ressorts deshalb zu einer Besprechung
einladen .
Vielen Dank . - Die Frage 28 des Kollegen Christian
Ströbele wird schriftlich beantwortet .
Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Staatssekretär
Lange, für die Beantwortung der Fragen .
Die Fragen 29 und 30 des Kollegen Dr . Axel Troost
und die Fragen 31 und 32 der Kollegin Lisa Paus aus dem
Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen
werden schriftlich beantwortet .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales . Zur Beantwortung
steht die Parlamentarische Staatssekretärin Gabriele
Lösekrug-Möller zur Verfügung .
Ich rufe die Frage 33 der Abgeordneten Katrin Werner
auf:
Wie schlüsseln sich die von der Bundesministerin Andrea
Nahles am 22 . September 2016 in ihrer Bundestagsrede zum
Bundesteilhabegesetz erwähnten 700 Millionen Euro Mehrausgaben des Bundes im Zuge des geplanten Bundesteilhabegesetzes im Einzelnen auf?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Kollegin Werner, ich
antworte wie folgt: Für den Bund ergeben sich zum Zeitpunkt des vollständigen Inkrafttretens des Bundesteilhabegesetzes im Jahr 2020 Mehrausgaben in Höhe von
693 Millionen Euro, das heißt von rund 700 Millionen
Euro . Die Mehrausgaben des Bundes werden in der Gesetzesbegründung unter den Ausführungen zu den Gesetzesfolgen transparent dargestellt . Die entsprechenden
Mehrausgaben setzen sich danach wie folgt zusammen:
58 Millionen Euro für die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung, 1 Million Euro für den Teilhabeverfahrensbericht der BAR, 3 Millionen Euro für die Untersuchung
und Umsetzungsunterstützung des Bundesteilhabegesetzes, jeweils 100 Millionen Euro für präventive Modellvorhaben nach SGB II und SGB VI und 431 Millionen
Euro für zusätzliche Ausgaben der Grundsicherung im
Alter und bei Erwerbsminderung .
Frau Kollegin Werner, Sie dürfen jetzt noch einmal
oder zweimal nachfragen .
Danke schön, Frau Präsidentin . - Ich habe nur eine
Nachfrage: Ich würde gerne wissen, wie viel von den
Geldern direkt bei den Menschen mit Behinderungen ankommt und damit ihre gesellschaftliche Teilhabe verbessert . Es war jetzt von Modellprojekten die Rede . Aber:
Welche Mittel kommen direkt bei den Menschen an?
Bitte schön .
Ich versuche, bestmöglich zu antworten . Sie müssen
berücksichtigen, dass das ein Gesetzentwurf ist und das
Gesetz seine Wirkung erst noch entfalten muss . Daher
können wir nicht genau sagen, wie viel von den Mitteln
direkt bei den Leistungsempfängern ankommt . Wir wissen aber sehr wohl, wie sich die Kosten der Eingliederungshilfe und damit die Leistungen in den letzten Jahren
entwickelt haben . Wir gehen davon aus - Sie kennen ja
unseren Koalitionsvertrag -, dass der berechtigte Personenkreis weder eingeschränkt noch ausgeweitet wird und
die Leistungen nach diesem Recht jetzt teilhabeorientiert
ausgerichtet werden . Daher können die Erkenntnisse aus
den letzten Jahren helfen, den Kostenrahmen zu ermitteln, der ab 2020 eingehalten wird .
Danke schön . - Ich rufe jetzt die Frage 34 der Kollegin Katrin Werner auf:
Wie hoch sind die Kosten für die Kampagne „Mehr möglich machen . Weniger behindern .“, die im öffentlichen Raum,
in Tageszeitungen und Zeitschriften sowie im Internet auf die
behindertenpolitische Gesetzgebung der Bundesregierung aufmerksam macht?
Bitte schön .
Vielen Dank . - Die Kosten für die Kampagne „Mehr
möglich machen . Weniger behindern .“ betragen im
Jahr 2016 bislang 990 061 Euro . Hiervon entfallen
919 875 Euro auf Schaltungen von Anzeigen in Tageszeitungen und Onlinemedien sowie Großflächenwerbung.
Die Nebenkosten betragen 70 186 Euro und umfassen
beispielsweise Ausgaben für Casting, Shooting, Druckunterlagenherstellung, Andrucke, technische Kosten der
Außenwerbung im öffentlichen Raum und Prüfdrucke .
Frau Werner .
Ich spreche das gerade im Hinblick auf die massive
Kritik an dem vorgelegten Entwurf des Bundesteilhabegesetzes an in der Hoffnung, dass sich da noch viele Dinge ändern werden . Ich hätte schon gerne eine Bewertung .
Was im Rahmen der Kampagne gerade gemacht wird,
das kann man verstehen oder auch nicht . Aber: Wie bewerten Sie diese Kampagne?
Ich stelle auch gleich meine zweite Nachfrage: Was
soll das Ziel der Kampagne sein - für mich ist es, ehrlich
gesagt, unverständlich -, und welche Zielgruppe haben
Sie eigentlich bei dieser Kampagne im Auge?
Ich will Ihnen sagen: Die UN-BRK verpflichtet die
Vertragsstaaten in Artikel 8, das Bewusstsein für Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft zu schärfen, insbesondere durch öffentlichkeitswirksame Informations- und Aufklärungskampagnen . Um die Ziele
der UN-BRK und die Maßnahmen des Ministeriums für
Arbeit und Soziales bei ihrer Umsetzung in die breite Öffentlichkeit zu tragen, führen wir diese Kampagne durch .
Sie beschränkt sich eben nicht - das darf ich klarstellend sagen - auf den Entwurf des Bundesteilhabegesetzes, sondern sie bezieht sich auf den weiterentwickelten
Nationalen Aktionsplan - vor wenigen Tagen gab es
Inklusionstage - und auch auf die Weiterentwicklung
des Behindertengleichstellungsgesetzes; es gab in diesem Jahr eine Novellierung, die bereits in Kraft getreten
ist . All das umfasst diese Kampagne . Wir sehen sie als
eine angemessene, richtige und, wenn ich Artikel 8 der
UN-BRK heranziehe, notwendige und verpflichtende
Maßnahme .
({0})
Danke schön . - Sie sind zufrieden, Frau Kollegin
Werner .
Dann rufe ich jetzt die Frage 35 der Abgeordneten
Jutta Krellmann auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, dass sie aktuell die
Regelungen zur Festhaltenserklärung in § 9 Absatz 1 Nummern 1 bis 1b des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ({0}), mit der ein illegal überlassener Arbeitnehmer der Entstehung eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher widersprechen kann, so auslegt, dass bei Fortführung einer
rechtswidrigen Überlassung trotz Widerspruch ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher entsteht, weil der vorherige Widerspruch
für den fortgeführten rechtswidrigen Einsatz nicht greift, wie
von der Pressestelle des Bundesministeriums für Arbeit und
Soziales gegenüber dem NDR am 11 . Oktober 2016 mitgeteilt
wurde, und kann die Bundesregierung somit bestätigen, dass
ihr aktuelles Regelungsziel ist, dass die Festhaltenserklärung
zeitlich nicht für die Zukunft wirkt ({1})?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin .
Frau Kollegin Krellmann, mit der im Gesetzentwurf
der Bundesregierung vorgesehenen Festhaltenserklärung kann eine rechtswidrige Überlassung weder für die
Vergangenheit noch für die Zukunft legalisiert werden .
Das Widerspruchsrecht ermöglicht allein das Festhalten
am bisherigen Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher und
schützt damit die durch Artikel 12 des Grundgesetzes geschützte Berufs- und Arbeitgeberwahl .
Das Widerspruchsrecht ermöglicht jedoch nicht das
Festhalten an einer rechtswidrigen Einsatzpraxis . Dementsprechend kommt es bei der Fortführung eines rechtswidrigen Einsatzes trotz Erklärung des Widerspruchs zur
Nichtigkeit des Arbeitsvertrages zwischen Verleiher und
Leiharbeitnehmer nach § 9 Absatz 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher nach § 10 dieses Gesetzes,
das im Entwurf heute auch im Ausschuss diskutiert und
bewertet wurde . Wird der rechtswidrige Einsatz nach der
Erklärung des Widerspruchs hingegen nicht fortgeführt,
bleibt es auch für die Zukunft bei einem Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher .
Bitte schön, Frau Krellmann .
Vielen Dank . - Das war eine sehr klare und verständliche Erklärung . Ich habe keine Nachfragen .
Danke . - Dann kommen wir zur Frage 36 der Abgeordneten Jutta Krellmann:
Plant die Bundesregierung, den Gesetzestext zur Festhaltenserklärung in § 9 Absatz 1 Nummern 1 bis 1b AÜG-E ({0}) dahin gehend zu ändern, dass sich
das Regelungsziel, dass bei Fortführung einer rechtswidrigen
Überlassung trotz Widerspruch ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher entsteht, weil der vorherige Widerspruch für den fortgeführten rechtswidrigen Einsatz nicht greift, auch im Wortlaut
des Gesetzes findet, da dieser Wortlaut meiner Auffassung
nach die Grenzen für die Auslegung setzt und das aktuelle Regelungsziel der Bundesregierung im derzeitigen Gesetzestext
keinen tragfähigen Anknüpfungspunkt findet?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin .
Ja, sehr gerne . - Kollegin Krellmann, der von der
Bundesregierung am 1 . Juni beschlossene Gesetzentwurf
befindet sich im parlamentarischen Verfahren - ich entschuldige mich schon einmal; ich weiß, dass wir uns heute Morgen im Ausschuss gesehen haben; aber der Vollständigkeit der Antwort halber will ich das gerne noch
einmal erwähnen - und kann demzufolge nicht mehr von
der Bundesregierung geändert werden .
Im Übrigen teilt die Bundesregierung die in der Frage geäußerte Rechtsauffassung nicht, dass sich im Entwurfstext kein tragfähiger Anhaltspunkt für die in der
Antwort zu Frage 35 dargelegte Auffassung findet.
Der für die Beratungen im Deutschen Bundestag federführende Ausschuss für Arbeit und Soziales hat sich
in seiner heutigen Sitzung für einzelne Änderungen am
Gesetzentwurf ausgesprochen . Hierzu zählte auch eine
ausdrückliche Regelung zur Geltung von § 9 und § 10
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz bei der Fortführung
einer rechtswidrigen Überlassung nach Widerspruch .
In der Begründung des vom Ausschuss angenommenen
Änderungsantrages wird zutreffend ausgeführt, dass dies
nur der Klarstellung dient .
Frau Kollegin Krellmann, sind Sie wieder mit der Antwort einverstanden?
Ja .
Wunderbar . - Ich bedanke mich bei der Staatssekretärin für die klare und eindeutige Beantwortung der Fragen . Damit sind wir am Ende Ihres Geschäftsbereiches
angelangt .
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft auf . Die Frage 37
des Kollegen Friedrich Ostendorff und die Frage 38 der
Kollegin Bärbel Höhn werden schriftlich beantwortet .
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Verteidigung auf . Die Frage 39 des Kollegen Andrej
Hunko und die Frage 40 des Kollegen Dr . Alexander S .
Neu werden schriftlich beantwortet .
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit auf . Die Frage 41 der Kollegin
Katrin Kunert wird schriftlich beantwortet .
Als Letztes rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur auf .
Die Frage 42 des Kollegen Stephan Kühn, die Frage 43
des Kollegen Oliver Krischer, die Fragen 44 und 45 des
Kollegen Herbert Behrens sowie die Fragen 46 und 47
des Kollegen Matthias Gastel werden schriftlich beantwortet .
Damit sind wir am Ende der Fragestunde angekommen .
Ich unterbreche die Sitzung bis 15 .35 Uhr .
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet .
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD
Lage in Syrien und Irak und die internationalen Bemühungen um eine Stabilisierung der
Region
Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat als erster
Redner in der Aktuellen Stunde Dr . Rolf Mützenich von
der SPD-Fraktion .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Der Bekämpfung des IS dient ein ganzes Bündel an verschiedenen Maßnahmen und Instrumenten wie
Geheimdienste, Strafverfolgung, die Überprüfung der
Finanzwege, aber auch die Zusammenarbeit mit anderen
Ländern und die Stabilisierung der Region, der insbesondere vonseiten der Bundesregierung in den laufenden
Haushalten, aber auch in der Zukunft große Priorität eingeräumt wird . Dazu gehört - auch das sage ich an dieser
Stelle - ein inklusives und gerechtes Regieren im Irak;
auch das ist eine Notwendigkeit, um eine Stabilisierung
der Region hinzubekommen . Ich glaube, wir sollten uns
immer wieder vor Augen führen: Leider gibt es auch
viele deutsche Staatsbürger, die aufseiten gewaltbereiter
Gruppen in dieser Region kämpfen . Das schafft auch eine
Verantwortung Deutschlands gegenüber dieser Region .
In der Tat: Nicht als einziges, aber als ein Instrument
brauchen wir zur Bekämpfung des IS auch militärische
Maßnahmen . Darüber werden wir morgen in der Mandatsdebatte noch diskutieren .
Meine Damen und Herren, schwerste Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen sind in Syrien verübt worden, von Russland, aber auch von allen anderen
Kriegsteilnehmern, indirekt oder direkt . Ich glaube, es ist
notwendig, mit dem Finger auf genau diese Verantwortlichen zu zeigen . Die unterschiedslose Bombardierung
von Zivilisten - zum Beispiel im Osten Aleppos, aber
auch darüber hinaus - ist ein Menschenrechtsverbrechen,
das auch so genannt werden muss .
({0})
Vonseiten der Sozialdemokratischen Partei haben wir die
Bundeskanzlerin gebeten, dies auch heute beim Besuch
von Präsident Putin in Deutschland so offen anzusprechen . Ich glaube, das ist richtig . Für mich war es wirklich
schrecklich, zu hören, dass die Hilfsorganisationen, die
dort immer noch tätig sind, sagen: Auch wir werden mittlerweile Ziel dieser Angriffe .
Es gibt einen bemerkenswerten Beitrag der Vorsitzenden der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Frau GöringEckardt, in der FAZ von vor einigen Tagen, dessen Tenor
lautet, jetzt müsse man doch endlich etwas tun, die Regierung tue zu wenig . Außerdem wurden Vorschläge
gemacht, in Sachen Waffenruhe, Diplomatie, Vereinte
Nationen, humanitäre Hilfe und Internationaler Strafgerichtshof endlich voranzukommen . Frau Göring-Eckardt,
Ihr Artikel war nicht auf der Höhe der Zeit . Eine Waffenruhe ist von der Bundesregierung und ihren Partnern
immer wieder eingefordert worden . Es ist auch immer
wieder vermittelt worden; der Diplomatie sollte zum
Durchbruch verholfen werden . Man regte an, dass die
Vereinten Nationen aktiv werden . Von Deutschland kam
zum Beispiel der Vorschlag, dass sich die Generalversammlung mit diesem Thema befassen soll . Die humanitäre Hilfe steht bei all den Fragen, die wir gegenüber dem
Auswärtigen Amt immer wieder angesprochen haben,
ganz oben auf der Tagesordnung . Da Sie unter anderem
den Internationalen Strafgerichtshof erwähnt haben, Frau
Göring-Eckardt, muss ich Ihnen sagen: Sie hätten die
Bundesregierung 2015 loben sollen, als unter deutschem
Vorsitz im Menschenrechtsrat genau dieses Thema auf
der Tagesordnung gestanden hat und es darum ging, den
Internationalen Strafgerichtshof durch Dokumentation
zu unterstützen .
({1})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen eine
ehrliche Debatte. Ich finde für Ihren Namensbeitrag keine andere Erklärung, als dass es sich dabei um einen
innerparteilichen Wettbewerb handelt. Ich finde aber,
dieses Thema ist zu ernst, um es dem innerparteilichen
Wettbewerb unterzuordnen .
({2})
Meine Damen und Herren, in der Tat haben Sanktionen gegenüber Russland in den letzten Tagen eine große
Rolle gespielt, und man sollte sie auch nicht grundsätzlich ausschließen .
({3})
Ich finde aber, dass die Frage berechtigt ist - auch Sie
werden nicht umhinkommen, darauf zu antworten -:
Schaffen wir mit Sanktionen das, was wir erreichen wollen, nämlich den Menschen in der Region die konkrete
Hilfe zu geben, die wir in der Lage sind zu geben?
({4})
Das schaffen Sie mit Sanktionen eben nicht, insbesondere dann nicht, wenn Sie nicht ehrlich sind . Sie dürfen
nämlich nicht nur einen Kriegsteilnehmer benennen, sondern müssen alle Kriegsteilnehmer in Syrien und darüber hinaus benennen. Ich finde, da haben Sie noch eine
Menge zu tun . Hier wäre kein Namensartikel notwendig
gewesen; stattdessen hätten Sie eine Menge benennen
können .
({5})
Wir Sozialdemokraten sind nicht naiv gegenüber
Russland . Insbesondere aber tun wir eines nicht: Wir biedern uns Putin nicht an. Das tun andere, und ich finde das
falsch . Der entscheidende Punkt ist aber, dass wir sagen:
Russland ist, egal wie es sich verhält, Nachbar Europas,
und wir müssen versuchen, auch mit Russland immer
wieder im Gespräch zu sein . Deswegen begrüßen wir,
dass Präsident Putin heute nach Berlin kommt. Ich finde, Russland braucht unsere Aufmerksamkeit . Man muss
Putin letztlich aber auch sagen, dass er kein verlässlicher
Partner mehr ist, so wie ich ihn mir gewünscht habe . Spätestens mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim
ist er andere Wege gegangen .
Ich sage sehr eindeutig: Einfache Antworten werden
dieser Krise, die längst über Syrien hinausgeht, nicht gerecht .
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .
({6})
Vielen Dank . - Als nächste Rednerin hat Heike Hänsel
für die Fraktion Die Linke das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir begrüßen ausdrücklich, dass heute ein Treffen von
Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu Syrien und zur Ukraine stattfindet; denn Dialog ist der richtige Weg.
({0})
Es geht darum, endlich wieder miteinander zu reden und
sich nicht mit immer neuen Sanktionsforderungen und
Säbelrasseln zu profilieren.
({1})
In diesem Zusammenhang begrüßen wir die aktuell
von Russland und Syrien ausgerufene einseitige Feuerpause . Sie muss dazu genutzt werden, einen umfassenden
beiderseitigen Waffenstillstand herbeizuführen .
({2})
Übrigens gibt es ja wohl schon erste Meldungen über einen möglichen Abzug der Fatah-al-Scham-Rebellen aus
Aleppo . Das würden wir ausdrücklich begrüßen . Es wäre
ein wichtiger Erfolg für die Vereinten Nationen in diesem
gesamten Konflikt.
({3})
Bomben, egal von welcher Seite - das sagen wir ausdrücklich -, schaffen keinen Frieden .
({4})
Das sehen wir im Osten Aleppos mit aller Schärfe . Wer
nur, wie die Bundesregierung - leider hat das mein Vorredner auch wieder gemacht -, von syrischen und russischen Bomben spricht,
({5})
aber dazu schweigt, dass in Syrien auch US-amerikanische, türkische, saudi-arabische und französische Bomben fallen, der macht sich völlig unglaubwürdig .
({6})
Zur Wirklichkeit in Aleppo gehört auch - das habe
ich bisher nur wenig gehört - die Beschießung WestAleppos mit Mörsergranaten durch islamistische Rebellen, wodurch ebenfalls zahlreiche Zivilisten getötet oder
verstümmelt werden . All das muss ein Ende haben!
({7})
- Ja .
Dafür brauchen wir die entsprechenden Voraussetzungen . Dazu gehört unter anderem, dass die Bundesregierung endlich ihre strategischen Partnerschaften mit
autoritären Regimen und Diktaturen wie der Türkei und
Saudi-Arabien aufgibt, die den Krieg in Syrien und im
Irak weiter anheizen und islamistische Gruppen nachweislich mit Waffen versorgen .
({8})
Dazu gehört auch, dass Sie in diese Länder keine Waffen
mehr liefern. Ich finde es einen Skandal, dass sich Rheinmetall gemeinsam mit einem türkischen Unternehmen an
einer neuen Panzerschmiede in der Türkei beteiligt und
damit in die Massenproduktion von türkischen Panzern
einsteigen will, während die kurdische Zivilbevölkerung
mit türkischen Panzern bekämpft wird . Das ist doch nicht
hinnehmbar . Beenden Sie endlich dieses Geschäft mit
dem Tod!
({9})
Sie sind leider Meister einer Politik der Doppelstandards .
({10})
Für Syrien fordern Frank-Walter Steinmeier für die Bundesregierung, aber auch Norbert Röttgen eine Flugverbotszone; das haben wir auch von Cem Özdemir gehört .
Aber wer hat nach den massiven Luftangriffen auf den
Jemen, etwa der Bombardierung von Hochzeitsgesellschaften oder der Bombardierung zahlreicher Krankenhäuser, und nach dem Appell von Amnesty International
an die Weltgemeinschaft eine Flugverbotszone gefordert?
({11})
Ich habe die Bundesregierung danach gefragt . Sie hat mir
geantwortet, eine Flugverbotszone für den Jemen sehe
sie nicht vor, da unklar ist, wer sie durchsetzen solle . Mit
dieser Politik der Doppelstandards, mit dieser Einseitigkeit der Bundesregierung können wir international nicht
zu Dialog und Konfliktlösung beitragen.
({12})
Diese Politik der Doppelstandards muss beendet werden .
({13})
Das betrifft übrigens auch den Irak . Die nun verkündete Großoffensive auf Mosul wird natürlich auch vielen
Zivilisten das Leben kosten und zu vielen neuen Flüchtlingen führen . Die UN sprechen in diesem Zusammenhang von 1 Million Menschen . Und ich sage Ihnen: Die
Offensive birgt die Gefahr für einen neuen Krieg in der
Region . Präsident Erdogan hat nämlich angekündigt ich zitiere ihn -:
Wenn Mosul vom IS . . . befreit worden ist, sollten
nur sunnitische Araber, Turkmenen und sunnitische
Kurden dableiben .
Zu diesem skandalösen Satz, der bedeutet, dass es zu
ethnischen Vertreibungen oder vielleicht auch zu Grenzverschiebungen kommen kann, habe ich von der Bundesregierung kein einziges Wort gehört .
({14})
Es ist wirklich inakzeptabel, dass Sie zu einer solchen
Politik von Erdogan schweigen .
({15})
Ich frage mich auch, wie Sie nach wie vor rechtfertigen,
dass Sie den Kurden im Norden Syriens keine humanitäre Hilfe leisten, dass Sie sich nicht gegen die türkische
Blockade gegenüber den Kurden aussprechen . Auch hier
wäre es überfällig, dass sich die Bundesregierung für diejenigen einsetzt, die derzeit am effektivsten gegen den IS
kämpfen .
Krieg als Mittel der Politik bedeutet immer eine
menschliche und politische Katastrophe . Krieg ist immer ein Verbrechen, egal von welcher Seite . Auch Terrorismus lässt sich damit nicht bekämpfen . Wir brauchen
endlich den Anlauf neuer politischer Initiativen in Syrien
und im Irak . Dazu gehört auch die breite Beteiligung der
Zivilgesellschaft; sie ist mittlerweile nämlich ganz außen
vor . Es gibt nach wie vor politische Initiativen der zivilen
Opposition in all diesen Ländern, einer Opposition, die
sich dafür starkmacht, eine neue Politik des Friedens zu
entwerfen . Sie braucht unsere Unterstützung .
Danke .
({16})
Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Volker Kauder
für die CDU/CSU-Fraktion das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Man kann hier über verschiedene Möglichkeiten und
auch über Möglichkeiten, die es gar nicht gibt, reden .
Aber, Frau Hänsel, bevor man so einsteigt, wie Sie eingestiegen sind, sollte man wissen, dass in diesem Augenblick Tausende von Menschen in Aleppo und im Irak
sterben .
({0})
Dass Menschen in Aleppo sterben, ist vor allem darauf
zurückzuführen, dass Herr Putin und die Armee von
Assad nicht nur Stellungen bombardieren, sondern auch
all das, was den Menschen in Aleppo noch ein bisschen
Zuversicht geben könnte; von Hilfe will ich gar nicht reden . Darüber haben Sie kein Wort verloren .
({1})
Ihnen fehlt wirklich jede Kompetenz im Bereich Menschlichkeit; das muss ich einmal so klar und deutlich formulieren .
({2})
Bevor ich zum eigentlichen Thema komme, möchte ich
doch feststellen: Wenn das, was wir heute erleben, Ergebnis von rot-rot-grünen Gesprächen ist, dann wäre das
für Deutschland eine ganz schlechte Alternative, meine
sehr verehrten Damen und Herren .
({3})
Wir verfolgen die Entwicklung im Irak, in Mosul, mit
Zuversicht; denn nach Jahren der Besetzung durch den
IS erfolgt nun eine Befreiung der Stadt . Aber es wurde
bereits darauf hingewiesen, dass das Vertreiben des IS
aus Mosul noch lange keine Lösung bedeutet,
({4})
sondern dass wir uns jetzt mit der Frage befassen müssen: Was folgt politisch? Denn nachdem der Diktator im
Irak vertrieben wurde, wurde der Fehler gemacht, eine
rein schiitische Regierung in Bagdad einzusetzen, die
sich um den Rest des mehrheitlich sunnitischen Landes
überhaupt nicht gekümmert hat, mit all den Konsequenzen, die dann eingetreten sind . Der Präsident der Autonomen Region Kurdistan, Barzani, hat mir gesagt, nicht
einmal eine Flasche Milch sei aus Bagdad zu ihnen gekommen, sie hätten nichts von der Regierung in Bagdad
gesehen . Das hat mit dazu geführt, dass die Menschen
in Mosul damals, als der IS kam, hin- und hergerissen
waren, ob sie ihn unterstützen oder sich gegen ihn verteidigen sollen . Es muss uns doch alle mit Sorge erfüllen,
wenn Sunniten sagen, dass sie vor der Befreiung mindestens so viel Angst haben wie damals in der Situation, als
der IS gekommen ist . Deswegen ist es unsere Aufgabe,
jetzt alles für eine politische Konferenz darüber zu tun,
wie es weitergehen soll. Ich finde, dafür haben wir die
Verantwortung .
Sie haben es zu Recht gesagt, Herr Mützenich: Wir
haben uns damals nach einer wirklich intensiven Diskussion im Deutschen Bundestag bereit erklärt, den Jesiden
und Christen zu helfen, sich zu verteidigen, indem wir
den Peschmerga-Kurden die entsprechenden Möglichkeiten geben . Ich erinnere noch einmal an den Satz Barzanis, der mich so bewegt hat wie kaum etwas anderes .
Barzani hat mir gesagt: Herr Kauder, ich erwarte nicht
von Ihnen, dass Sie Ihre Söhne und Töchter schicken, um
Ihre Glaubensbrüder zu verteidigen; aber dann müssen
Sie mir helfen, dass wir, die Peschmerga-Kurden, das tun
können . - Wir haben uns bereit erklärt, Waffen und Ausbildungshilfe zu geben, und jetzt sind 4 000 Peschmerga
in dieser Gruppe, die versucht, Mosul zu befreien . Weil
wir mitgeholfen haben, dass dies möglich ist, müssen wir
jetzt auch alles daransetzen, politisch dahin gehend zu
wirken, dass sich die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen, dass wir in Mosul wirklich zu einer Befriedung
kommen, dass alle beteiligt werden und dass niemand
glauben kann, er könne die Situation ethnisch, politisch
oder religiös für sich nutzen, um neue Machtpositionen
zu festigen .
({5})
Ich bin der Bundesregierung - sowohl dem Auswärtigen Amt bzw . dem Außenminister als auch dem Minister
für wirtschaftliche Zusammenarbeit -, die erst einmal
ein großes materielles Kontingent zur Verfügung gestellt
hat, außerordentlich dankbar . Wir haben dem Irak so viel
Geld gegeben wie kein anderer einzelner Geber - über
200 Millionen Euro -, und sollten die Möglichkeit, die
wir dadurch haben, nutzen, um ins Gespräch zu kommen .
Ich hoffe natürlich auch - damit will ich schließen -,
dass der heutige Tag, an dem Putin nach Deutschland
kommt, genutzt wird, darauf hinzuweisen, dass Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen stattfinden
und dass dafür nur einige wenige infrage kommen . Ich
sage nicht, wer die Hauptschuld hat . Dass Putin mit diesen Menschenrechtsverletzungen überhaupt nichts zu tun
hat, entspricht aber nicht der Wahrheit, liebe Kolleginnen
und Kollegen .
({6})
Deswegen ist es richtig, dass das angesprochen wird .
Ich habe den Beitrag von Frau Göring-Eckardt ebenfalls gelesen . Das ist der Versuch, in einer Situation, in
der wir wenige Möglichkeiten haben, zu handeln, etwas
zu tun . Wir sollten uns in dieser schwierigen Frage nicht
gegenseitig absprechen, dass wir alle ein gemeinsames
Ziel haben . Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten . Ich
glaube, dass es richtig ist, jetzt noch einmal mit Putin zu
sprechen und alles zu versuchen . Aber richtig ist auch:
Wenn Putin den Eindruck hat, dass Sprechen unsere einzige Form der Auseinandersetzung mit ihm ist, dann wird
es auch nichts .
Vielen Dank .
({7})
Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Omid
Nouripour das Wort .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erlauben
Sie mir zwei Vorbemerkungen zum Kollegen Mützenich .
Erstens . Ich hatte gehofft, dass es Naivität ist - Sie haben sich aber dagegen verwahrt, dass es naiv sei -, dass
der Parteivorsitzende der Sozialdemokraten die Verantwortung in Syrien so beurteilt, dass er für Demonstrationen sowohl vor der russischen Botschaft als auch vor der
amerikanischen Botschaft eintritt . Das ist eine Gleichsetzung von Verantwortung, die der Situation vor Ort nicht
gerecht wird . Ich hoffe immer noch: Das war naiv und
nichts anderes .
({0})
Zweitens . Sie haben gesagt, das mit dem Internationalen Strafgerichtshof machten wir schon . Wir diskutieren
dazu morgen einen Antrag zu diesem Thema im Deutschen Bundestag . Es wird eine Abstimmung darüber geben . Wir werden sehen, wie Sie sich zu der Forderung
meiner Fraktionsvorsitzenden verhalten .
Meine Damen und Herren, zwei Millionenstädte stehen zurzeit im Fokus: Aleppo und Mosul . Die Situation
ist in beiden Städten dramatisch bis katastrophal - aus
verschiedensten Gründen . Offenkundig ist, dass wir ganz
schnell Lösungen brauchen . Offenkundig ist aber auch,
dass die schnellen Lösungen am Ende des Tages nur helfen, wenn wir einen langen Atem haben .
Im Fall von Aleppo sieht man, dass es immer wieder
an diesem langen Atem scheitert . Nein, niemand hat eine
Patentlösung . Niemand hat eine superklare, einfache
Antwort darauf, wie wir die Russen davon überzeugen
sollen, dass sie keine bunkerbrechenden Bomben mehr
auf Wohnhäuser werfen . Aber die Tatsache, dass zwar
zurzeit in Lausanne Gespräche geführt werden - das ist
an sich richtig -, die Europäische Union aber nicht mehr
dabei ist, zeigt, dass sich die Europäer allein durch Uneinigkeit und vielleicht auch durch Untätigkeit komplett
aus dem Spiel genommen haben . Frau Mogherini wollte
am Samstag dabei sein . Sie wollte am Montag dabei sein .
Die Europäer werden zurzeit nicht gebraucht .
Gerade in dieser Situation ist es umso notwendiger,
dass die Bundesregierung anspricht, dass ein Land in
Osteuropa, das sich sehr laut gegen die Aufnahme syrischer Flüchtlinge verwahrt, in der letzten Woche den
Vizeaußenminister zu Assad geschickt hat . Es gibt Hinweise darauf, dass dieses Land, das im Übrigen auch
die Opposition mit Waffen beliefert, jetzt zugesagt hat,
Assad ebenfalls Waffen zu liefern . Das ist eine riesige
Heuchelei, über die man endlich in Brüssel reden sollte . Wenn diese Dinge nicht auf den Tisch kommen, wird
es nicht dazu führen, dass die Europäer eines Tages eine
einheitliche Linie finden werden.
Wir haben jetzt die Situation, dass immer wieder Zeitfenster eröffnet werden, dass gesagt wird: Ihr könnt alle
raus . Es gibt acht Korridore . Alle Terroristen können
gehen . Die Zivilbevölkerung kann gehen . - Die Argumentation wechselt . Kollegin Brantner und ich haben die
Bundesregierung gefragt, was mit den Leuten passiert ist,
die aus Daraja herausgekommen sind . Sind sie evakuiert
worden? Die Antwort der Bundesregierung ist: Sie weiß
es nicht . - Das ist kein Vorwurf an die Bundesregierung .
Es gibt keine Registrierung dieser Leute . Wir können nur
hoffen, dass sie irgendwo untergekommen sind . Zu befürchten steht aber, dass weit Schlimmeres passiert ist .
Wenn wir darüber reden, was wir tun können, und es ein
Angebot gibt, die Zivilbevölkerung aus Aleppo zu evakuieren, frage ich: Was ist der Beitrag der Bundesregierung zur Registrierung dieser Leute, damit wir sicher sein
können, dass sie irgendwo lebendig ankommen? Wenn
wir über das Tun-Müssen reden, sollten wir auch darüber
reden, dass es tatsächlich Beiträge gibt, die Deutschland
den Vereinten Nationen anbieten kann oder sollte .
Zur Rolle der Vereinten Nationalen: Kanada bringt
das Thema wegen der Blockade des Sicherheitsrates in
die Vollversammlung . Das Land will, dass dabei eine
Uniting-for-Peace-Initiative herauskommt und dass es
hoffentlich eine Zweidrittelmehrheit im Sicherheitsrat
gibt, die verurteilt, was in Aleppo passiert . Heute haben
wir im Ausschuss gehört, dass die Bundesregierung das
unterstützt . Das freut mich sehr . Ich wünsche mir jedoch
dabei größere Lautstärke, damit draußen ankommt, dass
es auch für Deutschland eine Alternative ist, das Thema
in die Generalversammlung der Vereinten Nationen zu
bringen .
Zum langen Atem: Ja, das ist richtig; das ist von allen
gesagt worden . Meine Kollegin Roth wird gleich länger
auf Mosul eingehen . Wenn Mosul hoffentlich befreit ist wir wissen, dass es danach Spill-over-Effekte überallhin
geben kann -, gibt es noch sehr viel zu tun . Die Bundesregierung hat vor einem Jahr im Nordirak Cash-forWork-Programme aufgesetzt . Wir erfahren, dass Kleinprojekte derzeit keinen Cent bekommen .
Zur Endverbleibskontrolle: Herr Kollege Kauder, Sie
haben gerade gesagt, man solle die Fehler der Vergangenheit vermeiden . Das stimmt . Aber zu den Fehlern
der Vergangenheit gehört auch, dass es Berichte von
Amnesty International und von Human Rights Watch
gibt, nach denen die Peschmerga die Sunniten aus ihren
Dörfern vertreiben . Ob die deutschen Waffen dabei eine
zentrale Rolle spielen, wissen wir nicht, weil die Bundesregierung bezüglich der Endverbleibskontrolle sagt:
Keine Ahnung, wir können das nun einmal nicht bis zur
letzten Waffe gewährleisten . - Das sind auch Fehler der
Vergangenheit, die man vermeiden sollte . Genauso ist die
Frage, was die Türkei, ein NATO-Mitgliedstaat und Partner, zurzeit 110 Kilometer innerhalb des Territoriums des
Iraks macht .
({1})
Damit begeht sie massive Brüche des Völkerrechts - gegen den Willen Bagdads und gegen alles, was die Zentralregierung dort sagt .
Das Letzte, was ich noch sagen will, ist: Sie haben die
Jesiden angesprochen . Die Jesiden haben fürchterliche
Zeiten erlebt . Wenn man mit ihnen redet - ich habe das
kurz zuvor getan -, dann stellt man fest, dass die Sunniten teilweise größere Angst vor der Befreiung als vor
ISIS haben . Viele der Jesiden, mit denen ich gesprochen
habe, haben größere Angst vor den Peschmerga als vor
einer Wiederholung dessen, was im letzten Jahr passiert
ist . Nach Sindschar werden sie nicht zurückkehren können; das wurde ihnen bereits gesagt . Dörfer, die von den
Kräften der Jesiden erobert werden, werden von den
Peschmerga neu erobert . Den Jesiden wird dann gesagt:
Für die Hilfsgüter müsst ihr jetzt zahlen . Wenn ihr kein
Geld habt, gibt es noch andere Leistungen, die ihr oder
eure Frauen erbringen können . - Das ist jenseits des Erträglichen .
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen .
Herr Kauder, Sie haben recht: Die Fehler der Vergangenheit müssen wir aufarbeiten, damit wir sie nicht wiederholen . Aber ich sehe nicht, dass die Bundesregierung
das zurzeit tut .
({0})
Als nächste Rednerin hat Dr . Ute Finckh-Krämer das
Wort für die SPD-Fraktion .
({0})
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer oben auf den Tribünen! Ich möchte zuerst ein, zwei Sachen richtigstellen,
Omid Nouripour . Die Bundesregierung unterstützt ausdrücklich den kanadischen Antrag, morgen in der Generalversammlung über die Situation in Syrien zu reden .
({0})
Die Bundesregierung hat uns heute im Auswärtigen Ausschuss mitgeteilt - das muss man nicht als Geheimnis
behandeln -, dass sich dann herausstellen wird, ob es
eine entsprechende Mehrheit für eine mögliche „Uniting
for Peace“-Resolution der Generalversammlung gibt .
Man sollte etwas, wofür man eine Zweidrittelmehrheit
braucht, nur anstreben, wenn man es tatsächlich erreichen kann .
({1})
Rot-Rot-Grün wird nicht in erster Linie daran gemessen, wie die heutige Diskussion zwischen den Roten, den
Grünen und den anderen Roten über Syrien und den Irak
verläuft . Rot-Rot-Grün diskutiert im Augenblick über
gemeinsame Anliegen im Bereich der Sozialpolitik . Das
ist aber nicht Thema dieser Aktuellen Stunde .
({2})
Ich möchte einen Punkt ansprechen, bei dem wir, glaube ich, über alle Fraktionen eine Mehrheit erreichen können, nämlich die humanitäre Hilfe . In Syrien sind über
13 Millionen Menschen von humanitärer Hilfe abhängig .
Da das Thema die Stabilisierung Syriens ist, müssen wir
auch an diejenigen denken, die sich in Syrien außerhalb
von Ost-Aleppo aufhalten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind . Es gibt über 6 Millionen Binnenvertriebene . Ähnliches gilt für den Irak . Wir dürfen uns nicht nur
Gedanken darüber machen, was in den nächsten Wochen
und Monaten mit den Flüchtlingen aus Mosul geschehen
soll, sondern wir müssen auch die vielen Flüchtlinge und
Binnenvertriebenen im Irak im Blick behalten, insbesondere die Menschen, die nun genötigt werden, nach
Falludscha zurückzukehren, obwohl es dort keine Infrastruktur sowie nichts zu essen und zu trinken gibt . Auch
darum müssen wir uns kümmern . Dazu brauchen wir im
nächsten Bundeshaushalt mindestens so viel Geld für
humanitäre Hilfe sowie die entwicklungsorientierte Notund Übergangshilfe aus dem Etat des BMZ wie in diesem
Jahr . Wir alle können mit unseren Haushältern reden und
dafür sorgen, dass Ende November die entsprechenden
Mittel im Bundeshaushalt eingestellt sind . Diese Mittel
sollten nicht erst nachträglich durch irgendwelche Sonderzuweisungen oder Nachtragshaushalte bereitgestellt
werden .
({3})
Des Weiteren haben wir die Verantwortung, die internationalen Hilfsorganisationen bei ihren Bemühungen zu
unterstützen, dass die Grundprinzipien der humanitären
Hilfe, also die Unabhängigkeit, die Unparteilichkeit, die
Neutralität und die Menschlichkeit, eingehalten werden, auch und gerade in einer Situation, in der so viele
Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen sind; denn
in dem Augenblick, wo humanitäre Hilfe in einer Konfliktregion, in einem Bürgerkrieg oder in einem Krieg mit
ausländischer Beteiligung Teil eines Machtspiels wird,
sind nicht nur die Helfer gefährdet, wie die Berichte aus
Ost-Aleppo zeigen, sondern auch die Zugänge, die bei
Einhaltung der humanitären Prinzipien offen sind .
Ich war neulich mit einigen Kollegen in Genf . Einerseits haben wir dort gehört, dass Deutschland als Unterstützer dieser humanitären Prinzipien sehr geschätzt
wird . Andererseits sind wir dringend gebeten worden, bei
allem, was wir hier in Deutschland diskutieren und vorschlagen, an diesen humanitären Prinzipien festzuhalten .
Das Gleiche gilt für das, was diplomatisch passiert .
Es ist nicht entscheidend, ob Deutschland in Lausanne
mit am Tisch sitzt, es ist entscheidend, dass diejenigen
mit am Tisch sitzen, die im Augenblick massiv gewaltfördernd und konflikteskalierend von außen auf Syrien
und den Irak einwirken . Dazu gehören Länder wie Saudi-Arabien, wie der Iran, wie die Türkei, wie Russland,
wie die Regierungen von Irak und Syrien selber, aber
eben auch diejenigen, die im Augenblick im Kampf gegen ISIS als ausländische Koalition der Willigen aktiv
sind. Das ist wichtig, damit dort nicht die Konflikte, die
so eng miteinander verzahnt sind, weiter eskalieren und
damit es nicht noch mehr Tote gibt . Es müssen vielmehr
zunächst ein Waffenstillstands- und dann ein Friedensprozess in Gang kommen .
Frank-Walter Steinmeier hat nicht eine mit Gewalt
durchzusetzende Flugverbotszone in die Diskussion gebracht - das will ich als Letztes noch sagen -, sondern
er hat vorgeschlagen, dass man über freiwillige Flugverbotszonen, also No-Fly Areas, erreicht,
({4})
dass in bestimmten Bereichen nicht mehr gebombt werden kann . Das ist einer von vielen Vorschlägen, einer von
vielen kleinen Schritten, die zur Deeskalation des Konflikts gebraucht werden können, und das ist auch gut so.
Danke .
({5})
Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Wolfgang
Gehrcke von der Fraktion Die Linke das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte
sehr gehofft, dass wir gerade bei diesem Thema darauf
verzichten, kleinkarierten Parteienhickhack hier vorzuführen .
({0})
- „Wer hat angefangen?“ ist immer die falsche Frage .
({1})
Die Rede von Kauder war so etwas von kleinkariert, bezogen auf die Situation, wie sie real ist .
({2})
Wer für sich die menschliche Gerechtigkeit so vereinnahmt, der tut anderen nicht nur Unrecht, sondern sich
selber auch keinen Gefallen, Herr Kauder . Das war weder menschlich gerecht noch politisch weit gedacht .
({3})
Meiner Fraktion und mir geht es eigentlich im Moment nur um eine Frage: Ich will, dass das Töten und
Morden in Syrien aufhört .
({4})
Wenn nur eine Stunde Waffenruhe ist, dann wird in einer
Stunde nicht getötet und nicht ermordet . Dann möchte
ich diese Stunde wertschätzen und verteidigen .
Ich bin froh, dass nach drei Jahren der russische Präsident in Berlin ist . Es war schon längst fällig, ihn hierher
einzuladen . Ich bin unbedingt dafür, dass man mit ihm
darüber redet, wie man den stundenweisen einseitigen
Verzicht auf Waffeneinsatz, auf Luftangriffe in Syrien zu
einer dauerhaften Waffenruhe ausweitet .
({5})
Das ist Politik, Herr Kauder, und nicht das Zeug über
Rot-Rot-Grün, das Sie hier vorgetragen haben .
({6})
Ich bin auch dafür, dass darüber nachgedacht wird,
wie man einen Abzug, gesichert, kontrolliert und organisiert von den USA, von Russland und unter dem Dach
der Vereinten Nationen, möglich macht . Zivilisten aus
Kriegswirren herauszubringen, ist eine hohe Leistung
und verdient Unterstützung und nicht Häme . Das ist es,
was ich möchte .
({7})
Ich möchte auch, dass man den Bewaffneten im Ostteil von Aleppo die Chance bietet, diesen Ostteil zu verlassen . Das kann man kontrollieren . Man kann Waffen
abnehmen, oder man kann Waffen freiwillig abgeben .
({8})
Auch die Bewaffneten im Ostteil müssen eine Chance haben, herauszukommen, wenn man nicht will, dass
weiter geschossen wird . Das haben sie bisher abgelehnt,
aber ich finde, wir sollten in diese Richtung Politik entwickeln .
({9})
Die Chancen für die Zivilbevölkerung liegen darin,
einzelne Schritte einer Waffenruhe zu einem Waffenstillstand auszubauen und auf der Basis eines Waffenstillstands weiter zu verhandeln, wie man zu politischen
Veränderungen in Syrien kommt . Das ist das, was wir
hier ansteuern sollten .
Ich möchte dazu sagen: Ich wünsche mir die gleichen
Bedingungen für Mosul . Es wird nicht besser, wenn in
Mosul das Töten und Morden beginnt . Ich möchte die
gleichen Bedingungen für die fürchterliche Situation im
Jemen . Auch im Jemen muss eine Waffenruhe herbeigeführt werden .
({10})
Das ist eine Aufgabe, für die man sich engagieren kann .
Für die Linke gilt: Wir wollen, dass der Krieg in der
Luft und am Boden - beides: in der Luft und am Boden beendet wird .
({11})
In diese Richtung entwickeln wir unsere Vorstellungen .
Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass der
Publizist Andreas Zumach eine Idee, einen sehr guten
Vorschlag entwickelt hat, die Vollversammlung der UNO
solle in einer Sondersitzung eine „Uniting for Peace“-Resolution verabschieden .
({12})
Diese Idee kann man aufgreifen . Andreas Zumach möchte, dass eine solche Resolution mit vier Forderungen verbunden wird: Waffenruhe, Stopp aller Luftangriffe, keine
weiteren Waffenlieferungen nach Syrien von wem auch
immer - liebe Koalitionäre, das gilt ja auch für deutsche
Waffen, die dort eingesetzt werden ({13})
und die ungehinderte Zulassung von Hilfslieferungen
für die notleidende Bevölkerung . Die Umsetzung dieser
Forderungen durch die Vereinten Nationen wäre doch ein
Programm, für das man eine Mehrheit gewinnen könnte .
Dass diese Mehrheit in der Vollversammlung möglicherDr. Ute Finckh-Krämer
weise noch nicht vorhanden ist, ist doch nur eine Aufforderung, dafür zu sorgen, dass wir eine solche Mehrheit
herstellen .
({14})
Eine letzte Überlegung von mir - ich kann sie nur als
Bitte äußern; entscheiden müssen Sie selber -: Ich bin
schon sehr empört gewesen über die Einlassungen vom
Kollegen Röttgen, was eine Flugverbotszone angeht . Wer
so etwas fordert, muss bereit sein, Flugzeuge abzuschießen . Ansonsten sind solche Äußerungen rechtspopulistisches Geschwätz, das man in dieser ernsthaften Situation
unterlassen sollte .
({15})
Herr Röttgen, Sie haben also gefordert, man solle russische und andere Flugzeuge abschießen . Na, warten wir
mal ab, wohin man dann käme .
Ähnlich geäußert hat sich der Kollege Kiesewetter,
der einen Militäreinsatz in Syrien propagiert . Was ist es
für eine Politik der Union, hier kleinkariertes Theater zu
spielen, dafür einzutreten, dass mit Waffeneinsatz Flugverbotszonen geschaffen werden und dass Militäreinsätze durchgeführt werden? Das hat doch nichts mit einer
vernünftigen Regierungspolitik, was auswärtige Angelegenheiten angeht, zu tun . Kehren Sie um! Daran glaube
ich zwar nicht, aber es gibt dennoch Besseres, als so etwas zu fordern .
Danke sehr .
({16})
- Da schenken wir uns nichts .
({17})
Als nächster Redner hat Henning Otte von der CDU/
CSU-Fraktion das Wort .
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Gehrcke, es war
schon offenkundig, wie bewusst Sie eben Bewegungen
missverstehen wollten, um dort zu einem Frieden zu
kommen . Die Selbstkritik an dem Klein-Klein, die Sie
anfangs hatten, sollten Sie bitte auch einmal in Ihrer
Fraktion üben . Ich sage Ihnen: Sie verkennen völlig, dass
der IS eine Bedrohung für den Weltfrieden ist, dass sich
diese Bedrohung in Syrien und im Norden Iraks konzentriert, dass diese Bedrohung Einfluss hat auf Europa. Die
Anschläge in Paris und Brüssel zeigen dies . Wir wollen
uns einer islamistischen Regierung entgegenstellen, die
Botschafter als Selbstmordattentäter entsendet . Dass
Menschen im Auftrag einer islamistischen Regierung beunruhigt und getötet werden, dagegen stellen wir uns als
Teil der Verantwortungsgemeinschaft .
({0})
Wir stellen uns dem aus humanitären Gründen entgegen: weil wir das Leid von Menschen verhindern wollen .
Wir stellen uns dem aus rechtlichen Gründen entgegen:
weil das Völkerrecht für uns Maß und Mitte ist . Wir stellen uns dem auch entgegen, weil wir hier in Deutschland
sehen, dass es einen enormen Flüchtlingsdruck aus dieser
Region gibt, und weil wir wollen, dass die Menschen vor
Ort wieder eine Perspektive haben . Deswegen helfen wir
in Syrien als Teil der Verantwortungsgemeinschaft mit 64
anderen Nationen, indem wir Begleitschutz geben, Tankflugzeuge stellen, Aufklärungsflüge tätigen, und auch, indem wir morgen in erster Lesung einem AWACS-Einsatz
dort zustimmen .
Wir helfen auch im Norden Iraks, um dem Peschmerga Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe zu geben: im
Kampf, zur Minenräumung, in der Sanität . Deswegen
sage ich auch dem Kollegen Nouripour: Wir dürfen nicht
nur die Bedenken sehen, sondern wir müssen auch die
Chancen sehen . Vor allem müssen wir den Menschen vor
Ort sagen: Für uns stehen nicht unsere Bedenken im Mittelpunkt, sondern euer Recht auf Leben, euer Recht auf
Heimat . Deswegen haben wir den Kämpfern des Peschmerga, den Jesiden, aber auch der irakischen Armee dort
geholfen .
({1})
Ich gebe zu bedenken, dass viele Frauen und viele Mädchen noch in der Hand des IS sind . Es ist genau
richtig, wenn Volker Kauder sagt, dass, wenn Mosul freigekämpft ist, wir eine Befreiung haben, eine Befriedung
haben und dies politische Lösungen befördert . Das muss
unser gemeinsames Ziel sein .
Als wäre die Situation in Syrien nicht schon schlimm
genug: Es gibt dort das Assad-Regime, das bekanntermaßen gegen die Opposition, gegen die Zivilbevölkerung Giftgas und Fassbomben einsetzt . Aleppo, das ist
ein trauriges Bild, das wir täglich sehen . Das treibt uns
alle um . Kriegsverbrechen werden dort durchgeführt . Ich
sage: Alle handelnden verantwortlichen Personen müssen zur Rechenschaft gezogen werden . Die Völkergemeinschaft darf nicht zulassen, dass so etwas ungeahndet
bleibt .
({2})
Für mich ist es allerdings auch mehr als irritierend,
dass dies alles unter Duldung, unter Aufsicht und unter
Zutun auch der Kremlregierung in Moskau vollzogen
wird, immer unter dem Deckmantel offensichtlich einer strategischen Machtpolitik . Der Tod und das Leid
von Tausenden von Menschen werden billigend in Kauf
genommen . Russland hat eine Schlüsselposition . Es beherrscht dort Teile des Luftraums . Es verweigert sich
einer Flugverbotszone . Als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bricht dieses Land
augenscheinlich Völkerrecht . Das ist auf der Krim deutlich geworden . Das ist das aktuelle Bild . Deswegen ist
diese Aktuelle Stunde auch genau richtig, in dieser Stunde, wo der russische Präsident hier in Berlin erwartet
wird - zu einem Dialog . Wir sind unserer BundeskanzWolfgang Gehrcke
lerin Angela Merkel dankbar, dass sie immer wieder diesen Dialog anschiebt, immer wieder diesen Impuls setzt .
Aber ich sage auch: Dialog muss dann von Sanktionen
begleitet werden, wenn wir noch nicht zum Ziel kommen . Dialog und Stärke, das sind die beiden Säulen für
Stabilität und Sicherheit, die wir haben .
Russland ist auf dem Weg in eine Isolation . Wir fordern auch, dass Russland unter Präsident Putin wieder
in die Völkergemeinschaft, an den Verhandlungstisch
zurückkommt . Ansonsten: Ob Russland ein ständiges
Mitglied im UN-Sicherheitsrat sein kann, wenn man offensichtlich Völkerrecht bricht und nicht alles dafür tut,
Menschen Leid zu ersparen, diese Frage sollte man sich
dann auch stellen .
Herzlichen Dank .
({3})
Als nächste Rednerin hat Claudia Roth für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
An diesem Montag hat ein neues Kapitel der furchtbaren Tragödie einer Region voller Leid und Zerstörung
begonnen . Ja, es sind freudige Bilder aus Karakosch,
die Hoffnung auf Befreiung versprechen . Gerade heute
erinnere ich mich sehr an Anfang August 2014, als ich
in Erbil mit vielen Frauen und Männern sprechen konnte, die aus der ehemalig größten christlichen Stadt des
Iraks vertrieben worden waren . Ich erinnere mich an ihre
Verzweiflung und an ihre Trauer auch darüber, dass ihre
sunnitischen Nachbarn bei dieser Vertreibung durch den
Daesh mitgeholfen haben .
Mit dem Sturm auf Mosul wird Daesh hoffentlich seine wichtigste Bastion im Irak verlieren . Es ist gut, wenn
diese Terrororganisation Daesh, die das Wesen von Staatlichkeit und jeglicher Religion verspottet, geschlagen
wird . Aber ich warne davor, zu glauben, damit würde in
Mosul oder gar im Irak alles gut . In Mosul setzt sich doch
wie unter einem Brennglas fort, was die Katastrophe einer ganzen Region ausmacht, wo jeder auf eigene Rechnung spielt, wo es nur noch darum zu gehen scheint, auf
wessen Seite man steht, der USA oder Russlands, Saudi-Arabiens oder des Irans, der Schiiten oder der Sunniten, der Türken oder der Kurden, der syrischen Kurden
oder der irakischen Kurden, der Barzani-Kurden oder
Talabani-Kurden . Haben wir, hat die Weltgemeinschaft
eigentlich irgendetwas gelernt aus fünf Jahren entgrenztem Krieg, aus dem Leid von 16 Millionen Syrern und
Irakern auf der Flucht, aus dem Scheitern von UN-Sondergesandten und Friedensgesprächen, aus immer wieder
gebrochenen Waffenruhen?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine politische Lösung für Mosul ist nie ernsthaft gesucht worden, aber
ohne eine solche Lösung werden dort schon heute die
Grundlagen für den nächsten unauslöschbaren Brandherd gelegt . Mosul darf jedoch nicht Spielball im Ringen
der Regionalmächte werden .
({0})
Der Peschmerga rückt jetzt auf Mosul vor, während
wir doch wissen, dass Saudi-Arabien diese irakischen
Kurden finanziert, um damit die Schiiten klein zu halten . Die irakische Regierung will mit der iranischen Regierung im Rücken sowie mithilfe schiitischer Milizen
diese Stadt - die Stadt, die die Hochburg der Sunniten
im Irak ist - erobern . Erdogan dagegen will mit aller Gewalt türkische Truppen dabei haben . Er fördert und bildet
schon jetzt beteiligte Sunniten-Milizen aus . Das ist der
Erdogan, dessen oberstes Ziel es ist, jeden wachsenden
Einfluss der Kurden zu bekämpfen.
Wir müssen uns eingestehen, dass es in Mosul überhaupt keine Strukturen gibt, die man einfach wieder
hochfahren könnte . Denn schon vor der Eroberung durch
Daesh war Mosul außerhalb der Kontrolle der irakischen
Zentralregierung .
Schon 2012 habe ich in Kirkuk mit Christen aus Mosul gesprochen, die von Vertreibung und Verfolgung
berichtet haben . Das hat nur wenig interessiert . Schon
damals war die Stadt Waffen- und Sklavenhändlern, Fundamentalisten und Terrorfinanziers überlassen.
Wenn wir all dies gemeinsam so analysieren, dann
müssen wir uns - das ist nicht Bedenkenträgerei - große Sorgen um die Stadt, die Menschen, die Zukunft des
Iraks und der gesamten Region machen . Die Befreiung
Mosuls mag militärisch erreichbar sein, aber Befriedung
und Stabilisierung können wirklich nur eine politische
sein .
({1})
Auch wenn es schwerfällt, das zu sagen: Unsere
Handlungsmöglichkeiten sind begrenzt . Die aber, die wir
haben, sollten wir in vollem Umfang ausschöpfen und
nutzen . Das heißt, wir sollten mit Mitteln einer weitsichtigen und nachhaltigen inklusiven Diplomatie Druck auf
alle beteiligten Parteien ausüben . Dazu gehört natürlich
Putin . Ich hoffe, dass dieser Druck heute auch ausgeübt
wird, weil er natürlich ein gefährlicher Akteur in dieser
Region ist . Es sollte Druck ausgeübt werden, damit Mosul nicht das nächste Kapitel in einem zynischen Stellvertreterkrieg wird . Das heißt, wir sollten versuchen, die
größte humanitäre Offensive, die wir zu leisten in der
Lage sind, anzuwerfen .
Es ist gut, dass Vorbereitungen getroffen werden . Angesichts aber von 1,2 bis 1,4 Millionen Menschen, die
möglicherweise die Flucht aus der Hölle Mosuls schaffen, reichen die Vorkehrungen bei weitem noch nicht . Es
heißt, auch Vorsorge zu treffen, um alle aus Mosul Geflüchteten menschenwürdig aufzunehmen, gleichzeitig
aber zu verhindern, dass es zur Vertreibung von anderen
Flüchtlingen kommt, die im Laufe der Jahre in Dohuk,
Sulaimaniyya und Erbil aufgenommen worden sind und
jetzt nach Falludscha geschickt werden, obwohl Falludscha völlig zerstört ist . Es heißt vor allem die Kräfte
zu stärken, die glaubhaft für eine inklusive Zukunft des
Iraks eintreten .
Ich sage es noch einmal, liebe Kolleginnen und Kollegen: Der Kampf um Mosul darf kein zweites Aleppo
werden . Danach beginnt der noch viel wichtigere Kampf
um die Zukunft nicht nur einer Stadt, sondern einer ganzen Region .
Vielen Dank .
({2})
Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Thomas
Hitschler für die SPD-Fraktion das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber bei den ganz vielen schrecklichen, traurigen und furchtbaren Bildern, die
einen jeden Tag aus Aleppo erreichen, spürt man manchmal so ein Stück weit auch die eigene Hilflosigkeit als
Abgeordneter . Deshalb bin ich sehr dankbar, dass wir
heute im Deutschen Bundestag noch einmal eine Debatte
über die Lage dort führen können, um auch wieder darauf
hinzuweisen, wie schrecklich es dort ist . Ich habe bei der
Debatte, Kolleginnen und Kollegen, eines festgestellt:
Uns eint tatsächlich alle eines, das ist der Wille auf Friede in diesem schlimm umkämpften Raum .
Die grauenvolle Situation in Syrien und im Irak zeigt
sich dadurch, dass es nicht nur Kombattanten - Soldatinnen und Soldaten - sind, die in Kämpfe verwickelt sind,
sondern auch Kinder und Alte - Menschen aus allen
Schichten, deren Bilder wir jeden Tag über die Fernsehschirme flimmern sehen. Es ist ein schrecklicher Krieg,
bei dem, so scheint es, alle Regeln des Völkerrechtes, so
wie wir sie kennen, auch alle Regeln des Kriegsrechts
aufgehoben zu sein scheinen . Es gibt und gab viele Versuche und Bemühungen, einen Friedensprozess einzuleiten . Wir stellen aber fest, dass viele dieser Versuche
gescheitert sind . Wir stellen ferner fest, wenn wir auf Syrien blicken, dass wir - das ist für mich eine der furchtbaren Lektionen aus diesem Konflikt - eine Rückkehr
zur Machtpolitik sehen . Kollegin Roth hat es gerade beschrieben. Wir sehen Einfluss aus vielen verschiedenen
Ländern . Wir sehen, dass viele verschiedene Länder in
einer Region um die Macht und um den Einfluss ringen.
Das, Kolleginnen und Kollegen, macht die Situation so
unfassbar komplex .
Viele Hoffnungen ruhen auch auf dem deutschen Außenminister . Ich will jetzt schon zum Ausdruck bringen,
wie dankbar ich bin, dass Frank-Walter Steinmeier tagtäglich mit vielen Bemühungen unterwegs ist, um Frieden in diesem Raum zu schaffen . Meine guten Wünsche
begleiten ihn - auch vom Deutschen Bundestag und aus
dieser Sitzung, Kolleginnen und Kollegen .
({0})
Ich habe für den heutigen Tag eine große Hoffnung,
auch die hat Kollege Otte vorhin schon beschrieben .
Wenn sich heute Merkel und Putin treffen, dann können
wir eines feststellen: Der Schlüssel zur Lösung des Konflikts in Syrien liegt in Russland. Ich bin mir ganz sicher,
dass die Lösung des Konflikts keine militärische Lösung
sein kann, sondern nur eine politische sein darf . Deshalb
lassen Sie uns von diesem Ort noch einmal ein starkes
Signal in diese Richtung senden und sagen: Lassen Sie
uns gemeinsam daran arbeiten, dass es eine Lösung gibt .
Wenn ich, Kolleginnen und Kollegen, den Blick nach
Mosul werfe, den Blick in den Irak werfe, dann stellt es
sich mir so dar, als ob wir tatsächlich eine etwas andere Situation erleben . Wir merken, dass der „Islamische
Staat“ bzw. Daesh stark geschwächt ist. Die finanziellen
Strukturen sind aufgebrochen . Wir merken, dass die Ölverkäufe zurückgegangen sind . Wir merken, dass die Rekrutierung junger Kämpfer, die früher in großen Massen
dorthin geströmt sind, weniger geworden ist . Wir stellen
fest, dass unsere Anstrengungen und auch die Anstrengungen der internationalen Koalition Wirkung gezeigt
haben .
An dieser Stelle will ich auch den deutschen Beitrag
hervorheben . Kollege Otte hat vorhin kurz darauf rekurriert, dass wir den Peschmerga ausgebildet haben . Ich
glaube, es hilft, die Zahlen noch einmal zu nennen . Wir
haben 2 000 Peschmerga-Soldaten ausgebildet . Ich war
im Juni vor Ort und habe bemerkt, dass es mittlerweile
sehr viele sehr Junge und sehr viele sehr Alte sind, die
dort in den Kampf geschickt werden . Es zeigt ein Stück
weit den hohen Blutzoll, den der Peschmerga dort in seinem Freiheitskampf geleistet hat . Wenn wir heute dort
ein Signal hinschicken wollen, dann ist es, glaube ich, ein
Signal der Dankbarkeit, dass sie den Kampf angenommen haben und so erfolgreich Daesh, den „Islamischen
Staat“, zurückgedrängt haben .
Ich will ein zweites Dankeschön schicken, Kolleginnen und Kollegen . Es geht an die Soldatinnen und Soldaten . Über 120 Mann leisten im Nordirak ihren Dienst
neben den Pilotinnen und Piloten der Aufklärungsflugzeuge, neben den Besatzungen der Tanker, neben den
Marinesoldatinnen und -soldaten auf der Fregatte . Ich
glaube, sie haben ein großes Dankeschön von uns verdient .
({1})
Die Lage in Mosul ist allerdings wirklich schrecklich . Kollegin Roth hat vom zweiten Aleppo gesprochen .
Das ist auch meine große Befürchtung . Wenn man sieht,
mit welchen perfiden Maßnahmen sich der IS auf den
Kampf vorbereitet - mit menschlichen Schutzschilden,
mit Sprengfallen an allen Ecken und mit einer wirklich
zermürbenden Häuserkampfstrategie -, dann werden wir
alle gemeinsam darauf drängen müssen, dass die humanitäre Situation in Mosul nicht gleichzeitig die humanitäre Situation in Aleppo dupliziert . Wir werden dafür
sorgen müssen, dass die Flüchtlinge, die aus Mosul herausströmen werden, eine gute Auffangsituation in den
umgebenden Ländern haben werden . Ich habe mir bei
Erbil ein Flüchtlingslager im Irak angesehen und habe
bemerkt, wie schwierig es für die Region geworden ist,
die großen Massen an Flüchtlingen aufzunehmen . Auch
da ist eine Herausforderung für Deutschland, die Länder
dabei zu unterstützen .
({2})
Wenn wir uns darüber Gedanken machen, was politische Lösungen sein könnten - das ist heute schon
mehrfach gesagt worden -, dann wissen wir, dass es
ausschließlich politische Lösungen sein werden, die gegen Ideologien wie die des IS beispielsweise helfen . Wir
können militärisch dafür sorgen, dass aus einem symmetrisch agierenden Konflikt und aus einem symmetrisch
agierenden Gegner ein asymmetrischer wird . Aber im
Endeffekt wird die Ideologie nur darin bekämpft werden
können, dass man eine Verbindung und eine politische
Lösung zwischen Sunniten und Schiiten anstrebt .
Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich mit einem
Wunsch enden: Das ist meine Hoffnung für Frieden für
diese ganze Region . Ich bin mir sicher, sie hat es verdient . Aber ich bin mir auch sicher, dass es objektiv in
sehr weiter Ferne liegt .
Vielen Dank .
({3})
Als nächster Redner hat Dr . Johann Wadephul für die
CDU/CSU-Fraktion das Wort .
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Gehrcke, Sie haben heute wieder mit einem bemerkenswerten Beitrag deutlich gemacht, was sich die
Linksfraktion unter Friedenschaffen in dieser Region
vorstellt, und kritisiert, dass der Kollege Röttgen für eine
Flugverbotszone eingetreten ist . Ich weiß eigentlich von
keinem Flugzeug am syrischen Himmel, das irgendwie
für Frieden gesorgt hätte, sondern ich weiß nur von Flugzeugen und Hubschraubern, die Fassbomben abwerfen,
die mittlerweile bunkerbrechende Bomben abwerfen, die
die Zivilbevölkerung in einer Art und Weise eliminieren - muss man schon sagen -, quälen, in Nöte versetzen,
dass es wirklich zum Himmel schreit . Deswegen muss
man doch sagen:
({0})
Jedes Flugzeug weniger ist gut für Syrien . - Deswegen
muss man doch Ihre Freunde in Moskau, lieber Herr Kollege Gehrcke, aufrufen, endlich bei der Gestaltung eines
Friedens mitzumachen .
({1})
Und das hier als Rechtspopulismus abzutun, lassen wir
Ihnen, Herr Kollege Gehrcke, nicht durchgehen .
({2})
Das ist eine Stimme des Humanismus gewesen, und der
hätten Sie sich anschließen können .
({3})
Man muss all denjenigen, die sich in den letzten Tagen
zusammengesetzt haben, um Rot-Rot-Grün zu schmieden, was ja nicht nur legal, sondern auch legitim ist - es
ist in unserer parlamentarischen Demokratie erwünscht,
nach neuen Mehrheiten zu suchen -, natürlich sagen: Wir
werden es Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht
durchgehen lassen, dass Sie sich über Sozialpolitik unterhalten, aber diesen Bereich aussparen .
({4})
Solange sich die Linksfraktion hier derart positioniert,
wie sie sich positioniert, werden Sie eine verantwortungsvolle Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands,
das im NATO-Bündnis fest verankert ist,
({5})
nicht formulieren können . Das, was die Linksfraktion
hier bietet, wird der Rolle Deutschlands in der Welt, in
Europa nicht gerecht . Wer hier gemeinsam mit denen
Mehrheiten bilden will, der muss sich darauf einstellen,
dass wir das ansprechen werden .
({6})
Dazu sind Wahlkämpfe dann ja auch da .
Nun weiß jeder, dass Sanktionen nicht das schönste
Mittel der Außenpolitik oder überhaupt der Politik sind .
Dass sie allein nicht der Schlüssel sind, ist doch völlig
klar . Aber man muss natürlich schon ernsthafterweise sagen: Wenn wir bei der völkerrechtswidrigen, aber
vergleichsweise unblutigen Annexion der Krim relativ
gemeinsam der Auffassung waren, dass Sanktionen eine
Antwort sind, dann muss man schon begründen, warum
denn trotz der sehr viel blutigeren Vorgehensweise Russlands in Syrien Sanktionen völlig ungerechtfertigt sind .
({7})
Darauf habe ich bisher noch keine überzeugende Antwort erhalten, meine sehr verehrten Damen und Herren .
Jeder, der Sanktionen zum jetzigen Zeitpunkt kategorisch ablehnt - das haben wir hier von einigen Rednern
unterschiedlicher Fraktionen gehört -, der muss natürlich
sagen, warum er in der Außenpolitik gegenüber Russland
auf dieses Gestaltungsmittel, auch wenn es - ich sage es
noch einmal - nicht das erste Gestaltungsmittel der Außenpolitik ist, verzichten will .
({8})
Das muss man rechtfertigen, und dazu habe ich von denjenigen, die es ablehnen, bisher kein ausreichend überzeugendes Argument gehört, meine lieben Kolleginnen
und Kollegen .
({9})
Was mich an Russland insbesondere erschüttert, ist,
dass es sich mittlerweile allen internationalen Vereinbarungen und einem abgestimmten Vorgehen in der Völkergemeinschaft verweigert . Wir haben ein Russland - auch
noch in der Form der Sowjetunion - kennengelernt, das
bereit war, sich im Rahmen internationaler Verträge zu
engagieren . Alle waren stolz auf den KSZE-Prozess hier
in Europa - Außenminister Steinmeier hat auf seine historische Bedeutung hingewiesen -, der in der Tat eine
große friedensstiftende, befriedende Wirkung hatte . Die
Sowjetunion hat sich an die entsprechenden Vereinbarungen gehalten und hat immer darauf bestanden - das
haben Sie an der Hochschule in Moskau auch gelernt,
Herr Gehrcke -,
({10})
dass das wichtig ist .
Aber heute erleben wir ein Russland, das sich überhaupt nicht mehr an völkerrechtliche Vereinbarungen
und Konventionen hält und dabei ist, die Vereinten Nationen als Instrumentarium zumindest stark infrage zu
stellen - um es vornehm zu formulieren .
({11})
Wir haben eine Entwicklung, die kürzlich darin mündete,
dass sich sogar China bei der Abstimmung über den Entwurf einer Resolution zu Syrien enthalten hat . Russland
hat wieder mal eine Resolution, die Frieden hätte schaffen können, mit einem Veto blockiert .
({12})
Insofern muss ich schon sagen: Alle in diesem Hause
freuen sich, dass Präsident Putin nach Deutschland
kommt . Alle sollten die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland dabei unterstützen, dass sie - sie ist
wohl eine der wenigen, die überhaupt noch die Möglichkeit hat - die Möglichkeit nutzt, um mit Herrn Putin über
diese Fragen zu sprechen und ihm deutlich zu machen,
wo die Grenzen des noch akzeptablen Verhaltens Russlands liegen . Wir dürfen nicht darauf verzichten, liebe
Kolleginnen und Kollegen, ganz klar zu sagen, dass das
völkerrechtswidrige Verhalten Russlands von uns nicht
akzeptiert wird . Das muss nötigenfalls auch Sanktionen
zur Folge haben .
({13})
Ansonsten sind wir mitverantwortlich dafür, dass man
dem Leid und der Not, die das ständige Bombardement
in Syrien verursacht, nur zuschaut, und dessen sollten wir
uns nicht mitschuldig machen .
Herzlichen Dank .
({14})
Alexander Radwan hat als nächster Redner das Wort
für die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser
Aktuellen Stunde geht es unter anderem um Syrien und
den Irak . Auf der einen Seite können wir anhand der Vorkommnisse in dieser Region ein Grundmuster erkennen,
auf der anderen Seite haben wir es mit unterschiedlichen
Situationen zu tun .
Ich möchte zunächst auf Mosul und die Situation im
Irak eingehen . Herr Gehrcke, sehen Sie es mir nach - es
liegt sicherlich an mir -, aber ich habe aus Ihrer Wortmeldung nicht herausgehört, ob Sie und die Linke es für richtig halten, dass die Koalition vor Ort zurzeit militärisch
gegen den IS vorgeht, oder nicht . Ich halte es für einen
ersten wichtigen Schritt, auch wenn man militärische Lösungen - ({0})
- Es kam der Zwischenruf, dass Sie es nicht für richtig
halten . Man kann es jetzt also konkretisieren .
Ich halte es für notwendig, dass es eine gemeinsame
Koalition gibt . Es ist ein Stück weit der US- bzw . der
westlichen Diplomatie zu verdanken, dass wir die verschiedenen Interessengruppen vor Ort, ob ethnischer
Herkunft oder religiöser Herkunft, geeint haben . Sie eint
der Kampf gegen den IS .
Kollege Nouripour hat schnelle Lösungen angemahnt .
Ich würde ihn gerne unterstützen, aber ich glaube, wir
alle wissen: Eine schnelle Lösung wird es auch im militärischen Bereich nicht geben . Das wird nur ein erster
Schritt in die richtige Richtung sein .
Wir werden in einem zweiten Schritt sehen, dass der
IS nicht verschwinden wird . Wir müssen klar ansprechen:
Der IS wird in den Untergrund gehen, es wird Heimkehrer in den Westen, nach Europa geben, und der IS wird in
andere Länder wie Syrien und Libyen gehen . Er wird zu
einer weiteren Destabilisierung in dieser Region beitragen . Es gehört dazu, dass wir uns der Realität stellen . Es
ist wichtig, dass wir diesen Punkt ansprechen .
In der jetzigen Phase ist aber auch die humanitäre Hilfe wichtig, und hierüber scheint großer Konsens zu bestehen . Ich möchte insbesondere unserem Bundesminister
Gerd Müller und seinem Staatssekretär, die sich dieses
Themas auf europäischer Ebene und auch weltweit annehmen, dafür danken, dass wir so schnell handeln; denn
wenn wir die flüchtenden Menschen angesichts dieser
Katastrophe ihrem Schicksal überlassen würden, dann
würde das zu einer weiteren Destabilisierung in dieser
Region beitragen . Das ist mit Sicherheit nicht unser Ziel .
Wir wollen nicht nur Humanität, sondern auch Stabilität .
({1})
Sollte es zu einer Vertreibung des IS aus Mosul kommen, dann stellt sich die Frage: Wie geht es politisch weiter? Hier sind wir gefordert - die Diplomatie in Europa
und in Deutschland ist gefordert, vor allen Dingen die
Amerikaner -, dafür zu sorgen, dass die Koalition vor Ort
auch hält, dass die Kurden, die Türkei, die Schiiten und
die Sunniten sich auf ihre Gebiete konzentrieren und die
Einheit des Landes letztendlich nicht gefährden . Es darf
keine Instabilität entstehen, die die Basis für möglicherweise neuen Terror ist .
Es ist wichtig - das wurde angesprochen -, die Regionalmächte einzubeziehen . Das ist das große Kunststück
vor Ort . Ich möchte an dieser Stelle hinterfragen, wie wir
hier debattieren . Der Kollege Wadephul hat sehr stark auf
den Besuch von Putin abgehoben, und auch der Kollege
Kauder hat zum Schluss seiner Rede darauf hingewiesen .
Wir können hier im Deutschen Bundestag regelmäßig
darüber debattieren, was der richtige Weg in dieser Region ist . Es ist wichtig, mit Putin zu reden - Gott sei Dank
macht das die Kanzlerin -, aber letztendlich geht es doch
um die Frage: Was ist Deutschland, was ist Europa bereit
zu leisten, um für Frieden und Stabilität in der Welt, also
auch in dieser Region, zu sorgen?
({2})
Das Beste wäre erst einmal, Herr Kollege, wenn die
Weltgemeinschaft wahrnehmen würde, dass der Deutsche Bundestag diesbezüglich ein Stück weit Geschlossenheit und ein gemeinsames Ziel hat . Das wäre das beste Signal . Glauben Sie im Ernst, dass, solange die andere
Seite der festen Überzeugung sein kann, dass es innerhalb Deutschlands keine geschlossene Front gibt - „die
sind intern so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass die gar
nicht antworten können“ -, sich der Präsident, der heute
in Berlin ist, beeindrucken lässt? Das, was Sie denken,
entspringt doch Ihrer Fantasie .
Es wäre dringend notwendig, dass wir der Verantwortung, die wir haben, gerecht werden und - angefangen
bei den Flugverbotszonen bis zu den entsprechenden
Maßnahmen in den Ländern - für Stabilität sorgen . Ich
würde mich freuen, wenn wir gemeinsam einen Weg
fänden - es wäre gut, wenn auch die Linke dazu beitragen würde; Frau Roth, inhaltlich sind wir ja gar nicht so
weit auseinander -, damit Deutschland und Europa in der
jetzigen Phase aus einer Position der Stärke heraus von
Leuten wie Putin ernst genommen werden . Dazu brauchen wir gemeinsames Handeln, wozu Sie einen großen
Beitrag leisten können .
Besten Dank .
({3})
Als letzter Redner in der Debatte hat Roderich
Kiesewetter für die CDU/CSU-Fraktion das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere heutige Aktuelle Stunde hat gezeigt, dass wir die humanitäre
Katastrophe in Syrien sehr ernst nehmen . Die Debatte
hat aber auch gezeigt, dass wir gleichermaßen vor einem
ungeheuren Vertrauensverlust in die internationale Gemeinschaft, in die internationalen Institutionen stehen,
weil die Vereinten Nationen, weil der Weltsicherheitsrat
handlungsunfähig ist .
Wir hören kein Wort von der Linkspartei dazu, dass
Russland fünfmal den Weltsicherheitsrat in der Syrien-Frage blockiert hat .
({0})
Wir hören kein Wort dazu, dass Russland die Arbeit von
de Mistura blockiert, kein Wort dazu, dass Russland und
auch der Iran in der Region ihre militärische Präsenz ungeheuer ausbreiten . Sie sind nicht nur auf diesem Auge
blind, sondern Sie sind auch blauäugig . Eine rot-rot-grüne Kooperation darf auf diesem Auge nicht blind sein .
Sie dürfen das nicht verschweigen . Sie müssen sich bekennen und sagen, wo Sie stehen .
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Europäische Union hat diplomatisch ungeheuer viel in der Region investiert . Ich erinnere an die E3+3-Gespräche in
Wien, ich erinnere auch an die Genfer Gespräche zu Syrien . Trotzdem stehen wir gewissermaßen vor einer Art
Erpressung durch Syrien, durch Assad, durch Putin und
auch durch den Iran . Es werden militärische Erfolge erzwungen, und ein politischer Prozess zu der Frage: „Wie
geht es nach Assad weiter?“ oder zu den Punkten, die in
Genf vereinbart worden sind - freie Wahlen 18 Monate nach einem Friedensschluss -, ist in weite Ferne gerutscht . Wir Europäer stehen damit vor einem Dilemma:
Einerseits sehen wir die Gefahr, dass zunehmend Flüchtlinge aus der Region weiter nach Europa kommen, und
wir sehen die Gefahr, dass wir erpressbar werden, andererseits sind wir in unseren eigenen Handlungsmöglichkeiten beschränkt .
Ich möchte drei Punkte aufzeigen, die mir am Herzen
liegen . Die Debatte wurde in weiten Teilen sehr ernsthaft
geführt, und ich möchte hier sehr ernsthafte Vorschläge
machen .
Erstens . Stimmt unsere Priorität, dass wir Assad so
lange im Amt belassen, bis der IS bekämpft ist? Für viele Syrer ist nicht der IS das Problem, sondern Assad . Er
hat 75 Prozent der eigenen Bevölkerung gegen sich und
dafür gesorgt, dass 12 Millionen der 22 Millionen Syrer
auf der Flucht sind . Sie sind heimatvertrieben, sie sind
nicht mehr an ihren angestammten Orten, sie haben ihre
Heimat verlassen . Ich sehe folgende Möglichkeiten:
Eine ist - damit haben wir bereits begonnen - die
Ertüchtigung . Im Rahmen unserer Entwicklungszusammenarbeit, die Minister Müller in Kooperation mit dem
Auswärtigen Amt betreibt - Außenminister Steinmeier
ist erwähnt worden -, wird in den Bereichen Ausbildung
und Gesundheitsversorgung Beispielhaftes geleistet,
auch durch die GIZ . Ich glaube, das ist viel Anerkennung
wert . Auch das Technische Hilfswerk ist engagiert .
Wir müssen uns aber auch über etwas anderes Gedanken machen: Wenn wir in dieser Region unterstützend
wirken wollen, können wir das nur, indem wir für Sicherheit sorgen, indem - Volker Kauder hat das ausgeführt - die entsprechenden Kräfte sich bewaffnet wehren
können . Insbesondere die Kurden schützen 1,8 Millionen
Flüchtlinge, die aus den schiitischen und sunnitischen
Regionen nach Kurdistan geflohen sind.
Der zweite Aspekt ist: Stellen wir uns eigentlich darauf ein, was passiert, wenn mehr Flüchtlinge aus der Region in Richtung Europa kommen? Müssen wir als Europäische Union uns nicht vielmehr darauf einstimmen,
die zivile und militärische Werkzeugkiste zu öffnen und
mitzuhelfen, dass Libanon, Jordanien und auch die Südosttürkei weitestgehend durch europäisches Engagement
stabilisiert werden? Da geht es nicht um Militäreinsätze,
Herr Kollege Gehrcke . Es geht darum, ob wir das zivile
Engagement der Europäischen Union, Schutzzonen aufzubauen, militärisch unterfüttern
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durch einen entsprechenden Schutz an der Grenze von
Jordanien, an der Grenze vom Libanon und an der Grenze zur Türkei . Das ist noch nicht ausreichend durchdacht .
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Wir müssen uns aber Gedanken machen, wie die Europäische Union handlungsfähig wird,
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und vor den Entscheidungen, die Russland versucht zu
erzwingen, eine Initiative starten, wie wir die Flüchtlinge
in der Region halten, aber in gesicherter Umgebung .
Dazu gehören drittens nach dem Fall von Mosul, aber
auch nach dem Fall von Aleppo, wenn hoffentlich internationale Hilfsorganisationen Zugang bekommen, die
Fragen: Wie gestalten wir den Aussöhnungsprozess? Wie
gestalten wir den Prozess, Waffen wieder einzusammeln?
Wie gestalten wir den Prozess des Aufbaus ziviler Infrastruktur? Klar, mit europäischem Know-how . Aber wie
gewinnen wir die Kraftquellen aus der Region, von den
Golfstaaten, und wie überzeugen wir den Iran und Saudi-Arabien, sich dort einzubringen?
Ich glaube, das sind ganz entscheidende Punkte . Parallel gehört dazu, dass sich die Europäische Union eng
mit den USA abstimmt, um im Weltsicherheitsrat gegen
das Vorgehen Russlands und anderer Störenfriede Partei
zu ergreifen und sich ganz klar zu positionieren für Humanität, für Solidarität und für den Kampf gegen diejenigen, die die Region auseinandergebracht haben .
Herzlichen Dank .
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aktuelle Stunde
ist beendet .
Damit ist auch unsere Sitzung geschlossen .
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016,
9 Uhr, ein .
Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und noch
gute Arbeit . Vielen Dank .