Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 9/30/2016

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet . Einen wunderschönen guten Morgen wünsche ich Ihnen allen, liebe Kolleginnen und Kollegen . Es gibt nur eine kleine zusätzliche Mitteilung bzw . die Notwendigkeit, etwas zu vereinbaren, bevor wir in die Tagesordnung einsteigen . Es gibt eine Vereinbarung der Fraktionen, den Entwurf eines Gesetzes zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben auf der Drucksache 18/9787 auch an den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft zur Mitberatung zu überweisen . - Das leuchtet offenkundig fast allen sofort ein . Dann können wir das so beschließen . Dann wird so verfahren . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2016 Drucksache 18/9700 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie ({0}) Sportausschuss Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Finanzausschuss Ausschuss für Arbeit und Soziales Verteidigungsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Tourismus Ausschuss für Kultur und Medien Ausschuss Digitale Agenda Haushaltsausschuss Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor . Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Aussprache 60 Minuten dauern . - Auch das ist unstreitig . Dann verfahren wir so . Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der Parlamentarischen Staatssekretärin Iris Gleicke . ({1})

Iris Gleicke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000687

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drei Themen waren uns in diesem Jahr beim Bericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit besonders wichtig: erstens die wirtschaftliche Entwicklung, zweitens der dramatische Anstieg rechtsextremistischer und fremdenfeindlicher Gewalt und drittens die Rentenangleichung . Über die in dem Bericht zum Ausdruck gebrachte Sorge über die Zunahme rechtsextremistischer und fremdenfeindlicher Gewalttaten und deren Auswirkungen auf die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung gab es eine breite Berichterstattung . Unter den verschiedenen Kommentaren, auch von politischer Seite, gab es eine Menge Kommentare mit dem Tenor, eine so klare Benennung der Gefahren, die vom Anstieg des Rechtsextremismus ausgehen, tue dem Osten insgesamt nicht gut . Da war sogar von einem angeblich neuen Osthass und dergleichen mehr die Rede . Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle einmal etwas zu meinem Amtsverständnis sagen . Ich betrachte es als meine Aufgabe, die Probleme, die der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse entgegenstehen, klar und deutlich zu benennen . ({0}) Ja, natürlich sind das Erstarken von Rechtsextremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ein gesamtdeutsches Phänomen und ein gesamtdeutsches Problem; aber die Zahlen sind eindeutig . Es gibt nichts daran zu beschönigen, dass es in Ostdeutschland erstens eine massive Zunahme dieser Gewalttaten im Vergleich zum Vorjahr gibt und dass zweitens laut Verfassungsschutzbericht für 2015 die Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten bezogen auf 1 Million Einwohner in jedem ostdeutschen Bundesland deutlich über dem Durchschnitt der westdeutschen Länder liegt . Sollen wir vielleicht so tun, als gäbe es diesen Befund nicht? Nach Einschätzung des BKA ist für das Jahr 2015 vom höchsten Stand der politisch motivierten Kriminalität seit der Einführung dieses Definitionssystems im Jahre 2001 auszugehen . Sollen wir das auch ignorieren? Sollen wir darüber hinweggehen, in der Hoffnung, dass sich das alles irgendwie von selbst erledigt? Sollen wir darüber schweigen? Sollen wir es tatsächlich so machen wie die drei Affen, die nichts sehen, nichts hören und nichts sagen? Wir leben in einem Land, in unserem Land, wo Flüchtlingsheime angezündet und Menschen über die Straße gejagt werden, weil sie eine andere Hautfarbe haben . Diese Vorkommnisse haben auch weltweit für Aufmerksamkeit und Entsetzen gesorgt . Wenn das kein Grund ist, Alarm zu schlagen! Wann soll man das bitte schön denn eigentlich tun, ({1}) wann, wenn nicht jetzt? Und wer sollte es denn tun, wer, wenn nicht wir? Ich habe es in der vergangenen Woche gesagt, und ich wiederhole es hier: Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz stellen eine sehr ernste Bedrohung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der neuen Länder dar . Ein entschlossenes Handeln der Bundesregierung, der Länder, der Kommunen und der Zivilgesellschaft ist notwendig, um den gesellschaftlichen Frieden in Ostdeutschland zu sichern . ({2}) Meine Damen und Herren, ich betone hier nochmals ausdrücklich: Die ganz überwältigende Mehrheit der Ostdeutschen ist nicht fremdenfeindlich oder rechtsextrem . Aber diese überwältigende Mehrheit ist leider im Moment noch eine zum Teil schweigende Mehrheit . Es sind aber alle gefordert, dem braunen Spuk noch entschiedener, noch lauter, noch deutlicher entgegenzutreten und diejenigen zu unterstützen, die das schon seit vielen Jahren tun . ({3}) Diese Menschen und die zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich gegen Extremismus und für Demokratie und Toleranz einsetzen, brauchen Planungssicherheit . Das empfiehlt der Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses, und das ist im Koalitionsvertrag festgelegt . Auf dieser Grundlage hat Bundesministerin Manuela Schwesig einen Entwurf für ein Demokratiefördergesetz erarbeitet, um von der Förderung einzelner Modellprojekte hin zu einer bundesweiten, mit den Ländern abgestimmten Förderung der Präventionsarbeit zu gelangen . Ich finde, das ist ein wichtiger und ein richtiger Schritt. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt das gute Wort vom Aufstand der Anständigen; es steht viel auf dem Spiel . Das ist wichtig für unsere moralische Integrität, und das ist auch deshalb wichtig, weil der wirtschaftliche Aufholprozess Ostdeutschlands, freundlich formuliert, äußerst verhalten verläuft . Ja, in 26 Jahren deutscher Einheit ist sehr viel erreicht worden, wirtschaftlich und sozial . Wir sind im Osten Deutschlands fast bei der wirtschaftlichen Stärke des EU-Durchschnitts angekommen . Darauf können wir mit Recht stolz sein; ich bin es jedenfalls . ({5}) Aber der Abstand zur Wirtschaftskraft Westdeutschlands lässt sich nicht leugnen und nicht schönreden; dazu bin ich jedenfalls auch nicht bereit . Mir ist schon klar: Das sind alles ziemlich unbequeme Wahrheiten . Manche Leute in diesem Land sind offenbar der Meinung, dass man den Ostdeutschen diese Wahrheiten nicht zumuten dürfte . Deshalb macht man lieber ein bisschen Schönfärberei hier und ein bisschen Propaganda da . Dann wundert man sich hinterher darüber, dass so viele Leute AfD wählen, weil sie den etablierten Parteien kein Wort mehr glauben . Die Ostdeutschen halten die Wahrheit sehr wohl aus . Sie haben schon ganz andere Dinge ausgehalten . Sie haben einer ganzen Reihe von widrigen Umständen zum Trotz Großartiges geleistet und unglaublich viel erreicht . Was die Ostdeutschen wirklich nicht mehr ertragen, ist die Unwahrheit . Ich kann deshalb nur dringend davor warnen, bei der im Koalitionsvertrag klar und eindeutig vereinbarten Rentenangleichung erneut Glaubwürdigkeit zu verspielen . ({6}) Ministerin Nahles hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die vollständige Angleichung bis zum Jahr 2020 vorsieht . Ich vertraue bei der Umsetzung auf die Unterstützung von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen . Ich vertraue da selbstverständlich auch auf unsere Bundeskanzlerin, die vor zwei Jahren in einem Interview gesagt hat, dass die Renteneinheit 2020 erreicht sein soll und dass sie bis 2017 ein Gesetz anstrebt, das den Fahrplan zur vollständigen Angleichung der Rentenwerte in Ost und West festschreibt . Ich vertraue darauf, dass wir sagen, was wir tun, und dass wir tun, was wir sagen . Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({7})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun die Kollegin Susanna Karawanskij für die Fraktion Die Linke . ({0})

Susanna Karawanskij (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004322, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Wenn du etwas werden willst, musst du in den Westen gehen . - Das hat nicht jemand in den 90er-Jahren gesagt, sondern das habe ich letzte Woche in meinem Wahlkreis in Oschatz zu hören bekommen . Dass das nach 26 Jahren immer noch in den Köpfen drin ist und auch ein Teil der Wahrheit ist, ist irgendwie schlimm . ({0}) Das erklärte Ziel, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Ost und West herzustellen, ist nach einer Generation noch nicht erreicht . Da frage ich mich, wie lange der Versuch noch dauern soll . Noch eine weitere Generation, 50 Jahre? Wann wird das Ziel endlich erreicht? Das ist doch eine Bankrotterklärung Ihrer Regierungspolitik . Sie haben es über ein Vierteljahrhundert nicht geschafft, dieses Ziel zu verwirklichen . ({1}) Neben der treffenden Analyse, dass vor allem der ländliche Osten ganz schön abgehängt ist, liefern Sie kein Zukunftsprogramm, keinen Entwurf, was man dagegen tun kann und welche Maßnahmen man ergreifen sollte . Sie lassen die Menschen im Regen stehen . Ja, die Menschen sind enttäuscht . Sie sind zum Teil wütend . Sie sind auch besorgt, und manchmal haben sie resigniert . Sie sind schlicht und ergreifend machtlos . Sie müssen immer wieder diesen Kampf aufnehmen, immer wieder darauf pochen, dass sie nicht wie Degradierte behandelt werden . Das geschieht nicht durch offene Anfeindungen, das geschieht auch nicht durch eine Ohrfeige, sondern das geschieht ganz still, zum Beispiel auf dem Lohnzettel, auf dem Rentenbescheid und im Portemonnaie . Der Kfz-Mechaniker bekommt immer noch durchschnittlich 500 Euro weniger, obwohl er dieselbe Ausbildung genossen hat, vielleicht sogar beim selben Ausbilder . Das ist nicht hinnehmbar . Das ist nicht mehr erklärbar . Der Osten wird älter . Auch das stellen Sie in Ihrem Bericht fest, und zwar nicht zum ersten Mal . Über ein Viertel der Pflegebedürftigen lebt im Osten. Aber auch die Pflegekräfte bekommen im Osten durchschnittlich 500 Euro weniger . Dieses Missverhältnis wird nicht von allein verschwinden . Es ist unglaublich, dass diese Einkommensschere immer noch vorhanden ist . Es ist eine politische Aufgabe, dieses Gleichgewicht herzustellen . Da kann man nicht mit einem Fingerzeig sagen, dass irgendjemand diese soziale Gerechtigkeit herstellen soll . Es ist unsere Aufgabe, es ist die Aufgabe des Staates, diese soziale Gerechtigkeit herzustellen . ({2}) Es ist schon krass, wenn man sich die Tabellen zur Altersarmut anschaut . Unter den Menschen, die in Rente gehen oder in 20 Jahren in Rente gehen werden, ist das Risiko, als Rentner arm zu sein, im Osten doppelt so hoch wie im Westen . Warum eigentlich? Das muss doch nicht so sein; das ist änderbar . Es ist jemandem, der die DDR nur noch aus Geschichtsbüchern kennt, doch nicht mehr erklärbar, warum er erstens weniger verdient und zweitens auch noch weniger Rentenpunkte sammelt . Wir wollen die steuerfinanzierte Angleichung des Rentenwertes Ost an die allgemeinen Rentenwerte unter Beibehaltung des Umrechnungsfaktors der ostdeutschen Entgelte . Ich kann es auch einfacher sagen: Wir wollen Augenhöhe und Gleichheit . ({3}) Denn die Menschen arbeiten hart - auch das zeigt der Bericht -, sie bringen sich ein und rackern . Und wozu? Um zu erkennen und erzählt zu bekommen, dass sie immer noch anders bewertet werden als die Menschen in den alten Ländern, dass ihre Arbeit weniger wert ist, dass der Torgauer, Wermsdorfer oder Schkeuditzer weniger leistet oder weniger produktiv ist? Sie erkennen in Ihrem Bericht an, dass trotz der Kleinteiligkeit der Wirtschaft das Wirtschaftswachstum im Osten steigt, dass es im Vergleich zum Westen aber stagniert, und das Ganze bei 67 Prozent . Bei der Vermögensverteilung ist es noch düsterer: 44 Prozent des Westniveaus! Wir sehen an dieser Stelle eine Spaltung . Wir sehen sie auch bei den Kommunen . Natürlich gibt es auch im Westen ländliche Regionen und Kommunen, die strukturell benachteiligt sind . Das Problem ist allerdings, dass dies im Osten den Normalfall darstellt, im Westen nicht . Natürlich gibt es Kommunen wie Gelsenkirchen oder Bremen . Doch im Vergleich ist der ganze Osten Gelsenkirchen; das macht den Unterschied aus . ({4}) Die Kommunen müssen wieder handlungsfähig, überlebensfähig und zukunftsfähig gemacht werden . Da ist es nicht sonderlich attraktiv, wenn die öffentliche Daseinsvorsorge abgebaut wird . Die Abwärtsspirale von niedrigen Einnahmen, verhältnismäßig hohen Sozialabgaben und der lächerlichen Höhe der Investitionen - wir haben immer noch einen Investitionsstau von über 130 Milliarden Euro - kann man nicht mit Kleckerbeträgen und auch nicht mit finanziellen Probierportionen stoppen. Es muss über eine umfassende Gemeindefinanzreform nachgedacht werden . Wir Linke haben dazu Vorschläge eingebracht . ({5})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Karawanskij, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wendt zulassen?

Susanna Karawanskij (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004322, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Nein, ich bin gerade in Fahrt . ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das merken wir . ({0})

Susanna Karawanskij (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004322, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wir wollen die Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftsteuer weiterentwickeln . Wir haben einen Vorschlag unterbreitet, wie wir die Bund-Länder-Finanzbeziehungen tatsächlich solidarisch gestalten können . Wir wollen auch eine langfristige Förderung von strukturschwachen Regionen in Ost und West durch einen Solidarpakt III . Wenn Sie wirklich an der Herstellung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Ost und West interessiert sind, dann setzen Sie sich doch damit einmal auseinander, anstatt die Anträge der Linken immer nur reflexartig abzulehnen, nur weil Ihnen der Absender nicht passt . ({0}) Der Osten ist alt, der Osten ist arm - er wird sogar noch ärmer -, und der Osten ist rechts . Frau Gleicke, Sie haben gerade gesagt: Mit Erschrecken stellt die Bundesregierung fest, dass die Zahl der fremdenfeindlichen und rechtsextremistischen Übergriffe im Osten zugenommen hat . - Das ist tatsächlich schlimm . Das ist vor allen Dingen für die Menschen schlimm, die sich tagtäglich engagieren, trotzdem den Mund aufmachen und Flagge zeigen . Doch der Befund ist nicht neu, und er ist auch nicht überraschend . Es ist seit Jahren erforscht und nachgewiesen, dass wir ein Problem mit Rassismus und rechten Einstellungen haben . Die Frage ist doch: Was folgt daraus? Abgesehen davon, dass der Bericht dies konstatiert, geht er nicht auf die vielfältigen Ursachen ein . Es fehlt an einer Zukunftsperspektive . Was wollen Sie denn unternehmen, um das zu ändern? Ich muss sagen: Da haben Sie in der Vergangenheit wirklich gepennt oder das Problem nicht ernst genommen . ({1}) Seit über 15 Jahren wissen wir, dass wir im Osten manifeste rechte Strukturen haben . Anstatt langfristig geeignete Institutionen zu fördern, haben Sie jahrelang Programme mit einer Dauer von zwei bis drei Jahren aufgelegt . Man konnte sich mit Projekten bewerben und musste beschreiben, wie sie zur Demokratieförderung beitragen . Das Ganze war meistens zeitlich begrenzt und prekär . Dann wurde evaluiert, und es wurden Best Practices gesammelt, aber sie wurden institutionell nicht weiter fortgeführt . Was ist denn dagegen einzuwenden, das Bekenntnis abzugeben, dass antirassistische Bildungsarbeit Grundkonsens ist, ({2}) Grundkonsens bei der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer, beim Studium, im Kindergarten und in der Grundschule? Das ist doch gar kein Problem . Mir geht es nicht darum, hier eine Kluft zwischen Ost und West aufzumachen und zu sagen, was besser oder schlechter ist . ({3}) Der Osten ist zum Teil anders . Wenn man sich zum Beispiel die Erwerbsquoten von Frauen anschaut und sieht, dass alleinerziehende Frauen im Osten fast immer selbstbewusst Vollzeit arbeiten, ({4}) dann lässt sich schon feststellen, dass sich die biedere, vielleicht altbackene Form des Hausfrauendaseins doch ein bisschen gewandelt hat . Daran kann man doch anknüpfen . Das sind die Ansatzpunkte für ein fortschrittliches und zukunftsorientiertes Bild, das dann auch für Gesamtdeutschland gelten kann . Meine Damen und Herren, ich, meine Generation und auch meine Fraktion, die Linke, haben keine Lust mehr, möglicherweise noch einmal ein Vierteljahrhundert zu warten, bis Sie die deutsche Einheit hergestellt haben . ({5}) Wachen Sie auf! Tun Sie etwas! Geben Sie den Menschen Zukunftsperspektive, Zuversicht und Vertrauen in die Zukunft . Vielen Dank . ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die CDU/CSU-Fraktion erhält der Kollege Mark Hauptmann das Wort . ({0})

Mark Hauptmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuschauer! Ich freue mich, dass wir in dieser Stunde der Debatte über den Jahresbericht wieder einen besonderen Gast unter unseren Zuschauern haben . Ich freue mich, einen Thüringer Landsmann begrüßen zu können, nämlich den Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen . Lieber Roland Jahn, herzlich willkommen zu dieser Debatte . ({0}) Es freut uns, dass Sie uns mit Ihrer Anwesenheit zeigen, dass wir uns schätzen . Ich glaube, es spricht für Sie, aber auch für uns, dass wir beide sagen können: Es ist gut, dass in diesen Jahresbericht nicht nur das Thema „Aufarbeitung der DDR-Diktatur“ aufgenommen wurde, welches aus der Perspektive der letzten 25 Jahre beleuchtet wird, sondern dass darin vor allem auch über den zukünftigen Umgang mit den Stasiunterlagen Aussagen getroffen wurden . Deswegen ein herzlicher Dank auch an die Staatssekretärin und ihr Haus . ({1}) Sehr geehrte Damen und Herren, bevor ich auf wesentliche Punkte dieses Jahresberichtes eingehe, erlauben Sie mir bitte einen kurzen Hinweis an die geschätzte Kollegin der Linken und eine Bemerkung zum Thema Rente . Zur Rente ist das Zitat der Bundeskanzlerin schon genannt worden: Es gibt einen klaren Fahrplan in diesem Land, und der besagt: Angleichung 2020 . Was wir nicht brauchen, ist eine populistische Debatte der Linken, die sagt: Wir wollen die Höherbewertung der Ostlöhne beibehalten, gleichzeitig sollen sich die Ost- und Westrenten aber auf demselben Niveau befinden. Fragen Sie doch einmal jemanden aus Gelsenkirchen, Delmenhorst oder Trier-Saarburg, was die sagen! Wo bleibt deren Lohnausgleich? Wo bleibt deren Hochstufung? Wir wollen in Deutschland ein generationengerechtes Rentenmodell für das gesamte Land . Deswegen verabschieden Sie sich bitte von Ihren Wunschvorstellungen! ({2}) Sehr geehrte Damen und Herren, ich kann diese Jammerei der Linken nicht mehr hören . ({3}) Ich bin stolz auf dieses Land und darauf, was wir in diesem Land in den letzten 26 Jahren erreicht haben . Bei Ihnen ist der Jammerton zum Kammerton geworden . ({4}) Das, was wir erreicht haben, ist übrigens einmalig in dieser Welt . Kein anderes Land weltweit hat in den vergangenen 26 Jahren eine solche Leistung vollbracht . Das sollten wir in den Vordergrund stellen . Natürlich ist noch nicht alles hundertprozentig erreicht . Sie sprechen aber immer vom halbleeren Glas . Dabei ist das Glas längst mehr als dreiviertel gefüllt . Hier müssen wir aufwachen und sagen, was wir in diesen 26 Jahren Umbruchzeit erlebt haben . Wo einst rigide Planwirtschaft herrschte, florieren jetzt innovative Start-ups und ein innovativer Mittelstand . Wo einst die Natur unter staatlicher Aufsicht der DDR verseucht wurde, wandern jetzt Touristen durch Naturschutzgebiete . ({5}) Wo einst Menschen sechs Jahre früher gestorben sind, haben wir jetzt eine höhere Lebenserwartung . Das haben wir in 26 Jahren deutsche Einheit erreicht . ({6}) Wenn wir uns in diesem Land einmal von Rostock bis Sonneberg und von Frankfurt/Oder bis Eisenach umschauen, dann erleben wir Betriebe, die international wettbewerbsfähig sind, und einen Anteil der Industrie an der Bruttowertschöpfung, der heute höher als im EU-Durchschnitt liegt . Das alles sind Entwicklungen, auf die wir letztendlich stolz sein dürfen . Was richtig ist - ich glaube, hier zeigt auch der Jahresbericht kein verzerrtes Bild -, ist, dass wir, wie viele andere Länder auch, noch Herausforderungen zu bewältigen haben . Diese Herausforderungen müssen wir mit aller Tatkraft angehen . Wir haben in den neuen Ländern eine höhere Arbeitslosenquote, eine niedrigere Produktivität und geringere Steuereinnahmen . Aber die Wirtschaftskraft hat sich in den letzten Jahren extrem entwickelt . Hier müssen wir mithelfen, diese Lücke weiter zu verringern . Ich möchte, weil wir derzeit den Gesamthaushalt für das Jahr 2017 debattieren, sagen: Hier setzen wir nicht auf das Gießkannenprinzip, sondern hier machen wir eine Förderung auf den Punkt . Egal ob das bei INNO-KOM oder bei ZIM ist, einem Programm für unseren Mittelstand: Wir fördern gezielt innovative Ideen . Wir fördern gezielt eine mittelständische Struktur . Eines ist in den neuen Ländern ganz klar zu sehen: Dort ist die Wirtschaftsstruktur anders als im Westen . Wir haben keine Supertanker im Sinne von vielen großen DAX-Firmen . Aber wir haben sehr viele mittelgroße Unternehmen, unsere Schnellboote . Diese Unternehmen müssen wir für den internationalen Markt und die Globalisierung fit machen. Hier haben wir seitens der Bundesregierung und auch mit Blick auf den Haushalt 2017 bereits Maßnahmen getroffen .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Hauptmann, ich habe den Eindruck, Sie sind nicht ganz so in Fahrt . ({0}) Könnten Sie sich vorstellen, eine Zwischenfrage des Kollegen Tempel zuzulassen?

Mark Hauptmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist das eine Aufforderung, noch weiter in Fahrt zu kommen, Herr Präsident? ({0}) Aber ich lasse die Zwischenfrage gerne zu . ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bitte .

Frank Tempel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003899, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön . - Herr Hauptmann, einmal unter Thüringern: In meinem Landkreis, dem Altenburger Land das liegt von Ihnen aus gesehen auf der anderen Seite von Thüringen -, muss sich gegenwärtig die Hälfte aller Vollzeitbeschäftigten aufgrund der Löhne, die sie bekommen, und aufgrund des bestehenden Rentensystems auf Altersarmut einstellen . ({0}) Jeder Dritte bei uns muss in den Westen fahren, um den Lebensunterhalt für seine Familie zu verdienen, weil die Löhne bei uns nicht ausreichen . Würden Sie auch das als Gejammere bezeichnen? Diese Klagen nehmen wir mit in dieses Haus . Das sind Thüringer, Leute aus dem Osten, die bitte schön hier vertreten werden wollen .

Mark Hauptmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Erstens . Geschätzter Herr Kollege, wenn ich mich über das Altenburger Land informieren will, dann vertraue ich den Aussagen des direkt gewählten Abgeordneten des Altenburger Landes . Er sitzt in meiner Fraktion . Zweitens . Das Bild, das Sie von Thüringen und den neuen Bundesländern zeichnen, ist doch im Jahr 2016 nicht mehr zutreffend . ({0}) Schauen Sie sich doch bitte an, was passiert ist . Wir haben in Thüringen die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 26 Jahren . Wir haben die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in der Geschichte unseres Landes . Es gibt in meinem Wahlkreis mehr Einpendler aus Franken als Auspendler, das heißt aus der Thüringer Region ins benachbarte Bundesland . Das sind Beispiele dafür, dass das Programm, der Aufbau Ost, in den letzten 25 Jahren gewirkt hat . ({1}) Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe davon gesprochen, dass wir weiter daran arbeiten müssen, die Infrastruktur und die Wirtschaft voranzubringen . Damit bin ich beim Thema Infrastruktur . Man vergisst immer so leicht, wie es früher war . Früher sind wir auf der Fahrt von Leipzig nach Berlin über Betonplatten gepoltert . ({2}) Heute haben wir eine moderne Infrastruktur, in die seit 1991, Herr Kollege, 94 Milliarden Euro investiert wurden . Für jedermann ist der Vorteil dieser Infrastruktur sichtbar . ({3}) Eine Fahrtdauer von einer Stunde und 45 Minuten von Berlin nach Erfurt mit dem Schnellzug hat es noch nie zuvor gegeben . Diese Verbesserungen in der Verkehrsinfrastruktur, die wir zu Wasser, auf der Straße und auf der Schiene sehen, setzen wir jetzt fort, indem wir uns auf die digitale Infrastruktur konzentrieren . Das Thema Breitbandausbau im ländlichen Raum betrifft vor allem den Osten dieser Republik, wo wir an dieser Infrastruktur weiter arbeiten und die Lebensbedingungen der Menschen verbessern . Wir dürfen - das ist das Weltbild der Union in dieser Regierungskoalition - die Menschen in den Städten und im ländlichen Raum nicht gegeneinander ausspielen; denn für uns ist jeder Mensch, egal wo er in Deutschland lebt, ein Individuum, das wir fördern wollen und müssen und in den Mittelpunkt unserer Gesellschaft rücken müssen . ({4}) Deswegen brauchen wir aktive ländliche Räume . Deswegen fördern wir sie seitens der Bundesregierung über die GRW-Politik und über verschiedene Maßnahmen . Aber was natürlich nicht hilft - da bin ich schnell wieder beim Kollegen der Linken -, ist eine Thüringer Linksregierung, die das einreißt, was wir als Bund mit Fördermitteln aufgebaut haben . Ich meine die Gebietsreform, bei der den Menschen vor Ort Infrastruktur wieder weggenommen wird: das Landratsamt, die Kreissparkasse, verschiedene Dinge, mit denen man den ländlichen Raum bewusst ausdünnt . In diesen Räumen haben die Menschen das Gefühl, zurückgelassen zu werden, Bürger zweiter Klasse zu sein . Das schafft natürlich auch Räume für Extremismus und Populismus und somit auch die Voraussetzung für den Aufstieg Ihrer Partei und der AfD . ({5}) Das müssen wir verhindern, sehr geehrte Damen und Herren! Deswegen brauchen wir eine Stärkung des ländlichen Raumes und kein Ausdünnen und kein Zurückziehen aus diesem Bereich . ({6}) Ich habe bereits angesprochen, was wir im infrastrukturellen Bereich und in der Wirtschaft erreicht haben . Wichtig ist auch, was wir im sozialen Bereich erreicht haben . Die Kollegin hat vorhin angesprochen, welche Unterschiede es noch zwischen Ost und West beim Lohngefüge gibt . Man darf dabei nicht vergessen, dass wir die Arbeitslosenzahl massiv verringert haben . Dass 97 Prozent der tariflichen Entgelte in Ostdeutschland das Westniveau erreicht haben, zeigt doch, dass der Prozess, den wir in den letzten 26 Jahren in Gang gesetzt haben, erfolgreich ist . ({7}) All dies widerspricht völlig dem Vorgehen, den Menschen einzureden, dass alles schlecht und mies sei . Indem Sie alles nur kaputtreden, erzielen Sie höchstens partikulär politische Erfolge für Ihre Seite . Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben in den letzten 26 Jahren viel erreicht . Der Osten Deutschlands hat zweifelsohne - das bestätigt auch jeder Jahresbericht - von der deutschen Einheit überproportional profitiert. Wir müssen jetzt weitergehen und auf der Grundlage der derzeitigen Ausgangslage die nächsten Schritte einleiten . Sie bestehen darin, zu sagen: Wir brauchen maßgeschneiderte Programme für den Mittelstand . Wir müssen ihn automatisieren, digitalisieren, internationalisieren und fit für die Weltmärkte und die Globalisierung machen . Wenn ich in meinem Wahlkreis unterwegs bin, sehe ich, dass man da unheimlich gut aufgestellt ist, dass wir eine hohe Exportquote haben, dass wir innovative Ideen haben, die ihresgleichen suchen, und dass wir Hidden Champions auch im ostdeutschen Mittelstand haben . Das macht mich letztendlich stolz .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege .

Mark Hauptmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme zum Schluss . - Ich bin stolz auf unser vereintes Deutschland und das, was wir geleistet haben . Ich freue mich - genauso wie hoffentlich viele von Ihnen auf den Tag der Deutschen Einheit am 3 . Oktober . Herzlichen Dank . ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Katrin Göring-Eckardt spricht nun für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003132, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Hauptmann, ich finde es sehr schön, dass Sie so stolz sind und sich so wohl fühlen . So schlimm wie manch anderem in Ihrer Fraktion und aus Thüringen scheint Ihnen die rot-rot-grüne Regierung in unserem Bundesland nicht zu bekommen . ({0}) Darüber freue ich mich sehr . ({1}) Meine Damen und Herren, wir verstehen den Bericht zum Stand der Deutschen Einheit hier im Haus gern als eine Art jährliches Ritual und als Pulsmesser für die Entwicklung der fünf noch immer neuen Länder . Das Interesse ist, nun ja, unterschiedlich . Es muss mehr sein als das - zumindest wenn man das ernst nimmt, was man meint, wenn man von der deutschen Einheit spricht, wenn man mehr meint als die Aufholjagd des Ostens bei den Wirtschafts- und Lebensverhältnissen mit dem Ziel der Angleichung an den Westen . „An welchen Westen eigentlich?“, fragt man sich da . Geht es um die Angleichung an das Ruhrgebiet, an Baden, an die Eifel, an Holstein? Manche Regionen im Westen haben heute mehr Aufholbedarf . Manchen Regionen im Osten geht es richtig gut . Frau Karawanskij, ich nehme es Ihnen, ehrlich gesagt, übel, dass Sie das nicht akzeptieren, dass Sie das nicht ansprechen können . ({2}) Denn auch daraus entsteht Identität, auch daraus entsteht der Anspruch auf mehr, auch daraus entsteht, dass es nicht allen Regionen in Ostdeutschland schlecht geht, dass es manche geschafft haben und manche eben nicht . Deswegen geht es nicht dem ganzen Osten schlecht . Das ist Quatsch . ({3}) Es muss bei der Debatte über diesen Bericht um unser ganzes Land gehen . Nichtsdestotrotz beschreibt der Bericht in diesem Jahr - und das ist richtig - alarmierend die Zunahme der Fremdenfeindlichkeit . Er wird noch von der Realität eingeholt . In Dresden fanden in dieser Woche feige, abscheuliche Sprengstoffanschläge auf ein Gotteshaus und ein Kongresszentrum statt, all das wenige Tage vor den offiziellen Einheitsfeierlichkeiten. Es sollte eigentlich vor allem eine Feier der Wiedervereinigung zu einem weltoffenen, freiheitlichen, toleranten Deutschland sein . Ein Zeichen sollte gesetzt werden, gegen Fremdenfeindlichkeit in Bautzen, in Freital, in Heidenau, gegen die Ausschreitungen, die nicht ein Angriff auf Fremde waren, sondern ein Angriff auf unsere Freiheit und unsere Demokratie . ({4}) Stattdessen bestimmen Sprengstoffanschläge das Bild des Jahrestages . Noch wissen wir zu wenig über die Täter . Dennoch: Die Polizei vermutet einen fremdenfeindlichen Hintergrund . 2016 - das sagt der Bericht aus - hatten wir in Deutschland insgesamt bisher doppelt so viele fremdenfeindliche Straftaten wie im ganzen Jahr 2015 . Inzwischen sind es 1 800 . 1 800! Das ist in der Tat besorgniserregend . Und diejenigen, die den Anschlag auf die Moschee verübt haben, haben bewusst in Kauf genommen, dass dort Menschen verletzt werden . Sie haben signalisiert: Ihr gehört nicht hierher, ihr gehört nicht zu uns . - Nein, das ist nicht deutsche Einheit, wie ich sie mir vorstelle, meine Damen und Herren . ({5}) Im Jahresbericht finden sich jetzt starke Worte. Von Radikalisierungstendenzen bis in die Mitte der Gesellschaft ist die Rede - richtig . Die Ausschreitungen in Sachsen, die davor waren, werden benannt - richtig . Es ist davon die Rede - auch richtig -, dass wir in Ostdeutschland den niedrigsten Ausländeranteil und die höchste Fremdenfeindlichkeit haben . FremdenfeindlichMark Hauptmann keit ohne Fremde, das muss man erst einmal hinkriegen, meine Damen und Herren . Es geht aber eben auch - deswegen ist es gut, dass Roland Jahn hier sitzt; ich freue mich darüber - immer um die Frage: Was ist eigentlich innerhalb der DDR-Zeit an Aufarbeitung des Nationalsozialismus passiert? Haben wir nicht einfach nur festgestellt, dass wir auf der richtigen Seite der Geschichte stehen? Haben wir nicht zu wenig aufgearbeitet, was das eigentlich auch für diesen Teil des Landes bedeutet hat? Meine Damen und Herren, noch vor einigen Jahren standen wir selbst in Ost und West uns fremd gegenüber . Obwohl wir alle Deutsche sind, schien uns manchmal mehr zu trennen, als uns verbunden hat . 40 Jahre Sozialismus und 26 Jahre Mauer hinterlassen tiefe Spuren, Unsicherheit, Verunsicherung . Und ja, wir hatten Jammerossis und Besserwessis . Trotzdem kann man sagen: Wir sind aufeinander zugegangen, wir haben voneinander gelernt, und wir haben angefangen, unser Land gemeinsam zu gestalten . Ja, es gibt sie, die Fremdenfeinde, die Ausländerfeinde . Trotzdem ist es so, dass wir andere, die wir für Demokratie, Offenheit und Toleranz in unserer Gesellschaft stehen, mehr sind . ({6}) Deswegen bleibe ich dabei: Wir, sie brauchen eine Stimme . - Das heißt nicht, dass der Alarm im Bericht falsch wäre . Das heißt, wir sollten uns darauf besinnen, auch zu sagen, was jetzt nach vorne hin geschehen muss . Das heißt eben, dass man kein Integrationsgesetz machen sollte, was mehr ein Integrationsverhinderungsgesetz ist und was einen Stein nach dem anderen in den Weg legt . Dann kriegt man nicht Einheit, sondern dann gibt man auch noch denen Recht, die mit fremdenfeindlichen Parolen durchs Land laufen, meine Damen und Herren . Deswegen meine große Bitte: Wenn wir deutsche Einheit ernst meinen, dann geht es um mehr als um Ost oder West . Wenn wir deutsche Einheit ernst meinen, dann geht es um das Zusammenleben und den Zusammenhalt in unserem Land . Wenn wir deutsche Einheit ernst meinen, dann geht es auch um diejenigen, die erst kurze Zeit in diesem Land sind . Dann geht es darum, mit ihnen gemeinsam Demokratie zu bauen und auszubauen, gegen Fremdenfeinde zu agieren und deutlich zu machen: Das ist unser Land, das ist unsere Demokratie . Wir werden sie verteidigen und gemeinsam, auch mit den jetzt Dazugekommenen, gestalten . Darum geht es . Dafür braucht es Leidenschaft und gerne auch Streit . ({7})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort der Kollegin Sabine Poschmann für die SPD . ({0})

Sabine Poschmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004377, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Ruhrgebiet sagt man: In alte Gräben soll man nicht noch Spundwände einziehen . Ich glaube, auch das sollten wir hier im Parlament vermeiden und gemeinsam versuchen, alte Gräben zu überwinden . Rechtsextremismus kennt keine Himmelsrichtungen und auch keine Ländergrenzen . Es gibt ihn im Osten wie im Westen, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung . Rechtsextreme Gesinnung ist eine zentrale Herausforderung für unsere Demokratie geworden . Das muss uns allen klar sein . Aber wir werden uns auch von Wirrköpfen und Straftätern nicht vom Weg abbringen lassen und weiter daran arbeiten, für alle Menschen in Deutschland gleichwertige Bedingungen zu schaffen . ({0}) Ein Schlüssel ist die Wirtschaftspolitik . Was wir benötigen, ist ein gesamtdeutsches Fördersystem, das strukturschwachen Regionen in Ost und West gleichermaßen auf die Beine hilft, und zwar auch nach 2019, wenn der Solidarpakt II ausläuft . An den ersten Stellschrauben der aktuellen Förderarchitektur haben wir bereits gedreht . Wir haben auf den Osten beschränkte Förderprogramme für alle Länder geöffnet . Das wird aber nicht reichen . Wir müssen vor allen Dingen die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ auf neue Füße stellen . Sie ist neben anderen Programmen das wichtigste Instrument, um strukturschwachen Regionen unter die Arme zu greifen . Wir brauchen ein Fördersystem, das Geld in die Regionen schickt, die es auch wirklich nötig haben . Und wir müssen die betroffenen Regionen bzw . Kommunen in die Lage versetzen, dass sie die Kofinanzierung stemmen können, insbesondere aber auch, dass sie personell die Projekte einstielen und nach vorne bringen können, um die Fördergelder überhaupt abzuschöpfen . ({1}) Eine gute Wirtschaftspolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird aber nur Erfolg haben, wenn sie auch von einer guten Arbeitsmarktpolitik flankiert wird. Wir müssen uns intensiver um jene Menschen kümmern, die sich bereits jetzt von jeglichem Fortschritt abgekoppelt fühlen und für sich keine Perspektive mehr sehen . Wir müssen dauerhaft für diejenigen Beschäftigung organisieren, denen der Weg zur Teilhabe am Berufsleben versperrt geblieben ist . Das funktioniert meiner Meinung nach am besten mit einem neuen sozialen Arbeitsmarkt, wie er zu Recht von vielen gefordert wird . Die Konjunktur läuft gut, die Auftragsbücher von Unternehmen vieler Branchen sind voll. Trotzdem finden Langzeitarbeitslose nach wie vor nur selten einen Job, im Osten wie im Westen . In Sachsen-Anhalt sind 40 Prozent aller Langzeitarbeitslosen zwei bis fünf Jahre ohne Job, 13 Prozent sogar länger . In anderen Regionen Ostdeutschlands sieht das ganz ähnlich aus . Und im Westen? Sie werden Städte und Kreise finden, in denen der Anteil der Langzeitarbeitslosen über 50 Prozent liegt . Wir sollten uns ehrlich machen und eingestehen: So sinnvoll unsere bisherigen Instrumente sind, den harten Kern der Langzeitarbeitslosen erreichen wir nicht . Wir brauchen einen sozialen Arbeitsmarkt, der dauerhaft ausfinanziert ist und feste, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung garantiert . ({2}) Ich bin mir ganz sicher: Wenn es uns gelingt, Menschen durch Arbeit und Teilhabe die Tür zu einem neuen, besseren Leben zu öffnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann wird es uns auch gelingen, das Vertrauen dieser Menschen zurückzugewinnen . Herzlichen Dank . ({3})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Monika Lazar ist die nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Monika Lazar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003714, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Rassismus und Rechtsextremismus sind ein Problem im ganzen Land, deren Bekämpfung die Politik aller Ebenen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrnehmen muss . Aber man muss auch benennen, dass es in Ostdeutschland, bezogen auf die Einwohnerzahl, im letzten Jahr fünfmal mehr rassistische Übergriffe gab . Deshalb ist es gut, dass im diesjährigen Bericht zum Stand der Deutschen Einheit der Rechtsextremismus als eines von drei zentralen Problemfeldern genannt wird . ({0}) Ja, wir haben ein Rassismusproblem im Osten . Das sage ich gerade auch als sächsische Abgeordnete . Die Einschätzung im Bericht, Ostdeutschland werde nur als weltoffene Region Entwicklungschancen haben, wird am Beispiel von Dresden eindrucksvoll belegt: Der von Pegida angerichtete Imageschaden hat Tourismus und Wirtschaft beeinträchtigt, und die Zahl der Studierenden ist gesunken . Aber ganz unabhängig vom wirtschaftlichen Schaden ist entscheidend, dass das Problem „rechte Gewalt“ überall endlich ernst genommen wird . ({1}) Überall in unserem Land hat es 2015 einen dramatischen Anstieg von rechtsmotivierter Gewalt gegeben, aber besonders die Namen einiger sächsischer Orte sind nun bundesweit bekannt: In Heidenau, Freital, Meißen, Bautzen, Clausnitz und an anderen Orten ist die Situation eskaliert . Rassistinnen und Rassisten haben sich von verbalen Drohungen zu realen, teils lebensbedrohlichen Taten aufgemacht . Es scheint, als ob Teile der Gesellschaft besonders in Ostdeutschland Gewalt gegen Geflüchtete tolerieren und als ob Anschläge auf Unterkünfte als legitimes Ziel der politischen Auseinandersetzung akzeptiert werden . Das dürfen wir nicht hinnehmen . ({2}) Es nützt eben nichts, die Probleme zu ignorieren und diejenigen, die sich auch in schwierigen Gegenden für unsere Demokratie engagieren, als Nestbeschmutzer zu verunglimpfen, wie es leider immer noch passiert . Die Probleme müssen offen benannt werden, und die Engagierten müssen auch von der lokalen Politik ernst genommen und unterstützt werden . Die Verrohung und auch die immer niedrigere Hemmschwelle für Beleidigungen zeigen, wie tief die Gräben in unserer Gesellschaft geworden sind . Als Demokratinnen und Demokraten ist es unsere Aufgabe, für unsere Demokratie zusammenzustehen, statt nach rechts zu blinken; denn es bringt nichts, sich Rassistinnen und Rassisten anzubiedern . Die Wählerinnen und Wähler entscheiden sich zum Schluss ja doch für das Original . Gerade angesichts unserer eigenen Geschichte ist es unverständlich, dass es offenbar schwerfällt, Menschen, die in Not zu uns kommen, einen sicheren Platz zum Leben zu bieten . ({3}) Ich hoffe, dass auch dieser Bericht ein Anlass ist, um das zu ändern . Auch der Feiertag am nächsten Montag wäre eine gute Gelegenheit, dass wir uns bewusst machen, dass Demokratie kein Automatismus ist - die Ostdeutschen unter uns wissen, wovon wir reden -, sondern dass wir uns alle täglich für unsere Gesellschaft engagieren und unsere freiheitlichen Errungenschaften verteidigen müssen . Vielen Dank . ({4})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun der Kollege Eckhardt Rehberg für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Eckhardt Rehberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003826, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Karawanskij, „Wer etwas werden möchte, muss in den Westen gehen“, so hieß es . Ich habe zwei Söhne; auch die wollten in den Westen . Ich habe sie überzeugt, nach dem Abitur in Wismar zu studieren . Sie haben heute beide einen guten Job in Rostock und Umgebung . Sie wollten in den Westen gehen, aber ich habe ihnen klar gemacht: Bleibt hier, weil ihr hier alle Chancen in der Zukunft habt . Wenn Sie sagen: „Der Osten ist arm“, dann entgegne ich Ihnen: Diese Region hat in den letzten 25 Jahren die positivste Entwicklung einer Region in Europa und sogar auf der Welt genommen, die es je gegeben hat - durch das Engagement der Ostdeutschen und durch die Solidarität der Westdeutschen . ({0}) Deswegen ist der Osten nicht arm . Der Osten ist auch nicht alt . Junge Menschen haben dort alle Chancen . Wer so redet wie Sie, der wird nicht dafür sorgen, dass sich mancher, der vor 10, 15 oder 20 Jahren in die alten Länder gegangen ist, womöglich gehen musste, weil zu Hause kein Arbeitsplatz für ihn war, entschließt, wieder zurückzukommen . Ich kann Ihnen für mein Heimatland sagen: In Rostock, in Wismar, in Stralsund werden Arbeitskräfte, Fachkräfte gesucht . Junge Menschen, die zurückkommen, Mann oder Frau, Familien haben dort alle Chancen: Ein Studium ist möglich, Kitaplätze und vernünftige Schulen sind vorhanden . - Wer so redet wie Sie, der trägt zur Vergreisung Ostdeutschlands bei . ({1}) Zum Dritten hieß es: Der Osten ist rechts . - Sie stigmatisieren mit diesem Ausspruch 16 Millionen Menschen . ({2}) Die Überschrift einer Presseerklärung von Staatssekretärin Gleicke lautete: „Rechtsextremismus ist ernste Bedrohung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der neuen Länder“ . ({3}) Wissen Sie, was mir am Wochenende passiert ist? Schulkolleginnen und -kollegen kamen in einem Baumarkt auf mich zu und sagten: Ecki, ich bin aber kein Nazi . - Sie fühlten sich stigmatisiert . Wer heute bei der Debatte über den Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2016 seine Äußerungen auf das Thema Rechtsextremismus verengt, ({4}) dem kann ich nur sagen: Thema an dieser Stelle schlichtweg verfehlt! ({5}) Nun noch zu ein paar Fakten . Sie behaupten, dass die Altersarmut im Osten mit Wucht zunehmen werde . Tatsächlich verhält es sich völlig anders . ({6}) Heute sind 3,1 Prozent der Rentnerinnen und Rentner in den alten Bundesländern in der Grundsicherung . Im Osten sind es 1,7 Prozent . ({7}) Es gibt eine Studie der Uni Rostock, in Auftrag gegeben vom Landtag Mecklenburg-Vorpommern, die auch für das nächste Jahrzehnt keine wesentliche Zunahme erkennen lässt . Ich will Ihnen auch sagen, warum . Ich verweise auf Seite 44 des Berichts, Punkt 4 .4 „Alterssicherung und Rentenangleichung“ . Wenn man da im letzten Absatz von der Rentenangleichung schreibt, muss man aber auch sagen, Frau Staatssekretärin Gleicke - Sie haben ja von Glaubwürdigkeit gesprochen -, dass dann 6 Millionen Ostdeutsche zukünftig weniger Rente bekommen werden, weil politisch und rechtlich die Höherwertung der Löhne um aktuell 15 Prozent zwangsläufig wegfallen muss . ({8}) Das muss man dann aber bitte auch sagen . Wenn man dies nicht sagt, Frau Gleicke, dann werden irgendwann 6 Millionen Ostdeutsche auf ihrem Rentenbescheid mitbekommen, dass sie zukünftig weniger Rente erhalten werden . Die eine Wahrheit gehört zur anderen dazu . Ich kann nicht durch die politische Landschaft laufen und den Rentnern suggerieren, dass sie die Rentenangleichung bekommen, ohne den 6 Millionen ostdeutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu sagen, dass sie dann einen Nachteil haben werden . ({9}) Wer das gemacht hat, war die Bundesarbeitsministerin Frau Nahles . An der sollte sich so mancher ostdeutsche Ministerpräsident ein Beispiel nehmen . ({10}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gab zu dem Bericht einen ganz spannenden Artikel in der Zeit mit dem Titel „Mut zur guten Laune“, in dem die Meinung vertreten wird, dass dieser Bericht, so wie er abgefasst ist, schlechte Laune verbreitet . ({11}) Es kommt natürlich immer darauf an, welche Vergleiche man bei der wirtschaftlichen Entwicklung zieht . Natürlich kann man immer Ost und West vergleichen . Aber wenn man zum Beispiel Holstein oder die Pfalz ständig mit München oder Hamburg vergleichen würde, dann würde man für erstere auch eine unterdurchschnittliche Wirtschaftskraft feststellen . Da sollten wir alle uns gelegentlich überlegen - das ist für mich auch Sinn dieser Debatte zum Bericht zum Stand der Deutschen EinEckhardt Rehberg heit -: Wo standen wir vor 25 Jahren, wo standen wir vor 20 Jahren, und wo stehen wir heute? ({12}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, am beeindruckendsten finde ich die Entwicklung im Behindertenbereich. ({13}) Waren Sie 1990 mal in einer Behinderteneinrichtung? Gehen Sie doch heute einmal hin! Es gibt einen alten Grundsatz: Du erkennst die Gesellschaft daran, wie sie mit ihren Schwächsten umgeht . - Wie der real existierende Sozialismus in der DDR mit Behinderten, mit Alten, mit Kranken, mit Pflegebedürftigen umgegangen ist, das war menschenunwürdig . ({14}) Denken Sie an moderne Krankenhäuser, moderne Universitäten, moderne Hochschulen! Kollege Hauptmann hat auf die Infrastruktur hingewiesen. Ich finde es herausragend, dass Alexander Dobrindt und Wolfgang Schäuble vereinbart haben, 4 Milliarden Euro für den Breitbandausbau zur Verfügung zu stellen . In mein Heimatland fließen 700 Millionen Euro Fördermittel. Die Landesregierung wird das mit 300 Millionen Euro komplettieren . Das ist Zukunft . In meinem Heimatland kann ich jungen Menschen sagen, dass sie in zwei bis drei Jahren überall 50 Megabit haben werden . ({15}) Breitbandausbau ist für mich Zukunft, und das ist auch Zukunft für die ländlichen Räume, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({16}) Ich habe noch einmal beim Wirtschaftsministerium nachgefragt: Gab es in Mecklenburg-Vorpommern in den letzten zehn Jahren wegen der NPD - sie ist 2006 in den Landtag eingezogen - irgendeine Absage, oder ist ein Tourist weniger gekommen? Ich kann Ihnen nur sagen: Wir werden in diesem Jahr wahrscheinlich die 30-Millionen-Marke bei der Touristenzahl knacken . Das ist die höchste Zahl, die es je gegeben hat . Und das Wirtschaftsministerium hat mir geantwortet: Nein, ganz im Gegenteil . Eine malaysische Investorengruppe hat drei Werften gekauft; die Beschäftigtenzahl soll verdoppelt werden . Auf Rügen ist die Ansiedlung eines türkischen Unternehmens, Großrohrleitungsbau, zu verzeichnen . Schweizer Medizinfirmen kommen. - Ich könnte die Liste endlos fortführen . Ja, es sind kleine Unternehmen, 20, 30, 40, 50 Arbeitsplätze, aber es sind hochwertige Arbeitsplätze, die da kommen . Es sind keine Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich - ganz im Gegenteil . Deswegen sollten wir uns auch vorsehen, ehe wir davon sprechen, dass der Rechtsextremismus eine ernstzunehmende Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung sei . Wer so etwas in den Vordergrund rückt, bringt natürlich andere zum Nachdenken, ob es sich lohnt und ob es interessant ist, in den neuen Bundesländern zu investieren . ({17}) Für Mecklenburg-Vorpommern kann ich sagen: Der Rechtsextremismus ist keine Gefahr gewesen . ({18}) Lassen Sie mich noch einen letzten Punkt ansprechen - ich habe ihn schon einmal vor gut zehn Jahren hier im Bundestag angesprochen; ich glaube, es war meine erste Rede -: Wir hatten in dieser Woche ein Gespräch mit Stiftungen . Unisono waren alle Stiftungen der Meinung, dass wir bei der politischen Bildung in der Schule erheblichen Nachholbedarf haben . In keinem deutschen Bundesland wird bis zur zehnten Klasse ausführlich auf die beiden Diktaturen in Deutschland, auf die braune und auf die rote Diktatur, eingegangen . ({19}) Es ist einfach keine Zeit . Deswegen mein Vorschlag: Lieber etwas weniger die Antike, das Römische Reich, das Mittelalter behandeln . Es muss doch in der neunten und zehnten Klasse Zeit und Gelegenheit sein, 16- und 17-Jährige mit der Geschichte und Politik des 19 . und 20 . Jahrhunderts bekannt zu machen . Ich glaube, wer diese Diktaturen bzw . Unrechtsstaaten nicht im Geschichtsunterricht nahegebracht bekommt, der wird nicht den Wert von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat heute einschätzen können . Herzlichen Dank . ({20})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Stefan Zierke für die SPD-Fraktion . ({0})

Stefan Zierke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004453, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Rehberg, das ist ein Bericht der Bundesregierung, der vom Kabinett beschlossen wurde . Von daher sollten wir uns doch alle diesem Bericht stellen, und zwar ehrlich . Ich danke Iris Gleicke ausdrücklich, dass dieser Bericht ehrlich ist . Nur wer Ehrlichkeit lebt, kann auch ehrlich weiterarbeiten . ({0}) Wenn wir etwas verschweigen, dann können wir die Ursache nicht finden und nicht die entsprechenden Instrumente anwenden . Iris Gleicke hier jetzt einen Vorwurf zu machen, ist dem eigentlich nicht angemessen . Iris ist eine der Kolleginnen, die ich als Ostdeutscher schätze, weil sie wirklich die ostdeutschen Interessen durchsetzt, ({1}) und zwar gegen viele andere, die noch nicht in der vereinten Bundesrepublik angekommen sind . Ich möchte hier im Bundestag aber auch noch einmal die Wertschätzung für die Ostdeutschen zum Ausdruck bringen . Was die Ostdeutschen seit der Wende geleistet haben, ist wirklich enorm . Sie haben mit Umbrüchen gekämpft . Sie haben auch damit gekämpft, dass auf einmal Naturräume, die früher zum Wirtschaften da waren, komplett zu geschützten Kernzonen wurden . Auf all das mussten sie sich neu einstellen . Der Tourismus wurde in diesem Zusammenhang schon benannt . Ich möchte für uns als SPD-Fraktion auch etwas zu den Linken sagen . ({2}) Sie taten so, als würde die Bundesregierung gar nichts machen, ({3}) als würden wir gar nichts für die Wertschätzung der Ostdeutschen tun . Wir haben, was Sie nie geglaubt haben, den Mindestlohn durchgesetzt . ({4}) Der Mindestlohn verhilft 1 Million Ostdeutschen zu einer besseren Situation . Das ist etwas Gutes; das kann man ruhig sagen . ({5}) Das hat diese Bundesregierung gemacht . Wir haben im letzten Jahr gegen den Widerstand des Finanzministeriums dafür gesorgt, dass die Regionalisierungsmittel auskömmlich neu verhandelt wurden . Mit 200 Millionen Euro mehr im Jahr hat die SPD erreicht, ({6}) dass auch wieder Regionalzüge im ländlichen Raum fahren können . ({7}) Was hat die SPD noch gemacht? Dieser Bericht enthält etwas, was viele sagen: Die innere Sicherheit ist ein Problem . - Wir haben dafür gesorgt, dass 3 000 Bundespolizisten mehr eingestellt werden sollen . Es sollen noch mehr kommen, bis zu 20 000 fordern wir . Das ist auch ein Beitrag, den wir dafür leisten . Aber nun noch einmal zu den Unterschieden zwischen Ost und West . Da muss ich auf das eingehen, was Herr Rehberg zu den Renten gesagt hat . Die Angleichung der Renten ist das, worauf die Ostdeutschen warten, Herr Rehberg . Die Rentenpunkte haben nicht unbedingt etwas damit zu tun . ({8}) Das hat etwas mit den Löhnen zu tun . Und wenn wir für gleiche Löhne in Ostdeutschland kämpfen, dann geht es dabei auch um das gleiche Rentenniveau derjenigen, die heute arbeiten . Das dürfen Sie nicht verschweigen . ({9}) Das, was Sie sagen, stimmt einfach nicht . Kämpfen wir dafür, dass es in Ostdeutschland gleiche Löhne gibt, dann gibt es auch gleiche Renten! Das ist Fakt . ({10}) Eines noch: Sie fragen immer, wieso die Wirtschaft nicht in Gang kommt . Dazu kann ich Ihnen aus meiner Region ein gutes Beispiel bringen . Die Stromkosten in Ostdeutschland sind die höchsten der ganzen Republik für die Haushalte, für den Mittelstand und das Industriegewerbe . Das kann man bei der Bundesnetzagentur sehr gut nachschauen . Das ist ein Standortnachteil für ostdeutsche Unternehmen und Haushalte . Lassen Sie uns doch jetzt daran arbeiten, diesen Standortnachteil für Ostdeutsche zu beseitigen . ({11}) Dann, glaube ich, nehmen uns die Ostdeutschen auch wieder wahr und sagen: Ja, die machen was für Ostdeutschland . Vielen Dank . ({12})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Arnold Vaatz ist der nächste Redner in dieser Debatte für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Arnold Vaatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003248, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lieber Herr Zierke, ich muss erst mal auf Ihren letzten Satz eingehen . Was Sie da über die Renten erzählt haben, das verwirrt ja mehr, als es klarstellt . Es ist doch ganz einfach: Selbstverständlich sind die Renten von den Löhnen abhängig . Und selbstverständlich werden die Renten höher, wenn die Löhne steigen . ({0}) Aber in dem Moment, in dem sich die Löhne angleichen, gleichen sich nach der jetzigen Formel auch die Renten automatisch an . Deshalb brauchen wir eigentlich überhaupt nichts daran zu ändern . Das ist der Punkt . ({1}) Selbstverständlich hatte Eckhardt Rehberg völlig recht: Wenn Sie über höhere Renten sprechen, dann dürfen Sie das nicht nur denen gegenüber anpreisen, die dadurch Vorteile haben, sondern Sie müssen auch diejenigen ehrlich ansprechen, die Nachteile davon haben . Und Sie müssen die Nachteile quantifizieren. ({2}) Und wenn Sie das nicht machen, dann ist das nur die halbe Wahrheit, und die halbe Wahrheit ist gleichzeitig eine halbe Lüge, meine Damen und Herren . ({3}) Frau Karawanskij, ich muss mich auch mit Ihnen noch kurz auseinandersetzen . Sie waren im Jahr 1989 neun Jahre alt, wie ich dem Kürschner entnommen habe . Deshalb können Sie nichts für den Zustand, in dem die DDR gewesen ist, als sie in die Wiedervereinigung reingeschlittert ist . ({4}) Deshalb wäre es vielleicht ganz gut, wenn Sie mal mit den Altvorderen Ihrer Partei reden und die mal fragen würden, weshalb sie eigentlich, nachdem sie die Wirtschaft vom Markt gefegt haben, darüber jammern, dass die Wirtschaft weg ist . So haben wir das damals vorgefunden . Wenn diese „großartige“ Leistung Ihrer Altvorderen nicht gewesen wäre, dann hätten wir uns mit der deutschen Wiedervereinigung gar nicht weiter befassen müssen . Denn der Unterschied, über den wir klagen, ist durch die Politik zustande gekommen, die die Partei, der die Altvorderen damals angehört haben, dort gemacht hat .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Vaatz, darf Ihnen die Kollegin Wolff eine Zwischenfrage stellen?

Arnold Vaatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003248, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, na klar . Selbstverständlich .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Wolff, bitte .

Waltraud Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Vaatz, vielen Dank, dass ich diese Zwischenfrage stellen darf . - Ich möchte ein Stück in Ihrer Rede zurückgehen . Sie haben vorhin gesagt: Wenn es um die Rentenangleichung Ost/West geht, dann gehört zur ganzen Wahrheit dazu, den jetzt berufstätigen Menschen zu sagen, dass es auch Nachteile gibt und Verlierer geben wird . ({0}) Sie haben gleichzeitig behauptet: Wer diese ganze Wahrheit nicht sagt, der erzählt eine halbe Lüge . - Das möchte ich nicht so im Raum stehen lassen . Sind Sie bereit, Herr Vaatz, anzuerkennen, dass die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Frau Nahles, genau auf diese Punkte hingewiesen hat und sehr wohl gesagt hat, ({1}) dass es Schwierigkeiten und Nachteile gibt und dass wir genau an der Stelle ansetzen müssen, dass wir beim Lohngefüge etwas tun und gemeinsam dafür arbeiten müssen, damit Löhne in den neuen Bundesländern in der Zukunft anders aussehen und dementsprechend auch die Renten anders ausfallen werden? ({2})

Arnold Vaatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003248, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Wolff, ich antworte Ihnen gerne . Es dürfte Ihnen nicht entgangen sein, dass ich nicht die verehrte Frau Sozialministerin Nahles angesprochen habe, sondern den frei gewählten und nur seinem Gewissen verantwortlichen Abgeordneten Zierke . Es ging um das, was er gesagt hat, und nicht um das, was die Ministerin gesagt hat . Was die Ministerin gesagt hat, hat mein Kollege Eckhardt Rehberg vorher überzeugend herausgearbeitet . ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte heute in dieser Debatte auf keinen Fall versäumen, etwas zu sagen, was meines Erachtens dringend erforderlich ist . Ich möchte der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland West meinen Dank aussprechen für die enorme Solidarleistung, die sie zustande gebracht hat, damit der Aufbau in Ostdeutschland zur größten Erfolgsgeschichte in Europa und in der Welt werden konnte . ({1}) Im Augenblick führen wir eine Diskussion über den aufkeimenden Rechtsradikalismus in Deutschland . ({2}) Ich kann nur sagen: Dieser Rechtsradikalismus hat tiefe Wurzeln . Wer sich damit genauer befasst hat, weiß: Er stammt schon aus der Zeit der DDR . ({3}) - Dann sagen wir eben „um sich greifen“ . Entschuldigung, wenn ich das falsche Wort verwendet habe; aber Sie wissen, was ich meine . - Die Skinheads gab es damals schon . Diese Entwicklung hat enorm an Umfang gewonnen, und es ist tatsächlich eine Angelegenheit, die uns belastet, besonders uns aus Dresden . Uns belastet Pegida, und uns belastet die Tatsache, dass die Demonstrationen nicht aufhören . ({4}) Deshalb muss man sich umso mehr fragen, ob wir durch unsere Diskussion hier tatsächlich dazu beitragen, dieArnold Vaatz ser Entwicklung entgegenzutreten . Ich bin der Meinung, dass das bei uns irgendwie suboptimal verläuft . Wir wären wesentlich glaubwürdiger, wenn zum Beispiel ein einziges Wort über die Ereignisse in Connewitz, einem Stadteil von Leipzig, fallen würde . Es gibt nämlich auch Linksradikale, die mit Pflastersteinen Polizeistationen angreifen; aber darüber fiel hier in der ganzen Debatte bisher kein Wort . Ich halte es für selbstverständlich, dass wir auch darüber reden, wenn wir glaubwürdig sein wollen . ({5}) Wir sollten auch darüber reden, wie die Hemmschwellen für Gewalt abgebaut wurden . Was war denn in Westdeutschland der 60er- und 70er-Jahre los? Die Gewalt gegen Sachen, der Terrorismus, die Mörderbanden und die klammheimliche Sympathie auch von politischen Kräften gegenüber dem Extremismus - all das hat um sich gegriffen . Das war bedauerlich, dem musste man entgegentreten . Aber es gab leider auch einen Abbau der Hemmschwellen für Gewalt im Osten . ({6}) Wir reden viel über Respekt . Ich will Ihnen ein Beispiel für Respekt nennen und erläutern, wie das in Ostdeutschland gewirkt hat . Allen, die damals dabei waren dazu zähle ich und meine Generation -, hat sich dieses Bild eingeprägt, und wir werden uns daran erinnern, bis wir gestorben sind . Können Sie sich noch an den 18 . März 1990 erinnern? ({7}) Es fanden die ersten - und die einzigen - freien Volkskammerwahlen in Ostdeutschland statt . Wissen Sie, was am Abend los war, nachdem die Allianz für Deutschland, die unser Freund Franz Josef Jung damals mitgegründet hat, die Wahlen gewonnen hatte? Am Wahlabend wurde vor laufenden TV-Kameras ein Bild gezeigt, auf dem der damalige grüne Politiker, später SPD-Politiker Schily zu sehen war . Er hielt eine Banane in der Hand, womit er symbolisieren wollte: Das ist der Grund, warum die Ostdeutschen die Wiedervereinigung wollen: Sie wollen mal Bananen essen . - Wer auf diese Art und Weise den Freiheitswillen, den Mut und die Bereitschaft zum Risiko in Ostdeutschland bis zum Gehtnichtmehr herabwürdigt, der muss sich nicht wundern, ({8}) wenn es eine Gegenreaktion auf eine solche Arroganz und Herabwürdigung gibt, meine Damen und Herren . ({9}) Kommen wir zur nächsten Behauptung, der Osten sei rechts . Schauen Sie sich einmal die AfD, die als rechte Partei gilt, an . Wer sind denn die Führer der AfD? Frau Petry kommt aus dem Westen, Herr Höcke kommt aus dem Westen, Frau von Storch kommt aus dem Westen, und auch Herr Gauland kommt aus dem Westen . Wunderbar, der Osten ist rechts! Ich glaube, mehr braucht man dazu nicht zu sagen . ({10}) Eine kurze Bemerkung zum Thema Westen . Ich glaube, das Vertrauen in die intellektuelle Qualität des öffentlichen Urteils im Westen hat von Anfang an gelitten . Wer sich noch daran erinnert, dass in den 70er- und 80er-Jahren im Westen niemand mehr Beachtung gefunden hat, der das Thema deutsche Einheit in den Mund genommen hat, und dass später die ganze westdeutsche Gesellschaft nicht bemerkt hat, welchem kollektiven Irrtum sie unterlegen ist, muss sich doch nicht wundern, wenn man in Ostdeutschland jetzt sagt: Im Westen sagen sie, die Erde ist rund, also ist die Erde eckig . ({11}) Das ist ein Glaubwürdigkeitsproblem . Zum Schluss will ich zum Thema deutsche Einheit noch eine zusätzliche wichtige Bemerkung machen . Seit langem beobachten wir, dass der Westen auf dem Weg in den Osten ist - geistig . Dafür gibt es jetzt ein leuchtendes Beispiel . Ich wollte gestern eigentlich einen Brief an den Oberbürgermeister von Trier schreiben; ich habe es aber unterlassen . Dort entsteht gerade eine Karl-Marx-Statue, von China bezahlt, 6,50 Meter hoch . ({12}) Tolle Sache! Eigentlich wollte ich dem Oberbürgermeister dazu gratulieren und ihm den Vorschlag machen, dass die Stadt Trier, weil ja durch die Wiedervereinigung der Name „Karl-Marx-Stadt“ frei geworden ist, ({13}) den Antrag stellt, sich in „Karl-Marx-Stadt“ umzubenennen . ({14}) Vielleicht ist ja bei Frau Grütters auch noch ein bisschen Geld übrig . Dann könnte man ein Programm für den Ankauf von alten Lenin-Statuen machen . Die Polen sind froh, wenn sie sie loswerden . In mancher polnischen Scheune ist vielleicht auch noch eine alte Stalin-Statue unter Stroh und unter Säcken versteckt . ({15}) Die könnte man aufkaufen und dann ein fantastisches Panorama in Karl-Marx-Stadt, früher Trier, errichten Karl Marx im Kreise seiner Schüler . Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit hätten Sie einen großen Beitrag zur deutschen Wiedervereinigung geleistet und gleichzeitig gezeigt, wie sich die Entwicklung im Westen vollzogen hat . Vielen Dank . ({16})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich schließe die Aussprache . Interfraktionell wird Überweisung des Berichts der Bundesregierung auf der Drucksache 18/9700 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Der Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 18/9847 soll an dieselben Ausschüsse überwiesen werden . - Das ist offensichtlich unstreitig . Also sind die Überweisungen so beschlossen . Dann rufe ich den Tagesordnungspunkt 23 und den Zusatzpunkt 4 auf: 23 . Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU und SPD Antibiotika-Resistenzen vermindern - Erfolgreichen Weg bei Antibiotikaminimierung in der Human- und Tiermedizin gemeinsam weitergehen Drucksache 18/9789 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft ({0}) Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ZP 4 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft ({1}) zu dem Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Kordula Schulz-Asche, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wirksamkeit von Antibiotika erhalten - Einsatz in der Tierhaltung auf vernünftiges Maß reduzieren Drucksachen 18/3152, 18/4704 Auch diese Aussprache soll 60 Minuten dauern . Dazu gibt es offenkundig Einvernehmen . Dann verfahren wir so . Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Bundesminister Christian Schmidt . ({2})

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! In der Tat ist die Antibiotikaminimierungsstrategie eine schwierige Angelegenheit . Sie ist deswegen besonders wichtig, weil sie ein Thema anspricht, das uns nicht nur in der Landwirtschaft, in der Tierproduktion, sondern auch und insbesondere im Gesundheitswesen betrifft . Daher besteht die sicherlich etwas außergewöhnliche Situation, dass zu dem Antrag von zwei Fraktionen des Deutschen Bundestages gleich zwei Bundesminister sprechen: zunächst ich als Landwirtschaftsminister und anschließend mein Kollege Hermann Gröhe als Gesundheitsminister . Wir unterstreichen damit auch, dass wir über die Zeiten des Gegenseitig-auf-sich-Zeigens hinweggekommen sind, ({0}) dass wir nicht mehr die Schlichter zwischen Tierärzten und Humanmedizinern sind, sondern erfreulicherweise beide Seiten sowie die anderen Betroffenen auf einem Weg zusammenführen, und zwar mit unserem - Herr Präsident, ich bitte um Entschuldigung, dass ich einen Anglizismus verwenden muss; auch die Bundesregierung ist davor nicht hundertprozentig gefeit - One-Health-Ansatz, man könnte auch sagen: Ein-Gesundheit-Ansatz .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Wenn Sie diese Bitte auch noch an die Frau Präsidentin richten, dann wäre das ganz wunderbar . Dann verzeihe ich Ihnen auch den Anglizismus .

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Im Hinblick auf die Vielfältigkeit der Themen wird sich, Frau Präsidentin, sicherlich jeder hier im Hause angesprochen fühlen . Was liegt an? Was ist wichtig? Wir müssen uns gemeinsam anstrengen, um den Kampf gegen Antibiotikaresistenzen zu gewinnen . Ich bin deswegen sehr dankbar für den Antrag der Koalitionsfraktionen mit dem Titel „Antibiotika-Resistenzen vermindern“ . Er gibt sehr viele wichtige Einzelaspekte wieder und positioniert sich . Er ist damit eine gute Ergänzung und Fortführung der Agenda der Bundesregierung und wird in diese Arbeit Eingang finden. Der Antrag ist eine Unterstützung der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie, DART 2020, und des Grundgedankens „Eine Gesundheit“ . Wir alle wissen, Antibiotikaresistenzen haben multikausale Ursachen, auch wenn in der öffentlichen Debatte teilweise ein einseitiges Bild gezeichnet wird, das zulasten der Nutztierhaltung geht . Die Vorsichtsmaßnahmen und die Reduzierung des Einsatzes von Antibiotika werden wohl überall ein Thema sein . Jeder, der in der jetzt beginnenden kalten Jahreszeit vorschnell mit Breitbandantibiotika vermeintliche grippale Infekte bekämpft, wird sich die Frage nach der Notwendigkeit dieses Einsatzes genauso stellen müssen wie der Tierarzt, der die Behandlung von kranken Tieren vornimmt . Ich weiß aus vielen Gesprächen mit Vertretern des landwirtschaftlichen Berufsstandes, dass sich unsere Landwirte insgesamt ihrer besonderen Verantwortung für Mensch und Tier bewusst sind . Ich sage das ganz bewusst heute, in dieser Woche, in der wir uns in verschiedenen Diskussionen befinden. Die Landwirte stellen sich ihrer Verantwortung, und es ist ein Gebot des Tierschutzes, kranke Tiere zu behandeln . Eines ist aber ganz klar: Es geht nur darum, kranke Tiere zu behandeln . Das heißt, wenn Tiere krank sind, werden sie behandelt, sie werden aber nicht mit Antibiotika vollgestopft, damit sie schneller wachsen . ({0}) Präsident Dr. Norbert Lammert Diese klare Grenze darf nicht eingerissen werden; hier sind wir uns einig . Das wird auch - ich sage das sehr deutlich - bei internationalen Vereinbarungen und Regelungen immer die Grundlage unserer Position sein und bleiben . ({1}) Auf dem Weg der Minimierung des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung sind wir bereits ein gutes Stück vorangekommen . Der letzte Deutsche Bundestag hat mit dem 16 . Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes ein Antibiotikaminimierungskonzept etabliert, das staatliche Kontrollen vorsieht . Wir haben das umgesetzt, und die entsprechenden Verordnungen sind erlassen worden . Ich freue mich sehr, dass wir feststellen können, dass sich der Antibiotikaeinsatz im Tierbereich von 2011 bis 2016 deutlich reduziert, ja sogar halbiert hat . Seit dem letzten Jahr, seit wir den in der Minimierungsstrategie vorgesehenen Meldepflichten nachkommen, werden 35 Prozent der Antibiotikaeinsätze als nicht mehr notwendig, als überflüssig betrachtet. Das ist auch ein Hinweis an die Veterinäre und an diejenigen, die Tiere halten, dass wir auf dem richtigen Weg sind . Fragen der Prävention und der Haltungsbedingungen gehören natürlich dazu . Deswegen werden wir uns die Haltungsbedingungen anschauen und werden sie, wenn notwendig, regeln . Ich habe da ein klares Ziel . Wir sind auf dem Weg, aber noch nicht am Ende der Möglichkeiten . Meine Initiative „Eine Frage der Haltung - Neue Wege für mehr Tierwohl“ setzt vor allem bei der Tierhaltung an . Wir können mit Dankbarkeit feststellen, dass sich die Dinge verbessern . Lassen Sie mich zu zwei weiteren Punkten etwas sagen: Erstens . Impfstoffe sind Prävention . Wir sind in Europa gerade möglicherweise von einer Gefahr betroffen, die von der Knötchenkrankeit der Rinder ausgeht, die bei uns bisher nicht bekannt ist . Wir müssen überlegen, wie wir verhindern können, dass Tiere krank werden . Das ist eine Aufgabe, der sich die Europäische Kommission mit meiner Unterstützung stellt . Zweitens stellt sich die Frage, was mit den Antibiotika passiert, die für die Behandlung von Mensch und Tier in besonders kritischen Fällen verfügbar und wirksam sein müssen und nicht durch Resistenzen in ihrer Wirkung blockiert sein dürfen . Manche sagen Reserveantibiotika dazu . Ich stelle fest, dass wir diese Antibiotika, wie auch immer wir sie bezeichnen, auf jeden Fall weg von der allgemeinen Nutzung auf eine höhere Stufe der Wahrnehmung, Betrachtung und Entscheidung bringen müssen . Deswegen werde ich meinen Entwurf zur Änderung der Verordnung über tierärztliche Hausapotheken in Kürze vorlegen . Wir werden in dieser Hausapothekenverordnung - darüber diskutieren wir gerade mit den Fachkreisen - auch die Frage von Antibiogrammen diskutieren Sie haben das in Ihrem Antrag angesprochen -, ob vorher zu klären ist, ob ein Antibiotikum tatsächlich wirksam ist oder ob es nicht eher zu Resistenzbildungen beiträgt . Hierbei ist auch wichtig, dass wir international tätig werden . Die deutsche G-7- und die G-20-Präsidentschaft unseres Landes im nächsten Jahr werden einen Schwerpunkt darauf setzen, die Antibiotikaresistenzbildung bei Mensch und Tier weltweit zu reduzieren; denn in der globalen Welt gibt es nicht nur die eine Gesundheit von Mensch und Tier, sondern eine globale Gesundheit . ({2})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächste Rednerin hat Karin Binder von der Fraktion Die Linke das Wort . ({0})

Karin Binder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003738, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die deutsche Landwirtschaft steckt in einer Krise . Das sehen wir am Preisverfall von Fleisch und Milch; das sehen wir aber auch anhand von Bildern über unzumutbare Verhältnisse in deutschen Ställen - damit verbunden sind Qualen für die Tiere -, und das sehen wir an der zunehmenden Unwirksamkeit von Antibiotika, die in unserer heutigen Medizin ein ganz wichtiger Bestandteil bei der Behandlung von Infektionen und Krankheiten sind . Dazu wird meine Kollegin Kathrin Vogler nachher noch mehr vortragen . Antibiotikaresistenzen haben zwei fatale Wirkungen: Erstens sind gefährliche bakterielle Erkrankungen von Menschen und Tieren immer schwieriger zu bekämpfen und zu heilen, und zweitens kosten die Folgen, die nicht mehr wirksame Antibiotika verursachen, die Krankenkassen und die Steuerzahler jährlich Milliarden Euro . Die Union und die SPD fordern nun mit ihrem Antrag in einer langen Liste mehr Vorsorge, bessere Überwachung, mehr Aufklärung und mehr Forschung, um den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung zu verringern . Das ist alles richtig; die Frage ist nur: Warum weigert sich die Regierungskoalition, die eigentlichen Ursachen der hohen Erkrankungszahlen in den Tierställen wirksam zu bekämpfen? Herr Minister, Sie haben es gerade angesprochen: Wir müssen uns auch der Vorsorge zuwenden . Ich behaupte eines: Wenn Sie sich zuallererst und mit wirklicher Priorität der Vorsorge zuwenden, dann können Sie damit vieles von dem vermeiden, was man als Folgewirkung zu bekämpfen hat . ({0}) Die krankmachende Intensivtierhaltung ist unser Problem; da müssen wir ran . Wenn wir die Gefahren ernst nehmen und der zunehmenden Antibiotikaresistenz entgegentreten wollen, müssen wir die Haltungsbedingungen von Schweinen, von Rindern, von Geflügel ändern. ({1}) Je größer die Ställe und je dichter der Tierbestand an einem Standort, umso größer ist der Stress der Tiere, umso größer die Gefahr, dass die Tiere krank werden, und umso größer ist die Gefahr von Ansteckung und einer Ausbreitung der Krankheiten . Der massive Einsatz von Antibiotika ist damit vorprogrammiert, weil nämlich vorsorglich der ganze Bestand medikamentiert wird . Deshalb hilft uns mehr Monitoring, helfen uns mehr Forschungsgelder und mehr Info-Flyer nur am Rande . Das Problem werden wir so nicht in den Griff bekommen . Das Problem ist nur zu lösen, wenn wir erstens endlich Bestandsobergrenzen für den Standort und die Region definieren und wenn wir zweitens die Bestandsdichte verringern . ({2}) Artgerechte Haltungsformen in kleineren Gruppen mit ausreichend Platz, mit Auslauf und mit frischer Luft müssen zur Regel werden, ({3}) Wer behauptet, die Verwirklichung des Grundsatzes „Vorsorge statt Antibiotika“ koste zu viel Geld, liegt falsch . Tierhaltung, die auf das Wohl der Tiere und die Umwelt keine Rücksicht nimmt, kommt die Gesellschaft durch Umweltbelastung, durch belastetes Trinkwasser und durch hohe Kosten im Gesundheitswesen teuer zu stehen. Tierhaltung muss verpflichtend so ausgerichtet werden, dass ein denkbar geringer Einsatz von Medikamenten ausreicht . Ich möchte hier auch noch auf einen Brief hinweisen, den verschiedene Tierärzteorganisationen Anfang September an das Ministerium und an das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit geschickt haben . Ich kann mich den Fragen der Tierärzte anschließen . Ich möchte sie hier ganz kurz vortragen: Welche Änderungen der Kriterien zur Erfassung der Antibiotika-Abgaben an Tierärzte und Tierärztinnen werden Sie veranlassen? Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um den Einsatz von Antibiotika in der Massen-Tierhaltung generell und insbesondere der „Reserve-Antibiotika“ nachhaltig zu reduzieren? Werden Sie sich für ein Verbot der Verwendung von „Reserve-Antibiotika“ in der Massen-Tierhaltung einsetzen? Ich denke, es gibt noch viel zu beraten . Das werden wir im Ausschuss und auch in einer weiteren Debatte tun . Ich hoffe, dass wir noch ein paar Ergänzungen im Antrag der Koalition vornehmen können . Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit . ({4})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächster Redner spricht Dr . Wilhelm Priesmeier für die SPD-Fraktion . ({0})

Dr. Wilhelm Priesmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003611, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Tierarzt und auch als Abgeordneter habe ich mich Zeit meines Berufslebens immer mit Antibiotika auseinandersetzen und beschäftigen müssen . Während meiner Dissertation und besonders in der Praxis hat das angefangen . Ich glaube, es gibt niemanden in diesem Hause, der mehr Antibiotika verordnet und abgegeben hat, als mich . Aus dem Grunde, glaube ich, bin ich kompetent, zu diesem Thema vorzutragen und Vorschläge zu machen . Als ich als Berufspraktiker angefangen habe, war das Verhältnis des Berufsstandes und auch der Landwirte zu dem Einsatz von Antibiotika wesentlich anders als heute . Damals hat man Antibiotika noch häufig als Produktionsmittel betrachtet . Es gab Einstallungsprophylaxe, links gab es Stresnil, rechts gab es CTP, und sieben Tage lang gab es eine Arzneimittelvormischung, die eingemischt wurde . Das hat dann in der Folge zu den Entwicklungen von Resistenzen geführt, wie wir sie heute beobachten . Denn Resistenzen, die sich einmal entwickelt haben, verschwinden nicht über Nacht wieder . Als ich in den Bundestag gekommen bin, hatten wir gerade die 11 . AMG-Novelle in einer Frist von sieben Tagen umzusetzen . Hintergrund war damals der große Arzneimittelskandal in Bayern . Es war zum Rücktritt der damaligen stellvertretenden Ministerpräsidentin und Gesundheitsministerin gekommen, die Hinweise mehr als zwei Jahre lang in ihrer Schublade aufbewahrt und nicht verfolgt hatte . Das hat schon damals gezeigt, wie groß der Handlungsdruck war . Dieser Handlungsdruck hat nie nachgelassen . Heute verschreiben wir Antibiotika nicht mehr so sorglos . Ein Umdenken hat eingesetzt . Die Zusammenhänge zwischen Betriebsmanagement und Stallhygiene und auch den betrieblichen Managementvoraussetzungen sind heute jedem Landwirt klar . Er kann an und für sich wirtschaftlich nur überleben, wenn er das berücksichtigt . Die Zeit der Schuldzuweisungen in der Debatte um Resistenzen ist Gott sei Dank hoffentlich vorbei . Das Stichwort „One Health“ ist gerade schon erwähnt worden . An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal bei Gitta Connemann bedanken, die in ganz besonderer Weise dazu beigetragen hat, dass der Antrag gemeinsam mit den Kollegen aus dem Gesundheitsbereich zustande gekommen ist . Ich glaube, das macht deutlich, dass wir an dieser Stelle auch für unser politisches Handeln hier im Bundestag einen neuen Ansatz hinsichtlich der Umsetzung der notwendigen Vorgaben finden wollen. ({0}) G 7 und OECD haben die Folgekosten hochgerechnet . Wenn wir nichts tun würden, würden die Kosten bis 2050 auf 2,9 Billionen Dollar ansteigen . Das ist eine Größenordnung, die bestimmte Wohlstandsentwicklungen in unseren Ländern im Grundsatz infrage stellen dürfte . Sie sehen daran, wie groß der Handlungsdruck ist . ({1}) Die Forderung, die Abgabemenge von Antibiotika in einem kurzen Zeitraum zu halbieren, gibt es . Wir sind auf einem guten Wege, aber noch nicht am Ziel . Die Zahlen sind hier eben schon erwähnt worden; ich möchte sie nicht wiederholen . Beunruhigend angesichts all der Zahlen ist natürlich der Anstieg des Einsatzes von Reserveantibiotika . Das lässt sich nicht aus einer reinen Mengenbetrachtung heraus beurteilen . Auf Reserveantibiotika, zumindest auf die Wirkstoffgruppen Cephalosporine und Fluorchinolone, werden wir in der Veterinärbehandlung und in der Veterinärpraxis nicht ohne Weiteres verzichten können . Aber ihr Einsatz muss entsprechenden Regelungen und Beschränkungen unterworfen werden . An sich haben wir schon mit der 16 . AMG-Novelle die Voraussetzungen dafür geschaffen . Im Rahmen der Verordnung über tierärztliche Hausapotheken, die die ordnungsgemäße Behandlung regelt, hätten wir damit schon beginnen können . Der Prozess ist zwar fortgeschritten; aber irgendwie scheint mir die Umsetzung zwischen den Bundesländern und dem Bund festgefahren zu sein . Deshalb kann ich nur appellieren, dieses Vorhaben schleunigst anzugehen und umzusetzen, um weiteren Schaden im Hinblick auf die Resistenzentwicklung zu vermeiden . Wir stärken mit unserem Antrag auch die Position des Tierarztes . ({2}) Wir möchten regeln, dass jeder Bestand nur noch einen einzigen Bestandstierarzt hat, der ausschließlich autorisiert ist, Medikamente zu verschreiben und abzugeben, und der sich hinterher auch vom Behandlungserfolg überzeugen muss . Dazu ist es notwendig, dass wir die noch bestehenden Defizite in der Antibiotikadatenbank beseitigen und für alle Nutztierarten und alle Haltungsformen eine verpflichtende Regelung treffen. Gleichzeitig muss es unsere Aufgabe sein, Impfungen als Präventionsmaßnahme grundsätzlich dann vorzuschreiben, wenn durch sie der Einsatz von Antibiotika vermieden werden kann . ({3}) Wir wollen die Rabattierung von Antibiotika unterbinden und den Internethandel am besten ganz verbieten . Die Entscheidungen auf europäischer Ebene sind noch im Fluss . Aber ich hoffe, dass durch den Einsatz der deutschen Europaabgeordneten und durch unseren dortigen Einfluss einiges zu bewirken ist. Damit sind die Instrumente des Arzneimittelrechts allerdings schon erschöpft . Wenn wir weitergehen wollen, brauchen wir das, was wir in den Koalitionsvertrag geschrieben haben: einen einheitlichen Rechtsrahmen . ({4}) Die Ursachen des Problems sind der Tiergesundheitsstatus, die Produktionshygiene, Hygiene und Infektionsprophylaxe, angepasste Tierzucht und im Besonderen das eigenverantwortliche Betriebsmanagement des jeweiligen Tierhalters . Wenn wir weiter vorankommen und über die Instrumente des Arzneimittelrechts hinausgehen wollen, dann müssen wir diesen Rechtsrahmen konsequent fortentwickeln . Wir sollten diesen Versuch noch in der laufenden Legislatur unternehmen . Ich glaube, das ist eine ganz wesentliche Voraussetzung, wenn wir hier Fortschritte erzielen wollen . Die Abgabe und Anwendung von Antibiotika mit restriktiven Vorgaben zu versehen, ist die eine Seite . Die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Tiere erst gar nicht krank werden, ist die andere Seite . Ich glaube, hier haben wir noch viel zu tun . Beratung und eine risikoorientierte Überwachung durch eine Tiergesundheitsdatenbank, in der wir alle Befunde, die wir schon jetzt verbindlich erfassen müssen, zusammenführen, sind weitere Grundlagen . Die wichtigsten Aspekte für alle Beteiligten, auch in den Betrieben, sind allerdings Vertrauen und Transparenz . Damit gewinnen wir letztendlich auch das Vertrauen der Bevölkerung und der Konsumenten zurück, wenn es, wie ich es zum gegenwärtigen Zeitpunkt beurteile, infrage gestellt ist . Vielen Dank . ({5})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächste Rednerin hat Kordula Schulz-Asche für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .

Kordula Schulz-Asche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004405, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich stimme mit all meinen Vorrednern überein, dass Antibiotikaresistenzen weltweit zu einer ernsten Bedrohung für die Menschen geworden sind . Ein Grund für diese Bedrohung ist der leichtfertige Einsatz von Antibiotika auch in der Tierhaltung, vor allem in der Massentierhaltung . Ich habe Ihnen genau zugehört, Herr Minister Schmidt . Sie haben im Hinblick auf die Maßnahmen, die Sie bei den Reserveantibiotika planen, von erhöhter Wahrnehmung gesprochen . Ich fordere Sie auf, endlich dafür zu sorgen, dass Reserveantibiotika kranken, armen, alten Menschen, die keine Widerstandskräfte haben, vorbehalten bleiben und ihr Einsatz in der Tierzucht endlich verboten wird . ({0}) Die Weltgesundheitsorganisation spricht von der Gefahr eines postantibiotischen Zeitalters . Wir laufen Gefahr, in die Zeit vor Entdeckung des Penicillins zurückzufallen . Das heißt, dass Menschen in Zukunft - vielleicht schon bald, in naher Zukunft - sogar an leichten Infektionen sterben werden . Das dürfen wir nicht zulassen . Deswegen müssen jetzt endlich Maßnahmen ergriffen werden, die zu einer tatsächlichen Reduzierung führen . Das ist in dem Antrag, den Sie uns vorgelegt haben, leider nicht enthalten . ({1}) Wir haben glücklicherweise inzwischen auf internationaler Ebene - ich nenne zum Beispiel die G 7 - MaßDr. Wilhelm Priesmeier nahmen vereinbart . Auch in der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie sind zunehmend Verbesserungen zu sehen . Letztendlich sehen wir aber auch an Ihrem Antrag, dass dieser ganze Bereich in Deutschland nach wie vor unvollständig und ungenau geregelt und unterfinanziert ist. Das muss sich ändern. Sonst kommen wir bei diesem Thema nicht voran . ({2}) Lassen Sie mich das an einem ganz kleinen, aber sehr wesentlichen Beispiel deutlich machen: Wenn wir von einer Minimierung des Einsatzes sprechen, dann müssen wir doch auch über die Reduktionsziele sprechen, die erreicht werden sollen . Leider kann ich in Ihrem Antrag nichts darüber finden. Es wäre doch das Mindeste, zu sagen, bis wohin man kommen möchte, wenn man gemeinsame Anstrengungen unternimmt . ({3}) Das wird in der Rede, die mein Kollege Ostendorff dazu halten wird, auch noch einmal Thema sein . Was ist jetzt eigentlich zu tun? Wir brauchen eine verbesserte Aufklärung der Bevölkerung . Umfragen zeigen, dass die Hälfte der Bevölkerung gar nicht weiß, gegen welche Erreger Antibiotika helfen . In Frankreich ist es mit einer Massenkampagne über einen längeren Zeitraum gelungen, den Antibiotikaeinsatz um ein Drittel zu reduzieren . Warum steht das nicht in Ihrem Antrag und in Ihrer Strategie? Warum vernachlässigen Sie diesen Bereich? ({4}) Die meisten Verschreibungen in der Humanmedizin erfolgen in den ärztlichen Praxen . 80 Prozent der Antibiotika werden in Praxen verschrieben . Wir wissen zum Beispiel nicht genau, warum es regionale Unterschiede gibt, aber wir wissen, dass es an Diagnostik und an einem Feedback zur Verschreibungspraxis unter den Ärzten fehlt . Aus anderen europäischen Ländern wissen wir, dass ein Feedback zur Verschreibungspraxis unter den Ärzten dazu führen kann, dass die Antibiotikaverschreibung um bis zu 50 Prozent reduziert werden kann . Warum steht das nicht in Ihrer Strategie, die Sie uns hier heute vorlegen? ({5}) Meine Damen und Herren, viele Menschen, die ins Krankenhaus oder Heim kommen, haben Angst vor einer Übertragung von multiresistenten Keimen . Wir haben das Problem, dass in Krankenhäusern und Heimen kein vernünftiges Screening bei der Aufnahme oder davor stattfindet. Daneben haben wir das weitere Problem, dass natürlich vor allem die Belastung des Pflegepersonals in diesen Einrichtungen wesentlich dazu beiträgt, dass diese multiresistenten Keime übertragen werden . Deswegen brauchen wir endlich Personalbemessungsinstrumente, die sicherstellen, dass genug Zeit für die Pflege von Patienten zur Verfügung steht und dass die Belastung nicht so hoch ist, dass hier besondere Risiken entstehen . Darüber hinaus brauchen wir sofort Mindeststandards für bestimmte Stationen, nämlich für Intensivstationen und für die Kinderintensivmedizin, weil dort die schwächsten Patienten liegen, die am meisten von diesen Infektionen bedroht sind . Wenn Sie sich ansehen, dass das Verhältnis zwischen Pflegepersonen und Patienten auf Intensivstationen in den Niederlanden eins zu eins, während es in Deutschland eins zu vier beträgt, dann sehen Sie doch den Handlungsbedarf, den wir hier haben . Wir brauchen sofort Mindeststandards für die Intensivund die Kinderintensivmedizin . ({6}) Seit den 70er-Jahren ist im Bereich „Forschung und Entwicklung von Antibiotika“ nicht viel passiert . Das ist sicher einer der Gründe dafür, dass es so viele Antibiotikaresistenzen gibt . Es gab sehr viele Antibiotika auf dem Markt, bei denen der Patentschutz abgelaufen war, und Reserveantibiotika, die in der Regel zurückgehalten werden sollen, um bei einer Resistenzentwicklung eingesetzt werden zu können . Deren Einsatz hat dazu geführt, dass wir im Moment nur noch wenige Reserveantibiotika haben - eigentlich ist es nur noch eines, das wirklich gegen alle Keime hilft -, und es wurden noch keine neuen Wege gefunden, wie wir in Zukunft mit Infektionen umgehen können . - Das ist der Forschungszustand heute . Ich finde, dass sich sowohl die Pharmaindustrie als auch die öffentliche Forschung so starkmachen müssen, dass wir auf internationaler Ebene zusammenarbeiten können; denn wir brauchen neue Antibiotika und neue Stoffe, die gegen diese Erreger helfen . Deswegen müssen wir alle zusammenarbeiten . Aus diesem Grund schlagen wir vor, einen internationalen sehr transparenten Fonds einzurichten, in dem die öffentlichen und privaten Mittel für die Forschung zusammengefasst werden . Natürlich muss auch Deutschland hier einen Beitrag leisten . All diese Punkte kommen bei Ihnen einfach nicht richtig vor, und sie sind nicht richtig finanziert. Das müssen wir ganz schnell ändern . ({7}) Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss . Für mich heißt das Zauberwort „Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen“: von der internationalen Ebene bis runter auf die lokale Ebene des Rettungsdienstes und des Gesundheitsamtes . Wir dürfen bei dem Thema Antibiotikaresistenzen nicht mehr kleckern, sondern wir müssen klotzen . Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit . ({8})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Herr Bundesminister Hermann Gröhe für die Bundesregierung das Wort . ({0})

Hermann Gröhe (Minister:in)

Politiker ID: 11002666

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Als im Juni des letzten Jahres beim G-7-Gipfel in Elmau die deutsche Präsidentschaft das Thema Antibiotikaresistenzen auf die Tagesordnung gesetzt hat, da hat mancher in den Medien und auch in der Politik zunächst einmal gefragt: Antibiotika- - was? Kümmern sich die G-7-Staats- und Regierungschefs nicht um die ganz wichtigen Fragen wie Frieden, Wirtschaftswachstum, Gerechtigkeit, Klimawandel? Ja, und dazu gehören eben auch Antibiotikaresistenzen . Es ist eine Frage, die genau in diese Dimension gehört . Deutschland ist hier Schrittmacher, und zwar nicht nur deshalb, weil wir dieses Thema auf die Tagesordnung der G 7 gesetzt haben, sondern weil wir auch konsequent handeln im nationalen wie im internationalen Rahmen . ({0}) Kollegin Schulz-Asche hat es ja angesprochen: Ein Rückfall in das Vor-Penicillin-Zeitalter wäre eine Katastrophe für die Medizin . Seit dem Zweiten Weltkrieg sind Antibiotika ein herausragendes Instrument zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten . Viele medizinische Eingriffe, vom Hüftgelenkersatz bis zur Transplantation, wären ohne vorbeugende Antibiotikabehandlungen nicht möglich . Jedes Jahr sterben weltweit 700 000 Menschen an resistenten Keimen . Wenn die Kommission von Jim O’Neill im Auftrag der britischen Regierung sagt: „Diese Zahl kann bis 2050 auf 10 Millionen steigen, wenn wir nicht gegensteuern“ - das hieße mehr Tote durch multiresistente Keime als infolge von Krebserkrankungen -, dann macht das deutlich, wie ernst die Bedrohung ist . Ähnlich wie beim Klimawandel ist es so, dass sich die Entwicklung schleichend und weithin unsichtbar vollzieht . Deswegen ist es wichtig, hier gegenzuhalten . Es geht um - es ist richtig, was Sie gesagt haben - die lokale, die nationale und die internationale Ebene, also um alle Ebenen . Ich will mich auf den Bereich der Medizin konzentrieren . Gleichzeitig danke ich dem Kollegen Schmidt herzlich für die gute Zusammenarbeit mit seinem Hause und dafür, dass wir vor Ort informieren und diskutieren . Frau Kollegin, Sie haben Kampagnen angemahnt . Ich lade alle dazu ein, die guten Materialien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu nutzen . Ich war vor einigen Wochen mit Apothekerinnen und Apothekern meiner Heimatstadt mit diesen Materialien in der Fußgängerzone . Wir haben Eltern angesprochen und darauf hingewiesen, dass es falsch ist, ohne eine anständige Diagnostik vorschnell auf den Einsatz von Antibiotika zu drängen und die Behandlung nach einer vermeintlichen Besserung vorschnell abzubrechen . Auch damit werden Resistenzen gefördert . Natürlich betreiben wir öffentliche Aufklärung . Natürlich gibt es auch verbesserte Weiterbildungsangebote an die Ärzteschaft . Das Antibiotic-Stewardship-Programm mit der Universität Freiburg als Ankerorganisation bietet diese Weiterbildungen an . Natürlich gehört die Fülle der Maßnahmen vor Ort, die wir im Bereich Krankenhaushygiene ergreifen, auch dazu .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Bundesminister, lassen Sie eine Zwischenfrage zu? Ich habe die ganze Zeit auf eine Redepause gewartet . Ich musste Sie jetzt aber unterbrechen .

Hermann Gröhe (Minister:in)

Politiker ID: 11002666

Gerne .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Schulz-Asche .

Kordula Schulz-Asche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004405, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister Gröhe, herzlichen Dank, dass Sie konkret auf meinen Vorschlag mit der Aufklärung eingegangen sind . - Wir haben die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung . Ich möchte Sie fragen, ob Sie beabsichtigen, nach dem Vorbild von Frankreich eine über Jahre dauernde, sehr breit angelegte und sehr intensive Informationskampagne zu machen und nicht nur auf die Broschüren der BZgA zu setzen?

Hermann Gröhe (Minister:in)

Politiker ID: 11002666

Wir bauen diesen Bereich aus . Nicht nur die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gibt Materialien heraus, sondern auch die örtlichen Gesundheitsämter und die Landesregierungen . Ja, wir werden sowohl im Bereich der Information seitens der öffentlichen Verwaltungen beharrlich und verstärkt arbeiten müssen - das ist nicht mit der einmaligen Ausgabe von Materialien getan -, als auch die Apotheken, die Ärzteschaft und die anderen Gesundheitsberufe mit einbeziehen müssen . Natürlich müssen diese Arbeiten fortgesetzt und auch verstärkt werden; das steht übrigens im Antrag der Koalitionsfraktionen . Es gibt regionale Netzwerke für diese Arbeit, die beispielsweise durch das Robert-Koch-Institut unterstützt werden . Ja, all das gehört ausdrücklich dazu . ({0}) - Doch . Ich habe ausdrücklich gesagt, dass wir diese Maßnahmen nachhaltig und verstärkt durchführen . Ich lade dazu ein, sie vielleicht erst einmal alle zur Kenntnis zu nehmen und selber auch einzusetzen . Das lohnt sich . Wir haben im Bereich der Krankenhaushygiene nach den Verschärfungen des Infektionsschutzgesetzes zuletzt die Meldepflichten verschärft, damit bereits ein erstes Auftreten von Keimen rechtzeitig die entsprechenden Reaktionen auslösen kann . Wir führen seit 2014 eine Verbrauchs-Surveillance in Krankenhäusern durch, und zwar zusammen mit dem Robert-Koch-Institut und der Charité; über 200 Krankenhäuser machen bereits mit . Auch daraus gewinnen wir wertvolle Informationen für einen bestmöglichen Einsatz . Wir arbeiten intensiv zusammen - neben Kollege Schmidt war Kollegin Wanka an der Erarbeitung der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie beteiligt -, wenn es um die Forschung geht . Eine gute Forschung, die international zusammenarbeitet, wurde angemahnt . Ich kann Ihnen sagen: Genau das geschieht . Das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung, das zur Helmholtz-Familie gehört und vom Bund nachhaltig gefördert wird, ist eine der herausragenden Forschungseinrichtungen . Gerade vor wenigen Tagen hat das in Braunschweig beheimatete Netzwerk zusammen mit acht anderen Spitzenorganisationen in der Welt eine Allianz gegründet, um das Erreichen der Ziele der UN-Resolution wissenschaftlich zu begleiten und anzumahnen . Die deutsche Forschung ist also an der Gründung dieser Allianz beteiligt . Die Bundesregierung hat zusammen mit anderen im Rahmen der WHO dafür geworben, noch in diesem Monat dieses Thema auf die Tagesordnung nicht nur der WHO, sondern auch der Vereinten Nationen zu setzen und dazu High-Level-Meetings und Beratungen durchzuführen . Damit komme ich auf das zu sprechen, was wir im Rahmen von G 7 und in der EU - hier vor allen Dingen zusammen mit Großbritannien und den Niederlanden, aber auch mit anderen Staaten aus der Völkergemeinschaft - tun . Bereits im nächsten Monat wird - initiiert im Rahmen des G-7-Prozesses - ein Treffen internationaler Experten in Berlin stattfinden. Über 100 renommierte Experten werden über Forschungsanreize, den Zusammenhang von Tier- und Humanmedizin und über den klugen Einsatz von Antibiotika, aber auch über die Durchsetzung einer weltweiten Verschreibungspflicht diskutieren; auch Jim O’Neill wird daran teilnehmen . Wir haben uns entschlossen, im Mai nächsten Jahres erstmalig zu einer Konferenz der G-20-Gesundheitsminister einzuladen; denn wir sind der Überzeugung, dass wir bei Fragen betreffend die Antibiotikaresistenz eine Zusammenarbeit der forschungs- und wirtschaftsstarken G-7-Staaten und der großen - auch großagrarisch tätigen - Länder Lateinamerikas und Asiens brauchen . ({1}) Ich bin ausgesprochen dankbar, dass die japanische G-7-Präsidentschaft unser Thema vorangetrieben hat und im April Indien, China und weitere asiatische Staaten eingeladen hatte, um sie für unsere Sache zu gewinnen . Unsere Anstrengungen, in denen wir nicht nur nicht nachlassen dürfen, sondern die wir auch verstärken müssen, werden nur Erfolg haben, wenn wir es schaffen, andere Staaten auf internationaler Ebene einzubinden . Im Gegensatz zu dem Eindruck, der gerade erzeugt wurde, wird Deutschland - fragen Sie in der WHO und der UNO - als Schritt- und Tempomacher und aufgrund seiner Strategie als Vorbild gesehen . ({2}) Ich bin davon überzeugt, dass es uns gelingen wird, die Katastrophe, die eintreten kann - zu diesem Schluss kommt man, wenn man den Report von O’Neill und die Berichte der Weltbank über die dramatischen wirtschaftlichen Schäden liest -, zu verhindern, wenn wir alle zusammenarbeiten und handeln . Wir werden in Kürze über die Ergebnisse des Pharmadialogs reden . Hier wird es um mehr Anreize für eine bessere Diagnostik, die Entwicklung neuer Antibiotika und auch um die Frage gehen, wie wir den nachlassenden Nutzen von Generika fair bewerten . Also: Global und vor Ort handeln, das zeichnet uns aus . Der Antrag der Koalitionsfraktionen enthält dafür wichtige Punkte . Er macht Tempo und mahnt, am Ball zu bleiben . Ich begrüße dies sehr und freue mich auf die weiteren Beratungen . ({3})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächste Rednerin spricht Kathrin Vogler für die Fraktion Die Linke . ({0})

Kathrin Vogler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004181, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heute zur Diskussion stehenden Antibiotikaresistenzen sind ein wichtiges Thema . Herr Gröhe, ich nehme Ihnen ab, dass Sie tatsächlich etwas dagegen unternehmen wollen . Bakterien sind faszinierende Lebensformen . Sie sind quasi überall zu finden und trotzen den widrigsten Umweltbedingungen . Die meisten sind zum Glück ungefährlich oder sogar nützlich . Einige von Ihnen können aber eben auch schwere Krankheiten verursachen . An Tuberkulose etwa sterben weltweit 1,5 Millionen Menschen in jedem Jahr . Und auch Keime, die gesunde Menschen problemlos abwehren können - wie Staphylokokkus Aureus oder bestimmte Darmkeime -, können bei immungeschwächten bzw . kranken Patientinnen und Patienten ganz schlimme Folgen haben . Sie können lebensgefährlich sein . Deswegen war die Entwicklung von Antibiotika ein unglaublicher Erfolg der Medizin im Kampf gegen bakterielle Erkrankungen . Doch dieser Erfolg droht jetzt umzukippen; denn das biologische Erfolgsmodell Bakterium beruht auf einer unglaublichen Anpassungsfähigkeit . Wenn nur wenige Exemplare den Angriff beispielsweise eines Antibiotikums überleben, dann führt das dazu, dass sich diese umso schneller vermehren . So entstehen Resistenzen . Dabei droht das scharfe Schwert der Antibiotika stumpf zu werden . Jetzt gehen Experten davon aus, dass in Deutschland inzwischen bis zu 25 000 Menschen jährlich durch Infektionen mit multiresistenten Erregern sterben . Hunderttausende erleben schweres Leid . Sie müssen länger im Krankenhaus bleiben . Oder sie erleiden schlimme Folgen, wenn zum Beispiel Gliedmaßen, die nicht mehr gerettet werden können, amputiert werden müssen . Das dürfen wir nicht akzeptieren . Damit dürfen wir uns nicht abfinden. ({0}) Es ist absolut richtig, dass die Koalitionsfraktionen in ihrem Antrag mehr Anstrengungen gegen die AusBundesminister Hermann Gröhe breitung multiresistenter Keime verlangen und dass sie die Entwicklung neuer Antibiotika vorantreiben wollen . Richtig ist auch, dass das eine grenzüberschreitende Aufgabe ist, weil die Erreger auch nicht an Grenzen haltmachen . Was mich aber schon ein bisschen - nein, mehr als ein bisschen - aufregt ist, dass Sie das, was hier in Deutschland das wichtigste Mittel wäre, schlichtweg ignorieren . Das wichtigste Mittel gegen die Ausbreitung antibiotikaresistenter Keime in Krankenhäusern wäre schlichtweg mehr Personal, und zwar deutlich mehr Personal . In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom letzten Sonntag berichtet - ich zitiere - eine anonym bleibende OP-Schwester: Wir gefährden jeden Tag Patienten, und zwar bewusst . Sie erzählt von schweren Hygienemängeln, von schlecht geschulten Reinigungskräften und vom ständigen Arbeitsdruck in der Pflege, der eine sorgsame Händedesinfektion unmöglich macht . Sie rechnet vor, dass Ärzte und Schwestern sich eigentlich etwa 150-mal am Tag - jeweils 30 Sekunden lang - die Hände desinfizieren müssten . Das ergibt 75 Minuten pro Arbeitstag . Das ist aber bei den derzeitigen Verhältnissen in Krankenhäusern einfach illusorisch . Viele Beschäftigte leiden psychisch darunter, dass sie zwar genau wissen, was sie zu tun hätten, dass sie diese Zeit aber nicht aus ihrem dichtgepressten Arbeitsalltag herausschneiden können . Arbeitsverdichtung und Stress in der Pflege gefährden jeden Tag Menschenleben. Dagegen müssen wir doch etwas tun . ({1}) Im Gesundheitsausschuss haben uns Sachverständige bei einer Anhörung vorgerechnet, dass akut 100 000 Pflegekräfte in den Kliniken fehlen . Und da feiern Sie sich in diesem Antrag für gerade einmal 6 000 zusätzliche Stellen in drei Jahren, die Sie mit dem Krankenhausstrukturgesetz geschaffen haben . Entschuldigung, das ist einfach lächerlich! Zum Thema Forschung . Wenn wir bei der Entwicklung neuer Antibiotika gemeinsam substanziell vorankommen wollen, dann sollten Sie unserem Änderungsantrag zum Haushalt zustimmen, in dem wir 500 Millionen Euro für nichtkommerzielle öffentliche Arzneimittelforschung fordern . Denn wir sehen doch, dass das Interesse der Industrie an der Entwicklung neuer Antibiotika nicht nur für unsere Region denkbar gering ist . Das gilt auch für die Entwicklung solcher Antibiotika, die gegen Tuberkulose eingesetzt werden könnten . Da müssen wir öffentlich investieren . Das sind wirksame Ansätze, um unser Schwert gegen Infektionskrankheiten wieder scharf zu machen und Menschenleben zu retten . Ich würde mich freuen, wenn Sie das in der Beratung unterstützen würden . ({2})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Jetzt hat Martina Stamm-Fibich von der SPD das Wort . ({0})

Martina Stamm-Fibich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004413, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuhörer! „Das Problem ist so ernst, dass es die Errungenschaften der modernen Medizin bedroht .“ - So heißt es im Bericht der WHO vom Sommer 2014 . Die Gefahr ist real, und sie ist groß . Tagtäglich sterben auch in deutschen Krankenhäusern Menschen an den Folgen einer Infektion mit multiresistenten Bakterien . Meist sind es ältere, multimorbide Patienten, deren Immunsystem bereits stark geschwächt war . Doch es ist denkbar, dass in Kürze auch jüngere Menschen an multiresistenten Erregern sterben . Wir müssen sämtliche Anstrengungen bündeln, um ein solches Szenario zu verhindern . ({0}) Wie kaum ein anderes Problem ist das Problem der Antibiotikaresistenzen zum Teil hausgemacht; denn über Jahrzehnte hinweg hat die Gesellschaft Antibiotika im Glauben an deren unerschöpfliche Allmacht nicht rational eingesetzt . Die meisten Patienten holen sich ein Rezept für ein Antibiotikum bei einem Arzt ihres Vertrauens . So stellen Hausärzte und hausärztlich tätige Internisten zwei Drittel der Antibiotikarezepte aus, die insgesamt im ambulanten Bereich vergeben werden . Erschreckend finde ich: Laut einer Umfrage des Robert-Koch-Instituts ist vielen Ärzten nicht bewusst, was sie mit den Verordnungen anrichten . Etwa 64 Prozent der niedergelassenen Mediziner glauben, dass das, was sie täglich verordnen, keinen Einfluss auf die Anzahl und Sorte resistenter Erreger in ihrer Gegend hat . Das gibt schon zu denken . ({1}) Außerdem spielt auch das Anspruchsdenken mancher Patienten im medizinischen Alltag eine große Rolle . Welcher Hausarzt kennt nicht die Situation, in der ein erkälteter Patient in seine Praxis kommt und um ein Antibiotikum bittet . Ob es sich dabei um eine bakterielle oder virale Infektion handelt, ist häufig auf die Schnelle nicht festzustellen . Daher verordnen Ärzte Antibiotika auf Verdacht . Hinzu kommt die fehlende Compliance vieler Patienten; sie setzen den verordneten Wirkstoff vorzeitig ab, weil sie sich einfach besser fühlen . Liebe Kolleginnen und Kollegen, schauen Sie doch einmal zu Hause in Ihren Medikamentenschrank . Neben den Halspastillen und den halbleeren Hustensaftflaschen findet sich bestimmt auch ein Antibiotikum, dessen Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist . Einige Tabletten sind weg, aber eben nicht alle . Besonders gefährlich ist die Situation in den Krankenhäusern; denn hier liegen kranke Menschen dicht an dicht, sodass die multiresistenten Erreger schnell den Wirt wechseln können . Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene schätzt die jährliche Zahl an Krankenhausinfektionen auf rund 90 000 . Das bedeutet, dass sich jeder 20. bei uns stationär behandelte Patient infiziert . Eine kompromisslose Reinigung und Desinfektion können die Krankenhauskeime abtöten, doch viele Kliniken stehen unter enormem Druck . Deshalb können sie die Empfehlungen nicht immer einhalten . Als Politik haben wir aber reagiert und mit verschiedenen Gesetzen in den vergangenen Jahren versucht, den Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht einzudämmen und mehr Hygienebeauftragte in die Kliniken zu bringen . Außerdem hat das BMG neben der Aktualisierung der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie einen ZehnPunkte-Plan zur Bekämpfung multiresistenter Keime erarbeitet . Auch im Pharmadialog der Bundesregierung hat das Thema eine große Rolle gespielt . Im Abschlussdokument des Pharmadialogs wurde unter anderem festgehalten, dass das BMG die Regelungen zur Erstattung von diagnostischen Verfahren für einen zielgenauen Einsatz von Antibiotika verbessern soll . Zudem wurde eine Regelung auf den Weg gebracht, mit der die jeweils spezifische Resistenzsituation bei der Nutzenbewertung im AMNOG-Verfahren durch den G-BA besser berücksichtigt werden kann . Diese beiden Punkte haben wir in diesem Antrag, den wir heute vorgelegt haben, aufgegriffen . Ich hoffe, dass sie zum Ziel führen . Ein weiteres Problem ist aber auch das geringe Interesse der Pharmaindustrie an der Forschung in diesem Bereich; denn obwohl Antibiotika die häufigste Wirkstoffgruppe unter den verschriebenen Medikamenten sind, ist mit ihnen vergleichsweise wenig Geld zu verdienen . Mir ist bewusst, dass Arzneimittelforschung kostspielig ist, aber wir sind auf die Entwicklung neuer, potenter Antibiotika angewiesen . Gut 1 bis 1,5 Milliarden Euro muss ein Unternehmen in der Regel von der Entwicklung bis zur Marktreife investieren . Das ist ein Prozess, der mindestens zehn Jahre dauert . Doch anders als bei Medikamenten gegen chronische Leiden wie Diabetes und Bluthochdruck, die ein Leben lang eingenommen werden müssen, sind die Ertragsaussichten bei Antibiotika deutlich geringer, ({2}) insbesondere wenn es um die Entwicklung von Reserveantibiotika geht, die naturgemäß nur dann zum Einsatz kommen sollen, wenn Standardarzneien versagen . Ich appelliere daher an dieser Stelle an die soziale Verantwortung, der sich auch Pharmaunternehmen nicht entziehen dürfen . ({3}) Lassen Sie uns gemeinsam Antibiotikaresistenzen bekämpfen . Nur wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen, kann dieses Mammutprojekt gelingen . Herzlichen Dank . ({4})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Friedrich Ostendorff für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .

Friedrich Ostendorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003604, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst seit 2011 muss erfasst werden, wie viel Antibiotika an Tierärzte abgegeben wird . Minister Schmidt, es war nicht das ureigene Interesse und Bestreben Ihres Hauses, dass die Mengen erfasst und reduziert werden . Die Novelle zum AMG war keine freiwillige Verbesserung der Bundesregierung, ganz und gar nicht . Die Bedrohung durch multiresistente Keime aus den Viehställen war der Grund . Es war ein harter und zäher Kampf, dieses Monitoring gegen Ihre ewige Schönfärberei durchzusetzen . ({0}) Der Rückgang der Abgabemenge zeigt doch, dass unser grünes Drängen richtig war, wobei die Verlässlichkeit der Zahlen infrage steht; zu groß erscheinen die Unterschiede zwischen den einzelnen Daten, also den QS-Daten und den BVL-Daten . Hier gibt es noch viele Fragen zu klären . Liebe Kolleginnen und Kollegen, so viel Lob muss aber sein: Der nun vorliegende Antrag beinhaltet durchaus Positives . Es ist nämlich unbedingt erforderlich, dass der Antibiotikaeinsatz nicht nur in der Mast, sondern auch in der Aufzucht der Tiere und der Elterntierhaltung dokumentiert wird . Von der Geburt bis zum Tod muss dokumentiert werden, und die Dokumentation darf nicht irgendwann einsetzen . Bis Ferkel und Kälber abgesetzt sind, ist beim Antibiotikaeinsatz nämlich eine Menge passiert . Endlich wollen auch Sie gegen die ökonomischen Fehlanreize beim Verkauf von Antibiotika vorgehen und die Rabattgewährung - immerhin - überprüfen . Da hätten Sie doch aber auch einfach unserem grünen Antrag von 2014 folgen können . Diese Problematik ist doch schon seit langem bekannt . Da ist es aber wieder, das Abwarten des Ministers Schmidt: Abwarten, Verzögern, Aufschieben; macht ihr erst einmal; ich schaue es mir dann vielleicht einmal an . - Heute sagte der Minister in seiner unnachahmlichen Weise: Ich habe das Ziel, dass wir auf dem Weg sind . ({1}) Apropos Aufschieben: Wo bleibt eigentlich die Liste der Reserveantibiotika, die so lange angemahnte, die Gegenstand von Anwendungsbeschränkungen sein soll? Es wurden 2015 immer noch 14,2 Tonnen Reserveantibiotika abgegeben, 2,4 Tonnen Reserveantibiotika mehr als in 2011 . Also: Immer schön die Kirche im Dorf lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU, bevor Sie zu viel Lobhudelei betreiben . Herr Minister, nicht das, was Sie heute sagten - das Problem sollte auf eine höhere Stufe der Wahrnehmung gehoben werden -, ist entscheidend, sondern: Reserveantibiotika müssen aus den Tierställen heraus . Das hat meine Kollegin Ihnen doch eindeutig klargemacht . ({2}) Hören Sie doch auf den Fachverstand derjenigen, die es beurteilen können . Im vorliegenden Antrag fehlen uns mindestens drei Punkte . Erstens . Statt auf mehr Hygiene zu setzen, sollten Sie den Tieren einfach mehr Platz für ein artgerechtes Leben bieten . Das hat doch auch die Kollegin der Linken sehr klargemacht . ({3}) Sie sehen aber nach wie vor keine Notwendigkeit, die Haltungsvorschriften für Schweine zu ändern . Zweitens . Relevante Reserveantibiotika müssen klar erfasst und ihr Einsatz muss natürlich bis auf wenige gut begründete Ausnahmen im Stall verboten werden . ({4}) Da ist das Verbot der Umwidmung einmal mehr doch nur Schönfärberei . Übrigens, Herr Minister, da Sie sich so ausgebreitet über Antibiogramme ausließen: Nur bei der Umwidmung soll ein Antibiogramm erstellt werden und nicht grundsätzlich . Dass das bisher nicht so ist, ist nach wie vor stark zu kritisieren . Drittens . Die tierärztliche Bestandsbetreuung muss endlich verstärkt werden - darüber philosophieren wir nun schon seit zehn Jahren -, damit die Tierärzte mit ihrem Wissen ihren Lebensunterhalt verdienen können und nicht durch den Verkauf von Antibiotika im Familienpack . Dafür brauchen wir einheitliche Abgabepreise . Wir brauchen eine Aufhebung der Rabattgewährung . Eines sei zum Abschluss noch gesagt . Auch wenn es leider absolut Standard ist, 40 000 Hähnchen mit Antibiotika im Trinkwasser zu behandeln: Nur weil etwas gemacht wird, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, ist es noch lange nicht in Ordnung . ({5}) Prophylaxe ist und bleibt verboten . ({6})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächste Rednerin spricht Gitta Connemann für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Minister Schmidt und Gröhe! Multiresistente Keime als größte Gefahr der Menschheit - so warnen Wissenschaftler weltweit . Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Rängen, das ist kein Horrorszenario, sondern heute schon globale Realität . Menschen sterben an bakteriellen Infektionen, weil kein Antibiotikum mehr anschlägt . Die Blasenentzündung kann zum Todesurteil werden . Bakterien sind schlau . Sie passen sich an . Das wusste übrigens schon der Entdecker des Penicillins, Alexander Fleming . Er wies bereits 1945 auf die Gefahren des unkontrollierten Gebrauchs von Penicillin hin . Zu oft, zu kurz, bei falscher Diagnose - bei Mensch und Tier -, so entstehen multiresistente Keime . Ohne Zweifel - diese Erkenntnis eint uns in diesem Hause -: Antibiotikaresistenzen sind tickende Zeitbomben . Deutschland hat darauf reagiert . 2008 wurde die erste nationale Strategie gegen Antibiotikaresistenzen vorgelegt . Unsere Bundeskanzlerin brachte es auf die Agenda der G 7; denn Bakterien kennen keine Grenzen . Sie machen übrigens auch keinen Unterschied zwischen Mensch und Tier . Human- und Tiermedizin müssen deshalb gemeinsam Lösungen entwickeln . Dafür stehen heute persönlich und beispielhaft Bundesminister Schmidt und Bundesminister Gröhe . Sie wissen beide: Es geht nur gemeinsam . ({0}) Gegenseitige Schuldzuweisungen helfen niemandem . Dieses Wissen würde ich mir von so manchen Kollegen in diesem Hause wünschen, ({1}) die immer wieder nur mit dem Finger auf die Landwirtschaft und übrigens auch auf die Tierärzte zeigen . Da nenne ich beispielhaft den Kollegen Hofreiter; er ist heute leider nicht da . ({2}) Er verstieg sich vor kurzem zu der Aussage, dass - ich zitiere - viele Tiere „systematisch mit Antibiotika vollgepumpt werden“ . ({3}) Wenn der Kollege Hofreiter da wäre, könnte ich ihm sagen: Sie ignorieren dabei eines: die Fakten . Erstens . Die prophylaktische Behandlung mit Antibiotika ist seit 2006 in diesem Land verboten . ({4}) Zweitens . Der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung ist seit 2011 um 53 Prozent zurückgegangen . Um 53 Prozent! ({5}) Auch der Einsatz von Reserveantibiotika sinkt stetig . ({6}) Ihm sind diese Fakten egal . Damit stellt er übrigens den Berufsstand der Landwirte und den der Tierärzte in toto an den Pranger und verunsichert zu Unrecht die Verbraucher . ({7}) Das ist nicht unsere Art, Politik zu machen; denn wir wissen: Wir können die immensen Herausforderungen nur gemeinsam bewältigen . Da stehen wir alle in der Verantwortung: Ärzte, Tierärzte, Patienten übrigens auch, Wissenschaft, Bildung, Umwelt, aber auch die Politik . Deshalb legt Ihnen die Große Koalition heute einen bereichsübergreifenden Katalog mit 26 Punkten vor: für die Gesundheitspolitik, für die Agrarpolitik . Es ist das erste Mal, dass ein solcher Antrag übergreifend vorgelegt wird. Ich persönlich finde: Das ist auch eine Sternstunde in der Debattenkultur dieses Hauses . ({8}) Vorausgegangen ist ein Jahr härtester Arbeit: ein Kongress der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu diesem Thema, viele Gespräche zwischen Gesundheitsexperten und Tiermedizinern, in der SPD, in der CDU/CSU - und am Ende ein gemeinsamer Antrag . Dafür sage ich an dieser Stelle auch vielen Dank an Frau Keinhorst . Unsere zentrale Forderung lautet: Wir brauchen mehr Prävention und Hygiene bei Mensch und Tier, im Krankenhaus und im Stall . Das wird kosten - ohne Frage -, aber es sind Investitionen, die Leben retten, und da ist kein Euro zu viel . Information, Aufklärung, Impfungen, Hygiene- und andere Präventionsmaßnahmen sind das A und O . Nur so können Infektionen verhindert werden und damit überflüssige Behandlungen, übrigens auch bei Mensch und Tier . Für den Veterinärbereich - Herr Dr . Henke wird auf den Bereich der Humanmedizin eingehen - fordern wir deshalb - das ist eine Kernforderung; der Kollege Priesmeier hat es schon angesprochen - einen einheitlichen Rechtsrahmen für ein umfassendes Hygiene-, Gesundheits- und Haltungsmanagement . ({9}) Im Sommer habe ich Rinderbetriebe in Bayern besucht . Dort habe ich gesehen, wie effektiv ein gutes Stallmanagement und eine Topumgebung für jedes Tier sind . Es ist übrigens mit Platz allein nicht getan, lieber Friedrich Ostendorff . ({10}) Vielmehr geht es um Hygiene, um sehr gut ausgestattete Fressliegeboxen und um modernste Mischtechnik für individuelle Fütterung nach Bedarf . Ich habe dort auch gesehen, wie erfolgreich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Tierärzten und Landwirten ist . Allerdings müsste diese tierärztliche Arbeit dann auch entsprechend bezahlt werden. Das findet heute noch nicht statt. Hier liegt der wirkliche Schlüssel zur Antibiotikaminimierung . ({11}) Das ist übrigens auch die Antwort auf die Standardforderung nach starren Reduktionszielen . Ich sage zu diesen Zielen: Diese sind inhaltsleer und willkürlich . ({12}) Diese leiden darunter, dass sie keine Antwort auf das Wie geben können . Diese beschreiben nur ein Ob . Hier setzen wir an . Wir müssen uns an dieser Stelle natürlich darauf verlassen können, dass das Erfassungssystem, das wir im Rahmen der AMG-Novelle 2011 auf den Weg gebracht hatten, funktioniert . Lieber Friedrich Ostendorff, zur Wahrheit gehört dazu, dass wir nicht gezwungen worden sind . Wir haben diese Novelle 2011 aus eigener Kraft auf den Weg gebracht . ({13}) Eines sage ich deshalb an dieser Stelle auch: Wenn jemand keine Ahnung hat und so etwas sagt, ist das schlimm; aber wenn jemand Ahnung hat - du hast sie und so etwas sagt, dann grenzt das wirklich an Unwahrheit . ({14}) Wir müssen das Ganze sicherlich noch schärfen . Das heißt für uns: Auch der Nichteinsatz von Antibiotika muss zukünftig gemeldet werden, die jetzige Bewertung von Kombinationspräparaten muss überprüft werden, Mortalitätsraten müssen auch in die Erfassung einbezogen werden . Die stete Forderung, die wir auch in dieser Debatte wieder gehört haben, dass Reserveantibiotika aus den Tierställen verbannt werden müssen, ({15}) zeigt eindeutig, dass Sie eines nicht verstanden haben: Auch Tiere haben ein Recht auf Behandlung . Alles andere wäre Tierquälerei . ({16}) Deshalb muss der Einsatz möglich bleiben - natürlich nur in begründeten Fällen und nur nach Erstellung eines Antibiogramms . ({17}) Die Liste ließe sich fortführen, auch was das Dispensierrecht angeht . Es hat sich aus Sicht unserer Fraktion grundsätzlich bewährt . Aber wir wissen auch: Es gibt wirtschaftliche Fehlanreize . Diese Fehlanreize müssen abgeschafft werden . Wir fordern deshalb auch, dass seitens der Hersteller von antimikrobiell wirksamen Mitteln die Rabattgewährung überprüft und die Preisgestaltung überarbeitet wird . Vor uns liegt noch ein längerer Weg, aber wir haben schon große Erfolge erzielt . Wenn wir bereit sind, auch unbequeme Wahrheiten zu benennen, wie wir es heute tun,

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen .

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

- dann bin ich ganz sicher: Wir werden unser Ziel erreichen . Wir brauchen in Zukunft gemeinsam wirksame Antibiotika . Das muss unser Ziel sein, und dafür setzen wir uns ein - gemeinsam . Vielen Dank . ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächste Rednerin hat Dr . Karin Thissen für die SPD-Fraktion das Wort . ({0})

Dr. Karin Thissen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004621, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Unser gemeinsamer Antrag „Antibiotika-Resistenzen vermindern“ ist vor allem deswegen ein gemeinsamer Antrag, weil er von Agrarpolitikern und Gesundheitspolitikern beider Fraktionen ausformuliert wurde . ({0}) An dieser Stelle noch einmal ein herzliches Dankeschön an die Fachkolleginnen und -kollegen aus dem Gesundheitsausschuss . ({1}) Um Antibiotikaresistenzen zu vermindern - verhindern kann man sie nicht; aber man kann sie vermindern -, ist es erforderlich, Antibiotika so selten wie möglich einzusetzen, und zwar in der Human- und in der Veterinärmedizin . Deshalb freut es mich, dass wir uns auf die Einrichtung eines ständigen veterinär- und humanmedizinischen Fachgremiums als Schnittstelle einigen konnten, das regelmäßig die Resistenzlage bei Antibiotika evaluieren soll . Lieber Friedrich Ostendorff, du hast den Antrag gelesen, aber vielleicht nicht verstanden; denn genau da kann ja die Liste der Reserveantibiotika erarbeitet werden . ({2}) Die Zusammenarbeit zwischen Human- und Tiermedizinern kann allerdings nur erfolgreich werden, wenn jede Seite Verständnis für die jeweils andere Seite hat und jede Seite Verantwortung für den und im eigenen Berufsstand übernimmt . Will damit sagen: Ein jeder kehre vor seiner eigenen Haustür, statt mit dem Finger auf den jeweils anderen Berufsstand zu zeigen . ({3}) Auch Veterinäre sind in erster Linie für die Gesundheit der Menschen verantwortlich . Tierärzte sind verantwortlich dafür, dass unsere Tierbestände gesund bleiben . Denn nur gesunde Tiere liefern gesunde Lebensmittel, und gesunde Tiere übertragen keine Krankheiten auf Menschen . Deswegen ist es unsinnig, ein Verbot von Reserveantibiotika in der Veterinärmedizin zu fordern . Wir wissen jetzt noch nicht, an welchen Krankheiten Tierbestände in Zukunft leiden könnten, und es wäre ja geradezu unsinnig, zu sagen: Die Tiere müssen krank bleiben; wir warten darauf, dass die Infektion auf die Menschen überschwappt, und erst wenn die erkrankt sind, behandeln wir die Tiere . Wie sagte eine von den Grünen vorhin so schön: Hören Sie doch auf diejenigen, die Fachverstand haben und das beurteilen können! - Ich bin eine davon . ({4}) Allerdings ist es auch richtig, dass sich die Tierärzte bei der täglichen Arbeit viel zu oft im Spannungsfeld zwischen den Vorgaben der Landwirtschaft und den Ansprüchen der Gesellschaft an die Tierhaltung befinden. Wie sieht es zum Beispiel mit der vielbeschworenen Therapiefreiheit des Tierarztes - in der Realität, nicht auf dem Papier - aus? Wenn der Tierarzt im Stall tätig wird, dann wird er am Ende vom Landwirt bezahlt . Und wer bezahlt, bestimmt . Und wer bestimmt, bestimmt auch darüber, ob die immer wiederkehrenden Gesundheitsprobleme im Stall nachhaltig gelöst oder durch immer wiederkehrende Medikamentenverabreichung kaschiert werden . Was kann Politik tun, und wie können wir helfen? Ich sage es Ihnen: Die Rolle des Tierarztes muss gestärkt werden . ({5}) Die tierärztliche Funktion für die Gesellschaft kann der Tierarzt nur aus einer starken Position heraus wahrnehmen . ({6}) Dafür werden wir einen einheitlichen Rechtsrahmen schaffen, und dieser Antrag ist ein erster Schritt in diese Richtung . ({7}) Ich will an dieser Stelle auch nicht verheimlichen, dass es ein steiniger Weg mit den Kollegen der CDU/ CSU-Fraktion aus dem Agrarausschuss war . Mit den Kollegen der CDU/CSU-Fraktion aus dem Gesundheitsausschuss war die Zusammenarbeit deutlich einfacher . Dafür noch mal danke! ({8}) Zum Glück für diese Koalition verfügt die SPD-Fraktion über geballten tiermedizinischen Sachverstand, den Wilhelm Priesmeier und ich in den Antrag einfließen lassen konnten . Deswegen konnten wesentliche Kernanliegen der SPD berücksichtigt werden . ({9}) - Ja, aber Frau Dr . Flachsbarth ist ja nicht in der SPD . ({10}) - Ach so, sorry . Die Frau Dr . Flachsbarth hat aber nicht so viel - ({11}) - Es ist aber so . Karin Binder, ich will dir an zwei Beispielen zeigen, warum dieser Antrag eben doch für mehr Tiergesundheit sorgen wird . ({12}) - Nö . Aber ich verfüge über tierärztlichen Sachverstand, Sie nicht . ({13}) - Doch, das hat damit sehr viel zu tun . Erstens . Wir stehen für die Abschaffung ökonomischer Fehlanreize bei Tierarzneimitteln . Ganz besonders wollen wir die Rabatte, die die Pharmaunternehmen beim Verkauf von Antibiotika gewähren, abschaffen . Denn von dieser Rabattgewährung profitieren in erster Linie die Pharmaunternehmen, weil dadurch ihr Umsatz steigt. Die Tierärzte profitieren nicht davon; das wird zwar immer unterstellt, aber dem ist nicht so . Denn die Tierärzte waren und sind verpflichtet, diese Rabatte an die Landwirte weiterzugeben . Antibiotika zum Dumpingpreis schaffen falsche Anreize für die Landwirtinnen und Landwirte; denn das schnelle Medikament ist günstiger, als die vorbeugende Impfung oder die erforderlichen Hygienemaßnahmen zu veranlassen, damit die Tiere gar nicht erst erkranken . Und für die Gesellschaft rentiert sich dieses Rabattsystem erst recht nicht, weil es dazu führt, dass Antibiotika unnötigerweise eingesetzt werden müssen . Denn die Tiere erkranken, weil man vorher keine Prophylaxemaßnahmen ergriffen hat . Das Dispensierrecht darf der Tierarzt ruhig behalten . Dieses Recht der Tierärzte, quasi Arzt und Apotheker in einem zu sein, ist nämlich nicht das eigentliche Problem bei der Entstehung von Antibiotikaresistenzen . Die zweite sehr wichtige Maßnahme, die auch zu mehr Tiergesundheit führen wird, ist, dass wir die Rolle des Tierarztes stärken werden, indem wir eine bestandsgebundene tierärztliche Betreuung in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung auf nationaler Ebene zeitnah verbindlich vorgeben werden . Wir warten eben nicht ab, bis uns die EU das vorschreibt, sondern machen das selbst . Damit unterbinden wir das Ausspielen der Tierärzte gegeneinander und machen die Betreuung von Tierbeständen klarer und transparenter . Der bestandsbetreuende Tierarzt behält den Überblick über den Gesundheitszustand und die Behandlung der Tiere . Wir unterbinden damit auch, dass ein Tierbestand von zwei oder mehr Tierärzten behandelt wird, die voneinander nichts wissen; das ist zurzeit nämlich möglich . Die Probleme und Missstände in der Nutztierhaltung und die daraus resultierenden zu häufigen Antibiotikagaben sind unter Tierärzten ein offenes Geheimnis . Nichtsdestotrotz wird diese Tatsache von Ewiggestrigen in der Tierärzteschaft öffentlich gern negiert . Man zeigt mit dem Finger auf die Humanmedizin und propagiert für den eigenen Berufsstand eine Verflechtung mit der Landwirtschaft, die, zum Nachteil des Verbrauchers, in Kumpanei und Klüngelei mündet . Mit unserem Antrag „Antibiotika-Resistenzen vermindern“ fördern wir das Vertrauensverhältnis zwischen Landwirten und ihren Tierärzten, indem der Tierarzt seine Therapiefreiheit wiedererlangt und seine Rolle im Verbraucherschutz und im Tierschutz ausfüllen kann . Das kommt am Ende den Tieren zugute und der gesamten Gesellschaft . Ich danke fürs Zuhören . ({14})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als letzter Redner in dieser Aussprache hat Rudolf Henke für die CDU/CSU-Fraktion das Wort . ({0})

Rudolf Henke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich eine Gemeinsamkeit mit allen meinen Vorrednern herausstellen . Mein Dank gilt den Arbeitsgruppen für die gute und lehrreiche Kooperation . Ich schließe in meinen Dank besonders Lothar Riebsamen und Tino Sorge aus unserer Arbeitsgruppe „Gesundheit“, die kräftig mitgearbeitet haben, ein und auch meinen Büroleiter Herrn Böckler, der mir sehr viel geholfen hat . Lassen Sie mich auf eine kleine Differenz hinweisen: Ich bin kein Tierarzt, und deswegen kann ich nicht mit tiermedizinischer Kompetenz sprechen . Aber ich glaube, es gibt für die Tierheilkunde wie für die Humanheilkunde einen klaren Grundsatz für den Einsatz von Antibiotika . Er lautet: So oft wie notwendig, aber so selten wie irgend möglich . ({0}) Mit dieser Debatte haben wir die Chance, diese Botschaft nach draußen zu transportieren . Wenn ich mir im Bereich der Medizin eines wünschen dürfte, dann wäre es, dass wir mithilfe dieser Debatte der gesamten Bevölkerung klarmachen: Antibiotika helfen nicht gegen Viren! ({1}) Antibiotika helfen gegen Bakterien . Aber Viren und Bakterien sind etwas Unterschiedliches . Eine Grippe ohne Superinfektion, also ohne zusätzliche bakterielle Infektion, ist eine Viruskrankheit . So gerne man auch mit einem Antibiotikum nach Hause möchte: Wenn der Arzt sagt, das hilft nicht gegen Viren, dann ist das ein Grund, ihm stärker zu vertrauen und nicht etwa zu sagen: Der hilft mir nicht genug . ({2}) Viren sind keine Indikation für Antibiotika . Wenn es eine Zusatzinfektion mit Bakterien gibt, dann wird man natürlich Antibiotika einsetzen . Warum ist das so wichtig? Das ist so wichtig, weil Antibiotika zu den größten Errungenschaften der Medizin, zu unseren größten Schätzen überhaupt gehören . Seit der Entdeckung des Penicillins und seit seinem Einsatz als Medikament 1941 erstmals eingesetzt - ist es eines der wirksamsten Instrumente, und das droht uns verloren zu gehen . Das Weltwirtschaftsforum zählt Antibiotikaresistenzen zu den größten Risiken der Weltwirtschaft . Es wird eine Debatte darüber geführt, was uns die neue Entwicklung kostet . Wir haben in unserem Antrag zum Beispiel für den Bereich der Krankenhäuser - Minister Hermann Gröhe hat darauf hingewiesen - die Antibiotic-Stewardship-Programme in den Mittelpunkt gestellt . Man darf sich nun nicht vorstellen, dass diese Antibiotic-Stewardship-Programme keine Folgen in Bezug auf den Einsatz hätten . Es gibt ein paar Kernkomponenten in diesen Programmen, die für jedes einzelne Krankenhaus maßgeschneidert werden müssen . Kernkomponenten sind zum Beispiel die Etablierung eines multidisziplinären Teams für Antibiotic Stewardship, die Einrichtung der Funktion eines beauftragten Arztes oder eines infektiologischen Konsiliardienstes, die Fortbildung des Klinikpersonals, die Durchführung von Surveillance-Aktivitäten, spezifische Maßnahmen, zum Beispiel die Bereitstellung von lokalen Therapieleitlinien, die Erstellung einer hauseigenen Antiinfektiva-Liste, die Durchführung einer Verordnungsanalyse . Es reicht nicht alleine, mit Stolz und mit Recht festzustellen, dass wir in der Tierheilkunde seit 2011, seit es die neue gesetzliche Grundlage gibt, einen Rückgang der Antibiotikaverordnungen um 53 Prozent haben und dass wir die Antibiotikaverordnungen in der Humanmedizin abgesenkt haben; beispielsweise sind Antibiotika auf der Liste der verordnungsstärksten Arzneimittel von Platz zwei im Jahr 2013 auf Platz fünf im Jahr 2014 abgerutscht, übrigens auch unter Minderung der Verordnungen von Cephalosporinen und Fluorchinolonen, die als Reserveantibiotika betrachtet werden . Das sind Erfolge; aber sie alleine reichen nicht aus . Man muss sich klar sein, welches Risiko hier besteht . Die EU rechnet heute schon mit Kosten aufgrund von Antibiotikaresistenzen in der EU in Höhe von 1,5 Milliarden Euro pro Jahr . Die OECD - ich schenke den Zahlen der OECD ja nicht immer Glauben, aber in diesem Fall sind sie sehr beeindruckend, selbst wenn es am Ende 30 Prozent Abweichung gäbe - rechnet bis 2050 mit Kosten in Höhe von 2,9 Billionen US-Dollar, wenn nicht gegengesteuert wird, und das nur in den OECD-Staaten . Das sind die Staaten mit den kleineren Problemen . Überall sonst in der Welt - in Staaten, in denen es zum Teil einen völlig freien Zugang zu Antibiotika gibt und dafür gar keine Rezepte ausgestellt werden, weil man einfach in einen Laden gehen und sich Antibiotika kaufen kann - sind die Probleme noch größer . Insofern glaube ich: Ja, man braucht in der Tat auch zusätzliches Personal . Und ja, ich glaube, dass die hohe Arbeitsdichte das größte Risiko im Hinblick auf nosokomiale Infektionen im Krankenhaus darstellt . Aber gemessen an den Kosten von 2,9 Billionen US-Dollar, die dort drohen, ist doch jeder Euro, den wir da reinstecken, gut investiertes Geld . Ich glaube, das ist in der Debatte, in der Diskussion ein ganz wichtiger Punkt . ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte gerne damit schließen, dass ich noch einmal sage, welche Punkte von ganz besonders hoher Bedeutung sind: Wir müssen die Wirksamkeit der vorhandenen Antibiotika erhalten . Wir müssen Infektionen durch Prävention, durch Einhaltung allgemeiner Hygienestandards, auch durch Steigerung der Impfquoten entgegentreten . Wir müssen grundsätzlich für das Thema der Resistenzen sensibilisieren . Wir brauchen bessere Informationen für die Ärzte und Tierärzte, aber vor allem auch für die Bevölkerung und die Patienten darüber, was es mit Antibiotika, ihrem Einsatz in der Therapie und ihrer Wirksamkeit auf sich hat . Wir brauchen auch eine bessere Ausgestaltung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, ({4}) der helfen kann und vor Ort handlungsfähig sein muss; er braucht auch von den Landesregierungen Unterstützung, damit er weiß, was er in konkreten Situationen tun soll . Und wir brauchen ein besseres betriebliches Gesundheits- und Hygienemanagement . Ich sage jetzt mal als Arzt: Auch in der Nutztierhaltung brauchen wir das; wir brauchen den Einsatz schneller diagnostischer Tests mit hoher Spezifität und Sensitivität. ({5}) Ich schließe damit, dass ich sage: Ja, Antibiotikaeinsatz ist gut, aber nur, wenn er so oft wie notwendig und so selten wie möglich passiert . Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit . ({6})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit schließe ich die Aussprache . Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/9789 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung so beschlossen . Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Wirksamkeit von Antibiotika erhalten - Einsatz in der Tierhaltung auf vernünftiges Maß reduzieren“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/4704, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/3152 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen worden . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Missstände und Stillstand beim Tierschutz beenden - Gesellschaftlichen Konsens umsetzen Drucksache 18/9798 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . Gibt es dazu Widerspruch? - Das ist nicht der Fall . Dann ist das so beschlossen . Ich eröffne die Aussprache . Als erste Rednerin hat Nicole Maisch für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .

Nicole Maisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003884, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In dieser Woche diskutieren wir jetzt zum wiederholten Male über das Thema Tierschutz . Lassen Sie mich zu den scheußlichen Bildern aus den Ställen hochrangiger Agrarlobbyisten und -funktionäre, die wir in den vergangenen Tagen im Fernsehen sehen mussten, nur eines sagen: Ich finde es ganz erstaunlich, dass die Union nicht diese Tierschutzverstöße für den Skandal hält, sondern dass die Presse darüber berichtet . ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, schlechte Nachrichten werden nicht dadurch besser, dass man den Überbringer verdrischt . Es müsste jetzt darum gehen, politische Konsequenzen zu ziehen, aus der Wagenburg herauszukommen und mehr Tierschutz in diesem Land durchzusetzen . ({1}) Wenn es stimmt, was Herr Priesmeier gesagt hat, nämlich dass Sie noch nicht am Ende sind, dann müssen Sie jetzt die Konsequenz ziehen . Dann müssen Sie 91 Prozent der Deutschen folgen und klare und bessere Regeln für mehr Tierschutz in diesem Land durchsetzen . Es ist ja nicht so, dass es keinen parteiübergreifenden Konsens dazu gibt . Die Bundesländer, der Bundesrat, die VSMK und die Agrarministerkonferenz haben in den verschiedenen Farbzusammensetzungen, die sich dort finden, eine ganze Reihe von Tierschutzinitiativen im Konsens beschlossen: Vom schwarz-grünen Hessen bis zum rot-roten Brandenburg fordert man ein Verbot von Wildtieren im Zirkus; man fordert, dass Nerze nicht mehr in Pelztierfarmen gequält werden; man fordert, dass es endlich wirksam verboten wird, trächtige Tiere zu schlachten; man fordert ein Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung von Kühen . Gitta Connemann hat gesagt, sie sei in einem wunderbaren bayerischen Kuhstall gewesen . Wenn es für die Milchkühe überall wunderbar sein soll, dann nehmen Sie diese Tiere doch in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung auf . Lange Rede, kurzer Sinn: Die Bundesländer haben Ihnen den Ball vor das Tor gelegt, Sie müssen ihn nur noch reinmachen . Ich finde, hier ist der Minister in der Verantwortung. ({2}) Schon 2011 hat der Bundesrat in all seiner Vielfalt gefordert, die Tierheime zu entlasten und die unsägliche rechtliche Unterscheidung zwischen herrenlosen Tieren und Fundtieren, die dazu führt, dass die Tierheime in den Kommunen chronisch unterfinanziert sind, endlich aufzuheben . Das können nicht die Kommunen machen, das können auch nicht die Länder machen; hier ist der Bund gefordert. Deshalb finde ich, dass der Minister nicht nur einen runden Tisch zum Thema Tierheime veranstalten sollte, sondern er sollte auch das Recht so ausgestalten, dass die Tierheime das bekommen, was sie wirklich brauchen . ({3})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Kollegin Maisch, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Röring zu?

Nicole Maisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003884, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja .

Johannes Röring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Maisch, Sie haben die Rolle der Presse in Bezug auf den Tierschutz angesprochen . Meine Frage lautet: Wie beurteilen Sie die Rolle der Presse, die sich in diesem Fall mehrmals auf Bilder und Berichte von Menschen, die in Ställe eingebrochen sind, gestützt hat? Die Presse hat die Fotos, die nächtlich illegal in den Ställen gemacht wurden, in die Öffentlichkeit getragen . Wie beurteilen Sie die Rolle der Presse und des öffentlich-rechtlichen Fernsehens? Man stützt sich auf Menschen, die Eigentum verletzen, ({0}) in Ställe einbrechen, Türen aufbrechen und ganze Familien in Gefahr bringen, sodass einige ihr Eigentum nachts nicht mehr betreten wollen, weil sie schlicht Angst haben . Ist das Ihr Verständnis von Presse?

Nicole Maisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003884, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Mein Verständnis von Presse: Erst einmal ist es eine freie Presse . Auch wenn Bilder in die Öffentlichkeit kommen, die Ihnen und der Union nicht gefallen: Es muss darüber berichtet werden . ({0}) Wenn es zu Hausfriedensbruch gekommen ist, dann werden die Gerichte darüber entscheiden . Das ist die Aufgabe der Gerichte in diesem Land . ({1}) Herr Stier hat am Mittwoch ausgiebig Gerichts bashing betrieben . ({2}) Ich finde, wir müssen die Gewaltenteilung beachten. Da ist es ganz klar: Die Presse berichtet, und Gerichte entscheiden darüber, ob es zu Rechtsübertretungen gekommen ist . ({3}) Meine Damen und Herren, die Legislaturperiode neigt sich ja jetzt dem Ende zu . Ich weiß, dass man von großen Koalitionen oft keine großen Lösungen erwarten kann . Aber das, was ich Ihnen vorgetragen habe, liegt so klar auf der Hand - dass man keine trächtigen Tiere schlachtet, dass man Nerze nicht in Farmen quält, dass man etwas für die Tierheime tun muss, die von herrenlosen Katzen und Hunden überquellen -, dass Sie zumindest diese kleinen Punkte, auf die sich der Bundesrat schon lange geeinigt hat, in die Tat umsetzen müssen . Einiges davon hat der Minister auch schon in der Öffentlichkeit versprochen; er hat es an die Medien gespielt . Da müssen Sie jetzt aufhören, ihn auszubremsen, und Sie müssen endlich für verlässlich mehr Tierschutz in diesem Land sorgen . ({4})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Dieter Stier für die CDU/CSU-Fraktion das Wort . ({0})

Dieter Stier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004168, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Besuchertribüne! Wir beraten heute über einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Missstände und Stillstand beim Tierschutz beenden - Gesellschaftlichen Konsens umsetzen“ . Mit Verlaub, liebe Frau Maisch, er gehört auch wieder zu den Anträgen jener Art, die wir hier im Plenum schon oft erleben durften, ohne dass er eine breite und überzeugte Anhängerschaft gefunden hätte . ({0}) Auf die Frage: „Was steht denn drin?“ reicht eine kurze Antwort: ({1}) Es sind stetig wiederkehrende, alte Forderungen aus den zurückliegenden Legislaturperioden, diesmal in einer anderen Reihenfolge zusammengeschrieben, viele Verbote, Kritik an der Regierungskoalition - das steht der Opposition zu -, und dies alles, so meine ich, losgelöst von den Erfolgen unserer aktuellen Tierwohlpolitik .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Kollege Stier, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Maisch zu?

Dieter Stier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004168, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber selbstverständlich . - Ich habe ja noch gar nicht alles gesagt, was ich sagen wollte, aber wenn Frau Maisch jetzt schon Fragen hat, will ich sie gerne beantworten .

Nicole Maisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003884, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Stier, vielen Dank, dass Sie meine Frage zulassen . - Sie sagen: Das sind alles Punkte, bei denen man keine Einigkeit erreichen kann . - Deshalb möchte ich Sie fragen, ob Sie dafür sind, dass man Nerze in Pelztierfarmen hält, und ob Sie dafür sind, dass man Kühe ganzjährig in der Anbindehaltung hält, und ob Sie dagegen sind, dass man überprüft, ob es okay ist, Sauen in Kastenständen zu halten, und ob Sie dagegen sind, dass man die Betäubungsmethoden bei der Schweineschlachtung verbessert, ob das alles Punkte sind, bei denen Sie glauben, dass wir nicht zusammenkommen .

Dieter Stier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004168, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Liebe Frau Kollegin Maisch, wenn Sie mich noch ein wenig länger ausführen lassen, werde ich auf einiges von dem, was Sie gerade konkret gefragt haben, eingehen und Ihnen dazu sicherlich etwas sagen . Ich sage Ihnen jetzt aber auch eines: Wenn Sie nur Fragen beantwortet haben wollen, die mit „Sind Sie dafür?“ oder mit „Sind Sie dagegen?“ beginnen, dann werden wir beide nie einig . Wir sind für Lösungen; das ist meine Antwort an Sie . ({0}) Um es auch klar zu sagen und weiter auszuführen: Es sind für mich immer wieder aufgewärmte Forderungen von gestern, die wir zum Beispiel mit dem Start unserer Tierwohlinitiative längst hinter uns gelassen haben . Unser Tierschutzansatz blickt hingegen schon seit langem nach vorn . Das heißt auch: Praxisnahe Lösungen bestimmen bereits seit langem die Agenda . Zu mehr Tierwohl kann man selbstverständlich auf unterschiedlichen Pfaden gelangen . Fatal ist nur, wenn man aneinander vorbeiläuft . Sie laufen mit der von Ihnen immer wieder herausgeholten Verbotskeule in die Vergangenheit; wir hingegen, meine Damen und Herren, laufen mit den Bauern und den Landwirtschaftsbetrieben in die Zukunft dieses Landes . ({1}) Es wird Sie deshalb auch kaum verwundern: Ich teile Ihren im Antrag beschriebenen Dauerpessimismus auch heute wieder nicht; denn mein Blick auf unsere Zwischenbilanz ist positiv, und er richtet sich auch nach vorn . Seit Beginn dieser Legislaturperiode arbeiten wir beständig, überlegt und auch planvoll die Festlegungen aus dem Koalitionsvertrag ab . Das machen wir Stück für Stück; das machen wir völlig unaufgeregt, Frau Maisch, und das machen wir vor allem auch systematisch . So geht es Ziel für Ziel voran . Ich kann verstehen, dass diese Arbeitsweise nicht jedem gefällt; aber sie ist, so glaube ich, von Vernunft geprägt . Gesetzentwürfe mit realitätsfernen Inhalten zu konstruieren, nur um den schnellen Applaus von rabiaten Aktivisten zu erhaschen, damit ist seriösem Tierschutz nicht gedient . ({2}) Seriöser Tierschutz, wie ich ihn verstehe, verbindet das Wohlergehen der Tiere mit praktikablen Lösungen für die Tierhalter . Den Fortschrittsrahmen bildet die Tierwohlinitiative von Bundesminister Christian Schmidt . Lieber Herr Minister, wir werden daran auch weiter gemeinsam arbeiten . Einiges ist erreicht . Ich verweise auf die laufenden Haushaltsberatungen . Beträchtliche Mittel - das dürfte Ihnen nicht entgangen sein - sind für die Verbesserung des Tierwohls von der Koalition für die auch Ihnen bekannten Maßnahmen auf den Weg gebracht worden . Ich will die Beispiele noch einmal nennen . Forschungsförderung: Ich erinnere an die Entwicklung des Verfahrens zur Geschlechterbestimmung im Ei . Ich erinnere an die Unterstützung von Modell- und Demonstrationsvorhaben bei der Erprobung von Maßnahmen zum künftigen Verzicht auf nicht kurative Eingriffe . Ich erinnere Sie auch an die Verbesserung bei der privaten Tierhaltung . Eine Studie zur Haltung exotischer Tiere und Wildtiere in Privathand ist in Auftrag . Wir haben am 7 . Juli - zu nächtlicher Stunde und ohne Debatte - einen Antrag zum Wildtierschutz im Plenum verabschiedet . Ich erinnere an den Aufbau des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren beim Bundesinstitut für Risikobewertung . Über die Fortschritte bei der Reduzierung des Antibiotikaverbrauchs haben wir gerade diskutiert . Bitte nehmen Sie das doch einfach einmal zur Kenntnis . Weitere gesteckte Ziele werden in Angriff genommen . Wir sind zum Beispiel im Gespräch, wie wir bei Qualzuchten Verbesserungen erreichen können . Doch die Notwendigkeit von Regelungsbedarf bedeutet nicht immer automatisch, Verbote auszusprechen oder Gesetzesänderungen vorzunehmen . Ich sehe bei der Verbesserung des Vollzugs weiterhin große Möglichkeiten . Hier können sich auch die Bundesländer nicht entziehen . Bei diesem Thema ist auch einiges über Verordnungen möglich . Hier muss die geeignetste Lösung ausgelotet werden; denn eine kurzsichtige Politik können wir uns heutzutage nicht mehr leisten . Manchmal - da stimme ich Ihnen allerdings zu - werden wir auch mit Ordnungsrecht agieren . Das ist immer dann der Fall, wenn gewichtige Gründe dafür sprechen . Ich denke hier an eine viel diskutierte Problematik, nämlich die Schlachtung trächtiger Rinder . Für mich steht fest, dass wir das weitestgehend unterbinden wollen . Auch hier arbeiten wir an einer Lösung . ({3}) Wir blicken beim Tierschutz auch über unsere Landesgrenzen hinaus. Ende Oktober findet die Jahrestagung der Internationalen Walfangkommission statt . Hier muss nicht nur der Erhalt, sondern auch eine Stärkung des Moratoriums erreicht werden . Auch hier werden wir uns einmischen und mit einem Antrag klarmachen, dass das Töten von Walen vollkommen inakzeptabel ist . Im Tierschutz setzen wir auf Geradlinigkeit . ({4}) Wir verbreiten keine falschen Illusionen . Das unterscheidet uns von der Opposition . Ja, wir machen eine Tierschutzpolitik, die den Tierhalter in diesem Land nicht außen vor lässt . Einige Ihrer Forderungen lehnen wir aber auch weiterhin grundsätzlich ab . Ich denke da zum Beispiel an die von Ihnen abermals geforderte Ausdehnung von Verbandsklagerechten . Ich meine, sie sind für mehr Tierwohl nicht zielführend . Schon die bestehenden behindern nachhaltig eine positive Entwicklung . ({5}) Jeder Stallneubau bedeutet mehr Tierwohl . Gerade deshalb ist er zügig zu genehmigen und nicht durch weitere Möglichkeiten des Ausbremsens durch Nichtbetroffene zu erschweren . ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, in Ihrem Autorenpapier „Pakt für faire Tierhaltung“ haben Sie selbst eingeräumt, dass mehr Tierwohl nicht mit der Brechstange zu erreichen ist . Was hier heute vorliegt, ist das Gegenteil dieser Erkenntnis . Wenn ich lese, dass Sie - das hat jetzt mit diesem Thema nichts zu tun - nun auch das Verbot von Verbrennungsmotoren fordern, dann kann ich nur feststellen: Sie haben aus Ihrem Vorschlag zum Veggieday nichts gelernt . Sie bleiben die Verbotspartei . Wir hingegen verbessern das Tierwohl mit den Betroffenen . Ich kann Sie nur herzlich bitten, uns dabei zu unterstützen . Ich wünsche Ihnen schon heute einen besinnlichen Tag der Deutschen Einheit, an dem Sie in dieser Republik einmal dankbar sein sollten . Vielen Dank . ({7})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächste Rednerin hat Birgit Menz von der Fraktion Die Linke das Wort . ({0})

Birgit Menz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004619, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Als ich letzten Freitag las, dass heute der Tagesordnungspunkt Tierschutz aufgesetzt ist, hatte ich kurz die Illusion, dass dieser Punkt von der Koalition kommt, damit sie in dieser Legislaturperiode doch noch etwas für den Tierschutz tun kann . Dem ist leider nicht so . Und doch hoffe und wünsche ich, dass der Antrag, der heute eingebracht wurde, nach den Beratungen in den Ausschüssen nicht nur von der Opposition verabschiedet wird . Auch wenn der Tierschutz seit 2002 als Staatsziel im Grundgesetz verankert ist, sieht es in Deutschland diesbezüglich schlecht aus . Selbst die Ziele, die sich die Große Koalition in den Koalitionsvertrag geschrieben hat, wurden kaum angegangen, geschweige denn umgesetzt . Ich zitiere: Wir verbessern den Wildtierschutz und gehen gegen Wilderei sowie den illegalen Wildtierhandel und deren Produkte vor; Handel mit und private Haltung von exotischen und Wildtieren wird bundeseinheitlich geregelt . Importe von Wildfängen in die EU sollen grundsätzlich verboten und gewerbliche Tierbörsen für exotische Tiere untersagt werden . Die derzeitige Tierschutzpolitik vernachlässigt den Tierschutz und ist vielmehr am wirtschaftlichen Mehrwert der Tiere interessiert . Deutlich wird dies nicht nur in der Landwirtschaft - darüber haben wir am Mittwoch gesprochen -, sondern auch im Heimtierbereich . Auf gewerblichen Tierbörsen floriert das Geschäft insbesondere mit exotischen Tierarten . In Deutschland werden jährlich unzählige Tiere auf diesen Börsen angeboten . Oftmals werden sie in engen Behältern zur Schau gestellt und sind unterschiedlichsten Stressfaktoren ausgesetzt . Heutzutage gilt es als angesagt, im Privaten exotische Tiere zu halten . Viele Tierhalterinnen und Tierhalter unterschätzen jedoch die privat schwer zu erfüllenden, extrem hohen Ansprüche an die Haltung der Tiere und sind aufgrund fehlender Fachkunde folglich überfordert . Bei vielen auf Tierbörsen angebotenen Exoten handelt es sich zumeist nicht um Zuchttiere, sondern um sogenannte Wildfänge . Somit bedroht der Fang von Wildtieren für den Heimtiermarkt auch das Überleben von Wildbeständen in den Herkunftsländern, und ferner geht das einher mit hoher Sterblichkeit bei Fang, Transport und in Gefangenschaft . Wir fordern daher schon lange ein Verbot des Handels mit Wildfängen und die Einführung einer Positivliste für Arten, die in Privathaushalten tiergerecht gehalten werden können . ({0}) Auch die Haltung von Wildtieren in Zirkussen und von exotischen Tieren in Privathaushalten muss strenger reguliert bzw . verboten werden; denn in beiden Fällen können artgerechte Haltungsbedingungen kaum geschaffen werden . Weder Transportwaggons noch Wohnzimmer sind Freilaufgehege . Gleiches gilt für die Haltung von Tieren zur Produktion von zum Beispiel Pelzen . Es darf nicht sein, dass Tiere allein zur Herstellung von Luxusgütern gehalten und getötet werden . ({1}) Die Linke fordert ebenso die Einführung des Verbandsklagerechts für anerkannte Tierschutzvereine auf Bundesebene . Tiere sollen besser vor Gesetzesverstößen geschützt werden . Wenn sich Behörden und Betriebe über das Tierschutzrecht hinwegsetzen, müssen anerkannte Tierschutzverbände die Möglichkeit haben, stellvertretend für die Tiere zu reden und zu klagen . Eine der Folgen des bisher unzureichenden staatlichen Tierschutzes ist die Ursache dafür, dass die Tierheime, die einen großen Teil der gesellschaftlichen Aufgaben für den Tierschutz erfüllen, in eine sehr schwierige Lage geraten sind . Immer mehr Tiere und Tierarten werden abgegeben, und auch die Verweildauer steigt . Es wird eng in den Tierheimen, und die Kosten für Futter und veterinärmedizinische Leistungen steigen . Für exotische Tiere müssen extra Auffangstationen eingerichtet werden . Wir sehen hier Bund, Länder und Kommunen gemeinsam in der Pflicht, Finanzmittel für notwendige Investitionen bereitzustellen, Wege zu ebnen, damit die außerordentlich wichtige Arbeit der Tierheime ausreichend gewürdigt und eine gute Versorgung der Tiere auch zukünftig gewährleistet werden kann, zum Beispiel durch die Aufhebung der Unterscheidung zwischen Fundtieren und herrenlosen Tieren; denn nur so können die laufenden Kosten in Zukunft gedeckt werden . Ein wirksamer Tierschutz kann nur gelingen, wenn die Bedürfnisse der Tiere in jedem Fall höher bewertet werden als ihr wirtschaftlicher Nutzen . Tiere sind und bleiben Lebewesen und keine Sachen . Danke . ({2})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächste Rednerin spricht Christina Jantz-Herrmann für die SPD-Fraktion . ({0})

Christina Jantz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004313, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Mehr sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sage es geradeheraus, liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen: In vielen Punkten kann ich Ihren Antrag deutlich unterstützen . In ihm wird ausführlich aus unserem Koalitionsvertrag zitiert, und in vielen Punkten wurden darin SPD-Positionen niedergeschrieben . Der Antrag enthält ein buntes Potpourri von Forderungen zu verschiedenen Tierschutzthemen . Genau das ist leider auch sein Manko, weil der Antrag den Eindruck vermittelt, dass man mit ihm die ganze Welt retten könnte . Unser Koalitionspartner hingegen meint, dass wir schon die besten Tierschutzregeln der Welt haben, und er sieht auch keinen weiteren Gestaltungsanspruch . In der Regierungskoalition - das ist sicherlich kein Geheimnis - ist die SPD die treibende Kraft in Sachen Tierschutz . ({0}) Immer wieder aufs Neue leisten wir - auch gerne - Überzeugungsarbeit . Teilweise ist das natürlich ein mühseliger Prozess, wie Sie mir glauben können . So stemmen wir uns gerade aktuell gegen die Aufhebung des Verbotes, Fett an Wiederkäuer zu verfüttern . Tiere, die selbst niemals tierische Fette essen würden, sollen mit tierischen Fetten gefüttert werden, nur damit sie schneller und besser gemästet werden können . Ich finde das nicht nur unethisch, sondern gar widerwärtig. ({1}) Auch ziehen - das klang in dieser Woche leider auch schon an - Minister Schmidt und seine Fraktionskollegen nicht immer an einem Strang . Wenn der Minister die Initiative ergreift, lässt ihn seine eigene Fraktion leider manchmal hängen . Genau das - dieses Beispiel klang heute auch schon an - ist bei den Pelztieren und auch beim Verbot des Tötens trächtiger Tiere der Fall . Einige Stellen des Koalitionsvertrages zum Tierschutz werden sicher nur behäbig im Ministerium umgesetzt . Lassen Sie mich hier ein Beispiel nennen: Wir haben im Koalitionsvertrag niedergeschrieben, dass wir die Sachkunde fördern möchten . Der Minister hat Anfang des Jahres angekündigt, dass sein Ministerium genau das, einen Sachkundenachweis, prüfe . Bisher liegt uns leider noch kein Ergebnis vor . Von Stillstand beim Tierschutz zu sprechen, ist trotzdem deplatziert: Der runde Tisch zur Lage der Tierheime hat in dieser Woche erstmals getagt . Damit ist es dem Minister gelungen, das erste Mal seit Jahren wieder alle Ebenen an einen Tisch zu holen: Bund, Länder und Kommunen . Ihnen allen obliegt die Aufgabe, die Lage der Tierheime zu verbessern. Aktuell befindet sich die Prüfund Zulassungsverordnung für Tierhaltungssysteme im Verfahren . Zudem prangern Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, im Antrag an - auch Frau Menz hat das vorhin gesagt -, dass beim Wildtierschutz nichts getan wurde . Auch das ist falsch; denn wir haben vor der Sommerpause einen umfassenden Antrag zum Wildtierschutz verabschiedet . Sicherlich mussten hier Abstriche gemacht werden, aber Sie wissen: Kompromisse gehören zum Leben, und Kompromisse gehören auch zum Regieren . ({2}) Am Beispiel der Wildtiere lässt sich übrigens ein grundsätzliches Problem der Tierschutzpolitik aufzeigen: Bei den Beratungen mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass sich gerade das von Ihnen angesprochene Verbot der gewerblichen Tierbörsen, Frau Menz, voraussichtlich nicht verfassungsgemäß umsetzen ließe . Von daher haben wir in unserem Antrag auch einen Prüfauftrag an die Bundesregierung formuliert, der genau dieses Verbot zum Ziel haben soll . Leider ignorieren Sie, die Grünen, genau diese verfassungsrechtlichen Bedenken auch in Ihrem aktuellen Antrag . Glauben Sie mir: Ich wäre natürlich sofort für ein solches Verbot, aber es muss vor Gericht Bestand haben . In dem Wildtier-Antrag wurde ein weiteres wichtiges Thema ausgeklammert, nämlich das Verbot von Wildtieren im Zirkus . In unserer Fraktion ist die Haltung klar . Hier blockiert leider immer noch die Union, obwohl jedem, der mit Herz und Verstand bei der Sache ist, eigentlich klar sein müsste, dass Wildtiere nicht artgerecht in einem Zirkus gehalten werden können . Meine Damen und Herren, lassen Sie mich die unterschiedlichen Positionen im Tierschutz auf den Punkt bringen: Wir erleben auf der einen Seite eine schwarze Ideologie, die eher blockiert und sich damit auch Verbesserungen in den Weg stellt, und wir erleben auf der anderen Seite eine grüne Ideologie, die häufig leider über das Ziel hinausschießt . ({3}) Das sind zwei Haltungen, die sich absolut konträr gegenüberstehen und der Situation in Deutschland nicht gerecht werden . Liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, versuchen Sie doch einmal, auf die konventionelle Landwirtschaft zuzugehen und sie mitzunehmen, anstatt ihr immer nur frontal zu begegnen, und liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, stellen Sie sich doch bitte endlich den Herausforderungen, und öffnen Sie sich für eine zukunftsfähige Landwirtschaft . Die SPD steht für eine Tierschutzpolitik mit dem Willen zur Verbesserung, aber auch für eine Politik mit Augenmaß . Wir stehen für Transparenz, und deswegen ist uns auch ein mehrstufiges staatliches Tierschutzlabel wichtig . Es wäre ein Instrument für die Landwirte, deren Tiere gut gehalten werden, um diese guten Haltungsbedingungen zu dokumentieren . Es wäre das Instrument für die Verbraucher, die auf dieser Grundlage ihre Kaufentscheidung verlässlich treffen können, sodass sie sich nicht nur am Preis orientieren . ({4}) Genau dieses Label hat Minister Schmidt nun endlich angekündigt . Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wir begrüßen das ausdrücklich . Aber erlauben Sie mir an dieser Stelle eine kleine Spitze: Wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben, dass dieser Ankündigung auch Taten folgen . ({5}) Viele Debatten in der Vergangenheit haben gezeigt, dass wir zudem eine Novellierung des Tierschutzgesetzes benötigen . Auch hier hoffe ich weiter auf den Erkenntnisgewinn und den Mut meiner Unionskollegen und seitens des Ministers . Einen Punkt möchte ich in diesem Zusammenhang nennen: die Qualzucht . Meine Damen und Herren, Sie alle kennen sicherlich die kleinen Hunde, die Möpse, deren Nasen entweder so weit zurückgezüchtet sind, dass sie kaum noch Luft bekommen, oder deren Augen schon aus den Augenhöhlen hervortreten . Das ist ein Punkt, an dem wir dringend etwas tun müssen . Hier bin ich einigermaßen optimistisch, dass wir gemeinsam auch mit unserem Koalitionspartner einen guten Schritt weiterkommen . Liebe Unionskollegen, bitte enttäuschen Sie mich an dieser Stelle nicht . Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit . ({6})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Waldemar Westermayer für die CDU/CSU-Fraktion das Wort . ({0})

Waldemar Westermayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004611, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute auf Antrag der Grünen den Tierschutz in Deutschland . Das ist - so weit sind wir uns wohl alle einig - ein wichtiges Thema . Keiner will leidende Tiere in Deutschland und in Europa. Ich bezweifle allerdings, ob Ihr Antrag tatsächlich einen Beitrag dazu leistet, das Tierwohl und die Tiergesundheit in Deutschland zu verbessern . Sie fordern zum Beispiel ein Verbandsklagerecht für Tierschutzorganisationen . Davon geht es leider keinem einzigen Tier besser . ({0}) Dadurch wird nur mehr Bürokratie geschaffen . Die Landratsämter haben bereits alle Hebel in der Hand, um Fehlentwicklungen im Tierschutz zu verhindern . Als Landwirtschaftsmeister habe ich in der Ausbildung Sachkunde erlernt . Ich habe 40 Jahre selbst Rinder im Allgäu gehalten . Ich weiß also, wovon ich rede . Für mich war dabei immer wichtig, dass es den Tieren gut geht und dass sie gesund sind . Meiner Erfahrung nach hängt der nachhaltige Erfolg eines Betriebs nämlich entscheidend davon ab, dass das Wohl des Tieres gewährleistet ist . ({1}) Das Thema Tierwohl ist dabei hochkomplex . Deswegen bin ich dagegen, die Anbindehaltung bei Rindern pauschal zu verteufeln . Anbindehaltung mit Weide und/ oder Laufhof kann eine gute Alternative zu Laufställen sein . Bei mir im Stall hatte jedes Rind seinen Platz oder war auf der Weide . ({2}) - Ich habe das schon gelesen . - Das gefährdet aus meiner Sicht nicht das Tierwohl . Vielmehr sind die Rinder froh, ihren eigenen Bereich zu haben und vor dominanten Tieren geschützt zu sein . Sie müssen auch nicht enthornt werden: Alle meine Tiere haben noch ihre Hörner . ({3}) Beim Thema Kennzeichnung hingegen bin auch ich der Auffassung, dass sie durchaus Sinn machen kann . Mit den QS- und QM-Standards haben wir bereits gute Erfahrungen gemacht . Klar ist dann aber auch, dass die Kennzeichnungspflicht nicht nur Produkte aus Deutschland erfassen darf, sondern auch importierte Fleisch- und Milchprodukte erfassen muss . Ich denke darüber hinaus, dass wir langfristig ein Umdenken in der Tierzucht sehen müssen: weg von kurzfristigen Leistungssteigerungen in der Zucht, hin zu einer konstanten und insgesamt längeren Lebensleistung der Tiere . ({4}) Sie beklagen schließlich einen angeblichen Stillstand im Bereich Tierschutz . Das ist schlichtweg falsch . Die Cross-Compliance-Regelungen in der GAP werden fortlaufend verschärft . Viele gute und wichtige Projekte sind außerdem auf den Weg gebracht worden . Es gibt zahlreiche Forschungsprogramme, welche die Verbesserung des Tierwohls und der Tierzucht zum Ziel haben . So wurden seit 2006 in der Bundesrepublik Deutschland 117 Projekte im Bereich der Nutztierhaltung mit über 80 Millionen Euro gefördert, die das Tierwohl und die Tiergesundheit noch weiter verbessern sollen . Aktuell wird unter anderem die Entwicklung neuer Tierwohlindikatoren und neuer Haltungssysteme gefördert . Neben diesem wichtigen Forschungsansatz wirken wir auf der Regelungsebene auf Verbesserungen hin . Auf europäischer Ebene setzen wir uns für tierspezifische Richtlinien in Bezug auf die Haltung ein, welche einzelne Besonderheiten bestimmter Gattungen besser erfassen können . Außerdem wollen wir das europäische Tierrecht weiterentwickeln, indem wir unter anderem die Tierschutztransportverordnung und die Richtlinie zum Tierschutz bei der Schweinehaltung ändern . Dieser ganzheitliche und auf ganz Europa zentrierte Ansatz ist aus meiner Sicht das einzig Richtige . Tierschutz darf nicht an der Grenze aufhören . Wir gelangen nur dann zu wirklichen Verbesserungen, wenn diese in der gesamten Europäischen Union Bestand haben . Ansonsten schaffen wir Wettbewerbsnachteile für deutsche Betriebe, die letztlich nur zu einer Verlagerung der Nahrungsmittelproduktion ins Ausland führen; ich erinnere nur an das Verbot der Käfighaltung. Das kann nicht Ziel einer nachhaltigen Tierschutzpolitik sein . Schließlich müssen die bereits bestehenden Regeln durchgesetzt werden . Beim Vollzug sind nun einmal vor allem die Bundesländer, insbesondere die von den Grünen mitregierten, gefordert . Hier darf man es sich nicht einfach machen und die Verantwortung einseitig auf den Bund schieben . Das gehört zur Wahrheit dazu . Abschließend möchte ich noch klar sagen, dass es viele Betriebe gibt, die trotz massiven Preisdrucks hervorragend arbeiten und alle Standards einhalten . Das ist nicht einfach . Wir sollten unseren Bauern und Bäuerinnen deshalb nicht nur zwei Tage vor dem Erntedankfest danken, sondern das ganze Jahr anerkennen, mit welch hochwertigen Lebensmitteln sie die Verbraucherinnen und Verbraucher in der Bundesrepublik Deutschland versorgen . Herzlichen Dank . ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Friedrich Ostendorff für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Friedrich Ostendorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003604, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Den Tieren muss es am Ende der Legislaturperiode besser gehen als heute .“ Das versprach 2014 Minister Schmidt . Nichts, aber auch gar nichts außer großen Ankündigungen ist passiert . Wir debattieren nicht etwa wegen eines aktionistischen Agrarministers, sondern trotz eines nichts tuenden Agrarministers, der jegliche Verantwortung von sich weist und Verbesserungen in der Tierhaltung einzig der Branche überlässt, und das Ganze immer freiwillig . Unzählige Aufforderungen vonseiten der Wissenschaft, der Opposition, der Agrarministerkonferenz und der Gesellschaft stehen auf der Tagesordnung, die Lebensbedingungen für Nutztiere in Deutschland endlich zu verbessern . Im Koalitionsvertrag wurde versprochen, deutlich höhere Tierschutzstandards durchzusetzen . Doch Papier ist bekanntlich geduldig . Das Ministerium und Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, verweigern jeglichen Fortschritt und ziehen stattdessen die Mauern der Wagenburg immer höher . ({0}) Wir fragen uns wirklich: Wie lange wollen Sie das noch fortsetzen? ({1}) Die ganzjährige Anbindehaltung von Rindern, die Haltung von Sauen in Kastenständen, das Kükenschreddern, die Missstände in der Putenhaltung, das Schlachten hochträchtiger Tiere, das Amputieren von Gliedmaßen usw ., die Liste der dringend verbesserungsbedürftigen Bereiche ließe sich leider noch sehr lange fortsetzen . Nichts, aber auch gar nichts ist passiert . Noch 2014 hielten Sie es, Herr Minister, für nicht sinnvoll, das Kupieren von Schweineschwänzen zu verbieten, wenn die Tiere gleichzeitig eng beieinander leben . Da können wir als Grüne Ihnen nur zustimmen . Das geht in der heute üblichen Haltung in der Tat nicht; da sind wir gleicher Meinung . Aber, Herr Minister, das Kupieren der Schweineschwänze muss beendet werden . Das ist die gesellschaftliche Forderung, die Forderung der Menschen, die kritisch eingestellt sind . Sie von der CDU/CSU können nicht so weitermachen und 100 Kilogramm schwere Schweine auf einer Vollspaltenfläche von 0,75 Quadratmeter einsperren . Solange Sie das nicht ändern, werden immer wieder Bilder wie in der letzten Woche in Panorama zu sehen sein . Das kann Sie doch nicht gleichgültig lassen . Sie führen doch ein C in Ihrem Parteinamen . ({2}) Empfindsame, fühlende Lebewesen so leiden zu sehen, nur weil Sie ihnen nicht ein bisschen mehr Platz, ein bisschen mehr Stroh und ein bisschen mehr Auslauf gönnen wollen - das muss beendet werden . ({3}) Wir Grüne müssen Sie leider immer wieder dazu zwingen, hier im Bundestag über Tierschutz zu sprechen . Wir wissen, dass Ihr tierschutzpolitischer Sprecher bei unseren Anträgen Schnappatmung kriegt, weil er immer wieder gezwungen ist, zu bekennen, dass im Tierschutz nichts gemacht wird . Und er muss sich so ausdrücken, dass das draußen vielleicht noch irgendeiner versteht . Wir werden Sie - da können Sie gewiss sein - immer an Ihre Ankündigungen und Versprechen erinnern . Das werden wir so lange machen, bis Sie endlich beginnen, Ihre Verantwortung wahrzunehmen, die Bedingungen für die Tiere zu verbessern und eine zukunftsfähige nationale Nutztierstrategie für eine artgerechte Tierhaltung vorzulegen . Das ist die Forderung der Zeit . ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Dr . Karin Thissen für die SPD-Fraktion . ({0})

Dr. Karin Thissen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004621, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich schon wieder! Für die Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen möchte ich kurz erklären, warum ich den Antrag als solchen eigentlich ganz gut finde, ihn aber trotzdem ablehnen werde: Um den Bundesminister zu unterstützen, dass es den Tieren am Ende der Legislaturperiode besser geht als heute, brauchen wir eine handlungswillige CDU/ CSU-Fraktion, keine grünen Anträge . ({0}) Um systemimmanente Probleme zu lösen, brauchen wir echte Kontrollen und echte Sanktionen von Verstößen sowie ein Umdenken in der Landwirtschaft und in der Tierärzteschaft . ({1}) Die SPD blockiert keine Gesetzentwürfe; die SPD steht bereit . ({2}) - Ja, dann hören Sie zu! - Wenn wir Missstände und Stillstand beim Tierschutz beenden wollen, dann ist es wichtig, dass wir die Einhaltung schon bestehender Gesetze kontrollieren und Verstöße dagegen sanktionieren . Da wäre es zum Beispiel eine sehr gute Möglichkeit, die Flaschenhalsfunktion Schlachthof zu nutzen . Jedes landwirtschaftliche Nutztier kommt ja irgendwann zum Schlachthof . An jedem Schlachthof sind zwei amtliche Tierärzte: einer an der Schlachtlinie und einer bei der Anlieferung . Der Tierarzt bei der Anlieferung schaut auf die Tiere, weil er die Erlaubnis zur Schlachtung erteilen muss . Nur gesunde Tiere dürfen geschlachtet werden . Er sieht natürlich, in welchem Zustand die Tiere ankommen . Aufgrund des Zustandes, den er dokumentiert, kann er Rückschlüsse ziehen, wie die Tiere gehalten wurden . Da bestünde eine ganz einfache Möglichkeit, zu dokumentieren und das Dokumentierte an die Behörde weiterzugeben . Gegebenenfalls könnte dann die Tierhaltung überprüft und könnten Verstöße sanktioniert werden . Das würde auch kein Geld kosten; denn man müsste nicht extra Strukturen schaffen . Man könnte sich fragen: Warum wird das nicht schon genutzt? Meine Redezeit würde nicht reichen, das jetzt zu erklären . Sie können aber auf meine Homepage gehen . Panorama und WISO haben sich schon im April dieses Themas angenommen und das in Fernsehbeiträgen gebracht . Ich habe das kommentiert und erklärt . Das kann man da einsehen . Ich möchte meine Redezeit nutzen, um mich ganz gezielt an die Tierärzteschaft zu wenden; denn kein anderer Berufsstand ist aufgrund seiner Ausbildung geeigneter, sich für Tierschutz einzusetzen und ihn umzusetzen . Immer wenn ich mich über Vollzugsdefizite am Schlachthof - die Themen sind in der Tierärzteschaft bekannt; das ist ein offenes Geheimnis - öffentlich äußere, bekomme ich hinterher Briefe, E-Mails und Anrufe aus meinem Berufsstand . Darunter sind viele, die sagen: Prima, endlich thematisiert es jemand . Weiter so! Das muss aufhören . - Je höher aber die Tierärzte in der Hierarchie stehen - Amtsleiter, aber auch solche, die hohe Posten in Berufsverbänden oder der Tierärztekammer bekleiden -, desto mehr kritisieren sie die Tatsache, dass ich das thematisiere . Sie kritisieren nicht die Missstände . Auch werfen sie mir keine Übertreibung vor, sondern sie kritisieren, dass ich es thematisiere . Den Gipfel stellt dann dar, dass diejenigen, die mit mir noch nicht einmal eine Diskussion führen wollen, mich in öffentlichen Kammerversammlungen diskreditieren und diffamieren . All diesen honorigen Herren möchte ich an dieser Stelle sagen: Ich lasse mir den Mund nicht verbieten . Ich danke Ihnen fürs Zuhören . ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Artur Auernhammer für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Artur Auernhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003706, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, dass ich zu Beginn der Debatte auch die Menschen grüße, die für den Tierschutz mitverantwortlich sind, alle Tierhalter in unserem Land, die mit ihrer täglichen Arbeit dafür sorgen, dass es den Tieren in unserem Land sehr gut geht . Diese Menschen sollen heute gegrüßt sein . ({0}) Frau Kollegin Menz, wenn Sie mir kurz Ihre Aufmerksamkeit schenken: Es ist in meinem politischen Umfeld nicht üblich, dass man Sie lobt; aber ich bin Ihnen dankbar für Ihre Ausführungen über die Haltung von Heimtieren, die Haltung von Tieren, die nicht in unsere Breitengrade gehören . Darauf sollten wir etwas mehr den Fokus legen . Viele Tiere in unserem Land werden von Menschen gehalten, die nicht die Sachkunde haben wie zum Beispiel eine Bäuerin oder ein Bauer . Darauf müssen wir in Zukunft besser achten . ({1}) In den letzten Tagen ist sehr viel über Tierschutz geredet worden, auch in den Medien . Was ich da teilweise vermisst habe, waren der nötige Sachverstand und die nötige Fairness gegenüber den Menschen, die mit den Tieren arbeiten . Ich denke dabei gerade an unsere Bauernfamilien auf dem Land, die wirklich keine einfache Zeit haben . Wir haben hier schon über die Milchpreise, über die Erzeugerpreise diskutiert . Wenn die Bauernfamilien diese Bilder sehen und die Diskussion in der Öffentlichkeit verfolgen, dann machen sie sich Sorgen und fragen sich: Was passiert mit unserem Berufsstand? Wie wird mit unserem Berufsstand umgegangen? Warum werden wir von einzelnen Parteien instrumentalisiert, die aus unserer Situation politisches Kapital schlagen? ({2}) Die ehrliche Arbeit unserer Bäuerinnen und Bauern verdient höchste Anerkennung und höchsten Respekt . Da geht es nicht nur um das Thema Tierschutz . In meiner Heimat stehen sechs Maishäcksler, Maiserntemaschinen in den Werkstätten, die von Aktivisten - ich muss sagen: von kranken Menschen - durch Metallteile dermaßen demoliert worden sind, dass sie den Fahrer gefährdet haben . Diese Aktivisten haben hohe wirtschaftliche Schäden verursacht . Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind die Auswüchse von Diskussionen, die wir hier in diesem Hause teilweise sehr emotional führen . ({3}) Ich möchte sagen: Wir sollten die Emotionen etwas herunterfahren und wieder auf eine sachliche Ebene in der Diskussion kommen . ({4}) Meine lieben Freunde von den Grünen, ich habe Ihren Antrag gelesen und auch Ihr Lieblingsthema, die Anbindehaltung, zur Kenntnis genommen . Kollege Westermayer hat es schon erklärt: Wenn wir einen Blick auf die deutsche Landwirtschaft werfen, dann stellen wir fest, dass circa 50 Prozent der bayerischen Milchviehhalter ihre Tiere noch in Anbindehaltung halten . ({5}) Es gibt viele Betriebe im Allgäu und in Oberbayern - ich habe hier Freunde aus Österreich gesehen, wo das auch gilt -, wo die Tiere auf die Weide gebracht werden können . Aber wir haben auch Regionen in unserem Land das ist nicht nur in Franken, sondern auch in Mitteldeutschland so -, wo wir enge Dorflagen haben und alte Betriebsleiter sagen: Ich möchte meine Tiere noch in den nächsten 10 bis 15 Jahre halten; aber verbietet mir bitte nicht die Anbindehaltung . Wenn ihr sie verbietet sind, dann muss ich meinen Betrieb zusperren . - Es sind gerade die kleinbäuerlichen Betriebe, die Sie mit dem Verbot der Anbindehaltung zur Aufgabe zwingen . Das darf doch nicht sein . ({6}) Wenn man über Tierschutz redet, dann muss man wissen, dass Tierschutz auch etwas mit der Wertschätzung für unsere Lebensmittel zu tun hat, für die Wertschätzung dessen, was wir täglich essen und trinken . Da haben wir einen Partner, den wir stärker in die Pflicht nehmen müssen . Das ist der Lebensmitteleinzelhandel . Ich begrüße es, dass die landwirtschaftliche Branche Initiativen gestartet hat, um gemeinsam nach besseren Lösungen zu suchen . Ich begrüße, dass es vorangeht . Aber ich möchte auch die deutschen Verbraucher und Verbraucherinnen in die Pflicht nehmen. Wer glaubt, er könne ein Schweineschnitzel für einen Cent-Betrag im Supermarkt kaufen, der gibt sein Recht auf, über Tierschutz mitreden zu können . Das muss man ganz klar hier betonen . ({7}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stehen wenige Tage vor dem Erntedankfest . Es ist nicht selbstverständlich, dass wir in Deutschland mit so guten, hervorragenden Lebensmitteln versorgt sind . Wir sollten dieses Erntedankfest nutzen, dankbar zu sein für die politische Arbeit, die hier geleistet wird für unsere Bäuerinnen und Bauern, dankbar zu sein auch für die Arbeit unseres Bundesministers, dankbar zu sein für die angeregte Diskussion, die wir hier führen, und besonders dankbar zu sein für die Arbeit unserer Bäuerinnen und Bauern . Sie haben es wirklich verdient . Vielen Dank . ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache . Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/9798 an den in der Tagesordnung aufgeführten Ausschuss vorgeschlagen . Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung so beschlossen . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes Drucksache 18/9758 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({0}) Sportausschuss Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen . Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Dr . Ole Schröder . ({1})

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kriminelle Rockergruppierungen sind im Bereich der schweren und organisierten Kriminalität tätig . Die polizeilichen Lagebilder zeigen uns, dass sie Drogen verkaufen, Bordelle betreiben und Geld waschen . Ein wirksames Instrument gegen die kriminellen Rockergruppierungen sind Vereinsverbote nach dem Vereinsgesetz . Der Bundesinnenminister und die Landesinnenminister haben eine erhebliche Anzahl von Verboten gegen verschiedene Rockergruppen ausgesprochen . Dieser Weg soll auch künftig weiter beschritten werden . Rockergruppierungen treten in der Öffentlichkeit aggressiv und bedrohlich auf . Ihr Verhalten wirkt außerordentlich einschüchternd . Das löst bei den Bürgern zu Recht Ängste und Besorgnisse aus . Es ist dringend erforderlich, auch gegen die Selbstdarstellung krimineller Rockergruppen vorzugehen . Nahezu alle kriminellen Rockergruppen tragen die sogenannten Kutten . Die Westen mit den speziellen Aufnähern sind Grundlage ihrer Gruppenidentität . Mit der Verschärfung des Vereinsgesetzes wollen wir gegen diese Selbstdarstellung krimineller Rockergruppen vorgehen . Mit dem Tragen von Kennzeichen verbotener Vereinigungen zeigt man öffentlich, dass man mit diesen Gruppen sympathisiert . Das Tragen ihrer Kennzeichen ist immer auch eine Art Werbung für diese kriminellen Gruppen . Wir verbieten also auch eine Form der Sympathiewerbung . Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Kennzeichen verbotener Vereinigungen von anderen Gruppierungen im Bundesgebiet nicht mehr genutzt werden dürfen . Gleiches gilt für solche Kennzeichen, die mit denen bereits verbotener Vereine im Zusammenhang stehen . Das entspricht dem Auftrag aus dem Koalitionsvertrag . Mit der Verschärfung des Kennzeichenverbots ist gleichzeitig eine Strafschärfung verbunden . Außerdem wird eine Strafbarkeitslücke geschlossen . Der Bundesgerichtshof hatte diese mit Blick auf das Verbot, Rockerkutten zu tragen, festgestellt . Um unsere Ziele zu erreichen, werden wir folgende Änderungen im Vereinsgesetz vornehmen: Erstens . Das Kennzeichenverbot wird so ausgestaltet, dass die Polizei anhand objektiver Kriterien feststellen kann, ob ein Kennzeichen „in im Wesentlichen gleicher Form“ verwendet wird . Dazu wird das subjektive Merkmal des „Teilens der Zielrichtung“ des verbotenen Vereins gestrichen . Zusätzlich wird erläutert, wann ein Kennzeichen „in im Wesentlichen gleicher Form“ verwendet wird . Zweitens . Das Verwenden von Kennzeichen verbotener Vereine wird explizit unter Strafe gestellt . Die Polizeien in Bund und Ländern können damit künftig bundesweit einheitlich vorgehen . So wird insbesondere die sogenannte Kutte leichter beschlagnahmt werden können . Außerdem kann eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe verhängt werden . Abschließend möchte ich noch zwei Aspekte betonen: Es handelt sich hier erstens nicht um eine Lex Rocker . Das Kennzeichnungsverbot gilt selbstverständlich auch für alle verbotenen terroristischen und extremistischen Vereinigungen . Die Bundesregierung ist sich zweitens bewusst, dass es sich hier nur um eine punktuelle Änderung des Vereinsgesetzes handelt . Wir verschließen uns damit nicht der Bitte des Bundesrats, das öffentliche Vereinsrecht auf weitere Bedürfnisse der Praxis zu prüfen und gegebenenfalls zügig fortzuentwickeln . Vielen Dank . ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Ulla Jelpke für die Fraktion Die Linke . ({0})

Ulla Jelpke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001023, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Tat stehen manche Motorradklubs heute leider nicht nur für die Freiheit auf zwei Rädern oder für die EasyRider-Romantik . Einige bekannte international agierende Rockerklubs dienen auch als Deckmantel für die organisierte Kriminalität . Ein Teil ihrer Mitglieder sind in Schutzgelderpressung, Drogenhandel, Zuhälterei, ja sogar in Menschenhandel verstrickt . Immer wieder gibt es Tote bei Bandenkämpfen . Deswegen ist die Linke sehr dafür, diesem Teil der Rockerszene den Kampf anzusagen . ({0}) Doch Verbote von Symbolen oder Kennzeichen greifen oft ins Leere, ({1}) weil die kriminellen Rocker sich schnell unter anderem Namen neu formieren und sich einfach die Kutte eines Nachbarklubs überstreifen . Notwendig und legitim wäre es, gegen einen Rockerklub, wenn er denn als Deckmantel für schwere Kriminalität dient, mit den Mitteln des Straf- und Vereinsrechts vorzugehen . Die Bundesregierung aber will es sich einfach machen . Sie will selbst dann, wenn nur eine einzelne Ortsgruppe eines Vereins verboten wird, deren Symbole gleich bundesweit für alle Mitglieder unter Strafe stellen . Das ist eine völlig unverhältnismäßige Maßnahme, die noch dazu mit dem föderalen Prinzip meines Erachtens nicht vereinbar zu sein scheint . ({2}) Es geht hier nicht nur um kriminelle Rockergruppierungen, wie uns der Gesetzestext fälschlicherweise suggeriert; denn diese werden nur als ein Beispiel genannt . Man muss sagen, dass eigentlich jedes Mal, wenn wir über Gesetzesverschärfungen im Bereich der inneren Sicherheit diskutieren, eine Gruppierung als Begründung angeführt wird . Wir sind uns hier aber sicherlich alle einig, dass Nazis, Dschihadisten, Kinderpornoringe und natürlich auch kriminelle Rocker bekämpft werden müssen . Doch in der Praxis trifft eine Gesetzesverschärfung jedes Mal auch ganz andere Gruppierungen als die ursprünglich zur Rechtfertigung der Verschärfung angeführten . Nehmen wir einmal an, eine Hooligan- oder Ultragruppe wird verboten, weil sie regelmäßig Gewalttaten verübt . Sollen nun auch andere, friedliche Fangruppen von Fußballvereinen in Sippenhaft genommen werden, nur weil sie die gleichen Logos und Farben wie die verbotene Ultragruppe verwenden? Auch einige Beispiele aus dem politischen Bereich, von links bis rechts, würden mir hier einfallen . Diese Unbestimmtheit des Gesetzes eröffnet der Behördenwillkür einmal mehr Tür und Tor, und deswegen können wir diesem Gesetz nicht zustimmen . Meine Damen und Herren, seien wir mal realistisch! Kriminelle Rockerbanden werden ihre Straftaten doch nicht deswegen einstellen, weil sie ihre Kutte nicht mehr tragen dürfen . Soweit sie überhaupt eines äußeren Erkennungszeichens bedürfen, werden sie auf unverfängliche Symbole ausweichen . Die meisten Verbrecher agieren gänzlich ohne verräterische äußere Kennzeichnung, da diese einer kriminellen Aktivität ja in der Regel eher abträglich erscheint . Der Kern des Problems mit den kriminellen Rockerbanden ist ein anderer . Es ist ein offenes Geheimnis, dass manche der in organisierte Kriminalität verwickelten Rockergruppen gute Kontakte zur Politik, zur Polizei, aber auch zum Justizapparat pflegen. Ich nenne hier nur als Beispiel Hannover; aus zeitlichen Gründen kann ich das leider nicht ausführen . Ermittlungen gegen diese Banden verlaufen also oft im Sande, weil diese zum Beispiel von der Polizei vor einer Razzia gewarnt worden sind . Ich finde, diesen Saustall muss man ausmisten. Man muss etwas Vernünftiges tun, damit das nicht mehr passiert . Doch dazu braucht es den nötigen politischen Willen, und den vermissen wir hier . Dieser Gesetzentwurf ist zum einen untauglich, weil er sich auf Symbolpolitik beschränkt . Zum anderen schießt er über das Ziel hinaus, weil durch das großzügige Verbot von Vereinswappen und Ähnlichem auch viele Unschuldige betroffen sind . Insofern denken wir, dass wir noch einmal im Ausschuss darüber beraten sollten . Es ist jedenfalls keine effektive Bekämpfung von organisierter Kriminalität, wenn man Symbole bekämpft . Danke . ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Uli Grötsch für die SPD-Fraktion . ({0})

Uli Grötsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004282, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal merkt man geradezu, dass es mit den objektiven Argumenten eng wird, wenn es darum geht, einen Antrag der Regierungskoalition abzulehnen . ({0}) Ich will nicht verhehlen, dass uns das manchmal andersherum genauso geht, liebe Kollegin Ulla Jelpke . Aber bei diesem Gesetzentwurf geht es ja nicht um eine Gruppe, sondern um ein Phänomen, auf das ich im Folgenden eingehen will . Es geht hier um die Hells Angels, die Bandidos, die Outlaws, die Mongols . Bei diesen Rockergruppierungen geht es doch nicht mehr ums Motorradfahren, um Tattoos oder Machotum, sondern um organisierte Kriminalität . Es geht um Drogengeschäfte, um Schutzgelderpressung und um Menschenhandel . Weil die Mitgliedschaft in so einer Rockergruppe offenbar so lukrativ ist, gründen die besagten Rockerklubs immer neue Ortsvereine, sogenannte Chapter oder Charter, die mancherorts wie Pilze aus dem Boden schießen . Bundesweit gibt es inzwischen mehr als 9 300 solcher Rocker in mehr als 600 örtlichen Chaptern . Diesen Kriminellen sagen wir mit diesem Gesetz den Kampf an, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({1}) Auch wenn das auf den ersten Blick etwas ambitioniert klingen mag: Mit diesem Gesetz werden wir einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, diesen Strukturen das Handwerk zu legen . Wir beraten heute in erster Lesung eine notwendige Anpassung, eine Verschärfung des Vereinsgesetzes . Bislang ist es so, dass zwar einzelne Ortsvereine verboten wurden, die Rockerklubs aber das generelle Vereinssymbol mit einer anderen Ortsbezeichnung weiterverwenden konnten . Letztes Jahr musste der Bundesgerichtshof in einem einschlägigen, die Rockergruppierung Bandidos betreffenden Fall entscheiden, dass das Tragen einer Kutte mit den von allen Chaptern der Bandidos benutzten Kennzeichen, nämlich dem Wort „Bandidos“ und dem sogenannten Fat Mexican, zusammen mit dem Ortszusatz eines nicht verbotenen Chapters nach derzeitiger Rechtslage nicht strafbar ist . Wenn wir dieses Gesetz verabschieden, wird es so etwas in Zukunft nicht mehr geben . ({2}) Kennzeichen verbotener Vereinigungen können dann nicht mehr von anderen Gruppierungen im Bundesgebiet genutzt werden . Verbotene Chapter können dann nicht im nächsten Ort einen neuen Ortsverein gründen, um das Vereinsverbot zu umgehen . Das könnte im besten Fall das Ende des Mythos um Hells Angels oder Bandidos bedeuten, weil sie dann kein gemeinsames, öffentlich sichtbares, verbindendes Vereinssymbol mehr haben, liebe Kolleginnen und Kollegen . Das vereinfacht auch die Arbeit der Polizeien, die künftig ganz einfach und objektiv feststellen können, ob ein Verein ein Kennzeichen in im Wesentlichen gleicher Form verwendet wie ein verbotener Schwesterverein . Damit zeigen wir: Wir lassen uns nicht auf der Nase herumtanzen, wenn es um verbrecherische Parallelstrukturen im Rockermilieu oder gar um verfassungsfeindliche Tendenzen geht . ({3}) Apropos verfassungsfeindlich: Was mir nicht zuletzt Sorgen im Zusammenhang mit dem Rockermilieu macht, ist seine Verflechtung mit der rechtsextremen Szene. Nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz gibt es zunehmend Neonazis in den Rockerklubs . Über 500 einschlägig bekannte Neonazis gehören zu Rockergruppen wie den Hells Angels oder dem Gremium MC, aber auch zu den Bandidos und den Outlaws MC. Neonazikonzerte finden in den Klubhäusern der Rocker statt, die dann teilweise noch von Rockern als Securities bewacht werden . Während es vor einigen Jahren noch hieß, dass kein Rockerklub in Gänze als rechtsextrem gelte, weil Rockerklubs ja per Satzung unpolitisch seien, zeigt uns etwa der Fall des inzwischen verbotenen Rockerklubs Schwarze Schar MC Wismar aus Mecklenburg-Vorpommern das Gegenteil . Hier haben einschlägige Neonazis den Klub gegründet, um ihre kriminellen Machenschaften zu organisieren . Beim Gremium MC sind auch bereits Durchmischungen mit Nazis bekannt geworden; zumindest haben sie Ordnerpersonal für ein Neonazikonzert in Thüringen gestellt . Diese Verflechtung - leider ganz speziell in den ostdeutschen Bundesländern, aber natürlich auch anderswo in Deutschland - halte ich für hochgradig besorgniserregend . Ich komme zum Schluss . Ich bin froh, dass der Bundesrat uns bei unserem Anliegen, das Vereinsgesetz zu verschärfen, unterstützt, Ich bitte auch die Oppositionsparteien, hier im Sinne der Sache mit uns gemeinsam diese Erweiterung des Kennzeichenverbots zu tragen . Vielen Dank . ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Irene Mihalic für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Dr. Irene Mihalic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sie haben es vorhin schon angesprochen: Wir beraten zwar jetzt das Vereinsgesetz, aber im Kern geht es natürlich um organisierte Kriminalität . Denn wenn kriminelle Organisationen in vereinsrechtlichen Strukturen aufgehen, dann liegt natürlich im Vereinsrecht ein möglicher Hebel, um anzusetzen . Rauschgiftkriminalität, Menschenhandel, Schutzgelderpressung durch sogenannte Rockerbanden sind Formen schwerster Kriminalität, die wir auf jeden Fall ernst nehmen müssen . Ihre Verbrechen und ihre Strukturen sind in jedem Fall auch der organisierten Kriminalität zuzurechnen . Ich glaube, es ist unbestritten, wenn ich sage, dass wir es hier wirklich mit großen Herausforderungen für die Polizeien in Bund und Ländern zu tun haben . Wir müssen auch davon ausgehen, dass sich dieses Problem weiter sehr dynamisch entwickeln wird . Deswegen ist es natürlich richtig, dass sich der Rechtsstaat auf solche Entwicklungen einstellt . Dazu gehört auch die Frage, wie solche Rockerbanden als Vereine verboten werden können . ({0}) Deswegen finde ich den Hinweis des Bundesrates richtig, dass auf jeden Fall geklärt werden muss, welche Behörde im Einzelfall für ein Vereinsverbot zuständig ist . Dasselbe gilt natürlich auch für das Verbot, Kennzeichen eines verbotenen Vereins öffentlich zu tragen . Auch darum geht es in dieser Debatte; denn die bisherige Regelung hat nicht in jedem Fall dazu geführt, dass verbotene Kennzeichen, wie zum Beispiel die Kutten von Rockerbanden, nicht mehr getragen werden durften . Nur darf man sich natürlich auch nichts vormachen: Auch wenn Rockerbanden oder solche Vereine verboten werden und das Tragen solcher Abzeichen künftig umfassender verboten werden kann, heißt das nicht, dass solche Banden dann nicht mehr da sind . ({1}) Natürlich können wir es nicht hinnehmen, dass Mitglieder von Rockerbanden oder entsprechender Vereinigungen durch ihr Auftreten mit solchen Abzeichen und Symbolen, mit ihren Kutten in der Öffentlichkeit Angst und Schrecken verbreiten . Schließlich ist es nicht zuletzt eine Lehre aus der deutschen Geschichte, dass wir einschüchternde Uniformierungen und Abzeichen ernst nehmen und aufs Schärfste ablehnen . ({2}) Wir müssen uns - darauf habe ich vorhin schon hingewiesen - auf jeden Fall darüber im Klaren sein, dass die Gefahren, die von solchen Gruppen und ihren Mitgliedern ausgehen, durch das vorliegende Gesetz leider nicht geringer werden . Deswegen liegt in einem möglichen Erfolg eines Verbotes solcher Abzeichen vielleicht auch die größte Gefahr: nämlich dass wir, weil wir sie nicht mehr sehen können, vergessen, dass sie da sind . Diese Gefahr scheint mir nicht allzu klein zu sein, wenn man bedenkt, wie lange es gedauert hat, bis der Rechtsterrorismus als das erkannt wurde, was er ist, und wie groß die Zahl der Opfer ist . Wir alle wissen, wie viel Kraft der Kampf gegen die Verdrängung dieser schlimmen Wahrheit braucht und welche Aufklärungsdefizite und Wissenslücken damit bis heute verbunden sind . Denn viele Menschen glauben, nur weil sie keine Männer mehr mit Glatzen und Springerstiefeln auf den Straßen sehen, dass es kaum noch Neonazis gibt . Aber das ist ein Trugschluss . ({3}) Auch im Bereich der organisierten Kriminalität bestehen sehr große Wissenslücken . Ich persönlich habe den Eindruck, dass diesem Thema nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet wird bzw . dass wir uns damit nicht ernsthaft genug auseinandersetzen . Wir müssen meines Erachtens dringend die nötigen Rahmenbedingungen schaffen, damit dieser wichtige Teil der Polizeiarbeit entsprechend gestärkt wird . ({4}) Kollege Grötsch, Sie haben darauf hingewiesen: Eigentlich wissen wir noch viel zu wenig über Interaktionen zwischen Rockerbanden und der international organisierten Kriminalität oder der rechten Szene . Das ist ja auch eine Frage, mit der wir uns im NSU-Untersuchungsausschuss auseinandersetzen: Welche Bezüge gibt es eigentlich? Das könnte zum Beispiel auch den illegalen Waffenhandel betreffen . Es gibt viele offene Fragen in diesem Bereich, zum Beispiel die Frage: Rüsten Rockerbanden auf? Gibt es Verbindungen in andere Szenen hinein? Wie sind eigentlich die internationalen Zusammenhänge? Gibt es Überschneidungen mit rechtsextremistischen Strukturen? Es wäre gut, wenn die Bundesregierung, wenn das Bundesinnenministerium die Öffentlichkeit und uns hier im Parlament über solche Entwicklungen umfassender informieren würde, damit wir sehen, welche Handlungsbedarfe es über Symbolverbote hinaus noch gibt . Herzlichen Dank . ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Oswin Veith für die CDU/ CSU-Fraktion . ({0})

Oswin Veith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004428, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute schon über Vereine sprechen, dann will ich ein bisschen ausholen und damit beginnen, dass wir Deutsche, und zwar nicht nur bei unseren europäischen Nachbarn, durchaus als Vereinsmeier gelten . Rein statistisch gesehen ist jeder Deutsche in mindestens einem Verein, so auch viele von uns, ich auch . Wir wissen, wie es mit der Entstehung der Vereine losging . In der frühen ersten Hälfte des 19 . Jahrhunderts gab es aufgrund der bürgerlichen Bewegungen die ersten Vereinsgründungen . Hier möchte ich einen kleinen eigenen Werbeblock einschieben . Neun Jahre lang hatte ich die Ehre, Bürgermeister der Hessentagsstadt Butzbach sein zu dürfen, einer Stadt mit damals 204 Vereinen . Die erste Vereinsgründung gab es bei uns 1839 . Die Stadt Butzbach ist die Stadt von Dr . Friedrich Ludwig Weidig, einem der engsten Weggefährten von Georg Büchner . Zusammen verfassten sie den Hessischen Landboten mit dem Aufruf: „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“ Beide sind 1837 gestorben, Weidig in der Haftanstalt in Darmstadt . Allein über das Thema Vormärz und die Demokratiebestrebungen könnte man abendfüllend reden . Über Vereine wie Gesangsvereine, Sportvereine, Turnvereine und Musikvereine reden wir jedoch nicht . Verfassungsrechtlich ist das, worüber wir heute reden, in Artikel 9 unseres Grundgesetzes freilich besonders geschützt . Die restlichen Regelungen, was unsere Vereine betrifft, stehen alle im Bürgerlichen Gesetzbuch . Das Vereinsgesetz, über das wir heute reden, ist dafür gedacht, die Voraussetzungen zu schaffen, um bestimmte Vereine verbieten zu können . Gelten Vereine zwar gemeinhin als friedliche Freizeitbetätigung, so sind manche Gruppierungen trotz vorhandener Vereinsstrukturen jedoch als gefährlich einzuordnen; wir haben es gerade ausführlich gehört . Wird ein Verein begründbar verboten, gilt dies auch für die öffentliche Zurschaustellung der Vereinskennzeichen . Mitglieder eines Vereins bringen oft und aus Überzeugung ihre Zugehörigkeit mittels Kennzeichen in Form von bestimmten Vereinsfarben, Symbolen und Vereinskleidung zum Ausdruck . Man bekennt sich öffentlich zu einem Verein und zu dessen Werten . Handelt es sich um etwas Harmloses wie einen Sport-, Gesangs- oder Musikverein, ist dies auch völlig legitim und in Ordnung . Meist dient das Tragen von Vereinsfarben und -kleidung auch der Mitgliederwerbung . Was ist aber, wenn bestimmte Vereinssymbole und Kleidungsstücke mit Werten und Strukturen in Verbindung gebracht werden, hinter denen manchmal erhebliche kriminelle Energie steckt? 2014 hatte Nordrhein-Westfalen daher das öffentliche Zeigen von Rockersymbolen vielerorts untersagt . Mitglieder von Rockergruppierungen werden mit Gewalt, Straftaten und rechtsstaatswidrigem Verhalten in Verbindung gebracht . Das damals erlassene Verbot umfasste nicht nur das Zeigen bereits verbotener Abzeichen, untersagt wurde auch das Tragen von Emblemen mit Bezug auf sogenannte Schwestervereine, also Teilgruppen, die an einem Ort bereits verboten waren . Mit dem Hinweis, dass dieses umfassende Verbot nicht mit der derzeitigen Rechtslage in Einklang zu bringen war, hatte der Bundesgerichtshof diesem Verbot eine deutliche Absage erteilt . Um nun auch dem sympathiebekennenden Tragen von bestimmten Vereinszeichen einen Riegel vorzuschieben, verschärfen wir im Vereinsgesetz den § 9 zum sogenannten Kennzeichenverbot und passen ebenfalls die entsprechende Strafvorschrift in § 20 an . Natürlich ist nicht jede Vereinigung von Menschen, die sich dem Motorradfahren verschreiben, eine Verbindung von Kriminellen . Wird aber gegen bestimmte Gruppierungen ein Verbot erlassen, eben weil sie kriminelle Strukturen aufweisen, dann muss auch die Zurschaustellung von Symbolen und Kleidungsstücken, die diese kriminellen Vereinigungen verherrlichen, unterbunden werden . Menschen, die die freiheitliche Grundordnung unseres Landes offensichtlich ablehnen, auch wenn sie sich in Form eines Vereins zusammentun, dürfen ihre Vereinszeichen und die ihrer Schwestervereinigungen, die auch nichts Besseres im Schilde führen, nicht ungestraft zur Schau stellen . Das wollen wir nicht, und deshalb wollen wir es heute verbieten . ({0}) Klar ist, dass man nicht alles verbieten kann, was man nicht mag - um den Bundesinnenminister an dieser Stelle ebenfalls zu zitieren . Aber bei organisierter Kriminalität hört für mich und für uns der Spaß auf . Organisierte Kriminelle sind eine Bedrohung für die innere Sicherheit unseres Landes . Genauso wie wir unser Land vor Gefahren für die innere Sicherheit von außerhalb, wie Terrorgefahr, schützen, schützen wir unser Land vor den Gefahren, die vom Inneren ausgehen . Gerade im Bereich innerer Sicherheit haben wir vieles vorangebracht . Ein großer Teil dieser Maßnahmen geht auf die Initiative der Union zurück . So sind die heutigen Änderungen im Vereinsgesetz zwar nur ein kleiner Schritt; aber wir meinen, er ist völlig richtig, um den kriminellen Strukturen das Wasser abzugraben und klar für unsere freiheitlichen und rechtsstaatlichen Werte einzustehen . Deshalb würde ich mir wünschen, dass dieser Ansatz, dieses Gesetz eine breite Basis findet. Danke schön . ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Susanne Mittag für die SPD-Fraktion . ({0})

Susanne Mittag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004355, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die Liste der verbotenen Motorradklubs der vergangenen Jahre ansieht, dann fühlt man sich leicht an den Geografieunterricht erinnert. Hier nur ein kleiner Auszug: 2012 Hells Angels MC Cologne, 2012 Hells Angels MC Berlin City, 2013 Hells Angels Bremen, 2016 Hells Angels MC Bonn . Es ginge beliebig so weiter . In den vergangenen 15 Jahren haben Landesinnenminister insgesamt zwölf sogenannte Charter der Hells Angels verboten . Und das sind nur die Fälle der Hells Angels . Es gibt noch ein paar andere; Bandidos, Gremium MC, Mongols MC, Satudarah MC habe ich noch nicht einmal erwähnt . Da gibt es jede Menge . Was auffällt, ist, dass der anscheinend größte Unterschied zwischen den nun verbotenen Gruppierungen allenfalls der angehängte Ort ist . Ansonsten sind sie sich ähnlich . Aber Hells Angels nennen sich viele; die Strukturen sind identisch . Genau das ist das Problem, dem wir mit dem nun vorliegenden Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes begegnen wollen . Bisher musste gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung die Polizei im Bund und in den Ländern nachweisen, dass zum Beispiel die Bonner Hells Angels die gleiche Zielrichtung verfolgten wie die Rocker des bereits verbotenen Hells-Angels-Charter in Berlin . Das war für die Behörden äußerst schwierig und für die Rocker äußerst günstig . Wir dürfen uns hier nicht von den Namen der Motorradklubs täuschen lassen . Das hat nichts mit Freiheit und Abenteuer zu tun . Das sind einfach nur knallharte Strukturen der organisierten Kriminalität . Ob Rotlicht, Drogen, Waffen oder Schutzgeld - es ist schon erwähnt worden -, überall sind diese kriminellen Vereinigungen dabei, und das seit Jahrzehnten . Einige der Mitglieder der angeblichen Motorradklubs haben nicht einmal einen Führerschein oder ein Motorrad - aber das nur nebenbei . Das macht sie nicht weniger gefährlich, zeigt aber deutlich auf, dass das Motorradfahren nicht im Fokus dieser vermeintlichen Vereine steht . Das angeblich so coole Image, das diesen Vereinen oft in der Öffentlichkeit zugeschrieben wird, trifft nicht einmal ansatzweise zu . Im Jahr 2015 hat Innenminister de Maizière dem aus den Niederlanden stammenden Satudarah MC jede Tätigkeit in Deutschland untersagt und die deutschen Teilorganisationen des Vereins komplett verboten . Das war das erste Mal, dass ein Rockerklub als Ganzes in Deutschland verboten wurde . Das war ein sehr guter und wichtiger Schritt; denn Satudarah agierte nicht im luftleeren Raum, sondern versuchte ganz massiv, andere Reviere zu übernehmen . Daraus resultierten zum Teil sehr gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den rivalisierenden Gruppen, teilweise mit Todesfällen, aber das ist auch bei anderen Rockergruppen der Fall . Die Leidtragenden - das möchte ich noch einmal erwähnen - sind oftmals die Polizisten, die zu diesen Auseinandersetzungen gerufen werden und sich dann dazwischenwerfen dürfen . Das führt oftmals zu sehr schwer Verletzten . Aber auch unbeteiligte Menschen, die zufällig getroffen werden, und Menschen im Umfeld dieser angeblichen Vereine, die das kriminelle Verhalten ertragen müssen, gehören zu den Leidtragenden . Das wird völlig unterschätzt . Das wollen wir nicht mehr . Wir nehmen gerne die Anregungen des Bundesrates in unsere Beratungen auf . Wir werden prüfen, inwieweit wir den Gesetzentwurf mit Blick auf den Fall, dass ein Verein in Organisation und Tätigkeit über Bundesländergrenzen hinaus in Erscheinung tritt, noch konkreter ausgestalten können . Auch wenn Verbote dieser Klubs nach Vereinsrecht wichtig und richtig sind, lösen sie natürlich nur die wahrnehmbaren Probleme . Man sieht den Schutzgelderpressern, Türstehern und Waffenschiebern dann natürlich nicht mehr an, dass sie von einem bestimmten Rockerverein kommen. Die Machtdemonstration findet dann nicht länger derart öffentlich statt, aber die Kriminellen verschwinden natürlich nicht einfach und ihre Netzwerke lösen sich auch nicht automatisch auf . Straftaten werden weiter begangen - das wissen wir -, aber eben nicht in Kutte, sondern in normaler Kleidung . Ein Allheilmittel ist das Verbot nicht, aber ein wichtiger und richtiger Schritt zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität . Da muss es mehrere Maßnahmen geben . Gerade die Zahl der Straftaten in diesem Deliktsfeld der organisierten Kriminalität steigt seit Jahren an . Es ist richtig, dass wir die Sicherheitsbehörden im vergangenen Jahr mit einem deutlichen Stellenaufwuchs zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus versehen haben . Wir haben Bundespolizei, BKA und die Nachrichtendienste gestärkt und werden das auch im Haushalt für das kommende Jahr tun . Leider bleibt dabei die Bekämpfung der organisierten Kriminalität immer ein klein wenig auf der Strecke, vor allem die Bekämpfung der sogenannten Alltags-OK, die es schon seit Jahren gibt . Dabei geht es um genau die Kriminalitätsfelder, in denen die Rockergruppen Straftaten begehen . Ich wünsche mir - das hat die Bundestagsfraktion der SPD im Innenausschuss schon sehr deutlich gesagt -, dass wir die Zahl der Stellen im BKA zur Bekämpfung dieser Alltags-OK endlich deutlich anheben . ({0}) - Das ist nett . - Die Koordinierungsstelle OK braucht mehr Personal- und Sachmittel . Das muss ein ganz massiver Aufwuchs sein . Ich hoffe auf die Unterstützung . Wir müssen und wollen das BKA in seiner Koordinierungsfunktion stärken, um in Zusammenarbeit mit den Ländern, die wir dann unterstützen können, gegen diese kriminellen Strukturen vorzugehen . Nur so schaffen wir es zum Beispiel in Flensburg, Kiel, Köln, Berlin, Bremen, Frankfurt, Bonn und sehr vielen anderen Städten in Deutschland, der organisierten Kriminalität entgegenzutreten . Herzlichen Dank . ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Kollegin Andrea Lindholz hat für die CDU/ CSU-Fraktion das Wort . ({0})

Andrea Lindholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004342, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute eine kleine, aber weitreichende Änderung im Vereinsgesetz . Die Bundesregierung will mit dem Gesetzentwurf das Kennzeichenverbot in § 9 des Vereinsgesetzes praxistauglicher ausgestalten und eine Schwachstelle in unserem Vereinsgesetz beheben . Die Polizei soll damit gleichzeitig ein neues Instrument für den Kampf gegen die organisierte Kriminalität erhalten . Ein Verein kann verboten werden, wenn ihm eine schwerwiegende Gefährdung der Allgemeinheit und entsprechende Straftaten nachgewiesen wurden . Mit dem Verbot wird dann auch das Tragen des Abzeichens dieses Vereins strafbar . Wenn der verbotene Verein allerdings lediglich eine Ortsgruppe einer größeren Dachorganisation ist, dann gilt das nicht gleichermaßen auch für die gesamte Organisation, und auch das Tragen gemeinsamer Abzeichen - das sind zum Beispiel Fahnen, Uniformstücke und andere Abzeichen dieses Dachverbandes - ist dann nach geltendem Recht nicht strafbar, auch dann nicht, wenn mehrere Unterorganisationen als kriminelle Vereinigung verboten wurden . Der Koalitionsvertrag sah daher bereits eine Änderung in diesem Bereich vor, und der Bundesgerichtshof hat auch erst im Juli letzten Jahres auf diese Strafbarkeitslücke hingewiesen . Es ging dabei um das Tragen von Rockerkutten, die verschiedene Ortsbezeichnungen, aber das gleiche Kennzeichen hatten . Diese Lücke wollen wir jetzt schließen . Dies ist sicherlich kein Allheilmittel, aber es ist absolut richtig, es ist wichtig und ein weiterer Beitrag im Kampf gegen organisierte Kriminalität . Das Vereinsgesetz soll künftig objektive und klar definierte Kriterien enthalten, anhand derer die Polizei feststellen kann, ob ein im Wesentlichen gleiches Kennzeichen verwendet wird, das bereits verboten wurde . Subjektive Merkmale wie die Auslegung, ob es vielleicht die gleiche Zielrichtung ist, werden gestrichen - subjektive Merkmale sind in der Regel auch wenig praxistauglich -, sodass diese Änderung ein wichtiges Instrument für unsere Behörden ist . Die entsprechende Strafnorm in § 20 des Vereinsgesetzes soll angepasst werden, indem sie ausdrücklich auf das Kennzeichenverbot in § 9 des Vereinsgesetzes verweist . Warum brauchen wir diese Verschärfung? Sie kann vor allem im Kampf gegen Rockergruppen helfen . Sie nennen sich selbst verharmlosend „Motorradclub“; tatsächlich sind es aber Klubs, die für schwerste Verbrechen wie Drogen- und Menschenhandel, für Erpressung und brutale Gewalttaten bis hin zu Mord verantwortlich sind . 8,4 Prozent aller Verfahren im Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität in Deutschland entfallen auf diese Gruppierungen . Das Bundeskriminalamt hat in seinem letzten Lagebild zur organisierten Kriminalität auch von einem deutlichen Anstieg der Verfahren gegen diese Rockergruppierungen berichtet . Trotz Verboten werden ständig neue Ortsgruppen gegründet . Zuletzt war die Presse auch wieder voll von Gewaltexzessen in diesem Rockermilieu . Die Mitglieder glauben, dass sie sich in ihrer Gemeinschaft vor dem Gesetz verstecken können . Mit dem Kennzeichenverbot, mit der Verschärfung im Vereinsgesetz, können wir dem zumindest ein Stück weit entgegenwirken . Sie haben es gesagt, Frau Kollegin Mihalic: Deshalb sind sie nicht gleich von der Bildfläche verschwunden. Aber ich halte es für ein wichtiges Zeichen, auch seitens des Rechtsstaats, dass man dieses gemeinsame Kennzeichen in diesen schweren Fällen der organisierten Kriminalität auch für alle, die damit irgendwo im Zusammenhang stehen, verbieten sollte . Ich halte das für den richtigen Schritt . Liebe Frau Kollegin Jelpke, nicht nachvollziehen kann ich, wie man dem nicht zustimmen kann und das Ganze mit Fußballvereinen vergleicht . Es geht hier um das Tragen eines gemeinsamen Kennzeichens, eines bestimmten Symbols, das auch für organisierte Kriminalität steht, für schwerste Verbrechen, die dort begangen worden sind . Ich kann deshalb nicht nachvollziehen, wie man einer solchen Änderung nicht zustimmen kann . Unsere Polizei steht heute vor großen Herausforderungen . Islamistische Terroristen, gewaltbereiter Linksund Rechtsextremismus und organisierte Kriminalität, die wir allesamt mit ganzem Einsatz verhindern und bekämpfen müssen, fordern von unserer Polizei Höchstleistungen . Mit diesem kleinen Beitrag können wir unseren Sicherheitsbehörden auch effektivere Mittel an die Hand geben . Deshalb bitte ich, die Beratungen konstruktiv zu begleiten . Vielleicht können wir am Ende des Verfahrens doch allesamt dieser Änderung zustimmen . Vielen Dank . ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe nun die Aussprache . Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent- wurfs auf Drucksache 18/9758 an die in der Tagesord- nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall . Dann ist die Überweisung so beschlossen . Ich rufe die Tagesordnungspunkte 26 a und 26 b auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald Weinberg, Sabine Zimmermann ({0}), Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Gerechte Krankenkassenbeiträge für Selbstständige in der gesetzlichen Krankenversicherung Drucksache 18/9711 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit ({1}) Ausschuss für Arbeit und Soziales b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald Weinberg, Sabine Zimmermann ({2}), Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Gerechte Krankenkassenbeiträge für freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte Drucksache 18/9712 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit ({3}) Ausschuss für Arbeit und Soziales Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen . Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat die Kollegin Sabine Zimmermann für die Fraktion Die Linke . ({4})

Sabine Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003869, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der konservative Teil der Koalition rühmt sich ja gerne, etwas für die Selbstständigen zu tun . Tatsächlich haben aber viele der Selbstständigen das Gefühl, von der Bundesregierung gerade hinsichtlich ihrer sozialen Absicherung im Stich gelassen zu werden . Über viele Jahre höre ich jetzt schon die Klagen, aber verbessert hat sich an der Situation nichts . Im Hinblick auf Ihre angebliche Vertretung der Interessen von Selbstständigen ist das schon einigermaßen dürftig . Für die Linke ist das völlig inakzeptabel . ({0}) Ein Problem, das bei vielen Selbstständigen für schlaflose Nächte sorgt, sind die hohen Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung; hier werden sie benachteiligt . Meine Damen und Herren der Koalition, nehmen Sie bitte einmal zur Kenntnis, dass hier etwas getan werden muss . ({1}) Die Bundesregierung geht offensichtlich davon aus, dass Selbstständige und Kleinunternehmer zu den Gutverdienern gehören . Das ist aber mitnichten der Fall . Dies zeigt auch die hohe Zahl der Selbstständigen, die ergänzend Hartz-IV-Leistungen bekommen . Im Jahre 2015 waren es 117 000 . Besonders prekär ist die Situation oft für Solo-Selbstständige . In vielen Fällen verlagern Unternehmen Aufgaben und das gesamte Risiko auf alleinarbeitende Selbstständige . Der Weg in die Selbstständigkeit ist für viele ein Weg in die prekäre Tätigkeit, von der man seine Familie einfach nicht ernähren kann . Solo-Selbstständige verfügen nun einmal über ein unterdurchschnittliches Einkommen . Ich glaube, da sind wir uns auch in diesem Hause einig . Insbesondere bei Solo-Selbstständigen ist die Selbstständigkeit auch Ausdruck zu weniger sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze oder auch einer Outsourcing-Mentalität der Unternehmen . Oft war die Entscheidung zur Selbstständigkeit keine freiwillige . Durch die Einführung der Förderung als sogenannte Ich-AG im Zuge der Hartz-Gesetze wurden die Solo-Selbstständigen als Allzweckwaffe gegen Erwerbslosigkeit auserkoren; dies endete aber für viele in einer Sackgasse . Zudem führte es zu Wettbewerbsverzerrungen und sorgte für einen ruinösen Wettbewerb . Doch das war der Bundesregierung damals egal und ist es ihr auch heute noch . Viele Selbstständige fühlen sich mit ihren Problemen alleingelassen und zu wenig gefördert . Insbesondere für Kleinselbstständige müssen bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden . Dies betrifft vor allem auch die Verbesserung der Einkommenssituation . Mit unserem Antrag wollen wir einen wichtigen Beitrag zu mehr Gerechtigkeit leisten . Derzeit wird bei Selbstständigen ein Krankenkassenbeitrag erhoben, der ein Einkommen von über 4 000 Euro annimmt . Erst bei Nachweis niedrigerer Einnahmen wird die Beitragsbemessung auf 2 178 Euro gesenkt, sodass rund 400 Euro Beitrag zu leisten sind . Nur in wenigen Ausnahmefällen kann der Beitrag darunterliegen . Ein Beispiel: Wenn Sie als Selbstständiger ein Einkommen von 800 Euro haben, zahlen Sie die Hälfte als Beitrag für die Krankenversicherung, also einen Beitragssatz von 50 Prozent. Ich finde, das ist nicht gerecht. ({2}) Ich weiß nicht, wie Sie es finden würden, wenn Sie die Hälfte Ihrer Diäten als Beitrag zur Krankenkasse zahlen müssten . Wir möchten einen realistischen und fairen Beitrag zur Krankenversicherung für Selbstständige, der bezahlbar und leistbar ist . Auch Sie werden sicherlich mit vielen Selbstständigen reden . Daher wissen Sie, dass das schon lange ein Problem in dieser Gesellschaft darstellt . ({3}) Wir fordern, dass sich der Mindestbeitrag an der Geringfügigkeitsgrenze von 450 Euro orientiert . Das wäre ein Beitrag von rund 70 Euro zur Krankenversicherung und 12 Euro zur Pflegeversicherung. Oberhalb davon soll wie bei den Angestellten entsprechend dem Einkommen gezahlt werden . Das ist aus unserer Sicht eine Frage der Gerechtigkeit . Eine weitere Gerechtigkeitslücke muss geschlossen werden . Für freiwillig Versicherte mit geringem Einkommen, etwa freiwillig versicherte Rentnerinnen und Rentner, Studierende mit über 14 Semestern oder über 29 JahVizepräsidentin Petra Pau re alt und auch Promovierende, ist der Mindestbeitrag von derzeit rund 177 Euro einfach zu hoch und entbehrt jeder Grundlage . Auch hier wollen wir den Mindestbeitrag auf rund 70 Euro senken . Die beiden vorliegenden Anträge sind ein weiterer Baustein für mehr soziale Gerechtigkeit in diesem Land . Vielleicht entdecken Sie, meine Damen und Herren von der Union, Ihr Herz für die Selbstständigen wieder - nicht nur für die, die überdurchschnittlich verdienen, sondern auch für die, die unterdurchschnittlich verdienen -, und vielleicht entdecken Sie, meine Damen und Herren der Sozialdemokratie, die soziale Gerechtigkeit wieder . Ich fürchte aber, dass Sie alle davon nichts wissen wollen und Ihre Politik weiter so fortsetzen . Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Sozial geht anders, und das geht nur mit der Linken . Danke schön . ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Tino Sorge für die CDU/ CSU-Fraktion . ({0})

Tino Sorge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004409, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beide debattierten Anträge der Fraktion Die Linke laufen unter der Überschrift „Gerechte Krankenkassenbeiträge für Selbstständige und freiwillig gesetzlich Versicherte“ . Da drängt sich natürlich die Vermutung auf, dass die Linke entgegen der Klassenkampfrhethorik, die Sie hier gerade wieder vom Stapel gelassen haben, ({0}) wirklich ein Interesse an den unternehmerisch Tätigen hat . Das überrascht schon, weil Sie hier im Haus bisher nicht als diejenigen bekannt waren, die Sachwalter der Interessen der Selbstständigen und der Freiberufler sind. ({1}) Ich finde es sehr gut, dass Sie die Bedeutung der selbstständig Tätigen offenkundig erkannt haben . ({2}) Aber nehmen Sie auch einmal zur Kenntnis, dass nicht nur die Selbstständigen wichtig sind, sondern dass wir mittlerweile auch insgesamt eine Beschäftigung haben über 41 Millionen Menschen sind in Deutschland in Beschäftigung -, die in dieser Höhe bisher noch nie dagewesen ist . Was Sie hier getan haben, ist, wieder einmal zu versuchen, uns alten Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen . ({3}) Meine Kollegen von der CSU würden angesichts des Oktoberfestes sagen: Das ist eine abgestandene, schale Diskussion . Es geht Ihnen nur um die Abschaffung der PKV und die Einführung der Bürgerversicherung . ({4}) Sie sprachen von vermeintlicher Solidarität und von einer solidarischen Gesundheitsversicherung, wie Sie sie nennen . Wie sie aussehen soll, haben Sie gesagt; das steht ja auch in Ihrem Antrag . Sie wollen, dass die Solidargemeinschaft über die Krankenversicherung beispielsweise Langzeitstudierende alimentiert . Wenn es Ihre Vorstellung von Solidarität ist, zu sagen: „Der Auszubildende, der Handwerksmeister, die Kassiererin, der Frisör sollen durch ihre Beiträge dafür sorgen, dass die Langzeitstudenten geringere Beiträge zahlen müssen“, dann, finde ich, ist das echt ein Armutszeugnis . ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie suggerieren wieder einmal, die Bürgerversicherung sei die eierlegende Wollmilchsau zur Lösung aller Probleme . Da kann ich Ihnen gleich zu Beginn sagen: Dafür werden Sie von uns keine Zustimmung bekommen . ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gebe zu: Auch mich treibt das Problem um, dass Existenzgründer und Solo-Selbstständige mit geringem Einkommen durch starre Beitragsbemessungsgrenzen über Gebühr belastet werden . Mich treibt auch das Problem um, dass gerade Existenzgründer und Selbstständige, deren Laden noch nicht so brummt, vom Einkommen her betrachtet prozentual überdurchschnittlich hohe Krankenkassenbeiträge zahlen sollen . ({7}) Aber ich bin dafür, dass wir genau hinschauen und auch genau prüfen . Genau das haben wir in der Vergangenheit getan . ({8}) Sabine Zimmermann ({9}) Schauen Sie sich einmal die aktuelle Rechtslage an . Derzeit ist es so, dass die beitragspflichtigen Einnahmen im Regelfall auf Grundlage des aktuell vorliegenden Einkommensteuerbescheids ermittelt werden; da sind wir uns ja einig . Rückwirkende Änderungen der Beitragsfestsetzung sind nur in absoluten Ausnahmefällen möglich . Das ist unbefriedigend; das gebe ich zu . Allerdings hat der GKV-Spitzenverband in seinen Beitragsverfahrensgrundsätzen für Selbstzahler, die seit dem 1 . Januar 2009 für alle Krankenkassen verbindlich gelten, auch Ausnahmen zugelassen, zum Beispiel für Existenzgründer und bei Vorliegen einer unverhältnismäßigen Belastung . Sie liegt beispielsweise dann vor, wenn ein Gewinneinbruch um mindestens 25 Prozent erfolgt ist, wenn also der vorliegende Einkommensteuerbescheid und die tatsächlichen Einnahmen um über 25 Prozent voneinander abweichen . Wir haben also schon Härtefallregelungen . Es besteht beispielsweise auch die Möglichkeit, in dem Jahr, in dem der Gewinn eingebrochen ist, eine rückwirkende Nachberechnung der zu zahlenden Beiträge vorzunehmen . Insofern gab es da schon eine Reaktion . Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Linken, bei dieser Thematik, die die Bereiche Gesundheit, Wirtschaft und Steuerrecht betrifft, müssen wir sagen: Flexibilität ja, aber keine Schnellschüsse . Dann können wir beispielsweise auch die Frage stellen, ob die auf 60 Prozent reduzierte Beitragsbemessungsgrenze noch zeitgemäß ist . Wir müssen dann aber auch darüber reden, dass die Absenkung auf die einheitliche Mindestbemessungsgrundlage, die Sie ja wollen, mindestens 1 Milliarde Euro Beitragsmindereinnahmen zur Folge haben würde . Darüber müssen wir eben auch sprechen, und das tun Sie nicht . ({10}) Man kann ebenso die Frage stellen, ob das Berechnungsverfahren schnell genug ist, um gerade durch die Digitalisierung herausgeforderte Unternehmen adäquat zu unterstützen .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Sorge, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Vogler?

Tino Sorge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004409, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, sehr gerne .

Kathrin Vogler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004181, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Sorge, dass Sie meine Zwischenbemerkung zulassen . - Sie rechnen hier mit angeblichen Verlusten für die Krankenkassen . Ich möchte auf der einen Seite schon noch einmal darauf hinweisen, dass dieses Geld den Menschen, die davon betroffen sind, natürlich konkret im Geldbeutel fehlt, um ihre Lebenshaltungskosten zu decken und sich vielleicht auch eine reguläre Alterssicherung aufzubauen . Sie sind ja immer große Freunde davon, sich auch privat für das Alter abzusichern . Viele junge Selbstständige schaffen das nicht . Auf der anderen Seite möchte ich auch noch einmal darauf hinweisen, dass gerade ein abgesenkter Mindestbeitrag für junge Selbstständige, die gerade damit anfangen, selbstständig zu werden, dazu beitragen könnte, sie dafür zu gewinnen, in das solidarische System der gesetzlichen Krankenversicherung einzutreten und eben nicht den Lockvogelangeboten der PKV auf den Leim zu gehen, die für den Anfang, wenn man jung und gesund ist, mit niedrigen Beiträgen werben, während das später den Betroffenen möglicherweise auf den Fuß fällt - sei es in Form von eingeschränkten Leistungen, weil man eben nicht genau ins Kleingedruckte geguckt hat, oder sei es auch in Form von im Alter massiv steigenden Beiträgen, wie sie die PKV jetzt ja auch zum 1 . Januar nächsten Jahres für viele Menschen wieder angekündigt hat . ({0}) Vielleicht wäre das ja auch eine Möglichkeit, wieder mehr Geld ins solidarisch finanzierte Umlagesystem zu bekommen .

Tino Sorge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004409, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie behaupten immer, mit Ihrer solidarischen Gesundheitsversicherung würde jedes Problem gelöst sein . Wir müssen aber auch einmal darüber reden, dass wir im Bereich der Unternehmen natürlich gerade auch diejenigen ein bisschen vor sich selbst schützen müssen, deren Unternehmung auch nach einer gewissen Anlaufphase nicht zum Erfolg führt . Deshalb habe ich ja das Beispiel der Existenzgründer gebracht . Ich habe gesagt, es besteht die Möglichkeit, diesen Beitrag herabzusetzen, wenn die tatsächlichen Umstände noch nicht so gut sind, wie sie sein sollten . Wir können aber natürlich nicht, wie Sie das wollen, über die Solidargemeinschaft und die Beiträge der anderen Versicherten irgendwelche Liebhabereien, Hobbys oder unternehmerische Aktivitäten, die nicht zu einem Erfolg führen, dauerhaft subventionieren, und das ist genau das, was Sie möchten . ({0}) Lassen Sie uns diese Thematik doch in Ruhe und mit Besonnenheit anschauen . Ich habe ein paar Beispiele genannt, über die wir sprechen könnten - auch, inwieweit wir gegebenenfalls bei der angemessenen Berücksichtigung der Beiträge weitere Komponenten berücksichtigen könnten . Was man aber nicht machen sollte, ist das, was Sie immer machen, nämlich verschiedene Aspekte zu vermischen . Sie kochen einen linken Eintopf, würzen ihn mit Ideologie, und zum Schluss haben Sie eine Dauersubventionierung auf Kosten der Solidargemeinschaft . Das wird mit uns nicht passieren . ({1}) Weil wir immer von Solidarität - Sie ja besonders und von Ehrlichkeit reden, müssen wir uns auch einmal ehrlich machen . Das heißt - wie ich es gesagt habe -, wer nach dieser gewissen Zeit so geringe Einkünfte hat, dass er seinen Lebensunterhalt - und wir reden hier nicht über den gesamten Lebensunterhalt, sondern über die Krankenversicherungsbeiträge - nicht finanzieren kann, der muss sich auch einmal fragen und hinterfragen lassen, ob das Geschäftsmodell, mit dem er tätig ist, das richtige am Markt ist . Wir wollen keine Vortäuschung selbstständiger Aktivität . Wir wollen Qualität bei Selbstständigen, sichere Einkünfte, langfristige Geschäftsmodelle und keine Schnellschüsse . Ich sage es deshalb zum Schluss noch einmal ganz klar: Angesichts der Komplexität wollen wir alle Komponenten beachten . Wir wollen auch interessante Ansätze, wie gegebenenfalls eine zeitliche Staffelung von Beiträgen für Gründer, in Betracht ziehen, und wir können über die Beschleunigung von Berechnungsverfahren, über eine gewisse Flexibilität und darüber sprechen, inwieweit bestimmte Komponenten bei der angemessenen Berechnung zusätzlich berücksichtigt werden können . Wir wollen die Diskussion aber sachgerecht, zielgruppenorientiert und vor allen Dingen ideologiefrei führen gerne mit Ihnen, wenn Sie das wollen . Insofern: Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Maria Klein-Schmeink für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Maria Klein-Schmeink (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004072, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anders als Kollege Sorge gerade geäußert hat, finden wir, dass das Problem, das in den Anträgen der Linken aufgeworfen wird, ein gravierendes und bedeutsames Problem ist, dem wir uns mit aller Sorgfalt stellen sollten . ({0}) Sie haben eigentlich mehr Problemabwehr und Ideologie in den Raum gestellt . ({1}) Genau darum geht es nicht . Ein Blick auf den Antrag zeigt: Er ist sehr sachgerecht und sachlich und zeigt die Problemlinien auf . Streiten kann man vielleicht darüber, wie wir die Problemlösungen angehen wollen . Das ist eine andere Sache . Grundsätzlich muss man sagen: Es ist tatsächlich so, dass wir eine Schräglage haben bei den vielen Selbstständigen mit geringem Einkommen, die eben nicht mehr die klassischen Unternehmer sind . Vielmehr gibt es bei Selbstständigen vielfältige Formen am Arbeitsmarkt . Diese führen oft dazu, dass es Zeiten selbstständiger Arbeit gibt, dass dann wieder als Angestellter gearbeitet wird, vielleicht auch ein kleiner Laden aufgemacht wird, der dann doch nicht oder nur sehr schleppend läuft . Vielleicht ist man Sprachkursleiterin oder Sprachkursleiter in einem der Kurse des BAMF und wird schlecht bezahlt . ({2}) Vielleicht ist man auch Schneiderin oder Schneider und hat ganz unterschiedliche Auftragslagen und muss damit klarkommen . Da muss man ganz klar sagen: Unser Sozialsystem wird diesen unterschiedlichen sozialen Lagen nicht gerecht . Da müssen wir besser werden . ({3}) Es ist richtig, dass die wirklich grundlegende Lösung mit einer Bürgerversicherung als gemeinsames System gefunden werden könnte, weil man dann nicht mehr unterscheiden muss, ob jemand angestellt oder selbstständig arbeitet . Aber dieser Schritt würde länger brauchen . Wir brauchen aber jetzt eine Lösung für die vielen Selbstständigen mit geringem Einkommen in der Kreativwirtschaft und in vielen anderen Bereichen . Angesichts der Beitragsschulden in der Krankenversicherung, die sich mittlerweile auf 5,4 Milliarden Euro belaufen, sehen wir, dass es für viele Selbstständige ein ernsthaftes Problem ist, die hohen Beiträge zu zahlen . ({4}) Da müssen wir etwas tun . Diese hohen Beitragssätze haben damit zu tun, dass die Krankenversicherung ein Einkommen unterstellt, das die meisten Selbstständigen tatsächlich gar nicht haben . Wenn für die Berechnung des Beitragssatzes davon ausgegangen wird, dass ein Selbstständiger mindestens 4 236 Euro verdient, dann ist das heute nicht mehr adäquat, weil viele das nicht schaffen, wie alle Statistiken zeigen . Deshalb müssen wir da etwas tun . ({5}) Das Mindeste, was jemand selbst mit Nachweis einer Notlage erreichen kann, ist, dass ihm gesagt wird: Zur Berechnung deines Beitragssatzes legen wir ein Einkommen von 2 148 Euro zugrunde . - Auch das haben ganz viele nicht . Dieser Tatsache müssen wir gerecht werden . Dafür brauchen wir eine Lösung . ({6}) Ob die Lösung, die die Linke vorgeschlagen hat, dass sich die Beitragsbemessung an der Geringfügigkeitsgrenze orientiert, geeignet ist, müssen wir überprüfen . Ich habe da durchaus Zweifel . ({7}) Das Kernproblem ist: Wir vergleichen bei der Verbeitragung Nettoeinkommen und Bruttoeinkommen . Arbeitnehmer zahlen ihre Beiträge auf ihr Bruttoeinkommen, Selbstständige auf das versteuerte Einkommen und damit auf das Nettoeinkommen . Da müssen wir eine Regelung finden. Das wird nicht ganz so einfach sein. ({8}) Aber dafür, Herr Sorge, sind die Anhörungen sehr hilfreich, die wir durchführen werden . Dann ist es Zeit, sich festzulegen und zu sagen: Okay, die Lösung sieht so oder auch anders aus . ({9}) Aber das Mindeste, was ich hier erwarte, ist das Signal, dass man sich an die Problemlösung macht . ({10}) Ich meine, das sollte hier selbstverständlich sein . Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache . ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Heike Baehrens für die SPD . ({0})

Heike Baehrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004244, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken! Frau Klein-Schmeink! Mit den beiden hier vorliegenden Anträgen formulieren Sie tatsächlich ein berechtigtes Anliegen . Gerechte Krankenkassenbeiträge für freiwillig Versicherte und Selbstständige in der gesetzlichen Krankenversicherung: Das wollen wir ebenso wie Sie . Das muss man allerdings nach oben wie nach unten in den Blick nehmen . Solidarität als Grundprinzip unserer gesetzlichen Krankenversicherung heißt: Jede und jeder Versicherte zahlt seinen Beitrag entsprechend seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Punktuelle Schieflagen und Ungerechtigkeiten in einem solch riesigen System sind für uns permanente Herausforderung, nachzujustieren und Anpassungen vorzunehmen . Aber eigentlich geht es hier um noch viel mehr; denn das Gesundheitswesen zählt zum Kernbereich der öffentlichen Daseinsvorsorge . ({0}) Deshalb muss unser gemeinsamer Anspruch als Bundestag sein, mutige Schritte zu gehen, um solche strukturellen Ungerechtigkeiten auszumerzen . ({1}) Als SPD haben wir hierfür längst die notwendigen Reformoptionen erarbeitet und setzen für die Zukunft auf eine solidarische Bürgerversicherung; denn wir haben seit langem einen Wandel in der Arbeitswelt zu verzeichnen . Er wurde eben beschrieben . Die Formen der Erwerbstätigkeit verändern sich . Insbesondere die Zahl der Solo-Selbstständigen nimmt zu . Die Einkommensunterschiede innerhalb dieser Gruppe sind allerdings sehr groß . Es gibt Einzelne, die sehr schnell reich werden, und es gibt viele, die so wenig verdienen, dass sie nicht die finanzielle Möglichkeit haben, ihre Lebensrisiken abzusichern und Vorsorge zu betreiben . Trotz der bereits bestehenden Möglichkeiten, sich im gesetzlichen System der Krankenversicherung versichern zu lassen, sehen sich viele Solo-Selbstständige finanziell überfordert . Hierfür - da haben Sie recht - brauchen wir eine tragfähige Antwort, eine Antwort, die dauerhaft zu mehr Gerechtigkeit führt . ({2}) Wir plädieren für den Einstieg in eine Bürgerversicherung; denn eine solche Krankenversicherung für alle bezieht selbstverständlich auch alle Selbstständigen ein . Das tatsächliche Einkommen aus selbstständiger Arbeit würde in die Bemessungsgrundlage einfließen. Die Bemessung des Mindestbeitrags würde auf das Niveau oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze abgesenkt . Gleichzeitig werden dann gut verdienende Selbstständige entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit einen angemessenen Beitrag zu zahlen haben . Wir sind davon überzeugt: Die Zeit ist reif für eine Zusammenführung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung . Darin werden wir gerade durch die aktuelle Berichterstattung und die Krisensignale der privaten Versicherer nachdrücklich bestärkt . ({3}) Die Beiträge vieler Privatversicherter werden im kommenden Jahr gehörig steigen, weil auf dem Kapitalmarkt keine Gewinne mehr zu erwirtschaften sind . Wir alle müssen aufpassen, dass die gesetzliche Krankenversicherung nicht zum Ausfallbürgen wird für ein privatwirtschaftliches Versicherungsmodell, ({4}) das nicht mehr allen seinen Versicherten eine gute Gesundheitsversorgung zu bezahlbaren Beiträgen bieten kann . Ja, die Zeit ist reif für den Übergang zu einer solidarisch, von allen finanzierten Bürgerversicherung. Mit ihr wollen wir als SPD fortsetzen, was wir schon in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht haben . Mit ihr wollen wir die GKV zukunftsfest machen und in die richtige Richtung weiterentwickeln, zugunsten einer wohnortnahen Versorgung, zugunsten einer hohen medizinischen Versorgungsqualität, für einen höheren Stellenwert von Gesundheitsprävention und nicht zuletzt für eine weitere Aufwertung der Pflege. Im Unterschied zu den heutigen Antragstellern haben wir aber auch im Blick, dass dieses Versorgungsniveau zukunftsfest finanziert werden muss . Es gilt, die richtige Balance aus guter Qualität und nachhaltiger Finanzierbarkeit herzustellen, damit auch unsere Enkelkinder noch in gleicher Weise versorgt werden können . Wir hätten uns eine Lösung der angesprochenen Fragen in der laufenden Legislaturperiode durchaus vorstellen können . Aber ich bin überzeugt: Die Zeit dafür wird kommen . Unser Konzept für eine solidarische Bürgerversicherung als Weiterentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung wird in nicht allzu ferner Zukunft eine Mehrheit in diesem Hause finden. Wir als SPD, werden den Weg dafür bereiten . Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Dietrich Monstadt für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Dietrich Monstadt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004113, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen! Meine Herren! Als ich die beiden Anträge, die wir heute diskutieren, gelesen habe, habe ich mich gefragt: Was soll das? Erst ganz am Ende wird klar, worum es geht . Den Antragstellern geht es doch gar nicht um die Selbstständigen oder die freiwillig Versicherten . Sie wollen mit uns zum wiederholten Male die Bürgerversicherung diskutieren . Und das machen wir auch immer gerne mit Ihnen - im Übrigen auch mit Ihnen, Frau Baehrens . ({0}) Mich wundert allerdings, dass Sie noch immer nicht realisiert haben, dass eine Bürgerversicherung mit einer unionsgeführten Bundesregierung nicht kommen wird ({1}) schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht kommen kann . ({2}) - Wünsche darf man haben . Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Opposition, legen Sie doch endlich einmal ein tragfähiges Konzept vor, das den Bürgerinnen und Bürgern erklärt, wie Sie die verfassungsrechtlichen Probleme lösen wollen . Was ist mit der Eigentumsgarantie des Artikel 14 Grundgesetz? Wie wollen Sie zum Beispiel mit den Altersrückstellungen in der PKV umgehen? Wollen Sie diese den Versicherten wegnehmen? Hierauf wollen die Bürgerinnen und Bürger Antworten, keine Ideologien, die Sie nicht einmal schlüssig erklären können . ({3}) Antworten auf das Wie sind Sie uns über Jahre hinweg schuldig geblieben . ({4}) Bis jetzt haben Sie vor diesem Hintergrund rein gar nichts vorgestellt, mit dem man sich auch nur ansatzweise sachgerecht auseinandersetzen könnte . ({5}) Hieran sollten Sie arbeiten . Meine Damen und Herren, wir sind davon überzeugt, dass sich das Konzept eines dualen Gesundheitssystems mit GKV und PKV bewährt hat . ({6}) Mit diesem Wettbewerb können wir Effizienzreserven im Gesundheitswesen heben . Darüber hinaus stehen wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion für ein freiheitliches Gesundheitswesen . Wir wollen Vielfalt und Wahlmöglichkeiten im Sinne der Versicherten sicherstellen und den Menschen nicht vorschreiben, wie und wo sie sich zu versichern haben . ({7}) Also lassen Sie uns bitte daran konstruktiv weiterarbeiten, und ersparen Sie uns Ihre Schaufensteranträge . Meine Damen und Herren, seit längerer Zeit diskutieren wir darüber, die Mindestbemessungsgrundlage für Selbstständige abzusenken oder gar abzuschaffen . Mindestbeiträge sind sinnvoll und notwendig, weil niedrige Beiträge nicht kostendeckend sein können . Auch freiwillig Versicherte haben für den umfassenden Versicherungsschutz in der GKV angemessene Beiträge zu zahlen . Dies gilt bei Selbstständigen umso mehr, da das Steuerrecht den Selbstständigen anders als Arbeitnehmern eine gewisse Gestaltbarkeit des Einkommens erlaubt . Sie, Frau Kollegin Klein-Schmeink, haben dankenswerterweise darauf hingewiesen . Selbstständige können zum Beispiel ihre Betriebsausgaben abziehen . Es werden also lediglich die Nettoeinkommen herangezogen, während die anderen freiwillig Versicherten Beiträge auf der Grundlage ihres Bruttoeinkommens zahlen müssen . Diese steuerrechtlichen Möglichkeiten dürfen sich nicht in Form ungerechtfertigt niedriger Beiträge auf die GKV auswirken . Es diene der Beitragsgerechtigkeit, wenn dieser steuerliche Vorteil für Selbstständige durch eine besondere Mindestbemessungsgrenze ausgeglichen werde . So urteilte das Bundesverfassungsgericht schon im Jahre 2001 . Und es sei rechtmäßig, das Unternehmerrisiko eines Selbstständigen nicht über die Beitragsbemessung auf die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung abzuwälzen . So das Bundesverfassungsgericht weiter . Meine Damen und Herren, das Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung beruht auf dem Solidarausgleich zwischen sozial schwächeren und sozial stärkeren Mitgliedern . Mit diesen Anträgen wollen Sie freiwillig versicherte Selbstständige mit anderen freiwilligen Mitgliedern beitragsrechtlich gleichstellen . Sie wollen sie mit denjenigen gleichstellen, die tatsächlich über geringe Einkünfte verfügen, wie etwa freiwillig versicherte Studenten oder Rentner . Das ist Ihre Gerechtigkeit . Mit uns geht das nicht . ({8}) Gerade aus Gerechtigkeitsgründen können wir nicht zulassen, dass freiwillig Versicherte, die der gesetzlichen Krankenversicherung nach eigener Entscheidung angehören, sich zu unangemessen niedrigen Beiträgen - zulasten der anderen in der GKV Versicherten - versichern können . Dennoch ist es eine Tatsache, dass es Selbstständige gibt, die noch nicht oder nicht mehr über eine wirtschaftliche Stabilität verfügen und dementsprechend ihren Lebensunterhalt auch nicht bestreiten können . Darauf haben wir bereits reagiert . Im Übrigen haben wir mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz des Jahres 2007 die Möglichkeit einer verringerten Mindestbemessungsgrundlage geschaffen . Für Existenzgründer, die zudem auch einen Anspruch auf den monatlichen Gründungszuschuss nach SGB III haben, sowie für geringverdienende Selbstständige gilt eine verringerte Mindestbemessungsgrundlage, wenn Bedürftigkeit vorliegt . Aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung steht auch bei uns die Verbeitragung von freiwillig und selbstständig in der GKV Versicherten auf dem Prüfstand . Auch wir meinen: Sie muss weiterentwickelt werden . Der Kollege Sorge hat dies bereits ausgeführt . Dabei müssen mögliche Kosten und Auswirkungen auf die Solidargemeinschaft der Beitragszahler sehr genau geprüft, bewertet und berücksichtigt werden . Auch hier gilt: Erst die Situation bewerten, dann denken und dann komplexe Lösungsansätze entwickeln, die wirklich das ganze Problem in all seinen Facetten angehen . Dies, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, lassen Ihre Anträge nicht erkennen . Deshalb werden wir beide Anträge ablehnen . Vielen Dank . ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Marina Kermer das Wort . ({0})

Marina Kermer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004326, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der heutigen Debatte diskutieren wir zwei Anträge, die inhaltlich den SPD-Beschlüssen des Bundesparteitags 2011 entsprechen . ({0}) Ich darf feststellen: Schön, dass Sie sich unserer Meinung angeschlossen haben . Das ist gut . ({1}) Der Situation geschuldet, werden wir dennoch Ihre Anträge am Ende der Beratungen wohl ablehnen müssen . Warum? Das möchte ich gern an dieser Stelle erläutern . ({2}) Als Koalitionspartner haben wir zu Beginn der Legislaturperiode einen Vertrag geschlossen, der die Ziele und Formen unserer Zusammenarbeit vereinbart . Wir waren und sind bereit, Kompromisse zu schließen, um keine politische Starre zuzulassen, sondern um unsere Gesellschaft zukunftssicher zu gestalten . Das heißt auch, dass wir Koalitionsfraktionen im Bundestag einheitlich abstimmen, wie unter Punkt 8 im Koalitionsvertrag zu den Arbeitsweisen der Koalition festgelegt ist . Das bedeutet, wir können nicht zustimmen, es sei denn, Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, überdenken Ihre Auffassung bis dahin . ({3}) So möchte ich heute die Gelegenheit nutzen, um unsere Positionen im Gesamtzusammenhang darzustellen . Was Sie in Ihren Anträgen vorschlagen, sollte unserer Meinung nach tatsächlich Teil einer grundsätzlichen Neuaufstellung der Finanzierungsgrundlage der Gesundheitsversorgung werden . Eine immer älter werdende Gesellschaft ist eine Entwicklung, auf die wir gerade in der Gesundheitspolitik bewusst hingearbeitet haben . Unsere Sozialversicherungssysteme sind beispielhaft . ({4}) Damit sie zukünftig den Anforderungen standhalten, haben wir in dieser Legislaturperiode einiges auf den Weg gebracht . Gerade als Berichterstatterin für die Krankenhausstrukturreform ist mir bewusst, dass die beschlossenen Maßnahmen Kosten verursachen . Wir sind uns mehrheitlich einig, dass diese Investitionen der maßgeblichen Verbesserung der Qualität der Versorgung dienen und die Patientinnen- und Patientenrechte stärken . ({5}) Mit den drei Pflegestärkungsgesetzen werden wir die Versorgung im Alter verbessern und sichern . Alle beschlossenen Maßnahmen sind wichtig und richtig, um unser Gesundheitssystem auf die Herausforderungen unserer älter werdenden Gesellschaft vorzubereiten . Um die Standards zu sichern, werden wir vermutlich die Ausgaben nicht absehbar senken können . Das heißt, wir müssen sozial gerechte und verträgliche Lösungen finden, um die Einnahmeseite zu sichern . Da stellt sich die Frage: Wie? Ich bin überzeugt, dass das am besten mit einer Bürgerversicherung gelingen kann . ({6}) Als erste Partei haben wir 2003 die Entscheidung zur Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung getroffen . Zwischenzeitlich haben sich auch andere mit dem Gedanken beschäftigt und teilen unser Konzept . Liebe Frau Klein-Schmeink, vielen Dank für Ihren Beitrag dazu . Was ist der Kerngedanke? Alle gesetzlich Versicherten werden zu Mitgliedern einer Bürgerversicherung, ({7}) auch Beamte und Selbstständige, genau wie Studierende, Herr Sorge . Gemeinsam sollen hohe und niedrige Einkommen von einem solidarischen Sicherungssystem profitieren. Übergangsregelungen sollten gelten, Herr Monstadt, sodass privat Versicherte wählen können, ob sie der Bürgerversicherung beitreten oder in der privaten Versicherung bleiben wollen . Für viele Private würde das allerdings auch eine Chance eröffnen, im Alter aus einer Privatversicherung herauszukommen, wenn sie in Tarifstrukturen mit hohen Beitragssätzen festsitzen . Außerdem wollen wir die paritätische Beitragsfinanzierung . ({8}) Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen zu gleichen Teilen an den Gesundheitskosten beteiligt werden, so wie in der Debatte gestern ausführlich erklärt . ({9}) Denn eine sichere und solidarische Finanzierungsgrundlage ist die Voraussetzung für eine gerechte Gesundheitsversorgung . Gestatten Sie noch einen Gedanken: Der Zugang zu guter medizinischer Versorgung für alle ist eine Grundvoraussetzung für Chancengleichheit im Leben . Ein gesunder Start ins Leben ist die Voraussetzung für ein erfolgreiches und selbstbestimmtes Leben . Das ist das Ziel, um das es eigentlich geht . Gesundheit ist deshalb nicht nur das Gegenteil von Krankheit, sondern maßgeblich in allen Lebensbereichen . Wir brauchen ressortübergreifende Zusammenarbeit; dann können wir es schaffen, dass Gesundheit und ein gutes Leben unabhängig von Herkunft und Einkommen sein werden . Vielen Dank . ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Michael Hennrich für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Michael Hennrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003551, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute zwei Anträge zum Thema „Krankenkassenbeiträge für freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte“ . ({0}) Es geht um Selbstständige, und es geht um Menschen, die nicht pflichtversichert sind und keinen anderweitigen Anspruch auf Krankenversicherung haben . Beiden Gruppen ist gemeinsam - Sie sprachen es an -, dass es um Menschen mit niedrigem Einkommen geht . Frau Klein-Schmeink, dieses Thema ist viel zu ernst, als dass man es wieder für Schaufensterreden oder sonst etwas benutzen darf; vielmehr sollte man sich der eigentlichen Thematik nähern . ({1}) - Stopp, lassen Sie mich doch ausreden . - Es geht um die Frage der individuellen Bezahlbarkeit; es geht aber auch um die Frage, wie wir das Gesundheitssystem insgesamt bezahlbar halten, also um die Frage der gerechten Finanzierbarkeit eines solchen Systems . ({2}) Beides - individuelle Bezahlbarkeit und gerechte Finanzierbarkeit - ist eng miteinander verknüpft, und wir suchen alle nach vernünftigen und praktikablen Lösungen . Was ich am Antrag der Linken schade finde, ist - ich sage es ganz offen -, dass die Linken sich auf das Thema „niedrige Einkommen“ beschränkt haben und dass sie nicht dargelegt haben, wie ein fairer Interessensausgleich stattfinden kann, ({3}) weil zu hohe Krankenversicherungsbeiträge Menschen mit niedrigem Einkommen, aber mittlerweile auch Menschen mit höherem Einkommen extrem belasten können . Frau Baehrens, Sie haben es vollkommen zu Recht angesprochen: Auch in der privaten Krankenversicherung gibt es solche Fälle, denen wir uns stellen müssen . ({4}) Die Frage ist: Kann die Bürgerversicherung das Allheilmittel sein? ({5}) - Stopp! - Ich glaube - das sage ich ganz offen -, dass wir bisher eine gute Lösung hatten . ({6}) Wir haben für die Privatversicherten eine Lösung, wir haben für die gesetzlich Versicherten eine Lösung, die vom Bundesverfassungsgericht übrigens abgesegnet wurde; über sie wurde verlautbart, dass sie richtig ist . Es wurde ja heute schon im Einzelnen dargelegt, wie die Mechanismen funktionieren, wie die Mindestbemessung bei schlechter Einkommenssituation auf 265 Euro bzw . 177 Euro reduziert wird . ({7}) - Stopp! Jetzt lassen Sie mich doch ausreden . In § 240 SGB V ist geregelt, wie die Bemessung des Beitrags freiwillig versicherter Mitglieder erfolgt und wie er gegebenenfalls abgestaffelt wird . Wir haben da berücksichtigt, dass der zur sozialen Sicherung vorgesehene Teil des Gründungszuschusses nicht angerechnet werden darf. Wir haben berücksichtigt, dass das an eine Pflegeperson weitergereichte Pflegegeld nicht herangezogen werden soll . Aber - das sage auch ich noch einmal - es geht auch darum, dass wir die, die dieses System heute mit ihren hohen Beiträgen stützen, nicht überfordern und dass wir auch da einen fairen Ausgleich schaffen . Ich möchte einmal ein ganz spezielles Thema aufgreifen . Wenn wir Ihrem Antrag folgen würden, den Mindestbeitrag für freiwillig Versicherte auf 70 Euro zu reduzieren ({8}) - 70 Euro; das steht in Ihrem Antrag -, dann haben wir dergestalt ein Problem, dass wir in einem gewissen Wertungswiderspruch stehen, da die Zuweisung des Bundes pro Arbeitslosengeld-II-Empfänger und pro Flüchtling 90 Euro monatlich beträgt . Wir Gesundheitspolitiker haben momentan alle ein Interesse daran, dass der Steuerzuschuss an die gesetzliche Krankenversicherung für Arbeitslosengeld-II-Empfänger und Flüchtlinge erhöht wird . Wie soll ich das rechtfertigen, wenn dann der Eigenbeitrag bei 70 Euro für Solo-Selbstständige, für Rentnerinnen und Rentner - ({9}) - Das ist nicht völliger Blödsinn . ({10}) Setzen Sie sich doch einmal ernsthaft mit dem Thema auseinander . Diese Frage bekommen Sie an diesem Punkt nicht gelöst . ({11}) Im Kern geht es darum, dass wir das nur über Steuern lösen können . Wir müssen vernünftig schauen, dass wir das nicht nur sozusagen über das Krankenversicherungssystem regeln . Das steht für mich für solidarischen Ausgleich zwischen Gesund und Krank . Der Ausgleich zwischen Einkommensstarken und Einkommensschwachen findet im Steuersystem statt. Deswegen wäre eigentlich der richtige Ansatz - das haben Sie in Ihrem Antrag überhaupt nicht berücksichtigt -, dass wir schauen: Wie kriegen wir das über die Steuer vernünftig geregelt? Ich möchte einen Punkt zum Schluss erwähnen, und zwar noch einmal zum Thema Bürgerversicherung . Mir kommen da die Worte der Bundeskanzlerin von vor, ich glaube, zehn Tagen in Erinnerung . Sie hat im Zusammenhang mit dem Satz „Wir schaffen das“ von einer Leerformel gesprochen . Beim Stichwort „Bürgerversicherung“ ({12}) - den Eindruck habe ich - arbeiten und hantieren wir auch nur noch mit einer Leerformel . ({13}) Der Punkt, den ich erwähnen möchte, ist: Gestern wurde ein Gutachten vom Wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums - ein SPD-geführtes Haus - veröffentlicht, und dieses hat nicht eine Bürgerversicherung favorisiert, ({14}) sondern eine Prämie mit Steuerausgleich . ({15}) Vielleicht wäre es an der Zeit, dass wir uns einfach mal von diesen Floskeln wegbewegen würden und versuchen, uns den Themen inhaltlich zu nähern . Herzlichen Dank . ({16})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache . Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 18/9711 und 18/9712 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall . Dann sind die Überweisungen so beschlossen . Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung . Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 19 . Oktober 2016, 13 Uhr, ein . Ich wünsche Ihnen bis dahin alles Gute . Die Sitzung ist geschlossen .