Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 9/21/2016

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet . Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie herzlich zu unserer Plenarsitzung . Ich rufe zunächst die Tagesordnungspunkte 1 a und 1 b auf: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen von Paris vom 12. Dezember 2015 Drucksache 18/9650 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit ({0}) Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- schätzung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen von Paris vom 12. Dezember Drucksache 18/9520 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit ({1}) Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Eine Aussprache ist für heute nicht vorgesehen . Deswegen haben wir über die Überweisung zu befinden. Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 18/9650 und 18/9520 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Hat jemand andere Vorschläge? - Diesmal nicht . Oder Einwände? - Auch nicht . Dann sind die Überweisungen so beschlossen . Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 2: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. Hierzu erteile ich das Wort für einen einleitenden fünfminütigen Bericht der zuständigen Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Frau Nahles . Ich bitte die Fraktionen, soweit erkennbar, mir vielleicht schon einmal gewünschte Nachfragen mitzuteilen, damit wir sie ein bisschen vorsortieren können . - Frau Nahles, bitte schön .

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat heute den Entwurf des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes auf den Weg gebracht . Damit setzen wir die Regelbedarfe für das SGB II und das SGB XII ab 1 . Januar 2017 fest . Die Festsetzung der Regelbedarfe beruht auf der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe aus dem Jahr 2013 . Wichtig ist es mir, hier festzuhalten: Der Entwurf stellt niemanden schlechter . Im Gegenteil: Die Beträge für die meisten Bedarfsstufen steigen an, zum Teil deutlich . Die Methode, die wir bei der Berechnung der Regelbedarfe anwenden, hat das Bundesverfassungsgericht erst im Jahr 2014 grundsätzlich bestätigt . Die Kritikpunkte des Gerichtes haben wir bei der Neuberechnung berücksichtigt . Das betraf zum einen die Ermittlung der Verbrauchsausgaben für Mobilität und zum anderen die Jugendlichen zugeordneten Ausgaben für alkoholische Getränke und Tabakwaren sowie weitere Prüfaufträge . Die Regelbedarfe sollen zum 1 . Januar 2017 wie folgt erhöht werden: Der Regelbedarf für eine alleinstehende Person steigt ab 1 . Januar 2017 um 5 Euro von 404 Euro auf 409 Euro; für Partner in Paarhaushalten um 4 Euro von 364 Euro auf 368 Euro . Für Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren steigt der Regelbedarf von bislang 270 Euro auf 291 Euro, also eine ordentliche Steigerung um 21 Euro . Bei den unter Sechsjährigen wird die Höhe des bisherigen Regelbedarfes durch eine Besitzstandsregelung gesichert . Maßgeblich für die Zuordnung in die Regelbedarfsstufe 1 oder 2 - das ist eine wichtige Neuerung - wird in Zukunft sein, ob Personen zusammen mit ihrem Partner in einer Wohnung leben oder nicht . Das bisherige Merkmal, nämlich eine „gemeinsame Haushaltsführung“, entfällt, um Schwierigkeiten bei der Zuordnung künftig zu vermeiden . Das gilt auch für erwachsene Menschen mit Behinderungen im Haushalt der Eltern, der Freunde oder Verwandten . Künftig gilt für sie dauerhaft die höhere Regelbedarfsstufe 1 . Das ist eine wesentliche Verbesserung . Außerdem berücksichtigt der vorliegende Entwurf, dass es den Begriff der „Unterbringung in einer stationären Einrichtung“ für Menschen mit Behinderungen nach Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes, das noch diese Woche ins Parlament eingebracht wird, ab 2020 nicht mehr geben wird . Die neuen Wohnformen, in denen auch Leistungen der Eingliederungshilfe erbracht werden, werden wegen ihrer Ausstattung mit einem Paarhaushalt vergleichbar sein . Damit gilt für ihre Bewohner Regelbedarfsstufe 2 . Neu und wichtig als Verbesserung haben wir eingeführt, dass Erwerbsunfähige und Ältere im Haushalt naher Angehöriger künftig auch pauschale Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhalten . Diese werden anerkannt; das war bisher oftmals nicht so . Diese Regelung stellt sicher, dass die nahen Angehörigen finanziell nicht belastet werden, da sie für Leistungsberechtigte in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung grundsätzlich kein eigenes Einkommen und Vermögen einsetzen müssen . Damit die neuen Regelbedarfe zum 1 . Januar 2017 in Kraft treten können, muss der Gesetzentwurf nun zügig den Bundestag und den Bundesrat passieren . Vielen Dank .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die erste Nachfrage geht an den Kollegen Wunderlich .

Jörn Wunderlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003867, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Frau Ministerin, bei den Regelbedarfen haben sich zahlreiche Verbände für die Einführung eines Unterhaltsmehrbedarfs bei Kindern getrennt lebender Eltern ausgesprochen . Dieser wurde bisher nicht berücksichtigt . Was spricht aus Sicht der Bundesregierung gegen eine Berücksichtigung des spezifischen Bedarfs von Kindern getrennt lebender Eltern?

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Aus meiner Sicht ist das eine wünschenswerte Ergänzung, und wir sind an dieser Stelle in enger Beratung mit den Regierungsfraktionen . Das könnte man im Laufe des parlamentarischen Verfahrens noch klären .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Dagmar Schmidt .

Dagmar Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004401, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Ministerin, es gab bereits bei der letzten Neuermittlung der Regelbedarfe Kritik auch vonseiten der SPD . Vielleicht können Sie noch einmal darstellen, was bei der Neuermittlung der Regelbedarfe in diesem Jahr im Vergleich zur letzten Ermittlung geändert wurde .

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Bei der Neuermittlung der Regelbedarfe wurde grundsätzlich die gleiche Vorgehensweise angewendet wie bei der Bemessung nach der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 . Warum? Zunächst wurde damals dieses Verfahren kritisiert und dann vor das Bundesverfassungsgericht gebracht, das es im Juli 2014 im Grundsatz bestätigt hat . Es gibt zwar andere Methoden der Berechnung, die man heranziehen könnte, zum Beispiel den Warenkorb, der vor 20 Jahren Grundlage der Berechnung war . Ich bin aber, ehrlich gesagt, froh, dass wir von diesem Verfahren weggekommen sind, weil der Staat mit imaginären Warenkörben, die er befüllt, am Ende nicht wirklich besser gefahren ist, als wenn reale Ausgaben zugrunde gelegt werden . Eine wirkliche Änderung und Verbesserung ist insbesondere, dass wir das Merkmal der Haushaltsführung abschaffen . Es hat auch immer wieder für Irritationen gesorgt - es wurde auch als Schnüffelei betrachtet -, warum gerade in der Sozialhilfe nachgewiesen werden musste, ob jemand allein den Haushalt führt oder ob eine gemeinsame Haushaltsführung vorliegt . Das ist nun eine massive Veränderung .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin .

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Auch dass die Kosten der Unterkunft in der Weise, wie ich es eben dargelegt habe, angerechnet werden, ist eine wesentliche Veränderung gegenüber der bisherigen Ermittlung .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Es ist halt alles kompliziert . Das ist wahr . - Nächste Frage: Kollege Strengmann-Kuhn .

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003888, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank . - Es geht um 8 Millionen Menschen, die Grundsicherungsleistungen beziehen, und das Verfahren ist eigentlich so, dass als Referenzgruppe eine Niedrigeinkommensgruppe betrachtet wird, die selber schon ein sehr geringes Einkommen hat . Es ist aber nicht so, wie Sie gesagt haben, dass einfach deren Ausgaben genommen werden, sondern Sie machen es wie beim Warenkorbmodell, dass Sie zusätzliche Sachen herausrechnen . Darunter sind zum Beispiel Zimmerpflanzen, Haustiere, Gartenpflege, der Weihnachtsbaum, ein Handy, der Babysitter bei Schichtdienst, aber auch ein Gaststättenbesuch . Wie rechtfertigen Sie diese massive Einschränkung der sozialen und kulturellen Teilhabe gerade bei diesen Menschen mit geringen Einkommen - das ist, wie gesagt, ein großer Teil der Bevölkerung -, und trägt das zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei? Diese Forderung trägt ja auch die SPD in Wahlkämpfen und Sonntagsreden vor sich her .

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Es gibt eine Unterscheidung, die auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt hat, zwischen den Leistungen, die für das Existenzminimum relevant und erforderlich sind - dabei haben wir allerdings wenig Spielraum, und da gab es auch Kritik an der letzten EVS 2008 und den Berechnungen, die zugrunde gelegt wurden, das hatte ich vorgetragen, nämlich in Bezug auf Mobilitätskosten, die wir jetzt mit berücksichtigen -, und den darüber hinausgehenden Leistungen . Bei darüber hinausgehenden Leistungen - Sie haben von kulturellen gesprochen - haben wir Spielraum . Die entsprechenden Entscheidungen müssen von Mal zu Mal getroffen werden . Das rechtfertige ich damit, dass ich das, was wir vorschlagen, für angemessen und ausgewogen halte .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die nächste Fragestellerin ist Frau Schimke .

Jana Schimke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004398, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, anhand der gestellten Fragen wurde deutlich, dass das Statistikmodell von vielen kritisiert und die Warenkorbmethode favorisiert wird . Könnten Sie vielleicht noch einmal die besonderen Vorteile der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe darlegen?

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Wie schon Herr Strengmann-Kuhn gesagt hat, liegen den Berechnungen reale Ausgaben zugrunde . Das reale Ausgabeverhalten von 15 bis 20 Prozent der einkommensschwachen Haushalte bzw . der unteren Einkommensgruppen wird hier zugrunde gelegt . Übrigens werden die Hartz-IV-Bezieher nicht berücksichtigt, damit es keinen Karusselleffekt nach unten gibt . ({0}) Das ist realitätsnäher als ein imaginärer Warenkorb, den der Staat zusammenstellt . Ich bin in der Sozialpolitik mit einem solchen Warenkorbmodell groß geworden . Ein solches Modell gab es noch zu Beginn meiner sozialpolitischen Tätigkeit . Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Der Streit war immer sehr groß, beispielsweise darüber, ob die Ausgaben für eine halbe Kinokarte berücksichtigt werden sollten oder nicht . Wie Sie aber sehen, können wir solche Auseinandersetzungen auch mit der jetzigen Methode nicht völlig auflösen. Die grundlegende Aufgabe ist, die Existenz zu sichern und bis zu einem bestimmten Grad eine kulturelle Teilhabe zu ermöglichen . Es lohnt sich jedenfalls, das Ganze immer wieder zu überprüfen . Das haben wir auch gemacht, bevor wir die nun zur Diskussion stehenden Änderungen vorgenommen haben .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kipping, bitte .

Katja Kipping (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003786, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Ministerin, als das letzte Mal die Hartz-IV-Regelsätze neu berechnet wurden, waren Sie noch in der Opposition . Das passierte damals unter Ursula von der Leyen . Sie haben im Jahr 2010 gegenüber der Rheinischen Post und anderen Zeitungen gesagt, das sei künstlich heruntergerechnet . Nun haben Sie als Ministerin dieselben Parameter zugrunde gelegt . Warum handelt es sich jetzt nicht um ein künstliches Herunterrechnen des Hartz-IV-Regelsatzes?

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Wir haben intensiv geprüft und festgestellt - genauso wie damals das Bundesverfassungsgericht -, dass insbesondere Mobilitätskosten nicht in ausreichendem Umfang sowie Ausgaben für Tabak- und Alkoholkonsum für Jugendliche in zu hohem Umfang berücksichtigt werden . Das haben wir jetzt korrigiert . Darüber hinaus ist wichtig - ich betone das -, dass nun die KdU, die bei nahen Verwandten angefallen sind, berücksichtigt werden . Ich kann also guten Gewissens sagen, dass wir das, was aus unserer Sicht begründbar ist, einbeziehen . Wir rechnen nichts herunter . Was wir tun, hat Hand und Fuß .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kolbe .

Daniela Kolbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004079, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr verehrte Frau Ministerin, es gibt noch einen Kritikpunkt betreffend die Bemessungsgrundlage . Es wird darauf hingewiesen, dass sich in der Referenzgruppe auch Menschen befinden, die eigentlich Ansprüche auf Sozialleistungen haben, Stichwort „verdeckte Armut“ . Was entgegnen Sie dieser Kritik?

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Das haben wir sehr intensiv geprüft . Das war einer der Prüfaufträge, die das Bundesverfassungsgericht angemahnt hatte . Ich halte das für eine wichtige Frage . Aber ich muss leider zugeben, dass wir dies nicht befriedigend lösen können, weil es uns nicht gelungen ist, herauszufinden, wie viel verdeckte Armut es wirklich gibt. Die hier herrschende Unsicherheit ist so erheblich, dass wir nicht zu Schätzungen mit einer gewissen Substanz kommen konnten . Die hieran geäußerte Kritik kann ich leider nicht völlig ausräumen . Es gibt verdeckte Armut . Aber wir können sie methodisch nicht erfassen und daher keine entsprechenden Einschätzungen vornehmen . Wie der Name schon sagt: verdeckte Armut .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Brantner .

Dr. Franziska Brantner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004255, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie haben gerade auf die Frage von Herrn Wunderlich geantwortet, dass Sie als Regierung die Einführung eines Anspruchs auf Umgangsmehrbedarf als sehr positiv betrachten . Frau Schwesig hatte dies schon am 4 . Mai 2016 angekündigt . Das Parlament könnte es ja einbringen . Trotzdem würde ich gerne verstehen: Warum ist es denn bisher von Ihnen noch nicht gekommen, wenn Sie alle es eigentlich richtig finden? Wo liegen denn die Probleme? Warum ist es noch nicht Teil Ihrer Vorlage?

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Wir diskutieren darüber mit den Regierungsfraktionen, und hoffentlich gibt es da bald eine Einigung . Es gab ja einen Vorlauf dergestalt, dass in der Öffentlichkeit Behauptungen umgingen, dass wir hier - was überhaupt nicht stimmt - eine Leistungskürzung vornehmen würden . Wir wollten hier lediglich - basierend auf einem Bundessozialgerichtsurteil - im sogenannten SGB-II-Rechtsvereinfachungsgesetz eine Klarstellung vornehmen . Dabei ist dann eben auch herausgekommen, dass es durchaus berechtigte Gründe gibt, diesen Mehrbedarf anders zu behandeln, als wir es bisher gemacht haben . Ich bin zuversichtlich, dass wir das noch zu einem positiven Abschluss bringen werden .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Matthäus Strebl .

Matthäus Strebl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002940, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, meine Frage geht auch in diese Richtung: Wie wir ja wissen, hat das Bundesverfassungsgericht vorgegeben, dass der Gesetzgeber dafür Sorge zu tragen hat, dass erkennbare Risiken einer Unterdeckung existenzsichernder Bedarfe im Einzelfall vermieden werden müssen . Meine Frage an Sie: Wie wird dieser Forderung nachgekommen?

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Das ist etwas, wo es in der Praxis tatsächlich immer wieder erhebliche Bedarfe gibt . Wir haben hier, wie ich finde, im SGB II eine angemessene Darlehenslösung, und zwar sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen für die Beantragung von Darlehen zur Überbrückung schwieriger Situationen als auch hinsichtlich der sehr großzügigen Rückzahlungsmodalitäten . Das ist für die Betroffenen, glaube ich, bewältigbar ausgestaltet worden . Damit versuchen wir, das jetzt in den Griff zu kriegen . Ich glaube, das funktioniert auch . Insoweit hoffe ich, dass wir das auch in einigen Jahren in der Rückbetrachtung so bilanzieren können .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Müller-Gemmeke .

Beate Müller-Gemmeke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004117, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Sehr geehrte Frau Ministerin, ist es richtig, dass beim Regelsatz für Kinder und Jugendliche beispielsweise Kosten für Malstifte, einen Regenschirm oder Handys nicht vorgesehen sind? Und ist es auch richtig, dass es kein Geld dafür gibt, damit Kinder im Sommer beispielsweise mit Freundinnen einmal ein Eis essen gehen können? Wenn das so stimmt, sind Sie dann der Auffassung, dass damit das Existenzminimum und die gesellschaftliche Teilhabe gesichert sind?

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Nun, das alles ist richtig, und Sie wissen das auch . Sie knüpfen die Frage daran an: Ist das gerechtfertigt? Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Es gibt ganz viele Leute, die in Arbeit sind und wenig Einkommen - vielleicht den Mindestlohn - haben . Auch diese müssen da abwägen und können auch nur eingeschränkt Teilhabe wahrnehmen . Ich denke, das ist deswegen ein grundsätzliches Problem . Wir haben versucht, im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepaketes gerade junge Leute in Bezug auf Schulausflüge, Mittagessen und anderes zu unterstützen. Auch Nachhilfe wird mittlerweile in diesem Bereich finanziert. Das alles sind unsere Maßnahmen, um genau die Teilhabe, von der Sie reden, auch zu ermöglichen . Aber natürlich hat das auch Grenzen . Es ist nicht schön, wenn ich Folgendes sagen muss: Das hat nicht nur Grenzen, weil der Finanzminister vielleicht zu wenig Geld hat, sondern weil es natürlich auch um eine Relation geht . Es geht um die Relation zwischen denen, die wir im Rahmen des SGB-II- und SGB-XII-Regelkreises unterstützen, und denen, die für ihren Lebensunterhalt arbeiten und vielleicht keine hohen Löhne bzw . Einkommen haben . ({0}) Genau diese Gruppe von Menschen ist ebenfalls in ihren Möglichkeiten eingeschränkt . Sie mögen das anders sehen, aber es ist meine feste Überzeugung, dass wir auch das insgesamt betrachten müssen . ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Paschke .

Markus Paschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004371, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, das Bundesverfassungsgericht hat auf die Notwendigkeit einer laufenden Überprüfung der Höhe der Regelbedarfe bei außergewöhnlich hohen Preissteigerungen hingewiesen . Das spielte ja eine Zeit lang in Bezug auf das Thema Stromkosten eine Rolle . Wie wurde dem im Entwurf Rechnung getragen?

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Das BMAS teilt die Auffassung, dass der Gesetzgeber ganz klar verfassungsrechtlich verpflichtet ist, zu raschen Anpassungen zu kommen, wenn es extreme Preisentwicklungen gibt . Diese sind in der Vergangenheit hauptsächlich im Zusammenhang mit Stromkosten aufgetreten . Das Statistische Bundesamt stellt uns deswegen nicht nur einmal jährlich eine Übersicht über die Veränderungen bei dieser relevanten Personengruppe zur Verfügung das wäre ein ziemlich langer Zeitraum -, sondern - das kann ich Ihnen versichern - das Statistische Bundesamt legt uns monatlich Daten über diese Entwicklung vor, die uns zur Verfügung stehen . Wir könnten deswegen unmittelbar darauf reagieren . Es ergibt sich aus meiner Sicht keine Notwendigkeit, das gesondert zu regeln . Vielmehr können wir aufgrund des sehr intensiven monatlichen Monitorings sicherstellen, dass wir gegebenenfalls intervenieren . Die gute Nachricht ist: Aufgrund der sehr verhaltenen Preisdynamik hat es solche Fälle in den letzten Jahren nicht gegeben . Wir erwarten sie auch nicht für dieses oder nächstes Jahr .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Haßelmann .

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Frau Ministerin, es klingt schon irgendwie zynisch, was die Grenze bei den Malstiften und dem Adventsschmuck angeht, muss ich Ihnen ehrlich sagen . ({0}) Es ist schwer zu verstehen, wie Sie die natürliche Grenze begründen . Meine Frage betrifft aber ein anderes Thema . Im monatlichen Regelbedarf sind 3 Euro für die Anschaffung von Kühlschränken und Waschmaschinen vorgesehen . Jeder und jede von uns kann sich vorstellen, wie lange man 3 Euro pro Monat ansparen muss, wenn man ein einigermaßen energiesparendes Gerät kaufen will . Ich befürchte, dass Sie mir die gleiche Antwort mit dem Hinweis auf das Lohnabstandsgebot geben wie gerade meiner Kollegin zu den Malstiften . Dennoch meine Frage: Sind Sie der Auffassung, dass es realistisch ist, mit dem Ansparen von 3 Euro monatlich zu einer Waschmaschine, die einigermaßen modernen Energiestandards entspricht, zu kommen? Was halten Sie von dem Vorschlag, weiße Ware auf Antrag als einmalige Leistung beziehen zu können und aus dem Regelsatz herauszunehmen?

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Es gibt sicherlich viele ähnliche Beispiele . Würde man das aufgreifen, würde das jedoch eine andere Systematik nach sich ziehen . Wenn man das alles summiert, kommt man am Ende doch wieder zu einem Waren korbmodell . Darüber kann man diskutieren . Aber wenn Sie die verschiedenen Waren, die Sie jetzt, durchaus plausibel, aufzählen, aus dem Regelsatz herausnehmen wollen, dann ist das am Ende ein Warenkorbmodell . Wir haben eine andere Herangehensweise . Man kann über die Grundlagen streiten, und das haben wir auch bis hin zum Bundesverfassungsgericht gemacht . Solange wir aber bei unserer Systematik bleiben - mit diesem Entwurf tun wir das -, ist der Bedarf erst einmal abgedeckt . Das Ansparen ist mit den 3 Euro möglich . Wenn das nicht geht, greift die Darlehensregelung, die ich Ihnen eben dargelegt habe, womit Sonderbedarfe so abgedeckt werden können, dass die Leute sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten finanzieren können. Im Übrigen ist Ehrlichkeit nicht zynisch .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Lezius .

Antje Lezius (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004341, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Sehr geehrte Frau Ministerin, mit den Regelbedarfen wird ein Teil des soziokulturellen Existenzminimums festgelegt . Dieser Bedarf kann, wie wir gehört haben, auf unterschiedliche Weise ermittelt werden . Das Bundesverfassungsgericht - das haben Sie eben erklärt - hat kritisiert, dass durch die Nichtberücksichtigung von Haushalten mit Kfz-Kosten der Mobilitätsbedarf nur unzureichend abgebildet wird . Mobilität sei aber zur Teilhabe an der Gesellschaft besonders wichtig . Werden nunmehr Kfz-Kosten beim Mobilitätsbedarf berücksichtigt?

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Das war nicht ganz präzise . Das Bundesverfassungsgericht hat nicht die Entscheidung kritisiert, Kfz-Kosten nicht im Regelbedarf zu berücksichtigen . Das hat es erst einmal akzeptiert . Wenn man das aber tue, was wir gemacht haben, müsse berücksichtigt werden, dass der Mobilitätsbedarf von Personen, die Kfz-Kosten hatten, bei bloßer Nichtberücksichtigung statistisch unterfasst bleibe . Das ist genau das, was ich immer mit Mobilitätskosten beschreibe, bezüglich derer kritisiert wurde, dass wir diese nicht ausreichend berücksichtigen . Was haben wir jetzt gemacht? Wir haben uns mit Fachleuten beraten . Dann haben wir gesagt: Wir berücksichtigen bei den Regelbedarfen die ermittelten Verbrauchsausgaben im ÖPNV, und diese sind jetzt hier mit eingeflossen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Wunderlich .

Jörn Wunderlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003867, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank . - Ich muss jetzt eins sagen: Frau Ministerin, Sie haben vorhin vorgetragen, der Hartz-IV-Regelsatz für Kinder in der Altersgruppe 6 bis 13 Jahre solle von 270 Euro auf 291 Euro angehoben werden, und behauptet, dies sei ein richtig dicker Batzen . Ich meine, das ist der Beweis dafür, dass jahrelang unterfinanziert worden ist und dass das Existenzminimum dieser Altersgruppe eben nicht bedarfsgerecht abgedeckt worden ist . Nur so viel dazu . Sie sprachen gerade das Bildungs- und Teilhabepaket an . Nach wie vor wird da nichts dynamisiert . Es gibt ein schwieriges Antragsverfahren . Bleiben Sie dabei, dass der Regelbedarf für Schulmaterial 100 Euro pro Schuljahr beträgt, obwohl eine aktuelle Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD besagt, es seien mindestens 150 Euro pro Schuljahr nötig? Das heißt, dadurch werden trotz eines Bildungs-und Teilhabepaketes die Bildungs- und Startchancen für das Leben weiterhin verschlechtert .

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Ja, dabei bleiben wir .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Verlinden .

Dr. Julia Verlinden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004429, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin, aus einer Studie zum Stromverbrauch, die im Jahr 2015 erstellt wurde, geht hervor, dass bei den Vergleichshaushalten der monatlich im Regelsatz fehlende Betrag für Strom abhängig von der Größe eines Haushalts zwischen 5 und 11 Euro liegt . Da der Regelsatz nur um 5 Euro angehoben wurde im Vergleich zu 2011, liegt womöglich eine Unterdeckung vor . Wie wollen Sie sicherstellen, dass es in Zukunft trotz dieser Diskrepanz - 5 Euro bis 11 Euro monatliche Unterdeckung bei den Stromkosten, je nach Haushaltsgröße; Sie haben mit 5 Euro gerechnet - zu keiner Bedarfsunterdeckung kommen wird, zumal es ja für Menschen, die im SGB-II-Bezug sind, gar nicht so einfach ist, ihren Stromanbieter zu wechseln? Es gibt zum Teil Tarife, die sehr viel günstiger sind, womit man die Stromkosten reduzieren könnte; dennoch ist es aufgrund von Schufa-Einträgen oder anderem für manche Menschen gar nicht so einfach, den Stromanbieter zu wechseln . Deswegen ist es sehr wichtig, zu schauen, dass die Grundversorgertarife mit dem übereinstimmen, was Sie den Menschen mit dem Regelsatz zur Verfügung stellen .

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Es wird hier immer wieder der Eindruck erweckt, als ob wir im Bundesarbeitsministerium die Regelsätze zusammenwürfelten . Das ist aber nicht der Fall . Wenn Sie behaupten, wir hätten 5 Euro für Stromkosten angesetzt, obwohl eigentlich bis zu 11 Euro angemessen wären, dann ist das nicht korrekt . Wir haben hier die realen Ausgaben der einkommensschwachen Haushalte zugrunde gelegt, und diese Ausgaben haben wir uns nicht ausgedacht . Deswegen bestreite ich erst einmal, dass es diese Diskrepanz in dieser Form gibt . Wir haben in den Gesetzentwurf Mechanismen eingebaut, durch die zum Beispiel abgestellt wird, dass es an einer Stelle eine Lücke gibt, nämlich dass KdU-Kosten nicht übernommen werden, wenn jemand bei nahen Verwandten lebt . Die Kritik, die es am bisherigen Zustand gab, akzeptiere ich, und wir haben daraus die Konsequenzen gezogen . Aber grundsätzlich kann ich dem, was Sie sagen, nicht folgen . Interessant ist - das will ich gerne mitnehmen; wir werden gerne noch einmal überlegen, was wir da tun können - die mit dem Wechsel zu einem günstigeren Anbieter verbundene Problematik . Die ist mir bekannt . Ich finde Ihren Hinweis darauf erst einmal richtig. Ich würde gerne schauen, ob es dafür nicht eine vernünftige Lösung gibt, weil das ja eigentlich nicht in unser aller Interesse sein kann .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die Zuhörer sollten wir vielleicht deutlich machen, dass mit „KdU“ kein Sportverein, sondern „Kosten der Unterkunft“ gemeint sind .

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Natürlich . Entschuldigung .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Kurth .

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin, Sie haben gerade auf die Frage der Kollegin Britta Haßelmann, ob es nicht sinnvoll sei, hochpreisigere Gebrauchsgüter als Pauschalleistung zu bewilligen, geantwortet, das sei eine Abkehr vom Statistikmodell und eine Rückkehr zum Warenkorbmodell . Meiner Auffassung nach ist es eher eine Differenzierung des Statistikmodells, dass man bei umrissenen und genau bestimmbaren Einzelgruppen - hier handelt es sich im Wesentlichen ja um Kühlschränke und Herde, also um sogenannte weiße Ware - sehr wohl in sehr engem Rahmen entsprechend vorgehen kann, weil es ja erkennbar realitätsfremd ist, 3 Euro im Monat für den Kauf einer Waschmaschine anzusparen . Selbst wenn man ein Gebrauchtgerät kaufen möchte, müsste man dann drei oder vier Jahre lang sparen . Sie wollen die Unterdeckung über Darlehen kompensieren . Ist Ihnen bekannt, wie hoch der Verwaltungsaufwand für Darlehen ist, die Hartz-IV-Beziehende mit 5 Euro im Monat über viele Monate tilgen müssen? Steht dieser Verwaltungsaufwand nicht in einem großen Missverhältnis zu der ausgereichten Leistung? Wäre es nicht schon allein aufgrund dieses Verwaltungsaufwandes für die Darlehen angezeigt, eine klare Lösung im Sinne einer Pauschalierung zu finden?

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Mir liegen dazu keine Erkenntnisse vor . Es ist aber eine interessante Frage . Der gehe ich einmal nach .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Letzte Frage zu diesem Sachbereich von Kollegin Müller-Gemmeke . ({0}) - Mir wurde ein weiterer Fragewunsch nicht signalisiert . ({1}) - Ach, Frau Kipping . Ich habe Sie anstelle vom Kollegen Wunderlich gestrichen . Aber Sie bekommen natürlich noch das Wort . ({2}) - Offenkundig . ({3}) Man braucht nur das drohende Ende einer Debatte anzukündigen - schon kommen die Wortmeldungen wie Pilze aus dem Boden geschossen . Bitte schön, Frau Müller-Gemmeke .

Beate Müller-Gemmeke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004117, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank . - Ich muss auf die Ausführungen zurückkommen, die Sie auf meine letzte Frage hin gemacht haben; „Regelsätze für Kinder und Jugendliche“, „Malstifte“ waren die Stichworte . Diese Ausführungen haben mich sehr irritiert; denn es geht momentan bei der Regelsatzberechnung ganz klar darum, dass das Existenzminimum gesichert sein muss, und dazu gehört definitiv auch die gesellschaftliche Teilhabe . Das Bundesverfassungsgericht hat sehr eindeutig gesagt, dass bei der Berechnung das Lohnabstandsgebot - wie hoch ist der Regelsatz, und wie viel verdienen beispielsweise Niedrigverdienende in Deutschland? überhaupt keine Rolle spielen darf . Trotzdem habe ich, wenn ich Sie so reden höre, das Gefühl, dass Sie die Menschen, die niedrige Einkommen beziehen, und die Menschen, die momentan keine Arbeit haben, also erwerbslos und auf Leistungen angewiesen sind, gegeneinander ausspielen . Sie müssten doch aber auf der einen Seite das Existenzminimum sichern und auf der anderen Seite genügend Maßnahmen auf den Weg bringen, dass die Menschen, die Arbeit haben, davon tatsächlich auch leben können . Gegeneinander ausspielen, das geht gar nicht .

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Ihnen ist bekannt, dass ich den Mindestlohn hier als Ministerin durchgesetzt habe - gegen nicht ganz unerhebliche Widerstände an einigen Stellen . Ich glaube, da brauche ich keine Aufklärung . Ich kann leider auch Ihre Irritation jetzt nicht auflösen. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Zech .

Tobias Zech (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004450, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Frau Ministerin, wir erleben gerade, dass wir bei der Ermittlung von Regelsätzen eine sehr komplexe Vorgehensweise haben; bei jedem Komma neigt man zu Diskussionen . Könnten Sie uns - neben einzelnen Regelsätzen - vielleicht noch kurz erläutern, was sich durch den Entwurf noch verändert, welche Neuerungen Sie noch vorsehen? Vielen Dank .

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Wichtig scheint mir auch Folgendes zu sein: Bisher hatten wir die Situation, dass für Menschen mit Behinderungen, die meist bei ihren Eltern oder Verwandten leben, keine Gleichbehandlung vorgesehen war . Wir behandeln sie jetzt in den Regelbedarfsstufen gleich; sie werden wie alle anderen behandelt. Das, finde ich, ist ein wichtiger Schritt, der übrigens auch von vielen Behindertenverbänden und den Kirchen seit Jahren gefordert wurde . Wir hatten eine Übergangsregelung, und diese wird jetzt auf Dauer gelten . Darüber bin ich sehr froh . Das ist eine weitere Verbesserung im jetzigen Entwurf .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kipping .

Katja Kipping (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003786, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Nahles, Sie haben selber ausgeführt: Bei der Ermittlung der Hartz-IV-Regelsätze sind die Ausgaben der ärmeren Haushalte zugrunde gelegt worden . Diese Methode nennt sich „Statistikmodell“, und sie birgt eine Gefahr: Wenn den ärmeren Haushalten, also den ärmeren 15 Prozent, das Geld für wirklich wichtige Dinge fehlt, finden wir uns in einer Verarmungsspirale wieder, weil von deren Ausgaben die Regelsätze abgeleitet werden . Ich will das an zwei Beispielen aus der aktuellen Statistik illustrieren: Jugendliche über 15 Jahre haben nach dem Statistikmodell im Monat durchschnittlich 22 Cent für Bildungswesen ausgegeben - 22 Cent für Bildungswesen! Das ist doch ein Ausdruck dafür, dass den Familien das Geld fehlt, um ihren Kindern auch mal irgendeinen Kurs zu finanzieren. Erwachsene haben rund 26 Euro für die Benutzung von Bus und Bahn ausgegeben . In welcher Stadt kann man dafür, bitte schön, eine Monatskarte kaufen? Auch das ist ein Ausdruck dafür, dass Geld für Wichtiges fehlt . Vor diesem Hintergrund meine Frage: Wäre es nicht sinnvoll, das Statistikmodell wenigstens mit einer Art Bedarfs-TÜV zu kombinieren?

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Was Sie jetzt genau unter „Bedarfs-TÜV“ verstehen, kann ich nicht nachvollziehen . Ich möchte Ihnen allerdings sagen, dass ich die Verantwortung für bezahlbare Schülertickets - und solche Angebote halte ich für notwendig - nicht alleine auf der Bundesebene sehe . Ich habe Präsident Dr. Norbert Lammert mit großer Irritation gesehen, dass bezahlbare Sozialtickets und Schülertickets in den letzten Jahren nicht mehr so weit verbreitet waren wie zu meiner Schülerzeit . Ich kann und muss an dieser Stelle sehr deutlich dazu auffordern, dass man sich auf der kommunalen Ebene wieder verstärkt darum kümmert . Da müssen auch die Länder gegebenenfalls unterstützen . Wir können diese Hilfen für die Familien im unteren Einkommensbereich - genauso wie für diejenigen, die auf Unterstützung durch SGB II oder SGB XII angewiesen sind - zum Großteil auf der Bundesebene stemmen; da sehen wir uns auch voll in der Verantwortung . Aber es ist nicht allein unsere Aufgabe . Insoweit haben Sie an dem Punkt meiner Meinung nach ein indirektes Plädoyer für die Sozialtickets gehalten . Ansonsten werden wir uns heute, glaube ich, nicht mehr einig über die Grundlagen der Berechnung . Das heißt aber nicht, dass wir im Laufe der anstehenden parlamentarischen Beratungen nicht noch aufeinander zugehen können . - Vielen Dank .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Strengmann-Kuhn .

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003888, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank für die Möglichkeit, noch einmal nachzufragen . - Vorgaben zur Bedarfsprüfung waren übrigens im letzten Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit enthalten; dabei sind die Mobilitätskosten und auch die Stromkosten explizit erwähnt worden . Das hätte man also eigentlich machen müssen . Aber ich wollte zu einem anderen Punkt noch einmal nachfragen, und zwar zu den Zirkelschlüssen . Sie haben eben selbst gesagt, dass eigentlich vermieden werden sollte, dass man die Berechnung der Regelsätze an Leuten orientiert, die selber Hartz IV beziehen . Die verdeckten Armen sind schon angesprochen worden . Auch als Wissenschaftler, der sich damit beschäftigt hat, würde ich sagen: Das, was Sie gesagt haben, stimmt nicht; man kann sie durchaus herausfiltern. Auch das, was Sie im Zusammenhang mit den Hartz-IV-Empfängern gesagt haben, ist nicht ganz richtig; denn es sind nicht alle

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Die Aufstocker nicht .

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003888, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

- die sogenannten Aufstocker nicht . Zumindest diejenigen mit geringem Einkommen bis zu 100 Euro - die 100 Euro sind eigentlich nur dazu da, die Zusatzkosten für die Erwerbstätigkeit abzudecken - müsste man eigentlich herausrechnen . Ebenfalls nicht herausgerechnet sind Menschen, die BAföG-Leistungen, die in der Regel niedriger als Hartz-IV-Leistungen sind, beziehen . Das heißt, in der Referenzgruppe sind einige Gruppen,

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege, Sie wollten eine Frage stellen .

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003888, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

- die auf Hartz-IV-Niveau sind oder sogar darunter liegende Einkommen haben . Das müsste man doch wenigstens beseitigen . Oder?

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Das haben wir jetzt nicht gemacht .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kipping noch einmal zur Verdeutlichung des inzwischen wahrgenommenen Unterschieds zum Kollegen Wunderlich .

Katja Kipping (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003786, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank; ich bin ganz gerührt . - Frau Nahles, Sie haben angedeutet, dass man noch aufeinander zugehen kann . Ich will mal einen Paragrafen des Referentenentwurfes - den Kabinettsentwurf konnten wir noch nicht sehen -, nämlich § 9, herausgreifen . Dieser sieht vor, dass Kindern, die in der Schule ein Mittagsessen bekommen, und Menschen mit Behinderungen, die in Werkstätten arbeiten und in der Kantine ein Mittagessen bekommen, pro Essen vom ohnehin niedrigen Satz noch mal 1 Euro abgezogen wird . Das heißt doch, dass ein ohnehin niedriger Regelsatz im Monat zusätzlich um über 20 Euro gekürzt wird . Die Frage ist: Müssen Sie wirklich bei Menschen, die so wenig haben, so kleinlich sein, und kann dieser Paragraf nicht einfach herausfliegen aus diesem Gesetzentwurf?

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Wir subventionieren sehr häufig Mittagessen, die dann teilweise kostenlos sind, mit öffentlichen Mitteln; das heißt, dieses Geld wird durch die Gemeinschaft der Beitragszahler und Steuerzahler gestellt . Von daher ist eine Doppelfinanzierung an dieser Stelle sicherlich auch fragwürdig . Natürlich können Sie an diesem Punkt auch Kleinlichkeit unterstellen . Ich muss aber ehrlich sagen: Systematisch ist das begründet . Aus meiner Sicht wäre eine doppelte Belastung derjenigen, die das mit niedrigem Einkommen finanzieren müssen, ebenfalls ein Problem. Von daher weiß ich nicht, ob wir an dem Punkt zusammenkommen können .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nun schließe ich die Fragen zu diesem heutigen Thema der Kabinettssitzung ab, mit Dank an die Ministerin . - Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Herr Kollege Wunderlich und dann Frau Werner .

Jörn Wunderlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003867, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Meine Frage passt thematisch: Nach jahrelangem Ringen hat der Vorsitzende der SPD gesagt: Wir wollen die Zahlung des Unterhaltsvorschusses bis zum 18 . Lebensjahr des Kindes verlängern . Frau Familienministerin Schwesig hat das am vorletzten Freitag im Familienausschuss ebenfalls gefordert . Hier im Plenum ist der letzte Antrag mit der Begründung abgelehnt worden, es sei ein richtiger Antrag, es seien nur nicht die finanziellen Mittel vorhanden. Finanzminister Schäuble hat nun gesagt, angesichts der erwirtschafteten Milliarden seien Spielräume vorhanden . Meine Frage: War das Thema „Zahlung des Unterhaltsvorschusses bis zum 18 . Lebensjahr des Kindes“ auch Gegenstand der Kabinettssitzung? Damit könnten viele Familien aus dem Hartz-IV-Bezug geholt werden, was zu Einsparungen in Ihrem Haushaltstitel führen würde .

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Nein, war es nicht . ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Werner .

Katrin Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004188, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wie Sie sich sicherlich denken können, geht es bei meiner Frage um das Bundesteilhabegesetz . Sie sprachen gerade von erheblichem Widerstand . Haben Sie etwas durchgesetzt? Im Moment sieht es so aus, als ob gegen den erheblichen Widerstand vieler Verbände etwas durchgesetzt wird, zumindest wenn es keine erheblichen Nachbesserungen geben wird . Mich interessiert, ob das Bundesteilhabegesetz aufgrund der Empfehlungen des Bundesrates bzw . der Ausschüsse Thema der Kabinettssitzung war . Es wurde der Bundesregierung vorgeworfen, die Versprechen aus dem Koalitionsvertrag nicht eingehalten zu haben . So heißt es in den Empfehlungen: … dass die Zusagen des Bundes auch beinhalteten, dass aus dem Bundesteilhabegesetz keine zusätzlichen Ausgaben für Länder und Kommunen erwachsen dürfen und die Reform einen Beitrag dazu leistet, . . . Dann heißt es weiter: Diese Ziele werden mit dem vorliegenden Gesetzentwurf klar verfehlt . Denn der Gesetzentwurf geht nicht von einer finanziellen Entlastung, sondern von einer Belastung . . . aus . Wenn Sie in der Kabinettssitzung nicht darüber gesprochen haben, würde mich interessieren, ob Ihr Haus und das Haus des Finanzministers im Rahmen der Haushaltsberatungen weitere Gespräche führen werden . Sie kommen auch aus Rheinland-Pfalz . Kommunaler Entschuldungsfonds und Schuldenbremse dürften auch Ihnen ein Begriff sein .

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Wir bringen morgen das Bundesteilhabegesetz hier im Parlament ein . Dann besteht sicherlich ausreichend Zeit, dies zu diskutieren . Wir haben zusätzliche Mittel von bis zu 700 Millionen Euro bis zum Jahr 2020 im Haushalt ausgewiesen, um das, was wir an Mehrbedarfen durch das Gesetz auslösen, auszugleichen . Das heißt, es gibt sehr wohl eine Finanzierung des Gesetzes . Darüber hinaus beraten wir natürlich mit den Ländern über ihre Stellungnahme . Sehr auffällig ist - das will ich Ihnen nicht verhehlen -, dass die Länder zwar vieles unterstützen, aber sagen, dass der Bund es bezahlen soll . Das ist natürlich ein altes Spiel . Darüber müssen wir noch reden . Aber ich kann sagen, dass das, was wir in diesem Gesetz als Leistungsverbesserung haben, durch zusätzliche Mittel durch den Bundeshaushalt abgedeckt wird .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Ströbele, ich habe Ihren Namen notiert, hatte aber den Eindruck, dass Sie nicht zur Kabinettssitzung eine Frage stellen möchten, sondern zum Thema „sonstige Fragen an die Bundesregierung“ . Wie ist das bei Ihnen, Frau Hänsel? ({0}) - Zum Kabinett, bitte schön .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Herr Präsident . - War heute das Abstimmungsverhalten der Bundesregierung bezüglich CETA Thema im Kabinett? Es gab auch von Ihrer Partei eine Entscheidung dazu . Hat sich die Bundesregierung darauf geeinigt, dass es nicht zu einer vorläufigen Anwendung von CETA seitens der Bundesregierung kommt?

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Das stand heute nicht auf der Tagesordnung . Möglicherweise wird dies auf einer der nächsten Sitzungen behandelt . Das kann ich Ihnen aber jetzt nicht sagen .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Dann rufe ich sonstige Fragen an die Bundesregierung auf . Herr Kollege Ströbele .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Präsident . - Sie haben mich richtig verstanden, ohne dass wir geredet haben . Das war schon einmal gut . Ich habe eine Frage an die Bundesregierung und bedauere, dass Herr Minister Altmaier nicht bleiben konnte . Herr Fritsche, wird ihn wahrscheinlich gut vertreten können . Die Frage lautet: Für welche Bundesministerien und sonstige Bundesbehörden leistet der Bundesnachrichtendienst in Deutschland Kurierdienste? Auf welcher Auftragsgrundlage geschieht so etwas? Handelt es sich dabei um die im Untersuchungsausschuss bekannte Tasche, die auf dem Wege von Bonn nach Berlin zum Beispiel eine Woche und länger transportiert wird?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich ahne, Frau Nahles, dass das die Frage ist, auf die Sie schon den ganzen Tag gewartet haben . ({0})

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Ich muss zugeben: Ich kann die Frage nicht beantworten . Ich bitte, das zu entschuldigen . Aber vielleicht kann Herr Fritsche das tatsächlich übernehmen .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Gut . - Sie sind offenkundig auch damit einverstanden, dass Herr Fritsche das beantwortet . - Bitte schön .

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter Ströbele, die Frage kann ich beantworten . Es ist tatsächlich so, wie es in den Medien geschrieben ist . Ich glaube, auch heute in der Bundespressekonferenz ist dazu gefragt worden . Insofern danke ich Ihnen für die Frage in diesem Rahmen . Es ist richtig, dass der Bundesnachrichtendienst einen Kurierdienst hat . Weil der Bundesnachrichtendienst eine geheim arbeitende Organisation ist und deswegen auch mit Verschlusssachen arbeitet und weil er innerhalb Deutschlands mehrere Außenstellen hat, hat er einen flächendeckenden Kurierdienst, über den solche Verschlusssachen transportiert werden . Es ist genauso richtig, dass auch andere Behörden, die keinen solchen Kurierdienst haben, aber ebenfalls Verschlusssachen haben, ab und zu den Bundesnachrichtendienst bitten, auf seinen normalen Kurierwegen solches eingestuftes Material zu transportieren . Das halte ich in diesen Zeiten, in denen auch auf Ressourcen geachtet wird, für ganz normal . ({0}) Bevor solche Behörden eigene Kurierdienste mit VS-ermächtigten Personen einrichten, ist es, glaube ich, besser, auf den vorhandenen Kurierdienst des Bundesnachrichtendienstes zurückzugreifen . Was die Transportdauer von einer Woche anbelangt, ist Folgendes zu sagen: Wenn die Behörden sagen, dass es sehr eilig ist, etwas zum Beispiel von Bonn nach Berlin zu transportieren - das kommt ab und zu vor -, dann geht das auch schnell . Wenn es aber nicht sehr eilig ist, ist es im Normalfall so, dass es über die Zentrale in Pullach läuft, und dann kann es bis zu einer Woche dauern .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Womit sich die Nachfrage erledigt, Herr Ströbele, ob man für das Austeilen von Wahlkampfpost vielleicht auf den Kurierdienst zurückgreifen könnte . Das wäre dann sicherlich zu spät . ({0}) Frau Haßelmann .

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Nahles, ich frage dann gleich Herrn Fritsche, weil sich meine Frage auf das gleiche Thema bezieht . - Herr Fritsche, auf welcher Rechtsgrundlage wird denn der von Ihnen als selbstverständlich dargestellte Kurierdienst genutzt? Beim BND handelt es sich um einen Auslandsgeheimdienst, und wir reden hier über Bundesbehörden . Wir reden also über sehr grundsätzliche rechtsstaatliche Dinge, die aus gutem Grund voneinander getrennt sind . Von daher finde ich, man sollte es eigentlich nicht so lapidar darstellen, wie Sie es gerade getan haben, dass man da so einen Kurier bestellt, wie ich es vielleicht in meinem Büro mit Fahrradkurieren mache . Der zweite Punkt ist: Finden Sie es nicht verwunderlich, dass solch ein Kurierdienst mit Dingen, die als Streng Geheim eingestuft sind, erst mal von Bonn nach Pullach fährt, um dann vier Tage bis nach Berlin unterwegs zu sein?

Not found (Staatssekretär:in)

Um gleich auf Ihre zweite Frage einzugehen: Das halte ich nicht für verwunderlich; denn der Kurierdienst des Bundesnachrichtendienstes wird einfach genutzt, weil dort ermächtigte Kuriere vorhanden sind . Das halte ich für ganz normal . Zum ersten Punkt . Da wundere ich mich schon ein bisschen über die Frage . Sie weisen hier darauf hin, dass es einen Unterschied zwischen dem Inlandsnachrichtendienst und dem Auslandsnachrichtendienst gibt . Das bestreitet kein Mensch . Aber auch der Auslandsnachrichtendienst ist mit seinen Liegenschaften nicht irgendwo im Ausland untergebracht, sondern in der Bundesrepublik Deutschland, weil er hier für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger tätig ist . ({0}) Deswegen muss er diese Fahrten auch zwischen den hier tätigen Außenstellen des Bundesnachrichtendienstes und der Zentrale durchführen . ({1}) Als Rechtsgrundlage gilt ganz normal die VSA des Bundesministeriums des Innern, in der festgelegt ist, wie Unterlagen einzustufen sind, von VS-NfD, also nur für den Dienstgebrauch, bis zu Streng Geheim . Das ist die entscheidende Grundlage für die Einstufung der Unterlagen . Eine Rechtsgrundlage dafür, dass es hier im Wege der Amtshilfe Unterstützung für andere Behörden geben muss, gibt es außer den allgemeinen Amtshilfevorschriften im Verwaltungsverfahrensgesetz nicht, und ich sehe auch keine Notwendigkeit für weitere Vorschriften .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Nachfragen sehe ich nicht . - Doch . Bitte schön, Frau Künast .

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke . - Ob das Verwaltungsverfahrensgesetz vorsieht, im Wege der Amtshilfe solche Regelfälle zu konstruieren, das können wir an anderer Stelle und zu einem anderen Zeitpunkt noch rechtlich klären, Herr Fritsche . Ich wundere mich auch - so wie Sie sich wundern -, nur aus anderen Gründen . Ich habe heute von Ihnen gehört, dass die Nutzung des Kurierdienstes quasi Teil der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung ist . Sie haben gesagt: Er ist da, also wird er mitgenutzt . - So hatte ich mir Nachhaltigkeit immer vorgestellt, aber zu der darin enthaltenen Instinktlosigkeit, dass ein Auslandsgeheimdienst Kurier im Inland wird, dazu ist mir bisher nichts eingefallen . ({0}) Dazu haben auch Sie nichts gesagt; wobei ich das von Ihnen persönlich auch fast nicht erwartet hätte . Meine Frage lautet: Wie wird denn, wenn die Kuriere entsprechende Unterlagen in ihrem Besitz haben und diese ein paar Tage in Pullach gelagert werden, die Sicherheit gewährleistet? Was ist Ihr Sicherheitskonzept? Werden die Unterlagen aus anderen Behörden und Ministerien in einem Extraraum gesichert, der abgeschlossen ist und Ähnliches? Man muss sich ja die Frage stellen, ob der Bundesnachrichtendienst nicht neugierig ist und einen Blick hineinwirft .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Aber eben alles in einer Minute, Frau Künast . Bitte schön, Herr Fritsche .

Not found (Staatssekretär:in)

Danke, Herr Präsident . - Frau Abgeordnete, zunächst muss ich die Unterstellung zurückweisen, dass der Bundesnachrichtendienst Unterlagen, die er nur transportiert und die für seine Tätigkeit nicht notwendig sind, öffnet . Im Übrigen kann ich nur Ja sagen zu dem, was Sie unterstellt haben, nämlich dass es Geheimarchive gibt, in denen diese Unterlagen aufbewahrt werden . Sie können nicht zusammen mit offenen Unterlagen gelagert werden . Beim Transport gilt das sogenannte Vieraugenprinzip, das heißt, dass zwei Personen die Unterlagen transportieren müssen . Das alles ist der VSA des Bundesinnenministeriums zu entnehmen . Deswegen ist das ein ganz normaler Fall .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Nachfrage lasse ich noch zu, dann ist es für heute aber auch gut .

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das ist sehr freundlich, Herr Präsident . Danke schön dafür . - Ich habe eine ganz kurze Frage zu den Akten, die durch Deutschland gekarrt und hin- und hergeschoben werden: Sind auch Unterlagen betroffen, die für den NSA-Untersuchungsausschuss eine Rolle spielen?

Not found (Staatssekretär:in)

Dazu kann ich aus dem Stand heraus nichts sagen . Ich gehe davon aus, dass alle Akten infrage kommen können, also auch Akten für den Untersuchungsausschuss, nämlich dann, wenn sie durch Kuriere von einer Außenstelle nach Berlin transportiert werden müssen .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich schließe die Befragung der Bundesregierung . ({0}) - Nein . Auf jede Antwort kommt immer eine weitere Frage . Ich denke, wir haben uns in Bezug auf das Thema jetzt hinreichend sortiert, um es für weitere politische Bewertungen zugänglich zu machen . Jeder kann dann seine jeweiligen Präferenzen zum Ausdruck bringen . ({1}) Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf: Fragestunde Drucksache 18/9642 Die Fragen werden, wie immer, in der vorher bekanntgegebenen Reihenfolge der Ressorts aufgerufen . Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit . Der Kollege Florian Pronold steht als Parlamentarischer Staatssekretär zur Beantwortung zur Verfügung . Ich rufe zunächst die Frage 1 des Kollegen Christian Kühn auf: Wann legt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit einen Gesetzentwurf zum Baugesetzbuch vor, der die Privilegierung von großen Tiermastanlagen im Außenbereich von Städten und Gemeinden eindämmt?

Florian Pronold (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003612

Wir arbeiten derzeit im Umwelt- und Bauministerium an einem Entwurf. Er befindet sich in unserem Haus in der Schlussabstimmung . Es ist beabsichtigt, die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung so zügig wie möglich einzuleiten .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage?

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja . - Danke, Herr Staatssekretär Pronold . Meine Zusatzfrage lautet: Gab es schon Gespräche zwischen den Ressorts über den Gesetzentwurf, und können Sie die Eckpunkte des Gesetzentwurfs kurz skizzieren?

Florian Pronold (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003612

Eine Ressortabstimmung wurde bisher noch nicht eingeleitet . Es wird eine Frühkoordinierung durch das Kanzleramt geben . Es gibt eine Reaktion aus dem sehr stark betroffenen Landwirtschaftsministerium . Das Landwirtschaftsministerium wartet aber erst einmal unsere konkreten Vorschläge ab . Im Kern geht es bei diesem Gesetzentwurf darum, den Kommunen mit Blick auf große Tiermastanlagen im Außenbereich von Städten und Gemeinden mehr Handlungsmöglichkeiten zu geben . Ab einer bestimmten Größenordnung soll die Privilegierung wegfallen . Denn für die Privilegierung kommt es bislang nicht darauf an, ob das Futter für die Tiere in den Großmastanlagen tatsächlich auf den dafür vorgesehenen Flächen angebaut wird . Wir müssen feststellen, dass die auf den für den Anbau von Futtermitteln vorgesehenen Flächen angebauten Pflanzen häufig zur Energieproduktion verwendet werden und das Futter anderweitig zugeliefert wird . Uns geht es darum, den Kommunen mehr Handlungsmöglichkeiten zu geben, damit sie auf Großmastanlagen, die in der Bevölkerung auf vielfältige Kritik stoßen, besser mit bauordnungsrechtlichen und anderen Möglichkeiten reagieren können .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Zusatzfrage?

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, danke . - Herr Pronold, meine zweite Zusatzfrage bezieht sich auf die Gründe für die Gesetzesnovelle . Wir haben in Deutschland eine sehr intensive Landwirtschaft, die mit hohen Umwelt- und Klimafolgenkosten verbunden ist . Könnten Sie darstellen, warum dieser Gesetzentwurf aus Sicht des Umweltministeriums auch zur Klimastrategie der Bundesregierung und zu einer Strategie zur Reduzierung der Umweltfolgenkosten passt? Könnten Sie ferner darstellen, welchen Effekt Sie sich von dieser Gesetzesnovelle beispielsweise hinsichtlich der Nitratbelastung erhoffen?

Florian Pronold (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003612

Die Nitratbelastung, die Sie in Ihrer Frage angesprochen haben, beispielsweise die Nitratbelastung von Gewässern, ist primär ein Thema der Düngemittelverordnung, die jetzt parallel beraten wird . Aber natürlich hat auch die Intensivtierhaltung in Deutschland Auswirkungen auf das Klima, weil entsprechende Gase produziert werden . Diese Gase würden aber bei gleichbleibendem Fleischkonsum sonst woanders produziert . Deshalb ist dieser Gesetzentwurf nicht primär unter klimapolitischen Gesichtspunkten zu betrachten - das ist nicht die primäre Zielsetzung -, vielmehr wollen wir die Massentierhaltung stärker als bisher regulieren, weil dies von einer breiten Öffentlichkeit gewünscht wird und die Massentierhaltung auch unter ethischen Gesichtspunkten große Probleme aufwirft .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Meiwald .

Peter Meiwald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004351, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Pronold, noch eine kurze Nachfrage dazu: Es steht ja sowieso eine Novellierung des Baugesetzbuches an . Können wir damit rechnen, dass diese Regelungen in diese Novelle Einzug halten werden, oder wird es eine spezielle, auf die Agrarstruktur ausgerichtete Novelle oder Ergänzung zum Baugesetzbuch geben?

Florian Pronold (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003612

Wir sind nach langen Beratungen gerade bei der Abstimmung der Novelle zum Baugesetzbuch . Ihr liegt, wie wir das beim Baugesetzbuch immer machen, auch ein Planspiel zugrunde, um die Auswirkungen abschätzen zu können . Nach meiner Einschätzung wird es nicht möglich sein, diese Aspekte in diese Novellierung des Baugesetzbuchs einzubeziehen, weil auch wasserrechtliche und andere Vorschriften betroffen sind .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Frage 2 des Kollegen Ostendorff wird schriftlich beantwortet . Damit sind wir mit diesem Geschäftsbereich durch . Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf . Der Kollege Thomas Silberhorn steht für die Beantwortung zur Verfügung . Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Kekeritz auf: Welche Position vertrat die Bundesregierung zu dem auf dem informellen Treffen der Entwicklungsminister diskutierten Vorschlag der Europäischen Kommission, Gelder aus dem europäischen Instrument für Stabilität und Frieden ({0}) in Zukunft auch für militärische Zwecke zu verwenden ({1}), und inwieweit sind diese Überlegungen mit Artikel 41 Absatz 2 des Lissabon-Vertrags in Einklang zu bringen, der explizit festschreibt, dass „Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen“ nicht mit Mitteln aus dem EU-Haushalt finanzierbar sind?

Thomas Silberhorn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003636

Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Kollege Kekeritz, die Bundesregierung unterstützt es grundsätzlich, dass die Europäische Kommission damit beginnt, den Auftrag des Europäischen Rates vom Juni 2015 umzusetzen . Die Initiative „capacity building in support of security and development“, also Kapazitätsaufbau zur Förderung von Sicherheit und Entwicklung, wird von allen Mitgliedstaaten unterstützt . Sie soll nach Vorstellung der Kommission in einem ersten Schritt auch mit solchen Maßnahmen umgesetzt werden, die über das Instrument für Stabilität und Frieden finanziert werden können. Dabei handelt es sich um einen wichtigen Beitrag zur Herstellung von Sicherheit . Das ist eine Grundvoraussetzung für Entwicklung . Zur Einschränkung des Artikels 41 Absatz 2 des EU-Vertrages liegt eine Einschätzung des Juristischen Dienstes des Rates vor . Danach bezieht sich diese Einschränkung nur auf militärische Operationen der Europäischen Union im engeren Sinn . Mit der Initiative „Kapazitätsaufbau zur Förderung von Sicherheit und Entwicklung“ sollen aber nicht solche militärischen Operationen der EU finanziert werden, sondern langfristige Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau bei den Strukturen in den Partnerländern . Diese Maßnahmen sollen mitteloder unmittelbar entwicklungsförderlich sein .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur Nachfrage .

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön . - Danke, Herr Staatssekretär . Wir haben ja den Lissabon-Vertrag . Im Lissabon-Vertrag ist eindeutig definiert, dass Entwicklungspolitik der Armutsreduzierung dient . Im Lissabon-Vertrag steht auch, dass keine militärischen oder sicherheitspolitischen Maßnahmen aus diesem Bereich finanziert werden können. Ich weiß, es gibt das Argument, dass es ohne Sicherheit keine Entwicklung gibt . Aber ich kann Ihnen auch sagen: Ohne Entwicklung gibt es keine Sicherheit . Deswegen ist meine Frage: Kann diese Bundesregierung ausschließen, dass es zu einem Paradigmenwechsel kommt? Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass im Lissabon-Vertrag ganz bewusst darauf abgezielt worden ist, militärische und sicherheitspolitische Maßnahmen aus diesem Fonds auszunehmen, um sicherzustellen, dass Sicherheitsmaßnahmen eben nicht aus dem Entwicklungsetat finanziert werden, sondern aus anderen . Können Sie ausschließen, dass es zu einem Paradigmenwechsel kommt?

Thomas Silberhorn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003636

Zur Interpretation des Lissabon-Vertrages habe ich gerade vorgetragen und auf die Einschätzung des Juristischen Dienstes des Rates verwiesen . Danach sind militärische Operationen der EU im engeren Sinne von Artikel 41 Absatz 2 umfasst . Darum geht es aber vorliegend nicht . Die Kommission hat bisher allerdings keinen konkreten Finanzierungsvorschlag vorgelegt, sondern sie verweist auf die Rubrik 4 des EU-Haushaltes . Diese bezieht sich auf alle Instrumente des Außenhandelns der Europäischen Union . Das schließt nicht nur entwicklungspolitische, sondern auch nicht entwicklungspolitische Instrumente mit ein, also beispielsweise den Haushalt für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die Heranführungshilfe oder die europäische Nachbarschaftsinitiative und eben auch die europäische Initiative zur Zusammenarbeit . Die Bundesregierung prüft derzeit noch, welche Finanzierungsquellen sie bevorzugen würde . Diese Debatte läuft auch in der Europäischen Union .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage .

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön . - Meine Frage zielte darauf ab, inwieweit Sie sicherstellen können, dass es nicht zu einer Schwerpunktverlagerung kommt . Wenn ich sehe, dass 60 Millionen Euro und damit fast ein Drittel des Finanztopfs für flexible und schnelle Maßnahmen zur Krisenreaktion vorgesehen sind und bereits für das Management von Migration und Grenzschutz in der Türkei über 30 Prozent verwendet werden, dann frage ich mich: Wie stellt die EU bzw . die Bundesregierung sicher, dass für zivile Friedensförderung tatsächlich noch genügend Mittel zur Verfügung stehen?

Thomas Silberhorn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003636

Wir setzen uns mit Nachdruck dafür ein, dass genügend Mittel für zivile Friedensförderung zur Verfügung stehen . In der Tat legen wir Wert darauf, dass der Schwerpunkt bei diesen Maßnahmen liegt . Seit letzter Woche, seit 15 . September, liegt ein neuer Textvorschlag der Rats präsidentschaft zu einer Änderungsverordnung vor, der vorsieht, dass die ursprüngliche Ausweitung der Zweckbestimmung des Instrumentes für Stabilität und Frieden reduziert wird . Dieser Vorschlag wird in den Gremien der Europäischen Union und in der Bundesregierung gerade geprüft .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer weiteren Nachfrage hat die Kollegin Hänsel das Wort . Präsident Dr. Norbert Lammert

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön . - Herr Staatssekretär, hinsichtlich Ihrer Interpretation bzw . der rechtlichen Interpretation des Rates bezüglich der Verwendung von Entwicklungsgeldern frage ich: Können Sie damit ausschließen, dass zukünftig für Kampfeinsätze von afrikanischen Staaten, afrikanischen Militärs Entwicklungsgelder, direkt oder indirekt, verwendet werden?

Thomas Silberhorn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003636

Ich will nochmals darauf hinweisen, dass sich die Interpretation des Juristischen Dienstes des Rates auf den EU-Vertrag bezieht . Bei der Frage der Finanzierungsinstrumente - das habe ich eben schon erläutert - hat sich die Kommission bisher nur auf die Rubrik 4 des EU-Haushaltes bezogen, die alle Instrumente des Außenhandelns der Europäischen Union beinhaltet, sowohl entwicklungspolitische als auch nicht entwicklungspolitische . Das Instrument für Stabilität und Frieden, das hier in der Diskussion steht, ist, so wie es konstruiert ist, kein exklusiv entwicklungspolitisches Instrument; ich bitte, das mit zu bedenken . Es ist auch nicht an die OECD-Regeln im Hinblick auf ODA, Official Development Assistance, gebunden . Die Federführung für dieses Instrument liegt beim Auswärtigen Amt; insofern wird es grundsätzlich entwicklungspolitische wie nicht entwicklungspolitische Maßnahmen umfassen können .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir kommen damit zur Frage 4 des Kollegen Uwe Kekeritz: Mit welchen europäischen und nordafrikanischen Partnern ist die Forderung von Bundesentwicklungsminister Dr . Gerd Müller nach der Wiederbelebung der Mittelmeerunion ({0}) abgestimmt, und wie soll eine derartige Initiative nach den Vorstellungen des Bundesministers mit den anderen außenpolitischen Instrumenten der Europäischen Union, wie den EU-Kooperationspartnerschaften und der Europäischen Nachbarschaftspolitik, verzahnt werden? Bitte, Herr Staatssekretär .

Thomas Silberhorn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003636

Die Bundesregierung bringt sich aktiv in die Arbeit der Union für den Mittelmeerraum ein . Bundesminister Dr . Gerd Müller hat Überlegungen zur Weiterentwicklung der Union für den Mittelmeerraum angestellt und dazu jüngst Gespräche mit der Europäischen Kommission und mit Frankreich geführt . Die überarbeitete Europäische Nachbarschaftspolitik weist der Union für den Mittelmeerraum bereits eine zentrale Rolle als regionaler Komponente zu, und sie sieht schon eine Vertiefung der Zusammenarbeit vor . Unsere Überlegungen schließen daran an . Sie zielen darauf ab, die wirtschaftliche Zusammenarbeit und insbesondere die Beschäftigungsförderung zu stärken . Vor kurzem hat die Union für den Mittelmeerraum beispielsweise ein regionales Vorhaben zur Jugendbeschäftigung auf den Weg gebracht, das im Auftrag unseres Ministeriums durchgeführt wird .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur Nachfrage .

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön . - Ihrer Antwort entnehme ich, dass Herr Müller das Thema tatsächlich breit abgesprochen hat: im Kabinett, mit dem Außenministerium, auch mit dem Kanzleramt oder der Kanzlerin . Wenn das so ist, freue ich mich . Ich frage mich allerdings trotzdem, was denn die Hauptzielrichtung dieser Mittelmeerunion sein soll . Sie sprachen gerade von Beschäftigungsinitiativen . Aber zurzeit diskutieren wir doch ganz viel die Fluchtproblematik . Geht es in diesem Bündnis um politische Integration, oder wird hier nicht doch schwerpunktmäßig angestrebt, die Flüchtlingsströme zu kontrollieren, zu lenken oder zu reduzieren? Meine Frage ist natürlich auch, wie das in Anbetracht des Krieges in Syrien, der Auseinandersetzungen in Libyen und des israelisch-palästinensischen Konflikts zu bewerten ist.

Thomas Silberhorn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003636

Die Union für den Mittelmeerraum wurde bereits im Jahr 2008 auf Initiative des französischen Präsidenten Sarkozy ins Leben gerufen . Der Union für den Mittelmeerraum gehören alle Mittelmeeranrainerstaaten an; es sind 43 Staaten, darunter auch sämtliche Mittelmeeranrainer der Europäischen Union . Es gehören ebenfalls Jordanien und Mauretanien dazu . Die Mitgliedschaft Syriens ist derzeit suspendiert . Die Union für den Mittelmeerraum verfügt allerdings nicht über eigene Projektmittel . Wir setzen uns dafür ein, die vorhandenen Strukturen zu stärken und zu nutzen, um die Mittelmeerländer zu stabilisieren, und über neue wirtschaftliche Perspektiven, insbesondere für junge Menschen, zu reden . Zu diesem Zweck wird Ende dieses Monats, am 26 . und 27 . September, eine Ministerkonferenz der Union für den Mittelmeerraum stattfinden. Es treffen sich die Minister für Beschäftigung und Arbeit . Es werden also sowohl das Bundesministerium für Arbeit und Soziales als auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in enger Koordination an diesem Ministertreffen teilnehmen . Dort werden wir den nächsten Schritt unternehmen, um Jugendbeschäftigung und berufliche Ausbildung im Mittelmeerraum zu fördern und zu stärken .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage .

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön . - Das verwundert mich etwas . Ich bin ja freudig überrascht, dass diese Mittelmeerunion seit 2008 besteht . Ich weiß, dass es diese Initiative gab . Aber ich weiß auch, wie die Reaktion der Kanzlerin war, die http://www.zeit.de/news/2016-09/12/deutschland-entwicklungsminister-mueller-will-mittelmeerunion-der-eu-wiederbeleben-12145203 http://www.zeit.de/news/2016-09/12/deutschland-entwicklungsminister-mueller-will-mittelmeerunion-der-eu-wiederbeleben-12145203 http://www.zeit.de/news/2016-09/12/deutschland-entwicklungsminister-mueller-will-mittelmeerunion-der-eu-wiederbeleben-12145203 damals sagte, dass dies Spannungskräfte in Europa erzeugen würde, die sogar den Zerfall Europas provozieren könnten . Wenn diese Union jetzt doch schon mit Leben erfüllt ist, frage ich mich natürlich, warum wir davon nie etwas mitbekommen haben . Aber das ist ein anderes Thema . - Für mich wäre jetzt mehr die Frage interessant: Welche Rolle soll denn die Türkei in diesem Bündnis spielen?

Thomas Silberhorn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003636

Die Türkei ist Mitglied dieser Union für den Mittelmeerraum wie viele andere Staaten auch . Ich möchte darauf hinweisen, dass auch die Parlamentarier eng eingebunden sind . Es gibt eine Euromediterrane Parlamentarische Versammlung, der auch Mitglieder des Deutschen Bundestages angehören, und wir würden es sehr begrüßen, wenn auch die Abgeordneten dieses Hauses sich daran beteiligen würden, den Mittelmeerraum zu stärken . Wir wissen, es gibt eine große Heterogenität unter den Mittelmeeranliegerstaaten, insbesondere in Nordafrika . Es ist dringend notwendig, dass wir die Zusammenarbeit verstärken und vertiefen . ({0}) - Sehr gerne .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir sind damit am Ende der Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung . - Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär . Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramts . Zur Beantwortung steht der Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche zur Verfügung . Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele zu Gesamtkosten der geplanten Veranstaltungen des Bundesnachrichtendienstes anlässlich des Oktoberfests 2016 auf: Welche Auskünfte gibt die Bundesregierung über die Gesamtkosten der durch das KBI in dessen letztem Schwarzbuch generell gerügten ({0}) geplanten Veranstaltungen des Bundesnachrichtendienstes ({1}) anlässlich des Oktoberfests 2016 ({2}), und wie rechtfertigt die Bundesregierung gegebenenfalls eine Geheimhaltung der Antwort als Verschlusssache wegen nachteiliger Auswirkungen auf die Interessen der Bundesrepublik Deutschland ({3}), da hier nur Zahlen statt einer Datierung einzelner Veranstaltungen erfragt werden? Bitte .

Not found (Staatssekretär:in)

Frau Präsidentin, vielen Dank . - Sehr geehrter Herr Abgeordneter Ströbele, die Beantwortung der Frage kann nicht offen erfolgen, weil diese Informationen Ausgaben betreffen, deren Bewirtschaftung der Gesetzgeber in § 10a der Bundeshaushaltsordnung geheim zu haltenden Wirtschaftsplänen zugewiesen hat . Weitere Auskünfte werden daher als Verschlusssache gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen mit dem Geheimhaltungsgrad „VS - Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und Ihnen gesondert übermittelt .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Ströbele hat die Möglichkeit zur ersten offenen Nachfrage .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin . - Ich hatte diese Antwort nach den früheren Antworten auf solche Nachfragen befürchtet . Aber, Herr Staatssekretär, ich habe ja nicht nach den Teilnehmern gefragt; ich habe auch nicht nach den Umständen gefragt, wie diese - so nenne ich es einmal salopp - „Sause“ im Einzelnen stattfindet, die der Bundesnachrichtendienst für befreundete Dienste auf dem Oktoberfest veranstaltet: ob da auch Lederhosen ausgegeben werden, damit sie zünftig begangen werden kann . ({0}) Das habe ich Sie jetzt nicht gefragt, sondern ich habe Sie nur nach der reinen Zahl gefragt . Der Bund der Steuerzahler hat diese Ausgaben in der Vergangenheit erheblich kritisiert . Können Sie mir wenigstens sagen: In welcher Größenordnung bewegen sich die Ausgaben des Bundesnachrichtendienstes aus Steuermitteln für eine solche Sause mit befreundeten Geheimdiensten auf dem Oktoberfest? ({1})

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter Ströbele, die von Ihnen so bezeichnete Sause und die Zahlen dazu sind Teil des Wirtschaftsplans, und der ist Geheim eingestuft . Der Gesetzgeber selbst hat das im § 10a der Bundeshaushaltsordnung so vorgesehen . Eine Diskussion dazu gibt es in den dafür vorgesehenen, geheim tagenden Gremien, nämlich dem Vertrauensgremium und dem PKGr, dem Sie selbst angehören . Ich möchte auch noch auf das eingehen, wovon Sie behaupten, dass es der Bund der Steuerzahler gesagt hat . Ich habe mir die Stelle auch durchgelesen . Der Bund der Steuerzahler sagt, dass er die Kosten nicht kritisiert und dass er sie für vertretbar hält . Vielmehr kritisiert er, dass http://www.schwarzbuch.de/content/oans-zwoa-drei-gsuffa-schlapphute-auf-dem-oktoberfest http://www.schwarzbuch.de/content/oans-zwoa-drei-gsuffa-schlapphute-auf-dem-oktoberfest das Ganze geheim gehalten wird, und fordert Transparenz . ({0}) Nur: Das ist eine Forderung, die an den Gesetzgeber zu richten ist . Denn die Bundeshaushaltsordnung ist nun einmal so, und daran muss sich die Bundesregierung halten .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich will den Versuch trotzdem noch einmal unternehmen . Sie beziehen sich auch in der Antwort auf eine frühere Frage von mir, die das gleiche Thema für die vergangenen Jahre betroffen hat, darauf, dass es Auswirkungen auf die Interessen der Bundesrepublik Deutschland haben könnte . Meinen Sie nicht, Herr Staatssekretär, dass es im Interesse der Bundesregierung und der Bundesrepublik Deutschland liegt, auch der Öffentlichkeit mitzuteilen, wie hoch die Summe ist, ob es nun 5 000 oder 50 000 Euro sind, dass Sie wenigstens sagen, ob es eine fünfstellige oder höherstellige Zahl ist? Denn diese Veranstaltung hat ja ein bisschen Hautgout .

Not found (Staatssekretär:in)

Ich bestreite, dass diese Veranstaltung einen Hautgout hat; denn solche Veranstaltungen werden ja nicht nur von deutschen Diensten oder Organisationen - es handelt sich ja nicht nur um Nachrichtendienste - veranstaltet, sondern zum Beispiel auch von ausländischen Nachrichtendiensten, die dann auch Vertreter des Bundesnachrichtendienstes einladen . Solche Veranstaltungen gehören auch zur Pflege der Partnerschaft. Was Ihre Frage angeht, ob ich nicht eine fünfstellige, sechsstellige oder sonstige Zahl nennen kann, muss ich noch einmal darauf verweisen, dass der Gesetzgeber selbst uns das versagt hat .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer Nachfrage hat die Kollegin Künast das Wort .

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Fritsche, angesichts Ihrer Antwort frage ich mich fast, wie viele Geheimagenten und Geheimdienstmitarbeiter von inländischen und ausländischen Diensten, wie Sie gesagt haben, denn nun auf dem Oktoberfest sind und ob es dort leer aussähe, wenn sie alle nicht mehr da wären . ({0}) Das lässt sich hier aber wahrscheinlich nicht klären, weil Sie auch keinen Zugang zu diesen Informationen haben . Aber: Sie haben jetzt die Chance, eine etwas spaltungsirre Situation aufzulösen: Die Geheimdienstmitarbeiter gehen aufs Oktoberfest und sind dort zu sehen . Wenn ich dort also mit einer Kamera langlaufen und jemanden erkennen würde - oder Herr Ströbele oder sonst wer -, dann könnte ich dort Fotos machen . Das ist ja ein öffentliches Fest, und man zahlt teilweise Eintritt . - Es kann doch nicht sein, dass man auf der einen Seite auf ein öffentliches Fest geht, während auf der anderen Seite die Tatsache, wie viel Bier man getrunken hat, und die Summe, die dahinter steht, geheim sind . Das ist eine absurde Situation . Herr Fritsche, Sie haben hier jetzt die Chance, nicht nur zu sagen, dass eine Änderung der Vorschrift dem Haushaltsgesetzgeber obliegt, sondern auch auszudrücken, dass Sie sich als Geheimdienstkoordinator vom Haushaltsgesetzgeber wünschen, dass diese Zahlen freigegeben werden können .

Not found (Staatssekretär:in)

Zum Ersten: Frau Abgeordnete Künast, ich gehe davon aus, dass der Haushaltsgesetzgeber Gründe dafür hatte, den § 10a der Bundeshaushaltsordnung so zu formulieren, wie er ihn formuliert hat, und dass diese Gründe wohlerwogen sind . Ich kann mir auch eine Fülle von Gründen vorstellen, warum es bei Nachrichtendiensten im internationalen Bereich eben nicht üblich ist, irgendetwas zu den einzelnen Zahlen und Summen der Haushalte zu sagen . Zum Zweiten, zu Ihrer Bemerkung, dass die Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes oder anderer Nachrichtendienste dort offen sitzen: Es ist ja nicht so, dass es den Mitarbeitern deutscher Nachrichtendienste und auch ausländischer Nachrichtendienste untersagt worden ist, sich in der Öffentlichkeit zeigen . Sie treten ja auch nicht mit dem Schild „Hier sitzt der Bundesnachrichtendienst“ auf . Von daher halte ich das für durchaus üblich und für eine internationale Gepflogenheit, und ich verweise noch einmal auf den Bund der Steuerzahler, der gesagt hat, dass er diese Kosten für vertretbar hält, und nur die Geheimhaltung, die der Gesetzgeber bestimmt hat, rügt .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Herr Staatssekretär . - Die Frage 6 des Abgeordneten Andrej Hunko zu dem gleichen Gegenstand soll schriftlich beantwortet werden . Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie . Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Zypries zur Verfügung . Ich rufe die Frage 7 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl auf: Jeweils wann genau ({0}) gab es seit der Antwort der Bundesregierung vom 6 . Juli 2016 auf meine mündliche Frage 54, Plenarprotokoll 18/182, Gespräche der Bundesregierung - insbesondere seitens des Bundeskanzleramtes, Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ({1}), Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und Bundesministeriums der Finanzen - mit Vertretern der Atomkraftwerke betreibenden EnerStaatssekretär Klaus-Dieter Fritsche gieversorgungsunternehmen im Zusammenhang mit einer Umsetzung der Empfehlungen der Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs ({2}) vom 27 . April 2016 ({3}), und über welche dieser Gespräche wurde ein Vermerk oder Ähnliches erstellt? Bitte, Frau Staatssekretärin .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Sehr geehrte Frau Kollegin, natürlich hat die Bundesregierung Kontakte zu einer Vielzahl von Unternehmen . Sie werden aber, wie Sie sich denken können und wahrscheinlich auch wissen, nicht systematisch erfasst . Deswegen ist es uns auch nicht möglich, Ihnen eine lückenlose Aufstellung von sämtlichen Kommunikationsvorgängen einschließlich der Gesprächsinhalte zu geben . Ich werde Ihnen jetzt gleich ein paar Termine nennen, aber ich kann nicht ausschließen, dass es neben diesen Terminen aus dem Leitungsbereich der Ministerien, die wir recherchiert haben, noch andere Zusammentreffen am Rande von irgendwelchen Veranstaltungen oder Ähnlichem gab . Das mag auch der Fall gewesen sein . Nach dem 6 . Juli dieses Jahres gab es folgende Termine bzw . Gespräche mit Vertretern der Kernkraftwerke betreibenden Energieversorgungsunternehmen im Zusammenhang mit der Umsetzung der Empfehlungen der KFK, die wir recherchiert haben: Der Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben hat am 15 . Juli 2016 ein Gespräch mit Johannes Teyssen, dem Vorstandsvorsitzenden der Eon SE, geführt, und es gab am 4 . August 2016 ein Gespräch von Herrn Altmaier mit Vertretern der Konzernbetriebsräte von Eon, RWE und Vattenfall . Der Bundesminister für Wirtschaft und Energie hat mit den Vorständen von EnBW, Eon, RWE und Vattenfall am 29 . August 2016 Gespräche geführt . Von den übrigen Bundesministerien ist gemeldet worden, dass es seit dem 6 . Juli 2016 diese entsprechenden Gespräche auf Leitungsebene nicht gab .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur Nachfrage .

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Vielen Dank, Frau Staatssekretärin . - Natürlich interessiert mich jetzt nicht vorrangig das Datum dieser einzelnen Gespräche, Brigitte Zypries, Parl . Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Danach haben Sie aber gefragt .

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

- sondern das, was da Thema war . Ich hatte konkret danach gefragt, ob es im Zusammenhang mit den Empfehlungen der KFK und dem Stand der Umsetzung Gespräche gab . Es ist für den Bundestag, für uns, die wir für den Haushalt verantwortlich sind, extrem wichtig, zu wissen, wie hier der Gang der Dinge ist; denn es geht, wie Sie sicher wissen, um sehr, sehr viel Geld, das entweder von den Kraftwerksbetreibern, den Energieversorgern, aufgebracht wird oder am Ende eben in erster Linie doch von den Steuerzahlern . Gibt es denn irgendwelche Vermerke? Ich nehme einmal an, dass Sie jetzt eher Nein sagen werden, wenn Sie schon nicht Bescheid wissen oder nicht wissen dürfen, welche Themen besprochen wurden . Wahrscheinlich wissen Sie auch nicht, ob die Ergebnisse dokumentiert wurden . Ich will, verbunden mit einer Kritik, doch fragen: Warum werden solche dermaßen haushalts- und zukunftsrelevanten Ergebnisse von Gesprächen nicht sauber dokumentiert? Denn Regierungs- und Verwaltungshandeln sollte im Allgemeinen schon nachvollziehbar sein . Ich betone noch einmal: Es geht hier um viel Geld .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Frau Kollegin, ich kann Ihnen nur sagen, dass mir mitgeteilt wurde, dass es über diese Gespräche keine Vermerke gibt . Mehr kann ich Ihnen dazu leider nicht sagen .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Nachfrage .

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gut . - Dann gehe ich einen Schritt weiter und nicht einen zurück: Wie sieht es denn mit dem Zeitplan aus? Ich habe mich schon ein paarmal danach erkundigt . Anfang August hieß es noch: Es wird zu einer Umsetzung dieser KFK-Empfehlungen Ende August kommen . - Das ist bekanntermaßen nicht mehr erreichbar . Dann hieß es: Bis zum Ende des Jahres . - Als Antwort auf meine letzte Frage hieß es dann: Zügig . - Dabei ist offen, ob mit „zügig“ deutlich vor Ende des Jahres oder ein bisschen nach Ende des Jahres gemeint ist . Jetzt noch einmal meine Frage, auch wenn es vielleicht ein bisschen nervt: Welcher Zeitplan für das Gesetz - es sind vielleicht auch mehrere Gesetze - zur Umsetzung der KFK-Empfehlungen ist seitens der Bundesregierung nach aktuellem Stand vorgesehen? Ich möchte Sie noch um Folgendes bitten: Haben Sie schon eine Vorstellung davon oder gibt es einen Plan dafür, wann die Meilensteine, wie Referentenentwurf, Länder- und - ganz wichtig - Verbändeanhörungen - dafür muss Zeit da sein -, Kabinettsbeschluss und dann Einbringung in Bundestag und Bundesrat, sein werden? Das ist nun kein Gesetzesvorhaben, das man so eben hopplahopp, ohne größere Beratungen und ohne gründliche Anhörungen, hier wird durchpeitschen können .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Ich weiß nicht so richtig, ob das mit Ihrer Frage 8 zusammenhängt . Darin hatten Sie danach gefragt, wann der Staatssekretärsausschuss getagt hat und tagen wird . Ich Vizepräsidentin Petra Pau gehe einmal davon aus, dass das in den gleichen Zusammenhang gehört, und möchte deshalb gerne Ihre Frage 8 mit beantworten .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Dann rufe ich die Frage 8 der Kollegin Kotting-Uhl auf: Jeweils wann genau ({0}) seit dem 27 . April 2016 gab bzw . gibt es Sitzungen des Staatssekretärsausschusses Kernenergie im Zusammenhang mit einer Umsetzung der Empfehlungen der Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs ({1}) vom 27 . April 2016 ({2}), und welche Haltung hat die Bundesregierung hinsichtlich der Forderung der Energiekonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW nach einem „Atomvertrag“ zwischen ihnen und der Bundesregierung zusätzlich zu einer gesetzlichen Umsetzung der KFK-Empfehlungen ({3})?

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Sie hatten gefragt, wann die Termine waren . Diese waren am 4 . Mai, am 17 . Mai, am 4 . Juli, am 9 . August, und die nächste Sitzung ist am 10 . Oktober . Sie können aus dieser Terminabfolge erkennen, dass die Beratungsintensität doch ziemlich hoch ist, da der Staatssekretärsausschuss ja in dieser Häufigkeit tagt. Es gibt gegenwärtig eine Diskussion darüber, ob und gegebenenfalls in welcher Art und in welchem Umfang zur Umsetzung der Empfehlungen der KFK zusätzlich zu den gesetzgeberischen Maßnahmen auch vertragliche Vereinbarungen in Betracht kommen . Die Bundesregierung hat dazu ihren Willensbildungsprozess noch nicht abgeschlossen . Es ist auch noch nicht klar, in welcher genauen Abfolge das Gesetzgebungsverfahren oder etwaige Gesetzgebungsverfahren stattfinden werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben jetzt die Möglichkeit zu zwei Nachfragen zur Antwort auf Frage 8, wenn Sie mögen .

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin, jetzt muss ich erst einmal sagen: Ich habe ein kleines Problem mit meinem Fragerecht und dem Recht auf Antworten; denn auf meine zweite Nachfrage zu meiner ersten Frage wurde mir die Antwort auf meine zweite Frage gegeben, sodass ich zweier Antwortmöglichkeiten verlustig gehe .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Nein, Sie können sie gerne noch stellen .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Nein, ganz im Gegenteil .

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die Zeit wird dadurch nicht verlängert .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollegin, genau das Gegenteil habe ich eben klargestellt: dass Sie in jedem Fall noch zwei Nachfragemöglichkeiten haben .

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, aber das war die Antwort auf die schriftlich eingereichte Frage . Das heißt, meine zweite Frage von der ersten Runde ist jetzt sozusagen konsumiert .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wenn Sie noch eine Frage haben, werden wir das sicherlich ganz unkompliziert lösen . Stellen Sie einfach erst einmal Ihre Frage .

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gut, wenn das unkompliziert ist, dann gehe ich jetzt noch einmal konkret auf die zweite Frage ein, die ich eben gestellt hatte . Dabei ging es mir - das habe ich betont - auch um die Verbändeanhörung bzw . den Zeitplan .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Ich kann Ihnen dazu keinen Zeitplan nennen .

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Aber Sie können mir garantieren, dass es Zeit für eine Verbändeanhörung geben wird .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Selbstverständlich . In jedem Gesetzgebungsverfahren gibt es eine Verbändeanhörung .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Da wir die Antwort auf Frage 8 schon gehört haben, kommen wir zu zwei Nachfragen, wenn Sie diese noch haben, zum Thema der Frage 8 .

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja . - Ich habe zunächst einmal eine Frage in Bezug auf den Vertrag, der nun eingefordert wird. Es ist, finde ich, schon ein erstaunliches Handeln der Energieversorger, die im Bereich Atomausstieg selbst durchaus immer wieder darauf eingewirkt haben, ein gemachtes Gesetz wieder rückgängig zu machen, und jetzt zu ihrer eigenen Sicherheit einen extra Vertrag - zusätzlich zu einem Gesetz - haben wollen und damit aussagen: Ein Gesetz kann man auch ändern, und wenn eine Vereinbarung in unserem Interesse sein soll, dann reicht uns ein Gesetz nicht; dann muss darüber hinaus noch etwas passieren . Können Sie zusichern, dass in einer solchen Atomvereinbarung nichts stehen wird, was über die heutigen KFK-Empfehlungen hinausgeht? Gibt es darüber schon eine Verständigung im Kabinett?

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Nein, Frau Kollegin . Ich sagte Ihnen eben schon in meiner Antwort auf die Frage 8, dass der Willensbildungsprozess zu der Frage, ob es überhaupt eine vertragliche Vereinbarung geben wird, noch nicht abgeschlossen ist . Deswegen kann ich natürlich auch noch nichts darüber sagen, was da drinstehen wird .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Frage .

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön . - Es hätte ja sein können, dass es zu einzelnen Punkten auch heute schon - „schon“ sehr stark betont - eine Einigung im Kabinett gibt .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Hätte sein können, ja .

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe noch eine zweite Nachfrage zu dem Komplex der Klagen der Konzerne im Zusammenhang mit dem Atombereich . Der Wirtschaftsminister hat im letzten Jahr zunächst zur Vorbedingung für die Einsetzung und Arbeit der KFK gemacht, dass die Konzerne ihre Atomklagen zurückziehen, und zwar, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, alle Atomklagen und nicht nur die, von denen jetzt die Rede ist, im Zusammenhang mit der Entsorgung . Es würde mich interessieren, warum die Bundesregierung es hinnimmt, dass nach wie vor weder im Zusammenhang mit Entsorgungsklagen irgendetwas zurückgenommen wurde, obwohl die KFK-Empfehlungen seit langem im Raum stehen, noch irgendeine Äußerung dahin gehend von den Konzernen kommt und bislang völlig unklar ist, ob es sich ausschließlich um die Entsorgungsklagen oder auch um die Klagen im Zusammenhang mit dem Atomausstieg handelt . Dafür war der Wirtschaftsminister meines Wissens durchaus, bevor die KFK eingesetzt wurde .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Frau Kollegin, ich muss Ihnen die Frage schriftlich beantworten, weil ich die Prämisse, die ihr zugrunde liegt, nicht bestätigen kann . Deswegen kann ich sie, ehrlich gesagt, nicht beantworten . Wir werden das gerne schriftlich nachreichen .

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Na gut .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das halten wir so fest . Ich weise darauf hin, dass wir jetzt im weiteren Verlauf bitte wieder ein wenig auf das optische Signal achten, sowohl beim Formulieren der Fragen als auch bei den Antworten, wobei das jetzt keine Kritik an der Kürze der Antworten eben war . Aber wenn das optische Signal auf Rot springt, ist die vereinbarte Fragezeit tatsächlich überschritten . Wir kommen zur Frage 9 der Kollegin Renate Künast: Welche konkrete Position hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bezüglich der Pläne der EU zur Abschaffung der Roaminggebühren innerhalb der Europäischen Union vertreten, und was hat die Bundesregierung unternommen, als die EU-Kommission, die ursprünglich eine vollständige Abschaffung der Gebühren bis Mitte 2017 vorgesehen hatte, Anfang September 2016 überraschend das Gebührenverbot auf 90 Tage begrenzen wollte und nach der Kritik von Verbraucherschützern ihre Pläne nun wieder rückgängig machen will? Bitte, Frau Staatssekretärin .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Frau Künast, es gab einen Vorschlag der Kommission - vom 5 . September - mit dem Ansinnen, bis Ende September eine öffentliche Konsultation zu diesem Vorschlag durchzuführen . Die Bundesregierung war auch dabei, sich eine Meinung zu bilden, als der Vorschlag wieder zurückgezogen wurde . Wenn ich die Tickermeldungen heute richtig verfolgt habe, gibt es einen neuen Vorschlag, der besagt, dass es ab dem 15 . Juni 2017 überhaupt keine Roaminggebühren mehr geben wird und dass man die Sorgen, die man seinerzeit aufgrund des sogenannten Wasserbett-Effektes hatte, auf andere Art und Weise berücksichtigen wird .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, danke . - Ich habe ebenfalls mitbekommen, dass es nicht nur Aktivitäten von Verbrauchern und EU-Parlamentsabgeordneten gab . Vielmehr hat Kommissar Oettinger nun erklärt, dass es mit Datum 15 . Juni für alle Menschen, die periodisch reisen, eine gute Lösung geben werde, die am 15 . Dezember verabschiedet werden solle . Aber es ist auch zu lesen, dass gleichzeitig sichergestellt werden soll, dass die Anbieter Werkzeuge haben, um gegen Missbrauch der betreffenden Regelungen vorzugehen . Dahinter steckt die Befürchtung, dass sich Menschen in Europa die billigsten Verträge in einem Land besorgen, in dem sie gar keinen Wohnsitz haben, und dass dann darunter das Geschäftsmodell der Anbieter leidet . Wie lässt sich, wenn es eine 90-Tage-Regelung geben sollte, eine Missbrauchsregelung schaffen, ohne dass die Verbraucherrechte durch die Hintertür wieder beschränkt werden? Für mich haben Verbraucherrechte den Sinn, den Single Market, den Binnenmarkt, nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Verbraucher herzustellen .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Wir werden uns den Vorschlag, den die Kommission nun vorlegt, genau anschauen müssen. Ich bezweifle, dass dann solche Bedenken noch angebracht sind . Wenn es tatsächlich keine Roaminggebühren gibt, dann besteht diese Problematik auch nicht mehr . Hinter der 90-Tage-Regelung verbirgt sich die Sorge, dass diejenigen, die verreisen und im Ausland telefonieren, von denjenigen durch Gebühren quersubventioniert werden, die sich in Deutschland aufhalten . Wenn man aber davon ausgeht, dass es nur noch eine einheitliche Rate gibt, dann hat sich das erledigt . Wir werden uns das jedenfalls genau anschauen müssen . Wir können dann hier gerne noch einmal darüber diskutieren .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die zweite Nachfrage .

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Darum will ich auch bitten . Das Ganze ist noch frisch . In der Presseerklärung der Kommission heißt es ausdrücklich, dass die Anbieter Werkzeuge gegen Missbrauch bekommen sollen . Das macht mich vorsichtig; denn Werkzeuge gegen Missbrauch könnten auch eine Beschränkung der Rechte der Kunden darstellen . Deshalb bitte ich Sie, zu prüfen und dann noch einmal auf uns zuzukommen . Nach den bisherigen Erfahrungen müssen wir uns das auf jeden Fall im Detail anschauen .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Selbstverständlich . Ich gehe davon aus, dass darüber auch in den zuständigen Ausschüssen des Bundestages diskutiert werden wird .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Frau Staatssekretärin . - Die Fragen 10 und 11 des Abgeordneten Oliver Krischer, die Fragen 12 und 13 der Abgeordneten Katharina Dröge sowie die Fragen 14 und 15 des Abgeordneten Harald Ebner sollen schriftlich beantwortet werden . Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts . Zur Beantwortung steht Staatsminister Michael Roth zur Verfügung . Die Frage 16 des Abgeordneten Andrej Hunko, die Frage 17 des Abgeordneten Omid Nouripour, die Frage 18 des Abgeordneten Niema Movassat sowie die Fragen 19 und 20 der Abgeordneten Sevim Dağdelen sollen schriftlich beantwortet werden . Ich rufe die Frage 21 des Kollegen Hans-Christian Ströbele auf: Wie verbindlich ist für die Bundesregierung der Beschluss des Deutschen Bundestages vom 2 . Juni 2016 zum Antrag zum Völkermord an den Armeniern ({0}), der mit einer Mehrheit von über 99 Prozent der Stimmen der Abgeordneten aus allen Fraktionen, darunter mehrere Mitglieder der Bundesregierung, verabschiedet worden ist, insbesondere auch hinsichtlich der neun darin enthaltenen Forderungen des Parlaments an die Regierung, und welche Bemühungen hat die Bundesregierung inzwischen unternommen, um diese neun Forderungen des Deutschen Bundestages - bitte jeweils aufschlüsseln zu den einzelnen Forderungen - zu erfüllen? Bitte, Herr Staatsminister .

Not found (Gast)

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Sie haben mich etwas überrascht, weil ich davon ausging, dass der Kollege Movassat seine Frage noch stellt . Dann komme ich gleich zu der Frage des Abgeordneten Ströbele . Der Deutsche Bundestag hat selbstverständlich das Recht und die Möglichkeit, sich zu jedem Thema zu äußern, wann auch immer er es für richtig hält . Die Bundesregierung unterstützt und verteidigt dieses souveräne Recht der deutschen Volksvertreter . Es steht mir als Vertreter der Bundesregierung überhaupt nicht zu, sich in die Zuständigkeiten eines anderen Verfassungsorgans einzumischen und sich dazu wertend zu äußern . Das souveräne Recht, sich zu Fragen seiner Wahl zu äußern, hat der Bundestag auch im Fall der besagten Resolution ausgeübt, und zwar mit einem Entschließungsantrag, der qua Definition darauf abzielt, Auffassungen zu politischen Fragen zum Ausdruck zu bringen, ohne dass diese rechtsverbindlich sind . Genauso steht es auch auf der Homepage des Deutschen Bundestages . Die Bundesregierung - das als Beantwortung des zweiten Teils Ihrer Frage, Herr Kollege Ströbele - setzt sich weiter regelmäßig in bilateralen Gesprächen dafür ein, dass die Türkei und Armenien ihre Bemühungen um eine Annährung wieder aufnehmen . Darüber hinaus unterstützen wir eine Reihe von Initiativen aus der Zivilgesellschaft heraus, um die Aussöhnung zwischen der Türkei und Armenien bzw . zwischen Türkinnen und Türken und Armenierinnen und Armeniern zu befördern . Mein Haus fördert diese Projekte derzeit in einem Umfang von 1 Million Euro . Ich will noch hinzufügen, dass ich mich selbst sehr intensiv um einen Austausch von jungen Repräsentantinnen und Repräsentanten der Türkei und Armeniens bemühe . Da hat es schon Gespräche gegeben . Bei meiner Reise Ende August in die Türkei habe ich mich auch mit Repräsentanten der armenischen Minderheit in Istanbul getroffen, um noch einmal einen Gesprächsfaden zu knüpfen, der unser Bemühen unterstreicht, einen aktiven Beitrag zur Versöhnung zu leisten .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Staatsminister . - Das war allerdings voll am Thema vorbei . Sie haben die Presseerklärung des Sprechers der Bundesregierung als Antwort auf meine Frage verlesen . Ich denke, dass Sie mit dieser Haltung das Parlament nicht ernst nehmen . Ich hatte als Erstes gefragt, für wie verbindlich die Bundesregierung diese fast einstimmig - mit 99 Prozent der Abgeordneten - verabschiedete Resolution für die Bundesrepublik Deutschland - und damit auch für die Bundesregierung - hält . Der zweite Teil der Frage lautete: Was hat die Bundesregierung seit der Verabschiedung am 1 . Juni - es sind ja inzwischen ein paar Monate vergangen - getan, um die neun Forderungen, die der Deutsche Bundestag an die Bundesregierung gerichtet hat, umzusetzen? Oder halten Sie das alles für unverbindlichen Quatsch, zu dem Sie sich nicht äußern wollen? Dann sagen Sie das hier klar . ({0}) Das ist doch eine Ungeheuerlichkeit, was Sie hier machen .

Not found (Gast)

Herr Kollege Ströbele, es steht Ihnen völlig frei, jede Frage an die Bundesregierung zu richten, und mir steht es frei, die Frage so zu beantworten, wie ich es namens der Bundesregierung für verantwortbar halte . Im Übrigen habe ich eben die Haltung der Bundesregierung wiedergegeben . Darüber hinaus habe ich deutlich gemacht, wie sich die Bundesregierung diesem Beschluss verpflichtet fühlt. Ich habe auf eine Reihe von konkreten Initiativen hingewiesen, die sich auch aus der Beschlussfassung des Bundestages ergeben . Selbstverständlich teilt die Bundesregierung die politischen Zielsetzungen der Forderungen aus dem Beschluss des Deutschen Bundestages . Es gibt - ich will das noch einmal deutlich zum Ausdruck bringen - keine Distanzierung .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie wollen oder Sie können nicht, Herr Staatsminister . Dann will ich einmal ein Beispiel nennen . Der Deutschen Bundestag fordert die Bundesregierung im fünften Punkt auf „eine Aufarbeitung der historischen Ereignisse durch die Türkei und Armenien als ersten Schritt zur Versöhnung und zur längst überfälligen Verbesserung der türkisch-armenischen Beziehungen aktiv zu unterstützen“ . In welcher Weise hat die Bundesregierung diese Forderung des Deutschen Bundestages seit dem 1 . Juni erfüllt? Oder hat sie sie nicht erfüllt? Haben Sie da irgendetwas unternommen oder nichts? Haben Sie vielleicht besser geschwiegen, weil Herr Erdogan sonst die Augenbrauen hochziehen würde?

Not found (Gast)

Herr Ströbele, offenkundig hören Sie mir nicht richtig zu; denn ich habe Ihnen gerade eine Reihe von Maßnahmen genannt . Dieses gesonderten Beschlusses des Bundestages bedurfte es insofern nicht, weil sich die Bundesregierung, insbesondere mein Haus, schon seit vielen Monaten konkret und aktiv um die Versöhnung zwischen Armeniern und Türken bemüht . Dies wird durch einen Haushaltstitel in Höhe von 1 Million Euro untermauert . Daraus werden entsprechende Projekte finanziert. Darüber hinaus habe ich Ihnen berichtet, dass es nach der Resolution des Deutschen Bundestages entsprechende Gespräche gab, die unter anderem auch ich als ein Vertreter der Bundesregierung geführt habe .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer Nachfrage hat der Kollege Volker Beck das Wort .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, vielen Dank für Ihre Beantwortung . Ich glaube aber, es ist dem Hohen Haus noch nicht ganz klar geworden, welche Aktivitäten die Bundesregierung nach dem Beschluss des Bundestages in Umsetzung der darin enthaltenen Aufforderungen ergriffen hat . Dass Sie manches schon vorher gemacht haben, will ich gerne zur Kenntnis nehmen und auch ausdrücklich loben . Aber ich würde gerne wissen, welche neuen Aktivitäten entfaltet wurden . Ich glaube, das ist es auch, was Herr Ströbele mit seiner Frage gemeint hat .

Not found (Gast)

Ich habe den Beschluss des Deutschen Bundestages ausdrücklich als eine Ermutigung und eine Ermunterung, aber auch als eine Bestätigung verstanden. Ich empfinde das als Rückenwind für die Bemühungen, die die Bundesregierung schon seit geraumer Zeit unternimmt . Es gibt eine Reihe von Projekten, die ich jetzt nicht alle namentlich aufführen möchte . Es sind teilweise auch Projekte dabei, die geplant sind, aber noch nicht umgesetzt wurden und die sich insbesondere an die jüngere Generation in beiden Staaten richten . Es geht dabei insbesondere um Kooperationen, um Erinnerungskultur und um Begegnungen . Es geht auch um wissenschaftliche Projekte, die wir unterstützen, bei denen deutsche, türkische, aber auch armenische Vertreter zusammenkommen, um über das zu sprechen, was Gegenstand der Resolution des Deutschen Bundestages war . Das sind teilweise, Herr Kollege Beck, neue Projekte . ({0}) - Ich habe sie Ihnen doch genannt . ({1}) Ich kann Ihnen gerne eine Liste zukommen lassen . Ich will mich auf drei Projekte beschränken, die ich aber im Prinzip schon genannt habe . Es gibt ein kulturelles Projekt, es gibt ein Projekt in Zusammenarbeit mit dem Deutsch-Französischen Jugendwerk über die Versöhnung, an dem auch Frankreich beteiligt ist, und es gibt ein Projekt, das wir gemeinsam mit dem DAAD unterstützen . Damit wird deutlich, dass wir auf einem guten Weg sind, der aber - das will ich hinzufügen - natürlich noch nicht beendet ist . Wir können Versöhnung nicht oktroyieren, wir können nur Angebote unterbreiten . Wie schwierig und wie sensibel das ist, werden all diejenigen von Ihnen erleben, die selbst in der Türkei und in Armenien waren und die selbst mit Repräsentantinnen und Repräsentanten dieser beiden Staaten gesprochen haben . Aber wir sind da unverdrossen . Wir wollen unseren Beitrag leisten; das versichere ich Ihnen . ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Es gibt noch zwei Nachfragen zur Frage 21 . - Die Kollegin Keul hat das Wort .

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank . - Herr Staatsminister, wenn die Bundesregierung erklärt, dass der Beschluss des Deutschen Bundestages, wonach es sich um einen Völkermord gehandelt habe, keine unmittelbare Rechtswirkung hat, dann ist das formaljuristisch überhaupt nicht zu beanstanden . Was mich aber umtreibt, ist, dass das in der Realität doch eine Rechtswirkung gehabt hat, nämlich die, dass die türkische Regierung unmittelbar darauf den Besuch der Abgeordneten in Incirlik bei der Bundeswehr erlaubt hat, den sie zuvor untersagt hatte . Deswegen ist meine Frage: Gab es im Vorfeld der Erklärung der Bundesregierung über die fehlende Rechtswirkung dieses Beschlusses eine Absprache zwischen der türkischen und der deutschen Regierung darüber, dass eine solche Erklärung den Besuch bei der Bundeswehr wieder ermöglichen würde, oder ist dieser zeitliche Zusammenhang reiner Zufall?

Not found (Gast)

Ich nehme Ihre Frage gerne zum Anlass, meine persönlichen Erfahrungen aus den jüngsten Begegnungen in der Türkei zu schildern . Ich bin von Vertreterinnen und Vertretern nicht nur der Regierung, sondern auch der Opposition und aus der Mitte der Zivilgesellschaft angesprochen und gefragt worden, wie denn dieser Beschluss des Deutschen Bundestages zu verstehen sei, ob sich daraus beispielsweise auch finanzielle Forderungen ergäben . Daraufhin war auch mein Eindruck, dass das, was wir im Übrigen gemeinsam regelmäßig tun, nämlich Beschlüsse erläutern und sie einordnen, auch in dieser Frage geboten erschien . ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Es gibt jetzt leider keine Nachfragemöglichkeit . Ich weiß, dass man zufrieden oder unzufrieden mit Antworten sein kann; aber die Vertreter der Bundesregierung entscheiden, was sie antworten . Damit gehen wir dann weiter um . Die Kollegin Hänsel hat noch eine Nachfrage .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön . - Herr Staatsminister, Sie haben gerade noch einmal behauptet, die Bundesregierung habe sich von der Armenien-Resolution in keiner Weise distanziert . Regierungssprecher Seibert hat in der Bundespressekonferenz Anfang September 2016 - ich glaube, es war am 2 . September - für die Bundesregierung noch einmal klar gesagt, dass eine Einordnung als Völkermord nicht Sache der Parlamente, sondern der Gerichte sei . Das ist exakt die Formulierung der türkischen Regierung, mit der sie jedes Mal die Einstufung als Völkermord abwehrt . Rechtlich argumentiert, müssen also die Gerichte entscheiden, nicht die Parlamente, und damit erkennt die türkische Regierung den Tatbestand des Völkermords nicht an . Die Bundesregierung hat diese Formulierung übernommen und hat damit auch eine Distanzierung vorgenommen . Keine andere Einschätzung ist da möglich .

Not found (Gast)

Frau Kollegin, ich widerspreche Ihnen da . Sie alle wissen, dass es mindestens zwei Interpretationsmöglichkeiten für den Begriff des Völkermordes gibt . Es gibt einmal den völkerrechtlichen Begriff . Der juristische Fachterminus ist in der UN-Völkermordkonvention klar definiert. Losgelöst von dieser Legaldefinition gibt es diesen Begriff zum anderen, wie er in einem politischen, in einem ethischen Kontext gebraucht wird - von Ihnen, von mir, von vielen anderen . In genau diesem politisch-ethischen Kontext steht für uns das Votum des Bundestages .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich rufe die Frage 22 der Kollegin Heike Hänsel auf: Welche gemeinsamen Werte teilt die Bundesregierung mit der Nachfolgeregierung von Präsident Michel Temer in Brasilien, und wie geht sie mit der Tatsache um, dass derzeit innerhalb des südamerikanischen Wirtschaftsbündnisses Mercosur Uneinigkeit besteht hinsichtlich der Ausübung des turnusmäßigen Vorsitzes durch Venezuela ({0})? Bitte, Herr Staatsminister .

Not found (Gast)

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Von der Türkei nach Brasilien . Brasilien ist seit 2009 das einzige Land in Lateinamerika, mit dem wir eine strategische Partnerschaft führen . Wir haben zudem im Jahr 2015 zum allerersten Mal bilaterale Regierungskonsultationen durchgeführt . In diesem Rahmen, aber auch auf multinationaler Ebene haben wir gemeinsame Ziele verfolgt im Bereich der Menschenrechtspolitik, im Bereich des Klimaschutzes, aber auch im Bereich des Erreichens der sogenannten Nachhaltigkeitsziele . Als Schwellenland spielt Brasilien eine ganz wichtige Rolle für den Schutz globaler Güter, und es hat erst vor wenigen Tagen als einer der ersten Staaten das Pariser Klimaschutzabkommen ratifiziert. Genau diese enge, wertegebundene Zusammenarbeit, die sehr fruchtbar war, möchte die Bundesregierung fortsetzen . Es gibt innerhalb von Mercosur eine Diskussion um den venezolanischen Vorsitz; darauf zielt ja der zweite Teil Ihrer Frage . Wir haben diese Diskussion sehr aufmerksam verfolgt . Die Gründungsmitglieder von Mercosur - Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay haben sich mittlerweile auf eine gemeinsame Ausübung des Vorsitzes bis zur turnusmäßigen Übernahme durch Argentinien zum Ende des Jahres verständigt . Sie wissen ja, dass der Mercosur-Vorsitz im halbjährlichen Rhythmus wechselt . Den Diskussionsprozess innerhalb von Mercosur über die zukünftige Ausrichtung betrachtet die Bundesregierung als dessen innere Angelegenheit .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage . http://www.clarin.com/mundo/Mercosur-presidencia-colegiada-canciller-Brasil_0_1632436835.html http://www.clarin.com/mundo/Mercosur-presidencia-colegiada-canciller-Brasil_0_1632436835.html http://www.clarin.com/mundo/Mercosur-presidencia-colegiada-canciller-Brasil_0_1632436835.html

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön . - Aufgrund der neu geschaffenen, durch einen Putsch zustandegekommenen Ausrichtung Brasiliens kann man sich natürlich ausrechnen, dass sich die Mehrheit im Mercosur gegen Venezuela richtet; das ist ja offensichtlich . Meine Nachfrage zielt aber auf etwas anderes: Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Europäischen Auswärtigen Dienstes, der den De-facto-Regierungschef Temer aufgrund von massiven Korruptionsvorwürfen als sehr zweifelhaft ansieht und darüber hinaus eine gewisse Vorsicht anrät, zum Beispiel einen EU-Brasilien-Gipfel auszurichten? Welche Position hat da die Bundesregierung? Forciert die Bundesregierung die Ausrichtung des EU-Brasilien-Gipfels in Zusammenarbeit mit der derzeitigen De-facto-Regierung Brasiliens?

Not found (Gast)

Die Bewertung der Europäischen Union ist hier klar und der Bewertung der Europäischen Union schließt sich die Bundesregierung auch an -: Der Wechsel im Amt des Staatspräsidenten Brasiliens hat sich im Rahmen der brasilianischen Verfassung bewegt . Brasiliens oberstes Gericht hat inzwischen auch den Einspruch der Exstaatspräsidentin Rousseff abgelehnt . Uns sind natürlich, genau wie Ihnen, Befürchtungen über Rückschritte im Bereich der Menschenrechtspolitik, aber auch der Sozialpolitik bekannt, und diese Befürchtungen werden von uns sehr ernst genommen . Im Übrigen ist nicht allein die brasilianische Regierung oder der neue brasilianische Staatspräsident Ansprechpartner für die Bundesregierung . Wir stehen in einem ganz engen und regelmäßigen Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft in Brasilien, insbesondere auch mit Menschenrechtsaktivisten . Wir werden natürlich die Themen, die Sie eben angesprochen haben, im Format der EU, aber auch bilateral immer wieder ansprechen . Gerade die menschenrechtsrelevanten Themen sind für die Bundesregierung von besonderer Bedeutung .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Noch eine zweite Frage, und zwar bezüglich des Verhaltens der De-facto-Regierung unter Temer . Wie bewerten Sie denn die Tatsache, dass genau die Berechnungen, derentwegen die gewählte Präsidentin Dilma Rousseff gestürzt wurde - die Vorwürfe lauteten ja, dass sie Haushaltsmanipulationen vorgenommen hätte -, mit der neuen Regierung Temer legalisiert wurden?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, wenn ich richtig informiert bin, waren alle Vorwürfe, die gegen die ehemalige Staatspräsidentin Brasiliens erhoben worden sind, haltlos; da gab es ja keine Anlässe . Uns ist aber selbstverständlich bekannt, dass es inzwischen gegen eine Reihe aktiver und ehemaliger brasilianischer Politiker ganz unterschiedlicher Parteien Ermittlungen gibt, und wir begrüßen ausdrücklich, dass die unabhängige brasilianische Justiz Korruption und mögliche andere Vergehen von hochrangigen Politikern konsequent verfolgt . Natürlich muss darauf geachtet werden - das ist das wesentliche Prinzip eines Rechtsstaats -, dass die Justiz in jedem Fall frei von politischer Einflussnahme agieren kann.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Volker Beck hat das Wort zu einer Nachfrage .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich finde, die Beantwortung sowohl der Frage von Herrn Ströbele als auch der Frage von Frau Hänsel wirft so ein bisschen grundsätzliche Fragen nach der Konsistenz und Werteorientierung der Außenpolitik der Bundesregierung auf . Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie zu einem anderen Aspekt ähnlicher Natur fragen, und zwar: Frau Merkel hat in Israel ja einmal den Satz gesagt, Israels Sicherheit sei deutsche Staatsräson . Am 1 . September hat mir Ihr Haus berichtet, die Bundesregierung gehe Hinweisen nach, dass die Palästinensische Behörde im Einzelfall das Budget der PLO-Kommission für Gefangenenfragen unterstützt, woraus auch sogenannte Märtyrerrenten bezahlt werden sollen, also Geld an Attentäter und Terroristen fließen soll. Da Sie diesen Hinweisen nachgehen, frage ich Sie, ob Sie dabei neue Erkenntnisse gewonnen haben und ob die Bundesregierung, namentlich unsere Gesandtschaft in Ramallah, angesichts der Tatsache, dass wir Projekte der Palästinensischen Behörde finanzieren und die EU-Kommission Budgethilfen leistet, auch mit deutschen Staatsgeldern, mit der Palästinensischen Behörde und der PLO darüber gesprochen hat, dass es nicht angeht, dass an Terroristen Renten gezahlt werden .

Not found (Gast)

Herr Kollege Beck, es steht Ihnen völlig frei, über die Türkei und Brasilien auf Israel und die palästinensischen Gebiete zu sprechen zu kommen . Es steht Ihnen auch völlig frei, meine Antworten so zu bewerten, wie Sie das getan haben . Ich weise Ihre Bewertung aber auf das Schärfste zurück . Die Bundesregierung und insbesondere das Auswärtige Amt sind selbstverständlich den Menschenrechten verpflichtet. Ich weiß jetzt nicht genau, was Sie bezwecken . Wir waren gerade beim Thema Brasilien und bei Mercosur, und jetzt soll ich etwas zur Situation in Israel und zu Palästina sagen . Ich kann Ihnen nur eines versichern, nämlich dass wir allen Vorwürfen, allen kritischen Punkten sehr genau, sehr aufmerksam nachgehen - wenn sie von Ihnen kommen, erst recht .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herzlichen Dank, Herr Staatsminister . Die Frage 23 der Kollegin Jelpke und die Frage 24 der Kollegin Groth sollen schriftlich beantwortet werden . Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern . Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr . Günter Krings zur Verfügung . Die Frage 25 der Kollegin Groth und die Frage 26 der Kollegin Jelpke werden schriftlich beantwortet . Ich rufe die Frage 27 des Kollegen Volker Beck auf: Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Düsseldorf, Meiningen, Regensburg, Schleswig und Trier ({0}), wonach nach Syrien Zurückkehrende grundsätzlich von Verfolgung durch das syrische Regime bedroht sind und ihnen daher die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist, und welche Maßnahmen wird sie gegebenenfalls ergreifen, um zu gewährleisten, dass syrischen Asylsuchenden die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, ohne dass sie gegen einen ablehnenden Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge klagen müssen? Bitte, Herr Staatssekretär .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Beck, es handelt sich bei den in Ihrer Frage genannten Entscheidungen um erstinstanzliche Einzelfallentscheidungen, gegen die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das BAMF, Rechtsmittel eingelegt hat . Die Entscheidungen des BAMF werden stets nach individueller Bewertung der jeweiligen Einzelfälle und ausschließlich nach Maßgabe der geltenden Rechtslage getroffen . In allen Landesteilen Syriens kann eine individuelle Verfolgung im Sinne des § 3 Asylgesetz stattfinden. Verfolgungsakteure - das wissen Sie - sind die syrische Regierung, aber auch zahlreiche nichtstaatliche Gruppen . In diesen Fällen erfolgt eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft . Liegt eine solche individuelle Verfolgung in Anknüpfung an die Vorgaben der Genfer Flüchtlingskonvention und dann der sogenannten Qualifikationsrichtlinie der Europäischen Union nicht vor, kommt für Personen, denen eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen des Bürgerkriegs droht, die Gewährung subsidiären Schutzes in Betracht . Seit Wiederaufnahme der persönlichen Anhörungen stellt das Bundesamt insbesondere bei syrischen Antragstellern vermehrt ein Bürgerkriegsschicksal, nicht aber ein individuelles Verfolgungsschicksal fest . Dies führt nach der geltenden Rechtslage - nach Recht und Gesetz - dann nicht zur Zuerkennung von Flüchtlingsschutz, sondern in der Regel zur Gewährung subsidiären Schutzes .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die Frage ist ja, ob sich dieser Streit lohnt, ob Sie am Ende vor dem Bundesverwaltungsgericht obsiegen werden angesichts von fünf Urteilen der unteren Verwaltungsgerichte, die alle in die gleiche Richtung gehen, nämlich dass hier Schutz erteilt werden muss . Ich hatte Sie angesichts der Fälle, in denen der GFKSchutz und nicht nur der subsidiäre Schutz zuerkannt wurde, gefragt, wie Sie es vermeiden wollen, dass eine ganz große Zahl an Flüchtlingen auf den Rechtsweg verwiesen wird, wo sie dann auch recht bekommen . Es kann ja nicht sinnvoll sein, dass die Anweisungen im BAMF darauf hinauslaufen, dass wir alle in die Verfahren schicken . Das belastet unsere Gerichte und das BAMF, kostet ungeheuer viel Geld und bringt den Menschen große Verunsicherung .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Sie haben das Stichwort „Anweisungen“ genannt . Es gibt keine allgemeine Anweisung, allen einen subsidiären Schutz zu geben . Das sieht man daran, dass das Bundesamt auch aktuell vielen Asylbewerbern die Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention zuerkennt . Es ist also keineswegs so, dass diese Zuerkennung in allen Fällen verweigert wird . Vielmehr ist immer eine Einzelfallprüfung vorzunehmen . Sie haben fünf Verwaltungsgerichte genannt . Meines Wissens gibt es in Deutschland über 50 Verwaltungsgerichte . Selbst an den einzelnen Verwaltungsgerichten wird teilweise unterschiedlich geurteilt . Das kann damit zusammenhängen, dass es unterschiedliche Rechtsauffassungen gibt, hängt aber meistens damit zusammen, dass es unterschiedliche Verfolgungsschicksale gibt . Wir haben im letzten Jahr doch wohl alle gelernt, dass das Asylgrundrecht nach GFK ein individuelles Grundrecht ist, und wir können ein individuelles Grundrecht nur individuell prüfen und nicht kollektiv zuerkennen . Das würde den Rechtscharakter geradezu auf den Kopf stellen . Insofern ist das, was hier gemacht wird, eine Entscheidung nach Recht und Gesetz nach persönlicher Anhörung . Anders kann ein Bundesamt gar nicht agieren .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wie hoch beziffern Sie denn die Kosten für die zig Klageverfahren - Sie wollen das ja offensichtlich bis zum Bundesverwaltungsgericht, womöglich bis zum Bundesverfassungsgericht ausreizen -, in denen wir darüber streiten, ob die Leute aufgrund subsidiären Schutzes oder GFK-Schutzes hierbleiben dürfen?

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Ich kann Ihnen keine Kosten beziffern . Aber jeder Rechtsstaat wäre schlecht beraten, wenn er die Vorgehensweise von Behörden nach Recht und Gesetz gegen die Kosten aufrechnet . Die Behörden haben nach Recht und Gesetz zu handeln, und das ist wichtiger als die Frage der Kosten . Vizepräsidentin Petra Pau http://www.asyl.net/startseite/nachrichten/artikel/56144.html http://www.asyl.net/startseite/nachrichten/artikel/56144.html

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir kommen zur Frage 28 der Kollegin Irene Mihalic: Inwiefern hat die Bundesregierung infolge der Terroranschläge von Ansbach und Würzburg bzw . der Amoktat von München einen möglichen Bedarf festgestellt, chemische, biologische, radiologische oder nukleare Abwehrfähigkeiten ({0}) der Bundeswehr im Inland zum Einsatz zu bringen, und wenn ja, aus welchen Gründen? Bitte, Herr Staatssekretär .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Mihalic, die terroristischen Anschläge von Ansbach und Würzburg, aber auch die Amoktat von München haben vielfältige Reaktionen und Überprüfungen ausgelöst . Es waren - das ist bei dieser Frage wichtig - in der Rückschau aber keine Szenarien, zu deren Abwehr der Einsatz sogenannter CBRN-Abwehrfähigkeiten erforderlich war . „CBRN“ ist die Abkürzung für chemisch, biologisch, radiologisch oder nuklear . Die Bundesregierung hat infolge dieser Ereignisse in der Rückschau auch keinen entsprechenden Bedarf festgestellt .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .

Dr. Irene Mihalic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung . Aus Ihrer Antwort wird mir allerdings nicht deutlich, was die Bundesregierung tatsächlich motiviert hat, nach den Anschlägen von Würzburg, Ansbach und München ihre Absichten zu konkretisieren, gemeinsame Antiterrorübungen zwischen den Polizeien des Bundes und der Länder sowie der Bundeswehr im Inland durchzuführen; denn Sie haben zu unserer kleinen Anfrage, die wir zu diesem Themenkomplex gestellt haben, Folgendes geantwortet: Für Terroranschläge mit Kriegswaffen in Deutschland ist die Polizei mit ihren dienstlich zugewiesenen Waffen angemessen ausgestattet . Sie haben dabei aber auch auf sogenannte Unikatfähigkeiten der Bundeswehr hingewiesen, über die weder die Polizei noch andere zivile Einrichtungen verfügen . Die einzig echte Unikatfähigkeit, die Sie dort benennen, sind die sogenannten CBRN-Fähigkeiten . Das lässt für mich den Rückschluss zu, dass, wenn alles andere auch die Polizei erledigen kann und es lediglich um die CBRN-Fähigkeit geht, das dann sicherlich der Anlass ist, nun die gemeinsamen Übungen anzustreben; denn ansonsten würde es für diese Übungen keinen Bedarf geben .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Zunächst einmal wäre nichts so gefährlich und nachlässig, sich nur auf den Anschlag von gestern vorzubereiten . Sie haben in der Frage - so habe jedenfalls ich es ausgelegt, und es ist nach dem Wortlaut möglich - konkret nach diesen zwei Anschlägen und dem Amoklauf gefragt . Aus diesen konkreten Abläufen heraus ergibt sich kein CBRN-Bezug . Natürlich nehmen wir die weitere Entwicklung der Sicherheitslage auch zum Anlass, über das, was wir bisher erlebt haben, hinauszugehen und zu schauen, welche Szenarien es noch geben könnte . Dabei kann die CBRN-Fähigkeit der Bundeswehr eine große Rolle spielen . Insofern prüfen Bund und Länder zurzeit, ob und inwieweit in CBRN-Angelegenheiten dann ein Unterstützungsbedarf besteht und ob die Bundeswehr diesen abdecken kann . Darum geht es .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage .

Dr. Irene Mihalic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank . - Heißt das nach Ihren Ausführungen, dass Sie schon damit rechnen, dass es in Deutschland terroristische Anschläge gibt, die einen Einsatz von CBRN-Fähigkeiten der Bundeswehr im Inland erforderlich machen, oder wie ist Ihre Antwort in diesem Zusammenhang zu verstehen? Ich hätte mir vorgestellt, dass Übungen seitens der Polizei durchaus Sinn machen in Zusammenarbeit mit Feuerwehr, Rettungskräften auf der Basis von Erfahrungen, die wir mit zurückliegenden Terroranschlägen, also realistischen Szenarien, nicht nur in diesem Jahr in Deutschland, sondern auch in Europa gemacht haben . Nach Ihrer Antwort muss ich aber davon ausgehen, dass Sie damit rechnen, dass es in Deutschland Terroranschläge geben wird, die den Einsatz von CBRN-Fähigkeiten erforderlich machen . Oder habe ich Sie da missverstanden?

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Es wäre jetzt nicht klug, darüber zu spekulieren, womit wir rechnen . Allerdings weise ich darauf hin, dass die Gefahren aus Angriffen im CBRN-Bereich - die Abkürzung ist furchtbar, ich sage noch einmal, was es bedeutet: chemisch, biologisch, radiologisch und nuklear - nicht unrealistisch sind . Das spiegelt sich bereits im Bereich des Katastrophenschutzes bei den LÜKEX-Übungen, die Ihnen bekannt sind, wider, die jedes Jahr stattfinden. Bereits 2009, 2010 haben sie Szenarien mit terroristischem Bezug beinhaltet . Insofern ist das keine neue Annahme . Es muss jetzt die Frage geprüft werden, ob wir dazu speziell die Bundeswehr benötigen . Es ist auch diskutiert worden, wenn es beispielsweise um unterstützende Tätigkeiten wie Absperrungen und Ähnliches geht und man kurzfristig mehr Personal für einige Stunden benötigt, ob hier die Bundeswehr Hilfestellung geben kann . Das alles sind Dinge, die im Zuge der Amtshilfe möglich sind . Hier sind wir auch nicht in einem Bereich, wo wir über Grundgesetzänderungen sprechen, falls das eine weitere Besorgnis sein sollte .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Ströbele hat das Wort zu einer Nachfrage .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass der, man muss sagen: Amokangriff mit dem Beil nicht unbedingt den Bedarf an chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Fähigkeiten begründet . Gab es denn nach Ihrer Kenntnis, nach Kenntnis Ihres Hauses, überhaupt schon mal in Europa einen Anschlag, der einen solchen Bedarf signalisiert hat, und wenn ja, welcher war das?

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Ich kann Ihnen, lieber Kollege, jetzt nicht auswendig sagen, ob das in anderen europäischen Staaten, beispielsweise in Großbritannien oder anderswo, mal eine Rolle gespielt hat . Ich kann nur eines sagen: Wir sitzen oder stehen ganz trocken und gemütlich hier im Plenarsaal des Reichstages . Die Polizisten in München konnten beispielsweise nicht sofort wissen, wie der Anschlag aussieht . Sie bekamen Meldungen, es gab Notrufe . Zuerst gab es die Befürchtung, es könnte ein Terroranschlag sein . Glücklicherweise hat sich das jedenfalls - so schlimm die Tat an sich auch war - nicht bewahrheitet . Aber Polizeikräfte vor Ort müssen in wenigen Sekunden Einschätzungen treffen . Ich glaube, wir müssen auf alle Szenarien vorbereitet sein . Wenn wir das nicht tun würden, würden wir unsere Arbeit nicht machen; das ist unsere Haltung .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer weitere Nachfrage hat die Kollegin Keul das Wort .

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank . - Meine Frage bezieht sich auf die Übungen, die künftig stattfinden sollen. Sie werden sich, wenn ich es richtig verstanden habe, nicht auf die CBRN-Fähigkeiten beschränken, sondern ganz breit angelegt sein . Dann frage ich mich schon: Was ist denn der Hintergrund? Hat es in solchen Fällen jemals Anlass zu der Feststellung gegeben, dass es dort ein Defizit gibt? Ist es im 70-jährigen Bestehen der Bundesrepublik dazu gekommen, dass die Bundeswehr in einem Notfall nicht einsatzfähig gewesen wäre, dass die Zusammenarbeit mit der Polizei irgendwelche Risiken hervorgerufen hätte? Die Notwendigkeit, das jetzt auch jenseits dieses speziellen Bereiches zu tun, erschließt sich mir bislang nicht .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Frau Kollegin, wir müssen natürlich die Dinge auseinanderhalten . Wir haben in vielen anderen europäischen Staaten erlebt, dass man in Krisensituationen offenbar auf Militär angewiesen war . Ich glaube nicht, dass das im Regelfall selbst bei Anschlägen in Deutschland der Fall ist, aber wir können es eben nicht ausschließen . Wir wissen auch, dass es die Verfassungslage durchaus hergibt, dass die Bundeswehr im Wege der Amtshilfe unterstützend tätig wird . Es gab auch schon viele Katastrophenfälle abseits des Themas Terrorismus - ich will gar nicht das Thema Hochwasser bemühen -, in denen die Bundeswehr unterstützend tätig gewesen ist . Wenn wir nach der Rechtslage etwas tun dürfen und es auch schon in anderen Szenarien passiert ist, dann sollten wir es auch üben . Ich glaube, es wäre verkehrt, wenn wir nur über normative Veränderungen nachdächten, aber nicht das einübten, was wir schon jetzt tun dürfen und wozu es durchaus eine Notwendigkeit geben könnte . Leider noch heftigere Anschlagsszenarien in anderen Staaten um uns herum beweisen, dass es leicht zu solchen Fällen kommen kann, in denen wir diese Unterstützung brauchen . Wir hoffen nicht, dass wir sie brauchen, ich glaube auch nicht, dass wir sie bei jedem Anschlag sofort anfordern müssen, aber wir können es nicht ausschließen . Es wäre leichtfertig, es dann nicht einzuüben .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Herr Staatssekretär . - Die Fragen 29 und 30 des Kollegen Dr . André Hahn sollen schriftlich beantwortet werden . Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz . Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Ulrich Kelber zur Verfügung . Ich rufe die Frage 31 der Kollegin Renate Künast auf: Wann wird das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz seine Ankündigung ({0}) in die Tat umsetzen, Eckpunkte für ein Musterfeststellungsverfahren vorzustellen, um Verbraucherinnen und Verbrauchern die gemeinsame Rechtsdurchsetzung zu erleichtern, und was waren bislang die Schwierigkeiten bei der Erarbeitung dieses Entwurfes? Bitte, Herr Staatssekretär .

Ulrich Kelber (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003450

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Frau Kollegin Künast, das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz prüft derzeit Vorschläge zu einer Musterfeststellungsklage . Dabei sollen sowohl die Empfehlung der Europäischen Kommission für „Gemeinsame Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren in den Mitgliedstaaten bei Verletzung von durch Unionsrecht garantierten Rechten“ als auch die Rechtsvorschriften und Erfahrungen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union berücksichtigt werden . Ziel wäre eine Vereinfachung der zivilprozessualen Rechtsdurchsetzung für Verbraucherinnen und Verbraucher . Zugleich soll einer missbräuchlichen Rechtsverfolgung vorgebeugt werden .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Staatssekretär . Aber die Antwort befriedigt mich insofern nicht, als dass ich gerne mal wissen würde, wann die Endlosschleife des Prüfvorganges in eine finale Phase gerät. Deshalb sage ich es noch einmal ganz klar . Der Kollege Dirk Wiese hat am 5 . November 2015 hier gesagt: Es gibt demnächst Eckpunkte, jeden Augenblick . - Letztes Jahr im Sommer nahm ich an einer Veranstaltung teil, auf der Gerd Billen vor mir sprach . Damals kamen mir schon die Ersten strahlend entgegen und sagten: Der Staatssekretär hat gerade angekündigt, dass es schon bald die Möglichkeit einer Sammelklage gibt . - Das wurde später etwas korrigiert, nämlich dahin gehend, dass die Sammelklage eine Musterfeststellungsklage sein soll; aber immerhin etwas . Nur: Sie ist immer noch nicht da . Wann kommen Sie zu einem Ende? Oder ist die alte Ankündigung im Koalitionsdiskurs in schwarzen Löchern verschwunden? ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort, Herr Staatssekretär .

Ulrich Kelber (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003450

Ich will die Aussage eines Parlamentariers über Zeitabläufe hier im Verfahren natürlich nicht kommentieren . Aber als frühere Bundesministerin, Frau Kollegin, wissen Sie, dass man bei der Vorlage eines innovativen, neuen Konzeptes drei Aspekte berücksichtigen muss: Erstens, man prüft seinen Vorschlag ganz genau, zweitens, man spricht mit Betroffenen, und drittens, man sucht Unterstützer, bevor man einen Text vorstellt; denn Schaufensterentwürfe zu präsentieren, nützt der Sache auch nichts .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage .

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Schön, dass Sie daran erinnern, wie gut ich mich bei Verfahrensregeln auskenne . - Es hat ja nicht nur ein Koalitionskollege darüber gesprochen - Sie besprechen ja viel in den Koalitionsfraktionen; das merken wir immer im Rechtsausschuss: bevor nicht alle befriedet sind, bekommen wir die entsprechenden Themen nicht auf die Tagesordnung bzw . abgeschlossen -, sondern auch Gerd Billen, der Staatssekretär im gleichen Hause wie Sie ist . Es gab so viele Ankündigungen, dass, finde ich, jetzt endlich etwas kommen muss . Man kündigt ja nicht an, wenn man nicht wüsste, dass man bald zu einem Ergebnis kommt . Deshalb meine Frage: Wann wird es an dieser Stelle etwas geben, und geschieht dies noch bis zum Ende der Legislaturperiode? Ich sage das bewusst mit Blick auf VW und die VW-Kunden . Wir brauchen solche Sammelklagen oder Musterfeststellungsklagen, weil wir die Kunden gerade bei kleinen Streitwerten nicht alleine lassen können . Die VW-Kunden in Deutschland werden anders behandelt als in den USA . Hier werden Rückrufaktionen durchgeführt, die nicht einmal das zuständige Bundesamt für gute Rückrufaktionen hält . Die Lügensoftware wird verändert, aber der Schadstoffausstoß bleibt immer noch extrem hoch . Da werden die Kunden betrogen . Vielleicht kommt demnächst ein Fahrverbot für bestimmte Dieselfahrzeuge in den Innenstädten . Dann hätten die Leute mit Zitronen gehandelt; denn die Schadstoffsoftware ist weg, aber sie dürfen mit ihren Autos nicht in die Innenstädte fahren . Man sieht doch, dass die Kunden im Fall VW dringend eine Entscheidung brauchen . Kommt sie? Kommt sie noch in dieser Legislaturperiode?

Ulrich Kelber (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003450

Nicht nur der beamtete Staatssekretär Gerd Billen, sondern auch ich als Parlamentarischer Staatssekretär habe mehrfach angekündigt, dass wir daran arbeiten wollen, dass wir es vorlegen wollen und dass wir es vor allen Dingen beschlossen sehen wollen . ({0}) Daran arbeitet das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz . ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs . Herzlichen Dank für die Beantwortung, Herr Staatssekretär . Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales . Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller zur Verfügung . Ich rufe die Frage 32 der Kollegin Katrin Werner auf: Welche Bedingungen müssen nach Ansicht der Bundesregierung erfüllt sein, damit das Wunsch- und Wahlrecht in Bezug auf freie Wahl von Wohnort und Wohnform in Deutschland auch für Menschen mit Behinderungen realisiert wird, und wie definiert die Bundesregierung den Progressionsvorbehalt in der UN-Behindertenrechtskonvention? Bitte .

Gabriele Lösekrug-Möller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003482

Liebe Kollegin Werner, nach Artikel 4 Absatz 2 der UN-Behindertenrechtskonvention ist jeder Vertragsstaat hinsichtlich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte verpflichtet, unter Ausschöpfung seiner verfügbaren Mittel nach und nach die volle Verwirklichung dieser Rechte zu erreichen . Nach diesem sogenannten Progressionsvorbehalt steht dem Gesetzgeber bei der Fortentwicklung des Leistungsrechts nach den Maßgaben der UN-BRK ein entsprechender Gestaltungsspielraum zu . Im Rahmen der Gestaltung der Leistungen sind angemessene Wünsche der Leistungsberechtigten zu berücksichtigen . Für die Angemessenheit ist die Besonderheit des Einzelfalls maßgeblich . Dabei sind insbesondere die Art des Bedarfs, die persönlichen Verhältnisse, der Sozialraum und die eigenen Kräfte und Mittel zu würdigen . Sofern die Wünsche angemessen sind oder ihre Berücksichtigung nicht zu unverhältnismäßigen Mehrkosten führt, ist ihnen zu entsprechen . Aber auch unangemessenen Wünschen ist zu entsprechen, wenn ansonsten der Bedarf nicht oder nicht umfassend gedeckt werden kann oder alternative Leistungsformen nicht zumutbar sind . Dabei erfolgt eine individuelle Zumutbarkeitsprüfung .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .

Katrin Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004188, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich glaube, dass die Betroffenen, die schon vor der Sommerpause mit einer Käfig-Aktion auf die Straße gegangen sind und morgen vor dem Brandenburger Tor unter dem Motto „Zwangsumsiedlung“ demonstrieren werden, mit dieser Antwort leider nicht viel anfangen können, dass ihre Ängste durch Ihre Antwort vielleicht sogar verstärkt werden; denn Sie sprechen von „angemessen“, von „würdigen“, von „Prüfung“ und vielen Faktoren, die eine Rolle spielen könnten, aber Sie stellen die Entscheidung unter einen Vorbehalt . Gerade weil Sie immer wieder vom Poolen sprechen - „Zwangspoolen“ ist ein immer wiederkehrendes Wort -, haben die Menschen Angst davor, dass entschieden wird, dass sie in eine andere Wohnform gehen müssen, und das ist nicht selbstbestimmt . Insofern bitte ich Sie, konkreter zu werden: Haben die Menschen ein Wunsch- und Wahlrecht? Können sie selbstbestimmt entscheiden, oder hängt die Entscheidung von dem Mitarbeiter in der Verwaltung ab? Wenn die Entscheidung von dem Verwaltungsmitarbeiter abhängig ist - diese Frage habe ich hier schon ein paarmal gestellt -, dann ist sie auch vom kommunalen Haushalt abhängig . Spätestens 2020, wenn die Schuldenbremse in den Bundesländern angeblich greift, würde in dem einen oder anderen Bundesland diese Angst die Menschen erst recht umtreiben .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte .

Gabriele Lösekrug-Möller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003482

Ich antworte gerne . - Liebe Kollegin Werner, ich glaube, wir beide sind froh, in einem Land zu leben, in dem freie Meinungsäußerung möglich ist . Deshalb habe ich großen Respekt vor all dem, was in der Diskussion über den Entwurf eines Bundesteilhabegesetzes - das ist, wie ich finde, ein wirklich sehr großes Gesetzesvorhaben vorgetragen wird . Der Gesetzentwurf wird morgen ins Parlament eingebracht . Dann haben es die Abgeordneten dieses Hauses in der Hand, Veränderungen vorzunehmen . Wir legen einen Gesetzentwurf vor . Das ist die Aufgabe der Bundesregierung . Ich will Ihnen sagen: Dieser Gesetzentwurf ist aus meiner Sicht auch in dieser Hinsicht so gestaltet, dass keine Willkür hinsichtlich der Ausgestaltung des Wunsch- und Wahlrechts herrschen kann . Das gilt auch für das geltende Recht . Auch wie Ermessen ausgeübt wird, ist nicht beliebig . Insofern sage ich zu dem, was Sie in Ihrer Frage unterstellt haben: Dieser Bewertung kann die Bundesregierung nicht zustimmen . Gleichwohl stimme ich Ihnen zu, dass das Wunschund Wahlrecht ein sehr großes Thema ist . Das gilt insbesondere für die Frage des Wohnortes und der Wohnform . Meines Erachtens ist in dem Gesetzentwurf, den wir jetzt zur Beratung vorlegen, angelegt, dass das angemessen entschieden werden kann . Sollte das Parlament die Regelungen noch verfeinern, glaube ich, wird die Bundesregierung das sehr gerne zur Kenntnis nehmen .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Recht zur zweiten Nachfrage . Ich bitte, die vereinbarte Zeit zu beachten .

Katrin Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004188, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Stoßrichtung meiner Frage ist das Poolen, also die Gruppenleistung - entweder Sie bestätigen meine Auslegung bzw . Befürchtung, oder Sie widersprechen -: Die Verwaltung kann unter dem Gesichtspunkt des Mehrkostenvorbehalts eine Entscheidung zugunsten einer Poolleistung treffen, also einer Gruppenleistung - zum Beispiel hinsichtlich der Wohnform -, die vom Betroffenen nicht freiwillig gewählt würde . Insofern ist mir nicht klar, wie man Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen möchte .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Frau Staatssekretärin .

Gabriele Lösekrug-Möller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003482

Frau Kollegin Werner, ich glaube, zum Progressionsvorbehalt in Bezug auf die Umsetzung der UN-BRK habe ich genug gesagt . Was das gemeinsame Inanspruchnehmen von Leistungen anbelangt, sieht der Gesetzentwurf vor, dass das nur bei ganz bestimmten Leistungsarten möglich ist . Ich denke, wir haben eine sehr angemessene Regelung vorgeschlagen, wann eine gemeinschaftliche Inanspruchnahme zumutbar ist . Ich weise hier noch einmal darauf hin: Sollte sie im Einzelfall nicht zumutbar sein, darf auch die Wirtschaftlichkeit nicht geprüft werden . Das ist schon Gegenstand des Gesetzentwurfs, über den ab morgen das Parlament beraten wird . Ich erlaube mir, jetzt die Gelegenheit zu nutzen, noch auf einen meines Erachtens von Ihnen nicht zu Recht dargestellten Zusammenhang von Haushaltslagen von Kommunen und einem Rechtsanspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe hinzuweisen . Er kann nicht unter dem Vorbehalt der finanziellen Möglichkeiten einer Kommune stehen .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke . - Wir kommen zur Frage 33 der Kollegin Katrin Werner: Welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung hinsichtlich der Kritik von Selbstvertretungsorganisationen, dass Menschen mit Behinderungen, die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Leistungen erhalten, keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe haben und somit von einer gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen sind? Bitte, Frau Staatssekretärin .

Gabriele Lösekrug-Möller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003482

Ich antworte darauf wie folgt: Derzeit wird vonseiten der Bundesregierung kein gesetzlicher Handlungsbedarf gesehen . Die von Ihnen in der Frage mitgeteilte Auffassung, wonach Menschen mit Behinderungen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe haben, ist so nicht zutreffend . Zwar besteht für den genannten Personenkreis während der ersten 15 Monate ihres Aufenthalts im Bundesgebiet nach dem Asylbewerberleistungsgesetz kein allgemeiner Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe - dem liegt die gesetzgeberische Wertung zugrunde, dass mangels anerkanntem dauerhaftem Integrationsbedarf in die deutsche Gesellschaft Leistungen der gesellschaftlichen Teilhabe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz grundsätzlich nicht beansprucht werden können -, jedoch bietet die Sonderregelung in § 6 Absatz 1 Asylbewerberleistungsgesetz eine Grundlage, die im Einzelfall auch die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe ermöglicht . Diese können nach § 6 Absatz 1 Asylbewerberleistungsgesetz gewährt werden, wenn dies zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich oder zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten ist . Bei der Auslegung und Anwendung dieser Norm obliegt es den Leistungsbehörden nach dem zitierten Gesetz, europarechtliche Vorgaben einzuhalten und den Wertentscheidungen völkerrechtlicher Verträge und des Grundgesetzes Rechnung zu tragen . Ich führe auch gerne noch aus: Nach einem fünfzehnmonatigen Aufenthalt im Bundesgebiet haben die Leistungsberechtigten nach Asylbewerberleistungsgesetz gemäß § 2 Absatz 1 Anspruch auf Leistungen entsprechend dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch . Insofern gilt für sie hinsichtlich der Eingliederungshilfe die Sonderregelung in § 23 Absatz 1 SGB XII, die die Gewährung von Eingliederungshilfeleistungen in das Ermessen der Behörde stellt .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage . - Sie verzichten . - Danke, Frau Staatssekretärin . Dann kommen wir zur Frage 34 des Kollegen Volker Beck: Inwiefern hält es die Bundesregierung für vereinbar mit den Vorgaben von Artikel 19 Absatz 2 und Artikel 25 Absatz 1 der Aufnahmerichtlinie, Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ({0}) medizinische und sonstige Hilfe lediglich in dem von den §§ 4 und 6 AsylbLG vorgesehenen Umfang zu gewähren, obwohl die Aufnahmerichtlinie die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Antragstellern mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe, einschließlich einer gegebenenfalls erforderlichen psychologischen Behandlung, zu gewähren und Opfern von Folter, Vergewaltigung und anderen schweren Gewalttaten einen Anspruch auf medizinische Behandlung einzuräumen ({1}), und wie wird die Bundesregierung die unionsrechtskonforme Leistungsgewährung sicherstellen? Bitte, Frau Staatssekretärin .

Gabriele Lösekrug-Möller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003482

Herr Kollege Beck, ich antworte wie folgt: Die Bundesregierung hat der Kommission am 11 . April mitgeteilt, wie die Richtlinie 2013/33/EU - das ist die Bezeichnung -, die sogenannte Aufnahmerichtlinie, in das Recht der Bundesrepublik Deutschland umgesetzt wurde . Dies erfolgte fristgerecht auf die Stellungnahme der Kommission vom 10 . Februar dieses Jahres . Für das Asylbewerberleistungsgesetz gilt, dass die Öffnungsklausel des § 6 Absatz 1 - er wurde gerade schon in einer anderen Antwort erwähnt - den zuständigen Leistungsbehörden die Möglichkeit eröffnet, besonderen, auch medizinischen, Bedürfnissen schutzbedürftiger Personen, etwa im Hinblick auf eine Versorgung mit psychotherapeutischen Behandlungsleistungen, im Sinne der Aufnahmerichtlinie im Einzelfall Rechnung zu tragen, wenn dies zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich oder zur Deckung der Bedürfnisse von Kindern geboten ist. Die Pflicht zur Identifizierung dieser Personen obliegt den Ländern . Ich will noch anfügen: Unbeschadet dessen prüft die Bundesregierung derzeit, ob noch weiterer bundesrechtlicher Regelungsbedarf besteht, etwa im Hinblick auf die einheitliche Umsetzung der Richtlinienvorgaben in den Ländern .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, die Diakonie Deutschland hat in einer Stellungnahme zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen festgestellt, dass die Leistungen für Erwachsene darin um rund 140 Euro unsachgemäß gekürzt worden sind . Was entgegnen Sie dieser Kritik, die sich ja auf Euro und Cent genau mit den jeweiligen Beträgen umfangreich auseinandersetzt?

Gabriele Lösekrug-Möller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003482

Diese Bewertung macht sich die Bundesregierung nicht zu eigen .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sachlich haben Sie dem nichts entgegenzusetzen? Frau Staatssekretärin, im Ernst: Ich erwarte schon, dass Sie, wenn Sie hier einen Gesetzentwurf vorlegen und es von einem der Spitzenverbände der Wohlfahrtspflege eine detaillierte Kritik an Ihren Vorstellungen gibt, nicht nur sagen, dass Sie anderer Auffassung sind, sondern dem Parlament auch mitteilen, warum Sie anderer Auffassung sind . Die Diakonie in Deutschland kommt bei ihren Berechnungen zu einer Differenz von immerhin 140 Euro, von der sie sagt, sie sei unsachgemäß .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort .

Gabriele Lösekrug-Möller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003482

Herr Kollege Beck, wir beide sind schon lange im Parlament und wissen, dass es bei jedem Gesetzgebungsvorhaben ein Prozedere gibt, das immer auch eine Verbändeanhörung beinhaltet. Diese findet natürlich zu jedem Gesetzesvorhaben statt. Wir haben es sehr häufig, dass Wohlfahrtsverbände, deren Arbeit ich sehr schätze und respektiere - ich will daran keinen Zweifel lassen -, im Hinblick auf das, was wir vorschlagen, zu einer anderen rechtlichen Bewertung kommen . ({0}) Das ist auch in diesem Fall so . Aus der Sicht meines Hauses und der Bundesregierung haben wir uns damit hinreichend auseinandergesetzt . Wir kommen eben zu genau dem Vorschlag, der jetzt Gegenstand ist . ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Frau Staatssekretärin . Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft . Die Fragen 35 und 36 der Kollegin Ronja Schmitt, die Frage 37 des Kollegen Friedrich Ostendorff und die Fragen 38 und 39 der Kollegin Bärbel Höhn werden schriftlich beantwortet . Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung . Die Frage 40 des Kollegen Omid Nouripour und die Fragen 41 und 42 des Kollegen Dr . Alexander S . Neu werden schriftlich beantwortet . Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend . Die Fragen 43 und 44 der Kollegin Beate Walter-Rosenheimer werden ebenfalls schriftlich beantwortet . Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur . Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Enak Ferlemann zur Verfügung . Wir kommen zu den Fragen 45 und 46 des Kollegen Matthias Gastel, den ich im Moment nicht entdecken kann . - Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen . Die Fragen 47 und 48 des Kollegen Stephan Kühn werden schriftlich beantwortet . Dann danke ich Ihnen, Herr Staatssekretär, für die Bereitschaft zur Beantwortung der Fragen . Damit sind wir am Ende der Fragestunde . Ich unterbreche die Sitzung des Plenums des Bundestages bis zum Beginn der Aktuellen Stunde um 15 .40 Uhr . ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet . Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Konzentration in der Agro- und Saatgutindustrie durch die geplante Fusion der Bayer AG und Monsanto Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat die Kollegin Katharina Dröge für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit letzter Woche ist offiziell: 59 Milliarden Euro will Bayer für den Gentechnikkonzern Monsanto hinlegen; eine Riesensumme für ein Unternehmen mit einem ziemlich schlechten Ruf . Ich könnte heute lange darüber sprechen, warum ich diese Fusion allein aus unternehmerischer Sicht für Bayer nicht nachvollziehbar finde: das hohe finanzielle Risiko, aber auch der immense Imageschaden, der damit für Bayer verbunden ist . Aber ich glaube, das ist nicht das Thema, mit dem wir uns als Deutscher Bundestag beschäftigen müssen . Das Thema, um das es uns heute gehen sollte, sind die gesamtwirtschaftlichen Folgen einer Fusion; die Folgen für die Verbraucherinnen und Verbraucher, die Folgen für die anderen Unternehmen und auch die Folgen für die Umwelt . Bei einem Blick auf die Folgen einer Fusion von Bayer und Monsanto sieht es schlecht aus . Schon jetzt haben Bayer und Monsanto auf dem Saatgut- und Pestizidmarkt enorme Marktanteile und enorme Marktmacht . Eine Fusion dieser beiden Unternehmen würde zu einem Megakonzern führen, der weltweit fast ein Drittel des Saatgutes und ein Viertel der Pestizide kontrollieren würde . Die Verliererinnen und Verlierer dieses neuen megamächtigen Konzernes wären unter anderem die Landwirtinnen und Landwirte, die einem noch höheren Druck ausgesetzt wären . Sowohl den Landwirten in Deutschland als auch den Kleinbauern in den Entwicklungsländern könnte diese Fusion die Lebensgrundlage entziehen . Bei einer Fusion von Bayer und Monsanto erwarten wir, dass es für die Verbraucherinnen und Verbraucher massive negative Effekte geben wird . Es wird zu einer Verschlechterung im Bereich der Lebensmittel kommen, zu einer Verschlechterung der Auswahl . Mehr als 70 Prozent der Deutschen sagen, sie wollen kein Genfood auf ihrem Teller . Aber genau das ist ein Teil der Strategie der Fusion von Bayer und Monsanto . ({0}) Mit dieser Marktmacht von Bayer und Monsanto wird auch der politische Einfluss dieses neuen Megakonzernes steigen, etwa der politische Einfluss in Brüssel. Wir sehen schon jetzt den Einfluss, den beide Konzerne bei der Zulassung von Glyphosat ausüben . Wir sehen schon jetzt den Einfluss, den beide in den USA und hier in Europa bei der Kennzeichnung von Gentechnik und anderem ausüben. Dieser politische Einfluss wird steigen, wenn diese beiden Konzerne fusionieren . Auch das müssen wir uns anschauen, und auch das müssen wir diskutieren . ({1}) Aus diesem Grund sage ich: Die Kartellbehörden müssen sehr genau hinschauen, ob sie diese Fusion genehmigen wollen oder nicht . Da höre ich sehr negative Signale von den Expertinnen und Experten, sowohl auf europäischer Ebene als auch von deutschen Kartellrechtlern . Viele Experten sagen: Eigentlich kann man diese Fusion gar nicht verhindern; denn beide Unternehmen agieren auf unterschiedlichen Märkten, das eine auf dem Saatgutmarkt, das andere auf dem Pestizidmarkt . Das seien zwei unterschiedliche Märkte . Damit könne nicht festgestellt werden, dass die Marktmacht relevant steige . Ich sage Ihnen: Wer so eine verengte, so eine altmodische Blickweise im Bereich des Kartellrechts hat, der trägt den Gefahren und Risiken sowie der wirtschaftlichen Bedeutung dieses Konzerns nicht Rechnung . ({2}) Denn was ist das wirtschaftliche Ziel dieser Fusion? Warum ist Bayer bereit, fast 60 Milliarden Euro für so einen Konzern wie Monsanto auszugeben? Es geht genau um die Marktmacht, die durch die Fusion beider Konzerne entstehen wird . Denn Bayer und Monsanto wollen gemeinsam Koppelprodukte verkaufen . Bayer und Monsanto setzen gerade darauf, eine Kombilösung aus Saatgut und Pestizid anzubieten und den Bäuerinnen und Bauern zu sagen: Wenn du mein Saatgut kaufst, dann musst du das Pestizid dazukaufen, und ich habe Saatgut, das genau auf dieses Pestizid optimiert wird . Damit wird die Marktmacht eben nicht auf beiden Märkten separat in irgendeiner Weise betroffen sein, sondern die Marktmacht wird auf beiden Märkten zunehmen und einen massiven Einfluss bringen. Wenn die Bundeskartellbehörden das nicht berücksichtigen, dann greifen sie zu kurz . Es ist gerade bei integrierten Konzernen, bei großen, international agierenden Konzernen im Wettbewerbsrecht in der letzten Zeit immer häufiger zu beobachten gewesen, dass die Blickweise des Bundeskartellamts und der Europäischen Kommission zu eng war . Dasselbe war bei der Fusion zwischen Facebook und WhatsApp zu sehen . Auch da haben die Wettbewerbsbehörden gesagt: Das sind zwei unterschiedliche Märkte; Facebook und WhatsApp agieren auf unterschiedlichen Märkten . - Wir haben gesagt: Nein, beide haben einen Messengerdienst, und die Fusion zielt darauf, dass Facebook einen unliebsamen Konkurrenten vom Markt wegkaufen will . Kurze Zeit nach der Fusion haben wir festgestellt: Facebook hat die AGBs verschlechtert, also eine massive Marktverschlechterung für die Konsumentinnen und Konsumenten durchgesetzt . Jetzt, zwei Jahre später, beschäftigt sich die Europäische Kommission damit . Jetzt hat auch das Bundeskartellamt angefangen, sich mit der Frage der Datenschutzverschlechterung auseinanderzusetzen . Aber ich sage Ihnen: Das ist zu spät . Wenn man solche Fusionen betrachtet, dann muss man am Anfang ansetzen, und dann müssen wir darüber reden, ob wir die Marktabgrenzung nicht anders definieren müssen . Dabei ist es gegebenenfalls auch notwendig das wird sich bei der Fusion von Bayer und Monsanto zeigen -, dass wir eine Reform des Wettbewerbsrechts auf europäischer Ebene und gegebenenfalls auch auf nationaler Ebene durchführen, damit diese Fusion von Bayer und Monsanto verhindert werden kann . ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Dr . Matthias Heider hat für die CDU/ CSU-Fraktion das Wort . ({0})

Dr. Matthias Heider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004051, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Dröge, das ist wieder einmal eine ganz vorschnelle Aktuelle Stunde, die wir heute auf Ihr Verlangen abhalten . ({0}) Ich dachte eigentlich schon heute Morgen im Wirtschaftsausschuss, wir wären uns darüber einig gewesen, dass politischer Druck auf Kartellbehörden eben nicht das ist, was wir wollen . Ich glaube, mit dieser Aktuellen Stunde machen wir gerade genau das Gegenteil . Kennen Sie den Inhalt des Übernahmevertrages der beiden Parteien? Haben Sie ihn gelesen? Hat irgendein Mitglied dieses Hauses ihn gelesen? ({1}) Nein, Sie haben ihn nicht gelesen . Sie blicken auf Marktdaten, stellen Vermutungen an und machen das zu einer Grundlage für eine Aktuelle Stunde . Das ist ein bisschen dürftig, meine Damen und Herren . ({2}) Wenn wir uns die einzelnen Punkte ein bisschen näher anschauen, dann geht es vor allen Dingen um die Frage: Was prüfen Kartellbehörden eigentlich, wenn es denn so weit ist? Wir müssen zunächst einmal bestimmen, welche Märkte betroffen, welche Märkte relevant sind . Bayer und Monsanto müssen dann nachweisen, wie die Verhältnisse der Produktion für diese Märkte bei ihnen wirklich sind . Ein kurzer Überblick - das hätten Sie auch machen können - zeigt aber Folgendes: Bayer ist auf dem Gebiet der Chemie, der Gesundheit und der Agrochemie tätig . Im Geschäftsjahr 2015 hat Bayer einen Umsatz von 46 Milliarden Euro erzielt . Monsanto produziert Saatgut für Obst, Gemüse und Nutzpflanzen wie Mais, Sojabohnen und Baumwolle, und das maßgeblich für den amerikanischen Markt, mit einem Volumen von ungefähr 15 Milliarden Dollar . Überschneidungen zwischen den beiden Unternehmen - man spricht dabei übrigens von deckungsgleichem Geschäft, und ausschließlich um diesen Aspekt wird es gehen - gibt es auf den Gebieten Pflanzenschutz und Saatgut. Dass die Übernahme von Monsanto durch Bayer Bayer zur weltweiten Nummer eins im Geschäft mit Agrochemie machen wird, ist, glaube ich, insgesamt eher ein Vorteil als ein Nachteil . ({3}) Nicht zu verkennen ist, dass in diesem Bereich große Fusionen wie von Dow und DuPont und von Syngenta und ChemChina stattfinden. Eine Marktbetrachtung muss deshalb auch das berücksichtigen . Bayer ist ein Vorzeigeunternehmen in Deutschland . Es liegt in unserem nationalen Interesse, dass wir einen wettbewerbsfähigen Marktteilnehmer im internationalen Geschäft heben, der sich europäischen Standards verpflichtet fühlt, die gute Standards sind und für die wir auch in internationalen Verträgen eintreten . ({4}) - Erst einmal zuhören, Frau Künast! ({5}) Darüber hinaus prüfen die Behörden die Auswirkungen auf Bauern und Verbraucher . Hier müssen wir uns kritisch mit den Informationen auseinandersetzen . Das geht aber nicht über einzelne Produkte, die Ihnen vielleicht die Haare zu Berge stehen lassen, mit denen Sie sich aber auseinandersetzen müssen . Im Übrigen ist die Eigentümerstruktur ein ganz interessanter Aspekt . BlackRock ist sowohl an Bayer als auch an Monsanto beteiligt . Ob dadurch wirklich eine Auswirkung auf den Wettbewerb besteht, werden die Kartellbehörden im Einzelnen nachprüfen müssen . Das liegt nicht ohne Weiteres auf der Hand . Diese Prüfungen dauern eine Zeit lang . Deswegen ist die Union überrascht, dass Sie schon heute eine Aktuelle Stunde dazu lostreten . ({6}) Diese Verfahren sind nicht von heute auf morgen durchzuführen . Wenn Sie sich wenigstens angesehen hätten, welche Wirkung das für den Bereich Forschung und Entwicklung haben wird, dann hätten Sie erkannt, dass die Synergien, die die beiden Unternehmen im Bereich der Agrochemie darstellen können, immerhin ein Volumen von 2,5 Milliarden Euro haben . 2,5 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung! Ich wäre als Wirtschaftspolitiker ganz zufrieden, wenn wir das am Standort Deutschland halten würden und nicht irgendwo anders in der Welt . ({7}) Der letzte Aspekt, der ebenso wichtig ist, ist: Die Welt wird von immer mehr Menschen bevölkert . Wir werden für die Nahrungsversorgung der Menschen in den nächsten Jahrzehnten Lösungen brauchen . ({8}) Ich glaube, dass integrierte Lösungen, die in den Bereichen Saatgut und Pflanzenschutz angesiedelt sind, dazu einen guten Beitrag leisten . Der Beitrag ist nicht, dass wir nichts tun, Frau Künast . Unser Beitrag besteht darin, mutig nach vorne zu schauen und nicht in den Rückspiegel . Danke schön . ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Eva Bulling-Schröter für die Fraktion Die Linke . ({0})

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Wort „Konzern“ steckt schon das Wort „Konzentration“ . Was aber jetzt mit der Übernahme von Monsanto durch den Bayer-Konzern entsteht, ist ein bislang nicht gekannter Superkonzern, der größte Agrokonzern der Welt . Das sollte uns das Fürchten lehren . Ich sage Ihnen: Ich empfinde dies als massive Bedrohung. Wir haben damit im Agrarbereich eine bislang nicht gekannte Machtkonzentration und damit eine ungeheuerliche Kontrolle über die Ernährung, die Gesundheit und das Leben von Milliarden Menschen . Ich gebe zu: Das macht mir Angst . Sicherlich geht es vielen Menschen genauso . ({0}) Der neue Konzern wird das weltweite Geschäft mit Saatgut und Pestiziden kontrollieren . Die Ernährung der Weltbevölkerung liegt damit in der Hand eines Superkonzerns, und es ist keine Menschenliebe, die diesen Konzern treibt . Es ist der Griff nach dem Leben der Menschen, die totale Kontrolle der Ernährungsgrundlage von Milliarden . Mit dem Geschäftsmodell von Bayer/ Monsanto wird es keine Artenvielfalt bei Insekten und Vögeln mehr geben . Die Sortenvielfalt bei Getreide, Gemüse und Früchten wird beschränkt . Der Konzern wird die Preise diktieren und noch mehr Bauern in Armut stürzen . Für die Soja- und Maismonokulturen werden im gleichen Konzern unwahrscheinliche Mengen an Pestiziden produziert . Der Konzern setzt auf Genmanipulationen in großem Stil . Die Folge dieses Horrors sind auf Jahre kaputte Böden und Gefährdung des Grundwassers . Es sind die Lebensgrundlagen, die mit diesem Chemiekonzern zerstört werden . Dies ist der größte Zugriff auf das Leben, den es je gegeben hat . Das wollen wir nicht zulassen . ({1}) Bayer war schon einmal der größte Chemiekonzern der Welt, vor rund 75 Jahren . Ich möchte hier nicht die Geschichte dieses Konzerns aufrollen . Aber eines war schon immer Sache des Bayer-Konzerns und seiner Vorgänger: die Einteilung in richtiges und falsches Leben . Heute sprechen wir von Biopatenten, die genau dafür stehen: das vermeintlich Richtige zu verbreiten und das vermeintlich Falsche auszumerzen . Der Konzern macht damit Profit. Ich bin schon lange Mitglied im Beirat der Coordination gegen Bayer-Gefahren, die mit den Kritischen Aktionären hervorragende Aufklärungsarbeit leistet . Sie informieren zum Beispiel, welche weltweiten Marktanteile der neue Superkonzern erreicht: Bei Pestiziden sind es 25 Prozent, beim Saatgut für Ackerböden rund 30 Prozent und bei Genpflanzen weit über 90 Prozent. 90 Prozent, meine Damen und Herren! Da frage ich mich: Wollen wir das wirklich? Sie schon, aber die anderen nicht . Mit der Fusion ist der Superkonzern dem Weltmarktmonopol für die gesamte Agrarwirtschaft gefährlich nahe gekommen . Ich sage Ihnen: Das dürfen wir nicht zulassen . ({2}) 66 Milliarden Dollar: Das ist die größte Investition eines deutschen Konzerns im Ausland . Dieses Geschäft wird sich Bayer durch TTIP absichern lassen wollen . Handelshemmnisse sollen fallen, damit der Superkonzern freie Bahn hat und die Märkte in Europa für die Gentechnikprodukte aus den USA geöffnet werden . An dem neuen Superkonzern kommt dann niemand mehr vorbei . Es geht darum, für Glyphosat die Bahn freizumachen, und zwar möglichst unbefristet . Bahn frei für Gentechnik auch auf unseren Äckern . Nur Monsantos gentechnisch manipulierte Designerpflanzen überleben Glyphosat überhaupt . Alles andere überlebt auf den Äckern nicht . Es heißt, dass Frau Merkel gute Kontakte zum Aufsichtsratsvorsitzenden von Bayer pflegt. Sie hatte sich im August überraschend für Monsantos Pflanzenschutzmittel Glyphosat ausgesprochen, das die Weltgesundheitsorganisation für wahrscheinlich krebserregend hält . Ich erwarte jetzt, dass das Kartellamt bei dieser Fusion einschreitet . Wir brauchen genau das Gegenteil der weltweiten großtechnischen Monopolisten, das Gegenteil dieses Irrsinns von Weltkonzernen, die immer größer und gefräßiger werden . Wir sollten unsere Gesundheit sowie die Selbstbestimmung über unsere Ernährung eben nicht diesem Chemie- und Gentechnikkonzern ausliefern . ({3}) Die Mehrheit der Bevölkerung hier in Europa wünscht das nicht . Wir wollen keinen Genfraß . Den wollen wir weder aus den USA noch aus anderen Ländern, sondern wir wollen gesunde Lebensmittel . Und wir wollen den Zugriff auf unsere Lebensmittel selbst behalten und ihn nicht Konzernen für deren Profit opfern. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß hat für die SPD-Fraktion das Wort . ({0})

Elvira Drobinski-Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003705, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt beginnt eine neue Zeit in der Landwirtschaft eine Zeit mit bedeutenden Herausforderungen, die neue nachhaltige Lösungen und Technologien verlangt, … Wenn es mir nicht direkt im Halse stecken bleiben würde, würde ich über diesen Teil der Pressemitteilung aus dem Hause Bayer zur Fusion mit Monsanto lachen; denn Monsantos Geschäftsmodell ist ja bekanntermaßen sehr weit von allem entfernt, was tatsächlich nachhaltig ist . ({0}) Das betrifft vor allem das gentechnisch veränderte Saatgut, mit dem der Konzern einen großen Teil seines Geldes verdient . Seit Jahrzehnten verspricht Monsanto, dass damit der Hunger in der Welt besiegt werden kann . Genau das steht jetzt auch wieder in der eingangs zitierten Pressemitteilung: Man könne nun die Herausforderungen unserer Zeit besser meistern und bis zum Jahr 2050 zusätzlich 3 Milliarden Menschen ernähren . - Ich bin es so leid, ständig diese Versprechen zu hören . Es gibt sie nämlich nicht, diese wunderbaren neuen Pflanzen, die Dürren besser überstehen oder Kleinbauern in Entwicklungsländern höhere Erträge bringen . Monsanto macht sein Geld bisher vor allem mit gentechnisch veränderten Pflanzen, die gegen das ebenfalls von Monsanto verkaufte Glyphosat unempfindlich sind, ({1}) mit gentechnisch veränderten Pflanzen, die - bestimmt für die Fleisch- und Milchproduktion in Industrieländern - vor allem ins Tierfutter gehen . Das hilft nirgendwo auch nur irgendeinem hungernden Kind . ({2}) Die „Wir besiegen den Hunger“-Slogans sind reine PR mehr nicht . Diese Gentechnik, die weltweit den Bauern, den Verbraucherinnen und Verbrauchern bzw . einer gesamten Gesellschaft nutzt, gibt es nicht . Der Bayer-Konzern, der immerhin 60 Milliarden Euro für Monsanto bezahlt hat - ich habe gelesen, dass das Geld eigentlich gar nicht da ist -, muss dieses Geld jedenfalls wieder hereinholen . Gerade weil ich mich schon seit einiger Zeit mit Gentechnik und mit Monsanto beschäftige, habe ich erhebliche Zweifel daran, dass dies tatsächlich auch auf nachhaltigem Wege und zum Nutzen von Bauern, von Verbraucherinnen und Verbrauchern und der Umwelt passieren wird und nicht ausschließlich zum Nutzen der Aktionäre . Nachhaltigkeit bedeutet, Vielfalt zu fördern und nicht auf Patente zu setzen, die sich Kleinbauern gar nicht leisten können . Nachhaltigkeit bedeutet auch, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft so gering wie möglich zu halten und nicht Landwirte noch abhängiger von einem Anbieter zu machen . ({3}) Der Presse entnehme ich, dass die Kartellbehörden den Zusammenschluss als unproblematisch bewerten könnten . Monsanto sei ja vor allem in Amerika aktiv, Bayer in Europa . Allerdings hätte Bayer offenbar nach der Fusion einen Marktanteil von 90 Prozent bei gentechnisch verändertem Saatgut . Und das soll kein Monopol sein? Ich hoffe, dass die Kartellbehörden sehr genau hinschauen . Ich sehe hier eine massive Marktkonzentration und damit Marktmacht . Je weniger Konzerne den Markt dominieren, desto weniger haben wir - ich meine uns alle als Verbraucherinnen und Verbraucher - eine Chance, selbst zu bestimmen, was wir essen . ({4}) Gleichzeitig laufen wir Gefahr, dass unser aller politisches Engagement für eine nachhaltigere Landwirtschaft schlicht verpufft, weil wir eine solche Marktmacht und Dominanz einiger weniger Konzerne im Nachhinein gar nicht mehr eingrenzen können . Ich bin deshalb höchst besorgt über diese Fusion, und ich kann nur an die Aufsichtsbehörden appellieren, besonderes Augenmerk auf die Folgen dieses Deals für uns alle, für die Landwirte und für die Verbraucherinnen und Verbraucher, sowie für die Umwelt zu richten . Vielen Dank . ({5})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt Dr . Kristina Schröder . ({0})

Dr. Kristina Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worüber reden wir heute? ({0}) Eigentlich darüber, dass ein großes und traditionsreiches deutsches Unternehmen ein amerikanisches Unternehmen übernimmt - ein in der Tat großer Deal, bei dem sich zwei Unternehmen zusammenschließen, deren Portfolio und deren Pipeline sich in hohem Maße ergänzen . Das künftige Unternehmen wird ein deutsches Unternehmen sein und bewegt sich damit im regulatorischen Rahmen der EU und der Bundesrepublik Deutschland . Und diesen Rahmen setzen wir hier als Deutscher Bundestag . ({1}) Aber so nüchtern betrachtet die Opposition in diesem Haus das leider nicht . Im Kern geht es in der heutigen Debatte nämlich nicht um die Übernahme; es geht um Monsanto an sich . ({2}) In der Tat kann man sich kritisch mit Monsanto auseinandersetzen . Man kann diskutieren über manche Geschäftsmodelle, über einige Vertragskonditionen, über den Umgang des Unternehmens mit Patenten . Über all das kann man sachlich diskutieren . ({3}) Aber was machen Sie, vor allen Dingen Sie von den Grünen? In einigen Wochen, am 14 . Oktober, wird auf dem Platz vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ein Schauprozess inszeniert werden, ({4}) unterstützt von Attac, Greenpeace, manchem dubiosen Wissenschaftler - und von Renate Künast, ({5}) sogenannte Botschafterin dieses selbsternannten Tribunals . ({6}) Angeklagt: Monsanto . Und zwar wegen - ich zitiere aus einem Schreiben Renate Künasts - „Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Ökozids“ . ({7}) Meine Damen und Herren, Verbrechen gegen die Menschlichkeit! Ökozid! Das ist ein Begriff, der bewusst dem Begriff des Genozids, des Völkermords, nachgebildet ist . Geht es nicht auch eine Nummer kleiner? ({8}) Was Sie hier machen, das ist keine Diskussion, das ist eine Dämonisierung: eine Dämonisierung eines Unternehmens, eine Dämonisierung einer ganzen Branche, eine Dämonisierung einer ganzen Technologie . ({9}) Sie unterteilen die Welt ja gern in Gut und Böse: hier die böse Gentechnik, dort die gute Biolandwirtschaft; hier die böse Industrienahrung, dort die guten Ökoprodukte; hier die bösen Lobbyisten, dort die guten Interessenvertreter . Tatsachen lassen sich aber mit einer ideologischen Brille nicht rational erfassen . ({10}) Gerade bei neuen Technologien bedarf es einer rationalen Bestandsaufnahme . Bewiesene Risiken multipliziert mit der Eintrittswahrscheinlichkeit müssen abgewogen werden gegen Chancen, die auch wiederum multipliziert werden müssen mit ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit . ({11}) Das bedeutet für die Grüne Gentechnik nach heutigem Stand der Wissenschaft: Gentechnisch veränderte Pflanzen ({12}) werden heute weltweit in 20 Ländern von circa 20 Millionen Landwirten angebaut auf über 150 Millionen Hektar Ackerfläche. ({13}) Im Vergleich: Deutschland ist gerade einmal 35 Millionen Hektar groß . In den letzten 25 Jahren haben sich mehr als 500 unabhängige Forscherteams mit Untersuchungen zur biologischen Sicherheit transgener Pflanzen beschäftigt . ({14}) In keiner dieser Untersuchungen konnten negative Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen festgestellt werden, ({15}) auch nicht bei den vieldiskutierten Auskreuzungen . ({16}) Es gibt aber auf der anderen Seite beachtliche Chancen, etwa durch den Einsatz des sogenannten Genome Editing, ({17}) der größten methodischen Innovation in der Mikrobiologie seit mehr als 20 Jahren, ({18}) die es mit einer nicht gekannten Präzision und Erfolgsaussicht ermöglicht, Pflanzen resistent gegen Krankheiten zu machen, ({19}) Abstoßungsreaktionen bei gespendeten Organen zu vermindern und sogar Antibiotikaresistenzen zu bekämpfen . ({20}) Beachtliche Chancen gibt es aber auch für unsere deutsche Wirtschaft . Es wäre ja ganz schön, wenn es wieder einmal eine Technologie gäbe, bei der Deutschland voranschreitet und sich nicht ängstlich wegduckt . ({21}) Beachtliche Chancen gibt es auch für die Bekämpfung von Hunger und Krankheit in der Welt . ({22}) Der sogenannte Goldene Reis, der mit Vitamin A versetzt ist, könnte jedes Jahr 250 000 bis 500 000 Kinder vor der Erblindung bewahren . ({23}) Das kann Sie doch nicht kaltlassen . ({24}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, 10 Milliarden Menschen werden 2050 auf unserer Welt leben . Um alle Menschen satt zu bekommen, müssen die Landwirte unserer Welt ihren Ertrag nahezu verdoppeln . Hier die Chancen einer vielversprechenden Technologie ohne Dr. Kristina Schröder ({25}) fundierten Beweis ihrer Schädlichkeit einfach abzulehnen und entsprechende Unternehmen zu verteufeln, ({26}) das ist naiv, ({27}) das ist verantwortungslos, und das ist auch dekadent . ({28})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Nächster Redner für die Fraktion Die Linke ist der Kollege Niema Movassat . ({0})

Niema Movassat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004114, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Dr . Schröder, ich muss sagen: Das war eine wunderbare Bewerbung als Pressesprecherin für den neuen Bayer-Monsanto-Konzern . ({0}) Fakt ist: Es gibt für Menschen nichts Grundlegenderes als den sicheren Zugang zu Nahrung . Nichts wäre gefährlicher, als wenn ein Konzern die globale Nahrungsmittelproduktion beherrscht; denn er entscheidet dann, ob man Nahrung bekommt und zu welchem Preis . Genau diese Gefahr droht durch die geplante Übernahme von Monsanto durch Bayer . Schon heute beherrschen zehn Konzerne drei Viertel des Marktes für kommerzielles Saatgut - zehn Konzerne, die entscheiden, was angebaut wird, was wir essen . Der neue Megakonzern Bayer-Monsanto wird eine bislang ungekannte, gefährliche Marktmacht im Bereich Saatgut, Gentechnik und Pestizide besitzen. Allein im Bereich der Genpflanzen wird das neue Unternehmen über 90 Prozent des Marktes beherrschen . Statt der Macht einiger weniger Konzerne brauchen wir eine Demokratisierung des Agrarmarktes, weil der Zugang zu Nahrung ein Menschenrecht ist . Deshalb hoffe ich, dass die Kartellbehörden diesem Deal einen Riegel vorschieben werden . ({1}) Die geplante Übernahme ist jedoch nicht die einzige Strategie von Bayer, um seine globale Marktmacht weiter auszubauen . Eine andere, viel zu wenig beachtete liegt in der intensiven Kooperation von Bayer mit der Bundesregierung im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit . Nehmen wir das Beispiel Afrika . Dort stellen die Bauern noch bis zu 90 Prozent des Saatguts eigenständig her . Diese Kleinbauern verweigern sich zum Glück bisher nicht nur dem patentierten Saatgut der Konzerne; nein, sie verbrauchen auch nur 2 bis 5 Prozent der global eingesetzten Pestizide . Das soll sich nach Meinung von Bayer, Monsanto und Co . besser heute als morgen ändern . Beide Konzerne haben es dabei in den letzten Jahren meisterhaft verstanden, die Entwicklungszusammenarbeit als Türöffner für die Erschließung neuer Märkte zu nutzen . So üben sie über die sogenannte „Neue Allianz für Ernährungssicherung“ der G-7-Staaten erheblichen Druck auf afrikanische Länder aus, ihre Gesetzgebung im Sinne der Agrarkonzerne zu verändern . Bauern soll verboten werden, ihr traditionelles Saatgut miteinander zu teilen und zu tauschen . ({2}) Zugleich hat Monsanto mit der Bill-Gates-Stiftung eine grüne Revolution für Afrika ausgerufen, in der auch Gentechnik eine wichtige Rolle spielt . Bayer wiederum hat in Kenia Bauern geschult - im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit . Sollte alles angeblich produktneutral sein . Bestimmt ist es nur Zufall, dass der Pestizidabsatz von Bayer daraufhin um 20 Prozent stieg . Diese Schulungen sollen im Rahmen der Grünen Zentren, einem Lieblingsprojekt von Entwicklungsminister Müller, weitergehen - wohl bald auch mit Monsanto-Produkten im Sortiment . ({3}) Wir haben als Linke die Kooperation zwischen staatlicher Entwicklungszusammenarbeit und Agrarkonzernen stets abgelehnt . Die bevorstehende Übernahme bringt das Fass aber zum Überlaufen . Deshalb, liebe Bundesregierung: Beenden Sie die Zusammenarbeit! Keine Steuergelder und keine Kooperation mit Bayer-Monsanto! ({4}) Wenn Vertreter dieser Unternehmen von Hungerbekämpfung sprechen, geht es nicht um die Teller der Armen, sondern um die Taschen ihrer Aktionäre . ({5}) Ihre umweltzerstörenden Gentechnik-Pestizid-Kombinationen kann sich kaum ein Kleinbauer leisten . Die Kleinbauern, die es kaufen, verschulden sich massiv . In Indien haben sich in den letzten 20 Jahren 300 000 Kleinbauern deshalb das Leben genommen, ({6}) weil sie die Kredite bei den Agrarkonzernen nicht mehr bedienen konnten . ({7}) Die Agrarkonzerne stillen ihren Hunger nach Profit auf den Rücken - und manchmal auch auf den Leichen - von Dr. Kristina Schröder ({8}) Millionen Kleinbauern . Und die Bundesregierung hilft tatkräftig mit . Damit muss endlich Schluss sein! ({9}) Wer den Hunger auf der Welt erfolgreich bekämpfen will, muss eine völlig andere Agrarpolitik betreiben . Die staatlich finanzierte Agrarforschung muss die lokalen Probleme und Erfordernisse von Kleinerzeugern in den Mittelpunkt stellen . Es muss darum gehen, Kleinbauern zu unterstützen und zu stärken . Wer sich vor der Aufgabe drückt, das Ernährungssystem zu demokratisieren und die Macht der Agrarkonzerne zu beschneiden, wird eine Welt ohne Hunger nicht erreichen . Jetzt darf ich Sie alle noch überraschen. Ich finde eine Sache bei dem Bayer-Monsanto-Deal gut, ({10}) nämlich dass die öffentliche Kritik an der bisherigen Agrarpolitik zunehmen wird . Denn in Umfragen bezeichnen Menschen Monsanto regelmäßig als das meistgefürchtete Unternehmen, als Symbol für alles, was auf dem Agrarmarkt schiefläuft: genmanipulierte Pflanzen, Gifteinsatz in der Landwirtschaft, Patente auf die Natur, Gewinnstreben vor Umweltschutz . Bayer steht aber dem US-Konzern in nichts nach . Das wird nun hoffentlich auch der breiten Öffentlichkeit bewusst, und damit wird hoffentlich der Druck auf die Bundesregierung erhöht, endlich die unheilige Allianz mit den Agrarkonzernen ein für alle Mal zu beenden . Danke . ({11})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Jetzt hat Rita Hagl-Kehl, SPD-Fraktion, das Wort . ({0})

Rita Hagl-Kehl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004287, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die ganze Welt blickt momentan auf die Fusion von Monsanto und Bayer . Es ist die bislang größte Übernahme eines deutschen Konzerns im Ausland . Damit wird Bayer zusammen mit Monsanto der größte Anbieter von Saatgut und Agrochemie auf dieser Welt werden . Unser Landwirtschaftsminister Schmidt hat die Übernahme begrüßt . Seine Erwartung ist, dass Bayer die Nachhaltigkeitsstrategie auf Monsanto überträgt . Ebenso erwartet er Potenzial für die digitale Technik . - Auf diesen Punkt wird mein Kollege Rainer Spiering noch eingehen . Grundsätzlich bewerte ich Innovationsbereitschaft bezüglich Umweltverträglichkeit und ressourcenschonender Landwirtschaft natürlich als positiv . Wir können nur die Hoffnung aussprechen, dass diese positive Beeinflussung auch im Bereich der Reduktion der Pflanzenschutzmittel stattfinden wird. Die Ziele der SPD sind eindeutig: Wir wollen eine flächendeckend wirtschaftende, multifunktionale Landwirtschaft . Hier ist das Prinzip der Nachhaltigkeit besonders wichtig . Wir wollen bäuerliche Landwirte mit hofnahen Kreisläufen und ländliche Gemeinschaften, in die sie eingebettet sind, und wir wollen eine Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Deswegen sehen wir einige Punkte dieser Übernahme äußerst kritisch . Wir hören auf die Ängste der Landwirte . Sie haben Angst vor Preiserhöhungen . Sie haben Angst davor, in Abhängigkeiten beim Saatgut zu geraten . Wir kennen ja alle die Beispiele aus Amerika: Saatgut darf dort nur einmal benutzt werden und dann in Kombination mit dem dazu verkauften Pflanzenschutzmittel. Das ist etwas, was wir nicht als nachhaltig betrachten . Das ist etwas, was wir nicht für unsere Landwirte wollen . ({0}) Wir fürchten eine Beeinträchtigung der Marktwirtschaft, und wir fürchten eine noch stärkere Industrialisierung der Landwirtschaft und damit verbunden eine Existenzgefährdung der Landwirte in kleinbäuerlichen Strukturen, die oft am nachhaltigsten wirken . Die SPD nimmt die Sorgen der Landwirte, aber auch der Zivilgesellschaft ernst . Meine Kollegin ist schon auf die Genthematik eingegangen . Die Menschen wollen keine genmanipulierten Pflanzen bei uns in Deutschland. Sie wollen aber auch nicht, dass - und das wissen sie in den meisten Fällen nicht - die Tiere damit gefüttert werden, die sie später essen . ({1}) - Wir wollen schon Tiere essen; ({2}) das ist jetzt ein Vorurteil . Ich bin kein Veganer oder Vegetarier; ich will auch Tiere essen . Aber dafür müssen wir die Tiere nicht mit genmanipulierten Pflanzen füttern. Es gibt Tierhaltung bei uns schon länger, als es genmanipulierte Pflanzen gibt, und es gibt sie schon länger als Lieferungen von Tiernahrung aus Südamerika und dergleichen . ({3}) Wir alle wollen auch das Klima schonen . Deshalb können wir es uns auf Dauer nicht leisten, weiterhin diese Pflanzen zu holen, weiterhin die Regenwälder abzuholzen und all das zu tun, was damit verbunden ist . Das sind alles Gefahren, die wir in Verbindung mit dieser Übernahme sehen . ({4}) Wir werden uns mit dieser Thematik heute mit Sicherheit nicht abschließend beschäftigen; vielmehr wird die Thematik für uns alle noch eine große Rolle spielen . Zunächst einmal sind natürlich auch die Kartellgerichte damit befasst . Sie werden irgendwann ein Urteil fällen . Ich habe keine Ahnung, wie das ausgeht . Aber für uns muss im Mittelpunkt stehen, dass wir unsere Natur, unNiema Movassat sere bäuerlichen Strukturen, wie wir sie jetzt haben, und die Ernährung für die Menschen sichern . Das ist für uns das Wichtigste . Dabei bedeutet Ernährung zu sichern für mich nicht, nur immer mehr zu produzieren . Danke schön . ({5})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Harald Ebner .

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Saatgut ist die genetische Grundlage der Ernährung unserer Welt. Kulturpflanzenvielfalt ist auch ein Kulturgut, das existenziell bedroht wird, wenn nur noch wenige Konzerne sich auf wenige Sorten konzentrieren oder am Ende gar nicht mehr züchten . Deswegen verdient der weltweite Saatgutmarkt von uns hohe Aufmerksamkeit . Auf diesem Markt findet seit Jahren eine erschreckende Konzentration statt . Die Kontrolle über die genetischen Grundlagen der Ernährung der Welt befindet sich in den Händen von tatsächlich immer weniger und immer größeren transnationalen Konzernen . Vor allem über gentechnische Veränderungen, egal ob mit alter oder mit neuer Gentechnik, sichern sich diese Unternehmen die Kontrolle mit Biopatenten über wachsende genetische Ressourcen . 2013 hielt Bayer - schon allein Bayer mehr als 200 Patente auf Gentechnikpflanzen - mehr als alle anderen Konzerne in Europa zusammen . Die Privatisierung der weltweiten genetischen Ressourcen ist in vollem Gange, und das kann uns nicht egal sein . ({0}) Immer mehr mittelständische Züchter müssen diesem Prozess weichen, auch in Deutschland . In Baden-Württemberg zum Beispiel gab es vor Jahren noch drei mittelständische Züchter; heute gibt es nur noch einen . Jetzt wird mit der ausgehandelten Fusion ein weiteres Kapitel aufgeschlagen: Bayer und Monsanto kontrollieren alleine bereits fast ein Drittel des Saatgutmarktes und über ein Viertel des Pestizidmarktes . Nur vier Kulturarten bilden heute die Basis von 50 Prozent der Welternährung . Nachhaltige bäuerliche Landwirtschaft, vor allem Kleinbauern im globalen Süden und der Ökolandbau sind auf standortgerechte vielfältige Sorten und vielfältige Saatgut- und Anbausysteme, und zwar ohne Abhängigkeiten, angewiesen . Sie können nichts mit Sorten anfangen, die immer höhere Inputs an Energie, an Stickstoffdünger, an Pestiziden brauchen . Aber Konzerne, die Saatgut und Pestizide entwickeln, sind nicht die Hoffnungsträger von morgen, wie uns Bayer-Chef Baumann weismachen will; sie sind nicht Teil der Lösung, sondern allzu oft leider Teil des Problems Welthunger . ({1}) Ehrliche Politik muss sich diesem Problem stellen, statt wie das Kaninchen auf die Schlange zu starren . Als einträgliche Geschäftsstrategie haben die Agrarkonzerne Gentechnikpflanzen entwickelt - das wurde schon mehrfach angesprochen -, die tolerant sind gegenüber einem Totalherbizid aus dem gleichen Haus . Bei Monsanto ist es Glyphosat, bei Bayer ist es Glufosinat . Diese Kombipakete verschärfen die Abhängigkeit und haben tatsächlich zu einem massiven Anstieg der eingesetzten Herbizidmengen in Nord- und Südamerika geführt mit verheerenden Folgen für die Umwelt und den Menschen . ({2}) Was passiert, wenn Markt sich konzentriert, wenn wir Oligopole nicht verhindern? Das sehen wir derzeit in Deutschland im Lebensmitteleinzelhandel . Hier werden unseren Erzeugern oft ruinöse Preise diktiert . Auch die Landwirte in der EU mussten wegen geringen Wettbewerbs schon Preisanstiege beim Saatgut in Höhe von 30 Prozent innerhalb von zehn Jahren hinnehmen . Die Bauern werden von zwei Seiten in die Zange genommen . Da können wir nicht einfach zugucken . ({3}) Durch die Monsanto-Übernahme wird Gentechnik ein noch wichtigeres Geschäftsfeld von Bayer . Der neue Riesenkonzern wird natürlich entsprechende Lobbyarbeit betreiben . Was das bedeutet, können wir aktuell bei Neonicotinoiden oder bei den Hormongiften beobachten . Bundesminister Schmidt - er ist nicht da - erwartet, dass Bayer seine Nachhaltigkeitsstrategie auch auf die neuen Unternehmensteile übertragen wird . Das ist jedoch, mit Verlaub, angesichts der bisherigen Unternehmenspolitik von Monsanto und der damit verbundenen negativen Reputation, aber auch angesichts der identischen Anteilseigner beider Unternehmen ein mehr als frommer Wunsch und eine einsame Sichtweise . Nachhaltigkeit ist eine schöne Floskel . Aber was macht Bayer wirklich? Der Konzern klagt gegen das EU-Teilverbot seiner Bienenkiller in Form von Neonicotinoiden, also Imidacloprid und anderen . Bayer verkauft auch Gentechpflanzen, die gegen das hauseigene Herbizid Glufosinat resistent sind, was bei uns nicht mehr zulassungsfähig ist . Dazu sage ich: Wer Megakonzernen die Definition von Nachhaltigkeit überlässt, macht den Bock zum Gärtner . ({4}) Der Einfluss wird wohl in eine Richtung zunehmen, und zwar von einem großen Unternehmen Richtung Politik und nicht andersherum - ganz egal, ob es ein deutsches oder ein amerikanisches ist . Deshalb müssen wir hier aufpassen . ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, wir Grüne wollen nicht, dass die Bauern am Gängelband von internationalen Konzernen hängen, ({6}) und zwar unabhängig davon, wo deren Hauptsitz ist . So stellen wir uns die Zukunft der Bäuerinnen und Bauern im Bereich Ernährung und Landwirtschaft nicht vor, weder in Deutschland noch in Europa noch sonst wo auf der Welt . Danke schön . ({7})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Jetzt spricht der Kollege Dr . Andreas Lenz, CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Dr. Andreas Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004339, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Übernahme des amerikanischen Unternehmens Monsanto durch Bayer wäre mit 59 Milliarden Euro die größte Fusion in der deutschen Wirtschaftsgeschichte . Dabei entstünde eines der weltweit führenden Unternehmen in den Bereichen Saatgut, Pflanzenschutz und digitale Landwirtschaft - Stichwort: Smart Farming . Wir erleben im Moment einen rasanten Umbruch in der Branche . In den USA kam es zu einem Zusammenschluss von Dow und DuPont . Außerdem wurde vor kurzem die Schweizer Syngenta durch ChemChina übernommen . In diesem Kontext kann ich verstehen, dass man in der Branche nach strategisch sinnvollen Zusammenschlüssen sucht . Diese Überlegungen sind aber gar nicht unsere Aufgabe; denn die Wirtschaft findet in der Wirtschaft statt und eben nicht in der Politik . ({0}) Der Staat ist dazu da, die Regeln im Sinne eines Schiedsrichters zu setzen . Der Staat ist grundsätzlich aber nicht dazu da, um mitzuspielen . ({1}) Natürlich gilt auch bei dieser Übernahme das Wettbewerbsrecht . Kartellrechtliche Bedenken müssen durch die zuständigen Behörden geprüft werden . Weltweit braucht es in 30 Regionen kartellrechtliche Freigaben zur Genehmigung dieser Übernahme . Damit es zu keinen marktbeherrschenden Stellungen kommt, sind beispielsweise Teilverkäufe nicht nur denkbar, sondern können sogar notwendig sein . ({2}) Aber die Politik sollte auch hier den unabhängigen Kartellbehörden die Prüfung überlassen - eine Erfahrung, die an anderer Stelle ja gerade der Bundeswirtschaftsminister macht . ({3}) Wir müssen natürlich auch das Kartellrecht auf globaler Ebene weiterentwickeln . Der Gesetzgeber muss zudem alles tun, um Abhängigkeiten von einzelnen Herstellern zu verhindern . Bauern müssen und werden auch zukünftig freie Wahl beim Saatgut haben . Der Wettbewerb muss gesichert werden . Aber darum geht es Ihnen ja gar nicht . Sie wollen wieder einmal einen deutschen Global Player diskreditieren . ({4}) Eines der wesentlichen Ziele der globalen Nachhaltigkeitsagenda ist es, den Hunger auf der Welt zu beenden . ({5}) Dies kann auch mit einer steigenden landwirtschaftlichen Produktivität erreicht werden . Hier geht es nicht allein um die Größe; hier geht es ganz entscheidend um die Produktivität . ({6}) 1950 versorgte ein Landwirt 10 Menschen . Heute sind es 150 Menschen . ({7}) 2050 müssen es 200 Menschen sein . Durch Subsistenzwirtschaft kann die wachsende Stadtbevölkerung in den Entwicklungsländern in Afrika und Asien nicht sattgemacht werden . ({8}) Täglich sterben immer noch rund 8 500 Kinder an den Folgen von Hunger und Mangelernährung . Jetzt ist Bayer sicherlich kein altruistisches Unternehmen, ({9}) auch wenn man das bei Durchsicht einiger Firmenpräsentationen fast glauben könnte . Bayer will Geld verdienen . ({10}) Das ist übrigens nicht verboten . ({11}) Und wir brauchen auch und gerade im Agrarbereich Innovationen . ({12}) Schon jetzt unterstützt beispielsweise Smart Farming die Landwirte dabei, höhere Ernten zu erzielen . Es gibt also auch einen dritten Weg; es gibt gerade auch im Bereich der Digitalisierung sehr viele Chancen . Wir haben zudem erstmals in der Weltgeschichte die Mittel, eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren . Bei jeder Übernahme gibt es letztlich Chancen, aber auch Risiken . Natürlich muss die Übernahme erst geprüft werden . Natürlich müssen Recht und Gesetz gelten . Es bestehen auch Risiken . Zwei Drittel aller Fusionen erfüllen nicht die Erwartungen . Aber kritisch zu sein, bedeutet eben nicht, alles zu verhindern . Es gilt immer auch, die Chancen zu sehen, um die Zukunft zu gewinnen . Wir sehen eben auch die Chancen und nicht nur die Risiken im Gegensatz zu Ihnen . Herzlichen Dank . ({13})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Jetzt hat der Kollege Rainer Spiering, SPD-Fraktion, das Wort . ({0})

Rainer Spiering (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004410, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vorab, weil es hier wieder ein bisschen durchklang: Ich glaube, auch bei dieser Frage könnten wir uns mit Kriegsrhetorik ein bisschen zurückhalten . Zur Sache . Wenn man sich anschaut, wer an dem Deal beteiligt ist, dann findet man mehrere Finanzgruppen: BlackRock, Vanguard, Capital Group. Ich finde es schon spannend, an dem bisschen, das man jetzt googeln konnte, zu sehen, wer an dem Geschäft beteiligt ist . Und zwar handelt es sich um ein Geschäft, das auf beiden Seiten von Finanzgruppen gemacht worden ist . Dieselben Finanzgruppen, die bei Monsanto beteiligt sind, sind also auch bei Bayer beteiligt. Ich finde, es ist eine ganz spannende Frage, ob es an der Kartellbehörde ohne Weiteres vorbeigeht, dass diese großen Finanzblöcke das quasi im Einvernehmen entschieden haben . ({0}) Das finde ich ganz spannend; das wollen wir mal in aller Ruhe abwarten . Mich treibt etwas ganz anderes um . Ich habe es mit der Überschrift beschrieben: Jetzt ist der Fuchs im Hühnerstall . - Ich habe hier mehrere Reden zum Thema Smart Farming und zu der Frage gehalten, wer die Macht über die Daten hat . Ich habe auch mehrfach das Ministerium darum gebeten, sich intensiv darum zu kümmern und dafür Sorge zu tragen, dass in Deutschland eine IT-Plattform für die Nachverfolgung landwirtschaftlicher Produkte eingerichtet wird . Wir haben das partiell im Zusammenhang mit der Hoftorbilanz besprochen, die wir in eine IT-Plattform einfließen lassen wollen, damit wir Stoffströme kontrollieren und nachverfolgen können . Es kann sein, dass wir das alles gar nicht mehr brauchen . Wir bekommen nämlich mit Monsanto eine der Datenkraken der Welt mitten ins Haus . Damit haben wir einen Konzern, der Daten in einer Größenordnung wie Google und Microsoft verarbeitet, und zwar mit amerikanischem Know-how und auch mit amerikanischem Geschäftsgebaren mitten in unserem relativ friedfertigen Europa . Damit sind wir mitten in unserer Diskussion über die Frage, wie wir Datensicherheit beurteilen und wie wir mit Daten umgehen . ({1}) Es wird sehr spannend, ob es uns gelingt, mit der Datenkrake Monsanto nach unseren Spielregeln umzugehen . Ich habe da, in der Tat, große Zweifel . ({2}) In der Literatur heißt es, Cato der Ältere habe immer gesagt: Und im Übrigen sollten wir an Karthago denken . - In abgewandelter Form werde ich hier immer sagen: Und im Übrigen sollten wir an eine gemeinsame IT-Plattform denken . - Wir werden das aber nur hinbekommen, wenn wir die IT-Plattform, die in Deutschland zu entwickeln ist, mit Geld des Bundes unterstützen . Wenn wir das nicht tun, dann besteht die Gefahr, dass all diejenigen, die in Deutschland wirtschaftlich tätig sind, in die Abhängigkeit eines einzelnen großen Konzerns und dessen Datenmacht geraten, und das möchte ich in diesem Land nicht erleben; denn das wäre zu unser aller Schaden . Kollege Ebner hat die Saatzucht angesprochen . Wer sich ein bisschen mit diesem Thema auseinandergesetzt hat, weiß, dass es noch andere Zuchtbetriebe gibt . Wir haben uns Wesjohann angeschaut, eine Sparte von Wiesenhof . Die sind mittlerweile in der Lage, übrigens ohne Genveränderung, in atemberaubender Geschwindigkeit zu züchten, und zwar mit IT . Wenn ich das, was Monsanto leisten kann, jetzt mit den Möglichkeiten vergleiche, die in Deutschland bereits zur Verfügung stehen, dann stelle ich fest: Wir müssen vonseiten des Staates alles Mögliche tun, um unsere Wirtschaft, unsere Landmaschinentechnologie und unsere IT vor Einflüssen von außen zu schützen, um unsere Standards zu sichern . Das können wir nur mit Staatsgeld, weil die Firmen in diesem Bereich völlig überfordert sind - wir werden vermutlich einen Antrag vorlegen, der in diese Richtung geht -, und wir sollten auch in der Diskussion über Datensicherheit trefflich aufpassen, dass es bei uns zu keiner Unsicherheit kommt in einem Ausmaß, das wir uns bisher nicht vorstellen konnten . Wir werden uns mithilfe des Ministeriums, so hoffe ich, darum bemühen, etwas zu schaffen, was unseren Vorstellungen von der Zukunft einer vernünftigen Landwirtschaft entspricht, was unserer Vorstellung von sicheren Datenströmen entspricht, was unseren Sicherheitsbedürfnissen und unseren Standards entspricht . Ich glaube, die große Gefahr bei der Übernahme von Monsanto durch Bayer ist die Macht über die Daten, und die Macht über die Daten ist am Ende des Tages entscheidend, wenn es darum geht, wer wann was wo und zu welchen Bedingungen produziert . Ich kann uns alle nur dringend auffordern, das im Blick zu behalten . Herzlichen Dank . ({3})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Hermann Färber . ({0})

Hermann Färber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004269, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf den Zuschauertribünen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu den wirtschaftlichen Aspekten der Übernahme von Monsanto durch Bayer ist heute schon vieles gesagt worden . Ich will mich auf die konkreten Auswirkungen auf die Landwirtschaft in Deutschland beschränken, und da sehe ich bei dieser Fusion, bei dieser Übernahme durchaus zwei Seiten . Die bäuerliche Landwirtschaft in Deutschland steht heute schon einer kartellrechtlich bedenklichen Konzentration von wenigen großen Lebensmittelketten gegenüber . ({0}) Diese Lebensmittelketten nutzen ihre Marktmacht ohne Rücksicht aus . Genau deshalb war die Ministererlaubnis von Wirtschaftsminister Gabriel bei der EdekaTengelmann-Fusion so falsch, ({1}) und zwar völlig unabhängig von der Verfahrensweise . Wenn ich mir Ihre Reden, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, heute so anhöre, dann fällt mir auf, dass sie einfach nicht mit der Erteilung der Ministererlaubnis zusammenpassen . ({2}) Es kann nicht im Interesse der bäuerlichen Landwirte sein, eine ähnliche Konzentration und damit eine Verschiebung der Marktmacht zusätzlich aufseiten der Lieferanten zu haben, zum Beispiel im Bereich Pflanzenschutz, Dünger und Saatgut . Damit gerät die immer noch sehr kleinteilige deutsche Landwirtschaft immer mehr zwischen zwei große Mühlsteine . Deshalb erwarte ich von den europäischen Kartellbehörden eine sorgfältige Beachtung dieser besonderen Wirtschaftsstruktur in der Landwirtschaft . Rainer Spiering, wir müssen uns nicht gegenseitig angreifen; denn wir sind uns in vielen Dingen einig . ({3}) 77 Prozent der Aktien von Bayer sind im Streubesitz . Es ist nicht so, dass es sich um wenige große Aktionäre handelt . Man muss sich auch einmal den Bereich der Landtechnik anschauen: Auch die Landtechnikanbieter sind mittlerweile alle in großen, globalen Konzernen aufgegangen . Ich kann nur sagen: Kleine, regionale Firmen, die einmal Weltmarktführer waren und sich dieser Entwicklung total verschlossen haben, gibt es heute nicht mehr . Über einen Punkt müssen wir vielleicht noch sprechen: über die Datensicherheit, die Datenvernetzung und die Datenverteilung . Deine berechtigten Bedenken müssen wir bei der Hoftorbilanz berücksichtigen . ({4}) Beim größten und populärsten Thema - Glyphosat - ist die Gefahr einer Monopolbildung übrigens am geringsten . Beim Glyphosat gibt es nämlich anders, als man das heute schon hörte, weltweit 90 Anbieter, allein in China über 50 . In diesem Bereich ist der Wettbewerb also wirklich gesichert . Das Patent, das Monsanto ursprünglich einmal auf dieses Produkt hatte, ist, je nach Land, vor 10 bis 15 Jahren ausgelaufen . Überhaupt habe ich manchmal den Eindruck, dass sich viel Kritik an dieser Übernahme, an dieser Fusion nur damit erklären lässt, dass manche NGOs Angst haben, dass ihre Kampagnen gegen Monsanto künftig ins Leere laufen könnten . ({5}) Es gibt - jetzt wird es wieder sachlicher - aber auch noch eine andere Seite der Fusion, über die man sich wirklich Gedanken machen muss . In den vergangenen 20 Jahren hat sich das Angebot an zugelassenen Wirkstoffen für den Pflanzenschutz in Europa von einst über 1 000 auf mittlerweile nur noch rund 400 verringert . Grund dafür sind stetig steigende Standards zum Schutz von Umwelt und Gesundheit . Das ist gut und richtig, und das will auch gar niemand ändern . ({6}) Aber für viele Bereiche stehen heute kaum noch genügend Wirkstoffe für ein gutes Resistenzmanagement zur Verfügung . Wir sind also dringend darauf angewiesen, dass diese Firmen etwas Neues entwickeln . ({7}) An dieser Stelle muss man einräumen, dass die immer höheren Standards bei der Zulassung, die wir alle wollen und alle für richtig halten, auch einen nichtwillkommeRainer Spiering nen Nebeneffekt haben: Gerade kleinere Unternehmen können die Kosten für den Zulassungsprozess kaum noch stemmen . Dieser Zusammenhang ist einfach unverkennbar . ({8}) In dieser Glyphosatdebatte ist ein erschwerender Faktor hinzugekommen: Der Zulassungsprozess wurde politisiert . ({9}) Mit dieser Politisierung des Zulassungsprozesses nimmt auch die Willkürlichkeit von Entscheidungen zu . Seit Sommer 2016 ist klar: Ein Unternehmen kann sich nicht mehr darauf verlassen, dass ein Wirkstoff, den alle zuständigen Bewertungsbehörden in der EU als zulassungsfähig eingestuft haben, tatsächlich zugelassen wird . Damit haben wir für die Unternehmen eine Risikosituation geschaffen, die nur extrem breit aufgestellte Unternehmen überhaupt abfedern können . Ich bin in keiner Weise dafür, dass wir irgendwelche Standards absenken; aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir die Unternehmen faktisch dazu zwingen, immer größer zu werden, weil sie dieses Risiko nur so stemmen können . Woran wir etwas tun könnten und tun sollten, ist, die Rechtssicherheit von Zulassungsprozessen wieder zu erhöhen . ({10}) Diesbezüglich bitte ich ausdrücklich auch die Kolleginnen und Kollegen aus dem Wirtschaftsausschuss um Unterstützung . Wenn wir hier weiterkämen, wäre für den Umweltschutz, den Verbraucherschutz und die Gesundheit der Menschen in Deutschland deutlich mehr getan als durch eine kampagnengeleitete Verteufelung einzelner Unternehmen . Herzlichen Dank . ({11})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist jetzt der Kollege Alois Gerig, CDU/ CSU-Fraktion . ({0})

Alois Gerig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004040, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Als letzter Redner in der Debatte hat man die gute Möglichkeit, das Gehörte noch einmal kurz zu bewerten . Ja, ich stehe dazu: Ich teile die häufig - auch heute geäußerte kritische Haltung zu der Fusion von Großkonzernen und einer weiteren Konzentration von Großkonzernen . ({0}) Aber ich frage auch sehr deutlich: Welche Einflussmöglichkeiten haben wir? Ich habe von keinem Redner der Opposition irgendeinen Ansatz zur Lösung des Problems gehört . ({1}) Ich sage: Es besteht kein Grund zur Panik . Es besteht erst recht kein Grund, irgendwelche Horrorszenarien in die Welt zu setzen oder die Bevölkerung zu verunsichern und zu verängstigen . ({2}) Warten wir es jetzt ab . Die Kartellbehörden werden gründlich prüfen, und sie werden ihre Meinung dazu abgeben . Die Aktionäre von Monsanto müssen noch zustimmen . Nicht jede Großfusion - das sehen wir, wenn wir in die jüngste Vergangenheit schauen - war gut oder hat gehalten . Deswegen frage ich mich: Was kann, was muss die Politik leisten? Wo haben wir Möglichkeiten, Rahmenbedingungen zu verändern? Mir geht es darum, dass wir die hohen Standards, die wir in Deutschland beispielsweise in den Bereichen Lebensmittel und Verbraucherschutz haben, erhalten . Das muss unser großes Ziel sein . Wir müssen die Menschen mitnehmen . Es gibt das Qualitätsprodukt „Lebensmittel made in Germany“ . Lasst uns das den Menschen sagen, und lasst uns eine Politik machen, um diesen hohen Standard abzusichern . ({3}) Ich will nicht, dass wir die Standards aufgeben, weder durch eine Fusion noch durch den TTIP-Vertrag . Aber das heißt doch nicht: Wenn man das eine tut, muss man das andere lassen . Ich will keine Monopolstellung . Es geht um drei Dinge. Es geht um Pflanzenzüchtung, Pflanzenschutz, und es geht um die Digitalisierung. Wir haben in Deutschland durchaus nicht nur ein Züchtungsunternehmen . Es gibt auch noch zahlreiche kleine und mittelständische Züchtungsunternehmen, ({4}) die speziell für den deutschen Markt, auf die Bedürfnisse der Landwirte und der Menschen ausgerichtet, Nutzpflanzen züchten und produzieren. Sie will ich weiterhin stützen . Sie will ich erhalten . Auch da will ich beileibe keine Konzentration und kein Monopol . Ich will keine gentechnisch veränderten Pflanzen im Anbau in Deutschland . Auch dazu stehe ich . Das ist ein Qualitätsmerkmal, das wir vermarkten müssen . Unsere Bauern geben derzeit reihenweise ihre Produktion auf, weil sie keine wirtschaftliche Perspektive haben . ({5}) Warum schaffen wir es nicht, gemeinsam einmal darzustellen, was unsere Bäuerinnen und Bauern in Deutschland leisten, und zu zeigen, was die Menschen mit einem gezielten Einkauf dafür tun können? Wenn wir das schaffen, habe ich überhaupt kein Problem mit Bayer und Monsanto . Mir ist es allemal lieber, das Bayer-Kreuz hängt in den USA als das Monsanto-Emblem oder irgendein chinesisches in Leverkusen . Lassen Sie mich auch das sagen . ({6}) Das ist doch für einen soliden deutschen Konzern vielleicht die Möglichkeit, weltweit darauf einzuwirken, dass auch deutsche Standards, dass auch deutsche Rechtmäßigkeit ein Stück weit vorankommen . Warum soll sich die Welt nicht auch, wenn es denn so sein soll, in Richtung von wieder mehr Anbau von Pflanzen ohne Gentechnik verändern? Es ist ja nicht das Allheilmittel der Welt . Darüber sind wir uns alle einig; das wurde schon oft gesagt . Was die Digitalisierung angeht, bin ich beim Kollegen Rainer Spiering . Lasst uns eine Politik machen, um eine neutrale Plattform zu schaffen . Ich will nicht, dass Monsanto meine Daten hat, ich will nicht, dass John Deere sie hat, und ich will auch nicht, dass Google sie hat . Wir sollten politisch dafür Sorge tragen, dass eine neutrale Plattform geschaffen wird . Die Digitalisierung ist die Chance für den ländlichen Raum und für die Landwirtschaft . Ich bin davon überzeugt, dass wir das Rad nicht nostalgisch zurückdrehen können . Wir werden keine Milchkannen mehr über die Wiesen tragen, und wir werden keine Pferde mehr vor den Pflug spannen. Wir müssen diese Chance für unsere Bauern nutzen . Daran möchte ich gemeinsam mit Ihnen arbeiten, und ich bin gespannt, wohin das führen wird . Ich bin derzeit nicht in der Lage, die Fusion zu verhindern . Wir sollten die Vorgänge beobachten und die Rahmenbedingungen dann entsprechend verändern, damit die Fusion keine Nachteile für Deutschland und seine Bürger hat . Vielen Dank . ({7})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Damit ist nicht nur die Aktuelle Stunde beendet, sondern wir sind auch am Schluss unserer heutigen Tagesordnung . Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 22 . September 2016, 9 Uhr, ein . Die Sitzung ist geschlossen .