Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet .
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie
herzlich zu unserer Plenarsitzung .
Ich rufe zunächst die Tagesordnungspunkte 1 a und
1 b auf:
a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen von Paris vom
12. Dezember 2015
Drucksache 18/9650
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit ({0})
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem
Übereinkommen von Paris vom 12. Dezember
Drucksache 18/9520
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit ({1})
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Eine Aussprache ist für heute nicht vorgesehen . Deswegen haben wir über die Überweisung zu befinden.
Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzentwürfe
auf den Drucksachen 18/9650 und 18/9520 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen .
Hat jemand andere Vorschläge? - Diesmal nicht . Oder
Einwände? - Auch nicht . Dann sind die Überweisungen
so beschlossen .
Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 2:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur
Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung
des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch.
Hierzu erteile ich das Wort für einen einleitenden
fünfminütigen Bericht der zuständigen Bundesministerin
für Arbeit und Soziales, Frau Nahles . Ich bitte die Fraktionen, soweit erkennbar, mir vielleicht schon einmal
gewünschte Nachfragen mitzuteilen, damit wir sie ein
bisschen vorsortieren können . - Frau Nahles, bitte schön .
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die Bundesregierung hat heute den Entwurf
des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes auf den Weg gebracht . Damit setzen wir die Regelbedarfe für das SGB II
und das SGB XII ab 1 . Januar 2017 fest . Die Festsetzung
der Regelbedarfe beruht auf der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe aus dem Jahr 2013 . Wichtig ist es mir,
hier festzuhalten: Der Entwurf stellt niemanden schlechter . Im Gegenteil: Die Beträge für die meisten Bedarfsstufen steigen an, zum Teil deutlich .
Die Methode, die wir bei der Berechnung der Regelbedarfe anwenden, hat das Bundesverfassungsgericht
erst im Jahr 2014 grundsätzlich bestätigt . Die Kritikpunkte des Gerichtes haben wir bei der Neuberechnung
berücksichtigt . Das betraf zum einen die Ermittlung der
Verbrauchsausgaben für Mobilität und zum anderen die
Jugendlichen zugeordneten Ausgaben für alkoholische
Getränke und Tabakwaren sowie weitere Prüfaufträge .
Die Regelbedarfe sollen zum 1 . Januar 2017 wie
folgt erhöht werden: Der Regelbedarf für eine alleinstehende Person steigt ab 1 . Januar 2017 um 5 Euro von
404 Euro auf 409 Euro; für Partner in Paarhaushalten um
4 Euro von 364 Euro auf 368 Euro . Für Kinder im Alter
von 6 bis 13 Jahren steigt der Regelbedarf von bislang
270 Euro auf 291 Euro, also eine ordentliche Steigerung
um 21 Euro . Bei den unter Sechsjährigen wird die Höhe
des bisherigen Regelbedarfes durch eine Besitzstandsregelung gesichert .
Maßgeblich für die Zuordnung in die Regelbedarfsstufe 1 oder 2 - das ist eine wichtige Neuerung - wird in
Zukunft sein, ob Personen zusammen mit ihrem Partner
in einer Wohnung leben oder nicht . Das bisherige Merkmal, nämlich eine „gemeinsame Haushaltsführung“, entfällt, um Schwierigkeiten bei der Zuordnung künftig zu
vermeiden . Das gilt auch für erwachsene Menschen mit
Behinderungen im Haushalt der Eltern, der Freunde oder
Verwandten . Künftig gilt für sie dauerhaft die höhere Regelbedarfsstufe 1 . Das ist eine wesentliche Verbesserung .
Außerdem berücksichtigt der vorliegende Entwurf,
dass es den Begriff der „Unterbringung in einer stationären Einrichtung“ für Menschen mit Behinderungen nach
Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes, das noch
diese Woche ins Parlament eingebracht wird, ab 2020
nicht mehr geben wird .
Die neuen Wohnformen, in denen auch Leistungen
der Eingliederungshilfe erbracht werden, werden wegen
ihrer Ausstattung mit einem Paarhaushalt vergleichbar
sein . Damit gilt für ihre Bewohner Regelbedarfsstufe 2 .
Neu und wichtig als Verbesserung haben wir eingeführt, dass Erwerbsunfähige und Ältere im Haushalt
naher Angehöriger künftig auch pauschale Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhalten . Diese werden
anerkannt; das war bisher oftmals nicht so . Diese Regelung stellt sicher, dass die nahen Angehörigen finanziell
nicht belastet werden, da sie für Leistungsberechtigte in
der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
grundsätzlich kein eigenes Einkommen und Vermögen
einsetzen müssen .
Damit die neuen Regelbedarfe zum 1 . Januar 2017 in
Kraft treten können, muss der Gesetzentwurf nun zügig
den Bundestag und den Bundesrat passieren .
Vielen Dank .
Die erste Nachfrage geht an den Kollegen Wunderlich .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Frau Ministerin, bei
den Regelbedarfen haben sich zahlreiche Verbände für
die Einführung eines Unterhaltsmehrbedarfs bei Kindern
getrennt lebender Eltern ausgesprochen . Dieser wurde
bisher nicht berücksichtigt . Was spricht aus Sicht der
Bundesregierung gegen eine Berücksichtigung des spezifischen Bedarfs von Kindern getrennt lebender Eltern?
Aus meiner Sicht ist das eine wünschenswerte Ergänzung, und wir sind an dieser Stelle in enger Beratung mit
den Regierungsfraktionen . Das könnte man im Laufe des
parlamentarischen Verfahrens noch klären .
Dagmar Schmidt .
Sehr geehrte Ministerin, es gab bereits bei der letzten
Neuermittlung der Regelbedarfe Kritik auch vonseiten
der SPD . Vielleicht können Sie noch einmal darstellen,
was bei der Neuermittlung der Regelbedarfe in diesem
Jahr im Vergleich zur letzten Ermittlung geändert wurde .
Bei der Neuermittlung der Regelbedarfe wurde grundsätzlich die gleiche Vorgehensweise angewendet wie bei
der Bemessung nach der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 . Warum? Zunächst wurde damals dieses Verfahren kritisiert und dann vor das Bundesverfassungsgericht gebracht, das es im Juli 2014 im Grundsatz
bestätigt hat . Es gibt zwar andere Methoden der Berechnung, die man heranziehen könnte, zum Beispiel den Warenkorb, der vor 20 Jahren Grundlage der Berechnung
war . Ich bin aber, ehrlich gesagt, froh, dass wir von diesem Verfahren weggekommen sind, weil der Staat mit
imaginären Warenkörben, die er befüllt, am Ende nicht
wirklich besser gefahren ist, als wenn reale Ausgaben zugrunde gelegt werden .
Eine wirkliche Änderung und Verbesserung ist insbesondere, dass wir das Merkmal der Haushaltsführung
abschaffen . Es hat auch immer wieder für Irritationen
gesorgt - es wurde auch als Schnüffelei betrachtet -,
warum gerade in der Sozialhilfe nachgewiesen werden
musste, ob jemand allein den Haushalt führt oder ob eine
gemeinsame Haushaltsführung vorliegt . Das ist nun eine
massive Veränderung .
Frau Kollegin .
Auch dass die Kosten der Unterkunft in der Weise,
wie ich es eben dargelegt habe, angerechnet werden, ist
eine wesentliche Veränderung gegenüber der bisherigen
Ermittlung .
Es ist halt alles kompliziert . Das ist wahr . - Nächste
Frage: Kollege Strengmann-Kuhn .
Vielen Dank . - Es geht um 8 Millionen Menschen, die
Grundsicherungsleistungen beziehen, und das Verfahren
ist eigentlich so, dass als Referenzgruppe eine Niedrigeinkommensgruppe betrachtet wird, die selber schon ein
sehr geringes Einkommen hat . Es ist aber nicht so, wie
Sie gesagt haben, dass einfach deren Ausgaben genommen werden, sondern Sie machen es wie beim Warenkorbmodell, dass Sie zusätzliche Sachen herausrechnen .
Darunter sind zum Beispiel Zimmerpflanzen, Haustiere,
Gartenpflege, der Weihnachtsbaum, ein Handy, der Babysitter bei Schichtdienst, aber auch ein Gaststättenbesuch .
Wie rechtfertigen Sie diese massive Einschränkung
der sozialen und kulturellen Teilhabe gerade bei diesen
Menschen mit geringen Einkommen - das ist, wie gesagt, ein großer Teil der Bevölkerung -, und trägt das
zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei? Diese Forderung trägt ja auch die SPD in Wahlkämpfen und Sonntagsreden vor sich her .
Es gibt eine Unterscheidung, die auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt hat, zwischen den Leistungen,
die für das Existenzminimum relevant und erforderlich
sind - dabei haben wir allerdings wenig Spielraum, und
da gab es auch Kritik an der letzten EVS 2008 und den
Berechnungen, die zugrunde gelegt wurden, das hatte
ich vorgetragen, nämlich in Bezug auf Mobilitätskosten,
die wir jetzt mit berücksichtigen -, und den darüber hinausgehenden Leistungen . Bei darüber hinausgehenden
Leistungen - Sie haben von kulturellen gesprochen - haben wir Spielraum . Die entsprechenden Entscheidungen
müssen von Mal zu Mal getroffen werden . Das rechtfertige ich damit, dass ich das, was wir vorschlagen, für angemessen und ausgewogen halte .
Die nächste Fragestellerin ist Frau Schimke .
Frau Ministerin, anhand der gestellten Fragen wurde
deutlich, dass das Statistikmodell von vielen kritisiert
und die Warenkorbmethode favorisiert wird . Könnten
Sie vielleicht noch einmal die besonderen Vorteile der
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe darlegen?
Wie schon Herr Strengmann-Kuhn gesagt hat, liegen
den Berechnungen reale Ausgaben zugrunde . Das reale
Ausgabeverhalten von 15 bis 20 Prozent der einkommensschwachen Haushalte bzw . der unteren Einkommensgruppen wird hier zugrunde gelegt . Übrigens werden die Hartz-IV-Bezieher nicht berücksichtigt, damit es
keinen Karusselleffekt nach unten gibt .
({0})
Das ist realitätsnäher als ein imaginärer Warenkorb, den
der Staat zusammenstellt . Ich bin in der Sozialpolitik mit
einem solchen Warenkorbmodell groß geworden . Ein
solches Modell gab es noch zu Beginn meiner sozialpolitischen Tätigkeit . Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Der
Streit war immer sehr groß, beispielsweise darüber, ob
die Ausgaben für eine halbe Kinokarte berücksichtigt
werden sollten oder nicht . Wie Sie aber sehen, können
wir solche Auseinandersetzungen auch mit der jetzigen
Methode nicht völlig auflösen. Die grundlegende Aufgabe ist, die Existenz zu sichern und bis zu einem bestimmten Grad eine kulturelle Teilhabe zu ermöglichen .
Es lohnt sich jedenfalls, das Ganze immer wieder zu
überprüfen . Das haben wir auch gemacht, bevor wir die
nun zur Diskussion stehenden Änderungen vorgenommen haben .
Frau Kipping, bitte .
Frau Ministerin, als das letzte Mal die Hartz-IV-Regelsätze neu berechnet wurden, waren Sie noch in der
Opposition . Das passierte damals unter Ursula von der
Leyen . Sie haben im Jahr 2010 gegenüber der Rheinischen Post und anderen Zeitungen gesagt, das sei künstlich heruntergerechnet . Nun haben Sie als Ministerin
dieselben Parameter zugrunde gelegt . Warum handelt es
sich jetzt nicht um ein künstliches Herunterrechnen des
Hartz-IV-Regelsatzes?
Wir haben intensiv geprüft und festgestellt - genauso
wie damals das Bundesverfassungsgericht -, dass insbesondere Mobilitätskosten nicht in ausreichendem Umfang sowie Ausgaben für Tabak- und Alkoholkonsum für
Jugendliche in zu hohem Umfang berücksichtigt werden .
Das haben wir jetzt korrigiert . Darüber hinaus ist wichtig - ich betone das -, dass nun die KdU, die bei nahen
Verwandten angefallen sind, berücksichtigt werden . Ich
kann also guten Gewissens sagen, dass wir das, was aus
unserer Sicht begründbar ist, einbeziehen . Wir rechnen
nichts herunter . Was wir tun, hat Hand und Fuß .
Frau Kolbe .
Sehr verehrte Frau Ministerin, es gibt noch einen Kritikpunkt betreffend die Bemessungsgrundlage . Es wird
darauf hingewiesen, dass sich in der Referenzgruppe
auch Menschen befinden, die eigentlich Ansprüche auf
Sozialleistungen haben, Stichwort „verdeckte Armut“ .
Was entgegnen Sie dieser Kritik?
Das haben wir sehr intensiv geprüft . Das war einer der
Prüfaufträge, die das Bundesverfassungsgericht angemahnt hatte . Ich halte das für eine wichtige Frage . Aber
ich muss leider zugeben, dass wir dies nicht befriedigend
lösen können, weil es uns nicht gelungen ist, herauszufinden, wie viel verdeckte Armut es wirklich gibt. Die
hier herrschende Unsicherheit ist so erheblich, dass wir
nicht zu Schätzungen mit einer gewissen Substanz kommen konnten . Die hieran geäußerte Kritik kann ich leider
nicht völlig ausräumen . Es gibt verdeckte Armut . Aber
wir können sie methodisch nicht erfassen und daher keine entsprechenden Einschätzungen vornehmen . Wie der
Name schon sagt: verdeckte Armut .
Frau Brantner .
Sie haben gerade auf die Frage von Herrn Wunderlich
geantwortet, dass Sie als Regierung die Einführung eines
Anspruchs auf Umgangsmehrbedarf als sehr positiv betrachten . Frau Schwesig hatte dies schon am 4 . Mai 2016
angekündigt . Das Parlament könnte es ja einbringen .
Trotzdem würde ich gerne verstehen: Warum ist es denn
bisher von Ihnen noch nicht gekommen, wenn Sie alle es
eigentlich richtig finden? Wo liegen denn die Probleme?
Warum ist es noch nicht Teil Ihrer Vorlage?
Wir diskutieren darüber mit den Regierungsfraktionen, und hoffentlich gibt es da bald eine Einigung .
Es gab ja einen Vorlauf dergestalt, dass in der Öffentlichkeit Behauptungen umgingen, dass wir hier - was
überhaupt nicht stimmt - eine Leistungskürzung vornehmen würden . Wir wollten hier lediglich - basierend
auf einem Bundessozialgerichtsurteil - im sogenannten
SGB-II-Rechtsvereinfachungsgesetz eine Klarstellung
vornehmen . Dabei ist dann eben auch herausgekommen,
dass es durchaus berechtigte Gründe gibt, diesen Mehrbedarf anders zu behandeln, als wir es bisher gemacht
haben . Ich bin zuversichtlich, dass wir das noch zu einem
positiven Abschluss bringen werden .
Matthäus Strebl .
Frau Ministerin, meine Frage geht auch in diese Richtung: Wie wir ja wissen, hat das Bundesverfassungsgericht vorgegeben, dass der Gesetzgeber dafür Sorge zu
tragen hat, dass erkennbare Risiken einer Unterdeckung
existenzsichernder Bedarfe im Einzelfall vermieden werden müssen . Meine Frage an Sie: Wie wird dieser Forderung nachgekommen?
Das ist etwas, wo es in der Praxis tatsächlich immer
wieder erhebliche Bedarfe gibt . Wir haben hier, wie ich
finde, im SGB II eine angemessene Darlehenslösung, und
zwar sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen für die Beantragung von Darlehen zur Überbrückung schwieriger
Situationen als auch hinsichtlich der sehr großzügigen
Rückzahlungsmodalitäten . Das ist für die Betroffenen,
glaube ich, bewältigbar ausgestaltet worden . Damit versuchen wir, das jetzt in den Griff zu kriegen . Ich glaube,
das funktioniert auch . Insoweit hoffe ich, dass wir das
auch in einigen Jahren in der Rückbetrachtung so bilanzieren können .
Frau Müller-Gemmeke .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Sehr geehrte Frau
Ministerin, ist es richtig, dass beim Regelsatz für Kinder und Jugendliche beispielsweise Kosten für Malstifte,
einen Regenschirm oder Handys nicht vorgesehen sind?
Und ist es auch richtig, dass es kein Geld dafür gibt, damit Kinder im Sommer beispielsweise mit Freundinnen
einmal ein Eis essen gehen können? Wenn das so stimmt,
sind Sie dann der Auffassung, dass damit das Existenzminimum und die gesellschaftliche Teilhabe gesichert
sind?
Nun, das alles ist richtig, und Sie wissen das auch . Sie
knüpfen die Frage daran an: Ist das gerechtfertigt? Ich
muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Es gibt ganz viele Leute, die in Arbeit sind und wenig Einkommen - vielleicht
den Mindestlohn - haben . Auch diese müssen da abwägen und können auch nur eingeschränkt Teilhabe wahrnehmen . Ich denke, das ist deswegen ein grundsätzliches
Problem .
Wir haben versucht, im Rahmen des Bildungs- und
Teilhabepaketes gerade junge Leute in Bezug auf Schulausflüge, Mittagessen und anderes zu unterstützen. Auch
Nachhilfe wird mittlerweile in diesem Bereich finanziert.
Das alles sind unsere Maßnahmen, um genau die Teilhabe, von der Sie reden, auch zu ermöglichen . Aber natürlich hat das auch Grenzen .
Es ist nicht schön, wenn ich Folgendes sagen muss:
Das hat nicht nur Grenzen, weil der Finanzminister vielleicht zu wenig Geld hat, sondern weil es natürlich auch
um eine Relation geht . Es geht um die Relation zwischen
denen, die wir im Rahmen des SGB-II- und SGB-XII-Regelkreises unterstützen, und denen, die für ihren Lebensunterhalt arbeiten und vielleicht keine hohen Löhne bzw .
Einkommen haben .
({0})
Genau diese Gruppe von Menschen ist ebenfalls in ihren
Möglichkeiten eingeschränkt . Sie mögen das anders sehen, aber es ist meine feste Überzeugung, dass wir auch
das insgesamt betrachten müssen .
({1})
Kollege Paschke .
Frau Ministerin, das Bundesverfassungsgericht hat
auf die Notwendigkeit einer laufenden Überprüfung
der Höhe der Regelbedarfe bei außergewöhnlich hohen
Preissteigerungen hingewiesen . Das spielte ja eine Zeit
lang in Bezug auf das Thema Stromkosten eine Rolle .
Wie wurde dem im Entwurf Rechnung getragen?
Das BMAS teilt die Auffassung, dass der Gesetzgeber
ganz klar verfassungsrechtlich verpflichtet ist, zu raschen
Anpassungen zu kommen, wenn es extreme Preisentwicklungen gibt . Diese sind in der Vergangenheit hauptsächlich im Zusammenhang mit Stromkosten aufgetreten .
Das Statistische Bundesamt stellt uns deswegen nicht nur
einmal jährlich eine Übersicht über die Veränderungen
bei dieser relevanten Personengruppe zur Verfügung das wäre ein ziemlich langer Zeitraum -, sondern - das
kann ich Ihnen versichern - das Statistische Bundesamt
legt uns monatlich Daten über diese Entwicklung vor, die
uns zur Verfügung stehen . Wir könnten deswegen unmittelbar darauf reagieren .
Es ergibt sich aus meiner Sicht keine Notwendigkeit,
das gesondert zu regeln . Vielmehr können wir aufgrund
des sehr intensiven monatlichen Monitorings sicherstellen, dass wir gegebenenfalls intervenieren . Die gute
Nachricht ist: Aufgrund der sehr verhaltenen Preisdynamik hat es solche Fälle in den letzten Jahren nicht gegeben . Wir erwarten sie auch nicht für dieses oder nächstes
Jahr .
Frau Kollegin Haßelmann .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Frau Ministerin, es
klingt schon irgendwie zynisch, was die Grenze bei den
Malstiften und dem Adventsschmuck angeht, muss ich
Ihnen ehrlich sagen .
({0})
Es ist schwer zu verstehen, wie Sie die natürliche Grenze
begründen .
Meine Frage betrifft aber ein anderes Thema . Im monatlichen Regelbedarf sind 3 Euro für die Anschaffung
von Kühlschränken und Waschmaschinen vorgesehen .
Jeder und jede von uns kann sich vorstellen, wie lange
man 3 Euro pro Monat ansparen muss, wenn man ein
einigermaßen energiesparendes Gerät kaufen will . Ich
befürchte, dass Sie mir die gleiche Antwort mit dem Hinweis auf das Lohnabstandsgebot geben wie gerade meiner Kollegin zu den Malstiften . Dennoch meine Frage:
Sind Sie der Auffassung, dass es realistisch ist, mit dem
Ansparen von 3 Euro monatlich zu einer Waschmaschine, die einigermaßen modernen Energiestandards entspricht, zu kommen? Was halten Sie von dem Vorschlag,
weiße Ware auf Antrag als einmalige Leistung beziehen
zu können und aus dem Regelsatz herauszunehmen?
Es gibt sicherlich viele ähnliche Beispiele . Würde man
das aufgreifen, würde das jedoch eine andere Systematik
nach sich ziehen . Wenn man das alles summiert, kommt
man am Ende doch wieder zu einem Waren korbmodell .
Darüber kann man diskutieren . Aber wenn Sie die verschiedenen Waren, die Sie jetzt, durchaus plausibel, aufzählen, aus dem Regelsatz herausnehmen wollen, dann
ist das am Ende ein Warenkorbmodell .
Wir haben eine andere Herangehensweise . Man kann
über die Grundlagen streiten, und das haben wir auch
bis hin zum Bundesverfassungsgericht gemacht . Solange wir aber bei unserer Systematik bleiben - mit diesem Entwurf tun wir das -, ist der Bedarf erst einmal
abgedeckt . Das Ansparen ist mit den 3 Euro möglich .
Wenn das nicht geht, greift die Darlehensregelung, die
ich Ihnen eben dargelegt habe, womit Sonderbedarfe so
abgedeckt werden können, dass die Leute sie im Rahmen
ihrer Möglichkeiten finanzieren können. Im Übrigen ist
Ehrlichkeit nicht zynisch .
Frau Lezius .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Sehr geehrte Frau Ministerin, mit den Regelbedarfen wird ein Teil des soziokulturellen Existenzminimums festgelegt . Dieser Bedarf
kann, wie wir gehört haben, auf unterschiedliche Weise
ermittelt werden . Das Bundesverfassungsgericht - das
haben Sie eben erklärt - hat kritisiert, dass durch die
Nichtberücksichtigung von Haushalten mit Kfz-Kosten
der Mobilitätsbedarf nur unzureichend abgebildet wird .
Mobilität sei aber zur Teilhabe an der Gesellschaft besonders wichtig . Werden nunmehr Kfz-Kosten beim Mobilitätsbedarf berücksichtigt?
Das war nicht ganz präzise . Das Bundesverfassungsgericht hat nicht die Entscheidung kritisiert, Kfz-Kosten nicht im Regelbedarf zu berücksichtigen . Das hat es
erst einmal akzeptiert . Wenn man das aber tue, was wir
gemacht haben, müsse berücksichtigt werden, dass der
Mobilitätsbedarf von Personen, die Kfz-Kosten hatten,
bei bloßer Nichtberücksichtigung statistisch unterfasst
bleibe . Das ist genau das, was ich immer mit Mobilitätskosten beschreibe, bezüglich derer kritisiert wurde, dass
wir diese nicht ausreichend berücksichtigen .
Was haben wir jetzt gemacht? Wir haben uns mit
Fachleuten beraten . Dann haben wir gesagt: Wir berücksichtigen bei den Regelbedarfen die ermittelten Verbrauchsausgaben im ÖPNV, und diese sind jetzt hier mit
eingeflossen.
Kollege Wunderlich .
Vielen Dank . - Ich muss jetzt eins sagen: Frau Ministerin, Sie haben vorhin vorgetragen, der Hartz-IV-Regelsatz für Kinder in der Altersgruppe 6 bis 13 Jahre solle von 270 Euro auf 291 Euro angehoben werden, und
behauptet, dies sei ein richtig dicker Batzen . Ich meine,
das ist der Beweis dafür, dass jahrelang unterfinanziert
worden ist und dass das Existenzminimum dieser Altersgruppe eben nicht bedarfsgerecht abgedeckt worden ist .
Nur so viel dazu .
Sie sprachen gerade das Bildungs- und Teilhabepaket an . Nach wie vor wird da nichts dynamisiert . Es gibt
ein schwieriges Antragsverfahren . Bleiben Sie dabei,
dass der Regelbedarf für Schulmaterial 100 Euro pro
Schuljahr beträgt, obwohl eine aktuelle Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD besagt, es seien
mindestens 150 Euro pro Schuljahr nötig? Das heißt, dadurch werden trotz eines Bildungs-und Teilhabepaketes
die Bildungs- und Startchancen für das Leben weiterhin
verschlechtert .
Ja, dabei bleiben wir .
Frau Verlinden .
Frau Ministerin, aus einer Studie zum Stromverbrauch, die im Jahr 2015 erstellt wurde, geht hervor, dass
bei den Vergleichshaushalten der monatlich im Regelsatz fehlende Betrag für Strom abhängig von der Größe
eines Haushalts zwischen 5 und 11 Euro liegt . Da der
Regelsatz nur um 5 Euro angehoben wurde im Vergleich
zu 2011, liegt womöglich eine Unterdeckung vor . Wie
wollen Sie sicherstellen, dass es in Zukunft trotz dieser
Diskrepanz - 5 Euro bis 11 Euro monatliche Unterdeckung bei den Stromkosten, je nach Haushaltsgröße; Sie
haben mit 5 Euro gerechnet - zu keiner Bedarfsunterdeckung kommen wird, zumal es ja für Menschen, die im
SGB-II-Bezug sind, gar nicht so einfach ist, ihren Stromanbieter zu wechseln? Es gibt zum Teil Tarife, die sehr
viel günstiger sind, womit man die Stromkosten reduzieren könnte; dennoch ist es aufgrund von Schufa-Einträgen oder anderem für manche Menschen gar nicht so
einfach, den Stromanbieter zu wechseln . Deswegen ist
es sehr wichtig, zu schauen, dass die Grundversorgertarife mit dem übereinstimmen, was Sie den Menschen mit
dem Regelsatz zur Verfügung stellen .
Es wird hier immer wieder der Eindruck erweckt, als
ob wir im Bundesarbeitsministerium die Regelsätze zusammenwürfelten . Das ist aber nicht der Fall . Wenn Sie
behaupten, wir hätten 5 Euro für Stromkosten angesetzt,
obwohl eigentlich bis zu 11 Euro angemessen wären,
dann ist das nicht korrekt . Wir haben hier die realen Ausgaben der einkommensschwachen Haushalte zugrunde
gelegt, und diese Ausgaben haben wir uns nicht ausgedacht . Deswegen bestreite ich erst einmal, dass es diese
Diskrepanz in dieser Form gibt .
Wir haben in den Gesetzentwurf Mechanismen eingebaut, durch die zum Beispiel abgestellt wird, dass es an
einer Stelle eine Lücke gibt, nämlich dass KdU-Kosten
nicht übernommen werden, wenn jemand bei nahen Verwandten lebt . Die Kritik, die es am bisherigen Zustand
gab, akzeptiere ich, und wir haben daraus die Konsequenzen gezogen . Aber grundsätzlich kann ich dem, was
Sie sagen, nicht folgen .
Interessant ist - das will ich gerne mitnehmen; wir
werden gerne noch einmal überlegen, was wir da tun
können - die mit dem Wechsel zu einem günstigeren Anbieter verbundene Problematik . Die ist mir bekannt . Ich
finde Ihren Hinweis darauf erst einmal richtig. Ich würde
gerne schauen, ob es dafür nicht eine vernünftige Lösung
gibt, weil das ja eigentlich nicht in unser aller Interesse
sein kann .
Für die Zuhörer sollten wir vielleicht deutlich machen,
dass mit „KdU“ kein Sportverein, sondern „Kosten der
Unterkunft“ gemeint sind .
Natürlich . Entschuldigung .
Herr Kollege Kurth .
Frau Ministerin, Sie haben gerade auf die Frage der
Kollegin Britta Haßelmann, ob es nicht sinnvoll sei,
hochpreisigere Gebrauchsgüter als Pauschalleistung zu
bewilligen, geantwortet, das sei eine Abkehr vom Statistikmodell und eine Rückkehr zum Warenkorbmodell .
Meiner Auffassung nach ist es eher eine Differenzierung
des Statistikmodells, dass man bei umrissenen und genau
bestimmbaren Einzelgruppen - hier handelt es sich im
Wesentlichen ja um Kühlschränke und Herde, also um
sogenannte weiße Ware - sehr wohl in sehr engem Rahmen entsprechend vorgehen kann, weil es ja erkennbar
realitätsfremd ist, 3 Euro im Monat für den Kauf einer
Waschmaschine anzusparen . Selbst wenn man ein Gebrauchtgerät kaufen möchte, müsste man dann drei oder
vier Jahre lang sparen .
Sie wollen die Unterdeckung über Darlehen kompensieren . Ist Ihnen bekannt, wie hoch der Verwaltungsaufwand für Darlehen ist, die Hartz-IV-Beziehende mit
5 Euro im Monat über viele Monate tilgen müssen? Steht
dieser Verwaltungsaufwand nicht in einem großen Missverhältnis zu der ausgereichten Leistung? Wäre es nicht
schon allein aufgrund dieses Verwaltungsaufwandes für
die Darlehen angezeigt, eine klare Lösung im Sinne einer
Pauschalierung zu finden?
Mir liegen dazu keine Erkenntnisse vor . Es ist aber
eine interessante Frage . Der gehe ich einmal nach .
Letzte Frage zu diesem Sachbereich von Kollegin
Müller-Gemmeke .
({0})
- Mir wurde ein weiterer Fragewunsch nicht signalisiert .
({1})
- Ach, Frau Kipping . Ich habe Sie anstelle vom Kollegen
Wunderlich gestrichen . Aber Sie bekommen natürlich
noch das Wort .
({2})
- Offenkundig .
({3})
Man braucht nur das drohende Ende einer Debatte anzukündigen - schon kommen die Wortmeldungen wie Pilze
aus dem Boden geschossen .
Bitte schön, Frau Müller-Gemmeke .
Vielen Dank . - Ich muss auf die Ausführungen zurückkommen, die Sie auf meine letzte Frage hin gemacht haben; „Regelsätze für Kinder und Jugendliche“,
„Malstifte“ waren die Stichworte . Diese Ausführungen
haben mich sehr irritiert; denn es geht momentan bei der
Regelsatzberechnung ganz klar darum, dass das Existenzminimum gesichert sein muss, und dazu gehört definitiv auch die gesellschaftliche Teilhabe .
Das Bundesverfassungsgericht hat sehr eindeutig
gesagt, dass bei der Berechnung das Lohnabstandsgebot - wie hoch ist der Regelsatz, und wie viel verdienen
beispielsweise Niedrigverdienende in Deutschland? überhaupt keine Rolle spielen darf . Trotzdem habe ich,
wenn ich Sie so reden höre, das Gefühl, dass Sie die
Menschen, die niedrige Einkommen beziehen, und die
Menschen, die momentan keine Arbeit haben, also erwerbslos und auf Leistungen angewiesen sind, gegeneinander ausspielen . Sie müssten doch aber auf der einen
Seite das Existenzminimum sichern und auf der anderen
Seite genügend Maßnahmen auf den Weg bringen, dass
die Menschen, die Arbeit haben, davon tatsächlich auch
leben können . Gegeneinander ausspielen, das geht gar
nicht .
Ihnen ist bekannt, dass ich den Mindestlohn hier als
Ministerin durchgesetzt habe - gegen nicht ganz unerhebliche Widerstände an einigen Stellen . Ich glaube, da
brauche ich keine Aufklärung . Ich kann leider auch Ihre
Irritation jetzt nicht auflösen.
({0})
Kollege Zech .
Herr Präsident! Frau Ministerin, wir erleben gerade,
dass wir bei der Ermittlung von Regelsätzen eine sehr
komplexe Vorgehensweise haben; bei jedem Komma
neigt man zu Diskussionen . Könnten Sie uns - neben
einzelnen Regelsätzen - vielleicht noch kurz erläutern,
was sich durch den Entwurf noch verändert, welche Neuerungen Sie noch vorsehen?
Vielen Dank .
Wichtig scheint mir auch Folgendes zu sein: Bisher
hatten wir die Situation, dass für Menschen mit Behinderungen, die meist bei ihren Eltern oder Verwandten leben,
keine Gleichbehandlung vorgesehen war . Wir behandeln
sie jetzt in den Regelbedarfsstufen gleich; sie werden wie
alle anderen behandelt. Das, finde ich, ist ein wichtiger
Schritt, der übrigens auch von vielen Behindertenverbänden und den Kirchen seit Jahren gefordert wurde . Wir
hatten eine Übergangsregelung, und diese wird jetzt auf
Dauer gelten . Darüber bin ich sehr froh . Das ist eine weitere Verbesserung im jetzigen Entwurf .
Frau Kipping .
Frau Nahles, Sie haben selber ausgeführt: Bei der
Ermittlung der Hartz-IV-Regelsätze sind die Ausgaben
der ärmeren Haushalte zugrunde gelegt worden . Diese
Methode nennt sich „Statistikmodell“, und sie birgt eine
Gefahr: Wenn den ärmeren Haushalten, also den ärmeren
15 Prozent, das Geld für wirklich wichtige Dinge fehlt,
finden wir uns in einer Verarmungsspirale wieder, weil
von deren Ausgaben die Regelsätze abgeleitet werden .
Ich will das an zwei Beispielen aus der aktuellen Statistik illustrieren:
Jugendliche über 15 Jahre haben nach dem Statistikmodell im Monat durchschnittlich 22 Cent für Bildungswesen ausgegeben - 22 Cent für Bildungswesen! Das
ist doch ein Ausdruck dafür, dass den Familien das Geld
fehlt, um ihren Kindern auch mal irgendeinen Kurs zu
finanzieren.
Erwachsene haben rund 26 Euro für die Benutzung
von Bus und Bahn ausgegeben . In welcher Stadt kann
man dafür, bitte schön, eine Monatskarte kaufen? Auch
das ist ein Ausdruck dafür, dass Geld für Wichtiges fehlt .
Vor diesem Hintergrund meine Frage: Wäre es nicht
sinnvoll, das Statistikmodell wenigstens mit einer Art
Bedarfs-TÜV zu kombinieren?
Was Sie jetzt genau unter „Bedarfs-TÜV“ verstehen,
kann ich nicht nachvollziehen . Ich möchte Ihnen allerdings sagen, dass ich die Verantwortung für bezahlbare
Schülertickets - und solche Angebote halte ich für notwendig - nicht alleine auf der Bundesebene sehe . Ich habe
Präsident Dr. Norbert Lammert
mit großer Irritation gesehen, dass bezahlbare Sozialtickets und Schülertickets in den letzten Jahren nicht mehr
so weit verbreitet waren wie zu meiner Schülerzeit . Ich
kann und muss an dieser Stelle sehr deutlich dazu auffordern, dass man sich auf der kommunalen Ebene wieder
verstärkt darum kümmert . Da müssen auch die Länder
gegebenenfalls unterstützen . Wir können diese Hilfen für
die Familien im unteren Einkommensbereich - genauso
wie für diejenigen, die auf Unterstützung durch SGB II
oder SGB XII angewiesen sind - zum Großteil auf der
Bundesebene stemmen; da sehen wir uns auch voll in der
Verantwortung . Aber es ist nicht allein unsere Aufgabe .
Insoweit haben Sie an dem Punkt meiner Meinung nach
ein indirektes Plädoyer für die Sozialtickets gehalten .
Ansonsten werden wir uns heute, glaube ich, nicht
mehr einig über die Grundlagen der Berechnung . Das
heißt aber nicht, dass wir im Laufe der anstehenden parlamentarischen Beratungen nicht noch aufeinander zugehen können . - Vielen Dank .
Kollege Strengmann-Kuhn .
Vielen Dank für die Möglichkeit, noch einmal nachzufragen . - Vorgaben zur Bedarfsprüfung waren übrigens im letzten Urteil des Bundesverfassungsgerichts
mit enthalten; dabei sind die Mobilitätskosten und auch
die Stromkosten explizit erwähnt worden . Das hätte man
also eigentlich machen müssen .
Aber ich wollte zu einem anderen Punkt noch einmal
nachfragen, und zwar zu den Zirkelschlüssen . Sie haben eben selbst gesagt, dass eigentlich vermieden werden sollte, dass man die Berechnung der Regelsätze an
Leuten orientiert, die selber Hartz IV beziehen . Die verdeckten Armen sind schon angesprochen worden . Auch
als Wissenschaftler, der sich damit beschäftigt hat, würde ich sagen: Das, was Sie gesagt haben, stimmt nicht;
man kann sie durchaus herausfiltern. Auch das, was Sie
im Zusammenhang mit den Hartz-IV-Empfängern gesagt haben, ist nicht ganz richtig; denn es sind nicht alle
Die Aufstocker nicht .
- die sogenannten Aufstocker nicht . Zumindest diejenigen mit geringem Einkommen bis zu 100 Euro - die
100 Euro sind eigentlich nur dazu da, die Zusatzkosten
für die Erwerbstätigkeit abzudecken - müsste man eigentlich herausrechnen . Ebenfalls nicht herausgerechnet
sind Menschen, die BAföG-Leistungen, die in der Regel
niedriger als Hartz-IV-Leistungen sind, beziehen . Das
heißt, in der Referenzgruppe sind einige Gruppen,
Herr Kollege, Sie wollten eine Frage stellen .
- die auf Hartz-IV-Niveau sind oder sogar darunter
liegende Einkommen haben . Das müsste man doch wenigstens beseitigen . Oder?
Das haben wir jetzt nicht gemacht .
Frau Kipping noch einmal zur Verdeutlichung des inzwischen wahrgenommenen Unterschieds zum Kollegen
Wunderlich .
Vielen Dank; ich bin ganz gerührt . - Frau Nahles,
Sie haben angedeutet, dass man noch aufeinander zugehen kann . Ich will mal einen Paragrafen des Referentenentwurfes - den Kabinettsentwurf konnten wir noch
nicht sehen -, nämlich § 9, herausgreifen . Dieser sieht
vor, dass Kindern, die in der Schule ein Mittagsessen
bekommen, und Menschen mit Behinderungen, die in
Werkstätten arbeiten und in der Kantine ein Mittagessen
bekommen, pro Essen vom ohnehin niedrigen Satz noch
mal 1 Euro abgezogen wird . Das heißt doch, dass ein ohnehin niedriger Regelsatz im Monat zusätzlich um über
20 Euro gekürzt wird . Die Frage ist: Müssen Sie wirklich
bei Menschen, die so wenig haben, so kleinlich sein, und
kann dieser Paragraf nicht einfach herausfliegen aus diesem Gesetzentwurf?
Wir subventionieren sehr häufig Mittagessen, die
dann teilweise kostenlos sind, mit öffentlichen Mitteln;
das heißt, dieses Geld wird durch die Gemeinschaft der
Beitragszahler und Steuerzahler gestellt . Von daher ist
eine Doppelfinanzierung an dieser Stelle sicherlich auch
fragwürdig .
Natürlich können Sie an diesem Punkt auch Kleinlichkeit unterstellen . Ich muss aber ehrlich sagen: Systematisch ist das begründet . Aus meiner Sicht wäre eine
doppelte Belastung derjenigen, die das mit niedrigem
Einkommen finanzieren müssen, ebenfalls ein Problem.
Von daher weiß ich nicht, ob wir an dem Punkt zusammenkommen können .
Nun schließe ich die Fragen zu diesem heutigen Thema der Kabinettssitzung ab, mit Dank an die Ministerin . - Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen
Kabinettssitzung? - Herr Kollege Wunderlich und dann
Frau Werner .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Meine Frage passt thematisch: Nach jahrelangem Ringen hat der Vorsitzende
der SPD gesagt: Wir wollen die Zahlung des Unterhaltsvorschusses bis zum 18 . Lebensjahr des Kindes verlängern . Frau Familienministerin Schwesig hat das am vorletzten Freitag im Familienausschuss ebenfalls gefordert .
Hier im Plenum ist der letzte Antrag mit der Begründung
abgelehnt worden, es sei ein richtiger Antrag, es seien
nur nicht die finanziellen Mittel vorhanden. Finanzminister Schäuble hat nun gesagt, angesichts der erwirtschafteten Milliarden seien Spielräume vorhanden . Meine Frage: War das Thema „Zahlung des Unterhaltsvorschusses
bis zum 18 . Lebensjahr des Kindes“ auch Gegenstand der
Kabinettssitzung? Damit könnten viele Familien aus dem
Hartz-IV-Bezug geholt werden, was zu Einsparungen in
Ihrem Haushaltstitel führen würde .
Nein, war es nicht .
({0})
Frau Kollegin Werner .
Wie Sie sich sicherlich denken können, geht es bei
meiner Frage um das Bundesteilhabegesetz . Sie sprachen gerade von erheblichem Widerstand . Haben Sie
etwas durchgesetzt? Im Moment sieht es so aus, als ob
gegen den erheblichen Widerstand vieler Verbände etwas
durchgesetzt wird, zumindest wenn es keine erheblichen
Nachbesserungen geben wird . Mich interessiert, ob das
Bundesteilhabegesetz aufgrund der Empfehlungen des
Bundesrates bzw . der Ausschüsse Thema der Kabinettssitzung war . Es wurde der Bundesregierung vorgeworfen, die Versprechen aus dem Koalitionsvertrag nicht
eingehalten zu haben . So heißt es in den Empfehlungen:
… dass die Zusagen des Bundes auch beinhalteten,
dass aus dem Bundesteilhabegesetz keine zusätzlichen Ausgaben für Länder und Kommunen erwachsen dürfen und die Reform einen Beitrag dazu leistet, . . .
Dann heißt es weiter:
Diese Ziele werden mit dem vorliegenden Gesetzentwurf klar verfehlt . Denn der Gesetzentwurf geht
nicht von einer finanziellen Entlastung, sondern von
einer Belastung . . . aus .
Wenn Sie in der Kabinettssitzung nicht darüber gesprochen haben, würde mich interessieren, ob Ihr Haus
und das Haus des Finanzministers im Rahmen der Haushaltsberatungen weitere Gespräche führen werden . Sie
kommen auch aus Rheinland-Pfalz . Kommunaler Entschuldungsfonds und Schuldenbremse dürften auch Ihnen ein Begriff sein .
Wir bringen morgen das Bundesteilhabegesetz hier im
Parlament ein . Dann besteht sicherlich ausreichend Zeit,
dies zu diskutieren . Wir haben zusätzliche Mittel von bis
zu 700 Millionen Euro bis zum Jahr 2020 im Haushalt
ausgewiesen, um das, was wir an Mehrbedarfen durch
das Gesetz auslösen, auszugleichen . Das heißt, es gibt
sehr wohl eine Finanzierung des Gesetzes . Darüber hinaus beraten wir natürlich mit den Ländern über ihre
Stellungnahme . Sehr auffällig ist - das will ich Ihnen
nicht verhehlen -, dass die Länder zwar vieles unterstützen, aber sagen, dass der Bund es bezahlen soll . Das ist
natürlich ein altes Spiel . Darüber müssen wir noch reden .
Aber ich kann sagen, dass das, was wir in diesem Gesetz
als Leistungsverbesserung haben, durch zusätzliche Mittel durch den Bundeshaushalt abgedeckt wird .
Herr Ströbele, ich habe Ihren Namen notiert, hatte
aber den Eindruck, dass Sie nicht zur Kabinettssitzung
eine Frage stellen möchten, sondern zum Thema „sonstige Fragen an die Bundesregierung“ . Wie ist das bei Ihnen, Frau Hänsel?
({0})
- Zum Kabinett, bitte schön .
Danke schön, Herr Präsident . - War heute das Abstimmungsverhalten der Bundesregierung bezüglich CETA
Thema im Kabinett? Es gab auch von Ihrer Partei eine
Entscheidung dazu . Hat sich die Bundesregierung darauf
geeinigt, dass es nicht zu einer vorläufigen Anwendung
von CETA seitens der Bundesregierung kommt?
Das stand heute nicht auf der Tagesordnung . Möglicherweise wird dies auf einer der nächsten Sitzungen behandelt . Das kann ich Ihnen aber jetzt nicht sagen .
Dann rufe ich sonstige Fragen an die Bundesregierung
auf .
Herr Kollege Ströbele .
Danke, Herr Präsident . - Sie haben mich richtig verstanden, ohne dass wir geredet haben . Das war schon
einmal gut .
Ich habe eine Frage an die Bundesregierung und bedauere, dass Herr Minister Altmaier nicht bleiben konnte . Herr Fritsche, wird ihn wahrscheinlich gut vertreten
können . Die Frage lautet: Für welche Bundesministerien
und sonstige Bundesbehörden leistet der Bundesnachrichtendienst in Deutschland Kurierdienste? Auf welcher
Auftragsgrundlage geschieht so etwas? Handelt es sich
dabei um die im Untersuchungsausschuss bekannte Tasche, die auf dem Wege von Bonn nach Berlin zum Beispiel eine Woche und länger transportiert wird?
Ich ahne, Frau Nahles, dass das die Frage ist, auf die
Sie schon den ganzen Tag gewartet haben .
({0})
Ich muss zugeben: Ich kann die Frage nicht beantworten . Ich bitte, das zu entschuldigen . Aber vielleicht kann
Herr Fritsche das tatsächlich übernehmen .
Gut . - Sie sind offenkundig auch damit einverstanden,
dass Herr Fritsche das beantwortet . - Bitte schön .
Herr Abgeordneter Ströbele, die Frage kann ich beantworten . Es ist tatsächlich so, wie es in den Medien
geschrieben ist . Ich glaube, auch heute in der Bundespressekonferenz ist dazu gefragt worden . Insofern danke
ich Ihnen für die Frage in diesem Rahmen . Es ist richtig,
dass der Bundesnachrichtendienst einen Kurierdienst hat .
Weil der Bundesnachrichtendienst eine geheim arbeitende Organisation ist und deswegen auch mit Verschlusssachen arbeitet und weil er innerhalb Deutschlands mehrere Außenstellen hat, hat er einen flächendeckenden
Kurierdienst, über den solche Verschlusssachen transportiert werden .
Es ist genauso richtig, dass auch andere Behörden, die
keinen solchen Kurierdienst haben, aber ebenfalls Verschlusssachen haben, ab und zu den Bundesnachrichtendienst bitten, auf seinen normalen Kurierwegen solches
eingestuftes Material zu transportieren . Das halte ich in
diesen Zeiten, in denen auch auf Ressourcen geachtet
wird, für ganz normal .
({0})
Bevor solche Behörden eigene Kurierdienste mit VS-ermächtigten Personen einrichten, ist es, glaube ich, besser,
auf den vorhandenen Kurierdienst des Bundesnachrichtendienstes zurückzugreifen .
Was die Transportdauer von einer Woche anbelangt,
ist Folgendes zu sagen: Wenn die Behörden sagen, dass
es sehr eilig ist, etwas zum Beispiel von Bonn nach Berlin zu transportieren - das kommt ab und zu vor -, dann
geht das auch schnell . Wenn es aber nicht sehr eilig ist, ist
es im Normalfall so, dass es über die Zentrale in Pullach
läuft, und dann kann es bis zu einer Woche dauern .
Womit sich die Nachfrage erledigt, Herr Ströbele, ob
man für das Austeilen von Wahlkampfpost vielleicht auf
den Kurierdienst zurückgreifen könnte . Das wäre dann
sicherlich zu spät .
({0})
Frau Haßelmann .
Frau Nahles, ich frage dann gleich Herrn Fritsche, weil
sich meine Frage auf das gleiche Thema bezieht . - Herr
Fritsche, auf welcher Rechtsgrundlage wird denn der von
Ihnen als selbstverständlich dargestellte Kurierdienst genutzt? Beim BND handelt es sich um einen Auslandsgeheimdienst, und wir reden hier über Bundesbehörden .
Wir reden also über sehr grundsätzliche rechtsstaatliche
Dinge, die aus gutem Grund voneinander getrennt sind .
Von daher finde ich, man sollte es eigentlich nicht so lapidar darstellen, wie Sie es gerade getan haben, dass man
da so einen Kurier bestellt, wie ich es vielleicht in meinem Büro mit Fahrradkurieren mache .
Der zweite Punkt ist: Finden Sie es nicht verwunderlich, dass solch ein Kurierdienst mit Dingen, die als
Streng Geheim eingestuft sind, erst mal von Bonn nach
Pullach fährt, um dann vier Tage bis nach Berlin unterwegs zu sein?
Um gleich auf Ihre zweite Frage einzugehen: Das halte ich nicht für verwunderlich; denn der Kurierdienst des
Bundesnachrichtendienstes wird einfach genutzt, weil
dort ermächtigte Kuriere vorhanden sind . Das halte ich
für ganz normal .
Zum ersten Punkt . Da wundere ich mich schon ein
bisschen über die Frage . Sie weisen hier darauf hin, dass
es einen Unterschied zwischen dem Inlandsnachrichtendienst und dem Auslandsnachrichtendienst gibt . Das
bestreitet kein Mensch . Aber auch der Auslandsnachrichtendienst ist mit seinen Liegenschaften nicht irgendwo
im Ausland untergebracht, sondern in der Bundesrepublik Deutschland, weil er hier für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger tätig ist .
({0})
Deswegen muss er diese Fahrten auch zwischen den hier
tätigen Außenstellen des Bundesnachrichtendienstes und
der Zentrale durchführen .
({1})
Als Rechtsgrundlage gilt ganz normal die VSA des
Bundesministeriums des Innern, in der festgelegt ist, wie
Unterlagen einzustufen sind, von VS-NfD, also nur für
den Dienstgebrauch, bis zu Streng Geheim . Das ist die
entscheidende Grundlage für die Einstufung der Unterlagen .
Eine Rechtsgrundlage dafür, dass es hier im Wege
der Amtshilfe Unterstützung für andere Behörden geben
muss, gibt es außer den allgemeinen Amtshilfevorschriften im Verwaltungsverfahrensgesetz nicht, und ich sehe
auch keine Notwendigkeit für weitere Vorschriften .
Weitere Nachfragen sehe ich nicht . - Doch . Bitte
schön, Frau Künast .
Danke . - Ob das Verwaltungsverfahrensgesetz vorsieht, im Wege der Amtshilfe solche Regelfälle zu konstruieren, das können wir an anderer Stelle und zu einem
anderen Zeitpunkt noch rechtlich klären, Herr Fritsche .
Ich wundere mich auch - so wie Sie sich wundern -,
nur aus anderen Gründen . Ich habe heute von Ihnen gehört, dass die Nutzung des Kurierdienstes quasi Teil der
Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung ist . Sie haben gesagt: Er ist da, also wird er mitgenutzt . - So hatte ich mir Nachhaltigkeit immer vorgestellt, aber zu der
darin enthaltenen Instinktlosigkeit, dass ein Auslandsgeheimdienst Kurier im Inland wird, dazu ist mir bisher
nichts eingefallen .
({0})
Dazu haben auch Sie nichts gesagt; wobei ich das von
Ihnen persönlich auch fast nicht erwartet hätte .
Meine Frage lautet: Wie wird denn, wenn die Kuriere entsprechende Unterlagen in ihrem Besitz haben und
diese ein paar Tage in Pullach gelagert werden, die Sicherheit gewährleistet? Was ist Ihr Sicherheitskonzept?
Werden die Unterlagen aus anderen Behörden und Ministerien in einem Extraraum gesichert, der abgeschlossen ist und Ähnliches? Man muss sich ja die Frage stellen, ob der Bundesnachrichtendienst nicht neugierig ist
und einen Blick hineinwirft .
Aber eben alles in einer Minute, Frau Künast . Bitte
schön, Herr Fritsche .
Danke, Herr Präsident . - Frau Abgeordnete, zunächst
muss ich die Unterstellung zurückweisen, dass der Bundesnachrichtendienst Unterlagen, die er nur transportiert
und die für seine Tätigkeit nicht notwendig sind, öffnet .
Im Übrigen kann ich nur Ja sagen zu dem, was Sie unterstellt haben, nämlich dass es Geheimarchive gibt, in
denen diese Unterlagen aufbewahrt werden . Sie können
nicht zusammen mit offenen Unterlagen gelagert werden .
Beim Transport gilt das sogenannte Vieraugenprinzip,
das heißt, dass zwei Personen die Unterlagen transportieren müssen . Das alles ist der VSA des Bundesinnenministeriums zu entnehmen . Deswegen ist das ein ganz
normaler Fall .
Eine Nachfrage lasse ich noch zu, dann ist es für heute
aber auch gut .
Das ist sehr freundlich, Herr Präsident . Danke schön
dafür . - Ich habe eine ganz kurze Frage zu den Akten,
die durch Deutschland gekarrt und hin- und hergeschoben werden: Sind auch Unterlagen betroffen, die für den
NSA-Untersuchungsausschuss eine Rolle spielen?
Dazu kann ich aus dem Stand heraus nichts sagen . Ich
gehe davon aus, dass alle Akten infrage kommen können,
also auch Akten für den Untersuchungsausschuss, nämlich dann, wenn sie durch Kuriere von einer Außenstelle
nach Berlin transportiert werden müssen .
Ich schließe die Befragung der Bundesregierung .
({0})
- Nein . Auf jede Antwort kommt immer eine weitere Frage . Ich denke, wir haben uns in Bezug auf das Thema
jetzt hinreichend sortiert, um es für weitere politische Bewertungen zugänglich zu machen . Jeder kann dann seine
jeweiligen Präferenzen zum Ausdruck bringen .
({1})
Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:
Fragestunde
Drucksache 18/9642
Die Fragen werden, wie immer, in der vorher bekanntgegebenen Reihenfolge der Ressorts aufgerufen .
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit . Der Kollege Florian Pronold steht als
Parlamentarischer Staatssekretär zur Beantwortung zur
Verfügung .
Ich rufe zunächst die Frage 1 des Kollegen Christian
Kühn auf:
Wann legt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit einen Gesetzentwurf zum
Baugesetzbuch vor, der die Privilegierung von großen Tiermastanlagen im Außenbereich von Städten und Gemeinden
eindämmt?
Wir arbeiten derzeit im Umwelt- und Bauministerium
an einem Entwurf. Er befindet sich in unserem Haus in
der Schlussabstimmung . Es ist beabsichtigt, die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung so zügig wie möglich einzuleiten .
Zusatzfrage?
Ja . - Danke, Herr Staatssekretär Pronold . Meine Zusatzfrage lautet: Gab es schon Gespräche zwischen den
Ressorts über den Gesetzentwurf, und können Sie die
Eckpunkte des Gesetzentwurfs kurz skizzieren?
Eine Ressortabstimmung wurde bisher noch nicht
eingeleitet . Es wird eine Frühkoordinierung durch das
Kanzleramt geben . Es gibt eine Reaktion aus dem sehr
stark betroffenen Landwirtschaftsministerium . Das
Landwirtschaftsministerium wartet aber erst einmal unsere konkreten Vorschläge ab .
Im Kern geht es bei diesem Gesetzentwurf darum,
den Kommunen mit Blick auf große Tiermastanlagen
im Außenbereich von Städten und Gemeinden mehr
Handlungsmöglichkeiten zu geben . Ab einer bestimmten
Größenordnung soll die Privilegierung wegfallen . Denn
für die Privilegierung kommt es bislang nicht darauf an,
ob das Futter für die Tiere in den Großmastanlagen tatsächlich auf den dafür vorgesehenen Flächen angebaut
wird . Wir müssen feststellen, dass die auf den für den
Anbau von Futtermitteln vorgesehenen Flächen angebauten Pflanzen häufig zur Energieproduktion verwendet
werden und das Futter anderweitig zugeliefert wird . Uns
geht es darum, den Kommunen mehr Handlungsmöglichkeiten zu geben, damit sie auf Großmastanlagen, die
in der Bevölkerung auf vielfältige Kritik stoßen, besser
mit bauordnungsrechtlichen und anderen Möglichkeiten
reagieren können .
Weitere Zusatzfrage?
Ja, danke . - Herr Pronold, meine zweite Zusatzfrage bezieht sich auf die Gründe für die Gesetzesnovelle .
Wir haben in Deutschland eine sehr intensive Landwirtschaft, die mit hohen Umwelt- und Klimafolgenkosten
verbunden ist . Könnten Sie darstellen, warum dieser Gesetzentwurf aus Sicht des Umweltministeriums auch zur
Klimastrategie der Bundesregierung und zu einer Strategie zur Reduzierung der Umweltfolgenkosten passt?
Könnten Sie ferner darstellen, welchen Effekt Sie sich
von dieser Gesetzesnovelle beispielsweise hinsichtlich
der Nitratbelastung erhoffen?
Die Nitratbelastung, die Sie in Ihrer Frage angesprochen haben, beispielsweise die Nitratbelastung von Gewässern, ist primär ein Thema der Düngemittelverordnung, die jetzt parallel beraten wird . Aber natürlich hat
auch die Intensivtierhaltung in Deutschland Auswirkungen auf das Klima, weil entsprechende Gase produziert
werden . Diese Gase würden aber bei gleichbleibendem
Fleischkonsum sonst woanders produziert . Deshalb ist
dieser Gesetzentwurf nicht primär unter klimapolitischen
Gesichtspunkten zu betrachten - das ist nicht die primäre
Zielsetzung -, vielmehr wollen wir die Massentierhaltung stärker als bisher regulieren, weil dies von einer
breiten Öffentlichkeit gewünscht wird und die Massentierhaltung auch unter ethischen Gesichtspunkten große
Probleme aufwirft .
Kollege Meiwald .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Pronold, noch
eine kurze Nachfrage dazu: Es steht ja sowieso eine Novellierung des Baugesetzbuches an . Können wir damit
rechnen, dass diese Regelungen in diese Novelle Einzug
halten werden, oder wird es eine spezielle, auf die Agrarstruktur ausgerichtete Novelle oder Ergänzung zum Baugesetzbuch geben?
Wir sind nach langen Beratungen gerade bei der Abstimmung der Novelle zum Baugesetzbuch . Ihr liegt, wie
wir das beim Baugesetzbuch immer machen, auch ein
Planspiel zugrunde, um die Auswirkungen abschätzen zu
können . Nach meiner Einschätzung wird es nicht möglich sein, diese Aspekte in diese Novellierung des Baugesetzbuchs einzubeziehen, weil auch wasserrechtliche und
andere Vorschriften betroffen sind .
Die Frage 2 des Kollegen Ostendorff wird schriftlich
beantwortet . Damit sind wir mit diesem Geschäftsbereich durch .
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf . Der Kollege Thomas Silberhorn steht für die
Beantwortung zur Verfügung .
Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Kekeritz auf:
Welche Position vertrat die Bundesregierung zu dem auf
dem informellen Treffen der Entwicklungsminister diskutierten Vorschlag der Europäischen Kommission, Gelder aus
dem europäischen Instrument für Stabilität und Frieden ({0})
in Zukunft auch für militärische Zwecke zu verwenden ({1}), und inwieweit sind diese Überlegungen mit Artikel 41 Absatz 2 des Lissabon-Vertrags in Einklang zu bringen,
der explizit festschreibt, dass „Maßnahmen mit militärischen
oder verteidigungspolitischen Bezügen“ nicht mit Mitteln aus
dem EU-Haushalt finanzierbar sind?
Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Kollege Kekeritz,
die Bundesregierung unterstützt es grundsätzlich, dass
die Europäische Kommission damit beginnt, den Auftrag
des Europäischen Rates vom Juni 2015 umzusetzen . Die
Initiative „capacity building in support of security and
development“, also Kapazitätsaufbau zur Förderung von
Sicherheit und Entwicklung, wird von allen Mitgliedstaaten unterstützt . Sie soll nach Vorstellung der Kommission in einem ersten Schritt auch mit solchen Maßnahmen umgesetzt werden, die über das Instrument für
Stabilität und Frieden finanziert werden können. Dabei
handelt es sich um einen wichtigen Beitrag zur Herstellung von Sicherheit . Das ist eine Grundvoraussetzung für
Entwicklung .
Zur Einschränkung des Artikels 41 Absatz 2 des
EU-Vertrages liegt eine Einschätzung des Juristischen
Dienstes des Rates vor . Danach bezieht sich diese Einschränkung nur auf militärische Operationen der Europäischen Union im engeren Sinn . Mit der Initiative
„Kapazitätsaufbau zur Förderung von Sicherheit und
Entwicklung“ sollen aber nicht solche militärischen Operationen der EU finanziert werden, sondern langfristige
Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau bei den Strukturen
in den Partnerländern . Diese Maßnahmen sollen mitteloder unmittelbar entwicklungsförderlich sein .
Sie haben das Wort zur Nachfrage .
Danke schön . - Danke, Herr Staatssekretär . Wir haben
ja den Lissabon-Vertrag . Im Lissabon-Vertrag ist eindeutig definiert, dass Entwicklungspolitik der Armutsreduzierung dient . Im Lissabon-Vertrag steht auch, dass keine
militärischen oder sicherheitspolitischen Maßnahmen
aus diesem Bereich finanziert werden können. Ich weiß,
es gibt das Argument, dass es ohne Sicherheit keine Entwicklung gibt . Aber ich kann Ihnen auch sagen: Ohne
Entwicklung gibt es keine Sicherheit .
Deswegen ist meine Frage: Kann diese Bundesregierung ausschließen, dass es zu einem Paradigmenwechsel kommt? Ich möchte noch einmal darauf hinweisen,
dass im Lissabon-Vertrag ganz bewusst darauf abgezielt
worden ist, militärische und sicherheitspolitische Maßnahmen aus diesem Fonds auszunehmen, um sicherzustellen, dass Sicherheitsmaßnahmen eben nicht aus dem
Entwicklungsetat finanziert werden, sondern aus anderen . Können Sie ausschließen, dass es zu einem Paradigmenwechsel kommt?
Zur Interpretation des Lissabon-Vertrages habe ich
gerade vorgetragen und auf die Einschätzung des Juristischen Dienstes des Rates verwiesen . Danach sind militärische Operationen der EU im engeren Sinne von Artikel 41 Absatz 2 umfasst . Darum geht es aber vorliegend
nicht .
Die Kommission hat bisher allerdings keinen konkreten Finanzierungsvorschlag vorgelegt, sondern sie verweist auf die Rubrik 4 des EU-Haushaltes . Diese bezieht
sich auf alle Instrumente des Außenhandelns der Europäischen Union . Das schließt nicht nur entwicklungspolitische, sondern auch nicht entwicklungspolitische Instrumente mit ein, also beispielsweise den Haushalt für die
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die Heranführungshilfe oder die europäische Nachbarschaftsinitiative und eben auch die europäische Initiative zur Zusammenarbeit . Die Bundesregierung prüft derzeit noch,
welche Finanzierungsquellen sie bevorzugen würde .
Diese Debatte läuft auch in der Europäischen Union .
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage .
Danke schön . - Meine Frage zielte darauf ab, inwieweit Sie sicherstellen können, dass es nicht zu einer Schwerpunktverlagerung kommt . Wenn ich sehe,
dass 60 Millionen Euro und damit fast ein Drittel des
Finanztopfs für flexible und schnelle Maßnahmen zur
Krisenreaktion vorgesehen sind und bereits für das Management von Migration und Grenzschutz in der Türkei
über 30 Prozent verwendet werden, dann frage ich mich:
Wie stellt die EU bzw . die Bundesregierung sicher, dass
für zivile Friedensförderung tatsächlich noch genügend
Mittel zur Verfügung stehen?
Wir setzen uns mit Nachdruck dafür ein, dass genügend Mittel für zivile Friedensförderung zur Verfügung stehen . In der Tat legen wir Wert darauf, dass der
Schwerpunkt bei diesen Maßnahmen liegt . Seit letzter
Woche, seit 15 . September, liegt ein neuer Textvorschlag
der Rats präsidentschaft zu einer Änderungsverordnung
vor, der vorsieht, dass die ursprüngliche Ausweitung der
Zweckbestimmung des Instrumentes für Stabilität und
Frieden reduziert wird . Dieser Vorschlag wird in den
Gremien der Europäischen Union und in der Bundesregierung gerade geprüft .
Zu einer weiteren Nachfrage hat die Kollegin Hänsel
das Wort .
Präsident Dr. Norbert Lammert
Danke schön . - Herr Staatssekretär, hinsichtlich Ihrer
Interpretation bzw . der rechtlichen Interpretation des Rates bezüglich der Verwendung von Entwicklungsgeldern
frage ich: Können Sie damit ausschließen, dass zukünftig
für Kampfeinsätze von afrikanischen Staaten, afrikanischen Militärs Entwicklungsgelder, direkt oder indirekt,
verwendet werden?
Ich will nochmals darauf hinweisen, dass sich die Interpretation des Juristischen Dienstes des Rates auf den
EU-Vertrag bezieht . Bei der Frage der Finanzierungsinstrumente - das habe ich eben schon erläutert - hat
sich die Kommission bisher nur auf die Rubrik 4 des
EU-Haushaltes bezogen, die alle Instrumente des Außenhandelns der Europäischen Union beinhaltet, sowohl
entwicklungspolitische als auch nicht entwicklungspolitische .
Das Instrument für Stabilität und Frieden, das hier in
der Diskussion steht, ist, so wie es konstruiert ist, kein exklusiv entwicklungspolitisches Instrument; ich bitte, das
mit zu bedenken . Es ist auch nicht an die OECD-Regeln
im Hinblick auf ODA, Official Development Assistance,
gebunden . Die Federführung für dieses Instrument liegt
beim Auswärtigen Amt; insofern wird es grundsätzlich
entwicklungspolitische wie nicht entwicklungspolitische
Maßnahmen umfassen können .
Wir kommen damit zur Frage 4 des Kollegen Uwe
Kekeritz:
Mit welchen europäischen und nordafrikanischen Partnern ist die Forderung von Bundesentwicklungsminister
Dr . Gerd Müller nach der Wiederbelebung der Mittelmeerunion ({0}) abgestimmt, und wie soll eine derartige
Initiative nach den Vorstellungen des Bundesministers mit
den anderen außenpolitischen Instrumenten der Europäischen
Union, wie den EU-Kooperationspartnerschaften und der Europäischen Nachbarschaftspolitik, verzahnt werden?
Bitte, Herr Staatssekretär .
Die Bundesregierung bringt sich aktiv in die Arbeit
der Union für den Mittelmeerraum ein . Bundesminister
Dr . Gerd Müller hat Überlegungen zur Weiterentwicklung der Union für den Mittelmeerraum angestellt und
dazu jüngst Gespräche mit der Europäischen Kommission und mit Frankreich geführt . Die überarbeitete Europäische Nachbarschaftspolitik weist der Union für den
Mittelmeerraum bereits eine zentrale Rolle als regionaler Komponente zu, und sie sieht schon eine Vertiefung
der Zusammenarbeit vor . Unsere Überlegungen schließen daran an . Sie zielen darauf ab, die wirtschaftliche
Zusammenarbeit und insbesondere die Beschäftigungsförderung zu stärken . Vor kurzem hat die Union für den
Mittelmeerraum beispielsweise ein regionales Vorhaben
zur Jugendbeschäftigung auf den Weg gebracht, das im
Auftrag unseres Ministeriums durchgeführt wird .
Sie haben das Wort zur Nachfrage .
Danke schön . - Ihrer Antwort entnehme ich, dass Herr
Müller das Thema tatsächlich breit abgesprochen hat:
im Kabinett, mit dem Außenministerium, auch mit dem
Kanzleramt oder der Kanzlerin . Wenn das so ist, freue
ich mich . Ich frage mich allerdings trotzdem, was denn
die Hauptzielrichtung dieser Mittelmeerunion sein soll .
Sie sprachen gerade von Beschäftigungsinitiativen . Aber
zurzeit diskutieren wir doch ganz viel die Fluchtproblematik . Geht es in diesem Bündnis um politische Integration, oder wird hier nicht doch schwerpunktmäßig angestrebt, die Flüchtlingsströme zu kontrollieren, zu lenken
oder zu reduzieren? Meine Frage ist natürlich auch, wie
das in Anbetracht des Krieges in Syrien, der Auseinandersetzungen in Libyen und des israelisch-palästinensischen Konflikts zu bewerten ist.
Die Union für den Mittelmeerraum wurde bereits im
Jahr 2008 auf Initiative des französischen Präsidenten
Sarkozy ins Leben gerufen . Der Union für den Mittelmeerraum gehören alle Mittelmeeranrainerstaaten an;
es sind 43 Staaten, darunter auch sämtliche Mittelmeeranrainer der Europäischen Union . Es gehören ebenfalls
Jordanien und Mauretanien dazu . Die Mitgliedschaft Syriens ist derzeit suspendiert .
Die Union für den Mittelmeerraum verfügt allerdings
nicht über eigene Projektmittel . Wir setzen uns dafür ein,
die vorhandenen Strukturen zu stärken und zu nutzen,
um die Mittelmeerländer zu stabilisieren, und über neue
wirtschaftliche Perspektiven, insbesondere für junge
Menschen, zu reden . Zu diesem Zweck wird Ende dieses
Monats, am 26 . und 27 . September, eine Ministerkonferenz der Union für den Mittelmeerraum stattfinden. Es
treffen sich die Minister für Beschäftigung und Arbeit .
Es werden also sowohl das Bundesministerium für Arbeit und Soziales als auch das Bundesministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in enger Koordination an diesem Ministertreffen teilnehmen .
Dort werden wir den nächsten Schritt unternehmen, um
Jugendbeschäftigung und berufliche Ausbildung im Mittelmeerraum zu fördern und zu stärken .
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage .
Danke schön . - Das verwundert mich etwas . Ich bin
ja freudig überrascht, dass diese Mittelmeerunion seit
2008 besteht . Ich weiß, dass es diese Initiative gab . Aber
ich weiß auch, wie die Reaktion der Kanzlerin war, die
http://www.zeit.de/news/2016-09/12/deutschland-entwicklungsminister-mueller-will-mittelmeerunion-der-eu-wiederbeleben-12145203
http://www.zeit.de/news/2016-09/12/deutschland-entwicklungsminister-mueller-will-mittelmeerunion-der-eu-wiederbeleben-12145203
http://www.zeit.de/news/2016-09/12/deutschland-entwicklungsminister-mueller-will-mittelmeerunion-der-eu-wiederbeleben-12145203
damals sagte, dass dies Spannungskräfte in Europa erzeugen würde, die sogar den Zerfall Europas provozieren
könnten . Wenn diese Union jetzt doch schon mit Leben
erfüllt ist, frage ich mich natürlich, warum wir davon nie
etwas mitbekommen haben . Aber das ist ein anderes Thema . - Für mich wäre jetzt mehr die Frage interessant:
Welche Rolle soll denn die Türkei in diesem Bündnis
spielen?
Die Türkei ist Mitglied dieser Union für den Mittelmeerraum wie viele andere Staaten auch . Ich möchte
darauf hinweisen, dass auch die Parlamentarier eng eingebunden sind . Es gibt eine Euromediterrane Parlamentarische Versammlung, der auch Mitglieder des Deutschen
Bundestages angehören, und wir würden es sehr begrüßen, wenn auch die Abgeordneten dieses Hauses sich daran beteiligen würden, den Mittelmeerraum zu stärken .
Wir wissen, es gibt eine große Heterogenität unter den
Mittelmeeranliegerstaaten, insbesondere in Nordafrika .
Es ist dringend notwendig, dass wir die Zusammenarbeit
verstärken und vertiefen .
({0})
- Sehr gerne .
Wir sind damit am Ende der Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung . - Herzlichen Dank,
Herr Staatssekretär .
Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramts . Zur Beantwortung
steht der Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche zur Verfügung .
Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Hans-Christian
Ströbele zu Gesamtkosten der geplanten Veranstaltungen
des Bundesnachrichtendienstes anlässlich des Oktoberfests 2016 auf:
Welche Auskünfte gibt die Bundesregierung über die Gesamtkosten der durch das KBI in dessen letztem Schwarzbuch generell gerügten ({0})
geplanten Veranstaltungen des Bundesnachrichtendienstes
({1}) anlässlich des Oktoberfests 2016 ({2}), und wie rechtfertigt die Bundesregierung gegebenenfalls eine Geheimhaltung der Antwort als
Verschlusssache wegen nachteiliger Auswirkungen auf die Interessen der Bundesrepublik Deutschland ({3}), da hier nur Zahlen statt einer Datierung einzelner Veranstaltungen erfragt werden?
Bitte .
Frau Präsidentin, vielen Dank . - Sehr geehrter Herr
Abgeordneter Ströbele, die Beantwortung der Frage kann
nicht offen erfolgen, weil diese Informationen Ausgaben
betreffen, deren Bewirtschaftung der Gesetzgeber in
§ 10a der Bundeshaushaltsordnung geheim zu haltenden
Wirtschaftsplänen zugewiesen hat . Weitere Auskünfte
werden daher als Verschlusssache gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des
Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz
von Verschlusssachen mit dem Geheimhaltungsgrad
„VS - Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und Ihnen
gesondert übermittelt .
Der Kollege Ströbele hat die Möglichkeit zur ersten
offenen Nachfrage .
Danke, Frau Präsidentin . - Ich hatte diese Antwort
nach den früheren Antworten auf solche Nachfragen befürchtet . Aber, Herr Staatssekretär, ich habe ja nicht nach
den Teilnehmern gefragt; ich habe auch nicht nach den
Umständen gefragt, wie diese - so nenne ich es einmal
salopp - „Sause“ im Einzelnen stattfindet, die der Bundesnachrichtendienst für befreundete Dienste auf dem
Oktoberfest veranstaltet: ob da auch Lederhosen ausgegeben werden, damit sie zünftig begangen werden kann .
({0})
Das habe ich Sie jetzt nicht gefragt, sondern ich habe Sie
nur nach der reinen Zahl gefragt . Der Bund der Steuerzahler hat diese Ausgaben in der Vergangenheit erheblich
kritisiert . Können Sie mir wenigstens sagen: In welcher
Größenordnung bewegen sich die Ausgaben des Bundesnachrichtendienstes aus Steuermitteln für eine solche
Sause mit befreundeten Geheimdiensten auf dem Oktoberfest?
({1})
Herr Abgeordneter Ströbele, die von Ihnen so bezeichnete Sause und die Zahlen dazu sind Teil des Wirtschaftsplans, und der ist Geheim eingestuft . Der Gesetzgeber
selbst hat das im § 10a der Bundeshaushaltsordnung so
vorgesehen . Eine Diskussion dazu gibt es in den dafür
vorgesehenen, geheim tagenden Gremien, nämlich dem
Vertrauensgremium und dem PKGr, dem Sie selbst angehören .
Ich möchte auch noch auf das eingehen, wovon Sie
behaupten, dass es der Bund der Steuerzahler gesagt hat .
Ich habe mir die Stelle auch durchgelesen . Der Bund der
Steuerzahler sagt, dass er die Kosten nicht kritisiert und
dass er sie für vertretbar hält . Vielmehr kritisiert er, dass
http://www.schwarzbuch.de/content/oans-zwoa-drei-gsuffa-schlapphute-auf-dem-oktoberfest
http://www.schwarzbuch.de/content/oans-zwoa-drei-gsuffa-schlapphute-auf-dem-oktoberfest
das Ganze geheim gehalten wird, und fordert Transparenz .
({0})
Nur: Das ist eine Forderung, die an den Gesetzgeber zu
richten ist . Denn die Bundeshaushaltsordnung ist nun
einmal so, und daran muss sich die Bundesregierung halten .
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage .
Ich will den Versuch trotzdem noch einmal unternehmen . Sie beziehen sich auch in der Antwort auf eine
frühere Frage von mir, die das gleiche Thema für die
vergangenen Jahre betroffen hat, darauf, dass es Auswirkungen auf die Interessen der Bundesrepublik Deutschland haben könnte . Meinen Sie nicht, Herr Staatssekretär,
dass es im Interesse der Bundesregierung und der Bundesrepublik Deutschland liegt, auch der Öffentlichkeit
mitzuteilen, wie hoch die Summe ist, ob es nun 5 000
oder 50 000 Euro sind, dass Sie wenigstens sagen, ob es
eine fünfstellige oder höherstellige Zahl ist? Denn diese
Veranstaltung hat ja ein bisschen Hautgout .
Ich bestreite, dass diese Veranstaltung einen Hautgout
hat; denn solche Veranstaltungen werden ja nicht nur von
deutschen Diensten oder Organisationen - es handelt
sich ja nicht nur um Nachrichtendienste - veranstaltet,
sondern zum Beispiel auch von ausländischen Nachrichtendiensten, die dann auch Vertreter des Bundesnachrichtendienstes einladen . Solche Veranstaltungen gehören
auch zur Pflege der Partnerschaft.
Was Ihre Frage angeht, ob ich nicht eine fünfstellige, sechsstellige oder sonstige Zahl nennen kann, muss
ich noch einmal darauf verweisen, dass der Gesetzgeber
selbst uns das versagt hat .
Zu einer Nachfrage hat die Kollegin Künast das Wort .
Herr Fritsche, angesichts Ihrer Antwort frage ich mich
fast, wie viele Geheimagenten und Geheimdienstmitarbeiter von inländischen und ausländischen Diensten, wie
Sie gesagt haben, denn nun auf dem Oktoberfest sind und
ob es dort leer aussähe, wenn sie alle nicht mehr da wären .
({0})
Das lässt sich hier aber wahrscheinlich nicht klären, weil
Sie auch keinen Zugang zu diesen Informationen haben .
Aber: Sie haben jetzt die Chance, eine etwas spaltungsirre Situation aufzulösen: Die Geheimdienstmitarbeiter gehen aufs Oktoberfest und sind dort zu sehen .
Wenn ich dort also mit einer Kamera langlaufen und jemanden erkennen würde - oder Herr Ströbele oder sonst
wer -, dann könnte ich dort Fotos machen . Das ist ja ein
öffentliches Fest, und man zahlt teilweise Eintritt . - Es
kann doch nicht sein, dass man auf der einen Seite auf
ein öffentliches Fest geht, während auf der anderen Seite
die Tatsache, wie viel Bier man getrunken hat, und die
Summe, die dahinter steht, geheim sind . Das ist eine absurde Situation .
Herr Fritsche, Sie haben hier jetzt die Chance, nicht
nur zu sagen, dass eine Änderung der Vorschrift dem
Haushaltsgesetzgeber obliegt, sondern auch auszudrücken, dass Sie sich als Geheimdienstkoordinator vom
Haushaltsgesetzgeber wünschen, dass diese Zahlen freigegeben werden können .
Zum Ersten: Frau Abgeordnete Künast, ich gehe davon aus, dass der Haushaltsgesetzgeber Gründe dafür
hatte, den § 10a der Bundeshaushaltsordnung so zu formulieren, wie er ihn formuliert hat, und dass diese Gründe wohlerwogen sind . Ich kann mir auch eine Fülle von
Gründen vorstellen, warum es bei Nachrichtendiensten
im internationalen Bereich eben nicht üblich ist, irgendetwas zu den einzelnen Zahlen und Summen der Haushalte zu sagen .
Zum Zweiten, zu Ihrer Bemerkung, dass die Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes oder anderer Nachrichtendienste dort offen sitzen: Es ist ja nicht so, dass es
den Mitarbeitern deutscher Nachrichtendienste und auch
ausländischer Nachrichtendienste untersagt worden ist,
sich in der Öffentlichkeit zeigen . Sie treten ja auch nicht
mit dem Schild „Hier sitzt der Bundesnachrichtendienst“
auf .
Von daher halte ich das für durchaus üblich und für
eine internationale Gepflogenheit, und ich verweise noch
einmal auf den Bund der Steuerzahler, der gesagt hat,
dass er diese Kosten für vertretbar hält, und nur die Geheimhaltung, die der Gesetzgeber bestimmt hat, rügt .
Danke, Herr Staatssekretär . - Die Frage 6 des Abgeordneten Andrej Hunko zu dem gleichen Gegenstand soll
schriftlich beantwortet werden .
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie . Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin
Brigitte Zypries zur Verfügung .
Ich rufe die Frage 7 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl
auf:
Jeweils wann genau ({0}) gab es seit der
Antwort der Bundesregierung vom 6 . Juli 2016 auf meine
mündliche Frage 54, Plenarprotokoll 18/182, Gespräche der
Bundesregierung - insbesondere seitens des Bundeskanzleramtes, Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie
({1}), Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau
und Reaktorsicherheit und Bundesministeriums der Finanzen - mit Vertretern der Atomkraftwerke betreibenden EnerStaatssekretär Klaus-Dieter Fritsche
gieversorgungsunternehmen im Zusammenhang mit einer
Umsetzung der Empfehlungen der Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs ({2}) vom
27 . April 2016 ({3}), und über
welche dieser Gespräche wurde ein Vermerk oder Ähnliches
erstellt?
Bitte, Frau Staatssekretärin .
Sehr geehrte Frau Kollegin, natürlich hat die Bundesregierung Kontakte zu einer Vielzahl von Unternehmen . Sie werden aber, wie Sie sich denken können und
wahrscheinlich auch wissen, nicht systematisch erfasst .
Deswegen ist es uns auch nicht möglich, Ihnen eine lückenlose Aufstellung von sämtlichen Kommunikationsvorgängen einschließlich der Gesprächsinhalte zu geben .
Ich werde Ihnen jetzt gleich ein paar Termine nennen,
aber ich kann nicht ausschließen, dass es neben diesen
Terminen aus dem Leitungsbereich der Ministerien, die
wir recherchiert haben, noch andere Zusammentreffen
am Rande von irgendwelchen Veranstaltungen oder Ähnlichem gab . Das mag auch der Fall gewesen sein .
Nach dem 6 . Juli dieses Jahres gab es folgende Termine bzw . Gespräche mit Vertretern der Kernkraftwerke
betreibenden Energieversorgungsunternehmen im Zusammenhang mit der Umsetzung der Empfehlungen der
KFK, die wir recherchiert haben:
Der Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben hat am 15 . Juli 2016 ein
Gespräch mit Johannes Teyssen, dem Vorstandsvorsitzenden der Eon SE, geführt, und es gab am 4 . August
2016 ein Gespräch von Herrn Altmaier mit Vertretern
der Konzernbetriebsräte von Eon, RWE und Vattenfall .
Der Bundesminister für Wirtschaft und Energie hat mit
den Vorständen von EnBW, Eon, RWE und Vattenfall
am 29 . August 2016 Gespräche geführt . Von den übrigen
Bundesministerien ist gemeldet worden, dass es seit dem
6 . Juli 2016 diese entsprechenden Gespräche auf Leitungsebene nicht gab .
Sie haben das Wort zur Nachfrage .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Vielen Dank, Frau
Staatssekretärin . - Natürlich interessiert mich jetzt nicht
vorrangig das Datum dieser einzelnen Gespräche, Brigitte Zypries, Parl . Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie:
Danach haben Sie aber gefragt .
- sondern das, was da Thema war . Ich hatte konkret
danach gefragt, ob es im Zusammenhang mit den Empfehlungen der KFK und dem Stand der Umsetzung Gespräche gab . Es ist für den Bundestag, für uns, die wir
für den Haushalt verantwortlich sind, extrem wichtig, zu
wissen, wie hier der Gang der Dinge ist; denn es geht,
wie Sie sicher wissen, um sehr, sehr viel Geld, das entweder von den Kraftwerksbetreibern, den Energieversorgern, aufgebracht wird oder am Ende eben in erster Linie
doch von den Steuerzahlern .
Gibt es denn irgendwelche Vermerke? Ich nehme einmal an, dass Sie jetzt eher Nein sagen werden, wenn Sie
schon nicht Bescheid wissen oder nicht wissen dürfen,
welche Themen besprochen wurden . Wahrscheinlich
wissen Sie auch nicht, ob die Ergebnisse dokumentiert
wurden . Ich will, verbunden mit einer Kritik, doch fragen: Warum werden solche dermaßen haushalts- und
zukunftsrelevanten Ergebnisse von Gesprächen nicht
sauber dokumentiert? Denn Regierungs- und Verwaltungshandeln sollte im Allgemeinen schon nachvollziehbar sein . Ich betone noch einmal: Es geht hier um viel
Geld .
Frau Kollegin, ich kann Ihnen nur sagen, dass mir mitgeteilt wurde, dass es über diese Gespräche keine Vermerke gibt . Mehr kann ich Ihnen dazu leider nicht sagen .
Ihre zweite Nachfrage .
Gut . - Dann gehe ich einen Schritt weiter und nicht
einen zurück: Wie sieht es denn mit dem Zeitplan aus?
Ich habe mich schon ein paarmal danach erkundigt . Anfang August hieß es noch: Es wird zu einer Umsetzung
dieser KFK-Empfehlungen Ende August kommen . - Das
ist bekanntermaßen nicht mehr erreichbar . Dann hieß es:
Bis zum Ende des Jahres . - Als Antwort auf meine letzte
Frage hieß es dann: Zügig . - Dabei ist offen, ob mit „zügig“ deutlich vor Ende des Jahres oder ein bisschen nach
Ende des Jahres gemeint ist .
Jetzt noch einmal meine Frage, auch wenn es vielleicht
ein bisschen nervt: Welcher Zeitplan für das Gesetz - es
sind vielleicht auch mehrere Gesetze - zur Umsetzung
der KFK-Empfehlungen ist seitens der Bundesregierung
nach aktuellem Stand vorgesehen? Ich möchte Sie noch
um Folgendes bitten: Haben Sie schon eine Vorstellung
davon oder gibt es einen Plan dafür, wann die Meilensteine, wie Referentenentwurf, Länder- und - ganz wichtig - Verbändeanhörungen - dafür muss Zeit da sein -,
Kabinettsbeschluss und dann Einbringung in Bundestag
und Bundesrat, sein werden? Das ist nun kein Gesetzesvorhaben, das man so eben hopplahopp, ohne größere
Beratungen und ohne gründliche Anhörungen, hier wird
durchpeitschen können .
Ich weiß nicht so richtig, ob das mit Ihrer Frage 8 zusammenhängt . Darin hatten Sie danach gefragt, wann der
Staatssekretärsausschuss getagt hat und tagen wird . Ich
Vizepräsidentin Petra Pau
gehe einmal davon aus, dass das in den gleichen Zusammenhang gehört, und möchte deshalb gerne Ihre Frage 8
mit beantworten .
Dann rufe ich die Frage 8 der Kollegin Kotting-Uhl
auf:
Jeweils wann genau ({0}) seit dem
27 . April 2016 gab bzw . gibt es Sitzungen des Staatssekretärsausschusses Kernenergie im Zusammenhang mit einer
Umsetzung der Empfehlungen der Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs ({1}) vom
27 . April 2016 ({2}), und welche Haltung hat die Bundesregierung hinsichtlich der Forderung der Energiekonzerne
Eon, RWE, Vattenfall und EnBW nach einem „Atomvertrag“
zwischen ihnen und der Bundesregierung zusätzlich zu einer
gesetzlichen Umsetzung der KFK-Empfehlungen ({3})?
Sie hatten gefragt, wann die Termine waren . Diese
waren am 4 . Mai, am 17 . Mai, am 4 . Juli, am 9 . August,
und die nächste Sitzung ist am 10 . Oktober . Sie können
aus dieser Terminabfolge erkennen, dass die Beratungsintensität doch ziemlich hoch ist, da der Staatssekretärsausschuss ja in dieser Häufigkeit tagt.
Es gibt gegenwärtig eine Diskussion darüber, ob und
gegebenenfalls in welcher Art und in welchem Umfang
zur Umsetzung der Empfehlungen der KFK zusätzlich
zu den gesetzgeberischen Maßnahmen auch vertragliche
Vereinbarungen in Betracht kommen . Die Bundesregierung hat dazu ihren Willensbildungsprozess noch nicht
abgeschlossen . Es ist auch noch nicht klar, in welcher genauen Abfolge das Gesetzgebungsverfahren oder etwaige Gesetzgebungsverfahren stattfinden werden.
Sie haben jetzt die Möglichkeit zu zwei Nachfragen
zur Antwort auf Frage 8, wenn Sie mögen .
Frau Präsidentin, jetzt muss ich erst einmal sagen: Ich
habe ein kleines Problem mit meinem Fragerecht und
dem Recht auf Antworten; denn auf meine zweite Nachfrage zu meiner ersten Frage wurde mir die Antwort auf
meine zweite Frage gegeben, sodass ich zweier Antwortmöglichkeiten verlustig gehe .
Nein, Sie können sie gerne noch stellen .
Nein, ganz im Gegenteil .
Die Zeit wird dadurch nicht verlängert .
Kollegin, genau das Gegenteil habe ich eben klargestellt: dass Sie in jedem Fall noch zwei Nachfragemöglichkeiten haben .
Ja, aber das war die Antwort auf die schriftlich eingereichte Frage . Das heißt, meine zweite Frage von der
ersten Runde ist jetzt sozusagen konsumiert .
Wenn Sie noch eine Frage haben, werden wir das sicherlich ganz unkompliziert lösen . Stellen Sie einfach
erst einmal Ihre Frage .
Gut, wenn das unkompliziert ist, dann gehe ich jetzt
noch einmal konkret auf die zweite Frage ein, die ich
eben gestellt hatte . Dabei ging es mir - das habe ich betont - auch um die Verbändeanhörung bzw . den Zeitplan .
Ich kann Ihnen dazu keinen Zeitplan nennen .
Aber Sie können mir garantieren, dass es Zeit für eine
Verbändeanhörung geben wird .
Selbstverständlich . In jedem Gesetzgebungsverfahren
gibt es eine Verbändeanhörung .
Da wir die Antwort auf Frage 8 schon gehört haben,
kommen wir zu zwei Nachfragen, wenn Sie diese noch
haben, zum Thema der Frage 8 .
Ja . - Ich habe zunächst einmal eine Frage in Bezug
auf den Vertrag, der nun eingefordert wird. Es ist, finde
ich, schon ein erstaunliches Handeln der Energieversorger, die im Bereich Atomausstieg selbst durchaus immer
wieder darauf eingewirkt haben, ein gemachtes Gesetz
wieder rückgängig zu machen, und jetzt zu ihrer eigenen Sicherheit einen extra Vertrag - zusätzlich zu einem
Gesetz - haben wollen und damit aussagen: Ein Gesetz
kann man auch ändern, und wenn eine Vereinbarung in
unserem Interesse sein soll, dann reicht uns ein Gesetz
nicht; dann muss darüber hinaus noch etwas passieren .
Können Sie zusichern, dass in einer solchen Atomvereinbarung nichts stehen wird, was über die heutigen
KFK-Empfehlungen hinausgeht? Gibt es darüber schon
eine Verständigung im Kabinett?
Nein, Frau Kollegin . Ich sagte Ihnen eben schon in
meiner Antwort auf die Frage 8, dass der Willensbildungsprozess zu der Frage, ob es überhaupt eine vertragliche Vereinbarung geben wird, noch nicht abgeschlossen
ist . Deswegen kann ich natürlich auch noch nichts darüber sagen, was da drinstehen wird .
Ihre zweite Frage .
Danke schön . - Es hätte ja sein können, dass es zu
einzelnen Punkten auch heute schon - „schon“ sehr stark
betont - eine Einigung im Kabinett gibt .
Hätte sein können, ja .
Ich habe noch eine zweite Nachfrage zu dem Komplex der Klagen der Konzerne im Zusammenhang mit
dem Atombereich . Der Wirtschaftsminister hat im letzten Jahr zunächst zur Vorbedingung für die Einsetzung
und Arbeit der KFK gemacht, dass die Konzerne ihre
Atomklagen zurückziehen, und zwar, wenn ich es richtig
in Erinnerung habe, alle Atomklagen und nicht nur die,
von denen jetzt die Rede ist, im Zusammenhang mit der
Entsorgung .
Es würde mich interessieren, warum die Bundesregierung es hinnimmt, dass nach wie vor weder im Zusammenhang mit Entsorgungsklagen irgendetwas zurückgenommen wurde, obwohl die KFK-Empfehlungen seit
langem im Raum stehen, noch irgendeine Äußerung dahin gehend von den Konzernen kommt und bislang völlig
unklar ist, ob es sich ausschließlich um die Entsorgungsklagen oder auch um die Klagen im Zusammenhang mit
dem Atomausstieg handelt . Dafür war der Wirtschaftsminister meines Wissens durchaus, bevor die KFK eingesetzt wurde .
Frau Kollegin, ich muss Ihnen die Frage schriftlich beantworten, weil ich die Prämisse, die ihr zugrunde liegt,
nicht bestätigen kann . Deswegen kann ich sie, ehrlich gesagt, nicht beantworten . Wir werden das gerne schriftlich
nachreichen .
Na gut .
Das halten wir so fest .
Ich weise darauf hin, dass wir jetzt im weiteren Verlauf bitte wieder ein wenig auf das optische Signal achten, sowohl beim Formulieren der Fragen als auch bei
den Antworten, wobei das jetzt keine Kritik an der Kürze
der Antworten eben war . Aber wenn das optische Signal
auf Rot springt, ist die vereinbarte Fragezeit tatsächlich
überschritten .
Wir kommen zur Frage 9 der Kollegin Renate Künast:
Welche konkrete Position hat das Bundesministerium der
Justiz und für Verbraucherschutz bezüglich der Pläne der EU
zur Abschaffung der Roaminggebühren innerhalb der Europäischen Union vertreten, und was hat die Bundesregierung
unternommen, als die EU-Kommission, die ursprünglich eine
vollständige Abschaffung der Gebühren bis Mitte 2017 vorgesehen hatte, Anfang September 2016 überraschend das Gebührenverbot auf 90 Tage begrenzen wollte und nach der Kritik
von Verbraucherschützern ihre Pläne nun wieder rückgängig
machen will?
Bitte, Frau Staatssekretärin .
Frau Künast, es gab einen Vorschlag der Kommission - vom 5 . September - mit dem Ansinnen, bis Ende
September eine öffentliche Konsultation zu diesem Vorschlag durchzuführen . Die Bundesregierung war auch
dabei, sich eine Meinung zu bilden, als der Vorschlag
wieder zurückgezogen wurde .
Wenn ich die Tickermeldungen heute richtig verfolgt
habe, gibt es einen neuen Vorschlag, der besagt, dass es
ab dem 15 . Juni 2017 überhaupt keine Roaminggebühren mehr geben wird und dass man die Sorgen, die man
seinerzeit aufgrund des sogenannten Wasserbett-Effektes
hatte, auf andere Art und Weise berücksichtigen wird .
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .
Frau Staatssekretärin, danke . - Ich habe ebenfalls mitbekommen, dass es nicht nur Aktivitäten von Verbrauchern und EU-Parlamentsabgeordneten gab . Vielmehr
hat Kommissar Oettinger nun erklärt, dass es mit Datum
15 . Juni für alle Menschen, die periodisch reisen, eine
gute Lösung geben werde, die am 15 . Dezember verabschiedet werden solle . Aber es ist auch zu lesen, dass
gleichzeitig sichergestellt werden soll, dass die Anbieter
Werkzeuge haben, um gegen Missbrauch der betreffenden Regelungen vorzugehen . Dahinter steckt die Befürchtung, dass sich Menschen in Europa die billigsten
Verträge in einem Land besorgen, in dem sie gar keinen
Wohnsitz haben, und dass dann darunter das Geschäftsmodell der Anbieter leidet . Wie lässt sich, wenn es eine
90-Tage-Regelung geben sollte, eine Missbrauchsregelung schaffen, ohne dass die Verbraucherrechte durch
die Hintertür wieder beschränkt werden? Für mich haben
Verbraucherrechte den Sinn, den Single Market, den Binnenmarkt, nicht nur für Unternehmen, sondern auch für
Verbraucher herzustellen .
Wir werden uns den Vorschlag, den die Kommission
nun vorlegt, genau anschauen müssen. Ich bezweifle,
dass dann solche Bedenken noch angebracht sind . Wenn
es tatsächlich keine Roaminggebühren gibt, dann besteht
diese Problematik auch nicht mehr . Hinter der 90-Tage-Regelung verbirgt sich die Sorge, dass diejenigen, die
verreisen und im Ausland telefonieren, von denjenigen
durch Gebühren quersubventioniert werden, die sich in
Deutschland aufhalten . Wenn man aber davon ausgeht,
dass es nur noch eine einheitliche Rate gibt, dann hat
sich das erledigt . Wir werden uns das jedenfalls genau
anschauen müssen . Wir können dann hier gerne noch einmal darüber diskutieren .
Die zweite Nachfrage .
Darum will ich auch bitten . Das Ganze ist noch
frisch . In der Presseerklärung der Kommission heißt es
ausdrücklich, dass die Anbieter Werkzeuge gegen Missbrauch bekommen sollen . Das macht mich vorsichtig;
denn Werkzeuge gegen Missbrauch könnten auch eine
Beschränkung der Rechte der Kunden darstellen . Deshalb bitte ich Sie, zu prüfen und dann noch einmal auf
uns zuzukommen . Nach den bisherigen Erfahrungen
müssen wir uns das auf jeden Fall im Detail anschauen .
Selbstverständlich . Ich gehe davon aus, dass darüber
auch in den zuständigen Ausschüssen des Bundestages
diskutiert werden wird .
Danke, Frau Staatssekretärin . - Die Fragen 10 und 11
des Abgeordneten Oliver Krischer, die Fragen 12 und 13
der Abgeordneten Katharina Dröge sowie die Fragen 14
und 15 des Abgeordneten Harald Ebner sollen schriftlich
beantwortet werden .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amts . Zur Beantwortung steht Staatsminister Michael
Roth zur Verfügung .
Die Frage 16 des Abgeordneten Andrej Hunko, die
Frage 17 des Abgeordneten Omid Nouripour, die Frage 18 des Abgeordneten Niema Movassat sowie die Fragen 19 und 20 der Abgeordneten Sevim Dağdelen sollen
schriftlich beantwortet werden .
Ich rufe die Frage 21 des Kollegen Hans-Christian
Ströbele auf:
Wie verbindlich ist für die Bundesregierung der Beschluss
des Deutschen Bundestages vom 2 . Juni 2016 zum Antrag
zum Völkermord an den Armeniern ({0}), der mit einer Mehrheit von
über 99 Prozent der Stimmen der Abgeordneten aus allen
Fraktionen, darunter mehrere Mitglieder der Bundesregierung,
verabschiedet worden ist, insbesondere auch hinsichtlich der
neun darin enthaltenen Forderungen des Parlaments an die
Regierung, und welche Bemühungen hat die Bundesregierung
inzwischen unternommen, um diese neun Forderungen des
Deutschen Bundestages - bitte jeweils aufschlüsseln zu den
einzelnen Forderungen - zu erfüllen?
Bitte, Herr Staatsminister .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Sie haben mich etwas überrascht, weil ich davon ausging, dass der Kollege Movassat seine Frage noch stellt . Dann komme ich
gleich zu der Frage des Abgeordneten Ströbele .
Der Deutsche Bundestag hat selbstverständlich das
Recht und die Möglichkeit, sich zu jedem Thema zu äußern, wann auch immer er es für richtig hält . Die Bundesregierung unterstützt und verteidigt dieses souveräne Recht der deutschen Volksvertreter . Es steht mir als
Vertreter der Bundesregierung überhaupt nicht zu, sich
in die Zuständigkeiten eines anderen Verfassungsorgans
einzumischen und sich dazu wertend zu äußern . Das
souveräne Recht, sich zu Fragen seiner Wahl zu äußern,
hat der Bundestag auch im Fall der besagten Resolution ausgeübt, und zwar mit einem Entschließungsantrag,
der qua Definition darauf abzielt, Auffassungen zu politischen Fragen zum Ausdruck zu bringen, ohne dass diese rechtsverbindlich sind . Genauso steht es auch auf der
Homepage des Deutschen Bundestages .
Die Bundesregierung - das als Beantwortung des
zweiten Teils Ihrer Frage, Herr Kollege Ströbele - setzt
sich weiter regelmäßig in bilateralen Gesprächen dafür
ein, dass die Türkei und Armenien ihre Bemühungen um
eine Annährung wieder aufnehmen . Darüber hinaus unterstützen wir eine Reihe von Initiativen aus der Zivilgesellschaft heraus, um die Aussöhnung zwischen der Türkei und Armenien bzw . zwischen Türkinnen und Türken
und Armenierinnen und Armeniern zu befördern . Mein
Haus fördert diese Projekte derzeit in einem Umfang von
1 Million Euro .
Ich will noch hinzufügen, dass ich mich selbst sehr
intensiv um einen Austausch von jungen Repräsentantinnen und Repräsentanten der Türkei und Armeniens bemühe . Da hat es schon Gespräche gegeben . Bei meiner
Reise Ende August in die Türkei habe ich mich auch mit
Repräsentanten der armenischen Minderheit in Istanbul
getroffen, um noch einmal einen Gesprächsfaden zu
knüpfen, der unser Bemühen unterstreicht, einen aktiven
Beitrag zur Versöhnung zu leisten .
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .
Danke, Herr Staatsminister . - Das war allerdings voll
am Thema vorbei . Sie haben die Presseerklärung des
Sprechers der Bundesregierung als Antwort auf meine
Frage verlesen . Ich denke, dass Sie mit dieser Haltung
das Parlament nicht ernst nehmen .
Ich hatte als Erstes gefragt, für wie verbindlich die
Bundesregierung diese fast einstimmig - mit 99 Prozent
der Abgeordneten - verabschiedete Resolution für die
Bundesrepublik Deutschland - und damit auch für die
Bundesregierung - hält . Der zweite Teil der Frage lautete: Was hat die Bundesregierung seit der Verabschiedung am 1 . Juni - es sind ja inzwischen ein paar Monate
vergangen - getan, um die neun Forderungen, die der
Deutsche Bundestag an die Bundesregierung gerichtet
hat, umzusetzen? Oder halten Sie das alles für unverbindlichen Quatsch, zu dem Sie sich nicht äußern wollen? Dann sagen Sie das hier klar .
({0})
Das ist doch eine Ungeheuerlichkeit, was Sie hier machen .
Herr Kollege Ströbele, es steht Ihnen völlig frei, jede
Frage an die Bundesregierung zu richten, und mir steht es
frei, die Frage so zu beantworten, wie ich es namens der
Bundesregierung für verantwortbar halte .
Im Übrigen habe ich eben die Haltung der Bundesregierung wiedergegeben . Darüber hinaus habe ich deutlich gemacht, wie sich die Bundesregierung diesem Beschluss verpflichtet fühlt. Ich habe auf eine Reihe von
konkreten Initiativen hingewiesen, die sich auch aus der
Beschlussfassung des Bundestages ergeben . Selbstverständlich teilt die Bundesregierung die politischen Zielsetzungen der Forderungen aus dem Beschluss des Deutschen Bundestages . Es gibt - ich will das noch einmal
deutlich zum Ausdruck bringen - keine Distanzierung .
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage .
Sie wollen oder Sie können nicht, Herr Staatsminister .
Dann will ich einmal ein Beispiel nennen . Der Deutschen
Bundestag fordert die Bundesregierung im fünften Punkt
auf „eine Aufarbeitung der historischen Ereignisse durch
die Türkei und Armenien als ersten Schritt zur Versöhnung und zur längst überfälligen Verbesserung der türkisch-armenischen Beziehungen aktiv zu unterstützen“ .
In welcher Weise hat die Bundesregierung diese Forderung des Deutschen Bundestages seit dem 1 . Juni erfüllt?
Oder hat sie sie nicht erfüllt? Haben Sie da irgendetwas
unternommen oder nichts? Haben Sie vielleicht besser
geschwiegen, weil Herr Erdogan sonst die Augenbrauen
hochziehen würde?
Herr Ströbele, offenkundig hören Sie mir nicht richtig
zu; denn ich habe Ihnen gerade eine Reihe von Maßnahmen genannt . Dieses gesonderten Beschlusses des Bundestages bedurfte es insofern nicht, weil sich die Bundesregierung, insbesondere mein Haus, schon seit vielen
Monaten konkret und aktiv um die Versöhnung zwischen
Armeniern und Türken bemüht . Dies wird durch einen
Haushaltstitel in Höhe von 1 Million Euro untermauert .
Daraus werden entsprechende Projekte finanziert.
Darüber hinaus habe ich Ihnen berichtet, dass es nach
der Resolution des Deutschen Bundestages entsprechende Gespräche gab, die unter anderem auch ich als ein
Vertreter der Bundesregierung geführt habe .
Zu einer Nachfrage hat der Kollege Volker Beck das
Wort .
Herr Staatsminister, vielen Dank für Ihre Beantwortung . Ich glaube aber, es ist dem Hohen Haus noch nicht
ganz klar geworden, welche Aktivitäten die Bundesregierung nach dem Beschluss des Bundestages in Umsetzung
der darin enthaltenen Aufforderungen ergriffen hat . Dass
Sie manches schon vorher gemacht haben, will ich gerne
zur Kenntnis nehmen und auch ausdrücklich loben . Aber
ich würde gerne wissen, welche neuen Aktivitäten entfaltet wurden . Ich glaube, das ist es auch, was Herr Ströbele
mit seiner Frage gemeint hat .
Ich habe den Beschluss des Deutschen Bundestages
ausdrücklich als eine Ermutigung und eine Ermunterung,
aber auch als eine Bestätigung verstanden. Ich empfinde
das als Rückenwind für die Bemühungen, die die Bundesregierung schon seit geraumer Zeit unternimmt . Es
gibt eine Reihe von Projekten, die ich jetzt nicht alle namentlich aufführen möchte . Es sind teilweise auch Projekte dabei, die geplant sind, aber noch nicht umgesetzt
wurden und die sich insbesondere an die jüngere Generation in beiden Staaten richten . Es geht dabei insbesondere um Kooperationen, um Erinnerungskultur und um
Begegnungen . Es geht auch um wissenschaftliche Projekte, die wir unterstützen, bei denen deutsche, türkische,
aber auch armenische Vertreter zusammenkommen, um
über das zu sprechen, was Gegenstand der Resolution
des Deutschen Bundestages war . Das sind teilweise, Herr
Kollege Beck, neue Projekte .
({0})
- Ich habe sie Ihnen doch genannt .
({1})
Ich kann Ihnen gerne eine Liste zukommen lassen .
Ich will mich auf drei Projekte beschränken, die ich aber
im Prinzip schon genannt habe . Es gibt ein kulturelles
Projekt, es gibt ein Projekt in Zusammenarbeit mit dem
Deutsch-Französischen Jugendwerk über die Versöhnung, an dem auch Frankreich beteiligt ist, und es gibt
ein Projekt, das wir gemeinsam mit dem DAAD unterstützen . Damit wird deutlich, dass wir auf einem guten
Weg sind, der aber - das will ich hinzufügen - natürlich
noch nicht beendet ist .
Wir können Versöhnung nicht oktroyieren, wir können nur Angebote unterbreiten . Wie schwierig und wie
sensibel das ist, werden all diejenigen von Ihnen erleben,
die selbst in der Türkei und in Armenien waren und die
selbst mit Repräsentantinnen und Repräsentanten dieser
beiden Staaten gesprochen haben . Aber wir sind da unverdrossen . Wir wollen unseren Beitrag leisten; das versichere ich Ihnen .
({2})
Es gibt noch zwei Nachfragen zur Frage 21 . - Die
Kollegin Keul hat das Wort .
Vielen Dank . - Herr Staatsminister, wenn die Bundesregierung erklärt, dass der Beschluss des Deutschen Bundestages, wonach es sich um einen Völkermord gehandelt habe, keine unmittelbare Rechtswirkung hat, dann
ist das formaljuristisch überhaupt nicht zu beanstanden .
Was mich aber umtreibt, ist, dass das in der Realität doch
eine Rechtswirkung gehabt hat, nämlich die, dass die
türkische Regierung unmittelbar darauf den Besuch der
Abgeordneten in Incirlik bei der Bundeswehr erlaubt hat,
den sie zuvor untersagt hatte . Deswegen ist meine Frage:
Gab es im Vorfeld der Erklärung der Bundesregierung
über die fehlende Rechtswirkung dieses Beschlusses
eine Absprache zwischen der türkischen und der deutschen Regierung darüber, dass eine solche Erklärung den
Besuch bei der Bundeswehr wieder ermöglichen würde,
oder ist dieser zeitliche Zusammenhang reiner Zufall?
Ich nehme Ihre Frage gerne zum Anlass, meine persönlichen Erfahrungen aus den jüngsten Begegnungen
in der Türkei zu schildern . Ich bin von Vertreterinnen
und Vertretern nicht nur der Regierung, sondern auch
der Opposition und aus der Mitte der Zivilgesellschaft
angesprochen und gefragt worden, wie denn dieser Beschluss des Deutschen Bundestages zu verstehen sei, ob
sich daraus beispielsweise auch finanzielle Forderungen
ergäben . Daraufhin war auch mein Eindruck, dass das,
was wir im Übrigen gemeinsam regelmäßig tun, nämlich
Beschlüsse erläutern und sie einordnen, auch in dieser
Frage geboten erschien .
({0})
Es gibt jetzt leider keine Nachfragemöglichkeit . Ich
weiß, dass man zufrieden oder unzufrieden mit Antworten sein kann; aber die Vertreter der Bundesregierung
entscheiden, was sie antworten . Damit gehen wir dann
weiter um .
Die Kollegin Hänsel hat noch eine Nachfrage .
Danke schön . - Herr Staatsminister, Sie haben gerade
noch einmal behauptet, die Bundesregierung habe sich
von der Armenien-Resolution in keiner Weise distanziert . Regierungssprecher Seibert hat in der Bundespressekonferenz Anfang September 2016 - ich glaube, es war
am 2 . September - für die Bundesregierung noch einmal
klar gesagt, dass eine Einordnung als Völkermord nicht
Sache der Parlamente, sondern der Gerichte sei . Das ist
exakt die Formulierung der türkischen Regierung, mit
der sie jedes Mal die Einstufung als Völkermord abwehrt . Rechtlich argumentiert, müssen also die Gerichte
entscheiden, nicht die Parlamente, und damit erkennt die
türkische Regierung den Tatbestand des Völkermords
nicht an . Die Bundesregierung hat diese Formulierung
übernommen und hat damit auch eine Distanzierung vorgenommen . Keine andere Einschätzung ist da möglich .
Frau Kollegin, ich widerspreche Ihnen da . Sie alle wissen, dass es mindestens zwei Interpretationsmöglichkeiten für den Begriff des Völkermordes gibt . Es gibt einmal
den völkerrechtlichen Begriff . Der juristische Fachterminus ist in der UN-Völkermordkonvention klar definiert.
Losgelöst von dieser Legaldefinition gibt es diesen Begriff zum anderen, wie er in einem politischen, in einem
ethischen Kontext gebraucht wird - von Ihnen, von mir,
von vielen anderen . In genau diesem politisch-ethischen
Kontext steht für uns das Votum des Bundestages .
Ich rufe die Frage 22 der Kollegin Heike Hänsel auf:
Welche gemeinsamen Werte teilt die Bundesregierung
mit der Nachfolgeregierung von Präsident Michel Temer in
Brasilien, und wie geht sie mit der Tatsache um, dass derzeit innerhalb des südamerikanischen Wirtschaftsbündnisses Mercosur Uneinigkeit besteht hinsichtlich der Ausübung
des turnusmäßigen Vorsitzes durch Venezuela ({0})?
Bitte, Herr Staatsminister .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Von der Türkei nach
Brasilien . Brasilien ist seit 2009 das einzige Land in Lateinamerika, mit dem wir eine strategische Partnerschaft
führen . Wir haben zudem im Jahr 2015 zum allerersten
Mal bilaterale Regierungskonsultationen durchgeführt .
In diesem Rahmen, aber auch auf multinationaler Ebene haben wir gemeinsame Ziele verfolgt im Bereich der
Menschenrechtspolitik, im Bereich des Klimaschutzes,
aber auch im Bereich des Erreichens der sogenannten
Nachhaltigkeitsziele . Als Schwellenland spielt Brasilien
eine ganz wichtige Rolle für den Schutz globaler Güter,
und es hat erst vor wenigen Tagen als einer der ersten
Staaten das Pariser Klimaschutzabkommen ratifiziert.
Genau diese enge, wertegebundene Zusammenarbeit, die
sehr fruchtbar war, möchte die Bundesregierung fortsetzen .
Es gibt innerhalb von Mercosur eine Diskussion um
den venezolanischen Vorsitz; darauf zielt ja der zweite
Teil Ihrer Frage . Wir haben diese Diskussion sehr aufmerksam verfolgt . Die Gründungsmitglieder von Mercosur - Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay haben sich mittlerweile auf eine gemeinsame Ausübung
des Vorsitzes bis zur turnusmäßigen Übernahme durch
Argentinien zum Ende des Jahres verständigt . Sie wissen
ja, dass der Mercosur-Vorsitz im halbjährlichen Rhythmus wechselt . Den Diskussionsprozess innerhalb von
Mercosur über die zukünftige Ausrichtung betrachtet die
Bundesregierung als dessen innere Angelegenheit .
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .
http://www.clarin.com/mundo/Mercosur-presidencia-colegiada-canciller-Brasil_0_1632436835.html
http://www.clarin.com/mundo/Mercosur-presidencia-colegiada-canciller-Brasil_0_1632436835.html
http://www.clarin.com/mundo/Mercosur-presidencia-colegiada-canciller-Brasil_0_1632436835.html
Danke schön . - Aufgrund der neu geschaffenen, durch
einen Putsch zustandegekommenen Ausrichtung Brasiliens kann man sich natürlich ausrechnen, dass sich die
Mehrheit im Mercosur gegen Venezuela richtet; das ist ja
offensichtlich .
Meine Nachfrage zielt aber auf etwas anderes: Teilt
die Bundesregierung die Einschätzung des Europäischen
Auswärtigen Dienstes, der den De-facto-Regierungschef
Temer aufgrund von massiven Korruptionsvorwürfen als
sehr zweifelhaft ansieht und darüber hinaus eine gewisse
Vorsicht anrät, zum Beispiel einen EU-Brasilien-Gipfel
auszurichten? Welche Position hat da die Bundesregierung? Forciert die Bundesregierung die Ausrichtung des
EU-Brasilien-Gipfels in Zusammenarbeit mit der derzeitigen De-facto-Regierung Brasiliens?
Die Bewertung der Europäischen Union ist hier klar und der Bewertung der Europäischen Union schließt sich
die Bundesregierung auch an -: Der Wechsel im Amt
des Staatspräsidenten Brasiliens hat sich im Rahmen der
brasilianischen Verfassung bewegt . Brasiliens oberstes
Gericht hat inzwischen auch den Einspruch der Exstaatspräsidentin Rousseff abgelehnt .
Uns sind natürlich, genau wie Ihnen, Befürchtungen
über Rückschritte im Bereich der Menschenrechtspolitik,
aber auch der Sozialpolitik bekannt, und diese Befürchtungen werden von uns sehr ernst genommen .
Im Übrigen ist nicht allein die brasilianische Regierung oder der neue brasilianische Staatspräsident Ansprechpartner für die Bundesregierung . Wir stehen in
einem ganz engen und regelmäßigen Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft in Brasilien, insbesondere auch mit Menschenrechtsaktivisten .
Wir werden natürlich die Themen, die Sie eben angesprochen haben, im Format der EU, aber auch bilateral immer
wieder ansprechen . Gerade die menschenrechtsrelevanten Themen sind für die Bundesregierung von besonderer
Bedeutung .
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage .
Noch eine zweite Frage, und zwar bezüglich des Verhaltens der De-facto-Regierung unter Temer . Wie bewerten Sie denn die Tatsache, dass genau die Berechnungen,
derentwegen die gewählte Präsidentin Dilma Rousseff
gestürzt wurde - die Vorwürfe lauteten ja, dass sie Haushaltsmanipulationen vorgenommen hätte -, mit der neuen Regierung Temer legalisiert wurden?
Frau Kollegin, wenn ich richtig informiert bin, waren
alle Vorwürfe, die gegen die ehemalige Staatspräsidentin
Brasiliens erhoben worden sind, haltlos; da gab es ja keine Anlässe . Uns ist aber selbstverständlich bekannt, dass
es inzwischen gegen eine Reihe aktiver und ehemaliger
brasilianischer Politiker ganz unterschiedlicher Parteien
Ermittlungen gibt, und wir begrüßen ausdrücklich, dass
die unabhängige brasilianische Justiz Korruption und
mögliche andere Vergehen von hochrangigen Politikern
konsequent verfolgt . Natürlich muss darauf geachtet
werden - das ist das wesentliche Prinzip eines Rechtsstaats -, dass die Justiz in jedem Fall frei von politischer
Einflussnahme agieren kann.
Der Kollege Volker Beck hat das Wort zu einer Nachfrage .
Ich finde, die Beantwortung sowohl der Frage von
Herrn Ströbele als auch der Frage von Frau Hänsel wirft
so ein bisschen grundsätzliche Fragen nach der Konsistenz und Werteorientierung der Außenpolitik der Bundesregierung auf . Vor diesem Hintergrund möchte ich
Sie zu einem anderen Aspekt ähnlicher Natur fragen, und
zwar: Frau Merkel hat in Israel ja einmal den Satz gesagt,
Israels Sicherheit sei deutsche Staatsräson . Am 1 . September hat mir Ihr Haus berichtet, die Bundesregierung
gehe Hinweisen nach, dass die Palästinensische Behörde im Einzelfall das Budget der PLO-Kommission für
Gefangenenfragen unterstützt, woraus auch sogenannte
Märtyrerrenten bezahlt werden sollen, also Geld an Attentäter und Terroristen fließen soll.
Da Sie diesen Hinweisen nachgehen, frage ich Sie, ob
Sie dabei neue Erkenntnisse gewonnen haben und ob die
Bundesregierung, namentlich unsere Gesandtschaft in
Ramallah, angesichts der Tatsache, dass wir Projekte der
Palästinensischen Behörde finanzieren und die EU-Kommission Budgethilfen leistet, auch mit deutschen Staatsgeldern, mit der Palästinensischen Behörde und der PLO
darüber gesprochen hat, dass es nicht angeht, dass an Terroristen Renten gezahlt werden .
Herr Kollege Beck, es steht Ihnen völlig frei, über die
Türkei und Brasilien auf Israel und die palästinensischen
Gebiete zu sprechen zu kommen . Es steht Ihnen auch
völlig frei, meine Antworten so zu bewerten, wie Sie
das getan haben . Ich weise Ihre Bewertung aber auf das
Schärfste zurück . Die Bundesregierung und insbesondere das Auswärtige Amt sind selbstverständlich den Menschenrechten verpflichtet. Ich weiß jetzt nicht genau, was
Sie bezwecken . Wir waren gerade beim Thema Brasilien
und bei Mercosur, und jetzt soll ich etwas zur Situation
in Israel und zu Palästina sagen . Ich kann Ihnen nur eines versichern, nämlich dass wir allen Vorwürfen, allen
kritischen Punkten sehr genau, sehr aufmerksam nachgehen - wenn sie von Ihnen kommen, erst recht .
Herzlichen Dank, Herr Staatsminister .
Die Frage 23 der Kollegin Jelpke und die Frage 24 der
Kollegin Groth sollen schriftlich beantwortet werden .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern . Zur Beantwortung der Fragen steht
der Parlamentarische Staatssekretär Dr . Günter Krings
zur Verfügung .
Die Frage 25 der Kollegin Groth und die Frage 26 der
Kollegin Jelpke werden schriftlich beantwortet .
Ich rufe die Frage 27 des Kollegen Volker Beck auf:
Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die
Bundesregierung aus den Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Düsseldorf, Meiningen, Regensburg, Schleswig und
Trier ({0}), wonach nach Syrien Zurückkehrende grundsätzlich von
Verfolgung durch das syrische Regime bedroht sind und ihnen
daher die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist, und welche
Maßnahmen wird sie gegebenenfalls ergreifen, um zu gewährleisten, dass syrischen Asylsuchenden die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, ohne dass sie gegen einen ablehnenden
Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge klagen müssen?
Bitte, Herr Staatssekretär .
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Lieber Kollege Beck, es handelt sich bei den in
Ihrer Frage genannten Entscheidungen um erstinstanzliche Einzelfallentscheidungen, gegen die das Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge, das BAMF, Rechtsmittel
eingelegt hat . Die Entscheidungen des BAMF werden
stets nach individueller Bewertung der jeweiligen Einzelfälle und ausschließlich nach Maßgabe der geltenden
Rechtslage getroffen .
In allen Landesteilen Syriens kann eine individuelle
Verfolgung im Sinne des § 3 Asylgesetz stattfinden. Verfolgungsakteure - das wissen Sie - sind die syrische Regierung, aber auch zahlreiche nichtstaatliche Gruppen . In
diesen Fällen erfolgt eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft . Liegt eine solche individuelle Verfolgung
in Anknüpfung an die Vorgaben der Genfer Flüchtlingskonvention und dann der sogenannten Qualifikationsrichtlinie der Europäischen Union nicht vor, kommt für
Personen, denen eine ernsthafte individuelle Bedrohung
des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher
Gewalt im Rahmen des Bürgerkriegs droht, die Gewährung subsidiären Schutzes in Betracht .
Seit Wiederaufnahme der persönlichen Anhörungen
stellt das Bundesamt insbesondere bei syrischen Antragstellern vermehrt ein Bürgerkriegsschicksal, nicht
aber ein individuelles Verfolgungsschicksal fest . Dies
führt nach der geltenden Rechtslage - nach Recht und
Gesetz - dann nicht zur Zuerkennung von Flüchtlingsschutz, sondern in der Regel zur Gewährung subsidiären
Schutzes .
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .
Die Frage ist ja, ob sich dieser Streit lohnt, ob Sie
am Ende vor dem Bundesverwaltungsgericht obsiegen
werden angesichts von fünf Urteilen der unteren Verwaltungsgerichte, die alle in die gleiche Richtung gehen,
nämlich dass hier Schutz erteilt werden muss .
Ich hatte Sie angesichts der Fälle, in denen der GFKSchutz und nicht nur der subsidiäre Schutz zuerkannt
wurde, gefragt, wie Sie es vermeiden wollen, dass eine
ganz große Zahl an Flüchtlingen auf den Rechtsweg verwiesen wird, wo sie dann auch recht bekommen . Es kann
ja nicht sinnvoll sein, dass die Anweisungen im BAMF
darauf hinauslaufen, dass wir alle in die Verfahren schicken . Das belastet unsere Gerichte und das BAMF, kostet ungeheuer viel Geld und bringt den Menschen große
Verunsicherung .
Sie haben das Stichwort „Anweisungen“ genannt . Es
gibt keine allgemeine Anweisung, allen einen subsidiären Schutz zu geben . Das sieht man daran, dass das Bundesamt auch aktuell vielen Asylbewerbern die Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention
zuerkennt . Es ist also keineswegs so, dass diese Zuerkennung in allen Fällen verweigert wird . Vielmehr ist immer
eine Einzelfallprüfung vorzunehmen .
Sie haben fünf Verwaltungsgerichte genannt . Meines
Wissens gibt es in Deutschland über 50 Verwaltungsgerichte . Selbst an den einzelnen Verwaltungsgerichten
wird teilweise unterschiedlich geurteilt . Das kann damit
zusammenhängen, dass es unterschiedliche Rechtsauffassungen gibt, hängt aber meistens damit zusammen,
dass es unterschiedliche Verfolgungsschicksale gibt .
Wir haben im letzten Jahr doch wohl alle gelernt, dass
das Asylgrundrecht nach GFK ein individuelles Grundrecht ist, und wir können ein individuelles Grundrecht
nur individuell prüfen und nicht kollektiv zuerkennen .
Das würde den Rechtscharakter geradezu auf den Kopf
stellen . Insofern ist das, was hier gemacht wird, eine Entscheidung nach Recht und Gesetz nach persönlicher Anhörung . Anders kann ein Bundesamt gar nicht agieren .
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage .
Wie hoch beziffern Sie denn die Kosten für die zig
Klageverfahren - Sie wollen das ja offensichtlich bis
zum Bundesverwaltungsgericht, womöglich bis zum
Bundesverfassungsgericht ausreizen -, in denen wir darüber streiten, ob die Leute aufgrund subsidiären Schutzes oder GFK-Schutzes hierbleiben dürfen?
Ich kann Ihnen keine Kosten beziffern . Aber jeder
Rechtsstaat wäre schlecht beraten, wenn er die Vorgehensweise von Behörden nach Recht und Gesetz gegen
die Kosten aufrechnet . Die Behörden haben nach Recht
und Gesetz zu handeln, und das ist wichtiger als die Frage der Kosten .
Vizepräsidentin Petra Pau
http://www.asyl.net/startseite/nachrichten/artikel/56144.html
http://www.asyl.net/startseite/nachrichten/artikel/56144.html
Wir kommen zur Frage 28 der Kollegin Irene Mihalic:
Inwiefern hat die Bundesregierung infolge der Terroranschläge von Ansbach und Würzburg bzw . der Amoktat von
München einen möglichen Bedarf festgestellt, chemische,
biologische, radiologische oder nukleare Abwehrfähigkeiten
({0}) der Bundeswehr im Inland zum Einsatz
zu bringen, und wenn ja, aus welchen Gründen?
Bitte, Herr Staatssekretär .
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Frau Kollegin Mihalic, die terroristischen
Anschläge von Ansbach und Würzburg, aber auch die
Amoktat von München haben vielfältige Reaktionen und
Überprüfungen ausgelöst . Es waren - das ist bei dieser
Frage wichtig - in der Rückschau aber keine Szenarien,
zu deren Abwehr der Einsatz sogenannter CBRN-Abwehrfähigkeiten erforderlich war . „CBRN“ ist die Abkürzung für chemisch, biologisch, radiologisch oder nuklear . Die Bundesregierung hat infolge dieser Ereignisse
in der Rückschau auch keinen entsprechenden Bedarf
festgestellt .
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Vielen Dank, Herr
Staatssekretär, für die Beantwortung . Aus Ihrer Antwort
wird mir allerdings nicht deutlich, was die Bundesregierung tatsächlich motiviert hat, nach den Anschlägen
von Würzburg, Ansbach und München ihre Absichten
zu konkretisieren, gemeinsame Antiterrorübungen zwischen den Polizeien des Bundes und der Länder sowie
der Bundeswehr im Inland durchzuführen; denn Sie haben zu unserer kleinen Anfrage, die wir zu diesem Themenkomplex gestellt haben, Folgendes geantwortet: Für
Terroranschläge mit Kriegswaffen in Deutschland ist die
Polizei mit ihren dienstlich zugewiesenen Waffen angemessen ausgestattet . Sie haben dabei aber auch auf sogenannte Unikatfähigkeiten der Bundeswehr hingewiesen,
über die weder die Polizei noch andere zivile Einrichtungen verfügen . Die einzig echte Unikatfähigkeit, die Sie
dort benennen, sind die sogenannten CBRN-Fähigkeiten .
Das lässt für mich den Rückschluss zu, dass, wenn alles
andere auch die Polizei erledigen kann und es lediglich
um die CBRN-Fähigkeit geht, das dann sicherlich der
Anlass ist, nun die gemeinsamen Übungen anzustreben;
denn ansonsten würde es für diese Übungen keinen Bedarf geben .
Zunächst einmal wäre nichts so gefährlich und nachlässig, sich nur auf den Anschlag von gestern vorzubereiten . Sie haben in der Frage - so habe jedenfalls ich es
ausgelegt, und es ist nach dem Wortlaut möglich - konkret nach diesen zwei Anschlägen und dem Amoklauf gefragt . Aus diesen konkreten Abläufen heraus ergibt sich
kein CBRN-Bezug . Natürlich nehmen wir die weitere
Entwicklung der Sicherheitslage auch zum Anlass, über
das, was wir bisher erlebt haben, hinauszugehen und zu
schauen, welche Szenarien es noch geben könnte . Dabei
kann die CBRN-Fähigkeit der Bundeswehr eine große
Rolle spielen . Insofern prüfen Bund und Länder zurzeit,
ob und inwieweit in CBRN-Angelegenheiten dann ein
Unterstützungsbedarf besteht und ob die Bundeswehr
diesen abdecken kann . Darum geht es .
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage .
Vielen Dank . - Heißt das nach Ihren Ausführungen,
dass Sie schon damit rechnen, dass es in Deutschland
terroristische Anschläge gibt, die einen Einsatz von
CBRN-Fähigkeiten der Bundeswehr im Inland erforderlich machen, oder wie ist Ihre Antwort in diesem
Zusammenhang zu verstehen? Ich hätte mir vorgestellt,
dass Übungen seitens der Polizei durchaus Sinn machen
in Zusammenarbeit mit Feuerwehr, Rettungskräften auf
der Basis von Erfahrungen, die wir mit zurückliegenden
Terroranschlägen, also realistischen Szenarien, nicht nur
in diesem Jahr in Deutschland, sondern auch in Europa
gemacht haben . Nach Ihrer Antwort muss ich aber davon
ausgehen, dass Sie damit rechnen, dass es in Deutschland Terroranschläge geben wird, die den Einsatz von
CBRN-Fähigkeiten erforderlich machen . Oder habe ich
Sie da missverstanden?
Es wäre jetzt nicht klug, darüber zu spekulieren, womit wir rechnen . Allerdings weise ich darauf hin, dass die
Gefahren aus Angriffen im CBRN-Bereich - die Abkürzung ist furchtbar, ich sage noch einmal, was es bedeutet:
chemisch, biologisch, radiologisch und nuklear - nicht
unrealistisch sind . Das spiegelt sich bereits im Bereich
des Katastrophenschutzes bei den LÜKEX-Übungen, die
Ihnen bekannt sind, wider, die jedes Jahr stattfinden. Bereits 2009, 2010 haben sie Szenarien mit terroristischem
Bezug beinhaltet . Insofern ist das keine neue Annahme .
Es muss jetzt die Frage geprüft werden, ob wir dazu speziell die Bundeswehr benötigen . Es ist auch diskutiert
worden, wenn es beispielsweise um unterstützende Tätigkeiten wie Absperrungen und Ähnliches geht und man
kurzfristig mehr Personal für einige Stunden benötigt, ob
hier die Bundeswehr Hilfestellung geben kann . Das alles sind Dinge, die im Zuge der Amtshilfe möglich sind .
Hier sind wir auch nicht in einem Bereich, wo wir über
Grundgesetzänderungen sprechen, falls das eine weitere
Besorgnis sein sollte .
Der Kollege Ströbele hat das Wort zu einer Nachfrage .
Herr Staatssekretär, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass der, man muss sagen: Amokangriff mit
dem Beil nicht unbedingt den Bedarf an chemischen,
biologischen, radiologischen und nuklearen Fähigkeiten
begründet . Gab es denn nach Ihrer Kenntnis, nach Kenntnis Ihres Hauses, überhaupt schon mal in Europa einen
Anschlag, der einen solchen Bedarf signalisiert hat, und
wenn ja, welcher war das?
Ich kann Ihnen, lieber Kollege, jetzt nicht auswendig
sagen, ob das in anderen europäischen Staaten, beispielsweise in Großbritannien oder anderswo, mal eine Rolle
gespielt hat .
Ich kann nur eines sagen: Wir sitzen oder stehen ganz
trocken und gemütlich hier im Plenarsaal des Reichstages . Die Polizisten in München konnten beispielsweise
nicht sofort wissen, wie der Anschlag aussieht . Sie bekamen Meldungen, es gab Notrufe . Zuerst gab es die
Befürchtung, es könnte ein Terroranschlag sein . Glücklicherweise hat sich das jedenfalls - so schlimm die Tat
an sich auch war - nicht bewahrheitet . Aber Polizeikräfte
vor Ort müssen in wenigen Sekunden Einschätzungen
treffen . Ich glaube, wir müssen auf alle Szenarien vorbereitet sein . Wenn wir das nicht tun würden, würden wir
unsere Arbeit nicht machen; das ist unsere Haltung .
Zu einer weitere Nachfrage hat die Kollegin Keul das
Wort .
Vielen Dank . - Meine Frage bezieht sich auf die
Übungen, die künftig stattfinden sollen. Sie werden
sich, wenn ich es richtig verstanden habe, nicht auf die
CBRN-Fähigkeiten beschränken, sondern ganz breit angelegt sein . Dann frage ich mich schon: Was ist denn der
Hintergrund? Hat es in solchen Fällen jemals Anlass zu
der Feststellung gegeben, dass es dort ein Defizit gibt?
Ist es im 70-jährigen Bestehen der Bundesrepublik dazu
gekommen, dass die Bundeswehr in einem Notfall nicht
einsatzfähig gewesen wäre, dass die Zusammenarbeit mit
der Polizei irgendwelche Risiken hervorgerufen hätte?
Die Notwendigkeit, das jetzt auch jenseits dieses speziellen Bereiches zu tun, erschließt sich mir bislang nicht .
Frau Kollegin, wir müssen natürlich die Dinge auseinanderhalten . Wir haben in vielen anderen europäischen
Staaten erlebt, dass man in Krisensituationen offenbar
auf Militär angewiesen war . Ich glaube nicht, dass das
im Regelfall selbst bei Anschlägen in Deutschland der
Fall ist, aber wir können es eben nicht ausschließen . Wir
wissen auch, dass es die Verfassungslage durchaus hergibt, dass die Bundeswehr im Wege der Amtshilfe unterstützend tätig wird . Es gab auch schon viele Katastrophenfälle abseits des Themas Terrorismus - ich will gar
nicht das Thema Hochwasser bemühen -, in denen die
Bundeswehr unterstützend tätig gewesen ist .
Wenn wir nach der Rechtslage etwas tun dürfen und es
auch schon in anderen Szenarien passiert ist, dann sollten
wir es auch üben . Ich glaube, es wäre verkehrt, wenn wir
nur über normative Veränderungen nachdächten, aber
nicht das einübten, was wir schon jetzt tun dürfen und
wozu es durchaus eine Notwendigkeit geben könnte . Leider noch heftigere Anschlagsszenarien in anderen Staaten um uns herum beweisen, dass es leicht zu solchen
Fällen kommen kann, in denen wir diese Unterstützung
brauchen . Wir hoffen nicht, dass wir sie brauchen, ich
glaube auch nicht, dass wir sie bei jedem Anschlag sofort
anfordern müssen, aber wir können es nicht ausschließen . Es wäre leichtfertig, es dann nicht einzuüben .
Danke, Herr Staatssekretär . - Die Fragen 29 und 30
des Kollegen Dr . André Hahn sollen schriftlich beantwortet werden .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz . Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Ulrich Kelber zur Verfügung .
Ich rufe die Frage 31 der Kollegin Renate Künast auf:
Wann wird das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz seine Ankündigung ({0}) in die Tat umsetzen,
Eckpunkte für ein Musterfeststellungsverfahren vorzustellen, um Verbraucherinnen und Verbrauchern die gemeinsame
Rechtsdurchsetzung zu erleichtern, und was waren bislang die
Schwierigkeiten bei der Erarbeitung dieses Entwurfes?
Bitte, Herr Staatssekretär .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Frau Kollegin
Künast, das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz prüft derzeit Vorschläge zu einer Musterfeststellungsklage . Dabei sollen sowohl die Empfehlung der Europäischen Kommission für „Gemeinsame
Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren in den Mitgliedstaaten bei Verletzung
von durch Unionsrecht garantierten Rechten“ als auch
die Rechtsvorschriften und Erfahrungen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union berücksichtigt werden . Ziel wäre eine Vereinfachung der zivilprozessualen
Rechtsdurchsetzung für Verbraucherinnen und Verbraucher . Zugleich soll einer missbräuchlichen Rechtsverfolgung vorgebeugt werden .
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .
Danke, Herr Staatssekretär . Aber die Antwort befriedigt mich insofern nicht, als dass ich gerne mal wissen
würde, wann die Endlosschleife des Prüfvorganges in
eine finale Phase gerät. Deshalb sage ich es noch einmal
ganz klar . Der Kollege Dirk Wiese hat am 5 . November
2015 hier gesagt: Es gibt demnächst Eckpunkte, jeden
Augenblick . - Letztes Jahr im Sommer nahm ich an einer
Veranstaltung teil, auf der Gerd Billen vor mir sprach .
Damals kamen mir schon die Ersten strahlend entgegen
und sagten: Der Staatssekretär hat gerade angekündigt,
dass es schon bald die Möglichkeit einer Sammelklage
gibt . - Das wurde später etwas korrigiert, nämlich dahin
gehend, dass die Sammelklage eine Musterfeststellungsklage sein soll; aber immerhin etwas . Nur: Sie ist immer
noch nicht da . Wann kommen Sie zu einem Ende? Oder
ist die alte Ankündigung im Koalitionsdiskurs in schwarzen Löchern verschwunden?
({0})
Sie haben das Wort, Herr Staatssekretär .
Ich will die Aussage eines Parlamentariers über Zeitabläufe hier im Verfahren natürlich nicht kommentieren .
Aber als frühere Bundesministerin, Frau Kollegin, wissen
Sie, dass man bei der Vorlage eines innovativen, neuen
Konzeptes drei Aspekte berücksichtigen muss: Erstens,
man prüft seinen Vorschlag ganz genau, zweitens, man
spricht mit Betroffenen, und drittens, man sucht Unterstützer, bevor man einen Text vorstellt; denn Schaufensterentwürfe zu präsentieren, nützt der Sache auch nichts .
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage .
Schön, dass Sie daran erinnern, wie gut ich mich bei
Verfahrensregeln auskenne . - Es hat ja nicht nur ein Koalitionskollege darüber gesprochen - Sie besprechen ja
viel in den Koalitionsfraktionen; das merken wir immer
im Rechtsausschuss: bevor nicht alle befriedet sind, bekommen wir die entsprechenden Themen nicht auf die
Tagesordnung bzw . abgeschlossen -, sondern auch Gerd
Billen, der Staatssekretär im gleichen Hause wie Sie ist .
Es gab so viele Ankündigungen, dass, finde ich, jetzt
endlich etwas kommen muss . Man kündigt ja nicht an,
wenn man nicht wüsste, dass man bald zu einem Ergebnis kommt . Deshalb meine Frage: Wann wird es an dieser Stelle etwas geben, und geschieht dies noch bis zum
Ende der Legislaturperiode?
Ich sage das bewusst mit Blick auf VW und die
VW-Kunden . Wir brauchen solche Sammelklagen oder
Musterfeststellungsklagen, weil wir die Kunden gerade
bei kleinen Streitwerten nicht alleine lassen können . Die
VW-Kunden in Deutschland werden anders behandelt
als in den USA . Hier werden Rückrufaktionen durchgeführt, die nicht einmal das zuständige Bundesamt für
gute Rückrufaktionen hält . Die Lügensoftware wird verändert, aber der Schadstoffausstoß bleibt immer noch extrem hoch . Da werden die Kunden betrogen . Vielleicht
kommt demnächst ein Fahrverbot für bestimmte Dieselfahrzeuge in den Innenstädten . Dann hätten die Leute
mit Zitronen gehandelt; denn die Schadstoffsoftware ist
weg, aber sie dürfen mit ihren Autos nicht in die Innenstädte fahren . Man sieht doch, dass die Kunden im Fall
VW dringend eine Entscheidung brauchen . Kommt sie?
Kommt sie noch in dieser Legislaturperiode?
Nicht nur der beamtete Staatssekretär Gerd Billen,
sondern auch ich als Parlamentarischer Staatssekretär
habe mehrfach angekündigt, dass wir daran arbeiten wollen, dass wir es vorlegen wollen und dass wir es vor allen
Dingen beschlossen sehen wollen .
({0})
Daran arbeitet das Bundesministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz .
({1})
Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs . Herzlichen Dank für die Beantwortung, Herr Staatssekretär .
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales . Zur Beantwortung
der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin
Gabriele Lösekrug-Möller zur Verfügung .
Ich rufe die Frage 32 der Kollegin Katrin Werner auf:
Welche Bedingungen müssen nach Ansicht der Bundesregierung erfüllt sein, damit das Wunsch- und Wahlrecht in
Bezug auf freie Wahl von Wohnort und Wohnform in Deutschland auch für Menschen mit Behinderungen realisiert wird,
und wie definiert die Bundesregierung den Progressionsvorbehalt in der UN-Behindertenrechtskonvention?
Bitte .
Liebe Kollegin Werner, nach Artikel 4 Absatz 2 der
UN-Behindertenrechtskonvention ist jeder Vertragsstaat
hinsichtlich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte verpflichtet, unter Ausschöpfung seiner verfügbaren Mittel nach und nach die volle Verwirklichung
dieser Rechte zu erreichen . Nach diesem sogenannten
Progressionsvorbehalt steht dem Gesetzgeber bei der
Fortentwicklung des Leistungsrechts nach den Maßgaben der UN-BRK ein entsprechender Gestaltungsspielraum zu .
Im Rahmen der Gestaltung der Leistungen sind angemessene Wünsche der Leistungsberechtigten zu berücksichtigen . Für die Angemessenheit ist die Besonderheit
des Einzelfalls maßgeblich . Dabei sind insbesondere die
Art des Bedarfs, die persönlichen Verhältnisse, der Sozialraum und die eigenen Kräfte und Mittel zu würdigen .
Sofern die Wünsche angemessen sind oder ihre Berücksichtigung nicht zu unverhältnismäßigen Mehrkosten
führt, ist ihnen zu entsprechen . Aber auch unangemessenen Wünschen ist zu entsprechen, wenn ansonsten der
Bedarf nicht oder nicht umfassend gedeckt werden kann
oder alternative Leistungsformen nicht zumutbar sind .
Dabei erfolgt eine individuelle Zumutbarkeitsprüfung .
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .
Ich glaube, dass die Betroffenen, die schon vor der
Sommerpause mit einer Käfig-Aktion auf die Straße
gegangen sind und morgen vor dem Brandenburger Tor
unter dem Motto „Zwangsumsiedlung“ demonstrieren
werden, mit dieser Antwort leider nicht viel anfangen
können, dass ihre Ängste durch Ihre Antwort vielleicht
sogar verstärkt werden; denn Sie sprechen von „angemessen“, von „würdigen“, von „Prüfung“ und vielen
Faktoren, die eine Rolle spielen könnten, aber Sie stellen
die Entscheidung unter einen Vorbehalt . Gerade weil Sie
immer wieder vom Poolen sprechen - „Zwangspoolen“
ist ein immer wiederkehrendes Wort -, haben die Menschen Angst davor, dass entschieden wird, dass sie in
eine andere Wohnform gehen müssen, und das ist nicht
selbstbestimmt . Insofern bitte ich Sie, konkreter zu werden: Haben die Menschen ein Wunsch- und Wahlrecht?
Können sie selbstbestimmt entscheiden, oder hängt die
Entscheidung von dem Mitarbeiter in der Verwaltung ab?
Wenn die Entscheidung von dem Verwaltungsmitarbeiter abhängig ist - diese Frage habe ich hier schon ein
paarmal gestellt -, dann ist sie auch vom kommunalen
Haushalt abhängig . Spätestens 2020, wenn die Schuldenbremse in den Bundesländern angeblich greift, würde
in dem einen oder anderen Bundesland diese Angst die
Menschen erst recht umtreiben .
Bitte .
Ich antworte gerne . - Liebe Kollegin Werner, ich glaube, wir beide sind froh, in einem Land zu leben, in dem
freie Meinungsäußerung möglich ist . Deshalb habe ich
großen Respekt vor all dem, was in der Diskussion über
den Entwurf eines Bundesteilhabegesetzes - das ist, wie
ich finde, ein wirklich sehr großes Gesetzesvorhaben vorgetragen wird . Der Gesetzentwurf wird morgen ins
Parlament eingebracht . Dann haben es die Abgeordneten
dieses Hauses in der Hand, Veränderungen vorzunehmen .
Wir legen einen Gesetzentwurf vor . Das ist die Aufgabe
der Bundesregierung . Ich will Ihnen sagen: Dieser Gesetzentwurf ist aus meiner Sicht auch in dieser Hinsicht
so gestaltet, dass keine Willkür hinsichtlich der Ausgestaltung des Wunsch- und Wahlrechts herrschen kann .
Das gilt auch für das geltende Recht . Auch wie Ermessen ausgeübt wird, ist nicht beliebig . Insofern sage ich
zu dem, was Sie in Ihrer Frage unterstellt haben: Dieser
Bewertung kann die Bundesregierung nicht zustimmen .
Gleichwohl stimme ich Ihnen zu, dass das Wunschund Wahlrecht ein sehr großes Thema ist . Das gilt insbesondere für die Frage des Wohnortes und der Wohnform .
Meines Erachtens ist in dem Gesetzentwurf, den wir jetzt
zur Beratung vorlegen, angelegt, dass das angemessen
entschieden werden kann . Sollte das Parlament die Regelungen noch verfeinern, glaube ich, wird die Bundesregierung das sehr gerne zur Kenntnis nehmen .
Sie haben das Recht zur zweiten Nachfrage . Ich bitte,
die vereinbarte Zeit zu beachten .
Stoßrichtung meiner Frage ist das Poolen, also die
Gruppenleistung - entweder Sie bestätigen meine Auslegung bzw . Befürchtung, oder Sie widersprechen -: Die
Verwaltung kann unter dem Gesichtspunkt des Mehrkostenvorbehalts eine Entscheidung zugunsten einer Poolleistung treffen, also einer Gruppenleistung - zum Beispiel hinsichtlich der Wohnform -, die vom Betroffenen
nicht freiwillig gewählt würde . Insofern ist mir nicht klar,
wie man Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen möchte .
Frau Staatssekretärin .
Frau Kollegin Werner, ich glaube, zum Progressionsvorbehalt in Bezug auf die Umsetzung der UN-BRK habe
ich genug gesagt . Was das gemeinsame Inanspruchnehmen von Leistungen anbelangt, sieht der Gesetzentwurf
vor, dass das nur bei ganz bestimmten Leistungsarten
möglich ist . Ich denke, wir haben eine sehr angemessene
Regelung vorgeschlagen, wann eine gemeinschaftliche
Inanspruchnahme zumutbar ist . Ich weise hier noch einmal darauf hin: Sollte sie im Einzelfall nicht zumutbar
sein, darf auch die Wirtschaftlichkeit nicht geprüft werden . Das ist schon Gegenstand des Gesetzentwurfs, über
den ab morgen das Parlament beraten wird .
Ich erlaube mir, jetzt die Gelegenheit zu nutzen, noch
auf einen meines Erachtens von Ihnen nicht zu Recht
dargestellten Zusammenhang von Haushaltslagen von
Kommunen und einem Rechtsanspruch auf Leistungen
der Eingliederungshilfe hinzuweisen . Er kann nicht unter dem Vorbehalt der finanziellen Möglichkeiten einer
Kommune stehen .
Danke . - Wir kommen zur Frage 33 der Kollegin
Katrin Werner:
Welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung hinsichtlich der Kritik von Selbstvertretungsorganisationen, dass
Menschen mit Behinderungen, die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Leistungen erhalten, keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe haben und somit von einer gesellschaftlichen
Teilhabe ausgeschlossen sind?
Bitte, Frau Staatssekretärin .
Ich antworte darauf wie folgt: Derzeit wird vonseiten
der Bundesregierung kein gesetzlicher Handlungsbedarf
gesehen . Die von Ihnen in der Frage mitgeteilte Auffassung, wonach Menschen mit Behinderungen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten,
keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe haben, ist so
nicht zutreffend . Zwar besteht für den genannten Personenkreis während der ersten 15 Monate ihres Aufenthalts
im Bundesgebiet nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
kein allgemeiner Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe - dem liegt die gesetzgeberische Wertung
zugrunde, dass mangels anerkanntem dauerhaftem Integrationsbedarf in die deutsche Gesellschaft Leistungen
der gesellschaftlichen Teilhabe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz grundsätzlich nicht beansprucht werden
können -, jedoch bietet die Sonderregelung in § 6 Absatz 1 Asylbewerberleistungsgesetz eine Grundlage, die
im Einzelfall auch die Gewährung von Leistungen der
Eingliederungshilfe ermöglicht . Diese können nach § 6
Absatz 1 Asylbewerberleistungsgesetz gewährt werden,
wenn dies zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich
oder zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern
geboten ist . Bei der Auslegung und Anwendung dieser
Norm obliegt es den Leistungsbehörden nach dem zitierten Gesetz, europarechtliche Vorgaben einzuhalten und
den Wertentscheidungen völkerrechtlicher Verträge und
des Grundgesetzes Rechnung zu tragen .
Ich führe auch gerne noch aus: Nach einem fünfzehnmonatigen Aufenthalt im Bundesgebiet haben die Leistungsberechtigten nach Asylbewerberleistungsgesetz gemäß § 2 Absatz 1 Anspruch auf Leistungen entsprechend
dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch . Insofern gilt für
sie hinsichtlich der Eingliederungshilfe die Sonderregelung in § 23 Absatz 1 SGB XII, die die Gewährung von
Eingliederungshilfeleistungen in das Ermessen der Behörde stellt .
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage . - Sie verzichten . - Danke, Frau Staatssekretärin .
Dann kommen wir zur Frage 34 des Kollegen Volker
Beck:
Inwiefern hält es die Bundesregierung für vereinbar mit den
Vorgaben von Artikel 19 Absatz 2 und Artikel 25 Absatz 1 der
Aufnahmerichtlinie, Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ({0}) medizinische und sonstige
Hilfe lediglich in dem von den §§ 4 und 6 AsylbLG vorgesehenen Umfang zu gewähren, obwohl die Aufnahmerichtlinie die
Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Antragstellern mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe, einschließlich einer gegebenenfalls erforderlichen
psychologischen Behandlung, zu gewähren und Opfern von
Folter, Vergewaltigung und anderen schweren Gewalttaten
einen Anspruch auf medizinische Behandlung einzuräumen
({1}), und wie wird
die Bundesregierung die unionsrechtskonforme Leistungsgewährung sicherstellen?
Bitte, Frau Staatssekretärin .
Herr Kollege Beck, ich antworte wie folgt: Die Bundesregierung hat der Kommission am 11 . April mitgeteilt, wie die Richtlinie 2013/33/EU - das ist die Bezeichnung -, die sogenannte Aufnahmerichtlinie, in das Recht
der Bundesrepublik Deutschland umgesetzt wurde . Dies
erfolgte fristgerecht auf die Stellungnahme der Kommission vom 10 . Februar dieses Jahres .
Für das Asylbewerberleistungsgesetz gilt, dass die
Öffnungsklausel des § 6 Absatz 1 - er wurde gerade
schon in einer anderen Antwort erwähnt - den zuständigen Leistungsbehörden die Möglichkeit eröffnet, besonderen, auch medizinischen, Bedürfnissen schutzbedürftiger Personen, etwa im Hinblick auf eine Versorgung mit
psychotherapeutischen Behandlungsleistungen, im Sinne
der Aufnahmerichtlinie im Einzelfall Rechnung zu tragen, wenn dies zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich oder zur Deckung der Bedürfnisse von Kindern geboten ist. Die Pflicht zur Identifizierung dieser Personen
obliegt den Ländern .
Ich will noch anfügen: Unbeschadet dessen prüft die
Bundesregierung derzeit, ob noch weiterer bundesrechtlicher Regelungsbedarf besteht, etwa im Hinblick auf die
einheitliche Umsetzung der Richtlinienvorgaben in den
Ländern .
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .
Frau Staatssekretärin, die Diakonie Deutschland hat
in einer Stellungnahme zu dem Entwurf eines Gesetzes
zur Ermittlung von Regelbedarfen festgestellt, dass die
Leistungen für Erwachsene darin um rund 140 Euro unsachgemäß gekürzt worden sind . Was entgegnen Sie dieser Kritik, die sich ja auf Euro und Cent genau mit den
jeweiligen Beträgen umfangreich auseinandersetzt?
Diese Bewertung macht sich die Bundesregierung
nicht zu eigen .
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage .
Sachlich haben Sie dem nichts entgegenzusetzen?
Frau Staatssekretärin, im Ernst: Ich erwarte schon, dass
Sie, wenn Sie hier einen Gesetzentwurf vorlegen und es
von einem der Spitzenverbände der Wohlfahrtspflege
eine detaillierte Kritik an Ihren Vorstellungen gibt, nicht
nur sagen, dass Sie anderer Auffassung sind, sondern
dem Parlament auch mitteilen, warum Sie anderer Auffassung sind . Die Diakonie in Deutschland kommt bei
ihren Berechnungen zu einer Differenz von immerhin
140 Euro, von der sie sagt, sie sei unsachgemäß .
Sie haben das Wort .
Herr Kollege Beck, wir beide sind schon lange im Parlament und wissen, dass es bei jedem Gesetzgebungsvorhaben ein Prozedere gibt, das immer auch eine Verbändeanhörung beinhaltet. Diese findet natürlich zu jedem
Gesetzesvorhaben statt. Wir haben es sehr häufig, dass
Wohlfahrtsverbände, deren Arbeit ich sehr schätze und
respektiere - ich will daran keinen Zweifel lassen -, im
Hinblick auf das, was wir vorschlagen, zu einer anderen
rechtlichen Bewertung kommen .
({0})
Das ist auch in diesem Fall so . Aus der Sicht meines Hauses und der Bundesregierung haben wir uns damit hinreichend auseinandergesetzt . Wir kommen eben zu genau
dem Vorschlag, der jetzt Gegenstand ist .
({1})
Danke, Frau Staatssekretärin .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft . Die Fragen 35 und 36 der Kollegin Ronja Schmitt, die Frage 37
des Kollegen Friedrich Ostendorff und die Fragen 38 und
39 der Kollegin Bärbel Höhn werden schriftlich beantwortet .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung . Die Frage 40 des Kollegen
Omid Nouripour und die Fragen 41 und 42 des Kollegen
Dr . Alexander S . Neu werden schriftlich beantwortet .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend . Die
Fragen 43 und 44 der Kollegin Beate Walter-Rosenheimer
werden ebenfalls schriftlich beantwortet .
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur .
Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische
Staatssekretär Enak Ferlemann zur Verfügung .
Wir kommen zu den Fragen 45 und 46 des Kollegen
Matthias Gastel, den ich im Moment nicht entdecken
kann . - Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung
vorgesehen .
Die Fragen 47 und 48 des Kollegen Stephan Kühn
werden schriftlich beantwortet .
Dann danke ich Ihnen, Herr Staatssekretär, für die Bereitschaft zur Beantwortung der Fragen .
Damit sind wir am Ende der Fragestunde .
Ich unterbreche die Sitzung des Plenums des Bundestages bis zum Beginn der Aktuellen Stunde um 15 .40 Uhr .
({0})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet .
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Konzentration in der Agro- und Saatgutindustrie durch die geplante Fusion der Bayer AG
und Monsanto
Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat die Kollegin
Katharina Dröge für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Seit letzter Woche ist offiziell: 59 Milliarden
Euro will Bayer für den Gentechnikkonzern Monsanto
hinlegen; eine Riesensumme für ein Unternehmen mit
einem ziemlich schlechten Ruf .
Ich könnte heute lange darüber sprechen, warum
ich diese Fusion allein aus unternehmerischer Sicht für
Bayer nicht nachvollziehbar finde: das hohe finanzielle
Risiko, aber auch der immense Imageschaden, der damit
für Bayer verbunden ist . Aber ich glaube, das ist nicht
das Thema, mit dem wir uns als Deutscher Bundestag
beschäftigen müssen . Das Thema, um das es uns heute
gehen sollte, sind die gesamtwirtschaftlichen Folgen einer Fusion; die Folgen für die Verbraucherinnen und Verbraucher, die Folgen für die anderen Unternehmen und
auch die Folgen für die Umwelt .
Bei einem Blick auf die Folgen einer Fusion von
Bayer und Monsanto sieht es schlecht aus . Schon jetzt
haben Bayer und Monsanto auf dem Saatgut- und Pestizidmarkt enorme Marktanteile und enorme Marktmacht .
Eine Fusion dieser beiden Unternehmen würde zu einem Megakonzern führen, der weltweit fast ein Drittel
des Saatgutes und ein Viertel der Pestizide kontrollieren
würde . Die Verliererinnen und Verlierer dieses neuen megamächtigen Konzernes wären unter anderem die Landwirtinnen und Landwirte, die einem noch höheren Druck
ausgesetzt wären . Sowohl den Landwirten in Deutschland als auch den Kleinbauern in den Entwicklungsländern könnte diese Fusion die Lebensgrundlage entziehen .
Bei einer Fusion von Bayer und Monsanto erwarten
wir, dass es für die Verbraucherinnen und Verbraucher
massive negative Effekte geben wird . Es wird zu einer
Verschlechterung im Bereich der Lebensmittel kommen,
zu einer Verschlechterung der Auswahl . Mehr als 70 Prozent der Deutschen sagen, sie wollen kein Genfood auf
ihrem Teller . Aber genau das ist ein Teil der Strategie der
Fusion von Bayer und Monsanto .
({0})
Mit dieser Marktmacht von Bayer und Monsanto wird
auch der politische Einfluss dieses neuen Megakonzernes
steigen, etwa der politische Einfluss in Brüssel. Wir sehen schon jetzt den Einfluss, den beide Konzerne bei der
Zulassung von Glyphosat ausüben . Wir sehen schon jetzt
den Einfluss, den beide in den USA und hier in Europa bei der Kennzeichnung von Gentechnik und anderem
ausüben. Dieser politische Einfluss wird steigen, wenn
diese beiden Konzerne fusionieren . Auch das müssen wir
uns anschauen, und auch das müssen wir diskutieren .
({1})
Aus diesem Grund sage ich: Die Kartellbehörden
müssen sehr genau hinschauen, ob sie diese Fusion genehmigen wollen oder nicht . Da höre ich sehr negative
Signale von den Expertinnen und Experten, sowohl auf
europäischer Ebene als auch von deutschen Kartellrechtlern . Viele Experten sagen: Eigentlich kann man diese
Fusion gar nicht verhindern; denn beide Unternehmen
agieren auf unterschiedlichen Märkten, das eine auf dem
Saatgutmarkt, das andere auf dem Pestizidmarkt . Das
seien zwei unterschiedliche Märkte . Damit könne nicht
festgestellt werden, dass die Marktmacht relevant steige .
Ich sage Ihnen: Wer so eine verengte, so eine altmodische Blickweise im Bereich des Kartellrechts hat, der
trägt den Gefahren und Risiken sowie der wirtschaftlichen Bedeutung dieses Konzerns nicht Rechnung .
({2})
Denn was ist das wirtschaftliche Ziel dieser Fusion?
Warum ist Bayer bereit, fast 60 Milliarden Euro für so
einen Konzern wie Monsanto auszugeben? Es geht genau
um die Marktmacht, die durch die Fusion beider Konzerne entstehen wird . Denn Bayer und Monsanto wollen gemeinsam Koppelprodukte verkaufen . Bayer und
Monsanto setzen gerade darauf, eine Kombilösung aus
Saatgut und Pestizid anzubieten und den Bäuerinnen und
Bauern zu sagen: Wenn du mein Saatgut kaufst, dann
musst du das Pestizid dazukaufen, und ich habe Saatgut,
das genau auf dieses Pestizid optimiert wird .
Damit wird die Marktmacht eben nicht auf beiden
Märkten separat in irgendeiner Weise betroffen sein, sondern die Marktmacht wird auf beiden Märkten zunehmen
und einen massiven Einfluss bringen. Wenn die Bundeskartellbehörden das nicht berücksichtigen, dann greifen
sie zu kurz . Es ist gerade bei integrierten Konzernen, bei
großen, international agierenden Konzernen im Wettbewerbsrecht in der letzten Zeit immer häufiger zu beobachten gewesen, dass die Blickweise des Bundeskartellamts und der Europäischen Kommission zu eng war .
Dasselbe war bei der Fusion zwischen Facebook und
WhatsApp zu sehen . Auch da haben die Wettbewerbsbehörden gesagt: Das sind zwei unterschiedliche Märkte;
Facebook und WhatsApp agieren auf unterschiedlichen
Märkten . - Wir haben gesagt: Nein, beide haben einen
Messengerdienst, und die Fusion zielt darauf, dass Facebook einen unliebsamen Konkurrenten vom Markt wegkaufen will .
Kurze Zeit nach der Fusion haben wir festgestellt:
Facebook hat die AGBs verschlechtert, also eine massive Marktverschlechterung für die Konsumentinnen und
Konsumenten durchgesetzt . Jetzt, zwei Jahre später, beschäftigt sich die Europäische Kommission damit . Jetzt
hat auch das Bundeskartellamt angefangen, sich mit der
Frage der Datenschutzverschlechterung auseinanderzusetzen . Aber ich sage Ihnen: Das ist zu spät .
Wenn man solche Fusionen betrachtet, dann muss man
am Anfang ansetzen, und dann müssen wir darüber reden, ob wir die Marktabgrenzung nicht anders definieren
müssen . Dabei ist es gegebenenfalls auch notwendig das wird sich bei der Fusion von Bayer und Monsanto
zeigen -, dass wir eine Reform des Wettbewerbsrechts
auf europäischer Ebene und gegebenenfalls auch auf
nationaler Ebene durchführen, damit diese Fusion von
Bayer und Monsanto verhindert werden kann .
({3})
Der Kollege Dr . Matthias Heider hat für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau
Kollegin Dröge, das ist wieder einmal eine ganz vorschnelle Aktuelle Stunde, die wir heute auf Ihr Verlangen
abhalten .
({0})
Ich dachte eigentlich schon heute Morgen im Wirtschaftsausschuss, wir wären uns darüber einig gewesen,
dass politischer Druck auf Kartellbehörden eben nicht
das ist, was wir wollen . Ich glaube, mit dieser Aktuellen
Stunde machen wir gerade genau das Gegenteil .
Kennen Sie den Inhalt des Übernahmevertrages der
beiden Parteien? Haben Sie ihn gelesen? Hat irgendein
Mitglied dieses Hauses ihn gelesen?
({1})
Nein, Sie haben ihn nicht gelesen . Sie blicken auf Marktdaten, stellen Vermutungen an und machen das zu einer
Grundlage für eine Aktuelle Stunde . Das ist ein bisschen
dürftig, meine Damen und Herren .
({2})
Wenn wir uns die einzelnen Punkte ein bisschen näher
anschauen, dann geht es vor allen Dingen um die Frage:
Was prüfen Kartellbehörden eigentlich, wenn es denn
so weit ist? Wir müssen zunächst einmal bestimmen,
welche Märkte betroffen, welche Märkte relevant sind .
Bayer und Monsanto müssen dann nachweisen, wie die
Verhältnisse der Produktion für diese Märkte bei ihnen
wirklich sind .
Ein kurzer Überblick - das hätten Sie auch machen
können - zeigt aber Folgendes: Bayer ist auf dem Gebiet der Chemie, der Gesundheit und der Agrochemie
tätig . Im Geschäftsjahr 2015 hat Bayer einen Umsatz
von 46 Milliarden Euro erzielt . Monsanto produziert
Saatgut für Obst, Gemüse und Nutzpflanzen wie Mais,
Sojabohnen und Baumwolle, und das maßgeblich für den
amerikanischen Markt, mit einem Volumen von ungefähr 15 Milliarden Dollar . Überschneidungen zwischen
den beiden Unternehmen - man spricht dabei übrigens
von deckungsgleichem Geschäft, und ausschließlich um
diesen Aspekt wird es gehen - gibt es auf den Gebieten
Pflanzenschutz und Saatgut.
Dass die Übernahme von Monsanto durch Bayer
Bayer zur weltweiten Nummer eins im Geschäft mit
Agrochemie machen wird, ist, glaube ich, insgesamt eher
ein Vorteil als ein Nachteil .
({3})
Nicht zu verkennen ist, dass in diesem Bereich große Fusionen wie von Dow und DuPont und von Syngenta und
ChemChina stattfinden. Eine Marktbetrachtung muss
deshalb auch das berücksichtigen .
Bayer ist ein Vorzeigeunternehmen in Deutschland .
Es liegt in unserem nationalen Interesse, dass wir einen
wettbewerbsfähigen Marktteilnehmer im internationalen
Geschäft heben, der sich europäischen Standards verpflichtet fühlt, die gute Standards sind und für die wir
auch in internationalen Verträgen eintreten .
({4})
- Erst einmal zuhören, Frau Künast!
({5})
Darüber hinaus prüfen die Behörden die Auswirkungen auf Bauern und Verbraucher . Hier müssen wir uns
kritisch mit den Informationen auseinandersetzen . Das
geht aber nicht über einzelne Produkte, die Ihnen vielleicht die Haare zu Berge stehen lassen, mit denen Sie
sich aber auseinandersetzen müssen .
Im Übrigen ist die Eigentümerstruktur ein ganz interessanter Aspekt . BlackRock ist sowohl an Bayer als
auch an Monsanto beteiligt . Ob dadurch wirklich eine
Auswirkung auf den Wettbewerb besteht, werden die
Kartellbehörden im Einzelnen nachprüfen müssen . Das
liegt nicht ohne Weiteres auf der Hand .
Diese Prüfungen dauern eine Zeit lang . Deswegen ist
die Union überrascht, dass Sie schon heute eine Aktuelle
Stunde dazu lostreten .
({6})
Diese Verfahren sind nicht von heute auf morgen durchzuführen . Wenn Sie sich wenigstens angesehen hätten,
welche Wirkung das für den Bereich Forschung und Entwicklung haben wird, dann hätten Sie erkannt, dass die
Synergien, die die beiden Unternehmen im Bereich der
Agrochemie darstellen können, immerhin ein Volumen
von 2,5 Milliarden Euro haben . 2,5 Milliarden Euro für
Forschung und Entwicklung! Ich wäre als Wirtschaftspolitiker ganz zufrieden, wenn wir das am Standort
Deutschland halten würden und nicht irgendwo anders
in der Welt .
({7})
Der letzte Aspekt, der ebenso wichtig ist, ist: Die Welt
wird von immer mehr Menschen bevölkert . Wir werden
für die Nahrungsversorgung der Menschen in den nächsten Jahrzehnten Lösungen brauchen .
({8})
Ich glaube, dass integrierte Lösungen, die in den Bereichen Saatgut und Pflanzenschutz angesiedelt sind, dazu
einen guten Beitrag leisten . Der Beitrag ist nicht, dass
wir nichts tun, Frau Künast . Unser Beitrag besteht darin,
mutig nach vorne zu schauen und nicht in den Rückspiegel .
Danke schön .
({9})
Das Wort hat die Kollegin Eva Bulling-Schröter für
die Fraktion Die Linke .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Im Wort „Konzern“ steckt schon das Wort „Konzentration“ . Was aber jetzt mit der Übernahme von Monsanto
durch den Bayer-Konzern entsteht, ist ein bislang nicht
gekannter Superkonzern, der größte Agrokonzern der
Welt . Das sollte uns das Fürchten lehren . Ich sage Ihnen:
Ich empfinde dies als massive Bedrohung. Wir haben damit im Agrarbereich eine bislang nicht gekannte Machtkonzentration und damit eine ungeheuerliche Kontrolle
über die Ernährung, die Gesundheit und das Leben von
Milliarden Menschen . Ich gebe zu: Das macht mir Angst .
Sicherlich geht es vielen Menschen genauso .
({0})
Der neue Konzern wird das weltweite Geschäft mit
Saatgut und Pestiziden kontrollieren . Die Ernährung
der Weltbevölkerung liegt damit in der Hand eines Superkonzerns, und es ist keine Menschenliebe, die diesen Konzern treibt . Es ist der Griff nach dem Leben der
Menschen, die totale Kontrolle der Ernährungsgrundlage
von Milliarden . Mit dem Geschäftsmodell von Bayer/
Monsanto wird es keine Artenvielfalt bei Insekten und
Vögeln mehr geben . Die Sortenvielfalt bei Getreide, Gemüse und Früchten wird beschränkt . Der Konzern wird
die Preise diktieren und noch mehr Bauern in Armut
stürzen . Für die Soja- und Maismonokulturen werden im
gleichen Konzern unwahrscheinliche Mengen an Pestiziden produziert . Der Konzern setzt auf Genmanipulationen in großem Stil . Die Folge dieses Horrors sind auf
Jahre kaputte Böden und Gefährdung des Grundwassers .
Es sind die Lebensgrundlagen, die mit diesem Chemiekonzern zerstört werden . Dies ist der größte Zugriff auf
das Leben, den es je gegeben hat . Das wollen wir nicht
zulassen .
({1})
Bayer war schon einmal der größte Chemiekonzern
der Welt, vor rund 75 Jahren . Ich möchte hier nicht die
Geschichte dieses Konzerns aufrollen . Aber eines war
schon immer Sache des Bayer-Konzerns und seiner Vorgänger: die Einteilung in richtiges und falsches Leben .
Heute sprechen wir von Biopatenten, die genau dafür
stehen: das vermeintlich Richtige zu verbreiten und das
vermeintlich Falsche auszumerzen . Der Konzern macht
damit Profit.
Ich bin schon lange Mitglied im Beirat der Coordination gegen Bayer-Gefahren, die mit den Kritischen
Aktionären hervorragende Aufklärungsarbeit leistet . Sie
informieren zum Beispiel, welche weltweiten Marktanteile der neue Superkonzern erreicht: Bei Pestiziden sind
es 25 Prozent, beim Saatgut für Ackerböden rund 30 Prozent und bei Genpflanzen weit über 90 Prozent. 90 Prozent, meine Damen und Herren! Da frage ich mich: Wollen wir das wirklich? Sie schon, aber die anderen nicht .
Mit der Fusion ist der Superkonzern dem Weltmarktmonopol für die gesamte Agrarwirtschaft gefährlich nahe
gekommen . Ich sage Ihnen: Das dürfen wir nicht zulassen .
({2})
66 Milliarden Dollar: Das ist die größte Investition eines
deutschen Konzerns im Ausland . Dieses Geschäft wird
sich Bayer durch TTIP absichern lassen wollen . Handelshemmnisse sollen fallen, damit der Superkonzern freie
Bahn hat und die Märkte in Europa für die Gentechnikprodukte aus den USA geöffnet werden . An dem neuen
Superkonzern kommt dann niemand mehr vorbei .
Es geht darum, für Glyphosat die Bahn freizumachen,
und zwar möglichst unbefristet . Bahn frei für Gentechnik
auch auf unseren Äckern . Nur Monsantos gentechnisch
manipulierte Designerpflanzen überleben Glyphosat
überhaupt . Alles andere überlebt auf den Äckern nicht .
Es heißt, dass Frau Merkel gute Kontakte zum Aufsichtsratsvorsitzenden von Bayer pflegt. Sie hatte sich im
August überraschend für Monsantos Pflanzenschutzmittel Glyphosat ausgesprochen, das die Weltgesundheitsorganisation für wahrscheinlich krebserregend hält .
Ich erwarte jetzt, dass das Kartellamt bei dieser Fusion
einschreitet . Wir brauchen genau das Gegenteil der weltweiten großtechnischen Monopolisten, das Gegenteil
dieses Irrsinns von Weltkonzernen, die immer größer und
gefräßiger werden . Wir sollten unsere Gesundheit sowie
die Selbstbestimmung über unsere Ernährung eben nicht
diesem Chemie- und Gentechnikkonzern ausliefern .
({3})
Die Mehrheit der Bevölkerung hier in Europa wünscht
das nicht . Wir wollen keinen Genfraß . Den wollen wir
weder aus den USA noch aus anderen Ländern, sondern
wir wollen gesunde Lebensmittel . Und wir wollen den
Zugriff auf unsere Lebensmittel selbst behalten und ihn
nicht Konzernen für deren Profit opfern.
({4})
Die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß hat für die
SPD-Fraktion das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Jetzt beginnt eine neue Zeit in der Landwirtschaft eine Zeit mit bedeutenden Herausforderungen, die
neue nachhaltige Lösungen und Technologien verlangt, …
Wenn es mir nicht direkt im Halse stecken bleiben
würde, würde ich über diesen Teil der Pressemitteilung
aus dem Hause Bayer zur Fusion mit Monsanto lachen;
denn Monsantos Geschäftsmodell ist ja bekanntermaßen
sehr weit von allem entfernt, was tatsächlich nachhaltig
ist .
({0})
Das betrifft vor allem das gentechnisch veränderte Saatgut, mit dem der Konzern einen großen Teil seines Geldes verdient .
Seit Jahrzehnten verspricht Monsanto, dass damit der
Hunger in der Welt besiegt werden kann . Genau das steht
jetzt auch wieder in der eingangs zitierten Pressemitteilung: Man könne nun die Herausforderungen unserer
Zeit besser meistern und bis zum Jahr 2050 zusätzlich
3 Milliarden Menschen ernähren . - Ich bin es so leid,
ständig diese Versprechen zu hören . Es gibt sie nämlich
nicht, diese wunderbaren neuen Pflanzen, die Dürren
besser überstehen oder Kleinbauern in Entwicklungsländern höhere Erträge bringen .
Monsanto macht sein Geld bisher vor allem mit gentechnisch veränderten Pflanzen, die gegen das ebenfalls
von Monsanto verkaufte Glyphosat unempfindlich sind,
({1})
mit gentechnisch veränderten Pflanzen, die - bestimmt
für die Fleisch- und Milchproduktion in Industrieländern - vor allem ins Tierfutter gehen . Das hilft nirgendwo auch nur irgendeinem hungernden Kind .
({2})
Die „Wir besiegen den Hunger“-Slogans sind reine PR mehr nicht . Diese Gentechnik, die weltweit den Bauern,
den Verbraucherinnen und Verbrauchern bzw . einer gesamten Gesellschaft nutzt, gibt es nicht .
Der Bayer-Konzern, der immerhin 60 Milliarden Euro
für Monsanto bezahlt hat - ich habe gelesen, dass das
Geld eigentlich gar nicht da ist -, muss dieses Geld jedenfalls wieder hereinholen . Gerade weil ich mich schon
seit einiger Zeit mit Gentechnik und mit Monsanto beschäftige, habe ich erhebliche Zweifel daran, dass dies
tatsächlich auch auf nachhaltigem Wege und zum Nutzen
von Bauern, von Verbraucherinnen und Verbrauchern
und der Umwelt passieren wird und nicht ausschließlich zum Nutzen der Aktionäre . Nachhaltigkeit bedeutet,
Vielfalt zu fördern und nicht auf Patente zu setzen, die
sich Kleinbauern gar nicht leisten können . Nachhaltigkeit
bedeutet auch, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in
der Landwirtschaft so gering wie möglich zu halten und
nicht Landwirte noch abhängiger von einem Anbieter zu
machen .
({3})
Der Presse entnehme ich, dass die Kartellbehörden den
Zusammenschluss als unproblematisch bewerten könnten . Monsanto sei ja vor allem in Amerika aktiv, Bayer in
Europa . Allerdings hätte Bayer offenbar nach der Fusion
einen Marktanteil von 90 Prozent bei gentechnisch verändertem Saatgut . Und das soll kein Monopol sein? Ich
hoffe, dass die Kartellbehörden sehr genau hinschauen .
Ich sehe hier eine massive Marktkonzentration und
damit Marktmacht . Je weniger Konzerne den Markt dominieren, desto weniger haben wir - ich meine uns alle
als Verbraucherinnen und Verbraucher - eine Chance,
selbst zu bestimmen, was wir essen .
({4})
Gleichzeitig laufen wir Gefahr, dass unser aller politisches Engagement für eine nachhaltigere Landwirtschaft
schlicht verpufft, weil wir eine solche Marktmacht und
Dominanz einiger weniger Konzerne im Nachhinein gar
nicht mehr eingrenzen können .
Ich bin deshalb höchst besorgt über diese Fusion, und
ich kann nur an die Aufsichtsbehörden appellieren, besonderes Augenmerk auf die Folgen dieses Deals für uns
alle, für die Landwirte und für die Verbraucherinnen und
Verbraucher, sowie für die Umwelt zu richten .
Vielen Dank .
({5})
Vielen Dank . - Für die CDU/CSU-Fraktion spricht
jetzt Dr . Kristina Schröder .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Worüber reden wir heute?
({0})
Eigentlich darüber, dass ein großes und traditionsreiches
deutsches Unternehmen ein amerikanisches Unternehmen übernimmt - ein in der Tat großer Deal, bei dem sich
zwei Unternehmen zusammenschließen, deren Portfolio
und deren Pipeline sich in hohem Maße ergänzen . Das
künftige Unternehmen wird ein deutsches Unternehmen
sein und bewegt sich damit im regulatorischen Rahmen
der EU und der Bundesrepublik Deutschland . Und diesen
Rahmen setzen wir hier als Deutscher Bundestag .
({1})
Aber so nüchtern betrachtet die Opposition in diesem
Haus das leider nicht .
Im Kern geht es in der heutigen Debatte nämlich nicht
um die Übernahme; es geht um Monsanto an sich .
({2})
In der Tat kann man sich kritisch mit Monsanto auseinandersetzen . Man kann diskutieren über manche Geschäftsmodelle, über einige Vertragskonditionen, über den Umgang des Unternehmens mit Patenten . Über all das kann
man sachlich diskutieren .
({3})
Aber was machen Sie, vor allen Dingen Sie von den Grünen?
In einigen Wochen, am 14 . Oktober, wird auf dem
Platz vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den
Haag ein Schauprozess inszeniert werden,
({4})
unterstützt von Attac, Greenpeace, manchem dubiosen
Wissenschaftler - und von Renate Künast,
({5})
sogenannte Botschafterin dieses selbsternannten Tribunals .
({6})
Angeklagt: Monsanto . Und zwar wegen - ich zitiere aus
einem Schreiben Renate Künasts - „Verbrechen gegen
die Menschlichkeit und Ökozids“ .
({7})
Meine Damen und Herren, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit! Ökozid! Das ist ein Begriff, der bewusst
dem Begriff des Genozids, des Völkermords, nachgebildet ist . Geht es nicht auch eine Nummer kleiner?
({8})
Was Sie hier machen, das ist keine Diskussion, das ist
eine Dämonisierung: eine Dämonisierung eines Unternehmens, eine Dämonisierung einer ganzen Branche,
eine Dämonisierung einer ganzen Technologie .
({9})
Sie unterteilen die Welt ja gern in Gut und Böse: hier
die böse Gentechnik, dort die gute Biolandwirtschaft;
hier die böse Industrienahrung, dort die guten Ökoprodukte; hier die bösen Lobbyisten, dort die guten Interessenvertreter . Tatsachen lassen sich aber mit einer ideologischen Brille nicht rational erfassen .
({10})
Gerade bei neuen Technologien bedarf es einer rationalen Bestandsaufnahme . Bewiesene Risiken multipliziert
mit der Eintrittswahrscheinlichkeit müssen abgewogen
werden gegen Chancen, die auch wiederum multipliziert
werden müssen mit ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit .
({11})
Das bedeutet für die Grüne Gentechnik nach heutigem
Stand der Wissenschaft: Gentechnisch veränderte Pflanzen
({12})
werden heute weltweit in 20 Ländern von circa 20 Millionen Landwirten angebaut auf über 150 Millionen Hektar Ackerfläche.
({13})
Im Vergleich: Deutschland ist gerade einmal 35 Millionen Hektar groß . In den letzten 25 Jahren haben sich
mehr als 500 unabhängige Forscherteams mit Untersuchungen zur biologischen Sicherheit transgener Pflanzen
beschäftigt .
({14})
In keiner dieser Untersuchungen konnten negative Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen
festgestellt werden,
({15})
auch nicht bei den vieldiskutierten Auskreuzungen .
({16})
Es gibt aber auf der anderen Seite beachtliche Chancen, etwa durch den Einsatz des sogenannten Genome
Editing,
({17})
der größten methodischen Innovation in der Mikrobiologie seit mehr als 20 Jahren,
({18})
die es mit einer nicht gekannten Präzision und Erfolgsaussicht ermöglicht, Pflanzen resistent gegen Krankheiten zu machen,
({19})
Abstoßungsreaktionen bei gespendeten Organen zu vermindern und sogar Antibiotikaresistenzen zu bekämpfen .
({20})
Beachtliche Chancen gibt es aber auch für unsere
deutsche Wirtschaft . Es wäre ja ganz schön, wenn es wieder einmal eine Technologie gäbe, bei der Deutschland
voranschreitet und sich nicht ängstlich wegduckt .
({21})
Beachtliche Chancen gibt es auch für die Bekämpfung
von Hunger und Krankheit in der Welt .
({22})
Der sogenannte Goldene Reis, der mit Vitamin A versetzt ist, könnte jedes Jahr 250 000 bis 500 000 Kinder
vor der Erblindung bewahren .
({23})
Das kann Sie doch nicht kaltlassen .
({24})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, 10 Milliarden Menschen werden 2050 auf unserer Welt leben . Um
alle Menschen satt zu bekommen, müssen die Landwirte
unserer Welt ihren Ertrag nahezu verdoppeln . Hier die
Chancen einer vielversprechenden Technologie ohne
Dr. Kristina Schröder ({25})
fundierten Beweis ihrer Schädlichkeit einfach abzulehnen und entsprechende Unternehmen zu verteufeln,
({26})
das ist naiv,
({27})
das ist verantwortungslos, und das ist auch dekadent .
({28})
Vielen Dank . - Nächster Redner für die Fraktion Die
Linke ist der Kollege Niema Movassat .
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau
Dr . Schröder, ich muss sagen: Das war eine wunderbare Bewerbung als Pressesprecherin für den neuen
Bayer-Monsanto-Konzern .
({0})
Fakt ist: Es gibt für Menschen nichts Grundlegenderes
als den sicheren Zugang zu Nahrung . Nichts wäre gefährlicher, als wenn ein Konzern die globale Nahrungsmittelproduktion beherrscht; denn er entscheidet dann,
ob man Nahrung bekommt und zu welchem Preis . Genau diese Gefahr droht durch die geplante Übernahme
von Monsanto durch Bayer . Schon heute beherrschen
zehn Konzerne drei Viertel des Marktes für kommerzielles Saatgut - zehn Konzerne, die entscheiden, was
angebaut wird, was wir essen . Der neue Megakonzern
Bayer-Monsanto wird eine bislang ungekannte, gefährliche Marktmacht im Bereich Saatgut, Gentechnik und
Pestizide besitzen. Allein im Bereich der Genpflanzen
wird das neue Unternehmen über 90 Prozent des Marktes
beherrschen . Statt der Macht einiger weniger Konzerne
brauchen wir eine Demokratisierung des Agrarmarktes,
weil der Zugang zu Nahrung ein Menschenrecht ist . Deshalb hoffe ich, dass die Kartellbehörden diesem Deal einen Riegel vorschieben werden .
({1})
Die geplante Übernahme ist jedoch nicht die einzige Strategie von Bayer, um seine globale Marktmacht
weiter auszubauen . Eine andere, viel zu wenig beachtete liegt in der intensiven Kooperation von Bayer mit
der Bundesregierung im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit . Nehmen wir das Beispiel Afrika . Dort
stellen die Bauern noch bis zu 90 Prozent des Saatguts
eigenständig her . Diese Kleinbauern verweigern sich
zum Glück bisher nicht nur dem patentierten Saatgut der
Konzerne; nein, sie verbrauchen auch nur 2 bis 5 Prozent der global eingesetzten Pestizide . Das soll sich nach
Meinung von Bayer, Monsanto und Co . besser heute als
morgen ändern . Beide Konzerne haben es dabei in den
letzten Jahren meisterhaft verstanden, die Entwicklungszusammenarbeit als Türöffner für die Erschließung neuer
Märkte zu nutzen .
So üben sie über die sogenannte „Neue Allianz für Ernährungssicherung“ der G-7-Staaten erheblichen Druck
auf afrikanische Länder aus, ihre Gesetzgebung im Sinne
der Agrarkonzerne zu verändern . Bauern soll verboten
werden, ihr traditionelles Saatgut miteinander zu teilen
und zu tauschen .
({2})
Zugleich hat Monsanto mit der Bill-Gates-Stiftung
eine grüne Revolution für Afrika ausgerufen, in der auch
Gentechnik eine wichtige Rolle spielt .
Bayer wiederum hat in Kenia Bauern geschult - im
Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit .
Sollte alles angeblich produktneutral sein . Bestimmt ist
es nur Zufall, dass der Pestizidabsatz von Bayer daraufhin um 20 Prozent stieg . Diese Schulungen sollen im
Rahmen der Grünen Zentren, einem Lieblingsprojekt
von Entwicklungsminister Müller, weitergehen - wohl
bald auch mit Monsanto-Produkten im Sortiment .
({3})
Wir haben als Linke die Kooperation zwischen staatlicher Entwicklungszusammenarbeit und Agrarkonzernen
stets abgelehnt . Die bevorstehende Übernahme bringt
das Fass aber zum Überlaufen . Deshalb, liebe Bundesregierung: Beenden Sie die Zusammenarbeit! Keine Steuergelder und keine Kooperation mit Bayer-Monsanto!
({4})
Wenn Vertreter dieser Unternehmen von Hungerbekämpfung sprechen, geht es nicht um die Teller der Armen, sondern um die Taschen ihrer Aktionäre .
({5})
Ihre umweltzerstörenden Gentechnik-Pestizid-Kombinationen kann sich kaum ein Kleinbauer leisten . Die Kleinbauern, die es kaufen, verschulden sich massiv . In Indien
haben sich in den letzten 20 Jahren 300 000 Kleinbauern
deshalb das Leben genommen,
({6})
weil sie die Kredite bei den Agrarkonzernen nicht mehr
bedienen konnten .
({7})
Die Agrarkonzerne stillen ihren Hunger nach Profit auf
den Rücken - und manchmal auch auf den Leichen - von
Dr. Kristina Schröder ({8})
Millionen Kleinbauern . Und die Bundesregierung hilft
tatkräftig mit . Damit muss endlich Schluss sein!
({9})
Wer den Hunger auf der Welt erfolgreich bekämpfen
will, muss eine völlig andere Agrarpolitik betreiben . Die
staatlich finanzierte Agrarforschung muss die lokalen
Probleme und Erfordernisse von Kleinerzeugern in den
Mittelpunkt stellen . Es muss darum gehen, Kleinbauern
zu unterstützen und zu stärken . Wer sich vor der Aufgabe drückt, das Ernährungssystem zu demokratisieren und
die Macht der Agrarkonzerne zu beschneiden, wird eine
Welt ohne Hunger nicht erreichen .
Jetzt darf ich Sie alle noch überraschen. Ich finde eine
Sache bei dem Bayer-Monsanto-Deal gut,
({10})
nämlich dass die öffentliche Kritik an der bisherigen
Agrarpolitik zunehmen wird . Denn in Umfragen bezeichnen Menschen Monsanto regelmäßig als das meistgefürchtete Unternehmen, als Symbol für alles, was auf
dem Agrarmarkt schiefläuft: genmanipulierte Pflanzen,
Gifteinsatz in der Landwirtschaft, Patente auf die Natur,
Gewinnstreben vor Umweltschutz . Bayer steht aber dem
US-Konzern in nichts nach . Das wird nun hoffentlich
auch der breiten Öffentlichkeit bewusst, und damit wird
hoffentlich der Druck auf die Bundesregierung erhöht,
endlich die unheilige Allianz mit den Agrarkonzernen ein
für alle Mal zu beenden .
Danke .
({11})
Vielen Dank . - Jetzt hat Rita Hagl-Kehl, SPD-Fraktion, das Wort .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die ganze Welt blickt momentan auf die Fusion von Monsanto und Bayer . Es ist die bislang größte Übernahme eines deutschen Konzerns im Ausland .
Damit wird Bayer zusammen mit Monsanto der größte
Anbieter von Saatgut und Agrochemie auf dieser Welt
werden . Unser Landwirtschaftsminister Schmidt hat die
Übernahme begrüßt . Seine Erwartung ist, dass Bayer die
Nachhaltigkeitsstrategie auf Monsanto überträgt . Ebenso erwartet er Potenzial für die digitale Technik . - Auf
diesen Punkt wird mein Kollege Rainer Spiering noch
eingehen .
Grundsätzlich bewerte ich Innovationsbereitschaft bezüglich Umweltverträglichkeit und ressourcenschonender Landwirtschaft natürlich als positiv . Wir können nur
die Hoffnung aussprechen, dass diese positive Beeinflussung auch im Bereich der Reduktion der Pflanzenschutzmittel stattfinden wird.
Die Ziele der SPD sind eindeutig: Wir wollen eine flächendeckend wirtschaftende, multifunktionale Landwirtschaft . Hier ist das Prinzip der Nachhaltigkeit besonders
wichtig . Wir wollen bäuerliche Landwirte mit hofnahen
Kreisläufen und ländliche Gemeinschaften, in die sie eingebettet sind, und wir wollen eine Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Deswegen sehen wir
einige Punkte dieser Übernahme äußerst kritisch .
Wir hören auf die Ängste der Landwirte . Sie haben
Angst vor Preiserhöhungen . Sie haben Angst davor, in
Abhängigkeiten beim Saatgut zu geraten . Wir kennen ja
alle die Beispiele aus Amerika: Saatgut darf dort nur einmal benutzt werden und dann in Kombination mit dem
dazu verkauften Pflanzenschutzmittel. Das ist etwas, was
wir nicht als nachhaltig betrachten . Das ist etwas, was
wir nicht für unsere Landwirte wollen .
({0})
Wir fürchten eine Beeinträchtigung der Marktwirtschaft, und wir fürchten eine noch stärkere Industrialisierung der Landwirtschaft und damit verbunden eine
Existenzgefährdung der Landwirte in kleinbäuerlichen
Strukturen, die oft am nachhaltigsten wirken .
Die SPD nimmt die Sorgen der Landwirte, aber auch
der Zivilgesellschaft ernst . Meine Kollegin ist schon auf
die Genthematik eingegangen . Die Menschen wollen
keine genmanipulierten Pflanzen bei uns in Deutschland.
Sie wollen aber auch nicht, dass - und das wissen sie in
den meisten Fällen nicht - die Tiere damit gefüttert werden, die sie später essen .
({1})
- Wir wollen schon Tiere essen;
({2})
das ist jetzt ein Vorurteil . Ich bin kein Veganer oder Vegetarier; ich will auch Tiere essen . Aber dafür müssen wir
die Tiere nicht mit genmanipulierten Pflanzen füttern. Es
gibt Tierhaltung bei uns schon länger, als es genmanipulierte Pflanzen gibt, und es gibt sie schon länger als
Lieferungen von Tiernahrung aus Südamerika und dergleichen .
({3})
Wir alle wollen auch das Klima schonen . Deshalb können wir es uns auf Dauer nicht leisten, weiterhin diese
Pflanzen zu holen, weiterhin die Regenwälder abzuholzen und all das zu tun, was damit verbunden ist . Das sind
alles Gefahren, die wir in Verbindung mit dieser Übernahme sehen .
({4})
Wir werden uns mit dieser Thematik heute mit Sicherheit nicht abschließend beschäftigen; vielmehr wird
die Thematik für uns alle noch eine große Rolle spielen .
Zunächst einmal sind natürlich auch die Kartellgerichte
damit befasst . Sie werden irgendwann ein Urteil fällen .
Ich habe keine Ahnung, wie das ausgeht . Aber für uns
muss im Mittelpunkt stehen, dass wir unsere Natur, unNiema Movassat
sere bäuerlichen Strukturen, wie wir sie jetzt haben, und
die Ernährung für die Menschen sichern . Das ist für uns
das Wichtigste . Dabei bedeutet Ernährung zu sichern für
mich nicht, nur immer mehr zu produzieren .
Danke schön .
({5})
Vielen Dank . - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Harald Ebner .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und
Kollegen! Saatgut ist die genetische Grundlage der Ernährung unserer Welt. Kulturpflanzenvielfalt ist auch ein
Kulturgut, das existenziell bedroht wird, wenn nur noch
wenige Konzerne sich auf wenige Sorten konzentrieren
oder am Ende gar nicht mehr züchten . Deswegen verdient der weltweite Saatgutmarkt von uns hohe Aufmerksamkeit .
Auf diesem Markt findet seit Jahren eine erschreckende Konzentration statt . Die Kontrolle über die genetischen Grundlagen der Ernährung der Welt befindet sich
in den Händen von tatsächlich immer weniger und immer größeren transnationalen Konzernen . Vor allem über
gentechnische Veränderungen, egal ob mit alter oder mit
neuer Gentechnik, sichern sich diese Unternehmen die
Kontrolle mit Biopatenten über wachsende genetische
Ressourcen . 2013 hielt Bayer - schon allein Bayer mehr als 200 Patente auf Gentechnikpflanzen - mehr als
alle anderen Konzerne in Europa zusammen .
Die Privatisierung der weltweiten genetischen Ressourcen ist in vollem Gange, und das kann uns nicht egal
sein .
({0})
Immer mehr mittelständische Züchter müssen diesem
Prozess weichen, auch in Deutschland . In Baden-Württemberg zum Beispiel gab es vor Jahren noch drei mittelständische Züchter; heute gibt es nur noch einen . Jetzt
wird mit der ausgehandelten Fusion ein weiteres Kapitel
aufgeschlagen: Bayer und Monsanto kontrollieren alleine bereits fast ein Drittel des Saatgutmarktes und über
ein Viertel des Pestizidmarktes .
Nur vier Kulturarten bilden heute die Basis von
50 Prozent der Welternährung . Nachhaltige bäuerliche
Landwirtschaft, vor allem Kleinbauern im globalen Süden und der Ökolandbau sind auf standortgerechte vielfältige Sorten und vielfältige Saatgut- und Anbausysteme, und zwar ohne Abhängigkeiten, angewiesen . Sie
können nichts mit Sorten anfangen, die immer höhere
Inputs an Energie, an Stickstoffdünger, an Pestiziden
brauchen . Aber Konzerne, die Saatgut und Pestizide
entwickeln, sind nicht die Hoffnungsträger von morgen,
wie uns Bayer-Chef Baumann weismachen will; sie sind
nicht Teil der Lösung, sondern allzu oft leider Teil des
Problems Welthunger .
({1})
Ehrliche Politik muss sich diesem Problem stellen, statt
wie das Kaninchen auf die Schlange zu starren .
Als einträgliche Geschäftsstrategie haben die Agrarkonzerne Gentechnikpflanzen entwickelt - das wurde
schon mehrfach angesprochen -, die tolerant sind gegenüber einem Totalherbizid aus dem gleichen Haus . Bei
Monsanto ist es Glyphosat, bei Bayer ist es Glufosinat .
Diese Kombipakete verschärfen die Abhängigkeit und
haben tatsächlich zu einem massiven Anstieg der eingesetzten Herbizidmengen in Nord- und Südamerika geführt mit verheerenden Folgen für die Umwelt und den
Menschen .
({2})
Was passiert, wenn Markt sich konzentriert, wenn
wir Oligopole nicht verhindern? Das sehen wir derzeit
in Deutschland im Lebensmitteleinzelhandel . Hier werden unseren Erzeugern oft ruinöse Preise diktiert . Auch
die Landwirte in der EU mussten wegen geringen Wettbewerbs schon Preisanstiege beim Saatgut in Höhe von
30 Prozent innerhalb von zehn Jahren hinnehmen . Die
Bauern werden von zwei Seiten in die Zange genommen .
Da können wir nicht einfach zugucken .
({3})
Durch die Monsanto-Übernahme wird Gentechnik
ein noch wichtigeres Geschäftsfeld von Bayer . Der neue
Riesenkonzern wird natürlich entsprechende Lobbyarbeit betreiben . Was das bedeutet, können wir aktuell bei
Neonicotinoiden oder bei den Hormongiften beobachten .
Bundesminister Schmidt - er ist nicht da - erwartet, dass
Bayer seine Nachhaltigkeitsstrategie auch auf die neuen
Unternehmensteile übertragen wird . Das ist jedoch, mit
Verlaub, angesichts der bisherigen Unternehmenspolitik von Monsanto und der damit verbundenen negativen
Reputation, aber auch angesichts der identischen Anteilseigner beider Unternehmen ein mehr als frommer
Wunsch und eine einsame Sichtweise .
Nachhaltigkeit ist eine schöne Floskel . Aber was
macht Bayer wirklich? Der Konzern klagt gegen das
EU-Teilverbot seiner Bienenkiller in Form von Neonicotinoiden, also Imidacloprid und anderen . Bayer verkauft
auch Gentechpflanzen, die gegen das hauseigene Herbizid Glufosinat resistent sind, was bei uns nicht mehr
zulassungsfähig ist . Dazu sage ich: Wer Megakonzernen
die Definition von Nachhaltigkeit überlässt, macht den
Bock zum Gärtner .
({4})
Der Einfluss wird wohl in eine Richtung zunehmen, und
zwar von einem großen Unternehmen Richtung Politik
und nicht andersherum - ganz egal, ob es ein deutsches
oder ein amerikanisches ist . Deshalb müssen wir hier
aufpassen .
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, wir
Grüne wollen nicht, dass die Bauern am Gängelband von
internationalen Konzernen hängen,
({6})
und zwar unabhängig davon, wo deren Hauptsitz ist . So
stellen wir uns die Zukunft der Bäuerinnen und Bauern
im Bereich Ernährung und Landwirtschaft nicht vor, weder in Deutschland noch in Europa noch sonst wo auf
der Welt .
Danke schön .
({7})
Vielen Dank . - Jetzt spricht der Kollege Dr . Andreas
Lenz, CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die Übernahme des amerikanischen Unternehmens Monsanto durch Bayer wäre mit 59 Milliarden
Euro die größte Fusion in der deutschen Wirtschaftsgeschichte . Dabei entstünde eines der weltweit führenden
Unternehmen in den Bereichen Saatgut, Pflanzenschutz
und digitale Landwirtschaft - Stichwort: Smart Farming .
Wir erleben im Moment einen rasanten Umbruch in der
Branche . In den USA kam es zu einem Zusammenschluss
von Dow und DuPont . Außerdem wurde vor kurzem die
Schweizer Syngenta durch ChemChina übernommen .
In diesem Kontext kann ich verstehen, dass man in der
Branche nach strategisch sinnvollen Zusammenschlüssen sucht . Diese Überlegungen sind aber gar nicht unsere Aufgabe; denn die Wirtschaft findet in der Wirtschaft
statt und eben nicht in der Politik .
({0})
Der Staat ist dazu da, die Regeln im Sinne eines
Schiedsrichters zu setzen . Der Staat ist grundsätzlich
aber nicht dazu da, um mitzuspielen .
({1})
Natürlich gilt auch bei dieser Übernahme das Wettbewerbsrecht . Kartellrechtliche Bedenken müssen durch
die zuständigen Behörden geprüft werden . Weltweit
braucht es in 30 Regionen kartellrechtliche Freigaben
zur Genehmigung dieser Übernahme . Damit es zu keinen
marktbeherrschenden Stellungen kommt, sind beispielsweise Teilverkäufe nicht nur denkbar, sondern können
sogar notwendig sein .
({2})
Aber die Politik sollte auch hier den unabhängigen Kartellbehörden die Prüfung überlassen - eine Erfahrung,
die an anderer Stelle ja gerade der Bundeswirtschaftsminister macht .
({3})
Wir müssen natürlich auch das Kartellrecht auf globaler Ebene weiterentwickeln . Der Gesetzgeber muss
zudem alles tun, um Abhängigkeiten von einzelnen Herstellern zu verhindern . Bauern müssen und werden auch
zukünftig freie Wahl beim Saatgut haben . Der Wettbewerb muss gesichert werden . Aber darum geht es Ihnen
ja gar nicht . Sie wollen wieder einmal einen deutschen
Global Player diskreditieren .
({4})
Eines der wesentlichen Ziele der globalen Nachhaltigkeitsagenda ist es, den Hunger auf der Welt zu beenden .
({5})
Dies kann auch mit einer steigenden landwirtschaftlichen
Produktivität erreicht werden . Hier geht es nicht allein
um die Größe; hier geht es ganz entscheidend um die
Produktivität .
({6})
1950 versorgte ein Landwirt 10 Menschen . Heute sind es
150 Menschen .
({7})
2050 müssen es 200 Menschen sein . Durch Subsistenzwirtschaft kann die wachsende Stadtbevölkerung in den
Entwicklungsländern in Afrika und Asien nicht sattgemacht werden .
({8})
Täglich sterben immer noch rund 8 500 Kinder an den
Folgen von Hunger und Mangelernährung .
Jetzt ist Bayer sicherlich kein altruistisches Unternehmen,
({9})
auch wenn man das bei Durchsicht einiger Firmenpräsentationen fast glauben könnte . Bayer will Geld verdienen .
({10})
Das ist übrigens nicht verboten .
({11})
Und wir brauchen auch und gerade im Agrarbereich Innovationen .
({12})
Schon jetzt unterstützt beispielsweise Smart Farming die
Landwirte dabei, höhere Ernten zu erzielen . Es gibt also
auch einen dritten Weg; es gibt gerade auch im Bereich
der Digitalisierung sehr viele Chancen . Wir haben zudem
erstmals in der Weltgeschichte die Mittel, eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren .
Bei jeder Übernahme gibt es letztlich Chancen, aber
auch Risiken . Natürlich muss die Übernahme erst geprüft
werden . Natürlich müssen Recht und Gesetz gelten . Es
bestehen auch Risiken . Zwei Drittel aller Fusionen erfüllen nicht die Erwartungen . Aber kritisch zu sein, bedeutet
eben nicht, alles zu verhindern . Es gilt immer auch, die
Chancen zu sehen, um die Zukunft zu gewinnen . Wir sehen eben auch die Chancen und nicht nur die Risiken im Gegensatz zu Ihnen .
Herzlichen Dank .
({13})
Vielen Dank . - Jetzt hat der Kollege Rainer Spiering,
SPD-Fraktion, das Wort .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Zuhörerinnen
und Zuhörer! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vorab,
weil es hier wieder ein bisschen durchklang: Ich glaube,
auch bei dieser Frage könnten wir uns mit Kriegsrhetorik
ein bisschen zurückhalten .
Zur Sache . Wenn man sich anschaut, wer an dem Deal
beteiligt ist, dann findet man mehrere Finanzgruppen:
BlackRock, Vanguard, Capital Group. Ich finde es schon
spannend, an dem bisschen, das man jetzt googeln konnte, zu sehen, wer an dem Geschäft beteiligt ist . Und zwar
handelt es sich um ein Geschäft, das auf beiden Seiten
von Finanzgruppen gemacht worden ist . Dieselben Finanzgruppen, die bei Monsanto beteiligt sind, sind also
auch bei Bayer beteiligt. Ich finde, es ist eine ganz spannende Frage, ob es an der Kartellbehörde ohne Weiteres
vorbeigeht, dass diese großen Finanzblöcke das quasi im
Einvernehmen entschieden haben .
({0})
Das finde ich ganz spannend; das wollen wir mal in aller
Ruhe abwarten .
Mich treibt etwas ganz anderes um . Ich habe es mit
der Überschrift beschrieben: Jetzt ist der Fuchs im
Hühnerstall . - Ich habe hier mehrere Reden zum Thema Smart Farming und zu der Frage gehalten, wer die
Macht über die Daten hat . Ich habe auch mehrfach das
Ministerium darum gebeten, sich intensiv darum zu kümmern und dafür Sorge zu tragen, dass in Deutschland eine
IT-Plattform für die Nachverfolgung landwirtschaftlicher
Produkte eingerichtet wird . Wir haben das partiell im Zusammenhang mit der Hoftorbilanz besprochen, die wir
in eine IT-Plattform einfließen lassen wollen, damit wir
Stoffströme kontrollieren und nachverfolgen können . Es
kann sein, dass wir das alles gar nicht mehr brauchen .
Wir bekommen nämlich mit Monsanto eine der Datenkraken der Welt mitten ins Haus . Damit haben wir einen
Konzern, der Daten in einer Größenordnung wie Google
und Microsoft verarbeitet, und zwar mit amerikanischem
Know-how und auch mit amerikanischem Geschäftsgebaren mitten in unserem relativ friedfertigen Europa . Damit sind wir mitten in unserer Diskussion über die Frage,
wie wir Datensicherheit beurteilen und wie wir mit Daten
umgehen .
({1})
Es wird sehr spannend, ob es uns gelingt, mit der Datenkrake Monsanto nach unseren Spielregeln umzugehen .
Ich habe da, in der Tat, große Zweifel .
({2})
In der Literatur heißt es, Cato der Ältere habe immer
gesagt: Und im Übrigen sollten wir an Karthago denken . - In abgewandelter Form werde ich hier immer
sagen: Und im Übrigen sollten wir an eine gemeinsame
IT-Plattform denken . - Wir werden das aber nur hinbekommen, wenn wir die IT-Plattform, die in Deutschland
zu entwickeln ist, mit Geld des Bundes unterstützen .
Wenn wir das nicht tun, dann besteht die Gefahr, dass all
diejenigen, die in Deutschland wirtschaftlich tätig sind,
in die Abhängigkeit eines einzelnen großen Konzerns
und dessen Datenmacht geraten, und das möchte ich in
diesem Land nicht erleben; denn das wäre zu unser aller
Schaden .
Kollege Ebner hat die Saatzucht angesprochen . Wer
sich ein bisschen mit diesem Thema auseinandergesetzt hat, weiß, dass es noch andere Zuchtbetriebe gibt .
Wir haben uns Wesjohann angeschaut, eine Sparte von
Wiesenhof . Die sind mittlerweile in der Lage, übrigens
ohne Genveränderung, in atemberaubender Geschwindigkeit zu züchten, und zwar mit IT .
Wenn ich das, was Monsanto leisten kann, jetzt mit
den Möglichkeiten vergleiche, die in Deutschland bereits
zur Verfügung stehen, dann stelle ich fest: Wir müssen
vonseiten des Staates alles Mögliche tun, um unsere
Wirtschaft, unsere Landmaschinentechnologie und unsere IT vor Einflüssen von außen zu schützen, um unsere
Standards zu sichern . Das können wir nur mit Staatsgeld,
weil die Firmen in diesem Bereich völlig überfordert
sind - wir werden vermutlich einen Antrag vorlegen, der
in diese Richtung geht -, und wir sollten auch in der Diskussion über Datensicherheit trefflich aufpassen, dass es
bei uns zu keiner Unsicherheit kommt in einem Ausmaß,
das wir uns bisher nicht vorstellen konnten .
Wir werden uns mithilfe des Ministeriums, so hoffe
ich, darum bemühen, etwas zu schaffen, was unseren Vorstellungen von der Zukunft einer vernünftigen Landwirtschaft entspricht, was unserer Vorstellung von sicheren
Datenströmen entspricht, was unseren Sicherheitsbedürfnissen und unseren Standards entspricht . Ich glaube, die
große Gefahr bei der Übernahme von Monsanto durch
Bayer ist die Macht über die Daten, und die Macht über
die Daten ist am Ende des Tages entscheidend, wenn es
darum geht, wer wann was wo und zu welchen Bedingungen produziert . Ich kann uns alle nur dringend auffordern, das im Blick zu behalten .
Herzlichen Dank .
({3})
Vielen Dank . - Für die CDU/CSU-Fraktion spricht
jetzt der Kollege Hermann Färber .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren auf den Zuschauertribünen! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Zu den wirtschaftlichen Aspekten der
Übernahme von Monsanto durch Bayer ist heute schon
vieles gesagt worden . Ich will mich auf die konkreten
Auswirkungen auf die Landwirtschaft in Deutschland
beschränken, und da sehe ich bei dieser Fusion, bei dieser Übernahme durchaus zwei Seiten .
Die bäuerliche Landwirtschaft in Deutschland steht
heute schon einer kartellrechtlich bedenklichen Konzentration von wenigen großen Lebensmittelketten gegenüber .
({0})
Diese Lebensmittelketten nutzen ihre Marktmacht ohne
Rücksicht aus . Genau deshalb war die Ministererlaubnis von Wirtschaftsminister Gabriel bei der EdekaTengelmann-Fusion so falsch,
({1})
und zwar völlig unabhängig von der Verfahrensweise .
Wenn ich mir Ihre Reden, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, heute so anhöre, dann fällt mir auf,
dass sie einfach nicht mit der Erteilung der Ministererlaubnis zusammenpassen .
({2})
Es kann nicht im Interesse der bäuerlichen Landwirte sein, eine ähnliche Konzentration und damit eine
Verschiebung der Marktmacht zusätzlich aufseiten der
Lieferanten zu haben, zum Beispiel im Bereich Pflanzenschutz, Dünger und Saatgut . Damit gerät die immer noch
sehr kleinteilige deutsche Landwirtschaft immer mehr
zwischen zwei große Mühlsteine . Deshalb erwarte ich
von den europäischen Kartellbehörden eine sorgfältige
Beachtung dieser besonderen Wirtschaftsstruktur in der
Landwirtschaft .
Rainer Spiering, wir müssen uns nicht gegenseitig angreifen; denn wir sind uns in vielen Dingen einig .
({3})
77 Prozent der Aktien von Bayer sind im Streubesitz .
Es ist nicht so, dass es sich um wenige große Aktionäre handelt . Man muss sich auch einmal den Bereich der
Landtechnik anschauen: Auch die Landtechnikanbieter
sind mittlerweile alle in großen, globalen Konzernen
aufgegangen . Ich kann nur sagen: Kleine, regionale Firmen, die einmal Weltmarktführer waren und sich dieser
Entwicklung total verschlossen haben, gibt es heute nicht
mehr .
Über einen Punkt müssen wir vielleicht noch sprechen: über die Datensicherheit, die Datenvernetzung und
die Datenverteilung . Deine berechtigten Bedenken müssen wir bei der Hoftorbilanz berücksichtigen .
({4})
Beim größten und populärsten Thema - Glyphosat - ist die Gefahr einer Monopolbildung übrigens am
geringsten . Beim Glyphosat gibt es nämlich anders, als
man das heute schon hörte, weltweit 90 Anbieter, allein
in China über 50 . In diesem Bereich ist der Wettbewerb
also wirklich gesichert . Das Patent, das Monsanto ursprünglich einmal auf dieses Produkt hatte, ist, je nach
Land, vor 10 bis 15 Jahren ausgelaufen . Überhaupt habe
ich manchmal den Eindruck, dass sich viel Kritik an dieser Übernahme, an dieser Fusion nur damit erklären lässt,
dass manche NGOs Angst haben, dass ihre Kampagnen
gegen Monsanto künftig ins Leere laufen könnten .
({5})
Es gibt - jetzt wird es wieder sachlicher - aber auch
noch eine andere Seite der Fusion, über die man sich
wirklich Gedanken machen muss . In den vergangenen
20 Jahren hat sich das Angebot an zugelassenen Wirkstoffen für den Pflanzenschutz in Europa von einst über
1 000 auf mittlerweile nur noch rund 400 verringert .
Grund dafür sind stetig steigende Standards zum Schutz
von Umwelt und Gesundheit . Das ist gut und richtig, und
das will auch gar niemand ändern .
({6})
Aber für viele Bereiche stehen heute kaum noch genügend Wirkstoffe für ein gutes Resistenzmanagement zur
Verfügung . Wir sind also dringend darauf angewiesen,
dass diese Firmen etwas Neues entwickeln .
({7})
An dieser Stelle muss man einräumen, dass die immer
höheren Standards bei der Zulassung, die wir alle wollen
und alle für richtig halten, auch einen nichtwillkommeRainer Spiering
nen Nebeneffekt haben: Gerade kleinere Unternehmen
können die Kosten für den Zulassungsprozess kaum noch
stemmen . Dieser Zusammenhang ist einfach unverkennbar .
({8})
In dieser Glyphosatdebatte ist ein erschwerender Faktor hinzugekommen: Der Zulassungsprozess wurde politisiert .
({9})
Mit dieser Politisierung des Zulassungsprozesses nimmt
auch die Willkürlichkeit von Entscheidungen zu . Seit
Sommer 2016 ist klar: Ein Unternehmen kann sich nicht
mehr darauf verlassen, dass ein Wirkstoff, den alle zuständigen Bewertungsbehörden in der EU als zulassungsfähig eingestuft haben, tatsächlich zugelassen wird .
Damit haben wir für die Unternehmen eine Risikosituation geschaffen, die nur extrem breit aufgestellte Unternehmen überhaupt abfedern können . Ich bin in keiner
Weise dafür, dass wir irgendwelche Standards absenken;
aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir die
Unternehmen faktisch dazu zwingen, immer größer zu
werden, weil sie dieses Risiko nur so stemmen können .
Woran wir etwas tun könnten und tun sollten, ist, die
Rechtssicherheit von Zulassungsprozessen wieder zu erhöhen .
({10})
Diesbezüglich bitte ich ausdrücklich auch die Kolleginnen und Kollegen aus dem Wirtschaftsausschuss um
Unterstützung . Wenn wir hier weiterkämen, wäre für den
Umweltschutz, den Verbraucherschutz und die Gesundheit der Menschen in Deutschland deutlich mehr getan
als durch eine kampagnengeleitete Verteufelung einzelner Unternehmen .
Herzlichen Dank .
({11})
Vielen Dank . - Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist jetzt der Kollege Alois Gerig, CDU/
CSU-Fraktion .
({0})
Sehr geehrte Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Als letzter Redner in der Debatte hat man die gute Möglichkeit, das Gehörte noch
einmal kurz zu bewerten .
Ja, ich stehe dazu: Ich teile die häufig - auch heute geäußerte kritische Haltung zu der Fusion von Großkonzernen und einer weiteren Konzentration von Großkonzernen .
({0})
Aber ich frage auch sehr deutlich: Welche Einflussmöglichkeiten haben wir? Ich habe von keinem Redner der
Opposition irgendeinen Ansatz zur Lösung des Problems
gehört .
({1})
Ich sage: Es besteht kein Grund zur Panik . Es besteht
erst recht kein Grund, irgendwelche Horrorszenarien in
die Welt zu setzen oder die Bevölkerung zu verunsichern
und zu verängstigen .
({2})
Warten wir es jetzt ab . Die Kartellbehörden werden
gründlich prüfen, und sie werden ihre Meinung dazu
abgeben . Die Aktionäre von Monsanto müssen noch zustimmen . Nicht jede Großfusion - das sehen wir, wenn
wir in die jüngste Vergangenheit schauen - war gut oder
hat gehalten .
Deswegen frage ich mich: Was kann, was muss die
Politik leisten? Wo haben wir Möglichkeiten, Rahmenbedingungen zu verändern? Mir geht es darum, dass wir die
hohen Standards, die wir in Deutschland beispielsweise
in den Bereichen Lebensmittel und Verbraucherschutz
haben, erhalten . Das muss unser großes Ziel sein . Wir
müssen die Menschen mitnehmen . Es gibt das Qualitätsprodukt „Lebensmittel made in Germany“ . Lasst uns das
den Menschen sagen, und lasst uns eine Politik machen,
um diesen hohen Standard abzusichern .
({3})
Ich will nicht, dass wir die Standards aufgeben, weder
durch eine Fusion noch durch den TTIP-Vertrag . Aber
das heißt doch nicht: Wenn man das eine tut, muss man
das andere lassen . Ich will keine Monopolstellung .
Es geht um drei Dinge. Es geht um Pflanzenzüchtung,
Pflanzenschutz, und es geht um die Digitalisierung.
Wir haben in Deutschland durchaus nicht nur ein
Züchtungsunternehmen . Es gibt auch noch zahlreiche
kleine und mittelständische Züchtungsunternehmen,
({4})
die speziell für den deutschen Markt, auf die Bedürfnisse der Landwirte und der Menschen ausgerichtet, Nutzpflanzen züchten und produzieren. Sie will ich weiterhin
stützen . Sie will ich erhalten . Auch da will ich beileibe
keine Konzentration und kein Monopol .
Ich will keine gentechnisch veränderten Pflanzen im
Anbau in Deutschland . Auch dazu stehe ich . Das ist ein
Qualitätsmerkmal, das wir vermarkten müssen . Unsere
Bauern geben derzeit reihenweise ihre Produktion auf,
weil sie keine wirtschaftliche Perspektive haben .
({5})
Warum schaffen wir es nicht, gemeinsam einmal darzustellen, was unsere Bäuerinnen und Bauern in Deutschland leisten, und zu zeigen, was die Menschen mit einem gezielten Einkauf dafür tun können? Wenn wir das
schaffen, habe ich überhaupt kein Problem mit Bayer und
Monsanto .
Mir ist es allemal lieber, das Bayer-Kreuz hängt in den
USA als das Monsanto-Emblem oder irgendein chinesisches in Leverkusen . Lassen Sie mich auch das sagen .
({6})
Das ist doch für einen soliden deutschen Konzern vielleicht die Möglichkeit, weltweit darauf einzuwirken,
dass auch deutsche Standards, dass auch deutsche Rechtmäßigkeit ein Stück weit vorankommen . Warum soll sich
die Welt nicht auch, wenn es denn so sein soll, in Richtung von wieder mehr Anbau von Pflanzen ohne Gentechnik verändern? Es ist ja nicht das Allheilmittel der
Welt . Darüber sind wir uns alle einig; das wurde schon
oft gesagt .
Was die Digitalisierung angeht, bin ich beim Kollegen Rainer Spiering . Lasst uns eine Politik machen, um
eine neutrale Plattform zu schaffen . Ich will nicht, dass
Monsanto meine Daten hat, ich will nicht, dass John
Deere sie hat, und ich will auch nicht, dass Google sie
hat . Wir sollten politisch dafür Sorge tragen, dass eine
neutrale Plattform geschaffen wird . Die Digitalisierung
ist die Chance für den ländlichen Raum und für die Landwirtschaft .
Ich bin davon überzeugt, dass wir das Rad nicht nostalgisch zurückdrehen können . Wir werden keine Milchkannen mehr über die Wiesen tragen, und wir werden
keine Pferde mehr vor den Pflug spannen. Wir müssen
diese Chance für unsere Bauern nutzen . Daran möchte
ich gemeinsam mit Ihnen arbeiten, und ich bin gespannt,
wohin das führen wird .
Ich bin derzeit nicht in der Lage, die Fusion zu verhindern . Wir sollten die Vorgänge beobachten und die
Rahmenbedingungen dann entsprechend verändern, damit die Fusion keine Nachteile für Deutschland und seine
Bürger hat .
Vielen Dank .
({7})
Vielen Dank . - Damit ist nicht nur die Aktuelle Stunde
beendet, sondern wir sind auch am Schluss unserer heutigen Tagesordnung .
Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages auf
morgen, Donnerstag, den 22 . September 2016, 9 Uhr, ein .
Die Sitzung ist geschlossen .