Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 9/8/2016

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie herzlich zu unserer 187 . Sitzung in der laufenden Legislaturperiode . Bevor ich in die Tagesordnung eintrete, möchte ich dem Kollegen Wolfgang Gehrcke herzlich zu seinem heutigen 73 . Geburtstag gratulieren . ({0}) Ein schönerer Austragungsort für einen Geburtstag als dieser Saal lässt sich schwerlich denken. Ich hoffe, das beflügelt Sie für den weiteren Verlauf des neuen Lebens- jahres . Interfraktionell ist vereinbart worden, den Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbe- helfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben auf der Drucksache 18/9526 als Zusatzpunkt ohne Debatte zusammen mit dem Tages- ordnungspunkt 2 aufzurufen . Darüber hinaus soll der bereits überwiesene Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Elektro- mobilität im Straßenverkehr auf der Drucksache 18/8828 nachträglich auch dem Ausschuss für Bildung, For- schung und Technologiefolgenabschätzung zur Mitbera- tung überwiesen werden . Können wir uns darauf verständigen? - Das sieht so aus . Dann ist das so beschlossen . Nun können wir die Haushaltsberatungen - Tagesord- nungspunkt 1 - fortsetzen: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2017 ({1}) Drucksache 18/9200 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 2016 bis 2020 Drucksache 18/9201 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss Wir haben am Dienstag für die heutige Aussprache eine Redezeit von insgesamt achteinhalb Stunden beschlossen . Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Einzelplan 09. Ich erteile das Wort dem Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel . ({2})

Sigmar Gabriel (Minister:in)

Politiker ID: 11003755

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in den letzten Tagen viel über Verunsicherung in Deutschland gesprochen . Allerdings gibt es auch einen langjährigen Grund für Verunsicherung, den wir erfolgreich zurückdrängen konnten, nämlich die Sorge um den Arbeitsplatz; denn die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit 25 Jahren nicht mehr. Ich finde, gerade in dieser aufgewühlten Zeit ist das ein politischer Erfolg, den man gar nicht hoch genug einschätzen kann . ({0}) 43,5 Millionen Menschen finden Arbeit in unserem Land, so viele wie noch nie in der Geschichte der Republik . Das zeigt, worauf es ankommt: Weil unsere Wirtschaft jedes Jahr solide gewachsen ist, sind die Einnahmen des Staates und der Sozialversicherungen gestiegen . Unsere Aufgabe muss es deshalb sein, diesen erfolgreichen Pfad fortzusetzen und dafür zu sorgen, dass es dabei bleibt . Nach Raten von nur 0,4 und 0,3 Prozent Wirtschaftswachstum in den Jahren 2012 und 2013 hat Deutschland zu Beginn dieser Legislaturperiode 1,6 Prozent erreicht, und in diesem Jahr werden vermutlich 1,7 Prozent erreicht . Noch wichtiger aber ist, dass entgegen manchen öffentlichen Behauptungen die Zahl prekärer Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland nicht steigt, sondern sinkt, während die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse jedes Jahr steigt . ({1}) Das ist nicht irgendwelche Arbeit, sondern Arbeit mit steigenden Einkommen. Die Tariflöhne sind in den letzten Jahren endlich wieder gestiegen . Wir haben uns sehr darum bemüht, die Tarifverträge wieder in den Mittelpunkt der Politik zu bringen . Wir haben Reallohnzuwächse für die arbeitende Mitte der Gesellschaft . Wenn sich Arbeit und Anstrengung lohnen, dann ist das vermutlich der stärkste Stabilitätsanker für unser Land, und nicht nur das . Weil Arbeit da ist und weil Löhne steigen, haben wir die höchste Rentenerhöhung seit 20 Jahren in diesem Land . ({2}) In der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik muss die Bundesregierung also irgendetwas richtig gemacht haben . Demjenigen, der es ganz handfest haben will, will ich eine einfache Zahl nennen: Im Durchschnitt hat heute jeder Arbeitnehmer jedes Jahr rund 1 000 Euro mehr im Portemonnaie als zu Beginn dieser Legislaturperiode . Keine Frage: Wenn der Durchschnitt des verfügbaren Arbeitnehmereinkommens um 1 000 Euro im Jahr gestiegen ist, heißt das auch, dass nicht alle davon profitieren. Auch das gehört zur Wahrheit: Immer noch arbeiten zu viele Menschen, vor allen Dingen im Dienstleistungssektor, zu schlechten Löhnen . Zu viele sind auf schlecht bezahlte Leih- und Zeitarbeit und auf Werkverträge angewiesen . Deshalb dürfen wir uns mit dem Erreichten natürlich nicht zufriedengeben . Mit der Eingrenzung von Leih- und Zeitarbeit und von Werkverträgen, die die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles vorangebracht hat, sind wir auf dem richtigen Weg . ({3}) Meine Damen und Herren, hinter all diesen Zahlen steckt aber etwas noch viel Grundsätzlicheres: Der Wert der Arbeit in Deutschland ist wieder gestiegen . Leistung, auch Lebensleistung, findet Anerkennung. Das ist für unsere Gesellschaft ein Signal von überragender Bedeutung . Denn das Signal, dass die soziale Marktwirtschaft versucht, ihr Leitbild „Wohlstand für alle“ wieder zu erreichen, ist gerade in solchen Zeiten, in denen wir jetzt leben, wichtig . Soziale Marktwirtschaft ist eben nicht Hilfe für die Schwächsten - diese Umdeutung zur Caritas haben die Neoliberalen und die sogenannte Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft über Jahrzehnte durchzusetzen versucht -, sondern soziale Marktwirtschaft ist der Aufruf zu gerechter Teilhabe am Haben und Sagen derjenigen, die die Werte in der Gesellschaft jeden Tag hart erarbeiten . ({4}) Das Versprechen der sozialen Marktwirtschaft ist nicht, dass die Schwächsten nicht unter die Räder geraten sollen, sondern - ich wiederhole es - das Versprechen ist Wohlstand für alle . ({5}) - Ja, aber man muss eben mehr als die Klappentexte lesen . ({6}) - Leute, ich rate euch, zu lesen, was die Ordoliberalen zur Erbschaftsteuer gesagt haben . ({7}) Das würde ich, wie gesagt, einmal nachlesen . ({8}) Die fanden, dass eine zu hohe Erbschaft eigentlich leistungsloses Einkommen ist, ({9}) das Marktversagen produziert . ({10}) Manchmal hätte ich mir gewünscht, ich könnte eine solche Rede in Anwesenheit der FDP halten . Aber ich sage einmal: Dass sie es jetzt nicht hört, ist auch nicht schlimm . ({11}) Meine Damen und Herren, ich glaube, dass die Richtung wieder stimmt . Ich sage ganz ausdrücklich: Die Arbeit der Großen Koalition in den letzten drei Jahren hat Deutschland drei gute Jahre gebracht . ({12}) Ich bin weit davon entfernt, das als Selbstverständlichkeit zu betrachten . Im Gegenteil: Gerade weil es ganz gut läuft, darf man nicht selbstzufrieden und zu selbstsicher werden . Wenn wir auch 2025 noch sozial sicher und kulturell vielfältig leben wollen, müssen wir jetzt erneut anpacken, um die wirtschaftliche Dynamik zu erhalten . Wirtschaftlicher Erfolg ist gewiss nicht alles . Aber ohne wirtschaftlichen Erfolg werden wir erneut soziale Verteilungskämpfe erleben, weit weniger Hilfe für Flüchtende bieten und weder in Europa noch anderswo helfen können . Ohne wirtschaftlichen Erfolg wäre die Stabilität unseres Landes möglicherweise ernsthaft in Gefahr . Meine Damen und Herren, derzeit wächst unsere Wirtschaft solide, trotz einer europäischen und weltpolitischen Umgebung der Krisen und erheblichen Risiken . Die Politik der Bundesregierung antwortet nicht zuletzt auf diese Krisen und Risiken . Erstens tun wir dies durch höhere Investitionen . Um ein Drittel ist der Investitionshaushalt in dieser Legislaturperiode gestiegen . Zweitens haben wir die Rahmenbedingungen für den Mittelstand und für junge Unternehmen deutlich verbessert . Wir haben einen Bürokratieabbau im Umfang von 2 Milliarden Euro hinbekommen . Wir haben die Förderung von Wachstumsinitiativen mit Blick auf junge Unternehmen mit einem Volumen von rund 2 Milliarden Euro beschlossen . Wir haben die Mittel der regionalen Wirtschaftsförderung und der Innovationsförderung im Mittelstand ausgebaut . Übrigens: 80 Prozent der Regionalförderung und 40 Prozent der Mittelstandsförderung gehen nach Ostdeutschland . Drittens . Wir haben ein Integrationspaket und den Beginn eines neuen Solidarpakts auf den Weg gebracht, um aktive Arbeitsmarktpolitik im Hinblick auf die Aufnahme von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt zu leisten und zugleich allen in Deutschland lebenden Langzeitarbeitslosen ein neues Angebot zu machen, um den sozialen Wohnungsbau wiederzubeleben, und um die Schaffung bezahlbarer Wohnungen für alle Menschen in Deutschland zu ermöglichen und um die Versorgung mit Kitaplätzen auch dann zu sichern, wenn viele Kinder aus Flüchtlingsfamilien eine Betreuung brauchen . Durch die sehr gute wirtschaftliche Entwicklung hatten und haben wir dafür auch die finanzielle Leistungskraft, und zwar ohne neue Defizite, ohne Steuererhöhungen und ohne schwere Verteilungskämpfe . Man muss sich einmal überlegen, was das bedeutet: 1 Million Menschen neu aufnehmen, integrieren, keine Steuererhöhungen, keine Defizite, keine schweren Verteilungskämpfe. Ich kenne kein anderes Land der Erde, das dazu so schnell in der Lage gewesen wäre . ({13}) Aber wie schnell sich die Lage auch ändern kann, zeigen schon die Zahlen, die der Bundesfinanzminister am Dienstag vorgestellt hat; denn die ausgeglichenen Haushalte seit 2014 und die Haushaltsüberschüsse im Bundeshaushalt haben neben der guten wirtschaftlichen Entwicklung ja vor allem einen Hintergrund: extrem niedrige Ölpreise und massiv gesunkene Zinsen . Rund 20 Milliarden Euro an Zinslast spart der Bundeshaushalt pro Jahr, 122 Milliarden Euro seit 2008 . Gleichzeitig wollen wir ja eigentlich wieder höhere Zinsen haben, weil sonst die privaten Vorsorgeleistungen vieler Versicherter und Sparer dauerhaft gefährdet werden. Bei steigenden Zinsen und steigenden Rohstoffpreisen kann also aus dem Haushaltsplus auch schnell ein Haushaltsdefizit werden. Ich bin deshalb sehr zurückhaltend mit großen Steuersenkungsversprechen . Da ist in den letzten Monaten schon viel zu viel versprochen worden und am Dienstag noch mehr . ({14}) Am Anfang stand die Ankündigung, den kompletten Soli abschaffen zu wollen. Das sind 20 Millionen - ({15}) - Entschuldigung, 20 Milliarden . 20 Millionen, das wäre schön . Das sind also 20 Milliarden Euro . Dann sollen wir den Dauerstreit der Länder lösen und mindestens 5 Milliarden Euro netto zusätzlich dazugeben . ({16}) Und seit Dienstag gibt es dann noch einmal die Ankündigung einer Steuersenkung um 15 Milliarden Euro . Das sind zusammen 40 Milliarden Euro, mehr als 10 Prozent des Bundeshaushalts. Mal ganz offen: Wer soll das eigentlich glauben? Das werden wir nicht machen . ({17}) Wenn man es ernst meint mit Entlastung, muss man zwei Dinge tun: Erstens darf man nicht mit der Gießkanne über das Land ziehen und allen alles versprechen . Wir müssen nicht alle Einkommen steuerlich entlasten, sondern die mittleren und niedrigen . Das ist übrigens auch ökonomisch sinnvoll, weil es Kaufkraft schafft. Vor allem für Alleinerziehende und Familien müssen wir mehr tun . Da bieten sich Sozialabgaben weitaus besser an als Steuern, oder es wäre zum Beispiel besser, durch die Erhöhung des Betriebskostenzuschusses des Bundes dafür zu sorgen, dass überall in Deutschland die Kindertagesstättengebühren abgeschafft werden könnten. ({18}) Das wären dann nicht ein paar Euro pro Monat, sondern 200 Euro und mehr pro Monat für die Familien . Zweitens sollte man solche Entlastungen nicht nur vor Wahlen ankündigen, sondern sie nach Möglichkeit vor Wahlen machen . ({19}) Für die SPD kann ich erklären: Wir haben die Bereitschaft, solche gezielten Entlastungen mittlerer und niedriger Einkommen, insbesondere bei Familien und Alleinerziehenden, noch in dieser Legislaturperiode anzupacken; das kann ich Ihnen versprechen . ({20}) Mindestens ebenso wichtig ist es aber auch, in die Volkswirtschaft zu investieren . Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit des Landes weiter verbessern . Wir müssen dringend unsere Schulen und hier vor allem die Berufsschulen modernisieren . Wir brauchen mehr Ganztagsangebote in Kitas und Schulen . Wir brauchen vor allem die modernste digitale Infrastruktur bis 2025 - spätestens dann; sonst werden wir abgehängt -, und das sind Gigabit-Netze, damit wir in Echtzeit Geschäftsmodelle entwickeln können . ({21}) - Das machen wir ja . Wir fangen an . ({22}) Herr Dobrindt hat sich eine gewaltige Aufgabe vorgenommen . Er hat ein Zwischenziel bis 2018, von dem Sie noch vor der letzten Bundestagswahl gesagt haben, wir könnten es nicht erreichen . ({23}) Also, ich finde, die Tatsache, dass man noch nicht 2025 vor sich hat, sondern 2018, spricht nicht dagegen, dass man erstens etwas Vernünftiges macht und sich zweitens bessere Ziele setzt; so ist es ja nicht . ({24}) Meine Damen und Herren, das alles wird Geld kosten . Angesichts der gewaltigen Ausgaben der Länder und Kommunen in der Flüchtlingsintegration wird der Bund den Ländern gerade auch bei den Bildungsausgaben helfen müssen . Das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der Bildung ist eine echte Wachstumsbremse, meine Damen und Herren . ({25}) Wenn man nicht wieder ins Schuldenmachen einsteigen will, kann man Geld eben nur einmal ausgeben: entweder für die Erfüllung gigantischer Steuersenkungsversprechen oder für Investitionen in die Zukunft des Landes . ({26}) Ich rate also zur Zurückhaltung mit unrealistischen Ankündigungen und zu Augenmaß und Weitsicht . Wir haben gestern übrigens viel Richtiges über die Gefahren des rechten Populismus gehört . Zu dessen Nährboden zählen auch unhaltbare Wahlversprechen, die nach Wahlen schnell wieder einkassiert werden . Auch das sollten wir uns miteinander ersparen . ({27}) - Ja, das haben wir alle schon gemacht, jede Partei manche mehr, manche weniger . Ich rate davon ab . Lieber wenig versprechen und das halten - das tun wir in dieser Legislaturperiode übrigens -, ({28}) als wieder neu damit anzufangen, den Staat arm zu machen, die Wahlversprechen hinterher nicht einlösen zu können und damit die Enttäuschung vorzuprogrammieren . ({29}) Meine Damen und Herren, wir brauchen Investitionen in den wirtschaftlichen Erfolg, aber übrigens auch in mehr Sicherheit . Mehr Sicherheit hat viele Facetten: soziale Sicherheit, bezahlbarer Wohnraum, auskömmliche Renten, gute Schulen, lebendige Städte und Gemeinden - übrigens auch dort, wo der demografische Wandel und das Fehlen von Arbeitsplätzen zu weniger Einwohner führen; auch dort darf die öffentliche Daseinsvorsorge nicht verschwinden - und natürlich innere Sicherheit . Es bringt nicht viel, auf Zahlen zu verweisen, da die Experten wissen, dass wir dem Aufgabenzuwachs der Bundespolizei seit circa elf Jahren nicht mit Personalaufwuchs begegnet sind . Gut, dass wir das jetzt ändern . Ich finde das vernünftig. Die SPD hat den Antrag gestellt, die Union findet das richtig. Wir sind hier auf einem guten Weg, sollten aber nicht so tun, als hätten wir in der Vergangenheit durch das sozusagen Armsparen des Staates nicht vielleicht auch bei der Polizei Fehler gemacht . ({30}) Die Länder haben hier zum Teil eingespart - Gott sei Dank nicht alle -, und die Bundespolizei hat - das können Sie bei der Gewerkschaft der Polizei nachlesen - 14 000 Stellen zu wenig . By the way: Expertin für die innere Sicherheit ist die Bundespolizei und nicht die Bundeswehr . Die muss man stärken! ({31}) Meine Damen und Herren, ich bleibe dabei: Wir müssen in einer Lage, in der wir binnen eines Jahres mehr als 1 Million Flüchtlinge aufgenommen haben, die Gesellschaft zusammenhalten . Das ist die eigentliche Schicksalsfrage . Weniger denn je dürfen wir eine gespaltene Gesellschaft der Gewinner und Verlierer hinnehmen . Weniger denn je dürfen wir die soziale Stabilität und den inneren Frieden aufs Spiel setzen . Solidarität haben die Menschen verdient, die Schutz bei uns suchen, aber nicht nur diese . Konkurrenz am Arbeitsmarkt und am Wohnungsmarkt sowie Sorgen um die Qualität der Schulen und um die Kriminalität in schwierigen Stadtteilen betreffen vor allem die Menschen in Deutschland, die nicht viel Geld haben . Darauf hinzuweisen, heißt nicht, den Rechtspopulisten das Wort zu reden, sondern bedeutet, Menschen ernst zu nehmen, und vor allem bedeutet es, aktiv dafür zu sorgen, dass Menschen im Alltag erfahren, dass niemand vergessen wird; denn Politik lebt vom aktiven Handeln und nicht von Durchhalteparolen . Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten plädieren seit fast zwei Jahren für den Solidaritätspakt im Sinne einer doppelten Integration: also die integrieren, die kommen, und die zusammenhalten, die da sind . Das ist kein Ausspielen von Flüchtlingen gegen Einheimische und übrigens erst recht nicht erbarmungswürdig, sondern das genaue Gegenteil: Das ist der einzige Weg, die Gesellschaft zusammenzuhalten . ({32}) Wir fragen uns, wie vielen Menschen wir helfen und wie viele wir auf Dauer in Deutschland aufnehmen können . Das Maß, in dem wir fähig und in der Lage sind, den Zusammenhalt aller zu sichern, ist das Maß, das bestimmt, wie viele Menschen wir hier aufnehmen können . Deshalb dürfen wir nicht in die Falle gehen, den Staat erneut zu schwächen, indem wir ihn durch allzu große Versprechen entweder finanziell handlungsunfähig machen oder erneut in die Verschuldung treiben . Eine immer heterogener und vielfältiger werdende Gesellschaft braucht Orientierungspunkte . Der wichtigste Orientierungspunkt ist ein starker und handlungsfähiger Staat . 30 Jahre lang galt es als richtig, den Staat zu schwächen: weniger Steuern, weniger öffentliche Daseinsvorsorge, mehr Privatisierung, mehr Liberalisierung . Ich bin weit davon entfernt, alles wieder umkehren zu wollen; denn auch ein überbordender und übergriffiger Staat fördert den Frust und hemmt die wirtschaftliche Dynamik. Wir müssen aber eine neue Balance finden. Die Lebensverhältnisse in Deutschland sind heute jedenfalls alles andere als einheitlich, und auch das ist einer der Gründe für die Verunsicherung im Land, die sich die Falschen versuchen zunutze zu machen . Meine Damen und Herren, Zusammenhalt in Deutschland ist vor allen Dingen vor Ort gelebter Zusammenhalt . Deswegen war es richtig, dass diese Regierung für die Kommunen das größte Entlastungspaket in der Geschichte der Republik geschnürt hat . ({33}) Bis 2019 wird sich die Finanzierungsentlastung der Kommunen auf mehr als 30 Milliarden Euro erhöhen . Ich weiß nicht, ob es in der Geschichte der Republik etwas Ähnliches gegeben hat . Ich glaube nicht . Leistungen der Daseinsvorsorge, intakte Quartiere, das alles hat mit Ordnung und Sicherheit zu tun . Es gibt kein solidarisches Land ohne solidarische Städte und Gemeinden . Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir die Richtung in der sozialen Marktwirtschaft wieder gut vorgegeben haben . Die soziale Marktwirtschaft überlässt eben die Gestaltung der Gesellschaft nicht allein denjenigen, die sich wirtschaftlich stark fühlen . Politik ist kein Zuschauer . Sie darf nicht nur abwarten . Sie muss sich einmischen und Regeln durchsetzen . Auch deshalb haben wir in der Energiewende trotz harter Lobbykämpfe endlich dafür gesorgt, dass sie in verlässliche Bahnen kommt . ({34}) Wir haben sie zum ersten Mal in den europäischen Binnenmarkt eingebettet und zugleich für die stromintensive Industrie sowie für die industrielle Eigenstromversorgung Sicherheit geschaffen, damit sie nicht in Gefahr geraten . Die im internationalen Wettbewerb stehende Stahl- und Chemieindustrie mit ihren Hunderttausenden Arbeitsplätzen bekommt Klarheit . Das ist ein zentrales Stück Industriepolitik, mit der unsere produzierende Wirtschaft im europäischen Wettbewerb gestärkt wird . Meine Damen und Herren, Politik in der sozialen Marktwirtschaft muss sich eben einmischen, wenn es um das Gemeinwohl geht . Das galt übrigens auch beim Thema Edeka/Tengelmann . Ich will das nur am Rande streifen, wir werden darüber noch im Ausschuss reden . Aber eins ist doch klar: Wenn es einen Gemeinwohlgrund gibt, dann doch wohl den, 8 000 bis 16 000 Arbeitsplätze zu sichern . ({35}) Das gilt allemal dann, wenn es gut bezahlte Arbeitsplätze sind und diese tarifvertraglich abgesichert sind . Dass man dafür Gespräche führen muss, die man nicht jedem sofort in der Art von Protokollen mitteilt, war in bisherigen Kartellverfahren üblich . Insofern werden wir sehen, wie der Bundesgerichtshof darauf reagiert . ({36}) Wichtig finde ich nur, Frau Dröge: Die Tarifverträge gehen über das hinaus, was ich an Auflagen gemacht habe . ({37}) Das geht so weit, dass die befristeten Arbeitsverhältnisse abgesichert werden, sie werden zu festen Arbeitsverhältnissen . Es geht so weit, dass auch die Arbeitsplätze bei Edeka in den Tarifverträgen gesichert werden . ({38}) Ich will denjenigen sehen, der das ernsthaft infrage stellen kann . Deswegen bin ich ganz gelassen . Eins ist klar: Wenn man als Minister in solchen Fällen nichts tut, dann handelt man relativ risikofrei . ({39}) Wenn man sozusagen oben vom Turm beobachtet, wie den Menschen etwas angetan wird, dann geht man vielleicht selbst ein geringeres Risiko ein . Dafür steigt das Risiko bei den Betroffenen. Ich jedenfalls glaube, dass wir nicht in der Politik sind, um unsere Risiken zu minimieren, sondern um die Risiken von Menschen und vor allen Dingen von abhängig Beschäftigten zu verringern . Das haben wir hier getan . ({40}) Meine Damen und Herren, die soziale Marktwirtschaft wird natürlich nur dann ernst genommen, wenn sie sich auch im Zeitalter von Europäisierung und Globalisierung durchsetzt . Konkret: Große, renommierte, internationale Unternehmen können sich nicht so benehmen wie Feudalherren und selbst entscheiden, wie sie mit ihrer Pflicht, zum Gemeinwohl beizutragen, umgehen wollen . Es geht nicht darum, einzelne Konzerne wie Apple, Amazon oder Starbucks an den Pranger zu stellen . Darum geht es gar nicht . Es geht darum, das System zu verstehen und die Komplizenschaft abzustellen . Es ist richtig, wie der Bundesfinanzminister ausgeführt hat, dass wir beim Informationsaustausch der Steuerbehörden Fortschritte gemacht haben . Die zuständigen Behörden müssen die Gelegenheit dann allerdings auch ergreifen . Wenn Apple in Deutschland ein iPhone verkauft, macht das Unternehmen mit jedem verkauften Gerät einen hohen Gewinn . Dieser Gewinn wird verschoben, um der Besteuerung zu entgehen . Die in Deutschland registrierte Apple-Gesellschaft in Frankfurt, die für den Verkauf von Apple-Geräten zuständig ist, verdient damit fast eine halbe Milliarde Euro . Der Gewinn hingegen beträgt nur etwa 10 Millionen Euro . Apple zahlt in Europa 0,005 Prozent Steuern . Dass das oberfaul ist, liegt auf der Hand . Und es ist ein Hohn für jeden Facharbeiter und jeden Handwerksmeister, der brav seine Steuern zahlt . ({41}) Wir sind also aufgerufen, das auch in Europa zu ändern . Das kann nicht die Aufgabe der Wettbewerbskommission sein . Natürlich geht es auch darum, dass wir in Europa aufpassen müssen, nicht abgehängt zu werden . Deswegen bin ich sehr dafür, dass Europa auch Freihandelsverträge schließt, die es uns ermöglichen, auch die Standards sozialer Marktwirtschaften im internationalen Handel einzuführen . Dafür muss man sich in das Wagnis von Verhandlungen hineinbegeben . Dass das bei TTIP aus meiner Sicht in diesem Jahr nicht mehr zu erreichen ist, habe ich hinreichend oft gesagt . Dass ich das bedauere, ist, glaube ich, auch klar . Denn ich fand die Verhandlungen über diese Abkommen dringend nötig . Aber es bringt auch nichts, mit den Verhandlungen über TTIP so umzugehen wie in dem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“, nämlich immer „Bravo!“ zu rufen, und in Wahrheit steht das Abkommen sozusagen ziemlich nackt da . ({42}) Wir werden sehen, ob nach den amerikanischen Präsidentschaftswahlen ein Neustart gelingt .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Sigmar Gabriel (Minister:in)

Politiker ID: 11003755

Ja, ich komme zum Schluss .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

- darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass die Freude Ihrer Fraktion über Ihre Rede vielleicht durch die Inanspruchnahme der Redezeit der nachfolgenden Kolleginnen und Kollegen getrübt wird? ({0})

Sigmar Gabriel (Minister:in)

Politiker ID: 11003755

Herr Präsident, ich will nicht sagen, dass sie Kummer gewohnt sind … ({0}) Ich komme zum Schluss . Ich glaube, dass auch das dazugehört: den Standort Europa zu stärken und die soziale Marktwirtschaft durchzusetzen, nicht nur bei uns, sondern auch Schritt für Schritt in Europa und global . Dafür brauchen wir vor allen Dingen die Kombination aus wirtschaftlicher Dynamik und sozialer Sicherheit . Es vereint das europäische Modell von Freiheit und Verantwortung . Das ist übrigens nichts anderes als die Leitkultur unserer Wirtschaftsverfassung . Ich finde, wir haben in unserem Land mit viel Erfolg in den letzten drei Jahren dieser Leitidee unserer Wirtschaftsverfassung zu neuer Geltung verholfen . Ich glaube, das sollte uns auch in den kommenden Jahren leiten . Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Roland Claus für die Fraktion Die Linke . ({0})

Roland Claus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003065, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon bemerkenswert: Immer wenn Bundestagswahlen in vermeintliche Nähe rücken, übernehmen hier Teile der Koalition den Job der Opposition und klagen die eigene Regierung an . ({0}) Liebe Koalitionäre, wir können euch sagen: Die Opposition ist nicht amtsmüde . Wir machen unseren Job selber . ({1}) Sie hätten wahrlich genug damit zu tun, dieses Land vernünftig zu regieren, statt sich untereinander zu streiten . ({2}) Herr Bundesminister, erwartungsgemäß und keineswegs falsch haben Sie die wirtschaftliche Entwicklung positiv bewertet . Aber wir müssen auch zur Kenntnis nehmen: Die Früchte dieser positiven Entwicklung sind leider sehr ungerecht verteilt . Wir haben uns in dieser Woche oft über die sehr ungleiche Einkommensverteilung unterhalten . Wenn man das früher kritisiert hat - das war noch vor zwei, drei Jahren so -, wurde man meistens der Gleichmacherei bezichtigt . Dabei wurde immer noch ein bisschen der Vergleich mit der DDR herangezogen . Heute stellen wir fest: Über 80 Prozent der Bevölkerung finden die soziale Verteilung von Einkommen und Vermögen äußerst ungerecht . Das muss Ihnen doch zu denken geben, meine Damen und Herren . ({3}) Ein guter Wirtschaftsminister sorgt sich nicht nur um die sprudelnden Gewinne; ein guter Wirtschaftsminister muss sich auch immer um Verteilungsgerechtigkeit kümmern . ({4}) Damit habe ich nicht gesagt, dass er das nicht machte . Aber dass da noch sehr viel Luft nach oben ist, werden Sie wohl nicht bestreiten können . Arm trotz Arbeit ist kein Phantomschmerz, den die Opposition erfunden hat . Arm trotz Arbeit ist für Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschämende Realität . Niedriglohn und Leiharbeit haben sich breitgemacht und verfestigt . Im Osten ist der Anteil übrigens doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt . Nun haben Sie das möglicherweise als Fehlentwicklung erkannt . Tatsache ist aber doch, dass Langzeitverträge abgeschlossen worden sind . Im Osten gibt es einen Windradbauer, der inzwischen das Problem erkannt hat, dass er mit seinen Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern den Auftragsboom, den er hat, überhaupt nicht bewältigen kann . Er ist aber nicht in der Lage, jetzt aus den geschlossenen Langzeitleiharbeitsverträgen auszusteigen . Was die Wirtschaftsförderung angeht, Herr Bundesminister, steht natürlich auch viel Gutes und Vernünftiges in Ihrem Haushaltsentwurf, zu dem Sie verdammt wenig gesagt haben . Wir müssen Ihnen aber die Tatsache vorwerfen, dass die Verhältnisse nicht stimmen . Das von uns allen vielgelobte Zentrale Innovationsprogramm für den Mittelstand, ZIM, ist mit etwa einer halben Milliarde Euro ausgestattet . Für die Subventionierung von Luft- und Raumfahrt geben Sie in Ihrem Etat aber etwa 1,5 Milliarden Euro aus . Das ist eine Subventionierung von staatsnahen Monopolisten, meine Damen und Herren . ({5}) Es gibt also 1 Euro für die vielen kleinen Unternehmen und 3 Euro für die großen Konzerne . Wenn die Verhältnisse wenigstens umgekehrt wären, Herr Bundesminister - wenn 1,5 Milliarden Euro für die KMU und 0,5 Milliarden Euro für die großen Konzerne vorgesehen wären -, würde ich ja vielleicht aufhören, zu meckern . Diese Unverhältnismäßigkeit aber können wir Ihnen hier nicht durchgehen lassen . ({6}) Ende 2014 haben Sie, Herr Bundesminister, hier über die Institutionalisierung eines Bündnisses unter dem Titel „Zukunft der Industrie“ berichtet . ({7}) Wir haben uns angeschaut, was dort vorgesehen ist, und gesagt: Okay, die Probleme sind ausgesprochen präzise analysiert, da wird der Finger in die Wunde gelegt . Im Haushalt für 2017 haben Sie für die Begleitung dieses Bündnisses wieder 5 Millionen Euro eingestellt . Ich muss Sie aber einmal fragen: Wann gedenken Sie, zu liefern? Wann wollen Sie Ergebnisse vorlegen? In den Unterlagen des Bundeswirtschaftsministeriums findet man die Ankündigung einer „Woche der Industrie“, die am 17 . September beginnen soll . In den Unterlagen steht: In der „Woche der Industrie“ wollen Vertreter von Unternehmen - also Geschäftsführungen und Betriebsräte - mit Bundestagsabgeordneten, Landräten und Bürgermeistern über genau diese Probleme diskutieren . Einladungen an Bundestagsabgeordnete, Herr Bundesminister, sind uns bislang nicht bekannt . ({8}) Es kann aber nicht nur immer bei einer Ankündigungspolitik bleiben, Sie müssen in der Tat auch Ergebnisse abliefern . Ich will auch auf die Entwicklung der ostdeutschen Wirtschaft eingehen . Wir beobachten ja seit langem eine Verfestigung des wirtschaftlichen Rückstandes im Vergleich zum Bundesdurchschnitt . Das hat damit zu tun, dass es nach wie vor keine einzige große Firmenzentrale in Ostdeutschland gibt . Auf der anderen Seite aber gibt es auch Erfolge bei wirtschaftlichen Transformationsprozessen, die bemerkenswert sind. Die finden aber leider noch zu wenig Nachahmung und werden, was die gesamtdeutsche Betrachtung angeht, nicht genügend gewürdigt . Die Akteure vor Ort - egal wo sie herkommen sagen: Das war nur im Osten so möglich . Nun sind Sie ja auch - das merkt man nicht immer so - der Ost-Minister . Bei dem Titel „Schwerpunktvorhaben der Beauftragten für die neuen Bundesländer“ kürzen Sie aber um mehr als 25 Prozent . ({9}) Da geht es nicht um viel Geld, Herr Bundesminister; aber das geht ganz eindeutig in die falsche Richtung . Ich denke, das ist ein Punkt, den wir unbedingt korrigieren müssen . Und wir werden ihn auch korrigieren können . ({10}) Die ostdeutsche Wirtschaft leidet besonders unter den Russlandsanktionen . Dafür kennen Sie viele Beispiele . Zur gleichen Zeit kooperiert die Bundesregierung mit russischen und - man höre - ukrainischen Luftfahrtunternehmen beim Transport von NATO-Militärgütern . Genau diese Zweierlei-Maß-Politik ist es, die kleine Unternehmen auf die Palme bringt . Zum Schluss: Dieser Haushalt, Herr Bundesminister, kann so nicht bleiben . Er kann ja auch noch besser werden, wenn wir im Parlament mutig an ihn herangehen . Weil Sie, Herr Bundesminister, bekanntlich so zurückhaltend und bescheiden sind und niemals öffentlich um Hilfe bitten würden, bieten wir Ihnen diese Hilfe von hier aus schon einmal aktiv an . ({11}) Vielen Dank . ({12})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Michael Fuchs erhält nun das Wort für die CDU/ CSU-Fraktion . ({0})

Dr. Michael Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003531, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Minister, Sie haben über Steuerentlastungen gesprochen . Der Bundesfinanzminister hat uns in seiner Rede am Dienstag vorgerechnet, dass die gesamtwirtschaftliche Steuerquote deutlich angestiegen ist, und zwar von 21,4 Prozent im Jahre 2010 auf 22,8 Prozent in diesem Jahr, und dass das Spielraum gibt, in der nächsten Legislaturperiode eine Senkung der Steuern in einer Größenordnung von 15 Milliarden Euro vorzunehmen . Es ist aber nicht ganz redlich, dass Sie sagen, dabei handele es sich um eine volle Belastung des Bundeshaushalts . Sie wissen ganz genau, dass der Bund diese Belastung mit den Ländern teilt . Etwa 8 Milliarden Euro haben die Länder zu tragen, ({0}) während 7 Milliarden Euro als Belastung beim Bund landen . So sieht nun einmal die Verteilung zwischen Bund und Ländern gemäß der Steuerquote aus . Der geschätzte Kollege Hubertus Heil hat gestern gesagt - wir werden sicherlich bei unserem nächsten Koalitionstreffen darüber sprechen -, man könne noch in dieser Legislaturperiode etwas machen . Dazu kann ich nur sagen: Da haben Sie noch ein gewisses Abstimmungsproblem in Ihrer Fraktion . ({1}) Aber das wollen wir nicht weiter thematisieren . Das ist Ihr Problem und nicht unseres . In einem Punkt bin ich mit Ihnen voll und ganz einig: Deutschland geht es gut . Wann haben wir jemals so positive Zahlen gehabt wie jetzt? Mir geht es ein Stück weit auf den Geist, dass nun die ganze Zeit alles Mögliche schlechtgeredet wird, egal von wem . ({2}) Wir haben eine Erwerbstätigenzahl zu verzeichnen, die es in dieser Größenordnung noch nie gegeben hat - Herr Gabriel, Sie haben das eben erwähnt -: 43,5 Millionen! Aber das Wichtigste ist für mich: Wir haben de facto keine Jugendarbeitslosigkeit mehr . Es gibt sogar viele Regionen in Deutschland, in denen nach jungen Leuten als Auszubildende gesucht wird . In meinem Wahlkreis sind in diesem Jahr 600 Ausbildungsstellen noch nicht besetzt . Das zeigt, dass wir zumindest auf diesem Sektor äußerst positive Entwicklungen zu verzeichnen haben . Dafür können wir dankbar sein . Wir müssen sogar darüber nachdenken, wie wir unter Umständen junge Leute unter den Flüchtlingen so weit integrieren können, dass sie schnellstmöglich in ein Ausbildungsverhältnis kommen . Da sehe ich Chancen; diese sollten wir nutzen . Jeder in diesem Hohen Hause muss sich aber auch darüber klar sein, dass ein Teil des Wachstums auf exogene Faktoren zurückzuführen ist . Das sind der niedrige Gasund Ölpreis, die niedrigen Zinsen und der günstige Euro-Dollar-Kurs, der es unserer exportierenden Wirtschaft wesentlich leichter macht als beispielsweise noch vor drei Jahren, als 1 Dollar noch 1,35 Euro kostete . Das alles sind günstige Faktoren, für die wir im Prinzip nicht allzu viel können . Des Weiteren ist zu bedenken: Die Bewältigung der Flüchtlingskrise führt natürlich auch zu mehr Konsum in Deutschland. Davon profitiert der Einzelhandel nicht unerheblich . Wir haben außerdem in dieser Legislaturperiode für diverse soziale Wohltaten gesorgt . Ich erwähne nur die Rente mit 63 und die Mütterrente . Das sind Belastungen für den Bundeshaushalt, aber auch für die Sozialkassen . Das können wir uns in der derzeitigen Boomsituation leisten . Aber ich warne die Unvernünftigen: Es muss auch einmal gut sein . Es kann nicht die ganze Zeit so weitergehen; denn wir wissen nicht, ob sich die wirtschaftliche Entwicklung weiterhin so positiv darstellen wird wie bisher . ({3}) Was müssen wir tun? Ein Punkt ist mir ganz besonders wichtig . Das ist ein klares Ja zu Freihandel und Außenhandel . ({4}) 40 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland hängen direkt oder indirekt vom Außenhandel ab; wir sollten das nicht vergessen . Deutschland ist für mich der größte Gewinner einer intensiven Einbindung in den Welthandel . Wir haben einen sehr großen Exportüberschuss zu verzeichnen, der in den letzten Jahren immer weiter nach oben gegangen ist; dafür sind wir dankbar . Die G 20 haben am Wochenende klargemacht, dass Handel und offene Märkte ein absolutes Muss sind. Deswegen sagt die Union ganz klar Ja zu CETA und TTIP . Das ist für uns ganz klar . ({5}) CETA ist ein fortschrittliches Abkommen, wie die Anhörung am vergangenen Montag gezeigt hat . Dort kam klar zum Ausdruck, dass es sich um ein sehr sinnvolles Abkommen handelt . Herr Minister, ich glaube, da haben wir keine wesentlichen Differenzen. Die TTIP-Verhandlungspositionen liegen auf dem Tisch . Es ist wie bei Tarifverhandlungen . Ich habe das Vergnügen 16 Jahre erlebt . Ich habe aber nie den Kollegen von der Gewerkschaft vorher gesagt, welches Ziel ich habe . Also können wir doch nicht erwarten, dass Herr Froman uns heute schon sagt, welche Ziele er hat . Dann erreicht er sie nie . Das Ergebnis wird immer von den Verhandlungen abhängen . Das heißt, es ist jetzt über fast alle Punkte verhandelt worden . Am Ende des Tages kommt die berühmte Nacht der langen Messer, in der eine Forderung gegen die andere abgewogen wird, sodass man am Ende ein vernünftiges Abkommen hinbekommt . Warum sollen wir das, was wir mit den Kanadiern hinbekommen haben, mit den Amerikanern nicht hinbekommen? Es schadet uns, wenn wir es nicht hinbekommen . ({6}) Verehrter Herr Gabriel, ich erwarte von Ihnen als Bundeswirtschaftsminister, dass Sie sich mit aller Kraft für TTIP einsetzen . Ein gutes TTIP ist im Interesse von Deutschland ({7}) und auch im Interesse der EU . Machen wir uns bitte nichts vor . Jetzt darf ich ein Beispiel aufgreifen . Sie haben einen Kollegen, der, glaube ich, Stegner heißt . Der war vor ein paar Tagen, am 1 . September, im Deutschlandfunk . Da hat er gesagt, die amerikanischen Arbeitnehmerund Umweltstandards - ich zitiere ihn jetzt - seien so schlecht, dass man, würde man dieselben Standards in Deutschland anwenden, diese gleich an der Garderobe abgeben könnte . Das ist völliger Unsinn . Ich habe Ihnen etwas mitgebracht, Herr Minister . Ich habe Ihnen die Telefonnummer des Betriebsrates von VW mitgebracht . Ich möchte Sie bitten, die Herrn Stegner zu geben . ({8}) Ein Anruf bei VW wird Herrn Stegner mit Sicherheit über die Umweltstandards der Amerikaner aufklären . ({9}) Diese Umweltstandards sind deutlich härter als die Umweltstandards, die wir haben . Wer hat denn den VW-Skandal aufgedeckt? Waren das unsere Behörden, oder waren das die Amerikaner? Nur eine Zahl dazu: Der Stickstoffmonoxidausstoß eines Dieselfahrzeugs in den USA darf 32 Milligramm betragen, bei uns sind das 80 Milligramm . Wer hat denn nun die strengeren Umweltstandards? Wer hat denn nun Standards, die die Wirtschaft richtig fordern? Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum sich VW in dieses Desaster hineinbegeben hat . Ich empfehle die Diskussion auf dieser Ebene; das müsste zwischen dem Betriebsrat und Herrn Stegner möglich sein . Der Bundesfinanzminister hat in seiner Rede am Dienstag noch einen weiteren Punkt angesprochen . Er hat ganz klar gemacht, dass es sehr eigenartig ist, dass auf der einen Seite permanent gegen TTIP von allen möglichen Organisationen, die so intransparent sind, wie sie wollen, gekämpft wird, aber auf der anderen Seite die Menschen - ich zitiere ihn jetzt - „fast glänzende Augen“ bekommen, „wenn sie von einer Freihandelszone von Wladiwostok bis Lissabon reden“ . ({10}) Herr Minister, wir müssen einmal darüber nachdenken, warum das so ist . Es gibt einen latenten Antiamerikanismus . Darüber muss das Hohe Haus nachdenken . Wir verdanken den Amerikanern ganz besonders viel . Ich finde es sehr übel, wenn auf diese Art ein Freihandelsabkommen mit den Amerikanern diskutiert wird . ({11}) Ich habe mich in meinem ganzen beruflichen Leben mit Freihandel beschäftigt . Freihandel hat unserem Land immer nur genützt . Dazu nur eine Zahl: Wir haben vor fünf Jahren das Korea-Abkommen abgeschlossen . Ich habe nicht eine Stimme in diesem Hohen Hause gehört, die sich dagegen ausgesprochen hat, die sich überhaupt gemeldet hat oder darüber diskutiert hat . Gar nichts . Es gab einen Verband, der einen Vertreter zu mir geschickt hat . Mit dem bin ich ziemlich schnell fertig geworden . Das war ein Vertreter des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie, der geglaubt hat, er werde Schaden nehmen, wenn ein solches Abkommen komme . Das Gegenteil war der Fall . Der Verband hat davon gewaltig profitiert. In den fünf Jahren ist unser Export nach Korea um 55 Prozent gestiegen . Das zeigt doch, dass der Freihandel und Freihandelsabkommen gerade für uns in Deutschland wichtig und vernünftig sind . Lassen Sie mich einige Worte zur EU sagen . Wir müssen die EU stärken . Ich halte das für dringend notwendig . Die EU diskutiert aber permanent über Austerität und Austeritätsprogramme . Der heilige Herr Keynes schreitet durch die Hallen, aber alle diejenigen, die die ganze Zeit darüber diskutieren, haben von Keynes offenbar nur die erste Seite gelesen, aber nicht die zweite Seite, auf der steht, dass in guten Zeiten eingespart werden soll und das, was man zu viel ausgegeben hat, wieder zurückgezahlt werden muss . Ich empfehle die komplette Lektüre . ({12}) Meine Damen und Herren, gerade die Länder der EU, die besonders hohe Gesamtverschuldungsquoten haben, haben auch ein besonders schlechtes Wirtschaftswachstum . Das sind Italien, Griechenland, Belgien, Frankreich . All diese Länder haben ein niedriges Wirtschaftswachstum oder gar keins . Bei den wenig verschuldeten Staaten sieht es wesentlich besser aus: bei Estland, Lettland, Litauen, Polen und uns selbst, Deutschland . Das zeigt, dass eine hohe Staatsverschuldung nicht dazu führt - meistens sind die schuldenfinanzierten Programme ja nichts anderes als eine Seifenblase -, dass das Wachstum stabilisiert wird - im Gegenteil . Eins muss man den Engländern sagen: Selbstverständlich haben sie das Recht, Artikel 50 des EU-Vertrages zu ziehen . Aber: There ain’t no free lunch . Niemand kann glauben, dass er die Möglichkeiten, die Europa uns gewährt, weiterhin in Anspruch nehmen kann; das wird nicht so sein . „In is in and out is out .“ Deswegen müssen wir klarmachen, dass zumindest die vier Grundfreiheiten fortbestehen müssen, wenn jemand mit der EU zusammenarbeiten will . Ich bin dagegen, dass Herr Johnson, Großbritanniens Trump-ähnlicher neuer Außenminister, mit Chuzpe daherkommt und sagt: Die Europäer werden sich nicht trauen, den Banking Passport zu berühren . Natürlich, wenn England nicht mehr Mitglied der EU ist, dann kann auch der Banking Passport nicht mehr gewährt werden für Banken, die ihren Sitz in England haben . Wenn diese Banken den Banking Passport behalten wollen, dann müssen sie ihren Sitz in ein EU-Land verlagern . Wenn es ihnen in Frankfurt nicht gefällt, können sie ja nach Dublin gehen; aber sie müssen eine solche Verlagerung des Firmensitzes vornehmen . Davon wird das eine oder andere Land in Europa profitieren. ({13}) Bevor ich zum Schluss komme, muss ich noch etwas zur Energiepolitik sagen . Die Energiewende haben wir vorangetrieben . Mittlerweile haben wir eine installierte Leistung bei erneuerbaren Energien von mehr als 110 Gigawatt; so viel hat es noch nie gegeben . Für die gesamte Energieversorgung reicht das natürlich nicht, da es dumDr. Michael Fuchs merweise die berühmten Dunkelflauten gibt, also Tage, an denen weder genug Sonne scheint noch genug Wind weht . ({14}) - Das wird ja von den Grünen die ganze Zeit versucht, lieber Herr Kauder; aber sie waren bis jetzt nicht so erfolgreich damit . ({15}) Diese Zeiten müssen wir aber abdecken . Deswegen muss es unsere Aufgabe sein, für sichere Leistungen zu sorgen . Das heißt auch, dass wir noch eine Zeit lang fossile Energien brauchen werden . Ich danke Ihnen . ({16})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält nun der Kollege Anton Hofreiter das Wort .

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Rede des Vizekanzlers war ich, ehrlich gesagt, verblüfft, in welche Richtung er sich bewegt hat, er hat sich nämlich zurück auf die Regierungsbank gesetzt . Ich dachte nach dieser Rede, dieser Mann gehöre längst der Opposition an und die SPD habe die letzten Jahre eigentlich gar nicht mitregiert . ({0}) Vieles von dem, was er gefordert hat, war ja richtig . Er hat zum Beispiel darauf hingewiesen, was bei der Erbschaftsteuerreform alles schiefgegangen ist . Er hat Ordoliberale zitiert . Er hat von leistungslosen Einkommen gesprochen . Das war ja alles richtig . Bloß, ich kann mich düster erinnern, dass das Modell dieser Erbschaftsteuerreform irgendwie durch dieses Kabinett gegangen sein muss . Ich vermute einmal, dass der Vizekanzler und Wirtschaftsminister bei der Abstimmung darüber wahrscheinlich seine Hand dazu gehoben hat . Deswegen kommt mir das Ganze hier einfach wie ein Wahlkampfmanöver vor . ({1}) Der Wirtschaftsminister und Vizekanzler lobt sich dafür, dass die Investitionen so hoch sind . Dabei werden immer nur absolute Zahlen genannt . Ja, wir haben seit vielen Jahren ein Wirtschaftswachstum; deshalb sind absolute Zahlen fast immer Höchstwerte; das ist mathematisch zwangsläufig. Das Spannende ist, wie sich das Ganze prozentual entwickelt, wie also das Verhältnis der Investitionen zum Gesamthaushalt ist . Schauen wir uns doch einfach nur Ihre offiziellen Zahlen an: Unsere Investitionsquote liegt in diesem Jahr bei ungefähr 10 Prozent . Diese Quote soll nach Ihren eigenen Vorstellungen im Jahr 2020 bei 8,8 Prozent liegen . Das heißt, diese Quote soll im Vergleich zum jetzigen Wert sinken . Hören Sie also auf, sich selbst zu loben, sondern nennen Sie die richtigen Zahlen, und sorgen Sie endlich dafür, dass wirklich investiert wird . ({2}) Zum Glück geht es vielen Menschen in unserem Land inzwischen besser . Das ist richtig; das ist wichtig . Trotzdem machen sich viele Menschen Sorgen . Warum machen sie sich Sorgen? Sie machen sich nicht deshalb Sorgen, weil es ihnen jetzt gar nicht so schlecht geht, sondern sie machen sich Sorgen über die Dinge, die unter Umständen auf sie zukommen . Wenn ich mir da die Politik der Bundesregierung anschaue, dann kann ich verstehen, dass sich die Menschen Sorgen machen . Bei allen entscheidenden Zukunftsinnovationen bremst die Bundesregierung nämlich . Das hat man beim Klimaschutzplan wunderschön gesehen . Was bräuchten wir denn dringend? Wir bräuchten ein modernes Energiesystem . Wir bräuchten ein Energiesystem, das mit regenerativen Energien funktioniert, ein Energiesystem, das innovativ ist . Wir müssten raus aus der alten, schmutzigen Kohle . Ihre Umweltministerin, Ihre Parteikollegin, Herr Gabriel, hat dazu Kluges vorgeschlagen . Und was haben Sie gemacht, Herr Gabriel? Sie haben es ihr herausgestrichen . Das ist nicht nur schlecht für die Umwelt, das ist nicht nur schlecht für die Bekämpfung der Klimakrise, sondern das ist schlichtweg schlecht für den Wirtschaftsstandort . Der Wirtschaftsstandort wird gestärkt, wenn wir ein modernes, ein innovatives Energiesystem haben . ({3}) Immer wieder betonen SPD und CDU/CSU, wie wichtig die Autoindustrie für Deutschland ist, und das stimmt ja . ({4}) Das ist einer der wichtigsten Industriezweige, den wir in Deutschland haben . ({5}) Wenn wir uns jetzt anschauen, was sich in der Autoindustrie tut, dann sehen wir, dass inzwischen ein Start-up-Unternehmen wie Tesla zu einer ernsthaften Bedrohung für die mächtigste und stärkste Industrie geworden ist, die wir haben . ({6}) Wir sehen, dass Städte wie Paris bis zum Jahr 2020 Dieselfahrzeuge in ihren Grenzen verbieten wollen . Die SPD und die CDU/CSU träumen immer noch von der großen Zukunft der Dieselfahrzeuge . ({7}) Abgesehen davon, dass das gesundheitsschädlich ist, und abgesehen davon, dass das klimaschädlich ist: Sie gefährden damit mittelfristig den Bestand der wichtigsDr. Michael Fuchs ten Industrie, die wir in Deutschland haben - und das als Wirtschaftsminister . Was ist denn die Aufgabe des Wirtschaftsministers? Die Aufgabe des Wirtschaftsministers ist, dafür zu sorgen, dass es auch in der Zukunft innovative und sichere Arbeitsplätze gibt . Ich hätte nie gedacht, dass wir Grünen Sie mal dazu auffordern müssen, endlich dafür zu sorgen, dass die Autoindustrie gerettet wird . Deswegen: Hören Sie auf, der Umweltministerin da Knüppel zwischen die Beine zu werfen! ({8}) Kommen wir zu CETA und TTIP . Sie sprechen immer davon, dass das ein tolles Freihandelsabkommen ist . Die SPD ist da sowieso schizophren unterwegs, ({9}) nämlich: TTIP ist ganz, ganz böse, und CETA ist ganz, ganz gut . Jetzt schauen wir uns doch einmal an, was bei CETA so gut sein soll . Was ist denn da angeblich so gut? Die Schiedsgerichte sind weiter drin, die Aushöhlung des Vorsorgeprinzips ist weiter im Vertrag drin, ({10}) und der Angriff auf die Daseinsvorsorge ist weiter drin. Das heißt, der Minister will uns hier weismachen: TTIP das bringt ihn vor der Bundestagswahl ganz sicher nicht mehr in Schwierigkeiten - ist das Böse - damit ist die SPD plötzlich für einen fairen Handel -, ({11}) und CETA ist das Gute . Das ist doch absolut unglaubwürdig . Dann zur CDU/CSU . Wenn es um ein Freihandelsabkommen ginge, dann könnte man darüber reden . Aber die CDU/CSU - insbesondere die CSU - macht schon einen Aufstand, wenn richtige und wichtige Kompetenzen auf die EU verlagert werden . Ein Beispiel ist das peinliche Auftreten des CSU-Finanzministers Söder in der Apple-Frage . Dabei soll auf europäischer Ebene zu Recht erreicht werden, dass die transnationalen Konzerne endlich mal Steuern zahlen müssen . Da regen Sie sich auf . Aber die Frage, wie die kommunale Wasserversorgung in unseren Orten gestaltet werden soll, soll plötzlich in einem transnationalen Vertrag, in einem völkerrechtlich verbindlichen Vertrag zwischen Kanada und der Europäischen Union geregelt werden . Seien Sie mir nicht böse, wenn ich jetzt sage - ich war mal Gemeinderat bei uns in Sauerlach -: Wir wissen selber ganz genau, wie wir unsere Wasserversorgung regeln . Da brauchen wir keinen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag, der uns da reinpfuscht . ({12}) Darum geht es . Das ist das, was die Menschen stört, und das ist der Grund, warum die Menschen das ablehnen . Also: Wenn es um Freihandel ginge - ja; aber dieses Deregulierungsabkommen, das bis in die kommunale Daseinsvorsorge eingreift, lehnen wir ab . ({13}) Deshalb, Herr Wirtschaftsminister: Sie hätten unsere Unterstützung, wenn Sie für innovative Arbeitsplätze sorgen würden, wenn Sie für den Kohleausstieg sorgen würden, wenn Sie für ein modernes regeneratives Energiesystem sorgen würden, wenn Sie für eine zukunftsfähige Mobilitätspolitik sorgen würden und wenn Sie für fairen Handel sorgen würden . ({14}) Sorgen Sie endlich dafür! Sie haben noch ein Dreivierteljahr Zeit . In dieser Zeit könnte man noch manches machen und hier nicht nur Oppositionsreden halten, wie Sie es als Vizekanzler getan haben . ({15})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Hubertus Heil erhält nun das Wort für die SPD-Fraktion . ({0})

Hubertus Heil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003142, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die wirtschaftliche Lage zu sprechen, Herr Hofreiter, heißt, deutlich zu machen, wie diese im Moment ist . Sie hätten ruhig einmal einräumen können, dass die wirtschaftliche Lage in diesem Land gut ist . Wir haben eine stabile und robuste Konjunktur, die übrigens nicht nur von unserer Exportfähigkeit getragen wird . Diese war jahrelang der Motor . Das ist nach wie vor so . Aber inzwischen haben wir auch eine stärkere Binnennachfrage in diesem Land, weil die Kaufkraft gestiegen ist, weil viele Menschen in Arbeit gekommen sind und weil wir endlich anständige Lohn- und Tarifabschlüsse haben . Das verschweigen Sie, Herr Hofreiter, weil Sie sich mit den ökonomischen Zusammenhängen nicht auseinandersetzen . Wir dürfen uns nicht auf dem Erreichten ausruhen . Vielmehr ist es notwendig, den Blick nach vorne zu richten; das hat der Minister deutlich gemacht . Wir haben zum Beispiel durch die Digitalisierung, aber eben auch durch neue Antriebstechnologien - Sie haben die Automobilindustrie angesprochen - einen gigantischen Strukturwandel vor uns, den wir nicht unterschätzen, sondern den diese Regierung vorantreibt . Herr Hofreiter, ich will Ihnen eines sagen: Es gibt, wenn ich den Kollegen Fuchs und Sie einmal nebeneinanderhalte, beim Thema Freihandel zwei extreme Positionen in diesem Haus . Michael Fuchs sagte vorhin, dass die Union ganz klar Ja zu TTIP sagt . Ich frage mich eigentlich, warum; denn wir kennen den Inhalt noch gar nicht . ({0}) Einfach Ja zu sagen zum Inhalt von TTIP, ohne dass ein Verhandlungstext vorliegt, ist aus meiner Sicht auch ein Stück ideologische Fixierung . Die Grünen sagen auf jeden Fall Nein . Das ist auch falsch . Wenn man Globalisierung gestalten will, dann muss man nicht nur dafür sorgen, dass Handel möglich ist, sondern auch dafür, dass man faire Abkommen bekommt mit klaren Regeln, mit Regeln für Arbeitnehmerrechte, für demokratische Rechte, für Umweltrechte . Das ist etwas anderes, als nach dem Motto zu handeln - ich finde das, Toni Hofreiter, am Rande der Redlichkeit für eine Partei, die einmal etwas mit Aufklärung zu tun hatte -: „If you don’t know just say no .“ Das ist nicht redlich . ({1}) Jetzt reden wir einmal über die Frage: Was ist der Unterschied zwischen TTIP und CETA? Ihr schmeißt das ja einfach in einen Topf . Das eine ist ein Handelsabkommen, das Europa und Kanada verhandelt haben und das vom Text her vorliegt . Dazu sagen wir: Da gibt es vieles, was richtig gut nach vorne gekommen ist, übrigens durch unseren Druck . Gerade beim Thema Schiedsgerichte reden wir nicht mehr von diesen anonymen Schiedsgerichten, diesen Law Firms, die daraus ein Geschäftsmodell machen, sondern von transparenten Verfahren in Richtung Handelsgerichtshof mit Richtern, von Berufungsverfahren und Ähnlichem . Wir haben bei diesem Abkommen Dinge hinbekommen, die tatsächlich nach vorne weisen, was die Gestaltung der Globalisierung betrifft, was beispielsweise Arbeitnehmerrechte anbelangt. Die Kanadier ratifizieren aufgrund dieser Verhandlungen inzwischen alle Kernarbeitsnormen der ILO . Das ist ein Riesenfortschritt . Wir sagen aber noch nicht Ja, weil wir an zwei, drei Stellen in diesem Bereich - darin sind wir uns vollständig einig mit den deutschen Gewerkschaften - noch auf Fortschritte warten, beispielsweise wenn es darum geht, dass nicht nur ILO-Kernarbeitsnormen unterschrieben werden, sondern dass sie auch durchgesetzt werden, beispielsweise wenn es darum geht, der Sorge entgegenzutreten, dass die Daseinsvorsorge gefährdet ist oder dass Rekommunalisierung nicht mehr möglich ist . Wir wollen eine Klarstellung in diesem Bereich . Noch einmal: Das Abkommen ist sehr weit . Ich sage einmal an die Adresse der Grünen: Ihr wart mal eine Partei der Aufklärung . Jetzt seid ihr eine Partei der Mythen . An die Adresse des Kollegen Michael Fuchs sage ich: Wir wollen Freihandel, aber - das ist der Unterschied zu Ihnen - nicht um jeden Preis . ({2}) Wir wollen Freihandel auf Basis von fairen Regeln . ({3}) Michael Fuchs, so zu tun, als sei TTIP etwas, was sozusagen innerhalb von Wochen zu erreichen ist, das finde ich am Rande dessen, was man seriös sagen darf . Denn jeder von uns weiß, dass wir schon bei der Hannover Messe darauf hingewiesen haben, dass ein faires und gutes Transatlantisches Freihandelsabkommen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten in dieser kurzen Frist nur schwer zu erreichen ist und dass wir klare Vorstellungen haben . Das ist übrigens im Zusammenhang mit TTIP auch meine Kritik an der Bundeskanzlerin . Beim Gespräch mit Präsident Obama hat sie Folgendes verlauten lassen: Sie wolle jetzt in Europa für eine neue Verhandlungsdynamik in Sachen TTIP werben . Vielleicht hätte sie gegenüber der amerikanischen Regierung lieber einmal deutlich machen sollen, was unsere europäischen und deutschen Anforderungen an ein faires transatlantisches Freihandelsabkommen sind . ({4}) Einfach nur zu sagen „Das muss jetzt schnell kommen“, und sich nicht dafür einzusetzen, dass man Fortschritte in der Sache hinbekommt, hat auch dazu geführt, dass die Zeit jetzt knapp ist . Deshalb sage ich - Herr Gabriel als Bundesminister hat das deutlich gemacht -: TTIP ist realistischerweise aufgrund der Tatsache, dass in Amerika im November Präsidentschaftswahlen sind und da zwei kandidieren, von denen der eine ganz gegen Freihandelsabkommen ist und die andere sagt: „So auf gar keinen Fall“, in dieser Legislaturperiode nicht erreichbar . Das ist der Unterschied . Der eine Text liegt vor . Ich sage: Wir haben mit Kanada mit einer neuen Regierung, mit einer, wie ich finde, sozialliberalen Regierung bessere Chancen, dieses ohnehin ganz ordentliche Freihandelsabkommen im Gespräch mit den Parlamenten noch besser zu machen . Das ist der Unterschied . Wir wissen, dass in Deutschland viele Arbeitsplätze in großen, in kleinen und in mittelständischen Unternehmen auch vom Export abhängen . Wir dürfen keine Renationalisierung von Wirtschaftspolitiken zulassen . Auf der anderen Seite wissen wir auch, einfach grenzenlos Märkte zu öffnen, ohne faire Regeln zu schaffen, ohne Globalisierung zu gestalten, ist nicht der richtige Weg . Das ist vielleicht der Unterschied zwischen den Grünen, die einfach nach dem Motto handeln: „Freihandel wollen wir nicht, wir machen die Grenzen dicht“, und einer CDU, die sagt: „Regeln interessieren uns nicht .“ Wir gehen den mühevolleren Weg, Globalisierung zu gestalten . Ich glaube, das ist die zukunftsfähige Antwort auf eine Weltwirtschaft im 21 . Jahrhundert . Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit . ({5})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Klaus Ernst erhält nun das Wort für die Fraktion Die Linke . ({0})

Klaus Ernst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003753, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben gestern gehört, dass nach Ansicht unserer Kanzlerin der Haushalt die wesentlichen Probleme der Zeit versucht finanztechnisch anzugehen. Das war der Kern . Damit ist allerdings auch gesagt, wo die Regierung die Probleme nicht sieht: wenn sie nicht in diesem Haushalt angesprochen wurden . Wir haben folgende Situation: Das Problem der Vermögensverteilung und das Problem der ungleichen Einkommensverteilung sind offensichtlich für die Regierung Hubertus Heil ({0}) kein Problem, sonst würde sie sie ansprechen, sonst würde sie versuchen, das Problem zu lösen . Das oberste Tausendstel der Vermögenspyramide - ein Tausendstel der Menschen, die bei uns leben - besitzt laut DIW 17 Prozent des gesamten Vermögens der Bundesrepublik Deutschland . Auf der anderen Seite der Vermögenspyramide - wir wissen das - reicht es kaum zum Leben . Es gibt Kinderarmut . Ein Viertel aller Kinder in Deutschland leben in einem Haushalt, der sich nicht einmal einen einwöchigen Urlaub leisten kann . Ein besonderes Armutsrisiko haben Alleinerziehende, überwiegend Frauen, ein besonderes Armutsrisiko haben Alte . Das WSI stellt fest: Die Vermögensungleichheit ist in Deutschland besonders stark ausgeprägt . Innerhalb der Euro-Zone ist Deutschland nach Österreich das Land mit der höchsten Vermögensungleichheit . - So weit die Fakten . Wo sind Ansätze, das zu ändern? Herr Wirtschaftsminister, der Hinweis, dass in der Bundesrepublik Deutschland die Einkommen in den letzten Jahren im Durchschnitt um 1 000 Euro gestiegen sind, verwirrt eher, als dass er erläutert . 1 000 Euro im Durchschnitt heißt, dass es durchaus unterschiedlich verteilt ist . Ich nenne ein Beispiel: Wenn Sie, Herr Gabriel, mit einem Fuß im Eiswasser stehen und mit dem anderen Fuß im kochenden Wasser, dann ist es Ihnen am Hintern nicht lauwarm, sondern Sie verbrennen und verkühlen sich, und das gleichzeitig . Wenn wir wissen, dass bei der Einkommensverteilung insbesondere die unteren Einkommen, nämlich derjenigen, die im Niedriglohnsektor arbeiten, in den letzten zehn Jahren sogar Einkommenseinbußen hinnehmen mussten, dann ist das doch ein Problem, das die Bundesregierung endlich effektiv angehen muss. Da haben Sie keine Vorschläge gemacht, keinen einzigen . ({1}) - Ja, ihr habt den Mindestlohn eingeführt: deutlich zu niedrig . Wir haben die Bundesregierung gefragt, wie hoch er sein müsste, dass jemand, der den Mindestlohn bekommt, wenigstens eine Rente erhält, die über der Grundsicherung im Alter liegt: 11,68 Euro . Sie haben minimal erhöht . Sie produzieren mit dem Mindestlohn, so richtig er an sich ist, Altersarmut . Das wollen und müssen wir ändern, meine Damen und Herren . ({2}) Die 500 reichsten Deutschen konnten ihr Vermögen 2015 um 8,7 Prozent auf 723 Milliarden Euro steigern . Eine Millionärssteuer von 5 Prozent allein für diese Gruppe hätte 36 Milliarden Euro Mehreinnahmen im Staatshaushalt zur Folge . Sie hätten immer noch 2,6 Prozent mehr, mehr als jeder normale Mensch auf der Bank bekommt . Übrigens: Diese 36 Milliarden Euro hätten wir, ohne die schwarze Null zu gefährden . Apropos schwarze Null: Wir haben das Beispiel Apple . Die haben mit Zustimmung von Irland zu wenig Steuern gezahlt . Der bayerische Finanzminister sagt: Eigentlich ist es schlecht, wenn die Europäische Kommission das Geld von Apple eintreiben will - die 14 oder 15 Milliarden Euro . Meine Damen und Herren, was ist das denn? Die Begründung übrigens ist, dass wir die Verhandlungen, Herr Fuchs, über TTIP mit den Amerikanern nicht gefährden dürfen . Deshalb treiben wir die 15 Milliarden Euro nicht ein . Wenn man als Wirtschaftsminister so agiert wie der bayerische Finanzminister, dann braucht man sich nicht zu wundern, dass sich die Bürgerinnen und Bürger von der Politik abwenden, da sie genau wissen, dass auf der einen Seite unten pünktlich die Steuern gezahlt werden . Sie werden vom Lohn abgezogen, man sieht sie überhaupt nicht . Solch ein Unternehmen aber wird ganz besonders behandelt, und das auch noch mit Zustimmung aus Bayern . Mein Gott! Da kann ich nicht nur sagen: „armes Deutschland“, sondern ich muss sagen: „armes Bayern“ - und das sage ich als Bayer . ({3}) Meine Damen und Herren, die Defizite, die wir in unserem Land haben, sind bekannt, ob wir über die Krankenhäuser sprechen, über den Wohnungsbau, die Brücken oder die Verkehrswege . In dieser Situation über die schwarze Null zu schwadronieren oder auf der anderen Seite über Steuersenkungen zu reden, das ist momentan wirklich absolut der falsche Weg . Wir haben fehlende Investitionen; der Kollege Hofreiter hat es angesprochen . Herr Schäuble und Herr Gabriel, Sie tragen die schwarze Null wie eine Monstranz auf einer Fronleichnamsprozession vor sich her, verbunden mit der vagen Hoffnung, der Herr wird dann die Investitionen schon tätigen . Das wird er aber nicht, das müssen wir schon selbst in Ordnung bringen . Deshalb sagen wir: Wenn man sich in einer Situation von null Zinsen weigert, in irgendeiner Form die dringenden Aufgaben des Staates aus Schulden zu finanzieren, dann hat das mit Realitätssinn nichts mehr zu tun . Im Übrigen: Auch die Unternehmen investieren zu wenig, weil die Anregung über öffentliche Investitionen zu niedrig ist. ({4}) Nun muss ich doch noch einmal etwas zu Herrn Fuchs sagen . Der deutsche Außenhandelsüberschuss wird auf 8,9 Prozent geschätzt . Die Europäische Union sagt: Alles, was über 6 Prozent ist, ist schon schädlich . Sie sagten wörtlich über diesen Überschuss: Dafür sind wir dankbar . ({5}) Dann haben Sie aber, von der wirtschaftlichen Kompetenz einmal abgesehen, in dieser Frage überhaupt keine Ahnung; denn ich sage Ihnen: Das Stabilitätsgesetz spricht nach wie vor von ausgeglichenen außenwirtschaftlichen Beziehungen . In dieser Situation feiern Sie einen Außenhandelsüberschuss, der in anderen Ländern genau zu Problemen führt: Wir sind nicht Motor der Wirtschaft, sondern wir werden von den anderen gezogen, weil sie uns die Dinge abkaufen . Das ist ein Problem, Herr Fuchs . Sie sollten das einmal erkennen und nicht immer so tun, als wäre das toll . ({6}) Nun komme ich zu TTIP und Ihrem Antiamerikanismus .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Lieber Herr Ernst, das muss aber jetzt ganz fix gehen.

Klaus Ernst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003753, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Dann muss ich es ganz schnell machen . - Herr Fuchs, Antiamerikanismus und TTIP: Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass sich sämtliche Präsidentschaftskandidaten in Amerika von diesem Handelsabkommen distanzieren? Ja haben wir denn in Amerika bei den Präsidentschaftskandidaten Antiamerikaner? Also, mehr daneben als dieser Vorwurf geht wirklich nicht, Herr Fuchs . ({0}) Ich danke für die Aufmerksamkeit . ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Andreas Lämmel erhält nun das Wort für die CDU/ CSU-Fraktion . ({0})

Andreas G. Lämmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003796, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrter Kollege Ernst, ich hatte gedacht, das ist heute die Debatte um den Wirtschaftshaushalt . Aber Sie haben das wahrscheinlich mit einer Parteitagsrede vor Ihren Genossen verwechselt . Wenn Sie schon die Frage der sozialen Gerechtigkeit in Deutschland ansprechen, so kann ich Ihnen sagen: Es gab einmal den Slogan „Gerecht ist, was Arbeit schafft“. Herr Kollege Ernst, seitdem die CDU/CSU wieder in der Regierung ist, seitdem wir 2005 Rot-Grün abgelöst haben, haben wir über 5 Millionen zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse - 5 Millionen in zehn Jahren! -, und das trotz zweier sehr einschneidender Krisen: der Wirtschafts- und der Euro-Krise . Wenn das kein Ausdruck dessen ist, dass sich in Deutschland die Gesamtsituation der Beschäftigung und damit auch die Einkommensverhältnisse wesentlich verbessert haben, dann weiß ich nicht, was Sie noch erwarten . Zu den 1 000 Euro, die der Minister bei den Nettolöhnen angesprochen hat, kann ich Ihnen noch eine Zahl sagen - Sie wollten es ja gern prozentual -: 3,2 Prozent pro Jahr ist die Entwicklung in Deutschland bei den Bruttolöhnen, und das ist inflationsbereinigt. Daran können Sie sehen, dass auch neugeschaffene Arbeitsplätze dazu führen, dass die Menschen mehr Einkommen generieren können, und genau das ist doch der Sinn von Wirtschaftspolitik . ({0}) Deshalb ist Wirtschaftspolitik, meine Damen und Herren, Zukunftspolitik . Die Dinge, die wir jetzt im Haushalt anschieben, wirken nicht heute und morgen, sondern entfalten übermorgen und überübermorgen ihre Wirkung . Deshalb ist es wichtig, dass wir heute kluge Beschlüsse fassen . Ich möchte zum Haushalt ein paar Worte verlieren, weil es hier, wie gesagt, auch um die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft in Deutschland geht . Manche denken immer, dass die Wirtschaft in Deutschland so gut läuft, wäre gottgegeben, da müsste man nichts tun . Aber, meine Damen und Herren, das ist ein großer Irrtum . Niemand auf der Welt wartet darauf, bis wir in Deutschland einmal aus der Knete kommen, um verschiedene Dinge voranzuschieben . Wenn man sich mit der Entwicklung der Wirtschaft in den nächsten Jahren beschäftigt, dann erkennt man - das ist ein unbestrittener Fakt -, dass die Digitalisierung der Wirtschaft der entscheidende Faktor ist, wenn es darum geht, weltwirtschaftlich überhaupt noch konkurrenzfähig zu sein . Da ist es uns in Deutschland gelungen, mit dem Begriff „Industrie 4.0“ eine weltweite Marke zu schaffen . Selbst im englischsprachigen Raum verwendet man heute für die Digitalisierung der Wirtschaft den Begriff „Industrie 4 .0“ . Nun ist es natürlich an uns, wenn man die Marke geschaffen hat, sie auch auszufüllen und zum Erfolg zu bringen . Ich denke, der Haushaltsentwurf, der uns jetzt vorliegt, ist genau der Schritt dahin, diese Marke mit Inhalten zu füllen . ({1}) Was braucht man für die Digitalisierung der Wirtschaft? Man braucht natürlich Erfolge bei den Schlüsseltechnologien . Eine Voraussetzung für das Gelingen von Industrie 4 .0 sind zum Beispiel Erfolge im Bereich Mikroelektronik . Jahrelang hat dieser Bereich in der öffentlichen Diskussion in Deutschland ein Schattendasein geführt, weil die Annahme war - viele dachten das -, dass es die Mikroelektronik in Deutschland oder Europa gar nicht mehr gibt und sie sowieso schon lange in Asien ist . Aber das ist ein großer Irrtum . Wenn wir die Mikroelektronik in Deutschland und in Europa nicht weiterentwickeln, wenn wir das den Asiaten und den Amerikanern überlassen, meine Damen und Herren, dann wird es - das kann ich Ihnen sagen - für die Industrie 4 .0 in Deutschland auch schwierig . ({2}) Auch das ist klar: Neben der Mikroelektronik und der Softwareentwicklung brauchen wir ein völlig neues Netz zur Datenübertragung, den sogenannten 5G-Standard, der im Moment in Deutschland entwickelt wird; wir sind da weltweit an der Spitze . Es wird ganz entscheidend darauf ankommen, dass in den nächsten Jahren dieser sogenannte 5G-Standard in Deutschland schnell Platz greift, weil nur mit diesem Standard überhaupt zum Beispiel autonomes Fahren mit Autos oder die Digitalisierung der Industrie möglich sind . Herr Minister, bei der Mikroelektronik sind die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, dass wir in den nächsten Jahren durchaus erfolgreich sein können . Bei der 5G-Entwicklung wäre doch zu überlegen, ob man hier nicht noch einen etwas größeren Schub gibt, ob man hier nicht ein Sonderprogramm entwickelt, damit die beteiligten Universitäten nicht bloß immer Anträge beim BMBF stellen können, und auch dafür sorgt, dass 5G, worunter sich viele Leute nichts vorstellen können, ({3}) augenscheinlich wird und ein Verständnis dafür entsteht, was man mit diesem neuen Standard eigentlich erreichen kann . Positiv am Haushalt ist, dass die Mittel des Kapitels „Digitale Agenda“ noch einmal deutlich aufgestockt werden . Aber wenn man jetzt einmal den ganzen Haushalt durchsieht, dann muss man feststellen, dass zum Beispiel die verschiedenen Titel im Zusammenhang mit der Digitalen Agenda und der Industrie 4 .0 sehr unterschiedlich veranschlagt sind . Ich würde sehr dafür plädieren, dass man das einmal zusammenfasst, dass man hier sozusagen klarmacht, dass die Industrie 4 .0, die Digitalisierung der Wirtschaft, auch im Haushalt eine wichtige Rolle spielt . ({4}) Meine Damen und Herren, es sprach vorhin ein Redner - ich weiß gar nicht mehr genau, wer es war - davon, dass ZIM mit einer halben Milliarde Euro ausgestattet würde und der Rest der Mittel zu den Großkonzernen flösse. Das ist natürlich völliger Unfug. Im Haushalt finden sich zum Beispiel auch Programme für die Luft- und Raumfahrt . Erst einmal: Die Luft- und Raumfahrt ist ein wichtiger, innovativer Industriezweig in Deutschland . Dort arbeiten auch Menschen - das muss man einmal sagen -, dort gibt es auch Arbeitsplätze . Selbst in der Luftund Raumfahrt gibt es mittelständische Unternehmen . Derjenige Redner, der das vorhin von sich gegeben hat, sollte einmal einen Blick in den Haushalt werfen, ({5}) weil im Haushalt die Quoten, die auf die Mittelständler entfallen, genau ausgewiesen werden . Jetzt das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand auszuspielen gegen das Thema Luft- und Raumfahrt, das halte ich für völligen Unfug, ({6}) zumal zum Beispiel die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ ein klassisches Mittelstandsprogramm ist . Wenn man die Posten im Haushalt einmal zusammenrechnet, die spezifisch für den Mittelstand bereitgestellt werden, dann wird man sehen: Der Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums ist im Prinzip ein Haushalt für die mittelständische Wirtschaft in Deutschland . ({7}) Zum Thema Außenwirtschaft . Herr Hofreiter, vielleicht hätten Sie sich an der Anhörung zu CETA in dieser Woche beteiligen sollen, dann hätten Sie nicht solche halbgewalkten Sachen von sich gegeben; denn die Punkte, die Sie angesprochen haben, haben Ihre Kollegen und auch die linke Seite in der Anhörung angesprochen . Sie hätten sich die Meinung der Experten anhören sollen . ({8}) Denken Sie doch einmal darüber nach, ob es sein kann, dass Ihr Standpunkt, den Sie einnehmen, fachlich nicht untermauert ist . ({9}) Das müssen Sie auch als Politiker anerkennen . So wenig Sie mit Ihrer Ideologie in Sachen Energiewende die Physik außer Kraft setzen können, so wenig können Sie mit Ideologie Handelspolitik machen . ({10}) So einfach ist das . ({11}) Ich empfehle Ihnen: Nutzen Sie die fachliche Kompetenz in den Anhörungen, damit Sie hier im Plenum fachgerecht diskutieren können . ({12}) Zum Thema Außenwirtschaft, Herr Minister, müsste man aus meiner Sicht folgende Frage diskutieren . Es gibt eine Menge verschiedener Exportinitiativen: die Exportinitiative Gesundheitswirtschaft, die Exportinitiative Energieeffizienz, die Exportinitiative Erneuerbare Energien und weitere Exportinitiativen . Auch hier wäre zu überlegen, ob man diese Exportinitiativen nicht bündelt, um sie auch für Außenstehende etwas transparenter zu machen; denn das soll mit diesen Initiativen im Prinzip erreicht werden . Jetzt war in dieser Woche in den Zeitungen zu lesen, dass die deutsche Wirtschaft am besten beim Export in die ganze Welt aufgestellt ist, weil sie sehr diversifiziert ist . Sie hat nicht nur einen Markt, sondern sie hat weltweit viele Märkte . Nur auf einem Markt, Herr Minister, sind wir nicht so gut vertreten, und das ist der Markt in Afrika . Ich möchte hier dafür werben: Wir sollten den Kontinent Afrika nicht den Chinesen, Türken, Indern oder anderen überlassen, sondern wir sollten uns gemeinschaftlich bemühen, dass die deutsche Wirtschaft mit mehr Engagement in Afrika unterwegs sein kann . Ich rege an, dass man sich im Hause des Bundeswirtschaftsministers zu eiAndreas G. Lämmel ner Strategie zusammenrauft, aus der hervorgeht, wie wir in den nächsten Jahren auch in Afrika wieder mehr Fuß fassen können . Das wäre jedenfalls mein großer Wunsch . ({13}) Die Eröffnung der neuen Büros in Sambia und in Mosambik geht in die erst einmal richtige Richtung, aber man braucht einen generellen Ansatz, um in Afrika tätig zu werden . Vor allem geht es darum, die mittelständische Wirtschaft nach Afrika zu bringen . ({14}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, zusammenfassend: Wir finden den Entwurf des Haushalts für das Bundeswirtschaftsministerium sehr positiv . Man kann sicherlich noch einige Diskussionen führen, aber er stellt die Weichen für eine erfolgreiche weitere Entwicklung in Deutschland . Vielen Dank . ({15})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Und nun spricht die Kollegin Anja Hajduk für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gemessen daran, dass eine der wichtigsten wirtschaftspolitischen Aufgaben ist, Innovationen und Investitionen zu fördern, dazu zu ermuntern und sie wirklich zu steigern, ist dieser Haushalt eine große Enttäuschung, Herr Minister, und ich will das belegen . ({0}) Sie haben sich selber ehrgeizige und engagierte Ziele beim Digitalen Innovationsprogramm Mittelstand gesetzt . Sie haben gesagt: Ich will die Mittel auf 1 Milliarde Euro bis 2018 steigern . Das hätten Sie aber jetzt im Haushalt 2017 unterstreichen müssen . ({1}) Sie haben die selbstgesetzten Ziele zum Beispiel beim Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand, die Mittel, wie angekündigt, auf 700 Millionen Euro zu erhöhen, nicht erreicht, sondern Sie bleiben 150 Millionen Euro darunter . Das ist ein Beleg . Zweiter Beleg: Sie hatten angekündigt, die Mittel für die industrielle Gemeinschaftsforschung auf 200 Millionen Euro auszuweiten, doch Sie packen nur 500 000 Euro drauf . Das sind die schlichten Zahlen, die zeigen, dass die Mittel für Investitionen im digitalen Bereich nicht in der Weise gesteigert werden, wie sie sollten . ({2}) Unter diesen Programmen gibt es zuhauf gute Projekte, die wegen mangelnder Mittel aber nicht bewilligt werden können . Zum Breitbandausbau muss man auch noch Folgendes sagen: Es ist wirklich absurd, dass Sie weitere Jahre in ineffizientes Kupfer investieren, statt flächendeckend auf Glasfaser umzustellen . Sie wissen doch selber, dass wir im OECD-Vergleich hinsichtlich der Glasfaserkabelanbindung nur auf Platz 30 von 35 Ländern liegen . Das ist wirklich ein Armutszeugnis Ihrer Regierung . ({3}) Auch bei Innovationen treten Sie richtig auf die Bremse . Das Existenzgründungsprogramm im Bereich Wissenschaft, EXIST, wird um knapp 20 Prozent gekürzt, und das Ressourcenprogramm, bei dem es darum geht, mit Rohstoffressourcen effizienter umzugehen, stellen Sie im Haushalt 2017 vollständig ein . ({4}) Die Kollegen der Koalition haben Sie aufgefordert, diese Angebote zur betrieblichen Ressourceneffizienz fortzuentwickeln und auszubauen . Ihre Antwort: Das einzige Programm in diesem Bereich wird ersatzlos gestrichen . Das ist ein Armutszeugnis für einen Minister, der das Wort „Innovation“ in den Mund nimmt . ({5}) Insgesamt, Herr Gabriel, scheitern Sie damit an der Aufgabe, die ökologische Modernisierung unserer Industrie wirklich voranzutreiben . Doch das muss das Projekt eines so starken Landes wie Deutschland im 21 . Jahrhundert sein . Dass Sie Gegner des Kohleausstiegs sind, ist bekannt . Darüber werden wir noch weiter sprechen, Herr Minister . Wir haben es aber insgesamt mit einem falschen System bei unserem wirtschaftspolitischen Denken zu tun . Zum Beispiel ist es bei uns ganz normal, dass die Industrie einen Anspruch auf großzügige Kompensationen erhält, auch wenn sie nicht effizient ist. Beispiel Strompreiskompensation: Die Mittel dafür werden laut diesem Haushaltsentwurf um 55 Millionen Euro auf 300 Millionen Euro gesteigert . Es geht um Strompreiskompensationen ohne Effizienznachweis. Die Mittel dafür sind um 40 Prozent höher als alle Mittel, die Sie in Programme im Rahmen Ihrer Digitalen Agenda stecken . Das ist doch keine moderne Wirtschaftspolitik . ({6}) Noch ein Punkt, der unterstreicht, was bei uns im Lande hinsichtlich des wirtschaftspolitischen Denkens falsch läuft, bei dem Ihnen der Mut fehlt, Herr Gabriel . Es geht um den Umgang mit der Autoindustrie; Herr Hofreiter hat das schon angesprochen . Jetzt kommen Sie mit einer Kaufprämie für Elektroautos von 600 Millionen Euro bis 2019 . Ich will jetzt gar nicht davon sprechen, dass es dabei Startschwierigkeiten gibt . Aber Sie und die UniAndreas G. Lämmel on halten gleichzeitig krampfhaft an der Privilegierung von Dienstwagen fest . Das sind 5 Milliarden Euro Steuersubventionen pro Jahr . Wenn Sie sich das einmal ganz nüchtern anschauen, stellen Sie fest: Dienstwagen machen zwei Drittel der Neuzulassungen aus . Bei der Hälfte davon handelt es sich um Dieseltechnologie . Wenn Sie mit 5 Milliarden Euro solche Anreize in der Automobilindustrie setzen, aber bei der Elektrotechnologie nicht vorankommen, dann verantworten Sie es, dass wir bei dieser wichtigen Industrie, die so viel Beschäftigung in Deutschland bietet, nicht modernisieren . ({7}) Sie bauen eine Innovationsbremse ein, weil Sie Angst haben, alte Privilegien schrittweise abzubauen . ({8}) Das ist eine wirtschaftspolitische Sünde . Dafür werden wir noch einen hohen Preis bezahlen . Dies ist wirklich ein Haushalt der verpassten Chancen, und Sie sind kein ökologischer Industrieminister, sondern Sie sind ein Industrieminister von gestern . ({9})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Thomas Jurk für die SPD-Fraktion . ({0})

Thomas Jurk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004318, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und damit gut bezahlte Arbeitsplätze auch zukünftig zu sichern, müssen wir bei der längst begonnenen Digitalisierung der Wirtschaft jetzt die richtigen Weichenstellungen vornehmen . Ich freue mich, dass die Bundesregierung das ebenso sieht und im Etat des Bundeswirtschaftsministeriums mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf für 2017 die richtigen Schwerpunkte bei Innovationen und Digitalisierung gesetzt hat . So werden die Ansätze für das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, ZIM, um 5 Millionen Euro und für die Industrieforschung um 6 Millionen Euro angehoben . Im Gegensatz zu meinem Vorredner will ich durchaus darauf hinweisen, dass das ein stetiger Aufwuchs über die letzten Jahre gewesen ist . ({0}) Man kann sich immer mehr wünschen . Wenn Spielräume da sind, werden wir sie, glaube ich, auch nutzen . ({1}) Außerdem werden die Mittel für den Investitionszuschuss Wagniskapital massiv erhöht: um 16 Millionen Euro auf mittlerweile 46 Millionen Euro . Zudem stehen in dieser Förderperiode des Europäischen Sozialfonds nunmehr 85 Millionen Euro für den zweiten Mikromezzaninfonds bereit . Über den Fonds erhalten Existenzgründer und junge Unternehmen Eigenkapital von bis zu 50 000 Euro für zehn Jahre . Die Schwerpunktsetzung auf junge und auf innovative Unternehmen ist uneingeschränkt zu begrüßen . ({2}) Mit zusätzlichen Mitteln in diesem Haushalt sollen 2017 weitere Mittelstand-4 .0-Kompetenzzentren zur Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen bei der Digitalisierung errichtet werden, um eine bundesweite Abdeckung sicherzustellen . Darüber hinaus soll auch das bisher sehr gut angenommene Modellvorhaben „go-digital“ zu einem bundesweiten Förderprogramm ausgebaut werden . Mit „go-digital“ können kleine und mittelständische Unternehmen und das Handwerk externe Beratungsleistungen in Anspruch nehmen, um fit für die digitalen Herausforderungen zu werden . Auch hier ist das Geld gut angelegt . Die wichtigste Weichenstellung für die Zukunft unseres Landes verbinde ich jedoch mit dem Titel „Mikroelektronik für die Digitalisierung“, welcher für 2017 mit 50 Millionen Euro ausgestattet ist ({3}) - das ist ja nur der Einstieg - und weitere Verpflichtungsermächtigungen, also die Chance auf Bewilligung, in Höhe von 800 Millionen Euro einräumt . Hinter diesem Haushaltstitel verbirgt sich der Bundesanteil eines Investitionsprogramms, das gemeinsam mit anderen EU-Mitgliedstaaten als wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse - Important Project of Common European Interest, IPCEI - umgesetzt werden soll . Ziel ist es, die deutsche Mikroelektronikbranche bei Forschung, Entwicklung und Produktion neuartiger Bauteile zu unterstützen . Denn viele Innovationen im Maschinenund Anlagenbau der Elektroindustrie oder auch bei den erneuerbaren Energien sind nur durch neue Entwicklungen in der Mikroelektronik möglich . Die deutsche Wirtschaft braucht eine leistungsfähige und innovative Mikroelektronik . Vor einigen Jahren - damals war ich noch Wirtschaftsminister in Sachsen, einem Land mit einem bedeutenden Mikroelektronik-Cluster - wurden auf Bundesebene die Potenziale der Branche kaum gesehen . 2009 ging leider auch der einzige Speicherchiphersteller Europas mit immerhin 3 900 Arbeitsplätzen in Dresden, Qimonda, in die Insolvenz . Ich begrüße es deshalb ausdrücklich, dass die Bundesregierung mit der Beteiligung an dem europäischen Projekt die Bedeutung der Mikroelektronik als Schlüsselindustrie mit strategischer Bedeutung für unsere ökonomische Entwicklung erkannt hat . ({4}) Insgesamt sollen bis zum Jahre 2020 bis zu 1 Milliarde Euro an Investitionszuschüssen im Etat des Bundeswirtschaftsministeriums und weitere 400 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung im Etat des BunAnja Hajduk desforschungsministeriums zur Verfügung gestellt werden . Mit diesen Investitionszuschüssen des Bundes sollen in Deutschland in den nächsten Jahren Investitionen in Höhe von 3,8 Milliarden Euro ausgelöst werden . Das Gesamtvolumen der Investitionen auf europäischer Ebene liegt übrigens bei 6,5 Milliarden Euro . Das ist eine gewaltige Dimension . Mit der Förderung der Mikroelektronik setzen wir europapolitisch ein wichtiges Signal . Denn diese gemeinsame europäische Initiative ist durchaus als Antwort Europas auf massive Subventionen der Mikroelektronikindustrie in einigen außereuropäischen Staaten wie Korea, China, Taiwan oder den USA zu verstehen . Die Investitionsförderung des Bundes wird die wirtschaftliche Entwicklung auch und gerade in den neuen Ländern stärken; denn voraussichtlich 80 Prozent der Investitionszuschüsse werden in die neuen Länder fließen. Es handelt sich bei der Förderung der Mikroelektronik also auch um einen wichtigen Beitrag zum Aufbau Ost . Dafür möchte ich Bundesminister Sigmar Gabriel ausdrücklich danken . ({5}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, zusammenfassend darf ich feststellen: Der Haushaltsplanentwurf setzt die richtigen Prioritäten . Er ist eine sehr gute Ausgangs- und Arbeitsgrundlage für die anstehenden Ausschussberatungen . ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eva Bulling-Schröter erhält nun das Wort für die Fraktion Die Linke . ({0})

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer Geld ausgibt, der muss auch erklären, was für eine Politik er oder sie damit machen will . Wer das Geld der Bürgerinnen und Bürger ausgibt, der muss das natürlich erst recht beantworten . Was ist jetzt das Ziel des Einzelplans 09? Was sagt er über die Ziele des Wirtschaftsministeriums zu Energie und Klimaschutz? Da steht dann: Als Energieministerium gestaltet das Wirtschaftsministerium die Energiewende . - Mit über 80 Prozent bleibt der Energiebereich in Deutschland für den Großteil der Treibhausgase verantwortlich . Sehr richtig! Also, für den Klimaschutz ist das Ministerium von Herrn Gabriel ziemlich zentral und wichtig . Ja, und jetzt? Jetzt sehen wir beim Klimaschutz gerade eher andere am Zug, und das wirft bei uns große Fragen auf . Da haben uns beim G-20-Gipfel die USA und China ja vorgemacht, wie schnell das Pariser Klimaschutzabkommen ratifiziert werden kann. Ausgerechnet die alten Klimabremser USA und China treten diesem so wichtigen Vertrag vor Deutschland bei . Da schau! ({0}) Das Zögern der Großen Koalition finde ich da schon verwunderlich . ({1}) - Das finde ich sehr verwunderlich; ({2}) denn in jedem dritten Satz wird betont, dass durch den Klimaschutz weder für die öffentlichen Haushalte noch für die Wirtschaft zusätzliche Kosten entstehen sollen . ({3}) Das heißt, jetzt wird es einmal Zeit mit dem Ratifizieren. Wir brauchen hier mehr öffentliche Bekenntnisse für mehr Klimaschutz, meine Damen und Herren, und natürlich nicht nur Bekenntnisse, sondern auch Taten . ({4}) Aber stattdessen rücken jetzt wieder die alten Klimabremser in der Union nach vorn und fordern ausgerechnet im Jahr eins nach der Pariser Klimakonferenz eine Aufweichung der deutschen Klimaschutzziele . Ich sage Ihnen: Das ist zukunftsfeindlich und rückwärtsgewandt . ({5}) Die NASA hat für 2016 gerade festgestellt, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre eine historische Rekordhöhe erreicht hat . Das heißt, wir müssen mehr statt weniger tun . Da wird vom Kanzleramt, vom Verkehrs- und Landwirtschaftsministerium, aber auch vom Wirtschaftsministerium der Klimaschutzplan der Umweltministerin Hendricks zerschossen . Ich sage: Da geht ganz viel in die falsche Richtung, nämlich nach hinten statt nach vorne . Das muss sich ändern, meine Damen und Herren . ({6}) Dann haben wir zwei harte Klimabrocken, die wir Linke beiseiteschieben wollen . Das Erste ist der notwendige Kohleausstieg . Je länger man das Ende der Kohle aufschiebt, umso schmerzhafter ist es für die Beschäftigten und die Regionen in Nordrhein-Westfalen und der Lausitz; das wissen auch alle . Einer der größten Batzen im Einzelplan 09 ist nach wie vor die Steinkohlesubvention mit rund 1 Milliarde Euro . ({7}) Ab 2018 wird hier viel Geld frei, weil die Kohlebeihilfe in diesem Jahr ausläuft . Deshalb schlagen wir vor: Lassen Sie uns die freiwerdenden Posten in einen Strukturwandelfonds für die Braunkohleregionen Lausitz und Nordrhein-Westfalen überführen . Diese Mittel können einen entscheidenden Beitrag leisten, um den KohleausThomas Jurk stieg einzuleiten, unmittelbar und ohne soziale und wirtschaftliche Verwerfungen, und darum geht es uns doch . ({8}) Wenn wir eines vom Ende der Steinkohle in Deutschland gelernt haben, dann ist es doch das: Wer nicht sofort mit dem Kohleausstieg beginnt, der handelt fahrlässig und dem geht es eigentlich nur um Wahlkampf und nicht um die Menschen in den Regionen . ({9}) Ich sage explizit: Beginnen und nicht alles auf einmal abschalten, wie Sie es uns unterstellen . Aber es muss jetzt begonnen werden . ({10}) Der andere Brocken ist die energetische Gebäudesanierung. Das ist wirklich sozialer Sprengstoff - das wissen Sie -, weil viele Vermieter die energetische Sanierung zum Anlass nehmen, die Mieten weiter in die Höhe zu treiben . Es ist einfach irre, was auf dem Wohnungsmarkt passiert . Mieterinnen und Mieter werden vertrieben, um anschließend teurer zu vermieten . Diesem Spiel muss endlich ein Ende gesetzt werden, ({11}) nicht nur wegen der Verdrängung, sondern auch, weil Akzeptanz von Klimaschutz so brutal zerstört wird . Wir schlagen deshalb vor, die Erhöhung der Mieten nach energetischen Sanierungen für Menschen mit kleinen Einkommen abzufedern. Auch der von Ihnen abgeschaffte Heizkostenzuschuss, von dem 1 Million Mieter profitieren würden, muss als eine Art Klimawohngeld wieder her . Energetische Sanierungen dürfen eben nicht für Angst und Schrecken sorgen . Energetische Sanierungen sollen der Normalfall und ein Gewinn sein . Mieterinnen und Mieter sollten ein Recht auf energetische Sanierung erhalten . Das und nicht das Gegenteil müssen wir fördern . Danke . ({12})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile nun dem Kollegen Jan Metzler für die CDU/CSU-Fraktion das Wort . ({0})

Jan Metzler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004352, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 1981 geboren, gehöre ich mit 35 Jahren zu der Generation, die fast nichts anderes kennt als ein geeintes Deutschland und ein geeintes Europa, eine Art Insel der Glückseligen, auf der Frieden, Freiheit und Sicherheit für alle und für die nachfolgenden Generationen von Kindesbeinen an selbstverständlich sind . Rückblickend kann ich mich nicht erinnern, dass wir in den letzten Jahren je eine Phase hatten, in der Krisen, Konflikte oder Kriege so wahrnehmbar nah an Europa herangerückt sind wie gegenwärtig . Gleichzeitig sind wir in einer Phase, in der Globalisierung und Digitalisierung in unserer Gesellschaft immer schneller voranschreiten, einer Phase, in der sich derart viel und schnell verändert, dass diese enorme Schlagzahl viele Menschen in unserem Land verunsichert . Gerade deshalb ist es so wichtig, Sorgen ernst zu nehmen und gleichzeitig ein Signal der Verlässlichkeit und der Stabilität für die Zukunft zu senden . Genau das tun wir . In diesem Zusammenhang möchte ich den Kollegen Fuchs entsprechend unterstützen . Mir geht es genauso auf den Zeiger, dass hier alles permanent - insbesondere die Erfolgsbilanz in diesem Haushalt - so schlechtgeredet wird . Viele hier in diesem Haus haben ein Problem mit der Anerkennung von Leistungen und in diesem Zusammenhang letztlich auch ein Kommunikationsproblem - und nichts anderes . ({0}) Deutschland geht es wirtschaftlich so gut wie nie: Rekorderwerbstätigenzahl, niedrigste Arbeitslosenquote seit der Wiedervereinigung, gleichzeitig steigende Reallöhne und Renten, dazu seit fünf Jahren ein gesundes Wirtschaftswachstum, das sich in diesem und im kommenden Jahr fortsetzen wird . Wir müssen nicht nur diese Erfolgsgeschichte zusammen weiterschreiben, sondern vor allem müssen wir die Menschen in unserem Land dabei weiterhin mitnehmen . Wir dürfen nicht müde werden, das zu betonen . Das ist unsere gemeinsame Aufgabe, um denjenigen keinen Zentimeter Raum zu geben, die nur aus der Angst der Menschen Kapital schlagen wollen und an entsprechenden Lösungen überhaupt kein Interesse haben . Gradmesser dafür, ob die richtigen Weichen gestellt werden, sind in jedem Jahr der Bundeshaushalt, die mittelfristige Finanzplanung und im Besonderen eben auch der Wirtschaftsetat . Für mich als junger Abgeordneter stehen dabei zwei Punkte im Mittelpunkt: die Zukunftsfähigkeit und damit verbunden die Generationengerechtigkeit . Ganz grundsätzlich ist es wichtig, dass an dem Credo „keine neuen Schulden“ in diesem Zusammenhang festgehalten wird . Das ist keine Demonstranz, sondern ein aktiver Beitrag zur Generationengerechtigkeit in unserem Land . ({1}) Unserem Bundesfinanzminister Schäuble kann ich in diesem Zusammenhang für seine Beharrlichkeit und seine Arbeit nur Danke sagen . Das ist eine enorme Leistung, die Sie in diesem Zusammenhang vollbracht haben . Zudem werden die Länder und Kommunen bis 2020 in Milliardenhöhe entlastet - so stark wie noch nie . Es werden Rücklagen geschaffen, um in wirtschaftlich schwieEva Bulling-Schröter rigen Zeiten handlungsfähig zu bleiben . Gleichzeitig werden Spielräume eröffnet, um in allen Bereichen - den Bereichen „Infrastruktur“, „Bildung und Forschung“ und „innere und äußere Sicherheit“ - weiter kräftig in die Zukunft unseres Landes zu investieren - und das so intensiv und hoch wie in keinem anderen EU-Land . Das ist auch etwas, was man einmal unterstreichen kann . Einem Land und seinen Menschen geht es in diesem Zusammenhang aber immer nur so gut, wie es die wirtschaftliche Basis im Land erlaubt . Dass wir starke Unternehmen und eine solide Wirtschaft haben, ist kein Geheimnis . Im Export sind wir spitze . Das ifo-Institut hat in seiner aktuellen Prognose sogar vorhergesagt, dass wir China als Exportweltmeister ablösen werden . Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen aber auch weiterhin die richtigen Anreize gesetzt werden . Dem trägt der vorgelegte Haushalt für Wirtschaft und Energie Rechnung . Rund die Hälfte des Gesamtetats kommt dabei direkt der Wirtschaft zugute . Besondere Schwerpunkte sind die Technologieförderung und die Digitalisierung der Wirtschaft . Bei dem derzeitigen enorm schnellen Wandel müssen wir unsere Unternehmen beim Übergang zur oftmals schon angesprochenen Industrie 4 .0 bestmöglich begleiten . Das wird uns langfristig Wettbewerbsvorteile einbringen; da bin ich sicher . Entscheidend ist darüber hinaus, inwieweit wir in der Lage sind, Jungunternehmen und ihre innovativen Ideen in unserem Land an uns zu binden . Gründungen und erfolgreiche Start-ups müssen nicht zwangsläufig aus San Francisco kommen . Ein Blick auf unser Land - darauf sind wir ebenfalls stolz - zeigt: Sie kommen oftmals aus Berlin . Aber sie kommen eben auch - das macht ebenfalls glücklich - aus Saarbrücken, Jena und Worms . Ziel muss es sein, diese Innovativität überall in Deutschland zu bündeln und nach vorne zu bringen, weil die innovativen Unternehmen mit ihren Ideen der Mittelstand von morgen sind . Um die neue Gründerzeit voranzubringen, sind Programme zur Förderung von Unternehmensausgründungen an Hochschulen und zur Stärkung des Wagniskapitalmarktes sicherlich die richtigen Mittel . Die Neugründung und Finanzierung der ersten Schritte sind dabei oftmals nicht das eigentliche Problem . Wichtig wird in diesem Zusammenhang, den weitaus kniffligeren Schritt positiv zu begleiten, nämlich den Schritt in die Wachstumsphase, wenn eben dem Unternehmer aufgrund einer zu geringen Unternehmenslebensdauer bisher kein Kredit gewährt wurde . Hier müssen wir weiterhin positiv begleiten . Ausgezeichnet ist, dass hier mit einem 10-Milliarden-Euro-Fonds, der in Aussicht gestellt wird, genau diese Finanzierungslücke geschlossen werden soll . Wir brauchen neue Ideen, um weiterzukommen . Deshalb finde ich es an der Zeit, innerhalb der Europäischen Union endlich wieder Zukunftsthemen zu platzieren, wie beispielsweise die Digitalunion . Unterm Strich muss es unser gemeinsames Interesse sein, die Gründer- und Kreativenszene mit ihren immensen Potenzialen in Deutschland und in Europa zu halten und nach vorne zu entwickeln . Digitalisierung ist keine Bedrohung . Ja, Geschäftsmodelle müssen sich ändern. Der demografische Wandel und ein verändertes Kundenverhalten sind dafür die Gründe . Besonders die Digitalisierung treibt den Wandel rasant voran . Aber einzelne Branchen werden dadurch einen echten Evolutionssprung machen; auch davon bin ich überzeugt . Arbeitsplätze könnten durch digitale Arbeitsteilung und mobile Arbeitsformen auch vermehrt dort entstehen, wo Fachkräfte zu Hause sind; im besten Falle also auch da, wo bisher wenige Unternehmen angesiedelt sind und die Arbeitslosenzahl tendenziell höher ist . Nicht nur als Abgeordneter eines ländlichen Wahlkreises, sondern eben auch als Berichterstatter für regionale Wirtschaftspolitik freue ich mich über die Chancen, die sich in diesem Zusammenhang ergeben und die insbesondere strukturschwächeren Regionen zugutekommen . Auch da setzen wir im Unterausschuss - dafür bin ich den Kolleginnen und Kollegen dankbar - die richtigen Akzente . ({2}) Dort, wo Menschen nicht das Gefühl haben, mitgenommen zu werden oder Teil einer Erfolgsgeschichte zu sein, entsteht schnell die Gefahr, Demagogen zu folgen . Mir als Vertreter der jüngeren Generation, der wie selbstverständlich in Frieden, Freiheit und Sicherheit aufgewachsen ist, zeigt sich in Momenten wie diesen, wie großartig die Errungenschaften unserer Wiedervereinigung, aber auch der Europäischen Union waren und sind . Gemeinsam können wir jetzt die richtigen Weichen für die Zukunft und für die nachfolgenden Generationen stellen; und das tun wir auch . Dieser Haushalt trägt einen Baustein dazu bei . Ich finde, damit sind wir auf dem richtigen, damit sind wir auf einem zukunftsfähigen und damit sind wir auf einem generationsgerechten Weg . Lassen Sie uns mit Mut, Haltung und Optimismus die Aufgaben der Zukunft gemeinsam angehen . Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit . ({3})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Katharina Dröge erhält nun das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Gabriel und sehr geehrter Herr Heil, ich habe Ihnen eben aufmerksam zugehört, und ich bin ziemlich erstaunt darüber gewesen, wie weit das auseinanderklafft, was Sie hier vortragen, und das, was Sie in Ihrer Politik real tun . ({0}) Ich möchte das, wenn meine Redezeit reicht, an drei Beispielen deutlich machen . Ich fange mit TTIP und CETA an . Sigmar Gabriel hat sich schon vor langer Zeit festgelegt: Er wird CETA zustimmen . Im Oktober steht der Handelsministerrat an . Dann sagt er Ja zu einem Abkommen mit aller Kritik, die es daran gibt, mit gefährlichen Schiedsgerichten, mit der Schwächung des Vorsorgeprinzips und mit der Einschränkung der kommunalen Handlungsfreiheit . An diesem Abkommen wird Sigmar Gabriel nichts mehr ändern . Trotzdem erwecken Sie, Herr Gabriel, den Eindruck, dass die SPD das Abkommen eigentlich irgendwie gut findet. Eigentlich wird Herr Gabriel zustimmen, aber eigentlich werden Sie es auch noch irgendwie ändern. Sie erzählen der Öffentlichkeit irgendetwas von Protokollerklärungen, die man vor der Abstimmung noch hinzufügen kann, und von Änderungen, die die Parlamente im Verfahren noch durchsetzen sollen . Was ist das für eine schizophrene Haltung, ({1}) wenn man auf der einen Seite auf einem Parteitag sagt: „Unser Wirtschaftsminister soll ohne Wenn und Aber und ohne Änderung des Vertragstextes Ja zu einem Abkommen sagen“, und auf der anderen Seite die Parlamente noch unverbindliche Protokollerklärungen neben das Abkommen stellen sollen, weil die SPD das Abkommen doch nicht so gut findet, wie sie es in der Öffentlichkeit sagt, um zu begründen, weshalb sie Ja sagen muss? Wem wollen Sie das erklären? ({2}) Das Gleiche gilt für TTIP . Sie sagen: TTIP ist tot . Heute haben Sie gesagt: TTIP kommt in diesem Jahr nicht mehr . - Das ist eine interessante Positionsverschiebung allein in der Debatte der letzten zwei Wochen . ({3}) Die Frage ist nur: Woran machen Sie es fest, dass dieses Abkommen tot ist? ({4}) Denn wenn man den Verhandlungsverlauf betrachtet darin muss ich ausnahmsweise dem Kollegen Fuchs zustimmen -, ({5}) dann kann man an keiner Stelle erkennen, dass diese Verhandlungen irgendwo an einem Punkt sind, zu scheitern . Es ist in Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen ganz normal, dass es Konflikte gibt und dass gerade die großen Konflikte für die Endverhandlungen aufgespart werden, um sie dann zu klären . ({6}) Nichts in den Verhandlungen deutet darauf hin, dass sie jetzt viel schlechter laufen als andere, und nichts deutet darauf hin, dass Sie irgendwann Vorschläge gemacht haben, mit denen Sie gescheitert sind, weshalb Sie jetzt sagen könnten: Das Abkommen ist tot . Nichts deutet darauf hin, dass Sie irgendetwas dafür tun wollen, dieses Abkommen zu stoppen . Oder stellen Sie im Handelsministerrat im Oktober einen Antrag, die Verhandlungen abzubrechen oder das Verhandlungsmandat zu ändern? ({7}) Nichts davon werden Sie tun . ({8}) Das heißt, das Einzige, was Sie hier machen, ist Rhetorik . ({9}) Um über Ihren SPD-Konvent hinwegzukommen ({10}) und die schwierige Entscheidung der Parteibasis für CETA hinzukriegen, ({11}) erwecken Sie jetzt den Eindruck, dass Sie sich gegen TTIP positionieren . Weil Sie wissen, dass nicht mehr Sigmar Gabriel als Wirtschaftsminister über dieses Abkommen abstimmen muss, ist das eine leichte Sache . Aber die einzigen Sachen, die Sie machen können, um das Abkommen wirklich zu stoppen, tun Sie nicht . Und damit läuft das Abkommen genauso weiter wie vorher . ({12}) Nehmen wir das Thema Ministererlaubnis . Das ist das zweite Beispiel dafür, dass Sie viel erzählen, aber dann doch das Gegenteil machen . Sigmar Gabriel hat wieder gesagt: Ich will Arbeitsplätze retten, und deshalb genehmige ich die Fusion von Kaiser’s Tengelmann und Edeka . ({13}) Gucken wir uns das einmal an: Sigmar Gabriel genehmigt eine Fusion gegenüber einem Unternehmen, das vorher schon angekündigt hat, in relevantem Umfang Jobs abzubauen, und über das alle Experten sagen, dass genau dieses Unternehmen den höchsten Anreiz hat, Arbeitsplätze zu vernichten, und das schon jetzt aufgrund einer schlechten Mitbestimmungsstruktur für seine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Kritik steht . Diesem Unternehmen erteilen Sie jetzt den Zuschlag für alle 16 000 Mitarbeiter von Kaiser’s Tengelmann . Die Alternativen haben Sie nicht ordentlich geprüft . Das hat Ihnen das OLG Düsseldorf aufgeschrieben . ({14}) Es macht Ihnen sogar den Vorwurf, dass Sie in dem ganzen Verfahren befangen waren und sich noch nicht einmal die Mühe gemacht haben, mit dem Konkurrenten zu sprechen und zu prüfen, welche alternativen Angebote es gibt . Sie behaupten immer wieder, Sie dürften keine Verkaufsverhandlungen führen . Genau darum geht es nicht . ({15}) Es geht vielmehr darum, dass man Alternativen ordentlich prüfen muss, um dann eine Entscheidung zu treffen, ob diese Ministererlaubnis notwendig gewesen wäre . Ihr eigenes Ministerium, Herr Gabriel, hat Ihnen aufgeschrieben, dass diese Entscheidung nicht notwendig gewesen wäre und dass es bessere Alternativen gegeben hätte . ({16}) Trotzdem setzen Sie sich darüber hinweg . Trotzdem beantworten Sie alle unsere Fragen nicht, zum Beispiel Fragen danach, wie viele Arbeitsplätze eigentlich bei Edeka oder bei anderen Unternehmen, bei den Lieferanten und bei den Bauern verloren gehen, und nach den Nachteilen für die Verbraucherinnen und Verbraucher . Alle diese Bedenken beantworten Sie einfach nicht .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin .

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Deshalb kann ich nur feststellen: Die Einzigen, die von dieser Entscheidung profitieren, sind Herr Haub und Herr Mosa, die Chefs von Kaiser’s Tengelmann und Edeka . Das ist keine vernünftige Politik . Sie machen eine Politik für einige wenige statt für viele . Wenn Sie so eine Maxime als Leitfaden für Ihr Regierungshandeln haben, dann wird dieses Land von Ihnen schlecht regiert . ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die SPD-Fraktion ist Bernd Westphal der nächste Redner . ({0})

Bernd Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004442, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Einzelplan 09 - um den geht es hier - steht ganz im Zeichen der Investitionen und Innovationen . Insgesamt sieht dieser Einzelplan Ausgaben in Höhe von 7,4 Milliarden Euro vor . Die Investitionsquote des Bundeshaushaltes beträgt im kommenden Jahr - erstmals seit 2003 - über 10 Prozent . Das ist eine gute Entwicklung . ({0}) Wir investieren in den Wirtschaftsstandort Deutschland . In diesem Einzelplan gibt es eine Orientierung auf die Schwerpunkte Forschung, Entwicklung und Innovation . Insgesamt sind über 3 Milliarden Euro dafür veranschlagt. Wir machen die Unternehmen fit für die Zukunft, für die Digitalisierung und den globalen Wettbewerb, aber auch für gute Arbeit und für die Bewältigung des demografischen Wandels, mit dem auch Unternehmen zu tun haben . Industrie ist wichtig für unseren Standort . Das gilt aber auch für den Mittelstand . Deshalb ist der Titelansatz für das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, ZIM, erneut angehoben worden . Das ist sicherlich ein gutes Zeichen . Aber auch die Erhöhung der Mittel für die Digitale Agenda - das wurde bereits hier vorne vorgetragen ist ein deutliches und gutes Zeichen . Damit investieren wir genau in die Rahmenbedingungen, die gute Arbeit für die Zukunft sichern und nachhaltiges Wachstum in den Mittelpunkt stellen . Der SPD-Fraktion ist dabei wichtig, dass wir den wirtschaftlichen und technischen Fortschritt immer auch mit sozialem und ökologischem Fortschritt verbinden . Deshalb, Frau Dröge, ist die Entscheidung des Ministers in der Frage Edeka/Tengelmann richtig . ({1}) Jetzt müssen wir denjenigen, die dazu beigetragen haben, dass wir eine so gute wirtschaftliche Situation bzw . Wirtschaftswachstum haben, dementsprechend Rechnung tragen: Es muss also unser politisches Ziel sein, Steuersenkungen für die fleißigen, gut qualifizierten und engagierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorzunehmen . ({2}) Ich möchte an dieser Stelle besonders denen danken, die immer wieder - auch selbstmotiviert in Bezug auf Weiterbildung und Qualifizierung - durch ihren Einsatz in einem innovationsfreundlichen Umfeld ihres Unternehmens für Fortschritt sorgen . Ohne diese Anstrengungen wäre dieser zusätzliche Gestaltungsspielraum, den wir hier haushaltspolitisch haben, nicht möglich . Auch die Investitionen in die Energiewende stellen einen wichtigen Block des Einzelplans dar . Hierfür stehen insgesamt 4 Milliarden Euro für unterschiedliche Maßnahmen zur Verfügung . Die Energiewende stellt eines der größten Infrastrukturprojekte unserer Zeit dar . Ich bin dem Bundeswirtschaftsminister Gabriel dankbar, dass er es in seiner Amtszeit geschafft hat, Ordnung in diese Energiewende zu bringen, dass er dafür gesorgt hat, dass wir eine belastbare Umsetzungsperspektive für dieses wichtige, auch international beachtete Projekt bekommen . In den Bereichen Wärme, Verkehr und Energieeffizienz müssen wir unsere Anstrengungen noch erhöhen . Wir begrüßen deshalb das Förderprogramm und die finanzielle Unterstützung gerade für diesen Bereich . Dabei gilt sowohl für die Wirtschaft als auch für diejenigen, die mit Energie zu tun haben, dass die kommenden HerausKatharina Dröge forderungen nur mit gemeinsamem Engagement bewältigt werden können . Mit dem vorliegenden Einzelplan zeigen wir, dass die SPD ihrer besonderen Verantwortung mit wichtigen Investitionen gerecht wird . Diese Investitionen sind die Grundlage dafür, dass es uns auch in Zukunft gut gehen wird . Wir müssen die angstvollen Blicke der Angehörigen einiger Bevölkerungsteile sicher ernst nehmen, dürfen sie nicht ignorieren; aber wir dürfen auch nicht nachgeben . Diese Investitionen symbolisieren genau das Gegenteil. Wir vermitteln damit Hoffnung und Zuversicht in den Wirtschaftsstandort und geben mit sicheren Arbeitsplätzen Menschen eine Perspektive . Die SPD sorgt für Investitionen in diese Zukunft . Vielen Dank . ({3})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Hansjörg Durz ist der nächste Redner für die CDU/ CSU-Fraktion . ({0})

Hansjörg Durz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf wird der Bund zum vierten Mal in Folge keine Schulden aufnehmen . Die schwarze Null steht, und wir können zu Recht darauf stolz sein . Ich möchte noch einmal drei Argumente anführen, weshalb uns dieses Thema so wichtig ist . Erstens . Mit der Entscheidung bezüglich der schwarzen Null halten wir Wort . Wir machen, wie versprochen, keine neuen Schulden - und das, wie ebenfalls versprochen, ohne die Steuern zu erhöhen . Die schwarze Null wird also aus laufenden Einnahmen erwirtschaftet . Sie ist das Bekenntnis dafür, dass wir mit den Steuergeldern der Bürgerinnen und Bürger verantwortlich umgehen . ({0}) Zweitens . Mit der schwarzen Null werden wir unserem stabilitätspolitischen Anspruch in Europa gerecht . Sie hilft uns, uns Schritt für Schritt dem Ziel zu nähern, die heute noch zu hohe Gesamtstaatsschuldenquote bis zum Jahr 2020 auf unter 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu senken . Drittens . Die schwarze Null ist nicht nur sichtbares Zeichen solider Finanzen, sondern vor allem auch Ausdruck praktizierter Generationengerechtigkeit; denn wir wollen zukünftigen Generationen noch Spielraum hinterlassen, um Politik zu gestalten . ({1}) Dabei geht es nicht darum, den Haushalt ohne jedwede Rücksicht zu konsolidieren . Fakt ist, dass dieser Haushalt den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land weiter stärkt, und zwar nicht nur zwischen Alt und Jung . Vielmehr werden auch sozialpolitische Leistungen in ausreichendem Maß finanziert. Das alles trägt dazu bei, einen Ausgleich zwischen wirtschaftlich Starken und sozial Schwachen zu erreichen . Die Sozialausgaben sind mit gut 170 Milliarden Euro im Jahr 2017 mit Abstand der größte Ausgabenbereich im Bundeshaushalt . Gut jeden zweiten Euro gibt der Bund für soziale Aufgaben aus . Allerdings müssen wir heute und in Zukunft in der Lage sein, diese Sozialausgaben zu finanzieren. Das Geld muss erwirtschaftet werden . Daher geht es nicht nur um Konsolidieren, sondern vor allem auch um Investieren in den Wirtschaftsstandort Deutschland . Wir müssen die Spielräume nutzen, die uns die hervorragende Einnahmesituation sowie die niedrigen Zinsausgaben bieten, indem wir auf zentralen Feldern die Investitionen deutlich steigern und damit auf die großen Herausforderungen unserer Zeit und der Zukunft antworten . Stabilität, Verlässlichkeit und Zukunftsinvestitionen, dieser Dreiklang ist für uns handlungsweisend . Dass der Bund nicht nur konsolidiert, sondern auch investiert, sehen wir daran, dass die Investitionen im Jahr 2019 mit rund 35 Milliarden Euro um 10 Milliarden Euro über den Investitionen von 2014 liegen werden, ein enormer Aufwuchs . Hier gilt es, die richtigen Schwerpunkte zu setzen . Als Wirtschafts- und Digitalpolitiker steht für mich die Digitalisierung mit an oberster Stelle . Hier gilt zunächst unserem Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt ein ausdrücklicher Dank . Am Anfang dieser Legislaturperiode ist er beim Breitbandausbau mit null Euro gestartet . Nun werden wir, nachdem die Bundesregierung über die bereits vorgesehenen 2,7 Milliarden Euro hinaus 1,3 Milliarden Euro zur Verfügung stellen wird, in den kommenden Jahren 4 Milliarden Euro in den Breitbandausbau investieren . Der Ausbau der digitalen Infrastruktur ist die Grundlage für alle weiteren Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung. Der flächendeckende Zugang zu modernsten Digitalnetzen ist für Bürger wie für Unternehmen Voraussetzung für den erfolgreichen Wandel hin zur digitalen Gesellschaft; da befinden wir uns auf einem richtig guten Weg . Daher ist es klug, dass der Staat hierfür viel Geld in die Hand nimmt und dort für ein entsprechendes Versorgungsniveau sorgt, wo ein rein privatwirtschaftlicher Ausbau bislang nicht vorankommt . Um den Digitalstandort Deutschland für die Zukunft fit zu machen, gibt der Bund auch sehr viel Geld für Forschung und Entwicklung aus, beispielsweise - das ist bereits angeklungen - für den zukünftigen Mobilfunkstandard 5G; das ist richtig und wichtig . Gerade bei innovativen Entwicklungen wie Internet der Dinge, digitaler Medizin oder selbstfahrenden Fahrzeugen wird der mobile Datenaustausch in Zukunft von entscheidender Bedeutung sein . Dafür brauchen wir 5G, und zwar 5G made in Germany . ({2}) Wie wir wissen, steht Deutschland auf einigen Feldern der Digitalisierung an der Spitze der technologischen Entwicklung . Ich denke hier vor allem an den Bereich der Automatisierung oder die Robotik . Allerdings wissen wir auch, dass zwischen den Industrieunternehmen in Europa und den Internetkonzernen aus den USA längst ein intensiver Wettlauf ausgebrochen ist . Angesichts der tiefgreifenden Umwälzungen, die mit der DigitalisieBernd Westphal rung einhergehen, stellt sich schon heute ganz konkret die Frage, wie die Wertschöpfung in Deutschland in Zukunft gestaltet sein wird, wie wir diese sichern können, wie es gelingen kann, unsere Unternehmen - egal ob es sich um mittelständische oder große handelt - für die Digitalisierung in der Zukunft fit zu machen. Hier gilt es, die Rahmenbedingungen beispielsweise für die Industrie 4 .0 so zu setzen, dass Deutschland digitales Wachstumsland Nummer eins ist und die deutsche Wirtschaft in einem globalisierten, digitalisierten Wettbewerbsumfeld erfolgreich bleiben kann . Dies ist die entscheidende wirtschaftspolitische Aufgabe für uns . Mit der Digitalen Agenda hat die unionsgeführte Bundesregierung die Weichen richtig gestellt . Auch der jetzt vorliegende Haushaltsentwurf zum Einzelplan des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, über den wir heute in erster Lesung diskutieren, setzt die richtigen Schwerpunkte . So werden im Bereich der Digitalen Agenda die Mittel auf 174 Millionen Euro erhöht . Dies ist ein signifikanter Aufwuchs; gegenüber den 97 Millionen Euro aus dem vergangenen Haushalt sind es fast 80 Prozent mehr . Der Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung digitaler Technologien, etwa im Bereich Smart Home, durch die Schaffung von vertrauenswürdigen Clouds oder im Bereich Mittelstand-Digital durch Errichtung von zehn bundesweit aufgestellten Mittelstand 4 .0-Kompetenzzentren . Im Übrigen wird auch daran deutlich, dass diese Haushaltsposition ganz stark auf den Mittelstand fixiert ist. Des Weiteren gibt es in der Titelgruppe 02 den Titel „Potenziale der digitalen Wirtschaft“, worunter zum Beispiel die Strategie Intelligente Vernetzung oder die Initiative „IT-Sicherheit in der Wirtschaft“ vor allem für die KMUs fallen, und den Titel „Initiative Industrie 4 .0“ mit der gleichnamigen zentralen Plattform sowie ganz neu die Anfinanzierung eines europäischen Mikroelektronikprogramms zur Steigerung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie . ({3}) Auch im Bereich „Gründen, Wachsen, Investieren“ setzt der Einzelplan wieder einen Schwerpunkt . Die bewährten Programme EXIST und INVEST sind übrigens unter dem Titel „Innovative Unternehmensgründungen“ zusammengefasst . Auch hier gibt es einen stetigen Aufwuchs . Es waren im Jahr 2015 72 Millionen Euro, 2016 80 Millionen Euro und sollen 2017 84 Millionen Euro sein . Das heißt, auch im Bereich „Gründen, Wachsen, Investieren“ investieren wir stetig mehr Geld, um Unternehmensgründungen voranzubringen . ({4}) Auch der High-Tech Gründerfonds wird fortgeführt . Außerdem hat Bundesfinanzminister Schäuble angekündigt, dass der Erhalt von Verlustvorträgen bei Eigentümerwechsel sichergestellt wird . All das stärkt die Gründungsbedingungen und fördert und verbessert damit weiter die Gründerkultur in Deutschland . ({5}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden den Einzelplan in den anstehenden Beratungen auch mit Blick auf den von mir genannten Schwerpunkt „digitale Wirtschaft“ analysieren und gegebenenfalls bei Bedarf auch an der einen oder anderen Stelle nachbessern . Aber bereits heute steht fest: Mit der schwarzen Null, den richtigen Ausgabenschwerpunkten und der Steigerung von Investitionen in zentrale Zukunftsfelder wird der Bund einen erheblichen Beitrag dazu leisten, dass Deutschland und die deutsche Wirtschaft gut gerüstet in die Zukunft gehen . Vielen Dank . ({6})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Hansjörg Durz . - Auch von mir Ihnen einen schönen guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen . Nächste Rednerin in der Debatte: Daniela Ludwig für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Daniela Raab (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003613, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer von Ihnen weiß denn, wie viele Übernachtungen inund ausländischer Gäste wir im ersten Halbjahr dieses Jahres in Deutschland hatten? ({0}) Ich sage es Ihnen gerne: über 199 Millionen Übernachtungen nur im ersten Halbjahr 2016 . Das war wieder ein Plus von 3 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2015 . So wie sich die Sommersaison angelassen hat, die ja noch weiter läuft, werden wir auch im zweiten Halbjahr ein weiteres dickes Plus zu verzeichnen haben . Die Tourismuswirtschaft ist damit fast ein bisschen der Hidden Champion unter den Wirtschaftsbranchen dieses Landes; denn kaum jemand spricht darüber, dass wir nun sechs Rekordjahre in Folge im Deutschlandtourismus zu feiern haben, möchte ich fast sagen . Es gibt kaum eine Branche, die über eine so lange Dauer so gute Zahlen vorzuweisen hat . Deswegen, glaube ich, lohnt es sich schon, auch in einer Debatte zum Wirtschaftshaushalt das Thema Tourismus ab und an etwas näher zu beleuchten . Ich möchte hier an dieser Stelle unseren Haushältern danken, stellvertretend für alle Andreas Mattfeldt, der uns immer sehr gut betreut und der gemeinsam mit den Kollegen der SPD dafür gesorgt hat, dass die Haushaltsansätze für die Tourismuspolitik im BMWi unangetastet geblieben sind . Das ist nicht selbstverständlich . Ich danke insbesondere auch den Kollegen von der Deutschen Zentrale für Tourismus, die dafür sorgen, dass der Deutschlandtourismus auch im Ausland die Rolle spielt, die ihm zukommt, dass die Attraktivität unseres Landes auch in die Welt hinausgetragen wird . Denn ich glaube, wir können auf einen guten Tourismus in Deutschland auf keinen Fall verzichten, auch wenn wir viel zu selten darüber reden . Der Tourismus ist eine wirtschaftsstarke Branche, eine Wachstumsbranche, und er ist eine Branche, in der gute Arbeitsplätze und gute Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen . Auch dies gilt es zu würdigen . ({1}) Auch wenn der Bund für den Tourismus formal nicht zuständig ist, da die Länder das Nötige in Eigenverantwortung zu organisieren haben, so stoßen wir immer wieder in Form von Querschnittsaufgaben auf Probleme und auch auf Herausforderungen der Tourismusbranche, die wir über alle Ministerien hinweg auf Bundesebene lösen können . Die erste Herausforderung, die uns in diesem Jahr wieder beschäftigt, ist die Umsetzung der sogenannten Pauschalreise-Richtlinie, die für diese Branche sehr wichtig ist . Die Europäische Kommission hat eine neue Richtlinie vorgelegt, die natürlich in ganz Europa passen muss . Nun haben wir in Deutschland das Problem - da geht meine Bitte ausdrücklich an das Bundesjustizministerium, sich dieses Problem noch einmal näher anzuschauen -, dass die Reisebranche hier anders als in eigentlich allen anderen europäischen Ländern sehr mittelständisch geprägt ist . In Deutschland gibt es viele kleine mittelständische Reisebüros und Omnibusunternehmen, die Reisen zusammenstellen und vermarkten. Überall woanders finden wir fast nur noch die ganz großen Player, die Reisen anbieten . Es ist deswegen wichtig, dass wir aufpassen, dass der deutsche Mittelstand in Form unserer gut organisierten Reisebüros nicht unter die Räder kommt . Derzeit sieht die EU-Richtlinie jedoch vor, dass Reisebüros künftig als Reiseveranstalter angesehen werden und damit die komplette Haftung übernehmen müssen . Dies dürfte für viele kleine Reisebüros vor Ort zum einen nicht sachgerecht sein, denn sie sind wirklich nur klassischer Vermittler und nicht Veranstalter, und zum anderen dürfte es für viele Reisebüros auch existenzbedrohend werden, wenn es sich in diese Richtung entwickelt . Deswegen möchte ich hier für die Arbeitsgruppe Tourismus, aber auch für die Arbeitsgruppe Wirtschaft meiner Fraktion in aller Deutlichkeit feststellen: Das, was derzeit an Umsetzung der Richtlinie auf dem Tisch liegt, ist für uns so noch nicht akzeptabel . Da müssen wir im parlamentarischen Verfahren noch so einiges ändern, um die Struktur, die uns wichtig ist - die mittelständische Struktur vor Ort -, auch in Zukunft erhalten zu können . Da bitte ich herzlich um Unterstützung . ({2}) Die zweite Herausforderung, die uns in diesem Jahr wie auch in den Vorjahren beschäftigt, führt uns zum Bauministerium - Sie sehen: Tourismus ressortiert zwar federführend beim Wirtschaftsminister, betrifft aber auch viele andere Bereiche -: Es geht um das Thema Ferienwohnungen . Auch dieser Bereich ist eine Art Hidden Champion . Nur durch Ferienwohnungen wird im Jahr ein Umsatz von 8 Milliarden Euro erzielt. Jährlich finden 103 Millionen Übernachtungen in Ferienwohnungen statt . Das ist also ein wichtiger Punkt, heißt aber auch: Es gibt die einen, die gerne Ferienwohnungen vermieten, und es gibt die anderen - man erlebt es in Berlin fast täglich -, die kaum damit zurechtkommen, dass sie ständig wechselnde Nachbarn in unterschiedlicher Feierlaune vorfinden. Deswegen ist es wichtig, dass wir den Ferienwohnungen im Baurecht einen eigenen Platz geben, dass wir hier Rechtssicherheit für all diejenigen schaffen, die neben einer Ferienwohnung leben, aber auch für all diejenigen, die eine Ferienwohnung vermieten wollen . Ich glaube, dass wir hier auf einem ganz guten Weg sind . Ich danke den Kollegen aus den Fraktionsarbeitsgruppen Bau dafür, dass sie uns sehr dabei unterstützen, dass wir einen guten Ausgleich finden zwischen den unterschiedlichen Interessen, auf die wir hier treffen. Das Thema Breitband ist hier schon, im wahrsten Sinne des Wortes, in aller Breite angesprochen worden . Ich danke dem Bundesverkehrsminister in aller Form dafür, dass er sich dieses Themas so intensiv annimmt . Auch für die Tourismusbranche ist es in vielerlei Hinsicht wichtig, dass hier investiert wird . Die Frage „Gibt es in Ihrem Haus WLAN?“ ist mit buchungsentscheidend . Deswegen ist es wichtig, dass wir beim Breitbandausbau vorankommen . Insbesondere für die kleineren Häuser und Pensionen im ländlichen Raum ist es wichtig, dass sie online erreichbar sind, dass eine Buchung also nicht nur per Telefon vorgenommen werden kann . Dieses Thema ist also auch an dieser Stelle ganz wichtig . Wo ich schon beim ländlichen Raum bin: Wir haben in diesem Jahr eine wichtige parlamentarische Initiative vorangebracht: die Stärkung des Kulturtourismus im ländlichen Raum . Es nutzt relativ wenig, meine lieben Freunde, wenn wir zwar unsere schönen Städte Berlin, Hamburg und München bewerben, der ländliche Raum davon aber nicht profitiert. Deswegen war es gerade den Mitgliedern meiner Arbeitsgruppe wichtig, die Menschen, die in die Großstädte kommen, dafür zu sensibilisieren, dass Kultur ebenfalls im ländlichen Raum stattfindet und dass es sich lohnt, die ausgetrampelten Pfade der Großstädte einmal zu verlassen, hinauszugehen und sich mit den vielen charmanten Seiten unserer Heimat auseinanderzusetzen . Ein weiteres Problem, das vor der Sommerpause angestoßen worden ist und das wir ebenfalls ressortübergreifend lösen müssen, betrifft das Thema Wassertourismuskonzept, lieber Matthias Lietz . Auch hier gibt es unterschiedliche Zuständigkeiten . Die Zuständigkeit für die touristische Nutzung liegt bei den Ländern, während die Zuständigkeit für die Wasserstraßen beim Bundesverkehrsminister liegt . Ich danke Alexander Dobrindt, dass er jetzt den Versuch unternimmt - ich glaube, er wird erfolgreich sein -, beides zusammenzubringen und dafür zu sorgen, dass wir auch beim Wassertourismus ein wichtiger Player im internationalen Wettbewerb werden, dass wir die Wasserstraßen, die für eine touristische Nutzung attraktiv sind, entsprechend erhalten und dass wir dies im Gleichklang mit den Ländern hinbekommen . Sie sehen: Tourismus, das ist ein breiter Querschnitt und - ich sage es noch einmal - bestimmt ein Hidden Champion, weil viel zu wenig darüber gesprochen wird, wie wichtig Tourismus ist . Ein letztes Wort dazu: Nicht nur die Zahlen beim Tourismus sind wichtig, etwa wie viel wir umsetzen, sondern es ist auch wichtig, dass wir die Schönheit, die Kultur und die Mentalität unseres Landes an all diejenigen vermitteln, die uns gern besuchen kommen . Deswegen ist Tourismus nicht nur ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor, sondern sicherlich auch ein Faktor für die Völkerverständigung . In diesem Sinne: Danke für die bisherige Unterstützung und danke für Ihre Aufmerksamkeit! ({3})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Daniela Ludwig . - Der letzte Redner in dieser Debatte: Andreas Mattfeldt für die CDU/ CSU-Fraktion . ({0})

Andreas Mattfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004108, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine lange Debatte geht zu Ende . Wir haben gehört: Die deutsche Wirtschaft ist stark . Wir haben von Daniela Ludwig eben gehört: Insbesondere die Tourismusbranche ist stark und wettbewerbsfähig . - Ich bin ganz sicher, dass wir mit diesem Haushalt heute die Voraussetzungen dafür schaffen, dass das auch in den kommenden Jahren so bleibt . Ich glaube, das brauchen wir auch; denn die Herausforderungen für unser Land sind groß . Dafür brauchen wir einen starken Mittelstand . Wir brauchen eine starke Industrie, die für Wachstum und für Arbeitsplätze sorgt . Deswegen ist gerade dieser Haushalt schwerpunktmäßig auf Wachstum, auf Innovation und auf Beschäftigung ausgerichtet . Wir haben es gehört: Massiv unterstützen wir auch dieses Mal wieder den Mittelstand, und das machen wir nicht ganz vergebens; denn immerhin arbeiten zwei Drittel aller Beschäftigten in Deutschland im Mittelstand . Deshalb ist es folgerichtig, dass wir auch die Mittel für das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, lieber Roland Claus, in diesem Jahr erneut erhöhen, und zwar um weitere 5 Millionen Euro auf fast 550 Millionen Euro . Mittelstandsförderung - das darf ich auch sagen - ist nicht nur das ZIM; Mittelstandsförderung findet auch bei unseren Auslandshandelskammern statt, die ich einmal hervorheben möchte . Die Auslandshandelskammern unterstützen gerade kleine und mittelständische Unternehmen bei Investitionen, beim Einkauf oder beim Vertrieb ihrer Produkte im Ausland . Die Auslandshandelskammern können die Märkte dort einschätzen, und sie können die Industrieunternehmen entsprechend zielgerichtet beraten . Gerade weil diese Dienstleistung so enorm nachgefragt wird, erhöhen wir unsere Präsenz in weiteren Ländern wie zum Beispiel in Sambia oder Mosambik . Folgerichtig spiegelt sich das natürlich auch im Etat wider . Wir erhöhen die Mittel in diesem Bereich um 3,5 Millionen Euro, sodass die Auslandshandelskammern nun fast 44 Millionen Euro erhalten . Eine Schlüsseltechnologie, die wir in diesem Haushalt ebenfalls erheblich fördern, ist die Luft- und Raumfahrtindustrie . Sie erhält fast 1,6 Milliarden Euro . Sie ist nicht nur Beschäftigungs- und Innovationsmotor; nein, sie ermöglicht es uns auch, international im Technologiewettbewerb zu bestehen . Der größte Teil der Mittel, rund 755 Millionen Euro, fließt an die Europäische Weltraumorganisation ESA . Wir müssen ganz genau schauen - das sage ich aber auch -, wie es nach der ESA-Ministerratskonferenz - ich glaube, sie findet am 1. Dezember statt, Herr Minister - mit Projekten wie zum Beispiel der Weltraumstation ISS oder einer Asteroidenabwehr, die ja auch angedacht ist, weitergeht . All das kostet Geld . Aber klar ist auch: Wenn wir in Europa weiterhin technologisch und wirtschaftlich in einer globalen Welt bestehen wollen, dann dürfen wir als Europäer in diesem Bereich auf gar keinen Fall den Anschluss verlieren . ({0}) Einen großen Anteil am Erfolg im Bereich der Luftund Raumfahrt hat auch das Deutsche Zentrum für Luftund Raumfahrt - kurz DLR -, das eine ausgezeichnete Arbeit leistet . Aber, Herr Minister, dass das DLR mit 5 Millionen Euro nun auch noch Extremismusprävention in der Ausbildung für Ihr Ministerium begleiten soll, das halte ich schon für ein bisschen merkwürdig . Das DLR ist sicherlich in technischen und wissenschaftlichen Dingen top; aber ob dieses Institut bei Extremismusprävention der richtige Projektträger ist, da bin ich mir nicht ganz sicher . Ich weiß, Herr Minister, dass Ihnen dieses Programm wichtig ist . Ich bin aber fest davon überzeugt, dass andere Ministerien hier über mehr Kompetenz verfügen . ({1}) Wir sollten ernsthaft überlegen, ob es sinnvoll ist, dass Sie diesen Aufgabenbereich nun auch noch im Wirtschaftsministerium bearbeiten möchten . ({2}) Meine Damen und Herren, ein weiterer wichtiger Industriezweig, der für den Wirtschaftsstandort Deutschland von ganz großer Bedeutung ist, ist die maritime Wirtschaft . Wir bauen in Deutschland die besten Kreuzfahrtschiffe und die innovativsten Spezialschiffe der Welt, und das soll auch in 20 Jahren noch so sein . ({3}) Mit Blick auf den großen globalen Wettbewerb in dieser Branche ist es deswegen wichtig, dass wir hier unsere Technologieführerschaft sichern und richtig investieren . Und genau deshalb wäre es klug, wenn der gekürzte Ansatz im Bereich der Innovationsförderung wieder auf den Stand der letzten Jahre angehoben würde . Ich schaue einfach einmal auf die Bundesratsbank - der Kollege Rüter aus Niedersachsen war vorhin da -: Niedersachsen geht da ja eben nicht großartig voran . ({4}) Meine Damen und Herren, kommen wir zu einer weiteren Herkulesaufgabe, der wir uns auch im Haushalt 2017 umfänglich widmen: Das ist die Energiewende, die sowohl aus dem Haushalt des Ministeriums mit 2,44 Milliarden Euro als auch aus dem Energie- und Klimafonds mit 2,9 Milliarden Euro finanziert wird. Sorge, Herr Minister, bereitet mir hier allerdings die Sicherheit der Stromversorgung . Wie geht es weiter, wenn nach 2021 die letzten Kernkraftwerke vom Netz gehen? Wir alle wissen: Das ist nicht mehr allzu lange hin . Auch wenn Sie mir im Berichterstattergespräch nun erklärt haben, dass es auch andere Möglichkeiten der Versorgung als durch eigene neue deutsche Kraftwerke gibt, müssen wir im Blick behalten - ich weiß, Sie sehen das genauso -, dass Deutschland eine Industrienation ist, die auf bezahlbare Strompreise und vor allem auch auf stabile Stromnetze - vielleicht mehr als andere Nationen - angewiesen ist . In diesem Sinne wäre es gut, wenn wir heute schon belegen können, wie die Grundlast gesichert wird, welche Kraftwerke, wo auch immer, gegebenenfalls hinzuliefern, wenn andere abgeschaltet werden und wir trotzdem immer noch Stromspitzen abdecken müssen . Das ist von allergrößter wirtschaftlicher Bedeutung, meine Damen und Herren . Ein weiterer Schwerpunkt dieses Haushaltes ist natürlich wie immer das Thema Fachkräftesicherung . Schon heute gibt es genügend Betriebe, die unter dem Fachkräftemangel massiv leiden . Deshalb erhöhen wir den Titel „Fachkräftesicherung für kleine und mittlere Unternehmen“ um weitere 2,4 Millionen Euro . Ich bin allerdings ein wenig skeptisch, ob jedes Ministerium hier Aktivitäten entwickeln muss. Es finden sich nicht nur im Haushalt des Wirtschaftsministeriums, sondern auch in allen anderen Ressorts zahlreiche Programme zum Thema Fachkräfte . Das ist von der Idee her richtig . Aber wir müssen uns wirklich überlegen, ob wir das nicht irgendwo, ich sage einmal, ein bisschen bündeln und irgendwo eine Stelle einrichten, die das Ganze koordiniert, damit wir hier einen roten Faden haben . Mit gleicher Blickrichtung, Herr Minister, frage ich mich auch, ob wir bei dem Thema „Integration der Flüchtlinge in Arbeit“ richtig aufgestellt sind . Auch hier gibt es viele Programme im Bundeshaushalt - auch in Ihrem Haushalt -, die um das Ziel der Flüchtlingsintegration erweitert worden sind, und das ist auch richtig so . Da wir beide sonst sehr gut klarkommen - ich glaube, das darf ich sagen -, ({5}) gehört es auch dazu, dass man unter Koalitionären einmal anspricht, was einen an der Politik des anderen ein wenig stört . Sie wissen, glaube ich, ganz genau, dass ich im vergangenen Jahr das Handeln der Regierung bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise ein wenig kritisch hinterfragt habe . Nun sind aber die Menschen bei uns, und wir müssen sehen, wie wir all diese Menschen in Arbeit bekommen . Dazu müssen wir mit klugen Entscheidungen beitragen, und es müssen eben auch alle Regierungsmitglieder mit klugen Entscheidungen dazu beitragen . Sie, Herr Minister, haben im letzten Jahr gesagt, dass die Bewältigung der Flüchtlingskrise vor allem ein Wirtschaftsthema sei; denn Arbeit ist der beste Weg zur Integration . Sie haben das Thema damit wirtschaftspolitisch zu Ihrer ganz persönlichen Chefsache erklärt . Und ich bin da inhaltlich voll bei Ihnen . Genau deshalb habe ich nach Ihrer Kritik an der Union, nach Ihrem Fingerzeig auf die Union im Zusammenhang mit der Bewältigung der Flüchtlingskrise, als Ihr zuständiger Unionshaushälter einmal ganz genau geschaut, wie das denn in Ihrem Ministerium gelaufen ist . Und da, lieber Herr Gabriel, hat Ihr Ministerium noch Luft nach oben; denn Ihr Versprechen, dass die Bewältigung der Flüchtlingskrise in erster Linie ein Wirtschaftsthema sei, haben Sie - das muss ich leider sagen - nicht gehalten . Hier müssen wir mehr machen, als nur Willkommenslotsen der IHK zu unterstützen . ({6}) Auch ich finde es beschämend, dass nach einer Umfrage die 30 größten DAX-Unternehmen gerade einmal 54 Flüchtlinge angestellt haben, allein 50 davon bei der Post . Ich glaube, diese Bilanz ist massiv ausbaufähig . ({7}) Ich darf aber auch sagen, Herr Minister: Da hätte vielleicht auch von Ihnen mehr kommen müssen . Da war auch der persönliche Einsatz des Wirtschaftsministers gefragt . ({8}) Sich ein Stück weit von den Unternehmen mit der Behauptung abspeisen zu lassen, dass die Qualifikationen der Flüchtlinge für Großkonzerne nicht ausreichten, ist ein wenig zu einfach; denn, wie wir sehen, sind kleine und mittelständische Unternehmen auch hier wieder der Vorreiter bei Integration, und sie versuchen, ihren Beitrag auch bei geringerer Qualifikation der Flüchtlinge zu leisten . Hier, Herr Gabriel, haben wir alle - ich glaube, das darf ich sagen - unsere Hausaufgaben zu leisten und können die Verantwortung nicht einfach auf andere - in diesem Fall auf den Koalitionspartner - abschieben . ({9}) Meine Damen und Herren, dieser Haushaltsentwurf ist gut . Er geht absolut in die richtige Richtung, aber wir alle wissen: Der Bessere ist der Feind des Guten . In diesem Sinne werden wir die anstehenden Beratungen nutzen, um weitere positive Veränderungen herbeizuführen . Sie als Opposition lade ich auch dieses Jahr wieder ein, daran konstruktiv mitzuwirken . In diesem Sinne freue ich mich auf die anstehenden Haushaltsberatungen . Herzlichen Dank . ({10})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Andreas Mattfeldt . - Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor . Bevor wir zum nächsten kommen, bitte ich Sie, die Plätze einzunehmen bzw . zu wechseln . ({0}) - Sie können auch gerne bleiben, Herr Grund, selbstverständlich, logisch . Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit, Einzelplan 15. Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen, damit ich den ersten Redner aufrufen kann und wir ihm entsprechend zuhören können . Ich rufe jetzt den Bundesminister Hermann Gröhe für die Bundesregierung auf . ({1})

Hermann Gröhe (Minister:in)

Politiker ID: 11002666

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es ist zwei Tage her, dass Kollegin Manuela Schwesig und ich gemeinsam mit der Deutschen Alzheimer Gesellschaft den Startschuss für die Aktion Demenzpartner gegeben haben . Es geht darum, in einem Kursangebot Menschen in ihrem beruflichen Umfeld, in Behörden, in Geschäften, im Personennahverkehr, aber auch als achtsame Nachbarn zu befähigen, im Blick zu haben, was besonders notwendig ist, um angemessen mit demenziell Erkrankten umzugehen . Es geht auch darum, gegen die Gefahr der Isolation von demenziell Erkrankten und ihren Angehörigen ein wirksames Zeichen zu setzen . Diese Aktion der Deutschen Alzheimer Gesellschaft ist eingebunden in ein weltweites Netzwerk . Im angelsächsischen Raum spricht man von „Dementia Friends“ . Das Symbol ist das Vergissmeinnicht, das deutlich machen soll: Auch wenn zu dieser Krankheit ein Nachlassen der eigenen Gedächtniskraft gehört, vergessen wir diese Menschen nicht, meine Damen, meine Herren . ({0}) Diese starke Aktion aus der Zivilgesellschaft, die wir mit einer Anschubfinanzierung aus den Mitteln des Bundesgesundheitsministeriums unterstützt haben, passt gut zu unserer Pflegepolitik. Am 1. Januar nächsten Jahres ist es nämlich endlich so weit: Demenziell Erkrankte erhalten dann einen gleichberechtigten Zugang zu allen Leistungen der Pflegeversicherung. Die Vorbereitungen dafür laufen auf Hochtouren . Ob es nun um die Schulung derjenigen geht, die in Zukunft das neue Begutachtungsverfahren anwenden, ob es um die Verhandlung von Personalschlüsseln für einzelne Einrichtungen und Landesrahmenvereinbarungen geht: 5 Milliarden Euro mehr jährlich werden ab dem nächsten Jahr in der Pflegeversicherung für zusätzliche Leistungen zur Verfügung gestellt . Die pflegepolitische Agenda dieser Koalition geht weiter . Ich nenne als Themen stichwortartig die bessere Verzahnung der Leistungen der Pflegeversicherung mit der kommunalen Altenhilfe, die Modernisierung der Pflegeberufe, die Entbürokratisierung der Pflegedokumentation und einen Pflege-TÜV, der endlich diesen Namen auch wirklich verdient . Wir haben uns viel vorgenommen. Ich danke dem Pflegebeauftragten Karl-Josef Laumann für sein engagiertes Drängen und Arbeiten an diesen Themen . ({1}) Meine Damen, meine Herren, dieser Kraftakt der Großen Koalition im Bereich der Pflege macht zugleich deutlich, dass wir selbstbewusst all jenen Populisten entgegentreten sollten, die den Eindruck erwecken, die großen Anstrengungen bei der Aufnahme von Flüchtlingen in unserem Land ließe gleichsam die Einheimischen zu kurz kommen . Davon kann nicht die Rede sein . ({2}) Ich bitte alle, auch die Kolleginnen und Kollegen des geschätzten Koalitionspartners - nur einzelne, aber dann leider hochrangige -, nicht selbst zum Stichwortgeber solcher unberechtigter Ängste zu werden . ({3}) Nein, wir kümmern uns um diejenigen, die zu uns kommen, sowie um diejenigen, die hier sind und unsere Unterstützung vermehrt verdienen, seien es Pflegebedürftige, ihre Angehörigen oder die Pflegekräfte in unserem Land . Lassen Sie mich auch etwas zur Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge in unserem Land sagen . Da muss am Beginn der Dank an die vielen Haupt- und Ehrenamtlichen stehen, die in den Flüchtlingseinrichtungen Beeindruckendes bei der medizinischen Erstversorgung leisten . Danke für diesen Einsatz! ({4}) Ich habe erst vor wenigen Wochen das Michaelis Dorf in Darmstadt besucht, wo ein eindrucksvolles Projekt gerade für traumatisierte Frauen, Kinder und Jugendliche läuft, das gleichzeitig vom Sigmund-Freud-Institut wissenschaftlich evaluiert wird, damit wir dort noch Weiteres lernen, um Traumatisierten bestmöglich helfen zu können . Zugleich gilt - darauf hat erst vor wenigen Tagen erneut das Robert-Koch-Institut hingewiesen -, dass sich Sorgen, mit den Flüchtlingen kämen gleichsam erhöhte Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung in DeutschAndreas Mattfeldt land auf uns zu, als unbegründet herausgestellt haben auch hier kein Grund zur Panikmache . ({5}) Natürlich will auch ich ein Wort zur Frage der damit verbundenen Kosten sagen . Zunächst gilt: Für die Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz steht die Gemeinschaft der Steuerzahler ein . Danach werden die Flüchtlinge - jedenfalls zuallermeist, wenn sie dauerhaft hierbleiben - Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung . Da gilt natürlich, dass wir alles tun wollen und tun müssen, damit sie bestmöglich in den Arbeitsmarkt integriert werden, dass wir auch aus Fehlern gescheiterter Integration in der Vergangenheit lernen . Deshalb ist das Integrationsgesetz ein so wichtiger Schritt . Scheiternde Integration kostet Geld, gelingende Integration kann uns helfen, Probleme zu lösen . Beim Tag der offenen Tür des Bundesgesundheitsministeriums vor wenigen Tagen habe ich eine junge Frau, die aus Syrien zu uns geflohen ist, kennengelernt, die als Bufdi im bayerischen Hof in einem Pflegeheim hilft. Ich habe nicht nur die strahlende Dankbarkeit bei ihr, sondern auch bei der Einrichtungsleiterin für diese Arbeit gesehen. Ja, es ist richtig, dass wir gleichzeitig Vorsorge betreiben, dass Kosten der Flüchtlingsversorgung nicht zu steigenden Zusatzbeitragen führen . Deshalb halte ich es in einer Zeit, in der die Liquiditätsreserve prall gefüllt und mit Negativzins belegt ist, für vertretbar, dass wir Mittel entnehmen, um das Risiko von Mehrkosten abzufedern . Das war eine gemeinsame Entscheidung im Bundeskabinett. Ich sage ganz offen: Wir werden die Entwicklung weiter im Auge behalten müssen . Das kann sicher keine Dauerlösung sein, sondern es muss erst recht Ansporn sein, um bestmögliche Integration in den Arbeitsmarkt zu gewährleisten . ({6}) Meine Damen, meine Herren, lassen Sie mich etwas zur Kassenlage insgesamt sagen . Das erste halbe Jahr ist erneut mit einem Plus von 600 Millionen Euro abgeschlossen worden . Es zeigt sich, dass diejenigen, die vor Wochen mit falschen Zahlen - auch heute werden wieder in Zeitungen falsche Zahlen über die durchschnittliche Höhe des Zusatzbeitrages verbreitet ({7}) Alarmismus verbreitet haben, für den es ebenso wie für Panikmache keinen Anlass gibt, auch nicht in Vorwahlkampfzeiten, unrecht hatten . Es gibt gute Gründe, zu sagen: Wir halten die Lohnzusatzkosten in Schach; denn die wichtigste Grundlage eines solidarischen Gesundheitswesens sind gut bezahlte, sichere Arbeitsplätze . Gleichzeitig gilt - das wissen wir alle -, dass wir die Versicherten nicht überfordern dürfen . Deshalb müssen Leistungsverbesserungen stets mit Augenmaß geschehen, und wir müssen die nachhaltige Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems im Auge behalten . Entgegen treten möchte ich allerdings ausdrücklich Aussagen einzelner Kassenvertreter, die von uns beschlossene Leistungsausweitung komme nicht den Versicherten zugute. Von wegen! Die Stärkung der Pflege auf den Krankenhausstationen, die Verbesserung der Krankenhaushygiene, der Palliativ- und Hospizversorgung all dies liegt im Interesse der Versicherten in unserem Land, meine Damen, meine Herren . ({8}) Bei einer Reihe von Gesetzen, die wir in den letzten zwölf Monaten auf den Weg gebracht haben, sind jetzt die verschiedenen Partner, auch in der Selbstverwaltung, dabei, sie umzusetzen . Ich freue mich, dass im Februar die Nationale Präventionskonferenz eine erste wichtige Bundesrahmenempfehlung für den Bereich der Gesundheitsförderung in Lebenswelten beschlossen hat und dass inzwischen in vier Bundesländern - Hessen, Sachsen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen - Landesvereinbarungen hinzugekommen sind; die anderen sind eingeladen, alsbald hier mitzumachen . Das Präventionsforum wird in der nächsten Woche zusammenkommen und viele einbeziehen, die dieses Gesetz mit Leben füllen sollen . Ausdrücklich möchte ich betonen, dass der Kampf gegen Suchtgefahren ein zentrales Element unserer Politik der Gesundheitsförderung und Prävention ist . Auch dazu ist eine Reihe von Maßnahmen erneut im Bundeshaushalt vorgesehen . Ich danke der Drogenbeauftragten Marlene Mortler herzlich für ihre hervorragende Arbeit . ({9}) Der Innovationsfonds wird bald - ich rechne im Oktober damit - erste Entscheidungen für die Förderung sektorübergreifender Versorgung treffen. Da, wo wir viel zu lange Mauern zwischen den Sektoren hatten, werden endlich Brücken gebaut . Ich möchte etwas zur Umsetzung der Krankenhausreform sagen . Ja, wir haben eine Reihe von Aufträgen an die Selbstverwaltung übergeben . Einige davon sind erledigt worden, andere noch nicht . Ich erwarte, dass dies zeitnah geschieht . ({10}) Ich finde es nicht schön, dass es beispielsweise im Bereich der Hochschulambulanzen im Zusammenhang mit den Zentrenzuschlägen offensichtlich des Schlichtungsverfahrens bedarf, damit hier zeitnah entschieden wird . Wir erwarten, dass der Wille des Gesetzgebers, diese Arbeit auskömmlich zu finanzieren, umgesetzt wird, und werden dies sehr nachdrücklich begleiten . ({11}) Meine Damen, meine Herren, wir verbinden bei Leistungsverbesserungen mit Augenmaß stets die Gedanken der Qualität und der nachhaltigen Finanzierbarkeit . Aber da bedarf es gelegentlich - das will ich einräumen - des Nachsteuerns . Das tun wir etwa beim Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung . Mich beschämt es, wenn ich den Brief einer 80-jährigen Frau lese, ({12}) die mir schreibt, wie sie mit einer Kasse darum kämpft, ein taugliches Inkontinenzmittel für ihren pflegebedürftigen Ehemann zu finden. Damit muss Schluss sein. Das werden wir mit diesem Gesetz beenden . ({13}) Wirtschaftlichkeit - ja! Aber bessere Beratung und klare Qualitätsmaßstäbe gehören zusammen . Ich sage angesichts einer Diskussion der letzten Tage: Wir werden uns auch bei der Zytostatikaversorgung, also bei der Versorgung mit eigens hergestellten Arzneimitteln in der Tumorbehandlung, genau ansehen, ob Ausschreibungsrahmenbedingungen korrigiert werden müssen, ({14}) damit einerseits wir die Vorteile entsprechender Verfahren im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit nutzen und andererseits die zeitnahe Zurverfügungstellung der Mittel in hoher Qualität nicht gefährdet wird . Wenn hier Nachsteuerungsbedarf besteht, dann werden wir ihn - da bin ich mir sicher - gemeinsam bewerkstelligen . ({15}) Mit Blick auf Qualität und Patientensicherheit möchte ich ein paar kurze Bemerkungen zu den Berichterstattungen über den sogenannten Krebswunderheiler vom Niederrhein machen; das ist nicht weit von meiner Heimat entfernt . Ich rate uns dazu, durchaus erst einmal das, was wir bisher in erster Linie aus Presseverlautbarungen der Staatsanwaltschaft wissen, genau auszuwerten und zu schauen, wo etwaige Schutzlücken bestehen . Wenn es sie gibt, müssen und wollen wir sie beseitigen . Zum Beispiel könnte man die entsprechenden Richtlinien aus dem Jahr 1992 überarbeiten . Ich sage jedenfalls ganz persönlich: Ich glaube nicht, dass man der Patientensicherheit dient, wenn man Behandlungsmethoden ohne jede wissenschaftliche Evidenz vorschnell gleichsam mit dem Gütesiegel eines staatlich anerkannten Gesundheitsberufes versieht . Das, glaube ich, nützt der Pateientensicherheit nicht . ({16}) Der Frage der richtigen Balance zwischen guter Qualität und nachhaltiger Finanzierbarkeit müssen wir uns auch bei der Umsetzung der Ergebnisse des Pharmadialogs stellen, den das Forschungs-, das Wirtschafts- und das Gesundheitsministerium gemeinsam durchgeführt haben . Wir wollen etwa mehr Anreize für die Forschung und Entwicklung in den Bereichen der Arzneimittel für Kinder und gegen seltene Erkrankungen sowie der dringend benötigten neuen Antibiotika schaffen. Wir brauchen aber auch eine wirksame Preisbremse gerade bei Arzneimitteln, die hochpreisig sind und sich an eine große Zahl von Patientinnen und Patienten richten, mit denen also bereits im ersten Jahr hohe Umsätze erzielt werden . Auch hier gilt: Qualität, Innovationsfreudigkeit und nachhaltige Finanzierbarkeit müssen zusammengehören . ({17}) Meine Damen, meine Herren, lassen Sie mich etwas zur internationalen Gesundheitspolitik sagen, die sicher in den letzten Jahren zu einem Markenzeichen der internationalen Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland geworden ist . Zur Stunde findet der erste Einsatz des European Medical Corps statt, eine Konsequenz aus der Ebolakrise . Daran sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bernhard-Nocht-Instituts und des Robert-Koch-Instituts beteiligt, die in der Demokratischen Republik Kongo helfen, den sehr ernsten Gelbfieberausbruch zu bekämpfen. Wir haben aus unserem Haus heraus die entsprechenden Kapazitäten in den genannten Einrichtungen aufgebaut . Der konkrete Einsatz wird aus Mitteln des Auswärtigen Amts finanziert. Ich möchte dem Außenminister, aber auch dem Entwicklungsminister ausdrücklich für die gute Zusammenarbeit im Hinblick auf die Stärkung internationaler Gesundheitspolitik danken . ({18}) Schon in wenigen Wochen werden wir in Berlin zu einem internationalen Expertentreffen zusammenkommen, bei dem es um das Thema Antibiotikaresistenzen gehen wird . Wir werden im Mai des nächsten Jahres erstmalig im Format der G 20 zu einem Gesundheitsministertreffen in Berlin zusammenkommen, weil es gerade bei großen, grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren, aber auch beim Thema Antibiotikaresistenzen darum gehen muss, die Aktivitäten der EU und der G 7 mit den großen bevölkerungsreichen Ländern und großen Agrarproduzenten zu verbinden . Deswegen werden diese Themen auf der Tagesordnung eines G 20-Gesundheitsministertreffens stehen . Für all dies setzt der Haushaltsentwurf einen ersten Rahmen . Wir werden ihn jetzt gemeinsam beraten . Auf die Beratung mit Ihnen allen freue ich mich . Herzlichen Dank . ({19})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Hermann Gröhe . - Die nächste Rednerin in der Debatte: Dr . Gesine Lötzsch für die Linke . ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst zwei Zahlen gegenüberstellen . Die eine Zahl ist 36 Milliarden Euro, die andere Zahl ist 15 Milliarden Euro . 36 Milliarden Euro sind in diesem Haushalt für Rüstung und Verteidigung vorgesehen, nur 15 Milliarden Euro für Gesundheit . Ich finde, das ist ein eklatantes Missverhältnis. ({0}) Meine Damen und Herren, die Menschen wollen wissen, wie sich in den nächsten Jahren die Beiträge für die Krankenkassen entwickeln . Sie haben die Sorge, dass die Zusatzbeiträge steigen, und diese Sorge ist nicht berechtigt . ({1}) - Ja, sie ist berechtigt; man kann über einen Versprecher natürlich lachen . - Ich kann es ja noch einmal wiederholen: Diese Sorge ist mehr als berechtigt . Ich kann es auch nicht leiden, wenn man den Menschen versucht zu erklären, sie würden sich ihre Ängste nur einbilden . Nein, diese Ängste sind ganz real . Laut aktuellen Berechnungen kommen auf Durchschnittsverdiener Zusatzbeiträge von mehr als 50 Euro im Monat zu . Das wäre mehr als eine Verdoppelung innerhalb der nächsten vier Jahre . Das können wir doch nicht zulassen, meine Damen und Herren . ({2}) Diesen Kostenanstieg können wir im Bundestag gemeinsam verhindern, wenn wir wieder zu einer paritätischen Finanzierung des Gesundheitssystems zurückkehren . ({3}) Das heißt, die Arbeitgeber sollen wieder genauso viel zahlen wie die Arbeitnehmer . Wir hatten als Linke den Antrag gestellt, die Zusatzbeiträge abzuschaffen und die paritätische Finanzierung wiederherzustellen, aber leider haben Union und SPD das abgelehnt . Im Gegensatz zu dieser Ablehnung hat nun der Vorsitzende der SPD, Herr Gabriel, gefordert, die paritätische Finanzierung wieder einzuführen . Die Arbeitgeber haben das postwendend abgelehnt, und der Arbeitgeberpräsident wies auch noch darauf hin - ich darf zitieren -: Die Entscheidung von Rot-Grün vor mehr als zehn Jahren, den Arbeitgeberbeitrag festzuschreiben, ist und bleibt richtig . ({4}) Einerseits ist es natürlich wichtig, daran zu erinnern, wer die Verantwortung für die stärkere Belastung der Bürgerinnen und Bürger trägt . Aber wenn die SPD ihre Meinung nun wirklich geändert hat: Warum sollte sie dann unserem Antrag im Bundestag nicht zustimmen? ({5}) Ich denke, das sollten wir gemeinsam hinbekommen . ({6}) Herr Gröhe - das ist heute in mehreren Medien nachzulesen - musste einen besonders großen Beitrag für die schwarze Null leisten . Die Finanzspritze aus dem Gesundheitsfonds soll natürlich die Beitragssteigerungen vor der Bundestagswahl verhindern . Umso größer werden dann die Überraschungen nach der Bundestagswahl sein, wenn die Zusatzbeiträge steigen . Ich kann Ihnen nur sagen: Machen Sie sich ehrlich, machen Sie endlich eine ehrliche Politik . Die Zusatzbeiträge müssen weg, und daran müssen wir alle arbeiten . ({7}) Herr Gröhe, Sie müssen ja - das hat Ihnen der Finanzminister verordnet - 1,5 Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds an die Kassen geben, um die zusätzlichen Kosten zu finanzieren. Angeblich soll das notwendig sein, um die Gesundheitskosten für die Flüchtlinge zu decken . Das ist allerdings nicht richtig . Der AOK-Chef Martin Litsch hat Ihnen widersprochen, und zwar zu Recht . Er hat gesagt: Wir haben kein Flüchtlingsproblem, sondern wir haben ein Hartz-IV-Problem; denn der Bundeszuschuss, den die Krankenkassen für Hartz-IV-Empfänger erhalten, ist nicht kostendeckend . - Das ist die Wahrheit . ({8}) Derzeit erhalten die Kassen 90,36 Euro pro Monat für einen Hartz-IV-Empfänger, doch der Bedarf für einen durchschnittlichen Versicherten beträgt 245 Euro monatlich . Meine Damen und Herren, wenn wir uns fragen, warum Menschen auf Arztbesuche, zum Beispiel auf dringend notwendige Zahnarztbesuche verzichten, dann wissen wir, wie die Zusatzkosten schon jetzt drücken . Das habe ich mir nicht ausgedacht, sondern das geht aus einer Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes zur amtlichen Haushaltsbefragung „Leben in Europa“ hervor . Es wurde herausgefunden, dass knapp die Hälfte derjenigen, die im Jahr 2014 auf einen Zahnarztbesuch verzichteten, dies aus finanziellen Gründen taten. Das kann doch in einem reichen Land wie dem unseren nicht die Wahrheit sein . Dagegen müssen wir uns verwahren . ({9}) Wir brauchen endlich eine Gerechtigkeitsoffensive. Mit einer solidarischen Gesundheitsversicherung könnten wir nicht nur sämtliche Zusatzbeiträge abschaffen; die Krankenkassen könnten auch - und das ist ja das Gute an der Sache - ihre Beitragssätze um rund ein Drittel senken . ({10}) - Ja, das können Sie nachlesen . Ich kann Ihnen die Studien dazu geben . ({11}) Statt bei derzeit durchschnittlich 15,7 Prozent könnte der Beitragssatz dauerhaft zwischen 10 und 11 Prozent liegen . Das wäre keine Zauberei, sondern einfache Mathematik; denn in eine solidarische Gesundheitsversicherung könnten wir auch höhere Einkommen einbeziehen, indem wir schrittweise die Beitragsbemessungsgrenze anheben und letztendlich abschaffen, ({12}) und auch Kapitaleinkünfte und Gewinne - das ist wichtig - könnten mit einbezogen werden . Herr Gröhe, ein letzter Satz zur Pflege. Sie sind ja auch Pflegeminister. Sie haben hier positiv über die Erfolge gesprochen . Ich hatte allerdings erwartet, dass Sie zu einer Meldung Stellung nehmen, die viele Menschen in den letzten zwei Tagen verunsichert hat: Es entfällt die Hilfe zur Pflege. Das heißt, die Menschen, die in Pflegeheimen wohnen und keine Pflegestufe haben, also Selbstzahler sind, wissen nicht, was jetzt aus ihnen wird . Die Teilnehmer einer Besuchergruppe von mir hat das umgetrieben . Sie haben gefragt: Was wird denn nun? Ich fordere Sie auf: Lassen Sie uns bis zum Jahresende eine Regelung finden. Es kann nicht sein, dass Menschen in Pflegeheimen Angst haben müssen, dass sie das Pflegeheim verlassen müssen, weil dieser Passus aus dem Gesetz gestrichen wurde . Hier besteht dringender Handlungsbedarf . Das müssen wir unbedingt anpacken . Vielen Dank . ({13})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Gesine Lötzsch . - Nächster Redner: Dr . Karl Lauterbach für die SPD . ({0})

Prof. Dr. Karl Lauterbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003797, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will zunächst einmal auf die Frage eingehen, die heute auch in der Presse diskutiert wurde und die indirekt auch in den beiden Reden, die wir zu diesem Einzelplan heute schon gehört haben, vorkam: Haben wir nur mehr Geld ausgegeben, das System also deutlich teurer gemacht, und keine Gewinne an Effizienz und Qualität erzielt, oder haben wir auch etwas erreicht? Das ist ja eine legitime Frage . Dieser Frage müssen wir uns in dieser Debatte stellen; das ist ganz klar . Ich will darauf hinweisen: Selbst wenn man sehr kritisch ist und sagt: „Vieles von dem, was erreicht werden sollte, ist noch nicht komplett erreicht, weil vieles zu lange dauert“, sollte man ein Mindestmaß an Fairness walten lassen . Man sollte einräumen: Wir haben viel gemacht, was den Versicherten, den Patienten langfristig zugutekommt . ({0}) Alles andere ist unehrlich . Ich bringe nur ein paar Beispiele, um das konkret zu zeigen: Wir haben mit dem Versorgungsstärkungsgesetz mit dazu beigetragen, dass Hausärzte und Fachärzte besser verteilt werden zwischen den Regionen, in denen Einkommensschwache wohnen - das sind häufig dörfliche Regionen -, und den Innenstädten, in denen viele Privatversicherte wohnen . Wir haben die Terminvergabe durch Terminservicestellen beschleunigt . Wir haben spezielle Leistungen in Krankenhäusern - insbesondere in Unikliniken, die mit jedem Patienten große Verluste gemacht haben -, besser bezahlt . Wir dürfen unsere Unikliniken und die Häuser, die sich auf solche Patienten spezialisiert haben, nicht plündern . Das ist einfach nicht richtig gewesen . Wir haben zudem mehr Pflegekräfte eingestellt. Wir haben ein Gesetz erarbeitet - es wird als teures Krankenhausgesetz kritisiert -, mit dem über 500 Millionen Euro pro Jahr für die Pflege bereitgestellt werden. Darüber hinaus kommt auch noch ein Pflegeförderprogramm. ({1}) Das sind sehr wichtige Investitionen . Ich bitte Sie daher, der Fairness halber zur Kenntnis zu nehmen: Wir können nicht mehr Hausärzte, eine bessere Verteilung der Hausärzte, eine bessere Intensivmedizin, eine bessere Notfallmedizin, auf die ich jetzt nicht eingegangen bin, eine bessere Maximalmedizin und mehr Pflegekräfte, die wir auch noch besser bezahlen, haben, ohne dass es zu kurzfristigen Kostensteigerungen kommt . Das wird nicht möglich sein . Unser Gesundheitssystem ist kein Aktienfonds, in den man nur investiert, um später etwas herauszuholen . Wir wollen eine bessere Versorgung und ein modernes Gesundheitssystem, und wir wollen, dass unsere Gesellschaft in der Lage ist, sich nach außen als gerechte Gesellschaft zu profilieren. Diesen Zustand wollen wir erhalten . Dafür muss Geld investiert werden . ({2}) Es wurde eben darauf hingewiesen, dass die Arbeitgeber nicht bereit sind, diese Investitionen langfristig mit zu bezahlen, und dass die Wiederherstellung der paritätischen Finanzierung von ihnen abgelehnt wird . In diesem Zusammenhang wurde der Arbeitgeberpräsident zitiert . ({3}) Das war in zweierlei Hinsicht falsch . Es ist zunächst einmal faktisch falsch; denn zum Glück ist es ja so, dass wir als Bundestag beschließen, wie das System finanziert wird . ({4}) Das bestimmen nicht die Verbände, erst recht nicht der Arbeitgeberverband . Es war darüber hinaus falsch, zu sagen, dass die rot-grüne Koalition die Festschreibung des Arbeitgeberbeitrags auf 7,3 Prozent eingeführt hat . Das ist in der schwarz-gelben Koalition geschehen . ({5}) Wir sind dafür, dass diese Regelung wieder aufgehoben wird; dafür plädieren wir . Nichtsdestotrotz muss man sich aber auch anschauen, was wir gemeinsam erreicht haben, und ich danke allen, die daran mitgewirkt haben . Ich möchte ein paar Beispiele nennen, die zeigen, was wir noch vorhaben, aber nicht bevor ich mich an dieser Stelle bei den Kollegen von der Union und beim Ministerium für die gute Zusammenarbeit bedankt habe . ({6}) Ich führe die Beispiele so konkret wie möglich an, weil die Zeit ja knapp ist . Wir haben klare Ziele . In den letzten Monaten wurden zum ersten Mal Studien veröffentlicht, die darauf hindeuten, dass bei der Behandlung einer Demenz, die schon da ist, das Fortschreiten der Erkrankung wahrscheinlich gebremst, vielleicht sogar ein Stück weit rückgängig gemacht werden konnte . Man weiß noch nicht genau, wie viel das ausmacht . Aber zum ersten Mal ist es überhaupt gelungen, den pathophysiologischen Prozess, die Amyloid-Ablagerungen im Gehirn, mit einer Antikörpertherapie ein Stück weit zu bremsen oder ihn sogar zurückzudrängen . Das ist eine sehr, sehr wichtige Entwicklung . Dies ist, wie gesagt, das erste Mal, dass in diesem Bereich überhaupt etwas gelungen ist . Zu diesem Thema werden auch in Deutschland Studien durchzuführen sein . Aus diesem Grunde wollen wir das Gesetz an dieser Stelle reformieren, sodass entsprechende Studien in einem ethisch vertretbaren Rahmen wenn der Versicherte, seine Angehörigen bzw . sein Betreuer dies wünschen - auch in Deutschland möglich sind. Wir schaffen also die Grundlage dafür, dass diese wichtige Forschung, auf die viele Angehörige und auch viele Patienten dringend warten, auch in Deutschland möglich wird . ({7}) Wir haben ein Gesetz in Vorbereitung - da danke ich insbesondere dem Kollegen Nüßlein, weil das eine Initiative ist, die aus den Fraktionen hervorgegangen ist -, mit dem wir das Fallpauschalengesetz mit Blick auf die Psychiatrie ändern wollen . Bisher haben wir ein System, nach dem die einzelnen Krankenhäuser Budgets bekommen; sie sind aber völlig ungerecht bemessen . Es gibt also ungerechte Budgets pro Krankenhaus . ({8}) Es kommt vor, dass Krankenhäuser, die bei der intensiven Versorgung nur wenig machen und die keine Notfallversorgung anbieten, relativ hohe Budgets erhalten, und dass Krankenhäuser, die viel leisten, eine Notfallversorgung anbieten und die regionale Versorgung gewährleisten, relativ geringe Budgets erhalten . Die gute Nachricht ist also: Wir haben ein Budgetsystem . Die schlechte Nachricht ist: Es ist ungerecht . Wir wollten dieses System umstellen und ein System mit Fallpauschalen einführen, nach dem der einzelne Patient sozusagen der Träger des Budgets ist . Das wäre aber noch schlechter gewesen . Denn dann hätten wir nicht pro Haus ungerechte Budgets, sondern pro Patient, und dann wäre der Patient aufgrund von Rosinenpickerei durch das System geschickt worden . Das ändern wir, indem wir ein transparentes, gerechtes System für die Häuser einführen . Wir gehen also von einem ungerechten Budgetsystem pro Haus zu einem gerechten System pro Haus über . Wissenschaftlich gesicherte Leitlinien und neue Behandlungsformen sollen die Höhe des Budgets bestimmen . Das ist ein wichtiger Schritt der Modernisierung . Er könnte aus meiner Sicht sogar maßgeblich sein für andere Bereiche in unserem Krankenhauswesen, in denen wir uns über Alternativen zum Fallpauschalensystem Gedanken machen . Die stärkere Berücksichtigung dessen, was wissenschaftlich gesichert ist, die stärkere Berücksichtigung von Mindestpersonalstandards ({9}) sowie die bessere Berücksichtigung dessen, was in den Krankenhäusern tatsächlich gemacht wird, das muss auch maßgeblich für uns sein bei den weiteren Reformen des Krankenhaussystems . Ich komme zur Situation in der Pflege. Es wurde schon erwähnt: In der Pflege machen wir da weiter, wo wir angefangen haben . Bisher werden Patienten mit Demenz und psychiatrischen Erkrankungen in diesem System oft nicht so gut behandelt, wie sie eigentlich behandelt werden müssten, weil es sich in den Budgets nicht widerspiegelt . Das beseitigen wir, indem wir umstellen auf Pflegegrade, weg von den Pflegestufen. Wir modernisieren unser Einstufungssystem . Das machen wir jetzt auch für all diejenigen, die die Leistungen derzeit über die Sozialhilfe bezahlt bekommen . Das ist ein wichtiger Schritt nach vorn . Darüber hinaus stärken wir die Kommunen bei der Planung dieser Versorgung . Der entscheidende Flaschenhals für die langfristige Versorgungsqualität im Krankenhaus und auch in der Altenpflege wird die Zahl gut qualifizierter Pflegerinnen und Pfleger sein. Das - und übrigens nicht das Geld - ist der wichtigste Punkt . ({10}) Daher müssen wir das Pflegeberufegesetz unbedingt modernisieren . ({11}) Dafür haben wir einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt . Die Ausbildung wird besser; sie wird universalisiert . Das heißt, derjenige, der in einem Bereich angefangen hat, kann in den anderen Bereich wechseln . Er muss sich nicht für den Rest seines Lebens festlegen . Wir werden dann viel weniger Menschen haben, die, wenn sie einmal in diesem Bereich tätig waren, die Pflege verlassen und aus dem Beruf ganz aussteigen . Der Beruf wird attraktiver werden, besser bezahlt werden, und es wird besser qualifiziert werden. Das ist ein wichtiger Schritt nach vorn, den wir jetzt gehen . ({12}) Wir werden bei den Arzneimitteln verhindern, dass es Windfall Profits gibt. Die Firmen gehen immer mehr dazu über, die Gewinne des gesamten Produktes in das erste Jahr zu verlagern, nach dem Motto: Im ersten Jahr wähle ich Mondpreise, um bei dem Medikament, obwohl es noch nicht so gut erforscht ist, trotz nur geringen Zusatznutzens komplett abzukassieren . - Da werden wir einen Schwellenwert einführen, sodass diese Praxis unmöglich wird . Wir werden das AMNOG, das die Preise regelt, weiter verbessern . Es ist ein gutes Gesetz . Wir werden zum Schluss die Ergebnisse auch den Ärzten zur Verfügung stellen . Zum Schluss . In einem Punkt gebe ich der Rednerin von der Opposition recht . Es ist ganz klar: Langfristig haben wir ein großes Problem in Deutschland . Das Gesundheitssystem ist ungerecht finanziert. Einkommensschwache zahlen relativ zu viel . Einkommensstarke zahlen relativ zu wenig . Gleichzeitig werden aber Einkommensstarke und Bildungsstarke in der Regel besser versorgt . Wir haben in Deutschland mit die größten Lebenserwartungsunterschiede zwischen Reich und Arm in Europa . Das ist für uns, ehrlich gesagt, eine Schande . Daran müssen wir arbeiten . Daher halte ich das Projekt der paritätischen Bürgerversicherung für langfristig das wichtigste Projekt, welches diese Ungerechtigkeit beseitigen kann . Dafür werbe ich bei allen hier im Hause . Ich danke für die Aufmerksamkeit . ({13})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Karl Lauterbach . - Nächste Rednerin: Ekin Deligöz für Bündnis 90/Die Grünen .

Ekin Deligöz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003068, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir über das Gesundheitssystem in Deutschland reden, reden wir eigentlich über eine wirklich stolze Summe . Das sind nämlich 220 Milliarden Euro . Hier in diesem Haushalt reden wir aber nur über 15 Milliarden Euro . Und genau genommen reden wir über noch viel weniger, nämlich über 596 Millionen Euro; denn 14,5 Milliarden Euro werden als Bundeszuschuss an die gesetzlichen Krankenkassen gezahlt . Das hat auch eine Rechtfertigung . Das sind die Zahlungen des Bundes an den Gesundheitsfonds zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen . Der entsprechende Ausgleich soll das System stabil halten . Vor allem aber soll es auch Vertrauen schaffen. Herr Lauterbach, wenn ich es vorhin richtig verstanden habe, was die aktuelle Diskussion angeht, so muss ich sagen: Ich glaube nicht, dass es richtig ist, wenn man Ihnen vorwirft, Sie hätten zu wenig gemacht . Darum geht es gar nicht . Es geht um zwei andere Sachen . Der erste Punkt ist: Haben Sie entschlossen genug agiert? ({0}) Da gibt es ein ganz großes Fragezeichen . Der zweite Punkt ist: Was ist mit dem Vertrauen der Menschen? Denn der größte Anteil dieses Geldes für das Solidarsystem kommt von den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern, verbunden mit einem ganz großen Vertrauensvorschuss . Und genau dieses Vertrauen dürfen wir nicht aufs Spiel setzen; darum muss es gehen . ({1}) Dieses Vertrauen wird aber verspielt, wenn der Arbeitgeberbeitrag weiterhin bei 7,3 Prozent verbleibt . Warum? In einer Krise, in der die Arbeitslosigkeit hoch ist und es der Wirtschaft schlecht geht, Herr Gröhe, lässt sich so etwas vielleicht rechtfertigen . Aber in einer Zeit, in der es uns wirtschaftlich gut geht und die Arbeitslosigkeit niedrig ist, brauchen wir eine echte Solidarität . Dann müssen wir die Arbeitgeber auch nicht schonen, dann gibt es keinen Grund dafür, mit Investitionen oder Ähnlichem zu argumentieren, sondern Solidarität muss es beidseitig geben - auf der Seite der Arbeitgeber und auf der Seite der Arbeitnehmer -, damit das System auch in Zukunft und nicht nur jetzt stabil und verlässlich ist und Vertrauen schaffen kann. Hier wird aber Vertrauen verspielt. ({2}) Ein anderes Beispiel ist, dass Sie auf die Reserve des Gesundheitsfonds zurückgreifen und 1,5 Milliarden Euro entnehmen . Sie können jetzt sagen: Die Reserven sind hoch . Warum sollen wir dort nicht hineingreifen? - Auch das hat ganz viel mit Vertrauen zu tun . Das ist das Geld der Beitragszahler . Sie zahlen das Geld ein in dem Glauben, dass es dann, wenn es gebraucht wird, für sie auch zur Verfügung steht . Wenn der Bund in diese Reserve hineingreift, dann steht es aber nicht mehr zur Verfügung . Sie nehmen dieses Geld jetzt, um, wie Sie sagen, in die Telematikinfrastruktur und die gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen zu investieren . Man muss aber sagen: Die Zahlungen nach dem SGB II würden ohnehin anfallen - mit oder ohne Flüchtlinge . Entscheidend ist: Eigentlich müssten dafür Steuergelder und nicht die Gelder der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler verwendet werden . Das zerstört das Vertrauen der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler . ({3}) Im Sozialsystem vorausschauend zu agieren, heißt, darauf zu setzen, dass man sich auch in Zukunft darauf verlassen kann . Bei dieser Gelegenheit fällt noch eines auf: Eigentlich müssten wir jetzt die Zahlungen nach dem SGB II neu berechnen . Sie sind zu niedrig und knapp bemessen . Das fällt uns irgendwann einmal auf die Füße, weil wir dieses Geld zuzahlen müssen . Hier bräuchten wir eine ehrliche Berechnung, damit wir das korrekt darstellen können . ({4}) Zur Schaffung von Vertrauen gehört nicht nur der verantwortungsvolle Umgang mit den Ausgaben, sondern auch eine gute Rechnungsprüfungskontrolle . Hier hat Ihr Haus - dank dem Bundesrechnungshof ist das an uns herangetragen worden - einen großen Fehler gemacht . Es geht hier konkret um eine Ihrem Haus untergeordnete Behörde . Der Bundesrechnungshof hat aufgezeigt, dass die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ein Schimmelproblem im Gebäude hatte . Das ist schon schlimm genug, kann aber passieren . Bei dieser Gelegenheit kam aber heraus, dass drei Jahre lang die Rechnungen nicht überprüft wurden und verschimmelt sind . Die Frage ist: Wie kann es eigentlich passieren, dass Rechnungen in diesem Land nicht überprüft werden? Zu einer guten Regierungsführung gehört eben auch eine gute Kontrolle, wohin das Geld geht . Herr Minister, ich hoffe, Sie haben daraus gelernt. Sie haben nämlich auch Verantwortung für die Ihnen zugehörigen Behörden . Wir müssen mit dem Geld der Steuerzahler nicht nur achtsam, sondern auch verantwortungsvoll umgehen . ({5}) Es ist gut, dass Sie einen Teil unserer Anträge aus dem letzten Jahr übernommen haben, zum Beispiel unseren Antrag zur Erhöhung der Mittel für die Migration und Integration im Gesundheitswesen . Weil es so gut ist, dass Sie unsere guten Ideen übernehmen, haben wir natürlich noch viel mehr gute Ideen, die wir Ihnen im Rahmen der Verhandlungen vorschlagen werden . Dazu gehört ganz definitiv, dass wir mehr Geld für Prävention, Aufklärung und Forschung brauchen . Ja, Sie machen hier sehr viel, aber der Bedarf liegt weit höher . Warum? Das Gesundheitswesen hat eben auch den Auftrag, darauf zu reagieren, dass sich der Lebensstil und die Lebenswelten der Menschen verändern . Darauf, dass Prävention immer wichtiger wird und dass auch die Gesundheitsrisiken steigen, brauchen wir noch entschlossenere Antworten in diesem Etat . ({6}) Es geht hier übrigens nicht nur um nationale, sondern auch um internationale Fragen . Es ist gut und richtig, dass Sie inzwischen erkannt haben, dass die UN und die WHO eine wichtige Rolle spielen . In einer globalen, mobilen Welt müssen wir auch global und mobil denken . Wir müssen diese Strukturen in Zukunft stärken und noch viel stärker in den Fokus des Etats nehmen, weil wir nicht mehr weggucken können . Das dürfen wir aus Verantwortung nicht, aber auch deshalb nicht, weil die Welt sozusagen immer kleiner wird und wir immer auch für die anderen mitdenken müssen . Jetzt in Prävention zu investieren, bedeutet, dass uns diese Kosten an anderer Stelle später erspart werden . In diesem Sinne, Herr Minister, werden wir in der kommenden Zeit, denke ich, konstruktiv zusammenarbeiten . Wichtig ist, dass wir gemeinsam wissen: Gesundheitspolitik ist eben mehr als nur das, was wir in Bezug auf die Sozialversicherungen machen . Der Auftrag des Bundes ist auch, in den Bereichen tätig zu sein, die nicht in klassischer Weise durch die Versicherten finanziert werden, damit die Menschen auch in Zukunft gesund bleiben können . ({7})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Ekin Deligöz . Ich darf auf der Besuchertribüne, falls Sie sich gewundert haben, eine sehr bunte Besuchergruppe begrüßen: einen Spielmannszug aus der Pfalz . Seien Sie uns herzlich willkommen! ({0}) Ich hoffe, wir können Sie auch von unserem Sound hier überzeugen . Nächster Redner: Dr . Georg Nüßlein aus Krumbach von der CDU/CSU-Fraktion . ({1})

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin zunächst einmal der Kollegin Deligöz ausdrücklich dankbar dafür, dass sie den Unfug, den vorhin Frau Lötzsch zu den Gesundheitsausgaben von sich gegeben hat, relativiert hat . Sie machen es sich viel zu einfach, Frau Lötzsch, wenn Sie den Bundeshaushaltsansatz für Gesundheit in Relation zu den Verteidigungsausgaben setzen und dann sagen, das sei alles, was wir für die Gesundheit täten . Ein jeder weiß, dass die Gesundheitskosten über die Kassen finanziert werden; das sind 220 Milliarden Euro im Bereich der Gesetzlichen . ({0}) Und einiges kommt noch einmal vonseiten der PKV dazu . Deshalb ist das, was Sie an dieser Stelle abgezogen haben, schon sehr populistisch . ({1}) Ich glaube, das sollte man nicht tun, weil dabei das Risiko besteht, liebe Kollegin, dass der eine oder andere auf diesen Populismus hereinfällt . Das ist genauso wie mit der Zeitungsente über die Zusatzbeitragsexplosion, auf die der eine oder andere in diesem Hohen Hause hereingefallen ist . ({2}) - Das war eine Zeitungsente . - Jetzt weiß ich nicht, ob das daran lag, dass einige Kollegen ein besonderes Vertrauen in ein Presseorgan setzen, das ansonsten von Bildern und Übertreibungen lebt . Aber ich gehe davon aus, dass der eine oder andere - das sieht man auch an dem Verlauf dieser Debatte - einfach ein gewisses politisches Kalkül verfolgt und sagt: Da bietet sich jetzt die Möglichkeit, das eine oder andere Thema - Stichwort: Parität, Stichwort: Bürgerversicherung - zu setzen . Bei den Menschen kommt man aber mit Plausibilität weiter . Wie der Kollege Lauterbach vorhin deutlich gezeigt hat, haben wir viel für die Patienten, für Strukturen und für Qualität getan . Jedem leuchtet ein, dass all diese Maßnahmen am Ende des Tages auch Geld kosten, Geld, das uns unsere Gesundheit wert sein muss; das muss man in dieser Klarheit sagen . Mich ärgern aber - auch das sage ich ganz offen - die GKV-Lobbyisten, die zunächst einmal auf den Kostenanstieg rekurrieren - das ist durchschaubar -, aber gleichzeitig kritisieren, dass die Qualitäts- und Effizienzgewinne noch nicht eingetreten seien . Daran haben sie einen entscheidenden Anteil . ({3}) Wir haben nämlich eine ganze Menge Aufgaben an den Gemeinsamen Bundesausschuss delegiert . Ich meine, das war ein ganzes Stück zu viel; wir überfrachten dieses Gremium - das aber nur als ceterum censeo . Aber man muss sich dann schon an die eigene Nase fassen, wenn es um die Umsetzung geht, und darf nicht zur Unzeit und viel zu früh Kritik äußern . ({4}) Dafür ist die Krankenhausreform ein deutliches Beispiel, sowohl für die Umsetzung als auch dafür, dass wir das, was wir getan haben, sehr ausgewogen gemacht haben. Wir haben mit dem Pflegezuschlag dafür Sorge getragen, dass die Krankenpflege nicht als Steinbruch genutzt wird, um Kosten einzusparen . Darüber hinaus haben wir den Strukturfonds aufgelegt, um dem Problem zu begegnen, dass es in manchen Regionen der Republik zu viele Krankenhausbetten und in anderen zu wenige gibt . Die Länder sind gefordert, hier etwas zu tun . Sie sollen dann aber auch die entsprechende Politik machen . Als ich vorhin von politischem Kalkül gesprochen habe, habe ich mich auf die paritätische Finanzierung bezogen . Kollege Lauterbach, es ist ganz klar, wann das beschlossen wurde . Damals hieß das „Sonderbeitrag“, heute heißt es „Zusatzbeitrag“ . Aber es war nichts anderes als das . Beschlossen wurde er im Jahr 2004 von Rot und Grün gemeinsam . Warum Sie sich immer dagegen wehren, wenn Sie etwas Gutes getan haben - Stichwort: Agenda 2010 -, verstehe ich beim allerbesten Willen nicht . Wehrt euch doch nicht dagegen, wenn ihr etwas gemacht habt, was Sinn macht . Dann muss man das doch nicht von sich weisen, sondern man muss sagen: Jawohl, wir haben damals auf den Anstieg der Lohnnebenkosten reagiert . Es war sinnvoll, das damals in dieser Weise zu tun . Ich will Ihnen auch sagen, warum es auch aus einem anderen Grund Sinn macht, das an dieser Stelle getan zu haben: Der Wettbewerb der Kassen untereinander wird über diesen Zusatzbeitrag in Zukunft funktionieren . Der Beitragszahler - nicht der Arbeitgeber - entscheidet darüber, bei welcher Kasse er versichert ist . ({5}) Er wird nur dann wechseln, wenn er einen Anreiz dafür sieht . Die 50 Euro, von denen Sie vorhin gesprochen haben, Frau Lötzsch, kann er in Zukunft einsparen, wenn er die Kasse wechselt .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Nüßlein, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung?

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Selbstverständlich .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Dann bitte schön, Karl Lauterbach . ({0}) - Jetzt ist Karl Lauterbach dran .

Prof. Dr. Karl Lauterbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003797, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe folgende Frage: Sie wollen doch nicht bestreiten, dass ich gesagt habe, dass wir damals in der rot-grünen Regierungszeit den Arbeitgeberbeitrag nicht eingefroren haben? Denn dies war der Vorwurf, der eben vorgetragen wurde und mit dem auch der Arbeitgeberpräsident zitiert wurde . Das würde nämlich bedeuten, dass ich gesagt hätte - was nicht stimmt -, wir hätten den Sonderbeitrag nicht eingeführt . Aber um den Sonderbeitrag ging es gar nicht, sondern um das Einfrieren des Arbeitgeberbeitrags . Das hat Schwarz-Gelb eingeführt . Ich hätte das gar nicht kritisiert, wenn es nicht zur Sprache gekommen wäre, weil es nicht meine Art ist, SchwarzGelb zu kritisieren, während wir hier gemeinsam regieren. Das ist eine Sache der Höflichkeit. Sie müssen doch einräumen, dass ich vom Einfrieren des Arbeitgeberbeitrags auf 7,3 Prozent gesprochen habe . Ich habe sogar die Beitragssatzzahl genannt . Sie müssen auch einräumen, dass das von Schwarz-Gelb eingeführt wurde und nicht unter Rot-Grün .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Nüßlein .

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Lauterbach, nun kenne ich nicht das Protokoll auswendig, aber ich vertraue eben, dass Sie genau wissen, was Sie an der Stelle gesagt haben . ({0}) Wir sollten jetzt auch keinen Dissens konstruieren . Ich habe mich jedenfalls, was die Unionsseite angeht, von dem Einfrieren des Arbeitgeberbeitrags nicht distanziert . Wenn Sie sich nicht vom Sonderbeitrag distanzieren, der eben nicht paritätisch finanziert ist, dann sind wir wieder einer Meinung, Herr Kollege . ({1}) Meine Damen und Herren, ich darf in dem Zusammenhang nur am Rande darauf hinweisen, dass die Arbeitgeber mit der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von immerhin 51 Milliarden Euro, mit dem GKV-Beitrag für geringfügig Beschäftigte in Höhe von 3 Milliarden Euro und mit Beiträgen für geringverdienende versicherungspflichtige Auszubildende in Höhe von 1 Milliarde Euro einen Beitrag in einer großen Höhe leisten, der nicht paritätisch finanziert ist. Auch das gehört zur Ehrlichkeit dazu, dass man das an der Stelle mal erwähnt . ({2}) Einige Vorredner haben auf das Thema Bürgerversicherung rekurriert . Auch da kann ich es mir leicht machen . Ich kann beispielsweise den Kollegen Müntefering zitieren, der seinerzeit in Richtung der Grünen gesagt hat: Diesen Kompromiss sollten wir gemeinsam vertreten - und nicht die Menschen zur Unzeit verunsichern . Er hat sich auf die nicht paritätische Finanzierung bezogen . Ein Wechsel zur Bürgerversicherung, wie ihn die Grünen verlangten, könne die Probleme im Gesundheitswesen allein nicht lösen . „Beamte und Selbstständige wären ja nicht nur zusätzliche Beitragszahler, sondern auch zusätzliche Leistungsempfänger .“ Auch das muss man in aller Klarheit sagen . Franz Müntefering hat an der Stelle durchaus recht gehabt . Denn es gibt den Bestands- und Eigentumsschutz, der einen Zugriff auf die Altersrückstellungen verhindert. Das heißt, die Rechnung wird nicht aufgehen . ({3}) Sie führen gerne eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage ins Feld . Ich muss darauf hinweisen, dass angesichts der derzeitigen Zinsentwicklung bei einer Einbeziehung von Zinseinkünften nichts herauskommt . Das ist ein ganz anderes Problem, das wir an anderer Stelle diskutieren . Bei den Mieteinnahmen hat die SPD gemerkt, dass sich das am Schluss zulasten der Mieter auswirken wird . Auch das Verfassungsrecht besagt, dass man die Beitragsbemessungsgrenze nicht endlos ausdehnen kann . Deshalb wird eine Verbreiterung letztlich keine Lösung bringen, sondern ein neues Problem schaffen, mit dem Sie dann konfrontiert werden würden . ({4}) Wir raten dazu, die private Krankenversicherung auch ein Stück, Schritt für Schritt, weiterzuentwickeln . Es gibt nämlich in der Tat einige Schwierigkeiten, über die man reden muss . Ich glaube, dass die private Krankenversicherung nachweislich zu der bestmöglichen Versorgung aller Versicherten - nicht nur der Privatversicherten beiträgt, ({5}) und ich glaube, dass es sinnvoll wäre, Kollege Lauterbach, wenn wir uns gemeinsam darüber Gedanken machen würden, wie man in dem Bereich noch das eine oder andere voranbringen könnte . Ich nenne vier Beispiele: zunächst erweiterte Möglichkeiten zur Vertragsgestaltung mit Leistungserbringern und zweitens die Verstetigung der Beitragsanpassung statt Beitragssprüngen, wie jetzt wieder einer bevorsteht . ({6}) Wir brauchen drittens mehr Flexibilität bei der Tarifgestaltung - das ist im Interesse der Versicherten -, zum Beispiel eine generelle Öffnung des Standardtarifs. Viertens brauchen wir mehr wettbewerbliche Elemente durch Tarif- und Anbieterwechsel . ({7}) Warum soll das, was wir im GKV-Bereich machen, nicht auch im Bereich der privaten Krankenkassen möglich sein? Ich glaube, wir sollten uns darüber Gedanken machen, wie man das moderat entwickeln bzw . voranbringen kann . Ich komme noch einmal auf die Kosten zurück . Ganz deutlich möchte ich sagen, dass man das nicht nur haushalterisch oder finanzmathematisch sehen kann. Vielmehr müssen wir das vorhandene Potenzial nutzen, um auf der einen Seite Kosten zu senken, um auf der anderen Seite aber auch die Situation für die Patienten zu verbessern . Was das Krankenhauswesen angeht, wurden bereits das Hygieneprogramm und andere Themen angesprochen . Im Bereich der Medikamente will ich die Hepatitis-C-Mittel ansprechen . Es kann mittlerweile nachgelesen werden und ist auch nachzuvollziehen, dass teuerste Medikamente am Ende erstens für Heilung und zweitens für eine Kostensenkung sorgen können, wenn sie Operationen, Organtransplantation, Ansteckung und Arbeitsausfall vermeiden helfen . Deshalb sind solche Innovationsanreize aus meiner Sicht ganz besonders wichtig . Wir in der Großen Koalition machen eine Politik, die auf diese Innovationsanreize setzt ({8}) allerdings, meine Damen und Herren, nicht blauäugig . Denn man sollte, was zum Beispiel die Zytostatika angeht, ganz klar an den Rabattverträgen festhalten und sich, wie es der Kollege Hennrich heute vorgeschlagen hat, Gedanken machen, ob man solche Verträge künftig nicht auch direkt mit den Herstellern abschließen kann . Ich halte das für einen wichtigen Weg, um auf der einen Seite die Innovationen im Auge zu behalten, und auf der anderen Seite dafür Sorge zu tragen, dass wir, was die Kosten angeht, nicht ausgebootet werden . Lassen Sie mich abschließend noch ein paar Sätze zum Thema Flüchtlinge sagen . Auch da hat die Kollegin Deligöz durchaus recht: Deren Gesundheitsversorgung ist nicht nur ein Thema, das direkt mit Flüchtlingen zu tun hat, sondern ein Thema, das Bezug hat auf Hartz IV . Deshalb müssen wir darauf achten, dass am Schluss möglichst wenige Leute in Hartz IV landen und an dieser Stelle die Kassen belasten . Ich kann die Beschreibung nachvollziehen: Es handelt sich hier wirklich nur um die zweitbeste Lösung, die Finanzierung ausnahmsweise über den Gesundheitsfonds zu machen . Dies kann keine Dauerlösung sein . Wir haben noch nicht einmal eine genaue Vorstellung davon, was das Ganze kosten wird . Auf der einen Seite kommen sehr gesunde Menschen, auf der anderen Seite aber auch ausgesprochen Kranke zu uns . Deshalb muss man sich das aus meiner Sicht sehr genau anschauen . Ich glaube, wir sollten alles dafür tun, dass das ordentlich finanziert wird. Wir sollten uns aber auch Gedanken darüber machen, was man tun kann, dass das Ganze nicht überfrachtet wird . „Nicht überfrachten“ heißt an der Stelle - auch das sage ich in Richtung der Grünen - insbesondere, keine neuen Ideen zu entwickeln, Stichwort: Dolmetscherkosten . Es sollten also keine neuen Ideen entwickelt werden, mit denen die gesetzlichen Krankenkassen zusätzlich belastet würden . ({9}) Wenn Sie also in Bezug auf die eine Seite Kritik äußern, rate ich mit Blick auf die Kosten zur Zurückhaltung auf der anderen Seite . Wenn Sie das täten, wäre viel geholfen und Ihre Argumentation wäre dann auch ausgewogen, meine Damen und Herren . Vielen herzlichen Dank . ({10})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Kollege Nüßlein . - Nächste Rednerin: Kathrin Vogler für die Linke . ({0})

Kathrin Vogler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004181, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Herr Nüßlein, ich weiß überhaupt nicht, wo ich anfangen soll, um mit all den Mythen aufzuräumen, die Sie uns hier gerade erzählt haben . Ich fange einmal mit dem Mythos der Lohnnebenkosten an . Wir reden viel über Evidenz im Gesundheitswesen . Es gibt keinen evidenten Beleg dafür, dass eine Senkung der Lohnnebenkosten - also der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung - irgendwann einmal zu einer massiven Einstellungs- oder Investitionswelle geführt hat . ({0}) Arbeitgeber stellen ein, wenn sie in ihrem Unternehmen bestimmte Leute brauchen - und nicht auf Halde, weil ihre Beschäftigung gerade so günstig ist . Dann zum Mythos Privatversicherung, der besagt, unser Gesundheitswesen sei so gut, weil es die privaten Krankenversicherungen gebe . Das ist wirklich an den Haaren herbeigezogen . Unser Gesundheitswesen ist vor allem deshalb so gut, weil 70 Millionen Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung dafür sorgen, dass wir eine flächendeckende Infrastruktur bzw. flächendeckende Angebote für Behandlung, Prävention und andere Dinge haben . ({1}) Dann kommen wir zum Mythos Lohnfortzahlung . Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist weder eine Gnade der Unternehmen gegenüber ihren Beschäftigten noch sonst irgendwie eine einseitige Belastung . Vielmehr handelt es sich dabei um ein von den Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern - den Arbeiterinnen und Arbeitern sowie den Angestellten - in einem sechswöchigen Streik erkämpftes Recht . ({2}) Das wird den Beschäftigten über die Umverteilung in der gesetzlichen Krankenversicherung sozusagen auf kaltem Wege wieder aus den Taschen gezogen . Wenn Sie von GKV-Lobbyisten sprechen, die uns Rednern von der Opposition angeblich die Reden geschrieben haben, dann frage ich mich, welche Lobbyisten Ihnen diese Rede geschrieben haben . Waren das die Arbeitgeberverbände, die privaten Versicherungskonzerne oder die Kollegen der Pharmaindustrie, speziell die der forschenden Pharmaindustrie? Da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll . ({3}) Wenn wir über den Gesundheitshaushalt reden, reden wir nicht über sehr viel Geld . Tatsächlich aber geht es um sehr viel Geld . Im letzten Jahr sind 212 Milliarden Euro in der gesetzlichen Krankenversicherung eingenommen worden . Im Vergleich dazu betrug das Volumen des Bundeshaushalts im letzten Jahr nur 299 Milliarden Euro . Damit ist der Bundeshaushalt noch nicht einmal um ein Drittel größer als die Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung . Wir haben also nicht zu wenig Geld im System . Aber wir müssen fragen: Ist es denn richtig verteilt? Ist es sozial gerecht, wirksam und gut verteilt? Kommt es dort an, wohin es gehört, nämlich bei der Versorgung? Natürlich weckt so viel Geld die Begehrlichkeiten derjenigen, die mit Krankheit Profit erwirtschaften wollen . Leider sind diese Bundesregierung und insbesondere dieser Bundesminister Gröhe mehr auf der Seite dieser Leute als auf der Seite der Patienten und Versicherten . ({4}) - Ja, das wollen Sie nicht hören . Aber ich kann das anhand der Gesetzgebung dieser Bundesregierung und dieser Koalition belegen . ({5}) Noch bevor die Tinte auf dem Koalitionsvertrag trocken war, haben Sie mit dem 14 . Gesetz zur Änderung des SGB V der Pharmaindustrie etwa eineinhalb Milliarden Euro jährlich geschenkt . Sie haben nämlich die Herstellerrabatte zugunsten der Krankenkassen auf besonders teure Arzneimittel von 16 auf 7 Prozent verringert . Der nächste Anschlag auf die Taschen der Beitragszahlerinnen und -zahler war das GKV-Finanzierungsgesetz von 2014 . Da haben Sie die Festschreibung des Arbeitgeberbeitrags weiter verewigt . Sie haben außerdem beschlossen, dass künftig alle Kostensteigerungen allein von den Versicherten, also von den Beschäftigten sowie den Rentnerinnen und Rentnern, zu tragen sind . ({6}) Seit Anfang dieses Jahres finden die Menschen deswegen eine saftige Erhöhung ihrer Krankenkassenbeiträge auf dem Lohnzettel . Eigentlich müssten die Krankenkassenbeiträge noch einmal erhöht werden . Aber weil Sie das in einem Wahljahr nicht gebrauchen können, greifen Sie nun auf die Rücklagen bzw . die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds zurück, damit die Beiträge nicht so brutal steigen . Das alles sind Taschenspielertricks, die am zentralen Problem nichts ändern . Ich freue mich übrigens, dass die SPD das Thema paritätische Finanzierung wiederentdeckt hat . Die paritätische Finanzierung, also das Prinzip, dass Arbeitgeber und Rentenkasse die Hälfte der Beiträge zahlen, haben Sie zusammen mit den Grünen 2003 tatsächlich abgeschafft. Aber wir wollen da überhaupt nicht nachtragend sein . Wir laden Sie ein, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen . Das können wir gerne zusammen machen . ({7}) Dann kam eine ganze Reihe von Reformen, mit denen diese Bundesregierung staatliche, also gesamtgesellschaftliche Aufgaben, privatisiert und aus dem Bundeshaushalt ausgelagert hat . Jetzt müssen die Versicherten mit ihren Pflichtbeiträgen alle möglichen Projekte dieser Bundesregierung finanzieren. Ich nenne als Beispiele nur das Krankenhausstruktur- sowie das Finanzierungs- und Qualitätsgesetz, das Präventionsgesetz, das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz, das E-Health-Gesetz mit dem Milliardengrab elektronische Gesundheitskarte und last, but not least - die Privatisierung der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland . Da haben Sie zunächst den Etat ordentlich aufgestockt, was die Linke unterstützt hat . Andererseits haben Sie durch eine Ausschreibungsregel dafür gesorgt, dass das nun nicht mehr Verbraucher- und Patientenschutzorganisationen machen, sondern ein Callcenter im Besitz eines Finanzinvestors . Das ist wirklich ein Skandal . ({8}) Wenn Sie in Ihrem Koalitionsvertrag schreiben: „Im Zentrum unserer Gesundheitspolitik stehen die Patientinnen und Patienten und die Qualität ihrer medizinischen Versorgung“, dann fragen Sie doch einmal diese Patientinnen und Patienten, was bei ihnen angekommen ist . Seit 2013 wurden 43 Krankenhäuser geschlossen, und zwar nicht in den überversorgten Gebieten, sondern auf dem Land . 2 665 Betten wurden stillgelegt, aber es wurden 400 000 Fälle mehr behandelt . Gleichzeitig haben die zehn größten Klinikkonzerne im letzten Jahr fast 1 Milliarde Euro Gewinn gemacht, alles aus Steuergeldern und den Mitteln der gesetzlich Versicherten . Deswegen sage ich Ihnen: Die Gesundheitspolitik dieser Koalition ist nicht im Interesse der Patientinnen und Patienten, nicht im Interesse der gesetzlich Versicherten . Deswegen müssen Sie sie verändern . ({9})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Kathrin Vogler . - Nächster Redner: Burkhard Blienert für die SPD . ({0})

Burkhard Blienert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004254, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Über 15 Milliarden Euro beträgt der Etat des Bundesgesundheitsministeriums . 14,5 Milliarden Euro davon, der übergroße Anteil, gehen in den Gesundheitsfonds - meine Vorredner haben schon darauf hingewiesen -, wie versprochen . Das Versprechen haben wir gehalten . Es ist wieder mehr Geld geflossen. Disponible Mittel finden sich vorwiegend in nur ganz wenigen Bereichen wie Prävention und Forschung . Insgesamt sind es rund 125 Millionen Euro, die - das ist unsere Aufgabe - sinnvoll und zielführend eingesetzt werden müssen . Das heißt konkret: Wir wollen mit diesem Geld Präventions- und Aufklärungsmaßnahmen weiter ausbauen, Projekte stärken sowie Forschung intensivieren . Eines ist doch eigentlich sicher: Ohne geeignete Vorsorgeangebote kommen wir in der Gesundheitspolitik nicht voran . Die Krankenkassen haben allein im ersten Halbjahr 2016 für Präventionsleistungen 224 Millionen Euro ausgegeben . Aus meiner Sicht ist das im Sinne der Patientinnen und Patienten, der Beitragszahlerinnen und der Beitragszahler gut investiertes Geld . Ich bin froh, dass wir in dieser Wahlperiode schon sehr vieles im Gesundheitsbereich angepackt und beschlossen haben: das Präventionsgesetz, das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz, das Krankenhausstrukturgesetz, mehrere Pflegereformgesetze und, und, und. Das alles ist Ausdruck unserer konsequenten Linie, die medizinische, pflegerische und präventive Versorgung der Bevölkerung dauerhaft zu verbessern . Dadurch wird aus vielen Einzelmaßnahmen etwas Ganzes . ({0}) Alle Gesetze geben konkrete Antworten auf die Herausforderungen einer steigenden Belastung im Arbeitsleben, einer älter werdenden Bevölkerung und der Versorgung vieler Hilfs- und Schutzbedürftiger . An dieser Stelle möchte ich auch die nicht vergessen, die genau diese Hilfe leisten, die den Kranken und Pflegebedürftigen helfen, also die Krankenschwester, den Altenpfleger, die Ärztin, aber auch den Therapeuten in der Reha . Es ist an uns, erst einmal Danke zu sagen, dass diese Menschen diese Arbeit leisten . ({1}) Sie alle leisten damit einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft . In dem Wissen darum, dass wir auf diese helfenden Hände in einer älter werdenden Gesellschaft nicht verzichten können, muss Politik dafür Sorge tragen, dass wir auch weiterhin genügend Nachwuchs in diesen Bereichen ausbilden . ({2}) Eine Baustelle haben wir; das ist im Pflegeberufebereich der Fall . Diese werden wir angehen . ({3}) Wir müssen einen wichtigen Beitrag leisten, um dieses Berufsfeld attraktiv zu machen . Die medizinische Versorgung müssen wir ebenfalls in den Blick nehmen . Wir müssen die Entwicklung genau beobachten und der drohenden Unterversorgung gerade im ländlichen Raum entgegenwirken . Mit dem Versorgungsstärkungsgesetz haben wir schon einen Teil geleistet . Mit der Reform des Medizinstudiums werden wir die Allgemeinmedizin für die Studierenden attraktiver machen . Dafür ist eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund und Ländern nötig, von Gesundheits- wie auch Bildungspolitikern . Aber ich denke, dass der Masterplan Medizinstudium dort einen wichtigen Beitrag leisten kann . Apropos Geld: Auf die 600 Millionen Euro ist schon hingewiesen worden . Die Finanzreserven der Kassen belaufen sich auf mittlerweile 15,1 Milliarden Euro . Trotzdem wird uns die Debatte um die Zusatzbeiträge auch im Herbst weiterhin beschäftigen . Wir haben es bei der Debatte heute schon gesehen: Das Schwarze-Peter-Spiel geht natürlich weiter . Wer ist denn schuld an diesen Zusatzbeiträgen? Ich möchte davor warnen, dieses Spielchen tatsächlich so fortzusetzen . Eins ist klar: Leistungsverbesserungen im Gesundheitswesen, die wir ja gemeinsam wollen, kosten Geld . Natürlich tragen auch Kostensteigerungen in den einzelnen Bereichen dazu bei . Das Kernproblem liegt woanders . Die heutige Geschichtsstunde hat gezeigt, dass wir darüber intensiv reden müssen: Den Zusatzbeitrag finanzieren im Moment allein die Arbeitnehmer . - Das war ein Blick zurück . Wichtiger ist mir ein Blick nach vorne . Mein Kollege Karl Lauterbach hat schon darauf hingewiesen: Die jetzige Regelung ist ein Fehler . An dieser Stelle müssen wir wieder für mehr Gerechtigkeit sorgen . ({4}) Die Arbeitgeber müssen zurück ins Boot . Wir müssen zurück zur paritätischen Finanzierung . Die steigenden Zusatzbeiträge einseitig bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu belassen, das kann es nicht sein . Wer von Fortschritt und Strukturen profitiert, der muss dazu auch seinen Beitrag leisten . Das gilt für Versicherte und Arbeitgeber . Deshalb ist die Wiedereinführung der paritätischen Finanzierung für uns von höchster Priorität . ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch kurz auf die Gesundheitsforschung eingehen . Wir brauchen dort dringend eine auskömmlich finanzierte Forschung, um den „Beipackzettel“ der Gesetze richtig zu schreiben . Wenn ich allein an den Drogen- und Suchtbereich denke, so wird mir klar: Wir benötigen Forschung zum Thema E-Zigarette, zur FASD-Diagnostik und natürlich auch, ganz aktuell, die angedachte Begleiterhebung beim Gesetzgebungsverfahren „Cannabis als Medizin“ . Ich begrüße ausdrücklich, dass die Drogenbeauftragte mit dem Gesetzentwurf nun endlich ihren Ankündigungen in diesem Bereich Taten hat folgen lassen . Wir werden hierzu Ende September eine Anhörung durchführen, und wir werden sehen, ob wir an der einen oder anderen Stelle noch nachjustieren müssen . Über eins bin ich mir im Klaren: Die im Haushalt bisher veranschlagten 850 000 Euro für die Begleiterhebung sind nur der erste Ansatz . Wir müssen über eine Grundlagenforschung an dieser Stelle nachdenken . Dabei sollten wir Gesundheitspolitiker zusammen mit unseren Bildungs- und Forschungskolleginnen und -kollegen vorgehen . Ich appelliere an beide Gruppen, in diesem Bereich dringend die Grundlagenforschung zu stärken . ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Haushaltsentwurf haben wir ein ausgewogenes Konzept vorgelegt, das unsere Arbeit in der Koalition fortschreibt . Ich denke, wir werden gute Beratungen haben, um aus diesem Haushalt einen noch besseren Haushalt zu machen . Vielen Dank . ({7})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Burkhard Blienert . - Nächste Rednerin: Maria Klein-Schmeink für Bündnis 90/Die Grünen .

Maria Klein-Schmeink (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004072, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Liebe Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Haus! Sehr geehrter Herr Minister! Wenn ich die bisherige Debatte Revue passieren lasse, dann frage ich mich angesichts des Wahlergebnisses vom Sonntag: War das hier eigentlich eine angemessene Diskussion um einen ganz wesentlichen Pfeiler unserer sozialen Absicherung in Deutschland? War das angemessen, was wir hier gehört haben? Ist es angemessen, sich in ganz kleinteiligen Debatten zu verlieren? ({0}) Ist es angemessen, so wie Sie nur über Symbole zu reden und nicht über die Kernprobleme? Eigentlich müssten wir hier eine Botschaft aussenden, die besagt: Wir brauchen Vertrauen in diesen Staat und seine Handlungsfähigkeit . Wir brauchen Vertrauen in den Fortbestand der sozialen Absicherung . Wir brauchen auch Vertrauen darauf, dass die Politik, die gemacht wird, ausgewogen ist, dass sie sich ernsthaft um die soziale Sicherung und um den sozialen Zusammenhalt kümmert . ({1}) Ich muss sagen: Da hat mir hier jetzt einiges gefehlt . ({2}) Es kann nicht sein, dass wir uns in kleinteiligen Debatten verlieren und gleichzeitig nicht auf die Kernfrage eingehen . Die Kernfrage ist natürlich: Was passiert in Zeiten, in denen wir wissen, dass die Inanspruchnahme des Gesundheitssystems massiv ansteigen wird und wir eine nachhaltige Finanzierung brauchen? Da reicht es doch nicht, dass wir auf irgendwelche alten Debatten darüber verweisen, wer wann für welche Zusatz- oder Sonderbeiträge zuständig war, sondern wir brauchen eine klare Antwort und eine klare Botschaft: „Wie soll es in Zukunft aussehen?“, ({3}) und die ganz klare Aussage: So wie es jetzt ist - alle Kosten werden einseitig bei den Versicherten abgeladen -, ist es nicht in Ordnung . Da muss ich in Richtung Union ganz klar sagen: Sie haben keinerlei Konzept dafür, ({4}) wie eine nachhaltige Finanzierung in der nächsten Wahlperiode aussehen soll . ({5}) Ich habe von Ihnen dazu noch nichts gehört, außer dass Sie eine Zwangssolidarabgabe der Versicherten gegenüber den Arbeitgebern noch immer verteidigen, obwohl sie überhaupt nicht genutzt werden kann; denn wir haben riesige Rücklagen im Gesundheitsfonds . So sieht es aus . Da vermisse ich jegliche Antwort von Ihrer Seite . ({6}) Herr Minister - an dieser Stelle gehe ich Sie direkt an -, wie kann es sein, dass wir einen durchaus plausiblen zusätzlichen Zuschuss für die Krankenkassen von 1,5 Milliarden Euro damit begründen, dass wir Mehrausgaben wegen der Versorgung von Flüchtlingen hätten? Das ist nicht in Ordnung; das ist ein Wahlkampfmanöver . Sie wissen ganz genau: Es ging darum, im nächsten Jahr einen möglichst geringen zusätzlichen Zusatzbeitrag erheben zu müssen . Es ging niemals darum, damit die Kosten der Flüchtlingsversorgung oder der Telematik abzusichern . - Ich habe nachgefragt . Sie konnten uns ja noch nicht einmal sagen, welche Ansätze Sie für diese Berechnung zugrunde gelegt haben . Dann ist es schäbig, wirklich schäbig, in dieser zugespitzten Situation ein solches Argument zu bemühen; denn es ist fachlich und sachlich falsch . ({7}) Jegliche Kosten für die Versorgung von Flüchtlingen sind aus Steuermitteln zu bezahlen . Stellen Sie das in den kommenden Gesetzgebungsverfahren bitte klar! Da erwarte ich von Ihnen eine ganz klare Aussage; So wie bisher ist es einfach sachlich und fachlich falsch . ({8}) Dazu gehört das Eingeständnis, dass Sie dem Finanzminister einen Gefallen getan haben . Sie haben diese Kosten im Gesundheitssystem abgebildet, aber nicht dafür gesorgt, dass es eine echte Anfrage beim Finanzminister gegeben hat, die SGB-II-bezogenen Kosten abzudecken . Sie haben noch nicht einmal eine Prüfung in Auftrag gegeben, und das ist schäbig . ({9}) Ein Weiteres. Die Integration wurde häufig genannt. Sie haben ein Projekt erwähnt, Herr Minister; aber es reicht nicht, mit Projekten um die Ecke zu kommen . Wir brauchen strukturell eine vernünftige Versorgung von Flüchtlingen im Gesundheitssystem . Wir brauchen die Übernahme der Dolmetscherkosten, wenn Psychotherapie notwendig ist und sie anderweitig, also ohne Dolmetscher, nicht gewährleistet werden kann . Da ist es wieder die CSU, die eine vernünftige Regelung blockiert . Ich finde auch das schäbig. ({10}) Es ist natürlich auch in Gänze kontraproduktiv für alle Ansätze von Integration . Genauso machen Sie es nicht möglich, dass Asylbewerber wie alle anderen im Regelsystem behandelt werden . Auch das ist in keiner Weise nachvollziehbar . ({11}) Warum tun Sie das? Sie trauen sich nicht, der AfD, den Rechtspopulisten gegenüberzutreten und die klare Botschaft zu senden: Ja, wir investieren in den sozialen Zusammenhalt . - Darum muss es eigentlich gehen . ({12}) Es ist schäbig - ich finde es wirklich schäbig -, ({13}) dass auch die Mittel, die Sie im letzten Haushalt für die Folteropfer eingesetzt haben, schon wieder gecancelt werden sollen . Das ist nicht nachhaltig . Das ist keine wirkliche Botschaft . ({14}) An dieser Stelle muss ich wirklich sagen: Ich finde das enttäuschend . Angesichts der kommenden Wahlen - es geht jetzt um den Haushalt, der das Wahljahr begleiten wird - brauchen wir klare Ansagen . ({15}) Da brauchen wir die Ansage, wie Sie in Zukunft einen großen Teil der Reformen stemmen werden, die jetzt noch nicht angegangen worden sind, nämlich die Personalbemessung in der Altenpflege und in der Krankenpflege. Da geht es um große Summen. Das alles ist auf die nächsten Wahlperioden vertagt . Da will ich Aussagen sehen . Das wäre eine richtig klare Botschaft in Richtung Zusammenhalt und dazu, wie wir Zukunft wirklich sicher gestalten . Das wäre Ihre Aufgabe . ({16})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Maria Klein-Schmeink . - Nächste Rednerin: Maria Michalk für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Maria Michalk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank . - Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorrednerin hat so oft das Wort „schäbig“ in den Mund genommen, ({0}) dass ich sagen muss: Schäbig war Ihre Rede, weil Sie der Koalition unterstellt haben, dass wir die vielen Projekte und Gesetzesvorhaben niemals aus der Sicht der Versicherten diskutiert haben . ({1}) Sie wissen ganz genau, dass das nicht wahr ist und dass es diese Koalition und dieses Gesundheitsministerium sind - bei bestimmten Projekten sind sogar Sie dabei -, die immer aus der Sicht der Versicherten schauen: Was hilft den Versicherten? Was bringt uns voran? ({2}) Insofern sage ich: Ihre Rede war dem Haushalt nicht angemessen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Maria Klein-Schmeink?

Maria Michalk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön . ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Selbstbestimmung von Frau Michalk .

Maria Klein-Schmeink (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004072, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Michalk, ich habe in keiner Weise davon gesprochen, dass Sie bei allen Reformen nicht die Patienten im Auge gehabt haben, sondern gesagt, dass Sie in dieser Diskussion das Signal haben vermissen lassen, dass wir in gute Versorgung und in den sozialen Zusammenhalt investieren . Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen .

Maria Michalk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn Sie leugnen, dass wir in gute Versorgung investieren, dann straft Sie die Wirklichkeit Lügen . Ich komme gleich darauf zurück; das werden Sie noch hören . Meine Kolleginnen und Kollegen haben bereits vieles genannt . Sie wissen also ganz genau, dass das nicht richtig ist . ({0}) Lassen Sie mich als Zwischenstand, damit wir wieder zum Thema kommen, feststellen: Jeder von uns, egal ob hier im Hohen Haus oder draußen in unserem wunderschönen Land, kann auf Gesundheit nicht verzichten . Ob es einfache Befindlichkeitsstörungen sind oder ernsthafte Erkrankungen, jeder tut alles, um gesund zu werden . Es ist kein Zufall, dass gerade am Ende der Urlaubssaison viele Menschen, die im Ausland erkrankt sind, alles dafür tun, schnellstmöglich zurückzukommen, um hier die Versorgung zu bekommen, damit sie gesund werden, weil diese absolut exzellent und musterhaft ist . Wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Industriestaaten . Das müssen Sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen . ({1}) Ich will noch einmal auf Folgendes hinweisen - ich hatte jetzt gar nicht vor, das zu sagen -: Wir sind noch nicht im Wahlkampf, sondern mitten in der Legislaturperiode . Wir haben viele Projekte auf die Schiene gesetzt, wie ich immer sage, die wir zu Ende bringen werden . Nächstes Jahr werden wir uns dann mit dem Istzustand auseinandersetzen . Aber die heutige Bilanz ist enorm gut . ({2}) Angesichts dessen, was wir alles gemacht haben und wie das angenommen wird, kann doch niemand sagen, diese Koalition hätte nicht Stück für Stück die Projekte und Gesetzesvorhaben aus dem Koalitionsvertrag abgearbeitet . Wir wissen, dass wir aufgrund der demografischen Entwicklung und des medizinischen Fortschritts immer und immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt werden . Deshalb wächst auch der Etat des Gesundheitsministeriums . Vor allen Dingen aber wachsen die Gesamtausgaben im Gesundheitsbereich; das haben meine Kollegen schon gesagt . ({3}) Unsere Einnahmen und Ausgaben sind fast genauso hoch wie der gesamte Bundeshaushalt . Das muss man doch einfach einmal zur Kenntnis nehmen. Darüber finanziert sich das . Wenn man bedenkt, dass heute jeder zweite Krankenhauspatient über 65 Jahre ist, dann hat das doch Konsequenzen . ({4}) Wenn Sie einen lieben Menschen im Krankenhaus besuchen, nehmen Sie Rosen mit . Rosen regnet es nicht vom Himmel - im Traum manchmal schon . Wer Rosen ernten will, muss Rosen pflanzen. Es dauert eine Weile, bis Sie sie schneiden und sich daran erfreuen können . Genau das machen wir . Wir setzen Stück für Stück Projekte in die Wirklichkeit um, und unsere Bevölkerung ist es, die davon profitiert. Ich will Ihnen einmal eines sagen: Es kann doch nicht sein, dass Sie sagen, dass die Terminservicestellen Quatsch sind, weil bis jetzt nur 60 000 Leute diesen Service in Anspruch genommen und einen Termin vermittelt bekommen haben . Diese Terminservicestellen gibt es noch nicht einmal ein Jahr . Hätten wir sie nicht, dann würden Sie umgekehrt sagen: So viele Leute warten nach wie vor auf Termine . - Wir sind also auf einem richtigen Weg . Lassen Sie mich auf ein anderes Gesetz eingehen . Das Entlassungsmanagement im Krankenhausbereich haben wir doch nicht gemacht, um irgendjemanden zu ärgern, sondern weil wir die Wirklichkeit betrachtet haben und eine Antwort auf die Probleme gefunden haben - mehrfach und jetzt wieder . Es ist besser geworden; Sie wissen das. Die Menschen, die noch nicht unter einen Pflegegrad fallen - Gott sei Dank, kann man sagen -, aber vorübergehend Unterstützung brauchen, gehen in die neugeschaffene Kurzzeitpflege, wo ihnen geholfen wird, wieder ein eigenständiges Leben führen zu können . Das ist doch ein gutes Projekt . Niemand kann leugnen, dass das Recht auf eine Zweitmeinung nicht sinnvoll ist . ({5}) Wir haben die Vorsorgeuntersuchungen für Kinder und Jugendliche verbessert . Es kann doch niemand sagen, wir hätten das gemacht, weil wir nichts anderes zu tun hätten . - Das alles sind Dinge, die den Menschen vor Ort in der konkreten Situation Erleichterungen verschaffen. Niemand behauptet, dass wir nichts mehr zu tun hätten . Jeder weiß, dass wir weitere Dinge tun werden . Jeder weiß auch, dass das eine oder andere zusätzlich kostet . Auch unsere Regelungen bei der Palliativversorgung und im Hospizwesen sind eine Verbesserung . Wir waren uns einig - das will ich noch einmal ansprechen -, dass wir die Gesellschaft einbeziehen, und sind hinsichtlich der Finanzierung bei einem Zuschuss von 95 Prozent geblieben, damit sich die Gesellschaft weiter dafür interessiert und einen Beitrag dazu leistet . Dass wir mit dem E-Health-Gesetz den Medikationsplan auf den Weg gebracht haben, ist auch ein Projekt, das wichtig ist . Auch unter dem Stichwort „Digitalisierung im Gesundheitswesen“ haben wir noch wahnsinnig viel zu tun . Ich ärgere mich auch, dass wir viel Zeit verloren haben . Aber die richtigen Maßnahmen mit den Partnern sind in die Realität umgesetzt worden . Das muss weitergehen . Es ist wichtig, dass wir sagen, dass das eine oder andere mehr kostet . Beim Präventionsgesetz beispielsweise haben wir natürlich das Problem, dass wir nicht auf Euro und Cent ausrechnen können, wie viel Ersparnis es bringt, wenn die Menschen auf gute Ernährung und mehr Bewegung achten und Krankheiten verhindert werden . Die chronischen Krankheiten müssen stärker beachtet werden . Deshalb haben wir strukturierte Behandlungsprogramme eingeführt . - Die Liste ließe sich fortführen . Ich weiß, dass Frau Klein-Schmeink sagen wird, das sei alles viel zu kleinteilig . Aber das orientiert sich am Menschen, und das ist uns wichtig . ({6}) Ich möchte noch mit einer Behauptung aufräumen, die Frau Lötzsch aufgestellt hat . Ich möchte, dass sich das gar nicht erst festsetzt . Sie hat von der Lücke in der Pflegereform gesprochen, davon, dass manchen Leuten der Verlust des Heimplatzes droht . Sie wissen ganz genau, dass das Recht auf Hilfe zur Pflege erhalten bleibt. Das werden Sie erkennen, wenn Sie sich den Entwurf des PSG III und das Teilhabegesetz in Kombination noch einmal genau durchlesen . Wer bei eingeschränkter Alltagskompetenz den Pflegegrad 1 hat, behält ihn und bekommt 125 Euro . Wenn das nicht reicht, ist nach wie vor das SGB XII anzuwenden . Das muss man einfach einmal zur Kenntnis nehmen, statt so tun, als sei das ein Problem . Sollte es Unklarheiten geben - wir werden uns das in der Gesetzesberatung natürlich noch einmal anschauen -, dann werden wir das konkretisieren . Aber was ich kritisiere, ist, dass Sie der deutschen Öffentlichkeit gegenüber erklären, wir schafften neue Lücken im Pflegebereich . Ganz im Gegenteil! ({7}) Unser Bundesgesundheitsminister hat es schon erwähnt: Deutschland spielt international im Bereich des Gesundheitswesens eine ganz wichtige Rolle, bringt sich mit seinen Erfahrungen ein, hilft, wo es geht . Wir tauschen uns aus, auch im Bereich der Versorgungsforschung . Ich freue mich, dass es seit Jahren eine gute Zusammenarbeit deutscher Forschungsinstitute mit den Instituten in den USA gibt; hier nenne ich Heidelberg und Houston . Im Grunde muss man den Herren und Damen danken, dass sie sich so engagieren, und dies tun sie nicht, weil sie meinen, dass Forschung sein muss, sondern weil sie im Dienste der Gesundheit stehen . Seit Jahren wird daran gearbeitet, die schreckliche Krankheit Krebs zu bekämpfen. Seit Jahren hoffen Menschen, dass sie endlich eine Therapie bekommen, bei der größere Heilungschancen bestehen . Das ist auf einem guten Weg . Es muss uns doch stolz machen, dass deutsche Wissenschaftler daran mitarbeiten . Deshalb ist jeder Euro, der in diesen Bereich investiert wird, wichtig und richtig . ({8}) Das eine oder andere können wir im Rahmen der Haushaltsberatungen noch ergänzen bzw . verstärken; das ist überhaupt keine Frage . Darin sind wir uns immer einig gewesen . Aber es ist notwendig, dass wir uns nicht selbst schlechtreden, sondern auch einmal sagen, was sich zum Wohle der Menschen verbessert hat . Auf diesem Wege werden wir die weiteren Monate bis zum Ende der Legislaturperiode arbeiten . Das lassen wir uns nicht nehmen . Vielen Dank . ({9})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Maria Michalk . - Nächste Rednerin für die SPD-Fraktion: Hilde Mattheis . ({0})

Hilde Mattheis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003588, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Rednerin der Grünen hat von Verlässlichkeit und Vertrauen gesprochen . Ich denke, das ist ein Anspruch, den wir alle hier erfüllen müssen . ({0}) Zum Thema „Vertrauen und Verlässlichkeit“ gehört auch, anzuerkennen, was seitens dieser Großen Koalition für die Menschen getan wurde . Dass viel getan worden ist, haben viele meiner Vorrednerinnen und Vorredner bereits betont . Ich möchte noch einzelne Punkte hinzufügen . Zehn Gesetze haben wir auf den Weg gebracht . Jemand, der meint, dass wir das nicht unter Beachtung der Versichertenbedürfnisse, unter Qualitätsgesichtspunkten und unter Gerechtigkeitsaspekten getan haben, der soll hier aufstehen und sagen: „Das Palliativ- und Hospizgesetz ist schlecht“, der soll hier aufstehen und sagen: „Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz ist schlecht“, obwohl wir die Hausarztquote in den ländlichen Bereichen sichern, der soll hier aufstehen und sagen, dass wir für die Pflegefachkräfte nicht genügend tun, obwohl wir für Personalstandards sorgen . ({1}) Richtig ist: Wir haben gesagt, dass das mehr Geld kostet . Gerade wir als SPD sind im Wahlkampf ausgezogen und haben gesagt: Wir wollen mehr für die Pflege. - Schauen Sie sich die drei Pflegegesetze an, und vergleichen Sie sie mit dem Konzept der SPD . Wir haben immer gesagt: Wir brauchen dafür 0,5 bzw . 0,6 Beitragspunkte mehr .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Klein-Schmeink?

Hilde Mattheis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003588, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte den Gedanken gern zu Ende führen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ja, gut .

Hilde Mattheis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003588, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es gab keinen Aufschrei in der Bevölkerung; denn ihr war klar: Gute Pflege kostet etwas; sie muss uns etwas wert sein . Den Gesichtspunkt der solidarischen Finanzierung haben wir als SPD in der weiteren Debatte und auch in den letzten Monaten immer wieder angeführt . ({0}) Diesen Gesichtspunkt, der den Gerechtigkeitsgedanken weiterträgt und die soziale Komponente beinhaltet, müssen wir jetzt gemeinsam verteidigen, weil unser System das ist doch unser aller fester Glaube - eines der besten ist, da wir beitragsfinanziert dafür sorgen, dass alle einen einigermaßen gleichen Zugang zum Gesundheitswesen haben . In diesem Zusammenhang gehe ich auf Herrn Nüßlein ein . Ich habe Ihre Ausführungen über die privaten Versicherungen nicht ganz verstanden; ich gebe es zu, Herr Nüßlein . ({1}) - Nein, vielleicht brauche ich das gar nicht . - Zu meinen, dass wir diesen solidarischen Aspekt, diesen Gerechtigkeitsgedanken mit einer Privatisierungswelle ausweiten können, ist schon relativ naiv . ({2}) Mein Wahlkreis grenzt ja an Ihren Wahlkreis . Ich sehe ja, wie sich die Krankenhauslandschaft mit den Trägern verändert, und weiß, wie sich die CSU da aufstellt . Mir müssen Sie da also nichts erzählen . Aber ich warne davor, von einer gerechten und solidarischen Finanzierung abrücken zu wollen, weil es die Privaten besser können sollen . ({3}) Ich warne davor . ({4}) Dass es uns nicht freut, dass 1,5 Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds herausgenommen werden sollen, um den Bundeshaushalt zu entlasten, haben wir als SPD an verschiedenen Stellen immer wieder gesagt; das verhehlen wir gar nicht . Das aber mit der Finanzierung der Gesundheitskosten für Flüchtlinge zu verknüpfen, halten wir nicht nur für schräg, sondern auch für falsch und gefährlich . ({5}) Das ist ein Spiel mit dem Feuer; das darf man nicht tun . Es ist sachlich falsch und politisch hochgefährlich . ({6}) Wir wählen eine andere Argumentationslinie und sagen: Wer eine gerechte und solidarische Finanzierung will, muss natürlich auch die Debatte um das Einfrieren der Arbeitgeberbeiträge führen . ({7}) Das ist doch wohl klar . Ich sage Ihnen: Unterhalten Sie sich mal mit der Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Handwerkskammern . Sie hat uns nämlich vorgerechnet, wie viel mehr eine Handwerkerstunde im Falle einer paritätischen Finanzierung kosten würde . Die Mehrkosten liegen im minimalen Centbereich . Dann immer dieses Pferd zu reiten und zu argumentieren, der damit verbundene Anstieg der Lohnnebenkosten würde die Wirtschaft zum Erlahmen bringen, ist völlig daneben . Das Argument wurde mehrfach widerlegt . ({8}) Ich bitte also darum, im gemeinsamen Bestreben, all das Gute, das wir gemacht haben, etwa bei der Pflegeversicherung - da hängt doch unser Herz dran, das ist richtig gut -, bei der Palliativ- und Hospizversorgung, bei der hausarztzentrierten Versorgung, im Krankenhausbereich - wir ertüchtigen Krankenhäuser, indem wir ihnen Leistungen zukommen lassen, wenn sie Qualität liefern -, bei den Pflegekosten - wir hinterlegen Mittel in einer Höhe, die es ermöglicht, dass die Leute ihren Job, den sie lieben, unter guten Beschäftigungsbedingungen machen können -, gerecht zu finanzieren. ({9}) Ich bin froh, dass einige aus der CDU/CSU - ich glaube, es ist der Arbeitnehmerflügel - schon gesagt haben: Lasst uns doch nicht mit der Last einer ausstehenden paritätischen Finanzierung in den Wahlkampf gehen! Lasst uns doch überlegen, ob wir nicht gemeinsam in dieser Legislatur die Parität wiederherstellen! ({10}) Ich finde, das ist ein vernünftiger Ansatz. Vernunft muss belohnt und mehrheitlich unterstützt werden . In diesem Sinne werbe ich dafür . Herzlichen Dank . ({11})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Hilde Mattheis . - Nächster Redner: Helmut Heiderich für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Der Gesundheitshaushalt, den wir jetzt schon seit einiger Zeit diskutieren, ist der beste Gesundheitshaushalt, den wir in dieser Legislaturperiode vorlegen . Erstens . 14,5 Milliarden Euro aus dem Bundesetat stellen wir der gesetzlichen Krankenversicherung für die Finanzierung von Ausgaben im Gesundheitswesen bereit . Ich will deutlich sagen: Das sind 4 Milliarden Euro mehr als noch 2014, und es sind 3 Milliarden Euro mehr als 2015 . ({0}) Ich betone das deswegen, weil die Opposition in den letzten Debatten keine Chance ausgelassen hat, immer wieder darauf hinzuweisen, dass wir in diesem Bereich nicht genug Geld bereitstellen würden . ({1}) Ich habe heute kein einziges Wort von der Opposition dazu gehört, dass wir jetzt mehr Geld in den Gesundheitsbereich geben . 14,5 Milliarden Euro verbessern die Situation der gesetzlichen Krankenversicherung ganz entscheidend . ({2}) Zweitens haben wir im Gesundheitsfonds - das muss man auch noch einmal darstellen - eine Liquiditätsreserve von 10 Milliarden Euro . Auch das ist ein ganz erheblicher Betrag . Es gehört dazu, dass man der Bevölkerung, der Öffentlichkeit einmal deutlich macht, welche Mittel hier zur Verfügung stehen . ({3}) Dritter Punkt . Die Finanzreserven der gesetzlichen Krankenkassen betragen rund 15 Milliarden Euro . Auch hier haben wir eine positive Situation . Wenn Sie sagen, es reiche nicht aus, nur darauf zu verweisen, dann sage ich: Der Bürger muss wissen, wie die Situation bei diesen Etats aussieht, damit er erkennt, auf welcher Basis wir hier miteinander diskutieren und in welcher Weise wir hier arbeiten .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Heiderich, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung?

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gerne .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Gut . - Dann Frau Klein-Schmeink .

Maria Klein-Schmeink (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004072, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die Große Koalition hat für die zehn umfangreichen Gesetzesvorhaben ein Mehrausgabenvolumen von ungefähr 12 bis 14 Milliarden Euro pro Jahr bis 2020 beschlossen . Dafür brauchen wir eine Finanzierungsgrundlage . Da stellt sich die Frage: Wem werden Sie die Finanzierung dieser Vorhaben aufbürden? Bleibt die Union dabei, dass das alleine die Versicherten tragen sollen? Das frage ich Sie ganz konkret .

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen herzlichen Dank . - Über das Thema ist schon mehrfach diskutiert worden . Ich rede über den Anteil, den wir aus dem Haushalt direkt in die Finanzierung des Gesundheitswesens geben . Eine andere Frage ist die Finanzierung über Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil . Sie haben eben gehört, dass die Fachpolitiker - zu denen gehöre ich nicht, ich bin Haushälter - dieses Thema intensiv diskutieren und dass in der nächsten Zeit - ich würde sagen, in der nächsten Wahlperiode - diesbezüglich Entscheidungen getroffen werden, bei denen es genau darum geht, wonach Sie gefragt haben: Wie stellen wir sicher, dass das Gesundheitswesen ausreichend finanziert ist? ({0}) Lassen Sie mich auch sagen: Ich glaube, dass wir in Deutschland nach wie vor eines der besten Gesundheitssysteme weltweit haben . Wir haben es vorhin gehört: 5 Millionen Menschen sind in diesem Bereich aktiv . Sie setzen sich jeden Tag engagiert dafür ein, dass die Bürger bestens versorgt werden . Wir haben es hier mit einem Ausgabevolumen zu tun, das mit rund 330 Milliarden Euro etwa so groß ist wie der Bundeshaushalt . Dass es an der einen oder anderen Stelle Veränderungen gibt, dass wir an der einen oder anderen Stelle neue Beschlüsse fassen müssen, das ist selbstverständlich . Wir wollen ja nicht beim Versorgungswesen von gestern stehen bleiben, sondern uns mit neuen Methoden beschäftigen und moderne Methoden einführen . Der Minister und die Fachpolitiker - das ist eben ausführlich vorgetragen worden - haben noch nie so viele neue Beschlüsse und Gesetze verabschiedet, wie es in dieser Legislaturperiode geschehen ist . Dafür danke ich all jenen, die daran beteiligt waren . ({1}) Man merkt an der Diskussion, insbesondere daran, dass die Redner der linken Opposition immer dann, wenn Sie ans Rednerpult kommen, die Pappkameraden selber aufbauen müssen, um sie anschließend mit großer rhetorischer Verve wieder umwerfen zu können, dass wir hier gut aufgestellt sind . Wir sorgen auch dafür, dass das so bleibt . ({2}) Noch eine kurze Bemerkung zur Finanzierung . Ja, die Finanzierung ist im Moment gesichert, weil es unserem Land wirtschaftlich gut geht, weil die Menschen in den letzten Jahren jährlich Lohnzuwächse hatten, und zwar erhebliche Lohnzuwächse . Das ist der Grund, warum die Finanzierung im Gesundheitsbereich deutlich besser ist; das ist das Geheimnis des Erfolgs . Frau Mattheis, wir müssen schon sehr sorgsam überlegen, wie wir die Finanzierung in Zukunft weiterentwickeln, damit ein solches Wachstum aufrechtzuerhalten ist . ({3}) Als Haushälter will ich darauf hinweisen, dass die Ausgaben für den Bereich Soziales bei ungefähr 170 Milliarden Euro liegen . Wenn Sie bedenken, dass der Gesamthaushalt etwa 330 Milliarden Euro umfasst, dann können Sie leicht ausrechnen, dass wir deutlich über 50 Prozent der Haushaltsmittel in den Sozialbereich geben . Die Zahlen werden in den nächsten Jahren weiter steigen; bis 2020 wird sich der Ansatz noch erhöhen . Natürlich müssen wir alle gemeinsam darüber nachdenken, ob ein Staat es auf Dauer zulassen kann, dass die Entwicklung so weitergeht . Wenn wir sagen: „Wir müssen in die Zukunft investieren, wir müssen Bildung und Forschung voranbringen, wir müssen neue Technologien haben, wir müssen in unserem Land investiv vorgehen“, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass die entsprechenden Mittel in den Bundeshaushalt eingestellt werden . Wir können die Gelder nicht immer nur für neue Sozialleistungen ausgeben . Auch hier sind wir alle gemeinsam gefordert - von der Fachpolitik bis zur Finanzpolitik -, dafür zu sorgen, dass in den nächsten Jahren die Strukturen verändert werden . ({4}) - Ich lasse niemanden aus, verehrte Frau Kollegin Lötzsch . ({5}) Einen Schwerpunkt haben wir auch auf den Bereich des internationalen Gesundheitswesens gelegt . Wir wollen nicht nur den drittgrößten Beitrag an die WHO zahlen, sondern wir wollen auch die Entwicklung mitgestalten . Deshalb haben wir hierfür weitere Mittel eingestellt . Herr Minister Gröhe ist in dieser Sache seit einiger Zeit unterwegs, und auch die Bundeskanzlerin war bei der Vollversammlung der WHO . Wir wollen uns bei den Strukturveränderungen der WHO einbringen . Bei der Ebolakrise konnte man nicht schnell genug reagieren . Das hat deutlich gemacht, dass es eine Menge Strukturmängel gibt . Frau Chan, die Direktorin der WHO, hat gesagt, sie persönlich wünsche sich, dass Deutschland seine Erfahrungen in die Mitarbeit einbringt . Diese Mitarbeit wollen wir verstärken . Wir wollen im Bereich der Antibiotikaresistenzen auch inhaltlich aktiv mitarbeiten, weil dieses Thema uns alle weltweit beschäftigt . In diesem Bereich wollen wir zusätzlich initiativ werden . Wenn die G 20-Präsidentschaft auf uns übergeht, wollen wir im Gesundheitsbereich entsprechende Zeichen setzen . Dafür haben wir Mittel im Haushalt eingeplant . Wir wollen im nächsten Jahr in diesem Bereich aktiv werden . ({6}) Es ist schon angesprochen worden, dass Prävention für uns ein wesentliches Thema ist . Auch in diesem Bereich sind die Mittel deutlich gestiegen . Wir wollen in diesem Bereich aktiv weiterarbeiten . Einige Details sind schon genannt worden . Die will ich hier gar nicht wiederholen, aber betonen: Es ist klar: Prävention ernst zu nehmen, ist einer der wenigen Wege, um den Anstieg der Gesundheitskosten einigermaßen im Griff zu behalten . Wir wollen mit der Prävention ganz am Anfang des Lebens beginnen . Wir erhöhen die Mittel im Bereich der Kindergesundheit, damit wir die Kinder von der Kita über die Grundschule mit dem Präventionsgedanken vertraut machen können . Es geht um - das wurde eben schon gesagt - Ernährung und Bewegung, zum Beispiel um das Programm IN FORM und Ähnliches mehr, damit schon im kindlichen Alter der Gedanke der Prävention aufgenommen wird . Lassen Sie mich einen letzten Punkt ansprechen . Über das Haus werden ja auch einige Forschungsinstitute finanziert . Dort beschäftigt man sich zum Beispiel auch mit der Frage der landärztlichen Versorgung . 2012 und 2015 haben wir zwei neue Gesetze dazu gemacht . Es wurden neue Möglichkeiten und Fondsmittel vorgesehen . Trotzdem hat uns das Institut für Gesundheits- und Sozialforschung den Hinweis gegeben, dass wir an dieser Stelle noch genauer hinschauen und noch stärker aktiv werden müssen, weil vor allen Dingen in den ländlichen Regionen die Patienten mit ihren Anliegen direkt in die Notversorgung des Krankenhauses gehen . Dort ist laut Auskunft dieses Instituts ein erheblicher Anstieg zu erkennen . 44 Prozent der Patienten nehmen, wenn ich das richtig sehe, diesen direkten Weg . Das ist ein Zeichen, dass wir da nachsteuern müssen . Die vielen Möglichkeiten, die wir geschaffen und den Kassenärztlichen Vereinigungen an die Hand gegeben haben, werden offensichtlich noch nicht genügend genutzt . Sie sehen, wir sind den Dingen genauso wie Sie auf der Spur . An dieser Stelle müssen wir nacharbeiten; denn die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum, insbesondere die hausärztliche Versorgung, ist nach wie vor ein großes Thema . Das sollten wir weiterverfolgen . ({7}) Insgesamt - ich wiederhole mich - bietet der Haushaltsentwurf für 2017 die besten Voraussetzungen . Wir sollten ihn gemeinsam beraten und für die Bevölkerung und das Gesundheitswesen die besten Ergebnisse erzielen . Schönen Dank . ({8})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als letzte Rednerin in dieser Runde hat Bärbel Bas für die SPD-Fraktion das Wort . ({0})

Bärbel Bas (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004006, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seien Sie jetzt nicht verwundert, weil ich ein Thema anspreche, das in der Debatte heute überhaupt noch nicht erwähnt worden ist . Es geht um die Stiftung Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen. ({0}) Das ist ein sperriger Titel für eine wichtige Stiftung . Diese Stiftung ist nach einem Untersuchungsausschuss 1995 durch das HIV-Hilfegesetz ins Leben gerufen worden . Zweck der Stiftung ist es, aus humanitären und sozialen Gründen Personen finanzielle Hilfe zu leisten, die in den 80er-Jahren durch Blutprodukte mit HIV infiziert wurden. An der Finanzierung der Stiftung haben sich damals von Anfang an sowohl die Bundesländer als auch der Bund, die involvierten pharmazeutischen Unternehmen und das Rote Kreuz beteiligt . Allerdings schwebt von Beginn an ein Damoklesschwert über dieser Stiftung . Denn in § 14 des HIV-Hilfegesetzes steht: Die Stiftung wird aufgehoben, wenn der Stiftungszweck erfüllt ist oder die Mittel für die finanzielle Hilfe erschöpft sind . ({1}) Das ist der Punkt, um den es jetzt geht, und der Grund, warum die Betroffenen verunsichert sind. Von Beginn an war klar, dass die Mittel ungefähr 2016/2017 verbraucht sein würden . ({2}) Man hatte Anfang der 90er-Jahre geglaubt, dass die damals 1 500 betroffenen Menschen bis dahin verstorben sein werden . Das muss man so ausdrücken; so war damals die Prognose . Wir haben es übrigens einem sehr guten Gesundheitssystem zu verdanken, ({3}) dass die betroffenen Menschen von damals heute eine annähernd normale Lebenserwartung haben . ({4}) Das ist die sehr gute Botschaft, die von dieser Geschichte ausgeht . Es gibt eine Studie aus dem Jahr 2014 - fast 20 Jahre nach Einsetzung der Stiftung -, die uns die Lebenssituation der betroffenen Menschen zeigt. Darin wird detailliert beschrieben, dass viele der Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger auf die Unterstützungsleistungen dieser Stiftung existenziell angewiesen sind . Drei Viertel von ihnen sind inzwischen an Aids erkrankt, und fast alle müssen sehr viele Medikamente nehmen; zu den Nebenwirkungen brauche ich, glaube ich, nichts zu sagen . Seit 2014 benötigt auch knapp die Hälfte der Betroffenen mindestens einmal pro Woche Unterstützung und Versorgung, und die Tendenz ist steigend . Fast die Hälfte der Betroffenen ist zwar im erwerbsfähigen Alter, kann aber keiner Erwerbstätigkeit nachgehen . Es wird in Zukunft vielleicht noch auf den einen oder anderen weiteren Betroffenen zutreffen, dass er frühzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheidet. Dass die nicht geklärte finanzielle Zukunft der Stiftung diese Menschen im Moment belastet und verunsichert, können wir uns, glaube ich, alle hier im Hause lebhaft vorstellen . Ich will deshalb, wenn das erlaubt ist, aus einem Brief zitieren, der mich erreicht hat, weil ich Stiftungsratsmitglied bin - deswegen rede ich heute zu diesem Thema; ich danke meiner AG sehr, dass ich das hier tun darf -: Es fühlt sich an, als ob ich mich dafür entschuldigen müsste, noch am Leben zu sein und nicht in die Sterbekalkulation der Geldzahler hineinzupassen dadurch, dass ich nunmehr eine normale Lebenserwartung aufweisen kann . Ich bin froh, dass ich diesem Betroffenen heute in unser aller Namen sagen kann: Die Finanzierung für das Jahr 2017 ist auf jeden Fall gesichert, weil im Bundeshaushalt steht, dass der Bund wieder 2 Millionen Euro für diese Stiftung zur Verfügung stellen wird . ({5}) Bei dieser Gelegenheit will ich mich natürlich auch beim Stiftungsvorstand, bei Frau Dr . Braun, Herrn Dr . Breuer und unserem ehemaligen SPD-Bundestagskollegen Horst Schmidbauer, für die engagierte Arbeit in dieser Stiftung bedanken . Danken will ich auch dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Jens Spahn und dem Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium Lutz Stroppe, weil die beiden insbesondere darum bemüht sind, die weitergehende Finanzierung mit der Pharmaindustrie und mit dem Deutschen Roten Kreuz auf eine gute Grundlage zu stellen, sodass die Fortsetzung der Finanzierung der Stiftung möglich wird . Vielen Dank dafür! ({6}) Weil wir als Bundespolitiker gerne ein bisschen über die Länder schimpfen, möchte ich an dieser Stelle berichten, dass die Gesundheitsministerkonferenz in einem einstimmig gefassten Beschluss entschieden hat, dass man sich an der weiteren Finanzierung beteiligt . Wenn die Gespräche, die wir im Hintergrund mit der Pharmaindustrie und dem Roten Kreuz führen, einen guten Verlauf nehmen, werden sich also auch die Bundesländer wieder in der gleichen Größenordnung beteiligen . Auch dafür herzlichen Dank in diese Richtung! ({7}) Ich möchte abschließend sagen: Wir haben den Betroffenen jetzt erst einmal nur Sicherheit für ein Jahr gegeben . Das ist gut . Aber wir sollten im Verlauf der Haushaltsverhandlungen auch die Gelegenheit nutzen, die Finanzierung der Stiftung langfristig auf sichere Beine zu stellen . Es sollte zumindest die jetzt vom Robert-Koch-Institut prognostizierte Lebensdauer zugrunde gelegt werden. Ich finde, wir hier im Hause sind es insbesondere den Betroffenen schuldig, dass wir ihnen diese Planungssicherheit für ihr Leben geben . Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit . ({8})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Einzelplan vor . Daher rufe ich Tagesordnungspunkt 2 sowie den Zusatzpunkt auf: 2 . Beratung des Antrags des Bundesministeriums der Finanzen Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2015 - Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2015 Drucksache 18/8833 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss ZP Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben Drucksache 18/9526 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit ({0}) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Hierbei handelt es sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen . Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall . Dann sind die Überweisungen so beschlossen . Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b auf . Es handelt sich hierbei um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist . Tagesordnungspunkt 3 a: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({1}) - zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2014 - Haushaltsrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2014 - zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2014 - Vorlage der Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2014 - zu der Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2015 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes ({2}) - zu der Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2015 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes - Weitere Prüfungsergebnisse Drucksachen 18/5291, 18/5128, 18/6600, 18/6933 Nr. 1.1, 18/8100, 18/8283 Nr. 4, 18/9108 ({3}) - Ich bitte die Kollegen, ein bisschen zuzuhören und auch mitzumachen . Unter Nummer 1 seiner Beschlussempfehlung schlägt der Haushaltsausschuss die Erteilung der Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2014 vor . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist die Beschluss- empfehlung angenommen worden . Unter Nummer 2 seiner Beschlussempfehlung emp- fiehlt der Haushaltsausschuss, die Bundesregierung aufzufordern, a) bei der Aufstellung und Ausführung der Bundeshaushaltspläne die Feststellungen des Haus- haltausschusses zu den Bemerkungen des Bundesrech- nungshofes zu befolgen, b) Maßnahmen zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung der Ent- scheidungen des Ausschusses einzuleiten oder fortzufüh- ren und c) die Berichtspflichten fristgerecht zu erfüllen, damit eine zeitnahe Verwertung der Ergebnisse bei den Haushaltsberatungen gewährleistet ist . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? Enthält sich jemand? - Dann ist diese Beschlussempfehlung sogar einstimmig angenommen worden . Ich komme zum Tagesordnungspunkt 3 b: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({4}) zu dem Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 2015 - Einzelplan 20 Drucksachen 18/8460, 18/9109 Wer stimmt für Nummer 1 der Beschlussempfehlung, also die Feststellung der Erfüllung der Vorlagepflicht? Gibt es jemanden, der dagegenstimmt? - Der sich enthält? - Damit ist auch diese Beschlussempfehlung einstimmig angenommen worden . Wer stimmt für Nummer 2 der Beschlussempfehlung, also die Erteilung der Entlastung? - Wer stimmt dagegen? - Enthält sich jemand? - Damit ist auch diese Beschlussempfehlung einstimmig angenommen worden . Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir setzen jetzt die Haushaltsberatungen fort und kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Einzelplan 11. Als erste Rednerin hat die Bundesministerin Andrea Nahles für die Bundesregierung das Wort . ({5})

Andrea Nahles (Minister:in)

Politiker ID: 11003196

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit fast 140 Milliarden Euro umfasst das Budget für Arbeit und Soziales, Einzelplan 11, in diesem Jahr 42 Prozent des Bundeshaushalts . Das sage ich nicht, um zu kokettieren, sondern das ist eine wichtige Botschaft für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes; denn es zeigt, dass wir in unserem Land Ernst machen mit dem, was Auftrag der Verfassung ist . Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat . Das Soziale ist nicht nur Garnitur obendrauf, sondern das Soziale ist eine wesentliche Kernaufgabe unseres Landes . Das zeigt auch dieser Haushaltsentwurf . Darum ist es weder so, dass die Regierung unsere Zukunft verpulvert, wie es Die Welt kürzlich Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn postulierte, noch müssten „alle Alarmglocken läuten“, wie der Herr Kollege von Stetten meint . Nein, die Alarmglocken müssten läuten, wenn wir als Staat nachlassen würden, für Ausgleich zu sorgen, wenn wir nachlassen würden, für Gerechtigkeit, für soziale Sicherung und Zusammenhalt zu sorgen . Das wäre alarmierend . ({0}) Gerade jetzt erleben wir, dass der Zusammenhalt in unserem Land auf die Probe gestellt wird . Gerade jetzt wird spürbar, dass Solidarität eben keine Selbstverständlichkeit ist . Gerade in diesen Tagen fühlen sich die obenauf, die einen Keil zwischen die Menschen in unserem Land treiben wollen, die die Sorgen ausnutzen und Ressentiments und Ängste schüren - mit anderen Worten: die spalten . Angst schüren und aus der Unsicherheit der Menschen politisches Kapital schlagen - das ist der Weg der AfD . Die Bundesregierung macht genau das Gegenteil: Wir setzen auf die Zukunft . Wir wollen gestalten: Fortschritt und soziale Gerechtigkeit . Diese Regierung hat gerade in den letzten Jahren sehr viel getan, um das Leben der Menschen in diesem Land im Alltag ganz konkret zu verbessern . ({1}) Mindestlohn, Mietpreisbremse, Rentenreform, aber auch die Stärkung der Tarifautonomie und nicht zuletzt eben unser Versuch, in schwierigen Zeiten einfach vernünftig und auf einem klar demokratischen und integrativen Kurs zu bleiben: Das ist die Politik, die wir machen; denn unsere Kraft liegt im Zusammenhalt . Dort, wo sich Frauen und Männer, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, junge und alte Menschen, Menschen mit und ohne Behinderung, Alteingesessene und neu Hinzugekommene zusammentun, kommen die Dinge in Bewegung und erreichen wir dauerhaft sozialen Frieden und Wohlstand . Für mich ist es ganz einfach: Zusammen ist man eben am stärksten . Wer mit dem Finger auf andere zeigt und Politik gegen Schwächere und Minderheiten macht, wer Ausgrenzung statt Zusammenhalt propagiert, der schwächt unser Land und damit am Ende auch uns selbst . ({2}) Für mich ist ganz klar - das ist für die Opposition in diesen Tagen natürlich sehr schwer -, dass wir stark sind . ({3}) Die wirtschaftliche Lage unseres Landes ist gut . Wir haben schon über Jahre stetiges Wachstum . ({4}) Die Beschäftigung - ich kann mich als Abgeordnete auch noch an andere Zeiten erinnern ({5}) boomt . Ich betone: boomt! ({6}) Trotz der Belastungen auch durch die Hinzugekommenen haben wir weiterhin mehr offene Stellen und eine höhere Beschäftigung . Wir hatten seit Jahrzehnten nicht eine so hohe Anzahl an Erwerbstätigen; ({7}) seit 25 Jahren war die Arbeitslosigkeit nicht so niedrig wie jetzt . ({8}) Es ist aber manchmal eben schwer, das einfach mal zu würdigen, obwohl es schnell gesagt wäre . Wenn es anders wäre, dann hätten wir hier Debatten . Für die Leute draußen im Land ist das aber vielleicht die wichtigste Nachricht überhaupt . ({9}) Ich sage deswegen im Übrigen auch: Das heißt nicht, dass wir die Hände in den Schoß legen und dass es nichts mehr zu tun gibt . - Das ist ja Quatsch . Wir nehmen uns gerade für diesen Herbst und Anfang des nächsten Jahres große Gesetzespakete vor . In wenigen Wochen werde ich ein Gesamtkonzept zur Alterssicherung vorlegen, in dem es darum geht, die gesetzliche Rente als tragenden Pfeiler des Rentensystems in Deutschland zu stabilisieren . Das wird ganz klar ein ganz zentraler Punkt . ({10}) Darüber hinaus werden wir, wie ich hoffe, nach 30 Jahren - in 2020 wird das der Fall sein - das letzte Sozialsystem, bei dem die Ost-West-Angleichung noch nicht gelungen ist, reformieren und ein gleiches Rentenrecht in Ost und West durchsetzen . Ich sage aber: Ich warte noch darauf, dass die Meinungsbildung der CDU und der CSU in dieser Frage abgeschlossen wird . ({11}) Vor allem in Richtung der Linkspartei sage ich aber auch: Es geht natürlich nicht, nur die Rosinen herauszupicken . Gleiches Recht bedeutet zwar, dass der Rentenwert von 94 auf 100 Prozent erhöht wird, gleichzeitig ist dann aber auch eine Höherbewertung der Entgeltpunkte nicht mehr möglich . ({12}) Das muss man ganz eindeutig sagen . Gleiches Recht heißt gleiches Recht und nicht gleiches Recht mit Ausnahmen für einige in Ostdeutschland . Das kann es am Ende nicht geben . ({13}) Darüber müssen wir dann hier streiten; das kann es aber auf keinen Fall sein . ({14}) Wir werden daneben dafür sorgen - Herr Schäuble und ich sind hier in intensiven Gesprächen -, dass auch kleine und mittlere Unternehmen - in diesen ist die betriebliche Altersvorsorge noch nicht sehr weit verbreitet - ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Zukunft eine betriebliche Altersvorsorge anbieten können . Da arbeiten wir eng und vertrauensvoll zusammen . Es geht natürlich auch um Armutsprävention . Die Gruppe, die zurzeit das größte Armutsrisiko trägt, sind die Erwerbsgeminderten, 1,8 Millionen Menschen . Sie dürfen nicht vergessen werden . Außerhalb von Fachzirkeln höre ich über diese Gruppe faktisch nie etwas . Aber es sind diejenigen, die am meisten von Altersarmut betroffen sein werden. Auch das wird auf jeden Fall ein Teil des Gesamtkonzeptes werden . ({15}) Sie sehen also: Allein in diesem Bereich gibt es eine ganze Menge zu tun . Wir werden darüber hinaus in der nächsten Sitzungswoche zwei wesentliche Gesetzentwürfe einbringen . Auf unserer Grundphilosophie „Stärkung der Tarifautonomie“ basiert unser Gesetzentwurf zu Leiharbeit und Werkvertragsarbeit, mit dem zum ersten Mal eine Höchstverleihdauer geregelt wird und der zum ersten Mal dafür sorgt, dass die Betriebsräte Bescheid wissen, weil sie ein Recht auf Information erhalten . Ich sage noch etwas . Dieses Gesetz wird mit dem Missstand Schluss machen, dass Unternehmen Leiharbeiter gezielt als Streikbrecher einsetzen, um damit Tarifverhandlungen zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Es ist kein Zufall, dass in dem Jahr, in dem bei der Post massenweise Streikbrecher eingesetzt wurden, der niedrigste Tarifabschluss des ganzen Jahres genau in diesem Bereich abgeschlossen wurde . Damit ist Schluss, wenn wir dieses Gesetz gemeinsam verabschieden . ({16}) Wir müssen nicht darüber reden, dass wir in diesem Zusammenhang auch mit dem Mindestlohn Zeichen gesetzt haben . Zum neuen Jahr 2017 wird der Mindestlohn auf 8,84 Euro steigen . Das haben nicht wir entschieden, sondern das haben wir, wie es unserer Überzeugung entspricht, den Tarifparteien im Rahmen einer Mindestlohnkommission überantwortet . Das ist kein politischer Mindestlohn, sondern er basiert auf dem, was die Sozialpartner uns vorschlagen . Ich bleibe dabei: Es hilft nichts - das sage ich besonders in Richtung Linkspartei -, den Menschen immer etwas von 10, 12 Euro oder anderen Fantasiezahlen zu erzählen . Der neu festgesetzte Mindestlohn basiert auf Fakten und Sozialpartnerschaft . ({17}) Das ist der richtige Weg, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({18}) Wir werden in den nächsten Wochen den Armutsund Reichtumsbericht in seiner ersten Fassung auf den Weg bringen . Was heißt das? Es werden erst einmal die statistischen Grundlagen vorgelegt . Wir haben hier von Anfang an eine klare Politik gemacht . Wir haben diese Zahlen transparent und allen zugänglich gemacht . Es gab in diesem Zusammenhang viele Verschwörungstheorien . Sie entbehren aber jeder Grundlage . Wir werden Ihnen und allen, die dies wollen, die Gelegenheit geben, sich die Daten anzusehen . Reichtum kommt in Deutschland immer weniger aus eigener Arbeit - das bedrückt mich -, sondern wird heute meist vererbt . Das mag für manche erfreulich sein; für unser Land insgesamt ist es sehr bedenklich . Es führt dazu, dass sich Schichten verfestigen, dass Aufstieg, die Triebfeder für den Einsatz in Beruf und Wirtschaft, seltener und schwerer wird . Deswegen ist das eine Sache, die wir so nicht stehen lassen können . Dafür wird uns dieser Armuts- und Reichtumsbericht wichtige Argumente liefern . ({19}) Ich bin daran besonders interessiert, weil es Zusammenhänge mit anderen Programmen, zum Beispiel von Barbara Hendricks, gibt . Wir wollen mit Blick auf die soziokulturellen Verfestigungen in bestimmten Stadtteilen, die jeder von uns kennt, selbst in kleineren und mittelgroßen Städten, an die Wurzel des Übels gehen, um zu verhindern, dass bestimmte Gruppen und Stadtteile völlig abgehängt werden . Das wird einer der Punkte sein, die uns beschäftigen . Wir haben in diesem Zusammenhang auch über Langzeitarbeitslosigkeit zu reden . Ich bin froh, dass wir in diesem Haushalt den Ansatz für das Programm „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“, das auf den öffentlichen Beschäftigungssektor zielt, verdoppeln können . Immerhin: Das ist eine Möglichkeit - ({20}) - Frau Pothmer, da haben Sie vollkommen recht . Ich bin immer offen für eine weitere Mittelsteigerung. Immerhin: Der Ansatz wird verdoppelt . Wir können nun ganz konkret mit diesem Programm Langzeitarbeitslose, die einen Neustart verdienen, besser unterstützen . Daneben haben wir auch die Integration von Flüchtlingen zu leisten . Dazu haben wir bereits das Integrationsgesetz durch den Bundestag gebracht . Aber auch in diesem Haushalt stehen zusätzlich 3,25 Milliarden Euro zur Sicherung des Lebensunterhaltes und - vor allem das ist wichtig - 1,9 Milliarden Euro für die aktive Eingliederung der Flüchtlinge bereit . Wir werden die Anzahl der berufsbezogenen Sprachkurse bis Anfang des nächsten Jahres von 20 000 auf 200 000 verzehnfachen . Wenn noch mehr Bedarf besteht, dann - da bin ich sicher -, wird diese Bundesregierung auch handeln . Deutsch lernen ist nun einmal der zentrale Dreh- und Angelpunkt. Wir schaffen außerdem in diesem Haushalt für Flüchtlinge die Möglichkeit, über die Integrationsmaßnahmen etwas Sinnvolles zu tun, solange sie faktisch leider noch zu lange im Regelkreis des Asylbewerberleistungsgesetzes festhängen, weil es mit der Statusklärung so lange dauert . Dieses Programm gilt bereits ab August dieses Jahres . Es wird also bereits umgesetzt . Das sind wichtige Punkte . Aber am meisten knabbern wir zurzeit daran, dass wir auch den Nachweis vorhandener Qualifikationen klären müssen . Oft heißt es nur: Sie haben keine Urkunde der IHK in der Tasche . - Wenn Flüchtlinge von Syrien hierherkommen, ist das auch nicht zu erwarten . Trotzdem können sie etwas . Umso wichtiger ist es, dass wir es anbieten, sie zu erproben, und dass die IHK und Handwerkskammern mitspielen . Das läuft auch . Diese Erprobungs- und Anerkennungsverfahren halte ich für ganz zentral, um die vorhandenen Potenziale zu heben . Nicht zuletzt haben wir Hürden abgebaut, zum Beispiel die Vorrangprüfung . Wir haben den Ländern die Entscheidung selber überlassen, auch regional . Das Ergebnis ist, dass in 133 der 156 Agenturbezirke der Bundesagentur für Arbeit die Vorrangprüfung ausgesetzt wurde . Das ist sehr gut, weil es wieder eine Hürde weniger ist, um diese Menschen in Arbeit zu integrieren, und gleichzeitig auf regionale und landesspezifische Bedürfnisse eingeht . Denn es gibt nun einmal auch Regionen, für die das keine schlaue Idee ist, und diese werden damit auch berücksichtigt . Wir werden in diesem Herbst - das ist mein letzter Satz - neben dem, was ich bereits genannt habe, auch das Bundesteilhabegesetz anpacken . ({21}) Dafür werden zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt, von 157 Millionen Euro für 2017 aufwachsend bis auf 700 Millionen Euro . Die Entlastung der Kommunen um 5 Milliarden Euro findet statt - auf anderem Wege; diese Mittel sind „on top“ . Damit können wir die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention auf neue, wie ich finde, bahnbrechende Weise weiterbringen. Auch darüber werden wir gesondert beraten . Sie sehen also: Diese Regierung ist handlungsfähig . Wir arbeiten mit ganz konkreten Anstrengungen für die Menschen . Die nötigen Mittel dafür stehen bereit . Das ist auch der guten wirtschaftlichen Lage zu verdanken, sonst würden wir über ganz andere Fragen diskutieren . Umso besser; das fügt sich gut . In diesem Sinne haben wir noch einen heißen Herbst . Vielen Dank . ({22})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächste Rednerin hat Dr . Gesine Lötzsch von der Fraktion Die Linke das Wort . ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin Nahles, Sie haben mit der Rente begonnen . Das will ich auch tun . In wenigen Wochen ist der 3 . Oktober . Dann wird wieder die deutsche Einheit gefeiert . Die Wiedervereinigung ist 26 Jahre her . Seit 26 Jahren diskutieren wir darüber, dass die Mauer zwischen den Ostrentnern und Westrentnern eingerissen werden muss . Das wird jetzt endlich Zeit, meine Damen und Herren . ({0}) Sie haben gesagt, Frau Nahles, dass Sie die Meinungsbildung in der Union abwarten . Ich kann Ihnen nur raten: Machen Sie mächtig Druck! Den Rückenwind der Linken bekommen Sie dafür in jedem Fall . ({1}) Bundeskanzlerin Merkel hatte im letzten Bundestagswahlkampf den Ostdeutschen eine Rentenangleichung versprochen . Dieses Versprechen hat sie augenscheinlich gebrochen, und gebrochene Versprechen zahlen sich nie aus . Das haben wir gerade erst erlebt, meine Damen und Herren . Herr Schäuble hat sich nun gegen die Ost-WestAngleichung gewandt, weil es angeblich großen Unmut über die hohen Ostrenten in den alten Bundesländern im Westen gebe . Was der Finanzminister aber völlig verschweigt und was man immer wieder erklären muss, ist, dass die Altersbezüge in den sogenannten alten Bundesländern bzw . in den westlichen Bundesländern in der Regel aus mehreren Quellen gespeist werden können . ({2}) Im Osten ist häufig - in fast allen Fällen - die gesetzliche Rente die einzige Quelle zur Sicherung des Lebensunterhaltes . Das ist ein gewaltiger Unterschied, meine Damen und Herren . Der muss beseitigt werden . ({3}) Ich finde, wir sollten auch endlich damit aufhören, Ost und West gegeneinander auszuspielen . Sie, Frau Nahles, haben in Richtung der Linken gesagt, wir sollten keine Rosinenpickerei betreiben; Sie wollten gleiches Recht für alle . Gleiches Recht für alle heißt auch in ganz vielen Lebensbereichen - wir könnten jetzt alle durchdeklinieren -, besondere Bedingungen zu berücksichtigen . Ich finde, wir sollten endlich einmal aufhören, den unkorrekten Begriff „Höherwertung“ zu verwenden. Es geht um eine Umrechnung der Einkommen . Die spielt eine wichtige Rolle für die Rente . ({4}) Wir wissen, dass viele Menschen aus den verschiedensten Gründen - durch die Ausweitung des Niedriglohnsektors, durch Leiharbeit und Veränderungen der Arbeitswelt - keine kontinuierliche Erwerbsbiografie, wie man das technisch so sagt, mehr haben . Das heißt, sie haben mal weniger verdient, mal waren sie arbeitslos, und dann haben sie vielleicht wieder einmal mehr verdient . Darum ist Altersarmut ein Problem, dem wir alle uns stellen sollten . Wir brauchen nicht nur ein einheitliches Rentensystem, sondern auch endlich eine solidarische Mindestrente, die Altersarmut wirksam verhindert, meine Damen und Herren . ({5}) Dazu gehört natürlich auch, dass das Rentenniveau wieder angehoben werden muss . Ich will Sie alle daran erinnern und darauf aufmerksam machen, dass der Deutsche Gewerkschaftsbund jetzt eine Rentenkampagne ins Leben gerufen hat . Viele von Ihnen sind ja auch Gewerkschaftsmitglieder. Ich finde, damit müssen Sie sich ernsthaft auseinandersetzen . Den Funktionären des Deutschen Gewerkschaftsbundes - viele von ihnen sind ja Mitglieder von Parteien - sage ich: Machen Sie auch in Ihren eigenen Parteien Druck, damit das Rentenniveau endlich wieder angehoben wird . ({6}) Ich komme - auch darauf ist Frau Nahles eingegangen - zum zweiten Punkt . Sie sind stolz auf die Einführung des Mindestlohnes . Ja, darauf sind auch wir stolz; ({7}) denn wir haben den Mindestlohn 20 Jahre lang immer wieder gefordert . Nun haben wir ja Praxiserfahrung und wissen, dass ein Beschluss nicht bedeutet, dass er überall im Leben umgesetzt wird . Es ist so - da kennt vielleicht jeder aus seinem Umfeld ein Beispiel -, dass nicht alle Menschen, die einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben, diesen auch erhalten . Die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das Mindestlohngesetz eine derartige Vielzahl bürokratischer Ausnahmen enthält, dass dessen Überwachung und Kontrolle erheblich erschwert wird . Viele von uns haben in Bürgersprechstunden oder auch im Familienkreis davon gehört, wie manche Arbeitgeber versuchen, den Mindestlohn mit Tricks zu umgehen . Es muss klar geregelt sein - das ist unsere Forderung -, welche Zulagen und Zuschläge mit dem Mindestlohn verrechnet werden dürfen . Es kann doch nicht sein, dass Sachleistungen, Gutscheine und Trinkgelder mit dem Mindestlohn verrechnet werden, meine Damen und Herren . Das muss endlich ein Ende haben . ({8}) Ich habe mich mit Beschäftigten unterhalten, die mir sagten, dass sie jetzt weniger Lohn hätten als vor der Verabschiedung des Mindestlohngesetzes . Das war doch nicht das Ziel dieses Gesetzes . Wir dürfen das nicht weiter zulassen . Meine Damen und Herren, wir müssen mehr in Solidarität investieren . Wir brauchen eine Gerechtigkeitsoffensive. Mehr Solidarität schafft auch mehr Sicherheit für die Menschen . Das heißt, wir müssen unsere Solidarsysteme stärken . Doch die Bundesregierung - wir haben es ja beim zuletzt behandelten Tagesordnungspunkt, als es um den Gesundheitsetat ging, schon angesprochen schwächt diese Systeme . Sie schwächt die Rentenkasse, die Krankenkassen und die Arbeitslosenversicherung, indem aus diesen Kassen versicherungsfremde Leistungen finanziert werden. Sie werden ihnen aufgebürdet. Dabei handelt es sich um Aufgaben, die eigentlich von allen finanziert werden müssten . Zum Beispiel müsste die Mütterrente aus Steuermitteln finanziert werden. ({9}) Meine Damen und Herren, wir sollten die Haushaltsverhandlungen nutzen, um das viele Geld, das sich in diesem Etat befindet, gerecht und vernünftig zu verteilen. Vor allen Dingen aber sollten wir darauf hinwirken, dass es in unserem Land gerecht zugeht und dass die Vermögenden endlich ihren Beitrag zum Gemeinwesen leisten, dass sie sich nicht weiter davonstehlen können . Vielen Dank . ({10})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Karl Schiewerling von der CDU/CSU-Fraktion das Wort . ({0})

Karl Schiewerling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003839, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sozialpolitik hat die Aufgabe, den Schwächeren zu schützen, Solidarität in der Gesellschaft herzustellen und Teilhabe zu ermöglichen . Das ist kein Geschenk, das sind Rechtsansprüche . Und: Überall dort, wo es Rechtsansprüche gibt, entstehen auch Klagen bzw . Ansprüche, die gerichtlich geltend gemacht werden . Das ist gemäß der Systematik, die wir haben, auch völlig in Ordnung . Das führt dann allerdings auch schnell dazu, dass bei jeder Kleinigkeit - wenn dieses oder jenes nicht geleistet wird - gesagt wird, dieser Staat sei unsozial . Meine Damen und Herren, in unserem Sozialstaat werden jährlich Mittel in Höhe von insgesamt 750 Milliarden Euro - jeweils zu einem erheblichen Teil umlage- und steuerfinanziert - für soziale Leistungen zur Verfügung gestellt . Allein im Bundeshaushalt haben wir für das Jahr 2017 139 Milliarden Euro angesetzt . Ich sage Ihnen: Dieser Staat ist nicht unsozial . Dieser Staat hält mit seinem Sozialetat zusammen . Wir tun alles, damit diese Gesellschaft nicht auseinanderfällt . Ich glaube, dass wir dabei sehr erfolgreich sind . Wir lassen uns das von nichts und niemandem kaputtreden . ({0}) Das heißt nicht, dass es im Einzelfall keinen Nachbesserungsbedarf gibt . Wenn Sie aber unsoziale Staaten kennenlernen wollen, dürfen Sie nicht nach Deutschland schauen . Dafür empfehle ich Ihnen den Blick auf andere Regionen . ({1}) Grundlage dieses Sozialstaates ist natürlich - die Frau Bundesministerin hat zu Recht darauf hingewiesen - eine stabile Wirtschaft . Ohne eine stabile Wirtschaft werden wir die Leistungen, die wir erbringen, nicht finanzieren können . Ich bin der Frau Bundesministerin außerordentlich dankbar, dass sie an die Zeit von vor gut zehn Jahren erinnert hat, als es 5 Millionen Arbeitslose gab und die Situation in der Wirtschaft und bei den Sozialträgern katastrophal war . Es geht nicht darum, Schuld zuzuweisen; das wäre Unfug . Aber das soll uns daran erinnern, dass der Wohlstand, den wir im Augenblick erarbeitet haben, nicht selbstverständlich ist . Aber wir müssen daran denken, dass wir für konjunkturell schwierigere Lagen, die unzweifelhaft auf uns zukommen werden - wann und wie, wissen wir nicht; wir hoffen auch nicht, dass sie kommen; aber aufgrund der Erfahrungen in den letzten 70 bis 80 Jahren ist das quasi ein Naturgesetz -, gerüstet sein müssen, um die zukünftigen Herausforderungen zu stemmen . ({2}) Die Wirtschaft prosperiert; das ist gut . Das Ergebnis ist eine hohe Beschäftigung . Es gibt 43,5 Millionen erwerbstätige Menschen. 31,5 Millionen befinden sich in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. In Deutschland gibt es 685 000 offene Stellen, insbesondere 172 000 offene Stellen im Ausbildungsbereich. Ich war im Sommer in meinem Wahlkreis viel unterwegs . Über 50 Termine habe ich wahrgenommen . Weit mehr als die Hälfte entfiel auf Betriebsbesuche. Das Hauptproblem der Betriebe ist im Augenblick ein Thema, von dem wir vor zehn Jahren nicht gedacht hätten, dass es auf uns zukommt . Das ist der Fachkräftemangel . Zur Wahrheit gehört, dass es Betriebe gibt, die Aufträge nicht annehmen, weil sie keine Mitarbeiter finden und so nicht über ausreichende Kapazitäten verfügen . Das stellt uns vor neue Herausforderungen . Ich halte es vor diesem Hintergrund für falsch, so wie es die Opposition macht, nur den Blick auf die prekären Situationen zu richten . Wenn alles so prekär wäre, wären die Sozialversicherungen nicht so hervorragend ausgestattet . Dann hätten wir nicht solche Überschüsse in der Rentenversicherung zu verzeichnen und könnten uns im Gesundheitssystem überhaupt nicht mehr bewegen . ({3}) Ich freue mich, dass sich die Beschäftigung in vielen Bereichen positiv entwickelt . Ich will als Beispiel das deutsche Hotel- und Gaststättengewerbe nennen . Dort ist ein Aufwuchs von 260 000 neuen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen zu verzeichnen. Das entspricht einem Anstieg von 33 Prozent . In der Vergangenheit haben wir von dieser Branche eher Negatives gehört . Wir freuen uns nun mit den Beschäftigten und der Branche über diese neue Entwicklung . Wir müssen aber unseren Blick auch auf die Situation derjenigen Menschen richten, die keine Arbeit haben . 830 000 Arbeitslose haben wir im Regelkreis des SGB III . Das sind Menschen, die bis zu einem Jahr arbeitslos sind . Zudem gibt es rund 1,85 Millionen Menschen, die schon länger arbeitslos sind . Auch wenn man uns immer anderes unterstellt: Die Situation gerade der Langzeitarbeitslosen ist uns nicht gleichgültig . Aber wir stehen vor Herausforderungen, die nicht mit einem Fingerschnippen zu erledigen sind . Wenn die Arbeitslosenquote wie in meinem Wahlkreis bei 2,9 Prozent oder in bestimmten bayerischen Regionen bei 1,7 Prozent liegt, dann kann man getrost davon ausgehen, dass es nicht an den Betrieben allein liegt, wenn Langzeitarbeitslose in solchen Regionen nicht in Arbeit gebracht werden können . Hier sind wir gefordert, den Menschen zu helfen, damit sie den Weg in den Arbeitsmarkt schaffen. Das ist oft langwieriger und mühsamer, als wir uns das wünschen und es bei einer anderen Verfassung der Betreffenden der Fall wäre . ({4}) Aber wir wollen ihnen helfen, den Weg in den Arbeitsmarkt zu finden. Der Eingliederungstitel ist angepasst bzw . leicht erhöht worden . Es stehen mehr Mittel pro Langzeitarbeitslosen zur Verfügung, als das noch vor vielen Jahren der Fall war . Es liegt an uns, die Mittel richtig zu konzentrieren . Ich will den Blick insbesondere auf diejenigen richten, die es besonders schwer haben . Wir haben die Situation, dass circa 300 000 Kinder und Jugendliche in Deutschland leben, deren Eltern und Großeltern bereits von Sozialhilfe gelebt haben . Sich denen zuzuwenden und alles zu tun, dass sie mit unserer Hilfe in Ausbildung und Beschäftigung kommen und eine Lebensperspektive erhalten, halte ich für eine der zentralen Zukunftsaufgaben, die wir miteinander zu bewältigen haben . Deswegen freue ich mich, dass wir die rechtlichen Voraussetzungen dafür im Zweiten Sozialgesetzbuch mit dem neuen § 16h geschaffen haben. Ich bin gespannt, wie die zurzeit laufenden Modellprojekte bewertet werden. Ich hoffe sehr, dass dies zu einer guten Regelförderung wird . ({5}) Wenn wir einen Aufwuchs an Arbeitslosen in unserem System haben, dann hängt das damit zusammen, dass die Flüchtlinge, wenn sie anerkannt sind und aus dem Bereich des Asylbewerberleistungsgesetzes herausfallen, durch die Grundsicherung aufgefangen werden, also in den Bereich des Zweiten Sozialgesetzbuches fallen . Deswegen müssten die Ansätze in diesem Bereich erhöht werden, was auch richtig ist . Aber ich freue mich auch, dass wir alle Anstrengungen unternehmen, Flüchtlinge, die anerkannt sind, in Ausbildung und Beschäftigung zu bringen . Wir haben mit dem Integrationsgesetz beschlossen, dass die Jugendlichen, die geduldet sind, die Möglichkeit erhalten, eine Ausbildung zu machen und anschließend noch zwei Jahre beschäftigt zu sein . Ich kenne viele Betriebe, die ausbilden wollen . Es gibt eine große Bereitschaft - übrigens bevorzugt im Mittelstand -, gerade Flüchtlinge auszubilden oder zu beschäftigen, wenn die Voraussetzungen wie die Kenntnis der deutschen Sprache und die rechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen . Viele Betriebe haben das schon getan . Ich habe viele Betriebe kennengelernt, in denen das mit Erfolg läuft . Ich kenne auch Betriebe, in denen das gescheitert ist, wie es auch bei anderen Personengruppen in Deutschland gelegentlich scheitern kann . Aber grundsätzlich besteht eine große Bereitschaft . Ich meine, wir als Deutscher Bundestag sollten alles daransetzen, diesen Weg weiter zu verfolgen, weil auch die Menschen, die zu uns gewandert sind, über diesen Weg eine Perspektive erhalten und weil wir ihnen so über ihr Verweilen in Deutschland hinaus eine Perspektive mit auf den Weg geben können . Ich glaube, es ist eine wichtige Aktion, die wir hier starten . ({6}) Lassen Sie mich eine Sorge äußern . Wir haben ein Programm aufgelegt und Gelder für die Schaffung von 100 000 Stellen bewilligt, die im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes zur Verfügung gestellt werden, damit Flüchtlinge erste Schritte auf dem Arbeitsmarkt unternehmen können . Die Verwaltung liegt bei der Bundesagentur für Arbeit, die Entscheidung bei den Kommunen . Ich bitte nur sehr darum, dass die Bundesagentur für Arbeit wirklich nur ihre Verwaltung einsetzt, aber nicht den kompletten Inhalt bestimmen will . Der soll in der Hand der Kommunen bleiben, damit es nicht zu einem Reibungsverlust kommt . ({7}) Ich will, weil es ein wichtiges Thema ist, wenigstens kurz auf die Rentenpolitik eingehen . Die Daten für die Deutsche Rentenversicherung sind gut . Wir haben zurzeit einen Beitrag von 18,7 Prozent . Wir haben eine Nachhaltigkeitsrücklage von etwa 34 Milliarden Euro, trotz Rente mit 63 und Mütterrente . Das ist ein Hinweis darauf, dass unsere Beschäftigungssituation offensichtlich gut ist . Sonst hätten wir nicht die hohen Einnahmen . Wir haben ein Rentenniveau von 47,8 Prozent . Ich glaube, dass wir insgesamt mit der Rente in einer guten Verfassung sind . ({8}) Ich will eine Zahl herausgreifen: Wir haben allein im letzten Jahr einen Zugang in die Rente von 1,4 Millionen Menschen gehabt . Das sind fast 8 Prozent mehr als im Jahr davor . Der mit dieser Entwicklung einhergehende Druck auf die Rentenversicherung wird beibehalten . Wir als Deutscher Bundestag dürfen vor dieser Entwicklung die Augen nicht verschließen . Ich bin sehr dafür, für die Menschen etwas zu tun, die 40 oder 45 Jahre gearbeitet, Kinder erzogen und alte Eltern gepflegt haben, Vollzeit beschäftigt waren und dennoch eine Rente bekommen, die unterhalb der Grundsicherung liegt . Das können wir den Menschen auf Dauer nicht zumuten . Hier brauchen wir eine Regelung, die mit den unterschiedlichen Sozialsystemen konform ist . An diesem Punkt wird zurzeit gearbeitet . Aber ich bin auch dafür, darüber nachzudenken, wie die Ost-West-Angleichung funktionieren kann . ({9}) In dieser Frage geht es auch um Klarheit und Wahrheit . Zur Klarheit gehört neben all den Fragen der Anpassung auch die Frage, was das für die jungen Menschen, die in den fünf betroffenen Bundesländern wohnen, bedeutet. Zu bedenken sind alle Auswirkungen, etwa, dass wir eine Spreizung haben zwischen den realen Gehältern im Westen und im Osten und dass eine höhere Ostrente durch die Besteuerung dieser Gehälter mitfinanziert werden muss. Wir stehen hier vor Fragen, die nicht ideologisch zu beantworten sind; eine ideologische Herangehensweise haben wir lange genug erlebt . Frau Lötzsch, das diskutieren wir nicht seit 25 Jahren, ({10}) sondern erst jetzt, weil bei der deutschen Einheit von Anfang an klar war, dass die unglaubliche Leistung, die die deutsche Rentenversicherung West bei der deutschen Einheit erbracht hat, zwar irgendwann einmal zu dem Ergebnis führen wird, dass es in Ost und West gleiche Renten gibt, dass wir uns dafür aber, wie jeder weiß, Zeit lassen müssen . Ich plädiere sehr dafür, dass wir uns an das halten, was wir im Koalitionsvertrag 2013 festgelegt haben . Das heißt, dass wir uns anschauen, wie die Situation 2019 sein wird . Mit dem Auslaufen des Solidarpakts wollen wir annähernd gleiche Lebensverhältnisse haben . Deshalb schauen wir uns Ende 2017 und 2018 die Situation an und schauen, wie die Renten weiter anzupassen sind und welche Schritte zu gehen sind . Ich glaube, es gehört zur Klarheit und zur Konsequenz, dass wir das Rentensystem auch unter diesen Gesichtspunkten betrachten . Ich weiß, dass das emotional hoch beladen ist, und ich weiß, dass Rentenpolitik hochkomplex ist . Wir haben erlebt, zu welchen Ergebnissen der Versuch, komplexe Systeme einfach zu erklären, am letzten Sonntag geführt hat . In diesem Fall halte ich es aber für notwendig, diese komplexen Systeme wirklich zu erklären und den Menschen näherzubringen . Man sollte nicht sagen, dass es eine böse Absicht des Deutschen Bundestages ist, die Schritte nicht sofort zu vollziehen . In unserer Fraktion ringen wir um den richtigen Weg . ({11}) Lassen Sie mich noch einen Hinweis geben . Es wird von anderer Seite immer wieder geäußert, wir seien dabei, die jüngere Generation auf Dauer gesehen zu überfordern . Zur Generationengerechtigkeit gehört auch, die jüngere Generation in den Blick zu nehmen . Aber lassen Sie mich hier wenigstens die Randnotiz mitteilen, dass Jahr für Jahr etwa 25 Milliarden Euro von der jetzigen Rentnergeneration an ihre Kinder oder ihre Enkel weitergegeben werden .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Karl Schiewerling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003839, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Was glauben Sie, wie dies zu einem innergesellschaftlichen, familiären Frieden beiträgt! Ohne unsere Familien ist keine Sozialpolitik zu machen, ohne unsere Familien ist auch kein Staat zu machen, und ohne unsere Familien gibt es auch keinen Zusammenhalt . Als Union sollten wir dies unterstützen . Es geht um Personalität, es geht um Solidarität, und es geht um Subsidiarität . Ich glaube, dass wir diesen Dreiklang behalten wollen . Herzlichen Dank . ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Es gab zwei Wünsche nach Zwischenfragen . Herr Schiewerling, mein zaghafter Versuch, Sie zu unterbrechen, um Sie zu fragen, ob Sie sie zulassen, ist gescheitert . ({0}) - Gut, dann erhalten jetzt die beiden Abgeordneten, die eine Zwischenfrage stellen wollten, das Wort zu einer Kurzintervention . Herr Schiewerling wird die Gelegenheit erhalten, zu entgegnen . Herr Kurth, Sie haben das Wort .

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie diese Kurzintervention noch zulassen . - Ich habe angesichts der 14 Minuten Redezeit, die Herrn Schiewerling zur Verfügung standen, mit mir gerungen, ob ich mich überhaupt zu Wort melden soll . Aber als Sie, Herr Schiewerling, ausholten, um über die Angleichung der Renten in Ost und West und von der damit verbundenen Komplexität zu sprechen, wurde mir klar, dass wirklich nichts von den Plänen beleuchtet wurde . Beantworten Sie doch einfach einmal zwei ganz klare Fragen . Erstens . Kommt nach dem Willen der Union noch in dieser Legislaturperiode der Gesetzentwurf? ({0}) Oder was heißt, man müsse lange überlegen? Zweitens . Ganz konkret: Wollen Sie die Höherwertung der Ostbeiträge 26 Jahre nach der deutschen Einheit auch endlich ad acta legen, damit 1 Euro Beitragszahlung aus dem Osten genauso viel Rente bringt wie 1 Euro Beitragszahlung aus dem Westen? ({1})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Schiewerling .

Karl Schiewerling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003839, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben gehört, Herr Kollege Kurth: Bei Ihren Oppositionskollegen von der Linken darf das nicht „Höherwertung“ heißen, sondern es muss „Umwertung“ heißen . ({0}) Da müssen Sie vorsichtig sein . Aber ich stimme mit Ihnen überein: Es ist eine Höherwertung . Wir werden eine Anpassung nicht hinbekommen, ohne dass die Höherwertung entfällt, ({1}) weil wir sonst eine riesige Ungerechtigkeit zwischen Ost und West erhalten . Das ist etwas, das nicht eintreten darf . Diese Gefahr besteht latent . Alle Rentenfachleute, die nicht populistisch argumentieren, wissen auch, wie kompliziert die Situation ist . ({2}) Da ich Sie für einen sehr sachkundigen Kollegen halte, gemeinsam mit dem Kollegen Strengmann-Kuhn und anderen, weiß ich, dass Sie das wissen und deswegen auch kein Interesse daran haben, dass wir gemeinsam einen Gesetzentwurf vorlegen, der unter dem Strich den von mir formulierten Ansprüchen nicht genügt . Es ist nun einmal so, dass wir innerhalb der Union in dieser Frage unterschiedliche Ansätze haben, aber nicht deshalb, weil es um Machtkämpfe geht, sondern deshalb, weil sich die gemeinsame Sorge darauf richtet, im Sinne von Klarheit und Konsequenz die richtige Entscheidung zu treffen. ({3})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Kollege Birkwald .

Matthias W. Birkwald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004012, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Kollege Schiewerling, ich habe mich gemeldet, als Sie von der Komplexität des Rentensystems gesprochen haben und davon, dass man schwierige Sachen auch erklären muss . Das würde ich jetzt gern einmal tun und Ihnen sagen, warum wir Linken dagegen sind, dass der Rentenwert Ost auf den allgemeinen Rentenwert, auch „Rentenwert West“ genannt, angehoben wird und die Umrechnung dann gestrichen wird . ({0}) Das bedeutet nämlich, dass glücklicherweise dann zwar die Menschen, die heute in Rente sind, endlich die gleiche Rente bekommen wie die Menschen im Westen; aber das ist nach Ihrem bisherigen Vorschlag mit drastischen Rentenkürzungen bei denjenigen erkauft, die heute noch arbeiten . Ich will Ihnen die Zahlen gern vortragen . Heute bekäme man nach Status quo, mit Umrechnung, also mit Gleichbehandlung des Lohns, zum Beispiel von einer Floristin oder einem Fleischer oder einer Bäckerin in der Rentenversicherung, nach 45 Jahren Arbeit 950 Euro Rente . Das, was jetzt als Gesetzentwurf auf dem Tisch liegt, würde bedeuten, dass diese Menschen Quelle: Verdiensterhebung, Statistisches Bundesamt, erstes Quartal 2016 - nur noch 880 Euro Rente bekämen . Das heißt, die Menschen würden in Zukunft 70 Euro weniger Rente bekommen als heute nach Status quo . Das muss man hier aufklärerisch deutlich sagen . ({1}) Wir Linken sagen: Die Umrechnung muss so lange erhalten bleiben, bis die Löhne und Gehälter bei 95 Prozent, 96 Prozent des Westniveaus sind; erst dann kann man die Umrechnung abschaffen. Das würde bedeuten, dass nach unserem Vorschlag die Rente für die Menschen im Osten, die heute noch arbeiten, wenn sie ungelernte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind, auf 1 010 Euro steigen und eben nicht sinken würde . ({2}) Wenn Sie das alles machen, dann sagen Sie den Menschen: Ja, wir geben den Rentnerinnen und Rentnern heute mehr Geld - das finde ich gut -, aber die Jüngeren müssen es mit drastischen Rentenkürzungen bezahlen . Ich glaube nicht, dass Sie das wollen . Sie sprachen eben von Linkspopulismus . Ich stelle fest, dass Ihr Kollege stellvertretender Fraktionsvorsitzender Arnold Vaatz Sie alle in der Union davor warnt, die Umrechnung jetzt abzuschaffen. Ich stelle fest, dass der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, und der Ministerpräsident von Sachsen, Herr Tillich, ebenfalls dieser Meinung sind . Ich sage Ihnen: Drei Menschen in Ihrer Fraktion bzw . Partei haben die Ostrente echt verstanden . Hören Sie auf die drei! Herzlichen Dank . ({3})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Schiewerling .

Karl Schiewerling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003839, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Birkwald, Sie machen es mir wirklich schwer . Drei aus unserer Fraktion und Partei haben es verstanden - so haben Sie gesagt -, aber die drei haben leider etwas Unterschiedliches verstanden . Wir müssen nämlich sehen - das ist ein Teil meines Beitrags vorhin gewesen -, dass wir in unserer Partei, in unserer Parteienfamilie, über diese Frage noch Klärung herbeiführen müssen, weil die Ansätze unterschiedlich sind . Ich habe vorhin schon dem geschätzten Kollegen Kurth gesagt, dass ich zugestehe, dass diese Ansätze unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit und der Frage „Wie gehen wir innerhalb Gesamtdeutschlands mit dieser Frage um, damit wir keine neuen sozialen Ungerechtigkeiten schaffen und zu entsprechenden Lösungen kommen?“ betrachtet werden müssen . Ich gestehe auch zu, dass es, wenn wir das alles sofort umsetzen würden, ein Finanzierungsproblem gäbe, weil natürlich jeder erwartet, dass aus dem Bundeshaushalt da sofort mehrere Milliarden Euro reinfließen. ({0}) Das ist aber so ohne Weiteres nicht zu gestalten; auch das gehört zur Wahrheit . Deswegen schauen wir uns das an . Die Bundesarbeitsministerin hat dankenswerterweise in dieser Frage Vorschläge erarbeitet . Wir werden uns damit beschäftigen, und irgendwann wird es zu einem Gesetzentwurf kommen . ({1})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Wir fahren in der Debatte fort . Als nächste Rednerin hat Ekin Deligöz von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .

Ekin Deligöz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003068, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Etat des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales hat mit 139 Milliarden Euro das größte Volumen innerhalb des Bundeshaushalts . Allerdings sind die Spielräume in diesem Haushalt bei weitem nicht so groß, wie es die Summe vermuten lässt, weil zentrale Leistungen wie Arbeitslosengeld II, Rentenzuschüsse und Altersgrundsicherung einen ganz großen Teil der Mittel verschlingen . Wir wissen, dass dieser Bereich nicht erst in den kommenden Jahren, sondern wahrscheinlich schon bis zum Abschluss dieses Haushaltes noch anwachsen wird aufgrund der steigenden Sozialleistungen und der Rechtsansprüche, die dahinterstehen . Das lässt sich, ehrlich gesagt, auch rechtfertigen und hier vertreten, weil es um Grundsätze geht . Welche sind das? Dieser Einzelplan beinhaltet die Leistungen, die diese Gesellschaft zusammenhalten . Existenzsicherung und Teilhabemöglichkeiten sind der Kitt, der eine demokratische Gesellschaft zusammenhält . Das müssen wir hier hochhalten, wahren und verteidigen . Herr Schiewerling, zu Beginn Ihrer Rede haben Sie gesagt, dass es, wenn man hieran Kritik übe, immer sofort um sozial oder unsozial gehe, und dass Armut woanders doch viel schlimmer sei als hier . Nein, das ist der falsche Ansatz . Der Ansatz ist doch, zu sagen: Gerade wir haben die Verpflichtung, soziale Gerechtigkeit in diesem Haushalt abzubilden . Es geht nicht um sozial oder unsozial, sondern es geht darum, ob es auch den künftigen Generationen gut geht, und darum, was wir tun können, dass es ihnen gut geht . Wenn Sie davon reden, was Armut in diesem Land ist, und die Familie hochhalten, dann sage ich: In diesem Land ist Armut jung und weiblich. Es trifft die alleinerziehende Mutter, es trifft das Kind, das in Armut heranwächst . Auch die alleinerziehende Mutter mit Kind ist Familie . Das ist auch Familienpolitik . Deshalb müssen wir genau hinschauen und alles Erdenkliche tun, damit wir Armut - sie ist immer subjektiv - in diesem Land offensiv bekämpfen. Für die betroffenen Menschen müssen wir uns einsetzen . Das ist unser großer Auftrag . ({0}) Weil es um den sozialen Zusammenhalt, um Existenzsicherung und Teilhabemöglichkeiten geht, sage ich: Gerade weil es uns in Deutschland so gut geht, wäre doch in diesem Haushalt viel mehr drin gewesen . Das ist eine berechtigte Kritik, die Sie sich anhören müssen . Ich gebe Ihnen einmal ein paar Beispiele dazu: Sie haben, Frau Ministerin, gesagt, was Sie alles tun, damit der Arbeitsmarkt funktioniert . Ja, es stimmt, die Arbeitslosigkeit ist niedrig . Die Anzahl der Langzeitarbeitslosen ist aber nach wie vor sehr hoch, und zwar wirklich alarmierend hoch . Es reicht nicht, was Sie da gemacht haben . Schauen wir uns einmal an, wie es bei den Jobcentern aussieht . Die Ausgaben bleiben immer noch strukturell gedeckelt . Die Anpassung für die Flüchtlinge macht das nicht wett . Vielmehr verschlingen die Verwaltungskosten immer mehr Mittel aus den Eingliederungsmaßnahmen . Für das Jahr 2015 reden wir da über 600 Millionen Euro . Gleichzeitig müssen die Jobcenter eine GMA von 100 Millionen Euro zusätzlich erbringen . Das kann doch nicht richtig sein, wenn es darum geht, Langzeitarbeitslosigkeit in diesem Land offensiv zu bekämpfen. ({1}) Nehmen Sie als Beispiel den Bereich Entbürokratisierung der Arbeit in den Jobcentern . Es hat vorne und hinten nicht funktioniert . Die Rechtsvereinfachung hat nicht funktioniert . Sie machen zwar ein Programm nach dem anderen, aber die Nachhaltigkeit bleibt auf der Strecke . Wenn Sie wirklich etwas gegen Langzeitarbeitslosigkeit unternehmen wollen, dann seien Sie endlich einmal konsequent . Investieren Sie in Eingliederungsmaßnahmen . Schaffen Sie Modelle für die Menschen wie den Passiv-Aktiv-Transfer . Das würde nicht nur bedeuten, dass die Hilfe bei den Menschen ankommt, sondern das würde auch Bewegung auf diesen Markt bringen . Das wäre konsequent . ({2}) Stichwort „Altersarmut“ . Sie haben jetzt ein bisschen Geld eingestellt . Sie sagen, dass die Altersarmut um 8 Prozent pro Jahr zunimmt . Diese Annahme kann ich so bestätigen . Im nächsten Jahr werden wir 7,2 Milliarden Euro für die Grundsicherung im Alter diesem Bereich ausgeben . Im Jahr 2020 reden wir übrigens schon über 9,2 Milliarden Euro, die wir dafür ausgeben . Sie haben ganz lange nichts gemacht . Kurz vor Schluss machen Sie noch eine Lebensleistungsrente . Aber Sie glauben doch selber nicht daran, dass die Lebensleistungsrente wirkt . Warum? Sie stellen bei der Grundsicherung eine Entlastung von gerade einmal 22 Millionen Euro ein . Wenn es ein wirkungsvolles Programm sein soll, das Menschen aus der Grundsicherung holt, dann würden Sie doch nicht so wenig einstellen, dann würden Sie doch eine adäquate Summe einstellen . Das tun Sie aber nicht, also glauben Sie auch nicht daran, also bringt das auch nichts . Hier geht es nicht um Zahlenhuberei, sondern es geht darum, dass Menschen, die gearbeitet haben, an ihrem Lebensende von der Rente nicht mehr leben können . Es geht um Würde, es geht um Existenz und um Teilhabe . Seien Sie konsequent! Legen Sie uns etwas vor, worüber es sich lohnt, zu reden, damit wir über Altersarmutsbekämpfung reden können, und nicht nur das Zahlenspielchen, das Sie hier vorlegen . ({3}) Im Bereich Flüchtlingsintegration haben Sie endlich einmal Ihre Annahmen angepasst . Das ist gut so . Sie werden auch noch ein paar Modelle zur Sprachförderung und zur Arbeitsmarktmigration vorlegen . Gleichzeitig holen Sie das ein; denn heute lese ich in der Zeitung, dass Sie an anderer Stelle wieder kürzen können . Entweder Sie haben begriffen, dass wir in diesem Land investieren müssen, damit Integration auch gelingt, oder Sie wollen es eigentlich gar nicht und laufen den Populisten hinterher . Sie sind unentschieden . Wir werden es sehr kritisch beäugen, Frau Ministerin . Konsequent sind Sie hier nicht . ({4}) Enttäuschend ist übrigens auch die Vorlage zum Bundesteilhabegesetz . Dazu gibt es ein gesondertes Gesetzgebungsverfahren . Das werden wir uns genau anschauen . Ich hoffe sehr, dass die 5 Milliarden Euro bei den Kommunen ankommen . Darauf wird es hinauslaufen . Mein Vertrauen fehlt leider noch . Aber wir werden es im Haushaltsverfahren sehen . Frau Präsidentin, erlauben Sie mir bitte zum Schluss, noch ein Wort des Dankes auszusprechen . Weiter hinten im Einzelplan gibt es einen Titel „Hilfen für Betroffene, die als Kinder und Jugendliche in Heimen der Behindertenhilfe bzw . stationären psychiatrischen Einrichtungen Leid und Unrecht erfahren haben“ . Es war ein Auftrag des Bundestages an das Ministerium, hier ein Hilfesystem aufzubauen . Es gab lange Debatten, sowohl mit den Kirchen als auch mit den Ländern . Ich weiß, dass die Verhandlungen sehr lange und sehr hart waren . An dieser Stelle Dank an Ihr Haus, an Ihre Mitarbeiter und auch an Sie, dass Sie das durchgehalten haben . Wir haben jetzt ein System, das demnächst startet . Das ist gut, und es ist wichtig für dieses Land . Es ist auch ein starkes Symbol, dass die Ergebnisse der parlamentarischen Beratungen von Ihnen so umgesetzt werden . Vielen Dank dafür . ({5})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächster Redner spricht Ewald Schurer für die SPD-Fraktion . ({0})

Ewald Schurer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden bei solchen Debatten über Sozialstaatlichkeit über unsere Gesellschaft lernen müssen - nicht nur vor dem Hintergrund des Wahlergebnisses vom letzten Sonntag in Mecklenburg-Vorpommern -, dass wir den Menschen die sozialen Prozesse in der Gesellschaft näherbringen, auch in Sprache und Verständlichkeit, um diesen provoEkin Deligöz kativen und strategisch gezielten giftigen Pfeilen eines Rechtspopulismus mit Fakten zu entgegnen . Das ist eine ganz wichtige Sache . Hier bin ich ganz bei Frau Ministerin, die das am Anfang intoniert hat . Wir haben zurzeit eine enorm starke volkswirtschaftliche Leistung . Das kann man mit den Höchstständen am Arbeitsmarkt hinsichtlich der Beschäftigung im sozialversicherungspflichtigen Bereich belegen. Das kann man mit den historisch niedrigen - leider doch vorhandenen, gerade was die Langzeitarbeitslosigkeit angeht; das ist richtigerweise gesagt worden -, guten Werten am Arbeitsmarkt begründen . Da gibt es eine ganz wichtige Dualität . Auf der einen Seite ist die Wirtschaft in einer sehr guten Verfassung, mit hoher Wertschöpfung . Nur deswegen sind wir in der Lage, in der Sozialpolitik - hier verstehe ich die Kritiken; aber es ist einfach so, liebe Kollegin Deligöz - den Haushalt 2017 um immerhin 8,7 Milliarden Euro zu steigern . Das ist eine enorme Leistung . Das muss man nicht nur aussprechen können, sondern man muss auch sehen, wohin das Geld geht . Deswegen sage ich: Es gibt verschiedene Begriffe, was Investitionen sind . Für mich ist dieser Haushalt eine Investition ganz und gar für die Menschen in zwei ganz großen Blöcken: auf der einen Seite am Arbeitsmarkt, um die richtigen Impulse zu setzen, auf der anderen Seite bei der Alterssicherung, über die wir uns im Herbst noch einmal ganz intensiv unterhalten müssen . Man muss bei aller Kritik - die Botschaft setzen können, dass diese Bundesregierung im sozialpolitischen Bereich Enormes leistet . ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es sind Strukturdaten, die ich genannt habe; der Arbeitsmarkt hat sich nochmals verbessert . Die Welt, die sozialpolitischen Prozessen ja nicht immer automatisch sehr positiv gegenübersteht, titelt heute, am 8 . September 2016: „Deutschland hat aus Misserfolgen bei der Integration gelernt“ . Sie zitiert einen OECD-Bericht, der dezidiert sagt, dass sich die Voraussetzungen für eine gelungene Integration heute besser darstellen als vor einem Jahr . Es ist zwar so, dass grundsätzlich Flüchtlinge, Menschen, die zu uns gekommen sind, größere Schwierigkeiten haben, am Arbeitsmarkt zu punkten, aber es sind viele Maßnahmen geschaffen worden, vom Integrationsgesetz bis zu den 100 000 Arbeitsgelegenheiten, die mit 300 Millionen Euro in diesem Haushalt unter aktiver Arbeitsmarktpolitik finanziert werden. Wir haben daher selbst von der OECD in einem ersten Jahr ganz besonderer Belastungen ein gutes Zwischenzeugnis bekommen: Von der Bundesregierung werden die richtigen Maßnahmen aufgelegt . ({1}) Keine Frage: Die aktiven Arbeitsmarktleistungen steigen in diesem Haushalt immerhin auf 9,18 Milliarden Euro; die passiven - darüber hat der Kollege Schiewerling bereits gesprochen; das sind die Rechtsansprüche - liegen insgesamt bei 28,5 Milliarden Euro . Wir erleben einen guten Arbeitsmarkt und setzen bei den Maßnahmen an den richtigen Stellen an . Die BA, die Bundesagentur für Arbeit, sagt: Es ist bei der Integration von Menschen ganz klar, wir brauchen vermehrte Sprachförderung, Qualifikationsmaßnahmen auf allen Leistungsebenen - dazu gehören auch diese 100 000 Arbeitsgelegenheiten für noch nicht anerkannte Flüchtlinge -, und wir brauchen natürlich auch eine fachlich gute Beratung für Ausbildung und Arbeitsvermittlung . Mein Fazit an dieser Stelle ist: Dieser Haushalt - das ist eine wichtige Botschaft nach draußen - tut allgemein viel am Arbeitsmarkt . Er spielt nicht die Menschen, die bisher Hilfe gebraucht haben, gegen die neu ankommenden Menschen in der Integration aus, sondern er ergänzt mit ganz spezifischen Maßnahmen für jene, die es am schwersten haben - für die Migranten -, die bisherige sehr gute Arbeitsmarktpolitik . Wir spielen niemanden gegeneinander aus, sondern wir versuchen, additiv für die Menschen etwas zu tun, die es bisher in unserer Gesellschaft schwer hatten, und wir tun etwas Spezielles für die Menschen auf dem Gebiet der Migration . Das halte ich für eine wichtige Botschaft, die man auch draußen nicht laut genug sagen kann, um dem unsäglichen Rechtspopulismus und anderen Brunnenvergiftern etwas zu entgegnen . Meine Damen und Herren, das Kapitel Rente ist hier ebenfalls bereits sehr intensiv angesprochen worden . Auch dafür gilt: Man muss erklären können, worum es geht . Es geht um 21 Millionen Menschen, die im Augenblick in Deutschland Rente beziehen . Es geht beispielsweise darum, zu wissen - nach einer Studie, die im November 2015 in einer Drucksache veröffentlicht wurde -: Die Basis ist die gesetzliche Rentenversicherung . Sie wird zu 75 Prozent aus Beiträgen und zu 25 Prozent aus Bundeszuschüssen gespeist . Es gibt dabei sicherlich eine steigende Tendenz im Vollzug der von uns beschlossenen Gesetze . Die Ausgaben der Rentenkassen sind zu 90 Prozent originär die Renten selbst, 6,5 Prozent gibt die gesetzliche Rentenversicherung in Zuschüsse für die Krankenversicherung der Rentner, und 2,2 Prozent sind für die Erhaltung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit da . Dies alles sind Dinge, die man draußen gut erklären muss . Dass wir insgesamt beim größten Block des Haushaltes mit 98,4 Milliarden Euro im Jahr 2017 5 Milliarden Euro mehr ausgeben werden, ist eine wichtige Information . Davon entfallen auf die allgemeine Rentenversicherung 67,8 Milliarden Euro, auf die knappschaftliche Rentenversicherung 5,5 Milliarden Euro und auf die Grundsicherung im Alter und die Erwerbsminderung 7,2 Milliarden Euro . Für die Beitragszahlungen für Kindererziehungszeiten sind es immerhin 13,2 Milliarden Euro, und die Zuschüsse auf Rentenversicherungsbeiträge für die Behindertenwerkstätten betragen 1,3 Milliarden Euro . Das sind enorme Ausgaben, die den größten Teil dieses Bundeshaushaltes ausmachen . Es ist schon wichtig - was auch von der Linken angesprochen worden ist -, zu wissen: Wie sind die Alterseinkünfte der Menschen zusammengesetzt? Dabei gibt es einen in der Tat signifikanten Unterschied. Während die Menschen in Deutschland insgesamt durchschnittlich 64 Prozent ihres Alterseinkommens aus der gesetzlichen Rentenversicherung und 21 Prozent aus anderen Alterssicherungsleistungen beziehen, ist es in Ostdeutschland, in den neuen Ländern, in der Tat so, dass die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung 91 Prozent des Alterseinkommens ausmachen . Das muss man bei den Überlegungen zur Rente in Ost und West berücksichtigen; das gehört dazu . Wir werden im Herbst ein Alterssicherungskonzept vorlegen und über die künftigen Aufgaben der Rentenversicherung reden . Ich sehe es schon so: Es spricht etwas dafür, ganz gezielt Altersarmut zu bekämpfen . Gute ökonomische Leistungsdaten sind das eine; aber eine gezielte Bekämpfung der Altersarmut auch im Rahmen der Rentenversicherung ist für mich ein ganz großes Thema . Ich blicke der Diskussion darüber mit großem Interesse entgegen . Ein letzter Punkt . Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, der mich immer wieder überrascht nicht gerade bei seinen Aussagen zu Migration und Flüchtlingen -, hat im April dieses Jahres gefordert, im Rahmen einer umfassenden Rentenreform ganz gezielt Altersarmut zu bekämpfen . Da warte ich mal ab, was von der CSU aus München kommt, um diese wichtige Diskussion für die Zukunft zu befruchten . In diesem Sinne herzlichen Dank . ({2})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Klaus Ernst von der Fraktion Die Linke das Wort . ({0})

Klaus Ernst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003753, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an den großen Volksschauspieler Helmut Qualtinger erinnern können . ({0}) In einem Sketch versucht er, seinen Freund davon zu überzeugen, dass er zur Wahl geht . Er sagt: Du musst zur Wahl gehen . - Der Freund sagt: Warum soll ich das denn machen? - Da sagt er: Bei einer Wahl erfährt der Politiker, was das Volk von ihm hält . - Dann sagt der Freund: Was? Und das stört den nicht? ({1}) Schauen wir uns einmal das Wahlergebnis von Mecklenburg-Vorpommern an . Wissen Sie, es gibt einen eklatanten Unterschied zwischen dem, wie wir hier über das diskutieren, was wir tun - wir finden das alle großartig, wir klopfen uns so sehr auf die Schulter, dass man manchmal meint, wir bekommen einen Schaden -, und dem, wie es der Bürger wahrnimmt. Offensichtlich sehen es die Bürger anders; sie sehen es gar nicht so positiv . Ich glaube, für das Wahlergebnis ist auch ein Stück weit die reale Lage derer verantwortlich, für die wir uns eigentlich insbesondere in der Sozialpolitik engagieren . Deshalb ist es schon nötig, dass wir uns ein Stück weit damit beschäftigen, wie unsere Sozialpolitik real ankommt . Wenn wir die Realität beobachten, dann sehen wir: Zunehmend droht Altersarmut . Wir wissen das, wir diskutieren darüber, aber wir haben keine Lösungen, sondern reden nur . ({2}) Die Menschen, die es betrifft, warten auf Lösungen, aber die kommen nicht . Meine Damen und Herren, die Renten wurden in diesem Jahr deutlich erhöht - einverstanden! Aber wir wissen, dass das Rentenniveau weiter sinken wird - das wissen die auch . Und wir diskutieren darüber, ohne entsprechende Lösungen zu bieten . Die Regelsätze im Hartz-Bezug haben wir um 5 Euro erhöht. Das finden die Betroffenen sicherlich klasse, sagen: Toll, eine richtig schöne Erhöhung . Auf der anderen Seite wissen wir auch, dass das Vermögen der 500 reichsten Deutschen um 8,7 Prozent angestiegen ist . Sie verfügen inzwischen über ein Vermögen von 723 Milliarden Euro . Das merken die Menschen . Sie fragen sich nicht nur, wie wir darüber diskutieren, sondern sie fragen sich, was in der Sozialpolitik bei ihnen ankommt . Meine Damen und Herren, 2,5 Millionen Kinder in Deutschland - das entspricht 19 Prozent - waren 2015 von Armut betroffen, insbesondere Kinder von Alleinerziehenden, meist Frauen, die mit ihrem Geld kaum über die Runden kommen . Sie hören, dass wir darüber debattieren, aber solange sie hier keine Lösungen und keine reale Veränderung ihrer Situation erfahren, ist die Gefahr groß, dass sie sich weiter von uns, von den Parteien, die hier vertreten sind, abwenden . Deshalb sage ich: Wir müssen bei diesen Fragen grundsätzlich etwas ändern . Jetzt weiß ich auch, Frau Nahles - ich sehe Sie da gerade sitzen -, dass Sie vieles ändern wollen, übrigens auch Sie von der Sozialdemokratischen Partei, übrigens auch der eine oder andere von der CDU/CSU - das will ich gar nicht leugnen -, aber insgesamt wird deutlich: Eine wirkliche, reale Verbesserung der Situation derer, über die ich jetzt gesprochen habe, haben Sie nicht zustande gebracht . Jetzt können Sie sagen: Sie in der Opposition ja auch nicht . - Richtig, das stimmt . Wir haben tolle Forderungen, aber kriegen sie nicht umgesetzt . Vielleicht muss man dann auch einmal über andere Koalitionen nachdenken, in denen wir diese Forderungen umsetzen können, meine Damen und Herren . Vielleicht ist das eine Lösung . ({3}) Meine Damen und Herren, ja, Sie haben den Mindestlohn eingeführt . Wir wissen, dass er zu gering ist . Sie haben auf unsere Anfrage geantwortet, Frau Nahles: 11,68 Euro müsste er betragen, damit niemand in Altersarmut landet bzw . niemand eine Rente hat, die unter dem Sozialhilfesatz liegt . Das wissen wir . Aber wir wissen auch, dass nichts passiert, und das wissen auch die Menschen . 25 Prozent der Beschäftigten arbeiten im Niedriglohnsektor . Ursache dafür waren die sogenannten Arbeitsmarktreformen, zu denen ich aus aktuellem Anlass etwas sagen muss . Wir haben eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, weil wir wissen wollten, wie es um die Leiharbeit bestellt ist . Die Antwort aus Ihrem Ministerium, Frau Nahles, ist: Die Zahl der Leiharbeiter nimmt zu und liegt inzwischen auf Rekordniveau . 961 000 Menschen sind aktuell in Leiharbeit beschäftigt, 100 000 Menschen mehr als 2013 . Das Einkommen derer beträgt im Schnitt 1 700 Euro, normale Beschäftigte verdienen 2 960 Euro . Das ist ein Minus von 1 260 Euro gegenüber einem normalen Beschäftigten . ({4}) Seit ich im Bundestag sitze, also seit zwölf Jahren, diskutieren wir über das Thema Leiharbeit . Wir haben es in zwölf Jahren nicht hinbekommen, ein ordentliches Gesetz zu verabschieden, damit gilt: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit . Das ist ein Skandal . Wir müssen nicht auf die AfD zeigen, auf uns müssen wir zeigen, weil wir es nicht hinbekommen haben, und mit Ihrem Gesetz, Frau Nahles, bekommen Sie es auch nicht hin . ({5}) 75 Prozent derer, die in Leiharbeit beschäftigt sind, sind weniger als neun Monate im selben Betrieb, das heißt, nur 25 Prozent sind über neun Monate im selben Betrieb . Jetzt wollen Sie ein Gesetz verabschieden, das vorsieht, dass ab neun Monaten gleicher Lohn für gleiche Arbeit gezahlt werden soll, bei entsprechenden Tarifverträgen gegebenenfalls erst später . Das heißt, dass dieses Gesetz wieder an 75 Prozent der Betroffenen total vorbeigeht . Warum machen wir es nicht wie in Frankreich? Dort gilt: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ab der ersten Stunde plus einem Flexibilitätszuschlag . Dann gibt es auch weniger Leiharbeit, Frau Nahles, dann haben Sie das Problem in dieser Form nicht mehr . ({6}) Wenn Sie es mit Ihren Leuten nicht hinbekommen: Wir stimmen zu, wenn Sie einen solchen Vorschlag machen; die Grünen wahrscheinlich auch . Meine Damen und Herren, was Sie hier vorlegen, bedeutet in einem Punkt sogar eine massive Verschlechterung - Sie wissen das -, und zwar bei den Werkverträgen . Bisher konnte jemand, der einen Werkvertrag hat, wenigstens klagen, wenn er Zweifel hatte, ob das alles so richtig ist, was er bisher hat . Künftig soll durch eine Erklärung des Arbeitnehmers in einem solchen Arbeitsverhältnis ausgeschlossen werden, dass er seinen Arbeitgeber dazu zwingen kann, ihn ordentlich einzustellen . Alle Arbeitsrechtsexperten sagen uns, dass wir recht haben, und ich weiß, dass auch Sie es wissen, Frau Nahles, jetzt tun Sie doch nicht so . Die Experten haben recht . Trotzdem bleiben Sie bei Ihrer Haltung . Ich komme zum Schluss . ({7}) Wenn wir die Probleme, die es in unserem Land gibt, nicht wirklich angehen, dann werden wir in die Situation geraten, dass sich die Menschen noch weiter von uns abwenden, und das will hier keiner . Ich nehme niemanden so wenig wichtig, dass ich ihm nicht abnehme, dass er etwas ändern will . Aber wenn es uns nicht gelingt, die reale Situation zu verändern, sondern wir weiterhin immer nur Erklärungen abgeben - was die Rente angeht, was die sozialen Zustände für Frauen und Alleinerziehende angeht -, dann haben wir mit der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Ich hoffe, dass uns anderes und mehr erspart bleibt . ({8})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Stephan Stracke von der CDU/CSU das Wort . ({0})

Stephan Stracke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004169, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Gute Arbeitsmarktpolitik ist gute Sozialpolitik . Klaus Ernst hat hier ein Zerrbild der Realität gezeichnet . Das ist Ausdruck der Politik der Linken, hier meistens das darzustellen, was Populismus vermeintlich auslöst . Aber tatsächlich ist die Realität in diesem Land eine ganz andere . Der Haushalt des Bundesarbeitsministeriums steht dafür . Er steht für den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft . Der Grund hierfür ist eine gute Arbeitsmarktlage . Der Arbeitsmarkt ist robust, und davon profitieren vor allem diejenigen, die es oftmals deutlich schwerer auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt haben: das sind die Langzeitarbeitslosen, die Älteren, die Personen mit Handicap, und zwar überproportional . Deswegen ist es gut, dass wir eine so gute Arbeitsmarktpolitik machen . Es profitieren vor allem diejenigen, die aus dem Erwerbsleben schon ausgeschieden sind, weil sie Rentnerinnen und Rentner sind . Jetzt haben wir die höchste Rentenerhöhung seit über 20 Jahren . Das zeigt: Was wir als Große Koalition tun, ist die beste Sozialpolitik . ({0}) Dass eine solche Arbeitsmarktlage alles andere als ein Selbstläufer ist, ist selbstverständlich . Deswegen müssen wir darauf achten, dass die Entwicklung so bleibt, wie sie ist . Der Mindestlohn wird zum 1 . Januar 2017 zum ersten Mal erhöht . Er wird festgelegt durch die Mindestlohnkommission, nicht durch die Politik, sondern durch die Tarifvertragsparteien . Das ist gut und richtig . Wir stehen für einen angemessenen Mindestschutz für die Arbeitnehmer, für faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen, und eben auch für einen Mindestlohn, der Beschäftigung nicht gefährdet - bei all diesen Diskussionen muss man das mit in den Blick nehmen . Die Evaluation steht noch aus, und wir haben noch viele Baustellen, gerade im Mindestlohnbereich . Vieles wurde angekündigt, allerdings noch nicht umgesetzt: rechtssichere und verlässliche Lösungen für ehrenamtlich Tätige, Arbeitgeberhaftung und Erleichterungen bei den Dokumentationspflichten. Wir haben uns jetzt eine Regulierung der Zeitarbeit und der Werkverträge vorgenommen . Nach langem und zähem Ringen liegt jetzt ein Kabinettsentwurf vor . Wir haben von Anfang an deutlich gemacht, wogegen sich unsere Einwände richten . Ich glaube, bei dem Thema Werkverträge haben wir jetzt eine Lösung gefunden, die die Innovationskraft unserer Betriebe nicht gefährdet . Allerdings werden natürlich neue Brüche im Bereich der Zeitarbeit entstehen, gerade wenn es um die Höchstüberlassung und den Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ geht . Ich kann nicht nachvollziehen, dass es Ausdruck einer vernünftigen Arbeitsmarktpolitik sein soll, dass gerade Experten, die 18 Monate oder, wenn die Tarifvertragsparteien sich auf weitere Öffnungen einigen, länger als Zeitarbeiter arbeiten, zu den Verlierern zählen sollen . Wir brauchen sicherlich rechtssichere und bürokratiearme Definitionen, insbesondere angesichts des Grundsatzes „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ . Sanktionen sind natürlich richtig, auch was die Missbrauchsbekämpfung bei der Zeitarbeit angeht; aber auch da gilt: Die Balance muss stimmen . Wir müssen darauf achten, dass es nicht zu einem Übermaß an Sanktionen kommt . Ich hoffe auf ideologiefreie Diskussionen. ({1}) Zur Entgeltgleichheit: Wir wollen den gleichen Lohn für gleiche Arbeit von Frauen und Männern . Aber auch hier gilt: Weitere Bürokratie und Unfrieden in den Betrieben sind nicht der richtige Weg . Deswegen bin ich dankbar, dass die Familienministerin jetzt endlich erkannt hat, dass man das Gespräch mit den Tarifvertragsparteien suchen sollte, um zu einvernehmlichen Lösungen in diesem Bereich zu kommen . Wir haben im letzten Jahr die größte Migrationswelle seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt . Tausende Menschen kamen zu uns und drängen jetzt allmählich auf den Arbeitsmarkt . Allerdings steigt die Zahl der Arbeitslosen unter den Flüchtlingen leider schneller als die der Beschäftigten . Die Bundesagentur rechnet damit, dass 350 000 Flüchtlinge in diesem Jahr in das Hartz-IV-System gelangen . Integration dauert lange und kostet viel Geld . Klar ist jetzt auch: Die Flüchtlinge sind nicht die Lösung des Fachkräftemangels . Wir stellen uns dieser Aufgabe . Wir haben von Anfang an die Stellschrauben richtig gesetzt: Spracherwerb ist ganz zentral, ebenso Kompetenzerwerb, praktische Arbeitserprobung und intensive Beratung und Begleitung . Dabei sind wir jetzt deutlich besser aufgestellt als noch vor einem Jahr . Wir sollten unser Augenmerk auch verstärkt darauf richten, wie es mit der Beschäftigung von Frauen aussieht, gerade bei den Migrantinnen und Flüchtlingen . Mit dem Integrationsgesetz haben wir die Rahmenbedingungen nochmals deutlich verbessert . Wir unterbreiten eine Vielzahl von Angeboten, geben aber auch Anreize . Wir haben das Angebot an Integrations- und Sprachkursen erheblich ausgeweitet, die Ausbildungsförderung wird erleichtert und vieles mehr . Wer sich anstrengt, wer durch Spracherwerb und Arbeit seinen Beitrag zur Integration leistet, der hat in diesem Land alle Chancen, insbesondere die Chance zum Einstieg in diese Gesellschaft . Umgekehrt gilt aber auch: Derjenige, der seine Integrationsmaßnahmen abbricht, der seine Mitwirkungspflichten verletzt, der muss mit Sanktionen, mit Leistungskürzungen rechnen . Wir setzen das Prinzip des Förderns und Forderns sehr konsequent um . Wir wollen vor allem kein Gegeneinander und auch kein Nebeneinander von gesellschaftlichen Gruppen . Deswegen haben wir die Wohnsitzauflage eingeführt. Bayern setzt diese als eines der ersten Bundesländer um . Wir wollen nämlich keine Parallelgesellschaften . Die Menschen sollen nach besten Kräften versuchen, dort, wo sie leben, eine Arbeit aufzunehmen . Die Wohnsitzauflage wird auch kein Hindernis für den Arbeitsmarkt sein; denn der Wohnsitz folgt der Arbeitsstelle . Der Freistaat Bayern hat sich hier besonders gut aufgestellt . Fördern und Fordern ist unsere Philosophie im Umgang mit Migranten und Flüchtlingen . Der Blick nach Bayern kann hier einmal mehr als Vorbild dienen . ({2}) Die Initiative, die die Bayerische Staatsregierung zusammen mit der bayerischen Wirtschaft und der Regionaldirektion Bayern gestartet hat, ist ein Erfolgsmodell . 24 000 Flüchtlinge sind bereits jetzt in Praktika, Ausbildung und Arbeit . Das Ziel war an sich, bis Ende 2016 die Zahl 20 000 zu erreichen . Wir liegen schon jetzt deutlich darüber . ({3}) Das zeigt: Diese Initiative ist richtig, und wir sind in diesem Bereich auf dem richtigen Weg . Allerdings will ich nicht geringschätzen: Wenn man sich die Zahlen ansieht, stellt man fest, dass die übergroße Zahl derjenigen, die sich im Arbeitsleben integriert hat, im Helferbereich zu finden ist, gerade in den Bereichen Gastronomie, Hotellerie und Logistik . Deswegen ist klar, dass Flüchtlinge jedenfalls kurzfristig keine Lösung im Hinblick auf die Arbeitsmarktintegration von Hochqualifizierten sein können. Die Zuwanderung muss begrenzt werden, schon alleine aufgrund der Aufnahmefähigkeit unseres Arbeitsmarktes . Es darf keine neuen Pull-Faktoren und keine Wiederholung unkontrollierter Zuwanderung wie im Jahre 2015 geben . Dabei dürfen wir nicht nur die Migration aus Drittstaaten, sondern müssen auch die innereuropäische Migration in den Blick nehmen, also die Migrantinnen und Migranten, die aus europäischen Staaten nach Deutschland kommen . Sie ist nämlich nicht zu unterschätzen . Freizügigkeit in Europa ist ein hohes Gut . ({4}) Aber wir müssen aufpassen, dass keine Einwanderung in unsere sozialen Sicherungssysteme stattfindet. Sozialleistungen zu ersitzen, ist der falsche Weg . Deswegen müssen wir die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf dem schnellsten Wege korrigieren . ({5}) Frau Nahles hat als Bundesarbeitsministerin bereits Ende 2015 Korrekturen angekündigt . Diese stehen immer noch aus . Reine Ankündigungen beeindrucken aber keinen Sozialrichter . Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verfestigt sich von Tag zu Tag . Dies müssen wir folgerichtig verändern . ({6}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Menschen in unserem Land sind, glaube ich, gegen die zentralen Lebensrisiken sehr gut abgesichert . Wir geben jeden zweiten Euro aus dem Bundeshaushalt für die soziale Sicherung aus - ein unglaublicher Betrag . Der Sozialstaat in Deutschland funktioniert, insbesondere was das Ausmaß der Umverteilung angeht . Wenn beispielsweise ein Viertel der Reichsten zu über 60, 70 Prozent der Einkommensteuereinnahmen beitragen, dann zeigt dies beispielhaft, wie gut die Umverteilung in diesem Land funktioniert . Da braucht es keinen Schaum vor dem Mund . Wir können feststellen: Der Sozialstaat funktioniert . Aber er kommt auch an seine Grenzen . Wir sollten die Lasten für diejenigen, die ihn tragen und erwirtschaften, nicht überdehnen . Deswegen spielt auch die Rentendebatte eine so wichtige Rolle . Hier dürfen wir nichts über das Knie brechen . Vor allem besteht kein Anlass für eine Generalrevision der Rentenpolitik . Unser Ziel ist vor allem, dafür zu sorgen, dass diejenigen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, im Alter eine Lebensstandardsicherung haben . Dafür werden wir auch in Zukunft entsprechende Vorschläge vorlegen. Die Altersvorsorgepflicht für Selbstständige, der Erwerbsminderungsschutz und vieles mehr stehen hier im Vordergrund . Ich glaube, diese Diskussion zeigt: Wir können stolz auf das sein, was diese Große Koalition unter Unionsführung in den letzten Jahren erreicht hat . Auf diesem Weg werden wir weitermachen . Herzliches Dankeschön . ({7})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächste Rednerin hat Corinna Rüffer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .

Corinna Rüffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004390, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Stracke, ich fange vielleicht so an: Wenn die Töne aus Bayern in Zukunft ein bisschen moderater und weniger populistisch wären - im Moment ist das echt unerträglich -, dann würden wir alle Ihnen wieder lieber zuhören; davon bin ich überzeugt . ({0}) Damit bin ich auch schon beim Thema; denn dieser Haushalt - da findet ja nur noch Wahlkampf statt in diesen Zeiten ({1}) steht wahrlich unter besonderen Vorzeichen . Hier erleben wir, dass das verheerende Ergebnis der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern zu noch übleren Scharmützeln innerhalb der Großen Koalition führt . Deswegen habe ich Sie gerade angesprochen . Es finde es unverantwortlich, wenn hier versucht wird, die Wahlerfolge der AfD mit der Flüchtlingspolitik zu erklären. Die Aufnahme der vielen Geflüchteten im letzten Jahr war weder falsch, noch überfordert sie uns . Sie war menschlich dringend geboten . Und was wäre die Alternative gewesen? Die Menschen im Dreck verrecken lassen? Die AfD hat es geschafft, mit nationalistisch-rassistischen Forderungen den Frust vieler Menschen für ihre Zwecke zu instrumentalisieren . Aber jetzt mal ehrlich: Das Potenzial rechtspopulistischer Wähler gibt es doch schon lange, viel länger als die sogenannte Flüchtlingskrise . Das sind nämlich jene, die sich schon längst von den etablierten Parteien und unserem demokratischen System verabschiedet haben . Sie sind an vielen Wahlsonntagen schlicht und ergreifend zu Hause geblieben, oder sie haben ihre Stimmzettel ungültig gemacht, oder sie haben die NPD oder andere Splitterparteien gewählt . In Mecklenburg-Vorpommern lässt sich das auch gut sehen, wenn man einmal hineinschaut: Die Wahlbeteiligung ist um 10 Prozent gestiegen . So etwas kennen wir eigentlich gar nicht mehr . Die Wahlbeteiligung sinkt ja eigentlich immer . 55 000 von ihnen sind zur AfD gegangen . Sie hat am meisten bei den Nichtwählern geholt . Das muss uns doch allen zu denken geben . Die Erosion der demokratischen Parteien schreitet seit langem munter voran, ganz unabhängig von den Geflüchteten. Aber diese bieten sich - wie immer schon in der Geschichte - wie alle Minderheiten und Schutzlosen wunderbar als Sündenböcke an . Vor allem an Teile der Union, aber auch die Sozialdemokratie gerichtet, sage ich: Hört auf damit, aus taktischen Gründen das Geschäft der AfD zu verrichten . ({2}) Wir brauchen keine Obergrenzen . Und der Satz: „Wir schaffen das“ war keineswegs naiv, sondern ohne Alternative . Aber er muss Konsequenzen haben . Es braucht Engagement, und es braucht auch Geld, und hier komme ich zu dem Problem dieses Haushalts . Die Menschen in diesem Land erwarten von ihrer Regierung zu Recht, dass sie gestaltet, Gräben überwindet und den sozialen Zusammenhalt stärkt . Sie machen das Gegenteil . Sie verwalten nur den Status quo, und das ist ein richtig großes Problem; ({3}) denn so versöhnen Sie nicht, sondern Sie spalten weiter . Gestern habe ich viele Reden in diesem Hohen Haus gehört . In vielen dieser Reden kam das Wort „Bundesteilhabegesetz“ vor . Schöne Sätze haben Sie gesprochen: Wir werden die Rechte von Menschen mit Behinderung stärken . Oder: Mit dem Bundesteilhabegesetz werde der Paradigmenwechsel von der Fürsorge zur Teilhabe vollzogen . Und so weiter . Wenn Sie tatsächlich daran glauben, muss ich Ihnen leider mitteilen, dass Sie mit dieser Einschätzung mittlerweile ziemlich allein dastehen . Seit Monaten brodelt der Protest, nicht nur in Berlin, sondern an vielen Orten in dieser Republik . Vielleicht erinnern sich manche an den Mai dieses Jahres, als ganz viele Rollifahrer sich hier am Reichstagufer angekettet haben, um zu protestieren gegen ein Gesetz, das für sie keinerlei Verbesserungen gebracht hat . Aber all das ist gegenüber dem, was wir jetzt mit dem Bundesteilhabegesetz erleben, kalter Kaffee. Die Menschen wissen das . Deshalb ist der Gegenwind so groß, und der Protest wird weiter zunehmen . Warum? Sie haben keinen Entwurf für ein Teilhabegesetz vorgelegt, sondern ein Spargesetz, eine Mogelpackung, auf die Sie „Inklusion“ geschrieben haben . Genau da liegt der Hund begraben . Deshalb laufen behinderte Menschen Sturm . Und - schon mitbekommen? - jetzt steht auch noch Herr Seehofer an ihrer Seite - ich zitiere -: Er werde das Menschenmögliche tun, was in bayerischer Macht liegt, um das Gesetz zu verbessern und Verschlechterungen gegenüber der geltenden Rechtslage zu verhindern . - Das sollte Ihnen bitte zu denken geben . Ich möchte an dieser Stelle kurz aufzeigen, was eigentlich passieren wird . Es werden zukünftig weniger Menschen Unterstützung bekommen . Nur wer in mindestens fünf von neun Lebensbereichen Unterstützung braucht, soll sie auch bekommen . Warum fünf? Warum nicht vier oder sechs oder ein Lebensbereich? ({4}) Das haben Sie bisher nicht geklärt . Selbst Herr Schummer, der behindertenpolitische Sprecher der Union - den habe ich vor zwei Wochen beim LVR in Köln getroffen -, hat diese Frage gestellt und gesagt: Ich verstehe nicht: Warum fünf Kriterien, warum nicht eine andere Zahl? Warum überhaupt diese Kriterien? - Selbst Herr Schummer, der behindertenpolitische Sprecher der Union, versteht nicht, was da gemacht wird . Aber da kann und will ich an dieser Stelle nicht ins Detail gehen . Das wäre zu technisch . Reden wir besser darüber, was diese Regelung, wenn sie in Kraft treten würde, für die Menschen bedeutet . Nehmen wir beispielshaft den psychisch erkrankten 33-jährigen Mann . Er kann sich theoretisch natürlich waschen und auch einen Staubsauger bedienen, um seine Wohnung sauber zu halten . Er tut es aber nicht . Er könnte mobil sein, kommunizieren, lernen und sich selbst versorgen, natürlich, aber er tut es nicht . Also bekommt er keine Unterstützung mehr . Was passiert? Seine Wohnung wird verlottern, er wird sich nicht mehr waschen, er wird Konflikte haben - vielleicht auch in der Nachbarschaft -, und irgendwann wird er womöglich auf der Straße landen . Sie können sich das ausmalen . Wahrscheinlich kennen alle hier Menschen, die diese Probleme haben . Vielleicht kann er dem entgehen, indem er sich selbst so darstellt, als könne er sehr wenig . Er kann versuchen, nachzuweisen, warum er in möglichst vielen Lebensbereichen unfähig ist . Ist es das, was Sie wollen? Ich glaube nicht, dass es das ist, was wir alle wollen . Wir wollen mehr Teilhabe, und deswegen muss das Gesetz an dieser Stelle verändert werden . ({5}) Die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Verena Bentele, hat auf ihrer Facebook-Seite geschrieben, dass sie sich ein aktives Parlament wünscht . Für unsere Seite kann ich sagen: Wir wollen das sein . Wir wollen gemeinsam mit Ihnen diesen Entwurf an ganz vielen Stellen verbessern, damit dieses Gesetz am Ende seinen Namen verdient, Teilhabe ermöglicht wird und wir als Gesellschaft ein Stück vorankommen . Ich sage Ihnen auch: Das gibt es nicht umsonst, und deswegen müssen wir das hier in den Haushaltsberatungen auch diskutieren . ({6})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächster Redner spricht Ralf Kapschack von der SPD-Fraktion . ({0})

Ralf Kapschack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004321, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer! Es würde mich reizen, jetzt auf das Thema Bundesteilhabegesetz einzugehen, aber ich habe einen anderen Punkt anzusprechen . Ich will nur so viel dazu sagen: Es gilt das Struck’sche Gesetz: Kein Gesetz verlässt dieses Parlament so, wie es hineingekommen ist . ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist schon mehrfach angesprochen worden: In diesen Tagen und Wochen ist sehr viel die Rede von Glaubwürdigkeit . Glaubwürdigkeit heißt, zu sagen, was man tut, und zu tun, was man sagt . Dafür steht diese Arbeitsministerin . Die deutsche Wirtschaft boomt, die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse steigt. Das ist gut so; denn davon profitieren viele - auch der Staat, der Finanzminister und vor allem die Sozialkassen . Von der guten Konjunktur hat eine Gruppe aber nur wenig . Die Zahl der Langzeitarbeitslosen bewegt sich nämlich seit Jahren kaum . Als langzeitarbeitslos gilt, wer länger als ein Jahr arbeitslos ist . Viele sind es aber schon zwei, drei oder vier Jahre . Die Bundesarbeitsministerin hat im vergangenen Jahr zwei Programme auf den Weg gebracht, die sich diesem Problem sehr unterschiedlich nähern . Zum einen ist das ESF-Programm zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu nennen . Insgesamt stehen hier Mittel für 33 000 Plätze zur Verfügung . Die bisherigen Anmeldungen zeigen: Da ist noch Luft nach oben . Daneben gibt es das Programm „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“ mit 10 000 Plätzen für besonders arbeitsmarktferne Erwerbsfähige . Das wird gut angenommen, und deshalb ist es auch richtig, dass wir dieses Programm ausweiten . ({1}) Die bisherigen Instrumente reichen aber nicht aus, um die Langzeitarbeitslosigkeit nachhaltig zu bekämpfen . Wir brauchen neue Wege, um die Langzeitarbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. Das notwendige Geld ist zum großen Teil da . Die Mittel, die an Langzeitarbeitslose gezahlt werden, sollten besser für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt genutzt werden . Regelleistungen und das Geld für die Kosten der Unterkunft sollten eingesetzt werden, um Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. „Passiv-Aktiv-Tausch“ ist der Schlüsselbegriff dafür. Bislang verhindert der Finanzminister das notwendige Umlenken der vorhandenen Gelder . ({2}) Dabei ist die Forderung gar nicht neu . Sie wird von Gewerkschaften, den Kirchen und Sozialverbänden seit Jahren erhoben . Diese Forderung ist richtig . Wir unterstützen sie ausdrücklich . ({3}) Auch bei den Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikern unseres Koalitionspartners gibt es deutliche Sympathie dafür . Die Kolleginnen Eckenbach und Schmidt und die Kollegen Weiß, Zimmer, Pätzold und Whittaker haben vor einiger Zeit ein Papier dazu vorgelegt, und ich muss sagen: Das Papier ist nicht schlecht . ({4}) - Na ja, in diesen Tenor will ich jetzt nicht einstimmen . In ihrem Papier wird nämlich sehr plausibel dargelegt, wie die vorhandenen Mittel sinnvoll und konzentriert eingesetzt werden können, um denen eine Chance zu geben, die diese Chance ohne eine zusätzliche Förderung und ohne intensive Betreuung auf Dauer nicht hätten . Ich zitiere: Wir sprechen uns vor diesem Hintergrund dafür aus, zunächst . . . in einem Modellprojekt Erfahrungen mit dem Einsatz des Passiv-Aktiv-Transfers zu sammeln . ({5}) Dann lassen Sie uns das doch endlich machen . ({6}) Die CDU im Ruhrgebiet - Frau Eckenbach wird sich daran erinnern - hat zusammen mit uns und den Grünen im November vergangenen Jahres eine ähnliche Forderung erhoben . Lassen Sie uns nicht immer neue Papiere schreiben . Lassen Sie uns endlich handeln . ({7}) Ich zitiere noch einmal aus dem Papier der geschätzten Kollegen der CDU/CSU-Fraktion . ({8}) - Warten Sie doch erst einmal ab . ({9}) Also, das Zitat lautet - ich bitte um Aufmerksamkeit, das ist sehr interessant -: Dem christlichen Menschenbild entsprechend darf niemand dauerhaft von sozialer Teilhabe ausgeschlossen werden . ({10}) Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung leistet einen elementaren Beitrag zur Stärkung der sozialen Teilhabe . ({11}) Wir fordern deshalb, neue Wege zu erproben, durch welche die Chance auf soziale Teilhabe für Personen mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen erhöht wird . Kein Mensch darf zurückgelassen werden . ({12}) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, überzeugen Sie den Bundesfinanzminister, dass er seine Blockade aufgibt, ({13}) damit wir zumindest mit ein paar Modellprojekten starten können. Das wäre gut für die betroffenen Menschen. Das wäre gut für unser Land . Und das wäre gut für die Glaubwürdigkeit der Politik . Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({14})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Mark Helfrich das Wort . ({0}) Ich möchte ihm, sicherlich auch im Namen aller Kolleginnen und Kollegen, zu seinem Geburtstag ganz herzlich gratulieren, den er heute feiert . ({1})

Mark Helfrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004298, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will hoffen, dass das nicht der einzige Applaus in meiner Rede bleibt . ({0}) Trotzdem hat er gutgetan . Herzlichen Dank . ({1}) An gute Nachrichten im Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik haben wir uns längst gewöhnt . Deutschland geht es gut. Die Arbeitslosigkeit befindet sich auf dem niedrigsten Stand seit 1991 . Die Zahl der Erwerbstätigen ist auf Rekordniveau gestiegen . Dank der hohen Erwerbsquote fließt über die Sozialbeiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber viel frisches Geld in unsere Sozialversicherungssysteme . An diese guten Nachrichten haben wir uns so sehr gewöhnt, dass wir mitunter vergessen, was die Ursachen sind: eine zukunftsorientierte, vorausschauende Wirtschafts- und Finanzpolitik, eine Politik, die auf Wachstum und auf sparsames Haushalten und weniger auf Umverteilung ausgerichtet ist . Die unter Gerhard Schröder mit der Agenda 2010 eingeleiteten Reformen sind ebenso eine Ursache für unsere gute Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage, ({2}) auch wenn so manch einer selbst nach zehn Jahren damit noch nicht seinen Frieden gemacht hat . Wir haben uns so sehr an die guten Nachrichten gewöhnt, dass wir manchmal die Augen davor verschließen, welchen gewaltigen politischen Herausforderungen wir gegenüberstehen . Sie werden irgendwann einmal mit schlechteren Nachrichten einhergehen . Im vergangenen Herbst - wir alle erinnern uns an diese Zeit - kamen täglich bis zu 10 000 Flüchtlinge in Deutschland an . Damals haben Wirtschaftsgrößen als positiven Nebeneffekt der Flüchtlingskrise vorschnell den Zuzug Hunderttausender Fachkräfte gesehen und vom neuen deutschen Wirtschaftswunder geträumt . Gut ein Dreivierteljahr später haben die 30 größten deutschen Unternehmen gerade einmal 54 Flüchtlinge eingestellt . Lediglich 30 000 Flüchtlinge haben nach Auskunft der BA seit dem Frühjahr des vergangenen Jahres einen Job gefunden, vorwiegend im Helferbereich . Das hat seinen Grund . Inzwischen wissen wir, dass 75 Prozent der Geflüchteten keine formale Berufsausbildung vorweisen können und ein Viertel keinen Schulabschluss hat . Es ist also wahrlich nicht überraschend, dass die Zahl der arbeitslosen Flüchtlinge derzeit kontinuierlich steigt . Das niedrige Bildungsniveau, kaum vorhandene Deutschkenntnisse und unrealistische Vorstellungen vom deutschen Arbeitsmarkt werden für viele Migranten zu einem Hindernis für die Integration in den Arbeitsmarkt und damit auch für die Integration in unsere Gesellschaft . Auch die aus Sicht der Zuwanderer auskömmlichen Transferleistungen sind eine Integrationsbremse . Darauf weisen Migrationsforscher immer wieder hin . Die Arbeitslosenquote wird deshalb im nächsten Jahr zum ersten Mal seit 2013 wieder steigen . In den nächsten dreieinhalb Jahren wird sich nach Berechnungen der Bundesregierung die Zahl der Erwerbslosen um eine halbe Million Flüchtlinge erhöhen . Das ist ein Anstieg, der sich in Zeiten positiver Konjunkturentwicklung noch verhältnismäßig gut bewältigen lässt . Gerät unsere Wirtschaft aber ins Stocken, wird es ungleich schwerer, hier Erfolge zu erzielen . Deshalb müssen wir die Mammutaufgabe der Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zügig angehen . Fakt ist: Dies wird nur nach dem Prinzip des Förderns und Forderns gelingen . Mit dem Integrationsgesetz sind die notwendigen Voraussetzungen geschaffen. Es sieht verpflichtende Sprach- und Integrationskurse vor und belegt diejenigen mit Sanktionen, die sich verweigern . Mit dem neu aufgelegten Programm zur Schaffung von 100 000 Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlinge, zu Unrecht als 80-Cent-Jobs diffamiert, können Asylbewerber während der Zeit des Wartens eine sinnvolle Beschäftigung ausüben . Im besten Fall ist diese Beschäftigung auch für die weitere Qualifizierung in Deutschland nützlich . ({3}) Dafür setzen wir richtig Geld ein: in den kommenden drei Jahren rund 1 Milliarde Euro, und im nächsten Jahr sind dafür 300 Millionen Euro im Haushalt veranschlagt . Die Sprachförderung bleibt das A und O für eine aussichtsreiche Integration . Deshalb haben wir die berufsbezogene Sprachförderung als Regelinstrument im SGB II dauerhaft etabliert . Dieses dient der Vorbereitung der Flüchtlinge auf den Arbeitsmarkt . Ab dem nächsten Jahr wird es jährlich 200 000 Plätze für die berufsbezogene Sprachförderung geben . Sehr verehrte Damen und Herren, um es mit den Worten des BA-Vorstandsmitglieds Raimund Becker zu sagen: Es gibt weder Grund für Pessimismus, noch gibt es Anlass zu übertriebenen Hoffnungen. Aber mit Realismus lässt sich sagen, dass aus dem Flüchtling von heute nicht die Fachkraft von morgen, aber mit Glück die von übermorgen wird . ({4}) Klar ist: Wenn es uns nicht gelingt, die Flüchtlinge in Lohn und Brot zu bringen, dann ist das Sprengstoff für unsere sozialen Sicherungssysteme und für unsere Gesellschaft . Die Flüchtlingsdiskussion darf nicht davon ablenken, dass schon länger Probleme mit Langzeitarbeitslosen aus anderen Herkunftsländern bestehen . Immer noch gibt es mehr Hartz-IV-Empfänger mit einem türkischen als mit einem syrischen Pass . Immer noch gibt es mehr Bulgaren und Rumänen, die von Hartz IV leben müssen, als Flüchtlinge aus Eritrea . Gut jeder vierte Hartz-IV-Bezieher hat einen ausländischen Pass. Sie müssen genauso in die Pflicht genommen und gefördert werden wie die deutschen Arbeitslosen auch . In diesem Zusammenhang ist es wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir den Ausschluss von Ansprüchen auf Hartz-IV-Leistungen für EU-Ausländer zügig gesetzlich festlegen . Das BMAS hat dazu einen sehr guten Gesetzentwurf vorgelegt, und es ist dringend geboten, dass wir diesen Gesetzentwurf verabschieden . ({5}) Wenn wir diese Klarstellung versäumen, tragen wir dazu bei, dass die Akzeptanz für Zuwanderung - von EU-Bürgern wie im Übrigen auch von schutzsuchenden Flüchtlingen - in unserem Land leidet . ({6}) Was haben Finnland, Dänemark, die Niederlande, Großbritannien, Irland, Portugal, Italien, Griechenland, Zypern und die Tschechische Republik gemeinsam? ({7}) - Falsch . - Sie alle haben Rentenreformen beschlossen, die das gesetzliche Renteneintrittsalter über das 67 . Lebensjahr hinausschieben . Wirklich eine bekloppte Idee, Herr Gabriel? Nein, natürlich nicht . ({8}) Wir müssen der Tatsache Rechnung tragen, dass sich auch in Deutschland das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Beschäftigten und Rentnern zukünftig ungünstig entwickeln wird . ({9}) Immer mehr Ruheständler stehen immer weniger Beitragszahlern gegenüber . Die Menschen leben länger, und sie werden dementsprechend auch länger Rente beziehen . Bereits jetzt ist klar, dass die Ausgaben des Bundes für die Renten in den nächsten Jahren zu einem Problem werden . ({10}) Bis zum Jahr 2020 steigt der Zuschussbedarf auf annähernd 100 Milliarden Euro jährlich . Vor diesem Hintergrund gibt es drei Möglichkeiten: ein weiterhin sinkendes Rentenniveau, stetig steigende Beiträge oder eine höhere, an die Lebenserwartung gekoppelte Lebensarbeitszeit . Wichtig ist doch, dass die Rente für die Beitragszahler bezahlbar bleibt . Ein an die Lebenserwartung gekoppeltes Renteneintrittsalter kann dabei helfen . ({11}) Wenn die Bundesbank jetzt Langzeitberechnungen bis 2060 anstellt und eine Rente mit 69 fordert, dann ist das nach meinem Verständnis keine Panikmache . Vielmehr ist das eine seriöse Vorbereitung auf die sozialpolitischen Herausforderungen der Zukunft. Die demografische Entwicklung kann man nicht wegreformieren . Sie ist planbar . Sie zu ignorieren, wäre fahrlässig . ({12}) Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam die Herausforderung angehen . Lassen Sie uns dabei neue Wege beschreiten . Die vor uns liegenden Aufgaben - das ist klar - fordern uns . Sie dürfen uns nicht überfordern . Herzlichen Dank . ({13})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächste Rednerin hat Waltraud Wolff von der SPD-Fraktion das Wort. ({0})

Waltraud Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz auf die Kollegin Rüffer eingehen. Frau Kollegin Rüffer, das Bundesteilhabegesetz wird - Punkt eins - erst im Herbst eingebracht werden . Punkt zwei: Dabei handelt es sich um das Gesetz in der Bundesrepublik, welches, wenn man in die Vergangenheit zurückschaut, bisher die größte Beteiligung überhaupt gehabt hat . Wir haben in der letzten Legislaturperiode damit angefangen . Ich muss sagen: Ich finde es unlauter, bevor überhaupt ein Gesetz eingebracht ist, von hier vorne aus Unruhe zu stiften . Das finde ich nicht gut. ({0}) Arbeiten Sie lieber an Verbesserungen, die Sie gerne wünschen, mit, wenn das Gesetz eingebracht worden ist . ({1}) Meine Damen und Herren, es geht um Rente, Arbeitsmarkt, Mindestlohn, Integration und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben . Dazu nenne ich hier einmal explizit die Unterstützung der Alleinerziehenden . Hier wollen wir einen Umgangsmehrbedarf einbringen, sodass sich in der Zukunft beide Elternteile besser um ihre Kinder kümmern können . ({2}) Die Punkte, die ich eben genannt habe, meine Damen und Herren, sind die Schwerpunkte im Haushalt für Arbeit und Soziales . Und die tragen - das sage ich voller Stolz - eine sozialdemokratische Handschrift . Vielen herzlichen Dank dafür . ({3}) Ich greife einmal explizit den Bereich Rentenversicherung, Grundsicherung im Alter und Erwerbsminderungsrente heraus . Hier gibt es ein Plus von 8,7 Milliarden Euro . Auch das trägt einen sozialdemokratischen Stempel . ({4}) Leider fehlt uns ein wichtiger Punkt . Ich frage mich, weshalb noch immer die Angleichung der Ostrenten an die Westrenten außen vor bleibt . Meine Damen und Herren, wann denn, wenn nicht jetzt? Und wer denn, wenn nicht wir in dieser Großen Koalition können es schaffen, hier Änderungen hinzubringen? ({5}) Ich habe der Rede des Finanzministers am Dienstag gut zugehört und zitiere einmal: Es geht … nicht in erster Linie um Finanzierungsfragen . Es geht um einen fairen Ausgleich zwischen Ost und West, aber es geht auch um einen fairen Ausgleich zwischen Jung und Alt . Okay, das unterschreibe ich . Herr Schäuble führt weiter aus, dass die lohnbezogene Angleichung alles in allem funktioniert hätte . Also, das sehe ich anders . Das hat eben bis heute nicht funktioniert . ({6}) Die Löhne im Osten sind circa 20 Prozent niedriger als die im Westen . Deshalb haben wir - oder auch Sie - damals den Höherwertungsfaktor eingeführt . Und den gibt es heute noch . Daran wollen auch viele festhalten . Herr Schiewerling, Sie haben vorhin gesagt, dass mit der deutschen Einheit eine große Leistung der Rentenversicherung erbracht worden ist . Ich sage, da wurde ein großer Fehler gemacht. Das hätte schon damals steuerfinanziert sein müssen . Es ist ein Fehler, dass das bis heute auf dem Rücken der Beitragszahler ausgetragen wird . ({7}) Meine Damen und Herren, wenn der Finanzminister von der Fairness zwischen Jung und Alt spricht, dann ist doch wohl eines klar: Hier geht es um bessere Löhne im Osten . Es kann hier nur um Tarifbindung und anständige Sozialpartnerschaft in den Betrieben gehen . Es geht einfach nicht, dass 79 Prozent der Arbeitgeber in den neuen Bundesländern nicht im Arbeitgeberverband sind . Das ist doch keine soziale Verantwortung von Unternehmen . ({8}) Herr Birkwald, Sie haben vorhin gesagt, die Rentenangleichung Ost/West bedeutete eine Rentenkürzung . Auch diese Bezeichnung halte ich für falsch . Schließlich gibt es einen Höherwertungsfaktor . Sie haben genauso wie wir, die SPD, gesagt: Wir wollen die Angleichung der Rentensysteme haben . - Nach 30 Jahren legt nun Frau Ministerin im Herbst einen entsprechenden Entwurf vor . Es geht aber nicht, auf der einen Seite die Beseitigung der Nachteile zu fordern und auf der anderen Seite zu verlangen, dass die Vorteile bleiben sollen . Ich stehe als SPD-Frau dazu, dass eine Angleichung der Systeme, wenn es sie denn gibt, in Gänze zu erfolgen hat . Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass bessere Löhne in den neuen Bundesländern gezahlt werden und dass die Arbeitgeber ihre Verantwortung wahrnehmen . ({9}) Frau Nahles wird im Herbst einen Gesetzentwurf zur Einleitung des Rentenangleichungsprozesses vorlegen . Auch der Ministerpräsident aus meinem Land, Sachsen-Anhalt, hat Unterstützung signalisiert und verlangt eine Steuerfinanzierung. Herzlichen Dank nach Sachsen-Anhalt! Wir wollen das in zwei Schritten tun .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Kollegin, Sie sind zwar gerade so schön im Schwung, aber ich muss Sie bitten, zum Schluss zu kommen .

Waltraud Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Kanzlerin will die Rentenangleichung . Der Finanzminister will sie . Die SPD will sie . Nur die CDU/ CSU-Fraktion ist zerstritten . Sie hat den Schwarzen Peter . Ich kann nur sagen: Springen Sie über Ihren Schatten! Denn die Rentenangleichung ist eine Gerechtigkeitsfrage, der wir nicht mehr ausweichen dürfen . Die geordneten Haushaltsverhältnisse lassen es zu . Lassen auch Sie es zu! Vielen herzlichen Dank . ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als letzter Redner hat Axel Fischer von der CDU/CSU-Fraktion das Wort . ({0})

Axel E. Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003118, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Deutschland geht es gut . Den Menschen in Deutschland geht es gut . Die Menschen in Deutschland wissen, dass es ihnen gut geht . Die Wirtschaft brummt . Der Arbeitsmarkt ist robust . Die SteuWaltraud Wolff ({0}) erquellen sprudeln . Es ist schön, dass wir vor diesem Hintergrund die Haushaltsdebatte in dieser Woche sehr entspannt führen können. Unser Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat an diesem Rednerpult zu Recht darauf hingewiesen, dass wir noch immer an der Spitze der Wohlstandspyramide stehen . Angesichts der Kritik, die von der Opposition und teilweise von der SPD - sind Sie eigentlich noch Mitglied der Koalition? ({1}) geübt wurde, frage ich mich, welche Ausgangslage wir heute hätten, wenn Sie an der Regierung wären . Ich kann mich noch sehr gut an einen Bundesfinanzminister erinnern, der, als er 2001 den Etat für 2002 vorgelegt hat, gesagt hat: Der vorliegende Haushalt ist auf Kante genäht . Er enthält keine zusätzlichen Reserven . - Damals war die Union in der Opposition . Heute ist die Union in der Regierung . Freuen wir uns doch gemeinsam darüber, dass wir heute auch wirtschaftlich besser dastehen als damals . ({2}) Allein die Zahlen sprechen für sich . Seit 2010 haben wir ein gesundes Wirtschaftswachstum, zuletzt von 1,7 Prozent . Wir gehen auch in den kommenden beiden Jahren von einem guten Wachstum aus . Die Zahl der Erwerbstätigen ist ebenfalls positiv . Diese ist in diesem Jahr mit 43,5 Millionen auf einem erneuten Rekordhoch . Die Zahl der Arbeitslosen sinkt weiter . Im August hatten wir die niedrigste Arbeitslosenzahl seit 25 Jahren zu verzeichnen . Die Reallöhne sind seit 2003 deutlich gestiegen, allein im vergangenen Jahr um 2,4 Prozent . Trotzdem bleiben die Preise stabil . Auch die Renten sind so stark gestiegen wie lange nicht mehr, zum 1 . Juli um über 4 Prozent im Westen und um knapp 6 Prozent im Osten . Sie sehen: Die Regierungskoalition von CDU, CSU und SPD hat in den vergangenen Jahren erfolgreiche Arbeit geleistet . Das wollen und das werden wir auch weiter tun, zumindest bis im nächsten Jahr . Wir haben mit einer vorausschauenden und zukunftsorientierten Wachstumspolitik sowie mit vielen ordnungspolitisch notwendigen und sinnvollen Maßnahmen die Finanz- und Wirtschaftskrise gemeistert . Wir haben viele Menschen wieder, andere neu in Arbeit gebracht . ({3}) Wir haben gerade im Bereich der Arbeitsvermittlung und auch bei der Aktivierung von Langzeitarbeitslosen und bei den arbeitsmarktpolitischen Instrumenten Erfolg gehabt . Wir haben den Bundeshaushalt konsolidiert - und das ohne Steuererhöhungen . ({4}) Diese Bilanz kann sich sehen lassen . ({5}) Seit 2014 geben wir nur so viel Geld aus, wie wir einnehmen . Standen 2013 Ausgaben von 307,8 Milliarden Euro Einnahmen von lediglich 285,7 Milliarden Euro gegenüber, waren Einnahmen und Ausgaben 2014 mit 295,5 Milliarden Euro deckungsgleich . Auch 2015 und 2016 sind Einnahmen und Ausgaben deckungsgleich, und im nächsten Jahr soll es trotz einer weiteren Steigerung auf 328,7 Milliarden Euro so bleiben . Sie sehen, meine Damen und Herren, dass wir uns Spielräume erarbeitet haben, die wir nutzen können und natürlich auch nutzen werden . Weil das so ist, können wir darüber beraten, wofür wir das Geld ausgeben werden . ({6}) Dieser Haushalt ist nicht auf Kante genäht . Wir haben zusätzliche Reserven . Mein spezieller Dank gilt an dieser Stelle natürlich unserem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der es mit einer enormen Energieleistung geschafft hat, ({7}) den jahrzehntelang chronisch unterfinanzierten Bundeshaushalt wieder ins Gleichgewicht zu bringen . Vielen herzlichen Dank dafür . ({8}) Zudem, meine Damen und Herren, ist sich die Koalition ihrer sozialen Verantwortung bewusst . Die Entwicklung der Sozialausgaben im Bundeshaushalt zeigt dies deutlich . Lagen diese 2014 noch bei 148,8 Milliarden Euro, sollen sie 2017 auf 171 Milliarden Euro steigen . Das sind 22,2 Milliarden Euro mehr als vor vier Jahren . Allein im Bereich des Einzelplans 11, dem Haushalt für Arbeit und Soziales, sind für das kommende Jahr 138,6 Milliarden Euro vorgesehen . Wir in der Koalition haben gemeinsam viele Gesetze auf den Weg gebracht: das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung, das Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie, das Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes, das Gesetz zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts, um nur einige Beispiele zu nennen . Das ist erfolgreiche Arbeit unserer Koalition, und das muss man hier auch einmal deutlich sagen . ({9}) Dieser Koalition aus CDU, CSU und SPD liegt auch eine gute Finanzausstattung der Länder und Kommunen am Herzen . Da wir wissen, dass die Kommunen Träger vieler sozialer Leistungen sind und teilweise mit steigenden Sozialkosten kämpfen müssen, haben wir einige dieser Leistungen teilweise oder komplett übernommen . An dieser Stelle möchte ich nur an die Aufstockung der Zuschüsse zu Kindertagesstätten, an die Eingliederungshilfe und an die Neuregelung der Kosten für Unterkunft und Heizung erinnern . Zudem haben wir durch die komplette Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung die Kommunen massiv entlastet . Das alles waren Schritte, die den Kommunen wieder mehr Gestaltungsspielräume eröffnen. Diese waren wichtig und richtig, führen aber natürlich logischerweise dazu, dass wir massive Erhöhungen in den Sozialausgaben des Bundes haben . Das muss man vor allem dann Axel E. Fischer ({10}) wissen, wenn über steigende Sozialausgaben im Bundesetat gesprochen wird . Meine Damen und Herren, über die Folgen der massiven Zuwanderung im vergangenen Jahr ist hier schon viel gesagt worden . Da hilft nun auch kein Jammern und kein Klagen und kein Zündeln - die Menschen sind da . Für mich ist völlig klar, dass die Integration der Menschen, die bei uns bleiben dürfen, eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die nicht zulasten der Arbeitslosen und der Schwächsten in unserer Gesellschaft gehen darf . Flüchtlinge, die voraussichtlich im Land bleiben dürfen, sollten wir aber so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt integrieren . ({11}) Das verbessert übrigens auch die gesellschaftliche Eingliederung; denn mit der erfolgreichen Arbeitsvermittlung steht und fällt das Schicksal dieser Menschen . Wir wissen, dass es derzeit viele Ängste gibt . Die Bevölkerung macht sich Sorgen, und diese Sorgen nehmen wir ernst . Eine dieser Sorgen ist, dass Zuwanderer die deutschen Arbeitnehmer verdrängen . Ich habe schon auf die derzeit positive Situation am Arbeitsmarkt hingewiesen . Wir haben die geringsten Arbeitslosenzahlen seit der Wiedervereinigung . Viele Betriebe suchen händeringend geeignete Bewerber und brauchen immer länger, um freie Stellen zu besetzen . Das Schlagwort „Fachkräftemangel“ macht schon länger die Runde . Auch die Kollegen Schiewerling und Andreas Mattfeldt haben heute darauf hingewiesen . ({12}) - Das ist in der Tat so . Zudem sinkt aufgrund der demografischen Entwicklung die Zahl der potenziell Erwerbstätigen zukünftig weiter . Bislang konnten wir das teilweise durch die höhere Erwerbstätigkeit von Frauen und Älteren und vor allem durch Zuwanderung aus anderen EU-Ländern ausgleichen . Wir besetzen außerdem weniger attraktive Arbeitsplätze mit Zuwanderern . So können wir feststellen, dass auch Personen mit einer Staatsbürgerschaft aus den nichteuropäischen Asylherkunftsländern zuletzt von der guten Arbeitsmarktsituation profitieren konnten. Die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus nichteuropäischen Asylherkunftsländern hat sich von Mai 2015 bis Mai 2016 um 31 Prozent erhöht, unter den aus Syrien stammenden Menschen sogar um 71 Prozent . Man muss der Ehrlichkeit halber aber schon sagen, dass geringe Sprachkenntnisse und fehlende formale Berufsabschlüsse oft eine schnelle Integration erschweren; das wurde in der Debatte schon mehrfach angesprochen . Genau da, meine Damen und Herren, müssen wir ansetzen . In meinem Wahlkreis gibt es eine Jugendhilfeeinrichtung, die jungen Flüchtlingen eine neue Heimat bietet . Dort können sie gemeinsam mit anderen jungen Menschen einen Schulabschluss sowie eine Ausbildung zum Maler, Tischler, Lackierer oder Schlosser machen . Bei meinem Besuch dort wurde mir von den jungen Menschen berichtet, dass sie gegenseitig von dem gemeinsamen Lernen profitieren. ({13}) Dieses Beispiel zeigt, dass diese Herkulesaufgabe gelingen kann . ({14}) Es zeigt aber auch, dass noch große Anstrengungen vor uns liegen . Meine Damen und Herren, ich glaube, dass mit dem vorliegenden Bundeshaushalt die Bundesregierung eine gute Grundlage geliefert hat . Wir können jetzt darüber diskutieren . Ich bin mir sicher, dass wir im Kreis der Kolleginnen und Kollegen daraus noch einen besseren Entwurf für 2017 machen . Herzlichen Dank . ({15})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor . Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, Einzelplan 10. - Ich bitte Sie, jetzt Ihre Plätze einzunehmen . Ich erteile das Wort dem Bundesminister Christian Schmidt . ({0})

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem zu dem Etat für Arbeit und Soziales genügend gesprochen wurde, kommen wir jetzt zu dem für Ernährung und Landwirtschaft . Ich bedanke mich bei Ihnen schon im Voraus sehr für die Mitarbeit an den in den nächsten Wochen anstehenden Beratungen dieses Etats . Der Regierungsentwurf sieht eine Aufstockung meines Haushalts um 300 Millionen Euro auf insgesamt 5,9 Milliarden Euro vor . Das ist ein richtiges, ein gutes Zeichen; denn der Entwurf spiegelt damit nicht nur den Erfolg unserer Arbeit wieder, sondern er schafft auch Spielräume, um die beiden wichtigsten Ziele meiner Politik konsequent umzusetzen und starke Akzente zu setzen . Ich danke dafür, dass wir dies mit diesem Haushaltsvolumen werden erreichen können . Mein Haushalt steht für eine zukunftsfähige Landund Forstwirtschaft sowie - nicht zu vergessen! - einen gesicherten Garten- und Weinbau - auch mit dem WeinAxel E. Fischer ({0}) recht werden wir uns in diesem Jahr noch befassen -, für vitale ländliche Räume und ebenso für eine gesunde und ausgewogene Ernährung von Anfang an . Sie alle wissen: Die Landwirtschaft geht augenblicklich durch schwere Zeiten . Das gilt, wenn ich mir die aktuellen Ergebnisse der Getreideernte ansehe - sie fallen natürlich regional unterschiedlich aus -, nicht nur für die Milchbauern . Wir stehen deswegen an der Seite aller Betroffenen und müssen auch angemessen zur Entlastung beitragen . Wir entlasten unsere Landwirte, und zwar alle und aus allen Branchen, auch 2017 durch einen gleichbleibend hohen Zuschuss in Höhe von 178 Millionen Euro bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung . ({1}) Überhaupt hat im Bereich der Landwirtschaft das Soziale einen sehr hohen Anteil in unserem Haushalt . Wir werden eine weitere Entlastung im steuerlichen Bereich vornehmen . Wir arbeiten daran, die Möglichkeit der Gewinnglättung von zwei auf drei Jahre auszuweiten . Wir wollen die Erlöse aus Veräußerungsgewinnen zukünftig durch einen Freibetrag von der Steuer verschonen, wenn sie zur Schuldentilgung verwendet werden . Über diese Frage werden natürlich Sie in den parlamentarischen Beratungen zu reden und zu entscheiden haben . Ein nationales Bürgschaftsprogramm soll dies ergänzen . In der aktuellen Krise kommt es auch auf weitere Hilfe an, insbesondere für die Milchbauern . Ich habe in Brüssel intensiv und hart für ein zweites EU-Hilfspaket gekämpft . Wir hatten Erfolg . 150 Millionen Euro stehen ab Oktober für Maßnahmen zur Mengenregulierung bereit . Die Länder übernehmen die Durchführung . Dies begrüße ich als einen solidarischen Beitrag der Länder zur Überwindung der Marktkrise . Ich bedanke mich aber auch für die Kooperation, die wir von beiden Seiten, von Bund und Ländern, in der praktischen Umsetzung erreichen konnten . Es ist die gute Situation eingetreten, dass hier nicht nach Parteifarben vorgegangen wird und unterschiedliche Blickwinkel eingenommen werden, sondern gemeinsam angepackt wird, um das Geld schnellstmöglich bei den Erzeugern, bei den Bauern und Bäuerinnen, ankommen zu lassen . ({2}) Ich werde das anschließend, wenn ich von hier direkt zur Agrarministerkonferenz fahre, auch mit den Landeskollegen besprechen . Weitere gut 58 Millionen Euro stellt uns die Europäische Union für ein nationales Hilfspaket zur Verfügung . Den Umfang des Hilfspakets will ich mit nationalen Mitteln auf 117 Millionen Euro verdoppeln . Hier werden wir Mengendisziplin verbindlich festschreiben . Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir arbeiten im Moment mit Hochdruck an der genauen Ausgestaltung des Programms, das einer engen Abstimmung mit Brüssel bedarf . Die Brüsseler Regelungen werden morgen veröffentlicht werden. Ich bin mir mit dem Bundesfinanzminister darüber einig, dass ich nach Spruchreife dieses Programms - wenn meine Leute, die in diesem Bereich unwahrscheinlich viel arbeiten, das über das Wochenende umsetzen, vielleicht schon Anfang der nächsten Woche - die Regelungen auf den Weg bringen werde . Es geht darum, im Rahmen von über- und außerplanmäßigen Ausgaben noch für 2016 Mittel zur Verfügung zu haben . Ich bitte Sie hier schon heute um Ihre Unterstützung . Für mögliche weitere Maßnahmen erwarte ich auch die Unterstützung der Bundesländer . ({3}) Wir müssen beim Thema Milch die Ursachen aber jetzt schon tiefgehend analysieren und diskutieren . Wer das nicht macht, legt die Falle für die nächste Krise aus . Mein Befund ist, dass die Erzeuger gegenwärtig das Risiko faktisch alleine tragen . Wir müssen also bei den Markt risiken zwischen Erzeugern, Molkereien, Lebensmitteleinzelhandel und Verbrauchern eine bessere Balance finden. Das kann aber nicht nur der Staat regeln . Mir fällt auf, dass viel nach dem Staat gerufen wird, manchmal schneller, als man selbst geschaut hat, wo denn Möglichkeiten zur Verbesserung sind . Deswegen lade ich nächste Woche zu meinem zweiten Milchstrukturgespräch ein . Da will ich zum einen hören - ich werde nicht predigen -, was sich denn bei den Lieferbeziehungen tut . Ich möchte wissen, wie die Genossenschaften ihrer Verantwortung gegenüber ihren Genossen zum Beispiel in Form eines strategischen Mengenmanagements für die Milch gerecht werden . ({4}) Wir werden auch darüber reden müssen, dass es manche gibt, die offensichtlich nur rein innerbetriebswirtschaftliche Überlegungen haben, ohne die Konsequenzen für die Erzeuger in ihre Perspektiven einzubeziehen . ({5}) Ich dränge zur Eile, weil ich schon jetzt spüre - wir sind ja wie die Landwirte sehr sensorisch veranlagt -, dass die Bereitschaft zum Umdenken sofort nachlässt, wenn, wie jetzt in diesen Tagen, die Erzeugerpreise für Milch erste leichte Signale der Erholung zeigen . ({6}) Das kann nicht sein . Deswegen sage ich: Legt jetzt alle Kräfte zusammen, um Strukturen zu verbessern! ({7}) Da wird manchmal kräftig zugelangt; das soll auch sein . Da bin ich auch gerne mit dabei . Aber es kann keiner erwarten, dass ich um des lieben Friedens willen nur Geld organisiere und die Probleme nicht angegangen werden . Da müssten auch manche bei uns, auch in der politischen Diskussion, bevor sie den Mund aufmachen und Forderungen erheben, einmal ein klein wenig nachdenken, wie man in andere Bereiche mit hineinwirken muss . Ich bin nicht bereit, den Status quo fortzuschreiben . ({8}) Das ist nicht zumutbar für die Bäuerinnen und Bauern . Ein solches Vorgehen würde so kurzzeitig tragen wie ein Mindesthaltbarkeitsdatum . Zu unserer arbeitsteiligen Weltwirtschaft gehört übrigens auch der Export in kaufkräftige Märkte . Manchmal ist mir nicht so ganz klar, über was wir reden, was unter Markt verstanden wird . Ich werde die Exportförderung und das Messeprogramm auf hohem Niveau fortschreiben. Wir eröffnen damit unseren Landwirten neue Chancen auf neuen Märkten . Damit das ganz klar gesagt ist: Verantwortungsbewusster Export von Nahrungsmitteln ist für mich kein notwendiges Übel zum Ausgleich von Überproduktion, sondern legitimer Bestandteil landwirtschaftlicher Produktion in Gunstregionen . ({9}) Ich bitte uns alle darum, nicht dazu beizutragen, dass der Export per se in eine Schmuddelecke gestellt wird . Da gehört er jedenfalls heute nicht mehr hin . Wir sind heute weltweit Nummer drei beim Agrarexport . Ja, das ist für andere aus ganz anderer Sicht ein Problem, weil sie diese Rangstelle erreichen möchten . Wir jedenfalls müssen dabei auf Qualität und natürlich auf die regionalen Märkte achten . China ist beispielsweise ein wichtiger Exportmarkt, dessen Aufnahmebereitschaft in diesem Jahr übrigens zu den deutlich besseren Preisen für Schweinefleisch beigetragen hat. Russland ist ein komplexes Kapitel, an dem wir arbeiten . Ich habe intensive Gespräche mit meinem russischen Kollegen geführt . Ich war vor wenigen Wochen in Moskau und werde in diesem Jahr noch einmal hinreisen . Wir werden über diese Fragen dann mit Blick auf das nächste Jahr zu sprechen haben . Mein Haus wird im nächsten Jahr einen nationalen Exportbericht für die Agrarmärkte vorlegen . Auf dieser Grundlage werden und können wir dann über die Perspektiven des Exports, seine Chancen und Potenziale reden . Ich lade alle dazu ein; denn bislang wird die Diskussion schief geführt . Das ist nicht in Ordnung . Mich wundert, dass zum Beispiel kaum zur Kenntnis genommen wird - oder genommen werden will -, dass sich die Europäische Union, auch dank der von mir dezidiert vertretenen Position, bei der WTO erfolgreich für ein Ende der Exportsubventionen bei Agrargütern eingesetzt hat . Lassen Sie mich auch noch ein sehr nachdenkliches und kritisches Wort zu den Freihandelsabkommen sagen . Ja, ich weiß, es gibt großes Interesse daran und große Diskussionen darüber . Das ist ja auch gut so . Ich bin aber der festen Überzeugung, dass unsere heimische Landund Ernährungswirtschaft durch den freien Handel gewinnen kann; denn deutsche Lebensmittel stehen nicht nur für höchsten Genuss, sondern auch für die sichersten Standards weltweit . Und dieses Schutzniveau wird durch TTIP oder CETA - bei TTIP durch unsere Verhandlungspositionen; bei CETA durch die Ergebnisse - nicht infrage gestellt . ({10}) Deshalb finde ich auch die Haltung, die in der Diskussion von manchen Nichtregierungsorganisationen, zum Teil auch von Politikern, zum Beispiel von den Grünen, eingenommen wird, leicht paradox . Auf der einen Seite wird unterstellt, Freihandelsabkommen würden die hohen Schutzstandards unserer Lebensmittel unterwandern . Das heißt, unsere hohen Schutzstandards werden gelobt . Aber kurz darauf werden unsere Nahrungsmittel als vergiftet, krankmachend und ungenießbar dargestellt . Damit stellen Sie doch genau die Standards infrage, die Sie vorher noch beschworen haben . ({11}) Glauben wir denn, dass, wenn wir so etwas in den Raum stellen, sich die Lebensmittelerzeuger, die Bäuerinnen und Bauern, die Bäcker, die Bierbrauer noch respektiert fühlen können? Wohl kaum . ({12}) Ich wünsche mir, dass wir mit Sachkenntnis und Ruhe nachhaltig und verantwortungsbewusst, auch beispielsweise hinsichtlich Pflanzenschutz, diskutieren. Da fällt mir das Thema Glyphosat ein . Die Stiftung Warentest, die auf Beschluss des Deutschen Bundestages gegründet worden ist, damit Verbraucher objektiv über die Qualität von Produkten informiert werden, hat vor einigen Wochen - Sie haben es sicherlich gelesen - einen großen Test über die Wasserqualität des Trinkwassers, also Leitungs- und Mineralwasser, in Deutschland veröffentlicht . Ein Ergebnis dieser Untersuchung widerspricht deutlich der immer wieder aufgestellten Behauptung, Glyphosat wäre ubiquitär, also überall und unbegrenzt verbreitet . Der Test besagte nämlich, dass Glyphosat in nicht einer einzigen der Trinkwasser- und Mineralwasserproben gefunden worden ist . ({13}) Deutsches Trinkwasser ist glyphosatfrei . Das möchte ich hier uns schon gerne zur Kenntnis geben . ({14}) Dies sollte Anlass sein, dass wir nüchtern und ruhig über dieses Thema sprechen . Ich sehe nach wie vor und weniger denn je Anlass, den Wirkstoff Glyphosat komplett zu verbieten . Neben dem gesellschaftlichen und auch politisch motivierten Druck habe ich fast den Eindruck, manchen wäre es lieber gewesen, es wäre herausgekommen, dass in Wasser Glyphosat ist . Mir nicht . Ich bin froh und dankbar, dass es so ist, wie es ist . ({15}) Den starken Mittelansatz für Nachhaltigkeit, Forschung und Innovation in Höhe von 280 Millionen Euro will ich unter anderem dazu nutzen, unsere Landwirte bei der Anpassung an extreme Wetterlagen zu unterstützen, mit denen wir, auch bedingt durch den Klimawandel, immer mehr rechnen müssen . Perspektiven der nachhaltigen Nutzung des Clusters Forst und Holz sind mir ebenBundesminister Christian Schmidt so wichtig wie die Eiweißstrategie und der Ökolandbau . Zudem müssen wir die Klimabilanz der Landwirtschaft verbessern, etwa durch die Förderung von CO2-Senken in Wald und Forst . Beim Klimaschutz ist die Landwirtschaft Teil der Lösung . Wir werden uns als solchen Teil der Lösung in die Diskussion einbringen, auch innerhalb der Beratungen in der Bundesregierung über Klimaschutzmaßnahmen . Ich rate hier zu einer konstruktiven Zurückhaltung bei Einzelmaßnahmen . Das Baugesetzbuch haben wir gerade in der letzten Legislaturperiode geändert . Wir sollten einmal schauen, wohin sich die Dinge dann entwickelt haben . Landwirtschaft muss ökonomisch und ökologisch tragfähig sein . Beides gehört zusammen . Ausgehend von diesem Ansatz werden wir konstruktiv daran arbeiten . Geld haben wir zur Verfügung . An Steuererhöhungen denke ich nicht . Ich weiß, dass fast über alles diskutiert wird, etwa über Steuern auf Zucker, Salz, tierische Produkte, Fett und vieles andere . Ich glaube nicht, dass dies der Weg ist, um das Verbraucherverhalten und das Ernährungsverhalten zu verbessern . Ja, es muss verbessert werden . Das werden wir zum einen dadurch machen, dass wir ein Bundeszentrum für die Ernährungskommunikation aufbauen . Wir wollen uns noch stärker um die jungen Menschen kümmern . Das geplante Bundeszentrum für Ernährung soll dann besonders bei Kindern in Schule und Kita tätig sein . Wir werden darüber hinaus 2016 und 2017 Transparenz bei der Lebensmittelinformation weiter voranbringen . Dieses Haus hat sich das Thema Lebensmittelkennzeichnung auf die Fahne geschrieben . Ich bin dabei; lassen Sie mich aber sagen: Wenn die Kennzeichnung dazu dienen sollte - ich habe den Eindruck, dass es in anderen europäischen Ländern leider eine Tendenz dazu gibt -, heimische Produkte hervorzuheben und andere Produkte, beispielsweise deutsche Produkte, vom Markt auszuschließen, dann müssen wir darüber in der Europäischen Union sehr offen und ehrlich und notfalls strittig reden.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Minister .

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Die ländlichen Räume stehen im Mittelpunkt .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Sie dürfen so lange reden, wie Sie möchten, aber ich muss Ihnen sagen, dass das dann zulasten der Redezeit Ihrer Fraktion geht . ({0})

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Frau Präsidentin, in meiner Dankbarkeit gegenüber der Fraktion gehe ich so weit, dass ich davon ausgehe, dass das Thema „ländliche Räume“ bei der GAK, den Haushältern und diesem Parlament in guten Händen ist und die weiteren Beratungen positiv für uns alle ausfallen . Ich bedanke mich und wünsche uns gute Haushaltsberatungen bis Ende November . ({0})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Als Nächste erhält für die Fraktion Die Linke Kirsten Tackmann das Wort . ({0})

Dr. Kirsten Tackmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003853, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Als Linke habe ich ja viel Grund zur Kritik an der Großen Koalition und ihrer Politik . Wir leben zwar in einem reichen Land, trotzdem sind Kinder ein Armutsrisiko, trotzdem hängt der Bildungsabschluss vom sozialen Status der Familie ab, trotzdem konnte ich mich zwar in Estland, im tiefen Nationalpark, auf das Internet verlassen, aber eben nicht einmal überall in Berlin, trotzdem fährt in viele Dörfer nur noch ein Schulbus . Und dass ich in Lappland vor einigen Jahren einen besseren Handyempfang hatte als in meinem Dorf, 100 Kilometer von Berlin entfernt, lässt ebenfalls tief blicken . Deshalb verstehe ich, ehrlich gesagt, dass sich viele abgehängt und in ihren täglichen Problemen nicht wirklich ernstgenommen fühlen . Dies gilt übrigens auch für die Agrarpolitik der Koalition . Viele Landwirtschaftsbetriebe kämpfen seit Monaten um ihre Existenz . Die Vorschläge der Linken zur Lösung der Krise liegen seit langem auf dem Tisch . Die Agrarbetriebe müssen endlich gegen die erpresserische Marktübermacht von Schlachthof-, Molkerei- und Handelskonzernen geschützt werden . ({0}) Es kann doch nicht länger geduldet werden, dass sie nur das bekommen, was die Konzerne ihnen übrig lassen . Milchviehbetriebe dürfen doch keine Bittsteller sein, sondern müssen für ihre Arbeit anständig bezahlt werden . ({1}) Es ist doch absurd, wenn Milch abgeliefert werden muss, man aber nicht weiß, wie viel Geld man dafür bekommt . ({2}) Bei der Milch ist es eben anders als bei VW, um das hier noch einmal klar zu sagen: Die Zulieferer können nicht einfach mit einem Lieferstopp ihre Interessen durchsetzen oder Kurzarbeitergeld beanspruchen . Deswegen brauchen sie unseren Schutz, und ich finde, erst recht, weil es hier um Lebensmittel geht, also unsere Lebensgrundlage . ({3}) Von daher habe ich sehr wohlwollend die Worte des Ministers gehört; aber wir werden Sie an Ihren Taten messen . Auch bei der Bodenfrage geht es um die Existenz ortsansässiger Betriebe . Wir können doch nicht zulassen, dass Geldkapital durch die Lande zieht und die Existenz unserer ortsansässigen Betriebe infrage stellt, ihnen die Produktionsgrundlage entzieht, dass Makler wie Heuschrecken durch das Land ziehen, um die Verlierer eines Dumpingpreiswettbewerbes zum Schnäppchenpreis zu übernehmen . ({4}) Wenn landwirtschaftsfremde Investoren Kauf- und Pachtpreise so hoch treiben, dass sie mit landwirtschaftlicher Arbeit nicht mehr zu finanzieren sind, ({5}) dann können wir doch nicht einfach zuschauen . Aber sogar der Bundesfinanzminister macht mit der Privatisierung ehemals volkseigener Flächen noch Kasse auf Kosten der einheimischen, ortsansässigen Betriebe . Der Aufstieg und der tiefe Fall der KTG Agrar, einer Agrar aktiengesellschaft mit undurchsichtiger Struktur und 46 000 Hektar in Ostdeutschland und Litauen, ist doch nur ein Beispiel für eine katastrophale Agrarstrukturpolitik . Die Ländereien aus dieser Insolvenzmasse werden wohl wieder nur bei Investoren landen und eben nicht bei ortsansässigen Betrieben . ({6}) Das bundeseigene Thünen-Institut hat festgestellt, dass zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern bereits ein Drittel der Landwirtschaftsbetriebe nicht mehr in ortsansässiger Hand ist . ({7}) Ich finde das, ehrlich gesagt, beunruhigend. ({8}) Übrigens brauchen wir bei einer investorengestützten Landwirtschaft auch nicht mehr über nachhaltige Landwirtschaft und über Tierschutz zu reden . Kostendeckende Erzeugerpreise werden eben auch gebraucht, um diese Probleme zu lösen . Wir brauchen dafür eine bundesweite Strategie; deshalb ist hier auch der Bundeslandwirtschaftsminister klar in der Pflicht. Aber es geht längst auch um mehr als um Bodenpreise und Milchkrise . Aktuell wird kein landwirtschaftliches Produkt angemessen bezahlt . Selbst Roggen in Brotqualität bringt mehr Geld, wenn er nicht als Lebensmittel, sondern energetisch verwertet wird. Ich finde das echt pervers . ({9}) Aber anstatt die strukturellen Ursachen zu beseitigen, wird immer mehr Geld in ein falsches System gepumpt . Nur: Mehr Geld ohne richtige Politik liegt eben auch nicht im Interesse der Betroffenen. Auf die Agrarbetriebe verteilt, ist die hohe Gesamtsumme übrigens auch nur ein Tropfen Milch auf einen überhitzten Stein . Zum Beispiel spart ein mittlerer Milchviehbetrieb mit 100 Hektar und 80 Milchkühen durch den Bundeszuschuss gerade einmal Beiträge in Höhe von 600 Euro im Jahr für die Unfallpflichtversicherung. Ihm fehlen aber 10 Cent an jedem Liter Milch . Das entspricht einem Minus von 30 Prozent, Liter für Liter . Ja, es gibt in der EU zusätzliche Liquiditätshilfen, die auch vom Bund aufgestockt werden . Aber es geht doch nicht, dass größere Betriebe, die Beschäftigte bezahlen müssen, gar nicht davon profitieren können. Das sind übrigens gerade in Ostdeutschland Betriebe in strukturschwachen Regionen, in denen diese Arbeitsplätze oft die letzten verbliebenen sind. Deswegen finde ich das nicht okay . Es gibt noch mehr Problembereiche . Zum Beispiel ist die Weidetierhaltung die Verliererin der EU-Agrarpolitik, obwohl sie die höchste gesellschaftliche Akzeptanz hat und gerade Schafe und Ziegen für die Kulturlandschafts- und Deichpflege dringend gebraucht werden. Wir als Linke haben immer wieder mehr Unterstützung auch vom Bund gefordert, in Form einer Weidetierprämie und eines Herdenschutzkompetenzzentrums . Bisher verweigert dies leider die Koalition . Aber ich kann versprechen: Wir werden an dem Thema dranbleiben . ({10}) Das gilt übrigens auch für dieses Thema: Klein- und Kleinstwaldbesitzer müssen ungerecht hohe Beiträge zur Unfallversicherung zahlen, während die Beiträge für Großwaldbesitzer auf niedrigem Niveau gedeckelt werden. Das finde ich als Linke nach wie vor inakzeptabel. ({11}) Auch beim Thema Fischerei gibt es eine dringende Baustelle . Es wurden zwar strenge Bestimmungen zur Bekämpfung der illegalen Fischerei beschlossen; aber ohne ausreichendes Personal für die Kontrollen wird eben weiter illegal gefischt. Hier muss sich deswegen wirklich etwas ändern . Als Linke haben wir die vielen Probleme immer wieder thematisiert . Aber die Menschen erwarten von uns, dass sie endlich gelöst werden . Vielen Dank . ({12})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Rainer Spiering . ({0})

Rainer Spiering (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004410, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Vorab: Herr Minister, Sie haben CETA angesprochen . Ich werde mich jetzt nicht inhaltlich zum Freihandelsabkommen äußern . Aber eines weiß ich: Wenn diejenigen, die in Deutschland produzieren und Handel betreiben - also Industrie und Handel -, sich frühzeitig an die Gewerkschaften gewandt hätten und einen interessierten Ausgleich mit den gewerkschaftlichen Vertretern gefunden hätten, dann hätten wir heute deutlich weniger Probleme mit CETA, als wir es zurzeit haben . Ich muss ganz ehrlich sagen: Da haben die entsprechenden Wirtschaftsverbände einfach nicht ordentlich gearbeitet . ({0}) Eine weitere Randbemerkung . Wir sind uns, Herr Minister, sehr einig: Export ergibt dann einen Sinn, wenn reale Wertschöpfung stattfindet. Export um des Exports willen, bei dem man Verluste in Kauf nimmt, ergibt keinen Sinn . Ich glaube, auch das muss man nüchtern zur Kenntnis nehmen . ({1}) Wir alle wissen: Rauchen ist schädlich . Mit der Umsetzung der EU-Tabakrichtlinie im nationalen Tabakerzeugnisgesetz sind wir im Frühjahr den richtigen Weg gegangen . Warnungen der Tabakindustrie, die Umstellung auf die neuen Verpackungen wäre nicht realisierbar, haben sich im blauen Dunst aufgelöst . Natürlich war die Umstellung mit unserer modernen deutschen Technik möglich . Internationale Tabakkonzerne wollten uns ihren Zeitplan und ihre Marktbedingungen aufzwingen . Darauf haben wir uns nicht eingelassen . Richtig und konsequent so . Glückwunsch ans Haus und ans Ministerium! In einem zweiten Schritt wollten wir die Zusatzstoffe definieren und Außenwerbung verbieten. Hierfür hat Bundesminister Schmidt mit einem guten Gesetzentwurf alle Voraussetzungen geschaffen. Dieser Gesetzentwurf wurde vor Eintritt in die parlamentarischen Beratungen aufgehalten . Interessant, dass der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Volker Kauder, den CSU-Minister Christian Schmidt ausbremst . Sonst kennen wir das nur umgekehrt . ({2}) Mit einem parlamentarischen Tritt in den Pöter des Bundesministers Schmidt hat Volker Kauder die Interessen der internationalen Tabakwirtschaft gerettet. Ich finde es bedauerlich . Herr Bundesminister, Sie haben so einen guten Gesetzentwurf vorgelegt . Lassen Sie uns daran festhalten und ihn durchbringen, und lassen Sie sich nicht von Herrn Kauder aufhalten . ({3}) Mein Thema: Smart Farming . Herr Bundesminister, Sie haben angesprochen, dass wir der Landwirtschaft mit Fördermitteln helfen wollen . Ich glaube, eine nach hinten gerichtete Förderung, bei der man versucht, mithilfe von Geldmitteln Probleme aufzuhalten oder zu heilen, wird auf Dauer keine Zukunft haben . Wir haben aber sehr wohl eine Zukunft . Sie liegt darin, dass wir das, was wir im Landbau machen, mit dem verknüpfen, was wir technologisch und mithilfe des Internets leisten können . Ich hatte jetzt bei mir zu Hause viele Veranstaltungen, viele davon mit Landwirten . Sie waren gut für mich . Was ich für mich erkennen konnte, war Skepsis bei den älteren Landwirten - wie auch immer sie entstanden ist - und sehr große Bereitwilligkeit bei den jungen Landwirten, sich mit einer modernen, zukunftsorientierten Landwirtschaft verbunden mit IT-Unterstützung auseinanderzusetzen . Und sie haben dabei keine Hemmschwellen . Sie finden es total spannend, was man mit moderner IT anstellen kann. Deswegen meine dringende Aufforderung: Helfen Sie unserer Landwirtschaft, indem Sie unseren jungen Bauern helfen, ihren Weg zu gehen; denn sie sind die Zukunft und nicht die älteren Eigentümer der Höfe . ({4}) Der digitale Kuhstall und satellitengesteuerte Traktoren sind keine Zukunftsmusik, sondern real . Diesen Weg werden wir weiter beschreiten müssen . Das ist die Grundlage für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie und unserer Wirtschaft . Wir haben ein Positionspapier zu den Chancen des Smart Farming vorgelegt . Ich habe es eben schon erwähnt: Bei den jungen Menschen haben wir damit Erfolg und erreichen, dass sie Zutrauen haben . Ich will Ihnen ein Argument nennen, das gerade die jungen Landwirte sehr intensiv aufgenommen haben . Unsere Landwirtschaft steht meiner Meinung nach häufig zu Unrecht unter Druck. Wenn man aus einer Region kommt, die wie meine Region sehr ländlich geprägt ist und in der eindeutig sehr viel Gülle hergestellt wird das ist noch sehr vorsichtig ausgedrückt, man könnte das auch noch ganz anders formulieren -, dann weiß man: Der Druck ist noch viel höher . Man fragt sich: Welche Chance hat eigentlich die Landwirtschaft bei mir zu Hause, nachzuweisen, dass sie für die Nitratwerte nicht verantwortlich ist? Zurzeit keine . Aber wenn wir IT-unterstützt eine solide und ordentliche Hoftorbilanz erstellen, dann haben wir alle Möglichkeiten, Ross und Reiter zu benennen, im Guten wie im Bösen . Dann muss man bekennen, und Bekennen - das ist ganz wichtig - schafft Vertrauen in der Politik . Das wissen Sie alle . ({5}) Wir wollen unsere globalen Player vor Ort halten . Das betrifft die gesamte Landmaschinentechnologie; ich habe den Zusammenhang bereits erläutert . Jetzt möchte ich ein paar Punkte nennen, die wir unbedingt umsetzen müssen . Wir müssen eine Verknüpfung herstellen zwischen industrieller Landwirtschaft und den dazugehörigen Landmaschinenherstellern . Dazu brauchen wir Professorenstellen an den Universitäten . Ich würde mich freuen, wenn das Landwirtschaftsministerium Ähnliches unterstützen würde . Wir können aber auch noch etwas ganz anderes machen . An Standorten, an denen die Verknüpfung von Landmaschinentechnologie und intensiver Landwirtschaft stattfindet, kann man Institute wie das Fraunhofer-Institut fragen: Habt ihr nicht Interesse, uns mit zukunftsorientierter Anwendungstechnik vor Ort zu helfen? Ich weiß, Herr Bundesminister, das ist nicht Ihr Ressort, aber ich glaube, Sie haben genügend Einfluss, um das entsprechende Ressort in Bewegung zu setzen . Ich würde mich freuen, wenn von diesem Hause aus das klare Signal ausgeht: Wir geben der deutschen Landwirtschaft und den jungen Bäuerinnen und Bauern auch in Zukunft eine Chance, und zwar nicht, indem wir ihre Verluste im Nachhinein versuchen zu glätten, sondern indem wir eine Technologie und eine Landwirtschaft schaffen, in die die Menschen in unserem Land zu Recht wieder Vertrauen haben . Danke schön . ({6})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. - Friedrich Ostendorff ist jetzt der nächste Redner für Bündnis 90/Die Grünen .

Friedrich Ostendorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003604, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gerade findet in Warnemünde die Agrarministerkonferenz in Begleitung von energischen, wütenden Bauernprotesten statt. Ich finde, wir finden: sehr zu Recht. Vor 35 Jahren haben meine Frau und ich über unser Scheunentor geschrieben: „Bleibt auf dem Lande und wehret euch täglich!“ Das war das Motto von uns Jungbauern und Jungbäuerinnen gegen die Industrialisierung der Landwirtschaft und für den Erhalt unserer Höfe . Es war und ist die Erklärung unserer Entschlossenheit, um jeden einzelnen Hof zu kämpfen . Seit 1975 sind über 600 000 Bauernhöfe in Deutschland verschwunden, jährlich etwa 2 Prozent der Betriebe . Seit dem Ende der Milchquote am 1 . April 2015 haben jeden Tag 10 bis 15 Milchviehbetriebe aufgegeben - das sind 5 Prozent, Zahl ständig steigend -, Tausende unwiederbringlich verlorene Höfe, Existenzen, prägende Teile des ländlichen Raums . Man muss es so deutlich sagen: Es findet kein Strukturwandel, kein Strukturbruch statt, das ist ein Gemetzel im ländlichen Raum, das niemanden kalt lassen kann . ({0}) Der Soziologe Heinz Bude kennzeichnet solche Vorgänge und deren Opfer als Verbitterungsmilieu in der Mitte der Gesellschaft . Darüber sollten wir einen Moment nachdenken . Nur, manche, gerade auch Ökonomen, lässt das ja kalt . Sie können natürlich immer wieder gut erklären, warum der Strukturwandel notwendig ist . Die meisten Molkereien predigen das sowieso, und für den Bauernverband ist Wachsen oder Weichen fester Bestandteil seiner absurderweise immer schon bauernfeindlichen Ideologie . Warum, liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben wir eigentlich Ökonomen, Molkereien und dem Bauernverband, zu entscheiden, was gut für unser Europa ist? Denn um Europa geht es, liebe Kolleginnen und Kollegen . Europa steht nicht nur durch den Brexit vor einer Zerreißprobe . Europa ist nicht nur durch Schuldenkrise und Flüchtlingsdrama infrage gestellt, sondern auch durch das, was hier in der Landwirtschaft stattfindet. Wenn wir nicht nur London, Paris, Rom und Berlin als Europa betrachten, sondern auch Little Farmhill, Petit Paysanne, Villagio Piccolo oder Kleinbauerndorf, wenn wir anerkennen, dass es auch und vor allem die ländlichen Räume, die bäuerlichen Kulturlandschaften sind, die Europas vielbeschworene Identität ausmachen, dann müssen wir sagen, dass der aktuelle Zusammenbruch der jahrhundertealten Bewirtschaftung dieser ländlichen Räume nichts weniger als eine weitere Katastrophe für Europa ist . ({1}) Nichts weniger als den Zusammenbruch der bäuerlichen Landwirtschaft erleben wir gerade in Europa . Diese Entwicklung war nicht nur abzusehen, sondern sie war von den Befürwortern der Liberalisierung gewollt und geplant . Sie haben nach dem Markt geschrien, nun wütet der Markt ungezügelt in den europäischen Dörfern . Die, die gewarnt haben, wurden niedergemacht . Minister Schmidt, ein großer, in die Zukunft denkender Mensch, sagte im März 2015 35 Cent für den Liter Milch voraus . Heute wurden vom Minister als Bonbon für die Landwirtschaft, als Hoffnung für die Zukunft, Gewinnglättung und höhere Freibeträge angekündigt . Ich verstehe das so, Herr Minister, dass diese Maßnahme sich nicht auf Verluste bezieht, sondern auf Gewinne . Da sollten wir die Landwirtschaft erst einmal wieder hinführen, dass sie Gewinne erwirtschaftet . Diesbezüglich sind Antworten erforderlich . ({2}) Die Verantwortlichen für das Sterben sind diese Bundesregierung und mit ihr zusammen der Deutsche Bauernverband . Bauernverband und CDU/CSU haben seit Jahren auf das hingearbeitet, was jetzt eingetreten ist: die chaotische und ungeregelte Explosion der Milchproduktion, der hemmungslose Preiskampf der Discounter und damit verbunden der totale Zusammenbruch des Marktes . Die Milch wird aktuell für 42 Cent, sogar gentechnikfrei, im Laden verramscht . Die Bauern erhalten oft nur 15 Cent - bei Kosten von 40 Cent . Sie von der CDU/CSU haben alle Vorschläge für eine vernünftige Gestaltung des Milchmarktes - davon gab es nach Auslaufen der Quote genug - bekämpft wie der Teufel das Weihwasser . Eigene Vorschläge gab es leider keine . Rechtzeitig zum von Ihnen lange ersehnten Ende der Milchquote haben Sie auch noch den schwächsten Landwirtschaftsminister seit Bestehen der Bundesrepublik installiert, ({3}) der mit seiner vollkommen unzulänglichen, nichtstuenden Politik sicherstellt, dass die Zerstörungskraft des Marktes ungezügelt zur Geltung kommen kann . ({4}) Der Zusammenbruch der bäuerlichen Milchwirtschaft ist der Zusammenbruch Ihrer Politik, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von CDU und CSU . Wenn wir unsere Verantwortung für Europa gemeinsam ernst nehmen, müssen Sie jetzt endlich das Höfesterben beenden . Das geht nur, wenn Sie sich endlich verabschieden von diesen marktradikalen Ideologien und den Markt so mitgestalten, dass unsere Höfe weiter bestehen können . ({5}) Die Erhaltung der bäuerlichen Betriebe muss oberste Prämisse der Agrarpolitik sein . Sonst ist Agrarpolitik überflüssig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Haushaltsvorschläge liegen auf dem Tisch: stärkere Förderung des biologischen Landbaus, der ländlichen Entwicklung, der tiergerechten Haltung, vor allem aber Stärkung der bäuerlich-ökologischen Landwirtschaft . ({6}) Wenn Sie endlich ohne Scheuklappen und ohne Rücksicht auf Lobbyinteressen an Ihre Arbeit gehen, können immer noch viele bäuerliche Betriebe und damit zumindest ein kleiner Teil der europäischen Identität gerettet werden . Schönen Dank . ({7})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Als Nächster hat für die CDU/ CSU-Fraktion Alois Gerig das Wort . ({0})

Alois Gerig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004040, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir haben es in den vergangenen Tagen oft gehört: Deutschland ist ein starkes Land . 71 Jahre Frieden und Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit haben uns einen beachtlichen Wohlstand beschert . Der Fleiß der Menschen und die Innovationskraft der Unternehmen haben unser Land zur Wachstumslokomotive Europas gemacht, ganz besonders in den vergangenen Jahren . Deutschland - das will ich betonen - ist aber auch ein schönes Land . Die vielfältigen, meist bunten Landschaften von Flensburg bis Oberstdorf sind ökologisch wertvoll und wichtig, und sie machen unser Land für in- und ausländische Touristen attraktiv . ({0}) Unserem Ministerium geht es im Hinblick auf die Haushaltsmittel maßgeblich um die Zukunftsfähigkeit der ländlichen Räume . Es geht um die wirtschaftlichen Perspektiven insbesondere unserer familiengeführten bäuerlichen Land- und Forstwirtschaft . Es geht ebenso um die Themen Ernährungssicherheit, Ernährungsbildung und Lebensmittelverschwendung . Verbraucherschutz und nachwachsende Rohstoffe stehen ebenso ganz oben auf der Agenda . Mein Dank gilt an dieser Stelle ganz besonders unserem Bundesminister Christian Schmidt und seinem Haus . ({1}) Mein Dank gilt auch unserem Chefhaushälter Cajus Caesar und seinen Kollegen, und zwar dafür, dass es wiederum gelungen ist, die Mittel im Einzelplan 10 ähnlich wie im vergangenen Jahr auch für 2017 um fast 5 Prozent aufzustocken . ({2}) Diese Mittel, meine Damen und Herren, werden ganz sicher gebraucht . Vieles wurde heute bereits über die notleidende Landwirtschaft gesagt . Sie können sicher sein: Unser Minister, sein Haus und die zuständigen Parlamentarier werden alles dafür tun, dass diese Mittel gut eingesetzt werden . Das Ministerium und die Politik können - na klar nicht jedes Defizit und jede Preiskrise ausgleichen. Deshalb müssen wir alle mit Nachdruck daran arbeiten, dass die Leistungen, die die Land- und Forstwirtschaft für die Allgemeinheit erbringt, und ihre Produkte wieder mehr Wertschätzung in der Gesellschaft erfahren und ihr zu mehr Wertschöpfung verholfen wird, bevor sich der ohnehin starke Strukturwandel in der Branche, das Höfesterben - auch dies wurde hier schon angesprochen -, weiter beschleunigt und damit auch die von uns lieb gewonnene vielfältige Kulturlandschaft und die Struktur der Dörfer extrem gefährdet . Wir dürfen die Landwirte da sind wir uns alle einig - mit dieser Last nicht alleine lassen . Wir müssen die richtigen Weichen stellen . Handel und Gesellschaft müssen erkennen, dass sie ihren Beitrag leisten müssen . Ich sage: Wir alle können und müssen auf die Leistung unserer Bäuerinnen und Bauern stolz sein . ({3}) Sie produzieren Lebensmittel von weltweit höchster Qualität . Das ist zum Beispiel durch die jährliche Statistik über Pflanzenschutzmittelrückstände in Lebensmitteln beweisbar . Das Prädikat Lebensmittel „Made in Germany“ gibt es schon; es muss nur in die Köpfe der Menschen . Insbesondere der Handel muss seinen Beitrag dazu leisten, dass Lebensmittel aus deutschen Landen ihFriedrich Ostendorff ren Preis haben und nicht permanent verramscht werden dürfen . ({4}) Mit dem Agrarmarktstrukturgesetz haben wir die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sich die Erzeuger gegenüber dem Handel besser aufstellen können . Diese Möglichkeit gilt es jetzt sukzessive umzusetzen; das hat der Minister bereits angesprochen . Ich bin ihm sehr dankbar, dass er erstmals diesen großen Milch- und Lebensmittelgipfel ins Leben gerufen hat und da weiter den Finger in die Wunde legen wird . Selbstverständlich braucht unser Land auch zukünftig neben dem Import von Lebensmitteln einen gewissen Exportanteil . Ich habe kein Verständnis dafür, wenn wie es der Kollege Bartsch als Fraktionsvorsitzender der Linken hier vor zwei Tagen getan hat - angeprangert wird, dass deutsche Milchprodukte nach Afrika geliefert werden, und das insbesondere vor dem Hintergrund, dass es geschätzt 800 Millionen Menschen auf dieser Erde gibt, die Hunger leiden, und dass circa 60 Millionen auf der Flucht sind . Ich sage deshalb im Hinblick auf die vielfältigen Anfeindungen von allen möglichen Seiten, die jetzt schon wieder zunehmen, ganz klar: Was unsere Bauern mit Blick auf Klima-, Umwelt- und Tierschutz angeht, so kann man natürlich immer darüber reden, noch besser zu werden, wenn es denn honoriert wird . Aber unsere Bauern sind angesichts der globalen Herausforderungen unserer Zeit nicht das Problem, sondern ein ganz wichtiger und maßgeblicher Teil der Lösung . ({5}) Lieber Kollege Friedrich Ostendorff, Beschimpfungen gegenüber dem Minister ({6}) oder gar die vielen Attacken, die es in den letzten drei Jahren gegen die Landwirtschaft bei Tierhaltung, Pflanzenschutz und Düngung aus euren Reihen gegeben hat, bringen uns nicht weiter . Sie sind in hohem Maße kontraproduktiv . ({7}) Deswegen sage ich: Lasst uns doch gemeinsam dieses wichtige und schwierige Thema angehen . ({8}) Jetzt geht es kurzfristig darum, das zweite Hilfspaket zur Liquiditätsstabilisierung auf den Weg zu bringen . Der für mich erkennbare Ansatz ist durchaus gut, und wir sind alle gespannt darauf, was die Agrarministerkonferenz in den nächsten zwei Tagen bringen wird . Positiv ist die Aufstockung der Mittel für die landwirtschaftliche Unfallversicherung auf erneut 178 Millionen Euro . Das hilft der gesamten Branche und jedem einzelnen Land- und Forstwirt . ({9}) Die CDU/CSU-Fraktion setzt sich ferner dafür ein, Freibeträge für die Schuldentilgung einzuführen . Und ganz wichtig -: Zur besseren Risikovorsorge wollen wir, wie von der Branche seit langem gefordert, die Gewinnglättung auf drei Jahre ausweiten . Sie sind alle aufgefordert, den Weg mitzugehen . ({10}) Die Themen „gesunde Ernährung“, Lebensmittelsicherheit und -verschwendung haben natürlich im Ernährungsministerium und im Haushalt eine hohe Priorität . Mit dem Nationalen Aktionsplan in Form der Kampagne „Zu gut für die Tonne“ oder dem Aufbau des Bundeszentrums für Ernährung sind wir ganz sicher auf dem richtigen Weg . Steuern, meine Damen und Herren, auf Fleisch, Zucker oder Fett wird es mit der CDU/CSU-Fraktion definitiv nicht geben. ({11}) Ich möchte noch ein herzliches Dankeschön sagen an die Behörden: an die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, wo viele Fäden zusammenlaufen, an das Bundesinstitut für Risikobewertung und an das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, wo überall eine hocheffiziente wissenschaftliche Arbeit geleistet wird . Und da gilt genau das Gleiche: Anfeindungen gegenüber diesen unabhängigen Instituten sind nicht nur kontraproduktiv . Sie sind einfach nicht fair . Im Hinblick darauf, dass wir irgendwann einmal wieder den Rat aus diesen Häusern dringend brauchen, ist es auch unanständig . ({12}) Ich glaube immer noch an die Energiewende und daran, dass die nachwachsenden Rohstoffe und die ländlichen Räume eine wesentliche Rolle spielen werden . Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe leistet hier einen Beitrag und muss ebenfalls weiter gefördert werden . Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen eine Politik für den ländlichen Raum . Ich freue mich, dass der Haushalt für unser Ministerium viele gute Ansätze dazu bietet . Gleichwohl müssen wir auch die anderen Bundesressorts - das gelingt uns mehr oder weniger - mit ins Boot holen, damit gleichwertige Bedingungen für die Menschen in Stadt und Land weiterhin bestehen bleiben . Dort, wo weniger Menschen auf dem Quadratkilometer zusammenleben, ist einfach eine andere Förderung notwendig . Da geht es um die Infrastruktur - Straße und Schiene -, um schnelles Internet, um Schulen, um die medizinische Nahversorgung und darum, dass in den ländlichen Räumen mittelständische Unternehmen, Handwerk, Land- und Forstwirtschaft, Vereine und andere Organisationen weiterhin für Vitalität sorgen .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Kollege Gerig .

Alois Gerig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004040, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme gleich zum Ende .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Ja, schnell .

Alois Gerig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004040, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Mit klugen politischen Entscheidungen können wir dafür Sorge tragen . ({0}) Wir müssen den Belangen der ländlichen Räume auch in Zukunft eine hohe Priorität einräumen . Dazu sind in Zukunft noch mehr Haushaltsmittel nötig . ({1}) Wir haben mit dem Haushalt des BMEL einen richtigen und wichtigen Schritt dahin getan . Vielen Dank . ({2})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt Karin Binder . ({0})

Karin Binder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003738, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Meine Damen und Herren auf den Besuchertribünen! Mit diesem Haushaltsplan für 2017 wird eine Legislaturperiode zu Ende gehen, die für verpasste Chancen und leere Versprechungen durch den Ernährungsminister steht, um die unsinnige schwarze Null des Finanzministers zu sichern . Herr Minister Schmidt, Sie haben in dieser Regierung nichts getan und nichts erreicht, ({0}) um den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher zu stärken . Ernährungssouveränität und Lebensmittelsicherheit wären gute Stichworte gewesen . Wo ist aber die Lebensmittelsicherheit? Auch im vergangenen Jahr sind aufgrund mangelnder Lebensmittelsicherheit wieder Menschen gestorben und viele schwer erkrankt . Monatelang haben Behörden in Deutschland zugeschaut, wie sich Krankheitserreger in Deutschland und in den Nachbarländern ausbreiten konnten, zum Beispiel Salmonellen in einer Hühnerfabrik oder Listerien auf Wurstwaren . Herr Minister, was sind Ihre Konsequenzen daraus? Auch gegen Tricks und Verbrauchertäuschung der Lebensmittelindustrie gibt es von Minister Schmidt nur vage Versprechungen statt wirksamer Maßnahmen . Statt gutes Essen in Kitas und Schulen gibt es von Ihnen peinliche Empfehlungen an die Eltern, sich selbst mehr um die Schulverpflegung zu kümmern. Zu viel Fett, Zucker und Salz im Essen und auch Lebensmittelverschwendung: Aus Sicht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ist immer der Verbraucher schuld . Dagegen setzt das Bundesministerium auf Infoflyer und Internet-Apps . Nur ja keine Verbindlichkeit oder gar gesetzliche Maßnahmen! Der Ernährungsminister bleibt lieber bei schönen Plakaten . Der Lebensmittellobby gefällt das sehr gut . Sie kann mit dieser Untätigkeit gut leben . Die Verbraucherinnen und Verbraucher aber nicht . ({1}) Herr Minister, stellen Sie statt der Lebensmittellobby endlich die Verbraucherinnen und Verbraucher in den Mittelpunkt Ihrer Arbeit . ({2}) Das müsste sich jedoch auch in den Zahlen Ihres Haushaltes niederschlagen und würde bedeuten, dass Sie Forderungen der Linken erfüllen müssten . Ich nenne nur fünf Beispiele . Erstens eine klare Verbraucherinformation . Dazu ist erforderlich, dass das Informationsportal www .lebensmittelklarheit .de des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände dauerhaft finanziell abgesichert wird . Zweitens . Lebensmittelsicherheit zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher muss systematisch gestärkt werden . Die amtliche Lebensmittelüberwachung muss bei überregional arbeitenden und internationalen Unternehmen auf allen Ebenen ständig zusammenarbeiten . Die Verantwortung muss auf die Bundesebene übertragen werden . ({3}) Die Behörden müssen jederzeit Zugang zu allen Unternehmensdaten bezüglich der Qualitäts- und Sicherheitskontrollen von Lebensmitteln haben . Die größeren Unternehmen sollten an der Finanzierung dieser Kosten beteiligt werden . Drittens . Bei anderen Produkten des täglichen Bedarfs muss der gesundheitliche Verbraucherschutz ebenso dringend verbessert werden . Das gilt insbesondere für Kinderspielzeuge . Noch immer ist jedes vierte Spielzeug auf dem deutschen Markt gesundheitsbedenklich . Das können wir nicht länger hinnehmen . ({4}) http://www.lebensmittelklarheit.de http://www.lebensmittelklarheit.de Wir brauchen mehr und bessere Kontrollen . Nur durch bundesweit einheitliche und konsequente Überwachung können wir die Gesundheit der Kinder im Umgang mit Spielzeug ausreichend schützen . Das muss der Bund verantworten und mitfinanzieren. Viertens . Da wir gerade bei Kindern sind: Wir brauchen eine gezielte und umfassende Erforschung und Untersuchung des Ernährungsverhaltens von Kindern und Jugendlichen . Sie alle wissen, dass uns eine Generation heranwächst, die durch Fehlernährung bereits als Kinder und Jugendliche mit Übergewicht und Diabetes zu kämpfen hat . Womit sie später als Erwachsene zu kämpfen haben, können wir schon heute voraussagen: Das reicht von ernährungsbedingten Krankheiten über fehlende berufliche Qualifikation bis zur sozialen Ausgrenzung. Wir begrüßen deshalb ausdrücklich die Einrichtung eines In stituts für Kinderernährung am Max-Rubner-Institut . Dort ist dieses überaus wichtige Thema in guten Händen . ({5}) Allerdings geht auch hier das Ernährungsministerium nur halbherzig zur Sache . Das Max-Rubner-Institut soll diese Sache für null managen . ({6}) Dem Max-Rubner-Institut werden für die Einrichtung und den Betrieb des Instituts für Kinderernährung die notwendigen Mittel in diesem Haushalt nicht zur Verfügung gestellt . ({7}) Wir möchten wissen, Herr Minister: Wie soll dieses Institut für Kinderernährung im Einzelnen finanziert werden? ({8}) Oder was wird möglicherweise beim MRI dafür weggestrichen? ({9}) - Das reicht gerade einmal für die Tariferhöhung, Herr Kollege, ({10}) aber doch nicht für weitere Aufgaben, die noch hinzukommen . ({11}) Das MRI hat in den vergangenen zwei Jahren mehrere zusätzliche Aufgaben übernommen und hat keinen Cent mehr bekommen . ({12}) Stellenstreichungen sind wohl dabei die Methode . Fünftens, jetzt vom theoretischen zum praktischen Verbraucherschutz . Die Linke plädiert für die Einführung einer flächendeckenden und kostenfreien Verpflegung an allen Kindertagesstätten und Schulen . ({13}) Dazu brauchen wir die gesicherte Finanzierung der Vernetzungsstellen Schulverpflegung und auch eine deutliche Aufstockung und dauerhafte Absicherung durch den Bund . Wir brauchen zudem endlich verbindliche Qualitätsvorgaben für die Gemeinschaftsverpflegung auch in Pflege- und Betreuungseinrichtungen, in Krankenhäusern und auch in öffentlichen Kantinen. Das wäre sogar haushaltsneutral, Herr Minister . Dafür hätte ich noch mehr Vorschläge zu machen . Die muss ich Ihnen dann im Rahmen der Beratungen im Ausschuss unterbreiten . Aber ich glaube, es reicht nicht, Infoflyer zu verteilen oder von teuren Werbeplakaten zu lächeln . Wir müssen anpacken, und zwar an vielen Stellen . ({14})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Als Nächstes spricht der Kollege Johann Saathoff, SPD-Fraktion. ({0})

Johann Saathoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004393, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Gesamtvolumen des Einzelplans für Landwirtschaft und Ernährung beträgt 5,9 Milliarden Euro . Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen . Ich möchte heute auch - aber nicht nur deswegen, weil der Minister anfangen wollte, über ländliche Raumentwicklung zu sprechen - dieses Thema aufgreifen und den Schwerpunkt meiner Rede auf die Entwicklung ländlicher Räume legen . Ich glaube, dass es hier trotz des Verhältnisses von 20 Millionen Euro pro Jahr für die Entwicklung ländlicher Räume zu den 5,9 Milliarden Euro Gesamtvolumen einen enormen Fortschritt in dieser Legislaturperiode gibt . Es ist nicht zuletzt den Sozialdemokraten zu verdanken, dass wir das so hinbekommen haben . ({0}) Das sind 100 Millionen Euro in fünf Jahren für die Entwicklung ländlicher Räume . Wir werden die ländlichen Räume weiterentwickeln . Wie man bei uns sagen würde: „Wi könn’t dat - un wi maak’t dat ok!“, und zwar nicht nur durch Haushaltsansätze, sondern vor allen Dingen auch durch Politikansätze . Dabei ist zum Beispiel der Ansatz der sozialen Dorferneuerung zu nennen . Mit der sozialen Dorferneuerung ist gemeint, dass wir die ursprüngliche Dorferneuerung weiterentwickeln . Früher war Dorferneuerung so angelegt, dass man sich die Straßen angesehen und gesagt hat: Sie sind in einem schlechten Zustand; wir investieren Geld, und am Ende der Dorferneuerung sind die Straßen dann in einem besseren Zustand . Wir wollen aber, dass Konzepte des Zusammenlebens der Menschen in den Dörfern gefunden werden, dass das Miteinander gestärkt wird und dass man der Frage nachgeht, wie man in welchen Verhältnissen zusammenlebt . Wir wollen nicht den Tiefbau fördern, sondern das Zusammenleben . ({1}) In diesem Zusammenhang gibt es zum Beispiel auch das Konzept des Dorfkümmerers . Ich glaube, an dieser Stelle kann man ruhig sagen, dass die Gemeindeschwester Emmi Austermann aus Pewsum im tiefsten Ostfriesland sicher nie damit gerechnet hätte, dass sie einmal im Deutschen Bundestag erwähnt wird . Sie war bis in die 60er-Jahre hinein diejenige, die sich gekümmert hat, wenn irgendwo ein Kind geboren wurde, wenn es irgendwo Schwierigkeiten in der Erziehung gab oder wenn insgesamt in der Ortschaft das eine oder andere aus dem Lot geraten ist . Wir brauchen wieder solche Dorfkümmerer . Das ist unser Wunsch für die soziale Dorferneuerung . Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen die Wertschöpfung stärken, weil das Arbeitsplätze schafft. Das heißt, wir müssen dafür sorgen, dass man in den ländlichen Räumen nicht nur landwirtschaftliche Produkte herstellt und diese dann zur Veredelung nach außen gibt, sondern wir müssen die Veredelung wieder in die ländlichen Räume zurückholen, damit die Menschen nicht nur vor Ort wohnen, sich amüsieren und die tolle Landschaft betrachten können, sondern auch Arbeit finden und für ihre Familien sorgen können . Dazu gehört auch, dass wir dafür sorgen, dass es wieder regionale Produkte gibt, die wir dann auch regional vermarkten können . Dieses Bewusstsein muss gestärkt werden, und ich bin sicher: Das wird uns gelingen . ({2}) Nicht zuletzt werden wir auch über Bildungsangebote im ländlichen Raum sprechen müssen, getreu dem Motto „Kurze Wege für kurze Beine“ . Integrierte Schulsysteme sind genau das, was wir für die ländlichen Räume und deren Bildungsstruktur brauchen, zum einen, um das Angebot aller Schulformen vor Ort sicherzustellen, aber zum anderem auch, weil hinter dem integrierten Schulsystem eine andere Idee steckt: nicht die Idee des Konkurrenten im Klassenzimmer, sondern die Idee des Partners bei der Erreichung von Zielen und der Wunsch, dass Kinder, die an integrierten Schulen unterrichtet werden, schon in der Schulzeit die Erkenntnis gewinnen, dass der Mensch mehr wert ist als die Summe seiner Schulnoten . Wir werden uns insgesamt natürlich auch darüber Gedanken machen, wie ländliche Kulturarbeit stattzufinden hat . Ich kann an dieser Stelle einen Blick auf die Internetseite der Ländlichen Akademie Krummhörn empfehlen, die schon ohne Förderung hervorragende ländliche Kulturarbeit macht . Aber mit einer freundlichen Förderung des Bundesministeriums würde sie die Kultur noch viel besser gestalten, Herr Minister . Wir brauchen innovative Verkehrskonzepte bzw . Mobilitätskonzepte. Der öffentliche Personennahverkehr ist nicht in einem besonders guten Zustand . Aber auf der anderen Seite ist es schwierig, seitens der öffentlichen Hand Mitfahrkonzepte zu organisieren . Zwischen meinem Heimatort und der nächstgelegenen Stadt werden jeden Tag 15 000 leere Sitze hin- und hergefahren . Aber für eine Rentnerin wird es schwierig, von dem einen Ort zum anderen Ort zu kommen, einzig und allein deshalb, weil es an bürokratischen Hürden gescheitert ist - es war auch mir damals in der Verwaltung nicht möglich, sie zu überwinden -, Mitfahrkonzepte auf öffentlicher Ebene zu organisieren . Daran müssen wir arbeiten, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({3}) Wir müssen auch daran arbeiten, dass der Breitbandausbau im ländlichen Raum vorankommt, und zwar nicht nach den urbanen Zentren, sondern gleichzeitig mit ihnen . Ich habe in diesen Tagen oft gehört, dass die Vectoring-Entscheidung stark kritisiert wird . Aber als Landei, als Kind vom Land, sage ich Ihnen: Mir ist lieber, schneller besseres Internet zu haben, als mich mit wirtschaftstheoretischen Ergüssen auseinanderzusetzen . Aus der Position einer Stadt wie Berlin mit der entsprechenden Versorgung kann ich leicht argumentieren, ob jemand ein Monopol bekommt oder nicht, aber das interessiert die Menschen im ländlichen Raum nicht . Sie wollen ans Internet angeschlossen werden . Deswegen werden wir massiv in den Glasfaserausbau investieren müssen, und zwar nicht nur in urbanen Zentren, sondern auch in den ländlichen Räumen . „Fiber to the building“ heißt das Stichwort in dieser Frage . ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, 100 Millionen Euro in fünf Jahren, also 20 Millionen Euro für die Entwicklung ländlicher Räume pro Jahr, sind viel Geld; aber das ist nur ein Einstieg . Wir werden deutlich mehr Geld brauchen, wenn wir, wie man so schön sagt, die Projekte, die jetzt im Pilotstadium entwickelt werden, übers Land ausrollen bzw . im Land implementieren wollen . Deswegen werden wir uns in den nächsten Monaten, aber auch in den nächsten Jahren Gedanken machen müssen, wie wir denn die Ausfinanzierung der weiteren Umsetzung gestalten wollen . Das kann man zum Beispiel machen, indem man sich Gedanken darüber macht, ob die GRW und die GAK in dieser Frage nicht viel enger miteinander verbunden werden könnten, als das bisher der Fall ist . Mein letzter Gedanke dazu ist: Wir müssen aufpassen, dass die Küstenschutzmittel noch in ausreichendem Umfang vorhanden sind . Ich habe in diesem Jahr als DeichJohann Saathoff richter zum ersten Mal erlebt, dass nicht ausreichend Mittel für den Küstenschutz vorhanden waren . Das war nicht so, weil die Dinge zu teuer wurden, sondern weil die Zahl der angemeldeten Maßnahmen in sehr starkem Maße gestiegen war . Wir müssen also darauf achten, dass die Mittel dafür in ausreichendem Maße vorhanden sind . Wi könn’t dat - un wi maak’t dat ok! Mit diesem Haushalt entwickeln wir - da bin ich ganz sicher - die ländlichen Räume ein kleines Stück weiter . Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({5})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als Nächste hat Nicole Maisch, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort .

Nicole Maisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003884, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich versuche, einiges zum Haushalt zu sagen, lassen Sie mich, Herr Minister, kurz auf das reagieren, was Sie zu den Freihandelsabkommen gesagt haben . Mich hat es schon erschreckt, dass Sie weder für die Qualität unserer Lebensmittel noch für unsere europäische bäuerlich geprägte Agrarstruktur Gefahren in diesen Freihandelsabkommen sehen wollen . Ich glaube, das ist eine naive Sicht auf das, was im Moment zwischen der Europäischen Union und den USA bzw . Kanada verhandelt wurde bzw . wird . ({0}) Wenn Sie sich anschauen, was die Verbände der ökologischen Landwirtschaft, der Naturkosthandel und auch die Vertreter der bäuerlichen Landwirtschaft zu den Zukunftsoptionen bei TTIP und CETA sagen, dann werden Sie feststellen, dass dort die nackte Angst um unsere Art der Agrarstruktur herrscht . Auch herrscht da Angst vor Punkten wie Gentechnikkennzeichnung, Schlachthygiene oder Herkunftsnachweise . Wir haben als Europäer mit unseren regionalen Spezialitäten ja etwas, was uns auf den internationalen Märkten auszeichnet . All das wird als Handelshemmnis von der amerikanischen Seite in den Verhandlungen infrage gestellt . Herr Kollege Spiering, Sie haben gesagt, die Wirtschaftsverbände und die Gewerkschaften hätten da irgendwelche Dinge besser machen müssen . Ich glaube, dass das eine falsche Sicht auf diese Sache ist . Wer jetzt am Zug ist, das zu verhindern - gerade bei TTIP, aber auch bei CETA -, sind doch die Sozialdemokraten . Ihr Kollege Miersch hat sehr deutlich gesagt, dass kein Sozialdemokrat in einem Parlament dem zustimmen kann, was bei CETA vorliegt . Da sind jetzt Sie gefragt - und nicht der Deutsche Gewerkschaftsbund . ({1}) Ein Jahr vor der Bundestagswahl ist ja eine gute Zeit, Bilanz zu ziehen . Die Bilanz dieses Ministers ist, was die Themen Ernährung und Tierschutz angeht, leider mehr als dünn . Man kann sich vorstellen, dass es im Ministerium einen Schreibtisch mit Stapeln unerledigter Aufgaben gibt . Ich will nur zwei exemplarisch nennen . Erstens nenne ich - das steht im Koalitionsvertrag die Reform des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches . Ich nehme an, dass es Elvira Drobinski-Weiß hineingeschrieben hat . Da steht es gut . Seitdem ist nichts passiert . Schon 2015 stand das auf der Kabinettstagesordnung, wurde aber abgesetzt . Seitdem ist es in der Versenkung verschwunden . Zweitens nenne ich die Verordnung zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor giftigen Mineralölen . Das will niemand im Essen haben, es ist nicht gesund . Das Ding gammelt seit 2012 auf Halde herum . Ich finde, es ist jetzt Zeit, da in die Puschen zu kommen und etwas für den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher zu tun . ({2}) Herr Minister, wenn Sie denn Projekte anpacken, dann laufen die nicht selten grandios vor die Wand . Ich erinnere an das Verbot der Pelztierhaltung . Der Minister hat es im letzten Winter groß in der Presse angekündigt und den Gesetzentwurf schon mal an die Medien weitergegeben . - Zack, die Unionsfraktion kassiert es wieder! Es wäre sehr sinnvoll, gute Projekte wie das Verbot der Pelztierhaltung vorher mit den eigenen Leuten abzustimmen . Dann kann am Ende auch etwas herauskommen, das dem Tierschutz dient . Als weiteres Beispiel nenne ich den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den Gefahren der Energydrinks . Wir alle wissen, dass es insbesondere bei männlichen Jugendlichen eine Gruppe gibt, die zu viel von diesen Limonaden konsumiert . Das ist schädlich für das Herz und den gesamten Organismus . Der Minister und die Koalition können sich nicht dazu entschließen, zu sagen: Das Zeug darf nicht mehr an Kinder verkauft werden . - Also schaltet er eine Info-Website . Leider hat niemand im Ministerium gecheckt, ob die Dosis, die man den Kindern da vorschlägt, auch korrekt ist . Die Bild-Zeitung hat es herausgefunden: Die angegebenen Verzehrsempfehlungen waren falsch . Die Website ging wieder vom Netz. Offen gestanden, das ist ein bisschen peinlich . ({3}) Einen ähnlichen Rohrkrepierer gibt es beim Thema „besseres Essen in Kita und Schule“ . Das Ministerium erfindet die Kampagne „Macht Dampf!“. 2,5 Millionen Euro hat uns der Spaß gekostet . Leider haben nur 329 Menschen - mich eingeschlossen - die Kampagnenmaterialien heruntergeladen . Kernstück der Kampagne war: Die Eltern laden das herunter, schreiben Brandbriefe an die Schulen und machen deutlich: Wir wollen ein besseres Essen an den Schulen . Deutschlandweit ist das, wie gesagt, 329-mal geschehen . Zehnmal war es mein Büro, weil wir immer wieder einmal geschaut haben, was Sie im Ministerium so machen. Ich finde, das ist eine schlechte Bilanz und, ganz ehrlich gesagt, eine Verschwendung von Steuergeldern . ({4}) Hier könnten Sie beim nächsten Mal etwas kritischer sein . Herr Caesar wird ja nach mir noch sprechen . Die Tabakwerbung wurde bereits als Beispiel genannt . Es gibt einen schönen Gesetzentwurf . Wir haben super Pressemitteilungen von der Drogenbeauftragten und vom Minister erhalten . Was ist herausgekommen? Nichts! Auch das ist relativ peinlich . Bei dem Thema Tabakwerbung sind wir in Deutschland tief in den 90er-Jahren stehen geblieben . Suchtprävention im 21 . Jahrhundert sieht anders aus . Da hätte man bei der Außenwerbung deutlich schärfer herangehen können . Der Minister hat dazu gute Vorschläge gemacht . Allein, er kann sie nicht durchsetzen . Das ist mehr als traurig . ({5}) Zur Einrichtung eines Instituts für Kinderernährung am Max-Rubner-Institut hat Karin Binder alles Notwendige gesagt . Ich bin sehr gespannt, Herr Caesar, wo im Haushalt die dafür notwendigen Millionen eingestellt sind . Ich jedenfalls habe das anders verstanden . Nach meiner Auffassung ist der Mittelaufwuchs beim Max-Rubner-Institut für andere Dinge vorgesehen, zum Beispiel als Kompensation der Tariferhöhungen . Aber Sie können uns gleich noch erläutern, wo die Millionen versteckt sind . Sie wollen des Weiteren ein neues Bundeszentrum für Ernährung aufbauen . Es handelt sich um eine zentrale Einrichtung für Ernährungskommunikation und -kompetenz . Super Idee! Aber selbst bei einer solch guten Idee sollte man zuvor dem Koalitionspartner Bescheid sagen, dass man so etwas machen will . Dann werden solche Projekte normalerweise viel besser und einfacher auf den Weg gebracht . Auch bewährte Kooperationspartner wie die DGE oder die Verbraucherzentralen sollte man, bevor man ein solches Kaninchen aus dem Hut zaubert, zumindest informieren und deren Sachkompetenz nutzen . ({6}) Herr Minister, am Anfang Ihrer Amtszeit haben Sie versprochen: Am Ende soll es den Tieren in diesem Land besser gehen . - Ja, das haben Sie versprochen . Bisher haben wir aber noch sehr wenig dazu gehört . Leider neigt sich meine Redezeit dem Ende zu . Deshalb will ich nur noch zwei Punkte nennen .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Ihre Redezeit ist schon zu Ende .

Nicole Maisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003884, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dann mache ich ganz schnell . - Zum Verbot der Pelztierhaltung und zum Verbot von Wildtieren im Zirkus: Hierzu hat der Bundesrat ein ums andere Mal Beschlüsse gefasst . Es gibt eigentlich einen breiten gesellschaftlichen Konsens dazu . Der Ball liegt quasi vor dem Tor . Sie müssen ihn nur noch reinmachen . Wenigstens das sollte in dieser Legislaturperiode für die Tiere möglich sein . Vielen Dank . ({0})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Ich darf alle Kolleginnen und Kollegen noch einmal daran erinnern, sich an die vereinbarte Redezeit zu halten . Das macht uns nun der Kollege Thomas Mahlberg vorbildlich vor . ({0})

Thomas Mahlberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003893, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir wurde schon vorab eine Minute von meiner Redezeit abgezogen . Von daher bin ich schon Vorbild . Herr Kollege Spiering, auch ich wollte Sie kurz auf das Freihandelsabkommen ansprechen, allerdings aus einer anderen Perspektive . Ich war ebenfalls ein bisschen überrascht, als Sie gesagt haben: Wir sind jetzt in ein Problem hineingeraten, weil die Arbeitgeber und die Gewerkschaften das nicht ordentlich ausverhandelt hätten . An Ihrer Stelle würde ich das mit dem Bundeswirtschaftsminister besprechen, der normalerweise auf der Regierungsbank seinen Platz hat . ({0}) Da ist doch etwas schiefgelaufen . Zu diesem Schluss komme ich, wenn ich mir seine Äußerungen zu den Freihandelsabkommen vor Augen führe . Es gibt bereits sehr viele solcher Abkommen . Diese helfen natürlich unserer Wirtschaft und insbesondere unserer Landwirtschaft; darauf hat Christian Schmidt zu Recht hingewiesen . ({1}) Sie haben über die Chancen der Landwirtschaft gesprochen; das ist völlig richtig . Aber das sollten Sie nicht nur an uns, die wir uns mit Landwirtschaft befassen, sondern zum Beispiel auch an die Bundesumweltministerin Hendricks adressieren . Ich habe den Eindruck, dass Frau Hendricks immer dann, wenn wir über Chancen sprechen, uns gerne den einen oder anderen Stein in den Weg legen möchte . Ich möchte Sie bitten, Frau Hendricks darauf einmal anzusprechen . ({2}) - Man darf doch diskutieren; das ist völlig in Ordnung . Da sie mich gerade so nett ansprechen: Ich höre Ihnen gerne zu, wenn Sie beispielsweise über Bio sprechen . Sie betrachten immer nur einen kleinen Ausschnitt aus der Landwirtschaft. Ich finde, was bei Ihnen fehlt, ist der Blick darauf, was Landwirtschaft eigentlich in diesem Land leistet . Die Landwirtschaft muss auch dafür sorgen, dass die Menschen ernährt werden können . ({3}) Ich möchte Sie einfach bitten, auch zur Kenntnis zu nehmen, dass Landwirtschaft eine Aufgabe hat . Das ist keine Spielwiese, sondern Landwirtschaft hat eine Aufgabe . ({4}) - Deshalb wundere ich mich umso mehr . Sie wissen das doch . ({5}) Frau Kollegin Maisch, Sie sagten, man habe nichts für das Tierwohl getan . Der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist doch ganz offensichtlich: Sie brauchen immer ein Gesetz . Wenn es dann tatsächlich Initiativen gibt wie die Tierwohlinitiative, die von unserem Bundeslandwirtschaftsminister gestartet wurde, dann zählt das für Sie gar nicht . Bei Ihnen muss immer alles in Gesetzesform gegossen werden . Das macht den großen Unterschied zwischen uns aus . Diese Initiative ist doch sehr gut angelaufen . Dass das nicht von jetzt auf gleich geht, ist klar . ({6}) Ich meine, wir diskutieren hier über den Haushalt . Der Haushalt zeigt doch eines sehr deutlich, nämlich dass die familiengeführte bäuerliche Landwirtschaft, so wie Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, sich das wünschen, eine Zukunft hat . Solange das Ministerium in Unionshand ist - das merkt man sehr deutlich an der Politik der letzten Jahre -, so lange haben diese Familien auch eine Zukunft . ({7}) Das Ministerium ist in guten Händen . Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen - das zeigen Ihre Wortbeiträge, die Sie heute wieder geleistet haben -, dass die Landwirtschaftspartei hier in diesem Hause die Union ist . ({8}) Landwirtschaft muss natürlich auch verbraucherorientiert sein - auch darüber ist diskutiert worden -, selbstverständlich . Auch wir wollen natürlich auf der einen Seite die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte, wir wollen aber auf der anderen Seite sichere Lebensmittel und verlässliche Informationen . Die Lebensmittel in Deutschland sind doch die sichersten Lebensmittel, die wir je hatten . Auch das sollte man den Menschen immer wieder sagen, anstatt ihnen Angst zu machen . ({9}) Der Haushaltsplan trägt genau diesem Ansinnen in vollem Umfang Rechnung . Der Ernährungsbereich ist auch im kommenden Jahr, wie ich finde, bestens aufgestellt und erreicht ein sehr hohes Niveau . Liebe Frau Kollegin Binder, es ist ein bisschen verwirrend, was Sie darstellen, weil Sie immer alle Ebenen miteinander vermischen, zum Beispiel die Kompetenzen der kommunalen Ebene mit denen der Landesebene . ({10}) Am Ende sagen Sie immer: Der Christian Schmidt muss alles machen . ({11}) Das ist ein bisschen schwierig . Sie stellen immer alles schön dar hier vor dem Publikum, aber tatsächlich wissen Sie genau: Da sind verschiedene Kompetenzen berührt . - So einfach ist das nicht . ({12}) Sie wissen genau: Es gibt unterschiedliche Ebenen . Die müssen natürlich miteinander vernetzt sein und zusammenarbeiten, aber nicht alles wird aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium gesteuert . Ich finde, gerade im Ernährungsbereich sieht es hervorragend aus; denn wir haben verschiedene Programme im Rahmen der Möglichkeiten, die wir auf der Bundesebene haben, aufgelegt . Ich nenne die Projekte IN FORM oder auch „Zu gut für die Tonne“ . Auch hervorzuheben ist der Aufbau des Bundeszentrums für Ernährung; das ist eben schon erwähnt worden . Es soll ein Kompetenzund Kommunikationszentrum werden, das gerade der Öffentlichkeit als Ansprechpartner für alle Fragen rund um die Ernährung dient, im Prinzip vom Acker bis zum Teller . Das ist genau das, was die Menschen brauchen: viel Information . Für Panikmache und Desinformation ist an dieser Stelle - wir haben das gerade von der Kollegin Maisch gehört - überhaupt kein Anlass gegeben . ({13}) Was wir brauchen, ist eine wissensbasierte und eine sachliche Ernährungspolitik . Deshalb ist es gut - ich glaube, das ist allseits anerkannt worden -, dass beim Max-Rubner-Institut das Institut für Kinderernährung eingerichtet wird . Dort soll Forschungsarbeit geleistet werden. Es sollen die Einflussfaktoren, die das Essverhalten und die Trinkgewohnheiten der Kinder prägen, untersucht werden . Es soll erforscht werden, wie sich diese für die Hinführung zu einer gesunden Lebensweise nutzen lassen; denn wir alle wissen: Was Hänschen oder, von mir aus, auch Gretchen nicht lernt … Sie kennen den Spruch, glaube ich . Apropos lernen: Wie man in der wissenschaftlichen Welt hoch anerkannte Gutachten und Analysen erstellt liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ich muss Sie leider noch einmal ansprechen, aber Sie sitzen mir ja auch gleich gegenüber -, zeigt das Bundesinstitut für Risikobewertung . Das ist eine Institution - ich will das in Erinnerung rufen -, die von Frau Künast, also einer Kollegin von Ihnen, damals ins Leben gerufen wurde . Diese Institution bekämpfen Sie anscheinend bis aufs Messer, weil sie nicht in Ihre Analysen, in Ihre Angstpolitik, die Sie immer machen, hineinpasst . Ich finde, Sie täten eigentlich gut daran, wenn Sie die Expertisen, die vorgelegt werden, tatsächlich einmal den Fachleuten überließen . Wir haben hier schon einige von Ihnen benannte Fachleute erlebt . Sie haben eigentlich nur zur Verunsicherung der Menschen in diesem Land beigetragen . ({14}) Ich erinnere an Äußerungen zu Glyphosat in der Muttermilch und zur damit verbundenen Frage des Stillens von Kleinkindern. Ich finde, Sie können sich an dieser Stelle sehr entspannt zurücklehnen; denn es gibt zusätzliche Mittel für das BfR . Dort werden Risikobewertungen vorgenommen. Ich finde, auch die Kommunikation ist dort in guten Händen . Der Minister hatte das Thema eben noch einmal kurz angesprochen - auch ich will es tun -: das Geschacher um Glyphosat . Für mich ist das völlig unverständlich; das muss ich ehrlich sagen . Nachdem sich alle deutschen Behörden, die für die Bewertung von Glyphosat zuständig sind, für die Neuzulassung dieses Wirkstoffs ausgesprochen haben, musste sich die Bundesregierung bei den Abstimmungen in Brüssel enthalten . ({15}) Damit hat man ja nicht nur die eigenen Behörden und die Fachleute vor den Kopf gestoßen, sondern es werden Zulassungsverfahren insgesamt ad absurdum geführt, wenn so eine Frage nicht mehr wissenschaftlich beantwortet wird, sondern nur noch politisch . ({16}) Die Kolleginnen und Kollegen der SPD sollten darüber noch einmal nachdenken . Ich fand das Geschacher an dieser Stelle unwürdig . Es ist sowieso eine schwierige Situation, wenn es um die Zulassung und die Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln geht. Diese Pflanzenschutzmittel werden in diesem Land natürlich gebraucht, wenn wir die Ernährung der Menschen sicherstellen wollen . Es gibt ganz viele neue Herausforderungen . Unsere Kollegin hat sich sehr intensiv um die Kirschessigfliege gekümmert, die hier eingeschleppt wurde und unwahrscheinlich viele Schäden im Obst- und Weinbau hervorruft . Auch da hat sich die Bundesregierung positiv aufgestellt und Geld für entsprechende Demonstrationsvorhaben bereitgestellt . Da ich mich vorbildlich verhalten sollte, was die Redezeit angeht, komme ich jetzt leider nicht dazu, noch etwas zum Gartenbau zu sagen . Ich kann nur feststellen: Der Haushalt bietet dem Gartenbau große Perspektiven, gerade was Energieeffizienz angeht. Wir haben den entsprechenden Ansatz um 25 Millionen Euro erhöht . Gerade in diesem Bereich sind wir auch im Sinne des Klimaschutzes tätig . Ich glaube, es ist ein sehr zukunftsweisender Haushalt, der uns hier vorliegt . Ich würde mich sehr freuen, wenn wir das alle so sehen könnten und ihn gemeinsam verabschieden würden . Herzlichen Dank . ({17})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Als Nächstes hat Ursula Schulte, SPD-Fraktion, das Wort . ({0})

Ursula Schulte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004404, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister Schmidt! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Tribüne! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich spare mir das nette Vorgeplänkel, das ich in meinem Manuskript stehen habe, und gehe kurz auf Frau Maischs Bemerkung zum Thema CETA und SPD ein . Frau Maisch, ich finde Ihre Bemerkung unredlich, ({0}) weil Matthias Miersch nicht gesagt hat: Der Vertrag ist für die SPD nicht zustimmungsfähig . ({1}) Er hat eindeutig gesagt: Der Vertrag ist so nicht zustimmungsfähig . - Er setzt auf die parlamentarischen Beratungen. Ich finde, dass es die SPD ehrt, dass wir als Partei über die Inhalte von CETA streiten . Bei uns ist es anders als bei Ihnen: Sie lehnen den Vertrag ja ab, weil Sie einfach Spaß am Ablehnen haben, egal wie der Vertrag aussieht . ({2}) Im Einzelplan des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft finden wir viele Ansätze, die wir begrüßen und richtig finden. Nehmen wir zum Beispiel das Thema Biodiversität . Ich freue mich, Herr Minister, dass dieses Thema am Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut einen Schwerpunkt bilden wird . Das ist aber auch zwingend erforderlich, und ich sage Ihnen auch gleich, warum: Während meiner Sommertour durch meinen Wahlkreis habe ich die Biologische Station Zwillbrock besucht; vielleicht sagt Ihnen das etwas . Von einem sehr engagierten und immer noch hochmotivierten Leiter wurde mir leider bestätigt, dass es um den Artenschutz, um biologische Vielfalt und um das Zusammenspiel von Landwirtschaft und Artenschutz nicht gut bestellt ist .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Kollegin Schulte, wenn Sie einmal Luft holen! ({0}) Ich muss Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Maisch zulassen .

Ursula Schulte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004404, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein . ({0})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Dann ist es gut .

Ursula Schulte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004404, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe alles zu CETA gesagt, was ich sagen wollte, und ich lasse jetzt nicht zu, dass das infrage gestellt wird . ({0}) Sie, Frau Maisch, können mir das gleich gerne sagen . Der Leiter der Biologischen Station Zwillbrock hat mir gesagt, dass die Insektenpopulationen gewaltig auf dem Rückzug sind, ebenso der Kiebitz und die Bienen . Ich finde, das sind eindeutige Warnsignale. Der Indikatorenbericht 2014 sagt ebenfalls aus, dass wir etwas für den Erhalt der Artenvielfalt tun müssen . Also: Wir sind eigentlich schon lange aufgefordert, zu handeln . Unsere Aufgabe wird es daher sein, die Erkenntnisse, die wir durch das Thünen-Institut bekommen, schnell umzusetzen . Das ist notwendig für unsere Umwelt, für unsere Kinder und für unsere Enkelkinder . Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein großer Teil des Einzelplans 10 ist sozialpolitisch gebunden . 67 Prozent der gut 5,8 Milliarden Euro sind für die Alterssicherung der Landwirte, für ihre Krankenversicherung, für die landwirtschaftliche Unfallversicherung und für viele Dinge mehr reserviert . 2016 haben wir einen zusätzlichen Zuschuss von 78 Millionen Euro für die Unfallversicherung bereitgestellt, um der schwierigen Situation der Landwirte Rechnung zu tragen . Ich bin mir mittlerweile allerdings nicht mehr sicher, ob all diese Maßnahmen wirklich greifen, vor allen Dingen wenn die Mittel nicht zielgenau für die Landwirte ausgegeben werden; denn ich stelle fest, dass die Probleme der Landwirtschaft sehr komplex sind . Genauso komplex und vielfältig wie die Probleme sind auch die Antworten der Landwirte, die ich zum Beispiel zum Thema Milchkrise bekomme . Die einen sind total verzweifelt und fordern immer mehr staatliche finanzielle Hilfen. Die anderen erklären mir, dass es der Markt schon regeln wird . ({1}) Ich bin mittlerweile zu der Erkenntnis gekommen, dass es für die Politik hier einzig und allein um die Gestaltung des Strukturwandels gehen kann . Die Politik muss ehrlich sagen, was sie will, und dann für die entsprechenden Rahmenbedingungen sorgen . Nach den Vorstellungen meiner Fraktion sind das Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Landwirtschaft, für die es langfristig öffentliche Gelder nur noch für öffentliche Leistungen geben soll . ({2}) Lassen Sie mich nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, einen Blick auf die Verbraucher- und Ernährungspolitik werfen . Das geplante Bundeszentrum für Ernährung kann eine gute Idee sein, wenn wir wissen, welche Aufgabenstruktur das Ministerium sich so vorstellt . Mir erschließt sich zurzeit nicht, warum eine gut funktionierende Einrichtung wie der aid infodienst - das ist der Infodienst für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - unbedingt in die geplante neue Organisationsstruktur eingebaut werden soll . Der aid infodienst hat gute Arbeit geleistet, hat kritisch hinterfragt und hat überzeugende Informationen geliefert . Das spricht eigentlich für die Fortsetzung dieser Arbeit im bewährten Rahmen. Mit dieser Auffassung stehe ich im Übrigen nicht ganz allein da, wie ich aus der Agrarministerkonferenz höre . Der baden-württembergische Minister für Ländlichen Raum, Peter Hauk, sieht die Eile, mit der hier umstrukturiert werden soll, ebenfalls kritisch . Wir sollten also gemeinsam noch einmal überlegen, wie die Arbeit des geplanten Bundeszentrums in Zukunft aussehen soll . Herr Minister, Sie haben in den Haushalt 2016 2 Millionen Euro für eine Nationale Strategie zur Reduktion von Zucker, Fett und Salz eingestellt, und ich bin richtig gespannt auf die Ergebnisse, weil es da dringenden Handlungsbedarf gibt; denn Deutschland ist beim Zuckerverbrauch Europameister . Da hilft es auch nicht, wenn Sie, wie bei hart aber fair, auf die freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie setzen . Sie können die Verantwortung dafür nicht immer nur bei den Konsumenten abladen, Herr Minister . ({3}) Was mich besonders ärgert, ist das Verhalten der Industrie bei den Produkten für Kinder . ({4}) Diese werden so aggressiv beworben, dass Eltern schon sehr standfest sein müssen, wenn sie ihre Kinder vor diesen zuckerhaltigen Produkten schützen wollen . Mein Fazit lautet: Wir müssen endlich die Vorherrschaft des Zuckers in der deutschen Ernährung beenden . Das sind wir zumindest unseren Kindern schuldig, meine Damen und Herren . ({5}) In diesem Zusammenhang fallen mir auch noch die Energydrinks ein; Frau Maisch hat das auch erwähnt . Die Informationsseite des Ministeriums war ein Flop; sie ist vom Netz genommen . Wir haben vor zwei Jahren in Ihrem Haus schon einmal über dieses Thema diskutiert, Herr Minister . Leider ist seitdem nicht viel Weltbewegendes passiert. Ich finde, Sie sollten endlich die Hinweise der Kinderkardiologen ernst nehmen und handeln . Wir können gern gemeinsam überlegen - das biete ich Ihnen an -, wie wir es schaffen, dass Kinder und Jugendliche vor einem übermäßigen Konsum von Energydrinks geschützt werden . ({6}) Mir ist noch wichtig, auf die Bedeutung der Schulvernetzungsstellen hinzuweisen und darauf, dass das Forschungsinstitut für Kinderernährung bei der SPD ganz oben auf der Agenda steht . Wir sind sehr daran interessiert, dass das für die Zukunft verlässlich finanziert wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, 30 Jahre Kommunalpolitik haben mich gelehrt, dass Haushaltsplanberatungen kein Wunschkonzert sind . Aber wir müssen tun, was wir können, um wenigstens einige unserer Wünsche zu realisieren . In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine gute Beratung und viel Erfolg . Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({7})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Die Kollegin Maisch hat um das Wort zu einer Kurzintervention gebeten . Bitte schön, Kollegin .

Nicole Maisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003884, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Kollegin, Sie haben meine Zwischenfrage leider nicht zugelassen . Deshalb möchte ich so einige Dinge zum Thema CETA klarstellen: Über CETA wird nicht mehr verhandelt . Die Verhandlungen sind abgeschlossen . ({0}) Wer noch verhandelt, ist der SPD-Parteitag . Aber das ändert am Ende überhaupt nichts am Vertragstext . ({1}) Die Rechtsförmlichkeitsprüfung ist abgeschlossen . Der Vertragstext ist übersetzt . Das heißt: Das Abkommen ist fertig, und man kann sich jetzt entscheiden, ob man zustimmen möchte oder nicht . Dazu hat Herr Miersch klare Sätze gesagt . Er hat gesagt, „dass die von Parteitag und Parteikonvent gezogenen roten Linien in zentralen Punkten … nicht eingehalten“ werden . Weiter hat er gesagt: Aus meiner Sicht kann kein sozialdemokratisches Mitglied eines Parlaments diesem Abkommen in der vorliegenden Fassung zustimmen . ({2}) Es gibt aber keine andere Fassung . Sie können auf Ihrem Konvent beschließen, was Sie wollen . CETA ist ausverhandelt . Daran ändert der SPD-Parteikonvent nichts. Ich finde, Sie müssen sich sehr genau überlegen, ob Investor-Staat-Schiedsgerichte, die in CETA weiterhin enthalten sind und bei denen durch die regulatorische Kooperation die gesetzgeberischen Kompetenzen von den Parlamenten hin zu Gremien, die von keinem gewählt werden, verlagert werden, etwas sind, was man gut finden kann. ({3})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Kollegin Schulte, möchten Sie darauf antworten? - Das ist nicht der Fall . Ich bin als Präsidentin immer froh, dass den Parlamenten noch eine große Bedeutung zukommt . Dafür sitzen wir hier als Abgeordnete . ({0}) Der nächste Redner ist der Kollege Cajus Caesar für die CDU/CSU-Fraktion . ({1})

Cajus Julius Caesar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003064, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zum dritten Mal den Haushalt mit einer schwarzen Null auszugleichen, darauf können wir, denke ich, stolz sein . Das ist eine besondere Leistung . Das ist eine besondere Leistung unseres Finanzministers Wolfgang Schäuble, aber auch dieser Regierung . Ich denke, damit können wir die Zukunft gestalten . ({0}) Ich sage Dank an die Landwirte und die Bäuerinnen vor Ort, dass sie unsere Kulturlandschaft gestalten, dass sie dafür sorgen, dass wir satt werden und gesunde Lebensmittel haben . Ich denke, das sollten wir nicht vergessen und mit einem Dankeschön verbinden . ({1}) Meine Vorrednerin von der SPD hat ja etliche Wünsche an den Minister gerichtet . Ich habe einen Wunsch an den Koalitionspartner: dass man vielleicht bei der Bundesumweltministerin darauf achtet, dass sie nicht das ohnehin schwere Leben unserer Landwirte weiter erschwert durch zusätzliche Auflagen, die über die EU-Rahmenbedingungen hinausgehen . ({2}) - Ja, das werde ich gerne machen . Wenn sie entsprechend reagiert und wir darüber reden können, wie man zu dem Ergebnis kommt, dass wir unsere ländlichen Räume durch Umwidmung von landwirtschaftlichen Gebäuden und dadurch, dass wir Ställe modernisieren, so gestalten können, dass wir mehr Tierwohl haben, führe ich dieses Gespräch gerne mit ihr . Die Landwirte stehen vor großen Herausforderungen: Die Ernte ist nicht so reichhaltig wie gedacht . Die Preise für Weizen liegen deutlich niedriger . Auch bei der Milch geben die Rahmenbedingungen keinen Anlass zur Euphorie . Die Zahl der Milchviehbetriebe ist seit dem Jahr 2000 insgesamt zurückgegangen; dennoch müssen wir feststellen, dass die Milchmenge um 5 Millionen Tonnen gestiegen ist . Eine staatliche Festsetzung der Menge wäre falsch . Aber natürlich wollen wir unseren Landwirten helfen . Deshalb setzen wir entsprechende Rahmenbedingungen . Ich bin unserem Minister Christian Schmidt sehr dankbar, dass er dafür gesorgt hat, dass die EU 500 Millionen Euro bereitstellt . Das ist ja nicht selbstverständlich; das muss man auf europäischer Ebene erst einmal hinbekommen . Das bedeutet 150 Millionen Euro, um die Regelungen zur Milchmenge neu zu gestalten, und 350 Millionen Euro, also 58 Millionen Euro für Deutschland, um Rahmenbedingungen setzen zu können, damit unsere Landwirte wieder in die Zukunft schauen können . Man muss als Minister Rückgrat zeigen . Das hat unser Minister getan, und zwar nicht nur in diesem Bereich . Herzlichen Dank, Christian Schmidt . ({3}) Was wir uns als Union allerdings auch wünschen, ist, dass aus den Bundesländern nicht nur heiße Luft kommt, sondern dass sie dazu beitragen, diese Mittel zu erhöhen . ({4}) Wir wollen, dass diese Mittel in Höhe von 58 Millionen Euro national verdoppelt werden . Aber es stünde den Ländern gut an, weitere 58 Millionen Euro bereitzustellen . Das wäre gut für die Landwirte und die Bauern in unserem Land . Deshalb bitte ich alle Bundesländer, insbesondere die rot-grün regierten: Setzen Sie sich dafür ein, dass die entsprechenden Mittel bereitgestellt werden! Dann sind wir auf dem richtigen Weg für unsere Landwirtschaft . ({5}) Zusätzlich bringen wir ein Liquiditätsprogramm auf den Weg . Ausfallbürgschaften werden vom Bund getragen . Wir werden steuerliche Rahmenbedingungen anders gestalten, um zu einer unbürokratischen Entlastung zu kommen . Ich glaube, dass dies der richtige Weg ist . Wir setzen mit diesem Haushalt Akzente . Angesichts der schwarzen Null wird es immer schwieriger, für einzelne Bereiche mehr Geld bereitzustellen . Nachdem wir im letzten Jahr schon rund 250 Millionen Euro mehr in diesem Haushalt bereitgestellt haben, sind es nun über 300 Millionen Euro . Ich denke, das ist ein Zeichen für unsere Landwirtschaft, die ländlichen Räume, die Modell- und Demonstrationsvorhaben . ({6}) Für den Sozialbereich bedeutet das: 65 Millionen Euro mehr für die Alterssicherung, 40 Millionen Euro mehr für die Krankenversicherung, 78 Millionen Euro mehr für die landwirtschaftliche Unfallversicherung . Für die landwirtschaftliche Unfallversicherung bedeutet das eine Beitragsentlastung von 37 Prozent . Ich nenne ein Beispiel: Für einen Betrieb mit 100 Hektar Grünlandfläche und 160 Milchkühen und einem Risikobeitrag von insgesamt 5 000 Euro liegt die Entlastung in der Unfallversicherung bei 1 800 Euro . Ich denke, das kann sich sehen lassen . ({7}) Wir können nicht alles staatlich regulieren; aber wir können Zeichen setzen . Das tun wir damit . Da uns der ländliche Raum wichtig ist, haben wir die Gemeinschaftsaufgabe neu gestaltet . In den letzten Haushaltsberatungen haben wir immer wieder gehört: Ihr müsst mehr für den ländlichen Raum tun . Das tun CDU/ CSU und SPD . So haben wir den Titelansatz im Haushalt von 590 Millionen Euro in 2015 auf jetzt 765 Millionen Euro erhöht . ({8}) Dabei muss man zur Kenntnis nehmen, dass Zukunftsprojekte zur gesunden Ernährung und zur sozialen Ausrichtung Aufwüchse erfahren haben; wir tun etwas dafür . Diese Projekte werden durch zusätzliche Mittel begleitet von mittelständischen Betrieben auch außerhalb der Landwirtschaft; denn wir haben sie auf außerhalb der Landwirtschaft tätige Betriebe ausgedehnt . Davon profitieren die Infrastrukturen, Dienstleistungen, die Versorgung mit Gütern, der ländliche Tourismus und die Umnutzung von Bausubstanz . Wir treten für den ländlichen Raum ein . Er soll gleichberechtigt neben den Städten sein . Wir wollen, dass der ländliche Raum erhalten bleibt, dass die Menschen, die dort arbeiten und leben, eine entsprechende Lebensqualität haben . Das will die Union . ({9}) Wir haben den Mittelansatz für das Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“, BULE genannt, verdoppelt . So können gute Ideen umgesetzt werden . In meiner Heimatregion Kalletal/Lüdenhausen zum Beispiel hat der Heimatvereinsvorsitzende Lars Brakhage alle zusammengerufen und gesagt: Lasst uns einmal überlegen, was für einen so kleinen Ort wichtig ist! - Wir haben gerade über den öffentlichen Verkehr gesprochen. In Kalletal/Lüdenhausen ist unsere zukünftige Infrastruktur: öffentlicher Verkehr plus Elektroauto, das von den Bürgern gefahren wird . Damit sind die einzelnen Bürger im ländlichen Raum angebunden. Wir haben ein Dorfinfoportal, und der Laden im Ort wird als zentrale Kommunikationszelle eingerichtet . Hier sind 75 000 Euro gut angelegt, weil die Ideen der vor Ort Lebenden umgesetzt werden . - So können wir uns dieses Programm weiter vorstellen. Ideen sind gefragt; wir stellen die finanziellen Rahmenbedingungen . ({10}) Mit dem Programm Land({11})schwung und dem Wettbewerb zur Unterstützung des bürgerschaftlichen Engagements haben wir zwei weitere Projekte, die für diesen Bereich sehr wichtig sind . Ich möchte an dieser Stelle auf unsere gelungene Initiative, den vorbeugenden Hochwasserschutz nach vorne zu bringen, besonders eingehen . ({12}) Für den Küstenschutz haben wir 25 Millionen Euro . Eben wurde gesagt, wir brauchten mehr . Tatsache ist aber, dass bisher nicht alle Länder alle Mittel abgerufen haben . Wir haben für den Hochwasserschutz zur Deichertüchtigung und Deicherhöhung 100 Millionen Euro angesetzt mit einer 60 : 40-Finanzierung - beim Küstenschutz haben wir eine 70 : 30-Finanzierung, also 70 Prozent aus Bundesmitteln -, und wir haben den vorbeugenden Hochwasserschutz . Wir haben mit 20 Millionen Euro begonnen und sind jetzt bei 100 Millionen Euro jährlich . Ich denke, das ist ein wirklich zukunftsweisendes Programm, das hervorragend gelungen ist und bei den Ländern, den Bürgern, eigentlich überall gut ankommt ({13}) und im Sinne von Umweltschutz und Landwirtschaft ist . Es ist uns erstmalig gelungen, dass das Wasser schon am Oberlauf mehr Raum hat . Dafür müssen jene, die diese Flächen bereitstellen, einmalig mit 20 Prozent des Verkehrswerts aus Bundesmitteln entschädigt werden . Unabhängig davon wird auch für Schäden entschädigt . Aber die Menschen können weiter dort wirtschaften, und unten kommt weniger Wasser an . Das ist doch unser Ziel: ({14}) nicht gegeneinander, sondern miteinander, nicht Konfrontation, sondern miteinander die Dinge bewegen . Ich denke, da ist uns vieles gelungen . ({15}) Nun möchte ich noch einige Sätze zur gesunden Ernährung sagen; das war eben schon eine Herausforderung . Was haben wir da alles? Wir haben den Aktionsplan IN FORM mit bisher 100 Projekten auf den Weg gebracht; und wenn man Projekte hat, muss man diese anschließend natürlich auch umsetzen . Der Aufbau eines Bundeszentrums für Ernährung wurde eben genannt . Ich glaube, dass es richtig ist, wenn wir Kräfte bündeln . Ich bin jedenfalls dem Ministerium, dem Minister und den Staatssekretären dankbar, dass sie dies tun wollen . Unsere stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gitta Connemann hat immer wieder gesagt: „Cajus, setz dich für gesunde Ernährung ein“; und es gibt auch einige aus der SPD, die das getan haben . Das ist also ein wichtiges Thema für uns . Wir haben auch das neue Forschungsinstitut für Kinderernährung . Übrigens gibt es 16 Stellen mehr am Max-Rubner-Institut; das sollte man nicht vergessen . ({16}) Wir geben einen Zuschuss an die Deutsche Gesellschaft für Ernährung . Wir haben die Initiative zur Eindämmung von Lebensmittelverschwendung . Wir haben das EU-Schulobst- und -gemüseprogramm - mit übrigens 30 Millionen Euro aus Bundesmitteln -; allerdings beteiligen sich nur neun Länder . Vielleicht fragen wir einmal nach, warum die anderen nicht mitmachen . ({17})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Sie denken an die Redezeit?

Cajus Julius Caesar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003064, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir haben außerdem die Vernetzungsstelle Schulverpflegung. Sie sollte eigentlich auslaufen; aber, lieber Kollege Ulrich Freese, es ist uns gelungen, sie jetzt bis 2020 mit jährlich 1 Million Euro für Projekte zur Förderung der Qualität der Schul- und Kitaverpflegung auszugestalten . Das sind Leistungen des Bundes, die man an dieser Stelle noch einmal ansprechen sollte . Zum Schluss, verehrte Frau Präsidentin,

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Ja, aber bitte .

Cajus Julius Caesar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003064, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

- möchte ich meinen Mitberichterstattern, Ulrich Freese, Sven-Christian Kindler und Heidi Bluhm, für die gemeinsame Arbeit noch einmal Dankeschön sagen . Ich möchte natürlich auch unserer AG mit Franz-Josef Holzenkamp, Alois Gerig und Marlene Mortler danken; Gitta Connemann habe ich eben genannt . In diesem Sinne auf ein gutes Miteinander für unsere Land- und Forstwirtschaft! ({0})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Die nächste Rednerin ist Frau Dr . Karin Thissen, SPD-Fraktion . ({0})

Dr. Karin Thissen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004621, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Haushaltsberatungen zum Ressort Ernährung und Landwirtschaft - was haben wir vor, was haben wir erreicht? Die gute Nachricht im Bereich gesundheitlicher Verbraucherschutz lautet: Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit soll 5 Millionen Euro zusätzlich erhalten . Das Bundesinstitut für Risikobewertung soll 8 Millionen Euro zusätzlich erhalten . Das begrüßt die SPD ausdrücklich; denn zu unseren Vorstellungen von einer zukunftsfähigen Land- und Ernährungswirtschaft gehört eine adäquate finanzielle Ausstattung von staatlichen und teilstaatlichen Institutionen . Das haben wir im Bereich Verbraucherschutz vor . Und was haben wir im letzten Jahr im Bereich gesundheitlicher Verbraucherschutz erreicht? ({0}) Nichts, rein gar nichts . Herr Minister, wo sind sie geblieben, die verbraucherpolitischen Gesetzesinitiativen und politischen Impulse aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft? Vor knapp einem Jahr haben wir an dieser Stelle über den Haushalt 2016 diskutiert . Wir von der SPD haben damals klipp und klar gefordert: Wir wollen mehr Transparenz im Lebensmittelsektor, wir wollen eine klare Lebensmittelkennzeichnung, wir wollen eine bessere Information der Öffentlichkeit im Lebensmittelbereich, Stichwort „§ 40 LFGB“ . Es steht sogar im Koalitionsvertrag, dass wir ihn rechtssicher formulieren wollen . Gekommen ist nichts . Wahrscheinlich kommt es am Sankt-Nimmerleins-Tag . Themenwechsel: Landwirtschaft . Die Nachricht lautet: Die landwirtschaftliche Unfallversicherung bekommt einen zusätzlichen Zuschuss von 78 Millionen Euro . Das hört sich ja erst mal gut an . Aber ist es auch gut? ({1}) Nicht dass ich den Landwirten das Geld nicht gönne! Aber hilft es ihnen aus der Krise? ({2}) Unsere Aufgabe in diesem Hause ist es, die Ursachen von Krisen zu bekämpfen und die Landwirte in wirtschaftlich angespannten Situationen so zu unterstützen, dass sie zukünftige Krisen ohne derartige Hilfen überstehen können . Dafür müssen zukunftsträchtige Rahmenbedingungen geschaffen werden. 78 Millionen Euro sind eine Menge Geld, die da einfach mit der Gießkanne verteilt wird . Aber für die Landwirtschaft sind es unterm Strich auch nur wieder ein paar Tropfen auf den heißen Stein . Wir brauchen einen strukturellen Wandel in der Landwirtschaft . Es wird Zeit, Landwirtschaft aus Sicht des Verbrauchers zu betrachten, und zwar nicht in dem Sinne, Landwirte und Verbraucher gegeneinander auszuspielen, sondern in dem Sinne, sie zueinander zu führen . ({3}) Ich danke Ihnen fürs Zuhören . Es geht nämlich auch, die Redezeit einzuhalten . ({4})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Danke schön . - Dann hat jetzt Rita Hagl-Kehl, SPD-Fraktion, das Wort . ({0})

Rita Hagl-Kehl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004287, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie vielleicht viele von Ihnen wissen, bin ich ein Kind des Bayerischen Waldes . ({0}) Deswegen liegt mir der ländliche Raum genauso nahe wie meinen Kollegen oben von der Küste, natürlich auch, weil ich SPD-Politikerin bin . Ich finde, die Menschen im ländlichen Raum haben es verdient, dass wir ihre Zukunft attraktiv gestalten . Wir haben uns dafür langfristige Ziele gesteckt . Die ländliche Entwicklung muss gefördert werden, damit wir die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft erhalten können . Wir brauchen eine nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen . Die Wirtschaftskraft muss in der Region gehalten werden . Nicht zuletzt geht es auch um den Erhalt der schönen Kulturlandschaft, wie bei mir im Bayerischen Wald; diese Aufgabe übernimmt die Landwirtschaft . Der Weg dorthin: Wir brauchen eine bessere Ausstattung der zweiten Säule . Damit können wir den ökologischen Landbau ausweiten, die Umweltleistungen der Landwirte honorieren, tiergerechte Haltung fördern und auch viele Klimaschutzmaßnahmen in Angriff nehmen. ({1}) Damit verfolgen wir das Ziel: öffentliches Geld für öffentliche Leistungen . Unser Beispiel könnte Österreich sein . Da ist das Verhältnis: 700 Millionen Euro in der ersten Säule, 1,3 Milliarden Euro in der zweiten Säule . Ich glaube, da ist meine Forderung, den Anteil der zweiten Säule auf 30 Prozent zu erhöhen, eigentlich nicht großspurig . ({2}) Die SPD hat zahlreiche Forderungen für den Bereich der ländlichen Räume aufgestellt . Bestandteil des ländlichen Raums ist natürlich die Land- und Forstwirtschaft, die 80 Prozent der Fläche Deutschlands prägt . Wir wollen eine bäuerliche Landwirtschaft mit hofnahen Kreisläufen, eingebunden in die Regionen, und die Sicherung der Lebens- und Wirtschaftsgrundlagen . Durch die Verknüpfung von Ökolandbau und Regionalvermarktung können wir starke und lebenswerte ländliche Räume erhalten . Dafür brauchen wir aber viel mehr Geld für die Direktvermarktung . Ich sehe in meiner Gegend viele Beispiele dafür, zum Beispiel Milchtankstellen oder Eierautomaten, die von den Kunden sehr gut angenommen werden . Der Verbraucher möchte die Milch ja zu einem fairen Preis kaufen; aber im Lebensmitteleinzelhandel ist das zum Teil nicht möglich . Wir müssen den Bauern aber eine Förderung zukommen lassen . Es darf nicht so sein, dass sie das Risiko eingehen, Milchautomaten aufzustellen, und dafür keine Förderung bekommen . Wir brauchen mehr Geld für das Bundesprogramm Ökologischer Landbau, BÖLN genannt . Meine Forderung ist, die Mittel hierfür auf 20 Millionen Euro zu erhöhen . Wenn ich höre, welche Zahlen im Rahmen der Haushaltsdebatte hier im Raum schweben, dann finde ich, 3 Millionen Euro mehr sind nicht zu viel verlangt . Das wichtigste Ziel bei der Förderung des Ausbaus des ökologischen Landbaus: Wir wollen eine Ausweitung der Anbaufläche auf 20 Prozent; das wird auch vom Herrn Minister gefordert . Momentan haben wir nur 6,4 Prozent an ausgewiesener Fläche . Das geht am tatsächlichen Bedarf vorbei; denn der Bedarf im ökologischen Bereich liegt bereits bei über 20 Prozent . ({3}) Die Gründe für die Aufstockung des Programms sind vielfältig . Wir brauchen mehr Forschungsförderung, zum Beispiel im Bereich Saatgutzucht und Pflanzenzucht. ({4}) Das nützt nicht nur den Ökobauern, sondern auch den konventionellen Bauern . Gut ausgeschöpft wurde das Programm mit Sicherheit, viel besser als zum Beispiel das Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe oder ähnliche Programme. Ein Beispiel ist das Netzwerk Pilotbetriebe, das nur bis 2018 fortgeführt werden kann, obwohl hier wirklich viel Forschungsstruktur aufgebaut wurde . Es geht um den Vergleich zwischen konventionellem und Ökolandbau, um die Analyse von Klimaentwicklung, Nachhaltigkeit und Tierwohl . Aber das Geld reicht nicht, also wird das Programm eingestellt . Es gibt auch viele abgelehnte Projekte . Die Forschungsergebnisse nutzen allen . Sogar der Bauernverband hat im Dezember 60 Millionen Euro für das Bundesprogramm Ökologischer Landbau gefordert . Ich fordere nur ein Drittel. Ich finde, ich bin sehr bescheiden . ({5}) Auch seitens des Nationalen Aktionsplans Pflanzenschutz, der vom BMEL initiiert wurde und in dem entsprechende Thesen aufgestellt wurden, wird eine Aufstockung des Programms gefordert . Damit könnten wir Forschung zu risikoarmen Methoden im Bereich des Pflanzenschutzs entwickeln. Das würde allen entgegenkommen: den Landwirten und den Verbrauchern, auch den kritischen Verbrauchern . Herzlichen Dank . ({6})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Die beiden letzten Rednerinnen waren wirklich vorbildlich, was die Redezeit betrifft. ({0}) Noch einmal herzlichen Dank dafür . Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Einzelplan vor . Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Einzelplan 17. Ich bitte Sie, möglichst zügig Ihre Plätze einzunehmen . - Ich erteile das Wort der Bundesministerin Manuela Schwesig . ({1})

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005313

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestern und vorgestern war hier im Hohen Hause viel von gesundem Wirtschaftswachstum und Spielräumen im Bundeshaushalt die Rede . Vielen Menschen in Deutschland geht es gut . Es werden endlich wieder mehr Kinder geboren: 738 000 im letzten Jahr . Das sind so viele Kinder, wie seit 15 Jahren nicht mehr . Viele Menschen in Deutschland sagen: Mir geht es materiell gut . Dennoch sagen viele auch: „Ich bin verunsichert“, so viele wie schon lange nicht mehr . Sie haben Angst vor Gewalt, Kriminalität und Terror, vor Zuwanderung und internationalen Krisen . Und es gibt politische Kräfte, die diese Verunsicherung ausnutzen . Diese Kräfte schlagen keine Lösungen für die Alltagsherausforderungen vor, sondern sie schüren Ängste und Verunsicherung . Unsere gemeinsame politische Aufgabe ist es, diesen Ängsten und dieser Verunsicherung etwas entgegenzusetzen, sie nicht zu schüren, sondern ernst zu nehmen und die Menschen im Alltag zu unterstützen . ({0}) Es liegt in unserer Verantwortung, ob die Menschen im Land wieder mehr Vertrauen und Zuversicht bekommen . Eine Antwort heißt: Wir machen das stark, was Menschen stark macht, was Vertrauen und Zuversicht gibt . Das ist in erster Linie die Familie . Für 75 Prozent der Menschen in Deutschland garantiert die Familie Sicherheit . ({1}) Ich erlebe das in vielen Gesprächen, in denen mir Menschen sagen: Gerade angesichts der vielen unüberschaubaren internationalen Krisen ist es ganz wichtig, dass man sozusagen für sich selbst einen Anker hat, die Familie hat . Aber gleichzeitig sagen sie: Der Familienalltag ist auch eine große Herausforderung, insbesondere wenn man Kinder oder pflegebedürftige Angehörige hat und arbeiten geht . Deshalb ist es unsere Aufgabe, Familien stark zu machen, damit sie den Menschen Sicherheit und Zuversicht geben kann . Familien brauchen ganz konkrete Unterstützung in ihrem Alltag: mit Geld für Familie, mit Zeit für Familie und mit guter Betreuung und Bildung für Kinder . ({2}) Ich freue mich, Ihnen heute den Haushaltsentwurfs des Bundesfamilienministeriums für das Jahr 2017 vorstellen zu können . Wir haben uns gegenüber dem Anfang dieser Legislaturperiode wirklich verbessert . Ich erinnere mich an die erste Debatte in dieser Legislaturperiode, 2013, die zu einer sehr familienunfreundlichen Zeit, spät abends, stattfand . In zeitlicher Hinsicht haben wir uns verbessert; denn wir debattieren jetzt zu einer familienfreundlicheren Uhrzeit . Aber wir haben uns auch geldmäßig verbessert . Mit rund 9,2 Milliarden Euro ist der Etat so groß wie nie zuvor . Als ich Bundesfamilienministerin wurde und den Etat übernommen habe, betrug er knapp 7 Milliarden Euro . Wir haben die Familien in dieser Legislaturperiode also von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr besser unterstützt . ({3}) Konkret heißt das: mehr Geld für Familien, mehr Geld für gute Kinderbetreuung und vor allem moderne familienpolitische Leistungen, die die Familienvielfalt in unserem Land respektieren und Kinderarmut bekämpfen . Für 2017 veranschlagen wir 6,2 Milliarden Euro für das neue Elterngeld Plus und das bisherige Elterngeld . Das liegt an der guten Nachricht, dass mehr Kinder geboren werden, aber auch daran, dass diese Leistung so beliebt wie nie zuvor ist . Aber es gibt immer wieder Diskussionen . Weil man mit 4 Milliarden Euro gestartet ist und diese Zahl jetzt auf 6 Milliarden steigt, kommt immer wieder die Forderung, gerade auch aus dem Finanzministerium, hier einzugreifen, damit das nicht noch teurer wird . Aber ich sage ganz klar: Wenn mehr Kinder geboren werden, wenn die Löhne steigen und wenn endlich mehr Väter Elternzeit nehmen und dadurch die Ausgaben für das Elterngeld steigen, dann sind das gute Nachrichten, die jeden Euro wert sind - und dabei muss es auch bleiben . ({4}) Das neue Elterngeld Plus bietet den Paaren mehr Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, gerade wenn man Teilzeit arbeitet . Ich freue mich sehr, dass das gut angenommen wird . Wir müssen jetzt das Elterngeld perspektivisch ausbauen zu einem Familiengeld; denn es kann nicht nur um Unterstützung im ersten Lebensjahr des Kindes gehen . Es geht auch darum, mehr Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu bekommen, wenn die Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr sind, mindestens bis zum Schuleintritt . Es muss für Frauen und Männer möglich sein, in dieser Zeit Teilzeit zu arbeiten und Unterstützung zu bekommen . Teilzeit darf keine Sackgasse in Deutschland sein . Teilzeit muss geachtet werden: in der Arbeitswelt, aber auch monetär bei den Familienleistungen . ({5}) Auch der Kinderzuschlag für Eltern, die arbeiten gehen, aber am Ende des Monats kaum Geld übrig haben, wurde erhöht . Das ist eine konkrete Unterstützung zur Bekämpfung der Kinderarmut . Oft sind es Alleinerziehende, die wenig Geld haben, und oft alleinerziehende Frauen . So bekommt eine Frau, die zwei Kinder allein großzieht und 1 200 Euro netto verdient, 320 Euro Kinderzuschlag zum Kindergeld . Das ist wichtig . Alle, die Kinder haben, für die gerade das neue Schuljahr begonnen hat, wissen, wie es ist: Jedes Kind braucht nach ein paar Jahren einen neuen Ranzen, es braucht Schulmaterial, und es braucht neue Kleidung, weil Kinder wachsen . Da sind ruck, zuck 200, 300 Euro ausgegeben . Das geht ganz schnell, auch wenn man nicht üppig einkauft . Deshalb ist es wichtig, dass wir diesen Kinderzuschlag zahlen . Das ist Geld, das direkt bei den Familien ankommt, die fleißig sind und jeden Tag für wenig Geld arbeiten. Sie brauchen diese Unterstützung . Damit bekämpfen wir die Kinderarmut . ({6}) Zu guten Rahmenbedingungen für Familien gehört auch eine gute Kinderbetreuung . Deshalb stocken wir das Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ 2017 auf . Mir geht es darum, dass wir mehr Kitaplätze haben und es keine Konkurrenz um Kitaplätze zwischen einheimischen Kindern und Flüchtlingskindern gibt . Wir brauchen für alle Kinder in Deutschland Kitaplätze, und wir brauchen Randzeiten, die der Arbeitswelt gerecht werden . Mich hat gerade eine junge Frau angesprochen, die Kellnerin ist . Sie hat mir gesagt: Eine Kita, die um 16 Uhr schließt, passt nicht zu meinen Arbeitszeiten . So bekomme ich keinen Job . Ich bekomme nur Absagen, obwohl ich arbeiten will . - Ich freue mich, dass unser neues Programm zur Schaffung bedarfsgerechter Betreuungszeiten angenommen wird . Wir fördern mit „KitaPlus“ 300 Kitas bundesweit, und es gibt einen regelrechten Run auf dieses Programm . Das zeigt, wie wichtig es für die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist . ({7}) Wichtig ist aber nicht nur der Kitaplatz selbst, sondern auch gute Förderung . Dazu gehört vor allem die Sprachförderung in den Kitas . Sie ist übrigens für einheimische Kinder genauso wichtig wie zum Beispiel für Flüchtlingskinder, die zu uns kommen und natürlich schnell Deutsch lernen sollen . Deshalb freue ich mich, dass wir die Mittel für das gute Programm aus der letzten Legislatur um 150 Millionen Euro auf 278 Millionen Euro aufstocken konnten, um die großen Herausforderungen in der Kitalandschaft im Bereich der Sprachförderung zu stemmen . Es wird mehr Erzieherinnen und Erzieher in unseren Kitas geben . Das ist ein wichtiger Baustein zur Qualitätsverbesserung . ({8}) Das Familienministerium steht aber auch für gesellschaftlichen Zusammenhalt . Er ist wichtiger denn je . Wir tragen gemeinsam Verantwortung dafür, dass die Kräfte, die unser Land spalten wollen, es nicht schaffen, dass auch die Menschen gespalten werden, in Zuversicht und Protest . Wir brauchen deshalb mehr Unterstützung für gesellschaftlichen Zusammenhalt . An dieser Stelle unterstützen wir vor allem das freiwillige Engagement, und zwar mit mehr Stellen für den Bundesfreiwilligendienst, aber auch mit unserem neuen Bundesprogramm „Menschen stärken Menschen“ . Uns geht es darum, dass wir uns im Alltag die Hand reichen und uns nicht aus dem Weg gehen . Das unterstützen wir . Das tun auch viele Ehrenamtliche in unserem Land . Ihnen gilt unser Dank, aber auch unsere ganz konkrete materielle Unterstützung . ({9}) Wir brauchen mehr Sicherheit im Land . Es wird viel darüber diskutiert, wie die innere Sicherheit gestärkt werden kann, zum Beispiel vonseiten der Bundespolizei und des Verfassungsschutzes . Wir brauchen für mehr Sicherheit aber auch die zweite Seite der Medaille, und zwar Prävention und bessere Bildung . Das erreichen wir durch unser Bundesprogramm „Demokratie leben!“ zur Demokratieförderung und Extremismusprävention . Wir gehen in Schulen und unterstützen zum Beispiel das Projekt „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“, bei dem über 2 000 Schulen mit über 1,5 Million Schülerinnen und Schülern mitmachen . Wir wollen, dass unsere Kinder in einem Land groß werden, in dem man sich anschaut, in dem man aufeinander zugeht, in dem man sich nicht streitet bzw . in dem man sich, wenn man sich gestritten hat, wieder die Hand reicht und in dem kein Hass gesät wird; denn Hass ist immer die Grundlage für Gewalt . All das verfolgen wir mit diesem Programm . Deshalb bin ich sehr dankbar, dass wir durchgesetzt haben, dass die Mittel für dieses Programm von 30 Millionen Euro, die es zu Anfang dieser Legislatur waren, auf 50 Millionen Euro aufgestockt wurden und dass im Bundeshaushalt 2017 100 Millionen Euro dafür veranschlagt sind . Das ist ein wichtiges Signal an die Zivilgesellschaft . ({10}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist das, was diese Regierung schon erreicht hat . Letzter Punkt - dann möchte ich zum Ende kommen -: Wir haben es gehört, der Finanzminister sieht auch weitere Spielräume . Das freut mich . Ich sage aber ganz klar: Wenn wir weitere Spielräume haben, dürfen wir nichts mit der Gießkanne verteilen, sondern müssen noch einmal konkret schauen, wo Unterstützung gebraucht wird . Die Alleinerziehenden, die jeden Tag ihren Job stemmen, aber vom Expartner nicht unterstützt werden, brauchen unsere Unterstützung, und sie bekommen unsere Unterstützung mit dem Unterhaltsvorschuss . Jedoch hat mir eine Alleinerziehende gesagt: Ja, erst macht sich mein Partner aus dem Staub, und der Staat macht sich aus dem Staub, wenn mein Kind zwölf Jahre alt ist; dann wird nämlich nicht mehr gezahlt . - Eine andere Frau sagt: Ich habe sechs Jahre lang Unterhaltsvorschuss bekommen . Jetzt kommt mein Kind in die Schule, und es gibt gar nichts mehr . Das kann nicht sein . Wir als Staat haben die Verantwortung, diese Alleinerziehenden zu unterstützen . Deshalb bin ich dafür, den Unterhaltsvorschuss auszuweiten, aber auch für bessere konkrete Maßnahmen, den Unterhalt wieder einzutreiben . ({11}) Denn es kann nicht sein, dass sich Partner oder Partnerinnen aus der Verantwortung für ihr Kind stehlen und sich auf den Staat verlassen . Jeder, der ein Kind in die Welt setzt, muss auch Verantwortung dafür übernehmen . Wenn das Alleinerziehende in besonderer Weise tun, unterstützen wir sie . Aber wir sollten die, die sich aus der Verantwortung stehlen, stärker zur Verantwortung ziehen . ({12}) Sehr geehrte Damen und Herren, deshalb hoffe ich, dass der Vorschlag der SPD-Fraktion, in den parlamentarischen Beratungen noch einmal auf den Unterhaltsvorschuss zu schauen und zu schauen, ob es hier weitere Spielräume für die Verbesserung gibt, Unterstützung findet. Ich freue mich auf die Beratungen und hoffe auf so gute Unterstützung wie in den letzten Jahren . Dann geht wieder ein Signal von diesem Haushalt an die Familien im Land: Ihr seid uns wichtig . Die Kinder im Land sind uns wichtig . Wir wollen unseren Beitrag leisten . Herzlichen Dank . ({13})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt der Kollege Michael Leutert . ({0})

Michael Leutert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003800, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, Sie haben gesagt, wir haben dieses Jahr einen Haushalt vorliegen, den es in dieser Höhe noch nicht gab . Das stimmt so . Trotzdem möchte ich gerne noch etwas zum Volumen hinzufügen . Es sind ja dieses Jahr, von Ihnen vorgeschlagen, 92 Millionen Euro mehr, und im Haushalt werden noch einmal 560 Millionen Euro frei, weil wir das Betreuungsgeld nicht mehr benötigen . Das macht ungefähr 650 Millionen Euro . Das klingt nach unglaublich viel . Aber es ist nun mal so, dass viele dieser Gelder durch gesetzliche Verpflichtungen gebunden sind. Wir brauchen 200 Millionen Euro mehr für das Elterngeld . 365 Millionen Euro werden mehr ausgegeben für den Kitaausbau, aber auch für die Qualifizierungsoffensive, was alles richtig und gut ist . 44 Millionen Euro brauchen wir mehr für den Kinderzuschlag . Das sind alles Dinge, die wir tun müssen . Dies zeigt, dass der Spielraum in diesem Haushalt für andere Maßnahmen doch recht eng gestrickt ist . Sie haben den Spielraum trotzdem genutzt - das findet unsere absolute Zustimmung - und nehmen noch einmal 54 Millionen Euro in die Hand, um es in den Bereich der Prävention zu stecken, in den Titel, der sich mit dem Programm „Demokratie leben!“ beschäftigt, das heißt, in Programme, Strukturen, Projekte, die sich gegen Demokratiefeindlichkeit, gegen Menschenfeindlichkeit im weitesten Sinne richten, also gegen Ideologien wie Rassismus, Antisemitismus und Salafismus. Trotzdem sage ich: Wir könnten auch dort noch mehr Geld gebrauchen . Aber viel wichtiger ist mir, dass die Programme auch verstetigt werden, dass sie auch in den nächsten Jahren, also in den Jahren 2018, 2019 und 2020, durchfinanziert sind . In der mittelfristigen Finanzplanung ist jedoch festgehalten, dass der Etat ab dem nächsten Jahr wieder abgesenkt werden soll auf knapp 80 Millionen Euro . Ich glaube, das ist der falsche Weg . Der Kampf gegen Rassismus und andere menschenfeindliche Ideologien ist ein Kampf, den wir auch übernächstes Jahr und in den Folgejahren leider noch werden führen müssen . ({0}) Keine Zustimmung findet bei uns die Absenkung der Mittel für den Kinder- und Jugendplan . Dazu wird mein Kollege nachher noch mehr sagen . Wenn wir auf der einen Seite Programme aufsetzen, die sich gegen Menschenfeindlichkeit und Demokratiefeindlichkeit richten, und auf der anderen Seite bei den Strukturen kürzen, in denen junge Menschen eigentlich lernen, solidarisch und demokratisch miteinander umzugehen, dann ist das der falsche Weg . Ich glaube, wir müssen dort noch nachbessern . Wir haben im Übrigen in der letzten Haushaltsberatung genau an dem Punkt nachgebessert . Ich möchte noch etwas zur Unterstützung der Familien sagen . Sie haben ja im Sommer ein Projekt in den Medien vorgestellt, das jetzt in den Haushaltsberatungen noch keine Rolle spielt, und zwar das Projekt des Familiengeldes . Soll heißen, dass diejenigen, die mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen und ihre Arbeitszeit auf 80 Prozent reduzieren, dafür einen Ausgleich von 150 Euro bekommen . Also, der Vater bekommt 150 Euro . Wenn es die Mutter auch macht - oder umgedreht -, sind es insgesamt auf alle Fälle 300 Euro . Ich sage es einmal so: Das klingt am Anfang sehr charmant . Trotzdem bleiben hier noch ein paar offene Fragen. Sie haben ja angekündigt, dass Sie das in dieser Legislaturperiode gerne noch auf den Weg bringen wollen . Mich würde interessieren, wie Sie sich das genau vorstellen . Was ist zum Beispiel mit Aufstockern? Was ist mit einer Frau, die ALG II bezieht und vielleicht noch als Haushaltshilfe arbeitet, um aufzustocken? Wie soll sie ihre Arbeitszeit reduzieren? Bekommt sie das Geld dann auch? Wird das Geld gegengerechnet? Was ist mit Menschen, die in einem kleinen Betrieb arbeiten, deren Chef sagt: „Ja, Sie können das gerne machen, aber für die restlichen 20 Prozent der Zeit, in denen ich Sie auch benötige, kann ich niemand Neues einstellen, Sie müssen das dann eben in unbezahlten Überstunden wegarbeiten .“? - Dann wäre das Familiengeld eine Lohnsubventionierung . Wie sind diese Probleme gelöst? Ich glaube, in der Zeit, in der wir das diskutieren, sollten wir unsere Energie darauf verwenden, das Kindergeld zu reformieren . Vielleicht gibt es hier auch eine breite Mehrheit dafür . Natürlich muss das Kindergeld erhöht werden . Daneben stellt sich aber auch die Frage, warum für das erste und das zweite Kind jeweils 190 Euro gezahlt werden, während für das dritte Kind 196 Euro und für jedes weitere Kind 221 Euro gezahlt werden . Was ist der Unterschied zwischen ihnen? Ist zum Beispiel das dritte Kind mehr wert als das erste Kind? Was ist die Logik hinter dieser Abstufung? Ich finde, uns sollten alle Kinder gleich viel wert sein, und deshalb sollten wir gleich viel Kindergeld zahlen . ({1}) Frau Ministerin, in der Bild-Zeitung stand ein sehr interessantes Interview mit Ihnen . Ich habe das mit Interesse zur Kenntnis genommen . Sie haben sich darin - das haben Sie hier auch noch einmal angesprochen - zum Unterhaltsvorschuss geäußert . Ich habe mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass im Finanzministerium noch Spielraum dafür gesehen wird . Wir können das nur unterstützen . Das ist eine Forderung, die wir auch schon viele Jahre in die Beratungen hier mit eingebracht haben . Es kann nicht sein, dass ein Unterhaltsvorschuss - das heißt eine staatliche Leistung für Frauen, die alleinerziehend sind und deren Partner für das gemeinsame Kind nicht zahlen will oder kann - auf sechs Jahre beschränkt ist und nicht bis zum 18 . Lebensjahr gezahlt wird . Ich glaube, das muss dringend geändert werden . (Beifall bei der LINKEN Wir könnten das jetzt sofort angehen. Das betrifft 260 000 Kinder und ihre Mütter . Ich glaube, das wäre ein gutes gemeinsames Projekt, mit dem wir alle zusammen sofort für ein Stück mehr soziale Gerechtigkeit im Land sorgen könnten . Wir sind dabei . ({2})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Nächste Rednerin ist die Kollegin Nadine Schön für die CDU/CSU . ({0})

Nadine Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! In diesen Tagen wird viel über gesellschaftlichen Zusammenhalt, über Verlust- und Abstiegsängste, über kulturelle Konflikte, über Frauenrechte, über die Akzeptanz demokratischer Strukturen und über Radikalisierungstendenzen in unserer Bevölkerung diskutiert . Das sind gesellschaftliche Fragen, die uns als Familienpolitiker ganz besonders betreffen und beschäftigen; denn der Zusammenhalt der Gesellschaft ist die große Überschrift über und die Klammer um all diese Themen, die uns als Familienpolitiker beschäftigen . Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist das Ziel unserer Familienpolitik . ({0}) Deshalb ist der Haushalt, der heute von der Regierung eingebracht wird, auch Ausdruck und Beleg dessen . Mit den finanziellen Festlegungen setzt die Regierung Zeichen, und wir geben Antworten auf vieles, was derzeit höchst kontrovers diskutiert wird, auf viele Fragen, die die Menschen in diesen Tagen stellen . Ich denke zum Beispiel an die Frage, ob jetzt eigentlich nur noch etwas für Flüchtlinge getan wird . Wo bleibt eigentlich unsere Bevölkerung? - Gerade der Haushalt des Familienministeriums zeigt: Wir tun viel für die Familien in unserem Land . Der Gesamthaushalt für unseren Bereich ist in den letzten Jahren jedes Jahr angestiegen und hat mittlerweile einen Umfang von über 9 Milliarden Euro . Wir haben den Kitaausbau weiter vorangetrieben . Mit dem neuen Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ stehen jetzt noch einmal 446 Millionen Euro und damit 216 Millionen Euro mehr als noch im vergangenen Jahr zur Verfügung . Wir bauen die Sprachkitas aus . Auch hier beträgt der Aufwuchs über 100 Prozent auf mittlerweile über 250 Millionen Euro . Allein für das Elterngeld und das Elterngeld Plus geben wir über 6 Milliarden Euro aus . Auch das ist eine massive Erhöhung, weil das Elterngeld sehr gut angenommen wird . Der Kinderzuschlag wurde gerade im vergangenen Monat um 20 Euro erhöht . Das Kindergeld wurde erhöht, und der Kinderfreibetrag wurde erhöht . Der Freibetrag für Alleinerziehende wurde erhöht . Das sind viele Maßnahmen, die zum Teil in unserem Haushalt stehen und zum Teil im Haushalt des Finanzministeriums . Wir haben die ursprünglich für das Betreuungsgeld vorgesehenen Mittel eins zu eins an die Länder und Kommunen weitergegeben mit der Auflage, diese für Familien einzusetzen . Damit sehen Sie: Ehe- und familienbezogene Leistungen wurden in den vergangenen Jahren und gerade auch im letzten Jahr massiv ausgebaut . Sie sind das Fundament, das den Familien wirtschaftliche Stabilität gibt . Damit geben wir ein klares Signal an die Menschen in unserem Land: Wir investieren nicht nur in die Menschen, die zu uns kommen, sondern wir investieren auch und vor allem in die Menschen, die bei uns leben, die Kinder großziehen, die Senioren betreuen . Wir investieren in die Familie als Kernzelle unserer Gesellschaft, also in diejenigen, die für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land sorgen . ({1}) Wir geben auf weitere Fragen Antwort, zum Beispiel: Wie integrieren wir die Menschen, die zu uns gekommen sind, in unsere Gesellschaft? Wie vermitteln wir unsere Kultur und unsere Werte? Hier gibt es im Haushalt verschiedene Ansätze . Ich nenne hier das Programm „Menschen stärken Menschen“ mit 10 Millionen Euro, das Programm „Willkommen bei Freunden“ mit 3,8 Millionen Euro und vor allem den Bundesfreiwilligendienst . Bis zu 10 000 zusätzliche Stellen werden für den Bundesfreiwilligendienst mit Flüchtlingsbezug geschaffen, und zwar für die Menschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen, die denjenigen, die zu uns kommen, das erklären, was unser Land ausmacht, die ihnen erklären, was uns hier im Land wichtig ist, welches unsere Werte sind, was Gleichberechtigung von Mann und Frau in unserem Land bedeutet, was Toleranz auch etwa gegenüber homosexuellen Menschen in unserem Land bedeutet . Das sind Menschen, die sich vor Ort dafür einsetzen, dass diejenigen, die zu uns kommen, hier ankommen und dass sie die Werte, die wir leben, akzeptieren und mit uns diese Gesellschaft gestalten . Bei diesen 10 000 Stellen können sich auch die Flüchtlinge selbst einbringen . Sie können sich eine Zeit lang engagieren, um etwas von dem zurückzugeben, was sie von diesem reichen Land in den letzten Monaten bekommen haben . Das ist ein starkes Zeichen . Diese Gelder sind gut angelegt . Damit geben wir ein richtiges Signal, zum einen an die Flüchtlinge, nämlich die Aufforderung, sich zu integrieren und die Angebote anzunehmen und zu nutzen, die man ihnen macht - darauf legen wir auch im Integrationsgesetz wert -, zum anderen an unsere Bevölkerung . Wir sagen ihr: Uns ist nicht egal, wie die Menschen, die zu uns kommen, hier leben . Wir legen Wert darauf, dass unsere Werte und unsere Kultur vermittelt werden . Dafür setzen wir im Haushalt gewisse Schwerpunkte . Es gibt einen weiteren Komplex, der uns in den letzten Tagen sehr beschäftigt hat, nämlich das Thema „Radikalisierungstendenzen in der Bevölkerung“ . Wir erleben, dass Islamismus, Links- und Rechtsextremismus in bedenklicher Weise zugenommen haben . ({2}) Wir erleben, dass es nicht mehr selbstverständlich ist, dass jeder weiß, dass es in einer Demokratie keine einfachen Lösungen geben kann, ({3}) dass Parlamentarismus das Aushandeln von Kompromissen ist, dass demokratische Verfahren lang und komplex sind und dass Gewalt kein Mittel zur politischen Konfliktlösung ist. Frau Lemke, wenn Sie eine Frage haben, dann bitte ich Sie, sie zu stellen . Aber diese Zwischenbemerkungen sind weder für die Zuschauer auf den Tribünen noch für die vor dem Fernseher noch für mich akustisch zu verstehen . ({4}) Deshalb meine herzliche Bitte an Sie: Wenn Sie eine Frage haben, dann stellen Sie sie . ({5}) Ich bin der Meinung: All diesen Arten von Extremismus müssen wir mit der Härte des Rechtsstaates begegnen, aber auch mit Prävention . Dabei setzen wir mit diesem Haushalt Zeichen, zum einen durch die Strategie zur Extremismusprävention und Demokratieförderung, zum anderen durch die Jugendverbandsarbeit . ({6}) - Frau Lemke, noch einmal an Sie die Aufforderung: Wenn Sie eine Anmerkung oder eine Frage haben, können Sie sie gerne öffentlich stellen. ({7}) Aber das Dazwischenrufen irritiert ein wenig . Ich glaube, wir sind ein Haus, in dem debattiert werden kann . Deshalb die herzliche Bitte an Sie, dass wir das öffentlich machen . ({8}) Die Mittel für die Jugendverbandsarbeit haben wir im vergangenen Jahr um mehrere Millionen aufgestockt . Auch in diesem Jahr wollen wir in den HaushaltsberaNadine Schön ({9}) tungen ein Augenmerk darauf legen, dass der Ansatz in gleicher Höhe weitergeführt werden kann . ({10}) Ich denke, das ist gut investiertes Geld . Denn wenn junge Menschen wissen, was sie tun können, wenn sie eine Aufgabe haben und in gefestigten sozialen Strukturen sind, dann besteht weniger Gefahr, dass sie abdriften und für extremistisches Gedankengut anfällig sind, sei es aus der islamistischen Szene, sei es von rechts oder links . Deshalb sind diese Mittel gut investiertes Geld . ({11}) Wir geben also Antworten auf die Fragen: Was wird für unsere Bevölkerung getan? Wie integrieren wir die Menschen, die zu uns kommen? Und wie gehen wir mit den Radikalisierungstendenzen in der Bevölkerung um? Ich will aber vor einem warnen, nämlich vor Versprechungen, die wir machen, ohne sie mit haushalterischen Mitteln zu unterlegen . Denn ich glaube, dass daher ein Großteil der Politikverdrossenheit kommt, die wir in den vergangenen Tagen erlebt haben. Deshalb finde ich es problematisch, ein Familiengeld für 2017 anzukündigen und gleichzeitig als Regierung einen Haushalt für 2017 vorzulegen, ohne darin einen einzigen Cent für dieses Familiengeld einzustellen . ({12}) Ich finde es auch problematisch, als Regierung einen Haushalt vorzulegen, wenn am selben Tag gleich zwei Minister der Regierung fordern, weitere familienpolitische Maßnahmen zu finanzieren. ({13}) Es ist der Haushalt der Bundesregierung . Wenn die Bundesminister noch weitere Maßnahmen wollen, dann habe ich als Abgeordnete eigentlich die Erwartung, dass sie diese Wünsche dann auch in dem Haushalt, den sie uns heute vorlegen, etatisieren . ({14}) Man kann sich nicht nur darauf verlassen, dass der Bundestag weitere Wünsche erfüllen wird . ({15}) Das ist so, als würde ein Kind zu seinen Eltern kommen und sagen: Ich hätte gerne ein Fahrrad . - Die Eltern haben aber kein Geld und antworten dem Kind: Die Oma wird dir schon eins kaufen . - Das ist keine seriöse Politik . ({16}) - Genau . Oft geht das gut . Oft kauft die Oma das Fahrrad . Ich glaube, auch wir als Parlamentarier haben eine Menge Vorstellungen, was wir familienpolitisch in unserem Land noch tun können . Auch wir haben viele Wünsche, wie wir die Familien in unserem Land noch weiter unterstützen können und wollen . Aber wir stehen vor dem Problem, dass wir nicht nur Politik für die Familien von heute machen können, sondern wir müssen auch ein bisschen die Menschen, die nach uns kommen, im Blick haben . Was ist mit den jungen Menschen, die die Schulden, die wir hinterlassen, zurückzahlen müssen? ({17}) Wenn wir das ganze Geld, das wir jetzt durch die wirtschaftlich gute Lage einnehmen, mit dem Füllhorn ausschütten, es ausgeben, dann drücken wir den zukünftigen Generationen den Hals zu . Das kann doch nicht der Ansatz einer generationengerechten Familienpolitik sein . Das bitte ich immer im Blick zu behalten . ({18}) Man kann über vieles sprechen . Wir haben, wie gesagt, ebenfalls viele Wünsche an die Familienpolitik . Gerade die Alleinerziehenden liegen uns besonders am Herzen . Ich bin dafür, dass wir, wenn wir mehr für die Alleinerziehenden machen und einen Unterhaltsvorschuss ermöglichen, auch dafür sorgen müssen, dass diejenigen, die unterhaltspflichtig sind - meistens Väter - und den Unterhalt nicht zurückzahlen, zur Rückzahlung gezwungen werden . Dabei kann es auch zu unkonventionellen Maßnahmen kommen . Die Idee des Führerscheinentzuges für diejenigen, die nicht zahlen, ist in meinen Augen eine charmante Maßnahme . ({19}) Wir müssen Wege finden, wie wir die Unterhaltspflichtigen dazu zwingen, das Geld zurückzuzahlen . Dabei dürfen wir aber eines nicht aus den Augen verlieren: Diejenigen, die für die Rückforderung des Unterhaltsvorschusses zuständig sind, sind die Kommunen . Wenn wir als Bund den Unterhaltsvorschuss komplett übernehmen - dieser Vorschlag steht im Raum -, dann besteht für die kommunale Ebene kein Anreiz, den Unterhaltsvorschuss zurückzufordern . ({20}) Deshalb sollte man mit diesen Maßnahmen sehr vorsichtig sein . Wir haben die nächsten Wochen Zeit, uns damit zu befassen, wie wir die Positionen im Haushalt, die noch nicht ausfinanziert sind, ausfinanzieren. Wir haben die Möglichkeit, in Ruhe zu diskutieren . Das sollten wir auch tun, in Verantwortung für die Menschen, die jetzt bei uns leben, und auch in Verantwortung für die kommenden Generationen . Deshalb freue ich mich auf die Beratungen, die vor uns liegen . ({21})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Nächste Rednerin ist die Kollegin Katja Dörner für Bündnis 90/Die Grünen . Nadine Schön ({0})

Katja Dörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004030, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich war auch etwas verwirrt von der Rede der Ministerin . Sie lobt ihren Etat, und gleichzeitig kritisiert sie ihn auch, weil das Familiengeld nicht darin enthalten ist . Regierung und Opposition in einem: Das kann Frau Schwesig sehr, sehr gut . Es ist aber doch sehr leicht durchschaubar . ({0}) Was ist von einer Ministerin zu halten, die zwei Tage vor Beginn der Etatberatungen einen Gesetzentwurf ankündigt, um eine neue und nicht gerade billige Familienleistung einzuführen? Wir alle haben die Schlagzeile gelesen: Das Familiengeld muss nächstes Jahr kommen . Der Blick in den Haushaltsentwurf zeigt aber ganz klar, dass für dieses sogenannte Familiengeld kein einziger Cent vorgesehen ist. Ich finde das hochgradig unseriös. Sie gaukeln den Familien eine Unterstützungsmaßnahme vor, von der Sie selber am besten wissen, dass Sie sie in dieser Regierung auf keinen Fall umsetzen werden . Das ist ein großer Bluff. Und ich finde, das geht so nicht. ({1}) Die Ministerin hat ja das Familiengeld und die Familienarbeitszeit im Ministerium vorgestellt . Da denkt man doch: Aha, das ist Regierungshandeln . Auf Nachfrage erfahren wir dann: Nein, ein Konzept gibt es nicht, es sind Überlegungen . Wir haben nach konkreten Ausgestaltungen und Fakten gefragt . Was die Antwort darauf anbelangt: Absolute Fehlanzeige . 19 von 26 Fragen blieben komplett unbeantwortet . Wir hatten Fragen nach dem Zeitplan, den Kosten, dem Mehrwert für die Familien, der Höhe der Leistung, der Zielgenauigkeit und den Anspruchsberechtigten gestellt . Weiter hatten wir gefragt, wie sich das auf die Verteilung von Erwerbs- und Familienarbeit zwischen Männern und Frauen bzw . zwischen Vätern und Müttern auswirkt . Das alles sind keine unwesentlichen Fragen . Alle blieben komplett unbeantwortet . Ich sage: Frau Schwesig bläst Seifenblasen in die Luft . Die schillern mal kurz auf . Dann macht es Blubb, und sie sind weg . Das ist einfach unseriöse Politik . ({2}) Ich ärgere mich besonders über diese Art des Vorgehens, weil wir als Grüne es nämlich gerade wichtig finden, dass Familien mehr Zeit bekommen. Wir finden es richtig und wichtig, den Familien in dem Kontext auch mehr finanzielle Spielräume zu eröffnen. Aber dann muss man eben auch etwas Konkretes vorlegen . Dann muss man das - so wie wir das mit unserem Konzept für die Kinderzeit Plus machen werden - im Haushalt hinterlegen . Das ist dann konkrete Politik . ({3}) Wir befinden uns ja in der ersten Beratung und werden einen konkreten Antrag dazu vorlegen . Ich bin dann sehr gespannt auf den Antrag der SPD, mit der wir in diesem Jahr das Familiengeld beschließen werden . ({4}) Reine Ankündigungspolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist einfach schlecht . Um eine Reihe von Vorhaben aus dem Hause Schwesig muss man sich ja leider Sorgen machen . Die Kanzlerin hat zwar gestern gesagt, dass das Entgeltgleichheitsgesetz kommen wird - das ist gut -, aber wir haben in den letzten Monaten im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf ein unwürdiges Geschacher erlebt . Die Frauen haben endlich gleichen Lohn für gleiche Arbeit verdient . Wir Grünen sagen auch ganz klar, dass wir ein solches Gesetz wollen; aber wir wollen eben ein Gesetz, in dem auch drin ist, was draufsteht . Einen zahnlosen Tiger, ein Gesetz beispielsweise nur für Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird es mit uns so nicht geben . Gleicher Lohn für gleiche Arbeit muss für alle Frauen gelten . ({5}) Das zweite Sorgenkind ist die geplante Reform des SGB VIII . Ich bin schon lange eine Verfechterin der inklusiven Lösung . Kinder sind Kinder, und Jugendliche sind Jugendliche - mit und ohne Behinderung . Deshalb finde ich es absolut richtig, dass das SGB VIII das Leistungsgesetz für alle Kinder wird. Ich hoffe wirklich, dass die inklusive Lösung kommen wird . Wir wissen aber eben auch alle um die Fallstricke und die Herausforderungen im Detail . Wenn ich mir die Geheimniskrämerei und die Arbeit im stillen Ministeriumskämmerlein angucke, die wir vor dem Sommer und über die Sommerzeit hinweg erlebt haben, dann muss ich sagen: Ich mache mir große Sorgen, dass es wirklich gelingt, dass eine gute inklusive Lösung für die Kinder bzw . die Familien gefunden wird . Wie gesagt, wir werden das konstruktiv begleiten . Wir stehen für die inklusive Lösung . Dafür brauchen wir aber endlich auch eine vernünftige gesetzliche Grundlage . ({6}) Mit uns Grünen wird es auf gar keinen Fall Standardabsenkungen bei den Hilfen zur Erziehung - das gilt insbesondere für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge - geben . Die individuellen Rechtsansprüche müssen erhalten bleiben . Sie sind die Stärke in unserem heutigen SGB VIII . Wir werden mit Argusaugen darüber wachen . Ich hoffe, dass wir hier im Bundestag gemeinsam das Ziel haben, da nicht zu Standardabsenkungen zu kommen . Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend stelle ich fest, dass mich bei diesem Etatentwurf eines wirklich ziemlich fassungslos macht . Das sind die Kürzungen bei der Jugendverbandsarbeit und den Jugendmigrationsdiensten . In einem Haushalt, der laut Finanzminister Spielräume im Volumen von bis zu 15 Milliarden Euro für Steuersenkungen enthält, will die Große Koalition bei der Jugendverbandsarbeit 2 Millionen Euro und bei den Jugendmigrationsdiensten 8 Millionen Euro kürzen . Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! ({7}) Es ist ja nicht nur so, dass die Jugendverbände in den letzten Jahren steigende Ausgaben zu bewältigen hatten, die lange nicht ausgeglichen wurden . Gerade jetzt brauchen die Jugendverbände mehr denn je Unterstützung . Ich verfolge ihre Arbeit sehr genau . Wenn ich etwa sehe, was die Jugendverbände in den letzten Monaten insbesondere im Bereich der Flüchtlingsarbeit geleistet haben, dann kann ich nur sagen: Diese haben ihren Teil zum „Wir schaffen das“ beigetragen. Nichtsdestotrotz sehen sie sich jetzt mit Kürzungen konfrontiert . Das Gleiche gilt für die Jugendmigrationsdienste . Kürzungen in diesem Bereich sind angesichts der aktuellen Situation ein absolutes No-Go . In den anstehenden Haushaltsberatungen müssen wir dafür sorgen, dass diese Kürzungen zurückgenommen werden . Wir werden uns jedenfalls dafür einsetzen . Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({8})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Die Kollegin Dr . Carola Reimann spricht als Nächste für die SPD . ({0})

Dr. Carola Reimann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003434, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Einzelplan für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sieht mit knapp 9,2 Milliarden Euro erneut einen Aufwuchs vor, und das ist gut; denn mit den zusätzlichen Mitteln zum Beispiel für das Bundesprogramm „SprachKitas“ und die Demokratieförderung investieren wir nachhaltig in den gesellschaftlichen Zusammenhalt . Das ist gut investiertes Geld . Schon im vergangenen Jahr haben wir als SPD-Bundestagsfraktion deutlich gemacht, dass wir die aktuellen Herausforderungen, vor denen wir stehen, nur mit einem zusätzlichen Investitionsschub meistern können . Wir haben immer gesagt, dass es hierbei nicht um ein Entweder-oder gehen kann, also nicht darum, dass die einen etwas bekommen und die anderen nicht . Nein, es war immer klar, dass von diesem Investitionsschub alle profitieren müssen: durch mehr bezahlbare Wohnungen, durch bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und nicht zuletzt durch mehr und qualitativ hochwertige Kitas . Dafür muss man ordentlich Geld in die Hand nehmen . Ich bin sehr froh, dass uns das auch gelungen ist; denn mit den zusätzlichen Mitteln für den Kitaausbau und die Sprachkitas setzen wir unsere Bildungs- und Betreuungsoffensive fort. Davon profitieren Kinder und Eltern, die schon lange hier leben, genauso wie Familien, die in den letzten Monaten zu uns gekommen sind . ({0}) Das verstehen wir unter doppelter Integration . Wir nehmen die Herausforderung der Integration an und investieren zugleich in den gesellschaftlichen Zusammenhalt . Für gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sorgen, bedeutet auch, diejenigen zu unterstützen, die sich um den Zusammenhalt konkret kümmern, im Freundeskreis, im Beruf, im Ehrenamt und in der Familie . Familie bedeutet für viele Glück und Erfüllung . Oft führt der dort geleistete Dauereinsatz aber auch zu Stress und Erschöpfung . Viele fühlen sich wie in einem Hamsterrad . Man läuft und läuft und scheint doch nicht wirklich voranzukommen . Wir können den Druck, dem vor allem berufstätige Eltern ausgesetzt sind, nicht einfach per Gesetz abschalten . Aber wir können unseren Beitrag leisten, dass dieser Druck spürbar abnimmt . Wir wollen mehr zeitliche Spielräume für Familien schaffen. Mit dem Elterngeld Plus haben wir einen ersten Schritt getan . Die Familienarbeitszeit, über die zum ersten Mal nicht ganz überraschend - im Zusammenhang mit diesem Haushalt diskutiert wird, wird zusammen mit dem Familiengeld der nächste Schritt sein . Die Ministerin hat dazu ein überzeugendes Konzept vorgelegt, wie ich finde. Es ermöglicht Kindern, mehr Zeit mit beiden Elternteilen zu verbringen . Es fördert die partnerschaftliche Aufteilung der Aufgaben zwischen Müttern und Vätern . Es führt außerdem zur Angleichung beruflicher Entwicklungschancen und letztlich auch zu einer Angleichung der Löhne der Frauen an die der Männer . Wir sind bereit, die Familienarbeitszeit noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen, je schneller, desto besser . ({1}) Da wir beim Thema Löhne sind: Wir brauchen endlich ein Lohngerechtigkeitsgesetz . Der Gesetzentwurf liegt seit Monaten auf dem Tisch . Es wird allerhöchste Zeit, dass wir für mehr Transparenz bei den Gehaltsstrukturen sorgen . Auch hier gilt: Dieses Gesetz muss jetzt auf den Weg gebracht werden . ({2}) Familien vollbringen wahre Höchstleistungen beim täglichen Drahtseilakt zwischen Familie, Beruf und den vielen weiteren täglichen Herausforderungen, die ich gerade genannt habe . Das alles aber auch noch alleine zu bewerkstelligen, ist umso bewundernswerter. Ich finde, Alleinerziehende leisten Enormes . Dass sie dann trotz ihres beruflichen Einsatzes und ihrer oft guten Ausbildung einem sehr hohen Armutsrisiko in Deutschland ausgesetzt sind, darf nicht sein . Das ist für uns nicht hinnehmbar . Deshalb haben wir in dieser Legislaturperiode dafür gesorgt, dass Alleinerziehende besser unterstützt werden, unter anderem mit der Erhöhung des steuerlichen Entlastungsbetrages, mit dem Ausbau von Kinderbetreuung auch in Randzeiten - das ist hier schon erwähnt worden und mit der Einführung des Mindestlohns, von dem insbesondere Frauen profitieren. Diesen Weg wollen wir weitergehen . Deshalb hat die SPD-Bundestagsfraktion in der vergangenen Woche ein Maßnahmenpaket für Alleinerziehende beschlossen . Wir wollen noch in dieser Legislaturperiode den Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende deutlich verbessern . Dabei soll die Altersgrenze des Kindes von jetzt 12 auf 18 Jahre angehoben und die zeitliche Befristung auf 72 Monate abgeschafft werden. Darüber hinaus werden wir uns weiterhin für einen Umgangsmehrbedarf für Kinder getrennt lebender Eltern, die Arbeitslosengeld II beziehen, starkmachen . Das war schon einmal Thema in der Großen Koalition . Wir wollen, wie im Koalitionsvertrag verabredet, eine Weiterentwicklung des Teilzeitrechts mit einem Rückkehrrecht zur früheren Arbeitszeit . ({3}) Das sind ganz konkrete Konzepte, sie liegen auf dem Tisch . Wir wollen in den kommenden Monaten bis zur Bundestagswahl noch einiges bewegen - für Familien, die mehr zeitliche Spielräume brauchen, für Alleinerziehende, die wir besser unterstützen wollen, und für die Frauen, die im Beruf 100 Prozent leisten und deshalb auch 100 Prozent verdienen . ({4})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Herzlichen Dank, insbesondere für die Punktlandung bei der Redezeit . - Nächster Redner ist der Kollege Norbert Müller für die Fraktion Die Linke . ({0})

Norbert Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004613, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Rednerinnen und Redner der Großen Koalition haben gestern immer wieder darauf hingewiesen, dass sie ab jetzt nicht in den Dauerwahlkampf für das kommende Jahr gehen wollen, und machen das auch am aktuellen Haushalt und an dieser Sitzungswoche, die das ganz gut illustrieren soll, fest . Das heißt für uns übersetzt: Wir nehmen Sie beim Wort bei allem, was Sie heute ankündigen und versprechen . ({0}) Denn das heißt ganz offensichtlich, dass es sich hierbei nicht um Wahlkampf handelt, sondern um das, was Sie in den Haushaltsberatungen noch aktiv angehen wollen . ({1}) Dann ist es doch ein großer Fortschritt, dass die Große Koalition, die sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt hatte, nichts zum Thema Kinderarmut festzuhalten, das Thema der Kinderarmut und der Armut von Alleinerziehenden - dazwischen gibt es einen engen Zusammenhang - endlich anpacken will, indem sie den Unterhaltsvorschuss offensichtlich ausbauen will. Das haben in den Beratungen nicht nur Herr Gabriel, sondern auch Herr Schneider, Herr Kahrs und Frau Schwesig gefordert, also eine lange Liste von Sozialdemokraten . Man muss davon ausgehen, dass Sie das jetzt anpacken . Sie haben, wenn ich der Rede von Frau Dörner folgen kann, in diesem Plenum bereits jetzt eine Mehrheit dafür, den Unterhaltsvorschuss bereits in diesem Jahr auszubauen, jedenfalls was die Zahldauer bis zum 18 . Lebensjahr und die Bezugszeit von 72 Monaten angeht . Das heißt, wir können im Rahmen der Haushaltsberatungen sofort den Unterhaltsvorschuss reformieren und deutlich ausbauen . Warum ist das nötig? 42 Prozent aller Alleinerziehenden sind in Deutschland armutsgefährdet . Die Spiegelseite davon ist, dass in ganz Deutschland 50 Prozent, also jedes zweite Kind, das im Hartz-IV-Bezug ist, in einem Haushalt von Alleinerziehenden lebt . In Ostdeutschland sind es sogar 60 Prozent . Das heißt, mehr als die Hälfte der Hartz-IV-beziehenden Kinder in Ostdeutschland und die Hälfte dieser Kinder in Gesamtdeutschland leben in Haushalten von Alleinerziehenden . Das bedeutet in der Konsequenz: Wir können nicht nur den Unterhaltvorschuss ausbauen - was richtig und notwendig ist und wofür Sie jetzt eine Mehrheit hätten -, sondern wir müssen auch anfangen, über die Regelsätze für Kinder in der Grundsicherung zu reden . Sie müssen deutlich erhöht werden, damit die Kinder aus der Armut herauskommen . Wir reden hier darüber - das ist mehrmals gesagt worden -, dass jedes vierte Kind arm ist . Hier können wir mit wenig Geld sehr schnell sehr viel helfen . Es gilt, aufzuzeigen, welche Dimensionen Armut in Bezug auf die Gesundheit, in Bezug auf die Bildungschancen und in Bezug auf die Beteiligung hat . Das ist alles bereits dargestellt worden . ({2}) Gegen Kinderarmut hilft aber auch eine gute soziale Infrastruktur . Es stellt sich die Frage: Was tun Sie oder was unterlassen Sie, um im Kampf gegen Kinderarmut für eine gute soziale Infrastruktur zu sorgen . Ich will zwei Beispiele nennen, wo dieser Haushalt eine Enttäuschung ist . Das erste Beispiel ist bereits angesprochen worden: Den Kinder- und Jugendplan wollen Sie nochmals kürzen . Im Koalitionsvertrag haben Sie - das ist erst knapp drei Jahre her - zur Jugendverbandsarbeit vereinbart: Wir werden die Infrastruktur der Kinder- und Jugendarbeit sowie die Jungendverbandsarbeit und die politische und kulturelle Bildung auf Bundesebene stärken und dabei auch die besonderen Bedürfnisse junger Menschen mit Migrationshintergrund in den Blick nehmen . Der Kinder- und Jugendplan des Bundes . . . ist das zentrale Instrument, um eine bundeszentrale Infrastruktur der Jugendverbände sicherzustellen . Die Mittel dafür wollen Sie um Millionenbeträge kürzen. Das finde ich, ehrlich gesagt, unverschämt. Wenn die Vorstellung war, diese Mittel im Haushaltsentwurf zu kürzen, damit das Parlament sie dort wieder veranschlagt, sodass Sie dem Bundesfinanzminister gegenüber darstellen können, welche Haushaltskürzungsbemühungen Sie vorgenommen haben, dann ist das doppelt unverschämt, weil es eine Nichtwürdigung der Arbeit der Kinder- und Jugendverbände ist . ({3}) Ich mache Ihnen das deutlich . Gleichzeitig wird in Ihrem Ministerium offenbar mit den Verbänden des Deutschen Bundesjugendringes darüber gesprochen, die Kostensätze endlich zu erhöhen . Sie sind zum Teil noch in D-Mark gerechnet worden, weil sie seit über 15 Jahren nicht erhöht worden sind . Es geht um die Kosten für Fahrten, für Übernachtungen, für Honorare . Diese Kostensätze zu erhöhen, das ist richtig, und da haben Sie auch unsere Unterstützung . Aber wenn man die Kostensätze endlich erhöhen will, dann muss man auch diesen Einzelplan deutlich aufstocken und darf nicht noch Millionenbeträge herausnehmen, weil die Konsequenz sonst hieße: weniger Angebote durch die Träger der Kinderund Jugendhilfe, weniger Angebote durch die Kinderund Jugendverbände . Wir hatten gerade Sommerferien . Die SPD-nahe Organisation Die Falken bietet Ferienfreizeiten insbesondere für arme Kinder an . Das hängt mit dem zusammen, was Sie richtigerweise im Koalitionsvertrag zur Arbeit der Kinder- und Jugendverbände festgehalten haben, aber auch mit der Kinderarmut, zu der Sie sich nicht äußern wollen . Ein Verband wie die Falken bietet Ferienfreizeiten für arme Kinder an . Wie soll das möglich bleiben, wenn Sie ihn gleichzeitig finanziell k.o. schlagen? Das hat eine weitere Dimension . Wenn Sie die Kinderund Jugendverbände finanziell schwächen, dann machen diese weniger Angebote, und wenn die Angebote zurückgehen, dann erleben wir eine weitere Welle des Sterbens der Einrichtungen der Kinder- und Jugendbildung . Das heißt, Jugendbildungsstätten, denen es schon in den letzten Jahren immer schlechter ging, werden weiter in ihrer Existenz bedroht, weil die Übernachtungszahlen dann möglicherweise zurückgehen . Wir werden also diese Kürzungsvorschläge im parlamentarischen Verfahren kippen müssen . Ich habe viel Zustimmung dazu auch bei der Koalition gesehen. Ich hoffe, wir schaffen das gemeinsam . ({4}) Ein zweites Beispiel dafür, wo dieser Haushalt eine Enttäuschung ist . Eine soziale Infrastruktur, die Kindern aus der Armut hilft, sind auch Kitas . Kita ist eben nicht nur Betreuung; Kita ist frühkindliche Bildung . Wenn wir Kita als frühkindliche Bildung verstehen, dann heißt das eben auch, dass wir über Qualität, über Arbeitsbedingungen der dort Beschäftigten reden müssen - nicht nur, wenn gerade Streikzeiten sind -, dass wir über eine gute Qualität von Ausbildung, über gutes Essen und über die Kosten der Eltern, aber auch über Personalschlüssel reden müssen . Jetzt werden Sie wieder sagen: Das ist die Aufgabe von Ländern und Kommunen, Eltern und Beschäftigten . Sie müssen das irgendwie stemmen, sodass es funktioniert, und der Bund gibt ja schon ganz viel. - Ich finde das unredlich . Gute frühkindliche Bildung ist ein Mechanismus, um Wege aus der Kinderarmut aufzuzeigen . Der Bund muss seine Aufgabe wahrnehmen, um gleichwertige Lebensverhältnisse im Land herzustellen . Er kann nicht weiterhin sagen: Wir haben den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz geschaffen; wie er umgesetzt wird, überlassen wir Ländern und Kommunen und Eltern . - Das Ganze wird dann auf dem Rücken von Beschäftigten ausgetragen . Vielmehr sollte es heißen: Wir müssen über ein Kitaqualitätsgesetz Geld in die Hand nehmen und die frühkindliche Bildung deutlich intensivieren . Wir müssen Geld in die Hand nehmen, um die Bedingungen der Beschäftigten zu verbessern, um Betreuungsschlüssel zu verbessern, um Kitaessen kostenlos anzubieten und zu verbessern . Außerdem müssen wir über Elternbeitragsfreiheit reden; denn wir wissen, dass Kitagebühren Familien in die Armut bringen können . Herzlichen Dank . ({5})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Marcus Weinberg . ({0})

Marcus Weinberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003861, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank . - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich heute Nacht gegen halb vier schweißgebadet aufgewacht bin, habe ich reflektiert, dass wir heute die schönste Situation im Jahr erleben, weil wir heute über den Haushalt des Familienministeriums diskutieren können . Seitdem ich Mitglied des Bundestages bin, seit 2005, haben wir in jeder Haushaltsdebatte über einen Aufwuchs der Mittel gesprochen . ({0}) Ich glaube, das ist seit 2005 ein klares Signal an die Familien, dass wir sie stärken wollen . ({1}) Jeder hier hat seine Rolle, und das ist auch gut so . Sie von der Regierung haben uns einen guten Entwurf vorgelegt, und wir machen es so wie jedes Jahr: Ein guter Entwurf wird durch die parlamentarische Arbeit noch ein wenig besser . Deswegen wird es hier und da natürlich noch Diskussionen geben . Es waren für uns damals einige Punkte wichtig, und deshalb haben wir im Parlament die Ansätze erhöht . Ich erinnere an die Jugendmigrationsdienste - 8 Millionen Euro zusätzlich -, an die Sprachkurse für Flüchtlinge, die studieren wollen - 15 Millionen Euro zusätzlich -, an die Hilfen für schwangere Flüchtlingsfrauen und an die Jugendverbandsarbeit . Im vorliegenden Entwurf ist das wieder herausgenommen worden, aber seien Sie guter Hoffnung, dass wir im parlamentarischen Verfahren sehr kluge Lösungen finden werden. ({2}) Das muss am Anfang einer jeden Haushaltsdebatte bei uns gesagt werden, weil das, was für den Staat gilt, auch für Familien gilt: Wir machen keine neuen Schulden; denn die Schulden, die der Staat macht, genauso wie übrigens die Schulden, die Familien machen, müssen die Kinder tragen . Deswegen ist der eigentlich größte Erfolg für Kinder und Familien, dass die Gesamtneuverschuldung bei null liegt . ({3}) Erwähnt wurde bereits, wie sich der Familienetat seit der Regierungsübernahme durch Frau Merkel verändert hat . Wir sind jetzt bei rund 9,2 Milliarden Euro . Wir hatten 2013 7 Milliarden Euro . Wir kamen von 4,5 Milliarden Euro in 2005 . Das heißt, seit 2005 ist der Etat Norbert Müller ({4}) verdoppelt worden . Geld ist zwar nicht alles, aber im Familienbereich kann Geld unheimlich viel bewirken . Das ist eine Erfolgsgeschichte seit 2005, die wir heute mit der Etatplanung für 2017 fortschreiben . Dabei haben wir als Union immer eines gesagt: Wir wollen Familien stärken, Familien in ihrer Vielfalt stärken, aber Familien insbesondere auch in ihrer Freiheit stärken, so zu leben, wie sie wollen . Die Freiheit der Familien, über ihr Familienmodell zu entscheiden und damit zu entscheiden, wie sie leben, steht bei uns an erster Stelle . ({5}) Wir wollen dabei die Teilhabe von Kindern, von Jugendlichen, von Frauen stärken, den Schwächeren Schutz bieten - das haben wir vor wenigen Wochen mit dem Prostituiertenschutzgesetz bewiesen - und die Entfaltung des Einzelnen insgesamt voranbringen . Es muss eine pragmatische Politik sein, die die Bedarfe und Wünsche der Familien aufnimmt, die aber auch werteorientiert ist . Werte sind nicht Familienmodelle, die man mit 300 Euro gesondert fördert, sondern bei den Werten geht es um Verantwortungsübernahme, darum, Bindungen zu stärken, nicht dem Zeitgeist hinterherzurennen, sondern verbindlich und nachhaltig Verantwortung, Bindung und Freiheit der Familien zu stärken . Deswegen führen wir gern Debatten darüber, wie Familienmodelle sich verändert haben . Es gibt den Vorschlag der Ministerin zur Einführung einer Familienzeit . Dazu hat Nadine Schön schon das Richtige gesagt . Den muss man dann auch finanziell untermauern. Man muss fragen, ob das so vorgesehen war . Man muss auch noch etwas anderes fragen . Wir haben hier über Jahre Debatten geführt, in denen an uns der Vorwurf gerichtet wurde: Mit dem Betreuungsgeld fördert ihr doch ein ganz besonderes Familienmodell . Wenn man das so sieht und wenn man die Freiheit der Familien stärken will, dann würde ich davon abraten, jetzt andere besondere Familienmodelle finanziell zu fördern, zu subventionieren, ({6}) weil gerade das nicht die Freiheit der Familien stärkt . Warum soll eine Familie, in der sich die Mutter freiwillig entscheidet, nur 20 Stunden zu arbeiten, nicht so subventioniert werden wie eine Familie, in der sich die Mutter entscheidet, 26 Stunden zu arbeiten? Noch einmal: Ich bin sehr dafür, dass wir die Freiheit stärken . Wir sollten aber nicht das eine Modell durch das andere ablösen, auch wenn sich gesellschaftliche Veränderungen entwickelt haben . Für uns war in der Debatte um Familienpolitik immer wichtig, dieses berühmte Dreieck zu stärken: Zeit zu generieren für die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familienzeit, die Infrastruktur zu stärken - das ist der Blick auf den Kitaausbau; das ist nicht nur eine familienpolitische Maßnahme, sondern auch eine bildungspolitische und eine integrationspolitische Maßnahme - und die finanzielle Sicherheit der Familien insgesamt zu stärken. Natürlich ist das Elterngeld das Erfolgsmodell in dieser Geschichte, nicht nur deshalb, weil die Zahlen gigantisch sind . Wir haben jetzt 840 000 Familien, die Elterngeld beziehen . Über 12 Prozent der Väter nehmen es in Anspruch . Das ist schon mehr als früher, aber noch zu wenig; daran werden wir arbeiten . Es sind insgesamt 6,2 Milliarden Euro, die dafür zur Verfügung stehen . Dieses Elterngeld hat die Freiheit der Familien massiv gestärkt, zu entscheiden, wie sie die Betreuung im ersten Jahr nach der Geburt des Kindes regeln . Deswegen war es im Übrigen auch richtig, das Elterngeld mit dem Elterngeld Plus auszuweiten . Jetzt ist es klug und richtig, sich Gedanken darüber zu machen, wie wir dieses Modell der Kindertagesbetreuung an besonderen Randzeiten noch stärken können . Der U3-Ausbau ist die zweite große Erfolgsgeschichte . Ich habe es schon gesagt: Es geht nicht nur darum, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken, sondern es geht auch um Bildungsimplikationen, um Sozialisation, um Integration . Deshalb haben wir als Bund diese 5,6 Milliarden Euro in die Hand genommen, um die Angebote baulich auszuweiten . Wir nehmen fast 1 Milliarde Euro - 945 Millionen Euro - in die Hand, um die gestiegenen Betriebskosten der Länder abzudecken . Damit komme ich wieder einmal zu dem Grundproblem bei den Beratungen über einen Haushalt . Das Ganze machen wir, weil es wichtig ist . Aber wir erwarten dann auch von denjenigen, die die originäre Kompetenz in diesen Bereichen haben, dass sie sich einbringen, auch beim Ausbau im Bereich der Kindertagesbetreuung, und dass diese Mittel auch dort landen, wo wir sie vorgesehen haben . ({7}) Die Folge ist: Von den 2,7 Millionen Kindern werden mittlerweile fast 700 000 betreut . Das sind fast 30 Prozent . Das waren 2007 noch 15 Prozent . Wie gesagt: Mit dem Ausbau, auch dem Programm „KitaPlus“, glaube ich, setzen wir sozusagen diesen Schritt fort . Damit kommen wir zu dem Punkt, an dem man sich sozusagen gesellschaftlich überlegen muss: Was brauchen wir eigentlich noch? Es wurde angesprochen: Das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ ist mit 278 Millionen Euro im Jahr 2017 und mit 131 Millionen Euro im Jahr 2016 ein gutes, sinnvolles und wichtiges Programm, weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist . Es ist tatsächlich so: Es geht nicht nur um die Flüchtlinge . Auch viele deutsche Familien, mit Verlaub, können dieses Programm in Kindertagesstätten gut gebrauchen . Ich glaube, wir müssen immer wieder klar betonen: Es gibt kein Kind A und B, sondern es ist ein Programm für die Kinder, die Defizite im Sprachbereich haben. Die brauchen dieses Programm . Das ist richtig gut angelegtes Geld, und das Programm werden wir auch fortsetzen . ({8}) Die Stichworte „Kindergelderhöhung“ und „Kinderzuschlag“ sind schon benannt worden . Wir legen jetzt noch einmal über 40 Millionen Euro drauf . Insgesamt liegen dann die Ausgaben für das Kindergeld und den KinMarcus Weinberg ({9}) derzuschlag beim zuständigen Ministerium bei 594 Millionen Euro . Weiterhin wurde das Thema Alleinerziehende angesprochen . Diese Koalition hat vor einem Jahr beschlossen, dass wir endlich den Entlastungsbeitrag für Alleinerziehende von 1 308 Euro auf 1 908 Euro erhöhen, also um 600 Euro . Zehn Jahre lang ist hier nichts passiert . Sicherlich: Diese Erhöhung kommt zehn Jahre zu spät, aber diese Große Koalition hat sie gemacht . Der gesamte Ausbau im Bereich der Kindertagesstätten dient den Alleinerziehenden . ({10}) Damit, Herr Müller, kommen wir zum wesentlichen Punkt: dem Unterhaltsvorschuss . Dazu muss man sagen, dass wir eine Verteilung zwischen Bund und Ländern haben . Das Erste ist die Rückholquote: Es kann nicht sein, dass wir die säumigen Väter - in der Regel sind es Väter; es können aber auch Mütter sein - so einfach davonkommen lassen . Die müssen zur Kasse gebeten werden . ({11}) Das Zweite ist die Frage, wie das systemisch zu entwickeln ist: Die Kommunen sollen aufgefordert werden, das Geld zurückzuholen, damit sie es dann den Ländern überweisen können . In diesem Zusammenhang, glaube ich, müssen wir auch weiterhin auf eine Verteilung Wert legen - ich sage das, Frau Reimann, weil Sie den Beschluss der SPD-Bundestagsfraktion angesprochen haben -, bei der zwei Drittel die Länder übernehmen und ein Drittel der Bund . Ich weiß nicht, was Frau Kraft gesagt hat, als sie angesprochen wurde, inwieweit sie sich daran finanziell beteiligen will . Ich weiß nicht, was Herr Scholz in Hamburg gesagt hat, inwieweit er sich finanziell beteiligen will . Aber wir können als Bund nicht einfach sagen: Das übernehmen wir jetzt, weil wir das ansonsten nicht hinbekommen. - Wir sind sehr offen dafür. Wir wollen das auch erweitern . Das ist Parteitagsbeschluss der CSU und der CDU . Jawohl, das machen wir, aber wir erwarten auch, dass wir uns zunächst einmal um die Rückholquote kümmern und sehen, wie wir die säumigen Gelder wieder reinholen können . ({12}) Als einer der besonderen Punkte ist sicherlich das gesellschaftliche Engagement zu nennen, das gerade in den letzten zwölf Monaten sichtbar wurde . Das wird auch finanziell weiter unterlegt und weiterhin gestärkt. Ich erinnere an den Bundesfreiwilligendienst und an die, glaube ich, kluge Entscheidung, zu sagen: Wir werden vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise 10 000 zusätzliche Plätze schaffen, die den Flüchtlingen die Chance bieten, sich gesellschaftlich zu engagieren . Auch das ist ja jetzt im Haushalt verankert worden . Auch das war, glaube ich, wichtig . Natürlich wird in den nächsten Wochen darüber debattiert werden, wo wir an der einen oder anderen Stelle noch die Stellschrauben verändern . Ich habe bereits gesagt, dass Jugendverbandsarbeit ein Thema sein wird . Ich glaube, da kriegen wir sicherlich eine gute Lösung hin . Trotzdem muss man natürlich weiter und längerfristig denken, wie man Familienpolitik gestaltet, also die Frage stellen: Welche weiteren Reformvorhaben werden wir brauchen, um die Vielfalt der Familien anzuerkennen und die Vielfalt der Familien insgesamt zu stärken? Das wird sicherlich eine Rolle im aufkommenden Bundestagswahlkampf spielen . Wir in dieser Großen Koalition werden diesen Haushalt jetzt im parlamentarischen Verfahren debattieren und an der einen oder anderen Stelle den bereits guten Entwurf noch etwas besser machen . Dann werden wir sicherlich die Konzepte für das Jahr 2017 und folgende erarbeiten . Nur - das ist eine herzliche Bitte, wir haben vieles im Koalitionsvertrag vereinbart -: Es ist auch eine politische Kultur gefordert, dass man jetzt, zwölf Monate vor der Wahl, nicht mit neuen, finanziell nicht unterlegten Forderungen kommt . Liebe SPD, ich würde mir sehr wünschen, dass wir uns daran halten, was wir abgestimmt haben, was finanziell unterlegt ist, und nicht frühzeitig beginnen, mit Dingen Wahlkampf zu machen, die finanziell noch nicht gesichert sind. Wir haben eine politische Kultur und eine Haltung, dass wir sagen: Das ist vereinbart, und das machen wir auch . Dann sprechen wir über die verschiedenen Konzepte: das Konzept, die Familien in ihrer Freiheit zu stärken, oder das Konzept, mögliche gesellschaftliche Familienmodelle insgesamt zu stärken . Auf jeden Fall freue ich mich auf die gemeinsame Debatte im parlamentarischen Verfahren . Vielen Dank . ({13})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr . Franziska Brantner, Bündnis 90/Die Grünen .

Dr. Franziska Brantner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004255, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bekämpfung der Kinderarmut ist und bleibt unser aller Hauptaufgabe . Wir haben in Deutschland fast 3 Millionen Kinder, die in Armut leben oder von Armut bedroht sind . Nur jedes fünfte Kind aus einer Arbeiterfamilie studiert, aus Akademikerfamilien sind es 70 Prozent . Das sind Daten und Fakten, die für ein reiches Land wie Deutschland einfach nicht hinnehmbar sind . Das ist unsere Aufgabe . ({0}) Es gibt Instrumente, die Aufgabe anzugehen . Aber wir müssen endlich etwas dafür tun, dass diese Hilfen die Familien, die sie erreichen sollen, auch erhalten . Nehmen wir den Kinderzuschlag . Frau Schwesig, Sie haben ihn erwähnt . Seit 2014 wissen wir, wie wenige Familien er erreicht . Wir haben im Sommer noch einmal gefragt: Wie viele Familien erhalten momentan den Marcus Weinberg ({1}) Kinderzuschlag? Es sind nicht einmal 30 Prozent der Anspruchsberechtigten - nicht einmal 30 Prozent! Das heißt, 70 Prozent, die ihn eigentlich brauchten, die de facto in Armut oder mit zu wenig Geld leben, erhalten ihn nicht . Wir wissen, was notwendig ist, um ihn zu verbessern . Was hat das Ministerium geantwortet? Sie „prüfen“, was man machen kann . Frau Schwesig, Sie haben gesagt, die Erhöhung des Kinderzuschlags ist die Bekämpfung von Kinderarmut . Ich kann sagen: Ihre Politik ist ein Armutszeugnis und keine Bekämpfung von Kinderarmut . ({2}) Sie wissen, dass wir besonderen Handlungsbedarf bei den Alleinerziehenden haben; das wurde heute mehrfach erwähnt . Es ist überhaupt nicht vermittelbar, warum ein 13-jähriges Kind keinen Unterhaltsvorschuss mehr erhält oder warum ein Kind, weil sich die Eltern getrennt haben, als es zwei Jahre alt war, nach sechs Jahren keine Unterstützung mehr erhält . Das ist absurd, und das kann man niemandem mehr vermitteln . Jetzt haben Sie, Frau Schwesig, angekündigt, dass Sie das ändern wollen . Die Altersgrenze soll auf das 14 . Lebensjahr angehoben werden . Aber dafür ist noch nicht einmal 1 Cent im Haushalt eingestellt . Das ist doch purer Wahlkampf und keine wirkliche Hilfe für die Alleinerziehenden . Zu Ihnen, Herr Weinberg, darf ich sagen: Ihre Strategie, die Rückholquote zu verbessern und dann mehr Geld zu geben, geht doch zulasten der Kinder . Die Kinder können doch nicht warten, bis wir es schaffen, diese Rückholquote zu verbessern . Wir müssen diesen Wahnsinn jetzt effektiv beenden, die Altersgrenze und auch die Bezugsdauer abschaffen. Das ist das, was jetzt ansteht. ({3}) Frau Schwesig, liebe SPD, Sie haben häufig über den Führerscheinentzug gesprochen . Alle möglichen Übel sollen damit behoben werden . Wir sagen dazu Nein . Das trifft nämlich Menschen sehr unterschiedlich. Wenn ich mit der S-Bahn gut zur Arbeit komme, brauche ich vielleicht keinen Führerschein . Wenn ich aber täglich Auto fahren muss, dann ist das eine existenzgefährdende Entscheidung . Wir wollen nicht Existenzen von Vätern gefährden, sondern wir wollen den Unterhalt vernünftig einziehen . Das ist die Aufgabe, die wir als Gesetzgeber haben . ({4}) Dazu gibt es übrigens in Bayern gute Modelle . Spezialisierte Einheiten der Finanzämter sind dafür zuständig, das Geld zurückzuholen . Seitdem das eingeführt wurde, gibt es wesentlich höhere Rückholquoten . Wir sind der Meinung, hier könnte man einmal von Bayern lernen: Spezialisten bei den Finanzämtern, die sich damit auskennen und es einholen . Hier können wir vorangehen . ({5}) Beim Thema Alleinerziehende möchte ich übrigens darauf hinweisen, dass auch der Mehrbedarf für die Alleinerziehenden im SGB II schon mehrfach angekündigt wurde . Auch davon ist in diesem Haushalt nichts zu lesen . Das sind leere Versprechen, die Sie den Alleinerziehenden gemacht haben . Im Haushalt gibt es dafür keinen einzigen Cent . ({6}) Bei den Kitas stocken Sie auf . Wenn wir aber wissen, dass der Ausbau gerade lahmt, dass wir gleichzeitig viele Kinder, die neu zu uns gekommen sind, integrieren müssen, dass sie die Kitas brauchen, um dort die Sprache zu lernen, und alle davon profitieren, dann sind die Gelder, die dafür eingestellt sind, nicht ausreichend . Daher können und dürfen wir die Kommunen nicht alleinlassen . Das schaffen sie nicht, dabei brauchen sie unsere Unterstützung . Lassen Sie uns das Geld jetzt investieren, bevor es zu Unmut vor Ort kommt und jemand sagt: Ich bekomme keinen Kitaplatz, weil ein Flüchtlingskind den Kitaplatz bekommt . Diesen Streit möchte ich nicht in unserem Land haben, deshalb brauchen wir jetzt diese Gelder für die Kommunen . ({7}) Ein Punkt noch am Ende, der mir am Herzen liegt; denn wir brauchen nicht nur gute Kitas, Schulen und gute Transferleistungen an die Eltern, sondern wir brauchen auch Teilhabe, wie zum Beispiel Kicken im Fußballklub, Ballettunterricht oder ein Musikinstrument zu lernen . Das können Eltern wie wir unseren Kindern ermöglichen; aber es gibt viele, die das nicht können, und dafür gibt es eigentlich das Bildungs- und Teilhabepaket . Es wurde jetzt evaluiert . Die Inanspruchnahme ist so gering . Die Nachhilfe für Kinder nehmen nur 9 Prozent der Berechtigten in Anspruch - 9 Prozent! -, und sie bekommen eh nur die Kinder, die versetzungsgefährdet sind, also dann, wenn es eigentlich ohnehin schon zu spät ist . Wenn das Kind überall Fünfen hat, darf es einen Antrag stellen . Dann ist es aber eigentlich schon zu spät . Das muss doch bedeuten, dass wir das Ganze endlich reformieren . Die Kinder brauchen Nachhilfe, wenn sie noch hilft, um nach vorn zu kommen . Da müssen wir herangehen, genauso wie bei der Frage von Sport oder Musik . Diese Dinge nehmen 20 Prozent der Anspruchsberechtigten wahr, ein Fünftel - das ist nichts . Dies hängt damit zusammen, dass es eine Zettelwirtschaft ist . Die Mutter muss für den Ballettunterricht des Sohnes einen Antrag stellen und für den Klavierunterricht der Tochter einen anderen, und zwar jedes Mal einzeln neu . Diesen Bürokratiewahn müssen wir abschaffen. Stattdessen brauchen wir freie, unbürokratische Angebote in Vereinen, in den Kitas, in den Schulen für die Kinder, damit die Teilhabe endlich gelingen kann . ({8}) Unsere Aufgabe ist, für den sozialen Zusammenhalt in diesem Land zu kämpfen, Gerechtigkeit voranzubringen, Chancen für jedes Kind verwirklichen zu können und keines zurückzulassen . Dafür brauchen wir keinen Wahlkampf, sondern hilfreiche Politik . Ich danke Ihnen . ({9})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Ulrike Gottschalck für die SPD . ({0})

Ulrike Gottschalck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004043, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits im März dieses Jahres hat die Regierung mit dem Eckwertebeschluss wichtige Weichen für unseren Haushaltsetat gestellt, und diesen finden wir nun auch im Haushaltsentwurf wieder . Das Sondervermögen für den Kitaausbau wird um 216 Millionen Euro aufgestockt . Ich denke, das ist kein geringer Betrag, Frau Brantner . Wenn immer gesagt wird, den Kommunen doch noch ein bisschen mehr zu geben, dann möchte ich nur sagen: Bis zum Jahr 2017 werden wir die Kommunen um 30 Milliarden Euro entlastet haben . ({0}) Dadurch bekommen sie Spielräume, um in ihren Kitas ordentliche Arbeit zu leisten - was auch gut und richtig ist . Das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ wird um 150 Millionen Euro aufgestockt - auch dies ist ein immenser Betrag . Die Mittel für das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ werden um 54 Millionen Euro auf insgesamt 104,5 Millionen Euro erhöht . Ich glaube, wir alle hätten uns zu Beginn dieser Legislaturperiode nicht vorstellen können, dass wir das hinbekommen, aber die Zeiten erfordern es eben auch . Nicht nur die Extremisten, egal ob rechts oder links, sondern auch die Salafisten müssen wir in Schach halten . Deshalb ist Prävention immer gut . ({1}) Diese Investitionen kommen allen Familien in Deutschland zugute, und sie dienen dem gesellschaftlichen Zusammenhalt . Der dickste Brocken, das Elterngeld, steigt erneut, und zwar um 200 Millionen Euro auf 6,2 Milliarden Euro . Rund ein Jahr nach der Einführung des Elterngeld Plus kann man sagen: Klasse, wir haben mit dem Elterngeld Plus den Nerv der Eltern getroffen, insbesondere die Ministerin, von der die Initiative ausging . Herzlichen Glückwunsch! Das Geld kommt gut an, es wirkt . Wir haben es gehört: Wir bekommen auch wieder mehr Kinder . ({2}) - Ich habe schon drei . ({3}) Zu den Initiativen von Frau Ministerin - um bei diesem Thema zu bleiben -: ({4}) Es gab die Initiative zum Elterngeld Plus, sie hat auch im privaten Bereich Initiative ergriffen, wir haben jetzt eine weitere Initiative der Ministerin betreffend den Unterhaltsvorschuss. Ich finde, das ist eine sehr wichtige Initiative; denn Kinder kosten eben auch nach dem zwölften Lebensjahr viel Geld . Meine Damen und Herren, ich bin der Auffassung ich denke, gemeinsam mit der Union -, dass Väter Verantwortung tragen müssen . Wer A sagt, der muss auch -limente sagen . ({5}) Deshalb müssen wir schon sehen, dass wir diese Kohle wieder reinbekommen . Ich persönlich - ich sage das, auch wenn ich weiß, dass ich dann viele böse Zuschriften kriege - hätte nichts dagegen, da durchaus über Führerscheinentzug nachzudenken; denn das bringt die Jungs dann doch schon einmal zum Nachdenken . Meine sehr geehrten Damen und Herren, gut am Entwurf ist auch, dass wir den Bundesfreiwilligendienst mit Flüchtlingsbezug weiter stärken können - die Mittel für das entsprechende Sonderprogramm werden auf 33 Millionen Euro erhöht - und die Mittel für die Engagementpolitik in Höhe von 10 Millionen Euro verstetigt werden können . Aber ich würde mir wünschen, dass wir auch bei den anderen Freiwilligendiensten vielleicht noch einmal schauen, ob wir da nicht auch noch eine Schippe drauflegen können . ({6}) Weniger gut ist allerdings, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass uns gerade im Integrationsbereich wichtige Mittel abhandengekommen sind . Wenn ich noch einmal die Reden von Herrn Schäuble vorgestern und von Kanzlerin Merkel gestern Revue passieren lasse, dann muss ich einfach sagen: Es muss sich um ein riesengroßes Missverständnis handeln . ({7}) Herr Schäuble hat gesagt: „Wir müssen jetzt beweisen, dass die Integration der … Flüchtlinge gelingen kann“ . Wenn wir alles dafür tun wollen, dass wir Menschen, die in höchster Not zu uns geflüchtet sind, hier integrieren, dann können wir nicht ernsthaft 8 Millionen Euro bei den Jugendmigrationsdiensten, 15 Millionen Euro bei den Sprachkursen und 8 Millionen Euro bei den Wohlfahrtsverbänden kürzen . ({8}) Ich bin wirklich froh, dass wir erneut einen Haushalt ohne Neuverschuldung haben, aber auf Nachhaltigkeit muss auch geachtet werden . Ich kann mir das eigentlich nur so erklären - insbesondere weil ich die Reden von Kanzlerin Merkel und Herrn Schäuble gehört habe -, dass es einige Büroklammern gab, die im vorauseilenden Gehorsam so viel von diesem Schwarze-Nullen-Grützebrei aufgelöffelt haben, dass sie nicht mehr über den Tellerrand schauen können . ({9}) Das könnte uns aber volkswirtschaftlich teuer zu stehen kommen . Wir haben diese Punkte letztes Jahr im Haushaltsausschuss und auch im Parlament in großer Einmütigkeit aufgesattelt und sie mit einer hohen Priorität versehen . Deswegen kann ich nicht verstehen, warum sie sich im Entwurf nicht wiederfinden. ({10}) Nun werden Frau Dörner und einige andere gleich wieder sagen: Ja, aber warum hat die Ministerin zugestimmt? ({11}) Ich sage mal: Wir haben auch sehr viel Licht in unserem Haushalt . Deshalb muss man da natürlich zustimmen . Es gibt aber noch zwei weitere Prioritäten, die uns Haushältern fehlen . Dazu wird Kollege Alois Rainer sicherlich gleich etwas ausführen. Das betrifft zum einen die Mehrgenerationenhäuser . 300 000 Euro nicht fortzuschreiben, finde ich bei einem Haushalt mit einem Volumen von über 300 Milliarden Euro schon ein bisschen sehr knickerig . Zum anderen betrifft es die Jugendverbände. Sie leisten eine hervorragende Arbeit - das kann man wirklich sagen -, ({12}) angefangen beim Bundesjugendring über die Trachtenjugend bis hin zu den Falken . ({13}) Es wird einfach hervorragende Jugendarbeit gemacht . Junge Leute werden zum Ehrenamt angeleitet . Wir sollten gemeinsam alles unternehmen, um den Entwurf - genau so, wie es auch Herr Weinberg gesagt hat - noch zu optimieren . Ich denke, gemeinsam wird uns das gelingen . Der Opposition empfehle ich: Arbeiten Sie konstruktiv mit! Dann wird das auch klappen . ({14}) Wir Familienpolitiker werden den Haushaltsentwurf sicherlich noch in unserem Sinne verändern können . Vielen Dank . ({15})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Für die CDU/CSU spricht jetzt die Kollegin Sylvia Pantel . ({0})

Sylvia Pantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004370, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Familienpolitik ist Gesellschaftspolitik, darüber haben wir hier mehrfach diskutiert . Dass Familienpolitik das Fundament einer funktionierenden Gesellschaft ist, darüber sind wir uns alle einig . Meine Vorredner haben schon darauf hingewiesen, was das Parlament alles für die Familien tut und wie viel Geld wir in die Familien investieren . Wir haben in den vergangenen drei Jahren viele positive Entwicklungen auf den Weg gebracht . Ich möchte mich an dieser Stelle - auch wenn es gerade vielleicht nicht ganz so passt - bei unserem Koalitionspartner für die sehr gute Zusammenarbeit in den letzten drei Jahren an der einen oder anderen Stelle bedanken . ({0}) - Ja . - Gerade in Anbetracht der Wahlkampfrhetorik, die wir alle in den vergangenen Wochen gehört haben, ist es umso wichtiger, die vielen positiven Gesetze, die wir für unsere Familien geschaffen haben, zu benennen. Wir haben noch nie so viel Geld in den Familienhaushalt eingestellt wie jetzt . Unser Land erlebt einige gewaltige gesellschaftliche Veränderungen . Arbeitswelten, Familienbilder, Flüchtlingsströme - unser Alltag ändert sich . Wie die Zukunft der Familien aussehen soll, darüber gehen unsere Vorstellungen hier im Saal sehr wohl auseinander . Es ist nicht Aufgabe des Staates und damit der Familienpolitik, Menschen vorzuschreiben, wie sie leben sollen . Wir wollen Wahlfreiheit ermöglichen und die Schwachen schützen, die sich nicht um sich selbst kümmern können oder in Not geraten sind . Familienpolitik in Deutschland muss für die Menschen die richtigen Start- und Rahmenbedingungen schaffen, damit sie so leben können, wie es für die jeweilige Familie richtig ist . Da haben Sie, Frau Schwesig, unsere Familienpolitik eben sehr gut dargestellt . Auch die Shell-Studie hat wieder gezeigt, wie sehr sich die jungen Menschen in unserem Land nach Familie und Stabilität sehnen . 91 Prozent der Befragten stellen Vereinbarkeit von Familie und Beruf über ihre eigene Karriere . Die Studie zeigt ganz klar, dass sich viele junge Menschen nach einer Familie sehnen . Die Deutschen wollen wieder mehr Kinder bekommen . Die Geburtenzahlen steigen; Frau Schwesig, Sie hatten das eben schon gesagt . Wir konnten uns schon im Jahr 2014 gegenüber dem Vorjahr über ein Plus von 32 000 Geburten freuen . Im Jahr 2015 gab es eine erneute Steigerung von 22 000 Geburten . Das ist ein Zeichen dafür, wie gut unsere Familienpolitik ist . Wir können klar feststellen, dass seit dem Jahr 2000 die Geburtenzahlen permanent steigen . Wir Parlamentarier müssen dafür Sorge tragen, dass unsere jungen Menschen in Deutschland den Wunsch nach Familie und Kindern in die Tat umsetzen können . Wir müssen aber auch die Kosten im Blick behalten . Den nachfolgenden Generationen dürfen wir keine Schuldenberge hinterlassen . ({1}) Deshalb beurteile ich die schwarze Null etwas anders als mancher hier . ({2}) Auch das beinhaltet gute Familienpolitik, damit man nicht mit einem schlechten Erbe in die Zukunft blicken muss . Deshalb legen wir wieder einen Haushalt ohne Neuverschuldung auf . ({3}) Wir setzen super Akzente . ({4}) Wenn wir hier im Plenum in dieser Woche über den Haushalt für das kommende Jahr sprechen, dann gerät manchmal in den Hintergrund, dass jeder Euro, den wir hier verplanen, von den Menschen in unserem Land erst einmal erwirtschaftet werden muss . Wir geben 9,2 Milliarden Euro in diesem Jahr für unsere Familien aus . Dass das nur geht, weil wir eine gute Wirtschafts- und Arbeitsmarktsituation haben, das sollte man hierbei bitte nicht vergessen . Die Ausgaben des Einzelplans 17 sind zum einen fixe Leistungen, deren Höhe sich aus Bedarf und langfristiger Planung ergibt, und zum anderen die Ausgaben für Kinder- und Jugendarbeit oder für die Zivilgesellschaft, die der Bund ebenfalls aus den Mitteln des Familienministeriums fördert . Zuerst ein Blick auf die gesetzlichen Leistungen . Diese Leistungen machen den größten Anteil des Haushalts aus und sind mit 7,4 Milliarden Euro veranschlagt . Neben Kindergeld und Kinderzuschlag fällt darunter zum Beispiel das Elterngeld . Immer mehr Familien nutzen die Vorzüge der gemeinsamen Erziehungszeit und nehmen das Elterngeld oder das Elterngeld Plus in Anspruch . Für 2017 rechnen wir daher mit 6,2 Milliarden Euro und sichern dadurch mehr Flexibilität für Familien . Ebenfalls unter die gesetzlichen Leistungen fallen die Unterhaltsvorauszahlungen, mit denen wir dafür sorgen, dass Alleinerziehende nicht in existenzbedrohende Nöte geraten, weil sie unter der fehlenden oder schlechten Zahlungsmoral des anderen Elternteils leiden . Das heißt natürlich nicht - das haben eben schon einige ausgeführt -, dass das andere Elternteil, das eigentlich die Sorge für den Unterhalt tragen müsste, sich dadurch seiner Verpflichtungen entziehen kann. Wir müssen Strategien entwickeln, um hier an höhere Quoten zu kommen . Die zweite große Gruppe der Leistungen sind all jene Maßnahmen, die unsere Gesellschaft stärken . Da ist zum Beispiel der Bundesfreiwilligendienst, den wir mit über 200 Millionen Euro finanzieren. Ein anderes Beispiel für gute Investitionen in unsere Gesellschaft sind die Mittel für das Bundesprogramm „SprachKitas“ . Auch Länder und Kommunen - ich bitte, das nicht zu vergessen - haben hohe Steuereinnahmen . Dennoch sind wir dem vielfachen Wunsch nachgekommen, zu helfen und mehr in die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher zu investieren. Nachdem wir diese Qualifizierungsoffensive 2017 um weitere 150 Millionen Euro aufgestockt haben, werden insgesamt 278 Millionen Euro zur Förderung der Qualifizierung von Erzieherinnen und Erziehern ausgegeben . Allein in meinem Wahlkreis in Düsseldorf habe ich 33 Kindertagesstätten, die an diesem Programm teilnehmen . An dieser Stelle möchte ich auf das eingehen, was zum Bundesteilhabegesetz gesagt worden ist: Bei uns ist es so, dass die Kinder sehr wohl an Musikunterricht und anderen Aktivitäten teilnehmen, weil die Schulen, die Kitas und auch die Sportvereine in der Lage sind, die Formulare auszufüllen, damit man an das Geld kommt . Es ist besonders erfreulich, dass wir eine sichere Finanzierung der Mehrgenerationenhäuser erreicht haben . Ich weiß, dass wir uns am Anfang dieser Legislaturperiode bemüht haben, überhaupt die bereits bestehenden Mehrgenerationenhäuser zu sichern . Jetzt sind insgesamt 14 Millionen Euro für 2017 eingeplant . Mir ist wichtig, dass wir die Finanzierung der Mehrgenerationenhäuser nicht nur langfristig sicherstellen, sondern auch ausbauen können . Wir sind uns alle darüber im Klaren, dass wir hier mit wenig Mitteln ein riesiges, auch ehrenamtliches Engagement ins Rollen gebracht haben und die Mehrgenerationenhäuser eine wirklich sehr gute Arbeit leisten . ({5}) Außerdem müssen wir Hilfsangebote für diejenigen sicherstellen, die eine helfende Hand benötigen . Dank der Finanzierung durch das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben zum Beispiel wird die so wichtige Hotline „Gewalt gegen Frauen“ gesichert . Auch die Förderung der Beratungsstellen hat Leben gerettet . 240 Kinder kamen seit Mai 2014 im Zuge der vertraulichen Geburt auf die Welt . Dass wir dafür die Kosten übernehmen, rettet Kinderleben . Ich bin wirklich stolz, dass dieses Programm so erfolgreich ist . ({6}) In meinem Umfeld, also in der Region Düsseldorf - ich habe nachgefragt -, gibt es nicht einen Säugling, der ausgesetzt wurde oder ums Leben gekommen ist . Mit diesem Programm retten wir wirklich Kinderleben . ({7}) Genauso wichtig sind die Beratungsangebote von Donum Vitae . Ich werde mich dafür einsetzen, dass unsere Vereinbarung zur Finanzierung umgesetzt wird und hier nicht vom Ministerium am falschen Ende gespart wird . Das Gleiche gilt für den Bundesjugendring, der eine tolle ehrenamtliche Arbeit leistet . Es ist schön, dass das hier allgemeiner Konsens ist . Viele dieser kleinen Ausgaben bemerken die Bürger häufig nicht bewusst, aber sie sind wichtig, weil sie dafür sorgen, dass Menschen in Not geholfen wird . Außerdem unterstützen wir damit ehrenamtliches Engagement . An dieser Stelle möchte ich aber auch offen Kritik äußern, wo ich meine, dass es nicht gut läuft . Ich halte das Programm „Demokratie leben!“ für wichtig, aber für zum Teil schlecht oder falsch umgesetzt . Es ist richtig und wichtig, dass wir Projekte und Maßnahmen fördern, die besonders jungen Menschen ein demokratisches Miteinander näherbringen . Es ist wichtig und richtig, dass wir politische Bildung fördern und Initiativen unterstützen, die sich gegen Extremismus, religiösen Fanatismus und Gewalt richten . Da ist es unerheblich, ob jemand wegen rechter oder linker Gewalt verletzt wird . Extremismus an sich ist von uns zu bekämpfen . ({8}) Die aktuelle Umsetzung ist aber fehlerhaft und undurchsichtig . Niemand weiß genau, was mit den Mitteln des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ letzten Endes unterstützt wird . Durch die Presse gingen Fälle, in denen es hieß, dass im Rahmen von Anti-Salafismus-Projekten Vereine unterstützt wurden, die nachweislich eher zur islamistischen Radikalisierung beitragen, als dass sie Toleranz und Verständnis fördern . In Norddeutschland bekommt sogar die DITIB Geld vom Familienministerium, um Islamfeindlichkeit zu bekämpfen . Wir reden seit langem darüber, dass es nicht sein darf, dass die türkische Regierung über die DITIB Einfluss auf Deutschlands Zivilgesellschaft erlangt . Dann erfahre ich, dass das Familienministerium über 250 000 Euro an DITIB-Vereine überwiesen hat . Aber nicht nur der politische Islam ist eine Bedrohung für unsere Gesellschaft . Denken Sie nur an die brennenden Autos in Berlin und an die angezündeten Wahlkampfbusse . Hier wurden CDU- und SPD-Politiker gleichsam Opfer . Wir wollen Jugendliche für Politik begeistern, nicht für politische Gewalt . ({9}) Auch kann das Ministerium derzeit nicht nachvollziehen, wo Geld bei Projekten dubioser Antifa-Gruppen versackt . Da werden dann auch schon einmal Aktivisten der Antifa zu Demos und Blockaden durch die Republik gefahren, oder sie trainieren, wie man am besten Widerstand gegen Polizeimaßnahmen leistet . Wie erklären wir das den Polizisten, die jeden Tag den Kopf für uns hinhalten? Das ist bestimmt nicht im Sinne des Programms . Für mich gibt es nur eine Konsequenz aus diesen Erkenntnissen: In Zukunft muss die Verwaltung überprüfen, wer welche Förderung bekommt . Aufgabe des Ministeriums ist es daher, nun Prozesse zu entwickeln, bei denen nicht nur genauer hingeschaut wird, bevor Gelder überwiesen werden,

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Frau Kollegin, Sie denken an die vereinbarte Redezeit?

Sylvia Pantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004370, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

- ja -, sondern auch, wofür die Gelder im Rahmen der Projekte am Ende ausgegeben wurden . Meine Damen und Herren Kollegen, Ihnen liegt ein guter Haushaltsentwurf für den Einzelplan 17 vor . Die familienpolitischen Akzente helfen dabei, den richtigen Weg für die Familien zu finden. Wir werden unsere Schwerpunkte setzen und in den Beratungen darauf hinwirken, dass die Dinge, die unserer Meinung nach fehlen, noch einfließen. Ich bin gespannt bzw. freue mich auf eine gute Beratung . Herzlichen Dank . ({0})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Der Kollege Sönke Rix spricht jetzt für die SPD . ({0})

Sönke Rix (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003830, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne mit dem, womit ich eigentlich enden wollte, nämlich mit lobenden Worten für diejenigen, die sich für Demokratie einsetzen. Ich finde, es ist nicht richtig, wenn wir an dieser Stelle, ohne Ross und Reiter zu benennen, so tun, als ob Gelder direkt vom Familienministerium an irgendwelche verbotenen Organisationen oder für Gewaltaktionen ausgegeben würden . ({0}) Das ist einfach nicht richtig, und das ist auch nicht wahr . Es gibt keine direkten Mittel vom Familienministerium an irgendwelche verbotenen Vereinigungen oder für verbotene Aktionen . Das weise ich hier mit Entschiedenheit zurück, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({1}) Viel wichtiger ist es, denjenigen Dank zu sagen, die sich ehrenamtlich in der Zivilgesellschaft für Demokratie einsetzen . Das ist keine Selbstverständlichkeit . Frau Pantel, Sie haben gerade eben selbst gesagt: Auch wir bzw . unsere Parteien, die sich mit Vehemenz für die Demokratie einsetzen - zumindest diejenigen, die hier im Bundestag vertreten sind -, leiden gerade in den Wahlkämpfen unter Gewalt . All denjenigen, die sich außerhalb von Parteien für Demokratie und Toleranz einsetzen, gilt der Dank des ganzen Hauses . ({2}) Deshalb ist es nur richtig, dass wir diese Mittel endlich erhöht haben, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({3}) Das tun wir übrigens nicht nur, weil wir gerade durch die Zuwanderung die eine oder andere neue Herausforderung haben, sondern auch, weil es einen gemeinsamen Beschluss dieses Hauses dazu gibt . Wir haben, als wir den NSU-Bericht entgegengenommen haben, gemeinsam fraktionsübergreifend beschlossen, dass wir die Mittel für die Demokratieförderung ganz deutlich und drastisch erhöhen wollen . Dazu sollte auch die Union stehen . Ich finde, da ist eher noch ein bisschen mehr zu erwarten, als dass wir uns damit schon jetzt zufriedengeben sollten, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({4}) Ich möchte an dieser Stelle die Debatte über die Entlastung und Unterstützung von Familien aufgreifen . Es ging um die Fragen, wann wir das machen und ob wir nur das tun, was im Koalitionsvertrag steht, oder vielleicht auch das eine oder andere tun, was sich im Laufe der letzten vier Jahre, also nachdem der Koalitionsvertrag verfasst worden ist, ergeben hat; es ist ja nicht immer alles vorhersehbar . Wir haben alle gemeinsam an dieser Debatte hier gesehen, wie wichtig es ist, Alleinerziehende zu unterstützen . Wir haben alle hier gemeinsam auch deutlich gemacht, wie wichtig es ist, dass sie diesen Unterhaltsvorschuss bekommen . Dann ist es doch nur folgerichtig, wenn die Ministerin dazu auch Vorschläge unterbreitet, die wir dann gemeinsam miteinander verhandeln, als Erstes innerhalb der Koalition, liebe Grünen und liebe Linke, und dann, wenn wir uns da gemeinsam auf den Weg gemacht haben, auch mit dem Rest des Hauses, was diesen Haushalt angeht . Wir auf jeden Fall werden den Unterhaltsvorschuss in den Haushaltsberatungen thematisieren und wollen da auch etwas erreichen . ({5}) Auch Herr Schäuble hat ja Entlastungen und Unterstützung für Familien angekündigt, zwar erst für die nächste Wahlperiode. Aber ich finde, das kann man auch schon in dieser Wahlperiode machen . Das gehört auch zu dem Thema: ankündigen und dann nicht umsetzen . Das können wir auch jetzt schon gemeinsam machen . Dann ist in der Debatte die SGB-VIII-Reform angesprochen worden . Ich glaube, hinter der inklusiven Lösung stehen wir auch alle gemeinsam . Wir haben sie jahrelang immer wieder in allen Reden vorgetragen . Aber natürlich kommt es hier auf die Umsetzung an . In der Zielsetzung sind wir uns einig . Das, was wir an Eckpunkten im Moment auch aus dem Ministerium kennen, geht absolut in die richtige Richtung . Aber es kommt da auf die genaue Formulierung im Gesetzestext an . Da gibt es bis jetzt nur Arbeitsentwürfe . Ich will hier für die SPD-Fraktion ganz deutlich machen: Mit uns wird es keine Standardabsenkung in der Kinder- und Jugendhilfe geben, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({6}) Wir haben in dieser Wahlperiode noch mehr gemeinsam vor . Auf unserer Tagesordnung steht nämlich noch die Lohngerechtigkeit, das Lohnentgeltgleichheitsgesetz . Das liegt im Moment noch im Kanzleramt . Auf anderen Ebenen wird dazu noch beraten. Ich finde, es liegt viel zu lange da . ({7}) - Nein, das ist in der Frühkoordinierung . Wir haben das ja schon thematisiert, als wir den Koalitionsvertrag miteinander formuliert haben . Das Problem ist also nicht neu . Von daher sollten die Lösungsvorschläge, die da sind, auch ganz schnell umgesetzt werden . Aber ich sage auch an dieser Stelle für die SPD-Fraktion: Wir machen nicht irgendein Gesetz mit, sondern nur ein Gesetz, das wirklich dazu beiträgt, dass gleicher Lohn für gleiche Arbeit gilt . ({8}) Insgesamt haben viele Redner das Struck’sche Gesetz betont . Nicht alles, was die Regierung an dieser Stelle vorgelegt hat, ist schon perfekt . Aber es gibt ja uns, das Parlament . Wir werden es noch perfekter machen . Wir werden natürlich noch einmal gucken, wie wir mit Jugendmigrationsdiensten bzw . mit der Situation von Jugendverbänden umgehen . Da müssen wir als Parlament noch mal wieder als Korrektiv wirken . Das sind wir vielleicht schon gewohnt. Ich hoffe dennoch, dass es beim nächsten Mal dann auch klappt, ({9}) dass, wenn das Parlament zwei- oder dreimal hintereinander Erhöhungen beschließt, die Regierung dann auch erkennt: Okay, wir müssen nicht jedes Mal das Parlament wieder tätig werden lassen, sondern es steht gleich im Entwurf richtig drin . Aber wir übernehmen auch an dieser Stelle die Arbeit . Ich freue mich auf die Debatten in den Ausschüssen und auch auf die zweite Debatte hierzu im Plenum . Herzlichen Dank . ({10})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Abschließender Redner zu diesem Geschäftsbereich ist der Kollege Alois Rainer für die CDU/CSU . ({0})

Alois Rainer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004384, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu den wesentlichen Zielen der Familienpolitik gehört es, Familien und Kinder wirksam zu unterstützen und zu fördern . Da es uns derzeit wirtschaftlich sehr gut geht, können wir und werden wir investieren, und zwar investieren wir nicht nur in Straßen, was auch wichtig ist, sondern wir investieren unter anderem in die Menschen und Familien in unserem Land, in Deutschland . Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist der richtige Weg . Ich werde etwas kürzer sprechen . Ich habe eine Minute abgezogen bekommen, was ich angesichts des schönen Abends auch verstehe . ({0}) Deshalb kürzen wir das ein bisschen ein und machen wir es ein bisschen flotter. Den Haushaltsansatz haben wir schon oft gehört . Ich will nur einmal auf die Erhöhung gegenüber dem Vorjahr hinweisen . Circa 650 Millionen Euro haben wir mehr zur Verfügung, wenn man das Betreuungsgeld dementsprechend mit berücksichtigt . Die größte Position im Familienetat nimmt wie jedes Jahr das Elterngeld mit einer Höhe von 6,2 Milliarden Euro ein . Das ist eine weitere Erhöhung gegenüber dem Vorjahr um 200 Millionen Euro . Insbesondere die Einführung des Elterngeld Plus und des Partnerschaftsbonus wird von den Familien gut angenommen . Aber nicht nur das Elterngeld Plus, sondern auch die steigende Geburtenrate sowie die aktive Väterbeteiligung und die positive Entwicklung der Nettolöhne führten zu einer Anpassung des Elterngeldes . Meine sehr verehrten Damen und Herren, vorhin ist kurz über den Kinderzuschlag gesprochen worden . Es ist zu wenig - klar, liebe Frau Kollegin Brantner, es ist immer zu wenig -, aber wenn ich den Gesamtansatz sehe, der um 20 Millionen Euro erhöht worden ist, stelle ich fest: Wir bewegen uns hier bei 405 Millionen Euro im Jahr 2017 . Das ist ein ordentlicher Betrag, der sich sehen lassen kann . Heute ist schon viel über das Unterhaltsvorschussgesetz gesprochen worden . Auch hier ist der Ansatz erhöht worden, nämlich um 15 Millionen Euro . Das hängt mit der Anhebung des Mindestunterhalts für Kinder zusammen . Lassen Sie mich aber etwas Grundsätzliches dazu sagen: Die Zahlung eines Mindestunterhalts für ihr Kind ist meines Erachtens das Mindeste, was Unterhaltspflichtige leisten sollten . 50 Prozent Nichtzahler sind in meinen Augen nicht akzeptabel . Das geht so nicht . ({1}) Dass hier Verbesserungen her müssen, ist auch klar und unstrittig . Es soll hier aber kein Diskussionsverbot bestehen; man diskutiert natürlich gerne darüber . Man kann über die Dauer und auch über eine Verschiebung diskutieren . Man kann darüber diskutieren, ob man die Dauer so belässt und das relevante Alter ändert . Das werden die Familienpolitiker zur rechten Zeit miteinander ausmachen . Wir müssen nur auch darüber nachdenken, ob das Geld dafür überhaupt vorhanden ist; denn wir sprechen nicht nur von Bundesgeld, sondern auch von Ländergeld und von Geld der Kommunen . Wir brauchen hier also zuerst einmal auch die Zustimmung des Bundesrates, und hier bin ich am Ende der Tage wirklich gespannt, was passiert, wenn wir nicht mehr über 50 Millionen Euro mehr reden, die dort zur Verfügung gestellt werden müssen, sondern über viel mehr . Ich bin wirklich gespannt, was dabei am Ende des Tages herauskommt . In diesem Zusammenhang muss zwingend auch über die Rückholquote diskutiert werden . Ich bin überzeugt, dass mehr zu holen ist . Ich habe es mir vorhin angeschaut - liebe Frau Brantner, vielen Dank, dass Sie Bayern gelobt haben -: In Bayern beträgt die Rückholquote circa 30 Prozent, in Bremen liegt sie bei 11 Prozent . Das ist die Spanne in Deutschland . Der Durchschnitt in ganz Deutschland liegt momentan bei 23 Prozent . Das ist okay, aber es wäre noch viel mehr möglich . Ich habe aber auch Verständnis für die Kreis- und Stadtverwaltungen . Wenn sie das Geld mit ihrem Personal zurückholen sollten, dann bleiben sie auf den Personalkosten sitzen und haben nichts davon . Auch das sollte und muss meines Erachtens diskutiert werden . Wir dürfen die Unterhaltspflichtigen, die zahlen könnten, nicht einfach außen vor lassen . Es gibt gute Möglichkeiten, zum Beispiel das sogenannte Kontenabrufverfahren, das mit Wirkung zum 1 . Juli 2013 durch dieses Haus eingeführt worden ist . Nur der Hinweis darauf wirkt zum Teil schon Wunder . - Wie gesagt: Es gibt etwas zu tun . Als Haushaltspolitiker freut man sich, wenn der Regierungsentwurf kommt . Manchmal ist man ein Stück weit überrascht, wenn er dann kommt . Am meisten war ich aber beim Bundesprogramm „Demokratie leben!“ überrascht . Meine Kollegen wissen, wie ich dazu stehe . Ich habe kein großes Problem damit - in keinster Weise -, aber wenn die Mittel von 30 Millionen Euro - das ist der Status quo - auf 104 Millionen Euro erhöht werden - das sind also 74 Millionen Euro mehr -, dann ist das schon ordentlich . Liebe Frau Ministerin, dieses Programm muss man dann auch entsprechend mit Leben erfüllen . Ich werde mich heute hüten, groß über den Linksextremismus zu referieren, weil in diesem Zusammenhang fast nur der Rechtsextremismus angesprochen wird, aber ein Programm im Umfang von 104 Millionen Euro muss mit Leben erfüllt werden . Von den 50 Millionen Euro, die dieses Jahr zur Verfügung standen, haben wir bis dato nur 20,5 Millionen Euro ausgegeben . Ich bin davon überzeugt, dass wir hier etwas tun müssen, nicht nur wegen der aktuellen Situation . Wir wollen keinen Extremismus - sei es Linksextremismus, Rechtsextremismus, Salafismus oder ein anderer Extremismus - in unserem Land . Das will kein Mensch . Dem müssen wir präventiv entgegenwirken, aber mit den richtigen Programmen . ({2}) Die Kollegin Pantel hat vorhin einige Dinge angesprochen . Ich bitte das Ministerium, das zu prüfen und klarzustellen, dass so etwas nicht vorkommt; denn wir wollen diesen Eindruck ja nicht bestärken . Dann ist man mit Sicherheit auf dem richtigen Weg, und dann kann dieses Geld auch zielführend und zielbringend eingesetzt werden . Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch eins ansprechen, was wichtig ist: die Unterstützung der Kindertagesstätten . Auch hierfür sind Milliarden ausgegeben worden . Ich bringe gerne das Beispiel aus Bayern: das Programm Kinderbetreuungsfinanzierung 2013-2014, mit einer Bundesförderung von 580 Millionen Euro ausgestattet . Allein in Bayern wurden 940 Millionen Euro an Landesmitteln investiert . Wenn man die Bundesförderung von 90 Millionen Euro in Bayern dazurechnet, dann sind wir bei über 1 Milliarde Euro . Insgesamt wurden in dieses Programm in Deutschland 2,6 Milliarden Euro investiert, davon über 1 Milliarde Euro in Bayern . Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich eine Empfehlung aussprechen . Es gibt eine schöne Liste, die Sie sich einmal anschauen sollten . Darauf steht, wie viele Länder eigene Mittel eingesetzt haben . Das ist eigentlich eine klassische Länderaufgabe . ({3}) Der Bund zahlt . Das ist gut so . Wir haben die Plätze festgelegt, weil es eben eine klassische Länderaufgabe ist . Ich möchte hier nicht die Namen der anderen Bundesländer vorlesen, ich will niemanden diskriminieren, das geht eigentlich nicht . ({4}) Aber das wäre sehr gut machbar . Es gibt mit Bayern nur vier Länder, die mehr an Landesmitteln einsetzen, als sie an Bundesmitteln erhalten . Bayern habe ich schon angesprochen . Hessen, Saarland und Schleswig-Holstein ({5}) setzen etwas mehr Landesmittel ein . Es gibt auch Länder, die überhaupt keine Landesmittel mehr einsetzen . Liebe Freunde, das geht so nicht . Da muss man nacharbeiten . ({6}) Ich bin auch bei der Betriebsmittelförderung dabei . Aber da muss man wissen, dass über die Umsatzsteuerpunkte mittlerweile 945 Millionen Euro an die Kommunen als Betriebsmittelförderung ergehen . Das ist nicht wenig . Ich lasse es auch nicht gelten, wenn man sagt, dass die Kitagebühren Familien in die Armut treiben . Das wird so nicht der Fall sein . Wir müssen die Kita nicht kostenlos machen . Meine Damen und Herren, zum Abschluss noch mein Lieblingsthema: die Mehrgenerationenhäuser . Liebe Uli Gottschalck, lieber Kollege Leutert - die andere Kollegin ist nicht da -, ich bin überzeugt - so selbstbewusst müssen wir Parlamentarier sein -: Das schaffen wir wieder. ({7}) Die Probleme mit den verschiedenen Kürzungen sind heute angesprochen worden, etwa im KJP oder bei den Sprachkursen . Der Haushaltsgesetzgeber ist das Parlament . Wir haben jetzt einige Wochen Zeit, zu diskutieren . Wir werden das ausdiskutieren . Ich bin überzeugt, dass wir am Ende der Tage eine gute Lösung für unseren Nachwuchs, für die Familien, Frauen, Jugend und Senioren erreichen werden . Ich freue mich auf die kommenden Beratungen und wünsche Ihnen heute einen sehr angenehmen Abend . Danke schön . ({8})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Vielen Dank . - Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen mir nicht vor . Damit sind wir am Schluss unserer heutigen Tagesordnung . Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für morgen, Freitag, den 9 . September 2016, 9 Uhr, ein . Kommen Sie gut und wohlbehalten wieder . Die Sitzung ist geschlossen .